Kunst auf Sendung: Zur Analyse und Vermittlung von Radiokunst 9783839443781

The volume lays the foundation for a methodologically sound and theoretically reflected analysis and presentation of rad

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Kunst auf Sendung: Zur Analyse und Vermittlung von Radiokunst
 9783839443781

Table of contents :
Impressum
Inhaltsverzeichnis
Dank
1 Einleitung
1.1 Radio und Radiokunst
1.2 Forschungsstand
1.3 Fragen und Vorgehen
2 Entwicklung eines Analysemodells für Radiokunst
2.1 Methodische Ansätze
2.2 Analysemodell zur Untersuchung von Radiokunst
3 Exemplarische Analyse radiophoner Arbeiten
3.1 Die Sendereihe Kunstradio – Radiokunst
3.2 Analyse des Projekts Schlafradio von Norbert Math
3.3 Analyse der Arbeit Nacht. Stimme. Zerstreuung. von LIGNA
3.4 Vergleichende Analyse
4 Schlüsselkategorien für die Vermittlung von Radiokunst
4.1 Stimme
4.2 Raum
4.3 Zeit
4.4 HörerInnen als ProduzentInnen
4.5 Resümee
5 Vermittlungsgrundlagen von Radiokunst im musealen Kontext
5.1 Der Begriff der Kunstvermittlung im aktuellen Diskurs
5.2 Kritische Kunstvermittlung
5.3 Künstlerische Kunstvermittlung
5.4 Performative Kunstvermittlung
5.5 Partizipative Kunstvermittlung
5.6 Resümee
6 Evaluation musealer Vermittlung von Radiokunst
6.1 Ausstellung Über das Radio hinaus. 25 Jahre Kunstradio – Radiokunst
6.2 Fragestellung und methodisches Vorgehen
6.3 Auswertung der Textbeiträge
6.4 Auswertung der Bildbeiträge
6.5 Resümee
7 Zusammenfassung
Anhang
Anhang I: Transkripte der Moderationen der Schlafradio-Sendungen
Anhang II: Renotation der Schlafradio-Variationen
Anhang III: Transkript von Nacht. Stimme. Zerstreuung.
Anhang IV: Renotation von Nacht. Stimme. Zerstreuung.
Anhang V: Paraphrasierung und Generalisierung der Besucherbucheinträge
Anhang VI: Kategorienzuordnung der Textbeiträge
Anhang VII: Kodiermanual
Anhang VIII: Zeichnungen aus den Besucherbüchern
Anhang IX: Einzelanalysen der Zeichnungen
Literatur- und Quellenverzeichnis
Bisher erschienene Bände

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Sarah Schönewald

Kunst auf Sendung Zur Analyse und Vermittlung von Radiokunst

Schriftenreihe für Künstlerpublikationen | Band 9 Sarah Schönewald

Kunst auf Sendung Zur Analyse und Vermittlung von Radiokunst

Herausgeber der Schriftenreihe: Forschungsverbund Künstlerpublikationen

Impressum

Herausgeber der Schriftenreihe für Künstlerpublikationen: Forschungsverbund Künstlerpublikationen e. V. für die Universität Bremen, Hochschule für Künste Bremen, Forschungsstelle Osteuropa an der Universität Bremen, Zentrum für Künstlerpublikationen in der Weserburg Museum für moderne Kunst Forschungsverbund Künstlerpublikationen e. V. c/o Weserburg Museum für moderne Kunst Teerhof 20, 28199 Bremen, kuenstlerpublikationen.de [email protected] Diese Veröffentlichung erscheint als Band 9 der Schriftenreihe für Künstlerpublikationen und lag dem Promotionsausschuss Dr. phil. der Universität Bremen als Dissertation vor. Gutachterin: Prof. Dr. Maria Peters Gutachter: PD Dr. Viktor Kittlausz Das Kolloquium fand am 26. Juli 2017 statt. Lektorat: Bettina Brach, Franziska Rauh, Marcus Schönewald Gestaltung, Satz und Cover: Toni Horndasch, Daniela Schmitz Grafiken und Tabellen: Klaus Rothe Fotonachweis: Bettina Brach © 2021 – Das Copyright für die Werke liegt bei den Künstler*innen bzw. deren Rechtenachfolger*innen. © VG Bild-Kunst, Bonn 2021 für Robert Adrian Smith, Ö1 Kunstradio Archiv Abbildungen auf dem Cover siehe Seiten 170, 169, 203, 171, 174, 171, 309, 172 (v. r. n. l.) © 2021 für die Publikation: Die Autorin und der Forschungsverbund Künstlerpublikationen e. V. Die Verwertung der Texte und Bilder ist ohne Zustimmung des Verlages urheberrechtswidrig und strafbar. Das gilt auch für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Verarbeitung mit elektronischen Systemen. Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © 2021 transcript Verlag, Bielefeld Printed by Majuskel Medienproduktion GmbH, Wetzlar Print-ISBN 978-3-8376-4378-7 PDF-ISBN 978-3-8394-4378-1 https://doi.org/10.14361/9783839443781

Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung 1.1 Radio und Radiokunst 1.2 Forschungsstand 1.3 Fragen und Vorgehen

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2 Entwicklung eines Analysemodells für Radiokunst 2.1 Methodische Ansätze 2.1.1 Kunsthistorische Interpretationsansätze von Erwin Panofsky und Max Imdahl 2.1.2 Semiotische Ansätze 2.1.3 Paratexte 2.2 Analysemodell zur Untersuchung von Radiokunst 2.2.1 Deskription der Präsentationsformen 2.2.2 Zusammenfassende Inhaltsangabe 2.2.3 Formulierung des Ersteindrucks 2.2.4 Erfassen der inhaltlichen Grundbedeutung 2.2.5 Sezierendes Hören – Synthetisierende Bedeutungskonstitution durch Form und Inhalt 2.2.6 Kontextualisierung 2.2.7 Vergleichende Analyse

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3 Exemplarische Analyse radiophoner Arbeiten 3.1 Die Sendereihe Kunstradio – Radiokunst 3.2 Analyse des Projekts Schlafradio von Norbert Math 3.2.1 Deskription der Präsentationsformen 3.2.2 Zusammenfassende Inhaltsangabe 3.2.3 Formulierung des Ersteindrucks 3.2.4 Erfassen der inhaltlichen Grundbedeutung 3.2.5 Sezierendes Hören – Synthetisierende Bedeutungskonstitution durch Form und Inhalt 3.2.6 Kontextualisierung 3.3 Analyse der Arbeit Nacht. Stimme. Zerstreuung. von LIGNA 3.3.1 Deskription der Präsentationsformen 3.3.2 Zusammenfassende Inhaltsangabe 3.3.3 Formulierung des Ersteindrucks 3.3.4 Erfassen der inhaltlichen Grundbedeutung 3.3.5 Sezierendes Hören – Synthetisierende Bedeutungskonstitution durch Form und Inhalt 3.3.6 Kontextualisierung 3.4 Vergleichende Analyse

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4 Schlüsselkategorien für die Vermittlung von Radiokunst 4.1 Stimme 4.2 Raum 4.3 Zeit 4.4 HörerInnen als ProduzentInnen 4.5 Resümee 5 Vermittlungsgrundlagen von Radiokunst im musealen Kontext 5.1 Der Begriff der Kunstvermittlung im aktuellen Diskurs 5.1.1 Zur Definition von (Kunst-)Vermittlung 5.1.2 Zum Verhältnis von Kuratieren und Vermitteln 5.2 Kritische Kunstvermittlung 5.2.1 Die vier Diskurse der Kunstvermittlung nach Carmen Mörsch 5.2.2 Kritische Kunstvermittlung als Basis einer Vermittlung von Radiokunst 5.3 Künstlerische Kunstvermittlung 5.4 Performative Kunstvermittlung 5.5 Partizipative Kunstvermittlung 5.6 Resümee 6 Evaluation musealer Vermittlung von Radiokunst 6.1 Ausstellung Über das Radio hinaus. 25 Jahre Kunstradio – Radiokunst 6.1.1 Konzept – Inhalte – Gestaltung der Ausstellung 6.1.2 Inszenierung des Schlafradios 6.1.3 Inszenierung von Nacht. Stimme. Zerstreuung. 6.1.4 Vermittlungsprinzipien der Inszenierungen 6.2 Fragestellung und methodisches Vorgehen 6.2.1 Das Besucherbuch als Erhebungsinstrument 6.3 Auswertung der Textbeiträge 6.3.1 Ablauf der qualitativen Inhaltsanalyse 6.3.2 Ergebnisse der qualitativen Inhaltsanalyse 6.3.3 Zusammenfassung 6.4 Auswertung der Bildbeiträge 6.4.1 Ablauf der dokumentarischen Methode der Bildinterpretation 6.4.2 Ergebnisse der dokumentarischen Methode der Bildinterpretation 6.4.3 Zusammenfassung 6.5 Resümee 7 Zusammenfassung

95 95 100 104 108 113

121 122 122 125 129 131 134 136 140 148 154 167 168 168 174 176 178 179 182 184 185 189 211 214 216 218 225 227 237

Anhang Anhang I:

Transkripte der Moderationen der Schlafradio-Sendungen Anhang II: Renotation der Schlafradio-Variationen Anhang III: Transkript von Nacht. Stimme. Zerstreuung. Anhang IV: Renotation von Nacht. Stimme. Zerstreuung. Anhang V: Paraphrasierung und Generalisierung der Besucherbucheinträge Anhang VI: Kategorienzuordnung der Textbeiträge Anhang VII: Kodiermanual Anhang VIII: Zeichnungen aus den Besucherbüchern Anhang IX: Einzelanalysen der Zeichnungen

Literatur- und Quellenverzeichnis

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Dank

Meine Dissertation hat vielfältige Unterstützung erfahren. Mein Dank gilt zunächst der VolkswagenStiftung, deren großzügige Förderung das Projekt Radiokunst: Zur Entwicklung eines Mediums zwischen Ästhetik und soziokultureller Wirkungsgeschichte ermöglichte, in dessen Rahmen ich meine Doktorarbeit beginnen und die dafür erforderlichen Forschungen durchführen konnte. Für die fruchtbare Zusammenarbeit möchte ich den Leiterinnen des Projektes Prof. Dr. Ursula Frohne, Prof. Dr. Maria Peters und Dr. Anne Thurmann-Jajes danken. Maria Peters hat die Dissertation zudem als Doktormutter in anregender Weise begleitet, wofür ich ihr besonders danken möchte. Mein großer Dank gilt auch Anne Thurmann-Jajes für ihr Vertrauen und ihre ansteckende Begeisterung für publizierte Kunst. Ohne ihre wissenschaftliche Pionierarbeit auf dem Gebiet der Radiokunst und die Arbeit des von ihr geleiteten Zentrums für Künstlerpublikationen wäre meine Dissertation in der vorliegenden Form nicht möglich gewesen. Dafür danke ich ebenso dem Team des Zentrums herzlich, namentlich Bettina Brach, Melanie Köhnicke und Susanne Vögtle. Dem Forschungsverbund Künstlerpublikationen bin ich für die Aufnahme meiner Dissertation in seine Schriftenreihe zu großem Dank verpflichtet sowie Peter Sämann für seine Hilfe bei der Vorbereitung der Publikation. Das Radiokunst-Projekt wird mir nicht zuletzt durch meine beiden Mitstreiterinnen in der jungen Akademie auf Zeit, Jee-Hae Kim und Franziska Rauh in guter Erinnerung bleiben. Es war wohltuend, mit ihnen die Freuden und Leiden der Projekt- und Doktorarbeit teilen zu können. Guten Rat und Solidarität erfuhr ich vor allem von Franziska, wofür ich ihr sehr dankbar bin. Hilfe wurde dieser Arbeit auch in der Zusammenarbeit mit Heidi Grundmann, der Grande Dame der Radiokunst, und Elisabeth Zimmermann, der aktuellen Redakteurin und Producerin der Sendereihe Kunstradio – Radiokunst des ORF zuteil. Wie diese haben auch die Künstler Norbert Math und Ole Frahm nicht nur vielfältige Anregungen für die Ausstellung Über das Radio hinaus. 25 Jahre Kunstradio – Radiokunst gegeben, sondern mich auch in der Erarbeitung der Dissertation an ihrem Wissen teilhaben lassen. Danken möchte ich ebenso all denen, die diese Arbeit durch das Promotionsverfahren an der Universität Bremen begleitet und geleitet haben: PD Dr. Viktor Kittlausz als Zweitgutachter, Prof. Dr. Michael Müller als Prüfer und PD Dr. Christiane Keim als Prüferin im Kolloquium sowie Christina Inthoff und Jula Schürmann als Beisitzerinnen.

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Zum Feinschliff der Arbeit haben Bettina Brach und Franziska Rauh durch ihre Korrekturen beigetragen. Mein Vater Klaus Rothe hat die Grafiken und Tabellen für die Drucklegung überarbeitet. Ihnen gilt mein herzlicher Dank wie auch Marion und Topias Thomsen sowie Brigitte und Sven Veers für ihre jahrelange Unterstützung auf so vielen Ebenen. Schließlich und endlich gebührt mein großer Dank meinem Mann Marcus, der stets die richtigen Worte findet!

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1 Einleitung

„Radiokunst ist nicht Tanz. Radiokunst ist nicht Musik. Radiokunst ist nicht Dichtung. Radiokunst ist ein Meta-Medium, sie trägt andere Medien. […]“1 Mit diesen wenigen Zeilen verdeutlicht der kanadische Künstler Hank Bull,2 dass sich Radiokunst nicht auf einen einfachen Gattungsbegriff bringen lässt. Sie enthält Elemente ganz unterschiedlicher Kunst- und Ausdrucksformen, ohne selbst in ihnen aufzugehen. Radiokunst gibt sich tänzerisch im Radioballett, manchmal dichterisch in erklingenden Worten und Lauten und häufig musikalisch. Oft erschließen sich ihre Klang- und Geräuschwelten aber auch erst jenseits der Wahrnehmungsund Deutungsmuster der Musik(-theorie). Vielleicht ist gerade diese Vielgestaltigkeit der Radiokunst ein Grund dafür, dass sie den meisten Menschen als Begriff und bewusste Erfahrung bislang weitgehend unbekannt geblieben ist.3 Auch als Gegenstand der Kunst- und Medienwissenschaft führt Radiokunst seit Langem ein Schattendasein. So verwundert es kaum, dass mit Bull vor etwa 30 Jahren ein Radiokünstler die Komplexität der Radiokunst in dem Begriff des „Meta-Mediums“ zu fassen versucht hat. In der immer noch stark auf bildende Kunst als Domäne des Sichtbaren konzentrierten Kunstwissenschaft ist Radiokunst Teil der akustischen Peripherie. Ähnlich verhält es sich auf dem Gebiet der Kunstvermittlung – ungeachtet der Potenziale, die gerade die Auseinandersetzung mit Radiokunst für ihre Theorie und Praxis birgt. Radiokunst vermittelt sich auf eine besondere Weise, da sie sich durch das Moment des Sendens und als akustische Kunst nur dann manifestiert, wenn sie gehört wird. Mit der Hinwendung zur auditiven Wahrnehmung öffnen sich auch für die Kunstvermittlung neue Denk- und Handlungsräume. Wie Mieke Bal bemerkt, zeichnet sich gegenwärtig eine „Ermüdung gegenüber der Sichtbarkeit – das Gefühl, alles schon gesehen zu haben“4 ab. So scheint in der Unbekanntheit der Radiokunst eine besondere Chance für die Vermittlung zu liegen. Kann also gerade Radiokunst die Aufmerksamkeit und das Interesse von MuseumsbesucherInnen hervorrufen und Gehör finden? Meine Arbeit thematisiert die Voraussetzungen, Chancen und Schwierigkeiten der Vermittlung von Radiokunst im musealen Kontext. Ihr liegt die Hypothese zugrunde, dass sich in den bestehenden Ansätzen der Kunstvermittlung geeignete Anknüpfungspunkte finden, um die noch weitgehend unbekannte Radiokunst einer breiteren Öffentlichkeit zu

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vermitteln. Andererseits fußt sie auf der Annahme, dass die Radiokunst ihrerseits der aktuellen Kunstvermittlung neue Impulse zu geben, bestehende Konzepte zu erweitern und neue zu generieren vermag. Eingebettet ist die vorliegende Arbeit in das mit Mitteln der VolkswagenStiftung finanzierte Forschungsprojekt Radiokunst: Zur Entwicklung eines Mediums zwischen Ästhetik und soziokultureller Wirkungsgeschichte (2011–2015), einer Kooperation zwischen der Universität Bremen, der Universität zu Köln und dem Zentrum für Künstlerpublikationen in der Weserburg, Bremen.5 Die beteiligten Wissenschaftlerinnen widmeten sich dem Forschungsgegenstand Radiokunst dabei auf drei verschiedenen Ebenen: Neben der Vermittlung standen der Einfluss der Technologien auf die Radiokunst sowie ihr institutioneller Kontext und dessen Machtstrukturen im Zentrum der wissenschaftlichen Auseinandersetzung. Den Ausgangspunkt dieser Grundlagenforschung sowie der vom Projektteam gemeinsam erarbeiteten Ausstellung Über das Radio hinaus. 25 Jahre Kunstradio – Radiokunst (10. November 2012 bis 12. Mai 2013) bilden die einzigartigen Radiokunstbestände im Zentrum für Künstlerpublikationen. Sie stellen die international umfangreichste Sammlung von Radiokunst aus ganz Europa, Amerika und Australien dar. Das Zentrum für Künstlerpublikationen verfügt über ein digitales Radiokunstarchiv,6 das auch bislang unzugängliche und unerforschte akustische Kunstwerke beinhaltet und diese für die Forschung, aber auch für die interessierte Öffentlichkeit hörbar macht.

1.1 Radio und Radiokunst „Abstrakt gesehen, ist das Radio eine Einweg-Live-Tonverbindung von einem Ursprungsort zu vielen Orten draußen. Es ist ganz einfach ein Werkzeug. Seine Bedeutung für die Gesellschaft hängt davon ab, wie es eingesetzt wird. […]“7

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Die Schwierigkeiten der Begriffsbestimmung von Radiokunst haben auch damit zu tun, dass das Radio ein sich in stetiger Entwicklung befindliches Medium ist, das in vielfältiger Weise Verwendung finden kann. Der US-amerikanische Künstler Max Neuhaus bringt diesen Zusammenhang durch seine Rede vom Radio als „Werkzeug“ zum Ausdruck, das je nachdem, wie es eingesetzt wird, ganz unterschiedliche gesellschaftliche Bedeutungen entfalten kann. Bevor ich auf den Begriff der Radiokunst näher eingehe, gilt es daher zu klären, was unter Radio selbst zu verstehen ist – nicht zuletzt, weil der Begriff gegenwärtig auf sehr unterschiedliche Phänomene Anwendung findet. Etymologisch geht das Wort Radio auf den lateinischen Begriff „Radius“ (= Strahl) bzw. das englische Wort „radiation“ (= Ausstrahlung) zurück.8 Damit beruht die Bezeichnung auf dem ursprünglichen medialen Prinzip des Radios, nach welchem eine Sendeanstalt ihr Programm über elektromagnetische

Wellen aussendet, die von den EmpfängerInnen mittels Empfangsgeräten in Schallwellen umgewandelt und damit hörbar gemacht werden. In der deutschen Sprache bezeichnet das Wort „Radio“ nicht nur das Medium, sondern auch die Sendeanstalt und die Technik (insbesondere das Empfangsgerät).9 Ein anderer Begriff für das Medium, der jedoch kaum noch verwendet wird, ist „Hörfunk“. Radio ist das einzige Massenkommunikationsmittel, das ausschließlich akustisch wahrnehmbar ist.10 Nahezu alle Haushalte in Deutschland verfügen über ein Radiogerät – sei es in Form eines Küchenradios, eines Autoradios oder integriert in das Mobiltelefon.11 Während das Radio bis in die 1940er Jahre die Aufmerksamkeit seiner HörerInnen in einer Weise bannte, dass es Beschäftigungen parallel zum Radiohören weitgehend ausschloss, ist es heute zu einem „Begleitmedium“ bzw. „Nebenbeimedium“ geworden.12 Mit der veränderten Praxis scheint die gegenwärtige hauptsächliche Funktion des Radios zu korrespondieren. So schreibt der Medienwissenschaftler Wolfgang Hagen, dass das Radio derzeit „zu 80 Prozent ein popmusikalischer Konsum-MilieuVerstärker“13 sei. Von grundlegender Bedeutung für die Verwendung und Wahrnehmung des Mediums ist seine technische Entwicklung, die gegenwärtig vor allem im digitalen Bereich vorangetrieben wird. Zwar ist der analoge UKW- bzw. FM-Empfang in der Regel nach wie vor möglich, die Digitalisierung schreitet jedoch rasch voran. Gravierende Veränderungen setzten insbesondere mit der allgemeinen Verfügbarkeit des Internets seit Mitte der 1990er Jahre ein. Unterschiedliche Internetdienste nehmen Einfluss auf die allgemeine Wahrnehmung des Radios und lassen mitunter die Frage aufkommen, was eigentlich noch unter dem Begriff „Radio“ zu verstehen ist. Wie die Radiomacherin und Kuratorin Sabine Breitsameter festhält, kombiniert das Internet Individual- und Massenkommunikation.14 Anders als das analoge Radio biete das Internet KünstlerInnen die Möglichkeit, ihre HörerInnen in Aktion zu versetzen und sie an ihren akustischen Arbeiten partizipieren zu lassen: „Sie sind hier nicht aufgefordert, die ,Sendung‘ entgegenzunehmen, sondern Audio-Daten auf den Weg zu bringen und auf diese Weise an einer ,Prozession‘ teilzunehmen.“15 Zu den Internetdiensten, die aktuell mit dem Phänomen Radio eng verknüpft sind, zählen vor allem das „Podcasting“ und das „Audio Streaming“. Die Wortkreuzung „Podcast“ setzt sich aus dem englischen Wort „Broadcasting“ (=Rundfunk) und dem Namen des MP3-Players „iPod“ des Unternehmens Apple zusammen. Das Grundprinzip weicht jedoch stark vom Radio ab, da es nicht auf dem Empfang elektromagnetischer Wellen, sondern auf dem Abonnement digitaler Audio- (oder Video-) Dateien beruht. Einen deutlichen Vorteil zum analogen Radio erblickt der Rundfunkmacher Armin Rogl im erleichterten Austausch von Audio- und auch Videoinhalten, der die Schwelle zur Produktion deutlich senke.16 Audio Streaming ist dem

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ursprünglichen Prinzip des Radios stärker verbunden und mag, wie Rogl anmerkt, von seinen NutzerInnen tatsächlich als Rundfunk verstanden werden.17 Strukturell weist das Audio Streaming allerdings deutliche Unterschiede zum analogen Radio auf, da potenzielle HörerInnen das Programm individuell abrufen und es nicht synchron an viele EmpfängerInnen gesendet wird.18 In jüngerer Zeit spielt die zunehmende Mobilität der InternetnutzerInnen eine wichtige Rolle. Podcast und Audio Stream können auch unterwegs abgerufen werden. Sie sind damit ähnlich flexibel zu handhaben wie das analoge Radio.19 In der Entwicklung der Radiokunst lässt sich mit dem Kunsthistoriker und Medientheoretiker Dieter Daniels ein fortlaufender Prozess erblicken, in dessen Zuge das Medium Radio ästhetisch und kommunikativ stetig neu erfunden wird.20 Allerdings füge sich die Radiokunst, wie der spanische Künstler José Iges andeutet, dabei keineswegs reibungslos in die Kommunikationsmechanismen des Massenmediums Radio ein, sondern störe und hinterfrage sie auch.21 Seit den 1960er Jahren konzipieren und produzieren KünstlerInnen in unterschiedlichen Ländern Europas Radiokunst.22 Ihre Arbeiten gehen aus vielfältigen Kontexten hervor und stehen in Zusammenhang mit unterschiedlichen Kunstströmungen wie Fluxus, Neuer Musik, Pop Art oder auch Visueller und Konkreter Poesie.23 Bereits in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts entstanden einige Arbeiten, die als Vorläufer der Radiokunst gelten.24 Dazu zählen Arbeiten von Marcel Duchamp und Filippo Tommaso Marinetti, aber auch das Hörspiel Zauberei auf dem Sender (1924) des Rundfunkpioniers Hans Flesch.25 Der Begriff „Radiokunst“ wurde Peter Weibel zufolge in den 1920er Jahren das erste Mal verwendet. Der Komponist Kurt Weill prägte ihn in seinem Text Möglichkeiten absoluter Radiokunst (1925) nicht nur für künstlerische Arbeiten auf Basis von Verbalsprache, sondern auch für solche, die auf Stimme, Geräuschen und Musik gründen.26 Weill habe, so Weibel, „früh erkannt, dass Radiokunst eine apparative Kunst ist, in der es nicht nur darum geht, Naturgeräusche abzubilden, sondern auch ungehörte, neue, künstliche Geräusche zu erzeugen“27.

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Von WissenschaftlerInnen, RundfunkakteurInnen und KünstlerInnen wird der Begriff Radiokunst in Abhängigkeit von ihrem jeweiligen Blickwinkel und Interesse sehr unterschiedlich verwendet. Für meine Arbeit, in der Radiokunst aus der Perspektive der Kunstwissenschaft und Kunstvermittlung betrachtet wird, bieten die Ausführungen der Kunsthistorikerin Anne Thurmann-Jajes wichtige Ausgangspunkte. Sie hat die bislang einzige wissenschaftliche Bestimmung von Radiokunst vorlegt, die diese in ihren unterschiedlichen Erscheinungsweisen fasst und grundlegende Differenzierungen innerhalb der Gattung vornimmt. Mit ihrer Definition versucht Thurmann-Jajes dem intermedialen und Disziplinen übergreifenden Charakter der Radiokunst Rechnung zu tragen

und diese dabei klar gegenüber anderen künstlerischen Ausdrucksformen abzugrenzen. Auch wenn nicht immer eindeutig beantwortet werden könne, was zur Radiokunst zählt und was nicht, ließen sich zwei Prämissen für die Zuordnung festhalten: • •

„Die Begrenzung auf gesendetes, zur Sendung bestimmtes, bzw. sendendes Material. Der Schwerpunkt auf Werken bildender Künstlerinnen und Künstler, inklusive Werken interdisziplinär arbeitender Literat/innen und Musiker/innen.“28

Während die zweite Prämisse weniger ein strenges gattungstypologisches Kriterium, denn eine deskriptive Aussage über die AutorInnen künstlerischer Arbeiten enthält, die der Radiokunst zugerechnet werden, wird man in der ersten Prämisse die eigentliche differentia specifica der Gattung sehen müssen: Künstlerische Arbeiten lassen sich nur dann sinnvoll als Radiokunst bezeichnen, wenn sie im Radio gesendet wurden, dazu bestimmt waren bzw. sind oder sendendes Material sie konstituiert. In den von Thurmann-Jajes genannten Prämissen klingt bereits an, dass das Medium Radio bzw. Radiotechnik die Struktur radiokünstlerischer Arbeiten vielfältig prägt, und dass KünstlerInnen, die sich der Radiokunst widmen, mit unterschiedlichen akustischen Phänomenen und Zeichensystemen arbeiten. Dabei ist für die Zuordnung von Kunstwerken zur Radiokunst wesentlich, dass „das Medium Radio nicht nur als Transportmittel für auch in anderen Medien darstellbare Inhalte fungiert, sondern gerade in seinen ästhetischen Spezifika zur Geltung kommt und ein Stück daraus wiederum seine besondere Wirkung erlangt“29. In Anlehnung an Ausführungen des Medienwissenschaftlers Götz Schmedes bezeichne ich dieses wesentliche Merkmal von Arbeiten der Radiokunst mit dem Adjektiv „radiophon“. Bei der Bestimmung von Untergattungen der Radiokunst verdeutlicht Thurmann-Jajes, dass der Begriff „Radiokunst“ nicht nur auf das Transportmittel und die Form radiophoner Arbeiten, sondern auch auf ihren Inhalt verweisen kann. Als erste von insgesamt vier Untergattungen führt Thurmann-Jajes die „Originäre Radiokunst“ auf.30 Mit diesem Begriff bezieht sie sich auf Arbeiten, die explizit als Sendung produziert werden und mit denen KünstlerInnen das Radio als Medium kritisch hinterfragen.31 Zu diesen Arbeiten zählen auch das radiophone Projekt Schlafradio (1993–1995) des österreichischen Künstlers Norbert Math sowie Nacht. Stimme. Zerstreuung. (2006) der Künstlergruppe LIGNA, die ich im dritten Kapitel der vorliegenden Arbeit analysiere. Als zweite Untergattung der Radiokunst bezeichnet Thurmann-Jajes „Vernetzte Projekte“. Um diese umzusetzen, nutzen KünstlerInnen unterschiedliche Datenleitungen und schaffen Strukturen, die es ihnen erlauben, auch über große Distanzen hinweg gemeinsam zu agieren.32

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Zu diesen Arbeiten zählt beispielsweise Horizontal Radio (22.– 23. Juni 1995). An diesem 24 Stunden dauernden Projekt beteiligten sich zahlreiche KünstlerInnen und Sendeanstalten in unterschiedlichen Ländern.33 Die Mitinitiatorin Heidi Grundmann hebt an Horizontal Radio das Prinzip der verteilten Autorschaft hervor: „Alles, was an Daten, Klängen, Kompositionen, Texten, Bildern ins Netz entlassen wird, wird zum Material, das von jedem/r anderen TeilnehmerIn, UserIn verändert werden kann. Auch dadurch lösen sich Vorstellungen, die eng mit unserem herkömmlichen Begriff des Autors verbunden sind, auf: ,geistiges Eigentum‘ z. B. verliert im Netz seine Bedeutung, usw.“34 Der Untergattung „Expanded Radio“35 ordnet Thurmann-Jajes Arbeiten zu, die Objekt-, Environment-, Interventions- oder Installationscharakter besitzen.36 Für diese greifen KünstlerInnen weniger auf bestehende Infrastruktur zurück, sondern erarbeiten individuelle Lösungen abseits gegebener Rundfunkstrukturen.37 Ein Beispiel hierfür sind die Mini-FM Sender des japanischen Künstlers Tetsuo Kogawa, welcher beispielsweise auch per Internet andere Interessierte im Selbstbauen von Sendern anleitet.38 Als vierte Untergattung benennt Thurmann-Jajes „Sound Art (gesendet)“, die im Grunde auch auf anderem Wege, beispielsweise durch unterschiedliche Datenträger, Verbreitung finden kann.39 Das Radio sei hinsichtlich der Distribution von Sound Art jedoch essentiell, wie Thurmann-Jajes betont.40 Es diente beispielsweise der Verbreitung von Labyrinth Scored for the Purrs of 11 Different Cats (1977) des US-amerikanischen Künstlers Terry Fox.41 Für diese Arbeit, die zunächst auf LP, 1989 auch auf Audio-Kassette erschien, zeichnete Fox das Schnurren von Katzen auf und bearbeitete das Material nach einem Prinzip, das er dem Labyrinth der Kathedrale von Chartres entlehnte. Als Herausforderung stellt sich die Bestimmung von Radiokunst nicht nur aufgrund ihrer vielfältigen Erscheinungsformen, sondern ebenso aufgrund ihres temporären Charakters dar. Eine Beschäftigung mit Radiokunst ist eine Auseinandersetzung mit ephemerer Kommunikation statt mit Produkten, wie Peter Weibel betont.42 Aufgezeichnete Radiokunst wird anders wahrgenommen als Radiokunst im Moment des Sendens: „Das Archivieren macht das Radiokunstwerk zum kontextlosen Dokument.“43 Im Falle der Radiokunst muss folglich zwischen unterschiedlichen Rezeptionssituationen differenziert werden, welche die Wahrnehmung des Kunstwerks in je unterschiedlicher Weise prägen.44

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Der Hintergrund von KünstlerInnen, die Radiokunst produzieren, ist äußerst heterogen. Viele von ihnen arbeiten auch in anderen Medien. Es gibt KünstlerInnen, die sich als AktivistInnen im Kontext freier

Radiosender mit dem Medium auseinandersetzen.45 Entsprechend können mit radiophonen Produktionen ganz unterschiedliche Intentionen verbunden sein. Eine wesentliche Triebfeder kann in der Alltagsnähe des Radios erblickt werden. Wie die Kuratorin Doreen Mende hervorhebt, erreicht Radiokunst ihre HörerInnen gewöhnlich nicht im Ausstellungsraum, sondern in ihrer alltäglichen Umgebung.46 Entsprechend bezeichnet der Künstler Hank Bull die Möglichkeit, eine Radiosendung zu produzieren, als Chance für KünstlerInnen, Kunstinstitutionen zu umgehen und ein größeres Publikum unmittelbar anzusprechen.47 In diesem Sinne schreibt auch Anne Thurmann-Jajes, dass Radiokunst „im Zeichen einer Demokratisierung der Kunst [stehe], die für jedermann zugänglich sein sollte“48.

1.2 Forschungsstand Bislang wurde der Radiokunst nur wenig Aufmerksamkeit von Seiten der Wissenschaft zuteil. Die Ursache für die geringe „Erschließung, Aufarbeitung und Erforschung, Vermittlung und Präsentation“49 von Radiokunst sieht Thurmann-Jajes in ihrer geringen Verfügbarkeit. Selbst radiophone Arbeiten, die von öffentlich-rechtlichen Sendern in Auftrag gegeben und ausgestrahlt wurden, stehen der allgemeinen Öffentlichkeit oftmals nicht zur Verfügung.50 Nicht nur einzelne Bereiche der Radiokunst, sondern die Radiokunst als solche sei weder im Bewusstsein der Allgemeinheit noch in kunstwissenschaftlichen Diskursen verankert. Sie finde auch keinerlei Erwähnung in Überblicksdarstellungen und einführenden Werken zur zeitgenössischen Kunst. Aus diesem Grund kommt Thurmann-Jajes zu dem Schluss, „dass trotz einzelner Veröffentlichungen zur Radiokunst diese so gut wie nicht in die thematischen und strukturellen Kontexte der Kunstgeschichte oder Kunstwissenschaft integriert wurde“51. Die wenigen Ausnahmen sind schnell benannt. Vor allem ThurmannJajes selbst kommt als Leiterin des Zentrums für Künstlerpublikationen für die Erforschung von Radiokunst eine besondere Bedeutung zu. Bereits vor dem Forschungsprojekt Radiokunst. Zur Entwicklung eines Mediums zwischen Ästhetik und sozio-kultureller Wirkungsgeschichte publizierte sie grundlegende Artikel zur Radiokunst und konzipierte wichtige Ausstellungen und Tagungen. Sie war auch als Herausgeberin und Autorin an zwei der folgenden Sammelbände beteiligt, die als Pionierarbeiten in der wissenschaftlichen Erschießung des Themenfeldes gelten können: Radio as Art. Concepts, Spaces, Practices (2019), Re-Inventing Radio. Aspects of Radio as Art (2008), Relating Radio. Communities, Aesthetics, Access. (2006) und Radio Rethink: Art, Sound and Transmission (1994). In diesen verbinden sich die unterschiedlichen Perspektiven von WissenschaftlerInnen und TheoretikerInnen, RundfunkmacherInnen und KünstlerInnen.

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Wenn sich ForscherInnen der Radiokunst seit den 1990er zu nähern begannen, dann geschah dies überwiegend aus medientheoretischer Perspektive und mit einem Schwerpunkt auf installativen Arbeiten.52 Kaum thematisiert wurden jedoch Arbeiten, bei denen die Struktur und die Technik des Mediums Radio konstitutive Faktoren darstellen und nicht nur die Art der Distribution markieren. Damit entgingen gerade die ästhetischen Spezifika radiophoner Arbeiten dem forschenden Blick. Dem entspricht, dass systematisch entwickelte Methoden und Kategorien der kunstwissenschaftlichen Analyse radiophoner Arbeiten bislang fehlen. Ansätze dafür finden sich für die Untersuchung eines bestimmten Genres der Radiokunst, des Hörspiels.53 Diese sind aber kaum geeignet, um das ästhetische und gesellschaftliche Wirkungspotenzial radiophoner Arbeiten für die Kunstvermittlung hinreichend zu erschließen. Umfassende und grundlegende Veröffentlichungen zur Vermittlung radiophoner Kunst (im musealen Kontext) sind bisher nicht erschienen. Auch die oben aufgeführten Sammelbände stehen allein im Zeichen der medien- und kunsttheoretischen Annäherung an Radiokunst und die künstlerische Praxis. So gilt hinsichtlich der Radiokunst, was der Kunstpädagoge Stefan Mayer für die Theorie und Praxis der Vermittlung nichtvisueller Kunst im Allgemeinen festgehalten hat: „Der Großteil der bildenden Kunst scheint sich also primär über optische Reize mitzuteilen und demzufolge auch die Kunstdidaktik ausnahmslos darauf aufzubauen. […] Das Auge ist das Maß aller Dinge und eine möglichst sensible Ausdifferenzierung des Sehsinns oft genug ein wesentlicher Inhalt kunstpädagogischen Bemühens. Seherfahrungen bilden den Dreh- und Angelpunkt von Bildrezeption und bildnerischer Praxis […].“54

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Bislang haben vor allem einige wenige temporäre Ausstellungen zum Thema Radio bzw. Sound Art, die Klangkunst im Allgemeinen sowie die Radiokunst im Besonderen in den Gegenstandsbereich der Vermittlung gerückt.55 Keine dieser Ausstellungen wurde jedoch wissenschaftlich beforscht, um die angewandten Vermittlungskonzepte in ihrer Wirkung überprüfen zu können.56 Erst seit wenigen Jahren zeichnet sich im Bereich der Kunst- und Kulturvermittlung ein stärkeres Interesse an der Entwicklung und Durchführung evaluativer Verfahren ab.57 Noch 2010 merkte die Kulturwissenschaftlerin Nora Wegner kritisch an, dass sich zu wenige Studien der empirischen Erforschung von Ausstellungen und insbesondere der musealen Vermittlung widmen.58 Zwei Jahre später hob auch die Kunsthistorikerin Renate Goebl die Bedeutung evaluativer Maßnahmen in der Vermittlungsarbeit hervor und forderte eine größere Aktivität von VermittlerInnen in der Forschung.59 Auf diese Weise könnten sie ihre eigene Position stärken und die Qualität ihrer Arbeit gewährleisten. Hier wie an den zuvor skizzierten Forschungsdesideraten setzt diese Studie an.

1.3 Fragen und Vorgehen Die vorliegende Arbeit möchte die Grundlagen für eine methodisch gesicherte und theoretisch reflektierte Vermittlung von Radiokunst legen. Zu diesem Zweck gehe ich zunächst der Frage nach, welche spezifischen ästhetischen Dimensionen radiophone Arbeiten entfalten und ihre Vermittlung fundieren können. Denn eine Vermittlung, die Werke der Radiokunst nicht in ihrer künstlerischen Eigentümlichkeit und Besonderheit erfasst, verfehlt ihren Gegenstand. Ich behandle die Frage auf der Grundlage der exemplarischen Analyse radiophoner Arbeiten. Allerdings fehlte bislang ein regelgeleitetes und nachvollziehbares Verfahren zur Untersuchung von Werken der Radiokunst. Im zweiten Kapitel meiner Arbeit entwickle ich deshalb ein Analysemodell, das nicht nur die Voraussetzungen für eine fundierte Vermittlung schaffen, sondern auch einen methodischen Grund für die kunstwissenschaftliche Auseinandersetzung mit radiophoner Kunst legen soll. Das Analysemodell beruht auf dem ikonografisch-ikonologischen Ansatz Erwin Panofskys sowie der Ikonik Max Imdahls und gibt ihnen eine akustische Wendung. Damit die Analyse jedoch nicht in den Grenzen möglicher Analogien zur visuellen Kunst verharrt, wird das Modell um zusätzliche Theorien und Methoden aus der Semiotik, der Phänomenologie sowie der Literatur- und Filmwissenschaft erweitert. Das Modell wende ich im dritten Kapitel dieser Arbeit auf zwei Werke der radiophonen Kunst an: das Schlafradio-Projekt von Norbert Math und Nacht. Stimme. Zerstreuung. von der Künstlergruppe LIGNA. Beide Werke waren Teil der Ausstellung Über das Radio hinaus. 25 Jahre Kunstradio – Radiokunst. Die Analysen sollen Aufschluss über Struktur, Form, Inhalt und Kontext der radiophonen Werke geben und damit ihre spezifischen Vermittlungsdimensionen erschließen. Auf Basis der Analyseergebnisse werden im vierten Kapitel Schlüsselkategorien für die Vermittlung radiophoner Werke gebildet und theoretisch fundiert, um zu grundsätzlichen Aussagen über die Radiokunst als Gegenstand der Kunstvermittlung zu gelangen. Die Absicht besteht darin, konkrete Herausforderungen und mögliche Ziele der Vermittlung von Radiokunst im musealen Kontext zu benennen. Diese sind ausschlaggebend für eine Auswahl gegenwärtiger Vermittlungskonzepte, die ich im anschließenden sechsten Kapitel skizziere und hinsichtlich ihrer Anwendbarkeit auf den Bereich der Radiokunst diskutiere: (Wie) korrespondieren diese mit einer Vermittlung von Radiokunst bzw. (wie) lassen sich diese derart ausgestalten, dass sie den spezifischen Charakteristika der Radiokunst Rechnung tragen? Und: Welche neuen Impulse für die Vermittlung können wiederum aus der Struktur, den Formen, Inhalten und Kontexten von Radiokunst gewonnen werden? Zu den wichtigen TheoretikerInnen, die sich aktuell im deutschsprachigen Raum der Theorie und Praxis der Vermittlung widmen, zählen die

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VertreterInnen der kritischen Kunstvermittlung. Sie beschäftigen sich in besonders intensiver und tiefgehender Weise mit den Voraussetzungen und Bedingungen gegenwärtiger Vermittlung. Aus diesem Grund fungieren sie in dieser Arbeit als Anknüpfungspunkte, um zu klären, auf welchem Fundament eine Vermittlung von Radiokunst heute basiert bzw. basieren kann.60 Dabei gilt es nicht zuletzt zu erörtern, ob und in welcher Weise das Museum einen geeigneten Rahmen für die Vermittlung von Radiokunst bieten kann und inwieweit gerade Radiokunst Anlass dazu gibt, das Museum als öffentliche Kunst- und Kultureinrichtung einer Revision und Erweiterung zu unterziehen: Kann radiophone Kunst zu einem Umdenken im Hinblick auf den Vermittlungsraum Museum und die in ihm zur Anwendung kommenden Vermittlungsstrategien führen? Die Vermittlungsansätze, die im fünften Kapitel theoretisch beleuchtet und auf ihre Anwendbarkeit auf Radiokunst hin diskutiert werden, fanden ihre praktische Umsetzung in der von mir mitkuratierten Ausstellung Über das Radio hinaus. 25 Jahre Kunstradio – Radiokunst. Dabei wurde die Inszenierung der Arbeit Nacht. Stimme. Zerstreuung. in Kooperation mit den Künstlern von LIGNA entwickelt, umgesetzt und anschließend von mir in ihrer Wirkung auf BesucherInnen durch das Erhebungsinstrument des Besucherbuchs beforscht. Auf Basis der Besucherbücher ergänzt das sechste Kapitel dieser Arbeit die vorangegangenen Kapitel um eine empirische Analyse der Wahrnehmungs- und Wirkungsweisen von Radiokunst sowie der Zusammenhänge ihrer Präsentation und Rezeption im Rahmen einer musealen Ausstellung. Die in den vorangegangenen Ausführungen aufgestellten Thesen erfahren so eine Überprüfung, Ergänzung und Präzisierung. Damit bietet das sechste Kapitel zugleich einen Modellfall für die Erhebung und Auswertung empirischer Daten zur Vermittlung von Radiokunst in einer Ausstellung, die bislang noch nicht Gegenstand evaluativer Verfahren war. Im abschließenden Kapitel fasse ich die theoretischen und empirischen Forschungsergebnisse zusammen, um eine Antwort auf die Frage nach den Chancen und Schwierigkeiten der Vermittlung von Radiokunst im musealen Kontext zu geben. Der Forschungsbeitrag dieser Arbeit ist allerdings nicht auf das Feld der Kunstvermittlung beschränkt. Sie schafft vielmehr auch die noch fehlenden kunstwissenschaftlichen Voraussetzungen für eine methodisch fundierte und theoretisch reflektierte Vermittlung von Radiokunst und bietet ein erstes Beispiel dafür, die Praxis der Vermittlung radiophoner Arbeiten empirischer Forschung zu unterziehen.

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1 Bull 1989, S. 293. 2 Gemeinsam mit Patrick Ready produzierte Hank Bull zwischen 1976 und 1984 die HP-Show. Die Künstler zeichneten für das Konzept und die meisten Beiträge verantwortlich, hatten eine feste Sendezeit beim Vancouver Co-operative Radio. 3 Vgl. Thurmann-Jajes 2017. 4 Bal 2006, S. 83. 5 Das Projekt wurde von der VolkswagenStiftung im Rahmen des Förderprogramms Forschung in Museen unterstützt. 6 Zudem sammelt das Zentrum für Künstlerpublikationen Kontextmaterialien wie Korrespondenzen, Programme und dokumentarische Fotografien. 7 Neuhaus 1990, S. 122. 8 Vgl. Kleinsteuber 2008, S. 16. 9 Vgl. ebd., S. 18–19. 10 Vgl. Falkenberg 2005, S. 15. 11 Vgl. Krug 2010, S. 7. 12 Vgl. Faulstich 2004, S. 128 und Groebel 1998, S. 41. 13 Hagen 2006, S. 140. 14 Vgl. Breitsameter 2007, S. 234. 15 Ebd., S. 236. 16 Vgl. Rogl 2013, S. 33. 17 Vgl. ebd., S. 34. 18 Vgl. ebd. 19 Siehe hierzu auch Höflich 2014, S. 365. 20 Vgl. Daniels 2008, S. 43. 21 Vgl. Iges 2008, S. 120. 22 Vgl. Thurmann-Jajes 2014a. 23 Vgl. ebd. 24 Vgl. ebd. 25 Vgl. Thurmann-Jajes 2014b. Siehe zur Entwicklung der Radiokunst im 20. Jahrhundert auch Weibel 2015, S. 21. 26 Vgl. Weibel 2015, S. 19. Weill verfasste den Artikel für die Programmzeitschrift Der deutsche Rundfunk (vgl. ebd.). 27 Ebd. 28 Thurmann-Jajes 2014a. 29 Schmedes 2002, S. 33. 30 Vgl. Thurmann-Jajes 2014a. 31 Vgl. ebd. 32 Vgl. ebd. 33 Siehe auch Kunstradio – Radiokunst 2012b. Horizontal Radio wurde auch im Rahmen der Ausstellung Über das Radio hinaus präsentiert. Siehe hierzu Kap. 6.1.1. 34 Grundmann o. J. 35 Manchmal auch als „Extended Radio“ bezeichnet. „,Extended Radio‘ ist keine neue Technologie sondern ein Konzept, das auf eine multiperspektivische Herangehensweise an das Medium Radio, an seine Geschichte und Gegenwart zielt.“ (Grundmann 2006, S. 206). 36 Vgl. Thurmann-Jajes 2014a. 37 Vgl. ebd. 38 Siehe Kogawa o. J. 39 Vgl. Thurmann-Jajes 2014a. 40 Vgl. ebd. 41 Siehe und höre http://www.kunstradio.at/HISTORY/WORKS/fox_cats.html. 42 Vgl. Weibel 2015, S. 18. 43 Thurmann-Jajes 2014a. 44 Vgl. ebd. 45 Als Beispiel sei an dieser Stelle die Künstlergruppe LIGNA genannt, deren radiophone Arbeit Nacht. Stimme. Zerstreuung. ich in Kap. 3.3 analysiere. 46 Vgl. Mende 2008, S. 158. Hier müsse die Radiokunst jedoch stärker um die Aufmerksamkeit ihrer HörerInnen konkurrieren als in Kunstinstitutionen, wo die künstlerischen Arbeiten in den Mittelpunkt des Interesses gerückt, also nicht „nebenbei“ rezipiert werden. (Vgl. ebd.) 47 Vgl. Bull 1989, S. 292–293. Peter Weibel bemerkt, dass die Tragik der Radiokunst darin liege, dass sie fast ausschließlich im Nischenprogramm von Kultursendern übertragen werde, obwohl sie in ihren künstlerischen Möglichkeiten „im Prinzip unbegrenzt“ sei. (Vgl. Weibel 2015, S. 18) 48 Thurmann-Jajes 2014a. 49 Ebd. 50 Vgl. Thurmann-Jajes 2014a. 51 Thurmann-Jajes 2017. 52 Vgl. Thurmann-Jajes 2017. 53 Dissertationen von Götz Schmedes (2002): Medientext Hörspiel. Ansätze einer Hörspielsemiotik am Beispiel der Radioarbeiten von Alfred Behrens. Münster und von Wibke Weber (1997): Strukturtypen des Hörspiels. Erläutert am Kinderhörspiel des öffentlich-rechtlichen Rundfunks seit 1970. Frankfurt am Main, Berlin.

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54 Mayer 2012, S. 14. 55 Zu nennen sind beispielsweise die Ausstellungen Sounds. Radio. Kunst. Neue Musik des Neuen Berliner Kunstvereins (2010), Sound Art. Klang als Medium der Kunst im ZKM Karlsruhe (2012/ 2013) oder A House Full of Music. Mathildenhöhe Darmstadt (2012). Siehe die Begleitpublikationen: Babias, Marius et al. (Hg.) (2010): Sounds. Radio. Kunst. Neue Musik. Köln und Beil, Ralf; Kraut, Peter (Hg.) (2012): A House Full of Music. Strategies in Music and Art. Ostfildern, Darmstadt. 56 Eine Ausnahme bildet die kulturwissenschafllich ausgerichtete Studie Displaying Sound. Radio as Media Heritage in a Museological Context des Kurators Christian Hviid Mortensen. Er evaluiert die Ausstellung You are what you hear, welche zwischen 2012 und 2013 im Medienmuseum Odense, Dänemark präsentiert wurde. Der Ausstellung liegen jedoch ausschließlich Ausschnitte aus regulären Radiosendungen zugrunde. Mortensen nimmt keine Untersuchung der akustischen Produktionen vor, um Zusammenhänge mit den Reaktionen der MuseumsbesucherInnen herzustellen. Er fokussiert vielmehr ihren Umgang mit dem eigens für die Ausstellung entwickelten Spezialkopfhörer und mit einzelnen Komponenten des dinglichen Settings. Korrespondenzen zwischen Hören und körperlichen Aktivitäten werden von keinem/keiner BesucherIn in den von Mortensen durchgeführten Interviews erwähnt. (Siehe Mortensen 2014, S. 72) 57 Vgl. Mörsch 2013, S. 174. Zudem bewertet Mörsch die Einrichtung neuer Studiengänge im Bereich der Kunst- und Kulturvermittlung als ein Zeichen für ihre zunehmende Relevanz in der Forschung. (Vgl. ebd.) 58 Vgl. Wegner 2010, S. 167. 59 Vgl. Goebl 2002, S. 43. Renate Höllwart weist darauf hin, dass die Bedeutung der Vermittlung auf der documenta 12 insbesondere in der parallel stattfindenden Vermittlungsforschung liegt. (Vgl. Höllwart 2013, S. 43) Die Begleitforschung ist ebenso Säule des Projekts Kunstvermittlung in Transformation, welches das Institute for Art Education, Zürich gemeinsam mit zahlreichen KooperationspartnerInnen realisierte. Siehe Begleitpublikation des Projekts: Settele 2012, S. 7. 60 Als wichtige Publikation zur (kritischen) Vermittlung zeitgenössischer Kunst ist der Sammelband Kunstvermittlung 2 – Zwischen kritischer Praxis und Dienstleistung auf der documenta 12. Ergebnisse eines Forschungsprojektes (2009) hervorzuheben. Der von der Kunstvermittlerin Carmen Mörsch herausgegebene Band dient nicht nur der Darstellung von Vermittlungsprojekten. Vor der Folie der kritischen Kunstvermittlung beforschten VermittlerInnen unterschiedlicher Disziplinen vielmehr ein breites Spektrum von Ansätzen zur Vermittlung zeitgenössischer Kunst.

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2 Entwicklung eines Analysemodells für Radiokunst

In diesem Kapitel entwickle ich ein methodisches Vorgehen zur Erfassung der Spezifika radiophoner Arbeiten, das in ein strukturiertes Analysemodell mündet. Dafür gilt es zu klären, wie sich die unterschiedlichen Sinnebenen von Radiokunst erfassen lassen: Wie wird Bedeutung auf akustischer Ebene überhaupt erzeugt? Welche konkreten Möglichkeiten zur Herausarbeitung formaler Aspekte bzw. der Komposition bestehen? Wie lassen sich sowohl formale als auch inhaltliche Bezüge zum Medium Radio untersuchen? An welchen Stellen der Analyse kann das teils umfangreiche Begleitmaterial einbezogen werden? Auf welche Weise lassen sich unterschiedliche Produktionen zum Zwecke der Bildung gemeinsamer Kategorien vergleichen? Eine umfassende, systematische Betrachtung einzelner Arbeiten bzw. Projekte stellt die Basis für ihre Vermittlung dar. Die systematische Untersuchung erlaubt Einschätzungen der spezifischen Konstitution von Radiokunst und ihrer möglichen Hör- bzw. Verstehensweisen. Sie begünstigt das Überdenken eigener Haltungen und den Gewinn neuer Erkenntnisse und schafft damit die Voraussetzungen für eine adäquate Vermittlung. Im Zentrum meines Interesses und der folgenden Ausführungen steht die Untersuchung der akustischen Seite dokumentierter radiophoner Arbeiten. Weiteres Begleitmaterial akustischer, visueller und audiovisueller Art soll dabei einbezogen werden. Hier ist zunächst die Anmoderation zu nennen, die mit der künstlerischen Produktion unmittelbar verbunden ist, in der Regel erste Informationen zur Arbeit vermittelt und Einfluss auf die Rezeption derselben nimmt.

2.1 Methodische Ansätze Bislang existiert in der Kunstwissenschaft kein analytisches Modell, das den Besonderheiten und der Vielfalt der Radiokunst Rechnung trägt. Das im Folgenden entwickelte Analyseschema baut daher auf Ansätzen aus anderen Bereichen der Kunstbetrachtung auf und erweitert sie um ein Instrumentarium zur Erschließung der spezifisch akustischen Dimensionen radiophoner Arbeiten. Das Modell berücksichtigt unterschiedliche Sinnebenen und ist multiperspektivisch angelegt, indem es produktionsorientierte, werkorientierte und rezeptionsorientierte Blickwinkel verbindet.1 Die Grundlage bilden text- und bildanalytische Verfahren. Im Folgenden werden zunächst die kunsthistorischen Ansätze Erwin Panofskys

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und Max Imdahls skizziert, da sie Aspekte bzw. Prinzipien enthalten, die auch für die Analyse von Radiokunst von hoher Relevanz sind. Dabei geht es um die Differenzierung unterschiedlicher Bedeutungsebenen von Kunstwerken. Neben kunsthistorischen Ansätzen ziehe ich zudem semiotische Verfahren zur Entwicklung eines Analyseinstrumentariums heran. Diese erlauben eine detaillierte Betrachtung von akustischen Phänomenen als Zeichen(-träger). Auch im Rahmen der Semiotik wird zwischen unterschiedlichen Bedeutungsebenen unterschieden. Im Kontext meiner Arbeit bin ich vor allem an der Differenzierung verschiedener akustischer Zeichensysteme und ihrer Besonderheiten interessiert, um Einblicke in die Bedeutungskonstitution radiophoner Arbeiten gewinnen zu können. Für die Einordnung und adäquate Berücksichtigung von Begleitmaterial erweisen sich Ansätze aus der Intertextualitätsforschung als fruchtbar. Zudem beziehe ich mich an unterschiedlichen Stellen auf Konzepte aus dem Bereich der Hörspieltheorie, der Filmwissenschaft und der Phänomenologie. Musikalische Elemente fasse ich, in Anlehnung an Götz Schmedes, als Teil der ästhetischen Gesamtstruktur der untersuchten radiophonen Arbeit auf, ohne diese einer detaillierten musikwissenschaftlichen Betrachtung zu unterziehen.2 Ansätze der Musikwissenschaft werden jedoch insbesondere im Zusammenhang einer möglichen Renotation radiophoner Arbeiten berücksichtigt.

2.1.1 Kunsthistorische Interpretationsansätze von Erwin Panofsky und Max Imdahl

Erwin Panofsky: ikonografisch-ikonologische Interpretation

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Der Kunsthistoriker Erwin Panofsky entwickelte in den 1920er Jahren ein vielbeachtetes und bis in die heutige Zeit einflussreiches Analyseschema, welches sich in drei Phasen gliedert. Vor-ikonografische Beschreibung, ikonografische Analyse und ikonologische Interpretation dienen dem Aufzeigen unterschiedlicher Bedeutungsebenen eines Kunstwerkes und weisen einen direkten Bezug zur sozialwissenschaftlichen Hermeneutik von Karl Mannheim auf.3 Dieser widmete sich in seinen Beiträgen zur Theorie der Weltanschauungsinterpretation unter anderem der Frage, auf welche Weise atheoretisches Wissen in die wissenschaftliche Sphäre transportiert wird.4 Leitend für seine Untersuchung ist die Differenzierung zwischen objektivem Sinn, intendiertem Ausdruckssinn (oder subjektivem Sinn) sowie Dokumentsinn einer Handlung oder Äußerung.5 Während auf der objektiven Sinnebene eine Handlung unabhängig von ihren spezifischen Umständen erfasst wird, zielt der Ausdruckssinn auf die Ergründung der individuellen Intention eines Subjektes. Der Dokumentsinn richtet sich darauf, was sich für BeobachterInnen über die Handlung bzw. Aussage von Beobachteten jenseits ihrer Absichten zeigt. Zunächst auf kulturelle Äußerungen aller Art bezogen, zeigt Mannheim

in seinen Ausführungen unter anderem auf, wie Kunstwerke theoretische Inhalte zu offenbaren vermögen.6 In Anlehnung an die objektive Bedeutungsebene Mannheims geht es Panofsky im Rahmen der vor-ikonografischen Beschreibung um ein erstes Erfassen von Bildgegenständen.7 Dabei unterscheidet er zwischen dem tatsachenhaften Sujet (oder Sach-Sinn), der Identifikation von Personen und Objekten, und dem ausdruckshaften Sujet (oder Ausdrucks-Sinn), der Feststellung einer spezifischen Verfassung der dargestellten Personen und Dinge oder einer besonderen Atmosphäre.8 Im Zuge des zweiten Schritts, der ikonografischen Analyse, verzeichnet Panofsky – analog zum intendierten Ausdruckssinn Mannheims – Themenkomplexe, die für eine Vielzahl von BetrachterInnen oder eine bestimmte Zielgruppe einen Wiedererkennungswert haben. Es geht um das Erfassen von Bedeutungen, die der/die KünstlerIn bewusst erzeugt.9 Dabei kann es sich um Inhalte handeln, die auch durch andere Medien, z. B. literarische Quellen, Verbreitung gefunden haben.10 Falls erforderlich, können zur Untersuchung auch diese einbezogen werden, um „Bilder, Anekdoten und Allegorien“11 zu erkennen. Den dritten Schritt bildet die ikonologische Interpretation. Hier gilt es auf Grundlage der Erkenntnisse aus den ersten beiden Schritten den ideologischen Gehalt zu identifizieren, der dem vorliegenden Kunstwerk zugrunde liegt.12 Er rückt als Gegenstand, in dem kollektive Vorstellungen und individueller Stil des Künstlers/der Künstlerin miteinander verschmelzen, in den Fokus: „Er [der eigentliche Bildgehalt] wird erfaßt, indem man jene zugrundeliegenden Prinzipien ermittelt, die die Grundeinstellung einer Nation, einer Epoche, einer Klasse, einer religiösen oder philosophischen Überzeugung enthüllen, modifiziert durch eine Persönlichkeit und verdichtet in einem einzigen Werk.“13 Jene Sinnschicht, welche es im Rahmen der ikonologischen Ebene zu ermitteln gilt, geht über das dargestellte Thema hinaus und ist nicht mit der ursprünglichen Intention des Bildproduzenten/der Bildproduzentin zur Deckung zu bringen.14 Vielmehr entfaltet sich diese Bedeutungsschicht für die Rezipierenden und entspricht damit dem von Mannheim beschriebenen Dokumentsinn..15 Auf der ikonologischen Ebene geht es um das Herausstellen einer übergeordneten Bedeutung, die auf den zuvor aufgedeckten Aspekten basiert. Im Hinblick auf Kenntnisse, die zum Erkennen dieses Bedeutungsgehalts nötig sind, gibt Panofsky nur unzureichende Auskunft, wie er selbst anmerkt.16 Als umso entscheidender erachtet er die Anwendung eines Korrektivprinzips der Interpretation auf der ikonologischen

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Ebene.17 Dieses fußt auf einem Abgleich mit sprachlich vermittelten Informationen auf jeder der drei Interpretationsstufen.18 Wenn wir Motive in einem Kunstwerk erkennen, so geschehe dies auf Grundlage unserer eigenen Erfahrung und vor unserem jeweiligen geschichtlichen Hintergrund.19 Die Stilgeschichte bildet eine wesentliche Voraussetzung für die adäquate Beschreibung künstlerischer Arbeiten.20 Panofsky selbst weist auf den paradox anmutenden Charakter dieser Handlungsweise hin: Die stilgeschichtliche Einordnung erfolgt hier noch vor der vertiefenden Betrachtung einer künstlerischen Arbeit. Gleichzeitig beruht die Beschreibung bzw. Bestimmung von Stilen auf der Betrachtung einzelner Kunstwerke.21 Der Widerspruch besteht nach Panofsky jedoch nur scheinbar. Denn der Untersuchung einzelner künstlerischer Arbeiten komme auch auf Ebene der Theoriebildung Bedeutung zu.22 Folglich handelt es sich um ein methodisches Verfahren, bei dem induktive und deduktive Schritte ineinandergreifen. Die Typengeschichte bezeichnet den Orientierungsrahmen auf der ikonografischen Ebene.23 Es reicht nach Panofsky nicht aus, vom Motiv auf mögliche literarische Vorbilder zu schließen. Vielmehr müsse zur Absicherung der Erkenntnisse ein Abgleich mit Textmaterial stattfinden, das Auskunft darüber gibt, inwiefern die Wiedergabe bestimmter Personen, Objekte und Sachverhalte gewisse Anschauungen und Themen im Kontext einer spezifischen Epoche transportiert.24 Die Überprüfung von vorläufigen Ergebnissen auf der ikonologischen Ebene erfolgt vor dem Hintergrund von Erkenntnissen zur Mentalität des jeweiligen Zeitalters, aus welcher die Darstellung spezifischer Inhalte und Auffassungen resultiert.25 Die Deutung symbolischer Darstellungen muss mit Kenntnissen aus anderen Fachgebieten wie beispielsweise der Politik oder Religionsgeschichte verglichen werden. Diese Disziplinen können, wie Panofsky anmerkt, in gleicher Weise von Erkenntnissen aus dem Bereich der Kunstwissenschaft profitieren.26 Damit hebt er Vorzüge einer kooperativen und transdisziplinären Arbeit zwischen unterschiedlichen Wissensbereichen hervor. Die bildbezogenen Ausführungen Panofskys können auch der Fundierung eines Modells zur Analyse radiophoner Kunst dienen. Sie ermöglichen es, Potenzialen der Kommunikation, Information, Aktivierung und Erfahrung radiophoner Arbeiten auf die Spur zu kommen. So soll in Anlehnung an Panofsky Radiokunst als Trägerin unterschiedlicher Sinnebenen verstanden werden, die zum Teil nur unter Rückgriff auf weitere Dokumente erschließbar sind. Dieser Vorgang ist nicht zwangsläufig mit einem Korrekturprozess gleichzusetzen. Er wird in den folgenden Ausführungen vielmehr als Chance begriffen, Deutungshorizonte zu erweitern. 26

Max Imdahl: Ikonik Entscheidende Impulse zur Untersuchung der Bedeutungskonstitutionen von einzelnen Kunstwerken gehen auch von der Arbeit des Kunsthistorikers Max Imdahl aus, der Panofskys Arbeit kritisch würdigt und im Rahmen seiner eigenen Forschung aufgreift. Imdahl gibt an, Panofskys Ansatz zu erweitern. Dem Kunsthistoriker Felix Thürlemann zufolge ist der Ansatz Imdahls jedoch weniger als Ergänzung denn als Gegenentwurf zur Arbeit des älteren Kollegen zu klassifizieren.27 Imdahl entwickelt seine Ikonik als eine „weniger historisch als vielmehr ästhetisch orientierte Betrachtungsweise“28 an Kunstwerken des 20. Jahrhunderts. Er demonstriert das Potenzial seines Ansatzes allerdings primär an künstlerischen Arbeiten der Frührenaissance – Giottos Fresken in der Scrovegni-Kapelle in Padua.29 Auf diese Weise legt er dar, inwiefern sich Panofskys Analyseschema bewähren kann und zeigt zugleich dessen Grenzen auf. Imdahls Kritik am Vorgehen Panofskys richtet sich vor allem gegen eine unzureichende Berücksichtigung der Besonderheiten des Mediums Bild. Panofskys Modell erfordere, wie Imdahl bemerkt, auf jeder Interpretationsstufe ein wiedererkennendes Sehen, welches um die Identifizierung von Personen, Dingen, Sachverhalten, Haltungen und Ideen kreist.30 Diese ließen sich jedoch auch durch Sprache vermitteln.31 Die Ikonik fußt auf dem erkennenden Sehen als Resultat der Zusammenführung von wiedererkennendem und sehendem Sehen. Letzteres meint die Betrachtung einzelner formaler Elemente der Komposition unabhängig vom Bildgegenstand und nimmt in Imdahls Ansatz einen besonderen Stellenwert ein.32 Durch seine empirischen Forschungsergebnisse belegt Imdahl, dass der Sinn eines Bildes in direkter Abhängigkeit zu seiner formalen Struktur steht.33 Konsequenterweise zeichnet sich die Ikonik deshalb durch ein sehr differenziertes analytisches Vorgehen im Bereich der Komposition aus.34 Imdahl unterscheidet zwischen perspektivischer Projektion, szenischer Choreografie und planimetrisch geregelter Ganzheitsstruktur.35 Die Untersuchung der perspektivischen Projektion beruht auf der Frage, wie sich der Bildraum als dreidimensionales Gebilde konstituiert, d. h. wie durch Anwendung von Prinzipien der darstellenden Geometrie eine Übertragung in die Zweidimensionalität der Bildfläche erfolgt.36 Durch die Betrachtung der szenischen Choreografie rückt die wechselseitige Bezugnahme der dargestellten Personen in den Fokus.37 Zentrales Merkmal des Mediums Bild ist die Möglichkeit der Kombination von Szenen unterschiedlicher geografischer Räume sowie Augenblicke.38 Texte weisen im Gegensatz zu bildlichen Darstellungen eine rein sukzessive Struktur auf. Die Simultaneität von Bildern wird für Imdahl zu einem wichtigen Argument, um die Nicht-Übersetzbarkeit von Bild in Sprache zu begründen.39 Im Kontext der planimetrischen Ganzheitsstruktur wird

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das Bild als Fläche fokussiert. Auf zweidimensionaler Ebene geraten Aspekte wie Größe, Form und Ausrichtung in den Blick.40 Die planimetrische Komposition stellt eine Prämisse für perspektivische Projektion und szenische Choreografie dar.41 Dieser Part der formalen Betrachtung ist deswegen von besonderer Bedeutung, da er – im Gegensatz zur perspektivischen Projektion und szenischen Choreografie – ausschließlich im Modus des sehenden Sehens erfolgt.42 Elemente und Strukturen werden in diesem Modus nicht mit der außer-bildlichen Realität verknüpft. Den Kerngedanken der Ikonik als „Verfahren phänomenaler Deskription“43, die Untrennbarkeit von Form und Inhalt, werde ich später auf den Aussagegehalt bzw. mögliche Deutungen radiophoner Kunst übertragen. Die Ermittlung des einer Arbeit immanenten Sinngehalts setzt spezifische Höreinstellungen voraus und kann hinsichtlich formaler Aspekte Ausgang für unterschiedliche Kategorien nehmen, die ich in Anlehnung an Imdahls Unterscheidung bilde. Zu beachten ist dabei, wie Thürlemann betont, dass weder Panofskys ikonografisch-ikonologischer noch Imdahls ikonischer Ansatz als Anleitungen zur praktischen Erarbeitung von Bildinterpretationen zu verstehen sind. Ihr Verdienst liegt vielmehr in der Aufstellung einer „Theorie der Bedeutungskonstitution der Bilder“44. Dabei konzentrieren sich Panofskys Überlegungen auf das Bild, das im Sinne eines Dokuments Bedeutung sichert und in einer spezifischen Weise kommuniziert, während Imdahl die Bedeutungserzeugung selbst fokussiert.45

2.1.2 Semiotische Ansätze

Ein Modell zur Analyse radiophoner Arbeiten sollte nicht nur unterschiedliche Bedeutungsebenen berücksichtigen, sondern auch den ihnen zugrundeliegenden Zeichensystemen Rechnung tragen. Analog zur Hervorhebung der Relevanz von Inhalt und Form für die Sinnkonstruktion von Werken der bildenden Kunst durch Max Imdahl hält auch der russische Literaturwissenschaftler und Semiotiker Jurij Lotman fest, dass sich Inhalts- und Ausdrucksebene einer künstlerischen Arbeit nicht voneinander trennen lassen, diese vielmehr als Gesamtsystem ein Zeichen darstellt.46 „Die Idee ist nicht in irgendwelchen Zitaten enthalten, und mögen sie noch so glücklich ausgewählt sein, sondern sie kommt in der gesamten künstlerischen Struktur zum Ausdruck.“47

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Lotman fasst eine künstlerische Arbeit als „Text in der Sprache Kunst“48 auf. Diese Formulierung verrät bereits, dass er den Begriff des Textes nicht auf das literarische Feld beschränkt wissen will, sondern auch auf andere Bereiche der Kunst und Kommunikation bezieht. Im Rahmen

der Semiotik, die Text im Allgemeinen als eine Struktur von Zeichen versteht, welche sich in ganz unterschiedlicher Weise ausdifferenzieren kann, lassen sich also auch radiophone Arbeiten als Texte fassen. Dabei ist kennzeichnend für die spezifische Textualität radiokünstlerischer Werke, dass sie sich nicht allein aus unterschiedlichen Zeichen, sondern aus verschiedenen Zeichensystemen zusammensetzen, unter denen das verbalsprachliche nur eines ist. In seiner weiten Formulierung ermöglicht der Textbegriff der Semiotik, diese komplexe Struktur in ihrem Bedeutungszusammenhang zu betrachten, aber auch nach der je besonderen Zeichenhaftigkeit ihrer heterogenen Elemente zu fragen. Bereits der amerikanische Philosoph und Semiotiker Charles William Morris merkte Ende der 1930er Jahre an, dass das Kunstwerk ein Zeichen darstellt und dieses „als solches nur in Zeichenprozessen“49 existiert. Ein Vorzug der Semiotik besteht laut Morris darin, dass diese eine universelle Sprache bereitstellt, die auf unterschiedliche Zeichenprozesse („Semiose“) anwendbar ist.50 Die Semiotik erlaubt so eine detaillierte Betrachtung der Sinnkonstitution gerade im Hinblick auf heterogene Zeichensysteme, wie sie die radiophone Kunst beinhaltet. Diese sind zwar alle auf der akustischen Ebene angesiedelt, können jedoch sehr unterschiedliche Eigenschaften aufweisen. Mit Umberto Eco lässt sich Semiotik als Untersuchung von Kommunikationsprozessen verstehen, die an einen Interpretationsprozess des Empfängers/der Empfängerin eines Signals gekoppelt sind.51 In diesen sogenannten „Signifikationsprozessen“ ist das Signal ein Zeichen.52 Ein visuelles oder akustisches Phänomen als Zeichenträger weist über sich selbst, d. h. das Sichtbare, Hörbare oder in anderer Weise sinnlich Erfahrbare hinaus. In Anlehnung an die Definition des Semiotikers Charles Sanders Peirce fasst Eco ein Zeichen als Verknüpfung von Signifikant (Bezeichnendes) und Signifikat (Bezeichnetes) auf.53 Die Regeln, die der Produktion und Rezeption von Zeichen zugrunde liegen, machen Codes verfügbar.54 Weil diese auf Konventionen beruhen, können sie ihre Funktion nur in bestimmten kulturellen, geografischen oder zeitlichen Kontexten erfüllen. Da nicht jedes Zeichen als ein solches erkannt wird, EmpfängerInnen mit dem Code eines Senders nicht zwangsläufig vertraut sind, geht Eco von einer „mögliche[n] Interpretation durch einen möglichen Interpreten“55 aus. Während die Syntaktik, als eine Abteilung der Semiotik, mit den Relationen zwischen den Zeichen befasst ist, zielt die Semantik auf die Beziehungen zwischen einem Zeichen und seinen Bedeutungen.56 Auch im Rahmen der Semantik findet eine Differenzierung unterschiedlicher Bedeutungsebenen statt. Die Decodierung der Grundbedeutung wird als Denotation bezeichnet.57 Einzelne denotative Zeichen wiederum stellen die Grundlage der Konnotation als sekundärer Decodierung dar.58 Bereits an dieser Stelle klingt an, dass ein Signifikant nicht auf ein Signifikat

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festgelegt ist, sondern „in Wahrheit einen Text darstellt, dessen Inhalt ein auf vielen Ebenen verteilter Diskurs ist“59. Mögliche Antworten auf die Frage, wie sich akustische Phänomene als Zeichen konstituieren und decodieren und welche konkreten Zeichensysteme sich in diesem Bereich überhaupt voneinander unterscheiden lassen, bieten die Ansätze von Wibke Weber und Götz Schmedes. Sie präsentierten semiotische Verfahren zur Untersuchung von verbalen sowie nonverbalen akustischen Phänomenen im Bereich des Hörspiels. Beide richten ihre Verfahren allerdings schwerpunktmäßig auf narrative Arbeiten aus und Besonderheiten der radiophonen Übertragung finden nur am Rande Erwähnung. Schmedes macht in seinen Ausführungen zwar deutlich, dass das Adjektiv „radiophon“ nicht nur auf die Art der Verbreitung bzw. der Präsentation eines akustischen Kunstwerks hinweist, „sondern gerade in seinen ästhetischen Spezifika zur Geltung kommt und ein Stück daraus wiederum seine besondere Wirkung erlangt“60. Dieser spezifischen Wirkung trägt Schmedes im Rahmen seiner exemplarischen Analysen jedoch nicht Rechnung. Schmedes beschäftigt sich vor allem mit der Frage nach der Beziehung zwischen Signifikat und Signifikant auf akustischer Ebene, um spezifische Charakteristika der Bedeutungskonstitution des Hörspiels als akustischer Kunst aufzuzeigen. Ein Signifikant bietet auf akustischer Ebene nach Schmedes im Allgemeinen mehr mögliche Verknüpfungen mit Signifikaten an, als es auf visueller Ebene der Fall ist: „Schall ist offener als Licht, da er nur das Merkmal eines Sachverhalts vermittelt und dieses Merkmal mehreren Bedeutungen entsprechen kann.“61 Die Filmwissenschaftlerin Barbara Flückiger weist darauf hin, dass wir im auditiven Bereich stärker zur Pauschalisierung neigen als im visuellen Bereich.62 Wir spezifizieren oftmals nicht, was sich genau hinter dem Gehörten verbirgt, sondern ordnen es einer Gruppe von Menschen, Tieren oder Objekten zu und unterscheiden eventuell, ob es natürlich (d. h. mechanisch) oder synthetisch (d. h. elektronisch, durch Synthesizer, Computer etc.) erzeugt bzw. modifiziert wurde.

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Im Zuge ihrer Betrachtung des Hörspiels als semiotisches System unterscheiden sowohl Schmedes als auch Weber unterschiedliche akustische Zeichensysteme voneinander. Ihre Untersuchungen nehmen ihren Ausgang bei den Kategorien Sprache bzw. Wort, Stimme, Geräusch, Ton bzw. Musik und Stille (Schmedes) sowie bestimmten elektroakustischen bzw. technischen Verfahren.63 Die verschiedenen akustischen Zeichensysteme unterscheiden sich hinsichtlich ihres Potenzials für die Übermittlung von Informationen. Das Zeichensystem Verbalsprache gilt in dieser Hinsicht als herausragend. Morris bezeichnet die natürlichen Sprachen (Englisch, Französisch etc.) als besonders „reich“,64 Eco als „das leistungsfähigste vom Menschen erfundene semiotische Medium“65. Gesprochene Sprache, auch einzelne Wörter, können als Träger von Bedeutung fungieren. Im Sinne eines identifizierenden Hörens

lassen sich bestimmte Arten von Sprache (z. B. Alltagssprache, Fachsprache etc.) und Rede (z. B. Dialog, Monolog, Kommentar etc.) beschreiben. Sowohl Schmedes als auch Weber verstehen Verbalsprache und Stimme als unterschiedliche, aber miteinander gekoppelte Zeichensysteme, die jeweils sehr spezifische Ausdrucksmöglichkeiten aufweisen.66 Stimme als parasprachliches System vermittelt Informationen in Ergänzung zu sprachlich vermittelten Inhalten und darüber hinaus zum/zur Sprechenden selbst, d. h. sie lässt Rückschlüsse auf den Zustand der Sprechenden zu.67 In diesem Kontext können auch lautliche Eigenschaften der Sprache einer genaueren Betrachtung unterzogen werden. So umfasst Prosodie „die Stimmqualität, Sprechmelodie- und Rhythmus sowie sprachunabhängige Formen der Lautproduktion, wie Hauchen, Lallen, Lachen, Räuspern und Schluchzen“68. Nicht nur die Beschreibung und Interpretation von Stimme, sondern auch die Verbalisierung von Geräuschen kann eine besondere Herausforderung darstellen.69 Jedes Geräusch zeichnet sich durch spezifische akustische Merkmale aus: Klangfarbe, zeitliche Ausdehnung, Lautstärke etc.70 Hilfreich bei der Beschreibung polyphoner Klänge mag eine schrittweise Annäherung sein, wie sie der Phänomenologe Daniel Schmicking beschreibt. Ein Klang lässt uns Rückschlüsse auf konkrete Materialeigenschaften ziehen, die Schmicking als Trägereigenschaften bezeichnet. Dieser Aspekt berührt Material, Oberflächenbeschaffenheit und Form derjenigen Gegenstände, welche hörbar werden. Diese lassen sich in der Regel Klang verursachenden Körpern als Ereignisträgern zuordnen. Die Benennung von Ereigniseigenschaften berührt die Frage, wie Gegenstände aufeinander treffen, d. h. mit welcher Bewegung, unter welchem Kraftaufwand und mit welcher Geschwindigkeit.71 Auch für die Beschreibung synthetischer Klänge kann Schmickings Differenzierung hilfreich sein und die Annäherung erleichtern.72 Geräusche bzw. Töne und Wörter bilden das Ausgangsmaterial des Zeichensystems Musik, wobei nicht immer eindeutig zwischen Musik und außermusikalischen Abschnitten zu unterscheiden ist. Nach Umberto Eco verfügt Musik über keinen semantischen, sondern einen rein syntaktischen Wert.73 Wie Weber betont, kann ihr in Verbindung mit anderen Zeichensystemen jedoch auch semantischer Gehalt zukommen, wenn Musik kommentierend den Ausdruck anderer Zeichensysteme stärkt oder kontrapunktisch als Gegenspieler anderer akustischer Phänomene auftritt.74 Zudem kann Musik als Liedeinlage auf Handlungen in der akustischen Produktion referieren oder als Zufallsmusik einen bestimmten Schauplatz markieren.75 Im Rahmen meines Analysemodells steht vor allem die Frage im Mittelpunkt, wie sich Musik in die Gesamtproduktion einfügt und in welcher Beziehung sie zu anderen Zeichensystemen steht.

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Auch im Hinblick auf die Stille können Differenzierungen erfolgen.76 Als erstes unterscheidet Schmedes zwischen der Stille als eigenständigem Zeichensystem und der Stille als Sprechpause, die Teil der gekoppelten Zeichensysteme Stimme und Sprache ist.77 Handelt es sich um absolute, d. h. technische Stille oder um Stille im Sinne eines ‚Schweigens‘ von Geräuschen, Musik und Stimmen? Grundsätzlich meint Stille eine relative Stille im Kontext dessen, was zuvor bzw. im Anschluss gehört wird.78 Mit lichter werdendem Klangteppich, d. h. dem Verklingen einer akustischen Produktion, gerät darüber hinaus das Geschehen im unmittelbaren Umfeld stärker in den Fokus der Hörenden. Akustische Spuren technischer Bearbeitung können – beabsichtigt oder unbeabsichtigt – den Charakter einer radiophonen Arbeit prägen. Das Spektrum an technischen Möglichkeiten zur Modifikation von Stimme, Geräuschen und Musik ist sehr breit – vor allem im Bereich digitaler Verfahren. Diese gehören teils zur Vorproduktion, d. h. es handelt sich um Prozesse, welche im Tonstudio stattfinden und die als solche für die Hörenden nicht unbedingt wahrnehmbar sind.79 Götz Schmedes betrachtet elektroakustische Manipulationen nur dann als „audiophones Zeichensystem“, wenn sie die Bedeutung von akustischen Phänomenen verändern.80 Für die Verbindung bzw. Trennung einzelner Segmente, Rhythmisierung und Kontinuität einer radiophonen Arbeit sorgen Blende und Schnitt. Während das Zu- und Abblenden durch Veränderungen in der Lautstärke hörbar werden, ist der Schnitt an sich nur dann wahrzunehmen, wenn sehr unterschiedliche Sequenzen aufeinander folgen, was von den Hörenden als Bruch empfunden wird.81 Als weiteres Mittel der elektronischen Produktion benennen sowohl Schmedes als auch Weber die Stereophonie, welche durch mehrkanalige Aufnahmetechnik erzielt wird.82 Erfolgt die Wiedergabe einer stereophonen Produktion durch zwei Lautsprecher oder Kopfhörer, erhalten die Hörenden Informationen zur Position einzelner akustischer Phänomene und zum dargestellten akustischen Raum, in dem diese verortet sind.83 Damit wird den RezipientInnen selbst eine Position in dem mit akustischen Mitteln geschaffenen Raum zugewiesen. Dies wirft Fragen bezüglich der zweckmäßigen Formulierung im Kontext der Interpretation auf. Um den Besonderheiten des akustischen Mediums gerecht zu werden, bietet sich eine Ausdrucksweise an, die der Perspektive des/der Hörenden Rechnung trägt, d. h. „ich höre … zu meiner Linken, … zu meiner Rechten“ usw.

2.1.3 Paratexte

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Radiokunstwerke als komplexe Zeichen lassen sich, wie oben erwähnt, im Sinne des semiotischen Ansatzes von Lotman als sprachliche Systeme auffassen.84 Wird eine radiophone Arbeit – unabhängig davon, ob sie auf

Verbalsprache basiert – als Text betrachtet, impliziert dies, dass es sich bei ihr einerseits um eine abgeschlossene, zusammenhängende Aussage handelt, sie aber auch Teil eines umfassenderen Kommunikationssystems aus anderen Texten ist. Die Übermittlung von Informationen im Kontext der Radiokunst geschieht nicht nur durch die Rezeption der künstlerischen Arbeit an sich, sondern auch durch die Rezeption von Begleitmaterial. Aufgrund seines heterogenen Charakters kann das flankierende Material an unterschiedlichen Stellen (Schritten) der Untersuchung einer radiophonen Arbeit von Relevanz sein. Zur Kategorisierung und systematischen Integration des Materials lehne ich mich an Überlegungen aus der Intertextualitätsforschung an. Den Anknüpfungspunkt bildet das Konzept der Paratexte des Literaturwissenschaftlers Gérard Genette, das zwar in der Analyse von Film und Fernsehen zur Darstellung unterschiedlicher Aspekte herangezogen wurde,85 im Bereich von Radio bzw. Radiokunst jedoch noch keine Anwendung gefunden hat. Paratexte bilden nach Genette das „Beiwerk des Buches“86, dessen Funktion etwa darin besteht, eine Begründung dafür zu geben, weshalb ein Buch lesenswert ist und zu erläutern, wie es zu lesen ist. Unter Paratexten versteht er vorrangig Text, der dem Zeichensystem Verbalsprache entspricht, aber ebenso auf anderen Zeichensystemen basieren kann.87 Anhand von vier Faktoren differenziert Genette einzelne Komponenten des Paratextes. Die Definition der Paratextelemente erfolgt mittels der Bestimmung des Ortes seines Auftretens (z. B. innerhalb derselben Publikation, in Zeitungen, Radio etc.), seiner Form (z. B. verbal oder nonverbal), seiner AdressatInnen (Zielgruppe) und der ihm zugrundeliegenden Intention(en) (z. B. Didaktisches, Werbezwecke etc.).88 Auf dieser Grundlage gliedert er den Paratext in Peritext und Epitext.89 Als Peritext fasst Genette all jene Informationen auf, die mit dem Basistext unmittelbar verbunden, d. h. Teil desselben Buches sind.90 Botschaften dieser Art können strukturierend wirken und den Kontext beleuchten. Der Epitext ist durch größeren Abstand bzw. Unabhängigkeit vom eigentlichen Werk gekennzeichnet, d. h. er erscheint nicht im selben Band, sondern wird auf anderem Wege publiziert (z. B. Interviews mit dem/der AutorIn) oder auch nicht publiziert (z. B. private Briefe, Tagebücher).91 „Der Ort des Epitextes ist also anywhere out of the book, […].“92 Beim Paratext handelt es sich einerseits um Material, dessen Urheber der/die AutorIn des Basistextes selbst ist – in diesem Falle spricht Genette von auktorialem Material.93 Andererseits umfasst er auch Material anderer UrheberInnen, welches Genette als allographes Material bezeichnet.94 Sowohl auktoriales als auch allographes Material entspricht dabei den Intentionen des Autors/der Autorin und ist durch diesen/ diese legitimiert. Texte von KritikerInnen oder InterpretInnen hingegen subsumiert Genette unter den Begriff Metatext. Eine metatextuelle Beziehung zwischen zwei Texten liegt dann vor, wenn sich ein Text kommentierend auf einen anderen Text bezieht.95 Auch Metatexte können

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auf unterschiedliche Weise mit dem Basistext verknüpft sein. Sie unterscheiden sich durch die Materialform, ihre Zielgruppe und ihren Zweck voneinander. Eine detaillierte Betrachtung möglicher Erscheinungsorte, Bezüge und Funktionen der Beiwerke radiophoner Arbeiten und Möglichkeiten ihrer systematischen Integration sind Teil der sich nun anschließenden, konkreten Interpretationsschritte. Eine Differenzierung des Materials im Sinne von Genette trägt dazu bei, diesen heterogenen Bedeutungseinheiten in ihrer jeweiligen medialen Verfasstheit Rechnung zu tragen und zu grundlegenden Entscheidungen hinsichtlich ihrer Integration in die Analyse zu gelangen.

2.2 Analysemodell zur Untersuchung von Radiokunst 2.2.1 Deskription der Präsentationsformen

Radiokunst kann sich ihren RezipientInnen in sehr unterschiedlicher Form darbieten und über die Sendung bzw. akustische Aufzeichnung hinaus mit vielfältigen visuellen und audio-visuellen Materialien in Verbindung stehen. Die Betrachtung der originären Präsentationskontexte von Radiokunst ist von besonderem Interesse, da beispielsweise die Präsentation einer radiophonen Arbeit im Rahmen einer Ausstellung in der Regel gleichbedeutend mit einer Entkoppelung von dem Rundfunk(-system) ist, in das sie ursprünglich eingebettet war. Schon daraus resultiert eine veränderte Wahrnehmung der Arbeit. Die Untersuchung von Radiokunst wird in hohem Maße dadurch geprägt, welche Möglichkeiten der Rezeption bestehen und von dem Interpreten/der Interpretin tatsächlich wahrgenommen werden. Aus diesem Grund stellt die Deskription der Präsentationsformen die erste Stufe meines Modells zur Analyse radiophoner Kunst dar.96 Ohne diesen Schritt blieben wichtige Bezugspunkte der Analyse unklar und es wäre kaum möglich, den sich anschließenden Interpretationsprozess nachzuvollziehen. Folgende Fragen können die Deskription und Auswahl leiten: In welcher Form wird bzw. wurde die Arbeit bzw. das Projekt präsentiert? Mit welchen Materialkorpora steht die jeweilige Präsentationsform in Verbindung? Greifen verschiedene künstlerische Präsentationsformen ineinander? Auf welche Präsentationsform und welches Material bezieht sich die Analyse?

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Die möglichen Rezeptionskontexte reichen von der Live-Sendung (analog oder digital) über die dokumentierte Sendung auf unterschiedlichen Datenträgern oder als Internetdokument (z. B. als Podcast etc.) bis hin zur Präsentation in Ausstellungen. Während im Falle der Sendung die Hörräume der Rezipierenden sehr unterschiedlich gestaltet sein können, findet im Rahmen einer Ausstellung eine Angleichung der Rezeptions-

situation statt. Die äußeren Bedingungen sind für alle RezipientInnen ähnlich. Jede Präsentationsform steht mit spezifischem Material aus dem Umfeld der künstlerischen Arbeit im Zusammenhang. Während An- und Abmoderation die Sendung eines radiophonen Werkes ergänzen und in direkter Verbindung (Sukzessivität und gleiche Wahrnehmungsebene) zu ihm stehen, kann weiteres Begleitmaterial der Öffentlichkeit über andere Kanäle zugänglich sein. Auch Material, welches über eine Website abrufbar ist, kann im Dienste der akustischen Produktion stehen oder sogar Teil von ihr sein. Ich übertrage den Begriff Paratext (Genette) auf die Radiokunst, wende ihn auf Material an, welches in unmittelbarer Verbindung zur jeweiligen Arbeit steht und – unabhängig davon, ob auktorial oder allograph – den Intentionen des Künstlers/der Künstlerin entspricht. Unter Metatext verstehe ich in Anlehnung an Genette allographes Material, welches sich kommentierend auf eine bereits präsentierte Arbeit (z. B. gesendet, über das Internet abrufbar) bezieht. Die sich an die Deskription der Präsentationsformen schließenden Analyseschritte sind auf eine Interpretation dokumentierter radiophoner Arbeiten ausgerichtet, d. h. nicht auf Radiokunst im Moment des Sendens. An einigen Stellen ist ein mehrfaches Hören des Materials oder einzelner Sequenzen erforderlich.

2.2.2 Zusammenfassende Inhaltsangabe

Auf dieser Stufe der Interpretation ist eine Zusammenfassung des zuvor ausgewählten Materials anzufertigen. Sie dient vor allem LeserInnen der besseren Orientierung, die mit der zu analysierenden Arbeit nicht oder wenig vertraut sind. Als kurze prägnante Inhaltsangabe kann diese auf Basis einer möglichen Anmoderation erfolgen, d. h. auf Botschaften fußen, die den Hörenden mittels der Anmoderation ‚mit auf den Weg‘ gegeben werden. Der Zweck der Zusammenfassung als Bestandteil eines Interpretationsschemas gleicht häufig dem der Anmoderation. Letztere bietet eine Einführung in das unmittelbar im Anschluss Hörbare, während erstere die Grundlage für die weiteren interpretatorischen Ausführungen bildet. Anmoderation und Abmoderation verstehe ich, analog zu den Ausführungen Genettes für das Medium Buch, als Peritext eines radiophonen Werkes. Genauer gesagt, stimmen sie in Funktion und Ort ihres Erscheinens mit dem, was Genette unter Vorwort versteht, überein.97 Als akustische sprachliche Botschaft der eigentlichen Arbeit des Künstlers/ der Künstlerin unmittelbar vorangestellt, ist die Anmoderation dieser materiell verbunden. Sie kann Informationen zu Inhalten, Produktionskontext, Hintergrund des Künstlers/der Künstlerin und möglichen

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Formen der Rezeption umfassen. Häufig gibt die Anmoderation den RezipientInnen an, welche Art von akustischen Zeichensystemen die künstlerische Arbeit beinhaltet, und macht eine Aussage darüber, in welchem Rahmen sich ihre Bedeutung bewegt. Sie schlägt einen Bedeutungshorizont für die Identifikation und Decodierung von Zeichen vor. An der Produktion einer Anmoderation sind in der Regel mehrere Personen beteiligt – RedakteurInnen, SprecherInnen und KünstlerInnen. Letztere treten durch ihre Stimme mitunter selbst in Erscheinung, wenn ihr O-Ton in die Anmoderation integriert wird. Ihr Interesse kann beispielsweise darin bestehen, eine Rezeption des Textes sicherzustellen, die mit ihren Intentionen korrespondiert.98 Dies kann bis zur Übermittlung konkreter Handlungsaufforderungen an die HörerInnen führen.

2.2.3 Formulierung des Ersteindrucks

Ausgehend von der gewählten und eingangs beschriebenen Präsentationsform wird der erste Eindruck schriftlich fixiert. Dieser sollte nicht auf die radiophone Arbeit an sich beschränkt bleiben, sondern ebenso die Anmoderation berücksichtigen, da diese (wie oben dargestellt) die Rezeption beeinflusst.99 Die Formulierung des ersten Eindrucks kann einen Beitrag dazu leisten, dass persönliche Erinnerungen, Assoziationen und Werturteile durch das schriftliche Fixieren nicht verloren gehen und in weiteren Schritten mit den Ergebnissen der dann folgenden systematischen Interpretation verglichen werden können. So ist es möglich, auf einzelne Aspekte des Ersteindrucks in den sich anschließenden Ausführungen zu verweisen. Dies kann etwa dann erfolgen, wenn erste Annahmen sich im Zuge einer dezidierten Betrachtung verfestigen. Der Soziologe Norman Kent Denzin sieht als einen Bestandteil seiner Video- und Filmanalyse eine „Ersteindrucksanalyse“ vor, die auf Sehen und Fühlen basiert.100 Diese gibt dem Festhalten von Empfindungen Raum und beinhaltet auch das Formulieren von Fragen. In Anlehnung an Denzin plädiere ich in diesem Rahmen für die Darstellung eigener Assoziationen, Gefühle, individueller Bedeutungen, Fragen, Wertungen und ersten Vermutungen bezüglich des zu Hörenden. Die Formulierung des Ersteindrucks bildet schon allein deshalb die Voraussetzung einer reflektierten Analyse, weil sie Empfindungen und subjektive Reaktionen expliziert und dokumentiert, die sonst unbemerkt Einfluss auf die Interpretation nehmen können.101

2.2.4 Erfassen der inhaltlichen Grundbedeutung

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Bei diesem Schritt der Interpretation liegt der Fokus auf einer Auseinandersetzung mit der akustischen Produktion an sich, unter Berücksichtigung jener Informationen, die mittels der Anmoderation kommuniziert

werden. Die Ausführungen sollten in ihrer Abfolge der Chronologie der radiophonen Arbeit folgen. Da radiophone Arbeiten auch eine räumliche Verortung akustischer Phänomene zulassen, kann bei deren synchronem Auftreten zudem eine Gliederung in Vorder- und Hintergrund vorgenommen werden und/oder eine Präzisierung durch Angabe einer Richtung (links oder rechts) erfolgen. Ein erstes Ziel der inhaltlichen Betrachtung besteht in der Beschreibung hörbarer Phänomene. So sind Ausführungen auf dieser Ebene auch als Übersetzung in Verbalsprache aufzufassen, welche die Voraussetzung für weitere Deutungen bildet. Verbalsprachliche Abschnitte können transkribiert102 und mittels sequenzanalytischer Verfahren strukturiert werden.103 Dabei kann die Einteilung in Sequenzen auch unter Berücksichtigung von außersprachlichen akustischen Elementen vorgenommen werden. Eine neue Sequenz erfolgt jeweils dann, wenn ein Themenwechsel bzw. Veränderungen im Hinblick auf die Zusammensetzung und Klangdichte eintritt. Im Sinne der vor-ikonografischen Ebene nach Panofsky ist danach zu fragen, woraus sich das Zu-hören-Gegebene zusammensetzt, d. h. welche akustischen Phänomene bzw. Zeichensysteme überhaupt Teil der Arbeit sind. Welche Weichen stellt die Anmoderation für das Verständnis des Gehörten? Grenzt sie mögliche Deutungen ein? Wer und/oder was ist zu hören? Auf welche Räume und Zeiten lässt das Gehörte schließen? Welche Atmosphäre wird/Atmosphären werden geschaffen? Diese Fragen zielen auf eine Decodierung der ‚wörtlichen Bedeutung‘, d. h. die Denotation des Gehörten ab. Auf einer zweiten Ebene sind im Sinne der Konnotation und in Anlehnung an die ikonografische Interpretation von Panofsky Antworten auf die Fragen zu finden, welche Handlungen hörbar sind und welche Themen verhandelt werden. Was wird auf akustischem Wege dargestellt bzw. evoziert? Akustische Phänomene und ihre Ursachen bzw. VerursacherInnen können in unterschiedlicher Weise denotiert und konnotiert sein. Ist keine Verbindung zu einem Signifikat erkennbar, kann die klangliche Qualität des Gehörten in den Mittelpunkt rücken. Geräusche, deren Ursachen nicht zu ermitteln sind, bezeichnet Flückiger als „unidentifizierbare Klangobjekte“104. Als akustische Zeichen ohne Denotation entfalten diese auf konnotativer Ebene Wirksamkeit, öffnen Assoziationsfelder und wecken Gefühle.

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2.2.5 Sezierendes Hören – Synthetisierende Bedeutungskonstitution durch Form und Inhalt

Nach der ersten systematischen Betrachtung und Beschreibung liegt der Schwerpunkt bei diesem Schritt auf formalen Aspekten und ihrer Verknüpfung mit Inhalten. Während die Ausführungen zum Ersteindruck sowie die formulierende Interpretation durch ein chronologisches Vorgehen gekennzeichnet sind, weist dieser Schritt einen synthetisierenden Charakter auf. Einzelne Elemente, die an unterschiedlichen Stellen der radiophonen Arbeit auftreten, werden herausgestellt, in ihrem Verlauf und Zusammenwirken untersucht sowie ggf. einander vergleichend gegenübergestellt. Anschließend können ihre Funktionen im Hinblick auf die Gesamtstruktur der Arbeit erläutert werden. Grundlegend für die Untersuchung formaler Prinzipien der Bedeutungskonstitution von Radiokunst sind die oben erläuterten Ausführungen Imdahls zur Ikonik. Das sehende Sehen, welches Imdahl innerhalb der Ikonik fordert, korrespondiert mit dem reduzierten Hören, das der Komponist Pierre Schaeffer als eine von drei unterschiedlichen Höreinstellungen beschreibt.105 Im Modus des reduzierten Hörens werden Ursprung und mögliche Funktionen des Gehörten vernachlässigt, d. h. der (mögliche) Zeichencharakter akustischer Phänomene wird in diesem Moment verdrängt.106 In das Zentrum der Betrachtung rücken Klangqualitäten wie Höhe, Rhythmus, Körnigkeit, Material, Form, Masse und Volumen.107 Als Voraussetzung für andere Höreinstellungen ist das reduzierte Hören per se nur mit großer Konzentration zu erzielen. Wie Chion hervorhebt, ist zudem der einzige Aspekt des Tons, bei dem das reduzierte Hören üblicherweise praktiziert wird, die Tonhöhe als „eine Eigenschaft des Tons an sich“, die „unabhängig zur Quelle des Tons, dessen Träger sie ist, wahrgenommen“108 wird. Im Kontext der Analyse radiophoner Arbeiten ist der Nutzen einer derartigen Höreinstellung als vergleichsweise gering einzustufen. Ich schlage stattdessen vor, was ich ein sezierendes Hören nennen möchte: ein Hören, das einzelne (Zeichen-) Komplexe akustischer Phänomene fokussiert und auf ihre Bedeutung für den immanenten Gehalt einer radiophonen Arbeit untersucht. Sowohl die Renotation als auch die Betrachtung formaler Aspekte auf Grundlage der Kriterien Raum, Zeit und Szenischer Choreografie – analog zu Imdahls Kriterien im Rahmen der Ikonik – erfordert eine derartige Hörhaltung. Renotation in grafischer Darstellung

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Für eine detaillierte Betrachtung der Struktur radiophoner Arbeiten bietet sich das Anfertigen von grafischen Darstellungen an. ForscherInnen unterschiedlicher Disziplinen führen das Hörprotokoll (z. B. Schmedes), (Re-)Notationen (z. B. Schmedes, Schätzlein) bzw. die Partitur (z. B. Moritz) für eine Annäherung an den akustischen Gegenstand sowie als Instrument zur Sedimentierung von formalen und inhaltlichen Schichten ins

Feld.109 Dabei möchte ich mich bei meinen Ausführungen im Wesentlichen auf den Begriff „Notation“ stützen, der im Zusammenhang mit Vorgängen unterschiedlicher Art Anwendung finden kann und, da nicht streng an Musik gebunden, offener gehalten ist als der Begriff „Partitur“.110 Genau genommen geht es um die Renotation als Aufzeichnung einer existierenden Produktion, nicht um eine Aufzeichnung, welche die Grundlage einer künstlerischen Produktion bildet. Sie dient sowohl der Untersuchung selbst als auch der Darstellung von Forschungsergebnissen.111 Die Renotation als Analyseinstrument unterstützt das sezierende Hören, d. h. die Aufspaltung akustischer Komplexe. Auf diese Weise können auch einzelne Geräusche, Töne oder Sprachfetzen in den Fokus rücken, denen im Klangteppich nur wenig Aufmerksamkeit zuteil wird. Um eine gute Verständlichkeit für Dritte zu erzielen, muss die Renotation ausgewogen sein, d. h. eine präzise Übertragung in ein visuelles Zeichensystem bei möglichst hoher Übersichtlichkeit leisten.112 Die tabellarische Form bietet sich an, da sie in der Regel ohne spezifische grafische Fachkenntnisse zu bewerkstelligen ist. Linearität kann auf horizontaler, Synchronizität auf vertikaler Achse abgebildet werden. Da es sich um ein zweidimensionales System handelt, müssen weitere Dimensionen (z. B. Position im Raum) durch bestimmte Zeichen dargestellt werden. An dieser Stelle kann beispielsweise das Zeichenrepertoire zur Transkription von Frank Schätzlein herangezogen werden. Er erläutert dieses als Teil der „halbinterpretativen Arbeitstranskription“ (HIAT).113 Unabhängig davon, welches System zur Anwendung kommt, also wie detailliert die visuelle Erfassung akustischer Zeichen ausfällt, kann keine Renotation alle Aspekte berücksichtigen, wie etwa die Musikwissenschaftlerin Heidy Zimmermann in Bezug auf die westliche Musiknotation ausführt.114 Zudem erlaubt jede Art von Notation ein „ausgeprägtes – und akzeptiertes – Maß an Subjektivität“115. Erschließen von Zeit, Raum und szenischer Choreografie Im Rahmen der Rekonstruktion der Formalstruktur als detaillierter Untersuchung einzelner Aspekte orientiere ich mich an den Kategorien Imdahls, d. h. der planimetrischen Komposition, perspektivischen Projektion und szenischen Choreografie. Für die Übertragung auf akustische Arbeiten sind jedoch einige Veränderungen nötig, die bereits bei der Benennung ansetzen. Zwar lassen sich einzelne Elemente und ihre Bezüge auch für den durch eine radiophone Arbeit dargestellten Raum beschreiben, diese weist jedoch keinen flächenhaften Charakter auf. Im Vergleich zum Bild ist eine akustische Produktion zudem weniger als ein abgeschossenes System zu verstehen. Der dargestellte Raum existiert nicht ohne Hörraum, vielmehr in kontinuierlicher, wechselseitiger Beziehung zu diesem und den in ihm verorteten HörerInnen.

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Da sich eine radiophone Arbeit sowohl im Raum als auch in der Zeit erstreckt, sollen diese Dimensionen in meinem Schema die perspektivische Projektion und planimetrische Komposition ersetzen. Was vermitteln die akustischen Phänomene bzw. unterschiedlichen Zeichensysteme Stimme, Geräusche, Ton/Musik und Stille hinsichtlich der Zeit, des Raums sowie der szenischen Choreografie? •





Wie wird/werden Raum bzw. Räume konstruiert, wie Verhältnisse von Nähe und Distanz, räumliche Ausrichtung und Bewegung vermittelt? Wie Atmosphäre(n) geschaffen? (Wie) wird Zeit bzw. (wie) werden Zeiträume dargestellt (z. B. Tageszeiten, Jahreszeiten, Epochen …)? Wird die Arbeit in besonderer Weise als Live-Ereignis gekennzeichnet? (Wie) werden einzelne Personen/Charaktere dargestellt und eine szenische Choreografie geschaffen? (Wie) werden HörerInnen einbezogen, d. h. Interaktion bzw. Kommunikation bewirkt? Wie konstituieren sich Zeit, Raum und Beziehungsraum zwischen den AkteurInnen und den RezipientInnen?

2.2.6 Kontextualisierung

Mit diesem Schritt erfolgt die Vertiefung und Erweiterung vorangegangener Erläuterungen auf Grundlage zusätzlichen Materials.116 Dieses kann anderen Präsentationskontexten entstammen, die zu Beginn der Untersuchung (Deskription der Präsentationsformen) aufgelistet und beschrieben wurden. Die Informationen können als Text, in akustischer oder audiovisueller Form vorliegen und in einer mehr oder weniger engen Beziehung zur untersuchten Arbeit stehen. Zum Teil handelt es sich um Material, welches sich mit Genette als Epitext bezeichnen lässt, zum Beispiel Texte und Interviews mit den verantwortlichen KünstlerInnen, Konzepte, Skripte, Partituren, Skizzen, Videos und Fotografien. Das aufgelistete Material ist mit der radiophonen Arbeit nicht materiell verbunden, eventuell nicht einmal publiziert, sondern beispielsweise nur im Archiv der Sendeanstalt oder des Künstlers/der Künstlerin einsehbar. Äußerungen der KünstlerInnen z. B. aus eigenen Texten oder Interviews dienen der Rekonstruktion der Arbeit aus ProduzentInnen-Sicht.117 Vergleiche zwischen einer künstlerischen Arbeit und dem ihr zugrunde liegenden Skript oder ihrer Notation vermögen Unterschiede zwischen dem Konzept und seiner Ausführung aufzudecken. Fotografien und Filmmaterial können als Informationsträger bezüglich der konkreten Ausführung einer radiophonen Arbeit von Bedeutung sein.

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Im Hinblick auf den Produktionskontext – Auftragssituation, institutionelle Bedingungen, Details zur Technik – können sich auch Äußerungen weiterer Beteiligter als aufschlussreich erweisen. Diese stehen in einer metatextuellen Beziehung zur künstlerischen Arbeit. Auch Texte von

TheoretikerInnen, die sich implizit oder explizit auf eine radiophone Produktion beziehen, lassen sich mit Genette als Metatext bezeichnen. Die Rezeptionsgeschichte radiophoner Arbeiten unterliegt besonderen Bedingungen. Oftmals wurden Arbeiten nur ein einziges Mal ausgestrahlt und danach der Öffentlichkeit nicht mehr zur Verfügung gestellt. Der Kreis der möglichen KommentatorInnen ist dadurch sehr begrenzt. Dennoch existieren vereinzelt Dokumente von HörerInnen, z. B. E-Mails, Briefe, Telefonprotokolle, aber auch beantwortete Fragebögen, die als Metatext betrachtet werden können. Da diese Art von Daten den Schwerpunkt im empirischen Teil dieser Arbeit (Kapitel 6) bildet, bleiben sie in den folgenden exemplarischen Analysen zunächst weitgehend unberücksichtigt. Die künstlerische Arbeit kann wiederum auch selbst als Kommentar aufgefasst werden, d. h. als Metatext anderer Dokumente fungieren. Sie kann als Produkt aus und Beitrag zu unterschiedlichen Diskursen verhandelt werden. In Anlehnung an die ikonologische Analyse Panofskys dient auf dieser Stufe der Interpretation der weitere mediale, gesellschaftliche bzw. politische Kontext als Folie für die Deutung der vorliegenden radiophonen Produktion.

2.2.7 Vergleichende Analyse

Abschließend geht es bei der vergleichenden Untersuchung um die Gegenüberstellung mit weiteren künstlerischen Arbeiten, auch anderer Gattungen, die formale und/oder inhaltliche Ähnlichkeiten zeigen.118 Ein Vergleich zwischen der zu interpretierenden Arbeit und anderen Produktionen des Künstlers/der Künstlerin oder der Künstlergruppe vermag überdies zu verdeutlichen, inwiefern bereits zuvor formulierte Konzepte aufgegriffen werden, und ob inhaltliche und strukturelle Veränderungen für spezifische Kontexte vorgenommen werden. Arbeiten, die eine metatextuelle Beziehung (eine künstlerische Arbeit fungiert als Kommentar der anderen) aufweisen, sind jedoch im Rahmen des vorangegangenen Interpretationsschrittes (Kontextualisierung) zu berücksichtigen. Leitend für die Entscheidung, welche Arbeit(en) für einen Vergleich herangezogen wird (werden), ist die zugrundeliegende Forschungsfrage. Bei den exemplarischen Analysen im Kontext dieser Arbeit geht es mir bei einem Vergleich vor allem um die Frage, wie die Künstler (LIGNA und Norbert Math) mit ihren Konzepten die spezifischen Vermittlungsdimensionen des Radios aufgreifen: Welche Möglichkeiten der Aktivierung von HörerInnen bestehen und werden fruchtbar gemacht? Mein Vergleich der Arbeiten zielt letztlich auf die Bildung von Schlüsselkategorien für die Vermittlung von Radiokunst, die im Anschluss theoretisch ausdifferenziert werden und der Formulierung konkreter Herausforderungen für die Kunstvermittlung dienen sollen.

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Auf Grundlage des oben beschriebenen Analysemodells werden im Folgenden Interpretationsansätze für exemplarische radiophone Werke erarbeitet und diskutiert. Je nach Perspektive können verschiedene Deutungen plausibel erscheinen, durchaus gleichberechtigt nebeneinanderstehen und sich teilweise ergänzen. Angemerkt sei, dass eine Arbeit, unabhängig ob visuell, schriftlich, akustisch etc., nie restlos erschlossen werden kann. Deutungen wandeln sich von InterpretIn zu InterpretIn und von Zeit zu Zeit, so dass jede Interpretation offenbleiben muss und anschlussfähig bleiben sollte. So lässt sich auch auf die Radiokunst wenden, was Imdahl zur Interpretation bildhafter Kunst ausgeführt hat: „Kunstwerke sind niemals so bekannt, daß sie nicht immer wieder aufs neue sich darstellen könnten und daß es nicht möglich wäre, sie neu zu sehen und längst gewonnene Einsichten neu zu begründen wie auch neu zu überholen. Damit ist zugleich gesagt, daß unsere Interpretationen keinen Absolutheitsanspruch erheben.“119

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1 Siehe hierzu beispielsweise Huber 1999. Während Huber die unterschiedlichen Ansätze getrennt voneinander beleuchtet, erarbeite ich im Kontext dieser Arbeit ein Modell, das produktions-, werk- und rezeptionsorientierte Ansätze zusammenführt. 2 Vgl. Schmedes 2002, S. 80. 3 Siehe u. a. Panofsky 1994b, S. 200. 4 Vgl. Mannheim 1970, S. 91. 5 Vgl. ebd., S. 104. 6 Vgl. ebd., S. 98. 7 Vgl. Panofsky 1994a, S. 210. 8 Vgl. ebd. und Panofsky 1994b, S. 187–188. 9 Vgl. Panofsky 1994a, S. 210–211. Hierzu sei angemerkt, dass im Grunde nie zweifelsfrei zu ermitteln ist, ob es sich um eine bewusste oder eine unbewusste Darstellung von Inhalten handelt. 10 Vgl. Panofsky ebd. In diesem Zusammenhang schreibt Max Imdahl, dass Panofsky seine Untersuchungen unter Anwendung des von ihm entwickelten Interpretationsschemas vor allem an Darstellungen erarbeitet, deren Bildgegenstand auf literarischen Quellen basiert. (Vgl. Imdahl 1995, S. 313) 11 Panofsky 1994a, S. 211. 12 Vgl. ebd., S. 212. 13 Panofsky 1994a, S. 211. 14 Vgl. Panofsky 1994a, S. 212. 15 Vgl. Panofsky 1994b, S. 200. 16 Vgl. Panofsky 1994a, S. 221. 17 Vgl. ebd. 18 Vgl. ebd. S. 214–223 und Panofsky 1994b, S. 193–194. Der Kunsthistoriker Felix Thürlemann erblickt in diesem Vorgang den Kern von Panofskys Erläuterungen zur Interpretation einzelner Kunstwerke. (Vgl. Thürlemann 2010, S. 217–218) Nach Thürlemann steht weniger das Beschreiben eines konkreten Interpretationsprozesses als die Fundierung seiner Vorgehensweise im Zentrum von Panofskys Interesse. (Vgl. ebd., S. 218.) 19 Vgl. Panofsky 1994a, S. 217. 20 Vgl. ebd., S. 214–217 und Panofsky 1994b, S. 193. 21 Vgl. Panofsky 1994a, S. 217 und Panofsky 1994b, S. 191 und S. 200. Dies gilt in vergleichbarer Weise für die Einordnung im Rahmen der Typengeschichte und der „Geschichte kultureller Symptome oder Symbole“ (Panofsky 1994a, S. 223) (Herv. i. O.). 22 Vgl. Panofsky 1994a, S. 217. 23 Vgl. ebd., S. 217–220. Panofsky definiert „Typus“ als „eine solche Darstellung […], in der sich ein bestimmter Sachsinn mit einem bestimmten Bedeutungssinn so fest verknüpft hat, daß sie als Träger dieses Bedeutungssinnes traditionell geworden ist, […].“ (Panofsky 1994b, S. 194) 24 Vgl. Panofsky 1994a, S. 219.

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Vgl. ebd., S. 221. Vgl. ebd., S. 222. Vgl. Thürlemann 2010, S. 221–222. Imdahl 1988, S. 97. Vgl. Janhsen-Vukic´evic´ 1996, S. 15–16. Vgl. Imdahl 1988, S. 89. Vgl. Imdahl 1995, S. 308. Vgl. Imdahl 1988, S. 92. Siehe auch Janhsen-Vukic´evic´ 1996, S. 17. Vgl. Imdahl 1995, S. 303–305. Da Imdahl ein besonderes Augenmerk auf formale Aspekte von künstlerischen Arbeiten legt, setzt er sich intensiv mit dem Begriff „Komposition“ auseinander. Siehe hierzu JanhsenVukic´evic´ 1996, S. 16. Vgl. Imdahl 1988, 17–19. Vgl. ebd. Vgl. ebd., S. 19. Vgl. Imdahl 1995, S. 308. Vgl. ebd. Vgl. Imdahl 1988, S. 21. Vgl. ebd., S. 26. Vgl. ebd. Imdahl 1988, S. 99. Thürlemann 2010, S. 232. Vgl. ebd., S. 232–233. In jüngerer Zeit werden die kunstwissenschaftlichen Ansätze Imdahls bzw. Panofskys auch im Kontext der sozialwissenschaftlichen Forschung aufgegriffen. Der Soziologe Ralf Bohnsack entwickelt sein Modell der dokumentarischen Analyse der Bildinterpretation auf Grundlage der ikonografisch-ikonologischen Interpretation und der Ikonik. Aus diesem Grunde ließe sich die dokumentarische Methode der Bildinterpretation, wie Bohnsack anmerkt, auch als ikonologisch-ikonische Interpretation bezeichnen. (Vgl. Bohnsack 2006, S. 55) Vgl. Lotman 1993, S. 34. Wie oben dargestellt, behandeln sowohl Panofsky als auch Imdahl einzelne visuelle Kunstwerke als komplexe Träger von Bedeutung. Imdahl nutzt Begriffe der Semiotik, ohne sich explizit auf diese zu beziehen. So beschreibt er die Ikonik als ein Verfahren, um das Zusammenspiel von Semantik und Syntax in Bildern zu untersuchen. (Vgl. Imdahl 1988, S. 99) Siehe hierzu auch Thürlemann 2010, S. 229. Lotman 1993, S. 26. Ebd., S. 23. Die Grundvoraussetzung für Sprache stellt nach Lotman ein System geordneter Zeichen dar. Kunst ist für Lotman eine sekundäre Sprache, da sie auf anderen Sprachen basiert. (Vgl. Lotman ebd., 21–22) Morris 1975, S. 99–100. Vgl. ebd., S. 19. Der Begriff „Semiose“ steht für Prozesse, in denen ein Phänomen als Zeichenträger fungiert, auf etwas verweist (ein sog. „Designat“) und einen Effekt („Interpretant“) bei möglichen RezipientInnen („Interpreten“) erzielt. (Vgl. ebd., S. 20) Vgl. Eco 1987, S. 28. Vgl. ebd. Vgl. Eco 2002, S. 30. Vgl. Eco 1987, S. 77. Ebd., S. 38 (Herv. i. O.). Bei dieser Definition lehnt sich Eco an die Ausführungen von Charles William Morris an. Siehe auch Morris 1975, S. 21. Vgl. Morris 1975, S. 24–25. Als dritte mögliche Untersuchungsebene nennt Morris die Beziehung zwischen Zeichen und InterpretIn, die er als Pragmatik bezeichnet. Im Folgenden stehen vor allem die semantische Dimension, vereinzelt die syntaktische Dimension im Zentrum meines Interesses. Vgl. Eco 1987, S. 84–85. Vgl. ebd. Eco 1987, S. 87 (Herv. i. O.). Schmedes 2002, S. 33. Ebd., S. 61. Vgl. Flückiger 2001, S. 113. Weber unterscheidet zwischen Wort, Stimme, Ton, Geräusch sowie Ausdrucksformen des technoakustischen Mediums. (Vgl. Weber 1997, S. 41–54) Schmedes bezieht sich auf die allgemeinen Zeichensysteme Sprache, Stimme, Geräusch, Musik, Stille, den Originalton sowie unterschiedliche audiophone Zeichensysteme. (Vgl. Schmedes 2002, S. 71–83) Vgl. Morris 1975, S. 30. Eco 1987, S. 233. Vgl. Schmedes 2002, S. 71 und S. 93 sowie Weber 1997, S. 47–49. Die Stimme hat bedeutenden Anteil bei der Darstellung von Personen, da sie indexikalisch auf den Körper des/der Sprechenden verweist. (Vgl. Weber 1997, S. 50) Zur Indexikalität der Stimme siehe auch Kap. 4. Bei den Sprechenden kann es sich um die KünstlerInnen selbst handeln, um professionelle SprecherInnen/SchauspielerInnen und/oder weitere Beteiligte, z. B. HörerInnen, die in Produktionsprozesse einbezogen werden. Ist der/die SprecherIn bekannt, können die Hörenden aus der Erinnerung ein Bild der betreffenden Person abrufen.

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68 Heiser 2014, S. 193. Die Möglichkeiten Prosodie in Transkripten durch typografische Mittel zum Ausdruck zu bringen sind limitiert. Jene Ergebnisse, die derartige Systeme hervorzubringen vermögen, bezeichnet Schätzlein als „eher ungewollte konkrete Poesie als ein brauchbares und verständliches Transkript“ (Schätzlein 2001) und mahnt dementsprechend zur Vorsicht im Umgang mit typografischen Zeichen. (Vgl. ebd.) 69 Darüber hinaus weist Flückiger in diesem Kontext auf die Schwierigkeit der Bestimmung von Geräuschen hin: „Selbst bei der Verwendung durch ein und dieselbe Person können Schwankungen auftreten; mal wird ein Geräusch als surrend, mal ein sehr ähnliches als brummend bezeichnet. Dieses Problem ist prinzipieller Natur, weil es mit der Anforderung zur Echtzeitverarbeitung von Klängen zusammenhängt. Klänge können nicht angehalten und nebeneinander gestellt werden.“ (Flückiger 2001, S. 106) 70 Vgl. Flückiger 2001, S. 111–112. Diese einzelnen Charakteristika lassen sich wiederum in unterschiedliche Dimensionen einteilen. So hält Weber im Hinblick auf die Klangfarbe beispielsweise fest: „Der Parameter Klangfarbe lässt sich über die drei Dimensionen Helligkeit, Rauheit und Dichte bzw. Volumen durch die Verwendung entsprechender Adjektivpaare, wie hell – dunkel, stumpf (weich, glatt) – scharf (rau) und voll (breit) – leer (dünn, hol) beschreiben.“ (Weber 2003, S. 31) 71 Vgl. Schmicking 2003, S. 287–288. 72 Barbara Flückiger schlägt zur Annäherung an Geräusche den Einsatz lautmalerischer Verben vor: „Mir erscheinen hauptsächlich lautmalerische Verben geeignet, um den klanglichen Aspekt sprachlich zu fassen. Sie werden in meinen Beschreibungen im Partizip Präsenz adjektivisch gebraucht: also beispielsweise blubbernd, dröhnend, heulend, tosend, zischend. Lautmalerische Ausdrücke sind deshalb geeignet, weil in ihnen die klangliche Ausprägung in sinnhafter Form wiedergegeben wird. Anders gesagt: Es besteht eine Verwandtschaft zwischen Form und Inhalt, indem der Ausdruck selbst eine bildhafte Empfindung erzeugt.“ (Flückiger 2001, S. 106) 73 Vgl. Eco 2002, S. 106–107. Unabhängig von Eco weisen auch Lotman und Jakobson auf das Fehlen einer semantischen Dimension im Bereich der Musik hin. (Vgl. Jakobson 2008, S. 286 und Lotman 1993, S. 23) 74 Vgl. Weber 1997, S. 51. Gleichermaßen betrachtet Schmedes Musik als Sprache, die mit den anderen Zeichensystemen zusammen und dadurch über die musikalische Ebene hinaus Wirkung entfaltet. (Vgl. Schmedes 2002, S. 79–80) 75 Vgl. Weber 1997, S. 52. 76 Der Hörspielmacher und Regisseur Klaus Schöning beschreibt die Stille als Paradoxon: „Stille existiert und existiert nicht. Wir hören stets etwas. Doch das Gehörte ist flüchtig. […] Selbst in der Leere des schalltoten Raums hören wir immer das eigene Nervensystem und das pulsierende Blut. Innerhalb der Welt der Klänge gibt es ein von uns organisiertes Klangsystem.“ (Schöning 1994, S. 65) 77 Vgl. Schmedes 2002, S. 68 und S. 82. 78 Vgl. Espinet 2009, S. 158–159. 79 Vgl. Schmedes 2002, S. 91. 80 Vgl. ebd. 81 Vgl. Schmedes 2002, S. 87. 82 Vgl. ebd., S. 89. Zur Aufzeichnung stereophoner Signale kommen unterschiedliche Verfahren in Frage. Da die zugrundeliegende Technik jedoch in diesem Zusammenhang nicht von Bedeutung ist, sondern allein der Höreindruck, gehe ich auf die unterschiedlichen Möglichkeiten zur Erzeugung von Stereophonie (Kunstkopfstereophonie etc.) nicht näher ein. 83 Vgl. Schmedes 2002, S. 90. 84 Vgl. Lotman 1993, S. 22–23. 85 Siehe hierzu Kreimeier; Stanitzek 2004. 86 Genette 2014, S. 190–227 und ebd., S. 328–353. 87 Peritext kann sich in Gestalt eines Textes, typografisch, als Bild oder als pures Faktenwissen präsentieren. (Vgl. Genette 2014, S. 14) Epitext ist nicht auf die visuelle Ebene beschränkt, kann sich auch auf auditiver und/oder audio-visueller Ebene präsentieren. 88 Vgl. Genette 2014, S. 12–13. 89 Vgl. ebd. Der Literaturwissenschaftler Georg Stanitzek merkt an, dass ein Text ohne jegliches Beiwerk nicht vorstellbar ist, dieser vielmehr allein als „regulativer Horizont“ dient. (Stanitzek 2004, S. 6) 90 Vgl. Genette 2014, S. 12–13. 91 Vgl. ebd. und ebd., S. 328. 92 Genette 2014, S. 328 (Herv. i. O.). 93 Vgl. Genette 2014, S. 173. 94 Vgl. ebd. 95 Vgl. Genette 1993, S. 13. 96 Im Bereich der Interpretation empirischen Materials stellt die Beschreibung des Ausgangsmaterials oftmals einen der ersten Schritte dar. Siehe hierzu z. B. Holzwarth 2006, S. 180. 97 „Ich verallgemeinere den gängigen Begriff Vorwort und bezeichne damit alle Arten von auktorialen oder allographen Texten (seien sie einleitend oder ausleitend), die aus einem Diskurs bestehen, der anläßlich des nachgestellten oder vorangestellten Textes produziert wurde. Das ‚Nachwort‘ wird also als Variante des Vorworts angesehen, deren unleugbare Besonderheiten mir weniger wichtig erscheinen als jene Züge, die sie mit dem allgemeinen Typus teilt.“ (Genette 2014, S. 157) (Herv. i. O.)

98 Vgl. Genette 2014, S. 191. 99 Auch ForscherInnen, die ihre Ansätze auf Grundlage der Theorien von Imdahl und Panofsky entwickeln, integrieren den Ersteindruck in ihre Analyseschemata. Hier ist beispielsweise die kontextbezogene Bildinterpretation von Peter Holzwarth zu nennen, der sich explizit auf die dokumentarische Bildanalyse und damit indirekt auf die ikonografisch-ikonologische Analyse und die Ikonik bezieht. (Siehe Holzwarth 2006) 100 Vgl. Denzin 2015, S. 427. 101 Siehe hierzu auch Breckner 2014, S. 130. 102 Dabei ist zu beachten, dass auch dann, wenn die Arbeit auf einem Skript basiert, welches dem Interpreten/der Interpretin vorliegt, Abweichungen im akustischen Material bestehen können. Auf diese kann im kontextualisierenden Teil der Analyse Bezug genommen werden. (Siehe beispielsweise Untersuchung von Nacht. Stimme. Zerstreuung. Kap. 3.3.6) 103 Analog nennt und beschreibt Schmedes die Segmentierung als Instrument zur Reduzierung der Komplexität gesprochener Sprache. (Vgl. Schmedes 2002, S. 108) „Unter einem Segment soll eine bestimmte, von anderen abgrenzbare, homogene Einheit auf der Zeitachse verstanden werden. Ein Segment kann sich aus dem Wortlaut oder der Figurenkonstellation ergeben, es kann aber auch aus einer oder mehreren klanglichen Zeichenschichten ohne Wortlaut bestehen.“ (Schmedes 2002, S. 112) Siehe für eine detaillierte Darstellung sequenzanalytischer Verfahren Bohnsack; Schäffer 2007. 104 Flückiger 2001, S. 130. 105 Vgl. Schaeffer 1974, S. 36. Schaeffer unterscheidet den Hörmodus des reduzierten Hörens von zwei weiteren Höreinstellungen. Die eine fokussiert Hinweise auf die (Ver)Ursache(r) akustischer Phänomene (Klang als Indiz), die andere stellt die Suche nach Sinn (Klang als Schriftzeichen) dar. (Vgl. ebd.) Beide Höreinstellungen konzentrieren sich also auf akustische Phänomene als Zeichenträger. 106 Vgl. Chion 2012, S. 202. 107 Vgl. ebd. 108 Ebd. 109 Siehe hierzu Schmedes 2002, S. 116–122; Schätzlein 2001 und Moritz 2010. Wie Schmedes festhält, erleichtert das Protokoll die Auseinandersetzung mit dem Gegenstand, führt aufgrund des damit einhergehenden Informationsverlusts aber auch zu einer Distanzierung vom Ausgangsmaterial durch Auflösung der Kontinuität etc. (Vgl. Schmedes 2002, S. 119) Siehe hierzu auch Moritz 2010, S. 172. 110 Vgl. Weibel 2008, S. 32. Zur Notation siehe auch Angela Lammert, welche die Notation als „Notiz eines Denkprozesses“ (Lammert 2008, S. 42–43) bzw. als „visuelle Denkform“ (ebd., S. 52) bezeichnet. 111 Vgl. Moritz 2010, S. 163, die diese Funktionen der Notation unter dem Begriff „Feldpartitur“ fasst. 112 Vgl. Schätzlein 2001. Im weiten Bereich der Notation lässt sich auch von „Sequenzgrafik“ sprechen, die auf das Fixieren und Strukturieren aller akustischen Phänomene, die Teil eines Hörstücks sind, ausgerichtet ist. Dabei können auch eine Sequenzanalyse des Textes sowie eine Grafik, die auf Verteilung bzw. Kombination von gesprochener Sprache und Geräuschen ausgerichtet ist, kombiniert werden. 113 Schätzlein 2001. Schätzlein geht von der „(erweiterten) halbinterpretativen Arbeitstranskription (HIAT 1 und 2) aus, wie sie von Konrad Ehrlich und Jochen Rehbein in verschiedenen Aufsätzen vorgestellt wird: Ehrlich und Rehbein: HIAT (1) 1976, HIAT 2 1979 und zwei Berichte über die Erweiterung von HIAT 2, 1981 sowie Computergestütztes Transkribieren – Das Verfahren HIAT-DOS. 1993.“ aus. Für die Detailanalyse von Schallereignissen sei auf Murray Schafer verwiesen, der in seiner Publikation Die Ordnung der Klänge. Eine Kulturgeschichte des Hörens (2010) ein komplexes Beschreibungsmuster für akustische Phänomene darstellt. 114 Vgl. Zimmermann 2008, S. 198. 115 Mayr 1994, S. 102. 116 Es bestehen Parallelen zur Kontextanalyse des Erziehungswissenschaftlers Peter Holzwarth. Dieser erweitert die dokumentarische Methode der Bildinterpretation von Ralf Bohnsack um weitere Schritte und listet detailliert auf, welche Art von Kontextmaterial in die Deutung einbezogen werden kann. Da sein Modell auf den Erkenntnisgewinn im Bereich sozial- bzw. erziehungswissenschaftlicher Fragestellungen ausgelegt ist, liegt der Schwerpunkt auf Material, das Aufschluss über den Hintergrund der ProduzentInnen gibt. (Vgl. Holzwarth 2006) Holzwarth nähert sich dem Ansatz von Panofsky an, der die konsequente Integration anderer Quellen insbesondere im Zuge des Korrektivprinzips einfordert. (Siehe Kap. 2.1.1). Während Panofsky darum bemüht ist, Möglichkeiten der Absicherung von Interpretationsergebnissen aufzuzeigen, geht es Holzwarth um zusätzliche potenzielle Lesarten des Bildmaterials. (Vgl. Holzwarth 2006, S. 181) 117 Siehe Holzwarth 2006, S. 179–181. Diese Stufe der Interpretation weist zudem Parallelen zum produktionsorientierten Ansatz von Hans Dieter Huber auf. (Vgl. Huber 1999). 118 Hier bestehen Parallelen zur komparativen Analyse als Teil der dokumentarischen Methode der Bildinterpretation von Ralf Bohnsack. Bohnsack sieht die komparative Analyse (analog zur Sequenzanalyse) als fallübergreifende Gegenüberstellung vor. (Vgl. Bohnsack 2013, S. 85–86) 119 Imdahl 1988, S. 14.

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3 Exemplarische Analyse radiophoner Arbeiten

Als unsichtbare, akustische und damit zeitbasierte Kunst stellen radiophone Arbeiten für ihre RezipientInnen eine besondere Herausforderung dar. Mit diesem Kapitel gehe ich der Frage nach den spezifischen Vermittlungsdimensionen von Radiokunst nach. Dazu wende ich das im vorangegangenen Kapitel entwickelte Analysemodell auf die Arbeiten Nacht. Stimme. Zerstreuung. der Künstlergruppe LIGNA sowie das radiophone Projekt Schlafradio des Künstlers Norbert Math an.

3.1 Die Sendereihe Kunstradio – Radiokunst Sowohl Nacht. Stimme. Zerstreuung. von der Künstlergruppe LIGNA als auch das Schlafradio von Norbert Math sind Teil der Sendereihe Kunstradio – Radiokunst und wurden eigens für diese entwickelt. Die Radiokunst-Sendereihe des ORF-Kulturkanals Österreich 1 wird seit 1987 wöchentlich, aktuell sonntags von 23.03 Uhr bis 00.00 Uhr, ausgestrahlt. Es handelt sich um das international am längsten bestehende Radiokunstprogramm. Das Kunstradio geht auf die Initiative der österreichischen Redakteurin, Kuratorin und Autorin Heidi Grundmann zurück. Diese zeichnete von 1976 bis 1987 mit Kunst heute bereits für eine journalistische Sendereihe über zeitgenössische bildende Kunst verantwortlich.1 Ihre Nachfolge als Producerin und Redakteurin des Kunstradios trat 1998 Elisabeth Zimmermann an. Kunstradio – Radiokunst ist eine Plattform für die Realisierung und Präsentation von Werken und Projekten der Radiokunst. Es eröffnet KünstlerInnen sowohl den Zugang zu den Produktions- als auch zu den Distributionsmöglichkeiten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Österreichische und internationale KünstlerInnen aus den Bereichen der bildenden Kunst, Literatur, Medienkunst, Musik, Performance-Kunst und Netzkunst haben die Chance, Radiokunstwerke in unterschiedlichsten Kontexten und unter Verwendung vielfältiger Technologien umzusetzen. Die Sendereihe ist in diesem Sinne auch als Experimentierfeld zu betrachten. In ihrem Rahmen können KünstlerInnen zumeist nicht nur im Kunstkontext noch neuartige Technologien und ihre Verknüpfungen erproben. Das Medium Radio wird dabei in seinen unterschiedlichen Ausprägungen erforscht und zum Gegenstand der künstlerischen Reflexion, zum Instrument und Kommunikationsraum. Die meisten Radiokunstwerke in der Reihe werden exklusiv für das und mit dem Kunstradio produziert. In der Sendung werden die vorgestellten

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Radiowerke von den RedakteurInnen und/oder den KünstlerInnen selbst kommentiert. HörerInnen erhalten Informationen über den formalen und inhaltlichen Aufbau der Werke, die Produktionsabsichten und Entwicklungsprozesse, ggf. auch über besondere technische Bedingungen. Einen Schwerpunkt bilden kollaborative Arbeiten, zu denen in den 1990er Jahren groß angelegte Telekommunikationsprojekte zählten. Bei diesen traten KünstlerInnen an teilweise geografisch weit voneinander entfernten Orten durch den Einsatz unterschiedlicher Medien miteinander in Kontakt, um gemeinsame Projekte zu erarbeiten.2 Seit 1995 wird die Sendereihe durch die Website Kunstradio On Line ergänzt, die der Ankündigung von Sendungen und ihrer Dokumentation dient sowie gleichzeitig eine zentrale Rolle bei der Durchführung von Projekten spielt. Mitunter können sich auch HörerInnen über die Internetseite, live oder zeitlich versetzt, an den radiophonen Produktionen beteiligen. Zudem bietet die Internetpräsenz ein Archiv von Sendungen und Informationen sowie eine Datenbank mit Biografien der beteiligten KünstlerInnen. Das Konzept von Kunstradio On Line geht auf den Künstler Robert Adrian zurück, der die Internetseite bis 2000 als Webmaster betreute.3 Robert Adrian formulierte 1998 auch das Kunstradio Manifesto. Toward a Definition of Radio Art, in dem er Radiokunst u. a. im Hinblick auf ihre Produktions- und Rezeptionsbedingungen thematisiert:4 „1. Radio art is the use of radio as a medium for art. 2. Radio happens in the place it is heard and not in the production studio. 3. Sound quality is secondary to conceptual originality. 4. Radio is almost always heard combined with other sounds – domestic, traffic, tv, phone calls, playing children etc. 5. Radio art is not sound art – nor is it music. Radio art is radio. 6. Sound art and music or literature are not radio art just because they are broadcast on the radio. 7. Radio space is all the places where radio art is heard. 8. Radio art is composed of sound objects experienced in radio space. 9. The radio of every listener determines the sound quality of a radio work. 10. Each listener hears their own final version of a work for radio combined with the ambient sound of their own space. 11. The radio artist knows that there is no way to control the experience of a radio work. 12. Radio art is not a combination of radio and art. Radio art is radio by artists.”5 48

Neben den Optionen, die Aktivitäten des Kunstradios per Radio und Internet zu verfolgen, können Interessierte auch an künstlerischen, kunsttheoretischen und medienwissenschaftlichen Veranstaltungen vor Ort teilnehmen. Auf diesen unterschiedlichen Rezeptionsmöglichkeiten beruht das Motto des Kunstradios: „on air – on site – on line“. Die RedakteurInnen arbeiten mit zahlreichen österreichischen und internationalen Kulturinstitutionen und Museen zusammen und schaffen Möglichkeiten der Begegnung und des Austauschs für KünstlerInnen und WissenschaftlerInnen. Die MitarbeiterInnen des Kunstradios organisieren internationale Tagungen und kuratieren Ausstellungen bzw. setzen KünstlerInnen als KuratorInnen ein.6 Auch die regelmäßige Organisation und Beteiligung an Festivals, wie beispielsweise dem jährlich stattfindenden Ars Electronica-Festival in Linz, sind Teil der Aktivitäten des Kunstradios.

3.2 Analyse des Projekts Schlafradio von Norbert Math Die folgenden Ausführungen beruhen auf der Anwendung meines Analysemodells auf das radiophone Projekt Schlafradio des Künstlers Norbert Math. Dieses wählte ich aufgrund seiner besonderen partizipativen Beschaffenheit für die von mir co-kuratierte Ausstellung Über das Radio hinaus. 25 Jahre Kunstradio – Radiokunst7 aus. Die Analyse dieser komplexen Arbeit verspricht mannigfaltige Erkenntnisse hinsichtlich der Strukturen, Formen, Inhalte und Kontexte radiophoner Arbeiten und damit letztlich ihrer Vermittlungspotenziale.

3.2.1 Deskription der Präsentationsformen

Der österreichische Künstler Norbert Math initiierte das Projekt Schlafradio im Jahre 1993. Er erarbeitete ein erstes Schlafradio-Stück, das am 15. April 1993 im Rahmen der Sendereihe Kunstradio – Radiokunst über den Sender Österreich 1 gesendet wurde (Dauer: 12:14).8 In der Folge wurden drei weitere Schlafradio-Arbeiten von unterschiedlichen Co-AutorInnen im Kontext des Kunstradios ausgestrahlt: • • •

Schlummernummer von Gerhard Mittermayr und Gertraud Schleichert am 3. Februar 1994 (Dauer: 12:40), Na Gute Nacht von Rupert Huber am 28. April 1994 (Dauer: 12:25) und Weave von Elisabeth Schimana am 1. Juni 1995 (Dauer: 10:32).

Im Zuge der Kunstradio-Reihe Aus dem Archiv wurden diese Arbeiten am 11. März 2012 ein weiteres Mal vom ORF gesendet.9 Teil des Schlafradio-Projekts ist auch die Performance thetaPHASE10 (1994), eine Kooperation von Norbert Math mit den KünstlerInnen

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Andrea Sodomka, Clemens Gießmann, Peter Szely und Christoph Cargnelli. Eine Dokumentation der Performance liegt in Form von Fotografien vor, die Momentaufnahmen einzelner Phasen darstellen.11 Im Internet stehen folgende Dokumente und Informationen zum Schlafradio zur Verfügung: •





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Die aufgezeichneten Sendungen inklusive der Anmoderationen durch SprecherInnen des Kunstradios werden als Stream angeboten.12 Die Websites enthalten jeweils einen einführenden Text und die Namen der Beteiligten. Die Namen der Künstler (Huber, Mittermayr und Math) sind als Hyperlink angelegt. Durch das Anklicken gelangen NutzerInnen zu deren Biografien und Homepages sowie zum Internetauftritt des KünstlerInnennetzwerks alien productions, das 1997 von den KünstlerInnen Andrea Sodomka, Martin Breindl, August Black und Norbert Math gegründet wurde.13 Einzig die Seite zum ersten Schlafradio von Norbert Math und die Seite zur Sendung Aus dem Archiv – Teil 5 weisen Bildmaterial auf. Dabei handelt es sich um eine Fotografie, welche die Performance thetaPHASE dokumentiert, einen Flyer, der auf das erste Schlafradio von Norbert Math aufmerksam macht sowie zwei unbetitelte Holzschnitte.14 Drei Texte der Online-Ausgabe von TRANSIT #2 Materialien zu einer Kunst im elektronischen Raum beziehen sich auf das Schlafradio. Autor des Texts Schlafradio #1 ist Norbert Math selbst.15 Ein weiterer Text zum Schlafradio-Projekt stammt von dem Medienwissenschaftler Reinhard Braun.16 Zudem wird Maths Übersetzung eines Absatzes des manieristischen Romans Hypnoerotomachina Polyphili bereitgestellt.17 Der Internetauftritt der Künstlergruppe alien productions beinhaltet eine Projekthomepage von Math.18 Diese enthält neben grundlegenden Informationen zum Schlafradio und den vier über den ORF ausgestrahlten Schlafradio-Variationen noch vier weitere Arbeiten: Hypnoerotische Zwischenbilanz von Norbert Math,19 Traumphasen I – V von Ernest Bittner/ Andre Stanley sowie Das Summen. Der Ton. und Wiegenlied von Klaus Hollinetz. Die Produktionen werden als Stream angeboten.

Die vier Schlafradio-Sendungen, die über den ORF ausgestrahlt wurden, waren Teil der temporären Ausstellung Über das Radio hinaus (2012/ 2013) und sind als Audiodokumente in das digitale Radiokunstarchiv des Zentrums für Künstlerpublikationen eingegangen. Dort können sie an mehreren Computerarbeitsplätzen über einen Mediaplayer abgespielt werden. Visuelles Material steht in diesem Kontext jedoch nicht zur Verfügung.

Die folgenden Ausführungen basieren auf der Rezeption der dokumentierten Schlafradio-Stücke Schlafradio, Schlummernummer, Na Gute Nacht und Weave in Form von einzelnen digitalen Sounddateien, die neben der Arbeit an sich auch die Anmoderationen beinhalten.20 Weil diese Anmoderationen den einzelnen Schlafradio-Stücken materiell verbunden sind, fasse ich sie mit Genette als paratextuelles Material auf und beziehe sie bereits in den ersten Analyseschritten ein.21 Das Textmaterial auf den oben aufgelisteten Internetseiten sowie Texte, die im Zusammenhang mit der Sendung Aus dem Archiv generiert wurden, inklusive der Moderation, verstehe ich mit Genette als metatextuelles Material, auf das ich erst im Rahmen der Kontextualisierung zurückgreife.

3.2.2 Zusammenfassende Inhaltsangabe

Sowohl die das Projekt einleitende Schlafradio-Episode von Norbert Math als auch die Arbeiten Schlummernummer von Gerhard Mittermayr/Gertraud Schleichert, Na Gute Nacht von Rupert Huber und Weave von Elisabeth Schimana basieren auf dem Prinzip des Samplings. Bevor diese Produktionen gesendet wurden, forderten SprecherInnen des Kunstradios die Hörerschaft im Namen des Künstlers dazu auf, das folgende Stück mittels Kassettenrekorder aufzunehmen, zu bearbeiten und an das Kunstradio zu schicken. Auf diese Weise konnten auch die Produktionen von HörerInnen gesendet und damit Teil des Projektes werden. Jede gesendete Arbeit setzt sich aus akustischem Material, das vorangegangenen Schlafradio-Produktionen entnommen ist, sowie ‚Sound Samples‘ anderer Herkunft zusammen.

3.2.3 Formulierung des Ersteindrucks

Für die Ausstellung anlässlich des 25-jährigen Bestehens der Sendereihe Kunstradio – Radiokunst habe ich nach partizipativen radiophonen Arbeiten gesucht. Meine Rezeption der einzelnen Schlafradio-Episoden basiert auf MP3-Dateien, die ich mit dem Mediaplayer meines Notebooks abspielte. Ich war darüber informiert, dass es sich um ein Projekt handelt, das auf Fortsetzung basiert und hörte die Arbeiten direkt nacheinander in der chronologischen Reihenfolge ihrer ursprünglichen Sendetermine an. „Schlafradio“ von Norbert Math22 Die Sprecherin Heidi Grundmann bereitet mich darauf vor, das Stück mit Hilfe eines Kassettenrekorders aufzunehmen. Selbst wenn ich wollte, könnte ich es nicht tun, weil ich bereits seit einigen Jahren über keinen Kassettenrekorder mehr verfüge. Ebenso wenig besitze ich einen Radiowecker. Heute bin ich völlig auf die digitale Technik angewiesen.

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Ich frage mich, wie sich der Künstler das Klangarchiv im Internet vorgestellt hat. Was war ihm Mitte der 1990er Jahre möglich, was noch nicht? Die Offenheit des Stückes erscheint mir als schöne Vorstellung – der Künstler gibt sein Stück „aus der Hand“, damit auf dieser Grundlage, unter Beteiligung vieler, etwas Neues entstehen kann. Zu Beginn wirkt das Schlafradio-Stück von Norbert Math auf mich wie ein dramatischer, lamentierender Gesang, vorgetragen durch einen Opernsänger. Ich verspüre den Drang, Worte zu identifizieren bzw. zu verstehen, aber es gelingt mir nicht. Auch andere Geräusche kann ich nicht einordnen. Schrille, elektronische Klänge erinnern mich an das Zirpen der Zikaden im Sommer. Andere metallische Geräusche haben etwas von fiktiven Wesen oder Androiden aus einem Sciencefiction-Film, die sich schwebend nähern und wieder verschwinden. Die akustischen Reize überfluten mich. Ich kann mich nicht auf alle konzentrieren, schenke meine Aufmerksamkeit immer nur kurz einem ‚aufblitzenden‘ Geräusch, dann gleich dem nächsten. Aus diesem Grund bin ich froh, als die Klangdichte abnimmt und der gleichmäßig säuselnde ‚Gesang‘ wieder dominiert. Seine Wirkung relativiert sich, er wirkt nach der zwischenzeitlich hohen Klangdichte mit unruhigen, teils aggressiven und spitzen Klängen fast meditativ und beruhigend auf mich. Überrascht bin ich von einer plötzlich einsetzenden Stille. Zunächst schließe ich daraus, dass das Stück abrupt endet, aber dann kehren die Geräusche für ein paar Sekunden zurück. Insgesamt verbinde ich trotz der Vielfalt an Klängen wenig mit dem Gehörten – das Ganze wirkt sehr diffus und rätselhaft. „Schlummernummer“ von Gerhard Mittermayr und Gertraud Schleichert 23

Ich empfinde es als positiv, dass Norbert Math und die Co-Autorin der Schlummernummer, Gertraud Schleichert, selbst vorab etwas zu ihrer Arbeit sagen, ihre Intentionen schildern. Dieser Aspekt erscheint mir aus zwei unterschiedlichen Gründen interessant: einerseits, weil ich weitere Informationen zum Projekt erhalte, andererseits, weil Math und Schleichert selbst hörbar werden und hinter ihrer Arbeit hervortreten. Ich bin gespannt auf die von Gertraud Schleichert angekündigten Störgeräusche und ob ich diese tatsächlich als solche erkennen kann bzw. wie diese die Schlafradio-Version von Norbert Math ergänzen oder übertönen.

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Wie von Schleichert angekündigt, zeichnet sich die Produktion durch eine schlechte Klangqualität aus. Allerdings treten nicht so viele Störgeräusche auf, wie ich es nach ihrer Schilderung vermutet habe. Ansonsten kann ich zunächst kaum eine Veränderung im Vergleich mit dem Ur-Schlafradio von Math feststellen. Schließlich treten tatsächlich

Geräusche auf, die auf einen sehr schlechten Radioempfang zurückgeführt werden können. Außerdem ergänzen lose aneinandergereihte Klaviertöne das Klangspektrum des ersten Schlafradios. Der Klangteppich wirkt auf mich, gerade am Ende, noch dichter und undurchdringlicher, dramatische Stellen noch dramatischer als in der ersten SchlafradioVersion von Norbert Math. Ich würde gerne einzelne Geräusche auf ihre Ursprünge zurückführen können und verstehen, was der Sprecher des vermutlich tschechischen Senders sagt. Die Irritation, die das erste Schlafradio bei mir hervorgerufen hat, kommt auch beim Hören der Schlummernummer zum Tragen. „Na Gute Nacht“ von Rupert Huber 24

Die Anmoderation ist deutlich kürzer als bei den beiden zuvor gehörten Schlafradios. Es erheitert mich, dass ich die Stimme von Heidi Grundmann, welche die Anmoderation spricht, direkt zu Beginn von Rupert Hubers Arbeit wieder höre. Auch die Stimme von Gertraud Schleichert aus der Anmoderation der Schlummernummer erscheint mir als „alte Bekannte“. Die Stimmen sind jedoch durch einen starken Nachhall geprägt, den ich gerne unterbrechen würde. Als laute Schlagzeugbeats ertönen, erschrecke ich mich, zucke zusammen. Offenbar habe ich mich auf eine bestimmte Lautstärke eingestellt, die nun überschritten wird. Diese Musik in Kombination mit anderen Geräuschen überfordert mich und ich bin froh als sich die Geräusche reduzieren und für einen kurzen Moment das erste Schlafradio durch die Geräuschkulisse dringt. Aber schon klingelt ein altes Telefon – penetrant, nervtötend. Ich empfinde Dankbarkeit als es aufhört. Am Ende bin ich überrascht von den sehr leisen, sanften Tönen einer kleinen Melodie. Na Gute Nacht wirkt auf mich wie ein Gedankenfluss mit vielen Sprüngen. Insgesamt erscheint es mir allerdings konkreter, greifbarer als das Schlafradio von Math und Schlummernummer von Mittermayr/Schleichert. Ich fühle mich nicht ganz so verloren und kann mir Erlebnisse in Korrespondenz zum Gehörten in Erinnerung rufen. Zugleich wirkt die Arbeit an vielen Stellen unbequem, konfrontiert mich mit unangenehmen Klängen, die ich im Alltag lieber meide. „Weave“ von Elisabeth Schimana 25

Der Arbeit geht eine sehr ausführliche Anmoderation voraus. Neben dem Sprecher Reinhard Handl kommt eine Schlafforscherin zu Wort, die detailliert über einzelne Schlafphasen berichtet. Als Handl im Anschluss an ihre Ausführungen sagt: „Sollten Sie bereits von der beruhigenden Stimme von Dr. Holzinger ins Übergangsstadium vom Wachen zum Schlaf geführt worden sein, so darf ich Sie wieder um etwas Aufmerksamkeit

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nach außen bitten.“, fühle ich mich ertappt. Die monotone Stimme der Wissenschaftlerin hat tatsächlich eine einschläfernde Wirkung auf mich. Beruhigend beginnt auch Weave selbst mit der Spieluhrmelodie von Moon River, begleitet von einer ruhigen Männerstimme, die poetisch anmutende Worte überträgt. Als eine weibliche Stimme „Schhhh…“ verlauten lässt, fühle ich mich dazu aufgefordert, leise zu sein. Flirrende Geräusche werden heller, lauter und schneller. Sie haben zunächst eine ausgleichende Wirkung auf mich, doch dann schlägt der Effekt ins Gegenteil um und sie erscheinen mir wie die Klänge einer Alarmglocke. Aufhorchen lassen mich auch hohe, weibliche, künstlich anmutende Stimmen. Sie erinnern mich an Fabelwesen, die nichts Gutes im Schilde führen. Insgesamt wirkt Weave besonders kontrastreich auf mich – mal beruhigend, mal verstörend.

3.2.4 Erfassen der inhaltlichen Grundbedeutung

In den Anmoderationen der unterschiedlichen Folgen des Schlafradios erhalten die HörerInnen allgemeine Informationen und vor allem konkrete Anweisungen dazu, wie sie selbst hören und sich in das Projekt einbringen können. „Schlafradio“ von Norbert Math

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Bevor das Schlafradio von Math eingespielt wird, nennt die Sprecherin Heidi Grundmann den Hörenden verschiedene Optionen für die Rezeption der Arbeit: Sie können diese aufzeichnen und/oder sich von ihr in den Schlaf begleiten lassen. Grundmann nennt die genaue Sendezeit, damit die HörerInnen zur Aufnahme des Schlafradios rechtzeitig den Aufnahmeknopf ihres Kassettenrekorders betätigen können. Schneiden die HörerInnen die Arbeit mit, können sie auf Basis dieser Aufnahme selbst eine akustische Arbeit produzieren, die im Rahmen des Projekts vom ORF Kunstradio gesendet wird. Grundmann verliest im Zuge der Anmoderation einen Text von Math, mit dem der Künstler über die dem Projekt zugrundeliegenden Intentionen informiert. Math geht von einer gewissermaßen symbiotischen Beziehung zwischen Radio und Menschen aus. Dabei aktivieren sich Mensch und Radio wechselseitig oder versetzen sich wechselseitig in einen Ruhezustand. In diesem Sinne funktioniert auch das Schlafradio: Es ist einerseits für eine Rezeption im Dämmerzustand/Schlaf konzipiert und bildet gleichzeitig den Ausgangspunkt für konkrete Aktivitäten der Kunstradio-Hörerschaft: mitschneiden, bearbeiten und versenden.26 Math beschreibt das Schlafradio als eine „Grundanordnung“ mit großem Potenzial für Variationen.27

Die etwa zwölf Minuten lange Arbeit beginnt mit Klängen, die an zweistimmigen maskulinen ‚Gesang‘ erinnern.28 Dieser formt keine Worte und weist eine Abfolge an gedehnten Tönen auf, die sich nahezu über die gesamte Dauer der Arbeit wiederholen. Diese Soundebene drängt aufgrund ihrer variierenden Lautstärke für wenige Minuten oder auch Sekunden in den Vordergrund, erscheint aber meist untermalend im Hintergrund. Der ‚Gesang‘ wirkt sehr organisch und steht im Kontrast zu unterschiedlichen metallisch anmutenden Klängen, die sich in der Folge nacheinander kaskadenartig ablösen. Am Anfang [00:01-00:34] schimmert ein gedehntes, vibrierendes Geräusch durch den ‚Gesang‘, das am Ende der Arbeit noch einmal eingespielt wird [10:11-12:00]. Es setzt sich von einem weiteren langgezogenen Geräusch ab, das mal lauter und heller [00:35-01:15 und 08:16-08:51] mal leiser und dunkler [01:16-01:45 und 08:52-09:09] erscheint. Daneben drängen kurze metallische Klänge flirrend, prickelnd oder klickend-schwirrend in den Vordergrund. Diese werden stets sehr kurz eingespielt, fast so als sei es aus Versehen geschehen. Insgesamt lassen sich ungefähr neun unterschiedliche Geräusche voneinander unterscheiden. Meist treten zwei bis drei verschiedene Elemente synchron auf, einzig der ‚Gesang‘ ist auch isoliert zu hören [03:35-04:20 und 09:10-10:10]. Besonders dicht erscheint der Klangteppich bei einer Kombination von ‚Gesang‘ mit einem Rauschen, das wie Musik im Zeitraffer wirkt (verzerrte Klänge eines Orchesters mit Paukenschlägen), und quietschenden Geräuschen (ähnlich Störgeräuschen, welche durch die Sendersuche im analogen Radio entstehen) [zwischen 06:01 und 08:15]. Kurz bevor die Arbeit mit dem ‚Gesang‘ endet, setzt abrupt Stille ein [12:01-12:07]. Da es sich um jeweils sehr kurze Aufnahmen, d. h. Abfolgen weniger Töne handelt, die geloopt werden, lassen sich die Samples kaum auf ursprüngliche Klangquellen zurückführen. Dies betrifft insbesondere Geräusche, die mit hoher Wahrscheinlichkeit elektronisch erzeugt wurden und denen höchstens eine entfernte Ähnlichkeit zu natürlichen Geräuschen attestiert werden kann. „Schlummernummer“ von Gerhard Mittermayr und Gertraud Schleichert Schlummernummer wurde fast ein Jahr nach dem das Projekt initiierenden Schlafradio-Stück von Norbert Math gesendet. Wieder ist es die Sprecherin Heidi Grundmann, die in ihrer Anmoderation Grundzüge des Projektes mit der Möglichkeit der Beteiligung für alle HörerInnen erläutert. Zudem enthält die Anmoderation O-Töne von Norbert Math und Gertraud Schleichert. Der Künstler schildert einzelne Aspekte seines Konzepts. Er spricht über sein Anliegen, eine offene Struktur zu schaffen, die allen Interessierten die Möglichkeit zur Beteiligung bietet. Darüber hinaus bekundet er sein Interesse an neuen Technologien und in diesem Zusammenhang an Konzepten, die auf verteilter Autorschaft basieren.29 Mit der Produktion einer Arbeit, die idealerweise während des (Ein-)

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Schlafens zu hören ist, stellt Math die konventionelle Kunstrezeption in Frage.30 Die Co-Autorin Gertraud Schleichert spricht über den Entstehungskontext der von ihr mitgestalteten Schlafradio-Episode. Sie wendet sich in ihrer Einführung direkt an Norbert Math. Schleichert hielt sich, als das erste Schlafradio gesendet wurde, in den weißen Karpaten auf. Ihr Schlafradio wurde bereits während des Aufzeichnungsprozesses modifiziert, weil der Empfang ihres Radiogerätes durch zahlreiche Störungen geprägt war. Ihren Mitschnitt, den Schleichert in ihrer Einführung als „Naturradio“ bezeichnet,31 verarbeitete der Komponist Gerhard Mittermayr zur Schlummernummer. Die Arbeit beginnt mit Klängen des Ur-Schlafradios von Norbert Math, die durch leichte radiophone Störgeräusche begleitet werden.32 Nach einigen Sekunden kommen lose aneinandergereihte Klaviertöne hinzu. Diese setzen sich [ab 00:35] durchgängig in unterschiedlichem Tempo bis zum Ende der Arbeit fort. Aus den unspezifischen Störgeräuschen – vermutlich bedingt durch den schlechten Radioempfang Schleicherts – gehen nach ein paar Minuten [ab ca. 3:45] eine männliche Stimme, die in einer fremden Sprache erklingt,33 sowie kurze Musiksequenzen [03:31-04:20, 07:05-08:51 und 09:49-10:09] hervor. Im letzten Viertel der Arbeit setzt ein Geräusch ein, das so wirkt, als werde eine Rute oder ein Seil schnell durch die Luft bewegt. Synchron zu diesem „Fuchteln“ gewinnt das Klavierspiel zeitweise an Tempo und Lautstärke. Über den Verlauf der Arbeit hinweg sind bis zu sechs unterschiedliche Klangebenen zu unterscheiden, die sich durchdringen und überschneiden. Schlummernummer endet mit langsam verklingenden Klaviertönen. „Na Gute Nacht“ von Rupert Huber Der Künstler Rupert Huber betitelt seine Arbeit, die er auf Grundlage der vorangegangen Schlafradios komponiert, mit Na Gute Nacht. Die Anmoderation der Arbeit durch Heidi Grundmann fällt sehr kurz aus. Sie lässt die HörerInnen wissen, dass das Projekt bereits seit einem Jahr läuft und sie das folgende Stück aufnehmen, bearbeiten und ihre Produktion wieder an das Kunstradio senden können.

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Nachdem Grundmanns Anmoderation verklungen ist, setzt ihre Stimme mit Beginn von Na Gute Nacht wieder ein:34 „Mensch schaltet Radio ein – Radio schaltet Menschen ab. Radio schaltet Menschen ein – Mensch schaltet Radio ab.“ Darauf folgen die diffusen Hintergrundgeräusche einer Bar mit mehr oder weniger deutlichen Gesprächsfetzen und Musik. Den ‚Gesang‘ von Maths Schlafradio vernehme ich leise im Hintergrund, er wird jedoch durch andere Geräusche übertönt. Über den Zeitraum von etwa einer Minute kommt es zu mehreren abrupten

Brüchen im Klangteppich, die sich als Stille manifestieren [zwischen 02:41 und 03:20]. Dazwischen folgt noch einmal Heidi Grundmanns Satz: „Mensch schaltet Radio ein – Radio schaltet Menschen ab. Radio schaltet Menschen ein – Mensch schaltet Radio ab.“ in mehrfacher Wiederholung. Außerdem vernehme ich eine verzerrte männliche Stimme, die mehrfach „Wieso?“ fragt. Satzfetzen aus Gertraud Schleicherts Einleitung zur Schlummernummer stellen ein weiteres Element der Arbeit dar. Ein elektronisch erzeugtes, metallisch anmutendes, Schlag ähnliches Geräusch konkurriert mit einer, ebenfalls elektronisch erzeugten, hohen Melodie [04:25-06:50]. Übertönt werden beide Soundebenen schließlich von lauten Schlagzeugbeats [05:30-06:50]. Der ‚Gesang‘ des ersten Schlafradios sowie dessen Rauschen, das an Musik im Zeitraffer erinnert, stellen die Basissounds im letzten Drittel der Arbeit dar. Sie werden von lautem mechanischen Telefonklingeln sowie unverständlichen Äußerungen einer maskulinen Stimme überdeckt. Insbesondere die Stör-Elemente (Atmosphäre einer Bar, Schlagzeugbeats, Telefonklingeln) lassen sich konkreten (Alltags-)Situationen zuordnen und damit auch eine Denotation zu. Hinzu kommen vereinzelt weitere Soundelemente, die der Künstler den beiden vorangegangenen Schlafradio-Episoden bzw. deren Anmoderationen entnahm. Hubers Arbeit endet mit einer leisen Melodie aus gedehnten Tönen, die vermutlich elektronisch erzeugt wurden [11:5012:25]. Diese steht im Kontrast zum ansonsten sehr dichten Klangteppich der Arbeit. „Weave“ von Elisabeth Schimana Der Arbeit Weave von Elisabeth Schimana geht eine sehr ausführliche Anmoderation voraus. Der Sprecher Reinhard Handl nennt die Titel und Co-AutorInnen der vorangegangenen Variationen des Schlafradios. Wie Heidi Grundmann bei den vorherigen Schlafradio-Sendungen, so lädt auch Handl die HörerInnen dazu ein, sich am Projekt zu beteiligen. Er informiert zudem ausführlich über das Konzept von Elisabeth Schimana. Die Grundstruktur von Weave beruht auf den unterschiedlichen Schlafphasen, welche die Künstlerin akustisch, mit unterschiedlichen Klängen formt. Für ihre Produktion interviewte Schimana die Schlafforscherin Dr. Brigitte Holzinger und stellte einen Ausschnitt ihrer Antworten Weave voran. Im Anschluss an den O-Ton von Holzinger nennt Handl unterschiedliche Elemente, auf denen Weave basiert: ein gesprochener Text von Andre Stanley zum Schlafradio, eine Spieluhrmelodie, das Ur-Schlafradio von Norbert Math sowie stimmliche Äußerungen von Schimana selbst. „Das Klanggewebe Weave scheint sich zu Wolken zusammen zu ballen, die im Traum vorüber ziehen.“35 Schimanas Produktion beginnt mit knackenden Geräuschen, wie sie das Aufziehen einer Spieluhr verursacht.36 Dann ist deren Melodie

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(Moon River) zu hören, die bald durch den Satzfetzen „Schlafradio ist ein Versuch …“37 aus Heidi Grundmanns Anmoderation der ersten Schlafradio-Episode überlagert wird. Es folgt der in der Anmoderation angekündigte Text von Andre Stanley, der vom Autor selbst gesprochen wird.38 Dieser erscheint als Sammlung von Assoziationen, Begriffen und Sprichwörtern, die mit Nacht, Schlaf und Traum in Verbindung stehen: „Der Tunnel, die Enge, das Licht. Der Vorhang ist gefallen. Das Wasser, die Tiefe, das Blau. Die letzten Schafe sind gezählt. Die Treppe, die Stufe, der Halt. Das Kreuzchen singt sein Lied. Die Lichter, das Feuer, der Schein. Alea iacta est. Der Pinsel, die Farbe, une pipe. Die Hürde ist genommen. Die Halle, das Summen, der Ton. Den Seinen gibt’s der Herr. Der Tunnel, das Summen, das Licht. Der letzte Vorhang ist gefallen. […].“ [00:36-02:00] Die technisch modifizierte, stark nachhallende Stimme wird verdoppelt, so dass eine kanonartige Wirkung erzielt wird [1:36-2:00]. Die Spieluhrmelodie mündet in prickelnde Geräusche. Diese gehen in metallische, pulsierende Klänge des Ur-Schlafradios von Math über. Synchron sind unterschiedliche nichtsprachliche stimmliche Laute zu hören: eine Frauenstimme – möglicherweise gehört sie der Künstlerin selbst – formt „Psch…“, ein langgezogenes „Ohhh…“ in unterschiedlicher Tonhöhe und Lautstärke sowie unspezifische Laute. Zu den Basissoundelementen der Arbeit zählt ein leises Grundrauschen [04:28-07:04]. Dieses monotone Hintergrundgeräusch geht in vibrierende Klänge über. In den letzten zwei Minuten der Arbeit herrscht für einen kurzen Augenblick Stille [08:44-08:45, 08:50-08:51 sowie 10:16-10:20]. Dabei klingen alle bis zu diesem Punkt aktiven Geräusche sanft aus. Alle am Projekt beteiligten ProduzentInnen isolieren Klänge aus unterschiedlichen Kontexten und kombinieren diese für ihre Produktionen neu. Das Klangspektrum ist breit. Die Schlafradios basieren auf elektronischen Geräuschen, (manipulierten) Aufzeichnungen natürlicher Geräusche, sprachlichen und außersprachlichen stimmlichen Äußerungen, radiophonen ‚Störgeräuschen‘ und Stille. Die Übergänge zur Musik sind oftmals fließend und eine eindeutige Zuordnung nicht immer möglich. Als musikalisch können Passagen wahrgenommen werden, die auf der rhythmischen Organisation von unterschiedlichen Tönen beruhen, vor allem solchen, die auf die Verwendung traditioneller Instrumente (z. B. Klavier) zurückgeführt werden können. Die Soundelemente sind zu variationsreichen, teils sehr bewegten, sich schnell verändernden, teils ruhigen, sich langsam wandelnden Arbeiten kombiniert.

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In Anlehnung an das Konzept bzw. die erste Schlafradio-Episode von Norbert Math schaffen auch die Co-AutorInnen mit ihren Arbeiten in

erster Linie Assoziationsfelder. Während Denotationen fast ausschließlich auf verbalsprachliche Sequenzen beschränkt bleiben, sind alle Schlafradio-Produktionen reich an Konnotationen. Diese variieren von HörerIn zu HörerIn und sind kaum erschöpfend zu erfassen. Als „unidentifizierbare Klangobjekte“ (Flückiger) bieten sie ihren HörerInnen vielfältige Anknüpfungsmöglichkeiten – sowohl rein gedanklich als auch hinsichtlich eigener Produktionen im Sinne von Maths Konzept.39 Die Übermittlung von Informationen zur Möglichkeit der Teilhabe an dem Projekt erfolgt rein durch die Anmoderationen. Die Produktionen an sich vermögen das Prinzip des Projektes nicht zu verdeutlichen.

3.2.5

Sezierendes Hören – Synthetisierende Bedeutungskonstitution durch Form und Inhalt

Renotationen in grafischer Darstellung Ausgehend vom Auftreten und Andauern der einzelnen Klangelemente bieten die Renotationen der Schlafradio-Variationen (Anhang II) eine detaillierte Übersicht über die jeweilige Struktur der einzelnen Arbeiten. Die Tabellen dienen mir zur Veranschaulichung der Wechsel im Klangspektrum und zur Verdeutlichung, welche Geräusche aus vorangegangenen in spätere Schlafradio-Produktionen integriert wurden. Um dies kenntlich zu machen, setze ich unterschiedliche Farben ein. Geräuschen, die erstmals im Ur-Schlafradio von Math auftreten, sind Rottöne vorbehalten, jenen, die zum ersten Mal in der Schlummernummer hörbar werden, Blautöne etc.40 Die unterschiedlichen Farbnuancen geben die Lautstärke wieder, je tiefer der Farbton desto lauter ist das jeweilige Geräusch in Relation zu den anderen Geräuschen. Jeweils der obersten Zeile der Tabellen ist zu entnehmen, wann Änderungen im Klangspektrum auftreten und über welchen Zeitraum sich die Klangkombinationen erstrecken, bevor ein erneuter Wechsel einsetzt. Die folgenden Zeilen sind jeweils einem Geräusch vorbehalten. Sie geben Auskunft über seine Lautstärke, sein Einsetzen und Andauern. Der jeweils letzten Zeile in den Tabellen kann entnommen werden, wie viele Geräusche synchron zu einem bestimmten Zeitpunkt hörbar sind. Während manche Geräusche mehr oder weniger deutlich über einen längeren Zeitraum erklingen, erscheinen andere nur kurz, dominieren allerdings das Klangbild durch ihre höhere Lautstärke und prägen auf diese Weise einzelne Sequenzen. Das Ur-Schlafradio von Norbert Math beinhaltet, neben der abrupt einsetzenden Stille am Ende, neun unterschiedliche Geräusche. Von diesen treten höchstens drei gemeinsam auf und ergeben insgesamt 15 Wechsel. Der ‚Gesang‘ dauert nahezu über die gesamte Arbeit an. Die größte Dichte unterschiedlicher Geräusche ist etwa in der Mitte der Arbeit wahrnehmbar. An einer Stelle wiederholt sich eine Klangkombination [00:01-01:45 und 08:16-10:10].41

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Alle Episoden, die auf das Ur-Schlafradio von Norbert Math folgen, weisen Elemente vorangegangener Folgen auf. Trotz zusätzlicher Geräusche bleibt die Struktur der Produktion von Math in der Arbeit Schlummernummer fast vollständig erhalten, d. h. hörbar. Zusätzliche Soundebenen – insgesamt lassen sich 14 unterschiedliche Geräusche voneinander unterscheiden – verleihen Schlummernummer eine größere Variationsbreite und Dichte. Na Gute Nacht von Rupert Huber setzt sich aus 18 unterschiedlichen Geräuschen zusammen, von denen zwei bis vier synchron zu hören sind. Keine Soundebene ist über die gesamte Arbeit hinweg aktiv. Im Vergleich zu den vorangegangenen Arbeiten lassen sich deutlich mehr Wechsel erkennen (42). Geräusche aus früheren Schlafradio-Episoden und verbal-sprachliche Samples aus den Anmoderationen werden mit etwa zwei Minuten lang andauernden, relativ lauten Klangsequenzen kombiniert. Schimanas Arbeit Weave ist mit einer Länge von 10 Minuten und 32 Sekunden fast zwei Minuten kürzer als die anderen Schlafradio-Episoden, weist aber die meisten Wechsel im Klangspektrum auf (51). Die Arbeit setzt sich aus 15 unterschiedlichen Geräusche zusammen, von denen meist zwei bis drei synchron hörbar sind. Neben eigenen Aufnahmen nutzt die Künstlerin einzelne Soundsequenzen bzw. Teile der Anmoderation der ersten Schlafradio-Episode sowie der Arbeit von Andre Stanley.42 Weave weist keine Parallelen zu den Strukturen der vorangegangenen Schlafradio-Episoden auf. Erschließen von Raum, Zeit, und szenischer Choreografie Raum Das erklärte Ziel Maths besteht in der Her- und Bereitstellung von unspezifischem Soundmaterial als Grundlage autonomer, zu erweiternder und transformierender „Klangwelten“.43

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Trotz der abstrakten Klänge kann beim Hören der einzelnen Arbeiten ein Eindruck von Räumlichkeit entstehen, beispielsweise dann, wenn Geräusche und Stimmen nachhallen, überblendet, lauter bzw. leiser und/ oder links bzw. rechts lokalisiert werden. Diese akustischen Ereignisse und Veränderungen bilden eine Grundlage für Vorstellungen von der Ausdehnung der jeweiligen Klangwelt, die sich in ihren Dimensionen als sehr variabel erweist. Gleichzeitig findet bei einzelnen Sequenzen der Schlafradio-Episoden, teils in Kombination mit ihrer Anmoderation, eine Darstellung konkreter Räume bzw. ihrer spezifischen Atmosphären statt. So weist die Co-Autorin Gertraud Schleichert in ihrer Einleitung zu Schlummernummer darauf hin, dass ihr Mitschnitt in den Weißen Karpaten entstanden ist. Die Störgeräusche, die ihren Radioempfang dort prägten, sind Teil ihrer Produktion. Sie manifestieren sich in Form

quietschender Geräusche sowie der Stimme eines Radiosprechers und der Musik fremder Radiosender. Diese geben den HörerInnen Hinweise auf die sie umgebenden, permanent präsenten, aber nicht immer hörbaren Räume anderer Sender. Rupert Huber integriert in Na Gute Nacht die Atmosphäre einer Bar mit lebhaften Gesprächen und Musik. Diese provoziert relativ konkrete Assoziationen, während andere Geräusche weniger ortsspezifisch sind. Diese Atmosphäre verhält sich konträr zur ruhigen Schlafzimmeratmosphäre, die den Schlafenden/die Schlafende idealerweise umgeben sollte. Weniger die Darstellung bestimmter Räume als allgemein bekannte akustische ‚Störungen‘ sind Gegenstand von Hubers Arbeit. Der Titel Na Gute Nacht ist, wie das Wort „na“ bereits andeutet, ironisch zu verstehen.44 Übergreifend konstituiert sich mit dem Schlafradio ein die einzelnen Arbeiten umfassender und diese gleichzeitig übersteigender Raum: Sequenzen einer Klangwelt werden in die folgenden Klangwelten eingebettet. Künstlerische Produktionen und Anmoderationen verschränken sich, dargestellter Raum und Ort der Produktion gehen fließend ineinander über. Math beschreibt sein Projekt im Kontext der Anmoderation zu Schlummernummer als einen Raum, der sich mit seiner ersten Schlafradio-Version öffnete: „Das ist eigentlich eine schöne Möglichkeit mit Radio, dass es auch die Möglichkeit gibt, nicht nur zu senden, sondern das, was gesendet wird, wieder hineinzubringen und diesen Raum, der dadurch entstanden ist, durch die erste Sendung eigentlich wieder mitzunehmen.“45 Für die HörerInnen wird der eigene Hörraum zum möglichen Produktionsort: Sie können, vorausgesetzt ihnen stehen die entsprechenden technischen Geräte zur Verfügung, die Arbeit an einem beliebigen Ort mitschneiden und bearbeiten. Zusammengetragen werden die Arbeiten an einem zentralen Ort. Die SprecherInnen nennen in ihren Anmoderationen die Adresse des ORF-Funkhauses in Wien, von welchem aus die Produktionen für alle HörerInnen verfügbar gemacht werden.46 Im Fokus des Schlafradios steht somit ein Raum, der sich aus einzelnen, autonomen Klangwelten und den sie begleitenden Statements von KünstlerInnen und SprecherInnen des Kunstradios zusammensetzt. Darüber hinaus spannt sich der Schlafradio-Raum zwischen den individuellen Rezeptions- und Produktionsräumen der Partizipierenden sowie der Sendeanstalt auf.

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Zeit Das Projekt stellt ein zeitlich offenes Gefüge dar. Es war zunächst, wie der Anmoderation der ersten Schlafradio-Episode entnommen werden kann, auf ein Jahr angelegt.47 Allerdings ist nie von einem Einsendeschluss für die Produktionen der HörerInnen die Rede und die einzelnen Schlafradio-Variationen wurden in unregelmäßigen Abständen zwischen April 1993 und Juni 1995 gesendet.48 Dem Projekt-initiierenden Schlafradio von Norbert Math folgte etwa ein Jahr später die erste Variation seiner Co-AutorInnen. Der Mitschnitt der Schlafradio-Episoden, d. h. die Beschaffung des Ausgangsmaterials war exakt determiniert und konnte nur zur realen Sendezeit erfolgen. Aus diesem Grund weisen die SprecherInnen in der Anmoderation ihre HörerInnen rechtzeitig darauf hin, ihr Aufnahmegeräte einzuschalten, und sie nennen mitunter die genaue Sendezeit. Die Arbeit von Schleichert weist insofern eine Besonderheit auf, als dass die Produzentin den spezifischen Sende- bzw. Aufnahmemoment dokumentiert. Die Co-Autorin der Schlummernummer hatte nicht die Möglichkeit, die Arbeit von Math noch einmal in einer ‚saubereren‘ Version aufzunehmen, da die Sendung nachträglich für die allgemeine Hörerschaft nicht mehr ohne Weiteres verfügbar war.49 Die Bearbeitung des akustischen Materials konnte hingegen jederzeit erfolgen. Auch hinsichtlich dieses Aspekts ist die Arbeit Schlummernummer ein interessantes Beispiel, da sie auf zwei Bearbeitungsphasen beruht. Gertraud Schleichert nahm das Schlafradio auf und fügte der Aufnahme eigenen O-Ton hinzu. Der Künstler Gerhard Mittermayr ergänzte ihre Aufnahme um weitere Soundebenen bzw. -elemente. Der O-Ton von Schleichert ist in der Sendung Teil der Anmoderation. Die Dauer der Schlafradio-Episoden variiert zwischen 10 Minuten, 32 Sekunden (Weave) und 12 Minuten, 40 Sekunden (Schlummernummer), d. h. es handelt sich um Arbeiten, die nicht die volle Sendezeit des Kunstradios ausfüllten, sondern als kürzere Beiträge nach den Arbeiten anderer ProduzentInnen gesendet wurden. Alle Arbeiten wurden in der Nacht und am Ende der jeweiligen Kunstradio – Radiokunst-Sendung präsentiert. Dies korrespondiert mit der Intention Maths, die HörerInnen mit dem Schlafradio in den Schlaf zu begleiten. Sowohl Norbert Math als auch Elisabeth Schimana nehmen mit der jeweiligen Struktur ihrer Arbeiten Bezug auf die unterschiedlichen sich wiederholenden Muster bzw. zyklisch ablaufenden Phasen, die der Mensch beim Einschlafen (Math) bzw. im Schlaf (Schimana) durchläuft.50 In der Anmoderation zur ersten Schlafradio-Produktion von Norbert Math weist die Sprecherin darauf hin, dass der Künstler seine Arbeit darüber hinaus auch als Aufforderung an die Hörerschaft begreift, über das Radio als den Tag strukturierende Instanz zu reflektieren.51 Math thematisiert das Radiohören in seiner besonderen Bedeutung für die Rhythmisierung des Tagesablaufs und unterstreicht seinen Ritualcharakter.52 62

Szenische Choreografie Norbert Math stößt mit seinem Schlafradio interaktive Prozesse zwischen KünstlerInnen und HörerInnen an. Alle HörerInnen des Kunstradios sind potenzielle (Co-)ProduzentInnen. Unter dem Motto: „Schneiden Sie mit und/oder schlafen Sie ein“ geht es Math nicht nur um das „Infragestellen der konventionellen Kunst- und Radiorezeption“53, sondern auch um das Hinterfragen der Differenzierung von KünstlerInnen und Nicht-KünstlerInnen im Hinblick auf die Produktion von ästhetischem Material. Die Anmoderation Reinhard Handls verdeutlicht, dass im Rahmen des Projekts alle HörerInnen als KünstlerInnen begriffen werden: „Wie in bereits vorangegangenen Sendungen des Schlafradios des Kunstradios werden auch dieses Mal Künstler und Künstlerinnen, also Sie alle, liebe Hörerinnen und Hörer, dazu aufgefordert das diesmal gesendete Schlafradio-Stück Weave mitzuschneiden, zu einem neuen Stück nach einem eigenen Konzept zu überarbeiten und dieses an das Kunstradio einzuschicken.“54 Sämtliche Anmoderationen der einzelnen Schlafradio-Variationen vermitteln potenziellen Co-AutorInnen, dass sie frei in der Gestaltung ihrer Produktionen sind. Ihre einzige Vorgabe besteht darin, auf das bestehende Material in irgendeiner Weise zu reagieren bzw. dieses in die eigene Produktion zu integrieren. Der Projekt-Initiator Norbert Math tritt selbst „[…] zugunsten all jener, die vom passiven Rezipienten zum aktiven Co-Autor werden wollten und wollen“55 zurück. Obwohl das Projekt offen gestaltet ist und jeder/jede HörerIn sich potenziell beteiligen konnte, bestanden Restriktionen. Da die HörerInnen nicht live agierten, ist ein Selektionsprozess von Seiten des das Projekt initiierenden Künstlers bzw. der MitarbeiterInnen des Kunstradios denkbar. Diese konnten die eingereichten Produktionen begutachten und entscheiden, was bzw. wie das eingereichte Material tatsächlich gesendet wird. In diesem Zusammenhang hebt sich der Beitrag der einzigen Nicht-Künstlerin Gertraud Schleichert von den anderen SchlafradioEpisoden, die allesamt von österreichischen KünstlerInnen produziert wurden, ab. Die von Schleichert als „Naturradio“ bezeichnete Produktion wurde nicht direkt gesendet, sondern vom Künstler Gerhard Mittermayer überarbeitet.56 Hierin offenbart sich ein Widerspruch zur oben genannten Absicht Maths, allen Interessierten freie Hand bei der Gestaltung ihrer Beiträge zu lassen. Dies spricht dafür, dass es bestimmte Qualitätskriterien für die Beiträge gab, welche jedoch nicht explizit genannt wurden. Diese könnten ebenso auf den Künstler wie auf MitarbeiterInnen des Kunstradios zurückgehen. Math verblieb zudem im Zentrum eines Beziehungsraumes, indem er als verbindendes Glied zwischen den Teilhabenden wirkte. Er blieb An-

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sprechpartner, wie deutlich aus einem Statement Schleicherts hervorgeht. Sie wendet sich nicht an die Hörerschaft des Kunstradios im Allgemeinen, sondern ausdrücklich an den Künstler: „Lieber Norbert Math, bitte lassen Sie mich Ihnen kurz meine Situation schildern. […].“57 Die stimmlichen Äußerungen des Projektinitiators sowie der Co-AutorInnen im Rahmen der Anmoderationen legitimieren die weitere Verwendung ihrer gesendeten Beiträge und lassen die einzelnen AutorInnen hinter der „kollektiven Aussage“ des Projekts zurück treten. Eine Individualisierung der eigenen Produktion betreibt in besonderer Weise die Künstlerin Elisabeth Schimana, die eigene stimmliche Äußerungen in ihre Arbeit integriert.58 Na Gute Nacht und Weave enthalten sprach-basierte Sequenzen, die eindeutig als Auszüge aus der Anmoderation der Sprecherin Heidi Grundmann identifiziert werden können bzw. aus dem O-Ton der Co-Autorin Gertraud Schleichert stammen. Die Verzahnung zwischen Bestandteilen der Anmoderationen und den ästhetischen Produktionen an sich kann als ein Indiz für die besondere Bedeutung der Anmoderationen gelten. Die Kunstradio-SprecherInnen bitten im Namen des Künstlers um die Beteiligung der Hörerschaft und rufen zur Handlung auf, dazu, das „Spiel mitzuspielen“59. Diese sprachlichen Äußerungen sind unverzichtbarer Teil des Projektes, da nur sie die Möglichkeiten der Teilhabe überhaupt zum Ausdruck bringen. Der Künstler Norbert Math durchbricht mit seiner Arbeit das One-tomany-Prinzip des (analogen) Rundfunks zugunsten der Beteiligung von HörerInnen des Kunstradios. Sein Schlafradio beruht auf Klangwelten, die aufgrund der Anwendung von Sampling-Techniken stellenweise ähnliche Strukturen und Soundelemente aufweisen. Diese stellen in erster Linie Assoziationsfelder auf Grundlage akustischen Materials dar. Als unverzichtbare Komponente des Schlafradios vermitteln die Anmoderationen die „Regeln“ des Projektes und gewährleisten seine Durchführung.

3.2.6 Kontextualisierung

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Zusätzliche Informationen über die dem Projekt zugrunde liegenden Intentionen des Künstlers liefern die oben aufgelisteten Internetseiten des Schlafradios.60 In diesem Zusammenhang muss darauf hingewiesen werden, dass jene Texte, welche die Streams der einzelnen Produktionen auf den Internetseiten des Kunstradios begleiten, sich zum Teil deutlich von den Anmoderationen der jeweiligen Sendungen unterscheiden. Ergänzend schreiben Norbert Math und der Medienwissenschaftler Reinhard Braun in der Onlineausgabe von TRANSIT #2. Zu einer Kunst im elektronischen Raum über die erste Schlafradio-Version und das Konzept des Projektes.61 Allerdings gibt es keinen Text des Künstlers oder

von TheoretikerInnen, der auf die einzelnen Beiträge der Co-AutorInnen eingeht oder der eine systematische Untersuchung des tatsächlichen Verlaufs des gesamten Projektes darstellt. Einzig die Sendung Aus dem Archiv – Teil 5 mit ihren detaillierten Moderationstexten stellt einen Rück- und Überblick mit weiteren Informationen dar. Schlaf und Traum – vom unbewussten Produzieren und Rezipieren Die Texte von Math und Braun in der Onlineausgabe von TRANSIT #2. Zu einer Kunst im elektronischen Raum geben Auskunft darüber, inwiefern die Mechanismen von Schlaf und Traum das Projekt prägen.62 Das dem Schlafradio zugrunde liegende Prinzip der Fortsetzung entlehnt der Künstler dem manieristischen Roman Hypnoerotomachina Polyphili, den er selbst frei mit „Die erotischen Schlafkämpfe des Polyphilo“ übersetzt. Im Zentrum des Romans steht der „Traum, den die schlafende Hauptfigur im Traum träumt“63. Analog dazu geht es bei dem SchlafradioProjekt um die freie Rekombination und Erweiterung von Soundmaterial, das in dem „unbewusste[n] Arbeiten“64 des Künstlers Norbert Math seinen Ausgang nimmt. Neben der Erwähnung des manieristischen Romans als Inspirationsquelle für das Konzept gib Math im Verlauf der Sendung Aus dem Archiv – Teil 5 zusätzliche Hinweise auf die Herkunft des Ausgangsmaterials: „Für die Ur-Version des Schlafradios arbeitete Norbert Math mit natürlichen Klängen und Geräuschen, sowie mit ‚gefälschten‘ Aufnahmen von elektronischer Musik aus den 1960er Jahren, wobei die Plattenaufnahmen so manipuliert wurden, dass sie nicht mehr zusammenpassen. Die natürlichen Töne und die Aufnahmen sind gesampelt zu hören.“65 Den HörerInnen der ersten Ausstrahlung des Schlafradios offenbart er diese Quellen nicht. Math selbst spricht und schreibt in seinen Erläuterungen zum Schlafradio von einer Sprache, die sich „kollektiv entwickelt“. Er strebt mit dem von ihm und seinen Co-AutorInnen generierten akustischen Material vielfältige Lesarten und Bedeutungen an. Reinhard Braun vertritt die Ansicht, dass Math mit seinem Schlafradio ein System errichtet, das sich von inhaltlichen Konnotationen gänzlich löst und formale Bezüge in den Mittelpunkt stellt.66 „Die Klangmuster der ersten Sendungen (Startsymbol) erzeugen nach den Spielregeln des Projekts (Grammatik) wiedererkennbare, aber abstrakte (kontextfrei definierte) Klangmuster.“67 Das Ergebnis ist eine Produktion, die sich unabhängig von der übrigen Realität entfaltet und deshalb nach Braun, der „MusikEbene“ zuzuordnen ist.68 Dem ist entgegenzusetzen, dass spätestens mit der ersten Schlafradio-Variation zwangsläufig mit dem Prinzip eines in sich geschlossenen Systems gebrochen wird. Die Arbeiten beinhalten Sequenzen, die eindeutig einem „Außen“ entspringen und ihren konkreten Ursprung erkennen lassen, z.T. als konkrete akustische Zitate

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identifiziert werden können.69 Die Schlafradio-Variationen präsentieren sich als spannungsvolle Kombinationen von bekannten und unbekannten Klängen. Selbst die erste Schlafradio-Version, für die Math mit sehr kurzen Soundsamples, Sequenzen aus wenigen Tönen, arbeitet, ist keineswegs frei von Konnotationen. Vielmehr erscheint sie geradezu als Aufforderung zum freien Assoziieren.70 Analog zum unbewussten Vorgehen bei der Produktion des Ur-Schlafradios wird das unbewusste Erleben, wie es im Traum geschieht, als eine mögliche Art der Rezeption genannt. Reinhard Braun weist darauf hin, dass das Schlafradio als Stück zum Einschlafen konventionellen Rezeptionsprozessen zuwiderläuft, indem es sich dem gehört-Werden gewissermaßen entzieht: „Gleichzeitig aber wird auch der Kunstrahmen des Radios angegriffen: als Stück zum Einschlafen liegt es jenseits von primär ästhetischer und/oder intellektueller Rezeption. (Es wird zu einem Modus des Ausblendens von Bewußtsein, d. h. es richtet sich (pointiert) gegen den Hörer – Radio schaltet Mensch ab. Dadurch wird die Sendung, ihr Abstrahlraum ein völlig abstrakter, menschenleerer. Betrachtet man das Projekt von dieser Seite, existiert nur mehr das Radio selbst, das zu diesem Zeitpunkt das ‚Schlafradio‘ ist.).“71 Das Extrem einer Radioarbeit als autarker Klangwelt, die sich einer bewussten, interpretierenden Rezeption entzieht, vermag sich gerade beim Schlafradio nicht einzustellen. Es erscheint ambivalent, geradezu als Paradoxon, da einerseits die Aufforderung zum eigenen Produzieren besteht und andererseits ein Ruhezustand eingeleitet wird. Diese Rezeptionsoptionen vermögen nur die Anmoderationen zu offenbaren und initiieren. Zeit des Übergangs – von analoger zu digitaler Technik Maths Projekt markiert die Zeit des Übergangs von analoger zu digitaler Speicher-, Bearbeitungs- und Abspieltechnik. Einerseits kommen Kassettenrekorder und analoges Radio zum Einsatz, andererseits bringt Math die Möglichkeiten eines E-Mail-Netzwerks, eines digitalen Klangarchivs und Hypertextes ins Spiel.72 Der innovative Charakter seiner Arbeit kommt ab Mitte der 1990er Jahre auch in weiteren Projekten zum Tragen, für die er zunehmend die Möglichkeiten des World Wide Web ausreizte.

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Im Jahre 1994, d. h. noch innerhalb der Projektlaufzeit des Schlafradios, konzipierte und realisierte Math gemeinsam mit Andrea Sodomka, Martin Breindl und x-space das komplexe „telematische Live-Radio Event“73 State of Transition. Über Rundfunk- und Datenleitungen interagierten die KünstlerInnen in Graz und Rotterdam miteinander und schufen

parallel Beteiligungsmöglichkeiten für alle HörerInnen. Diese konnten mittels ihrer Bewegung durch einen Hypertext (bestehend aus Texten und Statements über Migration, Ausländerquoten, Übergangsstadien u. a.) auf der Projekthomepage, Klangereignisse in Rotterdam auslösen, die live in die Radiosendung eingespielt wurden.74 Das Ausreizen technischer Möglichkeiten des Radios zugunsten einer besonderen Art der Interaktion bewirkt ein neues (Selbst-)Verständnis der KünstlerInnen. Sie initiierten Schlafradio und State of Transition mit dem Ziel, allen Interessierten einen gewissen Handlungsspielraum zu eröffnen, damit diese als AkteurInnen mit und neben anderen AkteurInnen agieren können. Gerfried Stocker schildert im Konzepttext von State of Transition, dass sich die beteiligten KünstlerInnen als MediatorInnen verstehen: Sie seien nicht „Schöpfer, sondern Verwalter und Distributoren der in der Netzwerkkonfiguration zirkulierenden Datenströme“75. Fast 20 Jahre nachdem er das Schlafradio initiiert hat, kommt Math im Rahmen der Sendung Aus dem Archiv – Teil 5 selbst noch einmal zu Wort. Er zieht ein Resümee, das sich nicht auf die tatsächlich eingereichten Beiträge seiner Co-AutorInnen bezieht, sondern vielmehr die damaligen technischen Möglichkeiten im Hinblick auf die Interaktion beleuchtet: „Aus heutiger Sicht finde ich es interessant, dass nicht nur ich, sondern viele in unserem Umfeld sich so stark [damit] beschäftigt haben, Ideen oder Klänge oder Konzepte weiterzureichen. Und diese ganze Idee, dass man nicht nur einzelner Autor ist von etwas, sondern auch andere teilnehmen zu lassen.“76 Für die Umsetzung des geplanten Klangarchivs als zentraler Komponente der Teilhabe und des offenen Austauschs fehlte es Math an der nötigen Technik und dem Knowhow.77 Nichts desto trotz nimmt das Schlafradio einen hohen Stellenwert in seinem Schaffen ein und offenbart einen Pioniergeist, der sich in Reaktion auf die neuen technischen Möglichkeiten der 1990er Jahre formierte. Für Math markiert sein Projekt den Beginn eines völlig neuen künstlerischen Arbeitens auf Grundlage der allgemeinen Verfügbarkeit des Internets. Das Schlafradio ist „sozusagen eine Eintrittskarte in diese neue Welt“78. Mit dem Schlafradio demonstriert Norbert Math sowohl sein Interesse an neuen Technologien als auch an Prinzipien verteilter Autorschaft im Rahmen ästhetischer Produktion. Aspekte des Schlafradios zielen auf ein intentionsloses Herstellen und Hören von Radiokunst, womit sich Math gegen die konventionelle Kunstproduktion und -rezeption wendet. Um allen HörerInnen des Kunstradios die Mitarbeit an seinem Projekt zu ermöglichen, setzte der Künstler auf alltägliche Technik der 1990er Jahre. Durch die gleichzeitige Berücksichtigung der Nutzungsmöglichkeiten von Internetdiensten offenbart Math mit dem Schlafradio ein sehr vorausschauendes und innovatives Denken.

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3.3 Analyse der Arbeit Nacht. Stimme. Zerstreuung. von LIGNA Während ich mich in den vorangegangenen Ausführungen allein dem Projekt Schlafradio widmete, folgt nun die Analyse einer weiteren radiophonen Arbeit aus der Sendereihe Kunstradio – Radiokunst. Auch diese habe ich aufgrund ihrer besonderen partizipativen Struktur für die Ausstellung Über das Radio hinaus ausgewählt. Während sich das Schlafradio als ein Komplex aus mehreren Produktionen unterschiedlicher (Co-)AutorInnen präsentiert, produzierte und sendete die Künstlergruppe LIGNA mit Nacht. Stimme. Zerstreuung. eine einzige, etwa 38-minütige Live-Sendung.79

3.3.1 Deskription der Präsentationsformen

Die Arbeit Nacht. Stimme. Zerstreuung. von der Künstlergruppe LIGNA wurde 2006 im öffentlich-rechtlichen Rundfunk gesendet und ist online abrufbar. Sie wurde im Rahmen einer temporären Ausstellung präsentiert und ist als Dokument des digitalen Radiokunstarchivs im Zentrum für Künstlerpublikationen rezipierbar. Diese Präsentationskontexte stehen in Verbindung mit jeweils unterschiedlichen Materialkorpora: •



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Nacht. Stimme. Zerstreuung. war am Sonntag, den 17. September 2006, zwischen 23.05 Uhr und 23.45 Uhr, während der regulären Sendezeit der Sendereihe Kunstradio – Radiokunst live auf dem Sender Österreich 1 mittels analoger Radiogeräte zu empfangen.80 Zusätzlich zur analogen Sendung wurde die Arbeit als Livestream auf den Internetseiten des Kunstradios angeboten (Dauer: 37:57). Ergänzt wurde das akustische Material durch kurze Texte zur Künstlergruppe LIGNA und zur Arbeit Nacht. Stimme. Zerstreuung., durch Live-Aufnahmen einer Webcam von der Produktion sowie durch Fotografien vom Sprecher und von den Künstlern. Die aufgezeichnete Sendung Nacht. Stimme. Zerstreuung. inklusive der Anmoderation von Helmut Jasper ist über die Internetseite des Kunstradios abrufbar.81 Die Website enthält die Namen der Beteiligten (Künstlergruppe LIGNA, Sprecher Helmut Bohatsch und Techniker Martin Leitner). Der Name der Künstlergruppe ist als Hyperlink angelegt, durch das Anklicken erhalten die NutzerInnen einen kurzen Text mit allgemeinen Informationen zu LIGNA. Neben einem Einführungstext enthält die Website zu Nacht. Stimme. Zerstreuung. als Abbildungen (laut Bildunterschrift) die „Radiobeobachtung des Sternbilds Orion“ sowie acht Fotografien mit den Beteiligten. Die Bilder zeigen Ole Frahm und Torsten Michaelsen von LIGNA, Helmut Bohatsch im Studio und den Techniker Martin Leitner





am Mischpult. Außerdem sind das Skript sowie ein Videodokument der Live-Sendung (ohne Ton) vorhanden. Temporär wurde die Arbeit im Rahmen der Ausstellung Über das Radio hinaus. 25 Jahre Kunstradio – Radiokunst vom 10. November 2012 bis zum 12. Mai 2013 im Zentrum für Künstlerpublikationen in der Weserburg in Bremen präsentiert.82 Als Basis diente dabei die dokumentierte Sendung im MP3Format, die über einen Sender innerhalb des Museums ausgestrahlt wurde. Die aufgezeichnete Sendung ist Teil des digitalen RadiokunstArchivs des Zentrums für Künstlerpublikationen. Die auf einem Server gespeicherte Sounddatei kann während der regulären Öffnungszeiten des Museums an drei Computerarbeitsplätzen abgerufen und über einen Mediaplayer abgespielt werden. Visuelles Material steht in diesem Kontext nicht zur Verfügung.

Die folgenden Ausführungen basieren auf der Rezeption der mitgeschnittenen Live-Sendung in Form einer digitalen Sounddatei sowie auf dem Skript der Arbeit, das über die Internetseite des Kunstradios für alle Interessierten verfügbar ist.

3.3.2 Zusammenfassende Inhaltsangabe

Nach der Anmoderation der Arbeit durch den Programmsprecher Helmut Jasper betritt eine Person das Studio und heißt ihre HörerInnen willkommen.83 Der Sprecher, der sich als Helmut Bohatsch vorstellt, wendet sich zur gewohnten Sendezeit der Sendereihe Kunstradio – Radiokunst am Sonntag, den 17. September 2006, zwischen 23.05 und 23.45 Uhr live an die HörerInnen. Er thematisiert im Verlauf der Sendung seine Situation als Sprecher und sinniert über die Eigenschaften des Mediums Radio. Die HörerInnen erhalten zahlreiche Denkanstöße, wobei der Sprecher seine Thesen durch einige Beispiele veranschaulicht. Immer wieder wendet er sich mit Fragen an seine Hörerschaft und fordert diese zu konkreten Handlungen auf.

3.3.3 Formulierung des Ersteindrucks

Für die Ausstellung anlässlich des 25-jährigen Bestehens der Sendereihe Kunstradio – Radiokunst suchte ich nach partizipativen radiophonen Arbeiten. Ich hörte Nacht. Stimme. Zerstreuung. als MP3-Datei, abgespielt mit dem Mediaplayer meines Notebooks am Nachmittag. Mir war dabei bewusst, dass die Arbeit als Live-Sendung einige Jahre zuvor nachts im Rahmen der Sendereihe Kunstradio – Radiokunst über den analogen Rundfunk gesendet wurde. 69

Bereits der Beginn der Arbeit mutet ungewöhnlich an, da die Geräusche relativ schlicht und natürlich, fast ein wenig amateurhaft wirken. Dieser Eindruck verändert sich allerdings mit dem Erklingen der Stimme des Sprechers. Diese erscheint professionell und angenehm. Ich stelle mir direkt einen Mann mittleren Alters vor. Schnell gerate ich in einen (inneren) Dialog mit dem Sprecher, antworte gedanklich in Form von einzelnen Worten, Assoziationen, Gefühlen, Handlungen, Fragen etc. Dabei pendele ich zwischen „du“-ich und „der Sprecher“-ich. Seine deutlichen Redepausen fülle ich mit meinen Gedanken. Der Sprachfluss scheint mal sachlich auf Reflexionen zielend, dann wieder eher an Emotionen appellierend und auf die magische Wirkung des Radios verweisend. Ich empfinde die Arbeit als invasiv – der Sprecher dringt in meinen privaten Raum ein, vermittelt mir das Gefühl, als wolle oder gar könne er mich sehen und beeinflussen. Dadurch entfaltet die Arbeit etwas Bedrohliches. Als sehr bedeutsam erweist sich die Tatsache, dass ich die Arbeit nicht live und nicht per analogem Radio höre. An mehreren Stellen bin ich enttäuscht, da ich mir eine andere Wirkung vom Live-Erlebnis erhoffe. Allerdings bringt mich eben diese Diskrepanz dazu, über das LiveErlebnis als solches sowie den analogen Rundfunk an sich nachzudenken. Einzelne Hinweise des Sprechers auf die Live-Situation rufen mein Bedauern hervor. Vermutlich wird die Arbeit nie wieder live gesendet werden. Manchmal nerven mich die stetigen Aufforderungen. Gleichzeitig fasziniert mich die Wirkungsmacht der einzelnen, medial übertragenen Stimme, die uneingeschränkt viele Körper in ihrer jeweiligen Umgebung in Bewegung zu versetzen mag. Der Sprecher kann mir in seinen Aufforderungen (die zu Befehlen werden) übereifrig, fast besessen erscheinen. An anderer Stelle wirken sie wie das freundliche Bitten eines Menschen, der es „gut mit mir meint“. Aus diesem Grunde überrascht es mich nicht, als der Sprecher schließlich auf das Thema nationalsozialistische Propaganda zu sprechen kommt. Auf welche Wirkung spekuliert der Sprecher und was ergibt sich daraus? Welche zusätzlichen Erfahrungen werden generiert? Ich kann mich darüber ärgern, wenn ich seinen Handlungsaufforderungen folge. Aber gleichzeitig regt sich manchmal auch das schlechte Gewissen, wenn ich es nicht tue. Vielleicht, weil er darum bittet, ihm einen Gefallen zu tun? Die Aufforderung, sich dem Radiogerät zu nähern, es zu betrachten, anzufassen etc. ruft mir in Erinnerung, dass ich fast nur über das Internet Radio höre. Wie lange ist analoges Radio noch zu empfangen? Sollte es nicht schon abgeschaltet werden? Wodurch entsteht die enorme Verzögerung im Empfang unterschiedlicher Radiogeräte? 70

Interessant erscheint mir, dass der Sprecher mich auf die Geräusche in meiner unmittelbaren Umgebung aufmerksam macht, die ich eigentlich auszublenden versuche – Verkehrslärm und Bohrgeräusche der Nachbarn drängen in den Vordergrund. Ich erinnere mich an das Kunstradiomanifest von Robert Adrian: „Radiohören findet immer in Verbindung mit anderen Geräuschen statt…“84. Ein starkes Unwohlsein packt mich bei den Erinnerungen an das Hören meiner eigenen Stimme, gerade in der Anwesenheit der angenehmen Stimme des Sprechers. Die Frage „Können Sie sich erinnern, wie Sie das erste Mal ihre eigene Stimme aus einem Kassettenrekorder gehört haben? Wie war das? Mochten Sie Ihre Stimme?“ adressiert eine bestimmte Generation, ich fühle mich verstanden bzw. dazugehörig. Heute geschieht das Aufzeichnen und Hören der eigenen Stimme nur in Form digitaler Aufzeichnungen und ihrer Wiedergabe. Der Aufforderung, das Radio für 15 Sekunden auszuschalten, kann ich so nicht nachkommen. Ich beschließe aus diesem Grund, 15 Sekunden zu überspringen und rechne rasch nach, wann ich wieder einsetzen muss. Als ich die Wiedergabe an dieser Stelle aktiviere, stelle ich fest, dass Bohatsch von einem längeren Zeitraum ausgegangen ist, weil ich „Das war nicht für Sie bestimmt!“ hören kann. Oder hat der Sprecher es bewusst so eingerichtet, dass ich dies noch hören kann? Dies führt mich zur übergreifenden Frage: Was haben die Künstler bzw. der Sprecher tatsächlich geplant, was passiert unabsichtlich? In dem Bewusstsein, eine dokumentierte Sendung zu hören, kann das Gefühl, in ausgeführten Gesten mit anderen verbunden zu sein, bei mir nicht aufkommen. Ich fühle mich im Kontrast dazu so, als sei ich die Einzige, welche die dokumentierte Arbeit hört. Vielleicht sogar seit langer Zeit. Das Ende klingt traurig, bedauernd. In den letzten Aussagen scheint viel Wehmut zu liegen. Doch kann ich dem Sprecher in vielen Punkten nicht folgen. Die letzten Sätze wirken auf mich wie eine lose Aneinanderreihung einzelner Gedanken, über deren eigentlichen Sinn sich wild spekulieren lässt. Ich bleibe etwas ratlos zurück.

3.3.4 Erfassen der inhaltlichen Grundbedeutung

Nach der kurzen Anmoderation der Arbeit durch den Programmsprecher Helmut Jasper betritt eine Person das Studio und heißt seine HörerInnen willkommen. Der Sprecher, der sich als Helmut Bohatsch vorstellt,85 wendet sich zur gewohnten Zeit der Sendereihe Kunstradio – Radiokunst am 17. September 2006 nachts live an die HörerInnen. 71

1. Thema: Begrüßung und Einführung [Zeilen 18–31]86 [00:26–01:50]87 Die Anwesenheit einer Person im Studio ist bereits hörbar, bevor diese ihre Stimme erhebt. Durch Geräusche, die beim Betreten des Raumes und Niederlassen entstehen – Türquietschen, Türschließen, Schritte auf glattem Boden, schabende Geräusche (vermutlich von Stuhlbeinen, die über den Fußboden gleiten), das Rascheln von Papier – werden die HörerInnen zu ZeugInnen ihres Erscheinens im Studio. Die Person, welche offenbar die Geräusche verursacht hat, begrüßt die HörerInnen und stellt sich als Helmut Bohatsch vor. Der Klang seiner Stimme lässt auf einen Mann im mittleren Alter schließen. Seine Sprechweise mit leichtem Dialekt legt die Vermutung nahe, dass er aus dem süddeutschen oder österreichischen Raum stammt. Bohatsch spricht deutlich und betont mit ausgeprägten Pausen. Sein flüssiger, souveräner Sprechstil verrät, dass es sich um einen geübten, möglicherweise professionellen Sprecher handelt. Bohatsch erläutert, dass der Sachverhalt, auf welchen der Titel Nacht. Stimme. Zerstreuung. verweist, komplexer ist, als es den Anschein haben mag: „Es ist Nacht. Sie hören meine Stimme. Sie sind zerstreut. Das ist alles. Nicht ganz. Es ist nicht so einfach, wie es scheint.“ [Zeilen 20–22]. Von Beginn an adressiert Bohatsch seine HörerInnen in direkter Weise, bleibt dabei kühl und distanziert. Er fragt sie nach ihren Namen, obwohl die Antworten nicht an sein Ohr dringen können. Diese Tatsache verkündet der Sprecher mit folgenden Worten: „Ihren Namen werde ich nie erfahren.“ [Zeilen 23–24] Bohatsch weist auf wesentliche Eigenschaften des Radios als One-to-Many-Medium und die daraus resultierenden Voraussetzungen für die Rezeption hin. Seine einführenden Sätze enden mit der Einladung, ihm zuzuhören. 2. Thema: Raum [Zeilen 32–60] [01:51–06:18]

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Helmut Bohatsch kommt auf den ihn umgebenden Raum, das Studio RP4 zu sprechen. Zunächst fordert er die HörerInnen dazu auf, die Augen zu schließen. Dann animiert er sie mittels zahlreicher, aneinander gereihter Fragen zum Imaginieren des Produktionsraums und zum Vergleich mit dem Raum, in welchem sie sich aktuell aufhalten: „Wie groß ist er [der Raum, in dem sich der Sprecher befindet]? Welche Farbe haben seine Wände? Mit welchem Mobiliar ist dieser Raum ausgestattet? Ist es ein angenehmer Raum? Malen Sie sich den Raum aus! Haben Sie nun ein Bild von dem Ort, an dem ich jetzt spreche? Sehen Sie, was ich sehe?“ [Zeilen 38–42]. Auf die Handlungsaufforderungen und Fragen folgen deutliche Pausen, die bis zu 10 Sekunden andauern können.

Bohatsch schaltet selbst ein Radiogerät ein und wechselt zwischen den Frequenzen. Schließlich wählt er eine Frequenz, auf der ein anderer Sprecher zu hören ist und nimmt eine Differenzierung zwischen den Sendeereignissen vor. Er stellt dabei fest, dass der Mittelwellensender aus „einer anderen Nacht“ als aus „seiner Nacht“ ausstrahlt [Zeile 58]. Begleitet werden die Aussagen des Sprechers von Geräuschen, die aus seinen Handlungen resultieren: das Klicken von Schaltern des Radiogerätes sowie dessen Rauschen bei der Suche nach einem Sender (vermutlich nach einem Sender, der möglichst gut zu empfangen ist). Von Zeit zu Zeit können die HörerInnen zudem Trink- bzw. Schluckgeräusche des Sprechers vernehmen. 3. Thema: Stimme [Zeilen 52–157] [05:10–18:06] Der Übergang zum vorangegangen Oberthema ist fließend, die Themen überschneiden sich und lassen sich nicht in allen Komponenten voneinander abgrenzen. Mit einer Aufforderung leitet der Sprecher den nächsten Themenkomplex ein: Er bittet die HörerInnen, den Klang seiner Stimme mit dem Klang der Stimme des Sprechers vom Mittelwellen-Sender zu vergleichen. Dabei sollen sie insbesondere auf die Natürlichkeit des Klangs der Stimmen achten. Im Anschluss an seine Aufforderung zum Vergleich hebt er allerdings hervor, dass der natürliche Klang nicht das Ideal des Rundfunks sein kann: „Erst wenn sich der Rundfunk vom Ideal des ‚natürlichen‘ Klangs emanzipiert hat, wird er aufhören, ‚unnatürlich‘ zu klingen.“ [Zeilen 55–57] Nachts bzw. bei Dunkelheit herrschen bessere Bedingungen für das Hören. Wie zur unmittelbaren Überprüfung dieser These fordert der Sprecher die HörerInnen dazu auf, das Licht in ihrem Hörraum zu löschen. Er zieht einen Vergleich zwischen dem Licht und seiner Stimme. Auch Letztere vermag einen Raum zu erhellen. Des Weiteren geht es um die Materialisierung und Zerstreuung der Stimme durch das Radio und in diesem Zusammenhang um Schwierigkeiten, vor die uns die medial übertragene, vervielfältigte Stimme stellt. Elektromagnetische Wellen, die das menschliche Sensorium nicht erfassen kann, dienen dem „Transport“ von Stimme sowie ihrer Vervielfachung und tragen sie an jeden beliebigen Ort. Erst die Rückführung in Schallwellen durch den Radioapparat macht die Stimme unseren Sinnen zugänglich. Dieser Vorgang bleibt rätselhaft, auch wenn uns das Hören der medial übertragenen Stimme zur Gewohnheit geworden ist. Konkurrenzlos sei die Stimme nie – das akustische Material aus dem Radio verbindet sich mit Geräuschen im Hörraum [Zeilen 86–88]. Ein weiteres Hörexperiment ermöglicht die Überprüfung der Aussagen des Sprechers: Die Hörenden sollen das Radio lauter stellen, in den Nebenraum gehen und darauf achten, was ihre Ohren erfassen.

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Bohatsch hebt das Live-Erleben seiner Stimme durch das Radio als besondere Erfahrung hervor. In der Zerstreuung der Stimme liege das Wesentliche, das „Geheimnis“ des Radios begründet. „Manche glauben, das Geheimnis des Radios liegt in der Unsichtbarkeit elektromagnetischer Wellen. Ich dagegen bin mir sicher, das Geheimnis ist die Zerstreuung meiner ausgestrahlten Stimme.“ [Zeilen 89–91] Um dies unter Beweis zu stellen, folgt die Anleitung zu einem Experiment, das die Aktivität der HörerInnen erfordert: Durch das Einschalten mehrerer Radiogeräte schaffen die HörerInnen „Doppelgänger“ [Zeile 95] der Stimme Bohatschs. Dieser lenkt ihre Aufmerksamkeit auf die Synchronizität und die potenziell unbegrenzte Vervielfältigung der durch das Radio übertragenen Stimme. Es geht also nicht um die Vervielfältigung von akustischen Phänomenen im Allgemeinen. Vielmehr wird eine Situation evoziert, die ganz im Zeichen der Wirkung einer medial übertragenen und vervielfältigten Stimme steht. Es bleibt nicht bei der Aufforderung zur Fokussierung der Sprecherstimme(n). Bohatschs Fragen: „Können Sie sich erinnern, wie Sie das erste Mal Ihre eigene Stimme aus einem Kassettenrekorder gehört haben? Wie war das? Mochten Sie Ihre Stimme?“ [Zeilen 126–128] zielen auf die Erfahrungen der Hörenden mit ihrer eigenen medial übertragenen Stimme ab. Der Sprecher gibt vor, dass ihm selbst die mediale Übertragung der Stimme unheimlich ist.88 Für ein weiteres Experiment bittet der Sprecher die Hörenden darum, mit ihm zu reden, ihm irgendetwas zu sagen. Während er seine Aufforderung mehrfach wiederholt, spricht er selbst immer lauter und schreit schließlich. Die Sprechweise erscheint nun abwechslungs- und kontrastreicher, emotionaler und weniger distanziert als zuvor. Mit der Aufforderung, sich für „eine Stimme“ zu entscheiden, wird die ursprüngliche Hörsituation wieder hergestellt. 4. Thema: Zerstreute Rezeptionssituation des Radios [Zeilen 158–205] [18:07–24:07] Ein neues Experiment leitet das nächste Oberthema ein: Der Sprecher bittet die HörerInnen darum, ihr Radiogerät zu berühren. Währenddessen erkundigt sich Bohatsch – mit leiser Stimme, nahezu flüsternd und sehr dicht am Mikrophon sprechend – nach der Beschaffenheit des jeweiligen Radiogerätes. Die zerstreuten HörerInnen sind durch ihr synchrones Handeln miteinander verbunden: „Alle, die jetzt mit ihrer Hand das Radio berühren, sind durch diese Geste miteinander vereint, ohne voneinander zu wissen. Sie sehen einander nicht, sie sehen nur sich.“ [Zeilen 163–166]

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Das Thema der durch das Radio bewirkten Zerstreuung mündet im Vergleich der ausgestrahlten, zerstreuten Stimme mit den Sternen. Daraufhin begibt sich der Sprecher unter freien Himmel. Er verlässt – für

die HörerInnen deutlich vernehmbar durch das Leiser-Werden seiner Stimme, Schritte, Türquietschen – das Studio. Plötzlich ist die Stimme des Sprechers deutlich zu vernehmen, er spricht wieder mit geringem Abstand zum Mikrophon. Die Atmosphäre weicht stark von jener des Studios ab, zeichnet sich durch ein nicht näher zu bestimmendes urbanes Rauschen und Grillenzirpen aus. Kaum selbst hinausgetreten, fordert er die Hörenden dazu auf, zu ihren Fenstern zu gehen und diese zu öffnen. Durch das Ausführen einer weiteren Geste, das Deuten auf einen Stern, assoziieren sich die zerstreuten HörerInnen erneut. Der Sprecher drückt sein Bedauern darüber aus, dass die Sterne gedeutet werden, aber die Interpretation der gesellschaftlichen Konstellation der zerstreuten HörerInnen ausbleibt. Das Sternenlicht „lässt sich nicht verwerten“. [Zeile 199] Es folgt die Rückkehr ins Studio – wiederum durch die Schritte des Sprechers gekennzeichnet. Er gibt vor, dort alleine zu sein. „Nur Sie, draußen, wo auch immer, an den Radiogeräten, sind bei mir.“ [Zeilen 204–205] 5. Thema: Politisches Potenzial des Radios [Zeilen 206–343] [24:08–36:10] Der Sprecher zieht eine Parallele zwischen dem Strom, der, an sich unsichtbar, eine Glühbirne zum Leuchten bringt, und der Rundfunkübertragung durch elektromagnetische Wellen. „Ständig kommen neue Apparate hinzu, die weitere Möglichkeiten bieten. Aber die Macht bleibt abstrakt und die Möglichkeiten, ihre Möglichkeiten liegen brach.“ [Zeilen 215–217] Dem Sprecher geht es im Folgenden um die Erkundung des (abstrakten) Machtverhältnisses des Rundfunks. Zunächst zögerlich als persönliches Bedürfnis formuliert, bittet er darum, für 15 Sekunden „allein“ zu sein. Er appelliert an die Hörenden, ihre Radiogeräte auszuschalten, um die „Sternenkarte des Senders“ in ein „schwarzes Blatt zu verwandeln “ [Zeilen 230–231]. Er macht deutlich, dass dies zwar ein einzigartiges historisches Ereignis bewirkt, dieses jedoch ohne Auswirkung auf die tatsächlichen Machtverhältnisse bleiben muss: „Eine ohnmächtige Geste.“ [Zeile 237] Bohatsch führt aus, dass die Massenmedien in ihrer Grundstruktur nicht als destruktiv zu bewerten sind. Selbst der technische status quo des Radios wirke sich nicht negativ auf die Kommunikation aus. Das One-tomany-Prinzip und der Live-Aspekt des Radios, so der Sprecher, bergen vielmehr ein großes Potenzial. „Es ist eine viel zu interessante Situation, dass Sie alle mir jetzt zuhören.“ [Zeilen 242–243] Der unmittelbare Gewinn für diejenigen HörerInnen, die sich an dem Experiment beteiligt haben, liege in der „Fiktion kollektiven Handelns“.

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[Zeile 266] Das Medium Radio erfahre damit gewissermaßen einen „Freispruch“. Es bereitete nach Aussage von Bohatsch keineswegs den Nährboden für nationalsozialistisches Gedankengut, sondern diente vielmehr als Scheingrund für begangene Verbrechen. „Es ist einer der großen Mythen der Mediengeschichte, dass das Radio, der Volksempfänger die Menschen zu Nazis und Antisemiten gemacht haben soll. Umgekehrt: Nachträglich konnten die Antisemiten und Nazis behaupten, der Apparat hätte die erst zu den Taten verleitet, die sie willentlich verübt hatten.“ [Zeilen 278–283] Statt Gemeinschaft ermögliche das Radio freie Assoziation. Die Ausstrahlung ist letztendlich nicht zu kontrollieren. Niemand kann absehen, auf welche Situationen die Stimme trifft und mit welchen anderen akustischen Elementen sie sich im Raum der Hörenden verbindet. „Die Ausstrahlung ist mehr als einer kontrollieren kann. Es passieren unerwartete Dinge.“ [Zeile 300] Der Sprecher sagt, dass er müde sei und nicht mehr sprechen wolle. Er kündigt an, einen Song von der LP Still vorzuspielen. Seine leiser werdende Stimme verrät, dass er sich vom Mikrophon entfernt, um sich dem Plattenspieler zuzuwenden. Bevor der Song einsetzt, ermuntert er die HörerInnen dazu, das Radio lauter zu stellen und zu tanzen. Der englischsprachige Song, den der Sprecher als Live-Aufnahme eines inzwischen verstorbenen Sängers ankündigt, beginnt mit den Worten „Radio, live transmission. Radio, live transmission.“ [Zeilen 316–317] Der Song thematisiert das Medium Radio. 6. Thema: Zusammenfassung der Themen und Abschluss [Zeilen 345–359] [36:11–37:57] Nachdem die Musik verklungen ist, spricht Bohatsch mit wehmütiger Stimme. Er hebt hervor, dass seine HörerInnen ihm unbekannt sind, diese allerdings seine Stimme kennen. Die Bedeutung seiner Stimme liege darin, dass sie von vielen synchron vernommen wird: „Solange meine Stimme von vielen anderen gleichzeitig gehört wird, kann sie mir in ihrer Zerstreuung schön erscheinen.“ [Zeilen 347–349] Im abschließenden Teil der Arbeit greift er mit wenigen, poetisch wirkenden Sätzen vorangegangene Themen noch einmal auf: den Vergleich von Stimme und Sternen, die Nacht als günstige Zeit für die Rezeption von Stimme sowie das ungenutzte Potenzial des Radios. Die Arbeit endet mit mehreren, unmittelbar aufeinander folgenden Fragen, welche rätselhaft und mehrdeutig anmuten: „Wer wird in meinen Träumen sprechen? Wer ihre Sprachen verstehen? Wer in fremden Sprachen träumen? Wer wird die Träume? Wer wird zur Nacht? Wer spricht?“ [Zeilen 357–359]. 76

3.3.5

Sezierendes Hören – Synthetisierende Bedeutungskonstitution durch Form und Inhalt

Die Renotation von Nacht. Stimme. Zerstreuung. (Anhang IV) gibt einen Überblick über das Auftreten und Andauern der in der radiophonen Arbeit verhandelten Themen und der unterschiedlichen akustischen Phänomene und zeigt auf, wie diese sich zeitlich zueinander verhalten. Die obere Hälfte der Tabelle (die ersten sechs Zeilen) verdeutlicht, zu welchen Zeitpunkten die unterschiedlichen Themen der Arbeit von Bohatsch zur Sprache gebracht werden und wie diese sich gegenseitig ablösen bzw. fließend ineinander übergehen. In Minute 36 erfolgt jedoch ein klarer Bruch, bevor der Sprecher die zuvor verhandelten Themen zusammenfasst und die Arbeit abschließt. Während Einführung und Abschluss kurz gehalten sind und weniger als zwei Minuten andauern, nimmt das Thema Stimme mit etwa 13 Minuten die meiste Zeit in Anspruch. Der unteren Hälfte der Tabelle (den letzten elf Zeilen) ist zu entnehmen, wann welche akustischen Phänomene wahrnehmbar sind. Bohatschs Monolog erstreckt sich zwar nahezu über die gesamte Arbeit, aber der Sprecher unterbricht immer wieder den Redefluss. Er macht zahlreiche Sprechpausen (von mindestens 2 Sekunden), die sich als Stille im Sinne von Schweigen manifestieren.89 Die Pausen verschaffen ihm einerseits Zeit, selbst Handlungen auszuführen (siehe achte Zeile). Andererseits folgen sie auf Fragen und Handlungsaufforderungen an die HörerInnen und geben diesen Gelegenheit aktiv zu werden (siehe neunte Zeile). Die Tabelle führt vor Augen, dass die meisten Sprechpausen im Zusammenhang mit den Themen Stimme und Raum auftreten. Am Ende macht Bohatsch deutlich weniger Sprechpausen (Minute 23-38). Im gesamten Verlauf der Arbeit drängen nur wenige Geräusche in den Vordergrund, die zudem nur von kurzer Dauer sind. Sie können stets auf ihre Ursache zurückgeführt werden und resultieren ohne Ausnahme aus den Handlungen des Sprechers. Komplexere Klangkulissen schafft der Sprecher kurzzeitig durch den Einsatz von technischen Geräten. Zu Beginn der Arbeit, während er über das Thema Raum spricht, setzt er ein Radiogerät ein. Am Ende nutzt er einen Plattenspieler für das Abspielen der LP Still (Minute 35 bis 36). Einzig als der Sprecher ins Freie tritt, wird eine Atmosphäre hörbar, die sich aus konstanten urbanen Geräuschen zusammensetzt (Minute 21 bis 25). Ansonsten sind nur die Stimme und Sprache Bohatschs in der neutralen Atmosphäre des schallgedämmten Studios zu vernehmen.

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Erschließen von Raum, Zeit und szenischer Choreografie Raum Während in der Anmoderation von Helmut Jasper noch von „einem Studio“ die Rede ist, klärt Bohatsch die HörerInnen gleich am Anfang über seinen konkreten Standort auf. Auf diese Weise macht er sie indirekt darauf aufmerksam, dass der dargestellte Raum und der Produktionsraum bei der gehörten Arbeit zusammenfallen. „Ich spreche zu Ihnen aus dem Studio RP4, aus diesem Studio sendet das Kunstradio schon seit vielen Jahren.“ [Zeilen 33–35]. Das Studio weist keine Atmosphäre auf, die einen Raumeindruck vermitteln könnte. Einzig jene Geräusche, die Bohatsch selbst verursacht (Türquietschen, Schritte etc.) und ihr Nachhall liefern den HörerInnen Anhaltspunkte für die Beschaffenheit dieses ‚Hauptschauplatzes‘ und machen ihn für sie wahrnehmbar. Einen Hinweis auf die Ausmaße des Raumes erhalten die HörerInnen, wenn Bohatsch auf dem Weg von der Tür zu seinem Platz vor dem Mikrophon den Raum mit seinen Schritten durchmisst. Zwischenzeitlich wechselt das Setting: der Sprecher verlässt das Studio und tritt hinaus. Kennzeichneten die Türgeräusche am Anfang sein Erscheinen, so kündigen sie an dieser Stelle den Wechsel des Schauplatzes und schließlich die Rückkehr in das Studio an.90 Durch seinen Aufruf, den jeweils eigenen Raum mit dem Studio zu vergleichen, werden Fragen zur Raumwahrnehmung zu einem zentralen Thema der Arbeit. Bohatsch lässt seine HörerInnen eine Verknüpfung zwischen beiden Räumen herstellen, welche für sie gleichermaßen erfahrbar werden. Experimente, zu denen der Sprecher auffordert, z. B. „Gehen Sie in einen anderen Raum ihrer Wohnung.“ [Zeile 79], verdeutlichen den HörerInnen, dass sie immer mehr als den in der Arbeit dargestellten bzw. mit der Arbeit transportierten Raum wahrnehmen. Bohatsch lenkt mit seinen Fragen „Was hören Sie? Hören Sie das Surren des Kühlschranks? Sind Ihre Nachbarn noch wach? Oder passiert etwas auf der Straße?“ [Zeilen 83–85] die Aufmerksamkeit auf all jenes, das wir in der Regel beim konzentrierten Hören auszublenden versuchen. Geräusche des Studios werden um die Geräusche der unmittelbaren Hörumgebung ergänzt und umgekehrt – die Räume verschmelzen auf akustischer Ebene. Wird die Sendung nicht live rezipiert, kann diese Unmittelbarkeit bzw. das Gefühl von Nähe jedoch nicht in gleicher Weise auf die Wahrnehmung einwirken.

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Durch das Einschalten seines Radioapparats im Studio transformiert Bohatsch den Produktionsort selbst in einen Ort des Hörens. Der dargestellte Raum bzw. Produktionsraum einer anderen Sendung, der ebenso radiophon übertragen und akustisch vermittelt wird, ist damit Teil

von Nacht. Stimme. Zerstreuung. Die Stimme des Sprechers vom Mittelwellensender wird doppelt übertragen und damit zugleich weiter vervielfacht – Radio erklingt im Radio. In Form der eingespielten Live-Aufzeichnung des Songs Transmission findet die Integration eines weiteren Produktionsortes in die Arbeit Nacht. Stimme. Zerstreuung. statt.91 Hierin kommt die Ortsungebundenheit des Akustischen zum Tragen, die Möglichkeit, akustisches Material mittels des Radios in unterschiedliche Kontexte zu übertragen. HörerInnen vermögen nicht in den Produktionsraum zu intervenieren und doch lässt der Sprecher sie wissen, dass das Studio in dem Moment, in dem sie auf sein Geheiß abschalten, zu einem anderen Raum wird: „Ich weiß nicht, wie es für Sie war – für mich hat sich dieser Raum für fünfzehn Sekunden in einen anderen Raum verwandelt.“ [Zeilen 258–259] Die Vorstellung, niemand würde mehr zuhören, führt zu einer veränderten Wahrnehmung des Raums in seiner Funktion. Er zeichnet sich für einen Augenblick nicht mehr als Ort einer Live-Produktion aus. Die Verbindung des Sprechers zu seinen zerstreuten HörerInnen ist für 15 Sekunden unterbrochen. Zeit Die Darstellung von Zeit dient nicht nur der Vermittlung anderer Inhalte, z. B. dem Einbetten der Handlung, sondern Zeit als wichtiger Aspekt des Rundfunks ist selbst konstitutives Thema der Arbeit. Bereits in der Anmoderation, aber auch inmitten der radiophonen Arbeit selbst [Zeilen 93–94] betonen die Sprecher Helmut Jasper und Helmut Bohatsch, dass es sich um eine Live-Übertragung handelt. Außersprachliche Lautäußerungen (z. B. Schlucken, heftiges Ausatmen) von Bohatsch sowie die akustischen Folgen seiner körperlichen Handlungen (z. B. Schritte, Türquietschen) könnten von HörerInnen als Indizien dafür gewertet werden, dass die Arbeit nicht vorproduziert wurde. Im Hinblick auf das Radiohören besitzt der Satz „Die Nacht ist die bevorzugte Zeit.“ [Zeile 60] aus zwei Gründen Gültigkeit: Einerseits ist der Radioempfang besser, da nachts weniger Stationen senden und um die Frequenzen konkurrieren. Andererseits wird in der Dunkelheit die visuelle Wahrnehmung zugunsten der auditiven Wahrnehmung zurückgedrängt. Die Arbeit ist durchsetzt von Vergleichen zwischen dem Radio als Medium akustischer Phänomene und visuellen Phänomenen mit Bezug zur Tageszeit, d. h. zur Nacht. Ein Vergleich betrifft die Gemeinsamkeiten von Stimme und Licht. [Zeilen 66–67]. So wie das Licht einen Raum zu erhellen vermag, könne auch die Stimme einen Raum füllen. Eine andere

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Parallele zieht der Sprecher zwischen der zerstreuten Hörerschaft und den Sternen. Während elektromagnetische Wellen immer unsichtbar sind, können wir die Sterne nachts sehen und uns einen Eindruck von ihrer Verteilung verschaffen. Hörende können sich damit auf optischer Ebene ein wirkungsvolles Bild von den Möglichkeiten und Unmöglichkeiten des Rundfunks verschaffen. Sie konnten es parallel zur LiveSendung sogar sehen und nicht nur imaginieren. Wird die dokumentierte Live-Sendung zu einer anderen Tageszeit gehört, geht der Bezug verloren. Nur der gleichzeitige Empfang wie ihn der (analoge) Rundfunk auch bei Nacht. Stimme. Zerstreuung. ermöglichte, lässt die Synchronisation von Handlungen und die „Assoziation“ der zerstreuten HörerInnen zu. Besonders deutlich vermag dies die Aufforderung zum 15-sekündigen Ausschalten des Radios zum Ausdruck zu bringen: Das Unterbrechen der Wiedergabe der dokumentierten Sendung (über Mediaplayer, MP3-Player etc.) ist nicht mit dem Ausschalten des (analogen) Radioapparates zu vergleichen. Die Unwiederbringlichkeit eines solchen Moments kann allein das analoge Live-Radio bewusstmachen. Nur die Live-Sendung garantiert das synchrone Hören in der Zerstreuung und damit das zeitgleiche Ausführen von Gesten. Mit einer Ausnahme werden die HörerInnen während der gesamten Arbeit mit auditiven Material konfrontiert, das live produziert und gesendet wird. Diese stellt der eingespielte Song Transmission von Joy Division dar. Er wird durch die paradox anmutende Aussage eingeleitet: Es ist eine Live-Aufnahme. Der Sänger ist schon lange tot.“ [Zeile 313] Die Aufzeichnung besteht über den Tod des Sängers hinaus und wird in diesem Fall in eine Live-Sendung eingebettet. Letztere wird wiederum aufgezeichnet und damit selbst zum Dokument einer Live-Aufzeichnung. Szenische Choreografie

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Wie in der Anmoderation angekündigt, ist Helmut Bohatsch die einzige Person, die durch Geräusche und stimmliche Äußerungen hörbar ist. Er selbst hebt hervor, alleine im Studio zu sein. „Ich bin mit meiner Stimme hier allein in meinem Studio. Nur Sie, draußen, wo auch immer, an den Radiogeräten, sind bei mir.“ [Zeilen 203–204] Bohatsch stellt das Zentrum eines Beziehungsraumes dar, der durch die Struktur des Rundfunks geprägt ist. Dieser Raum manifestiert sich über den Produktionsort hinaus in der Interaktion zwischen dem Sprecher und seinen HörerInnen. Während das Studio im Verlauf der Arbeit in Vergessenheit geraten mag, da es immer nur für kurze Augenblicke ‚hörbar‘ ist, wird die Relation zwischen Hörenden und dem Sprecher durch seinen kontinuierlichen Redefluss aufrecht erhalten. Dieser stellt sich seiner Hörerschaft in den ersten Sätzen mit seinem wirklichen Namen vor. Damit gibt er denjenigen, welchen sein Name und/oder seine Stimme aus anderen Kontexten bekannt ist, seine soziale Identität als professioneller

Sprecher preis. Mit Helmut Bohatsch lässt LIGNA einen erfahrenen Schauspieler auftreten. Er fungiert als Garant dafür, dass die Ausführung kontrolliert abläuft, dem Konzept der Künstler entspricht und sich in der Sprachqualität nicht von anderen Sendungen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks unterscheidet. Bohatsch adressiert die HörerInnen so, als seien diese seine Kommunikationspartner. Nachdem er sich selbst mit seinem Namen vorgestellt hat, zieht er die HörerInnen mit der Frage nach ihrem Namen regelrecht in einen Dialog. Er macht deutlich, dass er sich seiner HörerInnen bewusst ist, ohne sie als einzelne zu kennen. Mit der Frage nach den Namen der HörerInnen initiiert der Sprecher Reflexionen über die Konstitution des Radios als One-to-Many Medium. Im Verlauf der Arbeit wendet sich Bohatsch mit immer neuen Fragen und Handlungsanweisungen an seine HörerInnen. Er spricht mit deutlichen Pausen, welche die HörerInnen als Bestätigung dafür werten können, dass das Imaginieren, Reflektieren und Ausführen von körperbetonten Handlungen tatsächlich von ihnen erwartet wird. Fragen und Aufforderungen sind Teil des Konstrukts einer dialogischen Situation und halten diese aufrecht. In manchen Abschnitten werden mehrere Fragen mit nur wenigen Unterbrechungen in Form von Aussagen aneinandergereiht [Zeilen 38–53; 80–85, 97–112; 126–129 und 149–152]. Mit den meisten Fragen appelliert der Sprecher an das Vorstellungs- und Erinnerungsvermögen seiner HörerInnen. Fragen initiieren und/oder begleiten Experimente, sie sind mit Handlungsaufforderungen verzahnt oder weisen selbst einen Appellcharakter auf. Im letzten Drittel der Arbeit nehmen die Fragen ab [ab Zeile 225]. Sie treten jedoch ganz am Ende noch einmal gebündelt auf. Neben den Fragen unterscheiden sich auch die Handlungsanweisungen bzw. „Experimente“ durch die ihnen zugrunde liegenden Intentionen voneinander.92 Eine erste Gruppe bilden Anweisungen zu Hörexperimenten, bei denen der Sprecher die Aufmerksamkeit der Hörenden explizit auf den Klang des Radios, den Klang der durch das Radio übertragenen Stimme und/oder die Umgebungsgeräusche (im Hörraum) lenkt. Beispiel: „Welche der Ausstrahlungen ist meine Stimme? Was ich Ihnen jetzt sage, ist ohne Belang, ich spreche einzig, damit Sie die zerstreute Materialität meiner Stimme hören können. Prüfen Sie nun, welche Lautstärke der Zerstreuung meiner Stimme am ehesten angemessen ist. Verstellen Sie die Lautstärken Ihrer Radios, bis Sie meine Stimme nicht mehr orten können.“ [Zeilen 112–115] Bohatschs Stimme übermittelt als Medium Inhalte und Aufforderungen und ist gleichzeitig Gegenstand von Experimenten und Untersuchungen. Die HörerInnen sind zur Beobachtung und zum Vergleich der medialen Übertragung seiner Stimme aufgerufen. Und schließlich auch zur Reflexion über ihre eigene Stimme.93 Gezielte Anweisungen zur Veränderung der Rezeptionssituation bilden eine zweite Gruppe von Handlungsaufforderungen. Zu diesen zählt

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beispielsweise folgende Bitte: „Löschen Sie bitte das Licht in Ihrem Zimmer. Ich lösche auch das Licht im Studio. Löschen Sie bitte alles Licht. Ich habe Zeit.“ [Zeilen 62–63] Auch die Aufforderung ans Fenster zu treten und dieses zu öffnen [Zeilen 170–171] dient einer gezielten Modifikation der Rezeptionsumstände. Eine dritte Kategorie von Handlungsaufforderungen bilden Anleitungen zu Gesten, in denen sich zerstreute Hörerschaft assoziiert. Den Höhepunkt dieser Anweisungen stellt die Bitte des Sprechers dar, das Radio für 15 Sekunden auszuschalten. Kommt er oder sie der Aufforderung nach, führt der/die Hörende eine absolute, d. h. technische Stille herbei. Der Sprecher selbst äußert sich wie folgt zum möglichen Resultat bzw. zur Funktion dieser Aktion: „Sie haben nichts verpasst, sondern eine Situation gewonnen. Eine Fiktion vielleicht, aber eine schöne Fiktion, die Fiktion kollektiven Handelns, das nicht gemeinschaftlich wird, sondern in der Zerstreuung kleine Gesten ermöglicht, die gesellschaftliche Explosionen bewirken könnten.“ [Zeilen 264–268] Das Ziel besteht folglich in der Bewusstmachung der Möglichkeiten des Rundfunks, die ein erster Schritt zu einer tatsächlichen Veränderung gesellschaftlicher Verhältnisse sein kann. Der Schauspieler Bohatsch demonstriert ein breites Wirkungsspektrum seiner Stimme und evoziert dadurch unterschiedliche Gefühle. Er wirkt immer wieder kühl-distanziert und tritt in der Rolle eines ‚typischen‘ Radiosprechers auf. Phasenweise schlägt er aber auch einen partnerschaftlich-vertrauten Ton an, beispielsweise dann, wenn er dicht am Mikrophon flüstert oder enthusiastisch spricht und die HörerInnen mit „seinen“ Plänen und Experimenten vertraut macht. Mitunter fällt er in ein melancholisch anmutendes Monologisieren, das den Anschein erweckt, er sei sich seiner ZuhörerInnen kurzzeitig nicht bewusst. Die Arbeit changiert zwischen Nähe und Distanz, die der Sprecher zu seinen HörerInnen schafft. Dieses Verhältnis bringt Bohatsch am Ende mit folgenden Worten auf den Punkt: „Sie sind mir fremd, aber meine Stimme ist Ihnen vertraut.“ [Zeile 346] Nicht mehr, aber auch nicht weniger als seine Stimme ist den HörerInnen tatsächlich bekannt. Diese selbst stehen nur über das Radio bzw. die Arbeit Nacht. Stimme. Zerstreuung. und ihren Sprecher in einer Beziehung zueinander. Sie können einander weder sehen noch hören. Das Zueinander-in-Beziehung-Setzen spielt sich sowohl bei der Live-Sendung als auch beim Hören der Aufzeichnung auf imaginativer Ebene ab.

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Der Sprecher Helmut Bohatsch steht im Zentrum eines Beziehungsraumes, der sich auf imaginativer Ebene entfaltet. Er fungiert als Scharnier zwischen der Künstlergruppe LIGNA und ihrer Hörerschaft. In der Arbeit werden unterschiedliche Räume und Zeiten im und durch das Medium Radio implizit und explizit erfahrbar. Das Live-Erleben und synchrone Ausführen von Handlungen auf Grundlage von Aufforderungen durch

den Radiosprecher stellen elementare Komponenten der Arbeit dar. Auf diese Weise wird den HörerInnen das Radio als einzigartiges, öffentlichkeitswirksames Medium zu Bewusstsein gebracht. Mit der Produktion Nacht. Stimme. Zerstreuung. tritt die Künstlergruppe LIGNA den Beweis an, dass selbst das viel kritisierte und oftmals unterschätzte One-toMany-Prinzip des Rundfunks über ein großes Potenzial der Partizipation und Assoziierung verfügt.

3.3.6 Kontextualisierung

RezipientInnen, welche die Arbeit über die Internetseite des Kunstradios aufrufen, können zusätzlich zum Audiodokument visuelles Material betrachten. Sie finden Fotografien von den Mitwirkenden, das Skript zur Sendung und eine Live-Videodokumentation.94 Sie können Helmut Bohatsch und das Studio sehen und haben die Möglichkeit, den gesprochenen Text zu lesen bzw. mitzulesen, während er gesprochen wird. Informationen zu weiteren Arbeiten von LIGNA bietet ihre eigene Internetseite.95 In den vergangenen Jahren wurden einige Texte über die Arbeit der Künstlergruppe publiziert.96 Darüber hinaus veröffentlichen die Mitglieder von LIGNA auch theoretische Texte. Transparenz für RezipientInnen – Zum Skript von „Nacht. Stimme. Zerstreuung.“ Die bloße Verfügbarkeit des Skripts klärt darüber auf, dass eine solche Vorlage für den Sprecher existierte. Im Skript findet sich die Anmerkung: „Es kann deutlich werden, dass er den Text nicht frei spricht.“97 Die Performance von Helmut Bohatsch bietet aber kaum Anhaltspunkte dafür, dass ihm ein detailliertes Skript vorliegt. Seine Frage „Wer spricht?“98 erhält aus diesem Grund besondere Bedeutung. Dieser Sachverhalt ist für Außenstehende, die nur hören, nicht aber auf die Internetseite zugreifen, nicht auf Anhieb zu durchschauen. Bohatsch macht einen Text hörbar, der nicht seine Ideen, Konzepte, Wünsche, Meinung etc. wiedergibt. Er wendet sich live an seine HörerInnen, aber er spricht nicht spontan, ist als Ausführender an den Text und die Anweisungen der Künstler gebunden. Ein Vergleich zwischen dem Gesprochenen und der Textvorlage enthüllt, dass das Live-Vortragen des Textes auch für den professionellen Sprecher eine Herausforderung darstellte, er unter Druck stand. Ihm unterliefen kleine Fehler, er vertauschte beispielsweise Worte, fügte einzelne hinzu oder ließ etwas weg. Um die Sendezeit einzuhalten, sparte er zwei Absätze [Zwischen den Zeilen 68/69 und den Zeilen 118/119] sowie einzelne Sätze am Ende aus. Fotografien und die Videodokumentation zeigen den Sprecher während seiner Tätigkeit im Studio und können als dokumentarisches ‚Making-of‘ verstanden werden. RezipientInnen, die parallel zum Hören der Sendung

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auf der Internetseite des Kunstradios den Videostream aufrufen, müssen Sprecher und Studio nicht imaginieren. Sie können die Aussagen des Sprechers über seine Situation mittels des Videos überprüfen. Die Videodokumentation stärkt gewissermaßen seine Glaubwürdigkeit. Sie kann als Beleg dafür aufgefasst werden, dass Bohatsch sich während der Sendung tatsächlich alleine im Studio aufhielt. Das Video erlaubt zudem einen Abgleich der optischen Erscheinung mit der Stimme des Sprechers. Letztere wird auf diese Weise an einen bestimmten Körper in einer spezifischen Umgebung gebunden. Erforschung des politischen Potenzials des (öffentlich-rechtlichen) Rundfunks Nacht. Stimme Zerstreuung. ist eine Produktion der Gruppe LIGNA, bestehend aus den Medientheoretikern und Radiokünstlern Ole Frahm, Michael Hüners und Torsten Michaelsen.99 Diese begannen mit ihrer gemeinsamen Arbeit im Jahre 1997 beim Freien Sender Kombinat (FSK), einem freien Radiosender in Hamburg. Dort etablierten sie LIGNAs Music Box, eine Sendung, bei der die HörerInnen ihre Musik über das Telefon einspielen können, so dass diese über das Radio ausgestrahlt wird. Das einer breiten Öffentlichkeit wahrscheinlich bekannteste Format der Künstlergruppe ist ihr Radioballett. Dieses wurde am 5. Mai 2002 im Hamburger Hauptbahnhof und am 20. Juni 2003 im Leipziger Hauptbahnhof aufgeführt.100 LIGNAs Radioballett richtete sich gegen die voranschreitende Privatisierung des öffentlichen Raums, die mit einer zunehmenden Einschränkung der Rechte für die Allgemeinheit einhergeht. Über Freie Radiosender wurden die Teilnehmenden zu unterschiedlichen Gesten aufgefordert, die in Bahnhöfen nicht mehr geduldet sind. Der Theaterwissenschaftler Patrick Primavesi, der sich in mehreren Texten mit den Arbeiten LIGNAs auseinandersetzt, konstatiert, dass die Produktionen der Künstlergruppe immer „sowohl interventionalistische Performance als auch experimentelle Erkundung ihrer jeweiligen Umgebung und der damit verknüpften Verhaltensweisen“101 sind. Beim Radioballett handelt es sich nicht um Live-Sendungen, sondern um vorproduziertes Material, welches darauf berechnet ist, im öffentlichen Raum – konkret dem Hamburger bzw. dem Leipziger Hauptbahnhof – rezipiert zu werden. Nacht. Stimme. Zerstreuung. hingegen zielt auf HörerInnen des öffentlich-rechtlichen Senders Österreich 1, welche die Arbeit radikal vereinzelt in einer privaten Situation empfangen.

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Neben diesem Unterschied weisen beide Arbeiten aber auch einige formale Gemeinsamkeiten auf. Die Künstler lassen professionelle SprecherInnen auftreten und bleiben selbst, während ihre Arbeiten gesendet werden, im Hintergrund.102 Sie erarbeiten die Konzepte und Skripte, auf deren Basis die SprecherInnen und in der Folge die HörerInnen agieren. Der gesprochene Text enthält sowohl beim Radioballett als auch bei Nacht. Stimme. Zerstreuung. Thesen bzw. Denkanstöße sowie

Handlungsaufforderungen. Reflexions- und Aktionsebene dienen bei beiden Arbeiten der Untersuchung des „politischen Potenzials der zerstreuten Rezeptionssituation“103 des Radios. Während das Radioballett jedoch die Privatisierung des Öffentlichen Raumes in den Mittelpunkt stellt, fokussiert Nacht. Stimme. Zerstreuung. unterschiedliche Facetten des Rundfunks: die Voraussetzungen und -prinzipien des Sendens und Hörens. Die von den Hörenden auszuführenden Experimente provozieren bei beiden Arbeiten besondere Rezeptionssituationen. Sie hören nicht nur etwas über das Radio(-system), sondern sammeln Erfahrungen, die ihnen die spezifischen Charakteristika des Mediums und der Stimme als Medium im Medium zu Bewusstsein bringen. Lassen sich die RezipientInnen auf die Experimente ein, kommen sie also den Aufforderungen der SprecherInnen mit ihren Handlungen nach, werden sie selbst zu Produzierenden. Folglich lässt sich nicht nur von einer Verschränkung von Räumen, sondern von einer Ausweitung des Produktionsraums sprechen – der Hörraum wird Teil des Produktionsraumes. Die Zerstreuung des Radios sorgt dafür, dass es potenziell unendlich viele Orte gibt, an denen gehört und damit produziert werden kann. Zwischen politischem Aktivismus und Kunst LIGNA lässt in ihrer Produktion durch zahlreiche Verweise viele Stimmen zu Wort kommen und sorgt für eine enge Verzahnung von Theorie und Praxis. Die theoretischen Texte der Gruppe geben Aufschluss darüber, dass einzelne Passagen von Nacht. Stimme. Zerstreuung., paraphrasiert oder als Zitat, Texten anderer Autoren entlehnt sind. Die Lektüre des Textes Radio und Schizophrenie. Anmerkungen zu Daniel Paul Schrebers Radiotheorie avant la lettre (2013) von Ole Frahm offenbart beispielsweise, dass Auszüge aus Denkwürdigkeiten eines Nervenkranken des Schriftstellers Daniel Paul Schreber Eingang in das Skript der radiophonen Arbeit fanden.104 Der Abschnitt zu den „Doppelgängern“ der Stimme: „Sie hören nicht meine Stimme, sie hören einen Doppelgänger meiner Stimme, Sie hören eine von vielen gleichen Stimmen.“ [Zeilen 94–96]105 weist einen Bezug zu Günter Sterns Text Spuk und Radio106 auf. Daneben lässt Frahms Text erkennen, dass sich die Künstlergruppe in Nacht. Stimme. Zerstreuung. auf Theodor W. Adorno bezieht. Das von Adorno als „größte[r] narzißtische[r] Lustgewinn des ohnmächtigen Hörers“ titulierte Ausschalten des Radios,107 erhält im Ausschalten der vereinzelten HörerInnen, wie es die Arbeit Nacht. Stimme. Zerstreuung. herbeizuführen vermag, eine andere Bedeutung. Das Ausschalten wird zu einer (realen oder imaginierten) Handlung, die in der synchronen Ausführung eines potenziell unbegrenzten Kreises von Personen Wirksamkeit entfaltet und diese als Aktionspotenzial erfahrbar macht. 85

Eine vertiefende theoretische Auseinandersetzung mit dem Radio an sich präsentiert LIGNA selbst in ihrem veröffentlichten Vortrag: The Revolution cannot be televised? The Revolution must be produced! Medienpolitische Möglichkeiten.108 Die Verfasser gehen in diesem Beitrag von einem Medienverständnis in der Tradition linkspolitischer und kommunistischer Strömungen aus, dessen Potenzial sie ent- bzw. aufdecken und das auch die Grundlage ihrer Produktion Nacht. Stimme. Zerstreuung. bildet.109 Im Text sowie in der radiophonen Arbeit wendet sich LIGNA gegen eine (Vor-)Verurteilung des Mediums und zielt auf ein positives Umdeuten seiner kritisierten Eigenschaften.110 Auch in Nacht. Stimme. Zerstreuung. geht es nicht allein um das Anprangern von Missständen, vielmehr fokussiert die Künstlergruppe mit ihrer Arbeit das Potenzial des Mediums und zeigt auf, wie im Rahmen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks HörerInnen zu Teilhabenden werden können. Die Künstler betrachten das Radio nicht als Instrument, um Massen zu delegieren, sondern sie erblicken seine herausragende Fähigkeit im Produzieren von „unkontrollierbaren Effekten“.111 Urheber dieser Effekte sind zerstreute, aber mittels des Radios assoziierte HörerInnen.112

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In diesem Zusammenhang zieht LIGNA die zwischen 1927 und 1932 publizierten radiotheoretischen Schriften Bertolt Brechts heran.113 Brecht attestiert darin dem Medium einen Kommunikationsmangel, den er in seinen eigenen radiophonen Produktionen, zum Beispiel dem Ozeanflug114, auszugleichen suchte. Anhand der Betrachtung des Ozeanflugs deckt LIGNA den Kern von Brechts Überlegungen auf: Ihm gehe es nicht um eine grundlegende technische Umstrukturierung des Rundfunks, sondern um die Kommunikation mit dem Apparat.115 Der Ozeanflug zählt zu den sogenannten Lehrstücken Brechts, die sich gegen das traditionelle Theater richten und die Trennung zwischen MusikerInnen bzw. SchauspielerInnen und Laien aufheben sollen. So wie das Theater bei Brecht als Theater erkennbar bleibt,116 stellt LIGNA im Falle von Nacht. Stimme. Zerstreuung. die radiophone Produktion als solche heraus.117 Die Anmoderation bereitet die HörerInnen auf einen Monolog vor, der sich jedoch in den ersten Sätzen als Pseudodialog entpuppt. Nacht. Stimme. Zerstreuung. präsentiert die Situation des Rundfunks, die Radiosendung als Radiosendung, in der einer spricht und die anderen zuhören. Die Arbeit weist einen anti-illusionistischen Kern auf: Der Sprecher tritt als Sprecher auf, der seine HörerInnen voraussetzt und als solche anspricht.118 LIGNAs Produktion täuscht nicht vor, sondern macht Strukturen des Mediensystems sichtbar. Bei Nacht. Stimme. Zerstreuung. handelt es sich um eine ästhetisch aufbereitete Radio-Fassung jener Theorie, die LIGNA in ihrem Vortrag The Revolution cannot be televised begründen. Sowohl Inhalt als auch Form der Arbeit sind durch das Selbstverständnis als freie Radiogruppe geprägt, das LIGNA auf Grundlage der Theorien von Günter Stern, Hans Magnus Enzensberger, vor allem aber von Bertolt Brecht formuliert. LIGNA strebt an, dem Radiohören als „Praxis der Intervention“119 zu Anerkennung zu verhelfen. Der Kunst-

kontext eröffnet ihnen dabei besondere Möglichkeiten, wie Ole Frahm und Torsten Michaelsen in einem Interview betonen, das sie 2003 im Anschluss an die Umsetzung des ersten Radioballetts im Hamburger Hauptbahnhof der Zeitschrift Analyse und Kritik gaben. Die Zuordnung zum Bereich der Kunst wirke wie ein Filter und sorge für eine Verschiebung der Wahrnehmung ihrer Aktivitäten.120 Für LIGNA gilt es „zu reflektieren, was macht der Kunstrahmen möglich und was verhindert er?“121, wie Ole Frahm anmerkt. Durch die Transformation theoretischer Hypothesen in künstlerische Arbeit überführt LIGNA ihre Vorstellungen von freiem Radio und dessen Einsatzmöglichkeiten in die Praxis und macht die HörerInnen in ihrem Sinne zu Teilhabenden und -nehmenden. Diese werden mit ihren Handlungen zum Inhalt der Arbeit und erheben – nach Aufforderung durch LIGNA – ihre eigene Stimme. Radio formiert hier keine Masse, sondern adressiert den Hörer/die Hörerin als Einzelnen/Einzelne,122 dessen/deren Mündigkeit und Fähigkeit zu eigenen Entscheidungen Anerkennung findet. Wie andere Arbeiten LIGNAs, so zielt auch Nacht. Stimme. Zerstreuung. auf die Untersuchung der zerstreuten Rezeptionssituation des Radios ab. Die Arbeit ermöglicht den Teilhabenden ein Bewusstwerden über ihren Handlungsspielraum – jener Möglichkeiten, die für sie innerhalb des bestehenden Rundfunksystems gegeben sind. Die Arbeit basiert auf einem breiten theoretischen Unterbau: Das Skript der Arbeit geht auf einen theoretischen Text der Künstlergruppe zurück, der wiederum unterschiedliche Referenzpunkte aufweist. Die Arbeit ist durch die enge Verquickung von theoretischen Konzepten und ihrer praktischen Umsetzung durch das Radio charakterisiert.

3.4 Vergleichende Analyse Sowohl Math als auch LIGNA setzen auf die Beteiligung von HörerInnen der Sendereihe Kunstradio – Radiokunst und hinterfragen mit ihren Arbeiten die konventionelle Kunst- und Radioproduktion und -rezeption. Math initiiert mit seinem Projekt die eigenständige Produktion akustischer Arbeiten und eröffnet allen Interessierten eine Sendemöglichkeit für eigene Beiträge. LIGNA setzt auf anti-illusionistische Effekte und präsentiert eine Radio-Sendung als Radio-Sendung mit konkreten Handlungsaufforderungen an ihre HörerInnen. Ihren partizipativen Ansätzen liegen unterschiedliche Intentionen zugrunde. Der Vergleich der sehr heterogen anmutenden Konzepte offenbart jedoch Ähnlichkeiten, die sich in vier Aspekten konzentrieren: Stimme, Raum, Zeit sowie HörerInnen als ProduzentInnen. 87

Stimme Die akustischen Zeichensysteme Stimme und Sprache sind für beide Produktionen äußerst bedeutsam, da nur sie die Grundlage für Interaktion und Kollaboration zu schaffen vermögen. Beim Schlafradio wird der Appell zur Beteiligung im Zuge der Anmoderation vermittelt, während die Stimme des Sprechers die entscheidende Konstante der Arbeit Nacht. Stimme. Zerstreuung. darstellt. Dient Verbalsprache dem Initiieren von Handlungen und Reflexionen, prägen Stimmen den Kontakt zu den Hörenden. Stimmen wecken Aufmerksamkeit und dienen der persönlichen Ansprache. Durch ihre Stimmen gewinnen (oder verspielen) die ModeratorInnen, der Künstler Math, aber auch der von LIGNA gewählte Sprecher das Vertrauen und Interesse ihrer HörerInnen und versuchen ihre Handlungsanweisungen zu legitimieren. Auf diese Weise wird deutlich, dass es nicht um die Interaktion mit einem abstrakten System (Rundfunk), sondern mit Menschen geht. Durch die Rundfunkübertragung können die Stimmen auf eine unbegrenzt hohe Zahl von potenziellen TeilnehmerInnen treffen, die mit oder ohne Einsatz ihrer eigenen Stimme zu ProduzentInnen werden. Raum Sowohl im Rahmen des Projektes Schlafradio als auch während der Sendung von Nacht. Stimme. Zerstreuung. werden unterschiedliche Räume aus dem Kontext von Radiosendungen bzw. akustische Phänomene im Allgemeinen in unser Bewusstsein gerückt. Dabei wird die Aufmerksamkeit nicht nur auf einzelne Raumdimensionen gelenkt. Auch unterschiedliche Transformationsprozesse sind von Relevanz: Das Studio wird zum Hörraum oder zum dargestellten Raum und vice versa. Ebenso ist eine Verschränkung und Verknüpfung von Räumen zu beobachten, beispielsweise dann, wenn der dargestellte Raum einer radiophonen Produktion Element einer weiteren radiophonen Produktion ist. Mit dem Schlafradio und Nacht. Stimme. Zerstreuung. wird der private Raum der HörerInnen zu einem Ort der Kunstrezeption und der ästhetischen Produktion. Das Schlafradio stellt eine Plattform innerhalb des Rundfunksystems dar, bei der die Teilnehmenden durch ihre Produktionen und z. T. auch durch eigene stimmliche Äußerungen für alle HörerInnen wahrnehmbar werden. Auch im Zuge von Nacht. Stimme. Zerstreuung. wird der Ort, an dem sich die Hörenden gerade aufhalten zum Produktionsort. Ausgangspunkt und Ziel ist dabei das Bewusstwerden darüber, synchron mit vielen anderen Menschen an unterschiedlichen geografischen Orten zu hören und zu handeln.

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Zeit Das zeitgleiche Rezipieren und die Vergänglichkeit von akustischen Produktionen stellen spezifische Aspekte dar, welche uns die beiden exemplarisch untersuchten Arbeiten in besonderer Weise zu Bewusstsein bringen. Eine Aufzeichnung vermag akustische Phänomene zu fixieren, kann jedoch nie dieselbe Wirksamkeit wie eine Live-Übertragung entfalten. Das synchrone und zeitlich versetze Agieren in Folge von Handlungsanweisungen charakterisiert sowohl die Arbeit Nacht. Stimme. Zerstreuung. als auch das Schlafradio. Wie bereits ihre Titel zum Ausdruck bringen, findet im Zuge beider Arbeiten auch eine Auseinandersetzung mit der nächtlichen Sendezeit des Kunstradios statt. „Die Nacht ist die bevorzugte Zeit.“ heißt es bei LIGNA.123 „Schneiden Sie mit und/oder schlafen Sie ein“ fordert Heidi Grundmann die Hörerschaft im Namen von Math auf.124 Darüber hinaus finden auch Betrachtungen des Radios als Tag strukturierendes Medium statt. HörerInnen als ProduzentInnen Sowohl Norbert Math als auch LIGNA stellen das One-to-many-Prinzip des öffentlich-rechtlichen Rundfunksystem auf den Prüfstand und zeigen seine Möglichkeiten und Grenzen auf. Der Medienkünstler Math ersinnt dafür ein digitales Klangarchiv und ein E-Mail-Netzwerk, die sich während der Projektlaufzeit noch nicht verwirklichen ließen. Motiviert ist sein partizipatives Konzept durch das Interesse an der Arbeit mit neuen Medien und an den Resultaten gemeinsamer ästhetischer Produktion unterschiedlicher KollaborateurInnen. LIGNAs partizipativer Ansatz basiert auf dem technischen status quo des analogen Radios, zeigt aber alternative Nutzungs- und Teilhabemöglichkeiten des Mediums auf. Die Intention der Gruppe ist politischer Natur, sie strebt eine Praxis der Intervention an, für die der Kunstkontext besondere Bedingungen bietet. Nacht. Stimme. Zerstreuung. vermag über die Sendung hinaus Wirkung zu entfalten und darauf zu verweisen, dass es nicht immer um technische Innovationen gehen kann, sondern um die demokratische Nutzung und Verwaltung bestehender Strukturen.125 Der Aufruf zur Beteiligung der Hörerschaft bleibt bei beiden Arbeiten nicht frei von Widersprüchen. Math schlägt zwei, sich konträr zueinander verhaltende Rezeptionsweisen vor: aktiv werden oder in den Zustand der völligen äußerlichen Ruhe übergehen. Der Sprecher Helmut Bohatsch instruiert seine HörerInnen als verstreutes Kollektiv und provoziert gleichermaßen dessen Verweigerungshaltung.126 Denn Hören und Gehorchen sind, wie er betont, nicht gleichzusetzen.127 89

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1 Eine regelmäßige Rubrik Kunst zum Hören war ab 1977 bereits Teil der Sendung Kunst heute. (Vgl. Grundmann 2000, S. 80-81). Siehe hierzu auch Kunstradio – Radiokunst 2004a. 2 Für eine Übersicht über realisierte Projekte unterschiedlicher KünstlerInnen siehe Kunstradio – Radiokunst 2012a. 3 Der Künstler Robert Adrian arbeitete ab 1979 mit Telekommunikationstechnologien und organisierte in den 1980er Jahren zahlreiche Projekte mit Faxgeräten, Slow-Scan TV, Radio etc. Siehe auch Adrian; Gilfillan 2008, S. 200. 4 Siehe hierzu auch Gilfillan 2008, S. 212. 5 Adrian 1998. 6 Beispielsweise im Kontext der Reihe curated by… Siehe und höre: http://kunstradio.at/ PROJECTS/CURATED_BY/. 7 Zu Konzept, Umsetzung und Bedeutung der Inszenierung des Projekts Schlafradio in der Ausstellung Über das Radio hinaus. 25 Jahre Kunstradio – Radiokunst siehe Kap. 6.1.1. 8 Das Kunstradio sendete damals donnerstags zwischen 22.20 Uhr und 23 Uhr. 9 Siehe und höre http://www.kunstradio.at/2012A/11_03_12.html. 10 Die Performance fand am 22.10.1994 im Rahmen des Sampling Symposiums im Echoraum in Wien statt. Zum Ablauf der Performance: Zwei PerformerInnen liegen – wie schlafend – in einem Bett. Ein Performer/eine Performerin trägt einen Sensor am Finger und steuert dadurch mit seinem/ihrem Herzschlag und Hautleitwert Projektionen. Vier computergesteuerte Diaprojektoren projizieren verschiedene monochrome Muster auf die liegenden PerformerInnen, ein weiterer Projektor ist auf eine Wand gerichtet. Die Daten der PerformerInnen beeinflussten auch den Klang, der sich aus Ausschnitten und Samples der Schlafradio-Folgen zusammensetzt. 11 Eine dieser Fotografien wird auf der Internetseite der Sendung Aus dem Archiv – Teil 5 präsentiert. Siehe http://www.kunstradio.at/2012A/11_03_12.html. 12 Zu jeder einzelnen Sendung existiert eine Website. Siehe und höre Schlafradio: http://www.kunstradio.at/1993A/15_4_93.html; Schlummernummer: http://www.kunstradio.at/1994A/3_2_94.html#II; Na Gute Nacht: http://www.kunstradio.at/1994A/28_4_94.html#2; Weave: http://www.kunstradio.at/1995A/1_6.html. Die Internetseite zur Sendung Aus dem Archiv präsentiert alle vier Schlafradio-Episoden. Siehe und höre http://www.kunstradio. at/2012A/11_03_12.html. 13 Siehe auch Homepage von alien productions http://alien.mur.at/bios_ger.html. 14 Der Flyer wurde von Nobert Math selbst gestaltet. (Freundliche Auskunft von Norbert Math in seiner E-Mail vom 8.2.2017) Seine Überschrift lautet: „Schlafradio. Die Grammatik ist gegeben, Sie bestimmen den Inhalt.“ Weitere Informationen zu Anschrift, Sender und Zeitpunkt der Ausstrahlung des ersten Schlafradio-Stücks von Norbert Math. Die Holzschnitte sind Teil des manieristischen Romans Hypnoerotomachina Polyphili, auf den Math in seinem Konzept verweist. Siehe hierzu Math 1993a. 15 Siehe Math 1993b. 16 Siehe Braun 1993. 17 Siehe N.N. 1993. 18 Siehe und höre http://alien.mur.at/sound/detail.html?t=schlafradio. 19 Die Hypnoerotische Zwischenbilanz von Norbert Math wird auch auf den Internetseiten des Kunstradios erwähnt. Im Rahmen der Biografie von Norbert Math wird sogar das Sendedatum 20.10.1994 genannt. (Vgl. Math o. J.) Im archivierten Sendeprogramm ist die Arbeit jedoch nicht aufgelistet. (Vgl. Kunstradio – Radiokunst 1994) 20 Siehe Transkripte der Moderationen zu den Schlafradio-Produktionen Anhang I. 21 Vgl. Genette 2014, S. 12-13. Siehe auch Kap. 2.1.3. 22 Höre hier und im Folgenden http://www.kunstradio.at/1993A/15_4_93.html. 23 Höre hier und im Folgenden http://www.kunstradio.at/1994A/3_2_94.html#II. 24 Höre hier und im Folgenden http://www.kunstradio.at/1994A/28_4_94.html#2. 25 Höre hier und im Folgenden http://www.kunstradio.at/1995A/1_6.html. 26 Vgl. Grundmann, Transkript der Anmoderation zu Schlafradio Anhang I [Zeilen 26–27 und 59–63]. 27 Math zitiert nach Grundmann, Transkript der Anmoderation zu Schlafradio Anhang I [Zeile 53]. 28 Siehe auch Renotation Schlafradio Anhang II. 29 Vgl. Math, Transkript der Anmoderation zu Schlummernummer Anhang I [Zeilen 95–97 und Zeilen 108–110]. 30 Vgl. Grundmann, Transkript der Anmoderation zu Schlummernummer Anhang I [Zeilen 118–119]. 31 Schleichert, Transkript der Anmoderation zu Schlummernummer Anhang I [Zeile 170]. 32 Siehe auch Renotation Schlummernummer Anhang II. 33 Vermutlich handelt es sich um Tschechisch, da Schleichert sich nach eigener Aussage zum Zeitpunkt der Aufnahme in Tschechien aufgehalten hat. Siehe Transkript der Anmoderation zu Schlummernummer Anhang I [Zeile 156]. 34 Siehe auch Renotation Na Gute Nacht Anhang II. 35 Handl, Transkript der Anmoderation zu Weave Anhang I [Zeilen 144–145]. 36 Siehe auch Renotation Weave Anhang II. 37 „Schlafradio ist ein Versuch, Radiokunst in einen Bereich zu bringen, der abseits von aufmerksamer Rezeption liegt. Viele Menschen haben die Gewohnheit, sich von ihrem Radiowecker,

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in den Schlaf wiegen zu lassen. […]“ (Math zitiert nach Grundmann, Transkript der Anmoderation zu Schlafradio Anhang I [Zeilen 43–44]). Freundliche Auskunft von Norbert Math in seiner E-Mail vom 8. 2. 2017. Siehe hierzu auch Kap. 2.1.2. Siehe Legende Anhang II. Braun schreibt, dass die Arbeit sich in einzelne Phasen von jeweils zwei Minuten einteilen ließe, zwischen denen jeweils fünfsekündige Pausen liegen. (Vgl. Braun 1993, Zeit/Raum). Auf Grundlage meiner Untersuchung erscheint mir eine Gliederung in fünf Phasen von jeweils zwei bis drei Minuten Dauer naheliegender. Höre http://alien.mur.at/sound/detail.html?t=schlafradio. Math zitiert nach Grundmann, Transkript der Anmoderation zu Schlafradio Anhang I [Zeile 57]. Die leise, ruhige Melodie am Ende kann jedoch als Zeichen dafür gewertet werden, dass der zähe Prozess des Einschlafens letztendlich doch von Erfolg gekrönt ist. Math, Transkript der Anmoderation zu Schlummernummer Anhang I [Zeilen 89–92]. Angedacht war zudem, wie HörerInnen der ersten Schlafradio-Episode in der Anmoderation erfahren, ein permanenter Raum bzw. eine Plattform des Austauschs. (Siehe Grundmann, Transkript der Anmoderation zu Schlafradio Anhang I [Zeilen 38–39]). Math plante ein Klangarchiv im Internet sowie ein E-Mail-Netz, die aufgrund der damals limitierten technischen Möglichkeiten nicht umgesetzt wurden. „Dieses Projekt mit dem Titel Schlafradio ist ein ‚work in progress‘, das sich unter anderem mit Ihrer Hilfe und Teilnahme im Laufe verschiedener Kunstradio-Sendungen dieses Jahres verändern und entwickeln wird […].“ (Grundmann, Transkript der Anmoderation zu Schlafradio Anhang I [Zeilen 35–38]. Auf den Internetseiten des Kunstradios heißt es: „das Projekt schläft derzeit“ (Kunstradio – Radiokunst 2012c). Die HörerInnen hätten nachträglich eine Kopie beim Mitschnittdienst bestellen können, was mit einem zusätzlichen Zeitaufwand und Kosten verbunden gewesen wäre. „Das Radio zum Einschlafen läuft wie ein Ritual ab und als solches muss es Muster anbieten, die sich ständig wiederholen und es muss oftmalig, als Sendereihe ausgestrahlt werden.“ (Math zitiert nach Grundmann, Transkript der Anmoderation zu Schlafradio Anhang I [Zeilen 50–52]). „Weave, so der Titel des Stückes von Elisabeth Schimana, ist der Versuch, die verschiedenen Phasen des Schlafes und des Träumens akustisch nachzuvollziehen. Diese Phasen, die zyklisch ablaufen, bilden die Grundstruktur von Weave.“ (Handl, Transkript der Anmoderation zu Weave Anhang I [Zeilen 233–236]). Vgl. Grundmann, Transkript der Anmoderation zu Schlafradio Anhang I [Zeilen 45–46]. Gleichzeitig geht es dem das Projekt initiierenden Künstler um das Durchbrechen linearer Muster bzw. von Rhythmen. Mittels Samplingtechniken verändert er bestehende Klangabfolgen derart, dass ihr Ursprung für Außenstehende nicht mehr zu erkennen ist: „Und ich wollte eigentlich nur dieses strenge lineare Muster durchbrechen, in das wir immer wieder hineinfallen, weil wir es gewohnt sind, Bücher von vorn bis hinten zu lesen, weil wir gewohnt sind, Musik vom Anfang bis zum Ende zu hören und uns eigentlich nicht die Freiheit nehmen, unsere eigenen Bilder dazu zu sehen, zu hören und auf diese Weise eigentlich durch die Musik durchzuspazieren.“ (Math, Transkript der Anmoderation zu Schlummernummer Anhang I [Zeilen 134–140]). Grundmann, Transkript der Anmoderation zu Schlummernummer Anhang I [Zeile 119]. Handl, Transkript der Anmoderation zu Weave Anhang I [Zeilen 225–230]. Grundmann, Transkript der Anmoderation zu Schlummernummer Anhang I [Zeilen 85–86]. Mittermayr konzipierte Schlummernummer so, dass die Aufnahme Schleicherts sich allmählich transformiert, als „Transformation der ersten Transformation“. Aus diesem Grunde ist ihr „Naturradio“ zu Beginn von Schlummernummer sehr deutlich zu hören, im weiteren Verlauf der Arbeit weniger. (Freundliche Auskünfte von Norbert Math in seiner E-Mail vom 08. 02. 2017). Schleichert, Transkript der Anmoderation zu Schlummernummer Anhang I [Zeilen 155–156]. Darauf macht Handl in seiner Anmoderation zu Weave aufmerksam. (Vgl. Handl, Transkript der Anmoderation zu Weave Anhang I [Zeilen 145–147]). Schimanas Stimme fungiert hier jedoch nicht als Trägerin von Verbalsprache, sondern entfaltet unabhängig davon ihre Wirkung. Math zitiert nach Grundmann,Transkript der Anmoderation zu Schlafradio Anhang I [Zeilen 55–56]. Kunstradio On Line existiert erst seit 1995, d. h. die Texte zum Schlafradio auf den Internetseiten des Kunstradios standen HörerInnen während des Projekts noch nicht zur Verfügung. Siehe Braun 1993, Zeit/Raum und Math 1993b. Siehe ebd. Math 1993a. Math, Transkript des Moderationstextes zu Aus dem Archiv –Teil 5 Anhang I [Zeile 192]. Soucek, Transkript des Moderationstextes zu Aus dem Archiv-Teil 5 Anhang I [Zeilen 215–219]. Vgl. Braun 1993, Eins. Braun 1993, Arbeitsphasen. Vgl. Braun 1993, Eins. Das Zitat aus dem Schlafradio-Beitrag von Ernest Bittner und Andre Stanley Traumphasen I – V in der Schlafradio-Version Weave verdeutlicht, dass sich der Schlafradio-Raum nicht auf jene Schlafradio-Beiträge beschränkt, die Teil der Sendereihe Kunstradio sind. Die Arbeit

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Traumphasen I – V wird auf der Projektseite von Norbert Math als Stream angeboten. Höre http://alien.mur.at/sound/detail.html?t=schlafradio. Siehe auch Darlegung des Ersteindrucks Kap. 3.2.3. Braun 1993, Zeit/Raum. Math (Math 1993b) und Grundmann (Transkript der Anmoderation zu Schlafradio Anhang I [Zeilen 39–40] erwähnen, dass das Schlafradio schließlich „zu einem Klangarchiv in einem E-Mail-Netz “ werden sollte. Breindl et al. 1994. In Kollaboration mit Cooperations (Luxembourg), Mreza/Netz und Joel Ryand. Neue Galerie am Landesmuseum Johanneum, Graz; V2, Rotterdam; ORF Ö1. Siehe hierzu auch Stocker 1994. Vgl. Breindl et al. 1994. Stocker 1994. Math, Transkript des Moderationstextes zu Aus dem Archiv-Teil 5 Anhang I [Zeilen 355–359]. Vgl. Math, Transkript des Moderationstextes zu Aus dem Archiv-Teil 5 Anhang I [Zeilen 249–252]. Math, Transkript des Moderationstextes zu Aus dem Archiv-Teil 5 Anhang I [Zeile 369]. In diesem Zusammenhang bringt der Künstler allerdings auch zum Ausdruck, dass sich seine damaligen Erwartungen im Hinblick auf die zukünftige Entwicklung des Internets zu seinem Bedauern nicht erfüllt haben. (Vgl. ebd. [Zeilen 362–363]). Die Analyse der Arbeit verspricht nicht nur eine Vertiefung der Erkenntnisse bezüglich der inhaltlichen und formalen Prinzipien radiophoner Arbeiten und damit ihrer Vermittlungspotenziale. Vielmehr erlaubt das im Kontext der Ausstellung generierte empirische Material – neben der nun folgenden werk- bzw. produktionsorientierten Interpretation – auch eine rezeptionsorientierte Analyse. Siehe Kapitel 6. Anlässlich der in Wien statt findenden und von orange 94.0 organisierten Abschlusskonferenz Media – Space – Society des EU-Projekts radio.territories. Siehe und höre http://www.kunstradio.at/2006B/17_09_06.html. Für Beschreibung und Konzept der Inszenierung siehe Kap. 6.1.3. Helmut Jasper spricht folgenden Text, der auch als Ankündigung auf der Internetseite des Kunstradios erscheint: „‚Nacht. Stimme. Zerstreuung.‘ ist der Monolog eines Sprechers, Helmut Bohatsch, der einsam in einem Studio, in der Stille der Nacht live zu den HörerInnen spricht. Jede/r einzelne empfängt seine Stimme in der privaten Situation zuhause. Der Sprecher weiß nicht, was mit seiner Stimme passiert. Ihm ist unheimlich zumute. Die HörerInnen bilden in ihrer Zerstreuung über Österreich eine Konstellation, Sternenbildern vergleichbar. Jedes eingeschaltete Radio strahlt wie ein kleiner Stern in dem dunklen Kosmos der Nacht die Stimme aus. Wie kann das Sternenbild dieser Ausstrahlungen gelesen werden? Wie läßt sich mit ihm die Zukunft der Radiokunst deuten? Können alle Sterne mit einem Mal erlischen? Ist der Sprecher dann endlich allein?“ (LIGNA 2006a). Adrian 1998. Siehe hierzu auch Kap. 3.1. Helmut Bohatsch war bereits zuvor für den ORF, aber auch für den BR und NDR tätig, spricht Features, Hörspiele und Literatur. Er ist als Schauspieler, Sänger und Sounddesigner tätig. Zudem hat er bei 14 Drama Wien-Produktionen als Co-Produzent mitgewirkt. (Vgl. Bohatsch o. J.). Siehe hier und im Folgenden Transkript der Arbeit Nacht. Stimme. Zerstreuung. Anhang III. Höre hier und im Folgenden http://www.kunstradio.at/2006B/17_09_06.html. Ganz am Ende kommt Bohatsch noch einmal auf die Stimme zu sprechen und hebt ihre potenzielle mediale Zerstreuung als wünschenswerten Modus hervor: „Solange meine Stimme von vielen anderen gleichzeitig gehört wird, kann sie mir in ihrer Zerstreuung schön erscheinen.“ (Transkript der Arbeit Nacht. Stimme. Zerstreuung. Anhang III [Zeilen 346–349]). Da die Sendung nicht unterbrochen wird, handelt es sich um keine technische Stille. Zur Differenzierung des akustischen Phänomens Stille siehe Schmedes 2002, S. 68 und ebd., S. 82 sowie Kap. 2.1.2. Eine technische Stille kann der/die HörerIn zwischen Minute 29 und Minute 30 selbst erzeugen, sofern er/sie auf Geheiß des Sprechers das Abspielen der Arbeit unterbricht. Ein Mikrophon scheint im Studio fest installiert zu sein, da der Sprecher meist im gleichen dichten Abstand vor ihm spricht und sich auf seinem Weg nach draußen von ihm entfernt (seine Schritte und seine Stimme werden dabei immer leiser). Unter freiem Himmel angekommen, spricht er wieder sehr dicht vor dem Mikrophon, das Gesprochene wird in diesem Teil der Arbeit jedoch von Hintergrundgeräuschen begleitet. Die Live-Aufnahme des Songs Transmission von Joy Division wurde 1981, nach dem Tod des Sängers Ian Curtis, veröffentlicht. Mit Transmission integriert LIGNA einen Song in die Arbeit, der thematisch eng mit dem Gesprochenen verbunden ist. Umgekehrt betrachtet nimmt die Rahmung durch Nacht. Stimme, Zerstreuung. Einfluss auf die Interpretation des Songs. Dieser fokussiert die Live-Sendung bzw. das Radio als Live-Medium und thematisiert die negativen Auswirkungen auf gesellschaftlicher und politischer Ebene. Das Radio, so der Vorwurf, befördere Konformität, mindere die Fähigkeit zur Meinungsbildung und bewirke einen Realitätsverlust. Kontrolle und Manipulation bestimmen die Bewegung im Takt der Massenmedien. Zwei Experimente werden explizit als solche benannt (Anhang III [Zeile 77 und Zeile 133]), ein weiteres als „Versuch“ (Anhang III [Zeile 159]). So beispielsweise in den folgenden Passagen: „Können Sie sich erinnern, wie Sie das erste Mal ihre eigene Stimme aus einem Kassettenrekorder gehört haben? Wie war das? Mochten Sie Ihre Stimme?“ (Transkript der Arbeit Nacht. Stimme. Zerstreuung. Anhang III [Zeilen 126–128])

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und „Machen wir ein weiteres Experiment. Kommen Sie zu einem der Radios. Setzen Sie sich hin. Sagen Sie etwas zu mir. […] Was Sie sagen, gehört Ihnen nicht. Was Sie hören ist etwas Anderes als Sie sagen. Die gesprochenen Worte sind im Raum. Sie kommen aus Ihrem Körper.“ (Transkript der Arbeit Nacht. Stimme. Zerstreuung. Anhang III [Zeilen 132–139]). Siehe LIGNA 2006a. Siehe LIGNA 2007. Hier sind insbesondere die Publikationen von Patrick Primavesi (Primavesi et al. 2011) und von Kai van Eikels (van Eikels 2013) zu nennen. Der Kultur-, Literatur- und Theaterwissenschaftler Kai van Eikels untersucht im Rahmen seiner Habilitationsschrift das Radioballett unter der Überschrift „Diesseeits der Versammlung. Performance und Übungen im politischen Handeln.“ Weder Primavesi noch van Eikels beziehen sich auf die Arbeit Nacht. Stimme. Zerstreuung. LIGNA 2006c. Transkript der Arbeit Nacht. Stimme. Zerstreuung. Anhang III [Zeile 123]. Zur Künstlergruppe siehe LIGNA 2007. Seitdem wurde es vielfach von anderen sozial und politisch engagierten Gruppen adaptiert. Siehe beispielsweise das Radioballett der verdi Jugend (2013) (Siehe und höre https:// www.youtube.com/watch?v=WEfVhlIv2OA) oder Pallas (2010): Frauen stärken via Radioballett – Bern. (Siehe und höre https://www.youtube.com/watch?v=CRSV_xfVLBU). Primavesi 2011, S. 13. Im Falle von Nacht. Stimme. Zerstreuung. handelt es sich um einen, beim Radioballett um mehrere SprecherInnen. Letztere repräsentieren mit ihren Stimmen unterschiedliche Ebenen des Radioballetts: Eine Sprecherin nennt den Titel der auszuführenden Gesten; ein Sprecher beschreibt, wie die Bewegungen auszuführen sind; ein weiterer Sprecher und eine Sprecherin übernehmen die Reflexionsebene. Primavesi 2011, S. 7. Frahm, Ole (2013): Radio und Schizophrenie. Anmerkungen zu Daniel Paul Schrebers Radiotheorie avant la lettre. In: Frahm; Stuhlmann; Michaelsen (Hg.): Kultur & Gespenster/Radio. Hamburg. „Warum sagen Sie´s nicht (laut)“ (Schreber zitiert nach Frahm 2013, S. 210) wird wörtlich als Frage an die HörerInnen von Nacht. Stimme. Zerstreuung. weitergegeben. Siehe Transkript der Arbeit Nacht. Stimme. Zerstreuung. Anhang III [Zeile 136]. Noch deutlicher ist das Zitat in folgender Passage zu erkennen, welche im Skript nachzulesen ist, vom Sprecher allerdings ausgelassenen wurde: „Radikal wird die der Musik zukommende Raumneutralität zerstört erst im Radio. Man tritt aus dem Hause, die Musik des Lautsprechers tönt noch im Ohre, man ist in ihr – sie ist nirgends. Man macht zehn Schritte und die gleiche Musik tönt aus dem Nachbarhause. Nun, da auch hier Musik ist, ist Musik hier und dort, lokalisiert und in den Raum gepflanzt wie zwei Pfähle. Aber es ist ja die gleiche Musik: hier singt X, was er dort begonnen. Man geht weiter – am dritten Hause setzt X fort, vom zweiten X begleitet, vom vorsichtigen X des ersten Hauses leise untermalt. Was schockiert hier?“ (LIGNA 2006c). „Daß diese durch das Hier- und Dortsein ermöglichten numerablen anderen Musiken obendrein noch als Doppelgänger, ja als Dreifachgänger auftreten, da hier und dort und dort nicht nur die gleiche, sondern schlechthin dieselbe Musik aufklingt, macht das Phänomen noch spukhafter. Drittens die merkwürdig monarchischen, gegenseitig sich Lügen strafenden Ansprüche jeder dieser Doppel- oder Dreifachgänger, das Stück selbst zu sein, das nun allerdings schon wieder nirgendwo ist, weil es überall auftönen könnte.“ (Stern 2013, S. 163) (Herv. i. O.) Adorno, 2001, S. 111. Adorno knüpt an dieser Stelle an Ausführungen des Komponisten Ernst Krˇenek an. Auch in der Passage zum Eindringen des Radios in das „bürgerliche Interieur“ [Zeile 208] bezieht sich LIGA, zum Teil wörtlich, auf Adorno. Siehe hierzu Adorno, 2001, S. 103–104. Der Vortrag war Teil des Panels The Revolution cannot be televised? Kommunismus, Medien und Vermittlung im Rahmen des Kongresses Indeterminate! Kommunismus. Texte zu Ökonomie, Politik und Kultur (7. bis 9. November 2003 in Frankfurt am Main). Freundliche Auskunft von Ole Frahm. „Tatsächlich erscheint in dieser Debatte das Medium selbst oft als Fluch: Die Kommunikation ist mit der Materie des Mediums behaftet. Die Aneignung der Medien soll diesen Fluch tilgen.“ (LIGNA 2005, S. 336) Vgl. LIGNA 2005, S. 336. „Sie [die Assoziation] versucht, die HörerInnen in der Zerstreuung als ProduzentInnen wiedereinzusetzen.“ (LIGNA 2005, S. 345) Siehe hierzu auch van Eikels 2013, S. 226. Brecht 1967b, S. 121-140. Der ursprüngliche Titel lautet: Der Flug der Lindberghs, Uraufführung 1929. Vgl. LIGNA 2005, S. 341. Vgl. Lang 2006, S. 13. Kai van Eikels sieht im Radioballett der Künstlergruppe eine Erweiterung der Brechtschen Forderungen/Theorie im Hinblick auf eine mögliche Modifikation des Theaters. (Vgl. van Eikels 2013, S. 249). Für die Künstlergruppe war es von großer Bedeutung für die Umsetzung des Konzepts, dass der Text von einem professionellen Sprecher vorgetragen wird. (Freundliche Auskunft von Ole Frahm im Vorfeld der Ausstellung Über das Radio hinaus. 25 Jahre Kunstradio – Radiokunst)

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LIGNA 2005, S. 345. Vgl. Vrenegor et al. 2003. Ebd. LIGNA weist darauf hin, dass sowohl Günter Stern als auch Bertolt Brecht vom Hörer/von der Hörerin als vereinzeltem Rezipienten/vereinzelter Rezipientin ausgehen. (Vgl. LIGNA 2005, S. 345) Transkript der Arbeit Nacht. Stimme. Zerstreuung. Anhang III [Zeile 60]. Grundmann, Transkript der Anmoderation zu Schlummernummer Anhang III [Zeilen 62–63]. „Ständig kommen neue Apparate hinzu, die weitere Möglichkeiten bieten. Aber die Macht bleibt abstrakt und die Möglichkeiten, ihre Möglichkeiten liegen brach.“ Transkript der Arbeit Nacht. Stimme. Zerstreuung. (Anhang III [Zeilen 215–217]). An diese Gruppe von ‚Widerständigen‘ wendet sich der Sprecher als es um das 15-sekündige Ausschalten des Radiogerätes geht. (vgl. LIGNA, Transkript der Arbeit Nacht. Stimme. Zerstreuung. Anhang III [Zeilen 269–275]) Vgl. Transkript der Arbeit Nacht. Stimme. Zerstreuung. Anhang III [Zeilen 266–267].

4 Schlüsselkategorien für die Vermittlung von Radiokunst

Die exemplarisch untersuchten Arbeiten Schlafradio und Nacht. Stimme. Zerstreuung. sind als Ergebnisse einer medienreflexiven Praxis von RadiokünstlerInnen zu verstehen. Ausgehend von der Struktur, den Formen, Inhalten und Kontexten dieser Arbeiten werden in den folgenden Ausführungen die im vorangegangenen Kapitel erarbeiteten Dimensionen von Radiokunst als Schlüsselkategorien für die Vermittlung von Radiokunst theoretisch fundiert, um konkrete Herausforderungen und mögliche Ziele bezüglich der Vermittlung von Radiokunst im musealen Kontext zu benennen. Diese sind ausschlaggebend für die Auswahl von Vermittlungskonzepten, die ich im fünften Kapitel beschreibe und hinsichtlich ihrer Anwendbarkeit auf Radiokunst untersuche.

4.1 Stimme Nacht. Stimme. Zerstreuung. wird von der Stimme des Sprechers Helmut Bohatsch dominiert, der selbst über das Potenzial ihrer medialen Übertragung reflektiert. Das Schlafradio setzt sich zwar vor allem aus Geräuschen zusammen, ohne die Appelle unterschiedlicher Stimmen würde das Projekt seinen partizipativen Charakter jedoch einbüßen. Schon seit Beginn der Entwicklung des Radios zu einem Massenmedium attestieren RundfunktheoretikerInnen und -macherInnen vor allem der Stimme eine besondere Wirkung auf das Bewusstsein der Hörenden.1 In ihrer medialen Übertragung erfährt sie Veränderungen, verliert aber nicht an Ausdruckskraft. Ohne Stimme bliebe die „unsichtbare Bühne“2, die HörerInnen radiophoner Arbeiten gedanklich errichten, leer oder sie wäre deutlich weniger facettenreich. Allein mit ihrer Stimme können SprecherInnen im Radio einen „Beziehungs-, Stimmungs-, und Erlebnisraum“ schaffen, wie es Vito Pinto für das Hörspiel konstatiert.3 Die Stimme als performatives Phänomen Der näheren Betrachtung der medial übertragenen Stimme sind im Folgenden theoretische Erläuterungen über das Phänomen der Stimme als solches vorangestellt. Auf diese Weise lassen sich die spezifischen Eigenschaften der radiophon übertragenen Stimme aufzeigen und verdeutlichen, wie diese in der Radiokunst eingesetzt werden und Wirksamkeit entfalten können. Wie die Theaterwissenschaftlerin Doris Kolesch und die Sprach- und Medienphilosophin Sibylle Krämer herausgearbeitet haben, eignen der

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Stimme Züge, die sie zu einem „performativen Phänomen par excellence“4 machen. Das erste von Kolesch und Krämer genannte Charakteristikum ist die Ereignishaftigkeit der Stimme.5 Krämer geht an anderer Stelle sogar soweit, die Stimme als Verkörperung der Ereignishaftigkeit schlechthin zu bezeichnen und setzt sie mit Bewegung und Prozessualität gleich.6 Ereignishaftigkeit der Stimme meint ihr Erklingen und Verklingen in Zeit und Raum. Eine Nachwirkung entfaltet die Stimme deshalb nur in der Erinnerung und in den Reflexionsvorgängen derjenigen, die sie vernommen haben.7 Der zweite von Kolesch und Krämer genannte Gesichtspunkt betrifft den Aufführungscharakter der von anderen Menschen wahrgenommenen Stimme.8 Nicht nur SchauspielerInnen und professionelle SprecherInnen, sondern alle, die ihre Stimme erheben, setzen sich potenziell Hörenden aus.9 Stimmliche Ereignisse, die von niemandem vernommen werden, verklingen ohne jegliche Konsequenzen. Ein weiterer Aspekt der Stimme als performativem Phänomen ist nach Kolesch/Krämer ihr Verkörperungscharakter.10 In der Stimme bildet sich der/die Sprechende immer als Individuum in seiner/ihrer sozialen und physischen Beschaffenheit ab.11 Doris Kolesch und Sybille Krämer schreiben entsprechend von der Stimme als „Spur des Körpers in der Sprache“12 und weisen darauf hin, dass die Stimme als Index, nicht als Symbol zu betrachten ist, da sie kein willkürliches Zeichen bildet. Es besteht eine direkte hinweisende Beziehung zwischen einem Körper und der Stimme, die er hervorbringt. Hierin liegt die Begründung dafür, dass es keine „körperlose“ Stimme gibt und eine solche auch nicht vorstellbar erscheint.13 Eine noch weiter an dem Ursprung der Stimme und ihre Verbindung zum Körper rührende Betrachtung nimmt Kristin Westphal vor, wenn sie die Stimme als „Halbding“, gelagert zwischen Körper und Geist, beschreibt.14 Diese Darlegung nimmt ihren Ausgang bei den Ausführungen des Philosophen Bernhard Waldenfels, der die Stimme als etwas, „worin die Psyche eines Lebewesens sich selbst äußert“15, betrachtet. Selbst professionelle SprecherInnen können sich nicht dem Subversionsund Transgressionspotenzial der Stimme entziehen, das Kolesch und Krämer als weiteres Charakteristikum nennen.16 Mit jeder stimmlichen Äußerung tritt eine „unkontrollierbare Eigendynamik“ zu Tage, die nicht immer dem gewünschten Ausdruck des/der Sprechenden entspricht.17 Zu diesem Sachverhalt äußert sich Westphal in Anlehnung an Waldenfels wie folgt:

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„Die Performativität der Stimme oder ihre Form bestätigt, überlagert, modifiziert, hinterfragt oder unterläuft das, was gesagt wird. Im Reden und Zuhören ergeben sich ‚Überschüsse‘, die

über das, was gesagt und gehört wird, hinausgehen (können). Waldenfels geht hier einen Schritt weiter, wenn er vom Verschwiegenen bzw. Ungesagten im Gesagten spricht.“18 In diesem Zusammenhang erscheint bedeutsam, dass Stimmen zunächst unsere Emotionen erregen und eine kognitive Verarbeitung erst danach erfolgt. Eine mögliche Begründung für diese Eigenschaft erblickt der Soziologe Rainer Schützeichel darin, dass in stimmlichen Äußerungen Lebendiges zum Ausdruck kommt.19 Intersubjektivität nennen Doris Kolesch und Sybille Krämer als letzten Aspekt des performativen Charakters der Stimme: Ihre Wirksamkeit entfalte die Stimme in zwischenmenschlichen Beziehungen, sie vermag zu „vergemeinschaften oder entzweien“20. Intersubjektivität stellt die Voraussetzung für eine erfolgreiche Kommunikation (Austausch, Mitteilung und Appell an andere) dar. Die Stimme ist dabei nicht auf ihre Funktion als Trägerin von Informationen beschränkt, sondern sie ist darüber hinaus zugleich Geste und Ausdruck.21 Eine genauere Positionsbestimmung der Stimme innerhalb der Kommunikation nimmt Rainer Schützeichel in seiner Publikation Soziologie der Stimme. Über den Körper in der Kommunikation (2011) vor. Er fasst die Stimme dabei als leibliches Ausdrucksphänomen auf, dessen spezifische Funktion im „(Sich-)Zeigen“ zu erblicken ist.22 Als die wesentlichen Dimensionen von Kommunikation nennt Schützeichel Meinen, Sagen und Zeigen: „Im Meinen drückt sich die Sprecher-Bedeutung und die SprecherIntention aus, im Sagen die Wort- und Satz-Bedeutung, im Zeigen der Stimme die leiblich fundierte Intentionalität und Haltung eines Sprechers zu seiner kommunikativen Situation oder dem, was gesagt und gemeint wird. […].“23 Die radiophone Stimme Die oben getroffenen Aussagen besitzen ebenso für die radiophone Stimme Gültigkeit. Die Stimme bleibt auch in der Radioübertragung ereignishaft, sie verweist indexikalisch auf SprecherInnen, bietet Metainformationen über den Inhalt des Gesagten hinaus und ist auf zwischenmenschliche Verständigung ausgerichtet. Durch ihre mediale bzw. in ihrer medialen Übertragung erfährt sie jedoch bestimmte Modifikationen. Jede Aufzeichnung und Sendung verändert die Stimme im Hinblick auf ihr Erscheinungsbild. Wir sind uns im alltäglichen Hören von Rundfunkstimmen selten darüber bewusst, dass unsere Hörwinkel eingeschränkt und die Stimme technisch bearbeitet ist. Die Stimme wird in der Regel

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von nur von einer Position aus aufgenommen. Die Hörenden sind also nicht frei in der Wahl ihres Standorts, wie es der Fall wäre, wenn sie mit dem Sprecher/der Sprecherin den geografischen Raum teilen würden.24 Klang wird durch den Prozess des Aufnehmens modifiziert und im Anschluss meist technisch bearbeitet. Zusätzlich beeinflusst die Wiedergabe des Empfangsgerätes die Qualität der übertragenen Stimme. Kristin Westphal nimmt aus phänomenologischer Sicht eine Unterscheidung zwischen „organischer, leiblich gebundener“ und „‚künstlicher‘ im Sinne einer technisch-medialisierten Stimme“25 vor. Letztere stellt eine „Dimension“ bzw. „Modalität“ der natürlichen Stimme dar.26 Die Differenzierung zwischen natürlichem und künstlichem Klang von Stimme wird in Nacht. Stimme. Zerstreuung. in Form eines Experiments direkt thematisiert: Bohatsch fordert die Hörerschaft dazu auf, die klanglichen Unterschiede zwischen seiner Stimme und der von ihm eingespielten Stimme eines anderen Radiosprechers zu fokussieren. Die Stimme Bohatschs erfährt eine einfache, die des anderen Sprechers sogar eine doppelte Modifikation durch ihre radiophone Übertragung. Am Ende steht die Erkenntnis, dass der natürliche Klang nicht Maßstab für den Rundfunk sein kann.27 Im Verlauf des Schlafradio-Projektes werden Stimmaufnahmen gesampelt, wodurch die ProduzentInnen implizit Prinzipien der technischen Modifikation von Stimmen verdeutlichen. Aufzeichnungen stimmlicher Äußerungen aus den Anmoderationen werden durch den Künstler Rupert Huber und die Künstlerin Elisabeth Schimana zudem geloopt und verzerrt. So kann die Stimme der Moderatorin Heidi Grundmann für die Kunstradio-HörerInnen eine ambivalente Wirkung entfalten, indem sie bekannt und gleichermaßen fremd erscheint. Die Ereignishaftigkeit bzw. Vergänglichkeit der Stimme findet, wie auch Wolfgang Hagen betont, mit dem Radio das ihrer Fluidität entsprechende Medium: „Denn, wie gesagt, alle Worte, einmal gesprochen, sind tot. Und das Radio ist ihr Medium. Es gibt keine bessere Definition.“28 Wie die Stimme verklingt auch die radiohone Übertragungen bereits im Zuge ihrer Wahrnehmung. Zwar kann eine Live-Sendung aufgezeichnet und noch einmal gehört werden, das ursprüngliche Live-Moment aber entzieht sich der Fixierung.

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Das Radio ist ein stetiger Fluss von akustischen Informationen und vermag uns die an einem Ort erklingende Stimme mit einer äußerst geringen Verzögerung auch über große geografische Entfernungen hinweg hörbar zu machen. Damit gilt es als Live-Medium schlechthin. Die Stimme erfüllt dabei als „zeigende“ (Schützeichel) Stimme für die zeitliche Orientierung in der unmittelbaren Begegnung von Menschen eine wichtige Funktion: „Sie [die Stimme] verankert die Kommunikation in einem

Hier, einem Jetzt und sie verweist in ihrem Ausdruck darauf, wie eine Situation für die Sprechenden ist.“29 Anders als bei Abbildungen eines Menschen durch Fotografie oder Video erscheint die Aufnahme einer Stimme nicht als dargestellte, sondern als wieder hergestellte Stimme selbst.30 Beim Schlafradio wird dieselbe Stimme in unterschiedlichen Kontexten reproduziert. Zunächst in der Anmoderation, dann (technisch modifiziert) auch innerhalb der künstlerischen Produktion. Das „zwischengeschaltete“ Medium Radio kann dabei ein Vergessen des Körpers forcieren, der die Stimme hervorbringt. Reinhard Braun beschreibt das Radio aus diesem Grunde als das „Produkt eines strategischen Verlangens nach Entkörperung der Stimme“31. Gegen die Vorstellung „körperloser Stimmen“ im Rundfunk wendet sich allerdings Vito Pinto in Anlehnung an Sibylle Krämer.32 Die Stimme als indexikalischer Verweis, als „Spur des Körpers im Sprechen“33 bleibe im Rundfunk bestehen. Selbst ein professioneller Sprecher kann seine Stimme nur sehr bedingt „maskieren“, das Subjekt zeigt sich in der Stimme. Das Radio ist in diesem Sinne nach Rudolf Arnheim ein Medium, das zwar eine körperliche Vorstellung von einem Menschen evoziert, aber nicht sämtliche seiner Charakteristika enthüllt, woraus „eine starke Spannung“ resultiert.34 Genau den nicht aufzulösenden Gegensatz der gleichzeitigen An- und Abwesenheit des Subjekts in der radiophonen Übertragung setzt LIGNA in Szene. In Nacht. Stimme. Zerstreuung. agiert ein Schauspieler live nach einem von LIGNA verfassten Skript und trägt Überlegungen zur Unheimlichkeit seiner Situation als Sprecher vor.35 Durch das Abspielen der Live-Aufzeichnung eines mittlerweile toten Sängers treibt LIGNA die unheimliche Wirkung auf die Spitze. Unheimlich deshalb, weil eine Person durch ihre Stimme gegenwärtig erscheint, die weder am Ort ihrer Vernehmbarkeit noch überhaupt mehr als Mensch existiert. Durch die Stimme manifestieren Sprecher eigene und fremde Gedanken. Während der Künstler Norbert Math in einzelnen Anmoderationen des Schlafradios mittels O-Ton selbst auf- und damit gewissermaßen hinter seinem Projekt als Person hervortritt, lässt LIGNA ihre Reflexionen durch den Sprecher Bohatsch vortragen. In ihm treffen unterschiedliche Perspektiven zusammen, d. h. das von ihm Vorgetragene kann als das Produkt vieler gelten, denen er seine Stimme leiht und denen er sie zugleich hinzufügt. Letzteres geschieht unter der Einwirkung des von Kolesch beschriebenen Subversions- und Transgressionspotenzials der Stimme. Nicht immer kommen der von den Künstlern intendierte Ausdruck und die vom Sprecher tatsächlich erzielte Wirkung zur Deckung. Die von Doris Kolesch attestierte Eigendynamik der Stimme potenziert sich durch ihre unkontrollierbare Zerstreuung im Medium des Radios. Die Übertragung der Stimme mittels Radiotechnik vermag ihre Reichweite

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ins Unermessliche zu steigern und sie zeitgleich für viele Personen hörbar zu machen. Die Vervielfältigung der Stimme, die in ihrer radiophonen Übertragung kein Original kennt, betrachtet LIGNA als Potenzial, das sie in ihren Arbeiten auszuschöpfen und zu Bewusstsein zu bringen sucht. Auch Kai van Eikels hebt im Rahmen seiner Ausführungen zu LIGNA hervor, dass das Reizvolle der Radiostimme gerade darin besteht, dass sie zu einer Vielzahl von HörerInnen gelangt.36 Diese bleiben den SprecherInnen jedoch unbekannt. Sie imaginieren, nach den Ausführungen von Kristin Westphal, ihre AdressateInnen und müssen in der Regel auf das Feedback ihrer HörerInnen verzichten.37 Eine Ausnahme bildet das Schlafradio. Die Kunstradio-Hörerin und Projekt-Teilnehmerin Gertraud Schleichert lässt dem Künstler Math eine Audioaufzeichnung mit Kommentaren zu ihrer Produktion zukommen. Die Hörerin wird zur (Für-)Sprecherin ihrer eigenen Produktion, die im Anschluss zu hören gegeben wird.

4.2 Raum Elektronische Medien machen Räume hör- und sichtbar und prägen unsere Auffassung von sowie unseren Umgang mit Raum. Die Fähigkeit des Rundfunks, akustisches Material synchron an beliebig vielen Orten wahrnehmbar zu machen und damit eine Verschränkung von Räumen zu erwirken, hat bereits Rudolf Arnheim in seiner Arbeit Rundfunk als Hörkunst (1936) als mediale Besonderheit herausgestellt.38 In den 1970er Jahren konstatierte der amerikanische Medienwissenschaftler Tony Schwartz radikale Veränderungen in der Wahrnehmung der Relationen von Akustik und Raum, da es immer weniger die unmittelbare physikalische Umgebung ist, welche die Grenzen des Hörens bestimmt.39 Dieser Prozess wurde durch technische Innovationen im Bereich der portablen Empfangs- und Abspielgeräte immer weiter vorangetrieben. Reinhard Braun brachte diese Entwicklung Ende der 1990er Jahre mit seiner Feststellung auf den Punkt, dass sich zunehmend die Individualität von Orten verliert, weil der Zugang zu Medien überall möglich ist.40 Die Medienübertragung kennzeichnet nie ausschließlich einen Ort, das Radio „ist auch immer anderswo“41.

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Während ein Ort, dem französischen Philosophen und Soziologen Michel de Certeau zufolge, eine „momentane Konstellation von festen Punkten“ darstellt, entstehe ein Raum dann, wenn „Richtungsvektoren, Geschwindigkeitsgrößen und die Variabilität der Zeit“42 miteinander verknüpft sind. „Insgesamt ist der Raum ein Ort, mit dem man etwas macht. So wird zum Beispiel die Straße, die der Urbanismus geometrisch festlegt, durch die Gehenden in einen Raum verwandelt.“43 Ein relativistisches Raumverständnis im Sinne de Certeaus vermag auch ein grundlegendes Verständnis für Räume im Kontext der Radiokunst zu schaffen. Denn wie die Analyseergebnisse der Arbeiten Nacht. Stimme.

Zerstreuung. und Schlafradio belegen, konstituiert Radiokunst Räume, verknüpft und vermittelt sie, macht sie hörbar. Diese Räume öffnen sich im Handeln und mit dem Handeln unterschiedlicher AkteurInnen.44 Anne Thurmann-Jajes nimmt in ihrem Text Zur Wahrnehmung einer speziellen Form dematerialisierter Kunst (2014) eine Differenzierung in fünf unterschiedliche Wahrnehmungsräume der Radiokunst vor: den elektronischen Raum, den dargestellten Raum, den Hörraum, den radiophonen Metaraum und den Radioraum als kulturelles Handlungsfeld.45 Elektronischer Raum und Produktionsraum Während Radio Räume hörbar machen kann, entzieht sich gleichzeitig ein Teil des medialen Systems Radio der unmittelbaren Wahrnehmung der RezipientInnen und damit auch ihrem Bewusstsein. Der Produktionsraum (Studio) sowie der elektronische Raum (Raum der Übertragung elektromagnetischer Wellen) bleiben für die Rezipierenden unsicht- und unhörbar. Bei Live-Sendungen verlaufen Produktion und Rezeption zwar nahezu synchron, räumlich betrachtet sind sie jedoch strikt getrennt.46 In der Arbeit Nacht. Stimme. Zerstreuung. wird die Aufmerksamkeit der Hörenden explizit auf diese für RezipientInnen „verborgenen Räume“47 gelenkt, wenn der Sprecher gleich zu Beginn das Studio RP4 als Produktionsort benennt. Er fordert die RezipientInnen dazu auf, das Studio als Bühne für ihre Handlungen zu imaginieren,48 und spricht schließlich über die unsichtbaren elektromagnetischen Wellen, die seine Stimme übertragen.49 Die radiophone Arbeit wird erst dann zu einer solchen, d. h. zu einem rezipierbaren Ereignis, wenn die technischen Signale durch ein Empfangsgerät in Schallwellen, also in eine für uns wahrnehmbare Form gebracht werden.50 Wenn im Verlauf der Arbeit Nacht. Stimme. Zerstreuung. oder auch des Projektes Schlafradio eine andere Radiosendung erklingt oder radiophone Störgeräusche die Arbeit prägen (z. B. in Schlummernummer), erhalten die RezipientInnen Hinweise auf den elektronischen Raum, der eigenen Gesetzen folgt und in dem sich unzählige Übertragungen überkreuzen können. Dargestellter Raum Die wahrgenommenen akustischen Reize bilden den Ausgangspunkt für den in einer radiophonen Arbeit dargestellten Raum. Dieser ist nach Thurmann-Jajes „kein akustisch klar definierter Raum“51. Vielmehr entwickeln die Hörenden auf Grundlage vereinzelter akustischer Informationen eine Vorstellung von Raum bzw. Räumen im Hinblick auf ihre dingliche Ausstattung, Ausmaße etc.52 Diese akustische Szenerie ist dynamisch und erscheint als stetiger Fluss von Geräuschen und Stimmen sowie deren Nachhall (welcher auch künstlich erzeugt werden kann).

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Voraussetzung für eine adäquate Wahrnehmung des in einer radiophonen Arbeit dargestellten Raums ist die Akzeptanz dieses Raums als „Realitätsraum“ durch die Zuschauer, wie Werner Faulstich für die Theaterbühne konstatiert.53 Vorstellungen von Raum können auf Grundlage von Erfahrungen entstehen, so dass beispielsweise die Lautstärke Hinweise auf die Verhältnisse von Nähe und Ferne und Nachhall für die Begrenzung des Raumes liefert. Wie die Klangwelten des Schlafradios aufzeigen, kann der dargestellte Raum sich einer Denotation konkreter räumlicher Situationen auch entziehen. Darüber hinaus können sich unterschiedliche Räume (und Zeiten) in einer radiophonen Arbeit aneinanderreihen, überlagern oder durchdringen. Die Tongestaltung bringt Atmosphären hervor, die unterschiedlichste Raumeindrücke bei den Hörenden zu erzeugen vermögen. Spezifische Klangcharakteristika von unbelebten Innen- und Außenräumen, sozialer Umwelt (Bahnhof, Sportereignis etc.) bis hin zu fiktiven Konstruktionen dienen den RezipientInnen als Orientierung oder provozieren ihre Verwirrung. Der dargestellte Raum erscheint immer als Abfolge von unterschiedlichen Geräuschen, Klängen, Stimmen und Stille. Hörraum RadiokünstlerInnen haben keinen Einfluss auf die (unzähligen) Räume, in denen ihre Arbeiten rezipiert werden. Letztere dringen in unterschiedlichste Hörräume ein, werden Teil von ihnen und verändern sie. So setzt sich das Hörerlebnis als äußerst dynamisches Wechselspiel zwischen der akustischen Umgebung und dem dargestellten Raum der radiophonen Arbeit zusammen, wie auch Robert Adrian in seinem Kunstradio-Manifest konstatiert.54 LIGNA thematisiert das Mit- und Ineinander des individuellen Hörraumes und des durch die radiophone Arbeit entfalteten Raumes, indem sie die Aufmerksamkeit ihrer HörerInnen zeitweilig bewusst auf den Hörraum lenkt. Die Erfahrung der Verschränkung unterschiedlicher wahrgenommener und imaginierter Räume legt eine Übertragung der Denkfigur der Heterotopie von Michel Foucault auf das Phänomen Radio(-kunst) nahe. „Wir leben in einer Zeit“, so Foucault, „in der sich uns der Raum in Form von Relationen der Lage darbietet.“55 Heterotopien bestimmt er als Orte: „[…] denen die merkwürdige Eigenschaft zukommt, in Beziehung mit anderen Orten zu stehen, aber so, dass sie alle Beziehungen, die durch sie bezeichnet, in ihnen gespiegelt und über sie der Reflexion zugänglich gemacht werden, suspendieren, neutralisieren oder in ihr Gegenteil verkehren.“56

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Auch die Hörräume der Radiokunst konstituieren sich als Heterotopien, die auf Grund der besonderen Eigenschaften des Mediums Radio an

jedem Ort entstehen können. Sobald ein Radio eingeschaltet ist, verändert sich der uns umgebende Realraum in seiner räumlichen und zeitlichen Konstitution. Radio kann, ähnlich wie Foucault es am Beispiel des Theaters beschreibt, mehrere reale Orte, die unvereinbar scheinen, zusammenbringen.57 Der auf diese Weise zustande kommende temporäre Ort ist, wie es Foucault für Heterotopien bemerkt,58 offen und geschlossen zugleich. Geschlossen in dem Sinne, dass wir auf die Ereignisse, die wir wahrnehmen, nicht unmittelbar Einfluss nehmen können. Offen, da wir uns mitten im Geschehen (zu) befinden (scheinen). Sobald jedoch der Empfang, sei es beabsichtigt oder unbeabsichtigt, unterbrochen wird und Stille einsetzt, sind die Hörenden wieder auf sich selbst in ihren individuellen, unmittelbaren Räumen zurückgeworfen, die sie während der Übertragung mehr oder weniger erfolgreich ausgeblendet haben. Radiophoner Metaraum Radiophone Arbeiten vermögen noch ein weiteres Raumerlebnis hervor zu rufen, das auf einer spezifischen Koppelung von Raum und Zeit basiert, die bei dokumentierten Sendungen nicht zum Tragen kommen kann. Mit dem Begriff „radiophoner Metaraum“ beschreibt Anne Thurmann-Jajes das Resultat aus der synchronen, aber gleichzeitig auch für alle Hörenden individuellen Rezeptionssituation infolge der radiophonen Übertragung: „Radiohören meint damit die Erfahrung des Hörens zu einer festgelegten Zeit, an einem ganz bestimmten Ort, basierend auf einer speziellen Übertragungstechnik, in einer unwiederbringlichen Stimmung und Atmosphäre, und dem Wissen, dass Tausende andere Menschen gleichzeitig die gleiche Erfahrung machen, wodurch ein radiophoner Metaraum entsteht. Der Hörer hat eine ganz spezielle Wahrnehmung eines einzigartigen Moments.”59 Auch wenn sich die Erfahrungen der Hörenden unterscheiden und dasselbe akustische Material die Basis für heterogene Rezeptionsprozesse bildet, öffnet das Bewusstsein des synchronen Hörens vieler anderer an unterschiedlichsten Orten einen Metaraum geteilter Erfahrung, der auch die individuelle Rezeption beeinflusst. Kulturelles Handlungsfeld KünstlerInnen sowie RezipientInnen steht mit dem Medium Radio ein temporärer Raum zur Verfügung, der auch eine Plattform für gemeinschaftliches Handeln sein kann. Das Radio ist nach Reinhard Braun zwar medientechnischen Gesetzmäßigkeiten unterworfen, aber dennoch

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variabel im Hinblick auf kulturelle und gesellschaftspolitische Strukturen, so dass es als ein „kulturelles Handlungsfeld“ fungiert.60 Braun plädiert dafür, „[…] Medien und Technologien als Feld kultureller Produktion und nicht als Feld von Werken, Objekten oder Daten zu verstehen“61. Diese Aussagen entsprechen den Ausführungen der Kuratoren Gaby Hartel und Frank Kaspar, die das Radio als einen „Möglichkeitsraum Öffentlichkeit“62 beschreiben, der spezifische Potenziale der Kommunikation und Kooperation bietet.63 Die analysierten Arbeiten Nacht. Stimme. Zerstreuung. und Schlafradio vermögen diese kaum ausgeschöpften Möglichkeiten des Rundfunks aufzuzeigen. RezipientInnen dieser radiophonen Arbeiten können die Erfahrung machen, dass auch sie, trotz aller (technischen und institutionellen) Restriktionen des analogen Rundfunksystems, die Möglichkeit haben, als ProduzentInnen zu agieren. Dabei kann die Entscheidung für das Medium Radio und die mit ihm in Verbindung stehenden Räume gleichbedeutend mit einer Abkehr von anderen Räumen und Institutionen sein. KünstlerInnen verlassen oder meiden mit ihren radiophonen Arbeiten und Projekten etablierte Räume der Kunst, allen voran das Museum, und erkennen im Radio einen adäquaten Raum zur Umsetzung, Präsentation und Verbreitung ihrer Konzepte. Der Kulturwissenschaftler Daniel Gilfillan verweist in diesem Zusammenhang auf den egalitären Kern radiophoner Kunst: ”Conceived in this way, radio space allows temporary spaces of performance to develop, putting both artists and listeners on equal footing in the transmission and reception of a radio art piece, and moves the value of the piece away from its technical point of transmission in the studio – away from an idea of art objects selling as art products in the artmarket – and toward its point of reception with the listener, in effect restructuring the commercial broadcast paradigm from one based marketing of information through timespecific standardized formats to one based in the interchange of knowledge without privileging these formatting concerns.”64

4.3 Zeit Obwohl prozessorientierte Werke längst zur bildenden Kunst zählen und einen bedeutenden Beitrag zu einer Erweiterung des Kunstbegriffs leisten, erscheint die Einflussgröße Zeit noch heute vor allem im Hinblick auf Musik und das darstellende Spiel relevant.65

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Wie bereits im Zusammenhang mit der Stimme erläutert, zeichnet sich Akustisches immer durch eine Abfolge von Ereignissen in der Zeit aus. Statische Geräusche, gesprochene Sprache oder einzelne Töne analog

zum Standbild im visuellen Bereich gibt es nicht.66 Im Hören sind wir uns, wie der Philosoph David Espinet anmerkt, immer der Flüchtigkeit von Klangereignissen gewahr.67 Gerade das Medium Radio vermag uns dies bewusst zu machen und bewusst zu halten. Haben wir etwas nicht auf Anhieb verstanden oder hegen wir aus anderen Gründen den Wunsch, etwas erneut zu hören, so lässt sich dies im analogen Rundfunk (im Gegensatz zur Kassette, CD, DVD oder zum On-Demand-Streaming) nicht unmittelbar bewerkstelligen.68 So kann radiophone Kunst geradezu als ein Inbegriff für den engen Bezug zwischen Kunst, elektronischen Medien und Zeit gelten. Zeit meint in diesem Zusammenhang und in den folgenden Ausführungen weniger die physikalische, d. h. mittels Technik messbare Zeit, als vielmehr unsere individuelle Wahrnehmung von Zeit. Grundsätzlich beruht unser subjektives Zeitempfinden auf der Differenzierung von Ereignissen, indem wir diese, selbst wenn sie synchron auftreten, als getrennt voneinander und in Relation zueinander wahrnehmen.69 Rhythmusgeber Während der Aufbau eines statischen visuellen Kunstwerks durch einen kurzen Blick erfasst werden kann, ist das Hören eines kurzen Ausschnitts nicht ausreichend, um die Struktur einer akustischen Arbeit zu durchdringen. Der/Die HörerIn ist in seiner/ihrer Rezeption an die Laufzeit der Arbeit gebunden und muss sich ihr beugen. Für jede radiophone Arbeit gilt, dass ihre zeitliche Ausdehnung die Rezeption der Hörenden kennzeichnet. Das Radio ist als „Zeit-Produzent“ zu betrachten, wie Werner Faulstich schreibt: „Der Rundfunk gibt nicht nur regelmäßig die Zeit an; er füllt die Zeit: damit macht er selber Zeit.“70 Diese Art der Zeitvorgabe geschieht mittels der festgelegten Abfolge von unterschiedlichen Hörereignissen, die über die einzelne akustische Produktion hinaus wirken können. KünstlerInnen vermögen genau festzulegen, welche akustischen Phänomene sie in welcher Reihenfolge bzw. synchron zu hören geben. Zeit spielt als „Gliederungsinstrument“ radiophoner Arbeiten eine wichtige Rolle.71 Strukturierend können sich einzelne Sendungen, eingebettet in ein (Radio-)Programm,72 darüber hinaus auf unseren Tagesablauf auswirken. Medien wie der Rundfunk haben die Nachfolge von Uhren im Hinblick auf die objektive Zeit und damit auf unsere Orientierung angetreten, sie fungieren als Taktgeber der Gesellschaft.73 Der Sendeplatz von Kunstradio – Radiokunst gibt die Zeitspanne vor, in der Radiokunst zu hören ist, darunter auch Nacht. Stimme. Zerstreuung. und Schlafradio, die Anpassungen (bis hin zum Titel) an die nächtliche Sendezeit erkennen lassen. Innerhalb einer radiophonen Arbeit können unterschiedliche Zeiten bzw. Zeiträume zur Darstellung kommen, sich schichten und ggf. auch gegenseitig durchdringen. Die Abfolge der akustischen Ereignisse weist dabei ein individuelles Tempo auf, bis hin zu den Extremen Zeitlupe

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und Zeitraffer. Unabhängig davon, in welcher Geschwindigkeit Hörereignisse aufeinander folgen, kann uns eine Arbeit der Radiokunst langatmig oder kurzweilig erscheinen. Das subjektive Zeitempfinden beschreibt der Philosoph Alexander Grau als „eine Art Metawahrnehmung, also eine Wahrnehmung der Wahrnehmung“74. Welche Wirkung eine radiophone Arbeit tatsächlich zu erzielen vermag, ist vor allem davon abhängig, wie stark der/die Rezipierende emotional involviert ist.75 Schon der Publizist und Rundfunkredakteur Heinz Schwitzke konstatierte Anfang der 1960er Jahre eine Abhängigkeit der (empfundenen) Erzählzeit von den durch ein Hörspiel ausgelösten Gefühlen.76 Ein diffuses Zeitgefühl mag sich insbesondere bei HörerInnen von Arbeiten wie dem Schlafradio einstellen, welche im Wesentlichen auf abstrakten, elektronischen Geräuschen basieren und nur wenige Anhaltspunkte für die tatsächlich verstrichene technisch messbare Zeit bieten. Ein besonders hohes Maß an Konzentration schenken wir Sendungen, deren Produktionszeit mit der Sendezeit zusammenfällt, die wir also mit äußerst geringer Verzögerung hören. Als Live-Medium kommt das Radio dem Wunsch nach unmittelbarer Erfahrung entgegen. Es verspricht trotz der mitunter großen geografischen Distanz zu übertragenen Ereignissen eine unmittelbare Teilhabe. Ursprünglich waren im Rundfunk ausschließlich Live-Produktionen möglich.77 Das bis dahin unbekannte Verhältnis von Medium und Realität war für die ersten HörerInnen zunächst ungewohnt, verhieß jedoch „Konkretheit, Unmittelbarkeit, human touch“78. Unabhängigkeit durch Speichermedien

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Speichermedien, die heute sowohl ProduzentInnen als auch RezipientInnen zur Verfügung stehen, verändern die subjektive Zeit im Kontext von Medien im Allgemeinen und Radioübertragungen im Besonderen. Auf Seite der ProduzentInnen sorgt die Verfügbarkeit von Speichertechnologie dafür, dass die Produktionsmöglichkeiten nicht auf Ereignisse reduziert sind, die sich tatsächlich synchron zur Übertragung abspielen. Das akustische Material kann also problemlos vorproduziert werden. Für die RezipientInnen bedeutet dies eine größere Unsicherheit im Hinblick auf die zeitliche Struktur der Produktion, eine erhöhte Möglichkeit, Opfer von Missverständnissen oder Manipulationen zu werden. Angaben dazu, dass es sich bei einer Sendung um eine LiveÜbertragung handelt oder nicht, können im Zuge der Anmoderation gegeben werden, die damit die Richtung der folgenden Rezeptionsprozesse bestimmt. Im Falle der Arbeit Nacht. Stimme. Zerstreuung. werden im Zuge der Anmoderation, aber auch im Laufe der Arbeit selbst einige Hinweise darauf gegeben, dass Produktions-, Sende-, Hörzeit und gehörte Zeit übereinstimmen. Der Sprecher hebt hervor, dass er live agiert und die nächtliche Stunde mit seinen HörerInnen teilt. Der Höhepunkt der Arbeit, das Abschalten der Radiogeräte auf Geheiß des

Sprechers, vermag seine volle Wirkung nur dann zu entfalten, wenn es im Verlauf der Live-Sendung geschieht. Beim Schlafradio ist die synchrone Aktivität der Beteiligten von eher geringer Bedeutung. Einzig das Live-Mitschneiden der Sendung mithilfe des eigenen Kassettenrekorders stellt die Voraussetzung für weitere Produktionen dar. Generell verleiht die Möglichkeit des Aufzeichnens HörerInnen eine gewisse Unabhängigkeit von Programmstrukturen und eine größere Freiheit in der Wahl von Rezeptionszeit und -ort. Dies steht in Verbindung mit dem Gefühl, eine Kontrolle über die als ephemer einzustufenden Sendungen zu haben.79 In diesem Kontext spielen seit einigen Jahren die von vielen Rundfunkanstalten im Internet angebotenen und für alle Interessierten jederzeit zugänglichen Mediatheken eine wichtige Rolle.80 Digitale Netzwerkdienste wie der OnDemand-Stream erlauben es HörerInnen, die in diesem Kontext vielmehr als UserInnen zu bezeichnen sind, sich mittels Vor- und Zurück„spulen“ sowie Skippen vom festgelegten Rundfunkprogramm zu emanzipieren. Zur Wahrnehmung des Live-Moments Der Zeitpunkt, den wir für die Rezeption einer Arbeit wählen, kann also, aber er muss nicht durch das Radioprogramm vorgegeben sein. Die Hörzeit ist heute nicht mehr zwangsläufig mit der ursprünglichen Sendezeit gleichzusetzen. Dennoch vermögen, wie Anne Thurmann-Jajes bemerkt, weder technische Innovationen auf dem Gebiet von Speichermedien, noch die Digitalisierung und Bereitstellung von Radiosendungen im Internet etwas daran zu ändern, dass wir „das Radio als Phänomen“ auch heute noch mit Vergänglichkeit gleichsetzen.81 Auch in der Gegenwart verspricht der Rundfunk bei Live-Übertragungen oder dem, was der/die HörerIn dafür halten mag, die unmittelbare Teilhabe an Ereignissen, die sich an entfernten Orten abspielen. Aus diesem Grund kann das Radio noch immer als „Medium der Wirklichkeit“ gelten.82 Faulstich, der diese Bezeichnung erstmals in den 1980er Jahren wählte, versäumt es nicht, auf ihren widersprüchlichen Charakter hinzuweisen: Die Wiedergabe von Realität durch den Hörfunk ist immer an die Imagination der Zuhörenden geknüpft.83 KünstlerInnen erkennen in der möglichen Synchronie von Produktion und Rezeption ein besonderes Potenzial der Radiokunst. „Live-Radio ist am besten. Reine Radiokunst ist live und interaktiv.“84 schrieb Ende der 1980er Jahre Hank Bull. Der Künstler August Black machte zwanzig Jahre später auf das große Potenzial von Live-Sendungen für die Teilhabe von HörerInnen aufmerksam: “Arguably, the most exciting form of radio is when it is live on-air, where the act of listening is simultaneously tied to events in real time. More interesting, however, is when the act of listening

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is not only tied to an event, but also when the listeners are connected to each other and can partake in the dynamics of the event structure.”85

4.4 HörerInnen als ProduzentInnen In ihrer spezifischen medialen Verfasstheit bietet Radiokunst besondere Möglichkeiten der Beteiligung von RezipientInnen – sei es durch ihre Eigenschaft, viele Menschen über einen größeren geografischen Raum hinweg synchron zu erreichen, ihre Prozesshaftigkeit oder auch die Arbeit mit akustischen Phänomenen und Zeichen. Die Analyseergebnisse von Nacht. Stimme. Zerstreuung. und Schlafradio verdeutlichen, dass RadiokünstlerInnen auf sehr unterschiedliche Strategien setzen, um HörerInnen zu RundfunkteilnehmerInnen im wahrsten Sinne des Wortes zu machen. Zur Bezeichnung dieser besonderen Relation zwischen einer künstlerischer Arbeit und ihren RezipientInnen, der Mitwirkung von RezipientInnen (Nicht-KünstlerInnen) an einzelnen künstlerischen Arbeiten und Projekten, findet gemeinhin der Begriff „Partizipation“ Anwendung.86 Im Fokus stehen von KünstlerInnen geschaffene Inhalte und Strukturen, die Handlungen von RezipientInnen jenseits des Verstehens und Deutens forcieren. Als Handlung können, den Ausführungen der Kommunikationswissenschaftlerin Denise Sommer folgend, sowohl zielgerichtete Tätigkeiten auf Grundlage emotionaler und/oder sozialer Motive als auch das bewusste Unterlassen einer Tätigkeit gelten.87 In diesem Sinne ließe sich sowohl das Befolgen als auch das Verweigern von Handlungen in Reaktion auf die Anweisungen des Sprechers in Nacht. Stimme. Zerstreuung. als Handlung auffassen – genauso wie das Einnehmen oder Verweigern einer bestimmten Rezeptionshaltung, ausgelöst durch die Aufforderungen im Rahmen des Projektes Schlafradio. In den folgenden Ausführungen geht es jedoch vor allem um das Initiieren und Fördern von Formen sozialen Handelns im Kontext radiophoner Arbeiten. Voraussetzungen und Intentionen partizipativer (Radio-)Kunst

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Mit dem Ziel einer grundlegenden Infragestellung der Rollen von KünstlerInnen und BetrachterInnen fanden partizipative Strategien bereits im Rahmen des Angriffs auf das bürgerliche Kunstverständnis durch KünstlerInnen der historischen Avantgarde ihre Anwendung.88 Konkrete Ansätze weisen die Performances und Manifeste der Futuristen auf, die Anfang des 20. Jahrhunderts auf eine körperbetonte Involvierung der RezipientInnen setzten, um die Distanz zwischen Kunst und Publikum zu reduzieren.89 Nach Peter Weibel hat sich das Prinzip einer elementaren Beteiligung von RezipientInnen an Werken im Bereich der bildenden Kunst jedoch erst nach dem Zweiten Weltkrieg durchgesetzt.90 Eine Neubelebung partizipativer künstlerischer Praktiken unter anderen Vor-

zeichen brachten die 1960er Jahre durch VertreterInnen der Aktionskunst. Neben kollaborativen Arbeitsformen war ihnen besonders an der Verknüpfung unterschiedlicher künstlerischer Medien gelegen. Vor allem partizipative Ansätze aus der Neuen Musik haben sich in verschiedenen Strömungen der Aktionskunst niedergeschlagen.91 Ausgelöst vom Zusammenbruch des Kommunismus um 1989 konstatiert die Kunsthistorikerin Claire Bishop für die 1990er Jahre einen neuerlichen Anstieg partizipativer Arbeiten und Projekte.92 Bishop führt in diesem Zusammenhang drei Wirkungsweisen an, die KünstlerInnen mit ihren partizipativen Arbeiten forcieren und die im Folgenden als Gliederungspunkte dienen können: Handlungsmacht, verteilte Autorschaft und Gemeinschaftsbildung. Handlungsmacht Als ersten Beweggrund hebt Bishop das Bestreben von KünstlerInnen hervor, ein aktives Subjekt zu schaffen, das sich seiner politischen und sozialen Handlungsmacht bewusst ist.93 Diese Absicht steht im Kontext der Radiokunst in enger Verbindung zur Radiotheorie von Bertolt Brecht.94 Bevor Brecht sich dem Rundfunk zuwandte, war die Beteiligung des Publikums bereits elementarer Bestandteil seines radikalen Ansatzes zur Umstrukturierung des Theaters.95 In seinen rundfunktheoretischen Schriften aus den späten 1920er und frühen 1930er Jahren macht Brecht auf das ungenutzte Potenzial des Rundfunks aufmerksam und formuliert auf dieser Basis seine Forderung, den Rundfunk „aus einem Distributions- in einen Kommunikationsapparat zu verwandeln“, damit „das Publikum nicht nur belehrt werden, sondern auch belehren“96 kann. Brecht geht jedoch nicht nur auf den Rundfunk ein, sondern verbindet diesen in seinen Ausführungen mit der Kunst. Rundfunk und Kunst stellen nach Brecht gleichermaßen Schlüssel für eine Umgestaltung der Gesellschaft dar.97 Die Frage, welche konkreten Schritte Brecht zur Veränderung des Rundfunks vorsah, bleibt bis heute mehr oder weniger offen. Oftmals werden seine Ausführungen dahingehend interpretiert, dass er sich die Umwandlung in einen „Kommunikationsapparat“ als eine technische Maßnahme vorstellte.98 Wäre dies tatsächlich der Fall, könnte seine Forderung dann als erfüllt gelten, wenn technische Geräte gleichzeitig als Empfänger und Sender nutzbar wären. In Brechts eigenen Produktionen (Lehrstücken), z. B. dem Ozeanflug, bleibt es jedoch bei einer Kommunikation mit dem Apparat, ohne dass eine Interaktion zwischen KünstlerIn und HörerInnen bzw. zwischen HörerInnen untereinander zustande kommt. Durchbrechen KünstlerInnen auf technischem Wege das One-to-Many-Prinzips des Rundfunks, werden ihre Arbeiten oftmals gleichwohl als bewusste Anknüpfung an die Ausführungen Brechts verstanden. Konkret handelt es sich in vielen Fällen um das Ergebnis einer Koppelung des Rundfunks mit weiteren elektronischen Medien. Eine Verbindung mit anderen Kommunikationsmitteln, vor allem dem Telefon, wird bis in die heutige Zeit praktiziert.99

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Obwohl unterschiedliche KünstlerInnen mit dem Zusammenspiel von Radio und Telefon experimentieren, um Interaktion zwischen sich und den HörerInnen bzw. diesen untereinander zu ermöglichen, stößt diese Strategie seit den 1970er Jahren immer wieder auf Kritik.100 Im Bereich des Hörspiels meldet Klaus Schöning Zweifel hinsichtlich einer ernstzunehmenden Beteiligung von RezipientInnen auf Grundlage einer von „oben“ angeordneten Kommunikation an.101 Patrick Primavesi schreibt im Zusammenhang der Zuschaltung von RezipientInnen per Telefon von einem „Verblendungszusammenhang“,102 bei dem ein Gefühl von Kommunikation aufkommen kann, ohne dass eine solche tatsächlich stattfindet. Eine Potenzierung der technischen Möglichkeiten partizipativer Praxis erfolgte in den 1990er Jahren auch im Kontext der Radiokunst mit der digitalen Technik und vor allem mit der öffentlichen Zugänglichkeit des Internets. Ähnlich wie beim Call-In-Prinzip des Radios gilt allerdings auch hier, dass ein kommunikativer Akt, wie das Verfassen digitaler Nachrichten bei einer Kombination mit dem Radio, meist auf eine partizipative Geste beschränkt bleibt, ohne die grundlegenden Strukturen der Radioproduktion anzutasten.103 Die partizipative Strategie des Schlafradios ist keineswegs auf einen rein symbolischen Akt beschränkt. Anzeichen dafür, dass der Künstler Norbert Math eine Aktivierung von HörerInnen über das eigene Projekt hinaus anstrebt, lassen sich indes nicht finden. Die Künstlergruppe LIGNA zielt hingegen auf eine politisierende Wirkung ihrer Arbeit und stützt sich sowohl auf theoretischer als auch auf praktischer Ebene explizit auf die Radiotheorie Brechts. Nacht. Stimme. Zerstreuung. vermag ein grundlegendes Hinterfragen der Massenmedien im Allgemeinen und des Rundfunksystems im Besonderen auszulösen, inklusive der eigenen Rolle als RezipientIn innerhalb der bestehenden Strukturen. Verteilte Autorschaft

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Eine zweite partizipative Strategie, die etablierte Hierarchien aufzuweichen vermag, bildet das Prinzip verteilter Autorschaft.104 Eine grundlegende Infragestellung traditioneller Konzepte von Autorschaft setzte in den 1960er Jahren vor allem durch poststrukturalistische TheoretikerInnen ein.105 Die von ihnen initiierte Diskussion über eine Abkehr vom Autor als vorrangigem Referenzpunkt im Rahmen der Textinterpretation ist insbesondere mit dem Aufsatz Der Tod des Autors von Roland Barthes verknüpft.106 Durch die Übertragung der Autorschaftsdebatte von der Literatur- auf die Kunstwissenschaft erfuhren auch die BetrachterInnen von Kunst als sinnstiftende Instanz eine Aufwertung.107 Im Hinblick auf partizipative Strukturen künstlerischer Arbeiten erweist sich insbesondere Umberto Ecos Modell des „offenen Kunstwerks“ als bedeutsam, da es eine spezifische Art der Rezeptionsbeziehung in den Mittelpunkt rückt. Das „Kunstwerk in Bewegung“ sei neben dem/der das Werk initiierenden KünstlerIn auch auf produzierende RezipientInnen

angewiesen,108 die „am Machen des Werkes beteiligt“109 sind. In Anlehnung an den belgischen Komponisten und Musiktheoretiker Henri Pousseur führt Eco aus, dass diese Offenheit den RezipientInnen künstlerischer Arbeiten eine besondere Freiheit zuteilwerden lässt.110 Die Annahme, die KünstlerInnen selbst würden dabei an Bedeutung verlieren, sei jedoch verfehlt, wie Eco, und in jüngerer Zeit auch Boris Groys hervorhebt.111 Kunst mit partizipativem Ansatz kann Groys zufolge nicht ausschließlich als Einschränkung der Macht von KünstlerInnen und damit als demokratischer verstanden werden.112 Vielmehr nötigen sie die RezipientInnen zur Aufgabe ihrer Distanz und legen ihnen somit Verantwortung für die künstlerische Arbeit auf.113 Sowohl Norbert Math als auch die Künstlergruppe LIGNA adressieren die HörerInnen des Kunstradios als potenzielle (Co-)ProduzentInnen. Die Handlungen, die HörerInnen im Kontext der Arbeit Nacht. Stimme. Zerstreuung. ausführen, sind für Dritte weder hör- noch sichtbar. Aus diesem Grund können die RezipientInnen sich für eine aktive Beteiligung entscheiden, ohne mögliche Konsequenzen von außen befürchten zu müssen. Indem LIGNA den Sprecher Bohatsch einsetzt, er Medium ihrer Botschaften ist, stellt die Gruppe zudem eine deutliche Distanz zu ihren Co-ProduzentInnen her. Norbert Math hingegen agiert als Initiator und Mediator und verbleibt als Autor im Zentrum seines Projekts. Er begnügt sich nicht damit, RezipientInnen als LieferantInnen von akustischem Material einzusetzen, sondern motiviert sie zur eigenen ästhetischen Produktion. Sobald die Produktionen in den Pool des Projekts eingehen, sind diese für jede/n hör- und verwendbar. Gemeinschaftsbildung Eine dritte partizipative Strategie kann laut Bishop dem Wunsch von KünstlerInnen entspringen, auf Grundlage einer gemeinsamen Sinnproduktion soziale Verbindungen zu ermöglichen.114 Im Kontext der Radiokunst ist bedeutsam, dass dem Medium Radio im Allgemeinen eine Gemeinschaft stiftende Wirkung attestiert wird. Die Medienwissenschaftler Golo Föllmer und Sven Thiermann bezeichnen das Radio als „Ort sozialer Praxis“, welcher gleichermaßen Resultat spezifischer Distribution als auch möglicher Rezeption sei.115 Insbesondere das synchrone Hören von Live-Sendungen befördert, wie Armin Rogl hervorhebt, ein Gefühl von Gemeinschaft, das kein Internetdienst zu bewirken vermag.116 Da es sich um die Konstitution einer Gemeinschaft handelt, deren Mitglieder sich über einen größeren geografischen Raum verteilen, die also vorstellbar, aber nicht wahrnehmbar ist, spricht Susan Douglas von „imagined Communities“ (imaginierten Gemeinschaften).117 LIGNA thematisiert in Nacht. Stimme. Zerstreuung. die vergemeinschaftende Dimension des Radios vor allem bezüglich politisch orientierter

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Kollektivität. Die Gruppe wendet sich von der Vorstellung von RadiohörerInnen als homogener Masse ab und einer differenzierteren Betrachtungsweise zu.118 Unter dem Stichwort „Assoziation“ betreibt LIGNA die Ansprache des Hörers/der Hörerin in ihrer Vereinzelung und als Teil einer temporären Gemeinschaft. Dies lässt an die Ausführungen des Philosophen Jacques Rancière zum Theater und seinen ZuschauerInnen denken.119 In seinem Text Der emanzipierte Zuschauer schreibt Rancière, dass die Wirkmächtigkeit von ZuschauerInnen nicht darin bestehe, Teil einer Gemeinschaft zu sein, sondern TrägerInnen individuellen Wissens, zwischen denen eine Distanz besteht.120 Indem die einzelnen RezipientInnen in ein „unvorhersehbares Spiel mit Assoziationen und Dissoziationen“121 eintreten, entfalte sich ihr Potenzial. Unterschiedliche, auf den ersten Blick konträr anmutende Rezeptionshaltungen führten zu einer Emanzipation: „Es bedarf der Zuschauer, die die Rolle aktiver Interpreten spielen, die ihre eigene Übersetzung ausarbeiten, um sich die ‚Geschichte‘ anzueignen und daraus ihre eigene Geschichte zu machen. Eine emanzipierte Gemeinschaft ist eine Gemeinschaft von Erzählern und von Übersetzern.“122 Das Prinzip des unberechenbaren „Assoziierens und Dissoziierens“ überträgt LIGNA mit Hilfe des Mediums Radio auf den geografischen Raum. Zu Hause oder an anderen Orten konstituieren HörerInnen ihre „Erzählung“ bzw. „Übersetzung“ von Nacht. Stimme. Zerstreuung. mit oder ohne körperliche Aktivität, in jedem Falle aber in dem Bewusstsein, dass viele andere synchron handeln (könnten). Auch bei Maths Projekt vermag sich, wenn auch mit zeitlichen Verschiebungen, eine gemeinschaftsbildende Wirkung zu entfalten. Dissoziiert stellen einzelne KoproduzentInnen Soundarbeiten her, die in den kollektiven Pool Schlafradio eingehen und so zur Grundlage der Assoziation von HörerInnen werden. Maths ursprünglich angedachtes E-Mail-Netz bzw. Klangarchiv hätte die Bildung von Gemeinschaften auf einer weiteren Ebene ermöglicht.

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Mögen auf Seite der HörerInnen auch unterschiedliche Beweggründe für eine Teilhabe an künstlerischen partizipativen Projekten bestehen, so lassen sich doch deutliche Anzeichen für ein allgemeines Interesse an der Herstellung, Distribution und Vernetzung auf Grundlage von akustischem, visuellem und audio-visuellem Material feststellen. Dies zeigt der Blick auf den virtuellen medialen Raum, insbesondere auf Internetplattformen wie YouTube, die zu einem integrativen Bestandteil von Öffentlichkeit geworden sind.123 Diese Entwicklungen im Bereich der Internetdienste werden von einigen TheoretikerInnen als (späte) Umsetzung von Brechts Vorstellungen betrachtet.124 Fraglich bleibt allerdings, inwiefern sich diese Formate mit dem analogen Radio

vergleichen lassen und welche Überschneidungen es gibt und in Zukunft geben wird. Dabei scheint das Fortleben der Radiokunst eng mit dem Handeln, d. h. dem Produzieren ihrer HörerInnen zusammenzuhängen, wie die Kuratorin und Ausstellungstheoretikerin Doreen Mende bemerkt: “Does art have a chance in the everyday white noise of radio if the listener does not have to give up his or her passive, receptive role?”125

4.5 Resümee Die exemplarischen Analysen der radiophonen Arbeiten Schlafradio und Nacht. Stimme. Zerstreuung. offenbaren nicht nur ein breites DeutungsSpektrum hinsichtlich ihrer thematischen Ausrichtung, sondern auch in Bezug auf ihre formalen Gestaltungselemente. Radiokunst hat nicht einen Raum, sondern konstituiert eine Vielzahl von Räumen, in denen sie sich vermittelt bzw. vermittelt werden kann. Ihre Bedeutung liegt nicht zuletzt darin, dass sie ihre HörerInnen vor allem in ihren privaten Räumen erreicht und diese zu Orten der Kunstrezeption wie auch zu Orten eigener ästhetischer Produktionen macht. Radiophone Arbeiten rücken in besondere Nähe zum Alltag und ermöglichen den RezipientInnen, ihre gewohnte Umgebung neu zu erfahren. Gleichzeitig wirkt sie sich auf ihr Zeitempfinden aus, bestimmt den Rhythmus ihrer Rezeption und „macht“ Zeit.126 Radiokunst bringt die Prozessualität akustischer Produktionen und ihre Auswirkung auf den individuellen Rhythmus ihrer HörerInnen in besonderer Weise zu Bewusstsein. Die Unabhängigkeit radiophoner Arbeiten von dem Ort und der Institution ihrer Präsentation und Rezeption bleibt selbst nach ihrer Archivierung erhalten. Eine Aufzeichnung kann erneut gesendet, Teil einer musealen Ausstellung und über das Internet als Stream zur Verfügung gestellt werden. Allerdings ist das Live-Moment des Sendens für die Erfahrung eines „radiophonen Metaraumes“ unverzichtbar,127 den niemand völlig zu überblicken, geschweige denn zu kontrollieren vermag. Die heutige Unabhängigkeit vom „Zeitdiktat“ des Rundfunks dank der Internetdienste eröffnet neue Rezeptionsmöglichkeiten. Sendungen sind jederzeit hörbar, allerdings unter Verlust von Unmittelbarkeitserfahrung und Gemeinschaftsgefühl. In dem ursprünglichen Moment der Synchronizität von Senden und Hören ist Radiokunst als eine öffentliche Darbietung zu verstehen, an der HörerInnen trotz geografischer Entfernung simultan teilhaben können. Als Live-Ereignis entfaltet sie eine besondere Bedeutung für das Erleben von Gegenwart als solcher, die Martin Seel einmal in einem anderen Zusammenhang zum Ausdruck gebracht hat: „Ästhetische Inszenierungen […] erzeugen eine Gegenwart, die als solche auffällig wird. Sie machen Gegenwart bemerkbar: das ist ihre primäre Leistung.“128 113

Das Potenzial radiophoner Arbeiten besteht im Auslösen von Prozessen der Metawahrnehmung von Zeit, Raum, ästhetischen Phänomenen und sinnlicher Perzeption. Im Modus der radiophon übertragenen Stimme können einzelne Aspekte dieses akustischen Phänomens verstärkt zum Tragen kommen. Sie kann bei partizipativ angelegten Arbeiten als entscheidender Faktor von Intersubjektivität fungieren.129 In diesem Zusammenhang geht es gerade nicht darum, die Ambivalenz zwischen der Anwesenheit der Stimme und der Abwesenheit des Subjekts zu negieren, sondern darum, diese produktiv zu machen. Als wesentliche Dimension radiophoner Arbeiten erweist sich insbesondere die Partizipation, die als ein dem Medium Radio inhärentes Potenzial verstanden und verhandelt wird. Die vorangegangenen Ausführungen legen nahe, dass partizipativen radiophonen Arbeiten mehrere Intentionen zugrunde liegen können. KünstlerInnen bestärken RezipientInnen darin, aktiv in die radiophone Produktion einzugreifen und öffentliche Räume der Kommunikation und Kollaboration zu schaffen. Radiokunst gibt RezipientInnen die Chance, sich als ProduzentInnen einzubringen, als „Erzähler“ und/oder als „Übersetzer“ (Rancière) zu fungieren. Im Rahmen radiophoner Arbeiten kann die Entscheidung für oder gegen eine eigene aktive Beteiligung relativ zwanglos getroffen werden, da aufgrund der zerstreuten Rezeptionssituation keine soziale Kontrolle besteht. Selbst wenn nur wenige die Einladung zu einer Beteiligung als Co-AutorInnen annehmen, bedeutet dies keineswegs, dass das Projekt gescheitert ist. Vielmehr ist auch die Möglichkeit des Ausbleibens von Beteiligung einer partizipativen Arbeit inhärent, wie der Kurator Rudolf Frieling betont.130 Die KünstlerInnen kommunizieren mehr oder weniger direkt mit HörerInnen, sind InitiatorInnen und greifen mehr oder weniger lenkend in die Vorgänge ein. Die Differenz zwischen Empfangen und Senden bleibt strukturell bestehen, diejenige zwischen ProduzentIn und RezipientIn verschwimmt jedoch. Auf Basis der Ergebnisse der exemplarischen Analysen, insbesondere der ausgearbeiteten Schlüsselkategorien Stimme, Raum, Zeit sowie HörerInnen als ProduzentInnen, lassen sich fünf übergeordnete Ziele für eine Vermittlung von Radiokunst formulieren. Dabei liegt den genannten bildungsrelevanten Aspekten kein Anspruch auf Vollständigkeit zugrunde. Sie sollen vielmehr zu ihrer Erweiterung, Ausdifferenzierung und Schärfung anregen. •

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Fokussieren der akustischen Wahrnehmung: Radiokunst wirft ihre RezipientInnen in einzigartiger Weise auf das Akustische zurück. Hören ist entscheidende Voraussetzung der Rezeption und kann als Vorgang selbst in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit geraten. Wo liegen die Besonderheiten

unterschiedlicher akustischer Phänomene und Zeichensysteme? Auf welche Weise wird auf Grundlage akustischer Zeichensysteme Sinn erzeugt? Wie wirken sich unterschiedliche Situationen, die Abhängigkeit bzw. Zusammenhänge von Zeit, Ort, sozialen und medialen Umständen aus? •

Förderung der Reflexion über mediale Strukturen: Radiokunst erfordert und fördert das Bewusstsein für das „alte“ Medium Radio und seinen technischen Wandel. Dies schließt vor allem die Zäsur der allgemeinen Verbreitung des Internets in den 1990er Jahren ein. Was bedeutet analoges Radio (-hören), was bedeutet es, einem Stream zu folgen? Wie kann eine Live-Sendung wahrgenommen werden, wie ihre Aufzeichnung? Welche selbstreflexiven Impulse weist Radiokunst auf?



Darlegung der politischen Dimension des Radios: Radiophone Arbeiten können als kritische Kommentare zum und als eine kritische Praxis des Rundfunk- und Mediensystem/s verstanden und verhandelt werden. Dabei kann das Radio als potenziell egalitäres Medium, das demokratische Prozesse fördert und unterstützt, zur Darstellung gebracht werden und Anwendung finden. Welche Rolle spielen aktivistische Strategien im Kontext der Radiokunst? Welcher Handlungsspielraum wird RezipientInnen eröffnet? In welcher Verbindung stehen politische Themen zur aktuellen Situation der RezipientInnen, d. h. zu ihrer eigenen Lebenswirklichkeit?



Aufzeigen kollaborativer und kommunikativer Aspekte: Radiokunst kann das Produkt von (internationaler) Vernetzung und Kollaboration sein. Sie kann durch die Zusammenarbeit von KünstlerInnen, RundfunkmitarbeiterInnen (TechnikerInnen, RedakteurInnen, ModeratorInnen) und HörerInnen entstehen. Auf welchen Ebenen findet Kollaboration statt? Wie können HörerInnen partizipieren?



Erweiterung des Kunstbegriffs: Radiokunst als nicht sichtbare und nicht gegenständliche Kunst verfügt bislang nur über einen geringen Bekanntheitsgrad. Neben der Darlegung des breiten Spektrums von Radiokunst im Hinblick auf Inhalte und Formen ist das Fördern von Kompetenzen im Umgang mit akustischen Produktionen von großer Bedeutung. Die Aufnahme von Radiokunst in den musealen Kontext kann dazu beitragen, dass sich die Funktionen der Institution erweitern und BesucherInnen zu einem neuen Verständnis des Kunstmuseums gelangen. 115

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1 Vgl. Hartel; Kaspar 2004, S. 140. 2 Der Medienwissenschaftler Friedrich Knilli schreibt im Kontext des Worthörspiels von der Fantasie der HörerInnen als einer „unsichtbaren Bühne“, auf der Bilder und Gestalten entwickelt werden. In diesem Zusammenhang verweist er auf die Hörspielsammlung mit dem Titel Sprich, damit ich dich sehe von Heinz Schwitzke. (Vgl. Knilli 1961, S. 9) 3 Vgl. Pinto 2012, S. 189–190. 4 Kolesch; Krämer 2006, S. 11 (Herv. i. O.). 5 Vgl. Kolesch; Krämer 2006, S. 11. 6 Vgl. Krämer 2003, 67–68. 7 Vgl. Kolesch; Krämer 2006, S. 11. 8 Vgl. ebd. 9 Vgl. ebd. 10 Vgl. ebd. 11 Vgl. ebd. 12 Kolesch 2003, S. 267 und Krämer 2003, S. 73. 13 Vgl. Kolesch 2003, S. 276. 14 Vgl. Westphal 2014, S. 191. 15 Waldenfels 2006, S. 191 (Herv. i. O.). 16 Vgl. Kolesch; Krämer 2006, S. 11. 17 Vgl. ebd. 18 Westphal 2014, S. 192. Siehe auch Waldenfels 1994, S. 494. 19 Vgl. Schützeichel 2011, S. 93. 20 Kolesch; Krämer 2006, S. 11. 21 Vgl. Westphal 2016, S. 1. Siehe auch Westphal 2011, Kap. 3 und Westphal 2014, S. 190. 22 Vgl. Schützeichel 2011, S. 86. 23 Schützeichel 2011, S. 99–100. 24 Vgl. Heiser 2014, S. 144. 25 Westphal 2014, S. 197 und Westphal 2015, S. 146. 26 Vgl. Westphal 2011, Kap. 7 und Westphal 2015, S. 146. 27 „Erst wenn sich der Rundfunk vom Ideal des ‚natürlichen‘ Klangs emanzipiert, wird er aufhören, ‚unnatürlich‘ zu klingen.“ (Transkript der Arbeit Nacht. Stimme. Zerstreuung. Anhang III [Zeilen 255–256]). 28 Hagen 2006, S. 136. 29 Schützeichel 2011, S. 99–100. 30 Vgl. Heiser 2014, S. 143. 31 Braun 1999, Kap. 1. 32 Vgl. Pinto 2012, S. 182. 33 Krämer 2003, S. 73 und Kolesch 2003, S. 267. 34 Vgl. Arnheim 2001, S. 103. Dieser Aussage Arnheims mangelt es nach Ole Frahm an einem Hinweis auf die Unheimlichkeit, mit der die Übertragung der menschlichen Stimme verbunden ist. (Vgl. Frahm 2013, S. 219) 35 Vgl. Transkript der Arbeit Nacht. Stimme. Zerstreuung. Anhang III [Zeilen 131–132]). 36 Vgl. van Eikels 2013, S. 227. Siehe auch LIGNA 2006, S. 231. LIGNA reflektiert Aspekte der radiophon übertragenen Stimme sowohl in ihren radiophonen Produktionen als auch in ihren theoretischen Texten. So stellt LIGNA beispielsweise auf Grundlage der Tonbandstimmenforschung sieben Thesen zur Aufzeichnung, Herkunft und radiophonen Übertragung von Stimme auf. Die sechste These oder „Wahrheit“, wie LIGNA schreibt, lautet: „Die Zerstreuung, die Verteilung der Stimme – es ließe sich auch sagen: ihre Distribution – ist wichtiger als Kommunikation.“ (LIGNA 2011, S. 28–29) (Herv. i. O.). 37 Vgl. Westphal 2015, S. 142. 38 Vgl. Arnheim 2001, S. 10. 39 Vgl. Schwartz 1974, S. 47. Tony Schwartz setzt sich, insbesondere in der Publikation The Responsive Chord (1974), mit den Wirkungsweisen von Massenmedien auseinander. 40 Vgl. Braun 1999, Kap. 1. 41 Braun 1999, Kap. 1. 42 de Certeau 2006, S. 345. 43 Ebd. (Herv. i. O.) 44 Hierzu siehe auch Löw 2001, S. 18. 45 Vgl. Thurmann-Jajes 2014b. 46 Diesen Sachverhalt beschreibt Reinhard Braun als ein wesentliches Charakteristikum von Mediensystemen. (Vgl. Braun 1999, Kap. 1.) „Der ‚elektronische Raum‘ bildet somit quasi den Hintergrund vor dem die Ereignisse in Szene gesetzt werden. […]“ (Ebd.) 47 Braun schreibt vom elektronischen Raum als einer vom Subjekt „nicht mehr zu erreichende[n] Sphäre“. (Braun 1999, Kap. 1) 48 Vgl. Transkript der Arbeit Nacht. Stimme. Zerstreuung. Anhang III [Zeilen 33–40]). 49 Vgl. Transkript der Arbeit Nacht. Stimme. Zerstreuung. Anhang III [Zeilen 69–73]). 50 Vgl. Thurmann-Jajes 2014b. 51 Ebd. 52 Vgl. ebd. 53 Vgl. Faulstich 2002, S. 305.

54 Vgl. Adrian 1998. Siehe auch Kap. 3.1. 55 Foucault 2006, S. 318. Foucault bezeichnet unsere Zeit in seinem Text Von anderen Räumen als das „Zeitalter des Raumes“ (ebd., S. 317) 56 Ebd., S. 320. 57 Vgl. ebd., S. 324. 58 Bestimmte Mechanismen regeln den Zugang zu Heterotopien. (Vgl. Foucault 2006, S. 325) 59 Thurmann-Jajes 2014a. 60 Vgl. Braun 2007. 61 Braun 2007. 62 Hartel; Kaspar 2010, S. 22. Als entscheidendes Kriterium einer begrifflichen Bestimmung des öffentlichen Raums nennt Walter Grasskamp die Überlagerung und Verdichtung unterschiedlicher Nutzungsformen. (Vgl. Grasskamp 1997, S. 11) 63 Eine Folge dieser Entwicklung ist nach Katja Kwastek, dass der reale Raum zugunsten eines „Informations- und Kommunikationsraums“ an Bedeutung verliert. (Vgl. Kwastek 2004, S. 22) 64 Gilfillan 2008, S. 212–214. 65 Wobei einzelne Kunstbereiche fließend ineinander übergehen, was insbesondere anhand zahlreicher Arbeiten und Projekte der Radiokunst sinnfällig wird. 66 Siehe hierzu auch Hickethier 2010, S. 293. 67 Vgl. Espinet 2009, S. 229–230. 68 Mitschnitt-Dienste von Sendeanstalten offerieren gegen meist hohe Gebühren die Aufzeichnungen von bereits ausgestrahlten Sendungen. 69 Vgl. Grau 2008, S. 37. Ein an Veränderungen gebundenes Verständnis von Zeit findet sich bereits bei Aristoteles, der Zeit als „die Zahl der Bewegungen nach dem Früher oder Später“ definierte. (Vgl. ebd.) Die neuere Philosophie unterscheidet zwischen der absoluten Zeitbestimmung (vergangen-gegenwärtig-zukünftig) in Anlehnung an Augustinus und der relativen Zeitbestimmung (früher als-gleichzeitig-später als), wie sie von Kant beschrieben und von den Naturwissenschaften übernommen wurde. (Vgl. ebd.) 70 Faulstich 1981, S. 103 (Herv. i. O.). 71 Vgl. Grau 2008, S. 38. 72 Knut Hickethier bezeichnet das Radio auf Grundlage der Ausführungen des Publizisten und Rundfunkredakteurs Heinz Schwitzke zum Hörspiel als „Programmmedium“ (Hickethier 2010, S. 294). Siehe hierzu auch Schwitzke 1963, S. 29. 73 Vgl. Schatter 2008, S. 55. 74 Grau 2008, S. 38. Grau unterscheidet das „subjektiven Zeitempfinden“ und „Zeit als Ordnungsprinzip der Wahrnehmung“ als Aspekte subjektiver Zeit voneinander. 75 Vgl. Lankau 2008, S. 72. 76 Vgl. Schwitzke 1963, S. 25. 77 Tonbandgeräte, die das Vorproduzieren ermöglichen, wurden erst später entwickelt und eingesetzt. Zu den Besonderheiten der Rezeptionserfahrung der ersten RadiohörerInnen siehe auch Daniels 2002, S. 139. Das in der Anfangszeit vorherrschende Live-Prinzip ist jedoch nicht mit einer Spontaneität der SprecherInnen gleichzusetzen, da die meisten Texte vorformuliert und abgelesen wurden. (Vgl. Krug 2010, S. 17) 78 Faulstich 1981, S. 35 (Herv. i. O.). 79 Vgl. Schatter 2008, S. 62 und S. 65. 80 Vgl. ebd., S. 63. 81 Vgl. Thurmann-Jajes 2014a. 82 Vgl. Faulstich 1981, S. 36 und Faulstich 1991, S. 69. 83 Vgl. Faulstich 1981, S. 123. 84 Bull 1989, S. 293. 85 Black 2008, S. 383. 86 Die Kunstpädagogin Antonia Hensmann definiert Partizipation im Rahmen einer künstlerischen Arbeit nicht nur als Teilhabe an Handlungen, sondern auch an Entscheidungsprozessen. (Vgl. Hensmann 2012, S. 144) Ein Kriterium für die Abgrenzung zur „Interaktivität“ bestehe laut der Kunsthistorikerin Claire Bishop darin, dass letztere vor allem auf die Beziehung von zwei einzelnen Personen Anwendung findet, während sich der Begriff „Partizipation“ auf Prozesse bezieht, an denen eine größere Anzahl an Personen beteiligt ist. (Vgl. Bishop 2012, S. 1–2) 87 Vgl. Sommer 2014, S. 46. Handlung zeichnet sich – im Unterschied zum Agieren oder Verhalten, die auch das unbewusste Tätigsein miteinschließen – durch ihre Zielgerichtetheit aus. (Vgl. ebd., S. 45) Zu unterschiedlichen Formen des Handelns siehe auch Sommer 2014, S. 47. 88 Vgl. Groys 2008, S. 24–25. 89 Vgl. Dinkla 1997, S. 25. Hervorzuheben ist in diesem Kontext insbesondere Filippo Tommaso Marinettis Variety Theatre Manifest von 1913. (Vgl. ebd.). 90 Vgl. Weibel 2008, S. 36. 91 Vgl. ebd., S. 36–37. 92 Vgl. Bishop 2012, S. 3. Im Fazit ihrer Untersuchung stellt sie jedoch fest, dass die Produktion partizipativer künstlerischer Arbeiten in der Gegenwart auf keine einheitliche politische Ideologie zurückzuführen, diese vielmehr lose durch antikapitalistische Tendenzen verbunden seien. (Vgl. ebd., S. 283–284) 93 Vgl. Bishop 2006, S. 12.

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Auch abseits der Radiokunst werden partizipative künstlerische Prinzipien in der Radiotheorie Brechts gesehen. Siehe beispielsweise Frieling 2008b, S. 38–39. Vgl. Fischer 2012, S. 93. In Die Grosse und die Kleine Pädagogik (1930) stellt Brecht ein Konzept des Theaters mit Auflösung der Trennung zwischen Aufführenden und ZuschauerInnen vor, welches er jedoch nie umsetzt. (Vgl. Fischer 2012, S. 93) Walter Benjamin beschreibt das epische Theater Brechts als ein Modell, das über das Potenzial verfügt „aus Lesern oder Zuschauern Mitwirkende zu machen“. (Benjamin 1971, S. 110) In seinem Essay Der Autor als Produzent (1934) widmet sich Benjamin selbst der politischen Dimension partizipativer Konzepte. Siehe hierzu Benjamin 2012. Brecht 1967a, S. 134 und S. 137. Der Rundfunk eignet sich nach Auffassung von Brecht in besonderer Weise zum Austausch über aktuelle, gesellschaftlich relevante Themen, und sollte nicht als einseitiges Propagandainstrument gedacht und genutzt werden. (Vgl. Brecht 1967a, S. 135) Rudolf Arnheim, der sich nahezu zeitgleich mit Brecht kritisch über die zeitgenössische Rundfunkproduktion äußert, fällt in seinem Text Psychologie des Rundfunkhörers ein vernichtendes Urteil über die zeitgenössischen RadiohörerInnen. Er bescheinigt diesen eine Handlungsunwilligkeit, die soweit greift, dass diese nur aktiv werden, um eine ernste Auseinandersetzung mit Inhalten zu vermeiden. (Vgl. Arnheim 2001, S. 163–164) Nichts desto trotz stimmt Arnheim mit Brecht darin überein, dass der Rundfunk zum Wohle der Gesellschaft umzugestalten sei und ein großes Potenzial zur Aktivierung der HörerInnen berge. (Vgl. ebd., S. 170) Vgl. Brecht 1967a, S. 135. Vgl. LIGNA 2005, S. 340. Den ersten Vorstoß dieser Art wagte der amerikanische Künstler Max Neuhaus 1966 mit seiner Arbeit Public Supply. (Vgl. Kwastek 2004, S. 18–20) Siehe hierzu auch Neuhaus 1994. Vgl. Knilli 1970, S. 85. Vgl. Schöning 1974, S. 8. Siehe hierzu auch Knilli 1970, S. 85. „Was wir brauchen, ist Mitbestimmung für Hörer, Mitbestimmung für Autoren und Redakteure. Was wir brauchen, ist Demokratie, damit die Massenmedien endlich Medien der Massen werden […].“ (Ebd.) Vgl. Primavesi 2011, S. 9. Die Soziologin Christa Lindner-Braun geht in ihren Ansätzen zu einer Radiotheorie davon aus, dass Radiokonsum ohne Auswirkungen bleibt, da er keine direkte Teilhabe ermöglicht, die über eine exemplarische Aktivierung der Rezipierenden hinausgeht. (Vgl. Lindner-Braun 1998, S. 55) Etwa zehn Jahre später bemerken die Medienwissenschaftler Florian Hartling und Thomas Wilke, dass eine Aktivierung von RezipientInnen durch das „Verschmelzen der Dispositive Netz und Radio“ noch immer nicht festzustellen sei. (Vgl. Hartling; Wilke 2009, S. 277–278) Vgl. Bishop 2006, S. 12. Vgl. Jannidis et al. 2000, S. 20–21. Barthes lenkt den Fokus auf die Sinnerzeugung durch die RezipientInnen. „Der Leser ist der Raum, in dem sich alle Zitate, aus denen sich eine Schrift zusammensetzt, einschreiben, ohne dass ein einziges verloren ginge. Die Einheit eines Textes liegt nicht in seinem Ursprung, sondern in seinem Zielpunkt – wobei dieser Zielpunkt nicht länger als eine Person verstanden werden kann.“ (Barthes 2000, S. 192) Neben dem Text von Barthes, gilt Was ist ein Autor? (1969) von Michel Foucault als zentral für diese Debatte. Vgl. Hornig 2011, S. 39. Vgl. Eco 2016, S. 57. Eco 2016, S. 41 (Herv. i. O.). Vgl. ebd., S. 31. Vgl. ebd., S. 59 und Groys 2008, S. 23. Siehe hierzu auch Frieling 2008b, S. 35. Vgl. Groys 2008, S. 23. Siehe hierzu auch Argumentation von Robert Pfaller im Kontext der Interpassivität. Vgl. Groys 2008, S. 23. Vgl. Bishop 2006, S. 12. Vgl. Föllmer; Thiermann 2006, S. 18. Vgl. Rogl 2013, S. 37. Vgl. Douglas 1999, S. 11. Douglas verwendet den Begriff hier im Hinblick auf den US-amerikanischen Rundfunk, er wird jedoch auch in anderen Kontexten angewendet und diskutiert. Siehe hierzu Kleinsteuber 2008, S. 231. Zur Zeit des Nationalsozialismus wurde dieser Effekt für Propagandazwecke genutzt, HörerInnen konnten sich als Teil einer größeren Gemeinschaft fühlen. (Vgl. Hickethier 2010, S. 197) LIGNA thematisiert diesen Sachverhalt in ihrer Arbeit Nacht. Stimme Zerstreuung. (Vgl. Transkript der Arbeit Nacht. Stimme. Zerstreuung. Anhang III [Zeilen 278–283].) Rancière weist darauf hin, dass ein qualitativer Unterschied zwischen den ZuschauerInnen eines Theaterstückes und denjenigen einer Fernsehshow besteht. (Vgl. Rancière 2009, S. 27) Diese Differenz bestehe laut Rancière darin, dass das Theater „von alleine gemeinschaftlich“ (ebd.) sei. Aufgrund der technischen Übertragung mag das Radio dem Fernsehen näher stehen als dem Theater. RezipientInnen einer Rundfunksendung können sich nicht unmittelbar wahrnehmen, aufeinander einwirken. Die Wirkmächtigkeit des Radios liege, wie LIGNA festhält gerade darin, vereinzelte HörerInnen synchron zu adressieren. (Vgl. LIGNA 2005, S. 345) Die Voraussetzung stellt das Wissen um das Prinzip der radiophonen (Live-)Sendung dar.

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Verknüpft sind die HörerInnen durch das nahezu zeitgleiche Hören einer Sendung, nicht, weil sie einander körperlich nahe sind. Vgl. Rancière 2009, S. 27–28. Rancière 2009, S. 28. Rancière 2009, S. 33. Vgl. Hornig 2011, S. 66–67. Rüdiger Steinmetz nimmt eine Betrachtung des Podcastings unter dieser Prämisse vor. (Siehe hierzu Steinmetz 2006, S. 89). Rogl hingegen differenziert stärker, bezeichnet die UserInnen von Internetdiensten wie YouTube etc. in Anlehnung an Alvin Toffler als „Prosumenten“ (als Kombination aus den Worten „Konsument“ und „Produzent“). (Vgl. Rogl 2013, S. 33) Mende 2008, S. 153. Vgl. Faulstich 1981, S. 103. Vgl. Thurmann-Jajes 2014a. Seel 2015, S. 131 (Herv. i. O.). Vgl. Kolesch; Krämer 2006, S. 11. Vgl. Frieling 2008a, S. 13.

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5 Vermittlungsgrundlagen von Radiokunst im musealen Kontext

Im Museum treffen mannigfaltige Erwartungshaltungen von BesucherInnen, KuratorInnen und VermittlerInnen aufeinander. Diese beziehen sich sowohl auf die Institution als solche als auch auf die Vermittlung. So kann das Museum ebenso als ein „klassischer“ oder „traditioneller“ Ort des Lernens und der Bildung aufgefasst werden wie als Ort von „Events“, die vergnügliche Freizeitunterhaltung abseits des Alltags versprechen.1 Die Vermittlungsangebote von Museen bewegen sich dementsprechend auf einer breiten Skala. Aus diesem Grund beginnt dieses Kapitel über die Grundlagen der musealen Vermittlung von Radiokunst mit einer Klärung des Vermittlungsbegriffs. Da der Schwerpunkt der vorliegenden Arbeit auf der Vermittlung radiophoner Kunst im Rahmen von Ausstellungen liegt, wird zudem das Verhältnis von kuratorischer Arbeit zu anderen Vermittlungsdimensionen thematisiert. Sodann werden zentrale Inhalte und Verfahren der Vermittlung vor dem Hintergrund der kritischen Kunstvermittlung diskutiert. Diese erachte ich besonders deshalb als interessant, weil sie in ihrer Theorie unterschiedliche Ausprägungen und Kontexte der Vermittlung einbezieht und um eigene Ansätze bereichert. VertreterInnen der kritischen Kunstvermittlung stellen Theorie und Praxis der Kunstvermittlung auf den Prüfstand und fragen nach ihren Bedingungen, Möglichkeiten und Grenzen. Als konkrete Verfahren werden die künstlerische, partizipative und performative Kunstvermittlung hinsichtlich ihrer Potenziale zur Vermittlung von Radiokunst diskutiert. Den Ausgangspunkt für diese Auswahl bilden die in Kapitel 4 gebildeten Schlüsselkategorien für die Vermittlung sowie die von ihnen abgeleiteten Vermittlungsziele. So verspricht die künstlerische Kunstvermittlung dem der Radiokunst inhärenten Vermittlungsmoment in besonderer Weise Rechnung zu tragen. Performative Verfahren entsprechen dem prozessualem Charakter von Radiokunst in besonderer Weise. Bezüglich der Einbindung bzw. Aktivierung von HörerInnen als ProduzentInnen radiophoner Arbeiten erscheinen insbesondere partizipative Verfahren der Kunstvermittlung aussichtsreich. Wie können diese Konzepte für die Vermittlung von Radiokunst fruchtbar gemacht und derart ausgestaltet werden, dass sie den spezifischen Charakteristika der Radiokunst Rechnung tragen? Den folgenden Ausführungen liegt aber nicht nur die Frage nach der „Vermittelbarkeit“ von Radiokunst in Anknüpfung an aktuelle Tendenzen der Kunstvermittlung zugrunde. Vielmehr geht es letztendlich auch um die Impulse, welche die museale Kunstvermittlung durch die Radiokunst

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erhalten kann – einen ,Gegenstand‘, der bislang nur selten in Museen rezipierbar ist. Im sich anschließenden sechsten Kapitel wird die Anwendung der im Folgenden thematisierten Vermittlungsprinzipien auf konkrete Inszenierungen in der Ausstellung Über das Radio hinaus thematisiert.

5.1 Der Begriff der Kunstvermittlung im aktuellen Diskurs Nach den Ethischen Richtlinien des International Council of Museums (ICOM) sind Museen per se Orte der Vermittlung:2 „Museen bewahren, zeigen, vermitteln und fördern das Verständnis für das Natur- und Kulturerbe der Menschheit.“3 Vermittlungsarbeit wird zwar durch einzelne oder mehrere speziell ausgebildete MitarbeiterInnen wie z. B. MuseumspädagogInnen und VermittlerInnen geleistet, jedoch sollte nicht in Vergessenheit geraten, in welch hohem Grad an „Komplexität das Museum insgesamt Vermittlung ist“4. Bereits das Sammeln und Archivieren geschieht nicht allein zu wissenschaftlichen Zwecken, sondern auch im Hinblick auf spätere BesucherInnen. Unerlässliche Bedingung der Vermittlungsarbeit ist jedoch, im Gegensatz zu anderen Bereichen des Museums, dass die Interessen der BesucherInnen im Zentrum stehen und den Ausgangspunkt aller Aktivitäten bilden, wie der Deutsche Museumsbund im Leitfaden Standards für Museen festhält.5

5.1.1 Zur Definition von (Kunst-)Vermittlung

Angesichts der gegenwärtig geradezu inflationären Anwendung des Begriffs „Kunstvermittlung“ erstaunt es, dass dieser nur selten definiert wird.6 Dies gilt gleichermaßen für die Theorie und Praxis der Kunstvermittlung. Die Bezeichnung findet für unterschiedlichste Formate, Produktionen und Arbeitsbereiche Anwendung, so dass der Kurator Daniel Tyradellis fragt, was eigentlich nicht unter Vermittlung zu verstehen sei.7 Schon die umgangssprachliche Verwendung des Wortes „Vermittlung“ bzw. „vermitteln“ fächert eine Vielzahl von Bedeutungen auf: „1.  (zwischen Gegnern) eine Einigung erzielen; intervenieren 2.  zustande bringen, herbeiführen 3a. dafür sorgen, dass jemand etwas, was er anstrebt, bekommt 3b. dafür sorgen, dass jmd., der eine Stelle o. Ä. sucht, mit jmdm. in Verbindung gebracht wird, der eine solche zu vergeben hat 4.  jemandem verständlich machen, mitteilen, zeigen“8

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Es ist vor allem der zuletzt genannte Aspekt, der auch für die fachwissenschaftliche Bedeutung des Vermittlungsbegriffs bestimmend ist:

Sie kreist um das Verstehen bzw. das verständlich Machen von Kunst ebenso wie um die Beziehungen, in denen es sich vollziehen kann. So lässt sich das Vermitteln von Kunst auf einer ersten Ebene als das Zustandekommen einer Beziehung zwischen RezipientInnen und einer künstlerischen Arbeit verstehen. Stefan Roszak und Daniel Tyradellis weisen darauf hin, dass Kunstwerke selbst komplexe Symbole bzw. Zeichen darstellen,9 hinter deren Hervorbringung die Absicht steht, etwas zu kommunizieren.10 Dementsprechend erblickt Tyradellis in jeder Begegnung zwischen Subjekten und Objekten einen Vermittlungsakt.11 Kunstvermittlung bedeutet das Initiieren und Intensivieren einer Beziehung zwischen InterpretInnen und einer künstlerischen Arbeit. Die erste Aufgabe der musealen Vermittlung besteht darin, eine Begegnung mit ästhetischem Material zu ermöglichen und Aufmerksamkeit zu wecken – bzw. aufhorchen zu lassen. Im Zusammenhang mit dieser initiierenden Funktion der Kunstvermittlung verweist die Kunsthistorikerin Renate Goebl auf ein weites Spektrum, das sich zwischen dem öffentlichen Zur-Schau-Stellen von Kunst (Schwerpunkt ProduzentInnen) und dem Schaffen von Verständnis für sie (Schwerpunkt RezipientInnen) bewegt.12 Mit Bezug auf die Theorie des französischen Soziologen Pierre Bourdieu betont Birgit Mandel, dass Kunstvermittlung zudem die Voraussetzung dafür schafft, dass Kunstrezeption überhaupt möglich ist:13 „Kunstvermittlung im engeren Sinne möchte Zugänge zur Kunst vermitteln und damit die Rezeption von Kunst und Kultur ermöglichen bzw. erleichtern […].“14 Auf einer zweiten Bedeutungsebene von Kunstvermittlung geht es um die Prozesse, in denen ein Verständnis von Kunst erarbeitet und mitgeteilt wird. Es handelt sich um kommunikative Lernvorgänge auf Grundlage künstlerischer Arbeiten, wobei damit noch wenig über die Beschaffenheit dieser Prozesse ausgesagt ist, d. h. in welcher Richtung sie verlaufen und wie stark sie gelenkt oder moderiert werden.15 Auf die kunstbezogenen Lehr- und Lernvorgänge werden die Begriffe „Bildung“ und „Vermittlung“ in manchen Kontexten (nahezu) synonym angewendet,16 in anderen ergänzen sie einander. So dient die Verknüpfung „Bildung und Vermittlung“ der Benennung musealer Abteilungen und sie findet sich auch in den Veröffentlichungen des Deutschen Museumsbunds sowie von mediamus, dem Schweizerischen Verband der Fachleute für Bildung und Vermittlung im Museum.17 Obwohl Lehr- und Lernprozesse auch mit dem Begriff „Vermittlung“ in Verbindung gebracht werden, scheint dieser allein offenbar nicht als ausreichend erachtet zu werden, um ihre Ziele und Funktionen zu kommunizieren. Mit „Bildung“ findet ein traditionsreicher Begriff Anwendung, der bereits seit der Gründung der ersten modernen Museen im 19. Jahrhundert aufs Engste mit diesen verknüpft ist,18 Teil der heutigen Museumsdefinition des Deutschen Nationalkomitees des Internationalen Museumsrats ICOM

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ist und darin um das Wort „Erleben“ ergänzt wird.19 In der englischen Fassung stellt neben „education“ und „study“ auch „enjoyment“ ein Ziel musealer Arbeit dar.20 Das wirft die Frage auf, inwieweit Vermittlung über den Begriff der „Bildung“ hinausgeht und dem „Vergnügen“, „Genuss“ und/oder „Erleben“ entspricht, wobei Erlebnisse natürlich gleichzeitig als unterhaltsam und lehrreich wahrgenommen werden können.21 In welchem Verhältnis Bildung und Unterhaltung in der Vermittlung stehen, kann an dieser Stelle nicht weiter erörtert werden. Festzuhalten ist jedoch, dass in den folgenden Ausführungen die museale Vermittlung vor allem als Lehr- und Lernprozesse verstanden und beschrieben wird. Eine dritte Bedeutungsebene in der Verwendung des Vermittlungsbegriffs umfasst die nähere Bestimmung der Art der Verbindungen, in denen sich das Verstehen bzw. verständlich Machen von Kunst vollzieht. Weniger das Erzielen von Einigung als Antagonismus prägt nach Ansicht von Alexander Henschel Prozesse der Vermittlung. Mit Bezug auf die ursprüngliche Bedeutung des Begriffs wendet er sich gegen ein vorbehaltloses Verständnis von Vermittlung als Ausgleich.22 In Prozessen der Vermittlung träten Subjekte vielmehr in Opposition zueinander: „Es ist nicht die Funktion der Vermittlung, gegen Konflikte, Brüche und Widersprüche zu arbeiten, sondern es ist die Funktion der Vermittlung, mit Konflikten, Brüchen und Widersprüchen zu arbeiten.“23 Dabei können die verschiedenen Perspektiven von KunstproduzentInnen, VermittlerInnen und anderer RezipientInnen wechselseitig aufeinander einwirken und sich befruchten, ohne zwangsläufig zu einer Harmonisierung, Angleichung oder auch Hierarchisierung zu führen. Es geht um das Ausloten eigener Position(en) und um das Erkennen bzw. Anerkennen des Wertes und des individuellen Zugangs anderer. Zur Klärung des Begriffs der musealen Vermittlung ist auch eine Bestimmung seines Verhältnisses zu dem Begriff „Museumspädagogik“ wichtig. Dessen Verwendung zeichnet sich ebenfalls durch eine gewisse Unschärfe aus, die sich unter anderem durch die vielfältigen Funktionen und die Beteiligung von VertreterInnen unterschiedlicher Disziplinen an der Theorie und Praxis museumspädagogischer Arbeit erklärt.24 Allgemein konstituiert sich Museumspädagogik nach Klaus Weschenfelder und Wolfgang Zacharias auf Grundlage von drei Faktoren: dem Ort Museum, den pädagogischen AkteurInnen und ihren Zielgruppen.25 „Museumspädagogik ist Erziehung auf das Museum hin, im Museum, durch das Museum und vom Museum ausgehend.“26

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Problematisch ist der Begriff „Museumspädagogik“ aufgrund seiner etymologischen Herkunft.27 „Pädagogik“ (aus dem Griechischen, „Erziehungskunst“) impliziert, dass sich museumspädagogische Angebote (ausschließlich) an Kinder und Jugendliche richten.28 Während Welschenfelder und Zacharias in ihrem Handbuch zur Museumspädagogik, dessen erste Auflage 1981 erschien, Kinder und Jugendliche als Haupt-

adressatInnen museumspädagogischer Angebote benennen, hebt Alfred Czech in seinem Handbuch von 2014 keine Altersgruppe hervor.29 Die Begriffe „Vermittlung“ und „Museumspädagogik“ werden mitunter synonym verwendet und dabei gleichermaßen unscharf gefasst.30 Der Begriff Vermittlung ist jedoch nicht nur im Hinblick auf AdressatInnen,31 sondern auch durch seine Anwendbarkeit auf sehr unterschiedliche Tätigkeitsfelder offener. Diese Tätigkeitsfelder können sowohl die interne als auch die nach außen gerichtete Kommunikation und Kollaboration von Museen betreffen.32 So kann Museumspädagogik dem umfassenderen Begriff „Vermittlung“ untergeordnet werden, der gerade nicht auf den musealen Teilbereich der Öffentlichkeitsarbeit beschränkt ist, sondern eine Beteiligung an allen Aufgabenbereichen eines Museums umfasst. Unter Kunstvermittlung wird im Folgenden das Anstoßen, Motivieren und Begleiten von Prozessen der Auseinandersetzung mit sowie der Sinnund Bedeutungsproduktion ausgehend von Kunst und ihren Kontexten verstanden.33 Auf Basis einzelner künstlerischer Arbeiten und/oder ihrer Präsentation geht es um das Herstellen bzw. Konkretisieren von unterschiedlichen Rezeptionsmöglichkeiten, die den jeweils Involvierten auch das Verfolgen individueller Zielsetzungen ermöglichen und Wirkung über den Gegenstand hinaus zu entfalten vermögen. Voraussetzungen der Vermittlungsprozesse bilden die Anerkennung von und der Respekt vor den Lebensbedingungen der RezipientInnen sowie den kulturellen, historischen, und gesellschaftspolitischen Hintergründen der jeweiligen künstlerischen Arbeiten.

5.1.2 Zum Verhältnis von Kuratieren und Vermitteln

Kunstausstellungen sind Produktionen, die oftmals auf interdisziplinärer Zusammenarbeit basieren. Gleichwohl lässt sich innerhalb von Museen eine rigide Trennung zwischen dem Aufgabenbereich des Ausstellens bzw. Präsentierens und der Vermittlung erkennen. Tatsächlich formierte sich die Vermittlung als eigenständiger Bereich musealer Praxis zuerst im Kunstmuseum.34 (Kunst-)Vermittlung steht in stillschweigender Übereinkunft oftmals für personale Formen der Vermittlung.35 Mediale Vermittlung und die Beteiligung an der Gestaltung von Ausstellungen gelten dagegen als weniger relevant für die alltägliche Praxis.36 Inzwischen werden klare Forderungen nach einer Neustrukturierung der Zusammenarbeit und nach einer Transformation der Ausstellungspraxis laut. Diese betreffen das Verständnis von Vermittlung, von Ausstellung und vom Museum als vermittelnder Institution. So ist dem Leitfaden Qualitätskriterien für Museen vom Deutschen Museumsbund ein klares Plädoyer für eine Einbeziehung von VermittlerInnen in den Bereich des Ausstellens zu entnehmen:

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„Museumspädagogik ist für alle Fragen der Besucherorientierung und der museumsspezifischen Vermittlungsarbeit zuständig. Sie muss daher bei der Konzeption und Realisierung aller Präsentationen des Museums von vornherein einbezogen werden. So wird sichergestellt, dass der Bildungsprozess für alle Besucher/ innen ausgehend von der Begegnung mit Exponaten optimiert werden kann.“37 An anderer Stelle, dem Leitfaden Standards für Museen, spiegeln die Ausführungen des Deutschen Museumsbunds jene Unsicherheiten wieder, die gegenwärtig vor allem in der Praxis bezüglich der Funktionen von Vermittlung bestehen: Einerseits wird eine klare Unterscheidung zwischen dem Ausstellen als kuratorischer Tätigkeit und personellen und medialen Formen der Vermittlung vorgenommen.38 Andererseits gelten Ausstellungen als Teil der musealen Vermittlung.39 TheoretikerInnen, KuratorInnen und VermittlerInnen artikulieren heute gleichermaßen Interesse an einer Diskussion über Zuständigkeiten und Kooperationen.40 Dies wird unter anderem an der Einrichtung neuer Studiengänge deutlich, wie dem 2008 geschaffenen Masterprogramm Art Education ausstellen & vermitteln der Zürcher Hochschule der Künste, das auf einem integrierten Verständnis von Ausstellen und Vermitteln gründet.41 Nach Brigitte Kaiser kann sich die Arbeit von VermittlerInnen im Bereich des Ausstellens sehr unterschiedlich gestalten. Sie reicht vom Betrauen mit der Konzeption und Umsetzung ganzer Ausstellungen bis hin zu Vermittlungsangeboten, die rein komplementär zur Ausstellung zu verstehen sind.42 Alfred Czech spricht von einer Beratung durch MuseumspädagogInnen bei der Ausstellungskonzeption und sieht damit die Vermittlung eher flankierend als in zentraler Position.43 Hildegard Vieregg hingegen schrieb bereits Ende der 1990er Jahre von einem „integrativen Ansatz“ im Bereich der Ausstellung, bei dem kuratorische Arbeit und Vermittlung zusammentreffen.44 In ähnlichem Sinne verwendet Hannelore Kunz-Ott für die Relationen im Rahmen der Erarbeitung von Ausstellungen das Symbol des Dreiecks, dessen miteinander verbundene Eckpunkte für KuratorInnen, MuseumspädagogInnen und AusstellungsgestalterInnen stehen.45 Wenngleich sie die KuratorInnen in der Rolle der Hauptverantwortlichen sieht, charakterisiert Kunz-Ott ihre Zusammenarbeit mit VermittlerInnen und GestalterInnen im Bereich des Ausstellens als partnerschaftlich-demokratisch – wobei die Interessen und Bedürfnisse von BesucherInnen von allen Beteiligten gleichermaßen Berücksichtigung erfahren sollten.46

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Dass eine Zusammenarbeit in der von Vieregg und Kunz-Ott beschriebenen Weise keineswegs die Regel im deutschen Museumsalltag ist, kritisiert u. a. der Kurator Daniel Tyradellis.47 Eine Beteiligung von VermittlerInnen an Entscheidungen im Zuge der Ausstellungsplanung,

eine tatsächliche Kooperation zwischen FachwissenschaftlerInnen bzw. KuratorInnen, VermittlerInnen oder auch KünstlerInnen stelle eher die Ausnahme dar. Ähnlich äußert sich auch Renate Goebl, die darauf hinweist, dass VermittlerInnen meist vor vollendete Tatsachen gestellt werden und im Allgemeinen wenig Einfluss auf die Ausstellungsplanung haben.48 Im Kunstmuseum sei es gar verpönt, „Vermittlung selbst als immanenten Teil des Kuratierens zu begreifen“49. Angesichts der noch relativ jungen Geschichte des modernen Museums, wo die Trennung zwischen unterschiedlichen Professionen erst im 20. Jahrhundert einsetzte, mutet dies erstaunlich an.50 KuratorInnen und VermittlerInnen nehmen jeweils Zwischenpositionen ein, da sie immer in unterschiedlichen Zusammenhängen arbeiten. Tyradellis versteht unter Kuratieren eine Übertragung „von theoretischen und vielleicht abstrakten Gedanken in den Raum“51, also das sinnlich erfahrbar Machen von Vorstellungen für Dritte, die wiederum selbst eine Beziehung zum Ausgestellten herstellen können. „Kuratieren meint also neben der wissenschaftlich-thematischen Auseinandersetzung immer auch die Herstellung von Präsenz als Bedingung und Ausgangspunkt eines je individuellen Erkenntnisprozesses. […] Wissensvermittlung ist dann nicht mehr das Darstellen einer vorgängigen Wahrheit, sondern ein den Besucher involvierender performativer Akt der Befragung und des Auslotens von Wissen in und mit den Dingen, der sich je und je im Konkreten des Ausstellungsraumes ereignet.“52 Die Arbeit der KuratorInnen kreist um Objekte, die sie bewahren und erforschen, um das generierte Wissen durch Ausstellungen, Begleitpublikationen und Vorträge an Interessierte weiterzugeben. VermittlerInnen widmen sich hingegen in erster Linie den Bedürfnissen von BesucherInnen.53 Genau in der Ausrichtung ihrer Arbeit auf die AdressatInnen des Museums erblickt Tyradellis einen wesentlichen Grund für das geringe Ansehen von VermittlerInnen – in der Vorstellung, dass Vermittlung sich insbesondere um Personen(-kreise) zu bemühen hat, denen beispielsweise aufgrund von Jugend oder Alter eine besondere Unterstützung gewährt werden sollte.54 VermittlerInnen sehen sich hier dem Vorurteil ausgesetzt, ihrer Arbeit liege ein geringer Anspruch bzw. ein niedriges Reflexionsniveau zugrunde. Statt Vermittlung als „zweite Schicht“ von Ausstellungen zu begreifen, die nur einzelne Besuchergruppen tangiert,55 fordert Tyradellis, Ausstellungen selbst als Teil des Zuständigkeitsbereichs der Vermittlung, als integrativ statt komplementär zum Kuratieren zu verstehen.56 Seine Argumentation verläuft entlang allgemeiner Ziele und Funktionen der Vermittlung: 127

„Wenn es der Vermittlung darum zu tun ist, den Besucher für Kunst zu sensibilisieren, d. h. Wissen zu vermitteln, Aufmerksamkeit zu erzeugen und auch den Mut zur eigenen Wahrnehmung und Meinung zu fördern – was spräche dann dagegen, eine Ausstellung so divers und vielschichtig zu entwickeln, dass das unterschiedliche Vorwissen und die unterschiedlichen Kompetenzen von vornherein Teil der zu zeigenden Werke und ihrer Arrangements sind?“57 Wenn die Konzeption und Gestaltung von Ausstellungen den Bedürfnissen der BesucherInnen in der von Tyradellis geforderten Weise gerecht werden soll, kann sie nicht umhin, auch Fragen der Didaktik zu berühren. Der Educational Turn In der Kunstvermittlung keimt mit dem sogenannten „Educational Turn“, der sich im kuratorischen Feld und der Kunstproduktion seit etwa zehn Jahren vollzieht, Hoffnung auf eine engere Zusammenarbeit von VermittlerInnen und KuratorInnen auf.58 Die Theoretikerin Irit Rogoff hebt den Educational Turn als ersten von mehreren „turns“ im kuratorischen Feld hervor, der Fragen der Vermittlung fokussiert.59 Er manifestiert sich in der Übertragung von Ansätzen aus dem Bereich der Bildung auf die Kunst- und Ausstellungsproduktion,60 weshalb der Kurator und Künstler Paul O’Neill das Kuratieren in diesem Zusammenhang als erweiterte Bildungspraxis bezeichnet.61 Dabei trete der/die KuratorIn weniger in der Rolle eines Vermittlers / einer Vermittlerin auf. Eher stellten Bildungs- bzw. Vermittlungsprozesse das Objekt seiner /ihrer Produktion dar.62 Motiviert durch den Wunsch, „tatsächlich Bedeutung zu haben und Einfluss zu nehmen auf das Leben und die Gesellschaft“63, wie Birgit Mandel es formuliert, treten auch KünstlerInnen selbst als VermittlerInnen in Erscheinung und finden in dieser Funktion Anerkennung.64 Obwohl der Educational Turn in enger Verbindung mit dem Protest gegen eine zunehmende Einschränkung, Konformität und Ökonomisierung des Bildungssystems steht, ist nicht zwangsläufig davon auszugehen, dass sich die Situation der Vermittlung durch ihn verbessert.65 Vielmehr attestiert Carmen Mörsch auch im Kontext des Educational Turn ein Instrumentalisieren der Vermittlung durch den kuratorischen Part.66 Als entscheidende Prämisse, das egalitäre Potenzial des Educational Turn durch Bündnisse zwischen Vermittlung und Kuration zu entfalten, nennt Mörsch die Anerkennung der Vermittlung als „eigenständige kulturelle Praxis der Wissensproduktion“67.

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In Anlehnung an die Kunsthistorikerin Beatrice von Bismarck plädiert Sternfeld für „Handlungsräume des Kuratorischen“, dafür „Bedingungen zu schaffen, damit etwas geschehen kann“68. Die Potenziale des Mediums Ausstellung für unterschiedliche BesucherInnen auszuschöpfen, wird

gerade durch die Zusammenarbeit von MitarbeiterInnen mit heterogener Expertise möglich. Das Bemühen um eine Reduzierung der hierarchischen Kluft spiegelt sich in der Einführung der neuen Berufsbezeichnung „Curator of Education“ wieder, welche die Arbeit der leitenden VermittlerInnen innerhalb von Museen aufwerten soll.69 In den Zuständigkeitsbereich des Curator of Education können neben Angelegenheiten personaler und medialer Vermittlung (Besucherservice, Vermittlungsprogramm, Evaluation), auch die Beteiligung an Entscheidungsprozessen auf übergeordneter Ebene (z. B. Ausrichtung, Ziele) und die Mitarbeit an Ausstellungen (inklusive der Beschriftung und Arbeit an Begleitpublikationen) fallen.

5.2 Kritische Kunstvermittlung Während die kritische Kunstvermittlung in Österreich und der Schweiz sowohl auf universitärer als auch auf musealer Ebene sehr präsent ist,70 begegnet man ihr in Deutschland noch mit einiger Skepsis. So ist die Position der kritischen Kunstvermittlung auf zahlreichen Tagungen zur Museumstheorie sowie zur Ausstellungs- und Vermittlungspraxis nicht vertreten und bleibt in den Publikationen des deutschen Museumsbunds nahezu unerwähnt.71 Nichtsdestotrotz zählen die VertreterInnen der kritischen Kunst- und Kulturvermittlung zu den wichtigen ImpulsgeberInnen der aktuellen Kunstvermittlung. Sie sorgen mit ihren theoretischen und praktischen Beiträgen „zwischen pädagogischem, politischem und künstlerischem Handeln, im Austausch und in Reibung mit Institutionen sowie mit unterschiedlichen Interessensgruppen“72 für eine lebhafte und vielschichtige Diskussion. Ausgehend von den Herausforderungen der Kunst selbst begeben sich die VertreterInnen der kritischen Kunstvermittlung in unterschiedliche Vermittlungszusammenhänge und favorisieren nicht selten radikale und subversive Strategien. Zu den BegründerInnen und HauptakteurInnen der kritischen Kunstvermittlung, die sich Mitte der 1990er Jahre in Deutschland, Österreich und der Schweiz formierte, zählen insbesondere Carmen Mörsch,73 Nora Sternfeld74 und Eva Sturm75. Sie knüpfen an die Arbeit politischer Gruppierungen der 1970er und 1980er Jahre an, die bereits Forderungen nach einem hegemoniekritischen Engagement der Kunstvermittlung formuliert hatten.76 In den 1990er Jahren trat die kritische Kunstvermittlung in Wechselwirkung mit Kunstströmungen, namentlich der New Genre Public Art, wodurch bestehende Grenzen zwischen politischer, sozialer und künstlerischer Arbeit hinterfragt und bewusst verwischt wurden.77 Auf theoretischer Ebene wird das Feld kritischer Kunstvermittlung maßgeblich durch Theorien und Methoden des Post-Kolonialismus, der Cultural Studies, der Gender Studies, der emanzipatorischen Pädagogik, der Performativitätstheorie sowie des Poststrukturalismus und der Psychoanalyse bestimmt.

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Sowohl Mörsch als auch Sternfeld und Sturm sind in der Praxis als VermittlerInnen und z. T. auch als Kuratorinnen aktiv. Ihre Textbeiträge bieten eine ebenso kritische wie präzise Analysen und Differenzierungen von historischen und aktuellen Ansätzen, verbunden mit klaren Empfehlungen oder Forderungen für eine nachhaltige Umgestaltung der musealen Vermittlungsarbeit. Dazu nehmen sie eine Einbettung der Kunst- und Kulturvermittlung in größere Diskurszusammenhänge vor und hinterfragen tradierte Formate und festgelegte Rollenbilder (KünstlerInnen, KuratorInnen, VermittlerInnen und BesucherInnen) innerhalb ausstellender Institutionen.78 Die Debatte um die gesellschaftliche Relevanz von Museen zählt zu den fundamentalen Anliegen kritischer KunstvermittlerInnen. Sie entwickeln neue Perspektiven, argumentieren in bewusster Abkehr von ökonomischen Beweggründen und unter Berücksichtigung der bisherigen Stellung von Museen in westlichen Gesellschaften. Ausstellungen und Kunstinstitutionen genießen dort allgemein eine hohe gesellschaftliche Anerkennung und erweisen sich für die Bedeutungs- und Wissensgenerierung sowie die Bildung von Werturteilen im Bereich von Kunstund Kulturgütern als prägend.79 Sturm bezeichnet Museen aus diesem Grund als „Rahmungs-Institutionen“80. Auch in der Gegenwart beruhen die Vorstellungen potenzieller BesucherInnen von Museen insbesondere auf ihren Funktionen zur Zeit ihrer Entstehung als bürgerliche Einrichtungen.81 Neben offenkundigen gebe das Museum, so Sturm, auch „inoffizielle“ Versprechen. Zu letzteren zähle insbesondere, ein Ort der Beständigkeit, des gesicherten, absolut zuverlässigen Wissens zu sein.82 Museen gelten hinsichtlich der Entscheidung, welches Material erhaltens- und präsentationswürdig ist, als Referenz schlechthin, stellen Wert her und konservieren ihn.83 In Übereinstimmung mit Pierre Bourdieu versteht Sturm Museen als Orte, die der Sicherung einer hohen Positionierung von Subjekten im sozialen Raum dienen können.84 Damit bilden sie, wie Sternfeld feststellt, gleichermaßen hierarchische Orte wie potenzielle Orte der Befreiung von Machtverhältnissen.85 Mörsch schreibt entsprechend von den „Möglichkeiten der Umcodierung“ im Sinne einer „Kunst des Handelns“ nach Michel de Certeau.86 Denn als soziale und performative Praktiken nehmen Vermittlungsprozesse nicht einfach ihren Ausgang bei vorgegebenen und unveränderlichen Ausstellungsinstitutionen. Sie sind an ihrer Herstellung beteiligt.87 Kritische Kunstvermittlung ist Teil der Institution und tritt in Opposition zu ihren Strukturen, Inhalten und Formaten, d. h. sie reflektiert auch die eigene Funktion und Praxis.88 Sie kann damit als selbst(-kritisches) Organ des Museums betrachtet werden.

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5.2.1 Die vier Diskurse der Kunstvermittlung nach Carmen Mörsch

Als zentraler Bezugspunkt der kritischen Kunstvermittlung erweist sich insbesondere Carmen Mörschs Kategorisierung gegenwärtiger Vermittlungsansätze.89 Im einführenden Text des von ihr herausgegebenen Begleitbands zur Kunstvermittlung auf der documenta 12 differenziert Mörsch zwischen vier unterschiedlichen Diskursen der Kunstvermittlung: einem affirmativen, einem reproduktiven, einem dekonstruktiven und einem transformativen Diskurs.90 Diese reihen sich weder in chronologischer Folge aneinander, noch lösen sie einander ab oder stehen in einem hierarchischen Verhältnis zueinander. Vielmehr können einzelne Vermittlungsformate Merkmale mehrerer Diskurse aufweisen.91 Aus Perspektive der kritischen Kunstvermittlung problematisch erscheinen Konzepte, die dem affirmativen und reproduktiven Diskurs zuzuordnen sind. Der affirmative Diskurs bringt museale Formate hervor, welche die „Eingeweihten“ adressieren, die nicht mehr von der Bedeutsamkeit von Ausstellung und musealen Objekten überzeugt werden müssen.92 Als Beispiele führt Mörsch unter anderem Vorträge, andere Begleitveranstaltungen und -publikationen zu Ausstellungen an.93 Affirmative Angebote richten sich an eine Bildungselite, die nicht unwesentlich jene Erwartungshaltung prägt, der sich die MitarbeiterInnen von Museen verpflichtet fühlen.94 Als konstitutiv für den zweiten Diskurs, den reproduktiven Diskurs, betrachtet Mörsch Vermittlungsformate, die sich verstärkt auch an die den Museen bisher fern Gebliebene richten.95 Diese erhalten Zugang in einer Weise, welche die tradierten Strukturen von Institutionen unangetastet lässt oder sogar stärkt, da weitere Personenkreise zur Adaption vorgenerierter Wissensbestände und Wertvorstellungen angeleitet werden.96 Eine besondere Funktion erfüllen in diesem Sinne Angebote für Schulklassen und Fortbildungen für LehrerInnen sowie Veranstaltungen, die als Blockbuster große Menschenmengen anziehen sollen.97 In dem von Mörsch geprägten Begriff „Kunstvermittlung als kritische Praxis“ werden Praktiken, die dem affirmativen und/oder dem reproduktiven Diskurs zuzuordnen sind, durch Verfahren, die dem dekonstruktiven und/oder transformativen Diskurs entsprechen, hinterfragt. VertreterInnen der kritischen Kunstvermittlung wenden sich aktiv gegen das Adressieren bestimmter Zielgruppen, das seinen Ursprung im 19. Jahrhundert hat. Kunstvermittlung als kritische Praxis setzt sich für eine Anerkennung der Autonomie aktueller und zukünftiger BesucherInnen ein, dafür, diese als potenzielle MitproduzentInnen von Vermittlungssituationen durch ihre individuellen Beiträge zu betrachten. Aufgabe der Vermittlung ist es, die Rahmenbedingungen für eine tatsächliche Beteiligung unterschiedlicher Öffentlichkeiten zu schaffen.98 In Übereinstimmung mit den Ausführungen Pierre Bourdieus

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üben Mörsch und Sternfeld Kritik an der Vorstellung, Museen und ihre Exponate würden allen (potenziellen) BesucherInnen in gleicher Weise offenstehen bzw. zugänglich sein und Vermittlung sollte dementsprechend auf einer „Entfaltung der natürlichen Begabung“ basieren.99 Ausgehend von der emanzipatorischen Pädagogik zeigt Sternfeld auf, inwiefern aktuelle Tendenzen der Kunst- und Kulturvermittlung Ungleichheit reproduzieren und die Möglichkeit auf Emanzipation minimieren.100 Kunstvermittlung als kritische Praxis setzt nicht auf eine „natürliche Begabung“ des Publikums, sondern stattet es mit dem nötigen Knowhow aus, damit es handlungsfähig ist und aktiv Wissen generieren kann.101 Sternfeld, die Lernen „ebenso [als] diskursive wie performative Praxis“102 versteht, geht von pädagogischen Ansätzen aus, die Selbstermächtigung thematisieren.103 Unter Rekurs auf die Theorien von Jacques Rancière, Antonio Gramsci und Michel Foucault argumentiert Sternfeld zugunsten eines Umdenkens im Bereich des Lehrens und Lernens.104 Zum Konzept des lebenslangen Lernens merkt Mörsch an, dass sein Ziel über das reine Wecken von Interesse und die Anerkennung der Deutungshoheit von MuseumsmitarbeiterInnen hinausgehen müsse. Vielmehr gehe es um das Einnehmen einer kritischen Haltung – sich selbst, den Ausstellungsinhalten und der Institution gegenüber.105 Statt eine bloße Übertragung von Wissen anzustreben, sollte in der Ausstellungs- und Vermittlungspraxis laut Sternfeld vielmehr eine Anerkennung und Generierung unterschiedlicher Formen von Wissen erfolgen.106 Zentral dafür ist die Bildung eines Bewusstseins für den jeweils eigenen sozialen und kulturellen Standpunkt sowie die gesellschaftlichen Ausschlussmechanismen. Lernen wird als treibende Kraft zum Aufbrechen gesellschaftlicher Verhältnisse verstanden, die Benachteiligung schaffen und aufrecht erhalten.107 Das Potenzial liegt für Sternfeld vor allem in Prozessen, bei denen eine enge Verquickung von Kunst, Pädagogik und Politik gegeben ist.108 Die kritische Praxis bildet das Vorzeichen des dekonstruktiven und des transformativen Diskurses nach Mörsch. Ihre Verfahren vermögen eine Distanzierung von vermeintlichen Evidenzen sowie die Verunsicherung und Störung etablierter Strukturen hervorzurufen.109 Im Rahmen des dekonstruktiven Diskurses stellen VermittlerInnen das bestehende System der Vermittlungs- und Ausstellungspraxis, d. h. seine Wissensgenerierung sowie seine wert- und bedeutungsstiftenden Prozesse gemeinsam mit BesucherInnen auf den Prüfstand.110 Dieses Ansinnen steht in direktem Zusammenhang mit der kritischen Museologie (seit den 1960er Jahren).111 Seine Voraussetzung besteht darin, dass die Beteiligten die nötige Bereitschaft dazu aufbringen, vermeintliche Selbstverständlichkeiten zu hinterfragen, sich dabei in Widersprüche zu verstricken und diese als Teil des Prozesses anzuerkennen.112

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Der Begriff „Dekonstruktion“ steht ursprünglich für ein textanalytisches Verfahren des französischen Philosophen Jacques Derrida. Weil sich

die Dekonstruktion nicht als strenge Systematik darstellt, lässt sie sich jedoch kaum als Methode bezeichnen.113 Vielmehr handelt es sich um ein bewegliches, exploratives Verfahren, das aus dem (Text-)Inneren heraus Wirkung entfaltet.114 Die Dekonstruktion beruht auf dem Grundgedanken, dass Sprache stets ihren Sinn übersteigt, Wirklichkeit nicht nur abbildet, sondern schafft.115 Sprache generiert Bedeutung und verschiebt diese permanent.116 Für diese Sinnverschiebung verwendet Derrida den Begriff „différance“.117 Die Dekonstruktion dient dem Aufdecken von Spuren derartiger Sinnverschiebungen.118 Texte werden auf Grundlage individueller Strategien kritisch hinterfragt und auf Paradoxien geprüft. Indem sie vermeintliche Selbstverständlichkeiten erschüttert und als fragwürdig kennzeichnet, offenbart die Dekonstruktion einen eminent politischen Charakter.119 Neben den Ausführungen Derridas sind für Mörsch ebenso jene der postrukturalistischen Theoretiker Gilles Deleuze, Felix Guattari und Jacques Lacan von Bedeutung.120 Im Zentrum stehen die Möglichkeiten bzw. Voraussetzungen Kritikfähigkeit zu entwickeln und zu fördern.121 Dabei versteht Mörsch Kritik mit Michel Foucault als „die Kunst“, „nicht dermaßen regiert zu werden“122. Übertragen auf die Kunstvermittlung geht es um Kritik aus dem Inneren heraus, um das Ent- bzw. Aufdecken innerer Widersprüche und konkreter Bezüge zu unterschiedlichen Kontexten.123 Sternfeld argumentiert, dass Kritik sich damit grundlegend verändert habe, da sie nicht mehr von einem äußeren Standpunkt aus, sondern vielmehr den Machtverhältnissen selbst entspringt. Sie verweist in diesem Zusammenhang explizit auf die Kunstvermittlung Mörschs: Ihre Arbeit im Kontext der documenta 12 stehe für zwei Funktionen von Kritik: Selbstkritik und Gesellschaftskritik.124 Nur selten finden sich in der bisherigen musealen Praxis Beiträge, die dem transformativen Diskurs, nach Mörsch entsprechen.125 Kunstvermittlung, die sich diesem Diskurs zuordnen lässt, engagiert sich für eine grundlegende Umgestaltung von Museen und anderen Kulturinstitutionen zugunsten einer Übernahme weiterer gesellschaftlicher Funktionen.126 Kunstvermittlung bezieht Stellung und entfaltet politische Wirksamkeit, u. a. indem sie sich aktivistischer Strategien bedient.127 Dies kann auch meinen, dass nicht nur eine Ansprache von Publika stattfindet, die der gemeinsame Besuch einer Ausstellung eint. Vielmehr kann es um die Arbeit mit unterschiedlichen AkteurInnen gehen, die ein Interesse an z. B. politischen Fragestellungen hegen. Die Trennung von (vermeintlich) unterschiedlichen Bereichen wie Kunstvermittlung, sozialer Arbeit und politischem Aktivismus wird hinterfragt und Interesse an den Ergebnissen und Prozessen ihrer produktiven Überschneidung geweckt. 133

5.2.2 Kritische Kunstvermittlung als Basis einer Vermittlung von Radiokunst

Unabhängig davon, ob ein Präsentations- bzw. Vermittlungskonzept für Radiokunst dem affirmativen, reproduktiven, dekonstruktiven oder transformativen Diskurs nach Mörsch zugeordnet wird, widerspricht Radiokunst als relativ unbekannte Gattung in vielen Aspekten den Erwartungen und Ansprüchen an das Museum als Ort der Dauerhaftigkeit und Gewissheit. Sie macht darüber hinaus auf die Lückenhaftigkeit von Präsentationen künstlerischer Arbeiten in den allgemein anerkannten Kunstinstitutionen aufmerksam. Diejenigen, die bereits mit Radiokunst vertraut sind, ihre KennerInnen, sind nicht gleichzusetzen mit den BesucherInnen von Kunstmuseen, auch wenn eine Schnittmenge bestehen mag. Eine affirmative Vermittlung von Radiokunst würde also den Erwartungen zahlreicher MuseumsbesucherInnen widersprechen. Während Radiokunst bisher kaum in Museen vermittelt wird, sind affirmative Formen der Vermittlung in anderen Kontexten zu finden. An dieser Stelle ist vor allem die Vermittlung von Radiokunst durch den Rundfunk zu nennen, aber auch im Internet und auf Festivals. Eine affirmative Vermittlung von Radiokunst im Museum zu betreiben, würde bedeuten, große Teile des üblichen Museumspublikums auszuschließen. Im Sinne des reproduktiven Diskurses, würde es darum gehen, die bisher marginalisierten radiophonen Arbeiten bekannt zu machen und überhaupt in das Bewusstsein von BesucherInnen sowie Nicht-BesucherInnen des Museums zu rücken, die bislang gleichermaßen kaum mit Radiokunst konfrontiert werden. Wie Bourdieu schreibt, existiert das Kunstwerk „als werthaltiges symbolisches Objekt nur […], wenn es gekannt und anerkannt, das heißt von Betrachtern, die mit der dazu erforderlichen ästhetischen Einstellung und Kompetenz ausgestattet sind, gesellschaftlich als Kunstwerk instituiert ist […]“128. Radiokunst verfügt kaum über symbolisches Kapital, Wertvorstellungen müssen sich erst herausbilden. Aus diesem Grund drängt sich die Frage auf, ob Radiokunst auf eine reproduktive Art der Vermittlung angewiesen ist, um ihre Bekanntheit zu steigern. Inwiefern vermag das Museum als „RahmungsInstitution“ (Sturm) dazu dienen?129 Radiokunst kann im Museum, das mit dem entsprechenden symbolischen Kapital aufgeladen ist, sichtoder vielmehr hörbar werden. Damit wäre eine Grundlage geschaffen, um neue Kreise von AdressatInnen zu erschließen und Radiokunst die Anerkennung einer breiten Öffentlichkeit zu verschaffen.130

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Einen Beitrag zur Dekonstruktion und Transformation des Museums nach Mörsch leistet Radiokunst deshalb, weil sie in der Regel völlig unabhängig von dieser Institution geschaffen wird und aus Kontexten hervorgeht, denen andere Prämissen zugrunde liegen. Radiokunst passt

sich den traditionellen musealen Strukturen nicht an und fordert andere Bedingungen ein, begonnen mit der Architektur. Das Museum als Ort einer kontemplativen Haltung kann durch die unsichtbare, aber laut vernehmbare Radiokunst empfindliche Störungen erleiden, die auch die Wahrnehmung visueller Arbeiten betreffen. Allerdings deuten die Ausführungen der VertreterInnen der kritischen Kunstvermittlung darauf hin, dass auch sie Kunstwerke vor allem als Gegenstände denken, die sichtbar sind und inklusive ihrer Kontexte in der Institution Museum in Augenschein genommen werden.131 Die Präsentation radiophoner Arbeiten und Projekte ist dazu angetan, repetitivem Verhalten entgegen zu wirken und Routinen des Museumsraums zu durchbrechen. Der dekonstruktive sowie der transformative Diskurs sind gerade deshalb von Relevanz, weil ihnen der Anspruch zugrunde liegt, für alle potenziellen BesucherInnen adäquate Rezeptionsbedingungen zu schaffen und gegenüber den Exklusionsmechanismen von Institutionen sensibel zu sein. Da die Möglichkeiten, auf tradierte Umgangsweisen im Kontext der bildenden Kunst zurückzugreifen, begrenzt sind, lädt radiophone Kunst zum gemeinsamen Reflektieren über die Deutungshoheit von Museen und das Generieren von Wissen geradezu ein. Wünschenswert wäre eine ‚Inauguration‘ von Radiokunst in den musealen Kontext, die radiophone Arbeiten zugleich zum Gegenstand einer kritischen Diskussion macht. Denn es sollte nicht darum gehen, sich auf dem kritischen Potenzial der Radiokunst selbst ‚auszuruhen‘. Vielmehr gilt es, an das dekonstruktive Potenzial von Radiokunst in ihrer spezifischen medialen Verfasstheit anzuknüpfen. Die Integration von Radiokunst in Sammlungen und Ausstellungen wirft Fragen der Zuständigkeiten und Verantwortung des Museums auf, nach der Definitions(-Macht) von Kunstinstitutionen und ihren Ausschlussprinzipien, die einerseits potenzielle BesucherInnen, andererseits Kunstwerke oder Kunstgattungen betreffen. So stellt Radiokunst einen Anlass für eine kritische Würdigung von (Massen-)Medien, Rundfunk und Museum dar und kann die Vermittlung als selbstkritisches Organ des Museums fundieren. Im Sinne des transformativen Diskurses nach Mörsch gilt es, produktive Verbindungen zwischen dem Radio und dem Museum als „Orte sozialer Praxis“ herzustellen,132 um ihr jeweiliges kommunikatives und kollaboratives Potenzial zu erweitern. Ebenso wie Kunstvermittlung als kritische Praxis verstanden und betrieben wird, kann Radiokunst als eine (selbst-) kritische Praxis gelten. In Zweifel zu ziehen sind in diesem Kontext vor allem das One-to-Many-Prinzip des Mediums Ausstellung und des Radios als elektronischem Massenmedium. Beide Medien beruhen auf einer klaren Trennung zwischen ProduzentInnen und RezipientInnen. Die Einbindung von Radiokunst in das Museum vermag einen Beitrag zur Förderung der Teilhabe und aktiven Mitgestaltung politischer, sozialer und künstlerischer Prozesse zu leisten. So könnte das Museum

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beispielsweise gleichzeitig als Sendeanstalt fungieren. Auf diese Weise würde Radiokunst sowohl die Funktionen des Museums als auch seinen Wirkungskreis und Kommunikationsrahmen erweitern. Als gleichermaßen kritische Praktiken könnten sich zudem Kunstvermittlung und Radiokunst wechselseitig inspirieren. Ausgehend von den Prinzipien kritischer Kunstvermittlung lege ich im Folgenden drei aktuelle Ansätze der Kunstvermittlung dar und erörtere diese hinsichtlich ihrer Anknüpfungspunkte für eine Vermittlung von Radiokunst.

5.3 Künstlerische Kunstvermittlung Seit den 1990er Jahren entwickeln und betreiben sowohl KünstlerInnen als auch KunstvermittlerInnen und KunstpädagogInnen in Österreich, der Schweiz und Deutschland eine programmatische Kunstvermittlung mittels künstlerischer Verfahren.133 Die Annäherung von Kunst und Vermittlung erfolgt also von beiden Polen aus: KünstlerInnen setzen verstärkt auf pädagogische, VermittlerInnen auf künstlerische Strategien.134 Wie Carmen Mörsch hervorhebt, stärkt das Praktizieren und Theoretisieren einer künstlerischen Kunstvermittlung die Kunstvermittlung in ihrer Eigenständigkeit und begegnet ihrer zunehmenden Instrumentalisierung.135 Die forcierte Auseinandersetzung mit den jeweiligen Spezifika künstlerischer Produktionen und das Aufweichen der Grenzen zwischen Kunst, Rezeption und Vermittlung in Prozessen künstlerischer Kunstvermittlung leistet zudem einen wichtigen Beitrag hinsichtlich der Erweiterung des Kunstbegriffs.136 Welche Bedeutung gerade die Arbeit am Kunstbegriff für die Rezeption und Vermittlung besitzt, hat der Wegbereiter einer künstlerischen Kunstvermittlung, Pierangelo Maset, eindrücklich herausgestellt: „Indem wir Engführungen der Kunstentwicklung problematisieren, befinden wir uns mitten in der Kunstvermittlung, denn die leidenschaftliche Arbeit am Kunstbegriff ist eine zentrale Aufgabe der Vermittlungsarbeit – theoretisch und praktisch. Der Kunstbegriff entscheidet darüber, wie und ob man den ästhetischen Gehalt eines Dinges überhaupt wahrnimmt, er entscheidet darüber, ob man eine Mentalität entwickeln kann, die etwas mit Kunst zu tun hat und unter anderem auch, wie man Farbe auf eine Leinwand aufträgt.“137

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Maset spricht aus diesen Gründen von einer neuen „Ära“, die durch die künstlerische Kunstvermittlung angebrochen sei.138 Fundamental für Masets Argumentation ist seine Theorie der Ästhetischen Bildung der

Differenz als „ein Werkzeug zur Entfaltung der Potenziale differierender Subjekte“139. In Anlehnung an Derridas semiologische und linguistische Ausführungen zur „différance“ sowie Gilles Deleuzes vitalistischen Ansatz in Différance et Répétition (deutschsprachige Ausgabe: Wiederholung und Differenz) nimmt Maset eine nähere Betrachtung der „Potentiale differierender Subjekte“ und der Möglichkeiten ihrer Aktivierung vor.140 Zum zentralen Ausgangspunkt seiner Argumentation wird dabei Deleuzes Unterscheidung von zwei Ausprägungen der Wiederholung. Die erste Form ist die Wiederholung im Sinne einer „Wiederholung des Selben“, während es bei der zweiten Art der Wiederholung um die Entfaltung von Neuem geht.141 Bezugnehmend auf letztere betont Maset, dass der Schlüssel für das Generieren neuer Erkenntnisse in der Wiederholung liege und auf ihrer Grundlage die Entfaltung differenzieller Potenziale erst möglich sei. Auch Eva Sturm bezieht sich in ihrer Publikation Von Kunst aus. Kunstvermittlung mit Gilles Deleuze auf unterschiedliche Publikationen des französischen Philosophen, z. T. auch auf jene, die er gemeinsam mit dem französischen Psychoanalytiker Félix Guattari verfasste.142 Auf Grundlage der Theorie von Deleuze und Guattari arbeitet sie ihr Verständnis von Kunstvermittlung heraus, mit einem besonderen Augenmerk auf künstlerischen Methoden. Diese betrachtet Sturm als Möglichkeit, Kunstvermittlung nicht zu einem „Kunstausschließungs- bzw. zu einem Kunstbeendigungs-Unternehmen“ verkommen zu lassen.143 Vielmehr geht es ihr darum, auf Grundlage von Deleuze, die essentielle Funktion von Vermittlung für eine Fortsetzung von Kunst, für die Erhaltung der Wirksamkeit von „Kunst als Kunst“ zu fundieren.144 Sturm knüpft dabei in direkter Weise an Maset und dessen Rekurs auf Deleuze an. Mit seinem Konzept der „ästhetischen Operation“ konkretisiert Maset das Produktivmachen des differenziellen Moments der Wiederholung als gezieltes Anknüpfen an bereits bestehende ästhetische Verfahrensweisen. Jede ästhetische Operation besteht Maset zufolge aus einem „Bündel von Verfahren“, ist „Eingriff, Prozedur, Lösungsverfahren, Unternehmung, etc.“145. Sie fordere und fördere maßgeblich analytische Qualitäten, weil sie dazu diene, wesentliche Denkweisen von künstlerischen Arbeiten herauszustellen. „Bei der Ästhetischen Operation geht es grundsätzlich um die Fragestellung: ‚Welche Mentalität steckt hinter welcher Arbeitsweise?‘“146 Als besonders chancenreich kennzeichnen Maset und Sturm solche Vorhaben künstlerischer Kunstvermittlung, die ihren Ausgang bei zeitgenössischer Kunst nehmen. Diese könne „Kommunikations- bzw. Informationsformen“ darstellen,147 die per se als ästhetisches Material Anerkennung finden, d. h. ohne in einem bereits im Voraus definierten Produkt zu münden.148 Mit Verweis auf die Ausführungen des Kunstpädagogen Hubert Sowa definiert Maset die Basis von Kunstvermittlung

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als ästhetische Operation.149 Sowa zielt mit seiner Differenzierung auf eine Unterscheidung zwischen zwei Paradigmen, die zeitgenössischer Kunstproduktion und damit ihrer Vermittlung zugrunde liegen können: das „Poiesis-Paradigma“, das die Herstellung eines künstlerischen Produktes meint, und das „Praxis-Paradigma“, bei dem die Aufmerksamkeit auf dem Prozess liegt.150 Letzteres differenziert Maset unter Bezug auf die Theorie des politischen Handelns von Hannah Arendt weiter aus und kennzeichnet es als interaktiv.151 In der Folge bestimmt Maset als ‚Fixpunkt‘ ästhetischer Operationen Kunst, die dem interaktiven und prozessorientierten Praxis-Paradigma entspricht. In ähnlicher Weise definiert auch Sturm, welche Art von Kunst sich als Ausgangspunkt in besonderer Weise eignet. Dazu wendet sie sich bewusst vom Kunstbegriff Deleuzes ab. Dieser beziehe sich in erster Linie auf Kunst, die institutionalisiert und allgemein anerkannt sei.152 Stattdessen knüpft Sturm an eine Aussage von Stella Rollig an, die bemängelt, dass Kunst „mit dem Fokus auf partizipatorischen Unternehmungen mit kritisch-emanzipatorischer Intention“153 kaum Akzeptanz von Seiten des Kunstsystems erfahre. Genau in zeitgenössischer Kunst, der dieser Anspruch zugrunde liegt, erkennt Sturm den geeigneten Ausgangspunkt für eine gesellschaftlich relevante Kunstvermittlung.154 Hinsichtlich der Vorgehensweise künstlerischer Kunstvermittlung lassen sich kaum pauschale Aussagen treffen. Da die jeweilige Methode individuell am Gegenstand entwickelt wird und erst im Handeln entsteht, gleicht die künstlerische Kunstvermittlung einer „Un-Methode“.155 Ausschlaggebend für die tatsächliche Vorgehensweise sind nach Sturm der Einblick in künstlerische Arbeiten und die Fertigkeiten der jeweiligen AnwenderInnen künstlerischer Kunstvermittlung.156 Dekonstruktion im Kontext der Kunstvermittlung meine, allen am Vermittlungsprozess Beteiligten zu ermöglichen, Kunst im jeweils eigenen Modus neu zu konstituieren.157 Jede künstlerische Arbeit stehe für ihre eigene „Methodenentwicklung und -verwirklichung“, die im Rahmen einer künstlerischen Kunstvermittlung derart wieder aufzugreifen seien, dass sich differenzielle Potenziale entfalten können.158 Da es sich bei künstlerischer Kunstvermittlung um Fortsetzung von Kunst auf Grundlage des Prinzips der Differenz in der Wiederholung handelt, schließt Sturm ihre Ausführungen zur künstlerischen Kunstvermittlung mit dem Vorschlag, von „Kunstwiederholung“ zu sprechen.159

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Maset grenzt die „ästhetische Operation“ der Vermittlung von jedweder „Operationalisierung“ ab, weil es bei der Durchführung der künstlerischen Kunstvermittlung nicht um das Vollziehen einer festgelegten Abfolge von Schritten mit einer konkreten Zielvorgabe, sondern um einen offenen Prozess gehe.160 Das forschende, assoziative Vorgehen der ästhetischen Operation begünstige das Entstehen einer eigenen ästhetischen Mentalität.161 Die dabei ablaufenden Prozesse führen unter Umständen

zu einer Distanzierung von der ursprünglichen, den Prozess auslösenden künstlerischen Arbeit.162 „Die materiale Seite des ‚Kunstwerks‘ stellt dabei unter Umständen nur noch den Status eines Attraktors zur Ermöglichung von Kommunikation dar.“163 Masets Ausführungen zur künstlerischen Kunstvermittlung kulminieren in Grundlagen der „KunstPädagogik“. Als solche bezeichnet er eine Kunstpädagogik, die sich ganz dem Praxis-Paradigma von Kunst zuwendet, angewandte Kunstpraxis ist und der die Arbeit am Kunstbegriff zur Selbstverständlichkeit geworden ist.164 Künstlerische Vermittlung von Radiokunst Als Sendung, aber auch in Form von Aufzeichnungen, ist Radiokunst Kommunikation und Information. Sie entspricht in besonderer Weise dem Praxis-Paradigma, da sie zeitbasiert ist und in Interaktion produziert wird. Mit ihren radiophonen Arbeiten beweisen KünstlerInnen gesellschaftliches Engagement und hinterfragen das Medien- und Kunstsystem in (selbst-)kritischer Weise. Kontextunabhängigkeit, unbegrenzte Distribution und Prozessualität zählen zu den grundlegenden Eigenschaften des unsichtbaren „Attraktors“ (Maset) Radiokunst. Sie lassen sich im Rahmen künstlerischer Vermittlungsprozesse aufgreifen und stehen im Zeichen der von Maset eingeforderten theoretischen und praktischen Arbeit am Kunstbegriff. Da der ästhetische Gehalt eines Kunstwerks nach Maset nur dann wirksam werden kann, wenn dieses mit dem Kunstbegriff ihrer RezipientInnen vereinbar ist, kann die Arbeit am Kunstbegriff geradezu als Prämisse einer Vermittlung von Radiokunst gelten. Wie die Grundstruktur einer künstlerischen Arbeitsweise konkret zu erfassen ist, um auf ihrer Basis eine individuelle Vorgehensweise zu entwickeln, bleibt bei Sturm wie auch bei Maset offen. Zumindest in der Initiationsphase künstlerischer Kunstvermittlung erscheint eine systematische Analyse unumgänglich, um den Kern einer künstlerischen Arbeit zu identifizieren. Vor diesem Hintergrund kommt analytischen Fähigkeiten im Zusammenhang mit der künstlerischen Kunstvermittlung eine große Bedeutung zu. Soll künstlerische Kunstvermittlung den Ausgangspunkt der Erarbeitung und Durchführung von Vermittlungskonzepten für radiophone Arbeiten bilden, gilt es zunächst, die Gattung Radiokunst als „Bündel von Verfahren“ (Maset) zu begreifen und Prinzipien radiophoner „Kunst als Kunst“ (Sturm) zu verhandeln. Es müssen jene Wahrnehmungs- und Handlungsräume für Kommunikation und Kooperation ergründet werden, welche die synchrone Vervielfachung akustischer Phänomene durch das Radio öffnet. Im Hinblick auf museale Ausstellungen, die auf dokumentierter Radiokunst basieren, stellt sich die Frage, wie diese auch ohne das wesentliche Moment des Sendens Wirksamkeit entfalten kann.

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Mit dem Displacement kann eine konkrete künstlerische Strategie benannt werden, die jede radiophone Arbeit wie auch ihre Rezeption auszeichnet und die im Bereich der künstlerischen Kunstvermittlung vor allem von Christiane Brohl und Hubert Sowa thematisiert wurde.165 Weniger Sinn-Verschiebungen innerhalb ästhetischer Produktionen als vielmehr ihre „Orts- und Diskursverschiebung“ (Brohl) bzw. der „performative Akt der Präsentation“ (Sowa) stehen im Zentrum.166 Für ihre theoretischen Ausführungen stützen sich sowohl Brohl als auch Sowa u. a. auf Michel Foucaults Gedankenfigur der Heterotopie.167 Im Zuge des Displacement werden augenscheinlich unvereinbare Orte miteinander kombiniert, was ein Hinterfragen üblicher Grenzziehungen zu bewirken vermag. Die Verschiebung von akustischen Phänomenen durch das Radio lässt uns Orte sowohl akustisch als auch visuell neu wahrnehmen. Hören von Radiokunst ist grundsätzlich mit Differenzerfahrungen verbunden, da sie uns Hörräume, d. h. den Realraum, neu erfahren lässt. Dazu zählt auch der Hörraum Ausstellung.

5.4 Performative Kunstvermittlung Mit performativen Verfahren fand in den 1990er Jahren eine konkrete Kategorie künstlerischer Verfahren Eingang in die Kunstvermittlung und -pädagogik, die sowohl durch Prozessualität als auch durch fließende Übergänge zwischen Produktion und Rezeption gekennzeichnet ist. Das Wort „performativ“ bzw. „Performanz“ hat seinen Ursprung in der Sprachphilosophie. Der Philosoph und Linguist John Langshaw Austin prägte den englischen Begriff „performative“, einen Neologismus, in den 1950er Jahren und leitete damit den Performative Turn ein.168 Ausgehend von der Beobachtung, dass Sprache nicht nur der Beschreibung von Situationen dient, sondern Handlungen vollzieht, unterscheidet Austin zwischen konstativen und performativen Äußerungen.169 Zu seinen zentralen Beispielen zählt die Hochzeit, bei der das Geben des Ja-Worts dazu führt, dass sich der Status der Heiratenden verändert.170 Performative Äußerungen schaffen soziale Tatsachen und weisen dabei, wie der Literatur- und Kulturwissenschaftler Uwe Wirth bemerkt, eine doppelte Selbstreferentialität auf: Das verwendete Verb einer performativen Äußerung beschreibt den Vollzug einer Handlung und ist zugleich Element des Vollzugs derselben.171 Inzwischen findet der Begriff „Performanz“ in unterschiedlichen Disziplinen Anwendung und fungiert nach Wirth als „umbrella term der Kulturwissenschaften“172, der eine Vielzahl von Verwendungen umfasst:

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„Performanz kann sich ebenso auf das ernsthafte Ausführen von Sprechakten, das inszenierende Aufführen von theatralen oder rituellen Handlungen, das materiale Verkörpern von Botschaften

im ‚Akt des Schreibens’ oder auf die Konstitution von Imaginationen im ‚Akt des Lesens,‘ beziehen.“173 Die Begriffe „performativ“, „Performanz“, „Performance“ und „Performativität“ gleichen sich darin, dass sie alle auf die „Herstellung von Wirklichkeit“ zielen,174 doch bringen sie auch disziplinenspezifische Unterschiede zum Ausdruck. In der Kunst- und Theaterwissenschaft fungiert „Performance“ als Sammelbegriff für Kunst, die durch Intermedialität, Interdisziplinarität, Körperbetonung und einen unmittelbaren Bezug zwischen AkteurInnen und Publikum charakterisiert ist.175 Sowohl theatrale Darbietungen als auch Disziplinen und Medien übergreifende Kunst „zwischen Theater und Tanz, Musik, Film und bildender Kunst“176 werden als Performance bezeichnet. Im Zentrum steht kein abgeschlossenes Werk, sondern das Ereignis: „Eine Performance beabsichtigt nicht die Herstellung eines dauerhaften materiellen Produkts, sondern die Schaffung eines einmaligen, ephemeren Ereignisses, das mit den Sinnen wahrgenommen, im Gedächtnis festgehalten werden kann.“177 Einen wichtigen Ansatz zur theoretischen Fundierung des Performativen in der Kunst- und Kulturwissenschaft leistet die Theaterwissenschaftlerin Erika Fischer-Lichte.178 Sie fasst Performances als Ereignisse auf, die auf Basis einer spezifischen Materialität besondere Relationen zwischen künstlerischer Arbeit, AkteurInnen und ZuschauerInnen herzustellen vermögen.179 Gemein ist den vier von Fischer-Lichte herausgearbeiteten Materialitäts-Kategorien Körperlichkeit, Räumlichkeit, Lautlichkeit sowie Zeitlichkeit, dass diese sich erst im Zuge der Aufführung sowie in ihrer Interaktion manifestieren und jede einzelne durch Flüchtigkeit bestimmt ist.180 Mit der Kategorie Körperlichkeit richtet Fischer-Lichte die Aufmerksamkeit auf unterschiedliche Modi des handelnden Körpers von AkteurInnen. In Performances sind künstlerische Arbeit und Körper des Produzenten/ der Produzentin untrennbar miteinander verbunden. „Der Mensch hat einen Körper, den er wie andere Objekte manipulieren und instrumentalisieren kann. Zugleich aber ist er dieser Leib, ist Leib-Subjekt.“181 Die Wahrnehmung von TeilnehmerInnen pendelt, wie Fischer-Lichte an anderer Stelle bemerkt, immer zwischen der „Ordnung der Präsenz“ und der „Ordnung der Repräsentation“.182 Arbeiten der Performance-Kunst stellen die Wahrnehmung der tatsächlichen Präsenz des Körpers in den Mittelpunkt. Unter die Kategorie Räumlichkeit subsumiert Fischer-Lichte nicht nur den geometrischen Raum, der auch vor und nach einer Performance als solcher besteht, sich folglich durch eine gewisse Stabilität auszeichnet. Vielmehr weist sie auf einen „performativen Raum“ hin, der sich im

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Zuge einer Performance aufbaut und mit ihrer Beendigung auflöst.183 Jede Handlung, jedes Geschehen verändert den performativen Raum, er stellt sich in jedem Augenblick anders dar, ist höchst unbeständig.184 Der Begriff Lautlichkeit steht für eine Materialität, die Ereignishaftigkeit besonders eindringlich zu Bewusstsein zu bringen vermag. Wie FischerLichte bemerkt, erscheint uns nichts flüchtiger als ein verklingender Laut.185 Zu den akustischen Phänomenen zählt unter anderem die Stimme, in der Körperlichkeit und Räumlichkeit aufeinandertreffen.186 Stimme konstituiert einen performativen Raum und bildet einen indexikalischen Verweis auf den Körper des/der Sprechenden.187 Der Rahmung und Gliederung von Körperlichkeit, Räumlichkeit und Lautlichkeit dient die Zeitlichkeit.188 In diesem Zusammenhang ist insbesondere auf die Rhythmisierung hinzuweisen, die das (zeitliche) Koordinieren von Körperlichkeit, Räumlichkeit und Lautlichkeit bezeichnet.189 Zeitlichkeit ist damit gewissermaßen die Prämisse anderer Materialitäten und ihrer individuellen Kombination im Kontext performativer Ereignisse. Massive Auswirkungen auf die beschriebenen Materialitäten, inklusive der Zeitlichkeit, können aus dem Einsatz von Medien resultieren. Die Integration von Medien in eine Performance hat Auswirkungen auf den Faktor Präsenz, sie bewirkt eine Immaterialisierung, welche die Gegenwärtigkeit der AkteurInnen auf die Erfahrung von „ästhetischem Schein“ reduziert.190 Besondere Relevanz erhält der Einsatz von Medien im Nachhinein, also sobald die Performance vorüber ist. Die Materialität der Aufführung ist flüchtig und zeitigt nicht mehr als einzelne Relikte, die kaum Aussagekraft hinsichtlich des genuinen Charakters der Performance haben. Dennoch stellt die Dokumentation die Voraussetzung dar, um die Untersuchung von Performances zu ermöglichen.191 Ohne Dokumentationsmaterial wie Videos, Fotografien, auditive Aufzeichnungen, (hand-)schriftliche Notizen oder auch Zeichnungen ließen sich vergangene Performances kaum beforschen und vermitteln.

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Das Aufeinandertreffen unterschiedlicher Künste, Medien und Handlungsebenen sowie ihre Dezentralisierung vermögen „nicht nur schwirrendsuchendes Wahrnehmungsverhalten, sondern auch eine stärkere Interaktion der Sinne“192 zu bewirken. Dabei ist jede Performance geprägt durch die Gegenwart und die Äußerungen aller Beteiligten. Die Handlungen von AkteurInnen bewirken äußere und innere Reaktionen der ZuschauerInnen, auf welche wiederum andere ZuschauerInnen und AkteurInnen/KünstlerInnen reagieren (können).193 Da sich Performance selbst erzeugt, spricht Fischer-Lichte von einer „autopoietischen feedback-Schleife“, die auf der Interaktion von AkteurInnen und ZuschauerInnen basiert.194

In ihren Eigenschaften, Vorgänge sinnlich wahrnehmbar zu machen, der Erforschung, der Beobachtung und dem Experiment zu dienen, sind wesentliche Gründe für das große Interesse zu erblicken, das performativen Praktiken seitens der Kunstpädagogik und -vermittlung entgegengebracht wird. So widmen sich aktuell unter anderem die Kunstpädagoginnen bzw. -vermittlerinnen Marie-Luise Lange, Maria Peters und Kristin Westphal der performativen Praxis- und Theoriebildung. Performative Praktiken im Kontext von Kunstpädagogik und -vermittlung lassen Neues im vermeintlich Bekannten entdecken und ergründen, sie bewirken Auseinandersetzungen mit der alltäglichen Umgebung, geläufigen Gegenständen, Methoden und Situationen.195 Wie die Kunstpädagogin Marie-Luise Lange beschreibt, treten die Beteiligten auf diese Weise in ein spannungsvolles Wechselspiel ein: „Da performative Verfahren ihre Sinnzusammenhänge dem Zusammenspiel von Körper und Handlung mit allen traditionellen wie modernen künstlerischen Techniken, elektronischen Medien und alltagsästhetischen Phänomenen entlehnen, ermöglichen sie den Akteuren Wissen und Ideen aus anderen künstlerischen und außerästhetischen Bereichen zur Erfindung ihrer performativen Ereignisse heranzuziehen und durch Praktiken des Montierens und Bricolagierens zu verbinden.“196 Im Mittelpunkt des Interesses steht der zeitbasierte ästhetische Prozess, die „performative Ereignisform“, die sich situationsbedingt durch die Handlungen der Anwesenden und in ihren Gedanken manifestiert.197 Wirksamkeit entfalten performative Praktiken den Erziehungswissenschaftlern Christoph Wulf und Jörg Zirfas zufolge gerade dann, wenn in ihrem Verlauf gesellschaftliche Regeln verletzt und dadurch auf den Prüfstand gestellt werden.198 „Indem sie [performative Akte] vollzogen werden, stellen sie eine Wirklichkeit her; sie stellen ihre Wirklichkeit als die Wirklichkeit her, von der ‚die Rede ist‘. Dadurch haben sie die Kraft, konventionelle Differenzierungen zu bestätigen wie zu dementieren, sie können eindeutige wie oszillierende Verhältnisse schaffen und Differenzen zwischen Signifikaten und Signifikanten, Subjekten und Objekten, Akteuren und Zuschauern konservieren oder aufheben.“199 Aus jeder performativen Handlung ergibt sich gewissermaßen ein Überschuss, da diese sich niemals allein auf das Verfolgen eines konkreten Zieles reduzieren lässt.200 Dieses kaum zu kalkulierende „Mehr“ ist sowohl durch äußere Umstände kultureller, sozialer und institutioneller Art als auch durch die Eigenschaften der Handelnden geprägt.201

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In diesem Sinne formuliert auch der Kunstpädagoge und Performancekünstler Charles R. Garoian ein Potenzial performativer Verfahren, das über das Erlangen einzelner Erkenntnisse hinausgeht. Performative Praktiken stärkten das Bewusstsein der eigenen Handlungsfähigkeit und bewirkten eine kritische Haltung.202 Ein mögliches Resultat performativer Prozesse könne für die Beteiligten darin liegen, „ihr Selbst und ihren Körper als ein politisches und kreatives Terrain wiederzuerlangen“203. Die Kunstpädagogin Maria Peters untersucht, wie performative Verfahren in der kunstpädagogischen Praxis konstruktiv eingesetzt werden können, um ästhetisch forschendes Lehren und Lernen zu bereichern. Dabei knüpft sie an die theoretischen Überlegungen Fischer-Lichtes sowie an phänomenologische Ansätze an. Peters beschreibt, auf welche Weise performative Praktiken essentielle Erfahrungen im kunstpädagogischen Zusammenhang auszulösen vermögen. Gemeinsam mit der Kunstpädagogin Christina Inthoff führt sie aus, welche Inszenierungsstrategien in konkreten Bildungssituationen, beispielsweise in schulischen Vermittlungssituationen, zur Anwendung kommen können. Diese Strategien basieren zwar auf den Ausführungen Fischer-Lichtes, doch weisen sie zugleich über diese hinaus, da sie verstärkt Zusammenhänge zwischen den Materialitäten performativer Praktiken thematisieren, sie in ihren Wirkungen auf die Beteiligten beschreiben und ihr Erfahrungs- und Erkenntnisspektrum umreißen. Die erste von Peters und Inthoff benannte Inszenierungsstrategie, Kombination von festgelegten und zufälligen Strukturen, betrifft die Wechselwirkungen zwischen festgelegten Rahmenbedingungen und freiem Handeln.204 Die Handlungen der Akteure changieren zwischen einer Anpassung an Regeln und ihrer Reformulierung.

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Die zweite Inszenierungsstrategie trägt dem experimentellen Charakter performativer Praktiken Rechnung: Selbst- und Fremdbeobachtungen werden in ihrem Rahmen angeregt.205 Mit Verweis auf die „autopoietische feedback-Schleife“ (Fischer-Lichte) heben Peters und Inthoff die temporären sozialen Beziehungen der Beteiligten hervor.206 Zur weiteren Differenzierung möglicher Beobachtung(en) rekurrieren sie auf den Soziologen Niklas Luhmann und unterscheiden zwischen Beobachtungen erster, zweiter und dritter Ordnung.207 Während die Beobachtung erster Ordnung die direkte Beobachtung und assoziative Dokumentation umfasst, meint die Beobachtung zweiter Ordnung eine nachträgliche Beschäftigung mit der performativen Handlung auf Grundlage von Dokumentationsmaterial.208 Da dieses wiederum Teil eines sich anschließenden performativen Prozesses sein kann, wenn eigene Überlegungen bzw. Aufzeichnungen für andere sicht- und hörbar gemacht werden, ist auch eine Beobachtung dritter Ordnung möglich.209

Nähe und Distanz, Privatheit und Öffentlichkeit, Empfindung und Körperkontakt als dritte Inszenierungsstrategie lenkt die Aufmerksamkeit auf weitere Dimensionen der Beziehungen der Beteiligten untereinander und zu sich selbst.210 Sowohl im geografischen als auch im übertragenen Sinn können Nähe und Distanz erfahren und erforscht werden.211 Mit der Strategie Zeitstrukturen und Rhythmus gehen Inthoff und Peters auf die Koordination der performativen Materialitäten Körperlichkeit, Räumlichkeit und Lautlichkeit ein. Zeitlichkeit bzw. Rhythmus werden als Rahmen bildende und Struktur gebende Prinzipien performativer Praktiken thematisiert.212 Rhythmus ist eng an die Strategie Wiederholung und Variation gekoppelt, welche die Autorinnen als reizvolles Neu- und Wiederentdecken beschreiben.213 „In der Wiederholung von (alltäglichen) Handlungen und ihrer bewussten Variation werden diese aus ihrem gewohnten Kontext gerissen und in ihrer Differenz aus neuen Perspektiven beobachtbar.“214 Die letzte Strategie betiteln Inthoff und Peters mit Handlungsraum wird Sprachraum und vice versa. Diese lenkt die Aufmerksamkeit auf die Verschränkung von Handlungs- und Sprachraum, darauf, wie ein Raum die Voraussetzung des jeweils anderen darstellt.215 Im Kontext performativer Kunstpädagogik und -vermittlung erfüllen Aufzeichnungspraktiken wie das Fotografieren oder Filmen zentrale Funktionen.216 Ein besonderes Augenmerk legt Peters auf gesprochene und geschriebene Sprache. Sie versteht die performative Handlung als „Einnahme einer experimentellen Haltung im Prozess der sprechenden und schreibenden Auseinandersetzung mit Kunst“217. Schriftliche Notate unterstützten oder ermöglichten gar erst, momenthafte Gefüge und die daraus resultierenden Erfahrungen gewinnbringend zu thematisieren.218 Dies gelte sowohl für den Ausführenden/die Ausführende selbst als auch für andere Beteiligte. Da jede sprachliche Übersetzung einer künstlerischen Arbeit bzw. ihrer Wahrnehmung Veränderungen zeitigt, geraten gerade diese Bedeutungsdifferenzen in den Fokus.219 Peters hebt den innovativen Charakter derartiger Übersetzungsleistungen hervor und weist in diesem Zusammenhang auf die Analogie zwischen der sprachlichen Annäherung an künstlerische Arbeiten und dem künstlerischen Schaffensprozess selbst hin.220 Sie stellt das prozessorientierte und vergegenwärtigende Schreiben als „eine ästhetische Grenzerfahrung“ heraus,221 die dem/der Schreibenden einen Perspektivwechsel ermöglicht. Jeder performativen Handlung ist im Kontext sprachlicher Auseinandersetzung mit Kunst ein Vermittlungsmoment inhärent. Jede/r wird zum/zur VermittlerIn seiner/ihrer eigenen Sichtweisen und Erfahrungen. Inthoff und Peters führen aus, wie durch Austausch „Lehrende und

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Lernende Kooperanden in der Hervorbringung einer gemeinsamen Sache“222 werden. In einem solchen Zusammenhang wird ein Rollentausch zwischen VermittlerInnen und ihren ZuschauerInnen bzw. ZuhörerInnen möglich.223 Nachdem mit den vorangegangenen Ausführungen Charakteristika, Potenziale sowie konkrete Ansätze einer performativen Praxis in der Kunstvermittlung erläutert wurden, drängt sich im Hinblick auf Radiokunst die Frage nach den Möglichkeiten einer performativen Vermittlung von Performance-Kunst geradezu auf. Letztere stellt aufgrund der oben genannten und erläuterten Merkmale eine große Herausforderung für die Vermittlung dar. Unterschiedlichstes Dokumentationsmaterial von Performances kann der Herstellung eines Mosaiks dienen, das einzelne Wesenszüge einer Performance sichtbar oder hörbar zu machen vermag, ohne dass sich die künstlerische Arbeit als solche wiederherstellen ließe. Gerade die Vermittlung von Performance-Kunst dürfte auf eine zentrale Herausforderung von Prozessen der Kunstvermittlung aufmerksam machen: das Sich-Entziehen von Wahrnehmung und Sinnbildung. Konkrete Überlegungen zur performativen Vermittlung von PerformanceKunst und ihrer Erforschung stellt die Kunsthistorikerin und -vermittlerin Barbara Campaner im Rahmen der Begleitforschung zur documenta 12 vor. Campaner stellt fest, dass die Vermittlungssituation per se performativ ist und Möglichkeiten der Variation der konventionellen Rollenverteilung von VermittlerInnen und BesucherInnen bietet. Ohne, dass sie explizit auf diese rekurriert, entspricht Campaners Ansatz dem Grundprinzip der künstlerischen Kunstvermittlung, d. h. ihre Vermittlungsstrategien orientieren sich an der Struktur der jeweils zu vermittelnden performativen Arbeit.224 Die performative Vermittlungssituation kann als re-enactment der ursprünglichen künstlerischen Arbeit entwickelt werden, mit dem Ziel, den Teilnehmenden ähnliche Erfahrungen zu ermöglichen wie jenen der originären Aktion.225 Performative Vermittlung von Radiokunst Wie im vorangegangenen Kapitel ausgeführt, ließe sich Radiokunst in Anlehnung an Seel als ästhetische Inszenierung verstehen, die auch über große geografische Entfernungen hinweg Wirkung erzielt.226 Eine performative Vermittlung kann bewerkstelligen, dass einzelne Aspekte dieser Inszenierung auch bei einer Rezeption aufgezeichneter Radiokunst zum Tragen kommen.

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Performance kann ein Genre der Radiokunst sein, aber auch Arbeiten, die diesem nicht zuzuordnen sind, stehen als Hörereignisse aufgrund ihrer Flüchtigkeit der Performance nahe. Die von Fischer-Lichte differenzierten Materialitäten zeigen diese Analogien in besonderer Deutlichkeit auf.

Der oben erläuterte kunstpädagogische Ansatz von Peters und Inhoff stellt ein Modell dar, das auch dazu dienen kann, radiophone Arbeiten auf die ihnen inhärenten Inszenierungsstrategien hin zu befragen, diese im Sinne einer Reinszenierung wieder wirksam werden zu lassen und Rahmenbedingungen einer Präsentation oder anderer Vermittlungsformate festzulegen. Performative Praxis kann synchron zum Hören stattfinden und damit eine ganz unmittelbare Auseinandersetzung mit radiophoner Kunst provozieren. Im Sinne der Strategie Kombination von festgelegten und zufälligen Strukturen wäre im Kontext einer Ausstellung danach zu fragen, welche Aspekte der jeweiligen radiophonen Arbeit inhärent sind und wie diese durch ein dingliches Setting zu modifizieren wären. Während eine radiophone Arbeit im Moment des Sendens in unzähligen Hörräumen rezipiert wird, findet im Museum eine Vereinheitlichung bzw. Reduktion auf einen Hörraum statt, der von KuratorInnen und VermittlerInnen gestaltet wird. Da die Aktionen der TeilnehmerInnen im Hörraum Ausstellung für andere wahrnehmbar sind, kann der Umgang mit den Handlungsanweisungen zum Gegenstand der Strategie Selbst- und Fremdbeobachtung werden. Was ist zu beobachten, wenn BesucherInnen auf die auditive Wahrnehmung zurückgeworfen sind? Was spielt sich auf visueller Ebene ab? Welche Handlungen anderer BesucherInnen sind erkennbar? Das Hören von Radiokunst kann eine „Feedback-Schleife“ (Fischer-Lichte) zwischen den aufeinander treffenden BesucherInnen auslösen. Fragen nach Nähe und Distanz, Privatheit und Öffentlichkeit im Sinne von Peters und Inthoff erhalten im Kontext des Hörraums Ausstellung weitere Bedeutung. Lässt sich beim Radiohören sonst nur über andere HörerInnen spekulieren, sind diese sich in einer Ausstellung körperlich nahe und sich ihrer in unmittelbarer Weise bewusst. Temporäre Beziehungen können sich entfalten und werden durch Hörereignisse initiiert, organisiert, gestärkt oder auch gestört. Damit ist bereits auf die Bedeutung der Strategie Zeitstrukturen und Rhythmus verwiesen: der Rhythmus der BesucherInnen, die Organisation ihrer Körperlichkeit, Räumlichkeit und Lautlichkeit können durch eine radiophone Arbeit beeinflusst werden. Auch dies wäre Teil der Selbst- und Fremdbeobachtung. Die Strategie Wiederholung und Variation erlangt gerade vor dem Hintergrund Bedeutung, dass in einer Ausstellung meist mit Aufzeichnungen von Radiokunst gearbeitet wird. Zudem kann die Wiederholung in der radiophonen Arbeit selbst Thema sein (in Form des Loops). Die Reaktionen der Hörenden hingegen gleichen sich nie. Insofern wäre in diesem Zusammenhang unter anderem nach der Variationsbreite von Reaktionen angesichts gleicher Hörereignisse zu fragen. Einzigartigkeit erlangt jedes Hörereignis so vor allem durch die Geschehnisse im Hörraum. Die von Peters und Inthoff entwickelte Strategie Handlungsraum wird Sprachraum ließe sich im Rahmen einer Vermittlung von Radiokunst erweitern, insbesondere hinsichtlich ephemer Räumlichkeiten, die sich im konstanten Hörraum Ausstellung temporär manifestieren und überlagern.

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Inwiefern stellt ein Raum die Voraussetzung des anderen dar? Der dargestellte Raum einer radiophonen Arbeit ließe sich auch als Handlungsraum verstehen, der sich auf akustischer Ebene vermittelt. Dieser überschneidet sich mit dem Handlungsraum der HörerInnen. Bei der Transformation in einen Sprachraum kommen schließlich performative Aufzeichnungspraktiken als konkretes Werkzeug zur Anwendung, das die Auseinandersetzung intensiviert. Konkret betrifft dies die Fixierung und Reflexion eigener und fremder Handlungen, eigener Wahrnehmungsprozesse und des akustischen Ereignisses an sich, d. h. der flüchtigen Materialität radiophoner Kunst. Im Zuge der Aufzeichnungspraxis kann sich jede/r Beteiligte als Augen- und Ohrenzeuge/Ohrenzeugin der radiophonen Arbeit, eigener und fremder Handlungen und Rezeptionsprozesse verstehen. Konkrete Vermittlungsaktionen, bei denen sich die TeilnehmerInnen performativ mit Radiokunst auseinandersetzen, entwickelt und erforscht Maria Peters.227 Anlässlich der Tagung Interaktion im Museum 2. Der Besucher im Fokus in der Kunsthalle Emden führte Peters den Workshop Ich bin es, die sagt: Ich bin da. Radiokunst. Interaktion und Vermittlung in medialen Räumen durch. Ihre phänomenologisch ausgerichtete Untersuchung wird von der Frage geleitet, „wie Momente der sprachlichen Sinnsuche in medialen Transformationen zwischen Hören, Sehen, Gehen, Bewegen, Empfinden, Denken und Schreiben mit der Widerständigkeit, Kontingenz und Nicht-Beherrschbarkeit von ästhetischen Erfahrungen produktiv werden“228. Die TeilnehmerInnen bewegten sich synchron zum Hören der Arbeit Nacht. Stimme. Zerstreuung. von LIGNA durch die Ausstellungsräume der Kunsthalle Emden und notierten ihre Gedanken. In dem sich an die Aktion anschließenden Gespräch berichteten die Ausführenden von ihren Erfahrungen.229 Diese waren im Wesentlichen durch die Wechselwirkungen zwischen Sehen, Hören und dem eigenen körperbetonten Handeln geprägt.230 Mag performative Praxis gewöhnlich mit dem visuellen Erleben verbunden sein,231 so dominieren im Kontext einer performativen Vermittlung von Radiokunst akustische Erlebnisse. Klang avanciert vom Beiwerk performativer Praxis zu ihrem Hauptbezugspunkt.

5.5 Partizipative Kunstvermittlung

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Der Begriff „Partizipation“ findet nicht nur auf ein breites Spektrum künstlerischer Arbeiten des 20. und 21. Jahrhunderts Anwendung, sondern kennzeichnet ebenso spezifische Formate zur Vermittlung von Kunst.232 Im Unterschied zur künstlerischen und performativen Kunstvermittlung handelt es sich nicht um eine Vorgehensweise, die ausschließlich in Kunstmuseen praktiziert wird. Vielmehr finden partizipative

Vermittlungsstrategien auch in Naturkunde-, Technik-, und Geschichtsmuseen Anwendung. Anknüpfend an meine Erläuterungen zu partizipativen Konzepten unter besonderer Berücksichtigung der Radiokunst,233 folgen in diesem Unterkapitel Ausführungen zur Partizipation, welche die Kunstvermittlung im Allgemeinen sowie das Ausstellen im Besonderen thematisieren. Partizipation wird als Mitwirkung von MuseumsbesucherInnen (NichtKünstlerInnen) an Ausstellungen bzw. einzelnen Elementen einer Ausstellung verstanden.234 Im Zentrum stehen Inhalte und Strukturen, aus denen Handlungen von RezipientInnen resultieren können, die über das sinnliche Nachvollziehen und Interpretieren hinausgehen.235 Wie die Kunstpädagogin Antonia Hensmann in ihrer Definition hervorhebt, kann es um die Teilhabe einzelner Personen oder ganzer Gruppen gehen, die aus eigenem Antrieb erfolgt oder durch andere motiviert wird.236 Der Handlungsspielraum kann mehr oder weniger weit gefasst sein. Er ist nicht auf eine Teilhabe an einzelnen Schritten beschränkt, sondern kann auch grundsätzliche Entscheidungen umfassen.237 Entsprechend könnte sich ein Museum als partizipativ bezeichnen, wenn es BesucherInnen an der Generierung von Inhalten programmatisch beteiligt, ihre Vernetzung fördert und dafür Sorge trägt, dass das Erarbeitete auch anderen BesucherInnen zugänglich ist. „Eine partizipatorische Institution ist nicht ‚über‘ etwas oder ‚für‘ jemanden, sondern sie wird ‚mit‘ den Besuchern gestaltet und betrieben.“238 Die Ziele partizipativer Ausstellungen können möglichen TeilnehmerInnen mehr oder weniger explizit kommuniziert werden. Ein allgemeiner Anreiz für das Initiieren partizipativer Projekte durch eine Kunstinstitution besteht darin, die Chancen darauf zu erhöhen, dass künstlerische Arbeiten für RezipientInnen eine persönliche Bedeutung erhalten und aus ihnen eine hohe emotionale wie kognitive Aktivierung resultiert.239 Partizipation kann Reflexionsprozesse der RezipientInnen auslösen,240 die gleichermaßen ihre eigene Tätigkeit wie den Vermittlungsgegenstand betreffen und sie auf diese Weise bei der Entwicklung einer eigenen Haltung unterstützen. Statt mögliche Ergebnisse im Vorfeld zu formulieren, gilt der offene Prozess als Ideal partizipativer Angebote.241 Dieser erlaubt den Beteiligten, sich mit ihren individuellen Interessen, Fertigkeiten, ihrem Wissen und ihren Erfahrungen einzubringen. Durch die Multiperspektivität der TeilnehmerInnen, so die Intention von BefürworterInnen einer partizipativen Vermittlung, lässt sich ein Bruch mit den Darstellungskonventionen von Institutionen bewirken, übliche Erzählmuster und -praktiken des Museums können gewissermaßen suspendiert werden.242 Grundsätzlich gilt, dass in partizipativen Ausstellungen kaum Vorhersagen über das Ergebnis und die Erfahrungen der BesucherInnen möglich sind und letztere stark variieren können.243

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Ein programmatisches Hinterfragen des kulturellen Phänomens der Interaktion und damit der Partizipation erfolgte Mitte der 1990er Jahre durch VertreterInnen der Interpassivitätstheorie.244 Diese Forschungsrichtung wurde vor allem durch den österreichischen Philosophen und Kulturwissenschaftler Robert Pfaller geprägt.245 Als entscheidendes Kennzeichen der Interpassivität benennt Pfaller das delegierte Genießen bzw. das Delegieren von Konsumption.246 Pfaller entwirft die Interpassivität nicht in strenger Opposition zur Interaktivität. Ihm ist vielmehr an einer Auflösung der im allgemeinen Verständnis vorherrschenden Dualität zwischen aktivem Handeln und passiver Betrachtung von Kunst gelegen.247 So sei die im Zuge der 68er-Bewegung aufgekommene Hypothese, Aktivität sei stets der Passivität vorzuziehen, nie ernsthaft angezweifelt worden.248 Pfallers Ausführungen zur interaktiven Kunst lassen sich auf die Vermittlung übertragen, da es zunächst um allgemeine Fragen der Kunstrezeption geht und unerheblich ist, ob Interaktion bzw. Partizipation einer künstlerischen Arbeit inhärent ist oder erst durch Vermittlungsprozesse initiiert wird. Er weist darauf hin, dass zahlreiche Menschen eine stille Kontemplation bevorzugen und auch die vermeintlich passive Kunstbetrachtung RezipientInnen intensiv fordere und zu kreativen Ergebnissen führe.249 Es sei nicht zu erwarten, dass partizipierende RezipientInnen eine kritischere Haltung entwickeln.250 Vielmehr hebt Pfaller mögliche negative Wirkungsweisen von Partizipation hervor. RezipientInnen würden im Zuge ihrer Beteiligung der künstlerischem Arbeit weniger Aufmerksamkeit schenken als sich selbst, d. h. eine Tendenz zum Narzissmus zeigen.251 Partizipative Strategien könnten, statt politische Emanzipation zu befördern, ihr sogar entgegenstehen.252 Mit ihrem Modell möglicher Dimensionen partizipativer Ausstellungen bietet die Kunstvermittlerin Anja Piontek eine erste Systematisierung existierender partizipativer Formate und offenbart damit gleichzeitig ihr breites Spektrum. Piontek benennt und formuliert dazu acht Hauptkategorien, die sich in zwei bis drei Unterkategorien weiter ausdifferenzieren.253 Die auf Ergänzung angelegten Hauptkategorien sind namentlich: Beteiligung, Akteure, Ausstellungsgegenstand, Raum, Zeit/Prozess, Kommunikation/Interaktion, Zielsetzungen und Selbstverständnis. Als konstitutive Elemente des komplexen Modells von Piontek werden im Folgenden die Kategorien Beteiligung, Kommunikation/Interaktion sowie Selbstverständnis detaillierter dargestellt.254 Diese betreffen die spezifische Struktur partizipativer Ausstellungsprojekte und erscheinen hinsichtlich der unterschiedlichen Ausprägungen partizipativer Formate, der ihnen zugrunde liegenden Intentionen und möglichen Wirkungen besonders relevant.

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Die Kategorie Beteiligung gliedert sich in fünf Unterkategorien: Hier ist zunächst die Partizipationsintensität zu nennen, bei welcher Piontek unter Rekurs auf Cornelia Ehmayer zwei Faktoren hervorhebt: das

Verhältnis der Partizipierenden zu den Entscheidungsstrukturen des Projekts sowie die Effektivität ihres Einsatzes.255 Die zweite Unterkategorie Typen formuliert Piontek auf Grundlage der Ausführungen der Kuratorin Nina Simon aus. Letztere nimmt bei partizipativen musealen Projekten hinsichtlich der Einflussnahme der Institution eine Einteilung in vier Stufen vor.256 Diese reichen von einer starken Lenkung durch MitarbeiterInnen des Museums innerhalb von „Contributory Projects“ (Projekten, die auf Mitwirkung von Außenstehenden setzen), über eine intensivere Teilnahme innerhalb von „Collaborative projects“ (kollaborativer Projekte) und „Co-creative projects“ (co-kreativer Projekte) bis hin zu „Hosted projects“ (Projekten, bei denen das Museum als Gastgeber fungiert).257 In einer dritten Unterkategorie, der Kategorie Beteiligung unterscheidet Piontek zwischen möglichen Ebenen, auf denen Partizipation angesiedelt sein kann.258 In diesem Zusammenhang gilt es die Stufe des Projekts zu benennen bzw. festzulegen, auf der eine Beteiligung erfolgen kann, z. B. durch eine Mitarbeit per Internet oder als TeilnehmerIn vor Ort. Auch die Durchführung prozessbegleitender Evaluationen ist, wie die Kommunikationswissenschaftlerin Christine Gerbich betont, elementarer Bestandteil partizipativer Museumsarbeit und bildet eine spezifische Ebene im Sinne der Kategorie Beteiligung.259 Mit der Oberkategorie Kommunikation und Interaktion zielt Piontek auf eine differenzierende Darstellung der sozialen Beziehungen der AkteurInnen. Im Rahmen der Unterkategorie Kommunikations- und Interaktionsmuster rückt dabei die Frage in den Mittelpunkt, wer mit wem interagiert.260 Die Betrachtung der Beschaffenheit der Kommunikation und damit auch eines möglichen Einsatzes von Medien erfolgt innerhalb der Unterkategorien Kommunikationsmittel und Kommunikationswege. KunstvermittlerInnen stehen in der Verantwortung, möglichst günstige Kommunikationsbedingungen für alle Beteiligten zu schaffen. Eine Voraussetzung dafür stellt das Bewusstwerden über die eigene Positionierung dar, weil der/die VermittlerIn als InitiatorIn potenziellen TeilnehmerInnen grundsätzlich hierarchisch übergeordnet ist.261 Dabei stehen die VermittlerInnen immer auch in Abhängigkeit von den übergeordneten Zielen der Institution, die in Pionteks Modell innerhalb der Kategorie Stellenwert der Partizipation Berücksichtigung erfahren.262 Indem Piontek an dieser Stelle nach dem Selbstverständnis fragt, mit dem Institutionen partizipative Projekte initiieren und betreiben, wird deutlich, dass jedem partizipativen Projekt allgemeine Ziele einer Institution eingeschrieben sind. Obwohl Partizipation allgemein als ein Begriff gilt, der eng an die Vorstellung der Mündigkeit und Mitsprache potenzieller TeilnehmerInnen geknüpft ist,263 können implizite Ziele der Institution Prinzipien der Mitbestimmung diametral entgegenstehen. Entsprechend schreibt Piontek von zwei unterschiedlichen, nahezu

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konträren Positionen: Die erste Position besetzt der transformative Diskurs nach Carmen Mörsch, in dessen Zuge eine Emanzipation potenzieller BesucherInnen angestrebt wird und das Museum durch Erweiterung seiner Funktionen zu neuer gesellschaftlicher Bedeutung gelangen kann. Die andere Position nimmt die zweckorientierte Integration partizipativer Elemente ein.264 Letztere ist aus Sicht der kritischen KunstvermittlerInnen als problematisch zu beurteilen, wie Nora Sternfeld unter Rekurs auf Antonio Gramsci ausführt. Dazu überträgt sie Gramscis Gedanken zu den Mechanismen der Herstellung und Erhaltung von Vorherrschaft auf partizipative Vermittlungsprozesse.265 Bei einer Vielzahl sogenannter partizipativer Projekte gehe es Sternfeld zufolge darum, durch kleinere Zugeständnisse hinsichtlich einer Beteiligung von BesucherInnen, die Hegemonie der Institution Museum zu stärken.266 Als Unterkategorie der Kategorie Stellenwert der Partizipation benennt Piontek die Projektimmanente Funktionalität. Diese betrifft die Frage, in welchem Maße die Realisierung eines partizipativen Projekts von der Beteiligung Dritter abhängig ist.267 Ist die Beteiligung weiterer Personen für die Umsetzung der Ausstellung substanziell oder erweitert eine partizipative Ebene lediglich das Ausstellungserlebnis? Folgt man den Ausführungen Sternfelds, wäre nur dann von einem partizipativen Ausstellungsprojekt zu sprechen, wenn „die gesamten Spielregeln“ zur Diskussion stehen, d. h. Partizipation konstitutiver Bestandteil des Projekts ist.268 Piontek spricht sich hingegen für einen moderateren Umgang mit partizipativen Vermittlungsformaten aus. Sie betont, dass auch partizipative Angebote mit engerem Handlungsspielraum eine Wirkung zu erzielen vermögen, weil diese zu einer Veränderung der Wahrnehmung beitragen und einen Perspektivwechsel veranlassen können.269 Dabei argumentiert Piontek gegen eine Vereinnahmung des Partizipationsbegriffs durch extreme Positionen, zugunsten einer Anwendung partizipativer Verfahren unter Abwägung der Möglichkeiten und Ziele der jeweils Beteiligten.270 Ähnlich wie Nina Simon betrachtet Piontek partizipative Ansätze vor allem als sinnvolle Ergänzung, nicht aber als Ersatz anderer musealer bzw. kuratorischer Strategien.271 Partizipative Vermittlung von Radiokunst Unabhängig von den konkret zu vermittelnden Arbeiten kann die Anwendung partizipativer Strategien die Vermittlungsarbeit darin unterstützen, die Bereitschaft, sich auf Radiokunst einzulassen, zu erhöhen und Aufmerksamkeit gegenüber einer relativ unbekannten und zeitbasierten Kunst zu wecken und zu binden. Daran knüpfen weitere Potenziale an, welche die Kunstrezeption an sich, Kunstinstitutionen und das Mediensystem betreffen.

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Da das partizipative Moment einer radiophonen Arbeit inhärent sein kann, wäre im Zuge eines partizipativen Vermittlungsansatzes konse-

quenterweise genau an dieser Stelle anzusetzen. Ein Ausgangspunkt ist also in den Konzepten radiophoner Arbeiten selbst zu erblicken. Insbesondere im Sinne der kritischen Kunstvermittlung wäre danach zu fragen, wie eine ‚Wiederbelebung‘ partizipativer radiophoner Strategien möglich wäre, die das kritische Bewusstsein von RezipientInnen fördert, das egalitäre Prinzip verteilter Autorschaft realisiert und/oder die Bildung sinnerzeugender Gemeinschaften unterstützt.272 Die Rolle des Künstlers/der Künstlerin als InitiatorIn einer partizipativen Arbeit geht dabei auf den/die VermittlerIn über. Dieser/Diese würde, analog zum Prinzip der künstlerischen Kunstvermittlung, die „Mentalität“ der jeweiligen Arbeit ergründen und letztere zum Ausgangspunkt seines/ihres Vermittlungsvorhabens machen.273 Zur näheren Bestimmung der Partizipationstrategien radiophoner Arbeiten ließe sich Pionteks Modell in einem ersten Schritt auf radiophone Kunst selbst anwenden. Auf welchen Ebenen ist die Partizipation angesiedelt? Wie ist der Handlungsspielraum der TeilnehmerInnen gestaltet? Ist ihre Beteiligung für andere wahrnehmbar? Ist sie eher symbolischer Natur? Dabei gilt es zu beachten, dass sich im Zuge der Rezeption partizipativer Arbeiten eine entscheidende Differenz zwischen Radiokunst im Prozess des Sendens und von Aufzeichnungen offenbaren kann. Partizipative Vorgehensweisen können bei aufgezeichneten Sendungen kaum als solche Wirkung entfalten. Sie sind diesen in manchem Falle noch nicht einmal „anzuhören“. Eine Beteiligung ist nicht mehr möglich oder erscheint oftmals nicht mehr sinnvoll und wäre im Zuge einer partizipativen Vermittlung neu zu initiieren. Das Anwenden bzw. das Weiterführen und Modifizieren künstlerischmedialer Strategien und der Umgang mit Radiotechnik gewinnt gerade vor dem Hintergrund Bedeutung, dass analoges Radio seit Aufkommen des Internetradios immer mehr verdrängt wird. RezipientInnen einer kontextlosen Aufzeichnung können kaum die Bedeutung und Wirkung von Arbeiten zur Zeit ihrer Produktion bzw. Sendung erfassen, d. h. der technisch-innovative Charakter vieler Produktionen geht verloren. Die Entwicklung partizipativer Formate unter Berücksichtigung spezifisch radiophoner Technik(en) vermag Kompetenzen im Umgang mit dem Medium und dem akustischen Material zu fördern. In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass eine Beteiligung im Sinne des Prinzips Radio nicht an einen festen Ort gebunden sein sollte, dass vielmehr ein öffentlicher Raum der Kommunikation und Kollaboration zu initiieren wäre, der über den konkreten Ort Museum hinausgeht. Die oben dargestellte Kritik von Seiten der kritischen Kunstvermittlung und der Interpassivitätstheorie offenbart Risiken, die gleichermaßen partizipative radiophone Arbeiten wie partizipative Vermittlungsansätze von Radiokunst im Allgemeinen betreffen. Partizipative Vermittlung

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sollte nicht zum Selbstzweck werden und eine Illusion von Beteiligung schaffen, statt diese zu realisieren. Jeder partizipative Ansatz wäre kritisch mit dem Bewusstsein zu prüfen, dass unterschiedliche Wirkungen möglich sind, auch solche, die sich vermeintlich diametral gegenüberstehen. Dies erscheint gerade im Hinblick auf eine Verschiebung des kommunikativen Kontextes von Bedeutung. Eine radiophone Arbeit im Rundfunk kann kritisches Bewusstsein stärken und dehierarchisierend wirken, ihr Reenactment im Museum hingegen Hierarchien zementieren.

5.6 Resümee Eine Vermittlung von Radiokunst im musealen Kontext bedeutet, Arbeiten hörbar zu machen und sie durch zusätzliche verbale oder visuelle Informationen und/oder ein dingliches Setting zu ergänzen. Auf Grundlage der kritischen Kunstvermittlung wurden Möglichkeiten und Herausforderungen einer Einbettung von Radiokunst in den musealen Kontext erläutert. Dabei zeigte sich, dass Übereinstimmungen zwischen den Intentionen von KünstlerInnen, die sich der Radiokunst widmen, und VertreterInnen der kritischen Kunstvermittlung bestehen. Der Transfer von Radiokunst in den Ausstellungsraum führt zu Reibungen und Brüchen und bietet Gelegenheit, das Museum als Ort der Sichtbarmachung und des Sehens zu hinterfragen. Ausgehend von einem Verständnis von Vermittlung, das diese u. a. als Dimension musealer Ausstellungstätigkeit fasst, wurden in den vorangegangenen Ausführungen drei konkrete Ansätze auf ihre Anwendbarkeit für die Vermittlung von Radiokunst diskutiert. Die oben dargelegten Modelle von Anja Piontek für die partizipative sowie von Maria Peters und Christina Inthoff für die performative Kunstvermittlung unterstützen einerseits dabei, die jeweils thematisierten radiophonen Arbeiten in ihrer partizipativen bzw. performativen Struktur näher zu charakterisieren und bieten andererseits eine Orientierung bei der Entwicklung eigener Vermittlungsstrategien. Sie fördern das Erarbeiten von Vermittlungsformaten, die mit den Spezifika der radiophonen Arbeiten korrespondieren. Den in Kapitel 4 entwickelten Zielen, Fokussieren der akustischen Wahrnehmung; Förderung der Reflexion über mediale Strukturen; Darlegung der politischen Dimension des Radios, Aufzeigen kollaborativer und kommunikativer Aspekte sowie Erweiterung des Kunstbegriffs vermögen die ausgeführten Ansätze deshalb in besonderer Weise Rechnung zu tragen, weil ihre Anwendung … •

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… einen offensiven Umgang mit dem flüchtigen Charakter der Radiokunst und eine Konzentration auf Prozesse statt auf (stabile) Ergebnisse erlaubt.



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… BesucherInnen ähnliche Erfahrungen ermöglichen kann, wie sie HörerInnen im Rahmen ursprünglich gesendeter Arbeiten machen konnten.274 Vor diesem Hintergrund sind die Stichworte Reenactment und neue Sinnerzeugung von zentraler Bedeutung. … die Voraussetzung für eine Vermittlung in den Modi Sprache und körperbetonte Handlung schafft. … BesucherInnen ermöglicht, sich der Unterschiede zwischen der Rezeption gesendeter und aufgezeichneter Radiokunst bewusst zu werden und jene Veränderungen zu beachten, die der Transfer von Radiokunst in den musealen Raum allgemein und bei individuellen Arbeiten im konkreten Fall bewirkt. … eine aktive Auseinandersetzung mit dem eigenen Verständnis von und den Umgangsweisen mit zeitgenössischer Kunst fördert. … BesucherInnen die Chance bietet, Wirkungen der Radiokunst auf sich selbst und auf andere wahrzunehmen. … radiophone Ausdrucksmöglichkeiten durch die eigene ästhetische Praxis erprobbar macht.

Radiokunst ihrerseits vermag die künstlerische, partizipative und performative Kunstvermittlung auf unterschiedlichen Ebenen zu variieren und fortzusetzen. Sie potenziert die Möglichkeiten der Kunstvermittlung bereits durch die allgemeinen Eigenschaften und Erfordernisse radiophoner Arbeiten. Diese vermögen das analytische, kommunikative und kollaborative Spektrum zeitgenössischer Kunstvermittlung um die Potenziale spezifischer radiophoner Technik zu erweitern („Low-Tech in Zeiten der Digitalisierung“). Sie leisten darüber hinaus einen wichtigen Beitrag zur Ausweitung der sinnlichen Dimensionen musealer Erfahrungen, indem sie hörbar machen, dass das Rezipieren von bildender Kunst nicht ausschließlich auf dem Sehen beruht. Durch ihre De- und Rekontextualisierung im Museum machen radiophone Arbeiten zudem die Kontextabhängigkeit und -unabhängigkeit von Kunst zu einem zentralen Thema.

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1 Vgl. Czech 2014a, S. 39–40 und Dech 2003, S. 40. Das Lernen im Museum wird verstärkt seit den 1970er Jahren diskutiert. (Vgl. Dech 2003, S. 39) 2 Oftmals ist jedoch auch von „Kunst- und Kulturvermittlung“ die Rede, was im musealen Kontext mit der Sonderstellung von Kunstmuseen zusammenhängen mag, die nicht der Kategorie „Kulturhistorische Museen“ untergeordnet werden. Siehe hierzu Weschenfelder; Zacharias 1992, S. 25. Von Kulturvermittlung ist meist dann die Rede, wenn es um die Vermittlung von unterschiedlichen kulturellen Produktionen und Prozessen geht, d. h. alle Künste gleichermaßen gemeint sind. (Vgl. Kulturvermittlung-Online o. J. b) Auch, wenn es im Rahmen dieser Arbeit schwerpunktmäßig um die Vermittlung von Arbeiten der bildenden Kunst geht, werden im Folgenden ebenso Ausführungen von einzelnen ForscherInnen sowie Organisationen herangezogen, die Kunstvermittlung unter den noch weiter gefassten Sammelbegriff „Kulturvermittlung“ subsumieren. Siehe hierzu auch Mörsch 2013, S. 15 und Mandel 2014, S. 19–21. 3 ICOM Deutschland – Deutsches Nationalkomitee des Internationalen Museumsrats 2010, S. 9. Als Säulen der Museumsarbeit wurden zunächst die Aufgabenfelder Sammeln, Forschen und Bewahren benannt. Mit dem Begriff „Bildung“ wurde in den 1970er Jahren erstmals ein Aufgabenfeld ergänzt, das explizit auf MuseumsbesucherInnen ausgerichtet ist. (Vgl. Hornig 2011, S. 50) 4 Fliedl 1998, S. 76. In jüngerer Zeit weist auch der Philosoph und Soziologe Oliver Machart darauf hin, dass die Einrichtung eigener Abteilungen für Vermittlung verschleiert, dass diese nur einen kleinen Teil des Museums als umfassenderem Vermittlungsapparat ausmacht. (Vgl. Machart 2015, S. 194) 5 Vgl. Deutscher Museumsbund 2006, S. 20. Siehe hierzu auch Hausmann; Frenzel 2014, S. 1. 6 Vgl. Mörsch 2009a, S. 9 und Henschel 2012, S. 17. Der Kunstvermittler Alexander Henschel arbeitet an einer Dissertation mit dem Arbeitstitel: Was heißt hier Vermittlung? Begriffliche Untersuchungen und logische Überlegungen zu einer Kunstvermittlung der Differenz. Unklarheiten bestehen zudem bei Texten zur Kunst- und Kulturvermittlung, die in englischer Sprache vorliegen und in denen mit dem Begriff „education“ bzw. „educating“ gearbeitet wird. Das englische Wort „education“ kann sowohl mit „(Aus)Bildung“, „Pädagogik“ als auch mit „Erziehung“ übersetzt werden. (Vgl. Fellermayer 2010) Ein Beispiel für diese Schwierigkeit offenbart der Vergleich von Irit Rogoffs Text Turning (2010) mit seiner unter dem Titel Wenden erschienen deutschen Übersetzung (2012). In der deutschen Fassung von Rogoffs Text wurde der englische Begriff in den meisten Fällen beibehalten, d. h. nicht nur dann, wenn es um den Terminus „Educational Turn“ geht. Beatrice Jaschke und Sternfeld setzen in ihrem einführenden Text im selben Sammelband das Fremdwort „edukatorisch“ bzw. „Edukation“ ein. Mörsch hingegen schreibt in ihrem Text Sich selbst widersprechen. Kunstvermittlung als kritische Praxis innerhalb des educational turn in curating im selben Sammelband wechselnd von Pädagogik, Bildung oder Vermittlung. In den folgenden Ausführungen adaptiere ich weitestgehend Begrifflichkeiten der AutorInnen, auf deren Aussagen ich mich beziehe, verwende darüber hinaus vor allem den Begriff „Vermittlung“, der, wie im Folgen ausgeführt, mögliche Bedeutungen des englischen Worts „education“ zu implizieren vermag. 7 Vgl. Tyradellis 2014, S. 87. 8 Duden Online-Wörterbuch o. J. Grundlage bildet hier das Verb „vermitteln“, weil die Bedeutung des Nomens „Vermittlung“ ausschließlich im Sinne der „Telefonvermittlung“ näher ausgeführt wird. 9 Siehe für weitere Erläuterungen zur Radiokunst als komplexem Zeichen auch Kap. 2.1.2. 10 Vgl. Tyradellis 2014, S. 87 und Roszak 2004, S. 42. 11 Vgl. Tyradellis 2014, S. 87. 12 Vgl. Goebl 2002, S. 38. 13 Vgl. Mandel 2014, S. 19. Mandel bezieht sich auf Pierre Bourdieus Aussagen über Codes, welche die Teilnahme am kulturellen Geschehen in einer Gesellschaft ermöglichen. Siehe auch Bourdieu 2014. 14 Mandel 2014, S. 19 (Herv. i. O.). Zur sozialen Komponente kultureller Produktion siehe auch Krais; Gebauer 2002, S. 54–55. 15 Seit den 1970er Jahren werden immer wieder Debatten um Möglichkeiten des Lernens im Museum geführt bis hin zu der Frage, ob sich das Museum überhaupt als ein geeigneter Lernort erweisen kann. Die damalige Diskussion wird prägnant durch den Titel von Ellen Spickernagels und Brigitte Walbes Publikation Das Museum. Lernort versus Musentempel (1979) auf den Punkt gebracht. Siehe hierzu auch Dech 2003, S. 39. Im Rahmen der vorliegenden Arbeit kann die Diskussion nicht in voller Breite dargestellt werden. Verwiesen sei jedoch auf die Argumentation der kritischen Kunstvermittlung in Kap. 5.2. 16 Z. B. durch Mörsch: „In dem vorliegenden Band bedeutet Kunstvermittlung die Praxis, Dritte einzuladen, um Kunst und ihre Institutionen für Bildungsprozesse zu nutzen: sie zu analysieren und zu befragen, zu dekonstruieren und gegebenenfalls zu verändern.“ (Mörsch 2009a, S. 9) 17 Auch der Titel einer Broschüre, welche die Vorsitzende des Bundesverbands Museumspädagogik, Hannelore Kunz-Ott, 2008 in Zusammenarbeit mit den Vorsitzenden des Österreichischen Verbands der KulturvermittlerInnen im Museums- und Ausstellungswesen und des Schweizerischen Verbands der Fachleute für Bildung und Vermittlung im Museum sowie dem Präsidenten des Deutschen Museumsbunds herausgibt, trägt den Titel Qualitätskriterien für Museen. Bildungsund Vermittlungsarbeit. Seit 2014 existiert der Arbeitskreis Bildung und Vermittlung des Deutschen Museumsbunds. Siehe Deutscher Museumsbund o. J.

18 Siehe zur historischen Entwicklung der Museen Sturm 2004, S. 199f und Klein 2004, S. 139–142. 19 Vgl. ICOM Deutschland – Deutsches Nationalkomitee des Internationalen Museumsrats 2010, S. 29. „Ein Museum ist eine gemeinnützige, auf Dauer angelegte, der Öffentlichkeit zugängliche Einrichtung im Dienste der Gesellschaft und ihrer Entwicklung, die zum Zwecke des Studiums, der Bildung und des Erlebens materielle und immaterielle Zeugnisse von Menschen und ihrer Umwelt beschafft, bewahrt, erforscht, bekannt macht und ausstellt.“ 20 Vgl. ICOM – The International Council of Museums o. J. „A museum is a non-profit, permanent institution in the service of society and its development, open to the public, which acquires, conserves, researches, communicates and exhibits the tangible and intangible heritage of humanity and its environment for the purposes of education, study and enjoyment.” (Ebd.) 21 Jürgensen wies Ende der 1990er Jahre auf die Bedeutung des Angebots unterhaltsamer Freizeitaktivitäten durch Museen hin (z. B. Kindergeburtstage), die der Museumspädagogik bzw. Vermittlungsarbeit zugerechnet werden. Unterhaltung wird meist im Zusammenhang mit Lernen betrachtet. Beispielsweise auch im Rahmen der „Generic Learning Outcomes“ des britischen Museums, Libraries and Archives Council liegt der Fokus auf dem Lernen, nicht auf der Unterhaltungsqualität. Siehe UK Museums Libraries and Archives Council o. J. 22 Vgl. Henschel 2014, S. 95. Henschel beruft sich dazu auf die mittelhochdeutsche Bedeutung des Worts „Vermittlung“ als Begriff für „Trennung“. Der Schweizerische Verband mediamus schreibt ebenfalls in Anlehnung an die etymologische Bedeutung des Worts „Vermittlung“, dass Kunstvermittlung ebenso Distanz schafft wie überbrückt und „die Differenz dazwischen zum konstitutiven Thema macht“. (mediamus 2013) 23 Henschel 2014, S. 96. Henschel gründet seine Aussage auf Immanuel Kant (Kritik der reinen Vernunft), G.W.F. Hegel (Phänomenologie des Geistes), Karl Marx, Theodor W. Adorno (Zur Metakritik der Erkenntnistheorie. Studien über Husserl und die phänomenologischen Antinomien) und Gotthard Günther. Siehe hierzu auch Sturm, die sich auf Pazzini, Grimm und Sloterdijk bezieht. (Vgl. Sturm 2004, S. 203–204). 24 Vgl. Stiller, S. 7. 25 Vgl. Weschenfelder; Zacharias 1992, S. 13. 26 Ebd. 27 Auch mediamus, der Schweizerische Verband für Fachleute für Bildung und Vermittlung im Museum und der Österreichische Verband der KulturvermittlerInnen im Museums- und Ausstellungswesen weisen darauf hin, dass sich der Begriff „Kunstpädagogik“ nicht als geeignet erweist, das heterogene Feld musealer Vermittlungsarbeit zusammenzufassen. (Vgl. mediamus o. J. und Österreichischer Verband der KulturvermittlerInnen im Museums- und Ausstellungswesen o. J., S. 1) 28 Statt des Begriffs „Pädagogik“ findet seit den 1960er Jahren meist der Begriff „Erziehungswissenschaften“ Anwendung. 29 Vgl. Weschenfelder; Zacharias 1992, S. 14. Als besonders nachhaltig stuft Czech Veranstaltungen für Multiplikatoren (z. B. LehrerInnen) ein, die allerdings vergleichsweise selten angeboten und in der Fachliteratur thematisiert werden. (Vgl. ebd.) 30 Im Rahmen der durch die Fachverbände für museale Bildungs- und Vermittlungsarbeit Deutschlands, Österreichs und der Schweiz gemeinsam erarbeiteten Broschüre Qualitätskriterien für Museen. Bildungs- und Vermittlungsarbeit verwenden die VerfasserInnen die Begriffe „Museumspädagogik“ und „Vermittlungsarbeit“ synonym – vor allem um Missverständnissen aufgrund von landestypischen Besonderheiten vorzubeugen. (Vgl. Deutscher Museumsbund 2008, S. 4) Siehe außerdem Beiträge der ReferentInnen der ICOM-Tagung Berufsfeld Museumspädagogik im Wandel Fliedl 1998, S. 76 und Smidt 1998, S. 161. 31 Der Deutsche Museumsbund betont, dass zu den AdressatInnen der musealen Vermittlungsarbeit nicht nur BesucherInnen, sondern gerade auch die Personen zählen, die das Museum nicht aufsuchen. (Vgl. Deutscher Museumsbund 2008, S. 12) 32 Vgl. Mandel 2014, S. 21 und Hausmann; Frenzel 2014, S. 1–2. Die Vorteile der Offenheit des Begriffs werden u. a. vom Deutschen Nationalkomitee des Internationalen Museums-Rats (ICOM) erkannt und geschätzt. Dieser ersetzte Ende der 1970er Jahre den Begriff „Bildung“ durch „Vermittlung“. Siehe hierzu auch Hornig 2011, S. 50. Andrea Frenzel und Linda Hausmann sehen Kunstvermittlung eng mit dem Kunstmarketing verbunden. (Vgl. Hausmann; Frenzel 2014, S. 1–2) Museale Tätigkeitsbereiche, die sich an betriebswirtschaftlichen Zielen orientieren, werden in den folgenden Ausführungen jedoch weitestgehend ausgeklammert. 33 Siehe hierzu Mandel 2014, S. 19–20; Sturm 2004, S. 198–206; Sturm 2003, S. 46–47; Settele 2012, S. 7; Mörsch; Settele 2012, S. 4; Mörsch 2009a, S. 9 und Henschel 2014, S. 91–100. 34 Vgl. Czech 2014a, S. 35. 35 Vgl. Weschenfelder; Zacharias 1992, S. 15–16. Als Begründung nennen sie die Fokussierung der Museumspädagogik auf die Zielgruppe Kinder- und Jugendliche, die bei der Gestaltung einer Ausstellung weniger Berücksichtigung findet. (Vgl. ebd.) 36 Vgl. Kirmeier et al. 2014, S. 7. 37 Deutscher Museumsbund 2008, S. 8. 38 Bereits die Überschrift „Ausstellen und Vermitteln“ zeigt diese Dualität auf. (Deutscher Museumsbund 2006, S. 14) Weiter heißt es dort: „Ausstellungen sind ein spezifisches Medium der Museen. Entsprechend aus- bzw. fortgebildete Beschäftigte wissen, dass sich bei der Deutung, Darstellung und Vermittlung von Objekten eigene Gesetzmäßigkeiten ergeben.“ (Ebd.)

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39 „Auch den Vermittlungsangeboten des Museums (Ausstellungen, generationenübergreifende museumspädagogische Programme, Kataloge, analoge bzw. digitale Medien etc.) liegt ein schriftliches Konzept zugrunde, das die inhaltlichen Ziele ebenso wie die Schritte der praktischen Umsetzung benennt.“ (Deutscher Museumsbund 2006, S. 10) 40 In den vergangenen zehn Jahren sind einige Publikationen erschienen, die sich u. a. der Verknüpfung von Kuratieren und Vermitteln widmen. Hinzuweisen ist hier insbesondere auf die Monografien der Kulturwissenschaftlerin Brigitte Kaiser (Inszenierung und Erlebnis in kulturhistorischen Ausstellungen. Museale Kommunikation in kunstpädagogischer Perspektive [2006]), der Kunsthistorikerin Maren Ziese (Kuratoren und Besucher. Modelle kuratorischer Praxis in Kunstausstellungen [2010]), des Kurators Daniel Tyradellis (Müde Museen oder: wie Ausstellungen unser Denken verändern könnten [2014]) sowie die Sammelbände der HerausgeberInnen Heike Kirchhoff und Martin Schmidt (für den Bundesverband Freiberuflicher Kulturwissenschaftler) (Das magische Dreieck. Die Museumsausstellung als Zusammenspiel von Kuratoren, Museumspädagogen und Gestaltern [2007]) und der Herausgeberinnen Kaija Kaitavuori, Laura Kokkonen und Nora Sternfeld (It‘s all mediating. Outlining and incorporating the roles of curating and education in the exhibition context [2013]). 41 An dieser Stelle sei auch auf die Publikationen aus diesem Kontext verwiesen, vor allem den jüngst erschienen Sammelband Ausstellen und Vermitteln im Museum der Gegenwart (2017), der auf der gleichnamigen internationalen Tagung basiert, welche die Zürcher Hochschule der Künste im November 2014 veranstaltete. 42 Vgl. Kaiser 2006, S. 378. 43 Vgl. Czech 2014b, S. 51–52. 44 Vgl. Vieregg 1998, S. 30. 45 Vgl. Kunz-Ott 2007, S. 126–127. 46 Vgl. ebd., S. 127. 47 Vgl. Tyradellis 2014, S. 44–46. 48 Vgl. Goebl 2002, S. 39. 49 Tyradellis 2014, S. 44–46. 50 Vgl. Kaitavuori 2013, S. X–XI. Siehe hierzu auch Philipps 2010, S. 85. Während Eva Sturm den (historischen) Beginn der Kunstvermittlung im 19. Jahrhundert verortet, sieht Mandel die ersten Ansätze der Kunstvermittlung im beginnenden 20. Jahrhundert. (Vgl. Sturm 2004, S. 200 und Mandel 2014, S. 20). Diese hat sich insbesondere durch Einflüsse der Kunsterzieherbewegung als Teil der Reformpädagogik entwickelt. (Vgl. Mandel 2014, S. 20) In den 1970er Jahren ist in Deutschland, ausgelöst durch ein verstärktes Interesse am Museum als Lernort, ein deutlicher Anstieg im Bereich der Einrichtung museumspädagogischer Abteilungen in Museen zu verzeichnen. (Vgl. Mandel 2014, S. 20 und Neumann 2010, S. 84) Eine Spezialisierung in der Ausbildung von Museumspädagogen bzw. VermittlerInnen erfolgt ab den 1980er Jahren durch das Etablieren von Studiengängen mit Schwerpunkt außerschulische Kunstvermittlung. (Vgl. Mandel 2014, S. 21) 51 Tyradellis 2014, S. 171. 52 Lepp 2012, S. 64. 53 Vgl. Czech 2014b, S. 51–52 und Kaitavuori 2013, XI. Weschenfelder und Zacharias betrachten Ausstellungen zugleich als „Vermarktung wissenschaftlicher Erkenntnisse“ und als „Öffentlichkeitsarbeit“ und leiten daraus ab, dass die Interessen potenzieller BesucherInnen von besonderer Relevanz sein müssen. (Vgl. Weschenfelder; Zacharias 1992, S. 72) 54 Vgl. Tyradellis 2014, S. 82. Die geringe Aufmerksamkeit, die Vermittlung oftmals zuteilwird, kann mit einer Unterfinanzierung verbunden sein. Siehe hierzu Goebl 2002, S. 39. 55 Vgl. Tyradellis 2014, S. 85. Vermittlung, die bei fertiggestellten Ausstellungen einsetzt, zeichnet sich durch eigene Inhalte und Methoden aus. (Vgl. Tyradellis 2014, S. 70) 56 Vgl. Tyradellis 2014, S. 44–46. Siehe auch Kaiser 2006, S. 20–21. 57 Tyradellis 2014, S. 44–46. 58 Vgl. Mörsch 2012, S. 68 und Jaschke; Sternfeld 2012, S. 13. Dem Sammelband Curating and the Educational Turn 2010, herausgegeben von Paul O´Neill und Mark Wilson wird eine besondere Relevanz im Hinblick auf den Diskurs attestiert, da er Beiträge bedeutender KuratorInnen, TheoretikerInnen und KünstlerInnen beinhaltet. Der 2012 erschienene Sammelband Educational turn: Handlungsräume der Kunst- und Kulturvermittlung, der von Beatrice Jaschke und Nora Sternfeld herausgegeben wurde, ist gewissermaßen komplementär zur Publikation von O´Neill und Wilson zu verstehen. Jaschke und Sternfeld weisen in ihrer Einleitung darauf hin, dass Curating and the Educational Turn zwar zahlreiche Positionen bündelt, doch ausgerechnet die SpezialistInnen auf dem Gebiet, die VermittlerInnen, nicht zu Wort kommen lässt. (Vgl. Jaschke; Sternfeld 2012, S. 13–14). Sie verstehen ihre Publikation als „kritische Perspektivierung“ aus der Vermittlung selbst heraus. (Vgl. Sternfeld 2012b, S. 118). Von besonderer Bedeutung ist der Text Turning (Titel der deutschen Übersetzung: Wenden) der Kunstwissenschaftlerin und Kuratorin Irit Rogoff, der Teil beider Sammelbände ist. Siehe Rogoff 2010 bzw. Rogoff 2012. 59 Vgl. Rogoff 2012, S. 43. 60 KuratorInnen und KünstlerInnen wählen ähnliche Bezugspunkte wie die VertreterInnen der kritischen Kunstvermittlung, namentlich die Befreiungspädagogik Paolo Freires sowie die theoretischen Ansätze von bell hooks und Jacques Rancière. (Vgl. Mörsch 2012, S. 68). 61 Vgl. O´Neill; Wilson 2010, S. 12.

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Vgl. ebd., S. 12–13. Mandel 2014, S. 21. Vgl. ebd. Vgl. Mörsch 2012, S. 69–70. Auch an anderer Stelle gibt sich Mörsch hinsichtlich des Educational Turn wenig optimistisch und betont, dass sich erst zukünftig zeigen wird, inwiefern tatsächlich eine Angleichung des Stellenwerts von künstlerischem, kuratorischem und pädagogischem Wissen erfolgt. (Vgl. Mörsch 2013, S. 133) Vgl. Mörsch 2012, S. 69–70. Mörsch 2012, S. 77. Dies kann auch in Verbindung mit der Forderung von Tyradellis gesehen werden, Ausstellungen als dritten Ort zu verstehen. Diesem gewissermaßen vorgelagert sind die nach Disziplinen getrennte Wissensproduktion durch ExpertInnen als erster Ort, und der zweite Ort als gefilterte und gelenkte Weitergabe des durch den ersten Ort generierten Wissens. (Vgl. Tyradellis 2014, S. 237–240) Eine Ausstellung als dritter Ort führt die ersten beiden Orte zusammen und zwar derart, dass ein anderer Zugriff auf Wissen des ersten Orts möglich wird, über ein Wahrnehmen wohlgestalteter Oberflächen hinaus. (Vgl. Tyradellis 2014, S. 237–240) Sternfeld 2015, S. 349. Auf Seiten der Kuration bestehen ebenfalls Vorschläge hinsichtlich anderer Berufsbezeichnungen, die das Wort „KuratorIn“ ersetzen könnten. So greift der Kunsthistoriker und -vermittler Justin Hoffmann beispielsweise die Bezeichnung „Kulturproduzent“ wieder auf, die in den 1990er Jahren aufkam. (Vgl. Hoffmann 2004, S. 116) Mit der Bezeichnung soll dem Umstand Rechnung getragen werden, dass die (Arbeits-)Bereiche sich nicht scharf voneinander trennen lassen. Hoffmann geht es hier allerdings nicht um eine Annäherung der Bereiche Kuration und Vermittlung, vielmehr soll die Bezeichnung den Abstand zwischen KünstlerInnen und KuratorInnen reduzieren. (Vgl. ebd. S. 116–117). Beispielsweise prägt die Theorie der kritischen Kunstvermittlung maßgeblich die Arbeit des Institute for Art Education in Zürich und den Studiengang ecm – educating/curating/managing der Universität für Angewandte Kunst in Wien. In der recht umfangreichen Publikation Museen und lebenslanges Lernen (2010) des Deutschen Museumsbunds werden Publikationen von VertreterInnen der kritischen Kunstvermittlung in der Literaturliste aufgeführt, ihre Arbeit sonst allerdings an keiner Stelle thematisiert. Mörsch 2013, S. 126. Die Künstlerin, Kunstvermittlerin und Theoretikerin Carmen Mörsch zählt zu den Mitbegründerinnen der kritischen Kunstvermittlung. Vor diesem Hintergrund ist insbesondere auf ihre Tätigkeit im Rahmen der Initiative Kunstcoop© (siehe Kunstcoop© 2013 und Bilankov 2002) hinzuweisen sowie auf das Vermittlungsprogramm auf der documenta 12 inklusive der wissenschaftlichen Begleitforschung. (Siehe Mörsch 2009b) Als Professorin an der Zürcher Hochschule der Künste zeichnete sich Mörsch u. a. für das Überblickswerk Zeit für Vermittlung (2013) verantwortlich. Die Theoretikerin und Kuratorin Nora Sternfeld ist documenta-Professorin an der Kunsthochschule Kassel sowie Mitglied des Wiener Büros Kunstvermittlung und kritische Wissensproduktion trafo.K. Mit ihren Arbeitsschwerpunkten Bildungstheorie, Ausstellungstheorie und -praxis, engagiert sich Sternfeld für eine Demokratisierung des Vermittlungs- und Ausstellungssystems. Eva Sturm ist als Kunstvermittlerin und Museologin in Theorie und Praxis tätig. Ihre Forschungsschwerpunkte sind Ausstellungs- und Museumsgeschichte. Seit Mitte der 1980er Jahre konzipiert und realisiert sie künstlerische Projekte in der Kunstvermittlung. Von besonderer Bedeutung ist ihre Publikation Im Engpass der Worte. Sprechen über moderne und zeitgenössische Kunst (1996), in der sie Sprechakte im Bereich der Kunstvermittlung thematisiert. Vgl. Mörsch 2013, S. 38. Vgl. ebd., S. 126. Zur New Genre Public Art siehe Lacy 1996. Eine Zuspitzung lässt sich im Kontext des Educational Turn beobachten. Siehe hierzu Mörsch 2013, S. 128. Vgl. Sternfeld 2005, S. 30–31. Vgl. Sturm 1996, S. 19. Vgl. ebd., S. 20–21. Vgl. ebd., S. 24. Vgl. ebd., S. 24–25. Vgl. ebd., S. 27. Siehe hierzu auch Bourdieu 2005. Vgl. Sternfeld 2013b, S. 2. Mörsch 2011, S. 22 in Anlehnung an de Certeau 1988. Vgl. Mörsch; Settele 2012, S. 4. Siehe hierzu auch Machart 2015, S. 194. Vgl. Mörsch 2013, S. 39. Dies gilt nicht nur für die Diskussion innerhalb der kritischen Kunstvermittlung (siehe beispielsweise Beiträge anderer AutorInnen in: Mörsch 2009b; Henschel 2012, S. 19), sondern für die Kunstvermittlung im Allgemeinen (siehe hierzu beispielsweise Piontek 2012, S. 225) ebenso wie für Diskussionen, in denen kuratorische Fragestellungen im Mittelpunkt stehen (siehe hierzu beispielsweise Ziese 2015, S. 328–330 bzw. Ziese 2010, S. 86–89). Vgl. Mörsch 2009a. Vgl. ebd., S. 12.

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92 Vgl. ebd., S. 9. Folgte man der Beschreibung des ICOM, würden VermittlerInnen ihre Aufgabe bereits mit der Entwicklung und Realisierung affirmativer Vermittlungskonzepte erfüllen. (Vgl. ebd.) Mörsch kritisiert damit die wage Definition des ICOM, welche die Vermittlungsarbeit nicht zu stärken vermag. 93 Vgl. ebd. 94 Siehe hierzu auch Sturm 1996, S. 36–37. 95 Vgl. Mörsch 2009a, S. 9–10. 96 Vgl. ebd. 97 Vgl. ebd. 98 Vgl. Mörsch 2013, S. 61. Ein zentraler Punkt, den Mörsch ebenso aufgreift, ist der sich seit einigen Jahren verstärkende finanzielle Druck auf öffentliche Kultureinrichtungen, der zu einem Kampf um steigende Besucherzahlen führt und aus diesem Umstand heraus eine Ansprache bisheriger Nicht-BesucherInnen erzwingt. Identifiziert werden diese als Personen, die über ein eher geringes „kulturelles und ökonomisches Kapital verfügen und die daher von einer privilegierten Position aus als ‚benachteiligt‘ oder ‚bildungsfern‘ gelten.“ (Ebd., S. 55) (Herv. i. O.) Auch die prekäre Arbeitssituation der VermittlerInnen wird von Mörsch in den Fokus gerückt. (Vgl. Mörsch 2012, S. 66) 99 Vgl. Sternfeld 2005, S. 24. Siehe hierzu auch Bourdieu 2006, S. 39–40. Mit dem Titel ihres Beitrags folgt Sternfeld Karl-Josef Pazzini. Dieser nutzt die Bezeichnung „Taxifahrermethode“ für museumspädagogische Ansätze, die darauf abzielen, individuell auf BesucherInnen einzugehen und ihre Vorerfahrungen bzw. ihr Vorwissen in Vermittlungsprozesse einzubeziehen. (Vgl. Sternfeld 2005, S. 21) 100 Zum Begriff „Emanzipation“ siehe in diesem Zusammenhang insbesondere Rancière 2005, S. 44. 101 Vgl. Mörsch 2011, S. 21–22 und Mörsch 2009a, S. 20–21. Benachteiligung kann Mörsch zufolge jedoch auch dann entstehen, wenn ihr eigentlich entgegengewirkt werden soll. (Vgl. Mörsch 2012, S. 75) 102 Sternfeld 2014, S. 12. 103 Vgl. Sternfeld 2005, S. 26. Kennzeichen dieser Prozesse ist unter anderem ihr offener Ausgang. Siehe hierzu Sternfeld 2009, S. 40–41. 104 Siehe hierzu vor allem Sternfeld 2009. 105 Vgl. Mörsch 2013, S. 81. Hinzuzufügen ist, dass VermittlerInnen sich nach Mörsch permanent in einem Zwiespalt zwischen unterschiedlichen Erwartungshaltungen befinden. (Vgl. Mörsch 2012, S. 55–56) 106 Vgl. Sternfeld 2013b, S. 4. 107 Vgl. Sternfeld 2005, S. 26. 108 Vgl. Sternfeld 2009, S. 21. 109 Eva Sturm beispielsweise beschreibt das programmatische Stören als eine Aufgabe bzw. Funktion der Vermittlung. Siehe hierzu Sturm 2002b. 110 Vgl. Mörsch 2009a, S. 10. 111 Vgl. ebd. 112 Vgl. Mörsch 2012, S. 64. 113 Vgl. Feustel 2015, S. 15 und Kimmerle 2004, S. 21. Sowohl der Politikwissenschaftler Robert Feustel als auch der Philosoph Heinz Kimmerle betonen, dass eine allgemeine Beschreibung der Dekonstruktion nicht möglich ist. (Vgl. Feustel 2015, S. 68–69 und Kimmerle 2004, S. 48–49) 114 Vgl. Feustel 2015, S. 46–47. 115 Vgl. ebd., S. 51. 116 Vgl. ebd., S. 47. 117 Derrida verwendet absichtsvoll die inkorrekte Schreibweise mit „a“, die nur in der geschriebenen Sprache aufzufallen vermag. (Vgl. Feustel 2015, S. 52) 118 Vgl. Feustel 2015, S. 54–55. 119 Vgl. ebd., S. 89. 120 Vgl. Mörsch 2009a, S. 19–20 und Mörsch 2006, S. 24–25. Ihre Untersuchung von Sprechakten im Bereich zeitgenössischer Kunst Im Engpass der Worte (1996) nimmt Sturm auf Grundlage der strukturalen Psychoanalyse nach Jacques Lacan vor. Sturm weist darauf hin, dass Theoriebildung auf Basis des Ansatzes von Lacan im Bereich der Kunst- und Filmtheorie bereits seit einigen Jahrzehnten zur Anwendung kommt, jedoch kaum Eingang in die Theorie und Praxis der Kunstvermittlung gefunden hat. (Vgl. Sturm 1996, S. 15) 121 Vgl. Mörsch 2009a, S. 13. 122 Michel Foucault zitiert nach Mörsch 2012, S. 60–61. 123 Für Eva Sturm liegt die Antwort auf die Frage nach einer Übertragung des dekonstruktiven Ansatzes nach Derrida auf die Kunstvermittlung in der Kunstpraxis selbst. (Vgl. Sturm 2002a, S. 27). Siehe hierzu Kap. 5.3. 124 Vgl. Sternfeld 2013b, S. 2. Mit dieser doppelten Funktion, so Sternfeld weiter, seien jene Voraussetzungen erfüllt, um von „Kritikalität“ entsprechend der Definition von Irit Rogoff zu sprechen. (Vgl. ebd., siehe hierzu auch Rogoff 2003) 125 Mörsch stellt für ebendiesen Diskurs fest, dass er bereits etablierter, wenn auch förderungsbedürftiger Teil der Vermittlung in Museen ist. (Vgl. Mörsch; Settele 2012, S. 4)

126 Vgl. Mörsch 2009a, S. 10. 127 Vgl. ebd., S. 13. 128 Bourdieu 2010, S. 362. Bourdieu unterscheidet vier Kapitalsorten voneinander: das ökonomische, soziale, kulturelle und symbolische Kapital. Unter Aufwendung von „Transformationsarbeit“ können die unterschiedlichen Kapitalsorten ineinander umgewandelt werden. (Vgl. Bourdieu 2005, S. 70) Das symbolische Kapital, das in besonderer Weise Kunstwerken als Gegenständen der Präsentation zugesprochen wird, dient der „Distinktion“, der Bildung sozialer Schichten. (Vgl. Bourdieu 2010, S. 362) 129 Auf das Potenzial der Definitionsmacht von Institutionen hinsichtlich der Intentionen der kritischen Kunstvermittlung macht Oliver Machart aufmerksam. (Vgl. Machart 2015, S. 199) 130 Als eine Möglichkeit für die reproduktive Vermittlung können Blockbuster-Ausstellungen gelten, die zwar Radiokunst beinhalten, jedoch zu einem großen Teil visuelles Material enthalten, das weder als Paratext noch als Metatext der radiophonen Arbeiten anzusehen ist. (Siehe hierzu Genette 2014, S. 14 und Genette 1993, S. 13) Dieses Material kann beispielsweise ähnlichen Entstehungskontexten im Hinblick auf Ort und/oder Zeit entstammen und verfügt in der Regel über ein hohes Maß an symbolischem Kapital. Ein Beispiel stellt die Ausstellung A House Full of Music der Mathildenhöhe Darmstadt (2012) dar, die neben auditivem Material eine Vielzahl an visuellen Arbeiten versammelte, die gleichermaßen der Kontextualisierung als auch der Aufladung mit symbolischem Kapital dienten. 131 So wird beispielsweise anhand der folgenden Aussage deutlich, dass Sturm das Museum als Institution betrachtet, die auf das sichtbar-Machen zielt: „Sie [die Museen] sind und schaffen Kontexte, Neu-Ordnungen und visualisieren diese in einem Raum.“ (Sturm 1996, S. 19) Dass Sturm hier an die Erwartungshaltung von (potenziellen) BesucherInnen anknüpft, wird im Folgenden deutlich: „Denn was man von Museen gewöhnlich erwartet, ist ein ihren jeweiligen Sichtbarkeiten zugrundeliegender Diskurs, der auf Erkenntnis beruht.“ (Sturm 1996, S. 20) Auch Aussagen von Sternfeld lässt sich entnehmen, dass ihr Fokus auf dem Sichtbaren liegt: „Es kann nicht ausreichen, bloß mitzumachen: Die Herstellung von Sichtbarkeit – sichtbar zu sein oder auch was sagen zu dürfen – kann einfach nicht genügen. Vielmehr geht es darum, in eine Auseinandersetzung über die Bedingungen der Definitionsmacht einzutreten. Ein Perspektivenwechsel, der einen Unterschied macht, zielt auf die gesamten Spielregeln und nicht bloß auf die Möglichkeit mitzuspielen: auf die Definitionsmacht über das Sichtbare.“ (Sternfeld 2012a, S. 123) 132 Vgl. Föllmer; Thiermann 2006, S. 18. 133 Vgl. Neumann 2010, S. 84 und Mörsch 2013, S. 127. Im Rahmen der Kunstvermittlung als kritischer Praxis sind die Verfahren künstlerischer Kunstvermittlung, wie bereits oben erwähnt, schwerpunktmäßig dem dekonstruktiven Diskurs nach Carmen Mörsch zuzuordnen. (Vgl. Mörsch 2009a, S. 19–20) Mörsch selbst praktizierte künstlerische Kunstvermittlung in den 1990er Jahren als eines der Mitglieder der Gruppe Kunstcoop©. 134 Vgl. Sturm 2002b, S. 33. 135 Vgl. Mörsch 2013, S. 127. Mögliche Bezeichnungen für diese Vermittlungsrichtung reichen von „kunsthafter Kunstvermittlung“ bzw. „künstlerischer Kunstvermittlung“ (Maset) bis hin zu „Kunstwiederholung“ (Sturm). In den folgenden Ausführungen, verwende ich hauptsächlich die Bezeichnung „künstlerische Kunstvermittlung“ von Maset, die nach meiner Auffassung das allgemeine Prinzip treffend beschreibt. 136 Vgl. Sturm 2011, S. 89, S. 114 und S. 157. 137 Maset 2006a, S. 16. 138 Vgl. Maset 2006a, S. 17. Fragwürdig erscheint Masets Aussage, künstlerische Vermittlung stelle deshalb eine Besonderheit dar, weil sie „mittels ästhetischer Verfahren, Prozesse und Reflexionen Werke erst (mit) herstellt.“ (Ebd.) In jedem Rezeptions- und Vermittlungsprozess konstituieren sich künstlerische Arbeiten erst im Rezeptionsprozess (z. B. im Falle von Radiokunst, die erst dann existiert, wenn sie gehört wird). Zwar lässt sich nicht von einer systematischen Anwendung ästhetischer Verfahren sprechen, anteilig dürften ästhetische Verfahren jedoch durchaus eine Rolle in Rezeptionsprozessen abseits einer explizit künstlerischen Vermittlung spielen. 139 Maset 1995, S. 122. Neben der ausführlichen Darlegung seiner grundständigen Vermittlungstheorie stellt Maset mit dieser Arbeit heraus, dass die Ästhetik vielmehr ein Moment aller Bildungsprozesse, d. h. gerade auch jener außerhalb des Feldes der Kunst ist. In seiner Publikation Ästhetische Bildung der Differenz (1995) beschreibt Maset Differenz nicht nur als Basisprinzip der Wahrnehmung im Allgemeinen. (Vgl. ebd. S. 25) Er zeigt vielmehr die Potenziale der Entfaltung von Differenz im Eigenen und Fremden auf. 140 Vgl. Maset 1995, S. 122. Sturm hebt hervor, es sei Maset zu verdanken, dass die Arbeiten von Deleuze Eingang in den Bereich von Kunstpädagogik bzw. -vermittlung im deutschsprachigen Raum gefunden haben. (Vgl. Sturm 2011, S. 22) Maset betont in unterschiedlichen Texten die Bedeutung der Ansätze von Deleuze für die Kunstvermittlung. Siehe hierzu beispielsweise Maset 2004, S. 86 sowie Maset 1995, S. 131 und S. 142–160. Eva Sturm bezieht sich in ihrer Publikation Von Kunst aus. Kunstvermittlung mit Gilles Deleuze (2011) maßgeblich auf Masets Ausführungen zur künstlerischen Kunstvermittlung. (Vgl. Sturm 2011, S. 136–157) 141 Vgl. Deleuze 2007, S. 42. Aufgrund der zweiten Ausprägung der Wiederholung nach Deleuze müsse Maset zufolge dem Begriff „Innovation“ ein Verständnis zugrunde gelegt werden, welches

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berücksichtigt, dass diese auf der „Entfaltung der Differenz durch die Wiederholung“ basiert. (Vgl. Maset 1995, S. 153) Die folgenden Ausführungen beziehen sich hauptsächlich auf das dritte Kapitel Kunstvermittlung als Kunstwiederholung (S.114–157) der Publikation Von Kunst aus. Kunstvermittlung mit Gilles Deleuze, da hier eine Herleitung und nähere Bestimmung der künstlerischen Kunstvermittlung erfolgt. Ähnlich wie in ihrer Arbeit Im Engpass der Worte geht es Sturm um Möglichkeiten der Darstellbarkeit, hier allerdings jenseits des Zeigens mittels Sprache. Leitend ist die Frage, was sich durch Kunst ereignen kann und welche Auswirkungen dies auf RezipientInnen, Kunst und die Situation hat. „Es geht um die Beobachtung von Konstellationen.“ (Sturm 2011, S. 28) Dazu spannt Sturm einen weiten Bogen von Rezeption über Kunstvermittlung, Lehren, ästhetischer Bildung bis hin zur Kunstvermittlung als Widerstand und der Frage nach einer rhizomatischen Kunstvermittlung. Das Wort „Rhizom“ stammt eigentlich aus der Botanik, wo es ein oberirdisches Sprossachsensystem bezeichnet. (Vgl. Deleuze; Guattari 1977, S. 10–11). Deleuze und Guattari nennen sechs Merkmale des Rhizoms: Prinzip der Konnexion, der Heterogenität, der Vielheit, des asignifikanten Bruchs, der Kartografie und der Dekalkomonie. (Vgl. Deleuze; Guattari 1977, S. 11–21) Sturm 2011, S. 115. Ebd. (Herv. i. O.). Ähnlich wie bei Maset geschieht dies u. a. auf Basis von Deleuzes Unterscheidung unterschiedlicher Formen der Wiederholung. (Vgl. Sturm 2011, S. 133) Maset 2001b, S. 24 (Herv. i. O.). Sein grundlegendes Verständnis des Worts „Operation“ entlehnt Maset den Ausführungen des italienischen Kunstkritikers Achille Bonito Oliva. (Vgl. Maset 2006b, S. 61) Siehe hierzu auch Bonito Oliva 1992, 29–30. Maset 2006b, S. 61. Vgl. Maset 2001b, S. 31. Vgl. Maset 2004, S. 87–88. Sowa unterscheidet unter Rekurs auf Aristoteles zwischen „machen“, das er als zweckorientiert und „tun“, das er als prozessorientiert versteht. (Vgl. Sowa 2000, S. 25) Siehe hierzu auch Maset 2006b, S. 58 sowie Maset 2001b, S. 28–29. Vgl. Sowa 2000, S. 25. Vgl. Maset 2001b, S. 29. Unter dem Leitbegriff „Vita activa“ fasst Arendt drei menschliche Grundtätigkeiten zusammen: 1. Arbeit als existenzielle Tätigkeit, die der Erhaltung der biologischen Grundfunktionen des Menschen dient. 2. Herstellen als das Schaffen einer materiellen Umwelt und 3. Handeln, das als Interaktion auf Basis des öffentlichen Raums von zentraler Bedeutung für die menschliche Existenz ist. (Vgl. Arendt 2015, 16–17) Vgl. Sturm 2011, S. 19–20. Rollig 2004, S. 134. Vgl. Sturm 2011, S. 126–127. Vgl. ebd., S. 153. Vgl. ebd. Vgl. Sturm 2002a, S. 32. Vgl. Sturm 2011, S. 154. Vgl. ebd., S. 157. Vgl. Maset 2006b, S. 59–60 und Maset 2001b, S. 20. Vgl. Maset 2001b, S. 14. Vgl. Maset 2001a, S. 79. Maset 2001a, S. 77. Vgl. Maset 2001b, S. 27. Maset beschreibt in diesem Zusammenhang sechs Voraussetzungen bzw. Rahmenbedingungen von KunstPädagogik. Zu ihnen zählen u. a. ihre bildungstheoretische Fundierung und ihre Funktion, Differenzerfahrungen zu ermöglichen. (Vgl. Maset 2001b, S. 34) Ausgehend von Masets Konzept der ästhetischen Operation bezeichnet Hubert Sowa Displacement als eines der „wichtigsten operationalen Verfahren zeitgenössischer Kunst“. (Sowa 2002, S. 73–74) Siehe hierzu Brohl 2003, S. 6–7 und Sowa 2002, S. 73–74. Vgl. Brohl 2003, S. 6–7 und Sowa 2002, S. 73–74. Siehe hierzu auch Kap. 4.2. Im Rahmen seiner Vorlesungsreihe How to do Things with Words Die Vorlesungen wurden unter dem Titel How to Do Things with Words. The William James Lectures delivered at Harvard University in 1955 posthum veröffentlicht. Deutschsprachige Ausgabe: Zur Theorie der Sprechakte (2010). Erika Fischer-Lichte beschreibt den Performative Turn als Wandel von der Dominanz des Textes in der westlichen Kultur zu einem Modell der Verknüpfung von Text und Performance. (Vgl. Fischer-Lichte 2002, S. 293). Siehe zum Performative Turn im weiteren Zusammenhang der Cultural Turns Bachmann-Medick 2014. Vgl. Austin 2010a, S. 26–28 und Austin 2010b, S. 150. Vgl. Austin 2010a, S. 26–28. In seinen späteren Vorlesungen erweitert Austin sein Konzept von der Differenzierung zwischen konstativen und performativen Äußerungen weiter zu einer Dreiteilung. In Zur Theorie der Sprechakte unterscheidet er zwischen „lokutionären“, „illokutionären“ und „perlokutionären Akten“. (Vgl. Austin 2010c) Siehe hierzu auch Wirth 2002, S. 13. Vgl. Wirth 2002, S. 10–11. Dabei besteht eine Abhängigkeit vom Kontext, d. h. performative Äußerungen bewahren nicht in jedem Zusammenhang ihre Gültigkeit und ihr Gelingen kann an weitere Handlungen der Beteiligten geknüpft sein. (Vgl. Austin 2010a, S. 29)

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Wirth 2002, S. 10 (Herv. i. O.). Ebd., S. 9–10 (Herv. i. O.). Vgl. Wulf; Zirfas 2007, S. 10. Vgl. Lange 2013, S. 5 und Lange 1999, S. 149–151. Als Bezeichnung für bestimmte Formen der Aktionskunst findet „Performance“ ab den 1970er Jahren Anwendung in Europa. Siehe zur Entwicklung und unterschiedlichen Ausprägungen der Performance-Kunst Klein; Sting 2005; Dreher 200; Lange 1999 und Jappe 1993. Klein; Sting 2005, S. 13. Ein Unterscheidungskriterium ist der schriftlich fixierte Dialog, welcher der theatralen Performance im Gegensatz zur Kunstperformance weitaus häufiger zugrunde liegt. (Vgl. Dreher 2001, S. 15) Im Bereich der bildenden Kunst wird zwischen unterschiedlichen Formen der Aktionskunst unterschieden: Während das Happening auf einer (körperlichen) Beteiligung des Publikums fußt, ist dies bei der Performance nicht zwangsläufig der Fall. (Vgl. Jappe 1993, S. 17) Mitunter werden die Begriffe „Performance“ und „Happening“ synonym verwendet, so beispielsweise von Dreher. (Vgl. Dreher 2001, S. 19). Jappe 1993, S. 10. Fischer-Lichte weist darauf hin, dass John L. Austin selbst den Begriff „performative“ nur auf sprachliche Äußerungen anwendet. (Vgl. Fischer-Lichte 2004, S. 34) Vgl. Fischer-Lichte 2004, S. 129–239. In Performativität. Eine Einführung (2013) unterscheidet Fischer-Lichte verschiedene Aspekte der Aufführung voneinander, die nicht völlig deckungsgleich mit den in Ästhetik des Performativen (2004) ausgeführten Kategorien sind. So ersetzt der Begriff „Rhythmus“ in der jüngeren Publikation den Begriff „Zeitlichkeit. (Vgl. Fischer-Lichte 2013, S. 64). Fischer-Lichte 2004, S. 129 (Herv. i. O.) Vgl. Fischer-Lichte 2010, S. 57. Vgl. Fischer-Lichte 2004, S. 187–188. Vgl. ebd. Die Atmosphäre ist eine Dimension dieses performativen Raums. „Der performative Raum ist immer zugleich ein atmosphärischer Raum“. (Ebd., S. 200) Vgl. ebd., S. 209. Vgl. ebd., S. 219. Vgl. Krämer 2003, S. 73; Kolesch 2003, S. 276 sowie Kap. 4.1. Vgl. Fischer-Lichte 2004, S. 227. Vgl. ebd., S. 232. Zudem führt Fischer-Lichte die Technik der „time brackets“ aus, die insbesondere in den Arbeiten von John Cage von Bedeutung ist. (Vgl. ebd., S. 232–234) Vgl. ebd., S. 175. Vgl. ebd., S. 127. Das Performative entzieht sich nach Auffassung von Fischer-Lichte seiner wissenschaftlichen Erschließung nicht allein aufgrund seiner vielfältigen Erscheinungsweisen, sondern auch aufgrund seines ephemeren Charakters. (Vgl. Fischer-Lichte 2000, S. 62) Lange 2003, S. 6. Vgl. Fischer-Lichte 2004, S. 58. Vgl. Fischer-Lichte 2010, S. 26 und Fischer-Lichte 2004, S. 59. Vgl. Peters 2000a, S. 153. Lange 2006, S. 103–104. Zum Einsatz neuer Medien in performativen Prozessen siehe auch Peters 2013 und Peters 2004. Vgl. Peters 2016b, S. 119 und Peters 2005, S. 8. Vgl. Wulf; Zirfas 2014, S. 520. Wulf; Zirfas 2014, S. 520 (Herv. i. O.). Vgl. Zirfas 2014, S. 190. Vgl. ebd. Vgl. Garoian 1999, S. 86. Garoian 1999, S. 88. An anderer Stelle charakterisiert Garoian die Institution Museum als performativen Ort. (Siehe hierzu Garoian 2001) Kern sei der Dialog zwischen dominanten gesellschaftlichen Deutungsweisen, welche die Institution (re-)präsentiere, und den individuellen Erinnerungen und Betrachtungsweisen der BesucherInnen. (Vgl. Garoian 2001, S. 234) Mit dem übergeordneten Ziel, die kreative und politische Handlungsmacht der BesucherInnen zu stärken, erläutert Garoian fünf pädagogische Strategien, die gleichermaßen Geschichte und Wahrnehmung/Standpunkte des Museums und seiner BesucherInnen in den Mittelpunkt stellen. (Vgl. ebd.) Vgl. Peters 2016b, S. 120 und Inthoff; Peters 2015, S. 135–136. Ausgeführt in Anlehnung an Fischer-Lichte 2013, S. 76. Vgl. Peters 2016b, S. 120 und Inthoff; Peters 2015, S. 136. Vgl. ebd. in Anlehnung an Fischer-Lichte 2004, S. 63. Siehe hierzu auch Fischer-Lichte 2004, S. 59. Vgl. Inthoff; Peters 2015, S. 136. Siehe zur Unterscheidung von unterschiedlichen Ordnungen der Beobachtung im Sinne Luhmanns auch Peters 2000a, 151–153. Vgl. Inthoff; Peters 2015, S. 136. Vgl. ebd. Vgl. Peters 2016b, S. 121 und Inthoff; Peters 2015, S. 136–137. Vgl. ebd. Hier ließe sich auch an Fischer-Lichte anknüpfen, die im Zuge ihrer Ausführungen zu den unterschiedlichen Materialitäten des Performativen im Rahmen der Kategorie Körperlichkeit eine nähere Betrachtung der Berührung vornimmt. Siehe Fischer-Lichte 2004, S. 101.

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212 Vgl. Peters 2016b, S. 121und Inthoff; Peters 2015, S. 137 in Anlehnung an Fischer-Lichte 2013, S. 64–65. Siehe auch Fischer-Lichte 2004, S. 227–229. 213 Vgl. Peters 2016b, S. 121und Inthoff; Peters 2015, S. 137 in Anlehnung an Fischer-Lichte 2013, S. 42. Zudem ließe sich an dieser Stelle auf Pierangelo Masets Theorie der Ästhetischen Bildung der Differenz verweisen. Siehe Kap. 5.3. 214 Inthoff; Peters 2015, S. 137. 215 Vgl. Peters 2016b, S. 121 und Inthoff; Peters 2015, S. 138–139. In Anlehnung an FischerLichte 2013, 58–59. Siehe hierzu auch Fischer-Lichte 2004, 187–189. 216 Vgl. Peters 2016b, S. 121; Aden; Peters 2011, S. 22; Peters 2007, S. 41; Peters 2005, S. 13; Peters 2000b, S. 139 und Peters 2000a, S. 152. 217 Peters 2016a, S. 307. 218 Vgl. Peters 2016a, S. 307. 219 Vgl. Peters 2016a, S. 287. 220 Vgl. Peters 2016a, S. 305–306. In diesem Zusammenhang weist Peters auch auf die Ausführungen von Eva Sturm hin, die sich der künstlerischen Kunstvermittlung widmet und deren empirische Untersuchungen zur sprachlichen, d. h. mittels gesprochener Sprache erfolgenden Auseinandersetzung mit Kunst (Sturm 1996) zu den wesentlichen Bezugspunkten auf diesem Gebiet zählen. (Vgl. Peters 2016a, S. 305–306) 221 Vgl. Peters 2015, S. 182. 222 Inthoff; Peters 2015, S. 146. 223 Vgl. Campaner 2009, S. 255. Dass ein Ausstellungsbesuch, auch ohne die Person des Vermittlers/der Vermittlerin als performatives Ereignis gelten kann, beschreibt auch der österreichische Kurator Werner Hanak-Lettner. Er bezeichnet Ausstellungen, insbesondere jene, die unter Einfluss des Performative Turn seit den 1990er Jahren entstehen, als „Prototyp des performativen Ereignisses“. (Vgl. Hanak-Lettner 2011, S. 190) 224 Vgl. Campaner 2009, S. 253. 225 Vgl. ebd., S. 252. Siehe zum Reenactment (=Wiederaufführung, Nachstellung) auch FischerLichte 2013, S. 43 und Westphal 2016, S. 7. 226 Vgl. Seel, S. 131. Siehe auch Kap. 4.5. 227 Siehe hierzu Peters 2015, 191–193 und Peters; Rothe 2014. Im selben Jahr arbeitete Peters mit Studierenden in der Ausstellung Über das Radio hinaus. 25 Jahre Kunstradio – Radiokunst in der Weserburg, Bremen. Im Rahmen dieser Vermittlungsaktion diente der Fragebogen Poetry of your voice des Künstlers Bruno Pisek (entwickelt im Kontext seines Projekts Ich bin es, der sagt, ich bin da.) als Grundlage der performativen Auseinandersetzung. 228 Peters 2015, S. 179. 229 Vgl. Peters; Rothe 2014 und Peters 2015, S. 192. 230 Vgl. Peters; Rothe 2014. 231 Jappe beispielsweise schreibt, dass im Fall der Performance-Kunst fast immer das visuelle Erlebnis fokussiert wird. (Vgl. Jappe 1993, S. 10) 232 Zum Begriff „Partizipation“ sowie zu Voraussetzungen und Intentionen partizipativer Kunst siehe Kap. 4.4. Wie die Kunstvermittlerin Anja Piontek bemerkt, bringt die ursprüngliche Wortbedeutung kaum zum Ausdruck, dass Partizipation auf Aktivität fußt, vielmehr entstehe der Eindruck, dass von einem erduldenden Subjekt die Rede sei. (Vgl. Piontek 2012, S. 221) Anja Piontek ist Verfasserin einer Dissertation zum Thema Partizipation im Museumskontext, die sie unter dem Titel Museum und Partizipation. Theorie und Praxis kooperativer Ausstellungsprojekte und Beteiligungsangebote 2017 veröffentlichte. 233 Siehe Kap. 4.4 in der vorliegenden Arbeit. 234 Vgl. Hensmann 2012, S. 144. 235 Vgl. Sommer 2014, S. 45. 236 Vgl. Hensmann 2012, S. 144. Einem engeren Verständnis folgend wäre eine Beteiligung nur dann als freiwillig zu verstehen, wenn sie auf der Überzeugung der Partizipierenden basiert. (Vgl. Piontek 2012, S. 224) 237 Vgl. Hensmann 2012, S. 144. 238 Simon 2012, S. 96. 239 Vgl. Piontek 2012, S. 227. 240 Vgl. ebd. 241 Vgl. ebd., S. 226. 242 Vgl. ebd., S. 230. 243 Vgl. Simon 2010, S. 2–3. 244 Der Begriff „Interaktion“ unterliegt in der Kunstwissenschaft einem Bedeutungswandel. Aus der Sozialwissenschaft übernommen, diente der Begriff im Kontext der Aktionskunst in den frühen 1950er und 1960er Jahren der Bezeichnung von Wechselwirkungen zwischen menschlichen Handlungen. (Vgl. Dinkla 1997, S. 14) In den 1960er Jahren wurde der Begriff von der Informatik übernommen und bezeichnete hier die Wechselwirkung zwischen BenutzerIn und Computer. (Vgl. ebd.) Mit dem Aufkommen digitaler Kunst fand der Begriff „Interaktion“ auch in der Kunst verstärkt Anwendung auf das Zusammenspiel von Mensch und Maschine. Eine erneute Anwendung auf die Wechselwirkung menschlicher Aktivitäten erfuhr der Begriff Mitte der 1990er Jahre im Zusammenhang mit der Netzkunst, hier jedoch als „medial gestützter Austausch zwischen Menschen“. (Arns 2007) Während die Begriffe „Interaktion“ und „Partizipation“ in der Kunstwissenschaft je nach Kontext einer künstlerischen Arbeit

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Anwendung finden, bestehen aus phänomenologischer Perspektive klare Überschneidungen zwischen den Begrifflichkeiten. (Vgl. Dinkla 1997, S. 14) Das Wort „Interaktion“ impliziert eine aktive Beteiligung im Sinne der Partizipation, während der Begriff „Partizipation“ immer eine Wechselwirkung zwischen Individuen (und Systemen) einschließt. (Vgl. ebd.) Pfaller sowie weitere TheoretikerInnen begegnen dem explosionsartigen Anstieg partizipativer bzw. interaktiver Kunst mit der „Hypothese des sich selbst betrachtenden Kunstwerks“. (Feustel et al. 2011, S. 7) Vgl. Pfaller 2000b, S. 2–3. Vgl. ebd. Siehe hierzu auch Feustel et al. 2011, S. 10. Vgl. Feustel et al. 2011, S. 8. Die Interpassivität wurde in den 1990er Jahren begründet, als die Ideale der 1960er Jahre wiederentdeckt wurden und den Umgang mit den neuen Technologien im Bereich der Kunst prägten. Der Politikwissenschaftler Robert Feustel kritisiert, dass der im Kern avantgardistische Gedanke von Partizipation in dieser Zeit absolut gesetzt wird und sich zu einer Ideologie verhärtet. (Vgl. ebd.) Vgl. Pfaller 2011, S. 18 und Pfaller 2000b, S. 2–3. Vgl. Pfaller 2011, S. 18. Vgl. Pfaller 2000a, S. 52. Pfaller weist unter Rekurs auf Michel Foucault und Louis Althusser darauf hin, dass Machtmechanismen nicht ausschließlich durch offensichtliche Repression Wirkung entfalten, sondern gerade dann, wenn eine Aktivierung des Subjekts erfolgt. (Vgl. Pfaller 2011, S. 19) Siehe Grafik Piontek 2012, S. 223. Piontek weist darauf hin, dass die unterschiedlichen Kategorien als gleichwertig anzusehen sind. (Vgl. Piontek 2012, S. 222) Vgl. ebd. Vgl. Simon 2010, S. 190–300. Vgl. ebd., S. 190–191. Vgl. Piontek 2012, S. 222. Vgl. Gerbich 2014, S. 442–443. Vgl. Piontek 2012, S. 224. Simon nennt hinsichtlich der Intensität der Kommunikation fünf Kategorien: 1. Einzelbesucher konsumiert Inhalte, 2. Einzelbesucher reagiert auf die Inhalte, 3. Reaktionen der Einzelbesucher werden mit denen der Gesamtheit aller Besucher in Verbindung gebracht, 4. Reaktionen der Einzelbesucher werden für die Stimulation sozialer Interaktion genutzt, 5. Einzelbesucher interagieren miteinander. (Simon 2012, S. 107). Vgl. Piontek 2012, S. 226. Vgl. ebd., S. 225. Vgl. Horz 2014, S. 34. Vgl. Piontek 2012, S. 225. Abseits dieser beiden Extreme weist Piontek auf die Partizipation als künstlerische Ausdrucks- und Arbeitsform hin (Vgl. ebd.) Partizipation als künstlerische Ausdrucks- und Arbeitsform ließe sich mit Pierangelo Maset auch im Sinne der ästhetischen Operation als eine mögliche Bündelung künstlerischer Strategien verstehen. Vgl. Sternfeld 2012a, S. 121. Vgl. ebd. Vgl. Piontek 2012, S. 225. Vgl. Sternfeld 2012a, S. 123. Siehe hierzu auch Sternfeld 2013a, S. 178. Vgl. Piontek 2012, S. 228. Vgl. ebd., S. 228–229. Vgl. Piontek 2012, S. 229. Siehe hierzu auch Simon 2010, S. III–IV. In Anknüpfung an die Ausführungen Bishops. (Siehe Kap. 4.4) Bishop bemerkt, dass im Kontext partizipativer Kunst die Kategorien Bildung bzw. Vermittlung und Kunst an Starrheit verlieren. (Vgl. Bishop 2012, S. 241). Vgl. Maset 2006, S. 61. Diese Erfahrungen lassen sich selbstverständlich nicht vereinheitlichen oder gar im Detail kalkulieren. Zudem sollten im Rahmen einer Ausstellung unterschiedliche Möglichkeiten der Rezeption gegeben sein, nicht alle BesucherInnen können und wollen sich in produzierender Weise beteiligen (Argumentation von VertreterInnen der Interpassivität), sondern können eine interpretierende bzw. kontemplative Haltung bevorzugen.

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6 Evaluation musealer Vermittlung von Radiokunst

In diesem Kapitel werden die vorangegangenen Überlegungen zur Vermittlung von Radiokunst in ihrer praktischen Umsetzung thematisiert. Konkret geht es um Inszenierungen innerhalb der Ausstellung Über das Radio hinaus. 25 Jahre Kunstradio – Radiokunst, die 2012/2013 im Zentrum für Künstlerpublikationen in Bremen präsentiert wurde. Die Ausstellung stellte einen Pfeiler des Forschungsprojekts Radiokunst: Zur Entwicklung eines Mediums zwischen Ästhetik und soziokultureller Wirkungsgeschichte dar. Mit ihrer Konzeption und Gestaltung begegneten die beteiligten Wissenschaftlerinnen der Herausforderung, Radiokunst im Kontext einer musealen Ausstellung einer breiten Öffentlichkeit zu vermitteln. Im Folgenden thematisiere ich Inszenierungen, in denen sich die Potenziale und Ziele der Vermittlung von Radiokunst (Kapitel 4) widerspiegelten und Prinzipien der in Kapitel 5 diskutierten Vermittlungsansätze Anwendung fanden. Die Evaluation einer Inszenierung erlaubt es mir, Erkenntnisse über die Wirkungen von Reinszenierungen radiophoner Kunst im musealen Kontext zu gewinnen, die auf künstlerischen, performativen und partizipativen Vermittlungsprinzipien beruhen. Die in den vorherigen Ausführungen aufgestellten Thesen zur Vermittlung von Radiokunst erfahren dabei ausgehend von folgenden Fragen eine Überprüfung, Ergänzung und Präzisierung: (Wie) lassen sich BesucherInnen auf die Inszenierung ein? Welche Wirkungsweisen werden sichtbar? Welche Erfahrungsdimensionen lassen sich auf Grundlage der Analyse des empirischen Materials voneinander differenzieren? Wie wirkt sich die Präsentation auf die (akustische) Wahrnehmung der BesucherInnen aus? Ich beginne mit einer Beschreibung der Ausstellung Über das Radio hinaus. Der Darstellung der Ausstellungskonzeption und -gestaltung folgen nähere Erläuterungen zu den Inszenierungen der Arbeiten Schlafradio von Norbert Math und Nacht. Stimme. Zerstreuung. von LIGNA. Die Darlegung der empirischen Untersuchung nimmt ihren Ausgang bei den Rahmenbedingungen und Methoden der Datenerhebung und Auswertung. Als Erhebungsinstrument dienten Besucherbucheinträge, die im Hinblick auf das Aktivierungspotenzial der Reinszenierung von Nacht. Stimme. Zerstreuung. untersucht wurden. Die Auswertung der Einträge basiert auf der qualitativen Inhaltsanalyse nach Philipp Mayring (Textbeiträge) sowie auf der dokumentarischen Methode der Bildinterpretation nach Ralf Bohnsack (Zeichnungen). Die Ergebnisse der Text- und Bildanalyse trage ich am Ende des Kapitels zusammen. 167

6.1 Ausstellung Über das Radio hinaus. 25 Jahre Kunstradio – Radiokunst Die Ausstellung Über das Radio hinaus. 25 Jahre Kunstradio – Radiokunst wurde vom 10. November 2012 bis zum 12. Mai 2013 im Zentrum für Künstlerpublikationen in der Weserburg, Bremen präsentiert. Für die Konzeption, Gestaltung und Umsetzung zeichneten die Leiterin des Zentrums für Künstlerpublikationen, Anne Thurmann-Jajes, sowie die wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen Jee-Hae Kim, Franziska Rauh und die Autorin dieser Arbeit verantwortlich. Das Ausstellungsteam folgte einem integrativen Verständnis von Vermittlung.1 Kuratorische und vermittelnde Tätigkeiten wurden bereits in der Konzeptionsphase eng verzahnt. Auf diese Weise konnten künstlerische, performative und partizipative Vermittlungsstrategien maßgeblich einbezogen werden.

6.1.1 Konzept – Inhalte – Gestaltung der Ausstellung

Auf einer ersten Ebene wurde die Titel gebende Sendereihe Kunstradio – Radiokunst als solche thematisiert.2 Anlass der Ausstellung war das 25-jährige Bestehen des Kunstradios, das am 3. Dezember 1987 das erste Mal auf Sendung ging. Diesbezüglich lassen sich folgende Vermittlungsziele benennen: • • •

Schaffung eines Überblicks über das Kunstradio als Radiokunstsendereihe bzw. audio(-visuelles) Museum, Aufzeigen der internationalen Vernetzung und Kooperation von KünstlerInnen im Rahmen des Kunstradios, Darlegung des Spektrums der Radiokunst, die im Rahmen der Reihe produziert und/oder gesendet wurde.3

Aufgrund der vielseitigen und langjährigen Tätigkeit des Kunstradios und seines breiten Spektrums an radiophonen Arbeiten bot die Ausstellung darüber hinaus ideale Voraussetzungen, um die in Kapitel 4 herausgearbeiteten Ziele zu verfolgen, d. h.: • • • • •

die akustische Wahrnehmung selbst in das Bewusstsein zu rücken, die Reflexion über mediale Strukturen zu fördern, die politische Dimension des Radios darzulegen, kollaborative und kommunikative Aspekte aufzuzeigen und zu einer Erweiterung des Kunstbegriffs der BesucherInnen beizutragen.

Diese stellten die auf einer Metaebene angesiedelten Vermittlungsziele dar, die im Zentrum meiner empirischen Untersuchung stehen. 168

Über das Radio hinaus wurde auf einer Fläche von etwa 470 Quadratmetern präsentiert, die in unterschiedliche Raumsegmente unterteilt war.4 Ein allgemeiner Ausstellungsbereich diente der Einführung und gab Einblicke in die Geschichte des Kunstradios, in dessen rege Aktivitäten (Produktionen, Ausstellungen, Tagungen), institutionelle Verknüpfungen, in die Zusammenarbeit der RedakteurInnen (mit KünstlerInnen, TechnikerInnen und TheoretikerInnen) sowie in seine Rezeptionsgeschichte. Der Einführung waren zwei Räume vorbehalten, in denen unterschiedliche Materialien zu sehen und zu hören waren. Im ersten Raum, den die BesucherInnen betraten, erhielten sie durch einen einführenden Text Basisinformationen zur Sendereihe Kunstradio – Radiokunst. Zudem befand sich in diesem Raum ein Computer, der das Aufrufen der Kunstradio-Internetseiten ermöglichte. Kunstradio On Line erlaubte es den BesucherInnen, einen großen Teil der bereits gesendeten Produktionen per Stream zu hören und stellte sich zudem als imposante Sammlung von Kontextinformationen dar.5 Neben dem PC-Arbeitsplatz lagen Publikationen des Kunstradios sowie Informationsmappen mit Materialien zu unterschiedlichen Projekten zur Ansicht aus. Der zweite einführende Raum wurde von einer Wand dominiert, die als Collage gestaltet war (siehe Abb. 1). Unterschiedliche Objekte (Plakate, Postkarten, Fotografien, CDs, ein T-Shirt) standen exemplarisch für die vielfältigen Tätigkeitsbereiche des Kunstradios, für Einzelveranstaltungen, wie z. B. bestimmte Konzerte, aber auch den Verein TRANSIT,6 der für einige Jahre von großer Bedeutung für das Kunstradio war. Neben diesem der Einführung dienenden Bereich, gliederte sich die Ausstellung in drei thematische Sektionen, die nicht Teil eines festen Abb. 1: Einführender Raum („Collage“), Foto: Bettina Brach

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Abb. 2: Bereich Politische Ereignisse und Positionen, Foto: Bettina Brach

Rundgangs waren, sondern unabhängig voneinander aufgesucht werden konnten. Die Sektionen Politische Ereignisse und Positionen, Kollaborative Arbeiten und Projekte sowie Partizipative Arbeiten und Projekte nahmen ihren Ausgang bei den jeweiligen Forschungsschwerpunkten der beteiligten Wissenschaftlerinnen. Für den Bereich Politische Ereignisse und Positionen (siehe Abb. 2) wählte die Kunstwissenschaftlerin Franziska Rauh radiophone Arbeiten und Projekte von KünstlerInnen aus, die politische Ereignisse thematisieren, direkt von diesen betroffen sind bzw. waren und/oder kritisch Stellung beziehen. Einen Schwerpunkt stellten Arbeiten dar, die in Zusammenhang mit dem Krieg im ehemaligen Jugoslawien in den 1990er Jahren stehen. Diese stammten unter anderem von der Künstlerin Ivana Stefanovic sowie den Künstlern Arsenije Jovanovic und Gordan Paunovic. Darüber hinaus wurden Arbeiten aus weiteren Kontexten präsentiert, vom Projekt State of Transition7 der österreichischen KünstlerInnen Andrea Sodomka, Martin Breindl, x-space und Norbert Math bis hin zum Projekt Sonic Projections from Schlossberg Graz des US-amerikanischen Künstlers Bill Fontana, das zur Zeit seiner Installation heftige Reaktionen der BewohnerInnen von Graz hervorrief.

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Die Medienwissenschaftlerin Jee-Hae Kim widmete sich mit dem Bereich Kooperative Arbeiten und Projekte (siehe Abb. 3) einer Sparte, die allgemein einen hohen Stellenwert in der Geschichte des Kunstradios einnimmt. In den 1990er Jahren ermöglichte das Kunstradio mehrere künstlerische Großprojekte, bei denen KünstlerInnen aus unterschiedlichen Ländern zusammenarbeiteten. Voraussetzung dieser Kooperationen

war nicht selten ein Ausschöpfen der damaligen technischen Möglichkeiten, d. h. neben der Radio- auch digitaler Technik. Zu den bekanntesten Projekten zählen Horizontal Radio (22.–23. Juni 1995), ein 24-Stunden Event, an dem etwa 24 Radiostationen aus unterschiedlichen europäischen Ländern, Israel, Australien, Kanada und Australien sowie etwa 200 KünstlerInnen beteiligt waren (siehe Abb. 4).8 Während sich Horizontal Radio nur über einen Tag erstreckte, wurden im Kontext des Kunstradios auch Projekte realisiert, die über mehrere Jahre andauerten.

Abb. 3: Bereich Kooperative und vernetzte Projekte, Foto: Bettina Brach

Abb. 4: Inszenierung Horizontal Radio, Foto Bildmitte: Robert Adrian X, Foto: Bettina Brach

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Abb. 5: Inszenierung Schlafradio, Foto: Bettina Brach

Anhand des Projekts Wiencouver beispielsweise thematisierte Kim die Konstitution neuer Räume durch das Kunstradio.9 Konkret wurden drei Teilprojekte von Wiencouver in der Ausstellung präsentiert: Ich bin es, der sagt: Ich bin da (1997–1999), Sound Drifting (1999) und das MERZmuseum (1999), die sich wiederum aus unterschiedlichen Einzelproduktionen zusammensetzen. Der von mir gestaltete Ausstellungsteil Partizipative Arbeiten und Projekte beinhaltete radiophone Arbeiten, an denen die Hörerschaft aktiv beteiligt war. Bei manchen der für diesen Bereich ausgewählten Arbeiten

Abb. 6: Inszenierung Nacht. Stimme. Zerstreuung. (Stationen B und C), Foto: Bettina Brach

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und Projekte wurden die HörerInnen oder andere AdressatInnen um kleine Beiträge in Form von Sound oder Stimme gebeten. Zu diesen Arbeiten gehörten beispielsweise Zählen (2007) von Robert Adrian und Martin Leitner oder die Hundegeschichten (1989) des australischen Künstlers Chris Mann.10 In anderen Fällen wurde den RezipientInnen ein größerer Freiraum gewährt bis hin zur aktiven Co-Autorschaft. Hier sind das Schlafradio (1993–1995) von Norbert Math (siehe Abb. 5) und Nacht. Stimme. Zerstreuung. (2006) von LIGNA (siehe Abb. 6) hervorzuheben. Insgesamt war die Ausstellungsgestaltung schlicht, sie entsprach Nacht. Stimme. im Wesentlichen dem Konzept Zerstreuung. (A) des White Cube. Da alle Bereiche offen waren, keine Abtrennung durch Türen etc. erfolgte, konnten nur wenige Arbeiten permanent laut gehört werden. Die meisten radiophonen Arbeiten, insgesamt 25, wurden in Form von digitalen Nacht. Stimme. Zerstreuung. (B) Aufzeichnungen ungekürzt und in der Regel inklusive der Anmoderation mit MP3-Playern und Kopfhörern hörbar gemacht. Viele Arbeiten wurden von visuellem Dokumentationsmaterial flankiert, größtenteils von (gerahmten) Fotografien, Konzepttexten, Zeichnungen oder auch CD- und Audiokassetten-Covern. Zudem wurden mehrere Filme, die Performances der KünstlerInnen dokumentieren, auf Flachbildschirmen präsentiert. Ein PC mit Touchscreen ermöglichte es BesucherInnen, gezielt einzelne Sendungen aus der Reihe curated by… auszuwählen und zu hören.11

Horizontal Radio

Nacht. Stimme. Zerstreuung. (C)

Schlafradio

Partizipative Inszenierungen

Abb. 7: Grundriss der Ausstellungsräume

Wandtexte betitelten die Ausstellungsbereiche und leiteten sie ein. Die einzelnen Stationen waren jeweils mit einem kleinen Schild versehen, das Auskunft über den/die KünstlerIn, den Titel, das Jahr der Sendung und die Länge der Arbeit gab. Weitere Informationen zu den Arbeiten konnten die BesucherInnen in erster Linie den Anmoderationen des Kunstradios entnehmen, die Teil der akustischen Aufzeichnungen und den künstlerischen Arbeiten vorangestellt waren. Am Eingang stand den BesucherInnen in einem Aufsteller ein Führungsblatt zur Ausstellung zur Verfügung, in einem weiteren ein x-Book12

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(siehe Abb. 8 und Abb. 9) mit der Aufforderung zur eigenen Beteiligung und einem eingelegten Fragebogen.13 Im x-Book wurden drei Stationen der Ausstellung hervorgehoben, bei denen konkrete Partizipationsmöglichkeiten bestanden:14 1. Die Präsentation der Arbeit Nacht. Stimme. Zerstreuung. von LIGNA 2. Die Präsentation des Schlafradios von Norbert Math 3. Die Präsentation von Horizontal Radio. Im Folgenden werden die Inszenierungen des Schlafradios von Norbert Math und der Arbeit Nacht. Stimme. Zerstreuung. von LIGNA näher erläutert. Abb. 8: x-Book Frontseite, Kunstradio-Logo: Robert Adrian X

6.1.2 Inszenierung des Schlafradios

Die Inszenierung des Projekts Schlafradio geht auf das Projektteam zurück. In einem nahezu quadratischen Raumsegment der Ausstellung von etwa 25 Quadratmetern stand eine frei bewegliche, hölzerne Schaukelliege für die BesucherInnen bereit.15 Durch einen Verstärker und Lautsprecherboxen erklang das Ur-Schlafradio von Norbert Math im Raum. Eine der Wände war den weiteren Schlafradio-Produktionen, Schlummernummer, Na, gute Nacht und Weave vorbehalten, die jeweils durch einen MP3-Player mit Kopfhörern zu hören waren. An einer weiteren Wand des Raumsegments hingen vier Fotografien der SchlafradioPerformance thetaPHASE (1994).16 Als technisches Utensil fanden die BesucherInnen zudem ein digitales Diktiergerät einschließlich der folgenden Anregung vor:

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„Nehmen Sie auf der Liege Platz und hören Sie sich das Schlafradio an. Nun haben Sie zwei Möglichkeiten. Entweder schlafen Sie ein oder Sie nutzen Ihr Handy oder das bereitgestellte Diktiergerät, um das Stück oder Teile davon aufzunehmen. Als Zugabe können Sie etwas hinzufügen bzw. etwas parallel produzieren z. B. Ihre eigene Stimme oder die Stimmen weiterer Personen, Geräusche mit Gegenständen machen, mit Handys und MP3-Playern

oder Geräusche, die parallel in der Ausstellung zu hören sind, einsammeln. Nehmen Sie alles auf – ohne Zensur. Wir freuen uns über eine akustische Gabe des Produzierten. E-Mail an: [email protected] oder per Post an: Studienzentrum für Künstlerpublikationen, Weserburg Museum für moderne Kunst, Teerhof 20, 28199 Bremen. Beim bereitgestellten Diktiergerät gilt: Bitte hinterlassen Sie das Produzierte auf dem Gerät und sprechen Sie, wenn Sie möchten, zusätzlich Ihren Namen sowie Ihre E-Mail-Adresse auf das Gerät. Die interessantesten Produkte werden auf dem Art’s Birthday am 17. Januar 2013 präsentiert.“17 Alle interessierten BesucherInnen waren dazu eingeladen, selbst zu produzieren und auf diese Weise das seit Mitte der 1990er Jahre ruhende Schlafradio-Projekt neu zu beleben. Das Diktiergerät ermöglichte es nicht nur, eigene Aufzeichnungen herzustellen,18 sondern ebenso die ästhetischen Produktionen von anderen BesucherInnen zu hören. Anlässlich des Art’s Birthday am 17. Januar 2013 sichteten wir das Material und wählten aus den 35 bis zu diesem Zeitpunkt eingereichten Beiträgen vier aus, die wir im Rahmen einer Live-Sendung präsentierten.19 Die Inszenierung des Projekts Schlafradio ergab im Vergleich zur ursprünglich Sendung einige Modifikationen hinsichtlich der Rezeptionssituation. Sie stellte kein Reenactment im herkömmlichen Sinne dar, weil es sich faktisch um eine Fortsetzung des Projekts handelte, die in Absprache mit dem Künstler realisiert wurde.20 Die Schaukelliege, in einem separaten Bereich der Ausstellung gelegen, lud zum entspannten Rezipieren und Produzieren ein. Einschränkungen hinsichtlich des Handlungsspielraums bzw. der Gestaltungsmöglichkeiten der BesucherInnen ergaben sich durch die verwendete bzw. zur Verfügung gestellte Technik und das akustische Ausgangsmaterial. Mit dem Ur-Schlafradio von Norbert Math wurde den

Abb. 9: x-Book Innen (Bespiel)

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BesucherInnen nur eine Arbeit als Grundlage für die eigene Produktion bereitgestellt. Abgeleitet vom Projekt-Konzept des Künstlers hätten auch die anderen Schlafradio-Beiträge des Kunstradios sowie sämtliche Beiträge von BesucherInnen als Basis für die weitere Arbeit verfügbar gemacht werden können.21 Die BesucherInnen zeichneten keine Radiosendung mit einem Kassettenrekorder auf, vielmehr stellten sie die (digitale) Aufzeichnung einer (digitalen) Aufzeichnung her, die sie gewissermaßen ergänzten. Der Mitschnitt war fast jederzeit während der Öffnungszeiten des Museums möglich, da die Arbeit im Loop gespielt wurde. Die Bearbeitung musste parallel zum Hörereignis stattfinden, so dass die eigene Soundproduktion und die aufgezeichnete radiophone Arbeit verschmolzen und mittels des Diktiergeräts gemeinsam dokumentiert wurden. Zur Produktion innerhalb der Ausstellung konnten BesucherInnen das einsetzen, was in ihren körperlichen und stimmlichen Möglichkeiten lag oder sich an Gegenständen im Raum oder in ihren Taschen befand. Arbeiteten BesucherInnen mit eigenem O-Ton, erzeugten sie eine „Spur des Körpers in der Sprache“22 und waren selbst hörbar. Durch Abhören des Diktiergeräts und/oder der Radiosendung (ggf. mit ihrem Beitrag) konnten BesucherInnen ihre eigene und fremde Stimmen im Modus ihrer medialen Übertragung erfahren.23 Da das Löschen, Ersetzen oder Vertauschen von Sequenzen der Schlafradio-Produktionen mit dem Aufzeichnungsgerät nicht möglich war, bestand ausschließlich die Option, Sound(-ebenen) hinzuzufügen.24 Die neuen Klangwelten, die im Kontext der Ausstellung entstanden, sind mit dieser zwangsläufig verbunden. Spezifische Geräusche des Orts bzw. der individuellen Situation prägen, beabsichtigt oder unbeabsichtigt, jede Produktion. An Stelle des Künstlers Norbert Math baten die AusstellungsmacherInnen um Beiträge. Die Adresse des Museums wurde genannt, aber keine konkrete Ansprechperson. Das Museum rückte an die Stelle des ORF Kunstradios, seine Mitarbeiterinnen sammelten die Beiträge und sorgten dafür, dass einzelne gesendet wurden. Einschränkungen wurden dabei explizit gemacht: Es wurde nicht versprochen, dass alle Beiträge gesendet werden, sondern nur eine Auswahl der „interessantesten Produkte“, für welche die Kuratorinnen bzw. Veranstalterinnen des Art’s Birthday verantwortlich waren. Die Sendung der Beiträge erfolgte schließlich ohne die Absicht, das Projekt auch auf dieser Ebene fortzusetzen. Das Konzept des Schlafradio-Projekts wurde im Verlauf der Live-Sendung zwar kurz erläutert, einen Aufruf, die Beiträge wieder mitzuschneiden, gab es jedoch nicht.25

6.1.3 Inszenierung von „Nacht. Stimme. Zerstreuung.“

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Die Inszenierung der Arbeit Nacht. Stimme. Zerstreuung. wurde in Kooperation mit den Künstlern von LIGNA entwickelt und umgesetzt. Die Künstler räumten Aspekten, die im Zusammenhang mit dem Sende-

moment, d. h. der ursprünglichen Live-Sendung stehen, einen hohen Stellenwert ein. Aus diesem Grund wurde die aufgezeichnete Sendung von einem MP3-Player im Loop gespielt und über einen Sender ausgestrahlt.26 Drei gleichartig gestaltete Sitzecken mit jeweils einem portablen Radiogerät, Tisch, Lampe, Sessel und Teppich luden dazu ein, sich niederzulassen und der Arbeit zu lauschen.27 Da die Aufzeichnung von Nacht. Stimme. Zerstreuung. ausgestrahlt wurde, war die Arbeit durch jedes Radiogerät in den Ausstellungsräumen zu empfangen, sofern die richtige Frequenz eingestellt war. Nacht. Stimme. Zerstreuung. stellte die einzige Arbeit in der Ausstellung dar, die tatsächlich gesendet und ausschließlich durch Radioempfänger hörbar war. Eine Ergänzung der von LIGNA gestalteten Wohnzimmer-Ensembles erfolgte durch die Beigabe von Besucherbüchern im DIN A5-Format mit Ringbindung und Bleistiften.28 Über den Zweck ihrer Verwendung klärten ein kurzer Text an der Wand sowie das am Eingang der Ausstellung ausliegende x-Book auf: „Wir laden Sie ein, Platz zu nehmen. Schalten Sie das Radio in einer für Sie angenehmen Lautstärke ein und versuchen Sie den Handlungsanweisungen zu folgen. Seien Sie aufmerksam, was mit Ihnen und Ihrer Umgebung passiert. Wir freuen uns, wenn Sie Ihre Erfahrungen im Besucherbuch auf dem Tisch aufzeichnen.“ Die Gestaltung des dinglichen Settings wurde dem Inhalt der radiophonen Arbeit, insbesondere den Handlungsanweisungen angepasst, doch resultierten aus dem oben beschriebenen Reenactment im Vergleich zur ursprünglichen Live-Sendung deutliche Unterschiede hinsichtlich der Rezeption. LIGNA konzipierte die Arbeit Nacht. Stimme. Zerstreuung. für das Hören im jeweiligen Zuhause der HörerInnen. Es sind Aktivitäten vorgesehen, die dort in der Regel relativ problemlos auszuführen sind. Die Gestaltung der drei Wohnzimmer-Ensembles entsprach der Absicht, einen privat anmutenden Ort in der Ausstellung zu schaffen. Sessel, Tisch, Lampe und Radio sind als symbolische Andeutung eines privaten Umfelds zu betrachten und stellten z.T. gleichzeitig das „Werkzeug“ für die vom Sprecher geforderten Handlungen dar. Durch die Vervielfachung des Wohnzimmer-Ensembles konnte deutlich werden, dass die Arbeit, dem Medium Radio entsprechend, synchron an unterschiedlichen Orten hörbar war.29 Ein einzelnes Radiogerät hätte dies weniger deutlich zum Ausdruck gebracht. Gleichzeitig bildete das Vorhandensein mehrerer Geräte eine Prämisse für das Ausführen der „Experimente“, die Teil der radiophonen Arbeit sind. Alle drei LIGNAStationen waren jeweils mit einem batteriebetriebenen Radio ausgestattet, d. h. sie konnten im Ausstellungsraum frei bewegt werden. Die räumliche Situation ließ dies jedoch, je nach Standort, nicht unmittelbar erkennen. BesucherInnen der ersten Station im Einführungsraum

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konnten die beiden anderen Stationen erst im Verlauf ihres weiteren Ausstellungsrundgangs sehen, während die dritte Station von der zweiten Station aus leicht zu erkennen war. Ließen sich die meisten Klangexperimente von Nacht. Stimme. Zerstreuung. im „Hörraum Ausstellung“ durchführen, so traf dies für die Versuche zur Modifikation der Rezeptionssituation nur bedingt zu. Die Lampen der Wohnzimmer-Ensembles ließen sich ausschalten, aber die Ausstellungsräume blieben bedingt durch Tageslicht und Neonröhren hell.30 Ausschließlich die erste Station im Eingangsbereich befand sich in unmittelbarer Nähe zu Fenstern, die sich öffnen ließen. Analogien und Unterschiede hinsichtlich des Kontextes traten im Hinblick auf den Höhepunkt der Arbeit besonders klar hervor: Kamen BesucherInnen der Bitte des Sprechers nach, das Radio auszuschalten, wurde die Arbeit weiter gesendet. Der Kreis derjenigen, welche diese Handlung synchron vollziehen konnten, war klar begrenzt – auf Personen, die sich in den Ausstellungsräumen aufhielten. Neben den körperbetonten Handlungen bzw. stimmlichen Äußerungen in Reaktion auf das Gehörte hatten BesucherInnen die Möglichkeit, eigene Aktivitäten, Gedanken und Gefühle in den Besucherbüchern zu fixieren und mit anderen BesucherInnen zu teilen.

6.1.4 Vermittlungsprinzipien der Inszenierungen

Im Gegensatz zu den meisten anderen Arbeiten in der Ausstellung wurden das Ur-Schlafradio sowie Nacht. Stimme. Zerstreuung. laut zu hören gegeben. Sie vermochten deshalb unmittelbar Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. BesucherInnen mussten keinen Kopfhörer aufsetzen und in Isolation zum unmittelbaren Umfeld treten. Vielmehr konnten sie synchron hören und andere im Hören akustischer Arbeiten erleben. Gemeinsam konnten sie der Bedeutung und nicht zuletzt auch der Flüchtigkeit von Hörereignissen gewahr werden. Die Präsentationen der Arbeiten folgten sowohl Prinzipien der künstlerischen als auch der partizipativen und performativen Kunstvermittlung. Die radiophonen Arbeiten wurden als unsichtbare „Attraktoren“31 aufgefasst und eine Vermittlung in ihrem jeweiligen Modus angestrebt. Beide Inszenierungen basierten auf jeweils spezifischen „Bündeln von Verfahren“,32 wobei der Fokus auf ihren partizipativen und performativen Strukturen lag. Beteiligungsmöglichkeiten für HörerInnen, in diesem Fall BesucherInnen der Ausstellung, blieben bestehen und wurden zugleich neu initiiert. KünstlerInnen, Ausstellungsmacherinnen und nicht zuletzt die BesucherInnen der Ausstellung setzten die radiophonen Arbeiten fort. 178

Hinsichtlich des von den Ausstellungsmacherinnen bestimmten Handlungsspielraums lässt sich festhalten, dass die Grenzen ähnlich eng gesteckt waren wie im Zuge der ursprünglichen Schlafradio-Sendungen bzw. der Übertragung von Nacht. Stimme. Zerstreuung. selbst. In keinem Fall war eine Beteiligung an grundlegenden Entscheidungen über die jeweiligen Konzepte der Präsentation vorgesehen.33 Die Einladung zur Beteiligung erfolgte durch schriftliche Texte, die klar formulierte Aufforderungen enthielten. Aufgrund des genau definierten Handlungsspielraums entsprachen beide Inszenierungen dem Typus Contributory Project nach Nina Simon.34 BesucherInnen konnten den Präsentationen auch mit einer kontemplativen Rezeptionshaltung begegnen. Entschieden sie sich für eine Beteiligung, bereicherten sie die Ausstellung mit eigenen ästhetischen Produktionen, die sie zeitgleich zum Hören der radiophonen Arbeiten herstellten. Die dinglichen Settings sorgten nicht nur für Transformationen vom „Handlungsraum zum Sprachraum und vice versa“,35 sondern ebenso für eine Übertragung von der akustischen auf die visuelle Ebene. Im Rahmen des Settings von Nacht. Stimme. Zerstreuung. wurde die Übersetzung von kognitiven, emotionalen und körperlichen Reaktionen in Schriftsprache und Zeichnung forciert, im Falle der Schlafradio-Inszenierung in akustische Zeichensysteme. So wurden schriftliche und akustische Aufzeichnungsprozesse möglich, die den ProduzentInnen zu einem Perspektivwechsel36 verhelfen konnten – ebenso wie den späteren LeserInnen, BetrachterInnen und HörerInnen des Materials. Wie oben dargelegt, waren sowohl die Inszenierung des Schlafradios als auch von Nacht. Stimme. Zerstreuung. darauf ausgerichtet, den BesucherInnen ein breites Spektrum an Erkenntnissen und Erfahrungen innerhalb der Ausstellung zu ermöglichen. Im Rahmen der Präsentation des Schlafradios entwickelten die BesucherInnen interessante Produktionen, die jedoch kaum Rückschlüsse auf ihre Produktions- und Rezeptionserfahrungen erlauben. In den folgenden Ausführungen beziehe ich mich deshalb allein auf die Wirkung der Reinszenierung von Nacht. Stimme. Zerstreuung. Diese basierte als einzige Präsentation in der Ausstellung auf radiophoner Technik (Sender und Empfängern), war theoretisch an jedem Punkt in der Ausstellung hörbar und prägte durch ihre Omnipräsenz Über das Radio hinaus in besonderer Weise. Die Besucherbücher, die Teil der Reinszenierung waren, enthalten sowohl ästhetische Produktionen der BesucherInnen als auch Erläuterungen zu ihren Erfahrungen im Zusammenhang mit der Präsentation.

6.2 Fragestellung und methodisches Vorgehen Die Reinszenierung von Nacht. Stimme. Zerstreuung. im Kontext der Ausstellung Über das Radio hinaus wurde in ihren Wirkungen qualitativ evaluiert.37 Qualitative empirische Verfahren sind darauf ausgelegt, eine

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Beschreibung sozialer Wirklichkeit „aus der Sicht der handelnden Menschen“38 zu ermöglichen. Abzugrenzen sind diese Verfahren von der Besucherforschung, die im Bereich der Marktforschung angesiedelt ist.39 Im Gegensatz zu Besucherstudien, welche die BesucherInnen als „Erhebungsobjekte“ in den Blick nehmen,40 steht bei der vorliegenden Studie die exemplarische und systematische Analyse ihrer Handlungen, Wahrnehmungen und Erfahrungen im Fokus.41 Nach Auffassung des Soziologen Volker Kirchberg besteht das Ziel evaluativer Maßnahmen im Museum darin herauszufinden, inwiefern Ausstellungsziele erreicht wurden, um eine Verbesserung des Lernerfolgs von Ausstellungen zu erwirken.42 Nicht aus dem Blickfeld geraten sollte dabei, wer welche Ziele und damit das Gelingen einer Ausstellung definiert, d. h. inwiefern nicht nur Ansichten von MuseumsmitarbeiterInnen bzw. ForscherInnen, sondern auch der BesucherInnen selbst Berücksichtigung erfahren. Der dänische Kurator Christian Hviid Mortensen bemängelt in seiner Studie zur Ausstellung von Radiosendungen im Museumskontext, dass Museen oftmals zu stark auf die von ihnen festgelegten Lernziele fokussieren.43 Unter Rekurs auf die Soziologin Zahava D. Doering und die Erziehungswissenschaftlerin Tiina Roppola plädiert er für eine stärkere Aufmerksamkeit für Erfahrungen der BesucherInnen abseits vordefinierter Lernziele.44 Im Fokus der im Folgenden dargestellten Untersuchung stehen die Erfahrungen regulärer BesucherInnen der Ausstellung Über das Radio hinaus. 25 Jahre Kunstradio – Radiokunst. Den Ausgangspunkt der Betrachtungen bildet die These, dass sich in den Aufzeichnungen der BesucherInnen kognitive, emotionale und körperliche Reaktionen auf Themen und Struktur der Reinszenierung von Nacht. Stimme. Zerstreuung. spiegeln. Folgende Fragen liegen der Erhebung und Analyse des empirischen Materials zugrunde: •

• •

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Auf welches Aktivierungspotenzial der Reinszenierung von Nacht. Stimme. Zerstreuung. im Rahmen der Ausstellung Über das Radio hinaus verweisen die Einträge? Was sind die hauptsächlichen Erfahrungen der BesucherInnen mit der radiophonen Arbeit im Rahmen ihrer Reinszenierung? (Wie) werden Struktur und Inhalte der radiophonen Arbeit von den BesucherInnen aufgenommen und dargestellt?

Eine Herausforderung im Zusammenhang mit der Untersuchung bestand für mich darin, meine Doppelrolle als Vermittlerin bzw. Co-Kuratorin der Ausstellung und Forscherin umsichtig zu handhaben. Positive Aspekte der Doppelrolle als ForscherIn und VermittlerIn führen die Soziologin Teresa Brannick und der Aktionsforscher David Coghlan ins Feld.45 Sie gehen weniger davon aus, dass die Involvierung, beispielsweise aufgrund einer starken emotionalen Beteiligung, von Nachteil für eine Untersuchung ist. Vielmehr weisen sie auf die spezifischen Einblicke

hin, die das Vorwissen und die Erfahrungen von Insidern bei empirischen Untersuchungen erlauben.46 Produktiv wirkte sich zudem die Arbeit in einem Forschungsteam aus. So war es mir möglich, ebenso kuratorische Fragen wie auch mein Vorgehen bei der Datenerhebung und -auswertung mit meinen Kolleginnen zu diskutieren. Das Projektteam konzipierte, gestaltete und realisierte die Ausstellung gemeinsam. Den ersten Schritt markierten dabei die Recherche und Aufbereitung der ausgewählten Arbeiten mit Unterstützung der beteiligten KünstlerInnen sowie die Konzeption der Ausstellung unter Berücksichtigung der oben genannten Vermittlungsziele. Darauf folgten die Gestaltung der Ausstellung und die empirische Untersuchung. Für die Erhebung im Rahmen der vorliegenden Studie nutze ich die Besucherbücher der Reinszenierung von Nacht. Stimme. Zerstreuung. Ihre Text- und Bildbeiträge analysiere ich zunächst unabhängig voneinander.47 Dem Prinzip der Triangulation entsprechend,48 ziehe ich zwei Verfahren der Datenauswertung heran, um gewonnene Erkenntnisse zu überprüfen und zu vertiefen. Ich folge hier den Aussagen des Psychologen und Sozialwissenschaftlers Uwe Flick, der die wesentlichen Funktionen der Triangulation in der Validierung, Generalisierung und Erweiterung von Erkenntnissen erblickt.49 Die Textbeiträge untersuche ich mittels der qualitativen Inhaltsanalyse nach Philipp Mayring, die Zeichnungen auf Grundlage der dokumentarischen Methode der Bildinterpretation nach Ralf Bohnsack. Üblicherweise wird vor der tatsächlichen Erhebung ein Pretest durchgeführt, um zu Einschätzungen hinsichtlich der eigenen Datenerhebung zu gelangen. Dieser kann u. a. Auskunft über die Durchführungsdauer, Vollständigkeit und Verständlichkeit der Erhebungsinstrumente geben und der gezielten Überarbeitung des Vorgehens dienen.50 Die an das Besucherbuch geknüpfte Handlungsaufforderung erwies sich im Rahmen einer solchen Überprüfung innerhalb der ersten Ausstellungswoche als verständlich und sinnvoll. Jedoch wurde die Inszenierung von Nacht. Stimme. Zerstreuung. durch ein Detail ergänzt. MuseumsmitarbeiterInnen im Aufsichtsdienst berichteten, dass die Radiogeräte oftmals auf andere Frequenzen eingestellt waren. Aus diesem Grunde wurde jedes Radiogerät mit einem kleinen Aufkleber versehen, der Auskunft über die Frequenz gab, auf der die Arbeit gesendet wurde. Eine weitere Modifikation war erforderlich, weil eines der Besucherbücher nach zehn Wochen Ausstellungslaufzeit entwendet wurde, ohne dass der Inhalt zuvor kopiert oder eingescannt werden konnte. Diese Daten gingen mir bedauerlicherweise verloren. Das fehlende Buch wurde durch ein leeres Buch gleichen Typs ersetzt.

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6.2.1 Das Besucherbuch als Erhebungsinstrument

Das Besucherbuch ist als Erhebungsinstrument bislang wenig verbreitet, kommt jedoch in unterschiedlichen Kontexten zur Anwendung. Der Kultur- und Sozialwissenschaftler Ulrich Paatsch hebt es als FeedbackMedium und damit in seiner Funktion hervor, MuseumsmitarbeiterInnen und Forschenden Auskunft hinsichtlich der Ausstellungs-Bewertung durch BesucherInnen zu geben.51 Wie insbesondere die Ergebnisse der sprachwissenschaftlichen Untersuchung der Besucherbücher zu einem deutsch-tschechischen Kunstprojekt unter Leitung von Christiane ThimMabrey und Heiko Hausendorf aufzeigen, ist das Potenzial dieses Erhebungsinstruments damit keineswegs ausgeschöpft. Die am Sammelband Ein Kunstobjekt als Schreibanlass: Die deutsch-tschechische Reise der «Glasarche» im Spiegel ihrer Besucherbücher beteiligten AutorInnen sorgen nicht nur für aufschlussreiche, multiperspektivische Interpretationen der Besucherbucheinträge, sondern analysieren das Besucherbuch als solches und thematisieren seine vielfältigen Funktionen.52 Eine Definition des Begriffs „Besucherbuch“ findet sich bei der Sprachwissenschaftlerin Maria Thurmair. Sie versteht es als konkreten Schreibort für BesucherInnen im Rahmen eines spezifischen Ereignisses.53 Jedes Besucherbuch ist dabei Teil einer spezifischen Kommunikationssituation.54 Da nicht nur die vorliegenden, sondern praktisch alle Museums(-besucher-)bücher auch die Option zum Zeichnen bieten, gilt es, die Definition von Thurmair zu erweitern.55 Das Besucherbuch wird im Rahmen dieser Arbeit als Ort für schriftsprachliche und zeichnerische Äußerungen von BesucherInnen in einem spezifischen Kontext betrachtet. Die Aufzeichnungen der BesucherInnen können thematisch sehr heterogen sein, müssen nicht unmittelbar mit der Situation zusammenhängen und stellen Thurmair zufolge eine „Begleithandlung“ im Kontext des Besuchs dar.56 Da das Medium Besucherbuch im Ausstellungs- bzw. Museumskontext fest etabliert ist und die BesucherInnen ihre Einträge unaufgefordert verfassen, ist es als ein niedrigschwelliges Kommunikationsangebot zu bewerten. Die AutorInnen geben bewusst und unbewusst Informationen preis. Von Bedeutung ist dabei, dass das Besucherbuch der halböffentlichen bis öffentlichen Kommunikation dient.57 Thurmair weist darauf hin, dass sowohl von einer „Mehrfachadressiertheit“ als auch von einer „Mehrfachproduziertheit“ der Kommunikation auszugehen ist, weil Besucherbücher durch eine oder mehrere unbekannte Person/en (in diesem Falle die Forschende) einer nur näherungsweise zu bestimmenden Anzahl von BesucherInnen zur Verfügung gestellt werden.58

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Eine detaillierte Bestimmung der Kommunikationsqualität der Besucherbücher lassen die Ausführungen des Sprachwissenschaftlers Heiko Hausendorf über Kunstkommunikation zu.59 Unter dieser versteht er nicht ausschließlich eine „Kommunikation über Kunst“, sondern auch eine „Kommunikation mit und durch Kunst“.60

Hausendorf nimmt eine Einteilung in vier Aufgaben der Kunstkommunikation im Sinne eines „Sprechens und Schreibens über Kunstwerke“61 vor. Neben der Bewertung benennt und untersucht Hausendorf das Beschreiben, Deuten und Erläutern von Kunst.62 Während wertende Aussagen in erster Linie Gefallen oder Missfallen zum Ausdruck brächten, diene das Erläutern der Vermittlung bereits erlangten Wissens, das mit der wahrgenommenen künstlerischen Arbeit in Verbindung stehe.63 Vorhandenes Wissen könne bei einer Deutung ins Spiel kommen, die grundsätzlich dann vorgenommen werde, wenn ein Kunstwerk seine RezipientInnen verunsichere, d. h. ihnen interpretationsbedürftig erscheine.64 Das Beschreiben von künstlerischen Arbeiten sei Hausendorf zufolge ein komplexerer Vorgang als gemeinhin angenommen.65 Die Herausforderung bestehe darin, das Wahrgenommene in eine (möglichst) adäquate sprachliche Form zu übersetzen. Wie bereits erwähnt, enthalten die der vorliegenden Studie zugrundeliegenden Besucherbücher neben Textbeiträgen auch Zeichnungen. Welche Funktionen vermögen diese zu übernehmen? Welches Potenzial der Kunstkommunikation können diese entfalten? Was kann durch Zeichnungen anders oder überhaupt erst zum Ausdruck gebracht werden? Das Potenzial von Besucherbüchern als Erhebungsinstrument lässt sich durch einen Rückgriff auf die Funktion und Bedeutung schriftlicher Aufzeichnungen im Kontext performativer Prozesse näher bestimmen.66 Besucherbücher schaffen nicht nur die Voraussetzungen für sprachliche und visuelle Kommunikation, sondern unterstützen BesucherInnen in ihrer individuellen Auseinandersetzung mit Kunst und laden sie dazu ein, temporäre Gefüge bzw. Prozesse und daraus resultierende Erfahrungen aus eigener Perspektive zu dokumentieren.67 Im Rahmen der vorliegenden Untersuchung stellen die Besucherbücher jeweils ein Element des dinglichen Settings der radiophonen Arbeit Nacht. Stimme. Zerstreuung. dar und dienen gleichzeitig der Datenerhebung. BesucherInnen fungieren als VermittlerInnen ihres individuellen Zugangs, fertigten Aufzeichnungen synchron zu ihrer Wahrnehmung der radiophonen Arbeit an. Als geeignetes Erhebungsinstrument im Rahmen meiner Untersuchung erachte ich die Besucherbücher gerade deshalb, weil sie einerseits der Evaluation der Reinszenierung hinsichtlich der vordefinierten Vermittlungsziele dienen, andererseits aber eine gewisse Offenheit bezüglich weiterer Erkenntnisse bieten. Da die BesucherInnen im Rahmen der Ausstellung Über das Radio hinaus nicht ausdrücklich darauf hingewiesen wurden, dass die Eintragungen in den Besucherbüchern Teil der Datenerhebung sind, lässt sich das Besucherbuch im vorliegenden Fall als nicht-reaktiv klassifizieren.68

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6.3 Auswertung der Textbeiträge Die qualitative Inhaltsanalyse, auf deren Grundlage die Auswertung der Textbeiträge erfolgt, wurde ursprünglich für die Analyse größerer Datenmengen im Bereich der Kommunikationswissenschaft entwickelt.69 Heute wird die Methode in vielen Forschungsbereichen, vor allem der Psychologie, Pädagogik und Soziologie zur Interpretation von schriftlichen oder verschriftlichten Kommunikationsprozessen angewendet.70 Der Anspruch der qualitativen Inhaltsanalyse liegt nach Mayring in der Generierung von „Techniken, die systematisch, intersubjektiv überprüfbar, gleichzeitig aber der Komplexität, der Bedeutungsfülle und der ‚Interpretationsbedürftigkeit‘ des sprachlichen Materials angemessen sind“71. Als grundsätzliches Ziel qualitativer Inhaltsanalysen nennt er die theorie- und regelgeleitete Analyse fixierter Kommunikation, um Erkenntnisse hinsichtlich bestimmter Gesichtspunkte zu gewinnen.72 Das Fundament von qualitativen Inhaltsanalysen bilden klare, theoretisch fundierte Fragen, ihr Ablauf wird durch Kodierregeln bestimmt.73 Für jede Untersuchung ist ein Ablaufmodell festzulegen, das sich an dem jeweiligen Material und der zugrundeliegenden Forschungsfrage orientiert.74 Von Beginn des Analyseprozesses an um Transparenz und Nachvollziehbarkeit sowie eine enge Verbindung zum Ausgangsmaterial bemüht, sieht Mayring zwei Schritte vor, die der eigentlichen Inhaltsanalyse vorangehen: Zunächst erfolgt die Bestimmung des Ausgangsmaterials, eine genaue Untersuchung des Materialkorpus, der für die Untersuchung herangezogen wird.75 Ist das Material sehr umfangreich, kann das Ziehen einer Stichprobe erforderlich sein, die näher zu beschreiben ist.76 Außerdem sieht Mayring eine genauere Analyse der Entstehungssituation vor. Wer sind die UrheberInnen und vor welchem emotionalen und kognitiven Hintergrund agierten sie?77 In welchem (Kommunikations-) Zusammenhang stehen die VerfasserInnen? Wen adressieren sie mit ihren Texten?78 Eine genaue Betrachtung der formalen Charakteristika des Materials rundet die Bestimmung des Ausgangsmaterials ab:79 Wer hat den zugrunde liegenden Text in welcher Form schriftlich fixiert (bzw. transkribiert)? Als weiteren, der eigentlichen Inhaltsanalyse vorgeschalteten Vorgang, „um die Präzision der Inhaltsanalyse zu erhöhen“80, sieht Mayring die Bestimmung der Analyseeinheiten vor. Diese fächert sich in das Festlegen von Kodiereinheit (kleinste Texteinheit, die ausgewertet wird), Kontexteinheit (größte Texteinheit, die ausgewertet wird) und die Auswertungseinheit (Reihenfolge der Auswertung) auf.81

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Mayring stellt unterschiedliche Varianten der Inhaltsanalyse dar, die zur Systematisierung und Auswertung des empirischen Materials herangezogen werden können. Gemeinsam ist ihnen die Erarbeitung eines Kategoriensystems.82 Dafür müssen die der Analyse zugrunde liegenden Daten derart aufbereitet werden, dass sie einander vergleichend gegenübergestellt werden können. Die Generierung von Kategorien aus dem

Datenmaterial beruht auf Regeln. So müssen Kategorien disjunkt, d. h. nicht überlappend und erschöpfend sein und dürfen nur auf einer Bedeutungsdimension fußen.83 Drei Grundvarianten der qualitativen Inhaltsanalyse werden durch Mayring voneinander unterschieden: die zusammenfassende, die explizierende und die strukturierende Inhaltsanalyse.84 Wie die Bezeichnung bereits zum Ausdruck bringt, dient die zusammenfassende Inhaltsanalyse der Bündelung des Materials, die durch schrittweise Abstraktion erzielt wird. Dabei ist darauf zu achten, dass das im Verlauf der Analyse konstruierte Kategoriensystem dem Ausgangsmaterial gerecht bleibt.85 Im Verlauf der explizierenden Inhaltsanalyse wird weiteres Material zur Ausdeutung herangezogen. Dieses Vorgehen dient der Vertiefung von Erkenntnissen über das empirische Ausgangsmaterial.86 Der strukturierenden Inhaltsanalyse kommt nach Auffassung von Mayring die größte Relevanz zu.87 Die Durchführung der Strukturierung kann sowohl darauf ausgerichtet sein, das Material anhand von inhaltlichen als auch von formalen, typisierenden oder skalierenden Kriterien zu ordnen und zu beschreiben.88

6.3.1 Ablauf der qualitativen Inhaltsanalyse

Um möglichst umfassende Erkenntnisse über die von BesucherInnen im Besucherbuch kommunizierten Erfahrungen zu gewinnen, beziehe ich zunächst sämtliche Textbeiträge der drei vorliegenden Besucherbücher in die qualitative Inhaltsanalyse ein. Als Basistechnik fungiert die strukturierende Inhaltsanalyse nach Philipp Mayring, die ich um induktive Analyseschritte erweitere.89 Einen grundsätzlichen Überblick über das Vorgehen gibt die Grafik Ablaufmodell der qualitativen Inhaltsanalyse (Abb. 10). Die Erhebung basiert auf dem Prinzip der reinen Zufallsauswahl. Die Grundgesamtheit, auf die sich die vorliegende Studie bezieht, besteht aus jugendlichen und erwachsenen BesucherInnen der Ausstellung Über das Radio

Abb. 10: Ablaufmodell der qualitativen Inhaltsanalyse (in Anlehnung an Grafiken Mayring 2010, S. 93 und S. 99)

Bestimmung der Analyseeinheiten

Theoriegeleitete Festlegung der inhaltlichen Hauptkategorien

Paraphrasierung und Generalisierung

Überarbeitung ggf. Revision der Kategorien

Formulierung von Unterkategorien

Kategoriensystem Ankerbeispiele Kodierregeln

Endgültiger Materialdurchgang

Zusammenfassung pro Unterkategorie

Zusammenfassung pro Hauptkategorie

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hinaus. 25 Jahre Kunstradio – Radiokunst mit unterschiedlichen Vorkenntnissen im Bereich der Kunst im Allgemeinen und der Radiokunst im Besonderen. Alle BesucherInnen, die sich auf die Reinszenierung einließen, standen vor der Wahl, einen Eintrag im Buch zu hinterlassen oder nicht. Die Daten stammen ausschließlich von regulären BesucherInnen, die sich freiwillig beteiligten. Den Besucherbüchern waren keine Erläuterungen zur Evaluation der Ausstellung beigefügt, doch lagen diese offen zur Anschauung aus. Aus diesem Grund mussten BesucherInnen genau abwägen, welche Informationen sie nachfolgenden BesucherInnen und MitarbeiterInnen preisgeben. Um ihre Erfahrungen zu teilen, reduzierten sie ihre komplexen Wahrnehmungsprozesse auf kurze, prägnante Aussagen. Sie versprachlichten immer nur einen Teil ihrer Erfahrungen. Jedoch ist anzunehmen, dass es sich um jene Erfahrungen handelt, denen nach Auffassung der BesucherInnen Priorität zukam und die ihnen mitteilenswert erschienen. Die Auswertungseinheit bilden Beiträge der (einzelnen) BesucherInnen, die sich auf ihre unmittelbaren Erkenntnisse und Erfahrungen im Rahmen der Reinszenierung von Nacht. Stimme. Zerstreuung. beziehen. Die Kodiereinheit wird festgelegt auf jede Textstelle, die einen direkten Bezug zu Erkenntnissen und Erfahrungen, welche durch die Reinszenierung ausgelöst werden, erkennen lässt. Rein formal können dies auch Satzfragmente oder einzelne Stichwörter sein. Als Kontexteinheit gilt der gesamte Eintrag eines Besuchers/einer Besucherin. Kontext- und Auswertungseinheit fallen damit zusammen. Die Hauptkategorien werden auf Basis der zugrunde liegenden Fragestellung deduktiv ermittelt.90 Sie entsprechen den fünf im Rahmen der exemplarischen Analysen entfalteten spezifischen Vermittlungsdimensionen radiophoner Kunst und damit den übergeordneten Vermittlungszielen der Ausstellung Über das Radio hinaus: Fokussieren der akustischen Wahrnehmung, Reflexion über mediale Strukturen, Darlegung der politischen Dimension des Radios, Aufzeigen kollaborativer und kommunikativer Aspekte sowie Erweiterung des Kunstbegriffs.91 Diese Kategorien werden um zwei weitere Kategorien ergänzt: Die Kategorie Gefühl dient dazu, den durch die Reinszenierung ausgelösten Wirkungen über das Spektrum rein kognitiv orientierter Kategorien hinaus Rechnung zu tragen. Mit der Kategorie Einschätzung soll das Urteilsvermögen von BesucherInnen Berücksichtigung erfahren.

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Die exemplarischen Analysen radiophoner Kunst verdeutlichen das große Spektrum möglicher Erkenntnisse, die im Zusammenhang mit der radiophonen Arbeit gewonnen werden können.92 Um eine Differenzierung innerhalb der Hauptkategorien vornehmen zu können und den unterschiedlichen, von den BesucherInnen tatsächlich thematisierten Erfahrungsdimensionen der Reinszenierung von Nacht. Stimme. Zerstreuung.

gerecht zu werden, ist die Integration einiger Schritte der induktiven Kategorienbildung sinnvoll.93 Auf diese Weise erfährt das methodische Vorgehen eine Öffnung, die es u. a. erlaubt, Aspekte in den Besucherbucheinträgen zu entdecken, die im Zuge der theoretischen Erläuterungen noch keine Berücksichtigung erfahren haben. Die Besucherbucheinträge werden dazu bereits nach Festlegung der inhaltlichen Hauptkategorien paraphrasiert, d. h. sprachlich vereinheitlicht und im nächsten Schritt einer Generalisierung unterzogen.94 Hinsichtlich des Abstraktionsniveaus gilt, dass die Aussagen so allgemein wie möglich formuliert werden sollten, die Spezifität der einzelnen Beiträge jedoch zu erhalten ist. Treten innerhalb eines Eintrags mehrere Aussagen zum selben Aspekt auf, werden diese auf eine Aussage pro Fall reduziert. Im Anschluss daran werden Unterkategorien formuliert, welche die Hauptkategorien auffächern, d. h. den unterschiedlichen Gesichtspunkten der Hauptkategorien entsprechen. Dieser Vorgang kann mit einer Revision von Hauptkategorien verbunden sein. Eine Streichung oder Zusammenführung von Hauptkategorien kann sich insbesondere dann als sinnvoll erweisen, wenn sich kein Eintrag oder nur sehr wenige Einträge unter diese Kategorien subsumieren lassen. Auf Basis der deduktiv ermittelten Hauptkategorien und der induktiv gewonnenen Unterkategorien erarbeite ich ein Kategoriensystem mit Definitionen, Ankerbeispielen und Kodierregeln zur Sicherstellung von Validität und Reliabilität.95 Darauf folgt ein Vergleich mit dem Ausgangsmaterial, um zu überprüfen, ob das konstruierte Modell das Ausgangsmaterial abzubilden vermag und eine Zuordnung der Beiträge möglich ist.96 Trifft dies nicht zu, unterziehe ich das System einer Überarbeitung. Es handelt sich folglich um einen zirkulären Auswertungsprozess, in dessen Verlauf die vorläufig entwickelten Kategorien auf ihre tatsächliche Eignung überprüft werden.97 Wenn sich das System als dem Material adäquat und aussagekräftig erweist, findet ein abschließender Materialdurchlauf statt, in dessen Zuge alle relevanten Texteinheiten unter die entsprechenden Kategorien subsumiert werden.98 Auf dieser Grundlage erläutere ich abschließend die Analyseergebnisse.99 Zur Benennung und Aufbereitung der Textbeiträge Einen Überblick über alle Besucherbucheinträge sowie die Anwendung der oben beschriebenen Analyseschritte auf die Besucherbucheinträge gibt die Tabelle Paraphrasierung und Generalisierung der Besucherbucheinträge (Anhang V). Alle textbasierten Einträge wurden in diese übertragen. Die ersten drei Spalten (von links) sind den Text- bzw. BildproduzentInnen (Nummerierung), dem Besucherbuch (A, B oder C), der Seite im jeweiligen Buch (Nummerierung) und den Fällen

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(Kombination aus Buchstabe „T“ für Textbeitrag bzw. „Z“ für Zeichnung und Nummerierung) vorbehalten.100 Darauf folgen jeweils eine Spalte für die zitierten Besucherbucheinträge, für die Paraphrasen sowie für die generalisierten Einträge. Jeder Textbeitrag nimmt eine Tabellenzeile ein. Auf Zeichnungen wird in der Tabelle zwar verwiesen, diese werden jedoch an dieser Stelle nicht genauer beschrieben. Auffälligkeiten hinsichtlich der Orthografie und kleineren, in den Text integrierten Symbolen (z. B. Smileys, Herzen) wurden beim Zitieren der Besucherbucheinträge beibehalten. Einzelne kurze Textpassagen in englischer, französischer und italienischer Sprache wurden durch die Autorin übersetzt, ein bulgarischer Eintrag durch einen Muttersprachler. Die Übersetzungen wurden jeweils in die Spalte „Paraphrasierung“ eingetragen. Wenn ich mich in den folgenden Ausführungen auf bestimmte Textbeiträge beziehe, führe ich stets ihre jeweilige Fallbezeichnung an (d. h. T01, T02 usw.). Rücküberprüfung der Hauptkategorien Wie oben erwähnt, erfolgte vor dem endgültigen Materialdurchgang eine Rücküberprüfung der ursprünglich sieben Hauptkategorien (siehe auch Abb. 10). Diese führte zu zwei grundlegenden Änderungen:

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Da im Analyseprozess nur zwei Beiträge der Hauptkategorie Kunstbegriff zugeordnet werden konnten, wurde diese Kategorie als Unterkategorie der Hauptkategorie Einschätzung beigefügt. Letztere ist damit nicht auf die Aufnahme von Werturteilen beschränkt, sondern dient auch der Registrierung anderer klassifizierender Aussagen.101



Eine weitere Änderung betrifft die deduktiv gebildete Hauptkategorie Kollaboration und Kommunikation. Diese wurde in HörerInnen als ProduzentInnen als eine zentrale Schlüsselkategorie radiophoner Kunst umbenannt.102 Auf diese Weise können neben Handlungen, die BesucherInnen in unmittelbarer Reaktion auf die Aufforderungen durch den Sprecher von Nacht. Stimme. Zerstreuung. ausführten, auch ästhetische Produktionen gewürdigt werden, die über das Befolgen von Anweisungen hinausgehen.

Die Kategorien Mediale Struktur und Politische Dimension wurden beibehalten, obwohl für diese jeweils nur zwei Subkategorien induktiv ermittelt wurden. Diese beziehen sich jedoch auf grundlegende Phänomene im Zusammenhang mit dem Medium Radio, im Falle des politischen Potenzials sogar auf sich zueinander konträr verhaltende Wirkungen.

6.3.2 Ergebnisse der qualitativen Inhaltsanalyse

Aus der Struktur der Reinszenierung, insbesondere der akustischen Ebene, resultieren einige Besonderheiten, die im Zuge der Interpretation zu berücksichtigen sind. So bleibt offen, welche BesucherInnen welche Teile der fast 40-minütigen Arbeit Nacht. Stimme. Zerstreuung. hörten. Wenn BesucherInnen den Hörraum betraten, wussten sie nicht, ob sie eine Sequenz vom Anfang, Mitte oder Ende der Arbeit hören, d. h. wie lange die Arbeit schon lief oder noch laufen wird.103 Sie konnten die radiophone Arbeit nicht vor- oder zurückspulen, sondern mussten sich ihrem zeitlichen Verlauf anpassen. Da sie ihre Erfahrungen auf Grundlage dessen beschrieben, was sie tatsächlich wahrnahmen, konnten sehr unterschiedliche Eindrücke von der Arbeit, auch Missverständnisse entstehen. Die Erfahrungen variierten je nachdem, ob BesucherInnen nur wenige Minuten, einzelne Sequenzen oder die ganze Arbeit hörten, ob sie am Anfang einstiegen oder am Ende. Da nicht das Besucherbuch als solches im Mittelpunkt meines Interesses steht, sondern Aussagen, die auf Erfahrungen mit der künstlerischen Arbeit rekurrieren, blieben bestimmte Beiträge oder Teile von Beiträgen unberücksichtigt. Diese lassen sich einer oder mehrerer der folgenden Gruppen zuordnen: • • • • • • • • • •

Lob oder Kritik am Museum bzw. Museumsbesuch als solchem, Bezugnahme auf andere Präsentationen in der Ausstellung Über das Radio hinaus, spaßiger Kommentar (z. B. „Möp.“), Signatur (Angabe von Namen und Datum),104 Gruß, Widmung, Dank,105 Reaktion auf bereits bestehende Besucherbucheinträge ohne Bezug zur Reinszenierung, Titel von Zeichnungen, Text als Teil einer Zeichnung, wenn er zur Darstellung von sinnlich wahrgenommenen Details dient.

Das Kodiermanual mit den Definitionen der einzelnen Unterkategorien, Kodierregeln und Ankerbeispielen ist im Anhang einsehbar (Anhang VII). Auf dieser Grundlage wurden 67 von insgesamt 98 Textbeiträgen der drei Besucherbücher kodiert.106 Wie die folgende Auflistung aller Kategorien verdeutlicht, gliedert sich das finale Kategoriensystem in sechs Haupt- sowie insgesamt 20 Unterkategorien.

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Übersicht über das Kategoriensystem 1. Hauptkategorie Hören 1.1 Unterkategorie Fixierung von Verbalsprache 1.2 Unterkategorie Wahrnehmung eigener Wahrnehmung 1.3 Unterkategorie Verknüpfung zwischen Hörraum und dargestelltem Raum 1.4 Unterkategorie Hörraum verdrängt dargestellten Raum 1.5 Unterkategorie Stimme 1.6 Unterkategorie Assoziationen 2. Hauptkategorie Mediale Struktur 2.1 Unterkategorie Synchrones Hören 2.2 Unterkategorie One-to-Many-Prinzip 3. Hauptkategorie Politische Dimension des Radios 3.1 Unterkategorie Handlungsmacht der HörerInnen 3.2 Unterkategorie Kontrolle und Manipulation 4. Hauptkategorie HörerInnen als ProduzentInnen 4.1 Unterkategorie Handlung nach Aufforderung 4.2 Unterkategorie Lyrik 4.3 Unterkategorie Bildgedicht 5. Hauptkategorie Gefühl 5.1 Unterkategorie Behagen 5.2 Unterkategorie Unbehagen 5.3 Unterkategorie Ambivalente Gefühle 6. Hauptkategorie Einschätzung 6.1 Unterkategorie Positive Bewertung 6.2 Unterkategorie Negative Bewertung 6.3 Unterkategorie Ambivalente Bewertung 6.4 Unterkategorie Kunstbegriff Die Tabelle Kategorienzuordnung der Textbeiträge (Anhang VI) bietet einen Überblick über die Kodierung der einzelnen Texte bzw. Textfragmente. Jedem Fall ist eine Zeile vorbehalten. Die einzelnen Spalten entsprechen den Hauptkategorien, denen pro Fall Unterkategorien zugeordnet werden. Hauptkategorie Hören

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Unter der Hauptkategorie Hören wurden Einträge registriert, welche die akustische Rezeption als solche zum Gegenstand haben oder eine Dokumentation akustisch wahrgenommener Phänomene aufweisen, in denen die Bedeutung des Kontextes für das Hören oder individuelle Assoziationen thematisiert werden. (Wie) reagieren BesucherInnen darauf, dass sie im Wesentlichen auf den Hörsinn zurückgeworfen sind? (Wie) wird das Hören als Grundlage der ästhetischen Wahrnehmung thematisiert? Gehen BesucherInnen unmittelbar auf Besonderheiten der in der radiophonen Arbeit vorkommenden akustischen Phänomene

bzw. Zeichensysteme (Sprache, Stimme, Musik, Geräusch und Stille) ein? Thematisieren BesucherInnen die Bedeutung des Hörraums für ihre Wahrnehmung? Verbinden sie das Gehörte mit ihrer eigenen, damals aktuellen Situation? Die Hauptkategorie Hören gliedert sich in die sechs Unterkategorien Fixierung von Verbalsprache (1.1), Wahrnehmung der eigenen Wahrnehmung (1.2), Verknüpfung zwischen Hörraum und dargestelltem Raum (1.3), Hörraum verdrängt dargestellten Raum (1.4), Stimme (1.5) und Assoziationen (1.6). Unterkategorie Fixierung von Verbalsprache Im Kontext der Reinszenierung von Nacht. Stimme. Zerstreuung. waren die BesucherInnen dazu aufgefordert, ihre Erfahrungen aufzuzeichnen. Ein expliziter Aufruf zur Dokumentation des Gehörten fand weder durch die radiophone Arbeit noch im Zusammenhang mit dem dinglichen Setting statt. Dennoch verschriftlichten einige BesucherInnen das, was der Sprecher sagte. Im Gegensatz zu anderen akustischen Phänomenen (Stimme, Geräuschen, Musik oder Stille) lässt sich Verbalsprache verhältnismäßig einfach fixieren, sofern die entsprechende Sprache beherrscht wird. Gerade bei Einträgen, die längere Passagen enthalten, ist ein Bemühen um wörtliche Wiedergabe deutlich erkennbar. Der Abgleich mit dem Skript offenbart in manchem Fall kleinere Änderungen, die jedoch keine Sinnverschiebungen bewirken. Eintrag T06 beinhaltet eine längere Sequenz der Arbeit. Die hier fixierten Satzfragmente lassen darauf schließen, dass der/die VerfasserIn mindestens 70 Prozent der Arbeit hörte.107 Ein anderer/eine andere BesucherIn führte die Fixierung von Verbalsprache, die ihr/ihre VorgängerIn begann, gewissermaßen fort (T43). Die VerfasserInnen der Einträge T42 und T43 dokumentierten jeweils Satzfragmente der radiophonen Arbeit, reihten diese aneinander. Neben Folgen von ganzen Sätzen oder Satzfragmenten fixierten BesucherInnen auch einzelne Worte und Sätze, wie beispielsweise „Das Radio quäkt.“ (T34) oder „Doppelgänger der Stimme“ (T15). Möglich ist, dass diese Worte und Sätze den BesucherInnen deshalb einer Wiedergabe würdig waren, weil sie besonders markante Formulierungen enthalten oder weil der Sprecher die Worte in besonderer Weise betont. Bestimmte Substantive treten in den Besucherbucheinträgen mehrfach auf. Hierbei handelt es sich im Wesentlichen um „Nacht“, „Stimme“, „Sterne“ und „Licht“. Die Worte „Nacht“ und „Stimme“ treten bereits im Titel Nacht. Stimme. Zerstreuung. auf. Innerhalb der radiophonen Arbeit finden alle vier Worte im Zusammenhang mit der Veranschaulichung radiophoner Phänomene und Strukturen Verwendung. Der Sprecher stellt Vergleiche zwischen Stimme und Licht oder auch den einzelnen RadiohörerInnen mit den Sternen an, spricht die Worte mehrfach aus.108

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Über die Ursachen für das Zitieren bzw. Dokumentieren lassen sich nur Vermutungen anstellen. Eine Begründung wird durch die BesucherInnen an keiner Stelle gegeben. Möglich erscheint, dass eine wesentliche Triebfeder in der Flüchtigkeit von Klangereignissen zu erblicken ist, die sich in der Wahrnehmung von HörerInnen durch das Radio potenziert.109 Also hielten sie Schlüsselbegriffe schriftlich fest. Unterkategorie Wahrnehmung der eigenen Wahrnehmung Mehrere BesucherInnen beschreiben in ihren Einträgen, dass ihre „Fantasie“ (T03; T39 und T41) bzw. ihre „Imagination“ (T56) angeregt wurde. Die Gesamtaussagen dieser Beiträge deuten darauf hin, dass ihre UrheberInnen dieses Erlebnis positiv bewerteten. Ein weiterer Beitrag zeichnet sich dadurch aus, dass zwar die Worte „Fantasie“ bzw. „Imagination“ nicht selbst Verwendung finden, der/die BesucherIn seine/ihre Erfahrung jedoch entsprechend umschreibt: „Eine andere Welt als die im Raum und der aktuellen Zeit entsteht.“ (T16). Ein weiterer/eine weitere BesucherIn verknüpft das Auslösen von Fantasie unmittelbar mit der ungewollten Beeinflussung durch die Massenmedien: „Jedes einzelne ICH wird zum WIR, wenn gleiche Töne, Informationen, Bilder, Phantasien geweckt – Manipulationen gemacht werden! […]“ (T39). Auf weitere Reflexionen hinsichtlich der eigenen Wahrnehmung deutet das Wort „Konzentration“ hin. Der/Die VerfasserIn eines Eintrags gibt der radiophonen Arbeit einen neuen Titel, benennt diese gleichsam um in „Nacht. Stimme. Konzentration.“ (T46). Hiermit kann entweder die Voraussetzung oder die Wirkung der Rezeption gemeint sein. Es wird verdeutlicht, dass die Arbeit keineswegs Zerstreuung im Sinne von Konfusion erfordert oder verursacht, sondern dass der/die BesucherIn sich, ganz im Gegenteil, in einen Zustand der Konzentration versetzen muss oder versetzt wird. Zwei weitere Einträge, die das Wort „Konzentration“ aufweisen, folgen fast unmittelbar aufeinander und variieren im Inhalt nur geringfügig. Aus diesem Grund ist es wahrscheinlich, dass sich zwei BesucherInnen dem bereits vorhandenen Beitrag anschlossen. Während der erste Eintrag hauptsächlich Stichworte enthält, darunter die Substantive „Ruhe“ und „Konzentration“ (T56), schildert der/die VerfasserIn des übernächsten Beitrags „Konzentration auf das Gesagte“ (T58) als Ursache eines entspannten Zustands. Ähnlich wie oben für den Aspekt Fantasie bzw. Imagination dargestellt, lässt sich schlussfolgern, dass die Arbeit der Konzentration förderlich war.

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Auf einer anderen Ebene ist ein Beitrag anzusiedeln, dessen UrheberIn feststellt, dass die radiophone Arbeit seine/ihre Wahrnehmung bezüglich des Alltags bzw. vermeintlich Selbstverständlichen schärft: „Er [der Radiosprecher] lässt uns Dinge, welche unbewusst aufgenommen werden, bewusst werden.“ (T21). Um welche Dinge es sich im Einzelnen handelt, wird jedoch auch in diesem Eintrag nicht ausgeführt.

Unterkategorie Verknüpfung von Hörraum und dargestelltem Raum In ihren Beiträgen thematisieren die BesucherInnen insbesondere Diskrepanzen zwischen dem Hörraum und dem in der dokumentierten radiophonen Arbeit dargestellten Raum. Der Sprecher erwähnt mehrfach die nächtliche Sendezeit. Die BesucherInnen der Ausstellung hörten Nacht. Stimme. Zerstreuung. jedoch ausschließlich am Tage während der Öffnungszeiten des Museums. Sie hielten vergeblich Ausschau nach den Sternen: „Wo sind die Sterne?“ (T19) bzw. „Habe verzweifelt die Sterne gesucht, doch sie waren nirgends und es war auch nicht dunkel.“ (T40) oder bemerkten ganz schlicht: „Es ist Tag, nicht Nacht.“ (T37). Der Vergleich zwischen Hörraum und gehörtem Raum wird zum neuralgischen Punkt, ab dem die Arbeit nicht (mehr) als Live-Ereignis gelten kann. Sobald die BesucherInnen feststellten, dass es sich keineswegs, wie vom Sprecher behauptet, um eine Live-Sendung handelte, geriet der dargestellte Raum als „Realitätsraum“110 in ihrer Wahrnehmung ins Wanken. Das Teilen der nächtlichen Stunde ist zentrales Moment in der Beziehung des Sprechers zu seinen HörerInnen. Stellte die Anpassung an die reguläre nächtliche Sendezeit für die HörerInnen des Kunstradios eine Selbstverständlichkeit dar, erschien sie den BesucherInnen der Ausstellung hingegen fragwürdig. Zwei BesucherInnen bemängelten zudem, dass sich das Fenster nicht öffnen ließ111 (T19, T35) und stellten auf diese Weise fest, dass das Setting nicht mit den Aussagen bzw. Aufforderungen des Sprechers in Einklang zu bringen ist. Der Vergleich zwischen Hörraum und dargestelltem Raum offenbarte grundsätzliche Differenzen, die nicht zu einer Annäherung, sondern zu einer distanzierten, kritischen Haltung gegenüber dem Sprecher führten. Unterkategorie Hörraum verdrängt dargestellten Raum “Radio is almost always heard combined with other sounds – domestic, traffic, tv, phone calls, playing children etc.“112 Wie der Künstler Robert Adrian in seinem Kunstradio-Manifest festhält, kennzeichnet die Verknüpfung von Hörraum und gehörtem Raum jede Rezeption radiophoner Kunst. In Nacht. Stimme. Zerstreuung. ruft der Sprecher Bohatsch seine HörerInnen ausdrücklich dazu auf, Geräusche in ihrer unmittelbaren Umgebung zu fokussieren.113 Er verdeutlicht ihnen auf diese Weise, dass sich unterschiedliche akustische Ebenen in ihrem Hören überschneiden und letztendlich jeder/jede etwas anderes wahrnimmt. Durch die BesucherInnen werden Hörraum und dargestellter Raum nicht nur vergleichend einander gegenübergestellt, vielmehr lassen einzelne Einträge den Schluss zu, dass diese um ihre Aufmerksamkeit konkurrierten. Einige BesucherInnen schildern, dass ihr aktives, (bewusst) auswählendes Hören im Kontext der Reinszenierung an seine Grenzen gelangt. Ein/eine BesucherIn berichtet über den Anruf von Verwandten (T38), ein anderer/eine andere über einen Schrei in unmittelbarer Nähe (T29). Beide führen diese als akustische Ereignisse auf, die ihre Konzentration

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auf die radiophone Arbeit unterbrachen. Andere BesucherInnen benennen die von ihnen als störend wahrgenommenen akustischen Phänomene im Hörraum nicht konkret. Vielmehr stellen sie diese in Opposition zu der radiophonen Arbeit, die sie mit „Ruhe“ (T04) und einem „Ruhefluss“ (T30) gleichsetzen. Akustische (Stör-)Elemente des Ausstellungsraums wurden von einigen BesucherInnen als derart aufdringlich empfunden, dass sie sich kaum ausblenden ließen. Insofern erweist sich der Ausstellungsraum für sie keineswegs als idealer Hörraum für Nacht. Stimme. Zerstreuung. Unterkategorie Stimme Die Stimme des Sprechers Bohatsch stellt die entscheidende ‚Konstante’ der radiophonen Arbeit Nacht. Stimme. Zerstreuung. dar und ist Grundlage von Experimenten zur Wahrnehmung von radiophon übertragener Stimme. Neben der Stimme des Sprechers ist auch die eigene Stimme der HörerInnen Versuchs- und Reflexionsgegenstand. Das Thema wird nicht nur theoretisch beleuchtet, vielmehr beinhaltet Nacht. Stimme. Zerstreuung. explizite Aufforderungen zur Wahrnehmung der Stimme in ihren spezifischen Qualitäten. Zudem erfolgt die Anweisung, Situationen herbeizuführen, in denen die Synchronizität und potenziell unbegrenzte Vervielfältigung der durch das Radio übertragenen Stimme nicht imaginiert werden muss, sondern unmittelbar erfahrbar wird. Abstrakte Zusammenhänge, Wirkungen und Folgen der medial übertragenen, vervielfachten Stimme konkretisieren sich durch das unmittelbare Erlebnis. Obwohl von zentraler Bedeutung und auf unterschiedlichen Ebenen verhandelt, gehen tatsächlich nur zwei BesucherInnen in ihren Einträgen auf das Thema Stimme ein. Nur ein einziger Eintrag lässt sich mit den Handlungsaufforderungen im Kontext der Hörexperimente in Zusammenhang bringen: „An der Grenze zur Schizophrenie? In der Vorstellung lassen sich Stimmen multiplizieren.“ (T02) Da das Wort „Schizophrenie“ bzw. „schizophren“ nicht im Skript der radiophonen Arbeit vorkommt,114 handelt es sich um eine Explikation eigener Gedanken bzw. Fragen des Besuchers/der Besucherin im Hinblick auf das Phänomen Stimme. Die Verdoppelung von Stimme wird in die Nähe einer schwerwiegenden psychischen Erkrankung gerückt, die sich auf das Denken, Fühlen und Handeln auszuwirken vermag.115 Der/Die BesucherIn nimmt Bezug auf ein bestimmtes Symptom der Krankheit: das Hören von Stimmen.116 Möglich ist, dass dieser Beitrag vor allem als Reaktion auf die Aufforderung des Sprechers zu werten ist, seine Stimme durch das Einschalten weiterer Rundfunkgeräte zu vervielfachen.117 Statt, wie vom Sprecher gefordert, mehrere Radiogeräte derart räumlich zu positionieren, dass der/die BesucherIn die Stimme gleichzeitig aus diesen hört, imaginiert dieser/ diese ihre Vervielfachung. 194

Der/Die UrheberIn eines anderen Beitrags fragt: „[…] Was ist meine Stimme und [was] die Stimme der anderen? […]“118 (T05). Im Sinne des von Kolesch und Krämer ausgeführten Transgressionspotenzials der Stimme scheint sich der/die BesucherIn der Unkontrollierbarkeit seiner/ ihrer Stimme bewusst geworden zu sein.119 Doch kann der Eintrag auch als Verweis auf die „Entkörperung der Stimme“120 verstanden werden. Der Körper weist klare, sinnlich wahrnehmbare Grenzen auf, welche die Stimme permanent überschreitet. Nicht auszuschließen ist jedoch, dass das Wort „Stimme“ in diesem Zusammenhang im Sinne von Meinungsäußerung gemeint ist. Wäre dies der Fall, stellte sich der/die BesucherIn die Frage, inwiefern sein/ihr Standpunkt durch die Massenmedien beeinflusst ist. Dann wäre der Eintrag allein der Unterkategorie Kontrolle und Manipulation zuzuordnen, weil keine Reflexion hinsichtlich des akustischen Phänomens bzw. Zeichensystems Stimme vorläge. Unterkategorie Assoziation Den Besucherbüchern ist zu entnehmen, dass die Reinszenierung Assoziationen hervorrief, von denen manche mit dem Sprecher Helmut Bohatsch in Verbindung stehen. Dieser weist selbst auf die „starke Spannung“ zwischen seiner körperlichen Abwesenheit und stimmlichen Präsenz hin.121 So äußert er am Ende der Arbeit: „Sie sind mir fremd, aber meine Stimme ist Ihnen vertraut.“122 BesucherInnen imaginierten die Person Helmut Bohatsch, erstellten gedankliche Bilder von ihm. Sie mutmaßen in ihren Einträgen über Alter, Herkunft und Bildung: „älterer Herr, ca. 60? gebildet… evtl. aus dem Münchner Raum?“ (T10). In affektiver Form äußert sich ein/eine BesucherIn auch über den Geisteszustand des Sprechers: „Was ist das denn für ein Psycho? […]“. (T52) Grundsätzlich ist zu bedenken, dass BesucherInnen nicht unbedingt zwischen Sprache und Stimme differenzieren, sondern diese in einer Kategorie akustischer Phänomene zusammenfassen und gemeinsam verhandeln können.123 Die BesucherInnen entwickelten jedoch auch Vorstellungen auf Basis jener Metainformationen, die ihnen Bohatschs Stimme über den Inhalt des Gesagten hinaus bot. Ein/Eine BesucherIn nennt in seinem/ihrem Eintrag eine konkrete Radiosendung: „Nachtradio in Nederland. Germaine Groenier“ (T63). Es handelt sich um die Sendung der im Jahre 2007 verstorbenen niederländischen Redakteurin, Schriftstellerin und Schauspielerin Germaine Groenier. Offen bleibt, ob sich der/die BesucherIn allein aufgrund der nächtlichen Sendezeit oder aufgrund von inhaltlichen und/oder formalen Aspekten auf die niederländische Sendung besann. Neben Assoziationen, die aus der Wahrnehmung von Form und Inhalt der dokumentierten radiophonen Arbeit resultierten, können andere auf einer allgemeineren Ebene verortet werden. Die Assoziationen „Hörgeräte – Akußticker“ (T49) und „Akußtische – Umweltverschonung“ (T50) nehmen

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ihren Ausgang bei der akustischen Wahrnehmung, „Duschradio-Radiodusche“ (T33) und „Radio ga ga“ (T66) weisen einen losen Bezug zum Radiogerät bzw. Radiohören auf. Diese Assoziationen fanden überwiegend in Form von Wortspielen Eingang in die Besucherbücher. Hauptkategorie Mediale Struktur Der Hauptkategorie Mediale Struktur werden Einträge zugeordnet, die darauf schließen lassen, dass BesucherInnen sich mit der medialen Struktur des Rundfunks, ihren Voraussetzungen und Wirkungen auseinandersetzen. Nehmen sie eine Unterscheidung zwischen analogem und digitalem Radio vor? Thematisieren sie das Radio als Live-Medium? Welche selbstreflexiven Impulse der radiophonen Arbeit nehmen BesucherInnen auf? Die Hauptkategorie Mediale Struktur ist in die beiden Unterkategorien Synchrones Hören (2.1) und One-to-Many-Prinzip (2.2) eingeteilt. Unterkategorie Synchrones Hören Der Sprecher Bohatsch weist mehrfach auf das Entstehen einer Verbindung zwischen ihm und den HörerInnen bzw. den HörerInnen untereinander auf Grundlage des zeitgleichen Hörens und Handelns hin. Die Aufforderung des Sprechers, das eigene Radiogerät zu berühren, leitet eine ganze Sequenz zum Thema Assoziation der zerstreuten Hörerschaft ein.124 Ein/Eine BesucherIn schreibt zwar, dass der Sprecher eine Verbindung zwischen den einander unbekannten HörerInnen bzw. ein solches Gefühl heraufzubeschwören versucht (T21), lässt jedoch offen, inwiefern diese Wirkung bei ihm/ihr tatsächlich eintrat. Ein anderer Textbeitrag lässt hingegen darauf schließen, dass die intendierte Wirkung tatsächlich erzielt wurde: „Ich und mein Radio. Phantasie kann sich entwickeln. Ich bleibe in mir bei mir. Ruhe durch Sprache mit der Welt verbunden ohne Masse Menschen. […]“ (T41). Dieses Textfragment erweist sich auch deshalb als aufschlussreich, weil der/die UrheberIn auf die Paradoxie hinweist, in ein Verhältnis zu unzähligen anderen Menschen einzutreten, ohne diesen körperlich nahe zu sein. Unterkategorie One-to-Many Während einige BesucherInnen in ihren Einträgen die Herstellung einer Verbindung zwischen Sprecher und HörerInnen bzw. zwischen den HörerInnen untereinander thematisieren, gehen andere auf die Qualität dieser Verbindung ein. Hörten BesucherInnen die Arbeit Nacht. Stimme. Zerstreuung. von Beginn an, erfuhren sie bereits nach ein paar Sätzen, dass die einseitige Kommunikation des Rundfunks zu den Schlüsselthemen der radiophonen Arbeit zählt.125 196

Hinsichtlich der Kommunikationsstruktur erscheint insbesondere ein Eintrag erhellend, in dem zunächst von „Entfremdung“, dann von einem „Dialog“ ohne Partner die Rede ist (T16).126 Der/Die UrheberIn bringt auf diese Weise zum Ausdruck, dass es sich um einen Pseudodialog handelt und tatsächlich keine Verständigung zwischen Menschen zustande kommt. In der radiophonen Arbeit selbst gibt es eine Stelle, an der Bohatsch betont, dass das Radio nicht per se negative Auswirkungen auf die Kommunikation von HörerInnen und damit auf ihre Beziehung zu anderen Menschen zeitigt: „Ich glaube übrigens auch keineswegs, dass die Massenmedien unsere Kommunikation beeinträchtigen und dass es besser wäre, Sie würden jetzt, statt mir zuzuhören, Freunde treffen oder ein gutes Buch lesen.“127 Ein Eintrag liest sich wie ein Widerspruch gegen diese Aussage. Darin betont der/die VerfasserIn, dass Massenmedien ihr Versprechen auf „Unterhaltung“ nicht einzulösen vermögen, ihr Konsum vielmehr Einsamkeit hervorruft. (T20) Dem stellt der/die BesucherIn die unmittelbare Begegnung, das Treffen mit anderen Menschen gegenüber. Er bzw. sie „geh[t] lieber wieder raus mit Freunden einen Kaffee trinken.“ (T20) Hauptkategorie Politische Dimension des Radios Die Hauptkategorie Politische Dimension des Radios ist Einträgen gewidmet, die das demokratische Potenzial oder den Missbrauch des Mediums zur Ausübung von Macht zum Gegenstand haben. Nehmen die BesucherInnen kritische Impulse aus der radiophonen Arbeit auf und knüpfen sie an diese an? Verstehen sie das Radio ausgehend von der radiophonen Arbeit eher als Medium, das demokratische Prozesse fördert oder als Gefahr für ebendiese? Welchen Handlungsspielraum sehen sie für sich in der Rolle des Hörers/der Hörerin? Lassen die Einträge eine kritische Position gegenüber dem Medium Radio oder anderen Medien erkennen? Die Hauptkategorie Politische Dimension des Radios fächert sich in die beiden Unterkategorien Handlungsmacht der HörerInnen (3.1) und Kontrolle und Manipulation (3.2) auf. Unterkategorie Kontrolle und Manipulation LIGNA experimentiert mit Formaten im Kontext der bestehenden (analogen) Rundfunkstruktur, die demokratische Prozesse zu unterstützen bzw. zu initiieren vermögen. Der in der Vergangenheit bereits dem Missbrauch anheimgefallenen Struktur des öffentlich-rechtlichen Rundfunksystems begegnet die Künstlergruppe mit einer Arbeit, in der sie einen Radiosprecher als Radiosprecher auftreten lässt, präsentiert auf diese Weise eine Radiosendung als Radiosendung. Vor diesem Hintergrund fällt auf, dass mehrere BesucherInnen in ihren Beiträgen die

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Worte „Manipulation“ bzw. „manipulativ“ verwenden. Diese finden sich in vier nicht unmittelbar aufeinander folgenden Besucherbucheinträgen (T30; T36; T39; T55). Dagegen ist in der radiophonen Arbeit selbst nur an einer Stelle von „Beeinflussung“ die Rede,128 d. h. die Worte „Manipulation“ und „manipulativ“ fallen nicht. Während die meisten Beiträge nicht zu erkennen geben, warum ihre VerfasserInnen von einer Manipulation ausgehen, verdeutlicht ein Eintrag, dass sein/seine UrheberIn die Manipulation weniger aus Inhalten als aus der Sprechweise Bohatschs ableitet: „Manipulativ? → guter Sprecher, man entspannt und kann gut zuhören“ (T36). Neben denjenigen, welche die Begriffe „Manipulation“ bzw. „beeinflussen“ in ihre Einträge integrieren, zeigen sich zwei weitere UrheberInnen darüber verunsichert, ob ihre Wahrnehmung von der Wirklichkeit unbewusst beeinflusst wird (T05 und T40). Während aus Eintrag T05 deutlich hervorgeht, dass der Wahrheitsgehalt von Inhalten der radiophonen Arbeit in Frage gestellt wird,129 bleibt bei Eintrag T40 offen, ob Nacht. Stimme. Zerstreuung. den Bezugspunkt bildet oder das Medium Radio an sich. Auffällig ist, dass der Urheber von Eintrag T40 den Begriff „Wahrheit“ und nicht „Wirklichkeit“ oder „Realität“ verwendet und er dadurch die Befürchtung zum Ausdruck bringt, Opfer einer Lüge zu werden. Feststellen lässt sich, dass die radiophone Arbeit Misstrauen weckte – auch oder gerade ihr selbst gegenüber. Einerseits fassen die AutorInnen der Beiträge die Arbeit als enthüllend (T39; T40) auf, andererseits bescheinigen sie Nacht. Stimme. Zerstreuung. selbst eine manipulative Wirkung (T36). Unterkategorie Handlungsmacht der HörerInnen Die Handlungsmacht der HörerInnen im Rahmen des analogen Radios zählt zu den Kerngedanken der radiophonen Arbeit. Obwohl das Thema offen kommuniziert und mittels der Aufforderung zu unterschiedlichen Gesten veranschaulicht wird, äußern sich BesucherInnen weniger zur Handlungsmacht der HörerInnen als zum möglichen Missbrauch des Mediums.

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Eintrag T21 enthält eine Deutung der Arbeit, welche die Wirkmächtigkeit gemeinschaftlichen Handelns als einen von mehreren Schwerpunkten der radiophonen Arbeit einschließt. Es handelt sich um den einzigen Beitrag, in dem das strukturelle Prinzip synchronen Hörens und die politische Dimension des Radios gemeinsam thematisiert werden. Der/ Die BesucherIn schreibt: „Uns den Zuhörern wird bewusst gemacht, wieviel wir gemeinsam bewirken können und unsere Handlungen in jndm. auslösen kann.“ (T21) Die Gesamtaussage des Beitrags deutet darauf hin, dass der/die VerfasserIn an dieses Prinzip glaubt. Der/Die

UrheberIn des Beitrags T54 hingegen bringt Zweifel zum Ausdruck: „Ein intelligenter Kommentar zum Diskurs um die neue Medienmacht. Kann diese selbst zu etwas anleiten, was über sie selbst hinausreicht? Zur Handlg., die sie selbst inszeniert, als einseitige Handlungsanweisung, und aus der eine bewusste und auch ihrer Vielfalt bewusste Erfahrung (Praxis) entspringt.“ (T54) Er/Sie deutet an, dass sich das Konzept kontrovers diskutieren ließe. Eine weitere Besucherin bringt ihre Aktivität und Schlussfolgerung auf die schlichte Formel: „ich schalte den Apparat ab → ich habe die Macht über Mann & Radio! […]“ (T24) Es handelt sich um eine stark verkürzte Darstellung, die im Kern unmittelbar auf das Gehörte zurückgeht. Hauptkategorie HörerInnen als ProduzentInnen Unter der Hauptkategorie HörerInnen als ProduzentInnen werden Einträge registriert, die darauf schließen lassen, dass BesucherInnen auf konkrete Aufforderungen des Sprechers reagierten oder bei denen es sich um eigenständige ästhetische Produktionen der BesucherInnen handelt. Nicht nur der Inhalt, sondern gleichermaßen die Form geraten folglich in den Blick.130 (Wie) befolgen BesucherInnen die Handlungsanweisungen des Sprechers Bohatsch? (Wie) arbeiten die BesucherInnen mit dem sinnlich Wahrgenommenen? Welche eigenen Produktionen auf Grundlage der Reinszenierung hinterlassen BesucherInnen in den Büchern? Die Hauptkategorie HörerInnen als ProduzentInnen gliedert sich in die Unterkategorien Handlung nach Aufforderung (4.1), Lyrik (4.2) und Bildgedicht (4.3). Unterkategorie Handlung nach Aufforderung Bohatsch appelliert mit Fragen an das Vorstellungs- und Erinnerungsvermögen seiner HörerInnen und fordert sie zu Handlungen auf, die ihr Hören zu schärfen, ihre Rezeptionssituation zu verändern und/oder ihre Assoziation zu bewirken vermögen. Während der ursprünglichen Live-Sendung beantworteten alle HörerInnen die Fragen jeweils für sich und agierten unsichtbar für andere HörerInnen, ohne Spuren zu hinterlassen. Im Kontext der Reinszenierung hingegen können einige Besucherbucheinträge als Dokumentation von Handlungen im Rahmen des Reinszenierung betrachtet werden. Dazu zählen auch Antworten auf Fragen des Sprechers. Mit den folgenden Stichworten reagierte ein/ eine BesucherIn offenbar auf die Frage nach der Beschaffenheit des Radiogerätes:131 „Ja, Plastik/Grundig Küchenradio – silber“ (T22) Das „ja“ könnte als Bestätigung dafür gewertet werden, dass das Gerät entsprechend der Anweisung berührt wurde.

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Auch andere BesucherInnen lassen spätere LeserInnen der Besucherbücher wissen, dass sie körperlich aktiv geworden sind oder zumindest einen Versuch dazu unternommen haben. Der/Die VerfasserIn des Beitrags T35 gibt an, dass er/sie das Hörexperiment mit dem Einschalten weiterer Radios gerne durchgeführt hätte, jedoch keine weiteren Geräte vorhanden waren. Ihm/Ihr war offensichtlich nicht bewusst, dass zwei weitere Stationen mit batteriebetriebenen Radiogeräten in den Ausstellungsräumen existierten, oder das Umstellen der Geräte innerhalb der Ausstellungsräume erschien dem/der BesucherIn nicht als adäquate Lösung. Ähnlich verhält es sich im Fall des Aufrufs zum Öffnen des Fensters.132 Zwei BesucherInnen (T19 und T35) schreiben, dass sie einen Versuch unternahmen, es ihnen jedoch nicht gelang. Da sich in unmittelbarer Nähe zum dinglichen Setting, dessen Bestandteil Besucherbuch A war, mehrere Fenster befanden, die sich eigentlich problemlos öffnen lassen, deutet ihr Eintrag auf ein Missgeschick hin. Vor dem Hintergrund, dass das Live-Moment als Voraussetzung einer Assoziation von HörerInnen nicht gegeben war, erscheint insbesondere ein Eintrag interessant. Dieser lässt erkennen, dass sein/seine UrheberIn das Prinzip der Assoziation auf das Besucherbuch übertrug: „Schöne Grüße an alle, die auch das Radio angefaßt haben … !!!“ (T09). Auf Grundlage der Erkenntnis, dass andere BesucherInnen der Bitte des Sprechers, das Radio zu berühren,133 zeitlich versetzt nachkommen könnten, wurde die eigene Handlung dokumentiert und diente dem Aufbau einer Verbindung zu möglichen NachfolgerInnen. Ob andere BesucherInnen sich angesprochen fühlten und als Teil einer zeitlich und räumlich distanzierten Gemeinschaft von „Radiogerät-Berührenden“ verstanden, bleibt offen. Unterkategorie Lyrik Neben den Zeichnungen belegen auch poetische Texte, dass die BesucherInnen im Rahmen des Settings individuelle ästhetische Strategien entwickelten. Sie setzten dazu auf unterschiedliche rhetorische und formale Ausdrucksmittel. Aufgrund des hohen Grades an Subjektivität sind die entsprechenden Beiträge teilweise schwer zu entschlüsseln, ihre Deutung stellt eine besondere Herausforderung dar.

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Bei den kürzesten Beiträgen, die dieser Kategorie zugeordnet werden, handelt es sich um Wortspiele. Gemeinsam ist diesen, dass sie sich weniger auf die Reinszenierung von Nacht. Stimme. Zerstreuung. als auf Radio und Akustik im Allgemeinen beziehen. Zu diesen Beiträgen zählen „Duschradio Radiodusche“ (T33), „Hörgeräte – Akußticker“ (T49) und „Akußtische – Umweltverschonung“ (T50). Im Falle der beiden letzten Beiträge, die auf einen/eine BesucherIn zurückgehen, wird die Orthografie einzelner Worte derart verändert, dass eine neue Sinnebene

hinzugefügt wird. „Akußtisch“ beinhaltet das Wort „Kuss“. „Ticker“ kann mit den Geräuschen einer Uhr oder dem Nachrichtenticker in Verbindung gebracht werden. Mit „Umweltverschonung“ wurde eine Art Gegenbegriff zu „Umweltverschmutzung“ oder „Umweltbelastung“ geschaffen. Insgesamt scheinen diese Wortspiele eher von der Freude an der Bildung neuer Begriffe getragen, als vom Wunsch, unmittelbar an die radiophone Arbeit anzuknüpfen bzw. mit dieser zu arbeiten. Auch andere Beiträge zeichnen sich durch eine kurze, formelhafte Aneinanderreihung von Worten aus, die jedoch eindeutig der Arbeit Nacht. Stimme. Zerstreuung. entnommen wurden. Eine besondere Rhythmisierung weist der folgende Beitrag auf, dessen UrheberIn ebenfalls mit Wortspielen arbeitet: „KLANG-RAUM RAUM-KLANG DOPPEL-GÄNGER Viel-stimmig Real-orchestral Radiophone Doppelgänger. Bewegung. Klang. I´m sitting in a room… […] STILLE“134 (T07) Dieser Beitrag thematisiert und produziert Klang, indem er durch Worttrennungen eine bestimmte Art des Sprechens nahelegt. Auf diese Weise vermag der Eintrag vielfältige Assoziationen bei seinen LeserInnen auszulösen. Ein weiterer lyrischer Beitrag, der auf Worten der radiophonen Arbeit basiert, zeichnet sich durch eine Alliteration des Anfangslautes „M“ sowie eine Anhäufung von Hauptwörtern aus: „MACHT. MASSEN. MEDIEN. MENSCHEN. MANIPULATION.“ (T55) Durch die Verwendung des gleichen Anfangsbuchstabens sorgt der/die AutorIn nicht nur für eine Rhythmisierung, sondern rückt die aufgelisteten Begriffe in eine besondere Nähe zueinander und präsentiert sie als Einheit. Die alleinige Verwendung von Großbuchstaben verleiht den Worten zusätzliches Gewicht und trägt zur Schlagkraft der Botschaft bei. Mit hoher Wahrscheinlichkeit handelt es sich um einen Verweis auf die Reinszenierung, in jedem Fall kommt eine medienkritische Haltung des Besuchers/der Besucherin zum Tragen. Eine Anhäufung einzelner Worte aus der radiophonen Arbeit, erweitert um das Wortspiel „ohral“, weist Beitrag T27 auf:

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„Sprache… Worte… Sterne… Momente… Hinhören ohral Schall Wellen!“ (T27) Durch die lose Aneinanderreihung einzelner Worte stehen diese in erster Linie für sich selbst und nicht als Wiederholung des Inhalts der radiophonen Arbeit. Deutlicher fällt die Bezugnahme auf Nacht. Stimme. Zerstreuung. im folgenden Beitrag aus, der sich ebenfalls aus einzelnen Begriffen aus der radiophonen Arbeit sowie eigenen Satz(-fragmenten) und Fragen zusammensetzt. Der/Die VerfasserIn integriert seine/ihre eigenen Gedanken: „Stimme, Klang, Raum, Zeit, Entfremdung, Ich / Du / Wer? Worte materialisiert in der Stimme: Gefühlswerdung, bedeutungsschwanger. Ein Dialog ohne Dich! Eine andere Welt als die im Raum und der aktuellen Zeit entsteht. Wohin führt sie – aktiv, passiv? Aus & Vorbei? […]“ (T16) Aufgrund seines hohen Subjektivitätsgehalts vermag der Beitrag wiederum vielfältige Assoziationen nachfolgender BesucherInnen zu wecken und erscheint selbst mehrdeutig. Der/Die BesucherIn thematisiert ihr spezifisches Verhältnis zur radiophonen Arbeit – inklusive aller Ungewissheiten und Fragen, die sich für ihn/sie daraus ergeben. Irritation hinsichtlich Raum und Zeit spricht auch aus den nächsten Zeilen: „Das Licht, die Nacht, das Helle, das Dunkle, Sterne, Mond, Sonne ich bin hier nicht am richtigen Ort“ (T31)

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Der/Die BesucherIn geht von der nächtlichen Situation der radiophonen Arbeit aus, führt das Wort „Nacht“ sowie verwandte Wörter an und

Abb. 11: T39, Besucherbuch A, S. 79

kontrastiert sie mit Begriffen, die für den Tag stehen. Auf diese Weise wird die (offensichtliche) Diskrepanz zwischen Hörraum und dargestelltem Raum zum Ausdruck gebracht. Ein weiterer Eintrag, der unter die Kategorie Lyrik subsumiert wird, kann als Lob des Hörraums verstanden werden. Formal ist dieser Eintrag dadurch gekennzeichnet, dass er in italienischer Sprache und als Reim verfasst wurde: „Se dovessi trovare un posto pere rumanere sola con i miei pensierei questo sarebbe el posto perfetto. […]“135 (T51) Während diese Zeilen auf eine bestimmte Haltung bzw. Verbindung zur unmittelbaren Umgebung verweisen, verfasste ein anderer/eine andere BesucherIn einen poetischen Text, der das Radiogerät in den Mittelpunkt stellt: „Das Küchenradio raunt im Wind über den lieblich geformten Zedernbäumen.“ (T12) Beigefügt ist diesem Beitrag eine (Re-)Notation oder der Ausschnitt aus einer solchen. Es könnte sich dabei um eine grafische Darstellung dessen handeln, was in der beschriebenen Situation durch das „Küchenradio“ hörbar ist. In diesem Fall würde der Eintrag sowohl akustische als auch visuelle Assoziationen beinhalten.136

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Unterkategorie Bildgedicht Neben Beiträgen, die sich durch einen besonderen Umgang mit Sprache und den Einsatz rhetorischer Stilmittel auszeichnen, erhält in anderen Beiträgen die grafische Gestaltung des Textes besonderes Gewicht. Worte finden als visuelles Material Verwendung. Ein Ideogramm, welches das Wort „WIR“ zeigt, prangt über folgendem Text (siehe Abb. 11): „Jedes einzelne ICH wird zum WIR, wenn gleiche Töne, Informationen, Bilder, Phantasien geweckt – Manipulationen gemacht – werden! Im DRIN entspannend, im DRAUFBLICK erschreckend!“ (T39)

Abb. 12: T64, Besucherbuch B, S. 34

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Das Bildgedicht, das etwa 2/3 der horizontal ausgerichteten Bildfläche einnimmt, basiert auf der vielfachen Wiederholung des Worts „ICH“. Diese sind so gesetzt, dass sie die Kontur des Worts „Wir“ bilden. Text und Ideogramm weisen eine gewisse Eigenständigkeit auf und können jeweils für sich interpretiert werden, korrespondieren aber miteinander. Das Bildgedicht bezieht sich unmittelbar auf den Text bzw. der Text auf das Bildgedicht. Parallelen zu Inhalten der radiophonen Arbeit Nacht. Stimme. Zerstreuung. sind, wie oben bereits ausgeführt,137 unmittelbar zu erkennen. Das Ideogramm veranschaulicht den abstrakten Sachverhalt der (potenziellen) Gleichschaltung durch das Radio bzw. durch die Medien im Allgemeinen ebenso klar wie eindrücklich. Ein anderer Beitrag lässt sich nicht als Ideogramm im herkömmlichen Sinne beschreiben. Er steht zwischen einer eigenständigen grafischen Gestaltung von Text und Renotation (siehe Abb. 12). Folgende Worte, die sich aus großen Druckbuchstaben zusammensetzen, verteilen sich in horizontaler Ausrichtung über das gesamte Blatt: „ZUHÖRT“, „ZUZUHÖRT“, „SPRECHEN“, „NACHRICHT“, „GEDEUTET WURDE“, „APPARATE“, „STIMME“,

„STRAHLEN“, „WAS ER SAGT“, „ALLEIN“, „ALLEINE SEIN“, „NICHT EMPFANGEN“, „UNZÄHLIG“, „ABSCHALTEN“, „EXPLOSIONEN“, „ABSTRAKT“, „STROM FLIEßT“ (T64) Die Größe der Buchstaben variiert zwischen einer Versalienhöhe von etwa zwei Zentimetern („NACHRICHT“ und „STIMME“) und drei Millimetern („WAS ER SAGT“). Einzig die unmittelbar nebeneinanderstehenden Worte „EXPLOSIONEN“ und „ABSTRAKT“ sind von kurzen Strichen umgeben, die möglicherweise Strahlen symbolisieren. Insgesamt handelt sich bei diesem Beitrag um ein Spiel mit Textfragmenten aus der Arbeit Nacht. Stimme. Zerstreuung.,138 die sowohl auf semantischer und syntaktischer Ebene als auch auf Bildebene Wirkung entfalten. Die unterschiedliche Größe der Worte und ihre spezielle Anordnung kann sowohl aus gestalterischen Gründen resultieren, der Kommunikation persönlicher Bedeutung dienen und/oder im Sinne der Renotation eine mögliche lautsprachliche Umsetzung der Worte zum Ausdruck bringen. Aufgrund der außergewöhnlichen Anordnung, die keine Leserichtung vorgibt, wirken Worte und Satzfragmente jeweils für sich. Gleichzeitig kann im Leseprozess jedes Element mit jedem anderen oder auch mehreren anderen kombiniert werden. Die visuelle Struktur ist festgelegt, die sprachlichen Elemente hingegen hoch flexibel. Jeder/Jede LeserIn kann Worte nach Belieben kombinieren und auf diese Weise einen individuellen Text herstellen. Hauptkategorie Gefühle In die Hauptkategorie Gefühle fallen Einträge, bei denen es sich um die Versprachlichung von Gefühlen handelt. Welche Gefühle löst die Rezeption der Reinszenierung bei den BesucherInnen aus? Fühlen sie sich eher wohl oder unwohl? Wie beschreiben sie ihre Gefühle konkret, welche Worte finden Verwendung? Woraus resultieren die genannten Gefühle? Die Hauptkategorie Gefühle spaltet sich in die Unterkategorien Behagen (5.1), Unbehagen (5.2) und Ambivalente Gefühle (5.3) auf. Unterkategorie Behagen Die Gesamtaussagen von fünf Beiträgen deuten darauf hin, dass die Rezeption der Reinszenierung von Nacht. Stimme. Zerstreuung. für ihre UrheberInnen mit positiven Gefühlen verbunden war. Gemeinsam ist ihnen die Schilderung eines entspannten Zustands, der unter anderem durch das Wort „Ruhe“ zum Ausdruck gebracht wird. Hinzuweisen ist auf die Tatsache, dass vier der Beiträge unmittelbar aufeinander folgen (T56; T57; T58 und T59). Damit liegt die Vermutung nahe, dass sich die BesucherInnen an den Aussagen der VorgängerInnen orientierten bzw. von diesen beeinflussen ließen. Neben der offensichtlichen

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Parallele, der Beschreibung eines Zustands der Entspannung, unterscheiden sich die Beiträge in einigen Details. Während der/die AutorIn des ersten Beitrags in der genannten Reihe (T56) mit einzelnen Stichworten sein/ihr Eintreten in einen entspannten Zustand beschreibt, stellt ihr/ihre NachfolgerIn diesen als Kontrast zu ihren Gefühlen im Alltag dar (T57). Beide Einträge entbehren jedoch eines Hinweises darauf, woraus diese Gefühle resultieren, ob die BesucherInnen diese als Reaktion auf Inhalt, Form und/oder das dingliche Setting (den Hörraum) erachten. Allein der/die VerfasserIn des dritten Eintrags in der Reihe (T58) benennt die „Konzentration auf das Gesagte“ als maßgeblichen Faktor, der für seine/ihre Entspannung ausschlaggebend ist. In ähnlicher Weise äußert sich ein/eine BesucherIn an anderer Stelle, indem er/sie das Erleben von Ruhe auf die gehörte Sprache zurückführt. (T41) Aufschlussreich ist an diesem Beitrag zudem, dass das Medium Radio als entscheidend für ein behagliches Gefühl genannt wird, da es gleichermaßen für eine Verbindung zu anderen Menschen als auch für eine Abschottung der Hörenden sorgt: „mit der Welt verbunden ohne Masse Menschen. Intensives Empfinden, wohlfühlen der Kreatur im Chaos. Besinnung.“ (T41) Der letzte Beitrag in der oben genannten Reihe (T59) beruht auf einem Vergleich. Der/Die AutorIn habe einen ähnlichen Ruhe-Zustand erlebt wie nach dem Besuch einer Diskothek. Unterkategorie Unbehagen Die Palette der unbehaglichen Gefühle, die in Reaktion auf die Reinszenierung auftraten und dokumentiert wurden, ist deutlich breiter als im Falle der behaglichen, die sich im Wesentlichen auf ein Gefühl der Entspannung reduzieren lassen. Ein/Eine BesucherIn legt dar, dass der „Mann“ Druck ausübt (T08). Damit wird die radiophone Arbeit, genauer gesagt, der Sprecher als Ursache für das Erleben von psychischer Belastung benannt. Unklar bleibt, ob die Form und/oder der Inhalt diese Reaktion zeitigten.

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Zwei andere AutorInnen legen in ihren Beiträgen offen, dass negative Gefühle vor allem aus den Themen der radiophonen Arbeit resultierten.139 Beide BesucherInnen schildern unabhängig voneinander, dass ihr unbehagliches Gefühl auf die Erkenntnis zurückzuführen sei, einer ungewollten Beeinflussung zu unterliegen. Während der/die AutorIn des einen Beitrags von einer „aufrüttelnden“ bzw. „erschreckenden“ Wirkung schreibt (T05), verwendet der andere/die andere das Adjektiv „beängstigend“ (T40). Letzterer/Letztere betont, dass sein/ihr Gefühl den Gefühlen anderer BesucherInnen, die Beiträge im Besucherbuch hinterließen, diametral gegenübersteht. Diese schildern ein sich einstellendes behagliches Gefühl.

In manchen Fällen bleibt offen, auf welche Faktoren die negativen Gefühle zurückzuführen sind. So berichtet ein/eine BesucherIn von Überforderung und lässt erkennen, dass er/sie verunsichert ist: „bin maßlos überfordert. Liegt das an mir?“ (T17). Ein genauer Bezugspunkt wird nicht genannt. Dies gilt auch für zwei weitere BesucherInnen, die ihre Gefühle auf besonders drastische Weise schildern. So schreibt einer von einer von ihnen/eine von ihnen, er/sie sei „zerstört zerstreut“ (T45), während der Eintrag auf der nächsten Seite verrät, dass sein/ seine UrheberIn sich „an den Rand der absoluten Hysterie“ (T47) gebracht fühlte. Da diese Darstellungen negativer Auswirkungen auf die Psyche im Besucherbuch A unmittelbar aufeinander folgen, fungierte ein Beitrag möglicherweise als Vorlage oder Auslöser für den folgenden. Unterkategorie Ambivalente Gefühle Neben Beiträgen, deren Gesamtaussage darauf hindeutet, dass ausschließlich positive oder ausschließlich negative Gefühle aus der Rezeption der Reinszenierung resultierten, lassen andere ein Nebeneinander von unterschiedlichen oder gar konträren Gefühlen erkennen.140 Mehrere UrheberInnen, die ihre Beiträge im Abstand von über 70 Seiten im Besucherbuch A hinterließen, schreiben sowohl von Entspannung als auch von Verwirrung (T01 und T36). Während der erste Beitrag keinen Hinweis darauf enthält, welche Faktoren für welche Wirkung verantwortlich gemacht werden, geben die AutorInnen des zweiten Beitrags diesbezügliche Hinweise: Bohatschs Sprechweise rufe Entspannung hervor, der eigene Sender des dinglichen Settings stifte Verwirrung (T36). Die Gefühle werden auf zwei unterschiedliche Elemente bzw. auf die akustische und visuelle Ebene der Reinszenierung zurückgeführt. Als besonders aufschlussreich erweist sich Beitrag T39, dessen Schwerpunkt, wie oben bereits erläutert, auf dem Thema der Kontrolle und Manipulation durch das Radio liegt.141 Der/Die AutorIn schreibt über die Wirkung der radiophonen Arbeit: „Im DRIN entspannend, im DRAUFBLICK erschreckend.“ Auf diese Weise verdeutlicht er/sie, dass einander entgegengesetzte Gefühle aus der Rezeption von Nacht. Stimme. Zerstreuung. resultieren können, je nachdem, ob Einzelheiten oder der Gesamtzusammenhang der Arbeit fokussiert werden. Hauptkategorie Einschätzung In die Hauptkategorie Einschätzung fallen Einträge, die Urteile über die Qualität der dokumentierten radiophonen Arbeit bzw. ihrer Reinszenierung enthalten. Einbezogen werden sowohl Einschätzungen, welche die akustische Ebene betreffen, als auch solche, die sich auf das dingliche Setting der Reinszenierung oder den Hörraum beziehen.142

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Eine besondere Herausforderung stellt die Abgrenzung der Kategorien Einschätzung und Gefühle dar. Die Beschreibung von Gefühlen und die Angabe einer Beurteilung lassen sich nicht immer scharf voneinander trennen. Im Unterschied zu Einträgen, die allein der Kategorie Gefühle zugeordnet werden, gehen jene, die zudem unter die Kategorie Einschätzung subsumiert werden, über die Beschreibung des eigenen Fühlens hinaus und enthalten eine Aussage über die Reinszenierung. Wie bewerten die BesucherInnen die radiophone Arbeit, das dingliche Setting oder die Reinszenierung als solche? Welche Aspekte stoßen auf die Ablehnung, welche auf das Lob der BesucherInnen? Können diese das, was sie wahrnehmen mit ihrem Kunstbegriff vereinbaren oder steht es im Konflikt zu diesem? Die Hauptkategorie Einschätzung fächert sich in die Unterkategorien Kunstbegriff (6.1), Positive Bewertung (6.2) und Negative Bewertung (6.3) auf. Unterkategorie Kunstbegriff Die Frage, ob eine Arbeit als Kunst zu deklarieren ist, stellt eine Grundsatzfrage dar, von der die weitere Beschäftigung mit der Arbeit, also ihre Beschreibung, Interpretation und Bewertung, maßgeblich bestimmt wird.143 Ausschließlich zwei Beiträge (T53 und T65) in den Besucherbüchern enthalten den Begriff „Kunst“ oder abgeleitete Formen des Begriffs. Ein/Eine BesucherIn stellt das Wahrgenommene nicht nur hinsichtlich seines Kunst-Charakters, sondern auch seiner Zugehörigkeit zum Rundfunk in Frage: „Ist das noch Radio? Kunst^“ (T53) Aufgrund des speziellen Satzes der Frage ist die Aussage mehrdeutig. Aus dem Eintrag geht hervor, dass die Auseinandersetzung vor einem konkreten Erfahrungshorizont stattfand. Der/Die AutorIn ging von einem bestimmten Radiobegriff aus, der im Fall der zu hören gegebenen Arbeit an seine Grenzen gelangte. Die Frage bezüglich der Einschätzung als Kunst knüpft unmittelbar an und könnte wie folgt verstanden werden: Wenn es kein Radio ist, ist es dann Kunst? Der/Die AutorIn scheint Radio und Kunst nahezu als Gegensätze zu verstehen, wobei sein/ihr Eintrag eine dritte Frage impliziert: Wenn die Arbeit weder Radio noch Kunst ist, wie ist sie dann zu kategorisieren?

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Ein klares Statement für eine Wertung der Reinszenierung als Kunst enthält Besucherbuch C: „Tous Très bizarre! Oui, très bizarre Fucking Awesome! Sehr cool! Das ist Kunst“ (T65). Der/Die UrheberIn des Eintrags listet französische, englische und deutsche, teils vulgäre, aber

positiv konnotierte Wortkombinationen auf, die in der Äußerung „Das ist Kunst“ gipfeln. Interessant erscheint in diesem Zusammenhang weniger die Einschätzung selbst als die Begriffe, die zur Umschreibung bzw. Erfassung der künstlerischen Qualität Verwendung finden. Damit handelt es sich um den einzigen Eintrag, der zumindest im Ansatz Spuren des Kunstbegriffs von BesucherInnen enthält. Festzuhalten bleibt, dass nur wenige UrheberInnen Auskunft darüber geben, ob die Reinszenierung von ihnen als künstlerische Arbeit verstanden wird und inwiefern sich diese mit ihrem (bisherigen) Kunstbegriff in Einklang bringen lässt. Die Einträge erlauben in der Regel keine Rückschlüsse darauf, ob und in welchem Maße das Wahrgenommene als Kunst verstanden wurde. Unterkategorie Positive Bewertung Positive Bewertungen schlagen sich in unterschiedlicher Form in den Besucherbüchern nieder. Mehrfach genannt werden die synonym verwendeten Begriffe „interessant“ und „spannend“ (T20; T35; T44 und T62). Zwei Einträge bleiben ausschließlich auf diese Adjektive beschränkt (T44 und T62), die sich nicht nur auf die Reinszenierung von Nacht. Stimme. Zerstreuung., sondern ebenso auf die gesamte Ausstellung oder das Museum beziehen könnten. In anderen Einträgen wird der Bezugspunkt zwar nicht explizit genannt, aber neben der positiven Bewertung sind Informationen enthalten, die Hinweise auf das jeweils bewertete Element geben. So deutet die Gesamtaussage von Eintrag T20 darauf hin, dass sich das Wort „interessant“ auf die Inhalte und/oder Form des Gehörten bezieht. Ähnlich verhält es sich bei Eintrag T35. Der/Die UrheberIn schreibt, es sei „Interessant, sich in dieser Art auf das Gesprochene zu konzentrieren.“ und „eine tolle Sache! (T35). Offen bleibt zunächst, was mit „in dieser Art“ gemeint ist. Da der/die BesucherIn im weiteren Verlauf des Beitrags bedauert, dass die Handlungsaufforderungen des Sprechers aufgrund der unzureichenden Herrichtung des dinglichen Settings nicht ausgeführt werden konnten, kann jedoch vermutet werden, dass hier das Konzept der radiophonen Arbeit positiv beurteilt wird. Die Bewertung „Besser und entspannter als erwartet!“ (T18) ist in zweifacher Hinsicht unbestimmt. Sie lässt sowohl Inhalt und Ursache der Erwartung offen als auch den Grund dafür, dass das Erlebnis der Erwartung schließlich nicht entsprach. Möglich ist, dass die radiophone Arbeit in den ersten Momenten des Hörens einen negativen Eindruck vermittelte, der später einer zunehmend positiven Aufnahme wich. Ebenso könnte die Vorannahme durch das Lesen von Besucherbucheinträgen entstanden sein, die eine negative Bewertung enthalten. Denkbar ist aber auch, dass sich der/die BesucherIn akustische Kunst nicht als adäquaten Ausstellungsgegenstand eines Museums denken konnte, da dieses Kunst üblicherweise vor Augen und nicht zu Ohren führt.

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Anderen Einträgen ist hingegen deutlich zu entnehmen, was genau mit Lob bedacht wird. Mehrfach gewürdigt werden der Sprecher Bohatsch bzw. dessen Stimme (T14 und T28) sowie das Konzept der radiophonen Arbeit (T14 und T54). Einer dieser Kommentare schließt eine positive Bemerkung zu einem Element des dinglichen Settings ein: dem Radiogerät (T28). Ein anderer/Eine andere BesucherIn hinterlässt eine wertschätzende Aussage zum Hörraum, lobt diesen in italienischer Sprache als „posto perfetto“, d. h. als „perfekten Ort“ (T51). Unterkategorie Negative Bewertung Üben BesucherInnen mit ihren Beiträgen Kritik, ist diesen Aussagen in der Regel auch ein eindeutiger Bezugspunkt zu entnehmen. Bemängelt werden ein Element des dinglichen Settings, die allgemeine räumliche Situation, die radiophone Arbeit an sich und ihre Umsetzung durch den Sprecher Helmut Bohatsch. Ein/Eine BesucherIn merkt an, dass die Radiogeräte zu leise eingestellt waren (T48). Ein anderer/eine andere konstatiert, dass das Radiogerät auf einer falschen Frequenz eingestellt war, weshalb er/sie die radiophone Arbeit nicht rezipieren konnte (T32). Beanstanden beide BesucherInnen die mangelhaften Einstellungen der Radiogeräte, rückt aus Perspektive der Ausstellungsmacherinnen ein anderes Problem in den Fokus: Den AutorInnen der genannten Besucherbucheinträge war nicht bewusst, dass es in ihrer Hand lag, Lautstärke und Sender einzustellen. Es wurde offenbar nicht ausreichend deutlich kommuniziert, dass die Bestandteile des dinglichen Settings benutzt werden durften und sollten. Entgegen der eigentlichen Intention erweckte das Radiogerät den Anschein, ein Exponat zu sein, das nach den (impliziten) Regeln des Museums nur betrachtet, aber nicht berührt werden darf. Obwohl er/sie sich offenbar in dem am stärksten separierten Bereich aufhielt,144 bemängelt ein/eine BesucherIn die offene räumliche Situation, die ihn/sie „zerstreut“ habe (T11). Ähnlich wie bei Eintrag T46 wird der Begriff „zerstreut“ in diesem Falle als Gegenwort zu „konzentriert“ verwendet. Einem anderen/einer anderen BesucherIn wollte die Konzentration auf die radiophone Arbeit aus anderen Gründen nicht gelingen. Anknüpfend an den von Bohatsch gesprochenen Satz „Es ist nicht so einfach, wie es scheint.“145 macht der/die VerfasserIn deutlich, dass die Rezeption der Arbeit mühsam ist, obwohl der Sprecher als angenehm eingestuft wird (T60). Der Grund für die von dem/der AutorIn konstatierte hohe Bereitschaft, sich auf die Arbeit einzulassen, scheint also vor allem in deren Inhalt zu liegen. 210

Einem anderen Eintrag dagegen ist zu entnehmen, dass sein/seine UrheberIn mit der Umsetzung durch den Sprecher nicht einverstanden war. Mit der überspitzten Formulierung „Schauspielschule 1. Semester?“ (T08) attestiert er/sie dem Sprecher eine mangelnde fachliche Qualifikation. Unterkategorie Ambivalente Bewertung Einige wenige Beiträge enthalten gleichermaßen positive wie negative Bewertungen und können deshalb als ambivalent eingestuft werden. Wird nicht näher ausgeführt, auf welche formalen oder inhaltlichen Aspekte bzw. Komponenten die Aussagen rekurrieren, können diese als widersprüchlich wahrgenommen werden. Dem Eintrag T30, der sich aus Stichworten und einem Satzfragment zusammensetzt, ist zu entnehmen, dass sein/seine UrheberIn die Reinszenierung bzw. einzelne Elemente als interessant einstufte. Gleichzeitig ermüdete ihn diese aber auch, was ebenso auf einen entspannten Zustand wie auf Langeweile hindeuten könnte. Ebenfalls ambivalent mutet das Nebeneinander der Begriffe „Klarheit“ und „Manipulation“ in diesem Eintrag an. Einzig ein Satzfragment des Eintrags verrät den Bezugspunkt der Kritik. Der/Die BesucherIn bewertet den Ausstellungsraum mit seinen Störgeräuschen als eher ungeeignet für das Hören der radiophonen Arbeit: „Geräusche im Raum unterbrechen den Ruhefluss.“ Er/Sie lobt und kritisiert mit dem Eintrag zugleich, aber gewährt nur wenig Einblick in die Bewertungsgrundlagen. Ein anderer/eine andere VerfasserIn begründet dagegen ihre Einschätzung und bezieht diese auf den Inhalt der Arbeit: Eintrag T16 bringt zum Ausdruck, dass sein/seine UrheberIn das Themenspektrum der Arbeit Nacht. Stimme. Zerstreuung. als zu breit einstufte. Sich „der Stimme als Instrument“ und der „Funktion des Radios“ gewahr zu werden, bewertet sie/er jedoch eindeutig positiv: „Trotzdem schöne Bewusstwerdung“ (T16).

6.3.3 Zusammenfassung

Mit der Bildung eines Kategoriensystems wird eine Transformation und Reduktion erzielt, die niemals die Fülle und Komplexität der Einträge wiedergeben kann. Es entspricht vielmehr einem Raster, das die Einträge in eine Ordnung bringt und dadurch beschreib- und interpretierbar macht. Für den Interpreten/die Interpretin bleiben die Texte zudem immer mehrdeutig. Missverständnisse können bereits hinsichtlich der Verwendung einzelner Wörter entstehen, unter anderem dann, wenn bestimmte Begriffe synonym verwendet werden (z. B. „Sprache“ und „Stimme“).

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Dessen eingedenk zeichnen sich die Textbeiträge insgesamt durch einen großen Variationsreichtum des Inhalts und der Gestaltung aus, wobei ihre Aussagekraft bezüglich des Aktivierungspotenzials der Reinszenierung sehr unterschiedlich zu bewerten ist. Nicht jeder Eintrag enthält nähere Erläuterungen zu den genannten Deutungen, Gefühlen oder Bewertungen. Aus der Perspektive des Linguisten Walther Kindt ist dies keineswegs ungewöhnlich, da Interpretationen außerhalb des wissenschaftlichen Diskurses nur verhältnismäßig selten erläutert werden.146 Den vorliegenden Besucherbüchern wurde zudem keine Aufforderung zur genauen Begründung beigefügt. Die BesucherInnen thematisieren die eigene akustische Wahrnehmung und die Konsequenzen ihrer Konzentration auf das Hörerlebnis. Sie schildern die Wirkung der Reinszenierung als Katalysator für (bildliche) Vorstellungen und attestieren ihr ein „assoziatives Potential“147. Als auffällig erweist sich die häufig auftretende Verschriftlichung von Worten aus der radiophonen Arbeit. Neben der bloßen Aneinanderreihung von Worten und Satzfragmenten basieren Bildgedichte und Lyrik auf Textabschnitten von Nacht. Stimme. Zerstreuung. Diese sind mitunter Teil von einer Beschreibung, Deutung oder eigenen ästhetischen Produktion, sie finden sich aber auch als einfache (nahezu) wörtliche Zitate. Obwohl letztere zunächst eher unspektakulär anmuten, lassen auch sie interessante Rückschlüsse zu. Im Festhalten von Text der radiophonen Arbeit kann eine Strategie der VerfasserInnen erblickt werden, auf die Flüchtigkeit akustischer Phänomene zu reagieren. Obwohl die radiophone Arbeit auf Stimme basiert und diese zu ihren Hauptthemen zählt, gehen BesucherInnen auf diese kaum ein. Ein Grund für die fehlenden Beschreibungen der Stimme des Sprechers oder der eigenen Stimme mag darin zu erblicken sein, dass die Fixierung von Stimme im Vergleich zur Dokumentation von Verbalsprache ungleich schwieriger ist.148

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Möglicherweise fanden die BesucherInnen auch nur mit Mühe Worte als Ausdruck des Live-Moments, das als solches in keinem Beitrag thematisiert wird. Die BesucherInnen stellen allerdings Vergleiche zwischen Hörraum und dargestelltem Raum an und offenbaren auf diese Weise, dass das Live-Moment von Bedeutung für ihre Rezeption der Arbeit ist. War den HörerInnen bewusst, dass sie nicht synchron mit dem Sprecher agieren, kam es zu einem Bruch, der sich massiv auf das Verständnis und die Wirksamkeit der Arbeit auswirkte.149 Einerseits ließe sich konstatieren, dass der Sprecher im Rahmen der Reinszenierung an Glaubwürdigkeit und die Arbeit an Transparenz verlor. Andererseits erfuhren BesucherInnen die Auswirkungen und Bedeutung der Live-Sendung nicht zuletzt dann, wenn sie die Arbeit als Aufzeichnung erkannten. Die Reinszenierung offenbart, was das synchrone Hören einer Live-Sendung meint, obwohl oder gerade weil bestimmte Wirkungen ausbleiben.

Neben der Frage, ob der Sprecher tatsächlich live spricht, ergaben sich für BesucherInnen weitere Irritationen. Einige gehen in ihren Beiträgen davon aus, dass die radiophone Arbeit der Manipulation dient, andere erblicken in ihr eine Offenlegung der Beeinflussung durch das Radio. Insofern führte die Reinszenierung auf zwei unterschiedliche Weisen zu einer kritischen Distanz von BesucherInnen und damit zu einer Reflexion ihres Umgangs mit dem Radio. Wenngleich dieses exemplarisch für andere Medien stehen könnte, werden keine Parallelen, z. B. zum Fernsehen oder Internetdiensten, gezogen. Bezüglich der Handlungsmacht von HörerInnen nehmen BesucherInnen Impulse der Arbeit auf und geben diese wieder, melden allerdings auch Zweifel angesichts der einseitigen Struktur des Mediums an. BesucherInnen akzeptierten, variierten oder ignorierten die konkreten ‚Handlungsangebote‘ des Sprechers, ihre Einträge lassen auf eine Kombination festgelegter und zufälliger Strukturen schließen.150 Allerdings gibt es auch Hinweise auf das Einnehmen bzw. Bevorzugen einer rein kontemplativen Rezeptionshaltung. Obwohl die Arbeit offenkundig das Misstrauen von BesucherInnen weckte, kommt an keiner Stelle eine Verweigerungshaltung zum Ausdruck. Niemand schreibt, dass er/sie sich bewusst gegen das vom Sprecher intendierte Handeln wandte. Das Besucherbuch selbst avanciert zur Grundlage einer regen Aktivität der BesucherInnen. Insbesondere lyrische Beiträge und Bildgedichte sind als ästhetische Produktionen an dieser Stelle hervorzuheben. Ähnlich wie das Medium Radio erlaubt das Besucherbuch keine Rückkoppelung und erweist sich damit selbst als eindirektionales Medium. Nichtsdestoweniger verdienen die Bemühungen der BesucherInnen, in die szenische Choreografie der Reinszenierung einzugreifen und sich selbst als aktiven Part in diesem Kontext zu behaupten, Beachtung.151 Nicht wenige BesucherInnen beschreiben Gefühle, die durch die Rezeption der radiophonen Arbeit ausgelöst wurden. Diese Darstellungen lassen sich kaum als „empathisches Emotionserleben“ oder als Eintreten in eine gefühlsmäßige Distanz zum Dargebotenen verstehen.152 Ausschlaggebend dafür mag die klar vorgegeben Rollenaufteilung der Arbeit Nacht. Stimme. Zerstreuung. sein. Der Sprecher tritt als Radiosprecher auf, spricht seine HörerInnen unmittelbar an und bezieht diese durch Handlungsaufforderungen ein. Die BesucherInnen nahmen den ihnen zugewiesenen Part ein. Sie agierten und fühlten als HörerInnen. Als interessant erscheint zudem, dass Gefühle nicht nur auf das unmittelbar Wahrgenommene, sondern in einem Fall auch auf die mediale Struktur des Rundfunks zurückgeführt werden.153 Als Ausgangspunkt für die Bewertung von RezipientInnen nennt der Linguist Kindt die jeweils unterschiedlichen Erwartungen an Kunst

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sowie verschiedene Bewertungsstrategien, die auch durch Emotionen gelenkt sein können.154 Nur zwei BesucherInnen teilen in ihren Einträgen mit, ob die Reinszenierung mit ihrem Verständnis von Kunst harmoniert. Überlegungen dieser Art scheinen für die BesucherInnen allgemein von eher geringer Relevanz gewesen zu sein, sie prägten ihre Erfahrung nicht wesentlich oder erschienen ihnen nicht mitteilenswert. Die meisten Einschätzungen setzen sich aus lobenden und/oder kritischen Worten hinsichtlich des Themas und/oder der Umsetzung der radiophonen Arbeit bzw. ihrer Reinszenierung zusammen. Dass eine Einschätzung nicht zwangsläufig mit einer Darlegung des eigenen Verständnisses von Kunst einhergeht, ist Hausendorf zufolge ein wesentlicher Grund dafür, warum die Abgabe einer Bewertung mit weniger Überwindung verbunden ist als andere Aussagen zu künstlerischen Arbeiten.155 Dennoch sollte das Bewerten keineswegs als rein oberflächliche Auseinandersetzung abgetan werden. Hausendorf zeigt vielmehr auf, dass eine Beurteilung auf das Bestreben hindeutet, das Kunstwerk als solches zu betrachten, dementsprechend einzuschätzen und auf diese Weise die eigene ästhetische Erfahrung festzuhalten.156 Im Zusammenhang mit den Besucherbucheinträgen sind weniger die konkret formulierten Beurteilungen bedeutsam, als die Tatsache, dass RezipientInnen sich mit der Reinszenierung auseinandersetzten und ihre Einschätzungen dazu vielfach (mit-)teilten.

6.4 Auswertung der Bildbeiträge Nachdem der Fokus in den vorangegangenen Erläuterungen allein auf den Textbeiträgen lag, rücken nun die Bildbeiträge in den Mittelpunkt meiner Betrachtungen. Die separate Auswertung von Bild- und Textbeiträgen ermöglicht es, die Zeichnungen als eigenständige Produktionen zu erfassen und die Ergebnisse der Bildanalyse nicht voreilig jenen der Textanalyse unterzuordnen.157 Im Sinne der Triangulation158 – der Validierung, Generalisierung und Erweiterung von Erkenntnissen – ist mir vielmehr daran gelegen, ein vertieftes und differenziertes Verständnis möglicher Erfahrungsdimensionen der Reinszenierung von Nacht. Stimme. Zerstreuung. zu erzielen.

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Die Interpretation der Zeichnungen folgt im Wesentlichen dem Prinzip der dokumentarischen Methode der Bildinterpretation nach Ralf Bohnsack. Mit dieser findet ein erprobtes Verfahren der Datenanalyse Anwendung, das einen adäquaten Umgang mit dem Medium Bild ermöglicht und gleichzeitig Anschlussmöglichkeiten an die Kategorienbildung der qualitativen Inhaltsanalyse bietet. Die dokumentarische Methode zählt zu den Standardverfahren der empirischen Sozialforschung und wurde in den vergangenen 20 Jahren maßgeblich durch die Arbeit des Bildungsforschers Bohnsack geprägt.159 Er nutzt die dokumentarische Methode zur Rekonstruktion des Handlungswissens von AkteurInnen

und fokussiert das Verhältnis zwischen ihrem explizierten Wissen und ihrem nicht-explizierten, d. h. atheoretischen Wissen.160 Zunächst als Verfahren zur Auswertung von Daten in Textform entwickelt, weitete Bohnsack seine Methode seit Beginn der 2000er Jahre auch auf die Analyse von Bildmaterial aus. Von Interesse für ihn ist die „Verständigung durch das Bild“, die er von der „Verständigung über das Bild“ 161 unterscheidet. Während letztere sich über gesprochene Sprache und Text vollzieht und damit einer Distanzierung vom Medium Bild entspricht, konzentriert Bonsack sich mit seinem Verfahren auf die spezifischen Ausdrucksqualitäten visuellen Materials. Um Bilder im Rahmen der dokumentarischen Methode als autonome Bedeutungsträger zu betrachten, greift er die kunsthistorischen Ansätze Erwin Panofskys sowie Max Imdahls auf.162 Aus diesem Grund ließe sich sein Verfahren, wie Bohnsack selbst anmerkt, auch als „ikonologisch-ikonische Interpretation“163 bezeichnen. Text- und Bildinterpretation der dokumentarischen Methode Bohnsacks basieren auf der Unterscheidung von zwei Bedeutungsebenen: dem kommunikativen bzw. immanenten Sinngehalt (thematische Sachlage) und dem konjunktiven bzw. dokumentarischen Sinngehalt (Modus der Wirklichkeitsdarstellung).164 Zur Erfassung dieser Sinnebenen schlägt Bohnsack sowohl für die Text- als auch für die Bildinterpretation einen zweistufigen Prozess mit einem formulierenden und einem reflektierenden Analyseteil vor.165 Die formulierende Interpretation der dokumentarischen Methode der Bildinterpretation fußt auf der vor-ikonografischen und ikonografischen Interpretation des Ansatzes von Panofsky. Im Zuge der formulierenden Interpretation gilt es, Objekte, Personen sowie Handlungen im Bild zu identifizieren.166 Vorwissen zu dargestellten Motiven kann auf dieser Ebene einfließen, insofern es sich um „kommunikativ-generalisierte Wissensbestände handelt“.167 Den Ausgangspunkt der reflektierenden Interpretation bildet die Darstellung der formalen Komposition.168 Bohnsack orientiert sich bei diesem Schritt an den drei Ebenen der Ikonik Imdahls und unterscheidet zwischen planimetrischer Komposition, perspektivischer Projektion sowie szenischer Choreografie.169 Die Sequenzanalyse, die von grundlegender Bedeutung für die dokumentarische Methode ist, kann dem grundsätzlich simultanen Charakter des Bildes nicht gerecht werden, wie Bohnsack in Anlehnung an die Ausführungen Imdahls betont.170 Da das fundamentale Prinzip der Sequenzanalyse in der Ermöglichung von Vergleichen zu erblicken ist, integriert Bohnsack diese in den reflektierenden Teil seiner Analyse als Kompositionsvariation.171 Diese kann auf der (gedanklichen) Modifikation von planimetrischer Komposition, perspektivischer Projektion und szenischer Choreografie fußen oder durch Abgleich mit weiterem empirischen Material erfolgen.172

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Anknüpfungspunkte an die Kategorienbildung im Sinne der qualitativen Inhaltsanalyse nach Mayring bietet insbesondere die von Bohnsack erläuterte Typenbildung. Ausschlaggebend für die Auswahl der Materialbestandteile als Grundlage der Typenbildung ist die Basistypik, die auf dem jeweiligen Erkenntnisinteresse eines Forschungsvorhabens basiert.173 Der erste Schritt der Typenbildung nach Bohnsack besteht in der Schaffung eines Orientierungsrahmens.174 Zu diesem Zweck wird eine fallübergreifende komparative Analyse durchgeführt, die auf Analogien in den ausgewählten, formal möglicherweise sehr heterogenen Sinneinheiten zielt.175 Bohnsack spricht hier von sinngenetischer Typenbildung.176

6.4.1 Ablauf der dokumentarischen Methode der Bildinterpretation

Entschieden sich BesucherInnen für das Anfertigen eines Bildbeitrags und bezogen sie sich damit auf das Gehörte, standen sie vor einigen Herausforderungen – nicht zuletzt deshalb, weil in der radiophonen Arbeit komplexe abstrakte Sachverhalte thematisiert werden. Entsprechend der Aufforderung der Ausstellungsmacherinnen, Aufzeichnungen anzufertigen, transformierten BesucherInnen ihre Erfahrungen, Gehörtes und Gesehenes in Handzeichnungen. Der/Die Interpretierende muss immer in Betracht ziehen, dass er/sie nicht alle verwendeten Codes entschlüsseln kann oder auch vermeintliche Codes entschlüsselt, die nicht bewusst in die Zeichnung integriert wurden. Unter Rückgriff auf Abb. 13: die Ausführungen von Rudolf Arnheim ist diesbezüglich festzuhalten, Ablaufmodell der dass keine grundlegende Differenz zwischen abstrakten und gegendokumentarischen ständlichen Darstellungen besteht, vielmehr von einer Abstufung auszuMethode der Bildinterpretation gehen ist.177 Zeichnungen, die einen hohen Abstraktionsgrad Formulierende aufweisen und nicht von einem Interpretation Text begleitet werden, sind tenVor-ikonografische Ebene denziell offener für mögliche Interpretationen.178 Sofern Bilder Ikonografische Ebene unmittelbar von Text flankiert werden, wird dieser in die Interpretation einbezogen. Zu berückReflektierende sichtigen ist, dass das Verhältnis Interpretation von Bild und Text unterschiedlich Planimetrische Komposition charakterisiert sein kann. Die Perspektivische Projektion Fallintern Szenische Choreografie Psychologen Martin Schuster und Bernard P. Woschek gehen davon Ikonologisch-ikonische Interpretation aus, dass sich sprachliches und nicht-sprachliches Bedeutungssystem auf Grundlage ihrer jeweiligen Eigenschaften ergänzen.179 Komparative Analyse Fallübergreifend und Typenbildung Jedoch sind, wie sie weiter aus216 führen, auch Reibungen zwischen

Bild- und Textebene möglich, woraus eine weitere Bedeutungsebene resultieren kann.180 Im Kontext meiner Arbeit thematisiere ich die Rezeption der abbildenden BildproduzentInnen. Mir geht es nicht um Rückschlüsse auf einen bestimmten Habitus oder ein Milieu,181 sondern um die Rezeptionserfahrungen von BesucherInnen unabhängig von ihrem jeweiligen Hintergrund. Insofern stellt die Reininszenierung die Folie dar, vor der die Analyse erfolgt, nicht jedoch das Medium Ausstellung oder gar die Institution Museum an sich. Einen Überblick über mein Vorgehen bietet die Grafik Ablaufmodell der dokumentarischen Methode der Bildinterpretation (Abb. 13). Entsprechend der Vorgehensweise der dokumentarischen Methode der Bildinterpretation nach Bohnsack werden die Zeichnungen zunächst der formulierenden Interpretation unterzogen. Folgende Fragen sind hinsichtlich der Beschreibung von Relevanz: Welchen Abstraktionsgrad weist die Zeichnung auf? Welche Gegenstände, Personen und Handlungen werden dargestellt? Auf dieser Stufe beziehe ich kein Vorwissen im Hinblick auf die Reinszenierung von Nacht. Stimme. Zerstreuung. ein, da dieses über „kommunikativ-generalisierte Wissensbestände“182 hinausreichen würde. Die reflektierende Interpretation setzt mit der formalen Analyse, gegliedert in die Dimensionen planimetrische Komposition, perspektivische Projektion und szenische Choreografie, ein. Folgende Fragen leiten an dieser Stelle die Untersuchung: Wie sind die Linien und Formen auf der Bildfläche arrangiert? Wie wird der Bleistift eingesetzt (Linienstärke, Schraffuren)? Welche Kontraste lassen sich erkennen (Hell-DunkelKontrast, Quantitätskontrast)? Wie konstituiert sich der Bildraum als dreidimensionales Gebilde? (Wie) sind (handelnde) Personen dargestellt? Danach werden inhaltliche und formale Aspekte im Rahmen der ikonologisch-ikonischen Analyse zusammengeführt. An dieser Stelle ist der Abgleich mit bzw. die Erweiterung der Erkenntnisse durch Informationen zur visuellen und akustischen Ebene der Reinszenierung von Nacht. Stimme. Zerstreuung. von zentraler Bedeutung. Im Anschluss an die Analyse der einzelnen Zeichnungen führe ich eine komparative Analyse bzw. Typenbildung durch. Da nahezu jede Zeichnung auf einen anderen/eine andere BildproduzentIn zurückzuführen ist, beruht die Typengenerierung ausschließlich auf dem fallübergreifenden Vergleich. Zunächst werden die Zeichnungen detailliert auf ihre formalen und inhaltlichen Gemeinsamkeiten geprüft und ein Orientierungsrahmen festgelegt. Nach dem Aufdecken und Erläutern von Ähnlichkeiten zwischen bestimmten Zeichnungen betrachte ich diese wiederum hinsichtlich ihrer Verschiedenartigkeit und arbeite auf diese Weise unterschiedliche Typen heraus. Um diesbezügliche Erkenntnisse zu vertiefen,

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wird sodann im Sinne einer Kontextanalyse zusätzliches Material an die vorliegenden Zeichnungen herangetragen.183 Gewissen Einschränken ist die Typenbildung im Falle der vorliegenden Untersuchung deshalb unterworfen, weil die Besucherbücher lediglich 26 Zeichnungen enthalten, von denen sich nicht alle für einen Vergleich eignen. Hier ist jedoch ausdrücklich darauf hinzuweisen, dass Textund Bildinterpretation einander ergänzen und insgesamt deutlich mehr Beiträge untersucht werden. Die Typenbildung wird analog zur Kategorienbildung im Kontext der qualitativen Inhaltsanalyse angewendet. Beide Verfahren dienen der Klassifizierung bzw. systematischen Strukturierung und Generalisierung des Materials. Die Methoden weisen in diesem Punkt eine hohe Kompatibilität auf, die es mir am Ende der Untersuchung ermöglicht, ein gemeinsames Klassifikationssystem für die Bild- und Textbeiträge der Besucherbücher aufzustellen. Zur Benennung und Aufbereitung der Bildbeiträge Im Anhang finden sich Abbildungen aller Zeichnungen (Anhang VIII), die ich mit der jeweiligen Fallbezeichnung (Kombination aus Buchstabe „Z“ für Zeichnung und Nummerierung) und Angaben zum Fundort (Buch A, B oder C und Seitennummer) versehen habe. Die Originalgröße der Blätter beträgt 14,8 mal 21 Zentimeter. Auskunft über die Abfolge von Textbeiträgen und Zeichnungen gibt die Tabelle Paraphrasierung und Generalisierung der Besucherbucheinträge (Anhang V). Dieses Dokument enthält auch die von den BildproduzentInnen beigefügten Titel (sofern vorhanden) sowie Fallbezeichnungen (Kombination aus Buchstabe „Z“ und Nummerierung). Letztere führe ich an, wenn ich mich in den folgenden Ausführungen auf bestimmte Zeichnungen beziehe.

6.4.2 Ergebnisse der dokumentarischen Methode der Bildinterpretation

Wie bei den Textbeiträgen, so bleibt auch im Falle der Zeichnungen offen, welche Sequenzen der Arbeit Nacht. Stimme. Zerstreuung. gehört wurden, ob überhaupt etwas bewusst gehört wurde oder ob der/die Zeichnende ausschließlich das dingliche Setting der Arbeit rezipierte. Auch konnten Gegenstände, Personen, Handlungen und Ideen abseits der Reinszenierung thematisiert werden. Folgende gegenständliche Zeichnungen lassen keinerlei Verbindung zur Reinszenierung erkennen und werden deshalb keiner intensiven Interpretation unterzogen:184 •

218



Illustrationen von Gruß (Z01; Z20) und Bewertung (Z02; Z25) ohne klaren Bezug zur Reinszenierung,185 Selbstdarstellung (Z07),186

• •

Landschaftsdarstellung mit Widmung (Z24)187 und provokatives Symbol (Z09).

Insgesamt werden 19 Zeichnungen aus den Besucherbüchern nach dem oben dargestellten Modell interpretiert. Beispielhaft wird die Analyse von Zeichnung Z13 im Folgenden angeführt. Für alle weiteren Einzelanalysen siehe Anhang IX. Beispiel-Analyse (Zeichnung Z13, siehe Abb. 14) Formulierende Interpretation Im Vordergrund dominiert die Darstellung einer Hand, die ein Buch mit Abbildung umfasst. In unmittelbarer Nähe zu Hand und Buch sind die Worte bzw. Abkürzungen „VOMIT HEAT“ sowie „JAKOB WICH R.I.P“ platziert. Im Hintergrund der Zeichnung ist ein kleiner rechteckiger Tisch mit Lampe und Radiogerät, ergänzt um die Worte „ICH“, HIER“ und „JETZT“, zu erkennen. Reflektierende Interpretation Die einzelnen Elemente der formatfüllenden Zeichnung weisen gleichmäßig ausgeführte Umrisslinien, mitunter Schraffuren auf. Zwei Bildmittelpunkte ‚konkurrieren‘ um die Aufmerksamkeit des Betrachters/ der Betrachterin: die Selbstdarstellung des/der Zeichnenden im unteren Bereich und die von ihm/ ihr dargestellte unbelebte Szene im oberen Bereich des Blatts. Über die gesamte Bildfläche ist ein Raster gezeichnet, welches das Blatt in relativ gleichmäßige Quadrate unterteilt. Das untere Bilddrittel wird eher durch unregelmäßige Formen bestimmt: Eine Linie, die gleichzeitig als Umriss für die Lehne einer Sitzgelegenheit und eines Ärmels fungiert und ein rechteckiges Element, das Skizzenbuch. Verbunden sind beide Bereiche durch die amorphe Form einer Hand. Innerhalb der Umrisslinien des Skizzenbuchs erscheinen miniaturhaft und angedeutet, als Bild im Bild, die Darstellungsgegenstände der oberen Bildhälfte.

Abb. 14: Z13, Besucherbuch A, S. 87

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Eine kurze schräge Linie erstreckt sich vom Skizzenblock bis zu den Worten „JAKOB WICH R.I.P.“, die vertikal am rechten Blattrand arrangiert sind. Der Beistelltisch in der oberen Bildhälfte zeichnet sich durch klare Linien aus. Seine Vorderkante verläuft parallel zu Unter- und Oberkante, die Umrisslinien der Tischbeine zu den Seitenkanten des Blatts. Das Radiogerät ist durch Binnenzeichnung und die Worte „FREQUENZ“ und „GRUNDIG“ relativ präzise dargestellt. Die Worte „ICH“, „HIER“ und „JETZT“ sind unmittelbar über Lampe und Radio am oberen Blattrand platziert. Eine deutliche kurze Linie verbindet den Buchstaben „R“ des Wortes „HIER“ mit dem Radioapparat. Die Darstellungen von Tisch, Radiogerät und Lampe lassen ein Bemühen um perspektivische Wiedergabe erkennen und sind in Aufsicht dargestellt. Die Linien, welche die Seitenkanten von Tischplatte und Teppich andeuten, streben einem Fluchtpunkt zu, der sich vertikal mittig knapp über der oberen Blattkante lokalisieren lässt. Eine Schraffur unter der Vorderkante des Tischs deutet Schatten an und sorgt dafür, dass die Position des Tischs im Raum gefestigt erscheint. Die Darstellung einer Hand im unteren Bildbereich verrät die Anwesenheit eines Menschen. Sie lässt jedoch keine näheren Schlüsse auf die zeichnende Person zu. Als einziger Hinweis auf seine/ihre Identität erscheinen die Worte „VOMIT HEAT“ auf dem Ärmel, aus dem die Hand ragt. Die Worte könnten darauf hindeuten, dass der/die BildproduzentIn mit einem gleichnamigen Künstler/einer Künstlerin (z. B. einem/einer MusikerIn oder einer Musikgruppe) dieses Namens sympathisiert. Ebenso könnte es sich um sein/ihr eigenes Pseudonym handeln. Der/Die BesucherIn nimmt sowohl Bezug auf das Sichtbare als auch auf das Hörbare. Er/Sie stellt sich selbst im Wahrnehmen, d. h. im Sehen und Hören und im Produzieren, d. h. im Zeichnen dar. Der durch den Bildrand angeschnittene Unterarm mit Hand und Zeichenblock erscheint so nah, dass der/die BetrachterIn sich mit dem/der Zeichnenden identifizieren kann. Eine Identifikation vermag insbesondere dann einzutreten, wenn die Zeichnung in situ betrachtet wird. Einer solchen Wirkung steht jedoch das Gitterraster entgegen, das derart über die Bildgegenstände gelegt ist, dass der Eindruck entsteht, die Szene werde durch ein geteiltes Fenster beobachtet. Orientierungsrahmen und Typenbildung

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Auf Grundlage der herausgearbeiteten formalen und inhaltlichen Gesichtspunkte ist im Hinblick auf die Zeichnungen in den drei Besucherbüchern von zwei unterschiedlichen Orientierungsrahmen auszugehen,

die sich nicht scharf voneinander trennen lassen, sich vielmehr bei vielen Zeichnungen überschneiden. Der erste Orientierungsrahmen betrifft das Besucherbuch als solches. BesucherInnen verstanden Block und Stift als Angebot für Darstellungen unterschiedlicher Art. Sie produzierten Zeichnungen, die keinen oder nur einen vagen Bezug zur Reinszenierung erkennen lassen. Diesen Orientierungsrahmen bezeichne ich als Nebenbeibeschäftigung.

Formelhafte Zeichnung

Z17 Z21 Z23

Z12

Z08 Z10

Darstellung des Radios

Z14

Z16 Z13 Z15

Z19

Wiedergabe u. Deutung der radiophonen Arbeit

Z11 Z26

Darstellung der akustischen Wahrnehmung

Ansicht des dinglichen Settings

Selbstdarstellung

Z05

Z04 Z22 Z06

Z03 Z18

Notation Kritzel

Orientierungsrahmen Reaktion auf die Reinszenierung

Der zweite Orientierungsrahmen, den ich Reaktion auf die Reinszenierung nenne, wird durch den Aufruf zur spezifischen Verwendung des Besucherbuchs aufgespannt. Diesem Orientierungsrahmen entsprechen Zeichnungen, mit denen die BildproduzentInnen der Aufforderung nachkamen, eigene Erfahrungen aufzuzeichnen. Thematisch handelt es sich um Zeichnungen, die konkrete Hinweise auf eine Aktivierung der abbildenden BildproduzentInnen geben und an ihre Rezeption der Reinszenierung anknüpfen.

Orientierungsrahmen Nebenbeschäftigung

Abb. 15: Orientierungsrahmen und Typenbildung – Zuordnung der Zeichnungen

Die beiden genannten Orientierungsrahmen können nicht als gegensätzlich aufgefasst werden, vielmehr ist von graduellen Unterschieden auszugehen, die ich anhand einer Grafik (siehe Abb. 15) veranschauliche. Diese basiert auf den Analysen der einzelnen Zeichnungen. Alle Zeichnungen, die ich im dunkelgrau unterlegten Bereich anordne, entsprechen dem Orientierungsrahmen Reaktion auf die Reinszenierung. Der Orientierungsrahmen Nebenbeibeschäftigung wird durch die hellgrau unterlegten Kreise angedeutet. Die Kreise sind mit Bezeichnungen für die unterschiedlichen Typen gekennzeichnet, die ich auf Grundlage von formalen und inhaltlichen Charakteristika bilde. Wie die Grafik vor Augen führt, können die meisten Zeichnungen mehr als einem Typus zugeordnet werden. Die Typenbildung wird in den folgenden Ausführungen näher erläutert. Orientierungsrahmen Nebenbeibeschäftigung In diesem Abschnitt werden Typen von Zeichnungen thematisiert, die keine konkreten Rückschlüsse auf Erfahrungen von BildproduzentInnen im Kontext der Reinszenierung ermöglichen und nur vage Relationen zu dieser erkennen lassen. Wie am Anfang der vorliegenden Arbeit erläutert, gilt das Radio als Nebenbeimedium schlechthin, d. h. neben dem Hören werden oftmals

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andere Handlungen ausgeführt. Die Kombination von Besucherbuch und Bleistift stellte für BesucherInnen eine konkrete Möglichkeit dar, einer Beschäftigung während des Hörens nachzugehen. Manche Einträge erwecken den Eindruck, als seien sie das Ergebnis unbewussten Zeichnens während des Hörens. Dies gilt insbesondere für jene, bei denen sich Muster bzw. mehr oder weniger abstrakte Gebilde formieren. Dem Typus formelhafte Zeichnung ordne ich abstrakte Zeichnungen zu, die eine organisch-ornamentale und/oder geometrische Formensprache aufweisen (Z08; Z10; Z17; Z21 und Z23). Zudem gibt es zwei Zeichnungen (Z06 und Z22), die ausschließlich dem Typus Kritzel entsprechen.188 Der begleitende Text von Zeichnung Z22 („Das Gelicht“), Zeichnung Z08 („Spinnt das Radio oder wir?“) und Zeichnung Z21 („die Blume des Licht“) legt jeweils den Schluss nahe, dass der/die betreffende BildproduzentIn auf die Reinszenierung reagierte. Insbesondere das Aufgreifen komplexer Thematiken der radiophonen Arbeit kann zu abstrakten bildlichen Lösungen führen. Die Zusammenhänge lassen sich jedoch in keinem der oben genannten Fälle näher bestimmen. Festzuhalten bleibt zunächst, dass diese Zeichnungen parallel zum Hören der radiophonen Arbeit entstanden sind. Mit Blick auf eine Studie der britischen Psychologin Jackie Andrade vermag sich hier ein interessanter Zusammenhang zu offenbaren. Andrade belegt, dass dem Zeichenprozess eine wichtige Funktion im Zusammenhang mit dem Hören von akustischen Informationen zukommen kann. Demzufolge kann sich das Zeichnen konzentrationsfördernd auswirken und dafür sorgen, dass das Gehörte besser erinnert wird.189 Folglich lassen sich auch die oben genannten Zeichnungen nicht zuletzt als Ergebnis von Prozessen betrachten, die dem Erzielen einer besseren Konzentration auf das Gehörte dienten. Einen Sonderfall stellt Zeichnung Z06 dar, die, wenn auch indirekt, ebenfalls als Spur eines Rezeptionsprozesses gelten kann. Im beigefügten Text wird erläutert, dass es sich bei der genannten Zeichnung um Kritzel eines Kleinkindes, „Eleni“ im Alter von 1 Jahr und 8 Monaten, handelt. Die Mutter des Kindes betrachtet das Besucherbuch in erster Linie als Beschäftigungsangebot für ihr Kind: „Hörsinn für Mama. Malsinn für’s Kind“ (T25). Der Eintrag thematisiert weniger die Rezeptionserfahrung als die Rezeptionsbedingungen, die das Besucherbuch selbst schuf. Die Verknüpfung des Textes der Mutter und der Zeichnung des Kindes belegt ihre Interaktion im Kontext der Reinszenierung.

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Deutlicher an der Thematik der Reinszenierung orientiert erscheinen Zeichnungen, die dem Typus Darstellung des Radios entsprechen. Fantasievoll mutet insbesondere Zeichnung Z10 an, die stilisierte Darstellung eines Fischs mit Antenne. Mit dem „radio fish“, so der Titel der Zeichnung, bringt der/die BildproduzentIn eigene Gedanken und Assoziationen zum Ausdruck und bezieht sich auf das Medium Radio, aber nicht unmittelbar auf die Reinszenierung. Dies trifft ebenfalls auf Zeichnung Z14 zu, die zwei Strichmännchen mit Gedankenblasen zeigt,

in denen stilisierte Radiogeräte abgebildet sind. Ohne dass die Strichmännchen miteinander kommunizieren, d. h. unabhängig voneinander, konzentriert sich ihr Denken auf das Radio. Ungewiss bleibt, ob es ausschließlich um den Apparat oder um das Medium Radio geht. Eine weitere, allerdings stark stilisierte Darstellung eines Radiogeräts könnte Zeichnung Z19 darstellen. Es ist jedoch ebenso vorstellbar, dass die gezeichneten Linien ausschließlich als visuelle Verbindung zwischen dem auf die radiophone Arbeit zurückgehenden Begriff „Nacht“ und dem assoziierten Begriff „dunkelheit“ (T61) fungieren. Die Ähnlichkeit mit einem Radiogerät könnte auch rein zufällig bestehen. Neben den Darstellungen von Radiotechnik bzw. dem Medium Radio weisen zwei Zeichnungen, die ich dem Typus Notation zuordne, einen Bezug zur Radiokunst im Allgemeinen auf. Die ProduzentInnen der Beiträge Z03 und Z18 greifen bei ihren Darstellungen bewusst auf das westliche Notensystem zurück, das in hohem Grade intersubjektiv verständlich ist. Naheliegend erscheint der Gedanke, es handle sich um Renotationen des einzigen musikalischen Stücks innerhalb der Arbeit Nacht. Stimme. Zerstreuung.: Transmission von Joy Division. Allerdings stimmen die eingetragenen Noten nicht mit denen des Liedes überein. So stehen beide Notationen offenbar völlig unabhängig von den dargestellten Noten, Rhythmus etc., als Symbol für Musik. Während sich die Notation Z18 als einzelner Akkord erweist, ist Notation Z03 von einzelnen Worten sowie dem Satz „Das Küchenradio raunt im Wind über den lieblich geformten Zedernbäumen“ (T12) umgeben. Die Noten könnten also jene akustischen Phänomene veranschaulichen, die das „Küchenradio“ hörbar werden lässt. In diesem Falle würde die Notation Z03 als Illustration des poetischen Satzes fungieren. Orientierungsrahmen Reaktion auf die Reinszenierung In diesem Abschnitt werden Zeichnungen thematisiert, die unmittelbare Bezüge zur Reinszenierung erkennen lassen und damit Rückschlüsse auf die Erfahrungen der BesucherInnen in diesem Kontext erlauben. Der Typus Notation markiert gewissermaßen den Übergang von Zeichnungen ohne Bezug zu Zeichnungen mit unmittelbarem Bezug zur Reinszenierung. Dank des Texts sowie eines Stern- und Mondsymbols lässt sich Zeichnung Z05 als Renotation einer Sequenz der Arbeit Nacht. Stimme. Zerstreuung. identifizieren. Anders als bei den im Kontext des Orientierungsrahmens Nebenbeibeschäftigung thematisierten Notationen greift der/die ProduzentIn nicht auf das westliche Notensystem zurück. Auffällig ist die enge Verzahnung bzw. der fließende Übergang der unterschiedlichen Systeme Text und Zeichnung. Die spezifische Gestaltung des Texts und die einem Seismogramm ähnlichen Zeichenspuren

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könnten Bohatschs Sprechweise visualisieren und beispielsweise die Tonhöhe, Lautstärke und/oder den Rhythmus wiedergeben.190 Der/Die BildproduzentIn von Zeichnung Z04 widmet sich nicht dem, was gehört wird, sondern vielmehr seinen Voraussetzungen. Im Mittelpunkt der Zeichnung steht die Darstellung eines überlebensgroßen linken Ohrs. Auf die Darstellung eines Gesichts wird verzichtet, dafür nehmen gewundene, dynamisch bewegte Linien, die sich als Kritzel bezeichnen lassen, einen nicht unerheblichen Teil des Blatts ein. Allein die detaillierte Darstellung des Ohrs legt eine Deutung dieser Linien als Haar nahe. Mit der Darstellung des Ohrs wird auf jenen Sinn verwiesen, der dafür sorgt, dass akustische Phänomene wie Radiokunst wahrgenommen werden. Die Zeichnung erscheint wie eine Verbildlichung der Redewendung „ganz Ohr sein“. Entspricht diese Zeichnung dem Typus Darstellung der akustischen Wahrnehmung, lassen sich zwei andere Zeichnungen mit dem markanten Motiv Ohr zusätzlich den Typen Darstellung des Radios und Wiedergabe und Deutung der radiophonen Arbeit zuordnen. Zeichnung Z26 weist neben einem stilisierten Ohr den Ausschnitt eines Gesichts sowie eine waagerecht verlaufende, durchkreuzte Mauer auf. Im Gegensatz zu Zeichnung Z04 behandelt der/die BildproduzentIn nicht das Hören an sich, sondern die unterbrochene bzw. gestörte Kommunikation. Mit der Darstellung einer Separierung von Hören und Sprechen könnte der/die UrheberIn die einseitige Kommunikation im Kontext des Radios thematisieren. Das Durchstreichen der Mauer wäre in diesem Fall als das Überwinden der Grenzen des Rundfunksystems, des One-to-Many-Prinzips zu verstehen. Eine Einschätzung der Zeichnung als Veranschaulichung von Inhalten der radiophonen Arbeit Nacht. Stimme. Zerstreuung. ist somit möglich. Dies trifft auch auf eine dritte Zeichnung zu, bei der das Ohr in den Mittelpunkt gerückt wird. Im Vordergrund von Zeichnung Z11 sind Kopf und Oberkörper einer Gestalt im Profil zu erkennen, die aufgrund der Kleidung, einem Jackett mit Krawatte, menschlich anmutet. Das Haupt ist als großes Ohr dargestellt, aus dem Nase und Auge herausgebildet sind. Im Hintergrund deutet eine einfache waagerechte Linie den Horizont an, vor dem sich eine Figur bestehend aus Mund und (Sende-)Mast abzeichnet. Bei der Zeichnung kann es sich um eine Interpretation des Teils von Nacht. Stimme. Zerstreuung. handeln, in dem Hören und Gehorchen thematisiert werden, oder um eine Verbildlichung des One-to-Many-Prinzips des Mediums im Allgemeinen. Die HörerInnen sind (Ge-)Horchende mit Sinnesorganen, die der Rezeption dienen, aber ohne Mund und damit ohne Stimme. Der sendende Mund weist hingegen keinerlei Rezeptoren auf und symbolisiert allein die Distribution.

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Während im Fall von Z11 und Z26 der Bezug zur akustischen Ebene der Reinszenierung nur durch das Bild hergestellt wird, übernimmt bei den Zeichnungen Z13, Z16 und Z15 in erster Linie der Text diese Funktion. Beitrag Z15 setzt sich aus Bild und Text zusammen, die beide

der verbalsprachlichen Ebene der radiophonen Arbeit verpflichtet sind. Vor allem die nach dem Prinzip der Alliteration aneinander gereihten Worte „MACHT. MASSEN. MEDIEN. MASSEN. MANIPULATION.“191 lassen den Beitrag als Reaktion auf das Gehörte erkennen. In den 15 ornamental-formelhaft gestalteten Sternen über dem Text kann gleichermaßen eine Illustration der genannten Worte als auch von Nacht. Stimme. Zerstreuung. an sich erblickt werden. Die Sterne fungieren als Symbol für die Nacht bzw. die nächtliche Szenerie sowie zur Veranschaulichung des Prinzips der zerstreuten Rezeptionssituation der RadiohörerInnen. Die Zeichnung rechne ich aus diesem Grund dem Typus Wiedergabe und Deutung der radiophonen Arbeit zu. Die Beiträge Z16 und Z13 entsprechen daneben auch dem Typus Ansicht des dinglichen Settings. Über der Zeichnung Z16 erscheint ein kurzer Text, der über die Wirkung der akustischen Arbeit auf den/die BesucherIn berichtet: „Runterkommen + Entspannung Konzentration auf das Gesagte führt zur Entspannung. 2/3 13 W.S.“192 (T58). Die Zeichnung jedoch ist den sichtbaren Komponenten der Reinszenierung vorbehalten. Die Art der perspektivischen Darstellung lässt erkennen, dass der/ die BildproduzentIn sich auf dem Sessel niedergelassen hat und den Tisch mit Lampe und Radio aus diesem Blickwinkel wiedergab. Noch expliziter bringt Zeichnung Z13 die eigene Position des/der Zeichnenden im Hörraum zum Ausdruck. Er/Sie stellte das dar, was er/sie unmittelbar wahrnahm, auch sich selbst im Produzieren. Zeichnung Z12 entspricht dem Typus Ansicht des dinglichen Settings. Auf formaler Ebene weicht die Zeichnung stark von den Darstellungen Z13 und Z16 ab: Wiedergegeben ist ausschließlich ein Lampenfuß inklusive Stromkabel, dessen Oberfläche die unmittelbare Umgebung verzerrt spiegelt. Deutlich zu erkennen ist das geteilte Fenster des Ausstellungsraums. Ob der Kreis innerhalb der Umrisslinien des Lampenfußes einen Kopf darstellt, die Zeichnung folglich eine Selbstdarstellung enthält, bleibt unklar. Im Wesentlichen lässt sich der Beitrag als konzentrierte Wiedergabe der unmittelbaren Umgebung des Bildproduzenten/der Bildproduzentin verstehen.

6.4.3 Zusammenfassung

Wie die Textbeiträge weisen auch die Bildbeiträge ein breites inhaltliches und gestalterisches Spektrum auf. Einige Zeichnungen beziehen sich in einem allgemeinen Sinn auf die Ausstellungsthematik Radiokunst, andere stehen in einer engen Beziehung zur Reinszenierung von Nacht. Stimme. Zerstreuung. Aus Zeichnungen, die dem Orientierungsrahmen Nebenbeibeschäftigung zugeordnet werden, sind zwar nur vage Erkenntnisse hinsichtlich der

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Erfahrungen von BesucherInnen im Kontext der Präsentation der radiophonen Arbeit zu gewinnen, eine Verbindung zu dieser ist jedoch anzunehmen. Einige BesucherInnen nahmen sich die Freiheit, Kritzel und Muster zu erzeugen, die nicht als konkrete Botschaften an spätere BetrachterInnen des Besucherbuchs zu verstehen sind. Vielmehr lassen sie sich als Spuren von Vorgängen begreifen, die der Konzentration auf die radiophone Arbeit dienten. Andere BesucherInnen rückten das Medium Radio und/oder Radiotechnik ins Bild. Dabei bezogen sie sich zwar nicht unmittelbar auf die Reinszenierung, in jedem Falle aber auf die Thematik der Ausstellung. Die in die Besucherbücher integrierten Notationen lassen erkennen, dass BesucherInnen sich auch mit Möglichkeiten einer schriftlichen Fixierung akustischer Phänomene auseinandersetzten. Hierzu vertrauten sie vor allem auf das westliche Notensystem. Mit dem Orientierungsrahmen Reaktion auf die Reinszenierung fasse ich Typen von Zeichnungen zusammen, die deutlichere Rückschlüsse auf den Umgang von BesucherInnen mit der Reinszenierung von Nacht. Stimme. Zerstreuung. erlauben. Dabei handelt es sich insbesondere um Zeichnungen, die sich einem oder mehreren der folgenden Typen zurechnen lassen: • • • •

Wiedergabe und Deutung der radiophonen Arbeit, Ansicht des dinglichen Settings, Darstellung der akustischen Wahrnehmung, Notation.193

Signifikant erscheint die Relation zur Reinszenierung insbesondere bei Zeichnungen, die durch Gegenständlichkeit, die Verwendung allgemein bekannter Symbole und/oder die Kombination mit Text charakterisiert sind. Nichtsdestoweniger demonstrieren auch diese Beiträge die Entwicklung einer jeweils eigenen Bildsprache und individueller grafischer Lösungen.

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Obwohl Bohatsch explizit dazu auffordert, seine Situation im Studio zu imaginieren,194 zeigt keine Zeichnung den gehörten Raum. Einige BesucherInnen gaben jedoch den Hörraum wieder, berücksichtigten dabei mitunter akustische Ereignisse und den eigenen Körper. Zudem stellten sich einige BildproduzentInnen der Herausforderung, abstrakte Inhalte der radiophonen Arbeit in eine gegenständliche Zeichnung zu übersetzen. Als allgemein verständliches Symbol für die akustische Wahrnehmung fungiert das Ohr. Neben dem Hörvorgang an sich dienen stilisierte Ohr-Darstellungen auch der Visualisierung der radiophonen Kommunikation. Das Ohr symbolisiert das Hören, der Mund das Sprechen. Hier lässt sich an Erläuterungen Marshall McLuhans anknüpfen, denen zufolge die Stimme auch unabhängig vom Rundfunk als Sender und das Ohr als Empfänger fungiert.195

6.5 Resümee Die Einträge der BesucherInnen geben nicht nur deren Bereitschaft zu erkennen, sich für eine gewisse Zeit auf die radiophone Arbeit einzulassen. Sie teilten auch ihre grundlegenden Erfahrungen und eigenen ästhetischen Produktionen späteren LeserInnen bzw. BetrachterInnen mit. Die Interpretationen der Text- und Bildbeiträge lassen kein geschlossenes, schon gar kein einheitliches Bild bezüglich der Rezeption entstehen. Vielmehr belegen sie die Heterogenität der reflexiven, emotionalen und körperlichen Aktivität im Kontext der Präsentation von Nacht. Stimme. Zerstreuung. Wie bereits im Zusammenhang mit den exemplarischen Analysen der radiophonen Arbeiten, so sei auch für die Interpretation der Text- und Bildbeiträge aus den Besucherbüchern angemerkt, dass ihre Interpretation zwangsläufig offen und anschlussfähig bleiben muss. Hinsichtlich der Ausgangsfragen ist festzuhalten, dass die Reinszenierung der radiophonen Arbeit die BesucherInnen auf sehr unterschiedlichen Ebenen zu aktivieren vermochte und vielfältige Erfahrungen auslöste. Diese entsprechen in weiten Teilen den in Kapitel 4 herausgearbeiteten übergeordneten Zielen der Vermittlung von Radiokunst. Die Besucherbucheinträge lassen sich auf Basis der (klassifizierenden) Text- und Bildanalyse vier Kategorien zuordnen, die sich in vielen Fällen überlappen: 1. Fokussieren der akustischen Wahrnehmung 2. Reflexion über mediale Strukturen 3. Politische Dimension 4. HörerInnen als ProduzentInnen Fokussieren der akustischen Wahrnehmung Die Reinszenierung von Nacht. Stimme. Zerstreuung. beinhaltet kein visuelles Dokumentationsmaterial.196 Dieser Verzicht mag die Konzentration auf das Hörerlebnis begünstigt haben, weil auf diese Weise nicht die Imagination des ursprünglichen Hörerlebnisses im Rahmen der Kunstradio-Live-Sendung, sondern das Hören im Hier und Jetzt des Hörraums Ausstellung forciert wurde. Die Bild- und Textbeiträge weisen weniger Reflexionen über akustische Phänomene und Zeichensysteme als über das Hören an sich auf. Der Prozess der akustischen Wahrnehmung und seine Folgen scheinen sich in manchem Fall vor die Wahrnehmung, Deutung und Darlegung konkreter Formen und Inhalte der Reinszenierung von Nacht. Stimme. Zerstreuung. zu schieben. Obwohl die Reinszenierung auch dinglichen Charakter hat, wird das Sehen an keiner Stelle reflektiert. Die akustische Wahrnehmung spielt hingegen sowohl in den Text- als auch in den Bildbeiträgen eine Rolle.

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Neben dem Hören an sich rückte auch der Hörraum mit seiner jeweiligen Geräuschkulisse in das Bewusstsein von BesucherInnen. Dies war möglicherweise beabsichtigt und geschah infolge der Aufforderung durch den Sprecher,197 oder es setzte in jenen Momenten ein, in denen äußere akustische Phänomene beim Hören der radiophonen Arbeit zum Störfaktor wurden. In der Fixierung von Verbalsprache, von prägnanten oder persönlich bedeutsamen Sequenzen, kann eine mögliche Strategie der HörerInnen erblickt werden, um das Gehörte der Flüchtigkeit zu entreißen bzw. es sich anzueignen. Möglicherweise entsprang die Dokumentation auch dem Wunsch, die eigene Konzentration auf Inhalte der Arbeit zu steigern und/oder ein besseres Verständnis für die radiophone Arbeit zu erzielen. Lässt sich gesprochene Sprache verhältnismäßig leicht verschriftlichen, stellt die Übertragung von Stimme, Geräusch, Musik und Stille deutlich höhere Anforderungen an Text- und BildproduzentInnen. Auffällig ist insbesondere, dass sich die Stimme des Sprechers Bohatsch, welche die radiophone Arbeit dominiert, als „performatives Phänomen par excellence“198 ihrer Fixierung in den Besucherbüchern entzog. Reflexion über mediale Strukturen Einige BesucherInnen begegneten mit ihren Beiträgen der Herausforderung, mediale Strukturen in Worte zu fassen und/oder zu visualisieren. Sowohl die Textbeiträge als auch die Zeichnungen legen nahe, dass das Radio von einer gewissen symbolischen Bedeutung für die Text- und BildproduzentInnen ist. An keiner Stelle äußerten sich diese negativ zum Radio, vielmehr scheint das Medium für sie positiv konnotiert zu sein. Sie hegen zwar bestimmte Vorstellungen hinsichtlich des Mediums, thematisieren ihren Radiobegriff jedoch nicht näher. Es bleiben einige Fragen offen: Gingen die BesucherInnen vom Rundfunk aus, wie er sich in den 2010er Jahren konstituierte oder bestimmten Erinnerungen an den Rundfunk, wie er sich in den vorangegangenen Jahrzehnten darstellte, ihre Vorstellungen? Bezogen sie sich auf das digitale oder das analoge Radio und differenzierten sie überhaupt zwischen diesen unterschiedlichen Formen? Einen Anhaltspunkt könnten einige Bildbeiträge liefern, in denen der Rundfunk durch analoge Radiogeräte und Antennen visualisiert wurde. Deutlich wird, dass die VerfasserInnen von Textbeiträgen dem Radio eine verbindende Funktion bzw. das Potenzial, ein Gefühl von Verbundenheit zu anderen Menschen zu erzeugen, attestieren. Dieses basiert nicht zuletzt auf der Vorstellung, synchron mit anderen zu hören. Das Prinzip der Assoziation von HörerInnen, das die Künstlergruppe LIGNA insbesondere durch Handlungsanweisungen hervorhebt, entfaltete hier offenbar Wirksamkeit. 228

Äußerungen zum One-to-Many-Prinzip finden sich sowohl unter den Textals auch unter den Bildbeiträgen. Insbesondere letztere weisen pointierte Darstellungen des bereits von Brecht kritisierten „Distributionsapparats“ Radio auf. 199 Jedoch erwägt kein/keine BesucherIn in seinem/ ihrem Beitrag eine mögliche Umstrukturierung des Rundfunks oder führt Internetdienste, die dem Many-to-Many-Prinzip folgen, als zeitgemäßere Alternative ins Feld. Auch der Live-Aspekt, der für Nacht. Stimme. Zerstreuung. von nicht zu unterschätzender Bedeutung ist, findet Erwähnung. Hier bestätigt sich, dass das „Radio als Phänomen“, wie Anne Thurmann-Jajes konstatiert, „unabhängig von der Form der Ausstrahlung immer noch als ein vermeintlich ‚vergänglicher‘ Moment empfunden [wird]“200. Überlegungen zur Bedeutung des Live-Sendens wurden nicht zuletzt dann eingeleitet, wenn BesucherInnen begriffen, dass sie einer Aufnahme lauschen. Politische Dimension Insbesondere Textbeiträge deuten darauf hin, dass ihre UrheberInnen Nacht. Stimme. Zerstreuung. als kritische Betrachtung des Radiosystems verstanden. Als aktivistische Praxis wird die radiophone Arbeit jedoch nicht eingestuft. Weniger Überlegungen hinsichtlich der gesamtgesellschaftlichen Bedeutung als hinsichtlich persönlicher Folgen bestimmen die Beiträge. Einige BesucherInnen gingen darin davon aus, dass die radiophone Arbeit selbst manipulierend auf sie einwirkt. Andere beschreiben, dass das Gehörte sie über derartige Tendenzen informierte, ihnen gewissermaßen die Augen öffnete. BesucherInnen gingen auf die radiophone Arbeit ein und bewerteten sie als manipulativ oder aufklärend, sie stellten das grundsätzliche Prinzip jedoch nicht in Frage. Die Einträge erlauben den Rückschluss, dass BesucherInnen der materiellen und immateriellen Ebene der Präsentation verhaftet blieben und nicht von der Reinszenierung abstrahierten. Obwohl das Medium Radio bereits seit einigen Jahren an Bedeutung verliert, insbesondere jüngere Menschen vielmehr Internetdienste nutzen, findet keine Übertragung der erkannten Sachverhalte auf andere Medien statt. Eine Anknüpfung an zeitgenössische medienkritische Debatten wird an keiner Stelle vorgenommen. Auch Überlegungen zum eigenen Handlungsspielraum innerhalb des Mediensystems spielten für die BesucherInnen im Grunde keine Rolle. Sie sind in einem Eintrag auf die Feststellung reduziert: „ich schalte den Apparat ab V ich habe die Macht über Mann & Radio!“ (T24). HörerInnen als ProduzentInnen Die strukturelle Unterscheidung zwischen Empfangen und Senden blieb auch in der Ausstellung unangetastet und wird gewissermaßen repro-

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duziert. Dennoch resultierte aus der Rezeption eine hohe Aktivität der BesucherInnen. Von der „imaginierten Gemeinschaft“201 der RadiohörerInnen verschob sich der Schwerpunkt auf gegenwärtige temporäre Gemeinschaften innerhalb der Ausstellung. BesucherInnen agierten nicht nur als ProduzentInnen im Sinne der Künstlergruppe LIGNA und ergründeten das „politische Potential der zerstreuten Rezeptionssituation“ des Radios,202 indem sie sich darum bemühten, den Aufforderungen Bohatschs nachzukommen. Ihre sprachlichen und bildlichen Produktionen sind auch durch eine gewisse Eigenständigkeit gekennzeichnet. Mit jedem Beitrag fand eine Erweiterung bzw. Bereicherung der Reinszenierung für nachfolgende BesucherInnen statt. Die HörerInnen setzten das Prinzip der Assoziation gewissermaßen in einem anderen Medium fort. Die Schreibenden und Zeichnenden nutzten und erkundeten auch die Besucherbücher als Medium und agierten synchron zur Wiedergabe der radiophonen Arbeit, die ihren Rhythmus prägte.203 Ihr produktives Denken und Handeln im Rezeptionsprozess schlug sich als Spur in Texten und Zeichnungen nieder und zeigt die theoretische und praktische Auseinandersetzung mit der Reinszenierung auf. Hinweise auf eine Erweiterung des Kunstbegriffs von BesucherInnen lassen sich den Beiträgen hingegen kaum entnehmen. Dies könnte einerseits so verstanden werden, dass das Wahrgenommene von den meisten BesucherInnen kritiklos als Kunst hingenommen wurde. Ausschlaggebend dafür wäre nicht zuletzt die „Rahmungs-Institutionen“,204 d. h. das Zentrum für Künstlerpublikationen als Museum zeitgenössischer Kunst. Andererseits wäre auch der Schluss möglich, dass die Arbeit als Teil des üblichen Radioprogramms aufgefasst wurde und sich die Möglichkeit einer Zuordnung zur Kunst gar nicht erst stellte. Kein Eintrag lässt darauf schließen, ob die Reinszenierung tatsächlich einen Beitrag dazu leistete, dass BesucherInnen ihren Kunstbegriff überdachten bzw. erweiterten. Ebenso wenig geben Texte und Zeichnungen Anlass zur Vermutung, dass das Kunstmuseum als Ort der Präsentation einer radiophonen Arbeit hinterfragt wurde.

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1 Siehe hierzu Vieregg 1998, S. 30 und Kap. 5.1.2. 2 Siehe detaillierte Beschreibung der Sendereihe Kunstradio – Radiokunst Kap. 3.1. 3 Unter besonderer Berücksichtigung von drei speziellen Themenblöcken, die in den weiteren Ausführungen näher thematisiert werden. 4 Siehe Grundriss der Ausstellungsräume Abb. 7. 5 Siehe und höre www.kunstradio.at sowie Kap. 3.1. 6 Der Verein TRANSIT geht auf die Initiative der Producerin Heidi Grundmann sowie von KünstlerInnen zurück. Er ermöglichte ab 1992 die Umsetzung von künstlerischen Projekten „im öffentlichen Raum und vor allem im immateriellen Raum der Telekommunikationsmedien“ (TRANSIT o. J.). 7 Siehe auch Kap. 3.2.6. 8 Siehe auch Kunstradio – Radiokunst 2012b. 9 Der Titel Wiencouver steht für eine virtuelle Stadt, die sich erst durch die Zusammenarbeit von KünstlerInnen in Wien und Vancouver konstituiert. Siehe auch Kunstradio – Radiokunst 2004b. Die Internetseite gibt einen Überblick über die umfangreichen Wiencouver-Aktivitäten, die 1979, d. h. noch vor der Entstehung des Kunstradios, begannen. 10 Siehe und höre http://www.kunstradio.at/1989B/16_11_89.html. 11 Siehe und höre http://kunstradio.at/PROJECTS/CURATED_BY/. 12 Kleine Broschüre im DIN A6-Format, die derart aus einem Papierbogen gefaltet wird, dass sich eine Bindung durch Klammern etc. erübrigt. 13 Hinsichtlich meiner Forschungsfragen im Kontext der vorliegenden Arbeit sind die Ergebnisse aus den Fragebögen nicht relevant. Die Fragebögen beziehen sich kaum auf die im Fokus stehenden Erfahrungen von BesucherInnen im Zusammenhang mit der Reinszenierung von Nacht. Stimme. Zerstreuung. 14 Siehe auch Grundriss der Ausstellungsräume (Abb. 7), in dem die Stationen eingezeichnet sind. Das x-Book (Abb. 8 bzw. Abb. 9) enthält zudem Links zu Internetseiten aus dem Kontext Radio bzw. Radiokunst sowie Platz für eigene Notizen. 15 Zur räumlichen Situation der Inszenierung des Schlafradios siehe Grundriss der Ausstellungsräume (Abb. 7). 16 thetaPHASE ist eine Kooperation von Norbert Math sowie der KünstlerInnen Andrea Sodomka, Clemens Gießmann, Peter Szely und Christoph Cargnelli. Die Performance fand am 22. Oktober 1994 im Rahmen des Sampling Symposiums im Echoraum in Wien statt. Für weitere Informationen zur Performance siehe Kap. 3.2.1. 17 Dieser Text war auf einem Schild an der Wand zu lesen und fand sich in gleicher Form auch im x-Book. 18 Eine konkrete Anleitung zur Bedienung des Diktiergeräts war auf der Rückseite des Gehäuses angebracht. Zudem waren immer Aufsichtspersonen zugegeben, bei denen sich die BesucherInnen über die Anwendung der Geräte informieren konnten. 19 Die MitarbeiterInnen des Zentrums für Künstlerpublikationen luden anlässlich des Art’s Birthday am 17. Januar 2013 alle Interessierten dazu ein, an einer Radio-Show mit Performances des Fluxus-Künstlers Willem de Ridder und dem Duo Mobile Radio teilzunehmen. Regine Beyer, freie Radiojournalistin, moderierte den Abend. Teile des Programms gingen via Satellit live auf Sendung. Daran beteiligt waren Radiostationen der Ars Acustica-Gruppe der European Broadcasting Union (EBU). Siehe auch Zentrum für Künstlerpublikationen 2016. 20 Gespräch mit Norbert Math, Andrea Sodomka und Martin Breindl im Zuge der Vorbereitung zur Ausstellung Über das Radio hinaus am 21. September 2012 in ihrem Atelier in Wien. 21 Hörbar waren alle Beiträge. Synchron zum Abspielen von Beiträgen auf dem Diktiergerät war jedoch keine Aufnahme möglich, es sei denn, BesucherInnen nutzten ihr eigenes Handy bzw. Smartphone. 22 Kolesch 2003, S. 267 und Krämer 2003, S. 73. 23 Siehe hierzu auch Westphal 2011, Kapitel 7 Stimmen und Bilder und Westphal 2015, S. 146. 24 Eine digitale Bearbeitung des Sounds war ausschließlich im privaten Raum, d. h. am eigenen PC möglich. Die Voraussetzung dafür bestand darin, dass BesucherInnen den Sound mit ihrem Handy bzw. Smartphone mitschnitten oder eine Aufnahme auf Basis des Livestreams auf der Internetseite des Kunstradios anfertigten. Jedoch machte niemand von dieser Möglichkeit Gebrauch, d. h. kein Schlafradio-Beitrag wurde nachträglich eingereicht. 25 Denkbar wäre gewesen, das Klangarchiv, das Math ursprünglich für sein Projekt geplant hatte, zu realisieren und eine Fortführung des Projekts über das Internet zu ermöglichen. 26 Beim Sender handelte es sich um die freundliche Leihgabe der Künstlergruppe LIGNA. 27 Zur Gestaltung der Wohnzimmer-Ensembles siehe Abb. 6, zu ihrer räumlichen Verteilung siehe Abb. 7. 28 Es handelt sich nicht um Besucherbücher im herkömmlichen Sinne, weil ihre Funktion darin bestand, Aufzeichnungen zu einer konkreten Arbeit in der Ausstellung, nicht Kommentare zur Ausstellung oder zum Museum zu ermöglichen. Zur Definition des Begriffs „Besucherbuch“ und zum Besucherbuch als Erhebungsinstrument siehe Kap. 6.2.1. 29 Über die Reichweite des Senders wurden die BesucherInnen nicht informiert. 30 Denkbar wäre eine Abdunkelung der Räume gewesen, um eine nächtliche Situation zu suggerieren. Da alle Räume offen waren und sich die LIGNA-Stationen in unterschiedlichen Räumen befanden, war dies nicht zu bewerkstelligen. Das Abdunkeln der Räume hätte zudem das Schreiben und Zeichnen deutlich erschwert.

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Vgl. Maset 2001a, S. 77. Siehe auch Kap. 5.3. Vgl. Maset 2001b, S. 24. Siehe auch Kap. 5.3. Siehe zur Partizipationsintensität Piontek 2012, S. 222 und Kap. 5.5. Vgl. Simon 2010, S. 190–191. Siehe auch Kap. 5.5. Peters 2016b, S. 121 und Inthoff; Peters 2015, S. 138–139. Siehe hierzu auch Kap. 5.4. Vgl. Peters 2015, S. 182. Da die Erhebung erst nach der Eröffnung der Ausstellung stattfand, lässt sich die vorliegende Arbeit als summative Evaluation charakterisieren, die sich auf den finalen Ausstellungsaufbau bezieht. Auf Grundlage der Ausführungen des US-amerikanischen Bildungsforschers Chandler G. Screven nennt der Evaluationsforscher Hans Joachim Klein vier unterschiedliche Typen der Evaluation, die jeweils in unterschiedlichen Phasen der Umsetzung einer Ausstellung zur Anwendung kommen: Vorab- oder front-end-Evaluation, formative Evaluation, Nachbesserungsoder remedial-Evaluation und summative Evaluation. (Vgl. Klein 1991, S. 7–16) Flick et al. 2015, S. 14. Vgl. Wegner 2010, S. 129. Besucherforschung wird in Deutschland verstärkt seit den 1990er Jahren betrieben. (Vgl. Hornig 2011, S. 49–50) Vgl. Wegner 2010, S. 129. Der Soziologe Volker Kirchberg geht davon aus, dass es sich nur bei 5% der deutschen BesucherFallstudien um Evaluationsstudien handelt, während der überwiegende Teil rein deskriptiver Natur ist und ohne Konsequenzen auf die Ausstellungsgestaltung bleibt. (Vgl. Kirchberg 2010, S. 179) Er plädiert für eine Abkehr von der quantitativ-deskriptiven Praxis und für eine Konzentration auf qualitative empirische Methoden. (Vgl. ebd.) Vgl. Kirchberg 2010, S. 171–172. Mögliche Lernerfahrungen im Museum listet der britische Museums-, Bibliotheks- und Archivrat (UK Museums Libraries and Archives Council, MLA) in Großbritannien unter dem Oberbegriff „generische Lernresultate“ auf. Der deutsche Museumsbund erblickt in ihnen mögliche Richtlinien für die Analyse der Besucherantworten, merkt jedoch an, dass diese zu wenig auf die Perspektive der BesucherInnen selbst ausgerichtet sind. (Vgl. Deutscher Museumsbund 2010, S. 30) Ein Abfragen tatsächlicher Lernergebnisse und -prozesse erscheint den VerfasserInnen im Museumskontext nicht durchführbar. (Vgl. ebd. 30–31) Vgl. Mortensen 2014, S. 23. Vgl. ebd., Doering 1999, S. 81 und Roppola 2012, S. 59. Siehe hierzu Brannick; Coghlan 2007. Unter „Insider Research“ verstehen Brannick und Coglan Forschungsprojekte, in deren Rahmen vollwertige Mitglieder einer Institution innerhalb und über diese forschen. (Vgl. Brannick; Coghlan 2007, S. 59) Vgl. Brannick; Coghlan 2007, S. 59 und S. 72. Bohnsack beispielsweise weist explizit auf die Möglichkeit einer Triangulation mittels Bild- und Textinterpretation hin. (Vgl. Bohnsack 2006, S. 52) Flick beschreibt das Grundprinzip der Triangulation als „die Betrachtung eines Forschungsgegenstandes von (mindestens) zwei Punkten aus“ (Flick 2015, S. 309). Vgl. Flick 2015, S. 318. In den 1970er Jahren sieht der US-amerikanische Soziologe Norman Kent Denzin in der Triangulation vor allem eine Strategie zur Sicherstellung der Validität und Aussagekraft einer Untersuchung, d. h. zur Überprüfung von Forschungsergebnissen. Dieser Sichtweise begegnen jedoch zahlreiche WissenschaftlerInnen mit großer Skepsis, weil auf diese Weise der Eindruck entstehen kann, dass die Anwendung mehrerer Methoden ein komplettes bzw. lückenloses Bild des jeweils untersuchten Sachverhalts liefern könnte. (Vgl. Flick 2015, S. 311 und Flick 1995, S. 432) In seinen jüngeren Publikationen seit den späten 1980er Jahren revidiert Denzin seine Aussagen und betrachtet die Triangulation eher im Hinblick auf Multiperspektivität und die Vertiefung von Erkenntnissen. (Vgl. Flick 2015, S. 311) Siehe hierzu auch Denzin 1977, 297ff. Siehe hierzu u. a. Schnell et al. 2013, S. 339–340; Mayer 2013, S. 59; S. 99 und Glogner 2011, S. 610. Vgl. Paatsch 2002, S. 55. Siehe hierzu auch Knop 2015, S. 172. Die AutorInnen widmen sich nicht nur der Kommunikation über Kunst, sondern auch Fragestellungen anderer Art. Die Glasarche ist ein fast fünf Meter großer Schiffskörper aus Glas, der von regionalen Künstlern geschaffen wurde. Zwischen 2003 und 2005 wurde die Glasarche an unterschiedlichen Orten in den Nationalparkregionen des Bayerischen Walds und des Böhmerwalds präsentiert. Besucherbücher begleiteten diese Reise, wurden an jedem Ort nahe der künstlerischen Arbeit ausgelegt. Vgl. Thurmair 2009, S. 37. Während Thurmair das Besucherbuch als Supertextsorte bezeichnet, betrachtet sie das Museums(-besucher-)buch als eine von mehreren ihr untergeordneten Textsorten (z. B. Gästebuch, Gipfelbuch). (Vgl. Thurmair 2009, S. 38) Vgl. ebd., S. 38. Zu den bekanntesten künstlerischen Arbeiten, in die Besucherbücher integriert sind, zählt Vor der Stille als Teil der zentralen Arbeit Die Architektur der Erinnerung von Sigrid Sigurdsson. Siehe hierzu Fehr 1995. Da BesucherInnen im Rahmen dieser Untersuchung durch den Begleittext der Besucherbücher wörtlich dazu ermuntert wurden, ihre Erfahrungen „aufzuzeichnen“, kann dies sowohl als Aufforderung zur Text- als auch zur Bildproduktion verstanden werden. Die Seiten des Buchs sind frei von vorgefertigten Mustern (z. B. Karos und Linien), der beigefügte Bleistift eignete sich zum Schreiben und Zeichnen.

56 Vgl. Thurmair 2009, S. 37. Aus den Einträgen in den Besucherbüchern zur Glasarche leitet Thurmair ab, dass die meisten BesucherInnen die Bücher als Aufforderung verstanden, sich zur Ausstellung zu äußern. (Vgl. ebd., S. 53) 57 Vgl. Thurmair 2009, S. 38. 58 Vgl. ebd., S. 40–41. 59 Auch im Kontext des oben genannten Glasarche-Projekts konzentriert sich Hausendorf auf Kunstkommunikation. Siehe außerdem Hausendorf 2009, Hausendorf 2007 und Hausendorf 2006. 60 Hausendorf 2006, S. 70 (Herv. i. O.). Siehe hierzu auch Hausendorf 2007, S. 25. An anderer Stelle zeigt Hausendorf eine mögliche Forschungsperspektive auf, die Besucherbüchern im Rahmen der Kunstkommunikation eine größere Bedeutung beimisst, indem diese projektbegleitend gefüllt und der medialen Kunstkritik vergleichend gegenübergestellt werden. (Vgl. Hausendorf; Thim-Mabrey 2009, S. 247). 61 Hausendorf 2006, S. 71. Im Zusammenhang mit den Besucherbüchern der Glasarche unterscheidet er zwischen den Kommunikationsoptionen Signieren, Adressieren, Dichten und Referieren. (Vgl. Hausendorf 2009) 62 Vgl. Hausendorf 2006, S. 73ff. 63 Vgl. ebd., S. 82. 64 Vgl. ebd., S. 85–86. 65 Vgl. ebd., S. 91–92. 66 Siehe hierzu Kap. 5.4. 67 Vgl. Peters 2016a, S. 307 und Kap. 5.4. 68 Zu nicht-reaktiven Messverfahren siehe auch Schnell et al. 2013, S. 404. 69 Vgl. Mayring 2015, S. 469. 70 Vgl. ebd., S. 468–469 und S.474. 71 Mayring 2010, S. 10. 72 Vgl. ebd., S. 13. An dieser Stelle merkt Mayring kritisch an, dass der Begriff „kategoriegeleitete Textanalyse“ um Grunde geeigneter wäre, da dieser nicht suggeriert, es würde ausschließlich um Kommunikationsinhalte gehen. 73 Vgl. Mayring 2015, S. 471 und Mayring 2010, S. 58. 74 Vgl. Mayring 2015, S. 471. 75 Vgl. Mayring 2010, S. 52–53. 76 Vgl. ebd. 77 Vgl. ebd. 78 Vgl. ebd. 79 Vgl. ebd. 80 Ebd., S. 59. 81 Vgl. ebd. 82 Vgl. ebd. Den Begriff „Kategorien“ im Kontext der Inhaltsanalyse definieren Schnell et al. als „‚Oberbegriffe‘, die mit den definierten Begriffen für die problemrelevanten Dimensionen identisch sind oder sie in Teildimensionen untergliedern.“ (Schnell et al. 2013, S. 401) Unterkategorien dienen der weiteren Differenzierung, dem Aufzeigen des Spektrums innerhalb von Kategorien. (Vgl. ebd.) 83 Vgl. Schnell et al. 2013, S. 401. 84 Siehe zur zusammenfassenden Inhaltsanalyse sowie zur explizierenden Inhaltsanalyse Mayring 2015, S. 472 und Mayring 2010, S. 65. 85 Vgl. Mayring 2010, S. 65. 86 Vgl. ebd. 87 Vgl. ebd., S. 92. 88 Vgl. Mayring 2015, S. 473 und Mayring 2010, S. 94. Neben dem Filtern des Materials hinsichtlich ausgewählter Aspekte nennt Mayring als weitere potenzielle Funktionen der strukturierenden Inhaltsanalyse das Legen eines Querschnitts durch das Material sowie die Einschätzung des Materials hinsichtlich ausgewählter Kriterien. (Vgl. Mayring 2015, S. 473 und Mayring 2010, S. 65) 89 Siehe zur Technik der Strukturierung Mayring 2010, S. 98–99. 90 Vgl. Mayring 2010, S. 93 und S. 99. 91 Zu den Zielen der Ausstellung Über das Radio hinaus siehe Kap. 6.1.1. 92 Siehe hierzu Kap. 3.2 und 3.3. 93 Siehe zur induktiven Kategorienbildung Mayring 2010, S. 83–84. 94 Siehe hierzu Mayring 2010, S. 69–70. Mayring sieht in seinem Modell der strukturierenden Inhaltsanalyse erst nach Entwicklung des Kategoriensystems eine Paraphrasierung vor. (Vgl. ebd., S. 99) 95 Vgl. Mayring 2010, S. 92. 96 Vgl. ebd. 97 Ähnlich sieht dies Mayring sowohl für die induktive Kategorienbildung als auch für die strukturierende Inhaltsanalyse vor. (Vgl. Mayring 2010, S. 84–85 und S. 92–93) 98 Vgl. Mayring 2010, S. 94. 99 Vgl. ebd., S. 93. 100 Ausschließlich Textbeiträge, die im Rahmen der Analyse einer genaueren Betrachtung unterzogen werden, erhalten eine Bezeichnung.

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101 Eine ähnliche Einordnung nimmt Hausendorf vor, der die Unterscheidung zwischen Kunst und Nicht-Kunst als Extremfall des Bewertens auffasst. (Vgl. Hausendorf 2006, S. 81) 102 Siehe hierzu auch Kap. 4.4. 103 Die Gesamtlänge der Arbeit war der Ausstellungsbeschriftung zu entnehmen. 104 Zur Kommunikationsoption Signieren siehe Hausendorf 2009, S. 66–67. Mit ihrer Signatur belegen BesucherInnen in erster Linie, dass sie vor Ort gewesen sind. (Vgl. ebd.) Siehe hierzu auch Thurmair 2009, S. 53. 105 Danken bzw. Dank könnte als Ausdruck für das Gefallen der Reinszenierung gewertet werden, ist nach Aussage von Thurmair jedoch im Allgemeinen schwer zu klassifizieren. (Vgl. Thurmair 2009, S. 37) 106 Insgesamt handelt es sich um 106 Beiträge, von denen acht keinen Text beinhalten, sondern ausschließlich auf einer Zeichnung basieren. 107 Dazu wurden die Satzfragmente mit dem Transkript der radiophonen Arbeit (Anhang III) verglichen. Die dokumentierten Satzfragmente des Besuchers/der Besucherin sind hier zwischen Zeile 61 und Zeile 261 zu verorten. 108 Siehe beispielsweise Transkript der Arbeit Nacht. Stimme. Zerstreuung. Anhang III [Zeilen 66–67]. 109 Zum Radio als Medium für die Übertragung der fluiden akustischen Zeichensysteme Stimme und Sprache schlechthin siehe auch Hagen 2006, S. 136 sowie Kap. 4.3. 110 Vgl. Faulstich 2002, S. 305. Siehe hierzu auch Kap. 4.2. 111 Dies erstaunt angesichts der Tatsache, dass Besucherbuch A als einziges in unmittelbarer Nähe zu mehreren Fenstern lag, die sich im Grunde problemlos öffnen ließen. In den anderen beiden Büchern, die in deutlicher Entfernung zu Fenstern platziert waren, findet sich kein Kommentar zum Fehlen von Fenster oder Tür. 112 Adrian 1998. 113 Vgl. Transkript der Arbeit Nacht. Stimme. Zerstreuung. Anhang III [Zeilen 83–85]. 114 In theoretischen Texten widmet sich die Künstlergruppe LIGNA dem Thema der Schizophrenie im Kontext des Radios. An dieser Stelle ist vor allem der Text Radio und Schizophrenie (2013) von Ole Frahm zu erwähnen, auf dem das Skript von Nacht. Stimme. Zerstreuung. unter anderem basiert. 115 Vgl. Arolt 2010, S. 273. Der Begriff „Schizophrenie“ leitet sich von den griechischen Worten „Schízein“ (=spalten) und „phrén“ (= Geist oder Gemüt) ab. (Vgl. ebd.) 116 Vgl. ebd., S. 274. 117 Vgl. Transkript der Arbeit Nacht. Stimme. Zerstreuung. Anhang III [Zeilen 97–101]. 118 Der Textbeitrag wurde in bulgarischer Sprache verfasst. Im Original lautet er wie folgt: „Необичайни и стряскащо. Какъв е моят глас и гласа на другия?“ 119 Vgl. Kolesch; Krämer 2006, S. 11. 120 Braun 1999, Kap. 1. Siehe hierzu auch Krämer 2003, S. 73; Kolesch 2003, S. 267; Pinto 2012, S. 182 sowie Kap. 4.1. 121 Vgl. Arnheim 2001, S. 103. 122 Transkript der Arbeit Nacht. Stimme. Zerstreuung. Anhang III [Zeile 346]. 123 Dies wird zum Beispiel anhand folgender Beiträge deutlich: „[…] Ruhe durch Sprache […]“ (T41) und „[…] Konzentration auf das Gesagte führt zur Entspannung. […]“ (T58). 124 Siehe Transkript der Arbeit Nacht. Stimme. Zerstreuung. Anhang III [Zeilen 158–306] bzw. höre Nacht. Stimme. Zerstreuung. [18:07–24:07]. Siehe hierzu auch Ligna 2005, S. 345. 125 Beispielsweise mit folgenden Sätzen: „Wie heißen Sie? Ihren Namen werde ich nie erfahren.“ (Transkript der Arbeit Nacht. Stimme. Zerstreuung. Anhang III [Zeilen 23–24]). 126 Wörtlich „Ein Dialog ohne Dich!“ (T16). 127 Transkript der Arbeit Nacht. Stimme. Zerstreuung. Anhang III [Zeile 241–242]. 128 Vgl. Transkript der Arbeit Nacht. Stimme. Zerstreuung. Anhang III [Zeile 271]. Das Wort „Einfluss“ bzw. „Be(-einfluss-)en“ findet sich (unmittelbar nach dem Begriff „Manipulation“) nur in Beitrag T30. 129 Eintrag T05 ist in bulgarischer Sprache verfasst. Aus diesem Grund konnten vermutlich nur wenige andere BesucherInnen den Inhalt erfassen. Die Wahrscheinlichkeit, dass der/die UrheberIn von Beitrag T40 sich an dem in bulgarischer Sprache verfassten Beitrag orientierte, ist als gering einzustufen. 130 Hausendorf hebt die aufwendige grafische Gestaltung von Besucherbucheinträgen sowie das Bemühen um einen besonderen sprachlichen Ausdruck in ihrer Funktion hervor, die Aufmerksamkeit und das Interesse der LeserInnen auf sich zu ziehen. (Vgl. Hausendorf 2009, S. 69) „Hier zeigt sich eine Art Überschuss in der Gestaltung der Eintragung, die an den Geschmack und das Gefallen des Lesers und der Leserin appellieren.“ (Ebd.) 131 Vgl. Transkript der Arbeit Nacht. Stimme. Zerstreuung. Anhang III [Zeilen 160–162]. 132 Siehe Transkript der Arbeit Nacht. Stimme. Zerstreuung. Anhang III [Zeilen 174–175]. 133 „Fassen Sie das Radio an. Berühren Sie es mit Ihrer Hand.“ (Transkript der Arbeit Nacht. Stimme. Zerstreuung. Anhang III [Zeile 158]) 134 Bei diesem und den folgenden Zitaten im Kontext der Unterkategorie Lyrik wurden die Zeilenumbrüche der Originalbeiträge beibehalten, um diese als potenziell sinnstiftende Elemente nicht zu unterschlagen. 135 Deutsche Übersetzung: „Es müsste einen Ort geben zum Bleiben, um nachzudenken. Also dies wäre der perfekte Ort.“

136 Siehe hierzu auch Analyse der Zeichnungen Kap. 6.4.2 und Anhang IX. 137 Siehe Unterkategorien Wahrnehmung der eigenen Wahrnehmung und Kontrolle und Manipulation. 138 Einschränkend muss angemerkt werden, dass Abweichungen hinsichtlich der Konjugation einiger Verben bestehen. Zudem findet das Wort „Nachricht“ in der radiophonen Arbeit Nacht. Stimme. Zerstreuung. keine Verwendung. 139 Inhaltliche Ähnlichkeiten der Beiträge T05 und T40 werden auch in den Ausführungen zur Unterkategorie Kontrolle und Manipulation geschildert. 140 Auch ich selbst dokumentiere im Zuge der Schilderung meines Ersteindrucks Gefühlsschwankungen, halte fest, dass gleichermaßen Behagen und Unbehagen aus der Rezeption der Arbeit resultieren. Siehe hierzu Kap. 3.3.3. 141 Siehe Unterkategorie Bildgedicht. 142 In vielen Fällen ist den Beiträgen keine Differenzierung zu entnehmen, der Bezugspunkt wird nicht deutlich benannt. Da sich die zugrundeliegende Fragestellung auf das Aktivierungspotenzial der Reinszenierung bezieht, erscheint es mir legitim, die akustische und visuelle Ebene der Reinszenierung in den Subkategorien gleichermaßen zu berücksichtigen bzw. gemeinsam zu verhandeln. 143 Vgl. Kindt 2007, S. 63–64. 144 Besucherbuch A war Teil eines dinglichen Settings, das in einer Nische platziert war. Siehe auch Grundriss der Ausstellungsräume (Abb. 7). 145 Siehe Transkript der Arbeit Nacht. Stimme. Zerstreuung. Anhang III [Zeilen 21–22]. 146 Vgl. Kindt 2007, S. 65. 147 Hess 1999, S. 125. 148 Siehe hierzu auch Kap. 2.1.2. 149 Siehe hierzu auch Unterkategorie Verknüpfung zwischen Hörraum und dargestelltem Raum. 150 Vgl. Peters 2016b, S. 120 und Inthoff; Peters 2015, S. 135–136. Siehe hierzu auch Kap. 5.4. 151 Siehe hierzu Kap. 4.4. 152 Vgl. Bartsch 2014, S. 214. Die Medien- und Kommunikationswissenschaftlerin Anne Bartsch unterscheidet zwischen unterschiedlichen Ebenen des medienvermittelten Emotionserlebens. Siehe zum empathischen Emotionserleben bzw. zur Identifikation mit Medienpersonen auch Wünsch 2014, S. 223. 153 Die erwähnte Aussage ließe sich mit den Ausführungen des Medientheoretikers und Kunsthistorikers Dieter Daniels in Verbindung bringen. Diesem zufolge beruht die Faszination für das Hören weniger auf den medialen Inhalten als auf der Bewusstwerdung der Distanz, die der Rundfunk zu überbrücken vermag. (Vgl. Daniels 2002, S. 139) 154 Vgl. Kindt 2007, S. 57. Dies berücksichtigt auch der Kommunikationswissenschaftler Christian Schemer in seiner Bestimmung von Einflussfaktoren, die grundsätzlich auf Bewertungen wirken. (Vgl. Schemer 2014, S. 178) Neben Reflexionen und (Ge-)Fühlen sieht Schemer auch die unmittelbare Erfahrung mit dem Rezeptionsgegenstand als konstitutiv für das Bilden von Urteilen an. (Vgl. ebd.) 155 Vgl. Hausendorf 2006, S. 85. 156 Vgl. ebd., S. 76. 157 Sieben Beiträge, die mittels der qualitativen Inhaltsanalyse untersucht wurden, präsentieren sich als Kombinationen von Text und Zeichnung. Diese werden folglich sowohl bei der Textals auch bei der Bildauswertung berücksichtigt. Konkret handelt es sich um folgende Beiträge: Z03/T12; Z05/T23; Z06/T25; Z08/T26; Z15/T55; Z16/T58 und Z19/T61. 158 Siehe hierzu Flick 2015, S. 318. 159 Am Beginn seiner Arbeit mit dem Verfahren steht die Anwendung im Kontext der Jugendforschung. (Vgl. Bohnsack et al. 2007, S. 17) 160 Vgl. Bohnsack 2003, S. 556. 161 Ebd. 162 Siehe zur Ikonografisch-ikonologischen Interpretation von Panofsky und zur Ikonik von Imdahl Kap. 2.1.1. In der Ikonik erblickt Bohnsack eine konsequente Fortführung des Analysemodells von Panofsky mit adäquaten Anschlussmöglichkeiten für die dokumentarische Methode. (Vgl. Bohnsack 2013, S. 84) Da Panofsky seine ikonologische Methodik unter direktem Einfluss der Arbeit Karl Mannheims entwickelte, sei die ikonografisch-ikonologische Methode bereits stark sozialwissenschaftlich geprägt. (Vgl. Bohnsack 2013, S. 75 und Bohnsack 2003, S. 564–565) 163 Bohnsack 2006, S. 55. 164 Vgl. Bohnsack 2003, S. 563. 165 Vgl. Bohnsack et al. 2007, S. 14–15 und Bohnsack 2003, S. 563. 166 Vgl. Bohnsack 2006, S. 53. 167 Ebd. 168 Vgl. ebd., S. 54. 169 Vgl. Bohnsack 2013, S. 87–90. 170 Vgl. ebd., S. 85–86; Bohnsack 2009, S. 42 und Bohnsack 2006, S. 50. 171 Vgl. Bohnsack 2003, S. 566. 172 Vgl. Bohnsack 2013, S. 87 und Bohnsack 2009, S. 43. 173 Vgl. Bohnsack 2007, S. 233. 174 Vgl. ebd., S. 234. Besonders detailliert führt Bohnsack die Typenbildung für die Textanalyse aus. Er wendet die Typenbildung jedoch auch im Zusammenhang mit der Bildanalyse an. (Siehe hierzu Bohnsack 2006, S. 70–72)

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175 Vgl. Bohnsack 2007, S. 234. 176 Vgl. Bohnsack 2006, S. 70. Mit der soziogenetischen Typenbildung benennt Bohnsack eine weitere Stufe, bei der es um eine Erweiterung des Orientierungsrahmens geht, um Erklärungen, die nur unter Berücksichtigung größerer Zusammenhänge gegeben werden können, z. B. indem eine ganze Generation in den Blick genommen wird. (Vgl. ebd., S. 71) Die soziogenetische Typenbildung ist für meine Fragestellungen nicht relevant und wird deshalb im Rahmen dieser Untersuchung nicht vorgenommen. 177 Vgl. Arnheim 1977, S. 118. 178 Bohnsack widmet sich in seinen Bildinterpretationen ausschließlich gegenständlichen Fotografien, bei denen diese Problematik nicht näher zu erläutern ist. 179 Vgl. Schuster; Woschek 1989, S. 16. 180 Vgl. ebd., S. 19. 181 Vgl. Bohnsack 2006, S. 52 und Bohnsack 2003, S. 556. 182 Bohnsack 2006, S. 53. 183 Die Kontextualisierung ist auch Teil meines Modells zur Analyse radiophoner Kunst. Siehe hierzu Kap. 2.2.6. Es bestehen Parallelen zur Kontextanalyse des Erziehungswissenschaftlers Peter Holzwarth. (Siehe hierzu Holzwarth 2006.) Auch sei an dieser Stelle noch einmal auf die ikonologische Analyse Panofskys verwiesen, in deren Zuge der mediale, gesellschaftliche bzw. politische Kontext als Hintergrund für die Deutung eines Bildes fungiert. (Vgl. Panofsky 1994, S. 222 sowie Kap. 2.1.1) 184 Vgl. auch Abb. 15 sowie Anhang VII. 185 Ein Beispiel hierfür ist die Zeichnung Z20, die stilisierte Darstellung einer Windmühle, die über dem Text „Groetjes uit Holland“ erscheint. Die Windmühle fungiert hier als Symbol für das Heimatland des Besuchers/der Besucherin. Die Kombination aus Bild und Text kann als illustrierter Gruß an die LeserInnen des Besucherbuchs gewertet werden. Ein weiteres Beispiel kann in der Zeichnung Z25 erblickt werden. Unter den Worten „Es war cool hir“ sind vier unterschiedliche Elemente aneinandergereiht: eine eckige Spirale sowie eine stilisierte Sprühdose, daneben eine senkrechte Linie und darunter ein Buchstabe, bei welchem es sich um ein „S“ handeln könnte. Die dem jugendkulturellen Bereich entstammenden Symbole, die ihren Ursprung in der Formensprache von Comic und Graffiti haben, wirken wie eine Illustration des Wortes „cool“. 186 Die Worte „It´s just me!“ mit der Signatur „by Lin“ kennzeichnen die Zeichnung Z07 als Selbstporträt eines Besuchers/einer Besucherin. 187 Einer konkreten Person, „ma petite Parure“ (= mein kleiner Schmuck), ist die Landschaftsdarstellung in Besucherbuch C auf Seite 3 gewidmet. Ein Herzsymbol unter den Worten bekräftigt, dass der/die Geliebte AdressatIn des Eintrags ist. 188 Gabriele Holst bezeichnet Kritzel als „Vorstufe des Zeichnens“ (Vgl. Holst, S. 3). Ihr Potenzial bestehe nicht zuletzt darin, innere Zustände unmittelbar zu visualisieren. (Vgl. ebd. S. 19) Im Gegensatz zu Kindern seien Erwachsene beim Kritzeln stärker kognitiv gelenkt (vgl. ebd. S. 92) und zeigten ein stärkeres Bemühen um allgemeine Verständlichkeit. (Vgl. ebd. S. 122) 189 Andrades Studie zur konzentrationsfördernden Wirkung des Zeichnens stellt die erste ihrer Art dar. Im Rahmen der Studie hörten 40 ProbandInnen eine Sprachmitteilung. Die Hälfte von ihnen wurde dazu ermuntert, während des Hörens zu zeichnen. Diese TeilnehmerInnen schnitten in einem sich anschließenden Gedächtnistest deutlich besser ab als jene TeilnehmerInnen, die nicht zeichneten. (Siehe hierzu Andrade 2010, S. 100) 190 Zur Verwandtschaft zwischen Typografie und musikalischer Notation siehe auch Pamminger 2004, S. 251. 191 Siehe hierzu auch Kap. 6.3. 192 Siehe hierzu auch Kap. 6.3. 193 An dieser Stelle sind ausschließlich Notationen gemeint, bei denen eine Beziehung zur radiophonen Arbeit nachweisbar ist. 194 Vgl. Transkript der Arbeit Nacht. Stimme. Zerstreuung. Anhang III [Zeilen 38–42]. 195 Vgl. McLuhan 1964, S. 83. 196 Wie im Verlauf der Analyse von Nacht. Stimme. Zerstreuung. beschrieben, ist auf den Internetseiten der Sendereihe Kunstradio – Radiokunst Informations- und Dokumentationsmaterial abrufbar. Dieses ist in der Ausstellung nicht zu sehen bzw. zu lesen. Einzig die Fotografien der Schlafradio-Performance thetaPHASE ergänzten die Präsentation des Schlafradios. Vorstellbar ist jedoch, dass Elemente des dinglichen Settings als Relikte der Produktion der radiophonen Arbeiten verstanden wurden. 197 Vgl. Transkript der Arbeit Nacht. Stimme. Zerstreuung. Anhang III [Zeilen 83–85]. 198 Kolesch; Krämer 2006, S. 11. Siehe hierzu auch Kap. 4.1. 199 Vgl. Brecht 1967a, S. 134. Siehe auch Kap. 4.4.2. 200 Thurmann-Jajes 2014. 201 Douglas 1999, S. 11. 202 Vgl. Primavesi 2011, S. 7. 203 Zur Inszenierungsstrategie Zeitstrukturen und Rhythmus siehe Peters 2016b, S. 121 und Inthoff; Peters 2015, S. 137 sowie Kap. 5.4. 204 Vgl. Sturm 1996, S. 19.

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7 Zusammenfassung

Radiokunst stellt sich in vielfacher Hinsicht als komplexer Rezeptionsgegenstand dar, der zum Spiel mit konventionellen ästhetischen und gesellschaftlichen Grenzziehungen einlädt, dazu, diese zu hinterfragen und zu verschieben. Daher bietet die vorliegende Arbeit kein pauschales Rezept zur Vermittlung von Radiokunst. Ein solches würde weder der Radiokunst in ihrer Heterogenität noch den thematisierten Vermittlungsansätzen gerecht werden. Sie bietet vielmehr eine Grundlage für eine methodisch reflektierte und theoretisch fundierte Vermittlung von Radiokunst, an der es bislang gemangelt hat. Sie entwirft Voraussetzungen, um Radiokunst analysieren, vermitteln und die Wirkung ihrer Vermittlung evaluieren zu können. Radiokunst analysieren Erst, wenn wir einen Apparat einschalten und die Schallwellen mit unserem Hörsinn erfassen, existieren radiophone Arbeiten. Sie lassen sich nicht kontinuierlich wahrnehmen, sondern vergegenwärtigen sich uns nur in einzelnen, begrenzten Klangmomenten. Dies macht das Durchdringen ihrer Inhalte und Formen zu einer besonderen methodischen Herausforderung und mag dazu beigetragen haben, dass ein Modell für die regelgeleitete und nachvollziehbare Beschreibung und Interpretation, das auch die wissenschaftlichen Voraussetzungen ihrer Vermittlung schafft, bisher nicht vorgelegen hat. Mit der Entwicklung eines solchen Modells im zweiten Kapitel dieser Arbeit habe ich dargelegt, dass es die bildbezogenen Ansätze Panofskys und Imdahls in ihrer akustischen Wendung ermöglichen, auch den Potenzialen der Kommunikation, Aktivierung und Erfahrung der Radiokunst auf die Spur zu kommen. Sie bieten ein Instrumentarium, um Sinnkonstruktionen und Gestaltungsprinzipien radiophoner Arbeiten zu differenzieren und damit die Ebenen zu bezeichnen, auf denen sich ihre Bedeutung entfalten kann. Ihre Ergänzung durch semiotische Ansätze erlaubt zudem, nicht nur unterschiedliche Bedeutungsebenen zu berücksichtigen, sondern auch den ihnen jeweils zugrundeliegenden Zeichensystemen Rechnung zu tragen. So lässt sich die komplexe Struktur radiophoner Arbeiten erschließen, ohne die Aufmerksamkeit für die je spezifische Zeichenhaftigkeit ihrer heterogenen Elemente zu verlieren. Dies ist eine notwendige Bedingung, um zu ergründen, auf welche Weise künstlerische Arbeiten eigentlich radiophon, d. h. in ihren Formen und Strukturen durch das Medium Radio bedingt sind. Um auch die mitunter umfangreichen Beiwerke radiophoner Arbeiten, die ihre Rezeption wesentlich steuern, systematisch in die Untersuchung einbeziehen zu

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können, wurde Genettes Konzept der Paratexte in das Analysemodell integriert. Das vorgestellte Modell kann keinen Anspruch auf Vollständigkeit hinsichtlich der möglichen Kategorien erheben, in denen Radiokunst sinnvoll analysiert werden kann. Es muss sich in weiteren Analysen bewähren und gegebenenfalls ausdifferenziert und verändert werden. Ganz gewiss bietet es keinen Endpunkt der kunstwissenschaftlichen Auseinandersetzung mit Radiokunst, wohl aber einen Anfangspunkt, von dem aus transparent gemacht werden kann, worauf das Verständnis von radiophonen Arbeiten gründet, und an dem auch Vergleiche unterschiedlicher Produktionen ihren Ausgang nehmen können. Exemplarisch zeigen das die Analysen des Schlafradio-Projekts von Norbert Math und von LIGNAs Nacht. Stimme. Zerstreuung. im dritten Kapitel dieser Arbeit. In der schrittweisen Deskription der Präsentationsformen dieser Produktionen, der zusammenfassenden Inhaltsangabe, der Formulierung des Ersteindrucks, dem Erfassen der inhaltlichen Grundbedeutung, dem sezierenden Hören und ihrer Kontextualisierung erschlossen sie sich als wesentlich medienreflexive künstlerische Arbeiten. Sie thematisieren in Inhalt und Form die Prämissen, Bedingungen und Wirkungsmöglichkeiten des Radios in je unterschiedlicher Weise. Ihr Vergleich offenbart jedoch strukturelle Ähnlichkeiten, die auf vier grundlegende Dimensionen (partizipativer) radiophoner Kunst verweisen, die es bei ihrer Vermittlung zu beachten gilt: Stimme, Raum, Zeit und HörerInnen als ProduzentInnen. Radiokunst vermitteln Unabhängig von ihrer individuellen Beschaffenheit ruft jede radiophone Arbeit multiple Wahrnehmungen von akustischen Phänomenen im Allgemeinen und Stimme im Besonderen hervor, evoziert Vorstellungen von Raum und Zeit und lässt HörerInnen in unterschiedlicher Weise als ProduzentInnen teilhaben. Theoretisch fundiert, wie im vierten Kapitel dieser Arbeit, bilden diese Dimensionen radiophoner Kunst Schlüsselkategorien für ihre Vermittlung. Auf Grundlage dieser Kategorien, die sich im Zuge weiterer Analysen möglicherweise noch ergänzen und modifizieren lassen, konnten bildungsrelevante Ziele einer Vermittlung von Radiokunst formuliert werden, die ihre ästhetischen Besonderheiten einbeziehen oder sich sogar auf diese konzentrieren: das Fokussieren der akustischen Wahrnehmung, die Förderung der Reflexion über mediale Strukturen, die Darlegung der politischen Dimension des Radios, das Aufzeigen kollaborativer und kommunikativer Aspekte sowie die Erweiterung des Kunstbegriffs.

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Wie ich im fünften Kapitel ausgehend von den Prinzipien der kritischen Kunstvermittlung herausgearbeitet habe, bieten die künstlerische, die partizipative und die performative Vermittlung Ansätze, die diesen

Zielen in besonderer Weise entsprechen. Sie führen weit über die bloße Kommunikation von Kontextwissen und eine oberflächliche Beschäftigung mit den Inhalten radiophoner Arbeiten hinaus, indem sie deren künstlerische Strategien in der Vermittlungspraxis aufgreifen. Anstelle des bisweilen frustrierenden Erlebnisses, „Konserven“ zu lauschen, eröffnet die künstlerische Kunstvermittlung Möglichkeiten, in eigenen ästhetischen Operationen (Maset) die Wahrnehmungs- und Handlungsräume zu ergründen, die in radiophonen Arbeiten akustisch entfaltet werden. Eine performative Vermittlung ermöglicht nicht nur, die radiophonen Arbeiten inhärenten Inszenierungsstrategien im Sinne einer Reinszenierung wieder wirksam werden zu lassen, sondern auch eine experimentelle Haltung in der Auseinandersetzung mit ihnen einzunehmen und ihrer Flüchtigkeit offensiv zu begegnen. Die Anwendung eines partizipativen Ansatzes vermag die Vermittlungsarbeit schließlich darin zu unterstützen, die Bereitschaft, sich auf Radiokunst einzulassen, zu erhöhen und Aufmerksamkeit gegenüber einer weitgehend unbekannten Kunstform zu wecken. Dabei ist gerade die Übertragung partizipativer Strukturen auf den musealen Kontext dazu angetan, die Spezifika partizipativer Konzepte von radiophonen Arbeiten zu Bewusstsein zu bringen und die Chancen und Schwierigkeiten einer über das Radio vermittelten Beteiligung aufzuzeigen. Radiokunst vermag aber auch ihrerseits die künstlerische, partizipative und performative Kunstvermittlung auf verschiedenen Ebenen zu bereichern und fortzuentwickeln. So erweitert sie deren Spektrum nicht zuletzt um die Potenziale der Radiotechnik. Mit den diskutierten Vermittlungsansätzen lassen sich nicht nur Formate erarbeiten, die mit den Eigentümlichkeiten radiokünstlerischer Werke korrespondieren und sie den RezipientInnen damit in besonderem Maße zu erschließen vermögen. Ausgehend von einem Vermittlungsbegriff, der auch die Ausstellungstätigkeit im Museum umfasst, können sie überdies zur Ausweitung der sinnlichen Dimensionen musealer Erfahrungen beitragen, indem sie hörbar machen, dass Kunstrezeption nicht nur eine Sache des Sehens ist. Das Museum kann der noch wenig bekannten Radiokunst ein neues Publikum erschließen und ihr die Aufmerksamkeit einer breiteren Öffentlichkeit verschaffen. Doch ist Radiokunst dazu angetan, auch das Museum zu verändern, seine gegenwärtigen Grenzen zu verschieben und seine Selbstverständlichkeiten und Routinen kritisch zu hinterfragen. Radiokunst widerspricht in vielen Aspekten den Erwartungen und Ansprüchen an das Museum als Ort der Dauerhaftigkeit und Gewissheit. Sie macht auf die Lücken in der musealen (Re-) Präsentation von Kunst aufmerksam und lädt zur Reflexion über die Deutungshoheit von Museen ein. Einen Beitrag zur Dekonstruktion und Transformation des Museums kann Radiokunst schon deshalb leisten, weil sie aus Kontexten hervorgeht, die mit dem Museum bislang wenig zu tun haben. Sie fügt sich nicht ohne Weiteres in seine Strukturen, fordert andere Bedingungen ein und wirft die Frage auf, wie das Museum

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als freier, schrankenloser Ort der Künste und ihrer Vermittlung eigentlich beschaffen sein sollte. So kann Radiokunst nicht nur dazu beitragen, die Möglichkeiten und Grenzen der Kunstvermittlung im Allgemeinen sowie des Mediums Ausstellung im Besonderen neu auszuloten, sondern auch Museumsmauern mittels elektromagnetischer Wellen permeabel werden zu lassen. Radiokunst-Vermittlung evaluieren Bislang fehlte es nicht nur an methodischen und theoretischen Grundlagen der Vermittlung von Radiokunst, sondern auch an einer Praxis, angewandte Vermittlungskonzepte in ihrer Wirkung zu überprüfen. Für eine stimmige Vermittlung von Radiokunst ist es jedoch erforderlich, ihre konkreten Realisierungen auch Evaluationen zu unterziehen und auf diese Weise ihre praktische Tauglichkeit zu ermessen. Im sechsten Kapitel dieser Arbeit habe ich daher erste Schritte in der empirischen Erforschung der musealen Vermittlung von Radiokunst unternommen. Dafür wurde die Reinszenierung von Nacht. Stimme. Zerstreuung. im Kontext der Ausstellung Über das Radio hinaus auf der Grundlage von Besucherbüchern in ihren Wirkungen qualitativ evaluiert. Für eine korrelative Untersuchung der Text- und Bildbeiträge der Besucherbücher hat sich die Kombination der qualitativen Inhaltsanalyse nach Mayring und der dokumentarischen Methode der Bildinterpretation nach Bohnsack als sehr fruchtbar erwiesen. Sie erlaubte die separate Auswertung von Bildern und Texten, um sie als eigenständige Produktionen in ihrer spezifischen Medialität zu erfassen und die Ergebnisse der Bildanalyse nicht voreilig jenen der Textanalyse unterzuordnen oder vice versa. Zugleich aber ermöglichte sie die Bildung eines gemeinsamen analytischen Bezugsrahmens, um Bild- und Textbeiträge hinsichtlich geteilter Aspekte beschreiben und klassifizieren zu können. Die Besucherbücher gaben als ein Denkraum, Handlungsraum und Forum die Bereitschaft der BesucherInnen zu erkennen, sich auf Radiokunst einzulassen. Ihre Analyse ließ jedoch kein geschlossenes und einheitliches Bild von ihrer Rezeption entstehen. Sie zeigte vielmehr die Heterogenität der reflexiven, emotionalen und körperlichen Aktivitäten auf, welche die Reinszenierung von Nacht. Stimme. Zerstreuung. bei den BesucherInnen auszulösen vermochte. Sie entsprechen in vier Punkten den zuvor erarbeiteten übergeordneten Zielen der Vermittlung von Radiokunst, namentlich dem Fokussieren der akustischen Wahrnehmung, der Reflexion über die medialen Strukturen, der politischen Dimension des Radios sowie den HörerInnen als ProduzentInnen. Eine Wirkung der Reinszenierung in Richtung einer Erweiterung des Kunstbegriffs ließ sich auf der Grundlage der Besucherbücher hingegen nicht attestieren.

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Die Besucherbücher haben sich als ein geeignetes Erhebungsinstrument erwiesen, da sie nicht reaktiv sind und Antworten nicht einschränken,

sondern vielfältige Möglichkeiten eröffnen, Erfahrungen durch Text und Bild synchron zum Hörereignis zu fixieren. Sie bilden zudem ein Erhebungsinstrument, das sich in die Reinszenierung selbst einfügen lässt und dem Erleben radiophoner Kunst im Museum daher schon räumlich nahe sein kann. Gleichwohl ließe es sich durch weitere Erhebungsinstrumente ergänzen, die empirische Befunde auf einer breiteren Grundlage ermöglichen würden. An dieser Stelle sind vor allem das problemzentrierte Interview und die Gruppenbefragung zu nennen, welche beispielsweise Nora Wegner als adäquate Verfahren der Datenerhebung im Museumskontext hervorhebt.1 Ausblick In der vorliegenden Arbeit konnten nur wenige Erkenntnisse darüber gewonnen werden, inwiefern radiophone Kunst im Museum zu einer Erweiterung des Kunstbegriffs ihrer RezipientInnen beizutragen vermag. Hier könnten Untersuchungen zum Radio- und Kunstbegriff von BesucherInnen ansetzen. Ein solches Vorhaben würde eine ebenso sinnvolle wie notwendige Ergänzung zur Wirkungsforschung darstellen, wie sie im Kontext der Radiokunst in dieser Arbeit erstmals unternommen wurde. Während die Ausstellung Über das Radio hinaus in ihrer Initialphase vor allem durch die Perspektive der VermittlerIn/AusstellungsmacherIn gestaltet wurde, könnten im Rahmen einer weiteren Beforschung Radiokunst bezogener Vermittlungskonzepte die Perspektiven von BesucherInnen und Nicht-BesucherInnen von Museen stärker zum kuratorischen Ausgangspunkt gemacht werden.2 Diese wären dazu aufgerufen, ihr Vorwissen, ihre Erwartungen und Ideen zu Beginn eines Vermittlungs- bzw. Ausstellungsprojekts zur Radiokunst zu formulieren: Wie verstehen sie Radio? Wie charakterisieren sie ihren Kunstbegriff? Welche Erwartungen hegen sie gegenüber einer Kunstform, die ihnen noch unbekannt ist? Auf welche Weise möchten sie mit Radiokunst konfrontiert werden und wo? Können sie sich vorstellen, radiophone Arbeiten im Museum zu hören? Welchen Handlungsspielraum sehen sie für sich selbst bzw. wünschen sie sich in diesem Zusammenhang? Antworten auf diese Fragen könnten dazu beitragen, Radiokunst als kulturelle Äußerung, die aus der Gesellschaft hervorgegangen ist, wieder in die Gesellschaft zurückzugeben. Zwar vermag das Museum als ‚Agent‘ der Radiokunst zu fungieren, doch bleibt es nur einer von unzähligen Orten, der für ihre Rezeption in Frage kommt. Ihre Besonderheit liegt in ihrer Ortsunabhängigkeit „Der Ort des Empfangs ist ubiquitär.“ wie Peter Weibel betont. „Insofern hat das Radio etwas, das keine andere Kunstform aufweist: Es ist simultan – eben als Ereigniskunst – und es ist gleichzeitig ubiquitär. Das kann kein analoges Kunstmedium.“3 Gerade aufgrund ihrer Ubiquität erscheint es naheliegend, künftig eine Vermittlung aus dem Museum heraus bzw. über das Museum hinaus zu betreiben und weitere Institutionen

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in die Vermittlung von Radiokunst einzubeziehen und sie – ganz im Sinne von RadiokünstlerInnen – miteinander zu vernetzen. Denkbar ist zum Beispiel eine Zusammenarbeit von Medienmuseen, Science Centern, Schulen und Sendeanstalten.4 Naheliegend erscheint dabei eine Nutzung des Internets, wofür bereits bestehende Konzepte bzw. Plattformen weiter verfolgt bzw. ausgebaut werden könnten. Der Künstler Norbert Math erwog für sein Schlafradio-Projekt in den 1990er Jahren bereits eine Internetplattform und ein E-Mail-Netzwerk für den Austausch von akustischen Arbeiten. Das, was zu jener Zeit schwer technisch umzusetzen war, könnte heute relativ problemlos realisiert werden. Im Verlauf unseres Projektes zur Radiokunst haben wir die Grundstrukturen für eine Internetplattform entwickelt, die, neben der Darstellung von Forschungsergebnissen auch der Vermittlung für unterschiedliche AdressatInnen dienen soll. Hier könnten dokumentierte radiophone Arbeiten zu hören gegeben werden und neue Rahmen für ihre Rezeption erhalten. Neben dem Bereitstellen von Sach- bzw. Kontextinformationen zu den Arbeiten sollten Anregungen für das Hören und eigene Produzieren gegeben werden. Das Sammeln von Erfahrungen könnte sowohl durch das Aufnehmen bzw. Generieren und Bearbeiten als auch durch das Senden von eigenem akustischem Material erfolgen. In diesem Zusammenhang kommt eine zweite Möglichkeit ins Spiel: Der Aufbau und das Betreiben eines digitalen freien Radiosenders. Der Sender Radio im Fluss5 des Zentrums für Künstlerpublikationen bietet schon jetzt die Möglichkeit, radiophone Kunst erneut durch Senden zu vermitteln. Seine HörerInnen können bereits gesendete Arbeiten zu Hause oder an anderen Orten hören. Der nächste Schritt könnte darin bestehen, ein Studio einzurichten, um partizipative Projekte durchzuführen, bei denen unterschiedliche ProduzentInnen bzw. Gruppen auf Sendung gehen. Aufschlussreich wäre eine begleitende Forschung, welche die Rezeption unterschiedlicher Zielgruppen in verschiedenen medialen und institutionellen Kontexten in den Blick nimmt. Sie könnte zu einer Vermittlung beitragen, die das Radio als „kulturelles Handlungsfeld“6 entfaltet, in dem ganz unterschiedliche AkteurInnen, nicht zuletzt auch MuseumsmitarbeiterInnen, interagieren.

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Vgl. Wegner 2010, S. 134. Mörsch betont die Bedeutung von Forschungsvorhaben jenseits der Wirkungsforschung und nennt in diesem Zusammenhang Forschungsvorhaben, die sich dem Ermitteln von Wünschen bzw. Bedürfnissen von BesucherInnen widmen. (Vgl. Mörsch 2013, S. 174–175) Als weitere Ziele nennt Mörsch an dieser Stelle das kritische Hinterfragen von Förderpolitik sowie von Grundbegriffen der Vermittlung. (Vgl. ebd.) Weibel 2015, S. 22. Das Science Center phæno in Wolfsburg ermöglicht an einem PC-Arbeitsplatz den Vergleich unterschiedlicher Hörsituationen und Klänge. Der User kann dazu verschiedene Sounds, Abstände zur Hörquelle und Hörumgebungen wählen. Siehe und höre Zentrum für Künstlerpublikationen o. J. Zudem ist Radio im Fluss dienstags zwischen 21 Uhr und 22 Uhr beim Bürgerrundfunk Radio Weser TV zu Gast. Braun 2007. Siehe hierzu auch Kap. 4.2.

Anhang

Anhang I: Transkripte der Moderationen der Schlafradio-Sendungen

Hinweise zur Transkription: • •

Nonverbale Auffälligkeiten werden in einfachen Klammern angegeben Pausen werden durch Gedankenstriche angezeigt, längere Pausen durch mehrere Gedankenstriche

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Schlafradio Künstler: Norbert Math Sendetermin: 15. 03. 1993 Moderation: Heidi Grundmann Höre: http://www.kunstradio.at/1993A/15_4_93.html Anmoderation Grundmann (Beginn der Sendung): Guten Abend! Beim Kunstradio begrüßt Sie Heidi Grundmann. Im letzten Teil unserer Sendung werden wir Sie heute einladen, aktiv zu werden. Obwohl gerade dieser letzte Teil, ein TRANSIT-Projekt unter dem Titel Schlafradio, am besten im Bett neben dem Radiowecker zu hören wäre. Der Autor des Schlafradios, Norbert Math, fordert Sie durch seinen Beitrag, der circa um 22.46 Uhr beginnt, nicht nur auf, über das Background-Medium Radio und die Uhr, zu der das Radio geworden ist, nachzudenken. Er wünscht sich auch, dass Sie sein Stück aufnehmen, womöglich irgendwie verändern und dann an ihn schicken, damit er weitere Schlafradios machen kann. Stecken Sie also bitte eine Kassette in Ihren Rekorder und stellen Sie Ihren Radiowecker auf 22.46 Uhr. Bis dahin gibt es zwei Stücke zum Zuhören. […] Kennmelodie TRANSIT Anmoderation Grundmann (unmittelbar vor Schlafradio): Willkommen zur ersten Station eines TRANSIT-Projektes von Norbert Math. Dieses Projekt mit dem Titel Schlafradio ist ein ‚work in progress‘, das sich unter anderem mit Ihrer Hilfe und Teilnahme im Laufe verschiedener Kunstradio-Sendungen dieses Jahres verändern und entwickeln wird und schließlich zu einer Performance und dann zu einem kleinen Klangarchiv in einem E-Mail-Netz werden soll. Norbert Math hat ein paar Gedanken zu seinem Schlafradio notiert, die ich Ihnen vorlesen möchte: Schlafradio ist ein Versuch, Radiokunst in einen Bereich zu bringen, der abseits von aufmerksamer Rezeption liegt. Viele Menschen haben die

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Gewohnheit, sich von ihrem Radiowecker in den Schlaf wiegen zu lassen. Dasselbe Gerät erfüllt zwei entgegengesetzte Funktionen: in den Schlaf wiegen und aufwecken. Und zwar in derselben Lautstärke und demselben Sendekanal. Welche Funktion erfüllt wird, entscheidet sich nur durch die Tatsache, wer – Mensch oder Radio – zuerst aktiv ist. Mensch schaltet Radio ein – Radio schaltet Menschen ab. Radio schaltet Menschen ein – Mensch schaltet Radio ab. Das Radio zum Einschlafen läuft wie ein Ritual ab und als solches muss es Muster anbieten, die sich ständig wiederholen und es muss oftmalig, als Sendereihe ausgestrahlt werden. Wenn eine Grundanordnung gegeben ist, kann sie beliebig kombiniert und erweitert werden. Und dieses Spiel ist umso besser, wenn die Hörer in dieses Spiel eingreifen können. Daher die Aufforderung, dieses Spiel mitzuspielen. Diese Sendung ist kein fertiges Stück, sondern ein Beispiel oder eine Vorstellung, wie so eine Klangwelt entstehen könnte. Soweit Norbert Math zu seinem Schlafradio, dessen erstes Kapitel Sie in den nächsten 13 Minuten hören werden. Wenn Sie das Stück aufnehmen und dann noch verändern, damit Norbert Math es in sein nächstes Schlafradio einbauen kann, schicken Sie Ihren Beitrag bitte an das ORF-Kunstradio, Argentinierstraße 30a, 1040 Wien. Also, schneiden Sie mit und/oder schlafen Sie ein – beim Schlafradio von Norbert Math. Schlafradio Abmoderation Grundmann (unimittelbar nach Schlafradio): Sie hörten Schlafradio den ersten Teil eines ‚work in progress‘ von Norbert Math.

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Schlummernummer Künstler: Gerhard Mittermayr auf Grundlage des Mitschnitts von Gertraud Schleichert Sendetermin: 03. 02. 1994 Moderation: Heidi Grundmann Höre: http://www.kunstradio.at/1994A/3_2_94.html#II Anmoderation Grundmann: Und nun zu einer neuen Folge des Projektes Schlafradio von Norbert Math, einem ‚work in progress‘, das im April 1993 als Co-Produktion des Vereins TRANSIT mit dem Kunstradio begonnen hat. Damals forderten wir auf Wunsch von Norbert Math die Hörerinnen und Hörer auf, mitzuschneiden, den Mitschnitt zu bearbeiten und an uns zu schicken. Norbert Math definierte also nur die Ausgangssituation seines Projektes und trat dann als Autor zurück zugunsten all jener, die vom passiven Rezipienten zum aktiven Co-Autor werden wollten und wollen. O-Ton Norbert Math: Das ist eigentlich eine schöne Möglichkeit mit Radio, dass es auch die Möglichkeit gibt, nicht nur zu senden, sondern das, was gesendet

wird, wieder hineinzubringen und diesen Raum, der dadurch entstanden ist, durch die erste Sendung eigentlich wieder mitzunehmen. Das ist eine Idee und eine andere Idee ist die, dass es jetzt nicht meine Absicht war, ein Stück zu machen, das dann als Stück fertig da ist, nicht mehr veränderbar ist, sondern dieses Stück oder diesen Prozess, der hinter diesem Stück steht, weiterzugeben an andere Leute und zu schauen, was passiert. Heidi Grundmann: Bei seiner Arbeit im Umgang mit neuen Technologien geht Norbert Math von einem Kunstbegriff aus, der sich vor allen in Netzwerkprojekten mit verschiedenen Kommunikationsmedien entwickelt hat. Und er möchte zu einer neuen Sprache finden, die nicht auf das Medium Radio beschränkt ist.

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O-Ton Norbert Math: Das ist eine Sprache, die mir vorschwebt, die nicht mehr mit den Bedeutungen dieser Klänge arbeitet, sondern mit der Geschichte dieser Klänge. Und an der Tatsache, dass kein Autor mehr hinter diesem Klang steht, sondern dass es eine kollektiv entstandene Aussage ist. Und ich möchte mich dabei nicht nur auf die Radioarbeit beschränken, sondern auch mit Hypertext arbeiten und einem Computernetzwerk. Also, ich könnte mir vorstellen, dass das diese Arbeit noch ergänzen könnte.

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Heidi Grundmann: Unter dem Motto: Schneiden Sie mit und/oder schlafen Sie ein versteht Norbert Math sein Schlafradio also auch als ein Infragestellen der konventionellen Kunst- und Radiorezeption. 120

O-Ton Norbert Math: Dies ist eigentlich ziemlich direkt. Also, das sagt also genau das, was es sein soll – es ist ein Radio zum Einschlafen. Das unterwandert natürlich auch ein bisschen den Begriff, den wir sonst von Kunst oder Musik haben, dass man so etwas nur in einer gewissen Konzentration anhören kann oder in einem Konzert oder in einer bestimmten Stimmung oder mit einer bestimmten Aufmerksamkeit. Also ich stelle mir einfach vor, es gibt sehr viele verschiedene Aufmerksamkeiten, sehr viele Möglichkeiten, etwas zu erleben. Und dieser Zustand des Einschlafens, dieser Zustand, wo sich eigentlich viele Bilder einfinden und sich auch entblößen und Verbindungen eingehen, die durchaus nicht so logisch sind, wie wir es sonst gewohnt sind. Das erinnert mich eigentlich an die Arbeit, wie wir mit einem Computer im digitalen Bereich arbeiten können. Also das war einfach eine Analogie. Und ich wollte eigentlich nur dieses strenge lineare Muster durchbrechen, in das wir immer wieder hineinfallen, weil wir es gewohnt sind, Bücher von vorn bis hinten zu lesen, weil wir gewohnt sind, Musik vom Anfang bis zum

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Ende zu hören und uns eigentlich nicht die Freiheit nehmen, unsere eigenen Bilder dazu zu sehen, zu hören und auf diese Weise eigentlich durch die Musik durchzuspazieren. Heidi Grundmann: In der heutigen Folge des Schlafradios hören Sie die bearbeitete Version des Mitschnitts von Frau Gertraud Schleichert, die zu ihrem Mitschnitt auch den Text aufnahm, der als Einleitung zu dieser Folge dient. Bearbeitet wurde die Aufzeichnung von dem Komponisten Gerhard Mittermayr. Schlummernummer nennt er das Hörstück, das nun wieder von Ihnen, verehrte Hörerinnen und Hörer, in Besitz genommen werden soll. Schneiden Sie diese Sendung mit und verändern Sie sie nach Belieben. Ihre Aufnahmen senden Sie wieder an den ORF, Kunstradio Argentinierstraße 30a, 1040 Wien. Kennmelodie TRANSIT O-Ton Gertraud Schleichert: Lieber Norbert Math, bitte lassen Sie mich Ihnen kurz meine Situation schildern. Ich bin Schriftstellerin und sitze hier in Luhacˇovice in den Weißen Karpaten, abgeschnitten von jeder Zivilisation, mit dem Zweck ein Buch zu schreiben. Das Buch habe ich auch geschrieben – Gott sei Dank. Ich habe hier nur mein Radio, mein Schlafradio, das zwar ein sehr gutes ist, das nützt mir hier so viel wie überhaupt nichts, denn es gibt hier keinen Empfang. Die Leute haben die tollsten Fernsehapparate und sehen nur ein schwarz-weißes Geflimmer und im Radio ist es das Gleiche auf Audio. Ich kann also das Morgenjournal hören, ohne Qualen zu erleiden. Am Abend ist es nur bei sehr klarer Witterung halbwegs möglich. Und Ihr Schlafradio habe ich also nicht verändert, sondern das hat sich verändert durch alle die Mitsender und atmosphärischen Störungen, die es gegeben hat. Außerdem habe ich zweimal leiser drehen müssen, weil die Frau neben mir an die Wand geklopft hat. Und ich denke, wenn Sie also mit der Veränderung zufrieden sind – es ist sozusagen kein Kunstradio, sondern ein Naturradio. Heidi Grundmann: Schneiden Sie also mit und/oder schlafen Sie ein – bei der zweiten Folge vom Schlafradio, der Schlummernummer. Mitschnitt: Gertraud Schleichert, Gestaltung: Gerhard Mittermayr, Realisation: Gerhard Mittermayr und Norbert Math im Offenen Kulturhaus Linz. Dauer: zwölf Minuten. Schlummernummer Abmoderation: Das war die Schlummernummer von Gertraud Schleichert und Gerhard Mittermayr, eine Folge des Radioprojekts Schlafradio von Norbert Math.

Na Gute Nacht Künstler: Rupert Huber Sendetermin: 28. 04. 1994 Moderation: Heidi Grundmann Höre: http://www.kunstradio.at/1994A/28_4_94.html#2

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Anmoderation Grundmann: Seit vergangenem Herbst gibt es in unregelmäßiger Folge zum Schluss des Kunstradios das Schlafradio von Norbert Math. Math fordert Sie, die Hörer auf, dieses jedes Mal andere Schlafradio mitzuschneiden und wie auch immer zu bearbeiten und an uns zu schicken – an das Kunstradio, Argentinierstraße 30a, 1040 Wien. Der Komponist Rupert Huber hat die letzten Schlafradios aufgenommen und daraus das heutige komponiert. Es trägt den Titel Na Gute Nacht. Schlafen Sie bitte noch nicht ein, sondern beginnen Sie mit Ihrem Mitschnitt. Wir starten Na Gute Nacht von Rupert Huber, eine Schlafradio-Variation. Na Gute Nacht Abmoderation Grundmann: Das war die neueste Variation in dem Projekt Schlafradio von Norbert Math. Na Gute Nacht von Rupert Huber. Ich hoffe, Sie haben mitgeschnitten und schicken uns ihr Schlafradio an das ORF-Kunstradio, Argentinierstraße 30a.

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Weave Künstlerin: Elisabeth Schimana Sendetermin: 01. 06. 1995 Moderation: Reinhard Handl Höre: http://www.kunstradio.at/1995A/1_6.html Anmoderation Handl: Der zweite Teil der heutigen Sendung ist dem ‚work in progress‘ Schlafradio von Norbert Math gewidmet. Bisher wurden im Kunstradio folgende Schlafradio-Produktionen gesendet: Schlafradio von Norbert Math, Schlummernummer von Gerhard Mittermayr, Na Gute Nacht von Rupert Huber und Hypnoerotische Zwischenbilanz. Superlearning Schlafradio von Norbert Math. In der Reihe Zeitton konnten Sie hören: Das Summen der Ton und Wiegenlied von Klaus Hollinetz. Der heutige Beitrag stammt von Elisabeth Schimana. Wie in bereits vorangegangenen Sendungen des Schlafradios des Kunstradios, werden auch dieses Mal Künstler und Künstlerinnen, also Sie alle, liebe Hörerinnen und Hörer, dazu aufgefordert das diesmal gesendete Schlafradio-Stück Weave mitzuschneiden, zu einem neuen Stück nach einem eigenen Konzept zu überarbeiten und dieses an das Kunstradio einzuschicken. Wenn Sie also bereit sind, so drücken Sie den Aufnahme-Knopf für die Einleitung.

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Weave, so der Titel des Stückes von Elisabeth Schimana, ist der Versuch, die verschiedenen Phasen des Schlafes und des Träumens akustisch nachzuvollziehen. Diese Phasen, die zyklisch ablaufen, bilden die Grundstruktur von Weave. Das Gleiten vom Wachzustand zum Non-REM-Schlaf und von diesem in den REM-Schlaf der Traumphase, auch paradoxer Schlaf genannt. Dieses Gleiten wird dabei von verschiedenen Klängen und Geräuschen angedeutet. Elisabeth Schimana führte dazu auch ein Interview mit der Psychotherapeutin und Psychologin Dr. Brigitte Holzinger, die seit 1988 Forschungen über REM-Schlaf, Traum, luziden Traum und Bewusstsein im Allgemeinen betreibt. O-Ton Brigitte Holzinger: Grob haben wir sozusagen den Tag und die Nacht. Und – wir haben auch einen sogenannten Rhythmus. Und wir wissen, dass der Rhythmus (ähh), wenn man ihn laufen lässt, abhängig vom Lichteinfluss zum Beispiel, nicht einen ganzen Tag, also nicht 24 Stunden, sondern 25 Stunden dauert, eigentlich. Und – wenn man jetzt von Unterscheidungen spricht, wird es interessant oder man muss berücksichtigen, was man unterscheidet. Also unterscheidet man unseren Alltag, also das Tag- und Nachtleben, streng gesprochen, Wach- und Schlafzeit, wobei es da wieder Unterteilungen gibt oder Abstufungen gibt oder eigentlich auch Rhythmen gibt, die sich über die Nacht und dann über den Tag (ähh) weiter ausdehnen (ähm). So gibt’s, – so kann man dies oder – oder spricht man von den 25-Stunden-Rhythmen, die sich als eine Art biologische Uhr herausgestellt haben (ähm). Bleiben wir vielleicht bei dem Tag- und Nachtrhythmus, den wir ja kennen oder nach dem wir uns ja richten oder nach dem wir ja leben. Wobei der biologische Rhythmus immer mitläuft – immer mit dabei ist. Das heißt, dass – was an anderen Rhythmen, also nicht jetzt, also nicht nur diesen circadianen, sondern auch (ähh) zum Beispiel ultradianen Rhythmen (ähh) gefunden worden ist (Räuspern) wird besonders deutlich, wenn man sich das Schlafmuster oder Schlafverhalten betrachtet. (ähm). Da gibt’s eine Rhythmizität von circa 90 Minuten. Das heißt, alle 90 Minuten wechselt ein Zyklus den nächsten Zyklus ab. Und ein Zyklus wiederum besteht aus verschiedenen Schlafstadien. Also zunächst dem Einschlafstadium, dem zweiten, dritten Stadium, dem vierten Stadium, das dann wieder (ähh) zurückgeht über das dritte, zweite und dann nicht ins Einschlafstadium, sondern ins sogenannte REM-Stadium. Dann wäre ein erster Zyklus vorbei und der nächste würde beginnen. Wobei das erste Stadium ausgelassen werden würde und dann das zweite, dritte, vierte und dann wieder das dritte, zweite und wieder REM-Stadium (ähh) beginnt. Es dürfte, trotz aller Rhythmizität dann so sein, dass das REMund vierte Stadium sich verkehrt proportional entwickeln. Das heißt, wenn ich im ersten Schlafzyklus eine sehr lange, ein sehr langes viertes Stadium habe, also Tiefschlafstadium habe – ich sag´ dann noch gleich, wofür die einzelnen Stadien stehen und was, was man annimmt, was in den einzelnen Stadien stattfindet – so wird dieses vierte Stadium von

Zyklus zu Zyklus kürzer. Während das REM-Stadium im ersten Zyklus, wenn überhaupt vorhanden, ganz kurz ist und im zweiten, dritten, vierten Stadium immer länger wird. Bis zu 45 Minuten. Es ist auch schon eine Stunde gemessen worden, glaube ich. Es ist auch schon mehr Stunden, glaube ich, gemessen worden. In diesem ersten EinschlafStadium finden sogenannte, – sogenannte „Bildern“ statt. – Das heißt, das berühmte Schäfchen zählen oder (ähh) – Fantasien, die in Bildern auftreten, die aber wieder vorbeilaufen (ähm). Und vom physiologischen her ist es deutlich, dass sich der Körper zur Ruhe begibt. Und sehr oft können sogenannte SEMs aufgezeichnet werden – Slow-EyeMovements, also rollende Augenbewegungen. Im zweiten, dritten Stadium, das würde man als Übergangsstadien bezeichnen oder bezeichnet man als Übergangsstadien, (ähh) beginnt im EEG, also das heißt im, im in der Aktivität des Cortex oder der Hirnrinde eine Verlangsamung deutlich zu werden. Bis hin zum vierten Stadium, wo ich dann diese Deltawellen aufzeichnen kann. Und Deltawellen stehen für, also bedeuten eins bis vier Hertz, das sind ganz langsame, großamplitudige Hirnwellen (ähm). Die Mus… Muskulatur ist entspannt, aber nicht völlig inaktiv und bis dahin kann ich keine Augenbewegungen registrieren. Also im zweiten, dritten, vierten registriert man keine Augenbewegungen. – Aus dem vierten Stadium kommend geht man dann wieder, wie gesagt, durch das dritte zweite und dann in das REM-Stadium. Und im REM-Stadium habe ich als Charakteristika schnelle Augenbewegungen, also Rapid-EyeMovements, die so burst, burst-artig auftauchen, auftreten. Das heißt also, ich habe diese REMs nicht ununterbrochen während einer REMPeriode, also ich habe das nicht zum Beispiel dreißig Minuten lang in der Früh. Sondern (ähh) – Sekundenabschnitte oder manches Mal eine halbe Minute und dann (ähh) wieder einige Sekunden oder bis zu einer halben Minute keine Augenbewegungen. Und definiere das aber immer noch als die REM-Periode denn dann würden die Augenbewegungen wieder auftreten. – Und – (ähh) gleichzeitig eine Muskelspannung, die völlig inaktiv ist. Und eine Hirnaktivität, die fast mit der Tagesaktivität – also die messbar ist zwischen Hirnbetätigungen (ähh) vergleichbar ist. – (mhh) Es gibt immer die Diskussion, was ist, was ist Tiefschlaf? Was ist, ist REM-Schlaf? Nicht tief ist Deltaschlaf, Tiefschlaf. Generell wird der Deltaschlaf als Koma-artig, als diese TiefschlafPhase bezeichnet, die der Körper unbedingt zur Regeneration braucht. Das Phänomen, dass beim REM-Schlaf gleichzeitig Hirn und Augen aktiv sind und Muskulatur inaktiv ist, das heißt also entspannt ist, (ähh) macht’s schwer, den REM-Schlaf als, als einen Nicht-Tiefschlaf zu bezeichnen. Deshalb hat sich (ähh) der Begriff „paradoxer Schlaf“ für den REM-Schlaf eingebürgert. – Und man nimmt an, dass die bunten Träume zumindestens, also die, die an die man sich erinnert in der Früh, während des REM-Schlafs stattfinden. Es ist aber nicht mit hundert prozentiger Sicherheit erwiesen, dass während der anderen Schlafstadien keine geistigen mentalen Vorgänge stattfinden. Trotzdem nimmt man an, dass diese bunten Träume in den REM-Perioden stattfinden

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und (ähh) – was in den anderen Stadien passiert oder das mentale Korrelat wäre, weiß man eigentlich nicht. 130

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Reinhard Handl: Sollten Sie bereits von der beruhigenden Stimme von Dr. Holzinger bereits ins Übergangsstadium vom Wachen zum Schlaf geführt worden sein, so darf ich Sie wieder um etwas Aufmerksamkeit nach außen bitten. Aber nur kurz für eine kleine Beschreibung zum nachfolgenden Stück von Elisabeth Schimana: Weave beginnt mit einem Text von Andre Stanley, den er auf Grund früherer Schlafradio-Sendungen geschrieben hat und einer Spieluhrmelodie. Sprache und Klang verformen und verdichten sich schließlich zu einem Gewebe aus Tönen, aus denen sich ständig neue Klangmuster herausbilden. Das dafür verwendete Material hat Elisabeth Schimana der ersten Schlafradio-Sendung von Norbert Math entnommen, jener Radioarbeit, die als Erstlingsproduktion des ‚work in progress‘-Projekts Schlafradio für alle nachfolgenden Serienfolgen das Ausgangsmaterial bildet. Das Klanggewebe Weave scheint sich zu Wolken zusammen zu ballen, die im Traum vorüberziehen. Dazwischen schlängelt sich Elisabeth Schimanas Stimme, die sich klanglich transformiert. Im Schlaf, so die Autorin, werden Erinnerungen an den Wachzustand neu erfunden. Weave Abmoderation Handl (ist mit Klängen aus Weave unterlegt): Nächste Woche sind wir wieder live im Kunstradio und zwar mit der finnischen Protongroup laden wir Sie ins Funkhaus in der Argentinierstraße. Reinhard Handl wünscht Ihnen noch einen schönen Abend.

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Aus dem Archiv – Teil 5: Schlafradio Kuratorin: Elisabeth Schimana Sendetermin: 11.03.2012 Moderation: Anna Soucek Höre: http://www.kunstradio.at/2012A/11_03_12.html Anmoderation Soucek: Schlafradio hören Sie in der kommenden Stunde Kunstradio, zu der Sie Anna Soucek begrüßt. Schlafradio war ein ‚work in progress‘-Radioprojekt des Künstlers Norbert Math. Ein Projekt des Vereins TRANSIT, das aus einer Performance sowie verschiedenen Radiosendungen bestand. Stattgefunden hat Schlafradio zwischen 1993 und 1995. Anlässlich des 25-jährigen Bestehens des Kunstradios blicken wir heute auf dieses Projekt zurück und die Anregung dazu kam von der Künstlerin Elisabeth Schimana. Wir haben sie ebenso wie andere Künstlerinnen und Künstler, die die Entwicklung des Kunstradios mitgeprägt haben, eingeladen aus dem Kunstradio-Archiv eine Arbeit auszusuchen.

Norbert Math ist gemeinsam mit Andrea Sodomka und Martin Breindl Teil der Medienkunstgruppe alien productions. Noch bevor sich die Gruppe unter diesem Namen formte, hatte Norbert Math die Idee zum Schlafradio, 1992 war das.

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O-Ton Norbert Math: Ich war damals in gewisser Weise sehr fasziniert von der Idee von Sampling. Also, dass man Klänge einfach hernehmen kann, dass man die herausnehmen kann und in einen anderen Zusammenhang wieder hinein. Das war so, sagen wir mal, eine typische Faszination der 90er Jahre mit der Digitalisierung, dass man jetzt einen Zugang hat zu den Klängen, auch zu den musikalischen Klängen, die andere machen. Dass es nicht mehr so darauf ankommt, neue, unerhörte Klänge zu machen, sondern dass man auch mit diesen Klängen, sie nehmen kann und auch in einen anderen Zusammenhang versetzen kann. Und das war eigentlich eine faszinierende Idee. Ich habe mir dann überlegt, wie arbeitet man da oder wie geht man da ran. Also das ist dann ein eher so unbewusstes Arbeiten. Also man nimmt sich einen Klang, montiert sich damit etwas zusammen, was in einem total anderen Zusammenhang ist und muss sich da eigentlich nicht rational bewusst Rechenschaft drüber abgeben, wie diese Klänge zusammenkommen. Und aus dem ist die Idee herausgekommen, Radiostücke zu machen, wo solche Klänge dann auftauchen und wieder verschwinden und dann wieder in einem ganz neuen Zusammenhang auftauchen und wieder verschwinden. Ungefähr so, wie wenn man kurz vorm Einschlafen ist und so Ideen und Bilder in sich aufsteigen hat und wieder verschwinden. Wo man dann auch nicht mehr weiß, was hat das Eine mit dem Anderen zu tun. Das geht sozusagen in den Traumzustand über, wo das ganze Reale oder Rationale dann immer mehr in den Hintergrund geht, und die Bilder eigentlich mehr, sagen wir mal, symbolisch für sich sprechen.

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Anna Soucek: Die Sendung, die den Schlafphasen entsprechend aufgebaut war, sollte die Hörerinnen und Hörer in den Schlaf begleiten. Das war 1993, als es die Möglichkeit, Sendungen jederzeit online nachzuhören noch nicht gab. Die Verfügbarkeit von Radio war damals eine andere und es ist auch anzunehmen, dass sich die Funktion von Radio als den Tag strukturierende Instanz, ob zum Aufwachen oder zum Einschlafen stark geändert hat. Für die Ur-Version des Schlafradios arbeitete Norbert Math mit natürlichen Klängen und Geräuschen sowie mit ‚gefälschten‘ Aufnahmen von elektronischer Musik aus den 1960er Jahren, wobei die Plattenaufnahmen so manipuliert wurden, dass sie nicht mehr zusammenpassen. Die natürlichen Töne und die Aufnahmen sind gesampelt zu hören.

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O-Ton Norbert Math: Es war für mich nicht sehr leicht, die Ursprungssounds, also die ersten Sounds, von denen man ausgehen kann zu finden. Ich habe dann so mit historischen Schellack-Aufnahmen begonnen also so wirklich, wo die ersten Sounds entstanden sind. Habe sehr viel davon verwendet und dann im Lauf des Projektes habe ich dann auch viel Textmaterial verwendet. Habe mich dann auch beschäftigt mit der Periode des Manierismus. Also da gab es einen Roman, der hat geheißen Die Hypnoerotomachie des Polyphylo, ungefähr übersetzt Die erotischen Schlafkämpfe des Polyphylo. Hier geht es um ein gewissen Polyphylo, der einschläft und im Traum immer wieder verschiedene Dinge auch erlebt und im Traum auch noch zu träumen beginnt. Also einen Traum innerhalb des Traumes erlebt. Und immer tauchen Bilder und Allegorien auf, auch in einer ähnlichen Art, wie ich es mir für das Schlafradio vorgestellt habe. Das heißt, dass auch wieder die Ratio irgendwo ausgeschaltet ist. Anna Soucek: Die Aufforderung an die Hörerinnen und Hörer lautete, die Radiosendung aufzunehmen und selbst weiter zu verarbeiten. Die Absicht von Norbert Math war, dass sich das Schlafradio wie ein Kettenbrief verbreitet und ständig verändert.

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O-Ton Norbert Math: Mein größter Plan war eine Art Online-Datenbank zu machen für diese Klänge. Wo sich die Leute dann wirklich Klänge selber suchen können und neue Schlafradio-Stücke zusammenstellen. Zu dieser Zeit bin ich an der nichtexistierenden Technik gescheitert. Das hat es noch nicht gegeben und ich war auch nicht so wirklich fit in Technologien der Kommunikation. Oder sagen wir mal so: es hat noch nicht die Möglichkeit gegeben, was dann kurz später aufgetaucht ist mit dem World Wide Web, also im elektronischen Raum so wie Hypertext, dass man Links hat, man kommt vom einen zum anderen, kann herumflanieren. Meine Idee hätte das vorausgesetzt, aber das hat es halt leider noch nicht gegeben. Anna Soucek: Die Künstlerin Elisabeth Schimana, die das Schlafradio für die heutige Sendung ausgesucht hat, erklärt ihre Beweggründe. O-Ton Elisabeth Schimana: Schon im Titel Radio – also es hat wirklich etwas mit Radio zu tun. Es ist eine sehr schöne Überlegung zu dem Medium Radio, weil ich glaube, dass dieses Einschlafen und Aufwachen mit dem Radio eine Geschichte ist, die viele von uns kennen. Und es geht sozusagen auch darum, was nimmt man mit in den Schlaf, was nimmt man vom Radio mit in den Schlaf. Ein weiterer Aspekt ist dieses quasi unbewusste Radiohören.

Also dieses wirklich einfach so irgendwie in sich aufnehmen und dann, in dem Fall, im Schlaf weiterverarbeiten. Ein weiterer Aspekt ist für mich gewesen, dass es ein ‚work in progress‘ ist, was auch sehr viel über die Jahre, die ich mit dem Kunstradio gearbeitet habe, ein wichtiger Aspekt war. Dinge, die sich entwickeln können. Dinge, die sich über die Zeit entwickeln. Künstler, die andere Künstlerinnen und Künstler einladen, an einem Projekt zu partizipieren und sozusagen, etwas anzustoßen, woraus dann wieder Neues entstehen kann. Anna Soucek: Sagt Elisabeth Schimana. Soviel also zum Schlafradio, einem Projekt der Organisation TRANSIT. Konzipiert und gestaltet von Norbert Math. Hören Sie nun die Urversion des Schlafradios, die am 15. April 1993 im Kunstradio gesendet wurde und als über das Radio verbreitetes Ausgangsmaterial für folgende Variationen dienen sollte. Schlafradio von Norbert Math. Schlafradio Anna Soucek: Das war das Schlafradio von Norbert Math. Der Aufforderung, die Sendung aufzunehmen und daraus neue Folgen des Fortsetzungsprojekts entstehen zu lassen, kam die Hörerin Gertraud Schleichert nach. Hören Sie nun die Schlafradio-Variation von Gertraud Schleichert, die vorab eine Erklärung abgibt und von Gerhard Mittermayr. Die Schlummernummer dauert eine Viertelstunde. Kennmelodie TRANSIT O-Ton Gertraud Schleichert: Lieber Norbert Math, bitte lassen Sie mich Ihnen kurz meine Situation schildern. Ich bin Schriftstellerin und sitze hier in Luhacˇovice in den Weißen Karpaten, abgeschnitten von jeder Zivilisation, mit dem Zweck ein Buch zu schreiben. Das Buch habe ich auch geschrieben – Gott sei Dank. Ich habe hier nur mein Radio, mein Schlafradio, das zwar ein sehr gutes ist, das nützt mir hier so viel wie überhaupt nichts, denn es gibt hier keinen Empfang. Die Leute haben die tollsten Fernsehapparate und sehen nur ein schwarz-weißes Geflimmer und im Radio ist es das Gleiche auf Audio. Ich kann also das Morgenjournal hören, ohne Qualen zu erleiden. Am Abend ist es nur bei sehr klarer Witterung halbwegs möglich. Und Ihr Schlafradio habe ich also nicht verändert, sondern das hat sich verändert durch alle die Mitsender und atmosphärischen Störungen, die es gegeben hat. Außerdem habe ich zweimal leiser drehen müssen, weil die Frau neben mir an die Wand geklopft hat. Und ich denke, wenn Sie also mit der Veränderung zufrieden sind – es ist sozusagen kein Kunstradio, sondern ein Naturradio.

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Anna Soucek: Schlummernummer von Gerhard Mittermayr und Gertraud Schleichert, basierend auf dem Ausgangsmaterial des Schlafradios von Norbert Math. Nicht nur die Hörerinnen und Hörer des Schlafradios waren eingeladen, das Material weiter zu verwenden, sondern auch Künstler und Künstlerinnen. Rupert Huber etwa arrangierte als zweite Folge des Projekts Na Gute Nacht, das radiophone Psychogramm eines Menschen, der am Einschlafen gehindert wird. Na Gute Nacht Anna Soucek: Na Gute Nacht von Rupert Huber. Erstgesendet wurde dieses Folge von Norbert Maths Schlafradio am 28. April 1994. Das Schlafradio war ein Radiokunst-Projekt in Fortsetzungen, das der Beteiligung anderer Künstler bedurfte, die ausgehend von Norbert Maths Konzept und Klängen weitere Versionen eines Radios zum Einschlafen und Wachträumen schufen. Nicht nur im Radio fand das Projekt statt, sondern auch als Performance im Rahmen eines Sampling-Symposiums im Echoraum in Wien. Die letzte Sendung in der ‚work in progress‘-Reihe war ein Stück von Elisabeth Schimana, die das Schlafradio für die heutige Sendung vorgeschlagen hat. Weave, so heißt ihr Stück, beginnt mit einer SpieluhrMelodie und einem Text von Andre Stanley, den er auf Basis früherer Schlafradio-Sendungen geschrieben hatte. Sprache und Klang verdichten sich zu einem Gewebe, aus dem sich neue Klangmuster herausbilden. Weave Anna Soucek: Das war Weave, ein Radiostück von Elisabeth Schimana, eine Folge des Schlafradio-Projekts von Norbert Math. In verschiedene Episoden des Projekts haben wir heute im Rahmen einer Sendung zum 25-jährigen Bestehen des Kunstradios hineingehört. Norbert Math hat uns durch die Sendung begleitet, die wir mit einer Reflexion des Künstlers beenden. O-Ton Norbert Math: Aus heutiger Sicht finde ich es interessant, dass nicht nur ich, sondern viele in unserem Umfeld sich so stark beschäftigt haben, Ideen oder Klänge oder Konzepte weiterzureichen. Und diese ganze Idee, dass man nicht nur einzelner Autor ist von etwas, sondern auch andere teilnehmen zu lassen. Dass man nicht mehr der einzelne Autor ist, sondern, dass man durchaus auch Dinge freilassen kann und die sich dann auch ihren eigenen Weg suchen. Also eine Sehnsucht nach dem, was das Internet hätte werden können, also die war damals also sehr präsent. Ich bin dann draufgekommen, dass es eigentlich sehr viele gibt, die in

diesem Bereich arbeiten und Ideen haben und dann bald auch diese ganzen Symposien vom Kunstradio zu dem Thema online – on air – on site. Das alles hat begonnen und war für mich eigentlich eine ganz spannende und ereignisreiche Zeit und für mich war das Schlafradio sozusagen eine Eintrittskarte in diese neue Welt.

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Anna Soucek: Präsentation: Anna Soucek, Technik: Susanne Wirticz, Redaktion: Elisabeth Zimmermann. 375

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Anhang II: Renotation der Schlafradio-Variationen

Anhang II: Renotation der Schlafradio-Variationen Legende leise Schlafradio Math Schlummernummer Schleichert/Mittermay Na Gute Nacht Huber Weave Schimana Traumphasen I-V Stanley/ Bittner Stille

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laut

Zunahme Lautstärke

Abnahme Lautstärke

Renotation Schlafradio 00:01 00:35 01:16 01:46 02:57 03:31 04:21 05:30 06:01 08:16 08:52 09:10 10:11 12:01 12:08 00:34 01:15 01:45 02:56 03:30 04:20 05:29 06:00 08:15 08:51 09:09 10:10 12:00 12:07 12:14 „Gesang"

Metall. Geräusch

Metall. Geräusch lauter u. heller werdend Metall. Geräusch leiser und tiefer werdend „Zirpen" Prickelndes Geräusch, Tempo u. Lautstärke variieren Kurzes Klicken, Quietschen u. Rauschen mit Pausen Rauschen mit Pausen „Quietschen" elektronische Störgeräusche Stille abrupt einsetzend Anzahl der aktiven Ebenen

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Renotation Schlummernummer (00:01-09:48) 00:01 00:35 01:16 01:46 02:46 02:57 03:31 03:45 04:21 05:30 06:39 07:05 08:16 08:52 09:10 00:34 01:15 01:45 02:45 02:56 03:30 03:44 04:20 05:29 06:38 07:04 08:15 08:51 09:09 09:48 „Gesang"

langgezogenes metall. Geräusch metall. Geräusch lauter u. heller werdend metall. Geräusch leiser u. tiefer werdend „Zirpen" Prickelndes Geräusch, Tempo u. Laustärke variieren Kurzes Klicken, Quietschen, Rauschen mit Pausen Rauschen mit Pausen „Quietschen" elektronische Störgeräusche Klaviertöne mit Pausen Rauschen durch Empfangsstörung Stimme durch Empfangsstörung Musik durch Empfangsstörung „Fuchteln" mit Pausen Anzahl der aktiven Ebenen

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Renotation Schlummernummer (09:49-12:40) 09:49 10:10 10:51 12:22 10:09 10:50 12:21 12:40 „Gesang"

langgezogenes metall. Geräusch metall. Geräusch lauter u. heller werdend metall. Geräusch leiser u. tiefer werdend „Zirpen" Prickelndes Geräusch, Tempo u. Laustärke variieren Kurzes Klicken, Quietschen, Rauschen mit Pausen Rauschen mit Pausen „Quietschen" elektronische Störgeräusche Klaviertöne mit Pausen Rauschen durch Empfangsstörung Stimme durch Empfangsstörung Musik durch Empfangsstörung „Fuchteln" mit Pausen Anzahl der aktiven Ebenen

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Renotation Na Gute Nacht (00:01-03:20) 00:01 00:10 00:30 01:01 01:31 01:35 02:21 02:41 02:46 03:01 03:08 03:15 03:17 03:19 00:09 00:29 01:00 01:30 01:34 02:20 02:40 02:45 03:00 03:07 03:14 03:16 03:18 03:20 Menschenansammlung Atmo Bar Metallisches Schlagen Hohe elektron. Melodie mit Wiederh. u. Pausen Schlagzeugbeats „Gesang" „Zirpen" Telefonklingeln mit Pausen Rauschen mit Pausen Maskuline Stimme Hallendes Geräusch Grundmann: „Mensch schaltet...“ im Loop Verzerrte Stimme „Wieso?“ Stimme Schleichert Verzerrte Wortfetzen im Loop „Fuchteln“ mit Pausen Quietschen Klaviertöne Ruhige vibrierende Melodie Stille abrupt einsetzend Anzahl der aktiven Soundebenen

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Renotation Na Gute Nacht (03:21-07:45) 03:21 03:42 04:06 04:14 04:21 04:25 04:45 04:55 05:30 06:10 06:42 06:51 07:21 07:40 03:41 04:05 04:13 04:20 04:24 04:44 04:54 05:29 06:09 06:41 06:50 07:20 07:39 07:45 Menschenansammlung Atmo Bar Metallisches Schlagen Hohe elektron. Melodie mit Wiederh. u. Pausen Schlagzeugbeats „Gesang" „Zirpen" Telefonklingeln mit Pausen Rauschen mit Pausen Maskuline Stimme Hallendes Geräusch Grundmann: „Mensch schaltet...“ im Loop Verzerrte Stimme „Wieso?“ Stimme Schleichert Verzerrte Wortfetzen im Loop „Fuchteln“ mit Pausen Quietschen Klaviertöne Ruhige vibrierende Melodie Stille abrupt einsetzend Anzahl der aktiven Soundebenen

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Renotation Na Gute Nacht (07:46-12:25) 07:46 07:51 08:32 09:30 09:46 10:01 10:05 10:36 10:41 10:51 10:55 11:08 11:30 11:50 07:50 08:31 09:29 09:45 10:00 10:04 10:35 10:40 10:50 10:54 11:07 11:29 11:49 12:25 Menschenansammlung Atmo Bar Metallisches Schlagen Hohe elektron. Melodie mit Wiederh. u. Pausen Schlagzeugbeats „Gesang" „Zirpen" Telefonklingeln mit Pausen Rauschen mit Pausen Maskuline Stimme Hallendes Geräusch Grundmann: „Mensch schaltet...“ im Loop Verzerrte Stimme „Wieso?“ Stimme Schleichert Verzerrte Wortfetzen im Loop „Fuchteln“ mit Pausen Quietschen Klaviertöne Ruhige vibrierende Melodie Stille abrupt einsetzend Anzahl der aktiven Soundebenen

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Renotation Weave (00:01-04:32) 00:01 00:06 00:11 00:18 00:26 00:30 00:36 01:51 02:01 02:21 02:30 03:03 03:56 04:28 00:05 00:10 00:17 00:25 00:29 00:35 01:50 02:00 02:20 02:29 03:02 03:55 04:27 04:32 Aufziehen Spieluhr Melodie Spieluhr Heidi Grundmann „Schlafradio ist ein Versuch" Text von Andre Stanley im Loop/ Kanon „Buo" im Loop Prickelndes Geräusch, Tempo variiert Pulsierendes metall. Geräusch Tonhöhe variiert Langgezogenes metall. Geräusch vibrierend Zischendes Geräusch, Lautstärke variiert, mit Pausen Hohe Stimme formt „Psch..." Langgezogenes „Oh...", Lautstärke u. Tonhöhe variieren Rauschen Hoher gleichmäßiger Ton Einzelne Töne Spieluhr techn. modifiziert Hohe Stimme formt unspezifische Laute Stille langsam ausgefaded Anzahl der aktiven Soundebenen

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Renotation Weave (09:29-10:32) 09:29 09:34 09:42 09:46 09:54 10:01 10:11 10:16 10:21 09:33 09:41 09:45 09:53 10:00 10:10 10:15 10:20 10:32 Aufziehen Spieluhr Melodie Spieluhr Heidi Grundmann „Schlafradio ist ein Versuch" Text von Andre Stanley im Loop/ Kanon „Buo" im Loop Prickelndes Geräusch Tempo variiert Pulsierendes metall. Geräusch Tonhöhe variiert Langgezogenes metall. Geräusch vibrierend Zischendes Geräusch, Lautstärke variiert, mit Pausen Hohe Stimme formt „Psch..." Langgezogenes „Oh...", Lautstärke u. Tonhöhe variieren Rauschen Hoher gleichmäßiger Ton Einzelne Töne Spieluhr techn. modifiziert Hohe Stimme formt unspezifische Laute Stille langsam ausgefaded Anzahl der aktiven Soundebenen

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Anhang III: Transkript von Nacht. Stimme. Zerstreuung.

Hinweise zur Transkription: • •

Nonverbale Auffälligkeiten werden in einfachen Klammern angegeben Pausen werden durch Gedankenstriche angezeigt, längere Pausen durch mehrere Gedankenstriche

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Nacht. Stimme. Zerstreuung. Künstler: LIGNA Sendetermin: 17. 09. 2006 Höre: http://www.kunstradio.at/2006B/17_09_06.html (Türöffnen und -schließen, Schritte, Stuhlbeine schaben auf Boden) Guten Abend, liebe Hörerinnen und Hörer des Kunstradios. Ich freue mich, dass Sie eingeschaltet haben. Sie hören Nacht. – Stimme. – Zerstreuung. (betont den Titel). Es ist Nacht. Sie hören meine Stimme. Sie sind zerstreut. Das ist alles. – Nicht ganz. Es ist nicht so einfach, wie es scheint. (seufzt leicht) – Darf ich mich kurz vorstellen? Mein Name ist Helmut Bohatsch – Wie heißen Sie? – Ihren Namen werde ich nie erfahren. Wenn ich es recht überlege (seufzt) – ich könnte mir alle Ihre Namen auch gar nicht merken. Und sicher schalten immer wieder einige von Ihnen das Radio ab oder wechseln die Stationen, andere schalten sich zu. Ich werde Sie in den folgenden vierzig Minuten leider weder verabschieden noch neue Hörer begrüßen können. Radio (betont Wort) ist ein unhöfliches Medium. Aber das lässt sich zumindest jetzt kurz ändern: Ich lade Sie herzlich ein, wo immer Sie gerade sind, dem Radio zuzuhören. Herzlich Willkommen bei Nacht. – Stimme. – Zerstreuung. (betont Titel) Sie kennen mich nicht, aber Sie können mich hören. Ich spreche zu Ihnen aus dem Studio RP4, aus diesem Studio sendet das Kunstradio schon seit vielen Jahren. Sie haben vielleicht schon die eine oder andere Sendung aus diesem Studio gehört, doch wissen Sie auch, wie sie aussieht? Wenn Sie können, schließen Sie doch kurz die Augen und stellen Sie sich den Raum vor. Wie groß ist er? Welche Farbe haben seine Wände? Mit welchem Mobiliar ist dieser Raum ausgestattet? Ist es ein angenehmer Raum? Malen Sie sich den Raum aus! – – Haben Sie nun ein Bild von dem Ort, an dem ich jetzt spreche? Sehen Sie, was ich sehe? Öffnen Sie die Augen bitte wieder: Welche Elemente mögen den Raum, in dem Sie jetzt gerade Radio hören, mit dem Raum, in dem ich jetzt spreche, verbinden? – Haben Sie ebenfalls eine elektrische Lampe? Ist Ihr Raum rechteckig? Gibt es einen Tisch? Ich möchte behaupten, dass dies alles Gemeinsamkeiten sind. Und Sie haben natürlich ein Radio. Ich habe auch eines, nur ist meines nicht eingeschaltet. (schmunzelnd) (Rauschen) Mittelwelle. (sucht einen Sender) Es klingt

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anders. Hören Sie? (stellt Radio etwas lauter, dann deutlich leiser) Klingt es schlechter als das, was Sie gerade hören? Weniger natürlich? (schaltet das Radio wieder lauter, dann aus) Schauen Sie bitte auf Ihr (betont Wort) Radio: Klingt meine Stimme natürlich? Natürlicher als der Mittelwellensender? – Vergleichen wir noch einmal. Jetzt (seufzt) hören Sie meine Stimme und jetzt (schaltet Radio ein) hören Sie den Mittelwellensender. (stellt das Radio lauter, dann leiser) Erst wenn sich der Rundfunk vom Ideal des ‚natürlichen‘ Klangs emanzipiert, wird er aufhören, ‚unnatürlich‘ zu klingen. (stellt das Radio wieder lauter) Ich weiß nicht, aus welcher Nacht hier gesendet wird. Eine andere Nacht als meine Nacht. Andere Stimmen als meine Stimme. Radiostimmen. Die Nacht ist die bevorzugte Zeit. Der Empfang ist besser. (schaltet das Radio aus) Und man schaut nicht so genau. Das ist gut. Die Stimme hat wenig Konkurrenz. Löschen Sie bitte das Licht in Ihrem Zimmer. Ich lösche auch das Licht hier im Studio. (betätigt Schalter) Ich habe Zeit. Was ich Ihnen jetzt zu sagen habe, ist nur sinnvoll, wenn Sie es im Dunkeln hören. Schalten Sie also bitte das Licht aus, so dass Ihre Wohnung nur durch meine Stimme erhellt wird. Aber meine Stimme ist kein Licht (betont das Wort), werden Sie denken. Setzen Sie sich bitte wieder und schauen Sie auf Ihr Radio. Leuchtet es? (freundlich) – – Elektromagnetische Wellen sind unsichtbar, im Hellen – wie im Dunkeln. Das ist sicher merkwürdig, aber noch merkwürdiger ist, so möchte ich behaupten, – dass Sie mich hören können. Deshalb ist es nicht gleich, was ich sage. Jedes Wort materialisiert meine Stimme in Ihrem (betont Wort) Radio. Schweige ich, materialisiert sich die Stille (betont Wort) des Studios. Sie haben sich an diese Materialisierung der Stimme und der Stille gewöhnt. Sie erscheint Ihnen ganz normal. Aber diese Normalität hat etwas Seltsames an sich. Sie ist merkwürdig. Prüfen Sie meine Behauptung. Ich möchte Sie zu einem kleinen Experiment einladen. Bitte stehen Sie dafür auf. Stellen Sie das Radio etwas lauter. – – Gehen Sie nun in einen anderen Raum ihrer Wohnung, – aber lassen Sie bitte das Licht gelöscht. – – – Wie klingt meine Stimme nun? (etwas lauter) Klingt meine Stimme als ob jemand persönlich aus dem Nebenraum zu Ihnen spricht? (sehr laut) Hallo? Hören Sie? Bleiben Sie bitte noch in dem anderen Raum. Horchen Sie. – Was hören Sie? – Hören Sie das Surren des Kühlschranks? – Sind Ihre Nachbarn noch wach? – Oder passiert etwas auf der Straße? – Kommen Sie ruhig wieder etwas näher. Was immer Sie hören – meine Stimme trifft keine reine Situation an. Sie vermischt sich vielmehr mit der akustischen Situation, in die Ihr Radio ausstrahlt. Sie hören immer mehr als mich. (leiser als zuvor) Manche glauben, das Geheimnis des Radios liegt in der Unsichtbarkeit elektromagnetischer Wellen. Ich dagegen bin mir sicher, das Geheimnis ist die Zerstreuung (betont Wort) meiner ausgestrahlten Stimme. Sie glauben mich (betont Wort) zu hören. Schließlich spreche ich jetzt, in diesem Moment zu Ihnen. Das ist wahr. Es ist keine Aufzeichnung. Es ist live (betont Wort). (atmet tief durch, schenkt Flüssigkeit ein, trinkt) Sie hören nicht meine (betont Wort) Stimme, Sie hören einen

Doppelgänger (betont Wort) meiner Stimme, Sie hören eine von vielen gleichen Stimmen. Meine Stimme, ich höre sie selber kaum. Ich höre sie über den Kopfhörer. Hören Sie mich? (lauter) Wie viele Doppelgänger meiner Stimme mag es wohl geben? Begeben Sie sich bitte auf die Suche. Schalten Sie ein Radio in einem anderen Raum ein. Wenn Sie kein zweites Radio haben, überlegen Sie, ob Sie nicht einfach eines vergessen haben? Vielleicht ist irgendwo eines eingebaut, wo Sie grad nicht dran denken? – – Können Sie meine Stimme auch in diesem Radio finden? Verdoppeln Sie meine Stimme! Vervielfältigen Sie meine Stimme! Und wenn Sie noch (betont Wort) mehr Radios haben, dann schalten Sie auch diese an! Benötigen Sie Licht? Dann machen Sie es dann aber gleich wieder aus. Das folgende Programm ist für mehr als ein Radio (betont Wort) gemacht. Andernfalls bleibt Ihnen meine Stimme unverständlich. – Haben Sie die Radios an? Gut! Vielen Dank. (freudig) Wie klingen die Doppelgänger? – Bewegen Sie sich jetzt zwischen den Radios hin und her. Gehen Sie zu dem ersten Radio zurück und bewegen Sie sich dann bitte zu dem zweiten. Bewegen Sie sich durch die Wohnung und horchen Sie auf die Veränderungen des Klangs. Welche der Ausstrahlungen ist meine (betont Wort) Stimme? Was ich Ihnen jetzt sage, ist ohne Belang, ich spreche einzig, damit Sie die zerstreute Materialität meiner Stimme hören können. Prüfen Sie nun, welche Lautstärke der Zerstreuung meiner Stimme am ehesten angemessen ist. Verstellen Sie die Lautstärken Ihrer Radios, bis Sie meine Stimme nicht mehr orten können. Gehen Sie in Ihrer dunklen Wohnung umher und lauschen Sie. – Jede meiner Stimmen, die Sie jetzt hören, ist meine (betont Wort) Stimme. Meine einzige (betont Wort) Stimme. Sie wird aus diesem Studio direkt in diesen einen Apparat übertragen. Meine Stimme: Es gibt viele Fiktionen, die größte Fiktion ist aber, dass ich mit meiner Stimme spreche, wenn Sie mich im Radio hören. Wer spricht? Die größte Fiktion ist, dass meine Stimme mir gehört. (schnauft) Sie gehört niemanden. Sie wird verteilt auf unzählbar viele Geräte, wo Sie entscheiden, wie laut Sie in Ihrem Raum tönt. Können Sie sich erinnern, wie Sie das erste Mal ihre eigene Stimme aus einem Kassettenrekorder gehört haben? Wie war das? Mochten Sie Ihre Stimme? Was meinen Sie, wie es mir erginge, wenn ich jetzt mit Ihnen zwischen den Radios säße? Ich könnte es nicht ertragen, das zu hören, was eigentlich mir gehört und ich könnte es nicht ertragen, zu erfahren, dass meine Stimme nicht (betont Wort) mir gehört. Das ist unheimlich. Machen wir ein weiteres Experiment. (zögernd) Kommen Sie zu einem der Radios. – Setzen Sie sich hin. – – Sagen Sie etwas zu mir. – Ganz gleich was! Wenn Ihnen nichts einfällt, sagen Sie einfach: Das wundert mich nicht. Sagen Sie es bitte. – Warum sagen Sie es nicht laut?! Das wundert mich nicht! – Sagen Sie es laut! (ruft) – Sagen Sie es laut! (schreit) – Was Sie sagen, gehört Ihnen nicht. (wieder normale Lautstärke) Was Sie hören ist etwas Anderes als Sie sagen. Die gesprochenen Worte sind im Raum. Sie kommen aus Ihrem Körper. Er ist Ihre Stimme und es ist (zögernd) nicht Ihre Stimme. Wessen Sprache? Stehen Sie wieder auf.

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Gehen Sie noch einmal in der Wohnung umher. – – Eine der ersten Regeln, die einem Rundfunksprecher beigebracht werden, ist, sich nur einen Hörer vorzustellen. Ja. Genau: Sie (betont Wort). Ich soll nur an Sie (fast liebevoll) denken – und alle anderen vergessen. Es ist unheimlich, (unterdrücktes Lachen) sich vorzustellen, dass die Stimme sich ohne mein Zutun vervielfacht. Ich spreche, wie ich immer spreche – aber es macht Angst. Ich kann mir keinen einzelnen Hörer vorstellen. Ich frage mich ständig, was passiert jetzt (betont Wort) mit meiner Stimme? Wie hören Sie sie? Ich weiß, Sie hören meine Stimme aus zwei Radios, aber wer sind ‚Sie‘? Und wo sind Sie? Und haben Sie überhaupt zwei Radios? Sind es nicht mehr? Mehr Stimmen? Ich (aufgebracht) – Welche meiner Stimmen gefällt Ihnen besser? Entscheiden Sie sich! Halten Sie – eine meiner Stimmen fest. Oder schalten Sie sie ab. Wenn mehrere Geräte laufen, schalten Sie auch diese ab, bis die gespenstischen Doppelgänger meiner Stimme auf einen reduziert sind. (trinkt) – Halten Sie Ihr Ohr bitte an das verbliebene Radio. Keine Angst, ich werde nicht mehr brüllen. (trinkt, spricht dichter am Mikrophon) Fassen Sie das Radio an. Berühren Sie es mit Ihrer Hand. Es ist ein weiterer Versuch, der nur funktioniert, wenn Sie sich auf meine Bitte einlassen. Wie fasst sich der Apparat an? Ist er aus Plastik oder aus Metall? Ist es ein Küchenradio oder eine Hi-Fi-Anlage? Ist es grau oder schwarz? Ich sehe Sie nicht. (flüsternd) Ich spreche nicht, damit Sie mich sehen. Und ich bin ganz froh, dass Sie mich nicht sehen. Alle, die jetzt mit Ihrer Hand das Radio berühren, sind durch diese Geste miteinander verbunden, ohne voneinander zu wissen. (wieder in normaler Lautstärke) Sie sehen einander nicht, Sie sehen nur sich. Es ist Nacht. Die Radios strahlen meine Stimme aus. Sie sind wie Sterne am Nachthimmel. Es kümmert sie nicht, ob sie jemand sieht. Ich sehe die Sterne nicht, das Studio hat kein Fenster. Es ist ein geschlossener Raum. Aber ich kann ihn verlassen (zögernd). (steht auf) Kommen Sie, begleiten Sie mich! (eifrig) Gehen Sie an ein Fenster! (Schritte, Türöffnen und -schließen) – Ich bin heute schon so lange im Funkhaus, ich weiß nicht einmal, ob Sterne am Himmel zu sehen sind. (sehr gedämpft, in deutlicher Entfernung vom Mikrophon) Öffnen Sie Ihre Fenster bitte und schauen Sie mit mir zum Himmel hinauf. (dicht am Mikrophon) (Rauschen und Grillenzirpen im Hintergrund) Es ist Nacht. Sie hören meine Stimme. Die Sterne sind zerstreut. Das ist alles. Nicht ganz. Das Universum ist schwarz. Das Universum ist eine Stätte dauernder Katastrophen. Doch die Sterne kümmert das nicht. Sie strahlen ihr schwaches Licht in alle Richtungen aus. Aber das Universum bleibt dunkel. So viele Sterne auch leuchten, sie erhellen es nicht. Jedes Radio ist ein solcher Stern. Es strahlt meine Stimme aus, aber kann es das Universum Ihres Alltags erhellen? Zeigen Sie bitte auf einen der Sterne, vielleicht ihren Lieblingsstern. Wenn die Wolken den Himmel verhüllen, zeigen Sie dorthin, wo Sie ihren Stern vermuten. Sie kennen sich nicht und sind nur durch eine gleichzeitige, zerstreute Geste verbunden. Sie bilden eine Konstellation, sternengleich. Gäbe es eine Karte von allen, die

jetzt meine Stimme hören, es wäre eine Sternenkarte. Auf dieser Karte ließen sich einzelne Sterne und ganze Galaxien entdecken, – das merkwürdige Universum unseres Alltags. Doch während die Bilder der Sterne über die Jahrhunderte immer wieder neu gedeutet wurden und der Große Wagen auch der Große Bär sein kann, bleibt die gesellschaftliche Konstellation von Ihnen, liebe Hörerinnen und Hörer, die Sie jetzt, mit mir, am Fenster stehen, ungedeutet. Sie hören meine Stimme, die niemandem gehört, und Sie sehen die Sterne, die niemanden gehören. Die Sterne strahlen aus. Unentwegt. Sie achten nicht darauf, was ihnen gehört. Sie verschwenden ihr Licht in alle Richtungen. Ihr Licht lässt sich nicht verwerten. Das Licht ist schön. (Schritte, Türöffnen und -schließen, trinkt) Zu welcher anderen Zeit als der Nacht könnte ich so zu Ihnen sprechen? In die leuchtende Schwärze hinein. (Türöffnen und -schließen, Schritte) – (trinkt) Nacht. Ich bin mit meiner Stimme hier allein in meinem Studio. Nur Sie, draußen, wo auch immer, an den Radiogeräten, sind bei mir (betont Wort). Ich mache mein Licht wieder an. (betätigt Schalter) Der Strom fließt durch die Glühbirne, der Glühfaden erwärmt sich und beginnt zu leuchten. Der Strom fließt. Er verteilt sich in alle Haushalte. Er sprengt tendenziell von innen das bürgerliche Interieur. Strom, Gas, das Radio sind Vorformen zu Explosionen. Von einem ‚kleinen Drehen an der Schraube‘ hängt es ab, ob das Gas ausströmt, das Zimmer hell wird, das Radio quäkt. Aber diese Macht ist ganz abstrakt. Es ist dies eine der ungelösten Fragen des 20. Jahrhunderts. Wie kann sich diese abstrakte Macht, in einer kleinen Schraube zu drehen, konkretisieren? Die Möglichkeiten zu handeln, haben sich vervielfältigt. Ständig kommen neue Apparate hinzu, die weitere Möglichkeiten bieten. Aber die Macht bleibt abstrakt und die Möglichkeiten, Ihre / ihre1 (betont Wort) Möglichkeiten liegen brach. Verzeihen Sie, ich würde gerne fünfzehn Sekunden alleine sein. Was würde es bedeuten, wenn Sie alle gleichzeitig Ihre Radios für fünfzehn Sekunden ausschalteten? (verschmitzt) Es wäre ein einmaliger Moment in der Geschichte des österreichischen Rundfunks, da bin ich mir ganz sicher (eifrig, schnell). Solange jemand im Radio spricht, gibt es jemanden, der zuhört. Irgendein Radio läuft immer. Tun Sie mir den Gefallen. Gehen Sie bitte zu Ihrem Radioapparat. Haben Sie sich schon einmal gefragt, was er alles nicht empfängt? Alle anderen Sender senden in dieser Nacht etwas anderes als meine Stimme. Es gibt unzählige andere Konstellationen von Hörern, ganz unterschiedliche Universen, unzählige (betont Wort) nicht gezeichnete Sternenkarten. Niemand wird sie jemals zeichnen. Doch ich möchte Sie jetzt bitten, einen kleinen Unterschied zu machen. Ich möchte Sie bitten, die Sternenkarte dieses Senders in ein schwarzes Blatt zu verwandeln. Für fünfzehn Sekunden. Und zwar – ich weiß, alle werden denken: sollen die anderen abschalten, ich bleibe dran! Ich will doch wissen, was der Bohatsch in den fünfzehn Sekunden sagt. Aber so geht es nicht. Dann wäre es kein einmaliger Moment in der Geschichte des Rundfunks und alle, die abschalten, glichen eher dem

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Kleinbürger, der glaubt, er stopft den Mächtigen der Welt das Maul, wenn er das Radio ausschaltet. Eine ohnmächtige Geste. Aber darum geht es bei dieser nächtlichen Geste des Ausschaltens, um die ich Sie gleich bitten werde, nicht. Ich glaube übrigens auch keineswegs, dass die Massenmedien unsere Kommunikation beeinträchtigen und dass es besser wäre, Sie würden jetzt, statt mir zuzuhören, Freunde treffen oder ein gutes Buch lesen. Es ist eine viel zu interessante Situation, dass Sie alle mir jetzt zuhören (alle drei Wörter betont). Es geht darum zu prüfen, was diese Situation bedeutet. Gerade weil diese Situation interessant ist, tun Sie mir (betont Wort) und Ihnen (betont Wort) einen Gefallen, wenn Sie Ihr Radiogerät gleich ausschalten. Mehr verlange ich nicht. Also bitte, führen Sie ihre Hand zum Ausschalter Ihres Radios. Fahren Sie vorsichtig mit dem Zeigefinger auf ihm hin und her. Es ist verlockend, oder? Vorhin habe ich Sie gefragt, was Sie in der Stille hören, – jetzt möchte ich Sie bitten, eine andere Stille zu erzeugen. Bitte vergleichen Sie diese, wie ich finde, sehr unterschiedlichen Stillen. Dieser Test funktioniert nur, wenn Sie ihn auch durchführen. – Schalten Sie nun – für fünfzehn Sekunden – Ihr Radio aus. Jetzt! (betont Wort) – Ich bin allein – das ist das Geheimnis der Nacht. Draußen schnüffelt man den Geruch der Scheiße. All das Ungesagte taucht empor. – – – Das war nicht für Sie bestimmt! (verstimmt) An alle, die ihr Radio ausgeschaltet haben: Vielen Dank. (freundlich) Ich weiß nicht, wie es für Sie war – für mich hat sich dieser Raum für fünfzehn Sekunden in einen anderen Raum verwandelt. Ich war alleine und habe zu mir gesagt: „Ich bin allein – das ist das Geheimnis der Nacht: Draußen schnüffelt man den Geruch der Scheiße. All das Ungesagte taucht empor.“ (betont Sätze) Aber wenn ich es jetzt sage, klingt es anders. Ich wiederhole es für alle, die bewiesen haben, welche Handlungsmöglichkeiten das Radio in sich birgt. Sie haben nichts verpasst, sondern eine Situation gewonnen. Eine Fiktion vielleicht, aber eine schöne Fiktion, die Fiktion kollektiven Handelns, das nicht gemeinschaftlich wird, sondern in der Zerstreuung kleine Gesten ermöglicht, die gesellschaftliche Explosionen (betont Wort) bewirken könnten. Alle, die das Radio nicht ausgeschaltet haben, weil Sie sich und mir keinen Gefallen tun wollten, werden glauben, dass sie so frei waren, der Beeinflussung des Radios nicht zu folgen. Sie glauben, sie könnten frei entscheiden. Aber was ist das für eine Entscheidung, frage ich Sie jetzt? Sie könnten jederzeit das Radio ausstellen, aber es hat keine Wirkung. Eben gab es die einmalige Möglichkeit, etwas noch nie Dagewesenes in der Rundfunkgeschichte zu produzieren. Die Konstellation der RadiohörerInnen hat sich in der gleichzeitigen, zerstreuten Geste in eine Assoziation verwandelt. Es wäre – anders als zum Beispiel im Faschismus – keine Gemeinschaft gewesen. Es ist einer der großen Mythen der Mediengeschichte, dass das Radio, der Volksempfänger die Menschen zu Nazis und Antisemiten gemacht haben soll. Umgekehrt (betont Wort): Nachträglich konnten die Antisemiten und Nazis behaupten, der Apparat hätte sie erst zu den Taten verleitet, die sie willentlich

verübt haben. Nein (betont das Wort). Die HörerInnen bilden immer schon in der Zerstreuung Konstellationen des Hörens. Aber diese zufällige Gemeinsamkeit – Sie alle hören meine Stimme – erzeugt keine Gemeinschaft, sondern ermöglicht aufgrund der Verschwendung meiner Stimme, die niemandem gehört, die freie Assoziation, ein Sternenbild. Dieses Sternenbild wird selten gedeutet. Es spielt im Universum fast keine Rolle, trotz der vielen gleichzeitigen Konstellationen der vielen verschiedenen Sender. Sie verwandeln sich in keine Assoziationen. Die vervielfältigten Stimmen verhallen. Ihre verschwenderische Ökonomie hat keine Konsequenzen für die Volkswirtschaft. Stattdessen wird das Hören in die Nähe des Gehorchens gerückt. Dann wirkt die Radiosituation nicht so unheimlich (betont Wort), und die Verschwendung der Ausstrahlung kann ignoriert werden. Alles bleibt im Besitz. Die Stimme, die Geheimnisse, die Apparate. Nein. Hören ist, anders als so oft behauptet wird, nicht gehorchen. Das ist das Geheimnis der Nacht. Stimme. Zerstreuung. (alle drei Wörter betont) – (atmet deutlich aus) Die Ausstrahlung ist immer mehr als einer kontrollieren kann. Es passieren unerwartete Dinge. Die Stimme trifft auf zahlreiche Situationen, von denen sie nichts weiß. Nie wird aufgezeichnet werden, was in all den verschiedenen Momenten passiert, in denen meine Stimme wie aus dem Nichts auftaucht. Jetzt und jetzt und jetzt passiert in allen Räumen etwas Anderes. Die Stimme ist überall dieselbe, aber sie klingt nirgendwo gleich. Ich werde müde (seufzt). Ich möchte nicht mehr sprechen müssen. Wissen Sie was, ich lege eine Platte auf. Sie werden das Stück vielleicht kennen. (lauter und in größerer Entfernung vom Mikrophon) Es passt zur Nacht. Ein Stück von der Platte Still. (legt LP auf den Plattenspieler) Dabei ist die Platte alles andere als still. Sie werden es gleich hören. Vielleicht wollen Sie zur Musik tanzen? (ermunternd) Stellen Sie das Radio ein wenig lauter. Es ist eine Live-Aufnahme. Der Sänger ist schon lange tot. (spielt das Lied) – (bevor Musik einsetzt: Applaus und Pfiffe)

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Radio, live transmission. Radio, live transmission. Listen to the silence, let it ring on. Eyes, dark grey lenses frightened of the sun. We would have a fine time living in the night, Left to blind destruction, Waiting for our sight. And we would go on as though nothing was wrong. And hide from these days we remained all alone. Staying in the same place, just staying out the time. Touching from a distance, Further all the time.

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Dance, dance, dance, dance, dance, to the radio. Dance, dance, dance, dance, dance, to the radio. Dance, dance, dance, dance, dance, to the radio. Dance, dance, dance, dance, dance, to the radio. Well I could call out when the going gets tough. The things that we‘ve learnt are no longer enough. No language, just sound, that‘s all we need know, to synchronise love to the beat of the show. And we could dance. Dance, dance, dance, dance, dance, to the radio. Dance, dance, dance, dance, dance, to the radio. Dance, dance, dance, dance, dance, to the radio. Dance, dance, dance, dance, dance, to the radio.

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Es ist Nacht. – Sie hören meine Stimme. – Sie sind zerstreut. Das ist nicht alles. Sie sind mir fremd, aber meine Stimme ist Ihnen vertraut. Es gibt nichts Anderes als zu sprechen. Aber das ist nicht alles. Solange meine Stimme von vielen anderen gleichzeitig gehört wird, kann sie mir in ihrer Zerstreuung schön erscheinen. Sie ist mehr als ich sagen kann. Ich weiß nicht, welche Situationen sie erhellen kann. Sie wird niemals hell wie eine Sonne sein. Aber gerade das ist ihre Schönheit. Sie blendet nicht. Ihre Sternenwelten der Freude kennen keine Morgenröte. Sie müssen nichts versprechen. Doch wer weiß? Vielleicht können die Sterne eines Tages die Erde erwärmen? Aber ihr Funkeln verspricht nichts. Ich sehe dem Morgen mit Unruhe entgegen. Er verheißt nichts Gutes. Dann wird alles eins. In der Nacht lässt sich sprechen. In der Nacht lässt sich träumen. Wer wird in meinen Träumen sprechen? Wer ihre Sprachen verstehen? Wer in fremden Sprachen träumen? Wer wird die Träume? Wer wird zur Nacht? Wer spricht? (spricht die letzten Sätze langsam und immer leiser)

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Es wird nicht deutlich, ob sich das Personalpronomen auf die Macht bezieht („ihre“) oder auf die HörerInnen („Ihre“).

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Anhang IV: Renotation von Nacht. Stimme. Zerstreuung.

Anhang IV: Renotation von Nacht. Stimme. Zerstreuung. Renotation Nacht. Stimme. Zerstreuung. (Minute 1 bis 19) Minute

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Themen Begrüßung und Einführung Raum Stimme Zerstreute Rezeption Politisches Potential Zusammenfassung und Abschluss Akustische Phänomene Sprecher spricht Sprechpausen HörerInnen können reagieren Sprechpausen Sprecher handelt Betätigung Radio, Radio erklingt Türquietschen Schritte Möbel-Rücken Betätigung Lampenschalter Trinkgeräusche Atmo Außenraum Bedienung des Plattenspielers Transmission von Joy Division

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Themen Begrüßung und Einführung Raum Stimme Zerstreute Rezeption Politisches Potential Zusammenfassung und Abschluss Akustische Phänomene Sprecher spricht Sprechpausen HörerInnen können reagieren Sprechpausen Sprecher handelt Betätigung Radio, Radio erklingt Türquietschen Schritte Möbel-Rücken Betätigung Lampenschalter Trinkgeräusche Atmo Außenraum Bedienung des Plattenspielers Transmission von Joy Division

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Anhang V: Paraphrasierung und Generalisierung der Besucherbucheinträge

Anhang V: Paraphrasierung und Generalisierung der Besucherbucheinträge BesucherIn Buch Seite/n Fall

278

T01

Zitat

1 A

1

entspannend…… interessant_ verwirrend_

2 A

1,3

3 A

3

T02

4 A

3

5 A

5

6 A

7

T05

7 A

8

Z01

18/11/1012 Hall! Greeting from Finnland Tschüß!!!Hei Hei Noora

8 A

9

T06

9 A

10

10 A

11

Paraphrase (ggf. Übersetzung)

Generalisierung

entspannend, interessant, verwirrend

entspannend, interessant, verwirrend

An der Grenze zur Schizophrenie? In der Vorstellung lassen sich Stimmen multiplizieren

Bewegt sich die Arbeit an der Grenze zur Schizophrenie? Imaginäre Multiplikation von Stimmen

Imaginäre Multiplikation von Stimme mit Schizophrenie verbunden

T03

Die Fantasie geht an. A

Aktivierung der Fantasie

Aktivierung der Fantasie

T04

Bei den Geräuschen in der Umgebungsgeräusche stören bei Umgebungsgeräusche stören Umgebung fällt es sehr der Rezeption bei der Rezeption schwer, sich der Ruhe hinzugeben.

DADANAUTIK: In Wahrheit ist die Wirklichkeit ganz anders als die Realität. DADANAUTIK: Simultanes Leben & ? Virtuelle Freiheit

Übersetzung aus dem Bulgarischen: Ungewöhnlich und aufrüttelnd (oder: erschreckend). Was ist meine Stimme und (was) die Stimme der anderen? Kann dies die Wahrheit sein? (Ist dies [etwa] wahr?)

Ungewöhnlich und aufrüttelnd bzw. erschreckend; Frage nach der Abgrenzung der eigenen Stimme von anderen Stimmen; Frage nach der Wahrheit

Helmut Bohacz die Nacht ist die bevorzugte Zeit. Meine Stimme trifft keine reine Situation an. Das Universum ist eine Stätte ständiger Katastrofen. Das Licht ist schön. Strom springt in das bürgerliche Interieur. Die Möglichkeiten liegen brach. Ausschalten...jetzt eine Situation gewonnen!

Helmut Bohacz „Die Nacht ist die bevorzugte Zeit.” „[...] meine Stimme trifft keine reine Situation an.” „Das Universum ist eine Stätte ständiger Katastrophen.” „Das Licht ist schön.” „Er [der Strom] sprengt tendenziell von innen das bürgerliche Interieur.” „[...] ihre [die der Macht] Möglichkeiten liegen brach.” „Schalten Sie nun-für fünfzehn Sekunden-Ihr Radio aus: Jetzt.” „[...], sondern eine Situation gewonnen.”

Sätze und Satzfragmente nahezu wörtlich aus dem Skript zitiert.

T07

KLANG-RAUM RAUM-KLANG DOPPEL-GÄNGER Viel-stimmig Real-orchestral Radiophone Bewegung. Klang. I´m sitting in a room... (P. Schimanski/Nov. 2012) STILLE

Klang-Raum Raum-Klang Doppel-Gänger Viel-stimmig Real-orchestral Radiophone Doppelgänger. Bewegung. Klang. I´m sitting in a room... Stille

Lyrischer Beitrag: Wortspiele auf Basis von Begriffen aus radiophoner Arbeit

T08

Der Mann setzt mich unter Druck. Soll er nicht? Schauspielschule 1. Semester?

Sprecher übt unerwünschten Druck aus. Er scheint Anfänger zu sein.

Fühlt sich unter Druck gesetzt; Sprecher wirkt dilettantisch

Необичайни и стряскащо. Какъв е моят глас и гласа на другия? това истина ли е? 15.11.2012 BG

BesucherIn Buch Seite/n Fall

Zitat

Paraphrase (ggf. Übersetzung)

Generalisierung

11 A

11

T09

Schöne Grüße an alle, die Grüße an alle, die das Radio auch das Radio angefaßt ebenfalls berührt haben. haben…!!!

Handlungsforderung nachgekommen, Radiogerät berührt

12 A

12

T10

älterer Herr, ca. 60? gebildet… evtl. aus dem Münchner Raum?

Sprecher könnte um die 60 Jahre alt ein, wirkt gebildet, könnte aus dem Münchner Raum stammen.

Stimme und Sprache des Sprechers wecken Vorstellungen hinsichtlich seines Alters und seiner Herkunft

13 A

13

Z02

Schön!

14 A

15

T11

Ich bräuchte mehr Intimität – die offene Situation zerstreut mich.

Wunsch nach mehr Intimität. Die offene Situation wirkt zerstreuend.

Offene Situation wirkt sich negativ auf Rezeption aus

15 A

16

T12 Z03

Das Küchenradio raunt im Das Küchenradio raunt im Wind Wind über den lieblich über den lieblich geformten geformten Zedernbäumen. Zedernbäumen.

Lyrischer Beitrag auf Grundlage des Radios im Allgemeinen

16 A

17

T13

Dieser Ort vernagelt die Zeit!

Hörraum negativ beurteilt

17 A

17

18 A

19

Z04

19 A

21

T14

Gutes Skript, angenehmer Ich will auch meinen eigenen Radiosender! XD Erzähler gutes Skript, angenehmer Erzähler. Grüße aus Bochum

Skript und Erzähler positiv bewertet

20 A

21

T15

Doppelgänger der Stimme „Doppelgänger meiner Stimme“

Satzfragmente nahezu wörtlich aus dem Skript zitiert

21 A

23

T16

Stimme, Klang, Raum, Zeit, Entfremdung, Ich / Du / Wer? Worte materialisiert in der Stimme: Gefühlswerdung, bedeutungsschwanger. Ein Dialog ohne Dich! Eine andere Welt als die im Raum und der aktuellen Zeit entsteht. Wohin führt sie – aktiv, passiv? Aus & Vorbei? Von der Stimme als Instrument zur Funktion des Radios – breite Spanne! Vielleicht zu breit. Trotzdem schöne Bewußtwerdung

Stimme, Klang, Raum, Zeit, Entfremdung, Ich / Du / Wer? Worte materialisiert in der Stimme: Gefühlswerdung, bedeutungsschwanger. Ein Dialog ohne Dich! Eine andere Welt als die im Raum und der aktuellen Zeit entsteht. Wohin führt sie – aktiv, passiv? Zu breites Spektrum an Themen. Bewusstwerdung ist dennoch schön.

Thematisierung der eigenen Wahrnehmung und des One to-Many -Prinzips in lyrischer Form; ambivalente Bewertung der Arbeit

22 A

25

T17

bin maßlos überfordert. Liegt das an mir?

Bin maßlos überfordert

Überforderung

23 A

25

T18

Besser und entspannter als Arbeit wirkt entspannend, ist erwartet! besser als erwartet

24 A

25

T19

Das Fenster ließ sich leider nicht öffnen. Wo sind die Sterne?

Das Fenster ließ sich leider nicht öffnen. Es waren keine Sterne zu erkennen.

25 A

27

T20

interessant – Ja. Klar. „Trotzdem“ machen all diese technischen Geräte einsam. Basta;-) Ich bin´s – trotz „Unterhaltung“ und der Mann im Radio ist´s auch. Jetzt gerade. Ich gehe lieber wieder raus mit Freunden einen Kaffee trinken. Tschüß!

Interessant. Technische Geräte Interessant; Medien machen machen einsam. BesucherIn und einsam Sprecher sind trotz Unterhaltung einsam.

Dieser Ort vernagelt die Zeit!

Dieses Wort verhagelt die Zeit?

Arbeit wirkt entspannend, ist besser als erwartet Versuch Handlungsanweisung nachzukommen; unterschiedliche Tageszeit von dargestelltem Raum und Hörraum

279

BesucherIn Buch Seite/n Fall

280

Zitat

Paraphrase (ggf. Übersetzung)

Generalisierung

26 A

29

T21

Eine neue Erfahrung. Durch einen Radiosprecher in die Aktivität gebracht zu werden. Im Prinzip werden wir gebeten die kleinen, schönen Dinge im Alltag zu erkennen und mit Menschen, welche wir nicht kennen, uns zu verbinden und uns letztlich wirklich verbunden zu fühlen. Er lässt uns die Dinge, welche unbewusst aufgenommen werden, bewusst werden. Scheinbar unüberwindbare „Gesten“ sollen durchgeführt werden, besp.weise das Radio für 15 Sek. abzu schalten. Uns den Zuhörern wird bewusst gemacht, wieviel wir gemeinsam bewirken können und unsere Handlungen in jndm. auslösen kann. Vielen Dank! :)

Durch einen Radiosprecher in Aktivität gebracht zu werden ist eine neue Erfahrung. Es wird eine Verbindung zu fremden Menschen hergestellt bzw. das Gefühl evoziert, verbunden zu sein. Radiophone Arbeit bringt Unbewusstes zu Bewusstsein. ZuhörerInnen wird bewusst gemacht, wie viel sie gemeinsam bewirken können und was ihre Handlungen bei anderen auszulösen vermögen.

Durch synchrones Hören entsteht eine Verbindung zu anderen Menschen; Arbeit macht Unbewusstes bewusst; bringt HörerInnen Handlungsmacht zu Bewusstsein

27 A

31

T22

Ja, Plastik/Grundig Küchenradio – silber

Silbernes Küchenradio von Grundig aus Plastik

Antwort auf Frage des Sprechers

28 A

33

T23 Z05

Freie Entscheidung gibt´s die? Freie Assoziation. Hören ~ Gehorchen? Stimme → Situation Nacht LIVE Radio Radio Wer???

„Sie glauben, Sie könnten frei entscheiden. Aber was ist das für eine Entscheidung, frage ich sie jetzt? [...]“ „Stattdessen wird das Höre n in die Nähe des Gehorchens gerückt. Dann wirkt die Radiostation nicht so unheimlich, und die Ver schwendung der Ausstrahlung kann ignoriert werden. Alles bleibt im Besitz. Die Stimme, die Geheimnisse, die Apparate. Nein. Hören ist, anders als so oft behauptet wird, nicht gehorchen. [...]“ „Es passt zur Nacht. [...]“ „Es ist eine Live -Aufnahme. [...]“ „Wer wird in meinen Träumen sprechen? Wer ihre Sprachen verstehen? Wer in fremden Sprachen träumen? Wer wird die Träume? Wer wird zur Nacht? Wer spricht? [...]“

Sätze und Satzfragmente nahezu wörtlich aus dem Skript zitiert

29 A

35

30 A

37

T24

„die Sterne zerstreuen „Die Sterne sind zerstreut.“ sich…“ Durch das Abschalten des ich schalte den Apparat ab Apparats kann Macht über → ich habe die Macht Sprecher und Radio ausgeübt über werden. Mann & Radio ! Rita Hyde

31 A

38,39

T25 Z06

Hörsinn für Mama. Malsinn für´s Kind Cool ♥ Danke Eleni, 1 Jahr 8 Mon.

Möp. Handlungsaufforderung nachgekommen; Handlungsmacht der HörerIn nen zu Bewusstsein gebracht

Integration des Besucherbuchs Element des dinglichen in das Setting positiv bewertet. Settings positiv bewertet

BesucherIn Buch Seite/n Fall

Zitat

Paraphrase (ggf. Übersetzung)

Generalisierung

32 A

41

Z07

It´s just me! By Lin 4.2.13

33 A

43

T26 Z08

Spinnt das Radio oder wir?

34 A

45

Z09

Penis Ha Ha

35 A

47

Z10

radio sh

36 A

49

T27

Sprache… Worte… Sterne… Momente… Hinhören ohral Schall Wellen! 21.2.2013 So.

37 A

50

Z11

38 A

51

T28

Angenehme Stimme und Angenehme Stimme und cooles Radio… ☼ gutes Radiogerät Das Radio ist immer noch das beste Medium! Beste Grüße!

Stimme und Radiogerät positiv bewertet

39 A

55

T29

27.02.2013 Durch störende Elemente abgelenkt, gelang es mir nicht meinen ruhelosen Geist an die Stimme zu knüpfen. Schade. Das lag wohl an mir. Leider passierte auch noch ein Unfall in unmittelbarer Nähe, als sich eine Person das Schienbein am Hocker stieß. Ich hörte den Schmerzensschrei.

Umgebungsgeräusche, u.a. durch andere BesucherInnen verursacht, verhindern Konzentration auf die Stimme des Sprechers.

Geräusche im Hörraum verhindern Konzentration auf die radiophone Arbeit

40 A

57

T30

– Klarheit – Manipulation – Be(ein uss)en – Geräusche im Raum unterbrechen den Ruhe uss – Interesse/Neugierde – Müdigkeit

Wird als klar und manipulativ wahrgenommen; Geräusche im Hörraum stören beim Hören der Arbeit; weckt Interesse bzw. Neugierde und Müdigkeit

Wird als manipulativ wahrgenommen; Geräusche im Hörraum verhindern Konzentration auf die radophone Arbeit; weckt Interesse und Müdigkeit

41 A

59

T31

Das Licht, die Nacht, das Helle, das Dunkle, Sterne, Mond, Sonne ich bin hier nicht am richtigen Ort.

Gegensatz von Tag und Nacht bewirkt Irritation

Unterschiedliche Tageszeit von dargestelltem Raum und Hörraum

42 A

59

43 A

61

T32

7.3.13 Leider hörte ich nur Bremen I! L. W B

Radiogerät war auf falscher Frequenz eingestellt.

Hören der Arbeit wegen falscher Frequenz nicht möglich

44 A

62

T33

Duschradio Radiodusche

Duschradio Radiodusche

Wortspiel

„Das Radio quäkt!“

Satz wörtlich aus dem Skript zitiert

Verhält sich das Radio seltsam oder die HörerInnen?

Verhält sich das Radio seltsam oder die HörerInnen?

„Sprache“, „Sterne“, „Momente“, „hören“. ohral, Schall, Wellen

Einzelne Worte aus dem Skript zitiert

Bist du je am richtigen Ort?

45 A

63

Monterrey, Mexiko : -) ♥

46 A

65

Na Ja!? Der Kritiker

47 A

67

Ich habe das Radio gestohlen! Sorry [Kleines Symbol]

48 A

67

Radio wieder da! Dafür ist [Symbol] jetzt im Krankenhaus : -O

49 A

69

T34

Das Radio quäckt!

281

BesucherIn Buch Seite/n Fall

282

Zitat

Paraphrase (ggf. Übersetzung)

Generalisierung

50 A

71

T35

24.3.13 Interessant, sich in dieser Art auf das Gesprochene zu konzentrieren. Leider kann man nicht das ganze Experiment mitmachen, da man hier nicht verdunkeln kann und auch keine weiteren Radios zur Verfügung hat oder sich das Fenster nicht öffnen lässt. Trotzdem eine tolle Sache!

Handlungsaufforderung Die Reinszenierung weckt nachgekommen; positive Interesse. Das Experiment lässt sich nicht Bewertung vollständig durchführen, weil der Raum sich nicht verdunkeln lässt, keine weiteren Radios zur Verfügung stehen und sich das Fenster nicht öffnen lässt. Trotz der Einschränkungen positiv bewertet.

51 A

73

T36

Manipulativ? → guter Sprecher, man entspannt und kann gut zuhören komisch? → Verwirrung: extra Radiosender? Franzi&Laura 27.03.2013

Manipulation durch radiophone Arbeit? Guter Sprecher; wirkt entspannend; Sender irritiert.

Manipulation durch radiophone Arbeit möglich; Sprecher und radiophone Arbeit positiv bewertet; Behagen; Sender irritiert

52 A

74

53 A

75

T37

Radio No 1 You get what you need? Es ist Tag, nicht Nacht. Es ist Tag, nicht Nacht. Gilt es als Zerstreuung, wenn Es gibt mehrere Stimmen, mehrere Stimmen hörbar sind? gilt das als Zerstreuung? Was würde Kunstradio dazu sagen? You kissed the sun and the sun kisses you.

54 A

77

T38

Die Verwandten rufen an, genau inmitten der Stille, der Verwirrung. Frohe Ostern!

Anruf unterbricht Hören der radiophonen Arbeit, die als verwirrend wahrgenommen wird.

Geräusche im Hörraum nehmen Einfluss auf Konzentration

55 A

79

T39

Jedes einzelne ICH wird zum WIR, wenn gleiche Töne, Informationen, Bilder, Phantasien geweckt ‒ Manipulationen gemacht – werden! Im DRIN entspannend, im DRAUFBLICK erschreckend!

Im synchronen Wahrnehmen von Tönen, Informationen und Bildern werden HörerInne n in gleicher Weise manipuliert. Arbeit bewirkt zunächst Entspannung, dann Unbehagen

Radio kann der Manipulation seiner HörerInnen dienen; ambivante Gefühle; Kalligramm veranschaulicht Aussage bzw. Aussage erläutert Kalligramm

56 A

81

Z12

57 A

83

T40

11.04.13 Verwirrend, einsam und abschreckend.Wenn es das trifft. Habe verzweifelt die Sterne gesucht, doch sie waren nirgends und es war auch nicht dunkel. Habe kurz an mir selbst gezweifelt, ob ich die Wahrheit denke oder das Radio mir die Wahrheit diktiert. Diese Erfahrung war ein wenig beängstigend und nicht wie andere hier schreiben, befreiend oder entspannend. Christian Drx.

Arbeit verwirrt, evoziert Einsamkeit und wirkt abschreckend. Es sind keine Sterne zu sehen und es ist nicht dunkel. Besucher reflektiert, ob er durch das Radio manipuliert wird. Erkenntnis, der möglichen Manipulation durch das Radio ist beängstigend.

Unbehagen; unterschiedliche Tageszeit von dargestelltem Raum und Hörraum; Radio kann der Manipulation seiner HörerInnen dienen

Unterschiedliche Tageszeit von dargestelltem Raum und Hörraum

BesucherIn Buch Seite/n Fall T41

Zitat Ich und mein Radio. Phantasie kann sich entwickeln. Ich bleibe in mir bei mir. Ruhe durch Sprache mit der Welt verbunden ohne Masse Menschen. Intensives Empfinden, wohlfühlen der Kreatur im Chaos. Besinnung.

Paraphrase (ggf. Übersetzung) Aktivierung der Fantasie durch das Radio. Radiophone Arbeit wirkt beruhigend. Verbindung zur Welt trotz räumlicher Distanz zu anderen Menschen. Arbeit wird als entspannend wahrgenommen.

Generalisierung

58 A

85

Aktivierung der Fantasie; Behagen; Verbindung durch synchrones Hören

59 A

86

60 A

87

Z13

61 A

88

T42

… Sterne und Stimme ohne Konsequenzen für die Volkswirtschaft:...Aber Stimme ist Geheimnis der Nacht. Stimme trifft auf Unbekanntes wird sie ausgestrahlt. Die Stimme ist überall die selbe aber sie klingt niemals gleich. Ich werde müde. Ich lege eine Platte auf... Sie werden das Stück kennen. 28.04.2013

„Ihre verschwenderische Sätze und Satzfragmente Ökonomie hat keine nahezu wörtlich aus dem Konsequenzen für die Skript zitiert Volkswirtschaft.“ [...] „Das ist das Geheimnis der Nacht. Stimme. Zerstreuung.“ [...] „Die Stimme trifft auf zahlreiche Situationen, von denen sie nichts weiß.“[...] „Die Stimme ist überall dieselbe, aber sie klingt nirgendwo gleich. „Ich werde müde.“ [...] „Wissen Sie was, ich lege eine Platte auf. Sie werden das Stück vielleicht kennen. [...]“

62 A

89

T43

„… der Große Wagen, der Große Bär...die Sterne strahlen aus in alle Richtungen, das Licht läßt sich nicht verwerten; das Licht ist schön...Nacht!“ → wie dem auch sei. Merci beaucoup et à bientôt XXX

„[…] der große Wagen auch der Sätze und Satzfragmente große Bär sein kann. […]Sie nahezu wörtlich aus dem verschwenden ihr Licht in alle Skript zitiert Richtungen. Ihr Licht lässt sich nicht verwerten. Das Licht ist schön. […] Nacht.“ BesucherIn bedankt sich und grüßt

63 A

90

T44

...spannend...spannend… Erzeugt Spannung Miriam+Leonard+Martin +Lisa

64 A

90

T45

Ich bin zerstört zerstreut. Reinszenierung bewirkt Ruft Unbehagen hervor Zerstreuung im negativen Sinne (Zerstörung).

65 A

90

T46

Nacht Stimme Konzentration

„Zerstreuung“ im Titel der Arbeit durch „Konzentration“ ersetzt.

Bewirkt nicht Zerstreuung, sondern Konzentration

66 A

91

T47

Bringt mich an den Rand der absoluten Hysterie.

Starke negative Auswirkungen auf die Psyche

Ruft Unbehagen hervor

67 B

1

T48

zu leise

Zu leise

Hören der Arbeit nur eingeschränkt möglich

68 B

1

T49

Hörgeräte – Akußticker

Hörgeräte – Akußticker

Wortspiel

69 B

2

68 B

2

T50

Akustische – Umweltverschonung

Akußtische – Umweltverschonung

Wortspiel

70 B

3

T51

Se dovessi trovare un posto pere rumanere sola con i miei pensierei questo sarebbe el posto perfetto. Manu

Übersetzung aus dem Italienischen: Es müsste einen Ort geben zum Bleiben, um nachzudenken. Also dies wäre der perfekte Ort.

Positive Bewertung des Hörraums in lyrischer Form

71 B

4

T52

Was ist das denn für ein Psycho? Man denkt, er sitzt allein in einem dunklen, kargen R aum und monologisiert vor sich hin. – spooky

Sprecher erscheint psychisch gestört. Er führt einen Monolog in einem dunklen, kargen Raum. Unheimlich.

Sprache und Sprechweise wecken Vorstellungen hinsichtlich des physischen Umfelds und der Psyche des Sprechers; Unbehagen

Shige ist anwesend.

Erzeugt Spannung

Äy, hör mal zu!

283

BesucherIn Buch Seite/n Fall

284

Zitat

Paraphrase (ggf. Übersetzung)

Generalisierung

72 B

4

Worte (echte) sind Geschenke.

73 B

4

T53

Ist das noch Radio? Kunst ^ ?

Handelt es sich um Radio bzw. um Kunst?

Frage nach Zuordnung zu Radio bzw. zur Kunst

74 B

5

T54

Ein intelligenter Kommentar zum Diskurs um die neue Medienmacht. Kann diese selbst zu etwas anleiten, was über sie selbst hinausreicht? Zur Handlg., die sie selbst inszeniert, als einseitige Handlungsanweisung, und aus der eine bewusste und auch ihrer Vielfalt bewu sste Erfahrung (Praxis) entspringt.

Intelligenter Kommentar Lässt sich auf Machtausübung ausgerichtetes Radio im demokratischen Sinne nutzen?

Positive Bewertung der radiophonen Arbeit: Frage nach der Handlungs macht von HörerInnen

75 B

6,7

Z14

76 B

9

T55 Z15

MACHT. MASSEN. MEDIEN. MENSCHEN. MANIPULATION.

MACHT. MASSEN. MENSCHEN. MANIPULATION.

Radio als Instrument zur Machtausübung in Form eines Tautogramms thematisiert

77 B

10

78 B

11

T56

Zur Ruhe kommen, entspannen.. Konzentration... Imagination abtauchen

Wird als beruhigend und entspannend wahrgenommen. Erforder t Konzentration und fördert Imagination.

Behagen; erfordert Konzentration und fördert Imagination

79 B

12

T57

Man wird gezwungen zur wirkt beruhigend; bietet Ruhe zu kommen. In einer Abwechslung vom Alltag so schnellen Welt wie der heutigen ist das eine schöne willkommene Abwechslung. Vika : -)

Behagen

80 B

13

T58 Z16

Runterkommen + Radiophone Arbeit wirkt bei Entspannung Konzentration auf das Gesagte Konzentration auf das entspannend Gesagte führt zur Entspannung. 2/3.13 W.S.

Behagen resultiert aus Konzen tration auf das Gesagte

81 B

14

T59

Es ist wie, wenn man aus einer Diskothek kommt. Endlich Ruhe ♪...♪...♪ wws.2013

82 B

15

Z17

5five5five5

83 B

16

Z18

84 B

17

T60

85 B

19

86 B

20

T61 Z19

87 B

21

Z20

88 B

23

89 B

24

Ein paar Bier und ein paar Schnäpse dazu. Dazu noch ein wenig Kleinarbeit im Atelier! A. Freund

Es ist nicht so einfach wie es scheint zu langwierig – die Verbindung zum netten Herrn im Radio will nicht aufkommen

Wie die Ruhe nach dem Besuch einer Diskothek

Behagen

„Es ist nicht so einfach, wie es scheint.“ Arbeit erfordert eine hohe Einlassbereitschaft, es entsteht keine Verbindung zu als angenehm bewerteten Sprecher.

Satzfragment nahezu wörtlich aus dem Skript zitiert; Arbeit erfordert eine zu hohe Einlassbereitschaft

„Nacht“

Wort aus Skript bzw. aus dem Titel der Arbeit zitiert

Interessant

Interessant

Bla bla blubb dunkelheit Nacht Groetjes uit Holland v.a. Das Schaltpult zum Aufzeichnungsmischen ist großartig und hat mir viel Freude bereitet! ☼ Michaela, Wien T62

interessant !!!

BesucherIn Buch Seite/n Fall T63

Zitat

90 B

25

Nachtradio in Nederland: Germaine Groenier

59 B

27

91 B

31

Z21

die Blume des Licht

92 B

33

Z22

das Gelicht Ibo

93 B

34

T64

ZUHÖRT ZUZUHÖRT SPRECHEN NACHRICHT GEDEUTET WURDE APPARATE S TIMME STRAHLEN WAS ER SAGT ALLEINE SEIN ALLEIN NICHT EMPFANGEN UNZÄHLIG ABSCHALTEN EXPLOSION ABSTRAKT STROM FLIEßT

94 B

108

95 B

114

96 C

1

97 C

3

Z24

Pour ma petite Paruce

98 C

5

T65

Tous Très bizarre! Oui, très bizarre♥ Fucking Awesome! Sehr cool! Das ist Kunst

Paraphrase (ggf. Übersetzung) Germaine Groenier, niederländische Redak teurin, Schriftstellerin u. Schauspielerin (1943 -2007).

Generalisierung Assoziation mit Radiosendung

Shige ist anwesend!

Einzelne Worte aus dem Skript „Zuhören“, „zuzuhören“, „sprechen“, „gedeutet wurde“, zitiert; Bildgedicht „Apparate“, „Stimme“, „Strahlen“, „was der Bohatsch sagt“, „alleine sein“, „allein“, „nicht empfangen“, „unzählig“, „abschalten“, „Explosion“, „abstrakt“, „Strom ießt“

Niche nicke nein ihr seit der dicke Schweinestein!!! Julian (7)17.3.2013 Z23 Troll 27 First

99 C

7

Ich liebe dich

100 C

9

Beer trinken!! Smeeeckt!

Wird als bizarr und Korrespondiert mit beeindruck end wahrgenommen. Kunstbegriff des Entspricht dem Kunstbegriff des Besuchers/der Besucherin Besuchers/der Besucherin.

101 C

11

102 C

13

Z25

Es war cool Hir

Ich fands gut im Museom

103 C

15

T66

Radio ga ga!

Titel der Band Queen Radio Gaga Assoziation mit Titel der Band oder dem gleichnamigen Queen oder Roman der Jugendroman von Katrin Autorin K. Bongard Bongard (2005.

104 C

17

T67

Licht! AN

„Ich mache das Licht wieder an.“

105 C

19

Z26

106 C

25

Einzelne Worte aus dem Skript zitiert

Farben Papis sind schon

285

Anhang VI: Kategorienzuordnung der Textbeiträge

Anhang VI: Kategorienzuordnung der Textbeiträge Fall

Hauptkat. 1 Hören

Hauptkat. 2 Mediale Straktur

Hauptkat. 3 Politische Dimension

Hauptkat. 4 HörerInnen als ProduzentInnen

T01 T02

Stimme

T03

Wahrnehmung eigener Wahrnehmung

T04

Hörraum verdrängt dargestellten Raum

T05

Stimme

T06

Fixierung von Verbalsprache

T07

Hauptkat. 6 Einschätzung

Ambivalente Gefühle

Ambivalente Bewertung

Handlung nach Aufforderung

Kontrolle und Manipulation

Unbehagen

Lyrik

T08

Unbehagen

T09

T10

Hauptkat. 5 Gefühl

Negative Bewertung

Handlung nach Aufforderung Assoziation

T11

Negative Bewertung

T12

Lyrik

T13

Negative Bewertung

T14

Positive Bewertung

T15

Fixierung von Verbalsprache

T16

Wahrnehmung One – to–Many – Prinzip eigener Wahrnehmung

T17 T18

286

Lyrik

Ambivalente Bewertung Unbehagen Positive

Fall

Hauptkat. 1 Hören

Hauptkat. 2 Mediale Straktur

Hauptkat. 3 Politische Dimension

Hauptkat. 4 HörerInnen als ProduzentInnen

Hauptkat. 5 Gefühl

Hauptkat. 6 Einschätzung Bewertung

T19

T20 T21

Handlung nach Aufforderung

Verknüpfung zwischen Hörraum und dargestelltem Raum

Positive Bewertung

One – to–Many – Prinzip

Wahrnehmung eigener Wahrnehmung

Synchrones Hören

Handlungsmacht der HörerInnen

T22

Handlung nach Aufforderung

T23

Fixierung von Verbalsprache

T24

Fixierung von Verbalsprache

Handlungsmacht der HörerInnen

Handlung nach Aufforderung

T25 T26

Positive Bewertung Assoziation

T27

Lyrik

T28

Positive Bewertung

T29

Hörraum verdrängt dargestellten Raum

T30

Hörraum verdrängt dargestellten Raum

T31

Verknüpfung zwischen Hörraum und dargestelltem Raum

T32

Kontrolle und Manipulation

Ambivalente Bewertung

Lyrik

Negative Bewertung

287

Fall

Hauptkat. 1 Hören

T33

Assoziation

T34

Fixierung von Verbalsprache

T35

Verknüpfung zwischen Hörraum und dargestelltem Raum

Hauptkat. 2 Mediale Straktur

Hauptkat. 3 Politische Dimension

Hauptkat. 4 HörerInnen als ProduzentInnen

Hauptkat. 5 Gefühl

Lyrik

Handlung nach Aufforderung

T36

Kontrolle und Manipulation

T37

Verknüpfung zwischen Hörraum und dargestelltem Raum

T38

Hörraum verdrängt dargestellten Raum

T39

Wahrnehmung eigener Wahrnehmung

Kontrolle und Manipulation

T40

Verknüpfung zwischen Hörraum und dargestelltem Raum

Kontrolle und Manipulation

T41

Wahrnehmung eigener Wahrnehmung

T42

Fixierung von Verbalsprache

T43

Fixierung von Verbalsprache

Synchrones Hören

Positive Bewertung

Ambivalente Gefühle

Bildgedicht

Unbehagen

Behagen

Positive Bewertung

T45

288

Positive Bewertung

Ambivalente Gefühle

T44

T46

Hauptkat. 6 Einschätzung

Unbehagen Wahrnehmung eigener Wahrnehmung

Fall

Hauptkat. 1 Hören

Hauptkat. 2 Mediale Straktur

Hauptkat. 3 Politische Dimension

Hauptkat. 4 HörerInnen als ProduzentInnen

T47

Hauptkat. 5 Gefühl

Unbehagen

T48

Negative Bewertung

T49

Assoziation

T50

Assoziation

Lyrik Lyrik

T51 T52

Lyrik

Positive Bewertung

Assoziation

T53

Kunstbegriff

T54

Handlungsmacht der HörerInnen

T55

Kontrolle und Manipulation

T56

Positive Bewertung Lyrik

Wahrnehmung eigener Wahrnehmung

Behagen

T57 T58

Hauptkat. 6 Einschätzung

Behagen Wahrnehmung eigener Wahrnehmung

Behagen

T59

Behagen

T60

Fixierung von Verbalsprache

T61

Fixierung von Verbalsprache

Negative Bewertung

T62

Positive Bewertung

T63

Assoziation

T64

Fixierung von Verbalsprache

T65

Bildgedicht Kunstbegriff

T66

Assoziation

T67

Fixierung von Verbalsprache

289

Anhang VII: Kodiermanual 1. Hauptkategorie Hören 1.1 Unterkategorie Fixierung von Verbalsprache

Definition: Die Unterkategorie Fixierung von Verbalsprache umfasst die Verschriftlichung von Sätzen, Satzfragmenten und einzelnen prägnanten Worten aus der dokumentierten radiophonen Arbeit Nacht. Stimme. Zerstreuung. Kodierregel: Die Kriterien sind dann erfüllt, wenn es sich um eine schriftliche Fixierung von gesprochener Sprache aus der Arbeit Nacht. Stimme. Zerstreuung. ohne weitere Erläuterungen handelt. Einzelne Worte können ersetzt werden, d. h. nicht wörtlich mit dem gesprochenen Text übereinstimmen. Der Sinn darf sich hierdurch jedoch nicht verändern. Ankerbeispiel: „… Sterne und Stimme ohne Konsequenzen für die Volkswirtschaft: … Aber Stimme ist Geheimnis der Nacht. Stimme trifft auf Unbekanntes wird sie ausgestrahlt. Die Stimme ist überall die selbe aber sie klingt niemals gleich. Ich werde müde. Ich lege eine Platte auf … Sie werden das Stück kennen. 28. 04. 2013“ (T42) 1.2 Unterkategorie Wahrnehmung eigener Wahrnehmung

Definition: Beschrieben BesucherInnen, was während des Hörens der dokumentierten radiophonen Arbeit mit ihrer eigenen Wahrnehmung geschah, wird der Eintrag unter der Kategorie Wahrnehmung der eigenen Wahrnehmung registriert. Kodierregel: Berücksichtigt werden Einträge, die darauf schließen lassen, dass der Vorgang des Hörens selbst zu Bewusstsein gebracht, neue Aufmerksamkeit für Alltägliches geweckt, Konzentration ermöglicht bzw. eingefordert oder die Vorstellungskraft angeregt wurde. Werden konkrete Assoziationen, wie beispielsweise bildliche Vorstellungen benannt, wird der Eintrag unter die Kategorie Assoziation subsumiert. Wurden Aspekte zu Bewusstsein gebracht, die in Zusammenhang mit dem akustischen Phänomen Stimme stehen, so findet eine Zuordnung zu dieser Kategorie statt. Ankerbeispiel: „Die Fantasie geht an. A“ (T03) 1.3 Unterkategorie Verknüpfung zwischen Hörraum und dargestelltem Raum

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Definition: In die Unterkategorie Verknüpfung zwischen Hörraum und dargestelltem Raum fallen Darstellungen, die dokumentieren, dass BesucherInnen den Hörraum mit dem in der radiophonen Arbeit Nacht. Stimme. Zerstreuung. dargestellten Raum verglichen.

Kodierregel: Die Kriterien sind erfüllt, wenn der Eintrag zu erkennen gibt, dass der/die BesucherIn versuchte, das Gehörte mit seiner/ihrer aktuellen Situation in Einklang zu bringen. Werden Stimmen und/oder Geräusche im Hörraum als Störung beschrieben, wird der Eintrag unter der Kategorie Hörraum verdrängt dargestellten Raum registriert. Ankerbeispiel: „Das Fenster ließ sich leider nicht öffnen. Wo sind die Sterne?“ (T19) 1.4 Unterkategorie Hörraum verdrängt dargestellten Raum

Definition: Der Kategorie Hörraum verdrängt dargestellten Raum werden Beiträge zugeordnet, die darauf schließen lassen, dass Geräusche und Stimmen im Hörraum das Hören der Arbeit Nacht. Stimme. Zerstreuung. stark beeinträchtigten. Kodierregel: Die Kriterien sind erfüllt, wenn der Eintrag erkennen lässt, dass die Geräusche und Stimmen in der unmittelbaren Umgebung die Aufmerksamkeit des Besuchers/der Besucherin derart stark auf sich zogen, dass das Hören der dokumentierten radiophonen Arbeit nur mit Mühe gelang. Ankerbeispiel: „Bei den Geräuschen in der Umgebung fällt es sehr schwer, sich der Ruhe hinzugeben.“ (T04) 1.5 Unterkategorie Stimme

Definition: Unter die Kategorie Stimme werden Einträge subsumiert, in denen BesucherInnen sich mit dem akustischen Phänomen bzw. Zeichensystem Stimme auseinandersetzen. Kodierregel: Die Kriterien sind erfüllt, wenn Reflexionen zur Stimme vorliegen. Im Mittelpunkt können Überlegungen zur Stimme im Allgemeinen stehen, aber auch Gedanken, die ihren Ausgang bei der eigenen Stimme nehmen. Werden (nahezu) wörtlich Sätze, Satzfragmente oder einzelne prägnante Stichworte aus der radiophonen Arbeit zitiert, wird der Eintrag ausschließlich der Kategorie Fixierung von Verbalsprache zugewiesen. Schildern BesucherInnen konkrete Vorstellungen ausgehend von der Stimme des Sprechers, wird der Eintrag der Kategorie Assoziation zugeordnet. Werden Störungen durch andere Stimmen im Hörraum geschildert, so wird der Eintrag der Kategorie Hörraum verdrängt dargestellten Raum zugeordnet. Ankerbeispiel: „An der Grenze zur Schizophrenie? In der Vorstellung lassen sich Stimmen verdoppeln“ (T02) 1.6. Unterkategorie Assoziation

Definition: Eine Registrierung unter der Kategorie Assoziation erfolgt, wenn der Eintrag darauf schließen lässt, dass der/die BesucherIn eine Beschreibung eigener Vorstellungen vornahm, die aus der Wahrnehmung der Reinszenierung resultierten.

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Kodierregel: Die Bedingungen sind erfüllt, wenn eine gedankliche Verknüpfung genannt wird, die über die Reinszenierung selbst hinausgeht, d. h. Begriffe und Sachverhalte erwähnt werden, die sich in dieser Form nicht in der radiophonen Arbeit bzw. dem dinglichen Setting finden. Werden (nahezu) wörtlich Sätze, Satzfragmente oder einzelne prägnante Stichworte aus der radiophonen Arbeit zitiert, wird der Eintrag der Kategorie Fixierung von Verbalsprache zugewiesen. Ankerbeispiel: „älterer Herr, ca. 60? gebildet … evtl. aus dem Münchner Raum?“ (T10)

2. Hauptkategorie Mediale Struktur 2.1 Unterkategorie Synchrones Hören

Definition: Der Kategorie Synchrones Hören werden Einträge zugeordnet, die Explikationen von Gedanken und Fragen bezüglich des synchronen Hörens auf Grundlage des (analogen) Radios aufweisen. Kodierregel: Die Kriterien sind dann erfüllt, wenn sich der Eintrag auf das gleichzeitige Hören eines (potentiell unbegrenzt) großen Kreises von HörerInnen bzw. die synchrone Vervielfältigung akustischer Phänomene durch das Radio bezieht. Als mögliche Folgen können das Herstellen einer Verbindung bzw. ein Gefühl von Verbundenheit genannt werden. Werden (nahezu) wörtlich Sätze, Satzfragmente oder einzelne prägnante Stichworte aus der radiophonen Arbeit zitiert, wird der Eintrag ausschließlich der Kategorie Fixierung von Verbalsprache zugewiesen. Ankerbeispiel: „[…] mit der Welt verbunden ohne Masse Menschen. […]“ (T41) 2.2 Unterkategorie One-to-Many-Prinzip

Definition: Eine Registrierung unter der Kategorie One-to-ManyPrinzip erfolgt, wenn die Übermittlung von Botschaften einzelner TeilnehmerInnen an viele AdressatInnen, ohne dass letztere über dasselbe Medium kommunizieren können, thematisiert wird. Kodierregel: Die Kriterien sind dann erfüllt, wenn der Eintrag Erläuterungen zur einseitigen Kommunikation im Kontext des Rundfunks bzw. zu ihren Konsequenzen beinhaltet. Werden (nahezu) wörtlich Sätze, Satzfragmente oder einzelne prägnante Stichworte aus der radiophonen Arbeit zitiert, wird der Eintrag ausschließlich der Kategorie Fixierung von Verbalsprache zugewiesen. 292

Ankerbeispiel: „[…] ‚Trotzdem‘ machen all diese technischen Geräte einsam. Basta;-) Ich bin’s – trotz ‚Unterhaltung‘ und der Mann im Radio ist’s auch. Jetzt gerade. […]“ (T20)

3. Hauptkategorie Politische Dimension des Radios 3.1 Unterkategorie Handlungsmacht der HörerInnen

Definition: Der Unterkategorie Handlungsmacht der HörerInnen werden Einträge zugeordnet, in denen die Handlungsmöglichkeiten der HörerInnen thematisiert werden. Kodierregel: Diese Unterkategorie umfasst konkrete Äußerungen zur Aktivierung der Hörerschaft und zur demokratischen Nutzung des Mediums. Auch Ausführungen, welche die Wirksamkeit dieses Prinzip infrage stellen, werden unter dieser Kategorie registriert. Wird hingegen der Machtmissbrauch im Rahmen des Rundfunkund Mediensystems thematisiert, erfolgt eine Zuordnung zur Kategorie Kontrolle und Manipulation. Werden (nahezu) wörtlich Sätze, Satzfragmente oder einzelne prägnante Stichworte aus der radiophonen Arbeit zitiert, wird der Eintrag ausschließlich der Kategorie Fixierung von Verbalsprache zugewiesen. Ankerbeispiel: „[…] Uns, den Zuhörern wird bewusst gemacht, wieviel wir gemeinsam bewirken können und unsere Handlungen in jdm. auslösen kann. […]“ (T21) 3.2 Unterkategorie Kontrolle und Manipulation

Definition: Der Unterkategorie Kontrolle und Manipulation werden Einträge zugeordnet, die Erkenntnisse bezüglich des Radios als Instrument zur Kontrolle und Manipulation enthalten. Kodierregel: Eine Zuordnung erfolgt, wenn der Missbrauch des Mediums zur Ausübung von Macht, die ungewollte Beeinflussung eigenen Denkens und Handelns dargelegt werden. Enthält der Eintrag Reflexionen zur Möglichkeit der Nutzung des Mediums im Rahmen demokratischer Prozesse, wird dieser unter die Kategorie Handlungsmacht der HörerInnen subsumiert. Werden (nahezu) wörtlich Sätze, Satzfragmente oder einzelne prägnante Stichworte aus der radiophonen Arbeit zitiert, wird der Eintrag ausschließlich der Kategorie Fixierung von Verbalsprache zugewiesen. Ankerbeispiel: „[…] Habe kurz an mit selbst gezweifelt, ob ich die Wahrheit denke oder das Radio mir die Wahrheit diktiert. […]“ (T40)

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4. Hauptkategorie HörerInnen als ProduzentInnen 4.1 Unterkategorie Handlung nach Aufforderung

Definition: Eine Zuordnung zur Unterkategorie Handlung nach Aufforderung erfolgt, wenn der Eintrag zu erkennen gibt, dass BesucherInnen auf die Anweisungen des Sprechers der Arbeit Nacht. Stimme. Zerstreuung. reagierten. Kodierregel: Die Kriterien sind erfüllt, wenn der Eintrag die Beschreibung einer Handlung bzw. eines Handlungsversuchs in Reaktion auf die Aufforderung durch den Sprecher beinhaltet. Auch kann es sich hierbei um Antworten auf seine Fragen handeln. Werden (nahezu) wörtlich Sätze, Satzfragmente oder einzelne prägnante Stichworte aus der radiophonen Arbeit zitiert, wird der Eintrag ausschließlich der Unterkategorie Fixierung von Verbalsprache zugewiesen. Ankerbeispiel: „[…] ich schalte den Apparat ab […]“ (T24) 4.2 Unterkategorie Lyrik

Definition: Die Unterkategorie Lyrik umfasst Beiträge, die poetische Texte bzw. Textanteile aufweisen. Diese zeichnen sich durch eine relativ kurze Form und semantische Dichte aus. Kodierregel: Ein lyrischer Beitrag kann Wortspiele enthalten, die auf Polysemie, Paragramm und/oder Paronomasie von Worten bzw. Wortteilen basieren. Auch können Silbentrennungen bei bestimmten Worten vorgenommen worden sein, die eine Bedeutungsverschiebung bewirken. Der Beitrag kann, muss jedoch nicht auf prägnanten Worten der dokumentierten Arbeit Nacht. Stimme. Zerstreuung. basieren. Wurden die Worte derart gesetzt, dass ihr Umriss ein anderes Wort bzw. eine bestimmte Figur bildet, wird der Eintrag unter der Kategorie Bildgedicht registriert. Ankerbeispiel: „Das Küchenradio raunt im Wind über den lieblich geformten Zedernbäumen.“ (T12) 4.3 Unterkategorie Bildgedicht

Definition: Der Unterkategorie Bildgedicht werden Beiträge zugeordnet, deren Text auf verbaler und visueller Ebene Bedeutung entfaltet. Kodierregel: Die Kriterien sind erfüllt, wenn Wörter nicht, wie in der westlichen Schriftsprache üblich, von links nach rechts aneinandergereiht sind, sondern frei auf dem Blatt arrangiert wurden. Die Worte können dabei eine bestimmte Figur oder ein Schriftzeichen konturieren, d. h. ein Ideogramm bilden. Ankerbeispiel: siehe Abb. 11 (T39) 294

5. Hauptkategorie Gefühle 5.1 Unterkategorie Behagen

Definition: Eine Zuordnung zur Unterkategorie Behagen erfolgt, wenn BesucherInnen mit ihrem Eintrag über positive Gefühle berichten, welche die Reinszenierung bei ihnen auslöste. Kodierregel: Die Kriterien sind erfüllt, wenn die Gesamtaussage des Besucherbucheintrags darauf hindeutet, dass positive Gefühle hervorgerufen wurden. Es geht um konkrete Aussagen, die das Erleben von Entspannung, Gelassenheit, Beruhigung und Besinnung zum Ausdruck bringen. Wenn der Eintrag sowohl Behagen als auch Unbehagen zum Ausdruck bringt, wird dieser unter die Kategorie Ambivalente Gefühle subsumiert. Ankerbeispiel: „Man wird gezwungen zur Ruhe zu kommen. In einer so schnellen Welt wie der heutigen ist das eine schöne willkommene Abwechslung. […]“ (T57) 5.2 Unterkategorie Unbehagen

Definition: Unter die Kategorie Unbehagen werden Einträge subsumiert, in denen BesucherInnen über negative Gefühle berichten, welche die Reinszenierung bei ihnen auslöste. Kodierregel: Die Kriterien sind erfüllt, wenn die Gesamtaussage des Besucherbucheintrags darauf hindeutet, dass negative Gefühle hervorgerufen wurden. Es geht um konkrete Aussagen, die Unsicherheit, Überforderung, Erschrecken, das Erleben von Anspannung und/oder Angst zum Ausdruck bringen. Wenn der Eintrag sowohl Unbehagen als auch Behagen zum Ausdruck bringt, wird dieser unter die Kategorie Ambivalente Gefühle subsumiert. Ankerbeispiel: „Verwirrend, einsam und abschreckend. Wenn es das trifft. […]“ (T40) 5.3 Unterkategorie Ambivalente Gefühle

Definition: Die Unterkategorie Ambivalente Gefühle umfasst Einträge, die darauf schließen lassen, dass Behagen und Unbehagen ausgelöst wurden. Kodierregel: Die Kriterien sind erfüllt, wenn die Gesamtaussage des Besucherbucheintrags darauf hindeutet, dass sowohl positive Gefühle als auch negative Gefühle hervorgerufen wurden. Somit entspricht diese Kategorie einerseits der Kategorie Behagen, andererseits der Kategorie Unbehagen. Dominiert der Eindruck des Behagens oder Unbehagens, wird der Eintrag unter der entsprechenden Kategorie registriert. Ankerbeispiel: „[…] Im DRIN entspannend, im DRAUFBLICK erschreckend!“ (T39) 295

6. Hauptkategorie Einschätzung 6.1 Unterkategorie Kunstbegriff

Definition: Der Unterkategorie Kunstbegriff werden Einträge zugeordnet, die Aufschluss darüber geben, inwiefern die Reinszenierung mit dem Kunstbegriff des Besuchers/ der Besucherin vereinbar ist. Kodierregel: Unter diese Kategorie fallen sowohl Einträge, die auf eine Anerkennung als Kunst als auch solche, die auf die Nicht-Aktzeptanz als Kunst schließen lassen. Die Unterkategorie entspricht folglich zwei einander diametral gegenüberstehenden Beurteilungen. Ankerbeispiel: „[…] Das ist Kunst!“ (T65) 6.2 Unterkategorie Positive Bewertung

Definition: Eine Zuordnung zur Unterkategorie Positive Bewertung erfolgt, wenn der Eintrag eine positive Bewertung der Reinszenierung von Nacht. Stimme. Zerstreuung. als solcher oder einzelner Elemente beinhaltet. Kodierregel: Die Kriterien sind erfüllt, wenn die Gesamtaussage des Besucherbucheintrags darauf hindeutet, dass der/die AutorIn Interesse oder Gefallen an der Reinszenierung gefunden hat. Wenn der Eintrag sowohl eine positive als auch eine negative Bewertung enthält, wird dieser unter die Kategorie Ambivalente Bewertung subsumiert. Ankerbeispiel: „[…] gutes Skript, angenehmer Erzähler. […]“ (T14) 6.3 Unterkategorie Negative Bewertung

Definition: Eine Zuordnung zur Unterkategorie Negative Bewertung erfolgt, wenn der Eintrag eine negative Bewertung der Reinszenierung von Nacht. Stimme. Zerstreuung. als solcher oder einzelner Elemente beinhaltet. Kodierregel: Die Kriterien sind erfüllt, wenn die Gesamtaussage des Besucherbucheintrags darauf hindeutet, dass die Reinszenierung der Arbeit Nacht. Stimme. Zerstreuung. schlecht bewertet wurde. Wenn der Eintrag sowohl eine positive als auch eine negative Bewertung enthält, wird dieser unter die Kategorie Ambivalente Bewertung subsumiert. Ankerbeispiel: „[…] Schauspielschule 1. Semester?“ (T08)

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6.4 Unterkategorie Ambivalente Bewertung

Definition: Unter der Kategorie Ambivalente Bewertung werden Einträge registriert, sofern diese sowohl positive als auch negative Bewertungen der Reinszenierung von Nacht. Stimme. Zerstreuung. als solcher oder bestimmter Aspekte beinhalten. Kodierregel: Die Kriterien sind erfüllt, wenn der Eintrag sowohl Lob als auch Kritik enthält. Somit entspricht diese Kategorie einerseits der Unterkategorie Positive Bewertung, andererseits der Unterkategorie Negative Bewertung. Überwiegt der positive oder der negative Eindruck, werden die entsprechenden Kategorien kodiert, d. h. Positive Bewertung oder Negative Bewertung. Ankerbeispiel: „[…] Von der Stimme als Instrument zur Funktion des Radios – breite Spanne! Vielleicht zu breit. Trotzdem schöne Bewußtwerdung“ (T16)

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Anhang VIII: Zeichnungen aus den Besucherbüchern

Z01, Besucherbuch A, S. 8

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Z02, Besucherbuch A, S. 13

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Z03, Besucherbuch A, S. 16

300

Z04, Besucherbuch A, S. 19

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Z05, Besucherbuch A, S. 33

302

Z06, Besucherbuch A, S. 38

303

Z06, Besucherbuch A, S. 39

304

Z07, Besucherbuch A, S. 41

305

Z08, Besucherbuch A, S. 43

306

Z09, Besucherbuch A, S. 45

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Z10, Besucherbuch A, S. 47

308

Z11, Besucherbuch A, S. 50

309

Z12, Besucherbuch A, S. 81

310

Z13, Besucherbuch A, S. 87

311

Z14, Besucherbuch B, S. 6

312

Z14, Besucherbuch B, S. 7

313

Z15, Besucherbuch B, S. 9

314

Z16, Besucherbuch B, S. 13

315

Z17, Besucherbuch B, S. 15

316

Z18, Besucherbuch B, S. 16

317

Z19, Besucherbuch B, S. 20

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Z20, Besucherbuch B, S. 21

319

Z21, Besucherbuch B, S. 31

320

Z22, Besucherbuch B, S. 33

321

Z23, Besucherbuch B, S. 114

322

Z24, Besucherbuch C, S. 3

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Z25, Besucherbuch C, S. 13

324

Z26, Besucherbuch C, S. 19

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Anhang IX: Einzelanalysen der Zeichnungen

Z01, Besucherbuch A, S. 8 Verzierter Gruß, bleibt unberücksichtigt. Z02, Besucherbuch A, S 13 Verzierter Gruß, bleibt unberücksichtigt. Z03, Besucherbuch A, S. 16 Formulierende Interpretation: Auf Seite 16 des Besucherbuchs A sind Notenlinien mit Violinschlüssel und sechs ganzen Noten zu erkennen. Letztere entsprechen den Tönen dis1, g1, e1, c3, dis2 und cis2. Über der (Re-)Notation erscheinen zwei nicht zu entziffernde Worte, darunter „Wa Wa Wa Wa Wa“ und „Mäh!“. Rechts neben den Notenlinien steht der Satz „Das Küchenradio raunt über den lieblich geformten Zedernbäumen.“. Reflektierende Interpretation: Die Notation und der Text erstrecken sich ausschließlich über die obere Bildhälfte. Der Text umgibt die grafische Fixierung der Musik auf drei Seiten. Im Vergleich zur Schrift wirkt die Notation relativ gleichmäßig. Zur Visualisierung von Ton wurde keine individuelle Notation erdacht, vielmehr greift der/die BildproduzentIn auf das allgemein verständliche westliche Notensystems zurück. Die Wortfragmente „Wa Wa Wa Wa Wa“ könnten als Hinweis darauf gewertet werden, dass es ein Refrain wiedergegeben wird. Auszuschließen ist, dass es sich um eine Renotation des einzigen Musikstücks der Arbeit Nacht. Stimme. Zerstreuung., Transmission von Joy Division, handelt. Vorstellbar ist hingegen, dass die Notation als allgemeines Symbol für Musik fungiert oder veranschaulicht, was das genannte „Küchenradio“ wiedergibt. Damit könnte die Notation als Illustration des Textes betrachtet werden Eine deutliche Ähnlichkeit besteht zur Zeichnung Z18, die ebenfalls auf dem westlichen Notensystem basiert. Typenbildung: Notation Z04, Besucherbuch A, S. 19 Formulierende Interpretation: Im Mittelpunkt dieser Zeichnung steht die Darstellung eines überlebensgroßen Ohrs, das durch Haare gerahmt wird.

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Reflektierende Interpretation: Die Zeichnung erstreckt sich ausgehend von der linken Unterkante bis hin zur linken und rechten Oberkante des Blatts. Sie nimmt insgesamt

etwa ¾ der Blattfläche ein. An jene Linie, welche die Umrisslinie der äußeren Ohrmuschel bildet, schließt nahezu unmittelbar eine weitere Linie an. Zusammen bilden beide Linien eine Diagonale, die vom unteren linken bis zum oberen rechten Blattrand verläuft, die Zeichnung von der restlichen freien Fläche des Blatts trennt. Die obere diagonale Linie, die letztlich mit einer Rundung am rechten oberen Blattrand abschließt, bildet den Rahmen für einzelne verschlungene Linien, die das Kopfhaar darstellen und bezeichnet auf diese Weise die Umrisslinie eines Hinterkopfes. Das Gesicht ist nicht dargestellt, es würde auf der linken Seite außerhalb des Blatts liegen, womit es sich bei der Zeichnung um die Darstellung eines linken Ohrs handelt. Während das Haar durch schnelle, gewundene Linien angedeutet wird, ist das Ohr sehr viel differenzierter dargestellt: als geschlossene, amorphe Form mit variierenden Schraffuren, welche die Ohrmuschel modellieren, sie räumlich erscheinen lassen. Die Linien, die sich als Haar interpretieren lassen, sind gleichzeitig als Kritzel aufzufassen. Diese erscheinen dynamisch bewegt, teils sehr rhythmisch und weisen zahlreiche Überschneidungen auf. Alleine die detaillierte Darstellung des Ohrs legt eine Deutung dieser Linien als Haar nahe. Mit der Darstellung des Ohrs wird auf jenen Sinn verwiesen, der dafür sorgt, dass akustische Phänomene, beispielsweise auch Radiokunst, wahrgenommen werden. Der/Die BildproduzentIn thematisiert mit der Zeichnung die (eigene) Sinneswahrnehmung. Die Zeichnung erscheint wie eine Verbildlichung der Redewendung „Ganz Ohr sein“. Zwei weitere Zeichnungen, die das Motiv „Ohr“ aufweisen, befinden sich in Besucherbuch A auf Seite 50 sowie in Besucherbuch C auf Seite 19. Typenbildung: Darstellung der akustischen Wahrnehmung, Kritzel Z05, Besucherbuch A, S. 33 Formulierende Interpretation: Unregelmäßige gezackte und spiralförmige Linien sowie die stilisierte Darstellung eines Halbmonds mit drei Sternen unterbrechen den folgenden Text: „Freie Entscheidung, gibt’s die? Freie Assoziation. Hören ~ Gehorchen? Stimme V Situation Nacht LIVE Radio Radio Wer???“ Reflektierende Interpretation: Auf fünf Zeilen Text („Freie Entscheidung, gibt’s die? Freie Assoziation. Hören ~ Gehorchen? Stimme V Situation Nacht LIVE“), die ihren Ausgang am oberen linken Bildrand nehmen, erfolgt eine Unterbrechung

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durch rhythmische Zeichenspuren. Diese erstrecken sich ebenfalls in waagerechter Ausrichtung über das Blatt. In der nächsten Zeile folgen die Worte „Radio Radio“, an die sich weitere Zeichenspuren anschließen. Diese setzen sich bis etwa zur vertikalen Mitte des Blatts fort, werden in der letzten Zeile von der Frage „Wer???“ durchbrochen. Bild und Text bilden eine unauflösliche Einheit. Der Wechsel von Schreib- zu Druckschrift mit der Hervorhebung des Worts „LIVE“ sowie der Übergang der Buchstaben in die Zeichnung betonen die Fragmenthaftigkeit des Textes. Mond und Sterne sind als Illustration des Worts „Nacht“ zu verstehen, das unmittelbar über der Zeichnung im Text erscheint. Text und Symbole stellen eindeutige Belege dafür dar, dass der/die UrheberIn mit dem Beitrag auf die akustische Ebene der Reinszenierung reagiert. Die gezackten und spiralförmig verlaufenden Linien erinnern an die grafische Darstellung von Vorgängen in Abhängigkeit von der Zeit, beispielsweise an ein Seismogramm. Sie könnten Radiowellen symbolisieren oder als Renotation des auditiv Wahrgenommenen, z. B. von Rhythmus und Tonhöhe fungieren. Eine entfernte Ähnlichkeit besteht zu den Zeichnungen Z03 und Z18, die allerdings auf dem westlichen Notensystem basieren und keinen klaren Bezug zur radiophonen Arbeit erkennen lassen. Typenbildung: Wiedergabe und Deutung der radiophonen Arbeit, Kritzel, Notation Z06, Besucherbuch A, S. 38–39 Formulierende Interpretation: Über die Doppelseite 38/39 des Besucherbuchs A erstrecken sich unregelmäßige Kritzel. Der beigefügte Text klärt darüber auf, dass es sich um die zeichnerischen Spuren eines Kleinkinds, „Eleni“ im Alter von 1 Jahr und 8 Monaten handelt. Reflektierende Interpretation: Auf der linken Seite (Seite 38 in Besucherbuch A) gehen die Kritzel auf dynamisch-einkreisende Bewegungen zurück, auf der rechten Seite (Seite 39 in Besucherbuch A) lassen sie eher vorsichtig-tastende Bewegungen erkennen. Die Mutter bedankt sich im kommentierenden Text bei den MitarbeiterInnen des Museums dafür, dass ihr Kind in das Buch zeichnen konnte, während sie die Arbeit hörte. Es handelt sich, neben der Zeichnung Z01, vermutlich um die einzige Zeichnung bzw. Kombination aus Zeichnung und Text, die von zwei Personen gemeinsam angefertigt wurde und die damit als Spur ihrer Interaktion betrachtet werden kann. Typenbildung: Kritzel 328

Z07, Besucherbuch A, S. 41 Selbstdarstellung ohne Bezug zur Reinszenierung, bleibt unberücksichtigt Z08, Besucherbuch A, S. 43 Formulierende Interpretation: Auf Seite 43 in Besucherbuch A sind die stilisierte Darstellung eines Hauses sowie eine abstrakte Zeichnung zu erkennen, die durch die Frage „Spinnt das Radio oder wir?“ ergänzt werden. Reflektierende Interpretation: Der erste Bildgegenstand, der nahezu mittig auf dem Blatt erscheint, ist als stark vereinfachte, parallelperspektivische Darstellung eines Hauses zu identifizieren. Auf diese deutet ein Pfeil, der senkrecht in der Mitte des Blatts verläuft und seinen Ausgang am Wort „wir“ der Frage „Spinnt das Radio oder wir?“ nimmt. Bei der zweiten Zeichnung auf dem Blatt handelt es sich um ein kleinteiliges Muster, das Kreise und Spiralen innerhalb klarer, floral anmutender Konturen aufweist. Die räumliche Nähe der unterschiedlichen Darstellungen kann als Indiz dafür gewertet werden, dass beide von einem/einer BesucherIn stammen. Die starre lineare Darstellung des Hauses und das wuchernde organische Gebilde stehen in Kontrast zueinander und könnten als Illustration jener Dualität betrachtet werden, die durch die Frage „Spinnt das Radio oder wir?“ zum Ausdruck gebracht wird. Während die amorphe Struktur als Sinnbild für das „spinnende Radio“ zu verstehen wäre, könnte das Haus, durch den Pfeil mit dem Wort „wir“ verbunden, für einen normalen, geregelten Zustand stehen. Alleine durch den Text kann ein Bezug zum Medium Radio hergestellt werden. Typenbildung: Formelhafte Zeichnung, Darstellung des Radios Z09, Besucherbuch A, S. 45 Vulgäre bzw. provokative Zeichnung, bleibt unberücksichtigt. Z10, Besucherbuch A, S. 47 Formulierende Interpretation: Bei Zeichnung A47 handelt es sich um die stilisierte Darstellung eines Fisches mit Auge, Mund, Schuppen und Schwanzflosse. Als gewissermaßen überraschendes Detail trägt der Fisch eine Antenne auf dem Rücken. Die Darstellung ist mit den Worten „radio fish“ betitelt. Reflektierende Interpretation: Der Fisch wurde in der oberen Bildhälfte platziert. Die durch wellenförmige Linien angedeuteten Schuppen stechen durch ihren ornamentalformelhaften Charakter hervor. Die Antenne wird durch eine senkrechte

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Linie dargestellt, deren kugelförmiges Ende von kurzen Strichen umgeben ist. Da keine Richtung angedeutet ist, ist nicht klar zu erkennen, ob der Fisch sendet und/oder empfängt. Der/Die BildproduzentIn bringt mit dieser Zeichnung eigene Gedanken und Assoziationen zum Ausdruck, bezieht sich auf das Medium Radio, aber nicht unmittelbar auf die Reinszenierung von Nacht. Stimme. Zerstreuung. Typenbildung: Darstellung des Radios, Formelhafte Zeichnung Z11, Besucherbuch A, S. 50 Formulierende Interpretation: Im Vordergrund sind Kopf und Oberkörper einer Gestalt im Profil zu erkennen, die aufgrund der Kleidung, einem Jackett mit Krawatte, menschlich anmutet. Der „Kopf“ ist als großes Ohr dargestellt, aus dem Nase und Auge herausgebildet sind, während der Mund fehlt. Im Hintergrund deutet eine einfache waagerechte Linie den Horizont an, vor dem sich eine Figur bestehend aus Mund und (Sende-)Mast abzeichnet. Reflektierende Interpretation:

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Die Zeichnung füllt das Blatt nahezu gänzlich aus. In der unteren Bildhälfte dominieren auf der linken Seite die leicht unebene Horizontlinie, auf der rechten Seite die langgezogenen, diagonalen Linien, welche die Umrisse des Körpers (bzw. der Bekleidung) der menschlich anmutenden Gestalt markieren. Diese stehen in einem gewissen Kontrast zur kleinteiligen Figur im Hintergrund. Die obere Bildhälfte ist vor allem der eiförmigen Umrisslinie mit zackenförmiger Ausbuchtung sowie amorphen Binnenlinien vorbehalten, die das Ohr mit Nase und Auge andeuten. Ein Bemühen um Räumlichkeit lassen nicht nur die diagonalen Linien, die den Körper formen, erkennen, sondern auch Schraffuren, die das Innere des Ohrs modellieren. Neben dem relativ stark ausformulierten „Kopf“ der einen Gestalt (Ohr mit Nase und Auge) sticht der Mund der anderen Gestalt als Ikon besonders stark hervor. Die beiden Gestalten sind räumlich getrennt und kommunizieren nicht sichtbar miteinander. Auge und Ohr der einen Gestalt sowie der Mund der anderen sind auf den/die BetrachterIn der Zeichnung ausgerichtet. Bei der Zeichnung kann es sich um eine Interpretation des Teils der radiophonen Arbeit Nacht. Stimme. Zerstreuung. handeln, in dem Hören und Gehorchen thematisiert werden oder eine Verbildlichung des One-to-Many-Prinzips des Mediums Radio im Allgemeinen. Die HörerInnen sind (Ge-)Horchende mit Sinnesorganen, die der Rezeption dienen, aber ohne Mund und damit ohne Stimme. In räumlicher Distanz erhebt sich das Radio, symbolisiert durch den Mund, als Distributionsapparat, der über keinerlei Rezeptoren verfügt – und somit nicht auf die HörerInnen zu reagieren vermag.

Thematisch weist diese Zeichnung Parallelen zu den Zeichnungen Z04 und Z26 auf, bei denen es sich ebenfalls um die Darstellungen von Ohren bzw. von Ohren und Mund handelt. Typenbildung: Darstellung des Radios, Darstellung der akustischen Wahrnehmung, Wiedergabe und Deutung der radiophonen Arbeit Z12, Besucherbuch A, S. 81 Formulierende Interpretation: Die Zeichnung zeigt den Fuß einer Lampe inklusive Stromkabel, deren Oberfläche die unmittelbare Umgebung spiegelt. Letztere wird nur angedeutet, nicht im Detail ausformuliert. Reflektierende Interpretation: Die mit zartem Strich ausgeführte Zeichnung nimmt ausschließlich das obere linke Viertel des Blatts ein. Zwei parallel geführte S-förmige Linien am linken Blattrand enden in einem kleinen Kreis, der mit einer birnenförmigen Umrisslinie verbunden ist. An letztere schließt sich am oberen Blattrand ein waagerecht gelagerter, konvexer Bogen an, der die obere Blattkante schneidet. Innerhalb der birnenförmigen Umrisslinie sind ein Kreis sowie einige gebogene, vor allem vertikale Linien gesetzt. Es handelt sich um eine Darstellung des Fußes jener Lampe, die Bestandteil des dinglichen Settings der Reinszenierung von Nacht. Stimme. Zerstreuung. war. Während der Lampenfuß komplett dargestellt ist, sind nur ein kleines Stück des Stromkabels und des Lampenschirms erkennbar. Hinweise auf die räumliche Umgebung geben die Spiegelungen auf der Oberfläche des Lampenfußes. Deutlich zu erkennen ist das geteilte Fenster (Rahmen mit Fensterkreuz) des Ausstellungsraums. Ob mit dem Kreis innerhalb der Umrisslinien der Kopf des Bildproduzenten/ der Bildproduzentin angedeutet ist, bleibt unklar. Im Wesentlichen handelt es sich um eine konzentrierte Darstellung der unmittelbaren Umgebung des Bildproduzenten/der Bildproduzentin. Auch die Zeichnungen Z13 und Z16 geben das dingliche Setting wieder, wobei der Ausschnitt in beiden Fällen sehr viel größer gewählt worden. Somit handelt es sich um die einzige naturalistisch anmutende Zeichnung, die ein bestimmtes Detail des dinglichen Settings fokussiert. Typenbildung: Ansicht des dinglichen Settings Z13, Besucherbuch A, S. 87 Formulierende Interpretation: Im Vordergrund dominiert die Darstellung einer Hand, die ein Buch mit Abbildung umfasst. In unmittelbarer Nähe zu Hand und Buch sind die Worte bzw. Abkürzungen „VOMIT HEAT“ sowie „JAKOB WICH R.I.P“

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platziert. Im Hintergrund der Zeichnung ist ein kleiner rechteckiger Tisch mit Lampe und Radiogerät, ergänzt um die Worte „ICH“, HIER“ und „JETZT“, zu erkennen. Reflektierende Interpretation:

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Die einzelnen Elemente der formatfüllenden Zeichnung weisen gleichmäßig ausgeführte Umrisslinien, mitunter Schraffuren auf. Zwei Bildmittelpunkte ‚konkurrieren‘ um die Aufmerksamkeit des Betrachters/ der Betrachterin: die Selbstdarstellung des/der Zeichnenden im unteren Bereich und die von ihm/ihr dargestellte unbelebte Szene im oberen Bereich des Blatts. Über die gesamte Bildfläche ist ein Raster gezeichnet, welches das Blatt in relativ gleichmäßige Quadrate unterteilt. Das untere Bilddrittel wird eher durch unregelmäßige Formen bestimmt: Eine Linie, die gleichzeitig als Umriss für die Lehne einer Sitzgelegenheit und eines Ärmels fungiert und ein rechteckiges Element, das Skizzenbuch. Verbunden sind beide Bereiche durch die amorphe Form einer Hand. Innerhalb der Umrisslinien des Skizzenbuchs erscheinen miniaturhaft und angedeutet, als Bild im Bild, die Darstellungsgegenstände der oberen Bildhälfte. Eine kurze schräge Linie erstreckt sich vom Skizzenblock bis zu den Worten „JAKOB WICH R.I.P.“, die vertikal am rechten Blattrand arrangiert sind. Der Beistelltisch in der oberen Bildhälfte zeichnet sich durch klare Linien aus. Seine Vorderkante verläuft parallel zu Unter- und Oberkante, die Umrisslinien der Tischbeine zu den Seitenkanten des Blatts. Das Radiogerät ist durch Binnenzeichnung und die Worte „FREQUENZ“ und „GRUNDIG“ relativ präzise dargestellt. Die Worte „ICH“, „HIER“ und „JETZT“ sind unmittelbar über Lampe und Radio am oberen Blattrand platziert. Eine deutliche kurze Linie verbindet den Buchstaben „R“ des Worts „HIER“ mit dem Radioapparat. Die Darstellungen von Tisch, Radiogerät und Lampe lassen ein Bemühen um perspektivische Wiedergabe erkennen und sind in Aufsicht dargestellt. Die Linien, welche die Seitenkanten von Tischplatte und Teppich andeuten, streben einem Fluchtpunkt zu, der sich vertikal mittig knapp über der oberen Blattkante lokalisieren lässt. Eine Schraffur unter der Vorderkante des Tischs deutet Schatten an und sorgt dafür, dass die Position des Tischs im Raum gefestigt erscheint. Die Darstellung einer Hand im unteren Bildbereich verrät die Anwesenheit eines Menschen. Sie lässt jedoch keine näheren Schlüsse auf die zeichnende Person zu. Als einziger Hinweis auf seine/ihre Identität erscheinen die Worte „VOMIT HEAT“ auf dem Ärmel, aus dem die Hand ragt. Die Worte könnten darauf hindeuten, dass der/die BildproduzentIn mit einem gleichnamigen Künstler/einer Künstlerin (z. B. einem Musiker/ einer Musikerin oder einer Musikgruppe) dieses Namens sympathisiert. Ebenso könnte es sich um sein/ihr eigenes Pseudonym handeln. Der/Die BesucherIn nimmt sowohl Bezug auf das Sichtbare als auch auf das Hörbare. Er/Sie stellt sich selbst im Wahrnehmen, d. h. im Sehen und Hören und im Produzieren, d. h. im Zeichnen dar. Der durch den Bild-

rand angeschnittene Unterarm mit Hand und Zeichenblock erscheint so nah, dass der/die BetrachterIn sich mit dem/der Zeichnenden identifizieren kann. Eine Identifikation vermag insbesondere dann einzutreten, wenn die Zeichnung in situ betrachtet wird. Einer solchen Wirkung steht jedoch das Gitterraster entgegen, das derart über die Bildgegenstände gelegt ist, dass der Eindruck entsteht, die Szene werde durch ein geteiltes Fenster beobachtet. Typenbildung: Ansicht des dinglichen Settings, Wiedergabe und Deutung der radiophonen Arbeit, Selbstdarstellung Z14, Besucherbuch B, S. 6-7 Formulierende Interpretation: Zwei Stichmännchen mit Gedankenblasen sind auf jeweils einer Seite dargestellt worden, wodurch sich die Zeichnung über eine Doppelseite des Besucherbuchs B erstreckt. Dem Strichmännchen auf der linken Seite fehlt der Rumpf. Die Linien, die Arme und Beine darstellen sind verhältnismäßig lang und treffen sich an der Unterseite des Kreises, der den Kopf darstellt. Auch der Mund dieses Strichmännchens ist durch einen Kreis dargestellt, die Augen zeichnen sich durch eine naturalistischere Formgebung aus und sind mit Brauen versehen. Das Strichmännchen auf der rechten Seite weist einen nahezu rechteckigen Rumpf, lange Beine und sehr kurze Arme auf. Die gekrümmte Linie, die den Mund andeutet, lässt ein Lächeln erkennen. Die Augen sind kreisrund und heben sich damit von jenen des anderen Strichmännchens ab. Drei Striche auf der oberen Seite des Kopfes deuten das Haar an. Über beiden Strichmännchen erscheinen Gedankenblasen, in denen jeweils ein stilisiertes Radio dargestellt ist. Diese sind in der Art der Darstellung einander sehr ähnlich. Den einzigen Unterschied bilden zwei Fragezeichen in der rechten Gedankenblase. Reflektierende Interpretation: Die Strichmännchen sind jeweils etwa mittig auf den Seiten platziert. Die Gedankenblase auf der linken Seite ‚schwebt‘ fast mittig über der Gestalt. Auf der rechten Seite erscheint die Gedankenblase links über dem Strichmännchen. Während die Gestaltung der Strichmännchen voneinander abweicht, ist ein Bemühen um eine ähnliche Anordnung der Kombination von Gestalt und Gedankenblase deutlich zu erkennen. Ohne, dass die Strichmännchen miteinander kommunizieren – es handelt sich, wie an kleinen Kreisen unterhalb der Blasen deutlich wird um Gedankenblasen – denken beide an das Gleiche. Das (Medium) Radio dominiert ihre Gedanken. Typenbildung: Darstellung des Radios 333

Z15, Besucherbuch B, S. 9 Formulierende Interpretation: Über dem Text „MACHT. MASSEN. MEDIEN. MENSCHEN. MANIPULATIONEN.“ erscheinen 15 Sterne, die sich aus kurzen, in einem Punkt überschneidenden Strichen zusammensetzen. Gemeinsam bilden die einzelnen Sternsymbole einen Sternenhimmel. Reflektierende Interpretation: Die oberen zwei Drittel des Blatts sind 15 regelmäßig gesetzten, ornamental-formelhaft gestalteten Sternen vorbehalten. Das untere Bilddrittel wird von den Worten „MACHT. MASSEN. MEDIEN. MENSCHEN. MANIPULATIONEN.“ eingenommen. Der Text bringt deutlich zum Ausdruck, dass der/die BesucherIn unmittelbar an den Inhalt der radiophonen Arbeit Nacht. Stimme. Zerstreuung. anknüpft. Hier dienen die Sterne der Veranschaulichung von Aussagen zum Prinzip der zerstreuten Rezeptionssituation des Radios. Die Sternsymbole illustrieren gleichermaßen die radiophone Arbeit und den Text auf der Besucherbuchseite (T55). Auf gleiche Weise werden Sterne in Zeichnung Z05 dargestellt. Typenbildung: Wiedergabe und Deutung der radiophonen Arbeit Z16, Besucherbuch B, S. 13 Formulierende Interpretation: Seite 13 in Besucher B ist einer Zeichnung vorbehalten, die einen kleinen Beistelltisch mit Lampe und Radiogerät zeigt. Darüber wurde folgender Text platziert: „Runterkommen + Entspannung Konzentration auf das Gesagte führt zur Entspannung. 2/3 13 W. S.“. Reflektierende Interpretation:

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Der Text nimmt das obere Drittel des Blatts ein, die Tischplatte mit Radio (inklusive Antenne) und Lampe das mittlere Drittel. Das untere Bilddrittel bleibt frei von Zeichnung und Text. Der Tisch scheint im Raum zu schweben, auf die Darstellung des Fußbodens sowie weiterer Gegenstände oder Personen im Hintergrund verzichtete der/die BildproduzentIn. Radio und Lampe sind streng nebeneinander auf der Tischplatte arrangiert. Die oberen und unteren Kanten des Geräts verlaufen parallel zu vorderer und hinterer Kante des Tischs und zur oberen und unteren Blattkante. Die dominierenden vertikalen Linien stellen die Umrisse der Antenne dar, die das rechte vertikale Bilddrittel abgrenzen. Der weiche und zarte Strich und die eher strikte geometrische Einteilung (horizontale und vertikale Teilung

in Bilddrittel) stehen in Kontrast zueinander. Ein Bemühen um perspektivische Wiedergabe weisen sowohl die Darstellung des Tischs als auch der Lampe und des Radiogeräts auf. Diese werden in Aufsicht wiedergegeben. Auffällig präzise fällt die Darstellung des Radiogeräts aus: einige Binnenlinien lassen die Frequenzanzeige und die Knöpfe zur Bedienung erkennen, das Wort „Grundig“ sorgt für eine nähere Charakterisierung des Apparats. Der Lampenschirm weist einige parallele Linie auf, die für ein Muster stehen können oder alleine der plastischen Modellierung dieses Details dienen sollen. Die Nähe von Zeichnung und Text – die Antenne des Radios ragt zwischen den Initialen „W“ und „S“ empor – deutet darauf hin, dass beide Elemente von demselben/derselben BesucherIn stammen. Die Zeichnung ist als Wiedergabe des dinglichen Settings der Reinszenierung von Nacht. Stimme. Zerstreuung. zu erkennen. Die Art der perspektivischen Darstellung lässt vermuten, dass er/sie sich auf dem Sessel niederließ, Tisch mit Lampe und Radio aus diesem Blickwinkel wiedergibt. Der zarte, tastende Strich der Zeichnung deutet darauf hin, dass diese mehr oder weniger unbewusst angefertigt wurde. Der Prozess des Zeichnens könnte das im Text beschriebene „Runterkommen und Entspannen“ unterstützt haben bzw. könnte sich ein solcher Zustand in der Zeichnung niederschlagen. Die Reflexion über die Wirkung der Reinszenierung auf den Bildproduzenten/die Bildproduzentin kommt in erster Linie durch den Text zum Tragen, weniger durch die Zeichnung. Thematisch ähnelt die Zeichnung anderen Darstellungen des dinglichen Settings, d. h. Z12 und Z13. Typenbildung: Ansicht des dinglichen Settings, Wiedergabe und Deutung der radiophonen Arbeit Z17, Besucherbuch B, S. 15 Formulierende Interpretation: Auf Seite 15 in Besucherbuch B ist eine abstrakte Zeichnung zu erkennen, die sich im Wesentlichen aus Kreisen und Rechtecken zusammensetzt. Unter der Zeichnung am rechten unteren Bildrand erscheint folgende Kombination aus Buchstaben und Zahlen: „5five5five5“. Reflektierende Interpretation: In der unteren Blatthälfte, horizontal mittig ist ein Rechteck platziert, dessen Fläche durch mehrere Bögen, waagerechte und senkrechte Linien derart unterteilt ist, dass unterschiedliche geometrische Figuren entstehen. Außerhalb der Konturen des Rechtecks, von seiner linken oberen Ecke bis zur rechten und linken Ecke des Blatts erstrecken sich zahlreiche Kreise unterschiedlicher Größe. Diese füllen die obere

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Bildhälfte nahezu gänzlich aus, stehen im Kontrast zur eckigen Form im unteren Bildbereich. Teilweise überschneiden sich die Kreise, wodurch ein gewisser Eindruck von Räumlichkeit erzeugt wird. Sämtliche Linien der Zeichnung wurden sehr kräftig ausgeführt und noch einmal nachgezogen. Möglicherweise bezieht sich die Zeichnung auf das Medium Radio. Es könnte sich um die symbolische Darstellung der Ausbreitung von Schallwellen oder des in der Arbeit thematisierten Phänomens der Zerstreuung handeln. Die Korrelation zwischen der Buchstaben-ZahlenKombination „5five5five5five“ und der Zeichnung bleibt unklar. Möglicherweise stellt diese eine Signatur dar. Typenbildung: Formelhafte Zeichnung Z18, Besucherbuch B, S. 16 Formulierende Interpretation: Auf Seite 16 in Besucherbuch B erscheint ein einzelner Akkord. Fünf ganze Noten (leerer Notenkopf ohne Hals und Fähnchen) sind übereinander angeordnet. Notenlinien, Hilfslinien und Bassschlüssel ermöglichen eine Identifizierung der Töne als A1, E, G, dis und f1. Auffällig ist, dass der Bassschlüssel nur unvollständig gezeichnet wurde, ihm die beiden Punkte oberhalb und unterhalb der vierten Linie von oben fehlen. Unter der Notation erscheinen drei Buchstaben oder Zahlen, die sich nur mit Mühe entziffern lassen. Es könnte sich um eine „8“, ein „r“ und ein „b“ handeln. Reflektierende Interpretation: Die kurzen Notenlinien mit Bassschlüssel, Hilfslinien, Akkord und Fermate (Ruhezeichen) sind am oberen Rand, horizontal nahezu mittig auf dem Blatt arrangiert. Der Akkord könnte Teil eines bekannten Stücks oder einer selbst erdachten Komposition des Besuchers/der Besucherin sein. Die Fermate erlaubt es potentiellen InterpretInnen, den Akkord nach Belieben zu halten. Die Töne könnten untermalend eingesetzt werden. Möglich ist jedoch auch, dass der Akkord als Symbol für Musik im Allgemeinen fungiert. Die radiophone Arbeit Nacht. Stimme. Zerstreuung. beinhaltet als einziges Musikstück Transmission von Joy Division, das einen solchen Akkord jedoch nicht enthält. Eine weitere grafische Fixierung von Musik, die ebenfalls auf dem westlichen Notensystem basiert, weist Seite 16 in Besucherbuch A auf. Typenbildung: Notation

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Z19, Besucherbuch B, S. 20 Formulierende Interpretation: Der Großteil von Seite 20 des Besucherbuchs B wird durch das Wort „Nacht“ eingenommen. Umschlossen wird das etwa mittig auf die Fläche gesetzte Wort von einer unregelmäßigen, am ehesten ovalen Kontur. Oberhalb dieser Umrisslinie steht das sehr viel kleiner geschriebene Wort „dunkelheit“. Eine kurze, diagonale Linie stellt eine Verbindung zwischen den Worten „Nacht“ und „dunkelheit“ her. Reflektierende Interpretation: Auffällig erscheint nicht nur die einfache Gestaltung, sondern auch, dass das Blatt horizontal eingesetzt wird. Die Worte können als eindeutiges Zeichen dafür gewertet werden, dass der/die BesucherIn die radiophone Arbeit gehört hat. Wörtlich ist zwar nicht von „Dunkelheit“ die Rede, jedoch spricht Bohatsch mehrfach das Wort „dunkel“ aus. Da der Sprecher jedoch an keiner Stelle die Worte „Nacht“ und „dunkel“ kombiniert, kann es bei der Verbindung von grafischen Elemente und Text auch um die Veranschaulichung der eigenen Assoziation (Dunkelheit) gehen, die durch die Erwähnung der nächtlichen Uhrzeit in der radiophonen Arbeit ausgelöst wird. Möglicherweise deutet die Kontur mit der angefügten kurzen Linie ein Radiogerät an. Typenbildung: Darstellung des Radios, Wiedergabe und Deutung der radiophonen Arbeit Z20, Besucherbuch B, S. 21 Illustrierter Gruß, bleibt unberücksichtigt. Z21, Besucherbuch B, S. 31 Formulierende Interpretation: Bei Zeichnung B31 handelt es sich um eine stilisierte Blüte mit vier Blütenblättern und einem Laubblatt, die von einzelnen Strichen umgeben ist. Die Worte „Die Blume des Licht“ über der Zeichnung geben Anlass zur Vermutung, dass die kurzen Linien außerhalb der Konturen der Blüte Lichtstrahlen symbolisieren. Reflektierende Interpretation: Die Zeichnung wurde in der oberen Bildhälfte, horizontal mittig auf dem Blatt platziert. Die Worte „die Blume des Licht“ prangen wie ein Titel über der Blüte am oberen Bildrand. Die Zeichnung weist strenge, symmetrische Formen auf, lässt kein Bemühen um eine naturalistische Wiedergabe und/oder Plastizität erkennen. 337

Ausschließlich der Begriff „Licht“ ließe sich unmittelbar mit der radiophonen Arbeit in Verbindung bringen, da dieser relativ häufig von Bohatsch erwähnt wird. Typenbildung: Formelhafte Zeichnung Z22, Besucherbuch B, S. 33 Formulierende Interpretation: Zeichnung B33 weist einzelne kurze Striche auf, die konzentrisch um den gedachten, aber nicht näher gekennzeichneten Bildmittelpunkt arrangiert sind, unregelmäßig in die Peripherie ausstrahlen. Am oberen Blattrand sind die Worte „Das Gelicht“ sowie etwas höher das Wort(-fragment) „Ibo“ zu erkennen. Reflektierende Interpretation: Die Länge der Striche ist unterschiedlich, doch die Strichstärke variiert kaum. Nur wenige Striche überschneiden sich, vielmehr bestehen deutliche Zwischenräume. Ähnlich wie bei der vorherigen Zeichnung in Besucherbuch B (Seite 31) findet der Begriff „Licht“ Erwähnung, wodurch eine Deutung der kurzen Striche als Lichtstrahlen naheliegend erscheint. Auch bei dieser Zeichnung stellt das Wort „Licht“ den einzigen Hinweis darauf dar, dass der/die BildproduzentIn sich auf die radiophone Arbeit Nacht. Stimme. Zerstreuung. beziehen könnte. Typenbildung: Kritzel Z23, Besucherbuch B, S.114 Formulierende Interpretation: Auf Seite 114 in Besucherbuch B ist eine abstrakte, floral anmutende Zeichnung zu erkennen. Reflektierende Interpretation: Die Zeichnung wurde in der linken oberen Ecke des Blatts platziert. Durch die Wiederholung ähnlicher Elemente, senkrechter leicht gekrümmter Linien, die am oberen und unteren Ende in Schnörkeln enden, entfaltet die Darstellung eine ornamentale Wirkung. Eine Kontur in Form einer gleichmäßig schraffierten flächenhaften Kurve fasst die schnörkelhaften Elemente auf der rechten Seite ein. Auf der linken Seite fehlt dieser Rahmen, fast so, als sei der Zeichenvorgang abrupt unterbrochen worden. Formal bestehen Ähnlichkeiten zu Zeichnung Z08, die ebenfalls ein organisch-wucherndes Gebilde zeigt. Typenbildung: Kritzel 338

Z24, Besucherbuch C, S. 3 Landschaftsdarstellung mit Widmung, bleibt unberücksichtigt. Z25, Besucherbuch C, S. 13 Illustrierte Bewertung, Bezug unklar, bleibt unberücksichtigt. Z26, Besucherbuch C, S. 19 Formulierende Interpretation: Die Zeichnung setzt sich im Wesentlichen aus drei stilisierten Elementen zusammen: dem Ausschnitt eines Gesichts, einer waagerecht verlaufenden, durchkreuzten Mauer sowie einem Ohr. Reflektierende Interpretation: Auf der rechten Seite des oberen Blattrands deutet eine bogenförmige Linie den Umriss eines Gesichts an. Rechts daneben sind drei kurze Striche gesetzt, von denen die beiden horizontal ausgerichteten für die Augen, der vertikale Strich für eine Nase stehen könnten. Der Mund ist differenzierter dargestellt, weist Ober- und Unterlippe auf. Die Mundwinkel sind nach oben gezogen, wodurch der Eindruck entsteht, ein Lächeln würde den Mund umspielen. Überschnitten werden die Umrisslinien des Munds von der Kontur eines länglichen, wolkenförmigen Gebildes, das in Richtung des darunterliegenden Bildgegenstands, der Mauer verläuft. Möglicherweise handelt es sich hierbei um die Andeutung von Sprechen bzw. Gesprochenem. Darunter ist eine Vielzahl von kleineren, aneinandergereihten Rechtecken angedeutet, die sich in vier übereinander angeordneten Reihen vom linken bis rechten Bildrand erstrecken. Bei den meisten Rechtecken wurde jeweils nur die rechte und die obere Kante gezeichnet. Durch ihre abgerundeten Ecken, ihre unregelmäßige Form und Größe wirken sie so, als seien sie sehr flüchtig gezeichnet worden. Die sich x-förmig überkreuzenden Linien, welche die „Mauer“ überschneiden, sind dagegen sehr gerade ausgeführt, wie mit dem Lineal gezogen. Die untere Bildhälfte ist alleine einer amorphen Figur, vorbehalten, die als Ohr zu erkennen ist. Insgesamt vermittelt die Zeichnung den Eindruck als sei sie rasch ausgeführt worden. Die Linien wirken verhältnismäßig zart und gleichmäßig. Sämtliche Darstellungsgegenstände zeichnen sich durch den Verzicht auf Binnenlinien und Schraffuren aus. Möglich wäre, dass die Zeichnung als Ausdruck für missglückte Kommunikation im Allgemeinen steht bzw. für den Wunsch, ein Verständnis zwischen sprechender und hörender Person zu erzielen, die „Mauer“ zwischen ihnen zu beseitigen. Auch wäre vorstellbar, dass die Zeichnung Inhalte der radiophonen Arbeit Nacht. Stimme. Zerstreuung. veranschaulicht. Der/Die BildproduzentIn könnte mit seiner/ihrer Zeichnung die Separierung von Hören und Sprechen, die einseitige Kommunikation im Kontext des Radios thematisieren. Das Durchstreichen der Mauer

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wäre in diesem Fall als das Überwinden von Grenzen des Rundfunksystems, des One-to-Many-Prinzips zu verstehen. Thematisch weist die Zeichnung Parallelen zu den Zeichnungen Z04 und Z11 auf. Typenbildung: Darstellung der akustischen Wahrnehmung, Darstellung des Radios, Wiedergabe und Deutung der radiophonen Arbeit

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Bisher erschienene Bände

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Schriftenreihe für Künstlerpublikationen Volume 1, 2004 Buch | Medien | Fotografie Sigrid Schade, Anne Thurmann-Jajes (eds.) Published in German and English ISBN 3-89770-223-1 Schriftenreihe für Künstlerpublikationen Volume 2, 2009 Artists’ Publications – Ein Genre und seine Erschließung Sigrid Schade, Anne Thurmann-Jajes (eds.) Published in German and English ISBN 978-3-89770-291-2 Schriftenreihe für Künstlerpublikationen Volume 3, 2006 Sound Art – Zwischen Avantgarde und Popkultur Anne Thurmann-Jajes, Sabine Breitsameter, Winfried Pauleit (eds.) Published in German and English ISBN 3-89770-259-2 Schriftenreihe für Künstlerpublikationen Volume 4, 2008 Archive für Künstlerpublikationen der 1960er bis 1980er Jahre Isabelle Schwarz ISBN 978-3-89770-281-3

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Schriftenreihe für Künstlerpublikationen Volume 5, 2008 Topologie und Funktionsweise des Netzwerks der Mail Art – Seine spezifische Bedeutung für Osteuropa von 1960 bis 1989 Kornelia Röder ISBN 978-3-89770-280-6 Schriftenreihe für Künstlerpublikationen Volume 6, 2012 Künstler als Wissenschaftler, Kunsthistoriker und Schriftsteller Michael Glasmeier (ed.) ISBN 978-3-89770-331-5 Schriftenreihe für Künstlerpublikationen Volume 7, 2012 Poesie – Konkret Poetry – Concrete Anne Thurmann-Jajes (ed.) Published in German and English ISBN 978-3-928761-93-2 Schriftenreihe für Künstlerpublikationen Volume 8, 2019 Radio as Art – Concepts, Spaces, Practices Anne Thurmann-Jajes | Ursula Frohne | Jee-Hae Kim | Maria Peters Franziska Rauh | Sarah Rothe (eds.) Published in English ISBN 978-3-8376-3617-8