Kult bei der Arena: Nemesis-Heiligtümer im Kontext römischer Amphitheater 9781407312460, 9781407342153

The book looks at the worship of the goddess Nemesis within the context of the Roman ludi and offers the first entire co

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Kult bei der Arena: Nemesis-Heiligtümer im Kontext römischer Amphitheater
 9781407312460, 9781407342153

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Inhaltsverzeichnis
Vorwort
Summary
1. EINLEITUNG
2. AMPHITHEATER UND MUNERA: SINNBILDER RÖMISCHER KULTUR
3. NEMESIS – DEFINITION UND IKONOGRAPHIE
4. NEMESIS-HEILIGTÜMER IM KONTEXT VONAMPHITHEATERN
5. FAZIT
6. LITERATURVERZEICHNIS
7. ABBILDUNGSVERZEICHNIS
8. KATALOG
9. Abbildungsteil

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BAR S2615 2014

Kult bei der Arena Nemesis-Heiligtümer im Kontext römischer Amphitheater

WITTENBERG

Tim Wittenberg

KULT BEI DER ARENA

B A R

BAR International Series 2615 2014

Kult bei der Arena Nemesis-Heiligtümer im Kontext römischer Amphitheater

Tim Wittenberg

BAR International Series 2615 2014

ISBN 9781407312460 paperback ISBN 9781407342153 e-format DOI https://doi.org/10.30861/9781407312460 A catalogue record for this book is available from the British Library

BAR

PUBLISHING

Inhaltsverzeichnis VORWORT ................................................................................................................................................................. iii SUMMARY................................................................................................................................................................. iv 1.

EINLEITUNG .................................................................................................................................................. 1

2.

AMPHITHEATER UND MUNERA: SINNBILDER RÖMISCHER KULTUR............................................ 4 2.1. ARCHITEKTURGESCHICHTE UND KONSTRUKTIVE MERKMALE .................................................................... 5 2.2. AMPHITHEATER ALS SOZIO-POLITISCHE KRISTALLISATIONSPUNKTE .......................................................... 7 2.3. AMPHITHEATER ALS RELIGIÖSE BAUTEN .................................................................................................... 8 2.4. ZUSAMMENFASSEND ZUR BEDEUTUNG DER AMPHITHEATER .................................................................... 10

3.

NEMESIS – DEFINITION UND IKONOGRAPHIE ................................................................................... 11 3.1. URSPRÜNGE UND ENTWICKLUNG DES KULTES.......................................................................................... 11 Nemesis in Rhamnous ............................................................................................................................. 12 Nemesis in Smyrna .................................................................................................................................. 13 Nemesis in Ägypten................................................................................................................................. 14 3.2. ZUSAMMENFASSEND ZUR IKONOGRAPHIE DER NEMESIS........................................................................... 16 3.3. NEMESIS IM KONTEXT VON AMPHITHEATERN........................................................................................... 18

4.

NEMESISHEILIGTÜMER IM KONTEXT VON AMPHITHEATERN ..................................................... 22 4.1. SACELLA INNERHALB DER AMPHITHEATER ............................................................................................... 23 Virunum/Maria Saal ................................................................................................................................ 24 Lage, Architektur und Ausstattung innliegender sacella ......................................................................... 30 Schlussfolgerungen .................................................................................................................................. 31 4.2. SACELLA IM BEREICH DER HAUPTKORRIDORE .......................................................................................... 32 Italica/Santiponce .................................................................................................................................... 33 Lage, Architektur und Ausstattung der sacella im Korridor ................................................................... 37 Schlussfolgerungen .................................................................................................................................. 40 4.3. SACELLA IN DER UMGEBUNG DES AMPHITHEATERS ................................................................................. 41 Carnuntum/Bad Deutsch-Altenburg ........................................................................................................ 41 Lage, Architektur und Ausstattung der außenliegenden sacella.............................................................. 45 Schlussfolgerungen .................................................................................................................................. 49 4.4. AMPHITHEATER MIT NICHT ZUWEISBAREN SACELLA ................................................................................. 50 Aquincum/Budapest ................................................................................................................................ 50 Iol Caesarea/Cherchel .............................................................................................................................. 52 Gortyna/Haghia Deka .............................................................................................................................. 52 Isca Silurum/Caerleon ............................................................................................................................. 53 i

KULT BEI DER ARENA. NEMESIS-HEILIGTÜMER IM KONTEXT RÖMISCHER AMPHITHEATER

Salona/Solin ............................................................................................................................................. 55 Segusium/Susa ......................................................................................................................................... 57 Venafrum/Venafro ................................................................................................................................... 58 5.

FAZIT ............................................................................................................................................................. 59

6.

LITERATURVERZEICHNIS ........................................................................................................................ 63

7.

ABBILDUNGSVERZEICHNIS .................................................................................................................... 73

8.

KATALOG ..................................................................................................................................................... 75

9.

ABBILDUNGSTEIL ...................................................................................................................................... 97

ii

Vorwort Die vorliegende Untersuchung ist die leicht überarbeitete Fassung meiner Magisterarbeit, die im Wintersemester 2012 vom Institut für Klassische Archäologie an der Philosophischen Fakultät der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg angenommen wurde. Die Idee zu dieser Arbeit entstand im Rahmen einer Exkursion entlang des römischen Donaulimes, in deren Verlauf zahlreiche Diskussionen mit meinem späteren Betreuer Prof. R. Stupperich sowie Dr. R. Petrovszky und D. Langhauser mein Interesse an der Göttin Nemesis und ihren Heiligtümern stetig wachsen ließ. Im Folgenden möchte ich all jenen meine Dankbarkeit aussprechen, ohne deren vielfältige Unterstützung das Projekt nicht dergestalt zu Ende gebracht worden wäre. Mein erster Dank gilt meinen beiden Betreuern Prof. R. Stupperich und PD Dr. C. Maderna, die neben vielen anderen Verpflichtungen durch stete Hilfsbereitschaft und großes Engagement in vielen Diskussionen zum guten Gelingen der Arbeit beitrugen. Herzlichst gedankt sei weiterhin Prof. C. S. Sommer für zahlreiche Anregungen und großmütige Offenheit. Ohne seine freundliche Vermittlung hätte die Arbeit nicht in

vorliegender Form erscheinen können. In diesem Zusammenhang danke ich ebenfalls Dr. D. Davison für die keinesfalls selbstverständliche Aufnahme einer Magisterarbeit in die Reihe der British Archaeological Reports. Wertvolle Anstöße verdanke ich zudem meinen Heidelberger Kommilitonen. Die kritische Lektüre einzelner Passagen des Manuskripts sowie zahlreiche abendliche Diskussionen ließen sie stets mit stoischer Gelassenheit und hilfreichen Anregungen über sich ergehen. Mein Dank gilt hier besonders Johannes Fouquet, Katharina Bolle, Fanny Opdenhoff und Daniel Langhauser. Von unschätzbarem Wert war schließlich auch die Hilfe meiner lieben Korrekturleser und -leserinnen. Für ihr aufopferndes Engagement möchte ich hier vor allem Polly Lohmann, Gabriel Meyer, Claudia Widow und Maximilian Palm meinen herzlichsten Dank aussprechen. Meinen Eltern, die mein gesamtes Studium interessiert begleitet und mich immer auf jedwede Art und Weise unterstützt haben, gilt mein abschließender Dank. Tim Wittenberg Heidelberg, November 2013

iii

KULT BEI DER ARENA. NEMESIS-HEILIGTÜMER IM KONTEXT RÖMISCHER AMPHITHEATER

Summary The present paper deals with the worship of the goddess Nemesis within the context of the Roman ludi and offers the first entire collection and analysis of all known archaeological finds and findings that connect the cult of Nemesis with Roman amphitheatres. Several central aspects of the ancient games are thus emphasized: The political and religious dimension of the events as well as the significance and localization of its most representative goddess: Nemesis. In contrast to recent studies about the goddess and her worship, like the works by Hornum and Tradler that merely aimed for compiling all known representations, written sources and inscriptions, this paper sets out to give also a profound contextual analysis. By clarifying the original context of all iconographic and architectural evidences it shows that the cult of Nemesis played an important role within the complex system of the ludi and the political structure of the roman society. To manage this complex approach, the essay has been organised in the following way: the first part deals with political, social and religious aspects of the Roman games as well as with the architectural development of its venue, the amphitheatres. The subsequent chapter gives a comprehensive analysis of the intrinsic characteristics and of the iconographical changes of Nemesis representations. Finally, the third and main part addresses all verifiable cult places of the goddess Nemesis within the context of amphitheatres. In order to expose the religious dimension of the Roman ludi, the first part concludes with three main issues: first, the striking connection of the venues with sites of emperor worship and other religious focal points. Second, the importance of the initial pompa, that aimed for the presentation of the conducted effort and the ostension of the gods carried along. Finally, the ritual separation between the arena and the outside – an important evidence to the meaning and localization of Nemesis in the amphitheatre. The second part concludes with a comparative study of the representations of Nemesis occurring in the amphitheatre. It shows that Nemesis

appears there in three types, which reflect three different intrinsic characteristics of the goddess: She was worshipped as the ‘triumphant Nemesis’ who brought victory and guaranteed public order and was therefore depicted in a extremly representative form, derived from the imperial iconography. Secondly and thirdly, she appears much more emphatic and referring in a more complex way to the semantics of the games in the form of ‘Nemesis-Dike’ and ‘Nemesis-Diana’. While the former highlights the punitive aspect of justice, the latter exposes the relation to hunting and to the tensions between the poles of the arena and the outside world as well as the related concepts for the overcoming of death. Representing the triumphalism of Romanitas as well as hunting, revenge and death, Nemesis fitted perfectly into the ambivalent world of the amphitheatre. In the last chapter, the examination of the original contexts of findings related to Nemesis shows that at least 21 amphitheatres out of nearly 220 known can be positively linked to Nemesis. Again, three different types of architectural solutions can be distinguished: first, the ‘arena-sacella’, so called because of its direct connection to the arena, second, the ‘corridor-sacella’, sanctuaries situated within one of the main gates, and third ‘external sacella’, sanctuaries that are located outside the amphitheatres and are thus structures independent from the classical architecture of the amphitheatres. On this basis several new results for the above mentioned role of the goddess Nemesis in the Roman world can be attested: The number of at least 21 verifiable cult places and their elaborate décor as well as the long-running cult and donor practice prove an explicit meaning of the goddess within the amphitheatres. The relative distribution of the sanctuaries mainly in the politically turbulent border provinces of the empire, together with the powerpolitical function of the games and the allocation of fair punishment symbolized by Nemesis can be considered as a response to the politically unstable situation. Thus the goddess can be attributed with a figurative meaning for the demonstration and restoration of the Roman claim for justice – presented in the amphitheatre, the place where the most complete cross-section of the Roman society came together.

iv

1. EINLEITUNG 1.

EINLEITUNG

Omnium daemonum templum1 – als solchen betrachtete schon Tertullian in seinem Werk de spectaculis im 2. Jh. n. Chr. das Amphitheater. Bei aller antiheidnischen Polemik Tertullians2, scheinen die Amphitheater jedoch tatsächlich Orte aller Dämonen gewesen zu sein. Vor dem Hintergrund der blutigen Gladiatorenspiele und Tierhetzen bietet sich in diversen bildlichen, literarischen und epigraphischen Quellen nämlich das Bild eines ganzen Pantheons unterschiedlicher chthonischer Gottheiten, die in der Arena präsent gemacht werden3. Dementsprechend existiert auch im architektonischen Ensemble der Amphitheater ein Ort, an dem die Verehrung der Gottheiten und diverse Opferrituale ausgeübt werden konnten. Viele Amphitheater weisen ein eigens hierfür vorgesehenes kleines Heiligtum (sacellum) auf, das in direktem Zusammenhang mit der Arena steht4. Bei aller religiösen Vielfalt in der Arena scheint eine Gottheit jedoch stets zu überwiegen: Ein Gros der mit Amphitheatern in Verbindung stehenden Heiligtümer, Votivstiftungen und Inschriften bezieht sich auf die Göttin Nemesis. Sie soll die Hauptgöttin im Zusammenhang mit dem römischen ludus sein. Seit Anton v. Premerstein dies im ausgehenden 19. Jh. erstmals formuliert hat5, haben zahlreiche Aufsätze und Monographien explizit oder implizit ihre Bedeutung und ihr Wirken in der Arena zum Thema. Michael B. Hornum widmete diesem Phänomen mit seiner 1993 erschienenen Dissertation »Nemesis, the Roman State and the Games«6 eine ausführliche Studie. Darin legte er den bislang umfassendsten Katalog literarischer und epigraphischer Quellen zum Nemesiskult vor. Des Weiteren hat Giuseppina Legrottaglie jüngst eine Untersuchung der Bilderwelten in römischen Amphitheatern veröffentlicht, in der sie der Nemesis und insbesondere auch den sacella eigene Kapitel widmete 7 . Zahlreiche Publikationen betrachten das Thema meist entweder aus einem dezidiert althistorischen Blickwinkel oder beschreiben die sacella völlig losgelöst von dem jeweiligen archäologischen Kontext. Sie arbeiten die Bedeutung der Nemesis im Kontext der insgesamt mit den Spielen in Verbindung stehenden Rituale8 sowie die Bedeutung, die Nemesis für den Kaiser, dessen Legitimation und Herrschaftsanspruch besitzt 9 , heraus, untersuchen einzelne ikonographische

Phänomene10 oder beschäftigen sich im Speziellen mit dem Nemesiskult in einzelnen Provinzen11. Jedoch hat keine Arbeit bisher versucht alle konkreten Beispiele zusammenzuführen und sich dabei explizit den sacella zu widmen. Dabei wäre gerade eine Untersuchung aller mit Heiligtümern zusammenhängenden den kleinen Teilaspekte interessant, also eine Interpretation der Präsenz dieser sacella im Amphitheater unter funktionalen Gesichtspunkten. Unter Einbeziehung des archäologischen Kontextes, der ikonographischen Tradition, der rituellen Bedeutung und des machtpolitischen Anspruchs, soll dies nun in der vorliegenden Arbeit geleistet werden. Trotz des bereits erwähnten breiten Spektrums der im Amphitheater präsenten Gottheiten, ist eine Beschränkung auf die Heiligtümer der Nemesis dabei durchaus sinnvoll; ist für sie doch – im Kontrast zur Armut an literarischen Quellen zum Nemesis-Kult im Amphitheater 12 – die breiteste archäologische Materialgrundlage geboten. Um einer umfassenden Interpretation der Nemesis-sacella im Allgemeinen und ihren funktionalen Aspekten im Besonderen gerecht zu werden, bedarf es zunächst einer grundlegenden Betrachtung und Einordnung der Bedeutung des Amphitheaters als Bauwerk im urbanen Kontext römischer Städte sowie einer eingehenden Analyse der Ursprünge und der Entwicklung des Nemesis-Kultes im griechischen wie römischen Kulturkreis. Das zweite Kapitel gibt einen zusammenfassenden Überblick über die verschiedenen funktionalen Aspekte der Amphitheater und über die Bedeutung der Spiele. Aus der mittlerweile kaum mehr zu überblickenden Literatur zu diesem Bautypus und den darin abgehaltenen Veranstaltungen ist vor allem Jean-Claude Golvins monumentales Werk »L’amphithéâtre romain« 13 zu nennen. Golvin schuf damit eine umfassende Materialgrundlage, auf der jede weitere Forschung zum Amphitheater aufbauen kann. Schon zuvor legte Monique Clavel-Lévêque mit »L’empire en jeux« den Grundstein für das Verständnis der symbolischen und sozialen Bedeutung der römsichen ludi14. Jüngst hat Egon Flaig die komplexe Erscheinung der Spiele sowie ihren

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Foucher 1974, 187–194; Foucher 1994, 230–237. Für Hispanien s. García y Bellido 1960. Für die Balkan-DonauProvinzen zusammenfassend Bouley 1990, zuletzt Pastor 2010. Für Ägypten vor allem Lichocka 2004. Für Syrien Seyrig 1932 sowie zuletzt Bru 2008. 12 Tatsächlich existiert nur eine einzige literarische Quelle, die Nemesis mit den Spielen im Amphitheater verbindet. In der spätantiken Kaiserbiographie Historia Augusta (SHA Max. Balb. 8, 5–7) wird berichtet, dass vor einem Feldzug munera zu Ehren der Nemesis veranstaltet werden. 13 Golvin 1988 hat alle ihm damals bekannten Amphitheater aufgenommen und mit kaum genug zu würdigendem Fleiß für fast alle auch einen Plan vorgelegt. Seine Typologisierung brachte wichtige Erkenntnisse zur Entwicklungsgeschichte und Konstruktionsweise der Amphitheater. Daneben ist auch David L. Bomgardners »The History of the Roman Amphitheater« (Bomgardner 2000) inzwischen ein Standardwerk zu diesem Thema. Zur Entwicklungsgeschichte zuletzt auch Welch 2007. 14 Clavel-Lévêque 1984. 11

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Tert. spect. 12, 7. Vgl. hierzu Unruh 2000, 77 und zuletzt Hufschmid 2009, 272. Zu nennen wären etwa Mosaike (z. B. das berühmte Magerius-Mosaik aus Thysdrus, Gabucci – Coarelli 1999, 66), Wandmalereien (z. B die Dekoration der Podiumsmauer im Amphitheater von Pompeji, Pompeji 1995, 105–111; dazu jüngst Hufschmid 2009, 259–266), tabellae defixionum (zu den Trierer Fluchtafeln etwa Wünsch 1911,1–13 mit Taf. I–III) sowie diverse Votivreliefs und -statuen (u. a. Le Glay 1990, 218– 219). 4 Obwohl keinerlei Schriftquellen zu derartigen Opferritualen existieren, belegen Altarfunde, tabellae defixionum oder Brandspuren, dass hier religiöse Handlungen stattfanden. 5 Premerstein 1894. 6 Hornum 1993. 7 Legrottaglie 2008, 98-110. 143–149. 8 Vgl. allgemein Hornum 1993, besonders 78–89. s. a. Foucher 1974. 9 Simon 1995, 119–130. 2 3

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KULT BEI DER ARENA. NEMESIS-HEILIGTÜMER IM KONTEXT RÖMISCHER AMPHITHEATER rituellen Charakter herausgearbeitet15. Und die umfangreiche sowie beispielhafte Dissertation von Thomas Hufschmid zum »Amphitheatrum in Provincia et Italia« ist schließlich in vielerlei Hinsicht erstmals der Frage nach funktionalen Aspekten sowie dem Zusammenhang der Bedeutung der Spiele mit der Architektur der Amphitheater gewidmet16. In Kapitel 2 wird also eine knappe Architekturgeschichte die Entwicklung der Amphitheater von einer einfachen Holzarchitektur hin zu monumentalen Steinbauten beleuchten. Hierbei sind Golvins Typologisierung der Amphitheater in verschiedene Konstruktionsgruppen und die Überlegungen Katherine E. Welchs zur Genese der Amphitheater-Architektur von grundlegender Bedeutung. Im nächsten Abschnitt soll das Amphitheater als sozialpolitischer Kristallisationspunkt betrachtet werden. Georges Villes Analysen zur voll besetzten cavea, die als Abbild der hierarchischen Struktur der römischen Gesellschaft fungieren kann 17, und die Bedeutung der Spiele als Ausdruck kaiserlicher Allmacht und als integrativer Bestandteil römischer Imperialpolitik müssen hier diskutiert werden. Die Zurschaustellung von Verbrechern und Gefangenen, das Abhalten öffentlicher Strafgerichte sowie der in der cavea gegebene Raum für Standesbekundungen sind weitere Aspekte, die im Amphitheater auch regulative Sozialprozesse sichtbar werden lassen. Ein abschließender Schwerpunkt liegt auf einer Betrachtung der religiösen Bedeutung der Amphitheater. Die leider selten erhaltene Bildausstattung soll von der Präsenz verschiedener Gottheiten zeugen, die Arena wurde vielfach als ein verklärter Ort zwischen Diesseits und Jenseits betrachtet18, und das Amphitheater selbst ist manchmal Teil städtischer Sakralkomplexe. Kapitel 3 widmet sich den Ursprüngen und der Entwicklung des Nemesis-Kultes sowie ihrer Ikonographie. Mit der Geschichte des Nemesis-Kultes befasste sich erstmalig Bernhard Schweitzer in seinem Aufsatz »dea nemesis regina« aus dem Jahr 1931 19 , der trotz streckenweise übertriebenen Pathos eine erschöpfende Betrachtung des Themas bietet. Mit der Vorstellung der drei großen, überregionalen Nemesis-Heiligtümer griechisch-hellenistischer Zeit wird eine Betrachtung der ursprünglichen Nemesis-Verehrung im griechischen Kulturkreis vorangestellt. Das noch aus klassischer Zeit stammende, überregionale attische Heiligtum am mythischen Geburtsort der Göttin in Rhamnous, der Kult der doppelten Nemesis von Smyrna sowie der wohl in hellenistischer Zeit entstandene und weitreichenden Einfluss entwickelnde Kultort in Alexandria werden paradigmatisch präsentiert und deren Bedeutung für die ikonographische Entwicklung der Nemesis diskutiert. 15

Er stellt in seinen Untersuchungen vor allem die Verbindung ritueller und politischer Handlungsräume in den Vordergrund. Vgl. Flaig 2007, 83–90; Flaig 2003, 232–260. 16 Hufschmid 2009. Mancherlei Anstöße und Ideen hieraus werden im Folgenden aufgegriffen und diskutiert. 17 Ville 1981, 456. 18 Hufschmid 2009, 274. 19 Schweitzer 1931.

Hierbei ist wieder Hornums Dissertation über die Nemesis hilfreich, findet sich im Anhang doch eine detaillierte Auflistung bekannter Darstellungen der Nemesis, gegliedert nach ikonographischen Typen und Attributen. Ein ähnlicher Katalog, mit nahezu allen damals bekannten Darstellungen der Nemesis und einem ausführlichen Kommentar zur ikonographischen Entwicklung verschiedener Nemesis-Typen, ergänzt durch einen Exkurs zur »Nemesis a Roma e nelle provincie occidentali«, erschien kurz zuvor im VI. Teilband des Lexicon Iconographicum Mythologicae Classicae20. Aufgrund der inzwischen unüberschaubaren Zahl erhaltener Nemesis-Darstellungen und deren Verteilung auf vielfältige Gattungen21 kann hier lediglich ein kurzer Überblick über die erhaltenen Werke geboten werden. Zusammenfassend legt das anschließende Kapitel das Hauptaugenmerk auf die Ikonographie der Nemesis im römischen Kontext, bevor eine Betrachtung der Nemesisdarstellungen im Kontext der Amphitheater den ikonographischen Teil abschließt. Interessant ist ein scheinbarer chronologischer Hiatus in der ikonographischen Überlieferung. Darstellungen aus griechischhellenistischer Zeit sind hinlänglich bekannt, die Verehrung und damit auch Darstellung der Nemesis in den sacella der Amphitheater erreichte ihre Blüte jedoch erst im zweiten und dritten nachchristlichen Jahrhundert. Darstellungen aus dem ersten vor- bis ersten nachchristlichen Jahrhundert sind hingegen seltener. Die Wesenseigenschaften und Attribute der Göttin werden auf jene Voraussetzungen hin untersucht, die eine NemesisVerehrung auch im agonalen Kontext erklären können. Dafür ist es sinnvoll, kongruent zur Untersuchung der Amphitheater und der Spiele, die Bedeutung der Göttin für politische und soziale Prozesse herauszuarbeiten, um aus möglichen Überschneidungspunkten eine kohärente Darstellung zu entwickeln, weshalb der Göttin im römischen Spielewesen eine derart dominierende Rolle zukam. Neben Schweitzer geben hier vor allem die einschlägigen Werke zum Nemesis-Kult von von Premerstein und Hans Volkmann22 bis hin zu Hornum Aufschluss. Die Analyse aller bekannten, klassischen Amphitheaterbauten ergab dabei die Anzahl von 21 vermeintlich oder tatsächlich kontextualisierbaren Nemesis-sacella, deren Untersuchung in Kapitel 4 den umfangreichen Hauptteil der Arbeit bildet. Ausgenommen davon sind klassische Theaterbauten, die v.a. im griechischen Osten häufig für die Ausrichtung von venationes oder munera herangezogen, bzw. gar umgebaut wurden23. Da Theater als auf 20

LIMC VI 1 (1992), 733–770 s. v. Nemesis (P. Karanastassi – F. Rausa). 21 Zu nennen wären hier Kameen, Gemmen, Reliefs, Rundplastiken und Malerei. 22 Volkmann 1928. Volkmann 1934. 23 Hornum 1993 nennt elf Theaterbauten, bei denen epigraphische Funde eine Verbindung zu Nemesis bezeugen und die alle in griechischem Einflussgebiet liegen: Salamis (Hornum 1993, Kat.Nr. 46), Athen (Hornum 1993, Kat.-Nr. 71.72), Philippi (Hornum 1993, Kat.-Nr. 84–86), Thasos (Hornum 1993, Kat.-Nr. 105.107.108), Gerasa (Hornum 1993, Kat.-Nr. 157.158), Stobi (Hornum 1993, Kat.Nr. 161.162), Ephesos (Hornum 1993, Kat.-Nr. 239), Milet (Hornum

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1. EINLEITUNG einen bestimmten Fokus konzentrierte Spielstätten mit einer fest kanonisierten architektonischen Struktur – im Gegensatz zu der an einer Langachse ausgerichteten Handlungsrichtung der klassischen Amphitheater – völlig andere Voraussetzungen für die Disposition der sacella boten, wird hier auf eine zusätzliche Analyse dieser Bauten, auch aufgrund des begrenzten Umfangs der Arbeit, verzichtet. Die Auswahl der 21 Beispiele erfolgte aufgrund eindeutiger epigraphischer oder bildlicher Hinweise auf Nemesis: Nur wenn solche auch im direkten Kontext eines Amphitheaters gegeben sind, wird das Heiligtum in den Katalog mit aufgenommen. Da die Amphitheater als große, meist leicht zu identifizierende Monumentalbauten in vielen Fällen schon sehr früh, also gegen Ende des 19. Jh. bis zum Beginn des 20. Jh. ausgegraben wurden, entsprechen die Publikationen – sofern sie überhaupt vorliegen – in der Regel nicht dem heutigen Standard 24 . Die Untersuchung der einzelnen Beispiele gestaltet sich im Detail daher schwierig. Bei der Analyse der sacella wird aufgrund verschiedener Befunde und funktionaler Überlegungen zwischen vier Typen unterschieden: Nemesis-sacella innerhalb des Amphitheaters, Nemesis-sacella in einem der Haupteingangskorridore, Nemesis-sacella außerhalb des Amphitheaters und nur indirekt erschlossene sacella, bei denen eine räumliche Zuweisung zunächst nicht möglich ist25. Die Beispiele für alle vier Typen werden nacheinander auf Lage, Architektur und Ausstattung untersucht sowie zusammenfassend vorgestellt, wobei zur Gewährleistung der Vergleichbarkeit auf eine einheitliche Sprache und Gliederung geachtet wird, möglichst ohne den schmalen Pfad zwischen Redundanz und unsortierter Beschreibung zu verlassen. Im Zentrum stehen zunächst die Fragen nach dem genauen Aussehen und der Ausstattung der Nemesis-sacella sowie nach der räumlichen und funktionalen Zuweisung der Heiligtümer. Es gilt zu eruieren, ob sich vergleichbare Aussagen zur Lage der Heiligtümer in Bezug auf Stadt und Amphitheater treffen lassen und warum diese sich jeweils an genau

diesem Ort befinden. Schließlich stellt sich auch die Frage nach der Datierung des Phänomens. Die gründliche Analyse aller bisher im Imperium Romanum bekannten Nemesis-sacella kann die bisherigen Ansätze in manchen Fällen durch eingehende Studie der Grabungsberichte und des Quellenmaterials in ein neues Licht rücken. In der Schlussbetrachtung werden die Ergebnisse der Untersuchung kurz referiert und diskutiert, sodass der Vergleich verschiedener Nemesis-sacella in eine Bewertung der Entwicklung dieses römischen Kulturund Kultphänomens im gesamten Imperium münden kann. Damit einher geht die Betrachtung des Kultablaufs an sich, der zwar nicht überliefert ist, über den durch Auswertung des archäologischen Befundes, Zugänglichkeitsanalysen und Raumaufteilungen innerhalb der Amphitheater dennoch Überlegungen angestellt werden können. Welche Rolle dem Nemesis-Kult in der politischen Struktur der römischen Gesellschaft und im komplexen System der römischen ludi insgesamt zugemessen werden kann und wie sich die räumliche und zeitliche Verteilung des Phänomens beurteilen lässt, steht schließlich im letzten Abschnitt zur Diskussion. Die Aufarbeitung der einzelnen Amphitheater-Beispiele erfolgt schließlich in einem übersichtlichen Katalog. Die Ordnung der Amphitheater wird in alphabetischer Reihenfolge nach dem Anfangsbuchstaben der antiken Stadt vorgenommen, wodurch eine vorgezogene hierarchische Gliederung der Beispiele zunächst vermieden werden soll. Getrennt in das eigentliche Amphitheater und das zugehörige sacellum finden sich hier jeweils Informationen zur Lage, zum architektonischen Aufbau, Angaben zur Datierung der sacella sowie eine Auflistung der mit Nemesis in Verbindung stehenden Funde, ergänzt durch einige knappe Literaturhinweise zu den einzelnen Amphitheatern.

1993, Kat.-Nr. 250.251), Side (Hornum 1993, Kat.-Nr. 260–262), Troja (Hornum 1993, Kat.-Nr. 277) sowie Herakleia Chersonesos (Hornum 1993, Kat.-Nr. 280). Ergänzt werden kann die Liste durch die Funde von NemesisDarstellungen in Theatern, welche bei LIMC VI 1 (1992), 733–770 s. v. Nemesis (P. Karanastassi – F. Rausa) aufgelistet sind: Neben Thasos (Kat.-Nr. 29.34.35.44), Philippi (Kat.-Nr. 38.76 a/b), Ephesos (Kat.Nr. 181) und Stobi (Kat.-Nr. 74.75) finden sich weitere NemesisDarstellungen in den Theatern von Apollonia (Kat.-Nr. 2c), Herakleia Lynkestis (Kat.-Nr. 172 a/b) und Sabratha (Kat.-Nr. 265). 24 Auch der umgekehrte Fall kann auftreten. So sind viele Amphitheater aufgrund der Größe und der zu erwartenden Kosten bis heute nicht untersucht worden. Ausnahmen bilden hier das erst 2004 ausgegrabene Amphitheater von Virunum (Gugl – Jernej 2004) und das in den Jahren 2007–2009 neu untersuchte Militär-Amphitheater in Carnuntum. Dazu Boulasikis 2008; Boulasikis 2010. 25 Diese Differenzierung unternimmt auch schon Hornum 1993, 56, dessen Einteilungen und Typenzuweisung in einigen Fällen jedoch korrigiert werden. Eine noch feinere Einteilung unternimmt Legrottaglie 2008, 100–112. Sie bezieht jedoch auch die nicht explizit der Nemesis geweihten sacella mit ein.

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KULT BEI DER ARENA. NEMESIS-HEILIGTÜMER IM KONTEXT RÖMISCHER AMPHITHEATER 2.

AMPHITHEATER RÖMISCHER KULTUR

UND

MUNERA:

SINNBILDER

Kaum ein anderes gesellschaftliches Phänomen der römischen Antike scheint größere Popularität genossen zu haben als die römischen munera und die ihnen als Austragungsort dienenden Amphitheater. Zahlreiche literarische Quellen beschreiben die Faszination, welche die Spiele auf die Betrachter ausübte26. Dabei sind auch die zunächst kritischen Quellen, wie etwa Cicero, Seneca oder Juvenal nicht als Ausdruck einer allgemeinen Opposition gegen die Institution der Spiele zu bewerten27. Sie scheinen vielmehr – wie auch die massenhafte antiheidnische Polemik frühchristlicher Autoren – vor allem ein Reflex auf die gesellschaftliche Popularität der Veranstaltungen zu sein28. Neben den über 220 bekannten Amphitheatern zeichnet sich die Beliebtheit der Spiele in der Verbreitung von mit Gladiatorenmotiven verzierten Alltagsgegenständen wie Öllampen oder Kochgeschirr, sowie in der Vielzahl großflächiger Gladiatorenmosaike und kleiner Graffiti in römischen Villen, deutlich ab29. Da jedoch Verweise auf einen hochgradig rituellen und politischen Charakter der munera häufig fehlen, beschränkte sich die Rezeption der Spiele bis in die Gegenwart meist auf die ungebrochene Faszination, welche die Brutalität der Veranstaltungen noch heute auf die Menschen ausübt. Im Mittelalter fungierte die als Märtyrertod interpretierte Hinrichtung vieler früher Christen in der Arena als abschreckendes Beispiel für eine moralisch verwerfliche, pagan initiierte ›Götzenkultur‹ und sollte die Überlegenheit der christlichen Moral gegenüber dem ›barbarischen‹ Heidentum demonstrieren. Der Aspekt der moralischen Verwerflichkeit wird bis in die Moderne hinein herausgegriffen: So versuchte die aufgeklärte Bildungsschicht des 19. und frühen 20. Jh. die Spiele auf die verdorbene Moral einer einfachen, ungebildeten Volksmasse zurückzuführen, welcher grundsätzlich kritisch gegenübergestanden wurde 30 . Diese Wertung hielt sich schließlich bis in die Medienlandschaft der als weitgehend säkular bezeichneten Gegenwart. Sie schlug sich in dem Konsens nieder, die Spiele dienten vornehmlich der Belustigung stumpfer Massen und der Befriedigung von Schaulust und Blutdurst31. Aus dem antiken Kontext herausgerissen, werden heute Gladiatorenspiele 26

Zu den vielfältigen literarischen Quellen der römischen Spiele s. ausführlich Fagan 2011, 287–324. 27 Die Kritik richtet sich nicht gegen die Institution an sich, die vielmehr als Selbstverständlichkeit begriffen wurde, sondern eher gegen Gladiatoren. Auch kann den Texten keine allgemeingültige Reflexion der öffentlichen Meinung unterstellt werden. Vgl. dazu Wiedemann 1995, 147. 28 Weeber 1994, 7. 29 Zu Gladiatorendarstellungen in der Kleinkunst vgl. Weber-Hiden 2005, 595–609. Zu den Mosaikdarstellungen vgl. Brown 1992, 180–211. Die Amphitheater hat Golvin 1988 in seinem Katalog ausführlich bearbeitet. 30 Dazu Wiedemann 1995, 146. 31 Noch in jüngsten populären Beiträgen zum Thema wird dieses Klischee gerne aufgenommen breit ausgeführt, vgl. dazu Wenderoth 2011, 96–103.

vergleichend sozialkritisch auf die moderne, westliche Gesellschaft übertragen 32 . Diese Darstellungsweise vermag jedoch nicht das Phänomen der römischen munera vollständig greifen zu können und reduziert die römischen munera auf ein monokausales Phänomen als Antwort auf die Sensationsgier breiter Massen. Diese einseitige Degradierung reicht jedoch nicht aus, um die enorme Bedeutung und Verbreitung dieser Institution während der Antike zu erklären. Sie wird ihrem vielschichtigen, weittragenden Stellenwert in der römischen Gesellschaft nicht gerecht. Was heute ein Phänomen selbstreferentieller Massenmedien zu sein scheint 33 und im frühen Christentum zum Zweck der Identitätsstiftung ein Mittel zur Abgrenzung vom paganen Brauchtum war, übernahm in der römischen Antike eine zentrale Bedeutung im struktur-funktionalen Spannungsfeld zwischen politischen, sozialen und religiösen Vorstellungen. Die Spiele lassen sich daher kaum mit der zu kurz greifenden Erklärung, sie seien lediglich ein populäres, massenpsychologisches Phänomen, verstehen; ebenso wenig wie sie unter Berufung auf Juvenals Schlagwort panem et circenses34 auf Massenunterhaltung zur Ablenkung von aktuellem politischem Geschehen reduziert werden können35. Mit den stark soziologisch geprägten Forschungen der 1980er und 90er Jahre – vor allem unter französischen und angloamerikanischen Althistorikern – hat sich jedoch das Verständnis der römischen Spiele grundlegend erweitert36. Ausgehend von oskisch-samnitischen Siegesfeiern und Leichenspielen in Mittel- und Süditalien des vierten vorchristlichen Jahrhunderts gelangten die Gladiatorenkämpfe wohl nicht zuletzt über etruskische Einflüsse nach Rom 37 . Das erste bezeugte römische munus des Jahres 264 v. Chr. hatte möglicherweise schon Vorläufer im ausgehenden 4. Jh. v. Chr. So ließ der Censor C. Maenius sog. maeniana-Holztribünen auf dem Forum Romanum errichten 38 , deren Architektur und Funktion jedoch unbekannt ist. Bereits für diese frühen Formen der Spiele darf angenommen werden, dass sie einen ausgeprägten, in der spezifischen Kombination eines chthonischen und militärischen Kontextes 32

Demnach ‚giert’ auch der moderne, vermeintlich aufgeklärte Mensch nach immer neuen Sensationsmeldungen, (etwa nach Kriegs- und Katastrophenberichterstattung), vgl dazu Hufschmid 2009, 17. 33 Um als System funktionieren zu können, müssen moderne Massenmedien auf die (selbstverschuldete) kommunikative Redundanz mit immer neuen Informationen reagieren. Sie schaffen so – z. B. mit der Streuung übertriebener Gewaltdarstellung – eine ständig auf sich selbst Bezug nehmende Kommunikationsspirale. Vgl. dazu Luhmann 1995, 20 f. Ein interessanter Vergleich ergibt sich dabei mit den immer gewaltiger werdenden Spektakeln der munera. Auch in der römischen Republik und weit stärker noch in der Kaiserzeit war jeder neue Kaiser bestrebt, die ›Show‹ seines Vorgängers zu übertreffen. Vgl. Weeber 1994, 15. 34 Iuv. 10, 81. 35 So auch Flaig 2007, 85. Die Spiele als Ablenkung von Politik beschreibt Weeber 1994, 2. Vgl dagegen u. a. Hufschmid 2011, 342. 36 Vgl. dazu Ville 1981. Clavel-Lévêque 1984. Coleman 1990. Gunderson 1996. Futrell 1997. Kyle 1998. 37 Zum Ursprung der Gladiatur s. zusammenfassend Ville 1981, 1–8. 38 Fest. 134 b.22. Vgl. dazu Futrell 1997, 20 sowie zuletzt Welch 2007, 33.

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2. AMPHITHEATER UND MUNERA angelegten, rituellen Charakter besaßen. Vom 2. Jh. v. Chr. bis in flavische Zeit erfuhren sie eine weitreichende Politisierung und Instrumentalisierung, die sich auch auf die gesellschaftliche Funktion der als Austragungsort der Spiele dienenden Amphitheater ausdehnte. Am Ende dieser Entwicklung stand die streng ritualisierte, obligatorische Abfolge eines Spieltages von pompa, venatio, damnatio und munus in einem kanonisierten Amphitheaterbau, in dem die Bevölkerung unter dem Schutz der Götter und des Kaisers zusammenkam 39 . Demzufolge verbirgt sich hinter den römischen munera ein ganzer Kosmos verschiedener Wertvorstellungen, sozialer Praktiken, machtpolitischer Funktionen, architektonischer Finessen und schließlich eben auch religiöser Ideen. Alle diese Aspekte bedürfen vor dem Hintergrund der hier aufgeworfenen Fragestellung zumindest einer kurzen Diskussion.

ausschlaggebend sein könnte. Erst mit der weiteren Monumentalisierung der Anlagen kam Rom in augusteischer Zeit offensichtlich eine stilprägende Rolle zu. Zunächst nahm das im Jahr 30 v. Chr. von Statilius Taurus errichtete erste steinerne Amphitheater Roms 43 eine Vorbildfunktion ein: Als erstes, gänzlich im flachen Gelände mit steinernen Bogenkonstruktionen errichtetes Amphitheater spielte es vor allem bei der Monumentalisierung der Außenfassaden der Amphitheater eine entscheidende Rolle 44 . Mit der Kanonisierung des Architekturtyps, die in der Errichtung des Kolosseums gipfelte, trat diese Bauform schließlich ihren Siegeszug an. Die klar gegliederte Außenfassade, die minutiös geplante Zuschauerführung, die technischen Anlagen, die eine reibungslose Logistik während der Spiele garantierten, sowie die steile, auch baulich streng hierarchisch gegliederte cavea setzten nicht nur für die städtischen Amphitheaterbauten einen Standard45.

2.1. Architekturgeschichte und konstruktive Merkmale Jüngst hat Katherine E. Welch in ihrer umfangreichen Studie zu den Ursprüngen und der Entwicklung der Amphitheaterarchitektur von deren Anfängen bis zum Kolosseum aufgezeigt, dass spätestens seit dem 2. Jh. v. Chr. hölzerne Konstruktionen in Form ovaler Amphitheater zur Veranstaltung von ludi auf dem Forum Romanum errichtet wurden. Die Form dieser ephemeren Holzbauwerke könnte demnach als Vorbild für die im frühen 1. Jh. v. Chr. vor allem in Kampanien errichteten, ersten steinernen Amphitheater gedient haben. Diese entstanden größtenteils in römischen Kolonien oder Munizipien, wurden von hohen Magistraten gestiftet und von Kolonisten, welchen als Veteranen militärische Lagerbautechniken vertraut waren, errichtet40. Aufgrund der dürftigen Quellen- und Befundlage stellt sich eine Bestätigung der These, nach der Rom für die frühe Verbreitung der klassischen Amphitheaterarchitektur eine Vorbildfunktion zukommt, als überaus schwierig dar. Vielmehr muss konstatiert werden, dass außer einigen formal unbestimmbaren Tribünenbauten bis zu Caesars Θέατρον τι κυνηγετικὸν, das dieser um 46 v. Chr. auf dem Forum Romanum errichten ließ 41 , keine Amphitheater-konstruktionen auf dem Forum zu belegen sind. Zudem kann das älteste kampanische Amphitheater in Pompeji bereits auf das Jahr 70 v. Chr. datiert werden42. Obwohl bisher kaum archäologische Befunde auf eine direkte Übernahme der Bauform von stadtrömischen Holzkonstruktionen hinweisen, kann dennoch eine Beeinflussung durch römische Bautechniken geltend gemacht werden, wobei vor allem der militärische SteinErde-Bau für die Genese der ersten Amphitheater 39

Vgl. Flaig 2007, 83. Welch 2007, 49–50.72.94. Cass. Dio 43, 22, 3. Von diesem Theaterbau auf dem Forum Romanum haben sich mit zwölf rechteckigen Schächten möglicherweise die Substruktionen erhalten, vgl. Golvin 1988, Taf. 5a. Nach der Disposition dieser Schächte müsste der Bau zumindest eine langgestreckte Form besessen haben, welche ähnlich der des Amphitheaters von Virunum (Kat.-Nr. 22) gewesen sein dürfte, vgl. Hufschmid 2010, 494. 42 Hufschmid 2010, 498. 40

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Um eine einheitliche Beschreibung zu gewährleisten, ist eine terminologische Präzisierung einzelner Bereiche und Konstruktionsmerkmale der Amphitheater unumgänglich, weshalb eine kurze Auseinandersetzung mit den für die vorliegende Arbeit relevanten Termini erfolgt 46 . Die Forschungsliteratur bietet ein breites Spektrum an Begrifflichkeiten, die jedoch nicht immer einheitlich und oftmals unscharf formuliert sind. Hufschmid hat in diesem Zusammenhang erstmals ein Glossar zu antik belegten Fachausdrücken in Verbindung mit der Arena vorgelegt 47 . Hierbei zeigt sich, dass verschiedene konstruktive Elemente schon in der Antike bestimmte Termini besaßen, die gemeinhin aus der Sicht der in der Arena agierenden Personen zu verstehen sind48. In der vorliegenden Untersuchung sind zwei konstruktionsbezogene Grundtypen vorherrschend, die bereits Golvin in seiner Analyse zur Entwicklung der Amphitheaterarchitektur unterscheidet 49 . In der sog. structure pleine wurden die Gebäude (meist unter Zuhilfenahme natürlicher Geländestufen) in einer kombinierten SteinErde-Bauweise errichtet. Die Sitzstufen der cavea ruhen dabei auf Erdaufschüttungen, die von sternförmig um die Arena angelegten Radialmauern in einzelne Kompartimente gegliedert werden. Dieser Typus ist vor allem in 43

Cass. Dio 51, 23, 1. Welch 2007, 126–127. Jedoch muss auch hier die Faktenlage kritisch hinterfragt werden, da zum einen die als Überreste des taurischen Amphitheaters geltend gemachten Strukturen auf einem Stich Piranesis nicht klar zuweisbar sind, und zum anderen einige der von Welch postulierten Folgebauten einige Jahrzehnte später als in die julischclaudische Epoche zu datieren sind, vgl. dazu Hufschmid 2010, 498. 45 Welch 2007, 162. 46 Eine umfassende konstruktive Analyse kann nicht geleistet werden, da eine solche den Rahmen dieser Arbeit sprengen würde. Stattdessen sei auf Bomgardner 2000, 61–120 sowie auf Hufschmid 2009, 197–238 verwiesen. 47 Hufschmid 2009, 21–59. 48 Hufschmid 2009, 22. 49 Zu den einzelnen Bautypen ausführlich Golvin 1988, 75–76. 157. Vor allem für Amphitheater der structure pleine entwickelt er weitere detaillierte Unterscheidungsmerkmale, die vor allem die Art und Weise der Eintiefung der Arena sowie die Unterbauten für die cavea differenzieren. 44

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KULT BEI DER ARENA. NEMESIS-HEILIGTÜMER IM KONTEXT RÖMISCHER AMPHITHEATER der Militär-Amphitheaterarchitektur vorherrschend und möglicherweise abhängig von der bereits erwähnten Bautradition römischer Militäranlagen. Als structure creuse bezeichnet Golvin dagegen Amphitheater, die meist im flachen Gelände, vollständig über Gewölbestrukturen in ›Hohlbauweise‹ errichtet wurden. Auch hier strukturieren Radialmauern einzelne Kompartimente, die allerdings nicht mit Erde verfüllt sondern mit aufwändigen, teilweise mehrstöckigen Tonnengewölben überspannt werden und als Fundament für die cavea dienen. In structure creuse wurden hauptsächlich die repräsentativen, städtischen Amphitheater errichtet. Kennzeichnend für jedes Amphitheater ist eine ovale oder zumindest langgestreckte Form mit apsidialen Enden, bei der eine meistens verputzte und bemalte Podiumsmauer die Arena gegen die cavea abschließt und somit als Trennwand zwischen aktivem Geschehen und passivem Zuschauen fungiert (Vgl. zum Folgenden Abb. 1). Zwei große Haupttore in der Längsachse bieten den prononciertesten Zugang zur Arena. Oftmals sind die Tore dreischiffig gestaltet, indem entweder durch Pfeilerkonstruktionen oder mit durchbrochenen Wänden separate, parallel zum Hauptkorridor laufende Gänge geschaffen werden, deren Ein- und Ausgänge deutlich die Triumphbogenarchitektur zitieren. Zusätzlich gewähren diverse kleinere Türöffnungen in der Podiumsmauer Einlass in das Arenaoval. Sehr häufig treten dabei ebenfalls zwei sich auf der Schmalachse gegenüberliegende Eingänge auf. Verschiedene Bezeichnungen kursieren in der Forschungsliteratur für alle diese Tore, von denen allerdings nur drei tatsächlich antik belegt sind. Für die portae postic(i)ae kann Hufschmid überzeugend nachweisen, dass es sich um die kleineren Pforten in der Podiumsmauer handelt, die hauptsächlich für den plötzlichen Einlass wilder Tiere in die Arena gedacht waren50. Die Bezeichnungen porta sanavivaria und porta libitinensis legen dagegen durch ihre sprechenden Namen einen rituell motivierten Antagonismus nahe, der sich architektonisch am deutlichsten in einer Gegenüberstellung beider Tore ausdrücken würde; hierfür scheinen die großen Haupttore am wahrscheinlichsten. Das eine Tor – mit den Worten ›gut‹ und ›leben‹ umschrieben – bot den Lebenden bzw. den Siegern in der Arena Zu- und Ausgang, ist also durchweg positiv konnotiert. Der Name des anderen Tores leitet sich von Libitina, der römischen Totengöttin, ab und muss damit als chthonisch behaftetes Tor für die Toten verstanden werden51. Die Benennung der jeweiligen Tore stellt sich im Einzelfall jedoch durchaus problematisch dar. Im funktionalen Zusammenhang mit dem Ablauf der Spiele, vor allem der spielein50

Sie dienten allerdings auch als Rückzugspforten für verfolgte venatores oder das Arenapersonal sowie zur Inszenierung von Auftritten verschiedener Gladiatoren, wie die Darstellungen auf kaiserlichen Elfenbeindiptychen zeigen, vgl. Engemann 2008, 89 Abb. 12. 51 Bomgardner 2000, 116 bezeichnet die beiden kleinen, auf der Schmalachse gelegen Pforten als porta sanavivaria und porta libitinensis. Es liegt jedoch näher damit die beiden großen Haupttore aus der Arena zu identifizieren, da diese bei nahezu allen Amphitheatern vorhanden sind und durch ihre Größe zusätzlich elaborierte Inszenierungsmöglichkeiten boten. Vgl. dazu Hufschmid 2009, 42.

leitenden pompa wäre eine Identifizierung des der Stadtseite zugewandten Haupttores als porta sanavivaria zu überlegen, da eine Prozession sicherlich nicht durch eine mit dem Tod in Verbindung gebrachte Pforte schreiten würde. Dazu muss auch die Disposition der Nemesisheiligtümer innerhalb der Amphitheater betrachtet werden, die als potentielle Endpunkte der pompa sowie als mögliche neuralgische Orte beim Betreten oder Verlassen der Arena ebenso eine Rolle spielen könnten. Hinter der Podiumsmauer, zugänglich über die portae postic(i)ae, befinden sich häufig kleinere Kammern, deren Bezeichnung als carceres Eingang in die Forschungsliteratur fand und die meistens als Käfige für wilde Tiere erachtet werden52. Die differente Ausstattung, Gestaltung und Disposition der Räume legen allerdings eine multifunktionale Bedeutung nahe. So dienten viele der Räume sicherlich auch als Aufenthaltsort für Akteure und Arenapersonal. Die Einrichtung von kleineren Nischen in Seiten- oder Rückwänden könnte zu einer Deutung als sacella, vor allem für Nemesis, verleiten53. Insbesondere die Kammern, die auf der Schmalachse der Arena liegen, sind häufig etwas großzügiger gestaltet und individuell ausgestattet. Viele bieten über kleine Treppen zusätzlich einen Zugang zu den darüber liegenden Bereichen der cavea. Hier befinden sich in aller Regel die elaborierten pulpita/cubicula54, die Logen der Spielgeber respektive des Kaisers, die vom Rest der cavea durch kleine Zäune, sog. plutei, abgetrennt werden55. In diesen teilweise baldachinartigen Konstruktionen findet die Hierarchisierung der Zuschauerschaft und die Abgrenzung der Spielgeber von der einfachen Bevölkerung einen klaren, baulich definierten Ausdruck. Die Entwicklung der repräsentativen Architektur und der technischen Finesse der Amphitheater fand ihren Höhepunkt in der Errichtung des Kolosseums. Als Gegenmodell zu der weitläufigen Parkstruktur der neronischen Domus Aurea bot es mit seinem geschlossenen, ins Monumentale gesteigerten Baukörper ein Spiegelbild römischen Ordnungs- und Machtverständnisses. Wie kein anderer Repräsentationsbau vermochte das Kolosseum den Legitimationsanspruch und das politische Programm der flavischen Kaiser in Abgrenzung zur neronischen Politik zu manifestieren56. Mit ihm hatte sich das Amphitheater als genuin römischer Architekturtypus etabliert und mit eigenen konstruktiven, technischen, dekorativen und ideologischen Merkmalen von anderen Spielstätten emanzipiert. Die bewusst eingesetzte repräsentative Wirkung äußerte sich dabei 52

So auch Golvin 1988, 328. Der Terminus carcer als Bezeichnung für die kleinen Kammern ist in der Antike jedoch nicht belegt. s. Hufschmid 2009, 26. 53 Golvin 1988, 337–340. 54 Hufschmid 2009, 30. 47. 55 Zu den carceres s. u. Seite 23 56 Vgl. Bomgardner 2000, 4. Welch 2007, 160 f. Zum politischen Programm der Flavier, das von starkem Traditionalismus und einem ausgeprägten Rückgriff auf augusteische Werte geprägt war, zusammenfassend Hölscher 2009, 59 f.

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2. AMPHITHEATER UND MUNERA nicht allein in der schieren Monumentalität der Amphitheater, sondern in all den Details, welche die Bauwerke in sich vereinen und die gleichzeitig als Ausdruck emphatischer Siegesmetaphorik gelesen werden können. In diesem Zusammenhang darf ein Hinweis auf die enorme Bedeutung des Amphitheaters als Bildträger nicht fehlen. Vor allem bei den großen, städtischen Amphitheatern verlieh die meist gewaltige Fülle ornamentaler und figürlicher Elemente an der Außenfassade, bei der Gestaltung der Haupttore, auf der Podiumsmauer oder auf den Balustraden der Zuschauerränge den Bauwerken eine zusätzliche symbolträchtige Qualität 57 . Indem es den architektonischen Rahmen für die Aufführung der Spiele bereitstellte, kann das Amphitheater – wenn während der Inszenierungen Kulissen, Tiere und Akteure aus dem gesamten Imperium der Öffentlichkeit präsentiert wurden – als idealisiertes Abbild der römischen Welt betrachtet werden58. 2.2. Amphitheater als sozio-politische Kristallisationspunkte Neben dem den Bauwerken an sich inhärenten Repräsentationscharakter und ihrer Bedeutung in der Symbolik imperialen Machtanspruchs kam den Amphitheatern als Handlungsraum der munera überdies eine weitreichende politische und soziale Funktion zu. So boten sie mit ihrer auf einen fokalen Punkt orientierten Form einen idealen Versammlungsort für größere Menschenmassen, denen damit die Möglichkeit zur politischen Interaktion gegeben war. Die Bauwerke konnten nicht nur als Kommunikationsplattform für Provinziallandtage, sondern auch als Ort allgemeiner Willensbekundung durch das Volk oder als Basis für eine direkte Konfrontation politischer Amtsträger mit Bevölkerungsgruppen dienen59. Die Bedeutung dieser Konfrontationen tritt in einer Vielzahl konkreter Situationen zutage, in denen ein enormes sozio-politisches Spannungsverhältnis reflektiert wird: Mit der Stiftung einzelner munera oder gar ganzer Amphitheater wurde urbaner Euergetismus gefördert. Der Stifter konnte auf eine positive Resonanz im Volk hoffen und damit auf den Erhalt und Gewinn von Macht und Ansehen spekulie57

Zur dekorativen Ausstattung der Amphitheater vgl. Legrottaglie 2008, 163–174. Aufgrund des begrenzten Umfangs der Arbeit kann auf diesen Aspekt der Bauwerke leider nicht weiter eingegangen werden. Vor allem im Kontext der Differenzierung zwischen Arena und Außenwelt wäre eine hypothetische Herausarbeitung bestimmter dekorativer Zonen innerhalb des Amphitheaters und deren Korrelation mit der Disposition der Nemesis-sacella durchaus lohnenswert. 58 Gunderson 1996, 133. 59 Der Aspekt des Provinziallandtags ist vor allem für das »amphithéâtre des Trois Gaules« in Lyon herausgearbeitet. Vgl. Futrell 1997, 80–86. Willensbekundungen des Volkes können als Ventil gesellschaftlichen Unmuts bzw. als Ausdruck allgemeiner Zufriedenheit fungieren (und bieten damit einer monarchischen Gesellschaftsstruktur eine entscheidende Möglichkeit auf plebiszitäre Stimmungen zu reagieren). Vgl. Weeber 1994, 146–149. 152 mit Quellen zu beispielhaften öffentlichen Willensbekundungen.

ren. Auch zeigt sich in der Fülle literarischer Quellen, in denen die Präsenz der Kaiser und deren Verhältnis zu den munera reflektiert werden, die Bedeutung der kaiserlichen Auftritte während der Spiele 60 . Am deutlichsten äußerte sich das Spannungsverhältnis allerdings am Ende eines jeden Kampfes in der Entscheidung über Leben oder Tod, über missio oder iugulatio, des unterlegenen Gladiators. In diesem speziellen Moment konnte die heterogene Zuschauerschaft zu einem konsensfähigen Kollektiv verschmelzen, das mit dem Votieren für oder gegen eine missio sichtbar Einfluss auf den Spielgeber nehmen konnte. Dieser erwarb oder verspielte sich mit seiner Entscheidung letztlich Sympathien61. Die Konsensfähigkeit setzte wiederum eine gefestigte Meinung über die Tugendhaftigkeit der Kämpfer voraus, die durch das Zusammen- und Zugehörigkeitsgefühl einer von gemeinsamen (römischen) Wertvorstellungen geprägten Gesellschaft entstehen musste62. Für die Konsolidierung eines solchen Wertekanons sind die Ursprünge der Spiele im Kontext der italischen Bestattungsrituale von zentraler Bedeutung. In der Tapferkeit des Zweikampfes manifestierte sich ein wesentliches Element männlicher virtus: In den im Rahmen der Leichenspiele stattfindenden Kämpfen sollte also zunächst das Fortleben der militärischen Tugenden des Verstorbenen in Erinnerung gerufen werden. Nach der Verstaatlichung der Spiele und der Einrichtung jährlicher Spieltage (ohne weiteren Bezug zu Leichenfesten) symbolisierten die Kämpfe den Fortbestand der militärischen Tugenden in der römischen Gemeinschaft 63 . Die voll besetzte cavea spiegelte dabei die Gemeinschaft wider: Streng nach sozialen Klassen getrennt und somit die politische Ordnung reflektierend 64. Durch die Präsenz verschiedener Schichten konnte demnach ein hohes Maß an Identifikation und Integration erzielt werden, welches den gemeinsamen Glauben an fundamentale Werte wie die virtus festigten sollte 65 . Außerdem bildete die Podiumsmauer eine strenge Demarkationslinie zwischen Arena und cavea: Erstere symbolisierte den Ort der Verfemten und Ausgestoßenen, der sog. infames, womit sie die Gemeinschaft der Bürgerschaft in der cavea kontrastierend verstärkte. Dass die Tugenden von sozial Ausgestoßenen demonstriert 60

Eine Analyse der Quellenlage bietet Gunderson 1996, 129–131. Damit war den Zuschauern indirekt eine Entscheidungsgewalt an die Hand gegeben, die ursprünglich dem Spielgeber zukam. Sie konnten clementia walten lassen und iustitia verüben – Eigenschaften, die im Kontext der Amphitheater auch der Nemesis zufallen (s. u. Seite 19). Vgl. auch Hufschmid 2009, 268. Trotzdem konnte natürlich auch in der Masse der Zuschauer Uneinigkeit herrschen, und somit hatte die Entscheidung des Spielgebers nicht selten politische Sprengkraft, dazu Flaig 2003, 248– 249; Flaig 2007, 86–89. 62 Vgl. Clavel-Lévêque 1984, 108–115. speziell 112. Sie bezeichnet dieses Zusammengehörigkeitsgefühl als unanimitas. 63 Wiedemann 1995, 149–151. 64 Über mannigfaltige Interdependenz der einzelnen Gruppen und die Bedeutung des Patron-Klientelwesens innerhalb der cavea s. Gunderson 1996, 123–125. 65 Wiedemann 1995, 152. 61

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KULT BEI DER ARENA. NEMESIS-HEILIGTÜMER IM KONTEXT RÖMISCHER AMPHITHEATER wurden, ist dabei kein Widerspruch, da es vor allem um die Demonstration der Werte an sich ging; der Gladiator nahm dabei lediglich die Rolle des Vermittlers ein 66. Schließlich kommt in der Semantik der Spiele insgesamt eine bestimmte politisch-kulturelle Identität zum Vorschein, die geradezu staatstragenden Charakter besaß. Es galt die Überlegenheit der Romanitas und der damit verbundenen Wertvorstellungen auf möglichst eingängige Art und Weise zu demonstrieren. Dafür wurden exotische Tiere aus entlegenen Teilen des Imperiums gejagt und getötet sowie verurteilte Verbrecher öffentlich hingerichtet; den Höhepunkt bildete der Gladiatoren-Kampf zwischen weiteren Gefangenen und Ausgestoßenen, der meist in ethnisch inspirierten Gattungen inszeniert wurde67. Im Verlauf eines Spieltages wurde somit ein ganzer Kosmos verschiedener Kulturkämpfe ausgetragen, in denen die Natur beherrscht, Verbrecher bestraft und Feinde des Imperiums besiegt wurden 68 . Kein anderes ›Medium‹ war in der Lage, derart verdichtet einen Querschnitt durch die römische Imperialpolitik zu bilden. Die Spiele können schließlich als Bestandteil eines ideologischen Überbaus begriffen werden, dessen Funktion nicht nur darin bestand, der heterogenen Bevölkerung des römischen Staatsgebiets beständig die Sieghaftigkeit des Imperium Romanum und seine Macht zur Aufrechterhaltung politischer Ordnung vor Augen zu führen, sie sollten gerade auch gemeinsame Werte und ein Gefühl der unanimitas vermitteln69. Der integrative Charakter der Amphitheaterarchitektur erleichterte dabei die Verbreitung und die Annahme des Konzepts in der Bevölkerung. 2.3. Amphitheater als religiöse Bauten Nachdem die munera und die Amphitheater in den vorangehenden Kapiteln als komplexe, multifunktionale Systeme charakterisiert wurden, muss im Zuge der aufgeworfenen Fragestellung nach Disposition, Bedeutung und Funktionalität der Nemesis-Heiligtümer schließlich auch religiösen Aspekten der Bauwerke nachgegangen werden. Neben den politischen, sozialen und ideologischen Komponenten äußern sich auch die sakralen Faktoren innerhalb des komplexen semantischen Systems der Spiele in verschiedenen Bereichen und mit differenten Bezügen. Zunächst sei auf die übergeordnete Bedeutung der Bauten im Zusammenhang mit dem Kult für die Kaiser und die 66

Hufschmid 2009, 268. Die mittäglichen Hinrichtungsszenen konnten zusätzlich symbolisch aufgeladen werden, indem sie als mythologische Schauspiele inszeniert wurden. Vgl. Clavel-Lévêque 1984, 177 sowie Coleman 1990, 67. Zur Herkunft und den verschiedenen armaturae der Gladiatoren vgl. Junkelmann 2000, 53–70. 68 In diesem Sinne auch Hufschmid 2011, 280. 69 Damit bilden die Spiele gewissermaßen eine Ergänzung zu den integrativen Aufgaben des Kaiserkultes, der mit festen Riten und Zeremonien in den Provinzen die enge Verbindung zum Kaiserhaus und dessen Bedeutung für den Schutz der staatlichen Ordnung herstellen und festigen sollte, vgl. Hufschmid 2009, 271. 67

staatstragenden Götter hingewiesen. Dass Theaterbauten nicht zur Aufführung säkularer Schauspiele dienten, sondern ursprünglich als Bühne für die rituelle Performanz von Kultfeiern genutzt wurden, ist hinlänglich bekannt70. Bereits im vorrömischen Italien, vor allem in Samnium, existierten Heiligtümer mit augenfällig symmetrischer Verknüpfung zu Theaterbauten, sodass eine rituelle Inkorporation derselben angenommen werden darf 71 . Für die römische Zeit wird diese Verbindung durch zahlreiche überlieferte ludi, die unter Schirmherrschaft und zu Ehren bestimmter Kaiser oder Götter stattfanden, bestätigt72. Als effiziente Instrumente zur Vermittlung imperialer Ideologie stehen die Amphitheater daher auch häufig in enger Verbindung mit den Einrichtungen der Staatskulte. In den Provinzen äußert sich dies in der Einbettung der Bauwerke in größere Sakralkomplexe, in denen ihnen als propagandawirksame Versammlungsorte Bedeutung zukam73. Dass Amphitheaterbauten auch außerhalb staatlicher Kulte durchaus für die öffentliche Präsentation kultischer Performanz genutzt wurden, zeigt möglicherweise das Heiligtum der Artemis Ortheia in Sparta: Schon im Hellenismus wurde hier ein Übergangsritual spartanischer Epheben als Geißelung mit Peitschenhieben auf einem zentralen Altar inszeniert 74 . In der späten Republik und Kaiserzeit erfreute sich dieses Ritual offensichtlich wachsender Beliebtheit, sodass als Anbau zum Tempel eine dem Amphitheater ähnelnde Tribünenkonstruktion mit zentraler Ehrenloge entstand75. In der blutig inszenierten symbolischen Tötung der Epheben im Angesicht und unter Aufsicht der Artemis sind dann auch Parallelen zu den römischen munera angelegt. Zudem ist der enge Bezug zu Artemis, die in der römischen Kaiserzeit als Diana oder Diana-Nemesis Schirmherrin der munera wird, sinnfällig. Ein weiterer ritueller Bezug wird in der feierlichen pompa deutlich, mit der die Spiele eröffnet wurden. Im Zuge dieser festlichen Prozession ins Amphitheater bzw. in die Arena konnte sich der Spielgeber samt den von ihm aufgebotenen Akteuren selbst feierlich präsentieren. Auch Götterstatuen wurden in diesem Festzug auf Traggestellen mitgetragen. Zwei bildliche Darstellungen einer solchen pompa munerum haben sich erhalten: Ein 70

Hanson 1959, 3–5. Zuletzt hat Inge Nielson den rituellen Aspekt der Theaterbauten umfangreich aufgearbeitet, vgl. Nielson 2002, 275–282. 71 Eindrucksvollstes Beispiel ist der Theater-Tempel-Komplex von Pietrabbondante, Nielson 2002, 180–188. 72 Vgl. Hanson 1959, 10–15. 73 Dies konstatiert John A. Hanson schon für die Theaterbauten (Hanson 1959, 91). Das Konzept ist z. B. bei den Provinzialheiligtümern von Lugdunum/Lyon, Narbo Martius/Narbonne oder Augusta Raurica/Augst in architektonisch sinnfälliger Verbindung zu Amphitheaterbauten ausgeführt. Ähnliche Verknüpfungen scheinen in Tarraco/Tarragona oder Augusta Emerita/Merida zu existieren (vgl. Futrell 1996, 83–89). Ob ein gleichwertiger Fall in der Nachbarschaft des Amphitheaters mit der area sacra von CUT Sarmizegetusa/Sarmizegetusa vorliegt, müssen weitere Untersuchungen im Gebiet zeigen, vgl. jüngst Pastor 2010, 229 f. 74 Bonnechere 1993, 15 f. Die Anwärter kämpften dabei um Käsestücke, die auf dem Altar liegend von Männern mit Peitschen verteidigt wurden. Bonnechere 1993, 18 weist jedoch darauf hin, dass dieses Ritual erst sehr viel später beschrieben wurde. 75 Nielson 2002, 88–93 mit Abb. 27.

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2. AMPHITHEATER UND MUNERA Grabrelief aus der Nekropole vor dem Stabianer Tor in Pompeji zeigt im oberen Register die Teilnehmer einer solchen Prozession. Neben dem editor, verschiedenen Arenasklaven, welche die Ausrüstungsgegenstände der Gladiatoren präsentieren, Liktoren und Bläsern ist ein von vier Personen gehaltenes ferculum dargestellt, auf dem die Bildnisse zweier Schmiede getragen werden – möglicherweise ein Bezug zu den Herstellern der Gladiatorenwaffen, denen demnach selbst eine gewisse rituelle Relevanz und damit auch gesellschaftliche Bedeutung zukam (Abb. 2). Das zweite Relief verdeutlicht die sakrale Dimension der pompa noch emphatischer. Am Grabbau eines triumvir Augustalis aus Amiternum war im Inneren eines polygonalen Vorraumes ein umlaufendes Relief angebracht, auf dem in der Prozession mindestens vier Götterstatuen auf fercula oder in bigae mitgeführt werden (Abb. 3). Die Bedeutung dieser Prozessionen erschließt sich vor allem in der Analyse der pompae circenses, für die ausführliche literarische Quellen überliefert sind 76 und die im Vergleich mit den erhaltenen Bildwerken starke Parallelen zu den Festzügen der munera aufweisen. Die wichtigsten Elemente dieser Darstellungen waren die Präsentation aller Akteure der Spiele, deren Anzahl und Zusammenstellung den vom vorausgehenden editor geleisteten Aufwand widerspiegeln, sowie die am Schluss der Prozession an den Zuschauern vorbeiziehenden Götterbilder, die diesen den sakralen Kontext der Veranstaltung vor Augen führen sollten. Den Endpunkt bildeten der Einzug in den Circus bzw. in das Amphitheater und ein dort vollzogenes Opferritual77. Wie die Spiele als Ganzes boten also schon die vorangehenden Prozessionen eine vielfältige kommunikative Verflechtung, in die sich Spielgeber, Zuschauer und Akteure durch festgelegte Symbole und Interaktionen in die bestehende Ordnung einzufügen vermochten. Mit der normativen Struktur, der rituellen Syntax und der öffentlichen Präsenz der Prozession – am Prozessionsritual konnten entschieden mehr Menschen teilnehmen als später im Amphitheater Platz fanden – wurde demzufolge schon vor Beginn der eigentlichen Spiele deren grundsätzliche ideologische Botschaft übermittelt78. Die schon in der initialen pompa zum Ausdruck gebrachte Ritualisierung der Abläufe erfolgte schließlich auch während der Spiele in der Arena selbst. Die Bezeichnungen einiger Bauelemente sowie die figürliche und ornamentale Dekoration einzelner Bereiche weisen schon wortimmanent auf ganz bestimmte Funktionen hin. Vor allem die beiden Haupteingangstore in die Arena, die porta sanavivaria und die porta libitinensis, scheinen mit ihrer Kontrastierung von Leben und Tod von zentraler symbolischer Bedeutung zu sein79. Die Wandmalereien

an der Podiumsmauer des Amphitheaters von Pompeji können diese Deutung noch unterstreichen. Arenaseitig erscheinen hier jeweils zwei antithetisch angebrachte Torhermen, die auf der einen Arenaseite eine situla und auf der anderen ein pedum halten. Hufschmid interpretiert die Attribute kongruent zu den Tornamen, wonach die situla auf ein reinigendes Libationsopfer verweise, das pedum hingegen auf den chthonischen Aspekt des Dionysos 80 . Weitere Ausstattungsmerkmale – wie die imagines clipeatae, die Viktorien oder die Büstenhermen81 auf der Podiumsmalerei in Pompeji – verweisen ebenfalls auf diesen ambivalenten Charakter und implizieren eine markante, rituelle Trennung zwischen Außenwelt und Arena, zwischen Sieg und Niederlage sowie letztendlich zwischen Leben und Tod. Daneben lässt sich auch die Präsenz verschiedener chthonischer Gottheiten und Dämonen in der Arena analog zu diesem Auslegungsmuster interpretieren. Sie konnten entweder konkret durch verkleidetes Arenapersonal präsentifiziert werden – so z. B. Dis Pater oder Merkur, die als Psychopompoi die Toten von der Kampffläche schleppten oder als Kommunikatoren zwischen editores und Arena fungierten – oder wurden indirekt über tabellae defixiones, die sich häufig vor allem in der Arena finden und Verwünschungen gegen Teilnehmer der Spiele enthalten, angerufen82. In diesem Zusammenhang spielt schließlich auch Nemesis als am häufigsten im Amphitheater repräsentierte Gottheit eine gewichtige – in der vorliegenden Arbeit noch zu klärende – Rolle. Die soziale Trennung, die zwischen Zuschauern und Akteuren herrschte, wird demnach durch eine rituelle Trennung, welche die Arena durch die Omnipräsenz des Todes zu einer liminalen Zone und zu einem chthonisch befleckten Übergangsort werden ließ, ergänzt. In diesem Zusammenhang ergibt sich die Frage, ob ein Betreten oder Verlassen der Arena nicht von bestimmten Übergangs- oder Reinigungsritualen begleitet werden musste, wie es z. B. mit der suffitio für die trauernde familia impura nach Abschluss der Totenfeierlichkeiten überliefert ist um wieder in die Gesellschaft zurückkehren zu können 83 . Das bereits angeführte Konzept eines ideologischen Überbaus, das die Spiele inkorporierten, beruhte damit im Grunde weiterhin auf den Traditionen der ursprünglichen Leichenspiele. Die munera boten eine in die breite Öffentlichkeit getragene, somit gesamtgesellschaftliche Auseinandersetzung mit dem Tod sowie kulturelle Konzepte zur Überwindung desselben. All die Symbole, Zeichen und Rituale – von technischer Finesse und repräsentativer Monumentalität über zur Schau getragene Gehorsamkeit und Disziplin bis hin zur Todesnähe und Todesverachtung der Gladiatoren –, die 80

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Den Aufbau einer solchen Prozession schildert beispielsweise Dionysios von Halikarnassos (Dion. Hal. ant. 7, 72, 1–13). 77 Zur pompa circensis und der rituellen Bedeutung dieser Prozession vgl. Arena 2009, 77–93 sowie Hölkeskamp 2008, 107–109. Durch mitgetragene Bildnisse divinisierter Kaiser besaß das Ritual stets einen starken Bezug zum Kaiserkult, vgl. Arena 2009, 92. 78 Dazu Hölkeskamp 2008, 92. 112. 79 s. o. Seite 6

Hufschmid 2011, 285; Hufschmid 2009, 263. Hufschmid 2009, 263 f. Vgl. auch die Dekoration der Außenfassade des Kolosseums mit Schilden als Siegessymbole (Welch 2007, 136) oder die Hermenbalustrade im Amphitheater von Salona (Kat.-Nr. 15), s. u. Seite 55 82 Dazu Hufschmid 2009, 272 f. 83 Hufschmid 2009, 274. Zu den Trauerfeierlichkeiten vgl. aktuell ThesCRA VI (2011) 171– 182, Tod und Bestattung (H. HarichSchwarzbauer). 81

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KULT BEI DER ARENA. NEMESIS-HEILIGTÜMER IM KONTEXT RÖMISCHER AMPHITHEATER den Spielen ihren übergeordneten semantischen Kern verliehen, ruhten auf einer normierten rituellen bzw. religiösen Basis. Demnach können die Amphitheater im weitesten Sinne als religiöse Bauten verstanden werden, in denen auch die Göttin Nemesis bestimmte Funktionen einnehmen kann. 2.4. Zusammenfassend zur Bedeutung der Amphitheater In seinem Aufsatz »The Ideology of the Arena« begreift Erik Gunderson die Arena bzw. die komplexen Abläufe in und um die munera als ein in sich geschlossenes, die gesamte römische Gesellschaft einbeziehendes und von derselben wahrgenommenes Phänomen, dem sich kein Mitglied dieser Gesellschaft entziehen konnte. Selbst eine Ablehnung der Spiele, wie von Juvenal oder Tacitus vorgebracht, stellte zwar eine soziale Stellungnahme dar und wurde von den Zeitgenossen entsprechend interpretiert, muss als solche aber gerade auch als Bezugnahme auf die soziale und kulturelle Realität der Spiele gewertet werden 84 . Die Spiele transportierten eine komplexe Ideologie römischer Staats-, Herrschaftsund Ordnungsauffassung, die einerseits an die römische Gesellschaft als Adressaten gerichtet war und andererseits zugleich von derselben als soziokulturelle Einheit Roms getragen wurde. Mehr noch, als kleinformatiges Abbild der Grundstrukturen des römischen Sozialsystems 85 kam den Spielen sowohl innen- wie auch außenpolitisch eine tragende Rolle zu, indem sie durch die transportierten Werte stabilisierend und integrierend wirken konnten. Eine griffige Terminologie zur Beschreibung des Phänomens der Spiele findet Gunderson in Louis Althussers Aufsatz »Ideologie und ideologische Staatsapparate« 86 , in welchem der marxistische Theoretiker zu beschreiben versucht, wie sich staatsideologische Herrschaftsauffassungen unter den einzelnen Bürgern einer Gesellschaft indoktrinieren und reproduzieren lassen. Dazu müsse sich der Einzelne stets aufs Neue mit der bestehenden Ordnung bzw. Ideologie identifizieren und sich ihr gleichfalls unterwerfen 87 . Diese identifizierende Unterwerfung sei durch ein Wechselspiel repressiver, d. h. öffentlicher, exekutiv handelnder, Staatsorgane und nach ideologischem Muster funktionierender gesellschaftlicher Institutionen – von Althusser Staatsapparate genannt – gewährleistet. Letztere transportierten vor allem im Privaten, etwa in der Familie, in der Religion, im Verein oder durch den hierarchischen Status, einen staatstragenden Wertekanon, den es für das Individuum (ob bewusst oder unbewusst) zu lernen und zu verinnerlichen gelte88. Als solche gesellschaftliche Institution können nun auch die römischen munera mit all ihren politischen, sozialen 84

Gunderson 1996, 116. Zu den Positionen Juvenals und Tacitus vgl. Gunderson 1996, 113 f. 85 Gunderson 1996, 149. 86 Althusser 2010. 87 Vgl. Althusser 2010, 43. 88 Althusser 2010, 54 f.

und religiösen Ausprägungen verstanden werden89. Die Spiele geben einen Rahmen vor, innerhalb dessen für jedes (ob beteiligte oder unbeteiligte) Subjekt bestimmte Handlungsmuster vorgezeichnet sind, die wiederum darauf abzielen, das Subjekt an die bestehende Ordnung zu binden bzw. ihm seinen Platz im herrschenden System aufzuzeigen. Mit der Ausformulierung des Subjektbegriffes endet jedoch die Nutzbarkeit der Althusserschen Terminologie für die Beschreibung des römischen Spielewesens. Er unterstellt dem Subjektbegriff eine (religiöse) Dichotomie, die – wie auch Gunderson schon kritisch bemerkt 90 – mit ihrer Hervorhebung der freiwilligen Unterwerfung des Einzelnen unter die Performanz eines göttlichen Subjekts nicht auf die römisch-antiken Verhältnisse übertragen werden kann. Eine derart liberalistische Ausformung selbstverantwortlichen Handelns unter der Führung eines monotheistischen Über-Subjekts kannte diese nicht91. Seine Theorie dient darüber hinaus schließlich zur Erklärung jener lang anhaltenden Klassenkämpfe marxistischer Prägung, die zur Auflösung von Klassenunterschieden führen sollten und deren Schauplatz eben jene ideologischen Staatsapparate seien, die Gunderson auch in der Arena verkörpert sieht92. Eine solche Überformung der Abläufe in und um die Arena mit Althussers marxistischer Theorie geht jedoch entschieden zu weit, da die Mechanismen moderner Gesellschaftskonstituierung nicht als überzeitliche Parameter auf die römische Gesellschaft übertragen werden können. Insgesamt ist die Anwendung sozialer Modelle, die an modernen, pluralistischen Gesellschaften entwickelt werden, auf die Antike äußerst kritisch zu betrachten. Sie kann keineswegs pauschal erfolgen und muss mit großer historischer Sorgfalt am jeweiligen Einzelfall überprüft werden. Dennoch bietet Althussers Modell eine griffige Terminologie, unter deren Zuhilfenahme die hier untersuchten Phänomene benannt und unter anderem als Manifestationen römischer Staatsideologie, die in der gesamten Komplexität der Spiele vor allem sich selbst zum Ausdruck bringen muss, erklärt werden können. Die rituelle Symbolik bildet dabei das Fundament, auf dem das komplexe Aussagengeflecht dieses ideologischen Staatsapparates aufbaut. In ihr scheint Nemesis nun nach Ausweis des archäologischen Materials eine entscheidende Rolle zu spielen. Inwiefern die Präsenz der Nemesis bzw. der ihr geweihten sacella in den Amphitheatern rituelle Vorgänge implizieren und welche Rolle der Göttin dabei jeweils zukam, soll die folgende Analyse ihrer Ikonographie und Wesenseigenschaften sowie der Disposition der ihr geweihten sacella zu klären versuchen.

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Gunderson 1996, 117. Gunderson 1996, 118. Zum Über-Subjekt vgl. Althusser 2010, 94 f. 92 In diesem Sinne könnten die realen Kämpfe in der Arena als die Manifestation eines solchen Klassenkampfes betrachtet, in ihnen gar die offensichtliche Bestätigung von Althussers Thesen begriffen werden. 90 91

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3. NEMESIS – DEFINITION UND IKONOGRAPHIE 3.

NEMESIS – DEFINITION UND IKONOGRAPHIE

Im modernen Sprachgebrauch bezeichnet Nemesis eine »strafende od. vergeltende Gerechtigkeit«, eine explizit negativ konnotierte Erfahrung von Rache für ungerechtes Verhalten93. In der Antike wurde die Göttin Nemesis als ein vielschichtiges Geschöpf aufgefasst, deren Einfluss und Wirkungsmacht in keiner Weise schlicht auf die Ausübung von Rache beschränkt blieb. Gerade in ihrer angedichteten Fähigkeit, sich in allerlei Geschöpfe zu Lande und zu Wasser verwandeln zu können94, drückte sich die Diversität ihres Wesens und Charakters aus, welche unter anderem zu unterschiedlichen synkretistischen Verbindungen der Göttin mit anderen Gottheiten führte. Allein Hans Herter nennt in seiner Untersuchung zur Nemesis in der RE zehn verschiedene Wesenseigenschaften, die sich ideengeschichtlich aus unterschiedlichen Quellen ableiten95. Ursprünglich scheint sich der Name vom griechischen νέµειν ›zuteilen (was einem gebührt)‹ abzuleiten. Hieraus entwickelte sich dann νέµεσις in der Bedeutung von Zuteilung (des Gebührenden) zu ›Vergeltung‹, ›Missbilligung‹. Als etwas Schicksalhaftes, das einen ohne persönliches Zutun überkommen konnte, ist diese ›Vergeltung‹ oder ›Zuteilung‹ eine übermenschliche, transzendentale Aktion, deren Wirken personifiziert bzw. deren Auswirken auf das Walten einer Gottheit zurückgeführt werden konnte. Als Folge einer Übertretung oder Verfehlung moralischer oder ethischer Normen verkörperte die Vergeltung der Nemesis also auch immer das Wahren eines gerechten Maßes. In dem Versuch, immer einen gerechten Ausgleich aller menschlichen Handlungen zu gewährleisten, wurde ihr also nicht nur die aktive Rolle des Strafens zuteil, sondern auch die der drohenden Vergeltung, also der Strafe, vor welcher der Mensch sich stetig vorsehen musste. Somit waren ihr Wesen und ihr Handlungsspielraum vielfältiger Natur, was sich auch in den jeweiligen zeitgenössischen griechischen wie lateinischen Quellen ausdrückt. Bei Hesiod tritt sie einmal als unheilabwehrende, positive Kraft auf, die durch ihr Verlassen der Erde gemeinsam mit Aidos die Menschen nur noch in Leid und Schmerz zurücklässt96. In der Theogonie ist sie die Tochter der Nyx und bringt den Menschen hier selbst das Leid, ist hier also negativ konnotiert97. Bei Herodot straft sie den Kroisos für seine anmaßende Gesinnung, der glücklichste Mensch der Welt zu sein98 und in Tragödien und Dramen des 5. Jh. v. Chr. erscheint sie allgemein als eine das menschliche Handeln beeinflussende Gestalt oder als Rachegeist der Toten99. In hellenistischer und römischer Zeit erreichten die Bedeutung, jedoch auch die Viel93

Wahrig Fremdwörterlexikon (2004) s. v. Nemesis. Athen. 8, 334, d. 95 Vgl. RE XVI 2 (1935) 2363–2374 s. v. Nemesis (H. Herter). 96 Hes. erg. 197–200. 97 Hes. theog. 223. 98 Hdt. 1, 34, 1 99 Dazu allgemein in RE XVI 2 (1935) 2340–2343 s. v. Nemesis (H. Herter). 94

schichtigkeit und synkretistische Tendenz der Gottheit schließlich ihren Höhepunkt. Unzählige Einzelbeispiele vor allem aus dem 2. Jh. n. Chr. beschreiben ihr Wirken in nahezu allen Lebensbereichen und bezeugen die Verbindung und Wesensverwandtschaft mit vielen Göttern des klassischen griechisch-römischen Pantheons 100. Sie erscheint als Assistentin wie Richterin der Liebesgötter, als Dämonenbändigerin in der Sphäre der Zauberei und schließlich als eine Allgöttin, deren Wirken als das einer omnipotenten, ethischen Schicksalsmacht mit Helios, Sol und dem ägyptischen Greifen gleichgesetzt wird; dabei trägt sie Sorge für die Ausführung und die Gerechtigkeit des im Kosmos, der durch den Sonnengott verkörpert wird, festgelegten Schicksals101. Doch trotz all der differenten Züge bleibt der Kern ihres Wesens immer der einer die Hybris, im Lateinischen mit superbia wiedergegeben 102 , strafenden Schicksalsgöttin. Auch für Nemesis galt, was Erika Simon schon den olympischen Göttern konstatiert: »[...] trotz aller historischen Veränderungen, die sich an den Kultorten und anhand der Dichter feststellen lassen, gibt es im Bild der olympischen Götter unveränderliche, überzeitliche Züge« 103 . Versucht man ihren Wirkungsspielraum und ihre Wesenseigenschaften zusammenzufassen, so lässt sich Nemesis als Behüterin eines bestimmten Konzepts von Gerechtigkeit und Ordnung verstehen, welches durch menschliche Hybris in Unordnung gebracht wird und durch das Eingreifen der Nemesis gerächt und wieder in moralisch gerechte Normen zurückgeführt wird. Sie muss dabei nicht zwangsläufig als aktive Rächerin auftreten, sondern trägt Sorge für die gerechte Zuteilung der Strafe. Sie fungiert als ausgleichende, regulierende Macht im unruhigen Wechselspiel zwischen Glück und Unglück, zwischen Besonnenheit und Überheblichkeit oder allgemein zwischen Ordnung und Unordnung 104. 3.1. Ursprünge und Entwicklung des Kultes Wie ihr vielfältiges, synkretistisches Wesen sind auch die Ursprünge des Nemesis-Kultes schwer greifbar und so existiert bis heute kein einheitliches Erklärungsmodell für die Herkunft der Göttin. Fraglich ist, ob mit Nemesis ein bestimmtes Konzept moralischer Verwerflichkeit gemeint war, das mit der Zeit personifiziert wurde, oder ob sie von Anfang an als konkretes göttliches Wesen chthonischen Charakters 100

Eine übersichtliche Zusammenstellung der literarischen Quellen zu Nemesis bei Hornum 1993, 91–153. Einen ausführlichen Katalog von Verbindungen der Nemesis mit anderen Gottheiten hat Herter zusammengestellt (RE XVI, 2 [1935] 2376–2379 s. v. Nemesis [H. Herter]). 101 Die Verbindung zur Erotik ist bei Schweitzer 1931, 177 und Simon 1995, 126 herausgearbeitet, das Dämonenhafte untersuchte erstmals Volkmann 1928, 306. Die Allmacht der Nemesis zeigt sich im Hymnos des Mesomedes (Mesomedes, h. Nem.). Dazu auch LIMC VI 1 (1992), 736 s. v. Nemesis (P. Karanastassi – F. Rausa). Flagge 1975, 127. 102 Dazu Simon 1995, 119. 103 Simon 1969, 12. 104 Artem. 2, 37.

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KULT BEI DER ARENA. NEMESIS-HEILIGTÜMER IM KONTEXT RÖMISCHER AMPHITHEATER aufgefasst wurde, das erst durch die Wortverwandtschaft die mit dem griechischen νέµειν verbundenen Eigenschaften empfing 105. Erstmalig in Erscheinung tritt sie nicht nur in den bereits erwähnten Werken Hesiods, sondern auch in den Kyprien, in denen die einzige Verbindung der Nemesis zu den Mythen des trojanischen Krieges – als Mutter der Helena jedoch in wichtiger Rolle – belegt ist106. Archäologisch greifbar ist der Nemesis-Kult erstmals im 6. Jh. v. Chr. im attischen Rhamnous. Später fand sie im kleinasiatischen Smyrna als doppelgestaltige Stadtgöttin Verehrung. Von hier aus scheint sich ihr Kult vor allem im 3. und 2. Jh. v. Chr. weiter verbreitet zu haben, womit sich schließlich, in smyrnäischer Tradition, der dritte große Kultort in Alexandria herausbildete107. Im römischen Reich besaß sie keinen Staatskult und ihr Name wurde nie ins Lateinische übertragen, was auch von Plinius kritisch bemerkt wurde 108; sie blieb zwar immer eine mit dem Fremden, dem Entrückten konnotierte Göttin, gleichwohl sind gerade aus römischer Zeit – und hier insbesondere aus dem 2. und 3. Jh. n. Chr. – die meisten Quellen zu Nemesis erhalten. Zeugnisse des Nemesis-Kultes finden sich nahezu über das gesamte Imperium verteilt. Zum Verständnis der sich nur langsam und über einen langen Zeitraum herausbildenden ikonographischen Darstellungstradition der Göttin ist zunächst eine Besprechung der Bildnisse an den drei großen Kultstandorten substanziell. Hier entstanden erste Charakteristika und es wurden der Göttin bzw. dem von ihr vertretenen ethisch-moralischen Konzept Attribute zugeordnet, die für die weitere Entwicklung des Nemesis-Bildnisses maßgeblich waren und somit auch die Grundlage zur Interpretation der im Kontext der Amphitheater auftretenden Bildnisse der Göttin darstellen. Auf eine detaillierte Besprechung des Nemesis-Kultes in Syrien wird verzichtet, da sich die Göttin im arabischen Raum allem Anschein nach erst im Anschluss an ihre Entwicklung im übrigen Imperium etablierte, dort allenfalls als Begleitwesen der wichtigsten syrischen Schicksals- und Sonnengötter verstanden wurde und demnach keinen Bezug zu einer agonalen NemesisVerehrung aufweist109. Nemesis in Rhamnous Ihren ältesten Kultort besaß die Göttin im attischen Demos Rhamnous, an der Nordküste Attikas an einer der Straßen, die Marathon mit Athen verbanden. Ähnlich wie

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Dazu Hornum 1993, 6. Herter schlägt eine parallele Entwicklung vor, wonach das Wort ‚Zuteilung’ gleichzeitig einen Empfindungsreflex wiedergibt, der in seiner Unabwendbarkeit nur göttlichen Ursprungs sein kann (RE XVI, 2 [1935] 2339 s. v. Nemesis [H. Herter]). 106 Die Kyprien sind nur in Reflexen späterer Literatur überliefert. Zur betreffenden Stelle vgl. Athen. 8, 334, c. 107 Hornum 1993, 10–13. 108 Plin. nat. 28, 22. 109 Vgl. Tradler 1998, 76–83. Zuletzt ausführlich Bru 2008, 293–314.

die Heiligtümer von Kap Sounion und Brauron gehörte es wohl zu den Grenzheiligtümern, welche die Chora Attikas markierten 110. Diese erfuhren gerade im 5. Jh. v. Chr. signifikante Ausbauphasen. Die sozialpolitischen Veränderungen dieser Zeit zogen gerade in der attischen Gesellschaft eine Aufwertung der sich diametral gegenüberstehenden Verhaltenskonzepte einer zu vermeidenden Hybris und deren Gegenpol, der erstrebenswerten Sophrosyne nach sich. Von einer individuellen Handlungsmaxime wurden sie auf eine staatstragende ideologische Ebene gehoben, an der sich nicht nur mehr der Einzelne, sondern die gesamte Politik auszurichten hatte 111 . In diesem Zusammenhang sieht Brigitte Knittlmayer auch den Ausbau des großen Kultortes der Nemesis in Rhamnous im letzten Viertel des 5. Jh. v. Chr. Hier, am mythischen Ort der in den Kyprien erwähnten Eigeburt der Helena durch Nemesis112, befand sich schon im 6. Jh. v. Chr. eine große Kultstätte für Nemesis und Themis. Ende des 5. Jh. v. Chr. wurde mit der Errichtung eines großen dorischen Peripteros begonnen, der die berühmte, noch von Pausanias sieben Jahrhunderte später beschriebene Kultstatue der Nemesis beherbergte, die von Agorakritos von Paros, einem Meisterschüler des Phidias, gefertigt wurde113. Mit Hilfe der im Heiligtum gefundenen Fragmente und der Beschreibung des Pausanias konnte die Statue rekonstruiert werden.114 Die ungefähr doppelt lebensgroße, stehende weibliche Figur trägt einen gegürteten Chiton mit einem aufwendig um die linke Schulter und den Unterkörper drapierten Himation. Ihre Haare sind über der Stirn gescheitelt, ihr Kopf wird von einem mit Hirschen und Niken verzierten Diadem bekrönt. Als Attribute hält sie in der Linken einen abwärts zeigenden Apfelzweig, in der ausgestreckten Rechten eine Schale mit der Darstellung von Aithiopen. Die statuarische Darstellung verweist auf keine individuelle gewandmotivische oder physiognomische Charakterisierung der Gottheit. Auch die beiden Attribute stellen für sich genommen kein spezifisches Beiwerk dar und tauchen bei diversen Götterbildern auf 115. Sieht man sie jedoch in Beziehung zueinander, scheinen Apfelzweig und Aithiopen den Aktionsraum der Göttin, der über den gesamten Sonnenlauf reicht, zu versinnbildlichen. Die Aithiopen werden gemeinhin im Osten, wo die Sonne aufgeht, verortet; dagegen sind die Hesperiden, die Apfelhütenden, eher im Westen, wo die Sonne untergeht beheimatet116. Die Hirsche und Niken auf der Krone der Nemesis sind ebenfalls keine spezifischen Attribute. Sie deuten allenfalls auf die Schnelligkeit und den Erfolg der Taten der Göttin. Zusammenge110

Knittlmayer 2000, 17. Zur Bedeutung der beiden Begriffe für die attische Gesellschaft im 5. Jh. v. Chr. vgl. Knittlmayer 2000, 11 f. mit älterer Literatur. 112 Eratosth. 142. 113 Die Beschreibung der Statue bei Paus. 1, 33. Maßgeblich: Despinis 1971, passim. Zur Baugeschichte des Heiligtums s. Mersch 1996, 71 f. 114 Für eine Rekonstruktionszeichnung siehe Petrakos 1985, Abb. 2. 115 Erhardt 1997, 33. 116 Allen 1993, 106 f. 111

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3. NEMESIS – DEFINITION UND IKONOGRAPHIE nommen allegorisieren die verschiedenen Attribute die Qualität und den Wirkungsbereich der göttlichen Macht der Nemesis117. Auf drei Seiten der Statuenbasis sind insgesamt 14 Figuren dargestellt. Sie zeigen im Kreise weiterer Angehöriger, darunter Helden des trojanischen Sagenkreises, und ohne direkten Handlungsbezug aufeinander im Zentrum Helena mit Nemesis und Leda 118. Entgegen der bisher geläufigen Meinung, es handele sich hier um einen Bezug auf den trojanischen Krieg als Spiegelbild der Perserkriege, in deren glücklichem Ausgang man das Eingreifen der Nemesis zur Wiederherstellung der Ordnung zu sehen hatte, interpretiert Knittlmayer auch diese Darstellung eher als allgemeinen Hinweis auf den Wirkungsbereich der Göttin: Indem alle abgebildeten mythischen Helden nach ihrer Rückkehr großes Leid erdulden mussten, werden auch die Sieger immer an ihre Schicksalsabhängigkeit erinnert 119. Vor allem im Zusammenhang mit den sich verändernden Wertmaßstäben – die mit den der Nemesis zugeschriebenen moralischen Werten korrelieren – und dem im Peloponnesischen Krieg gesteigerten Bedürfnis, die Choragrenzen nicht nur fortifikatorisch, sondern auch religiös auszubauen, ist ein überzeugendes Argument für die Aufwertung des Heiligtums am Ende des 5. Jh. v. Chr. gefunden120. Nemesis in Smyrna Das Heiligtum der Nemesis in Smyrna, das auf dem Berg Pagus vermutet wird, ist bisher nicht gefunden. Pausanias überliefert für Smyrna allerdings einen großen, wohl schon archaischen Nemesiskult, bei dem die Göttin als Zweiheit verehrt wurde121. Das Erscheinungsbild dieser archaischen Nemeseis von Smyrna lässt sich jedoch kaum rekonstruieren. Einzig Marion Tradler erkennt auf einem scheinbar hellenistischen Grabrelief aus Apollonia in Illyrien mit Amazonomachie-Szenen in zwei Registern Anklänge an das archaische Kultbild 122 . Das untere Register zeigt zwei identisch sitzende Gewandfiguren, die durch zwei Attribute als Nemesis interpretiert werden können: Zum einen kann über den zwischen beiden Figuren sitzenden Adlerkopfgreifen – in späterer Zeit eines der wichtigsten Attribute der Göttin – zum anderen durch den Gestus des εἰς κόλπον πτύειν auf Nemesis geschlossen werden123. Dabei lüften die beiden Figuren mit ihrer Rechten den Chiton, um sich auf die Brust zu speien. Dieser Brauch beruht auf der sympathetischapotropäischen Kraft, die dem Speichel zugemessen wurde: Indem man sich auf die Brust spuckte, wehrte man Unglück oder den Bösen Blick von sich ab und

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Erhardt 1997, 33. Petrakos 1985, 95–101. 119 Knittlmayer 2000, 11. Zur Bedeutung von Nemesis bei der Schlacht von Marathon s. zuletzt Haake 2011, 109–128. 120 Knittlmeyer 2000, 17. 121 Paus. 9, 35, 6. 122 Tradler 1998, 28 f. 123 Dies haben zuerst Franke u. a. 1983, 58 erkannt. Ihnen folgt Tradler 1998, 14–16. 118

schützte sich vor Strafe, nachdem man sich der Hybris schuldig gemacht hatte124. Obgleich Nemesis diejenige war, vor deren Strafe man sich schützte, muss angenommen werden, dass sich dieser Gestus in der Darstellung der Göttin auf diese selbst übertrug und damit ihre Funktion als Hüterin des gerechten Ausspruchs kennzeichnete. Zahlreiche Bildwerke zeigen v. a. in römischer Zeit den Nemesis-Gestus und erlauben somit eine Zuweisung der Dargestellten. Bei einer Entstehung des Werkes in frühhellenistischer Zeit, in den ersten Jahrzehnten des 3. Jh. v. Chr., wären beide Attribute – Greif und Nemesis-Gestus – hier sehr früh mit der Göttin verbunden. Für den Nemesis-Gestus ist das nicht ungewöhnlich: er erscheint schon bei den wohl ebenfalls zu Beginn des 3. Jh. v. Chr. entstandenen Statuen des in dieser Zeit neu gestifteten Kultes von Neosmyrna auf die Göttin übertragen 125. Der Greif tritt allerdings erst in Bildquellen des späten 1. und frühen 2. Jh. n. Chr. neben Nemesis. Wohl von Ägypten ausgehend wurde das Fabeltier mit der Göttin verbunden126 – dass dies bereits im 3. Jh. v. Chr. geschehen sein soll, ist eher unwahrscheinlich. Obschon der Greif als Motiv früh Eingang in den griechischen Kulturkreis und die griechische Kunst gefunden hatte, ist seine Bedeutung hier zunächst auf eine Funktion als apotropäische Wächter- bzw. Begleitfigur begrenzt 127 . Außer einer allgemeinen Position als Beschützer lässt sich hier noch keine Wesensverwandtschaft mit Nemesis feststellen. Erst in der römischen Kaiserzeit weisen auf den Herrscher bezogene Gemeinsamkeiten auf eine Verbindung des Fabeltiers mit der Göttin hin128. Dies setzt jedoch zunächst eine Verwurzelung des Nemesis-Glaubens in Ägypten voraus, die bisher erst ab dem ausgehenden 2. Jh. v. Chr. nachgewiesen werden konnte129. Eine Verbindung des Greifen mit Nemesis schon in archaischer Zeit, wie Tradler es anhand des Apollonia-Reliefs für möglich hält130, ist daher nicht wahrscheinlich; insgesamt scheint auch die Zeitstellung des Reliefs eher späthellenistisch-römisch131.

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Kallimachos, Fragm 687. Anth. Gr. 12, 229. Weitere Belege für den Gestus des εἰς κόλπον πτύειν bei Tradler 1998, 14 FN 72–75. Zur apotropäischen Symbolkraft des Speichels vgl. Sittl 1890, 117–120. 125 LIMC VI 1 (1992), 756 s. v. Nemesis (P. Karanastassi – F. Rausa). Darstellungen des Kultbildes sind vornehmlich auf römischen Münzen der Stadt erhalten. Vgl. auch zwei späthellenistische Statuetten aus Thasos (Tradler 1998, 33–39). 126 Vgl. Flagge 1975, 107 sowie LIMC VI 1 (1992), 758 s. v. Nemesis (P. Karanastassi – F. Rausa). 127 Flagge 1975, 122. Dierichs 1981, 270 f. 128 Hornum 1993, 31 f. s. u. Seite 15 129 Eine Präsenz der Nemesis im ptolemäischen Ägypten ist durch drei Papyri überliefert. Dazu zuerst Volkmann 1928, 303 f. Zuletzt ausführlicher Lichocka 2004, 5–11 bes. 5–6. 130 Tradler 1998, 28. Sie geht davon aus, dass das Relief einen Rückgriff auf das archaische Kultbild von Smyrna darstellt. 131 Eine genaue Bewertung kann im Rahmen dieser Arbeit leider nicht erfolgen, jedoch verweist schon LIMC VI 1 (1992), 750 s. v. Nemesis (P. Karanastassi – F. Rausa) eher auf eine Entstehung in römischer Zeit, und selbst Tradler muss bei ihrer Besprechung des Reliefs einige Differenzen zu ihren Vergleichsbeispielen aus dem frühen 3. Jh. v. Chr. zugestehen. So verweist der sitzende Grieche der linken Schmalseite genauso eher in späthellenistische Zeit wie die langgestreckte, hochrechteckige Form des Zahnschnittfrieses, Tradler 1998, 12. 25.

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KULT BEI DER ARENA. NEMESIS-HEILIGTÜMER IM KONTEXT RÖMISCHER AMPHITHEATER Von einer Neugründung des Kultes in Smyrna durch Alexander den Großen berichtet ebenfalls Pausanias. Danach erschienen dem nach der Jagd erschöpft in einem Nemesis-Hain Ruhe suchenden Feldherren die beiden Nemesis-Göttinnen und forderten ihn auf, eine Stadt zu gründen132. So konstituierte sich Neosmyrna der Legende nach als Synoikismos der nach der Zerstörung Altsmyrnas verstreut lebenden Smyrnäer durch Alexander den Großen. Auch das Aussehen des wohl im 3. oder 2. Jh. v. Chr. entstandenen Kultbildes der beiden Nemeseis ist nicht überliefert. Mehrfach wurde jedoch vermutet, Reflexe auf die Kultstatuen seien maßgeblich in Münzprägungen römischer Zeit erhalten133. So wurden seit Domitian in Smyrna Münzbilder der zweifachen Nemesis geprägt (Abb. 4). Die Göttinnen erscheinen vollkommen identisch; sie sind barhäuptig, ungeflügelt, tragen einen unter der Brust gegürteten Chiton, darüber ein Himation und führen beide den Nemesis-Gestus aus. Die linke, etwas nach rechts gewandte Figur hält Zügel in ihrer linken Hand, die rechte, frontal stehende Figur trägt eine Elle bei sich134. Diese beiden Attribute symbolisieren nun wesentlich emphatischer und für die weitere ikonographische Darstellungstradition deutlich nachhaltiger die Wesenseigenschaften der Nemesis, als noch die rhamnusische Statue. Mit der Elle ermisst sie Worte und Taten der Menschen und versucht diese gleichzeitig mit den Zügeln im Zaum zu halten. Durch die Geste des ›Speiens in den Kolpos‹ ist sie – wie oben dargelegt – als Hüterin des gerechten Ausspruchs charakterisiert. Dieser Typus bleibt für die smyrnäische Münzprägung charakteristisch und erscheint nur im attributiven Beiwerk marginal verändert bis in die Zeit Gallienus’135. Die kaum variierenden Darstellungen der beiden Göttinnen auf unterschiedlichen Emissionen legen also tatsächlich ein statuarisches Vorbild für die Münzprägungen nahe; ob es sich dabei aber tatsächlich um das hellenistische Kultbild handelte oder um ein später gestiftetes Werk, kann nicht entschieden werden. Nemesis in Ägypten Möglicherweise von Smyrna ausgehend, gelangte der Kult im 2. Jh. v. Chr. nach Ägypten 136 . Nur indirekt konnte bisher ein hellenistischer Kult dieser Göttin in der ptolemäischen Hauptstadt Alexandria nachgewiesen werden; sie fand hier wohl ähnlich wie in Smyrna als Zweiheit Verehrung137. Für das 1. Jh. v. Chr. überliefert Appian die Errichtung eines Nemesisheiligtums unter Caesar direkt über der Stelle, an welcher dieser den Kopf des Pompeius hatte bestatten lassen; beim Judenaufstand im Jahre 116/117 n. Chr. während der Regierungszeit 132

Paus. 7, 5, 2–4. Klose 1987, 29. Zur Hypothese, die römischen Münzbilder gäben das hellenistische Kultbild wieder, s. Schweitzer 1931, 204 und zuletzt Tradler 1998, 32. 134 Vgl. beispielsweise BMC Greek Coins Ionia Kat.-Nr. 133. BMC Greek Coins Ionia Kat.-Nr. 151. 135 Klose 1987, 317. 136 Auf Delos sind aus dem 2. Jh. v. Chr. Weihungen eines SarapisPriesters an Isis-Nemesis bezeugt (Hornum 1993, Kat.-Nr. 76–78). 137 Volkmann 1928, 303 f. Schweitzer 1931, 176.210. Lichocka 2004, 5 f. 133

Kaiser Trajans wurde es zerstört 138 . Ein potentielles Kultbild dieses Nemeseums konnte bisher nicht identifiziert werden, allerdings wurde immer wieder auf eine Darstellung der Nemesis-Pax aufmerksam gemacht, die auf Prägungen des Claudius, des Vespasian sowie auf Erinnerungsprägungen auf Caesar unter Kaiser Trajan erscheinen und die möglicherweise das caesarische Kultbild wiedergeben (Abb. 5). Nemesis erscheint hier mit der Beischrift pax augusti, geflügelt, den NemesisGestus ausführend und einem Caduceus in der Rechten. Zu ihren Füßen ist eine Schlange dargestellt139. Damit ist das römische Ordnungs- und Friedenskonzept konsequent auch in der Darstellung ausgeführt. Die Strafe der Nemesis muss jedem Frieden vorausgehen – ohne eine Unterwerfung der Feinde, ohne das Eingreifen der Nemesis ist kein Friede möglich140. Hierin äußert sich nun aber nicht ein allein auf Caesars clementia beschränktes Verständnis nemesischer Werte. Vielmehr scheint in diesem und in ähnlichen kleinformatigen Nemesis-Bildnissen, die in der zweiten Hälfte des 1. Jh. v. Chr. entstanden sind, eine universale Aussage zu den Bedingungen des augusteischen Friedens reflektiert zu werden 141 . Die späteren Erinnerungsprägungen dürfen dann als Rückgriff zur Bewahrung des julischclaudischen Erbes verstanden werden und können nicht zwangsläufig als Wiedergabe des caesarischalexandrinischen Kultbildes gelten. Zuletzt hat Tradler einen neuen Vorschlag zur Gestalt des Kultbildes vorgebracht, wonach auf einem Sard aus dem 1. Jh. v. Chr. mit Nemesis in römischer Darstellungstradition, jedoch dem ägyptischen Motiv des Niedertretens eines Feindes, viel eher als auf den Erinnerungsprägungen die alexandrinische Nemesis zu erkennen sei142. Auch dieser Typus reiht sich jedoch in die bereits angesprochene 138

App. Civ 2, 90. Hierin äußern sich in exponentieller Weise Reflexe römischen Ordnungsanspruchs auf nemesische Wesenseigenschaften. Indem der bestattete Pompeius-Kopf regelrecht als Opfergabe für die Göttin verstanden wird, dient er zum Gedenken an die maßhaltende, Gerechtigkeit stiftende Ordnungsmacht der Göttin, die der superbia der Caesargegner Einhalt gebot, bzw. denen durch Caesar selbst die gerechte Strafe zuteil wurde. Andererseits ist die Errichtung eines Nemesisheiligtums an dieser Stelle auch ein Ausdruck der clementia Caesars, der damit seinerseits der Hybris strafenden Macht der Göttin entgegenwirkt. 139 BMCRE I Claudius Kat.-Nr. 39. BMCRE II Vespasian Kat.-Nr. 97. BMCRE III Trajan Kat.-Nr. 697. Zur Zuweisung des Kultbildes Schweitzer 1931, 210. LIMC VI 1 (1992), 757.764 s. v. Nemesis (P. Karanastassi – F. Rausa). 140 dazu Tradler 1998, 107. Zur Bedeutung von Pax s. Hölscher 1967, 94. 141 Vollenweider 1964, 8. 142 Tradler 1998, 52–54. Sie folgt dabei den Ausführungen von Volkmann 1928, 304 der erstmals eine Darstellung diesen Typs für das alexandrinisch-caesarische Kultbild postulierte. Aufgrund der identischen Darstellung mit Sichelflügeln, jedoch ohne die niedergetretene Figur zu ihren Füßen, stellt sie einen Vergleich mit einem Aureus des Jahres 42 v. Chr. an, auf dem die Darstellung der Nemesis mit der Propaganda zur Rache an den Caesarmördern zu verstehen sei. Zusammen mit der in den griechischsprachigen Osten verweisenden Inschrift auf dem Sard leitet sie daraus die Vermutung ab, die Darstellung auf dem Stein zeige das caesarische Kultbild. Unsicherheiten bleiben dabei in der immer noch sehr schwierigen Einordnung der italisch-etruskischen Gemmen (dazu Zazoff 1983, 261.278) und in der Tatsache, dass das Motiv der einen Feind niedertretenden Nemesis erst gut 150–200 Jahre später wieder auftritt und sich erst dann zum gängigen Typus qualifiziert. Zu diesem Motiv s. u. Seite 16

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3. NEMESIS – DEFINITION UND IKONOGRAPHIE universale Charakterisierung der Bedeutung von Nemesis in julisch-claudischer Zeit ein, so dass hier nicht von einem Zitat des alexandrinischen Kultbildes gesprochen werden kann. Die Gestalt desselben muss weiterhin unklar bleiben. Später scheint das römische Ägypten jedoch für die Weiterentwicklung und Neugestaltung der bisher besprochenen Nemesis-Ikonographie von zentraler Bedeutung zu sein. Im Laufe des 2. Jh. n. Chr. entstehen zunächst in trajanischer Zeit der von Schweitzer terminologisch präzisierte ›Erinyentypus‹ und ikonographisch daran anschließend nur wenig später der ›Viktoriatypus‹143. In den neuen Darstellungen der Göttin drücken sich nun gewandelte und erweiterte Vorstellungen der Nemesis aus, wie sie für die römische Kaiserzeit auch schon in der literarischen Überlieferung festgestellt werden konnten 144 . Die ruhigen, nahezu unbewegten und entrückten Darstellungen der rhamnousischen und smyrnäischen Göttinnen weichen im ›Erinyentypus‹ dem Bild einer bewegten, nach rechts eilenden Figur, geflügelten Figur, die einen Panzer mit Paludamentum oder in eine kurze Tunika trägt und meist auf eine am Boden liegende Gestalt tritt. Ihr beigestellt erscheint das Rad oder der Greif bzw. beide Attribute gemeinsam (Abb. 6). Der ›Viktoriatypus‹ wirkt dagegen ruhiger. Die geflügelte Nemesis steht im gegürteten Peplos ebenfalls auf einer besiegten Figur, greift sich, ihren charakteristischen Gestus vollführend, in ihr Gewand und hält ein Rad in ihrer Linken, welches sie meist auf einem ihr beigestellten, kleinen Altar abstützt (Abb. 7). Vor allem das Rad, der Greif und die besiegte, niedergetretene Figur qualifizieren sich nun als neue Attribute der Nemesis. Das Rad, mit dem Nemesis erstmals auf einer vergoldeten Silberschale aus einem Sarmatengrab des 1. Jh. v. Chr. im russischen Nowotscherkassk attribuiert erscheint, ist schwierig zu beurteilen 145. Als sich immer wendendes Schicksalsrad wird es reziprok entweder als von Tyche auf Nemesis oder von Nemesis auf Tyche übertragenes Element diskutiert, ebenso scheint eine Entlehnung aus dem syrischen wie ägyptischen Sonnenglauben plausibel146. Ikonographisch taucht es jedoch früher und wesentlich häufiger als Attribut der Nemesis auf, was Hornum zusammen mit der Tatsache, dass das Rad auch in literarischen Quellen immer wieder als Foltergerät der Nemesis erwähnt wird, zu der überzeugenden Annahme 143

Schweitzer 1931, 210. LIMC VI 1 (1992), 758 f. s. v. Nemesis (P. Karanastassi – F. Rausa). 144 s. o. Seite 11 145 In der literarischen Überlieferung hat es an der Seite von Nemesis verschiedene Bedeutungen: Nach Mesomedes (Mesomedes, h. Nem. 7– 8) steht es für das sich ständig wendende Schicksal der Menschen, für Ammian (Amm. 14, 11, 26) ist es Sinnbild der rastlosen Bewegung der Nemesis und im fünften nachchristlichen Jahrhundert sieht Nonnos (Nonn. Dion. 37, 423) das Rad als Werkzeug der Strafe. 146 Zum Attribut des Rades am ausführlichsten Hornum 1993, 25–28. Vgl. auch Simon 1995, 121 und Tradler 1998, 45. Zur Symbolkraft und Symbolik des Rades in der Antike existiert bisher noch keine umfassende, archäologische wie literarische Quellen berücksichtigende Untersuchung.

bringt, es sei als Attribut der Nemesis unabhängig von dem Rad der Tyche entstanden und symbolisierte eben jene strafende Macht, mit der Nemesis ungerechtes Verhalten sühnt147. Der Ursprung der Assoziation der beiden anderen Attribute mit Nemesis wurde vielfach im Zusammenhang mit der Entstehung der neuen statuarischen Typen in Ägypten gesucht. Hier haben sowohl der Greif als auch der Topos des Niedertretens des Feindes eine lange Darstellungstradition und nicht zuletzt stammen die frühesten Darstellungen der Nemesis mit diesen beiden Attributen aus Ägypten 148 . Zur Verbindung des Greifen mit Nemesis wurden verschiedene Deutungen vorgebracht: So scheint das Fabeltier in Ägypten als allsehende, allhörende, omnipräsente Personifikation gerechter Rache ähnliche Funktionen erfüllt zu haben wie Nemesis 149 . Die entstammten Zuweisung dieser Eigenschaften allerdings einem Text, der jünger ist als die ersten Darstellungen, die Nemesis mit dem Greifen verbinden150. Sie können also nicht zwingend für eine Erklärung des Phänomens herangezogen werden. Auch die frühesten Zeugnisse weiterer Gemeinsamkeiten, wie eine Verbindung beider Wesen zum Sonnenglauben oder die Eigenschaft als Grabwächter, datieren später als die ersten Darstellungen auf den domitianischen Münzen 151 . Hornum sieht den Ursprung der Verbindung von Greif und Nemesis schließlich in deren Bedeutung für den Herrscher 152. In Ägypten hat der Greif als offizielles Herrschaftssymbol sowie als Begleittier des Sonnengottes und des Horus, die für die in der ägyptischen Ordnungsvorstellung immens wichtige Aufrechterhaltung des Sonnenlaufes Sorge tragen, eine lange Tradition 153 . Ebenso erscheint Nemesis seit Ende des 1. Jh. v. Chr. in der imperialen Münzprägung als Garantin der pax Augusti und steht somit gleichermaßen in enger Beziehung zum Herrscher. Der Ausgangspunkt für die Entwicklung 147

Hornum 1993, 27. Auch ist das Rad kein kanonisches Attribut der Tyche bzw. der Fortuna, zu Fortuna s. I. Kajanto, Fortuna, ANRW II 17, 1 (Berlin 1981])502–558. 148 Der weibliche Greif mit einer Tatze auf dem Rad erscheint zuerst auf alexandrinischen Münzen domitianischer Zeit: BMC Greek coins Alexandria Kat.-Nr. 323–327. Die über eine niedergetretene Figur triumphierende Nemesis stellen erstmals alexandrinische Münzen trajanischer Zeit dar: Dattari 1969, Kat.-Nr. 1059. 1060. Eine möglicherweise späthellenistische Terrakotta-Statuette aus dem ägyptischen Fajum könnte auf eine noch ältere Übertragung dieses Topos auf die Nemesis-Ikonographie hinweisen. Maderna 2006, 262 sowie Kat.-Nr. 155. 149 Im sog. Mythos vom Sonnenauge auf dem Leidener demotischen Papyrus I.384 wird der Greif als omnipotente Macht beschrieben, Spiegelberg 1917, 7. Zur Verbindung des Greifen mit Nemesis ausführlich Flagge 1975, 106–121. 150 Zur Datierung des pLeiden I.384 s. Spiegelberg 1917, 1. 151 Hornum 1993, 28–30. 152 Hornum 1993, 31 f. 153 Flagge 1975, 20. Die Greifendarstellung findet sich seit julischclaudischer Zeit auch auf den Panzerstatuen der Kaiser. Seit diesem Zeitpunkt ist die motivische Verwendung des Attributes der Nemesis ein fester symbolischer Bestandteil der römischen Herrscherikonografie. Im 2. Jh. n. Chr. erfährt das Motiv nochmals einen starken Aufschwung als Panzerzier Trajans und Hadrians, vgl. Stemmer 1978, 152.

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KULT BEI DER ARENA. NEMESIS-HEILIGTÜMER IM KONTEXT RÖMISCHER AMPHITHEATER des nemesischen Greifs in der römischen Kaiserzeit ist mithin in der Verwurzelung des Fabeltiers in der ägyptischen Herrschaftsideologie zu suchen. Das Motiv der niedergetretenen Figur schließlich besaß in Ägypten als Topos des triumphierenden Pharaos eine bis in die Frühzeit zurückreichende Darstellungstradition in der Herrscherikonographie. In dem über den Feind siegenden Herrscher drückt sich eine pharaonische Allmachtsideologie aus, die gerade in Ägypten zu einer der wichtigsten Herrschaftslegimitationen stilisiert wurde und damit zu häufiger Darstellung gelangte 154. In der griechischen Kunst hatte eine derart drastische Verbildlichung von Triumph über einen unterlegenen Gegner jedoch kaum Parallelen 155. Gerade in Ägypten scheint also eine Verschmelzung der griechisch-römischen Rache- bzw. Vergeltungsgottheit mit dem Topos des über den Feind triumphierenden, rächenden Pharaos sinnfällig. Eine erste Darstellung der den Feind niedertretenden Nemesis hat sich in einer möglicherweise späthellenistischen Terrakotta-Statuette aus dem Fajum erhalten (Abb. 8). Wirkliche Popularität kam dem neuen Attribut allerdings erst in der römischen Kaiserzeit zu. Vor allem seit trajanischer Zeit verbreitete sich das Bildnis der triumphierenden Nemesis mit den neu entstandenen Statuentypen in weiten Teilen des Imperiums 156 . Auffallend ist dabei, dass mit dem ersten Auftreten des Motivs auf alexandrinischen Münzen bzw. in ägyptischen Bildnissen der Göttin gleichzeitig auch die stadtrömische Münzprägung Darstellungen des über einen Feind triumphierenden Kaisers kennt; ebenso begegnet Pax auf den Münzen als eine den Feind niedertretende Göttin157. Im Gegensatz zu dem Motiv des den Feind niederreitenden Kaisers, das seit Domitian belegt ist158, blieben die Darstellungen eines zu Fuß triumphierenden Kaisers seltener und scheinbar auf die trajanisch-hadrianische Zeit beschränkt159. In Verbindung mit Nemesis hatte der Topos jedoch weiterhin Bestand. Dies mag in der engen Beziehung der Göttin zum Herrscher und ihrer Bedeutung für die imperatorische Friedens- und Siegesikonographie begründet liegen. Schon seit der zweiten Hälfte des 1. Jh. 154

Schoske 1982, 49–58. 465. Mit der schwindenden Bedeutung des Pharaos als allmächtiger Herrscher über alle Völker verändert sich die Tradition seit dem Neuen Reich und vor allem in der Spätzeit und unter ptolemäischer Herrschaft dahingehend, dass das Motiv schließlich hauptsächlich auf Darstellungen triumphierender Götter übertragen wird. Schoske 1982, 477 f. 155 Einzig mythische Kämpfe der Götter gegen Dämonen wurden in ähnlich brutaler Härte dargestellt. Jedoch tritt hier das Motiv des Niedertretens des Feindes nicht auf. Maderna 2006, 261 mit weiterführender Literatur. 156 Vgl. Hornum 1993, 33 sowie Tradler 1998, 75 f. 157 BMCRE III Trajan Kat.-Nr. 800–803.822–824. Hier hat sicherlich eine gegenseitige Beeinflussung stattgefunden, jedoch deuten die späthellenistischen Beispiele auf eine Verbindung des Motivs zunächst mit Nemesisdarstellungen hin. Seit trajanischer Zeit gelangte es über die stadtrömische, imperiale Ikonographie wieder zurück und fand nun auch in ägyptischen Nemesisbildnissen nochmals Verwendung. 158 Robertson 1962, Domitian Kat.-Nr. 108. Robertson 1971, Trajan Kat.-Nr. 74. 304. Lucius Verus Kat.-Nr. 255. 159 Dass der Typus zumindest bis in hadrianische Zeit weiterlebt, zeigt unter anderem eine Panzerstatue des Kaisers aus Hierapytna auf Kreta (Vermeule 1959–1960, Kat.-Nr. 182. Taf. 15, 47).

v. Chr. hat sich Nemesis-Pax als allegorische Friedensstifterin in verschiedenen Darstellungen etabliert. Im Motiv der niedergetrampelten Figur darf in Verbindung mit der strafenden Nemesis demnach auch eine Personifikation der bestraften Hybris oder ein Hybristus in Gestalt eines bärtigen Barbaren erkannt werden. In der römischen Kaiserzeit kann dies wiederum als ein Reflex auf die kaiserliche Ordnungsmacht und als ein Symbol für die Niederwerfung der barbarischen superbia gedeutet werden, die zwar vom Kaiser hergestellt wird, deren gerechte Ausführung jedoch Nemesis sicherstellt. Auch die Ausstattung der Göttin mit Panzer und Paludamentum verweist wohl auf die imperiale Ikonographie160. Somit konnte der Ursprung des Motivs der triumphierenden Nemesis zwar auf eine ägyptische Darstellungstradition zurückgeführt werden, seine Bedeutung erschließt sich jedoch nur im engsten Zusammenhang mit der Herrscherikonographie. Die offenbar hauptsächlich im römischen Ägypten zu Beginn des 2. Jh. n. Chr. entwickelten Typen der Nemesis mit den prägnanten, differenziert kombinierbaren Attributen prägten die weitere Darstellungstradition im römischen Imperium nachhaltig. Es entstanden keine weiteren, neuen Bildtypen und die Darstellung der Nemesis lebte in den bereits vorhandenen Traditionen fort. Bezeichnend ist die intensive Verknüpfung mit der Herrschaftsikonographie und -ideologie, die in den neu hinzugetretenen Attributen der Göttin zum Ausdruck kommen. 3.2. Zusammenfassend zur Ikonographie der Nemesis Im Gegensatz zu schriftlichen Zeugnissen bleiben Darstellungen der Nemesis bis in die römische Kaiserzeit selten und auch dann entwickelten sich keine gewandmotivischen oder physiognomischen Charakteristika, die Nemesis von Darstellungen anderer Gottheiten absetzten. Allein durch Inschriften oder beigegebene Attribute kann die Identifizierung eines Werkes als Nemesis erfolgen. Die auffallend geringe Anzahl überlieferter Denkmäler archaischer, klassischer oder hellenistischer Zeit lassen sich möglicherweise mit der Furcht vor der Verbildlichung ihrer Wirkmacht erklären161, da mit einer konkret charakterisierenden Darstellung der Göttin immer auch ihr strafendes, unheilbringendes Wesen hätte präsentifiziert werden müssen. In diesem Zusammenhang würde es daher nicht verwundern, dass vor allem die frühen Darstellungen der Göttin – gerade in Rhamnous oder Smyrna – immer auf eine sehr allgemeine, unspezifische Darstellungsform zurückgreifen. So entwickelte sich zwar schon früh eine konkrete Vorstellung ihres Wesens und Wirkungsbereichs, eine eigene Darstellungstradition konnte daraus allerdings nicht abgeleitet werden. Im ausgehenden Hellenismus schwindet zwar nach und nach die Bedeutung und damit die Darstellung der großen, unangreifbaren Götter zugunsten eines mehr schicksalsgebundenen Glaubens, jedoch verhalf auch diese Entwicklung den Schicksalsgöttern nicht unmittelbar zu 160 161

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Tradler 1998, 58. Tradler 1998, 234 f.

3. NEMESIS – DEFINITION UND IKONOGRAPHIE einer intensiveren Darstellungspraxis, sondern führte zunächst eher zu einer Verbildlichung der durch deren Eingreifen Geschlagenen und Unterlegenen162. Erst mit der römischen Assimilation der Göttin scheint sich diese Auffassung zu ändern. Den Entwicklungen im ausgehenden Hellenismus folgend, wird Nemesis aufgrund gemeinsamer Beziehungen zum Schicksal mit Fortuna und Viktoria verbunden163. Als numina mixta gelangte die Göttin, erkennbar ausschließlich an ihren Attributen, vorwiegend im römisch-italischen Raum zu einigen Darstellungen164. In erster Linie dieser Schicksalskonnotation folgend, argumentiert Erika Simon, dass die bekannten Maßnahmen165, die dazu gedacht waren, die drohende superbia eines Feldherrn beim Triumphzug zu mindern, vor allem in der späten Republik und frühen Kaiserzeit auf einen Schutz vor der invidia der FortunaNemesis zurückgehen; die Rache der Göttin konnte also auch auf die hochfahrende superbia eines Feldherren zurückfallen166. Die Bedeutung dieser Maßnahmen verlor jedoch bereits im 1. Jh. n. Chr. an Substanz, da die fortschreitende Divinisierung der Kaiser ein Gemahnen an seine Menschlichkeit ohnehin überflüssig werden ließ 167 . Zu dieser Entwicklung passt die gleichzeitige Identifikation der Nemesis mit Pax, wobei Nemesis nun im Sinne der römischen Siegesideologie als Rächerin der von äußeren Feinden an den Tag gelegten superbia verstanden wird168. Damit erweiterte sich der Wirkungsspielraum der Göttin von einer vielfach sehr individuell gemeinten Übertretung moralisch gerechter Regeln, hin zu einem geradezu normativen Gerechtigkeitsanspruch für das Wohlergehen des Imperium Romanum. In der zeitgenössischen Literatur des 1.–2. Jh. n. Chr. hat sie zwar weiterhin als die Wahrerin einer Gerechtigkeit bestand, vor deren invidia auch eigenes Glück nicht verschont bleibt 169 , in der darstellenden Kunst jedoch 162

Zu dieser Entwicklung im Hellenismus vgl. Hölscher 1985, 120–136, hier bes. 134. 163 Vgl. Simon 1995, 122. 164 Zu Nemesis-Fortuna vgl. besonders Tradler 1998, 96–103. Zu Nemesis-Viktoria s. Tradler 1998, 137 f. 165 Mit einem ihn an sein Menschsein gemahnenden servus publicus im Rücken, apotropäischen Symbolen und Spottliedern der Soldaten suchte der Triumphator sich herabzusetzen und so der Strafe für zu große Überheblichkeit zu entgehen. Quellen dazu in RE VII A 1 (1939) 506– 509 s. v. Triumphus (W. Ehlers). 166 Simon 1995, 123 ersetzt dabei die Fortuna gloriae carnifex des Plinius (nat. hist. 28, 39) mit einer Fortuna-Nemesis. Der Brauch, den Feldherren seiner Menschlichkeit zu erinnern, existiert jedoch schon seit der frühen Republik (Hölscher 1967, 84), als die Göttin Nemesis im römischen Einflussgebiet sicherlich noch unbedeutend war. Außerdem bleiben die Darstellungen der Nemesis in Rom und dem italischen Raum auf die Kleinkunst beschränkt, es existierte kein offizieller Nemesis-Kult (Tradler 1998, 233). 167 Dies wird vor allem dadurch deutlich, dass in der Bildkunst der Staatssklave hinter dem Feldherren durch Viktoria ersetzt wird. Da sich seine Funktion nur noch in der symbolischen Darstellung der Sieghaftigkeit des Kaisers erschöpft, kann er in der Bildkunst durch eine Gottheit ersetzt werden, »die den Sinn der Handlung reiner zum Ausdruck bringt«. Diesen Aspekt hat vor allem Hölscher 1967, 84 herausgearbeitet. 168 Zur Verbindung von Nemesis mit Pax s. Tradler 1998, 107 f. Über die Bedeutung von Pax vgl. Hölscher 1967, 94. 169 Vgl. beispielsweise Artem. 2, 37. Mesomedes, h. Nem. 7–8.

erreicht ihre Verbildlichung als Bewahrerin der römischen Ordnung gegen äußere Feinde einen Höhepunkt. Beispielsweise erscheint Nemesis, charakterisiert durch ihren typischen Gestus und ein Rauchopfer vor der Schlacht empfangend, eingebunden in eine narrative Siegesallegorie auf der linken Nebenseite eines Galatomachiesarkophags in den Vatikanischen Museen170 als Garantin des Sieges über die Barbaren. Am deutlichsten äußert sich dieser Siegesaspekt allerdings in der häufigen Darstellung als Nemesis-Pax oder NemesisVictoria, ab dem 2. Jh. n. Chr. vor allem als triumphierende Nemesis, die nun, auf den pharaonischen Topos der Feindvernichtung zurückgreifend, die Unterdrückung der feindlichen superbia in aller Deutlichkeit zum Ausdruck bringt. Die Grundmuster für diese neuen Darstellungsformen der Göttin entstanden in Ägypten, wo eine traditionsreiche, lang etablierte pharaonische Unterwerfungsikonographie existierte und seit jeher Synkretismen und theriomorphe Wesen bei der Entwicklung und Darstellung von Göttern eine wichtige Rolle spielten. Damit gelangte Nemesis sukzessive zu einer spürbar intensiveren Darstellungspraxis, die vom ausgehenden 1. Jh. n. Chr. bis ins frühe 3. Jh. n. Chr. ihren Höhepunkt erlebte und die schließlich im Laufe des 3. Jh. n Chr. wieder abnahm, als sich in der Reichskrise die zu strafende superbia wieder mehr nach innen wandte. Auffällig bleibt, dass die Göttin in ihren Darstellungen auch in römischer Zeit nur äußerst selten als Individuum personifiziert wurde. Viel häufiger sind die Verbildlichungen, die sie in synkretistischer Verschmelzung mit anderen Gottheiten – wie Pax, Victoria oder Fortuna – zeigen. In diesem Umstand äußert sich möglicherweise die Auffassung, dass Nemesis nicht zwingend als eigenes, unabhängiges Wesen dargestellt werden sollte, sondern dass ihr eigenes Wirken vielmehr als eine Art Charaktererweiterung auch allen anderen Gottheiten zugeteilt werden konnte, in deren konkretem Walten man nunmehr die Gerechtigkeit stiftende Macht der Nemesis zu erkennen glaubte. Nach der ikonographischen wie ikonologischen Verschmelzung bzw. Gleichsetzung der Nemesis mit dem Greifen, konnte dies noch treffender umgesetzt werden: Indem das Fabeltier stellvertretend für Nemesis neben einer Gottheit erscheint, werden dieser gleichsam nemesische Werte zugeschrieben171. Möglicherweise äußert sich in dieser mehrdeutigen Darstellungspraxis auch die schon von Tradler postulierte Furcht vor einer realen Verbildlichung der Göttin 172 . Zumindest bleibt die Unstetigkeit in der Wahl der Darstellungen und der Attribute eminent. Auch in der zeitgenössischen Literatur zeigt sich die Unsicherheit über das genaue Aussehen der Göttin oder deren fraglichen motivischen Charakter. Nach einer bei Plinius überlieferten Anekdo170

Inv. Nr. 2141. Vgl. Faust 2011, 269 mit Abb. 3. In diesem Zusammenhang müssten viele Bildwerke, in denen Nemesis nur anhand des Greifenattributs als solche erkannt wurde, neu interpretiert werden. 172 Tradler 1998, 48. Sie führt dabei auch Weihinschriften aus Spanien und Italien an, deren Dedikanten vor einer konkreten Nennung der Nemesis zurückschreckten, bzw. deren Namen rückwärst schrieben (CIL II 1662, Canto 1984, 184 Nr. 2 sowie CIL IV 1547e).

171

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KULT BEI DER ARENA. NEMESIS-HEILIGTÜMER IM KONTEXT RÖMISCHER AMPHITHEATER te173 standen die beiden Phidias-Schüler Alkamenes und Agorakritos in einem Wettstreit um die Fertigung einer Aphroditestatue, welchen zwar Agorakritos verlor, aber daraufhin seine Statue kurzerhand Nemesis nannte und sie nach Rhamnous verkaufte. In dieser Passage äußert sich sehr eindrücklich, wie problematisch die Ikonographie der Nemesis schon in der Antike bewertet wurde174. Auch der Hinweis bei Pausanias175, dass spätere Künstler entgegen der Tradition der Nemesis Flügel gaben, verdeutlicht die Unsicherheit über ein genaues ikonographisches Schema. 3.3. Nemesis im Kontext von Amphitheatern Im Gegensatz zu den mindestens 91 inschriftlichen Belegen 176 sind bisher lediglich 23 Darstellungen der Göttin aus eindeutig amphitheatrischen Kontexten bekannt. Davon stammen allein 13, zumeist fragmentarische Reliefs aus Sarmizegetusa177; hinzu kommen fünf weitere, die aufgrund des Bildthemas bzw. der dargestellten Attribute ebenfalls einen solchen Kontext nahelegen178. Die Darstellungen der Nemesis aus Amphitheatern zeichnen gleichfalls ein sehr differentes Bild der Göttin. So können mindestens drei unterschiedliche Gewandtypen identifiziert werden, die ihrerseits wieder mit verschiedenen Attributen kombiniert sind. Ein erster Typus begegnet im Kontext von Amphitheatern ausschließlich auf Reliefs oder rundplastischen Statuetten aus Sarmizegetusa. Die Göttin erscheint hier in einen langen Chiton gekleidet, darüber trägt sie einen Mantel, dessen unterer Saum von der linken Hüfte bis über das rechte Knie fällt. Das linke Spielbein ist unter den Gewandfalten erkennbar (Abb. 9)179. In der Linken hält sie die Elle, in der leicht ausgestreckten Rechten eine Waage. Zusätzlich erscheint links der Göttin meist der klassische Nemesisgreif mit einer Tatze auf dem Rad. In zwei Fällen ist links des Greifen weiterhin eine vor einem kleinen Altar opfernde Figur zu erkennen (Abb. 10). In Tarragona ist auf einem Fresko – ein für Nemesisdarstellungen bisher singulärer Bildträger – ein weiterer 173

Plin. nat. 36, 17. Erhardt 1997, 32. 175 Paus. 1, 33, 7. 176 Allein bei Hornum 1993 finden sich bei genauer Durchsicht des Kataloges 86 Nemesis-Inschriften, die aus 17 verschiedenen Amphitheatern stammen. Hinzu kommen 5 weitere Weihungen an Nemesis aus dem Amphitheater von Virunum (Kat.-Nr. 22). 177 Alicu 1979, Kat.- Nr. 89–91. 95–101. 103. 105. 331. Des Weiteren eine große Diana-Nemesis-Statue aus Carnuntum/Bad DeutschAltenburg (Tradler 1998, Kat.-Nr. 251), ein Nemesisfresko aus Tarraco/Tarragona (Tradler 1998, Kat.-Nr. 59), zwei Reliefs aus Virunum (Gugl 2004c, 323–332), Reste einer Statue aus Aquincum/Budapest (Torma 1881, Taf. 13), ein Greifenrelief aus Lepcis Magna/Lebda (Di Vita-Evrard 1999, 83), ein Relief aus Segusium/Susa (Legrottaglie 2008, Kat.-Nr. 443) sowie drei fragmentarische Reliefs aus Scarbantia/Sopron (CSIR Ungarn II Nr. 2. 11. 12. 13). 178 Ein Weihrelief aus Andautonia (Knezovic 2010, 193–198), ein Relieffragment aus Aquileia (Tradler 1998, Kat.-Nr. 253), sowie drei weitere Reliefs aus Flavia Solva (Diez 1946, 1–14), Ovilava (Tradler 1998, Kat.-Nr. 252) und Teurnia (Tradler 1998, Kat.-Nr. 160). 179 Vgl. dazu auch Alicu 1979, Kat.-Nr. 91. 105. 174

Typus belegt, der außerhalb des amphitheatrischen Kontextes vor allem aus Alexandria bekannt ist. Zwei weitere Beispiele, die jedoch nicht sicher in den Kontext von Amphitheatern zu setzen sind, stammen aus Patras180 und Gortyna181. Nemesis ist hier im klassischen, schon erwähnten ›Erinyentypus‹ wiedergegeben. Die über eine flach am Boden liegende Figur triumphierende Göttin wendet sich nach rechts, das rechte, angewinkelte Bein auf einem Rad abgestützt. Sie trägt eine kurze Tunika und einen Panzer. Der rechte Arm hängt am Körper herab, mit dem ausgetreckten linken Arm hält sie einen Globus vor sich (Abb. 11). Das Motiv findet seine engsten Parallelen in den alexandrinischen Darstellungen aus trajanischer Zeit182, ist jedoch leicht abgewandelt, da Nemesis ohne Flügel und mit dem Globus als neues Attribut wiedergegeben wird. Zusätzlich stehen links und rechts der Göttin weitere Figuren: Auf der rechten Seite ist ein nach links zur Göttin gewandter Togatus abgebildet, der, mit einem Füllhorn in der Linken, zu Recht als Genius loci identifiziert wird 183 . Mit der ausgestreckten Rechten vollzieht er ein Libations- oder Brandopfer über einem wohl bronzenen Dreifuß, der zwischen der Figur und der Göttin steht. Nach links wird das Fresko durch die Gruppe eines venator mit einem Bären abgeschlossen. Der venator steht nach rechts zur Nemesis gewandt und hält ein Messer in der Linken, der Bär wendet sich nach links zur Flucht. Der dritte Typus begegnet im Kontext von Amphitheatern in sechs Darstellungen aus Noricum und Pannonien184. Nemesis erscheint hier gewandmotivisch sehr stark an Diana angeglichen. Sie ist in einen kurzgeschürzten Chiton mit Überfang und kurzen Ärmeln gekleidet, bei dem die untere Gürtung vom Gewandüberwurf verdeckt wird und der Gürtel der oberen Schürzung von einem breiten, zu einem Wulst gedrehten Mantel überlagert erscheint. An den Füßen trägt die Göttin bis über die Knöchel reichende Stiefel und über dem meist üppig aufgebauschten Kopfhaar ein hoch aufragendes Diadem. Ihr beigestellt erscheinen – beispielsweise bei der Nemesis-Statue aus Carnuntum – der geflügelte Nemesisgreif und das Rad (Abb. 12). Weitere Attribute verweisen eindeutig in den Bereich der Arena. Meist hält sie eine Peitsche und/oder einen Schild in den Händen, zusätzlich erscheint die Göttin in Carnuntum mit einem Schwert attribuiert, wird im Amphitheater also mit Gegenständen dargestellt, die vornehmlich als Gladiatorenwaffen zu deuten sind185. In Virunum ist der Göttin zusätzlich ein schon von Reliefs aus Sarmizegetusa bekannter kleiner Altar beigestellt, an welchem eine ihr 180

Das Relief wurde ca. 100 m entfernt von diversen Gebäudestrukturen entdeckt, die Ioannis Papapostolou als Überreste eines Amphitheaters deutet. Papapostolou 1989, 368–370. 181 s. u. Seite 52 sowie Montali 2006, 194–197. 182 Vgl. Dattari 1969, Kat.-Nr. 1059. sowie infra Abb. 5. 183 Dupré Raventós 1990, 114. 184 Zwei Reliefs stammen aus dem Amphitheater von Virunum/Maria Saal (Kat.-Nr. 22), eine rundplastische Statue aus dem MilitärAmphitheater von Carnuntum/Deutsch-Altenburg (Kat.-Nr. 4) sowie drei fragmentarische Reliefs aus Scarbantia/Sopron (Kat.-Nr. 18). 185 Tradler 1998, 190.

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3. NEMESIS – DEFINITION UND IKONOGRAPHIE gegenüberstehende Figur opfert (Abb. 19. 20). Fünf weitere Reliefs aus Noricum, Pannonien und dem angrenzenden Venetia et Histria zeigen eine gewandmotivisch nahezu identisch dargestellte Göttin 186 mit ähnlichen Attributen wie Peitsche, Schild, Fackel oder Dreizack, so dass auch bei diesen Darstellungen eine enge Beziehung der abgebildeten Göttin zu den Spielen im Amphitheater naheliegend erscheinen muss. Dass ein Bezug zu Nemesis besteht, wird durch den meist beigestellten Greifen und das Rad oder durch begleitende Inschriften, die Nemesis erwähnen, deutlich. Einen Sonderfall stellt ein Relief aus Teurnia dar, auf dem die Göttin im schon besprochenen Gewandmotiv zusätzlich mit Bogen und Köcher ausgestattet eindeutig als Diana zu identifizieren ist (Abb. 13). Dennoch opfert sie im Relief an einem Altar, der mit der Inschrift nemesi aug(ustae) deutlich auf Nemesis Bezug nimmt187. Links des kleinen Altars folgt schließlich eine Gruppe von drei peitschentragenden venatores im Nahkampf mit einem Bären, die den Bezug zum Amphitheater sinnfällig machen. Im Kontext von Amphitheatern begegnen also drei vollkommen unterschiedliche Typen, die sich nicht nur gewandmotivisch, sondern auch in ihren jeweiligen Attributen deutlich voneinander absetzen. Nemesis erscheint in Verschmelzung mit Iustitia oder Dike, wie die Waage als obligatorisches Attribut der Göttin in den Darstellungen aus dem sacellum von Sarmizegetusa nahelegt188. In dieser Verbindung ist einer der zentralen Wesenszüge der Nemesis – als Garantin der gerechten Sache – sehr wirksam zum Ausdruck gebracht. Jedoch übernimmt Nemesis nicht direkt die Aufgaben der personifizierten Gerechtigkeit, wie Hornum es in seiner Übersetzung einer für dieses Problem zentralen Inschrift aus Hierapolis versteht (»Nemesis holds the scales of Dike«) 189 , vielmehr muss das Wirken der Nemesis wiederum indirekt, als eine Kontrollinstanz angenommen werden, das den Entscheidungen der Dike vorausgeht und diese positiv wie negativ beeinflussen kann: Ἡ Νέµεσις θνητοῖσι Δίκης πλά⟨σ⟩τιγγα σαλεύει190 heißt es in der Inschrift; die Göttin hält die Waage nicht stellvertretend für Dike, sie kann sie allenfalls σαλεύειν ›erschüttern‹. Im Kontext der Amphitheater ist eine Präsenz der DikeNemesis insoweit gerechtfertigt, dass das Geschehen in der Arena die Wiederherstellung und Aufrechterhaltung von Gerechtigkeit und Ordnung im Imperium Romanum versinnbildlicht und somit ein direkter Bezug zu den normativen Gerechtigkeitsansprüchen, die durch die beiden Gottheiten vertreten werden, hergestellt werden kann.

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Einzig das Relief aus Flavia Solva weicht im Gewandmotiv ab. Hier ist Nemesis als Viktoria mit Siegeskranz und Palmzweig dargestellt, bei der nur der beigestellte Greif auf Nemesis verweist. Der Bezug zum Amphitheater entsteht durch die von der Göttin bekränzte Figur, die sich mit Schild und Fackel als Gladiator ausweist (Weber 1969, Kat.Nr. 168). 187 CIL III 4738. 188 Hornum 1993, 63 mit weiterer Literatur zum Attribut der Waage. 189 Hornum 1993, 64. 190 Ritti 1985, 131 f.

Der am sichersten in Tarragona zu identifizierende Typus der triumphierenden Nemesis stellt zwar keinen »common type«191 im Bereich der Arena dar, kann jedoch mit der von Hornum treffend erkannten Relation zwischen Nemesis und dem Kaiser bzw. der Pax auch auf die Spiele im Amphitheater übertragen werden. Als Symbol römischen Ordnungs- und Gerechtigkeitsanspruchs hat das Motiv des Niedertretens auch im Amphitheater seine Berechtigung, denn in den Spielen sollte sich doch immer wieder aufs Neue die Überlegenheit der römischen Kultur gegenüber der restlichen Welt manifestieren. Das Motiv der triumphierenden Nemesis versinnbildlicht hier ebenso wie in allen anderen Unterwerfungsdarstellungen den gerechten Sieg über die feindliche superbia und unterstreicht damit die der Gladiatur zugeschriebene »sakrale Siegessymbolik«192. Ein gänzlich anderes Konzept, das tatsächlich auch auf den Bereich des Amphitheaters beschränkt zu sein scheint, wurde in der Gleichsetzung der Nemesis mit Diana realisiert und ist vor allem in Darstellungen aus Noricum und Pannonien vertreten 193 . Entgegen den Meinungen Tradlers und Hornums194, die nur in der rundplastischen Statue aus Carnuntum einen engen Bezug zu Diana feststellen können und allenfalls noch in dem Relief aus Teurnia eine hinreichende Verbindung von Nemesis und Diana zu erkennen meinen, scheint eine Verschmelzung der beiden Gottheiten in Darstellungen im Bereich des Amphitheaters viel konkreter greifbar 195 . Allein neun Reliefs und mindestens eine große rundplastische Statue 196 zeigen eine gewandmotivisch stark an Diana angelehnte Göttin. Weitere Attribute legen freilich auch synkretistische Verbindungen zu anderen Gottheiten wie Luna oder Viktoria nahe197, doch gerade der auffälligen Homogenität in der Wahl sowie der Art und Weise der Bekleidung muss eine Bedeutung für die Identifizierung der dargestellten Gottheit konzediert werden. Eklatante Parallelen weisen die Nemesis-Bildnisse dabei mit der Ikonographie der sog. thrakischen Jägerin auf, ein vor allem in Thracia und Macedonia beheimateter Kult der Diana-Bendis, die im Bereich der weiblichen Fertilität, zum Schutz der Familie oder ganz allgemein aus 191

so Hornum 1993, 65. Flaig 2003, 245. 193 Zur Diana-Nemesis vgl. Foucher 1994, 230 f. sowie jüngst auch Legrottaglie 2008, 144–146. Es fehlt hier allerdings eine Diskussion des Ursprungs dieser Verbindung, des Weiteren erkennt die Autorin nicht alle vorhandenen Beispiele und identifiziert entgegen der Meinung des Verf. das Bildnis aus Tarraco/Tarragona ebenfalls als Diana-Nemesis. 194 Hornum 1993, 67. Tradler 1998, 128. 195 Dazu auch Pastor 2010, 219 f. 196 Eine weitere lebensgroße Statue war im zivilen Amphitheater von Aquincum aufgestellt. Allerdings hat sich von dieser nur der Kopf erhalten. Torma 1881, Taf. 13. Die eklatanten Ähnlichkeiten in der Gestaltung der Frisur und des Kopfschmuckes mit den Darstellungen aus Virunum und Carnuntum legen jedoch nahe, dass es sich auch gewandmotivisch um denselben Typus handelte. 197 Auf einem der Reliefs aus Virunum erscheint hinter dem Kopf der Göttin eine Mondsichel (Abb. 19). Auf dem anderen scheint sie geflügelt zu sein, jedoch ist dieser Umstand aufgrund des schlechten Erhaltungszustandes des Reliefs nicht mehr genau zu überprüfen. Es könnte sich auch um einen Teil eines Mantels handeln (Abb. 20). s. u. Seite 28 192

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KULT BEI DER ARENA. NEMESIS-HEILIGTÜMER IM KONTEXT RÖMISCHER AMPHITHEATER Dankbarkeit für erhaltene Hilfe verehrt wurde und deren Darstellungsform allem Anschein nach als eigene Kunsttradition aus klassisch-griechischen Vorbildern entwickelt wurde 198. Wie Nemesis trägt die Thrakerin einen kurzen, knapp unter der Brust gegürteten Chiton und niedrige Jagdstiefel. Weitere Parallelen finden sich in der Gestaltung der Stofflichkeit des Gewandes, in den wulstigen, fleischigen Formen der Gesichtszüge sowie allgemein in der Proportionierung des Körpers 199. Die Verbreitung der Darstellungen setzt ungefähr zur Zeit Hadrians ein und beginnt somit etwas früher als die Verbildlichung der Nemesis, deren Denkmäler im Balkan-Donau-Raum parallel zur Entstehung bzw. zum Ausbau der Amphitheater in diesem Gebiet etwa im 3. Jh. n. Chr. aufkommen200. Obwohl im Bereich des Kultes keine Wesensverwandtschaft zwischen der thrakischen Diana-Bendis und der Diana-Nemesis im Amphitheater festzustellen ist, verweisen die ikonographischen Parallelen dennoch auf eine gegenseitige Beeinflussung. Da Nemesisdenkmäler tendenziell etwas später einsetzen, könnte eine Vorbildfunktion der Darstellungen der thrakischen Diana geltend gemacht werden. Dass Diana mit den Geschehnissen in der Arena – vor allem mit den venationes – in Zusammenhang gebracht werden konnte, liegt nicht nur an ihrer ältesten Bedeutung für die Jagd201. Bereits im etruskisch-italischen Pantheon fungiert die Gottheit mit einem ausgeprägt chthonischen Charakter als Hüterin der Tiere und Rächerin unrechtmäßiger wie außerritueller Tötung derselben. In der Kaiserzeit erfährt sie eine Aufwertung und erscheint zusätzlich im Rahmen imperatorischer Schutzgötter 202 . Damit besitzt sie gleich mehrere Wesenszüge, die im Bereich der Amphitheater bedeutungstragend sind und die sie mit Nemesis teilt. In den Darstellungen aus Noricum und Pannonien findet sich somit – mit wechselnden Attributen, die aber hauptsächlich dem Bereich der Arena entstammen – ein in seinen Grundzügen klarer semantischer Bezug, der dem antiken Betrachter im Kontext des Amphitheaters eine Identifizierung der Göttin als Diana-Nemesis deutlich werden ließ und deren Bedeutung sich in diesem Bereich aus einer Kombination der den beiden Gottheiten zugeschriebenen Wesenszüge erschließt. Auf eine weitere ikonographische und wesensgleiche Parallele macht in diesem Zusammenhang auch Alison Futrell aufmerksam: Nicht nur an Diana scheint die Göttin angeglichen, auch mit den alten etruskischen Erinyen, besonders mit der dämonenhaften, todbringenden Vanth, teilt sich die Göttin verschiedene Merkmale203. 198

Deoudi 2010, 79. Zum Kult vgl. auch Deoudi 2010, 91. Vgl. beispielsweise Deoudi 2010, Kat.-Nr. S 1. S 15. S 17. Hornum 1993, 49. 201 So schon bei Tert. spect. 12, 7. Dazu auch LIMC II, 1 (1984) 844 s. v. Diana (E. Simon – G. Bauchhenss). 202 LIMC II, 1 (1984) 793 f. s. v. Diana (E. Simon – G. Bauchhenss). Neben den schon republikanisch überlieferten Heiligtümern auf dem Aventin und in Nemi, wird sie in der Kaiserzeit an die Seite des Apollon Palatinus in seinen Tempel auf dem Palatin gestellt. 203 Futrell 1997, 112. 199

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In der etruskischen Ikonographie erscheint Vanth regelmäßig geflügelt, in kurzgegürteter Tunika mit Jagdstiefeln, attribuiert mit Fackel und Schlange als Überbringerin des Todes204 – Merkmale, die vor allem im chthonischen Charakter der Nemesis im Amphitheater Parallelen finden. Im römischen Kontext begegnet ein ähnlich dargestelltes Wesen bereits auf der Megalographie der Mysterienvilla in Pompeji. Die geflügelte Dämonin in hohen Jagdstiefeln ist im Begriff mit der erhobenen Peitsche zuzuschlagen und allegorisiert im Kontext des dionysischen Initiationsritus die Ausübung von Strafe und somit auch eine Form von Rache, wodurch eine Identifizierung mit Nemesis glaubhaft gemacht werden kann205. Die Peitsche, hier als Symbol der Strafe, begegnet später als Attribut der venatores und der Nemesis im Kontext der Amphitheater. Möglicherweise handelt es sich hierbei um Reflexe auf einen schleichenden Übernahmeprozess, in dessen Verlauf Nemesis zunächst mit Diana und anderen Todesdämonen assoziiert wurde um schließlich den Weg zur Verehrung in der Arena zu finden206. Die Auswertung der Nemesis-Darstellungen im Kontext der Amphitheater zeigt, dass die Göttin in durchaus unterschiedlicher Art und Weise in der Arena Verehrung fand. Ihre Relevanz als Garantin staatlicher Ordnung und Siegbringerin der romanitas, worin Hornum den »major reason for the presence of Nemeseia in so many amphitheaters« 207 sieht, kann in dieser Deutlichkeit jedoch nicht weiter aufrechterhalten werden. Der ikonographische Typus der triumphierenden Nemesis, der dieser Interpretation am ehesten entspricht, taucht im Kontext der Amphitheater nur einmal in Tarraco/Tarragona auf. Auch nur bedingt kann Flaigs Fazit zugestimmt werden, wonach sich die Präsenz der Nemesis im Amphitheater allein in ihrer Bedeutung als Gottheit der Vergeltung erschöpft 208 – es muss aber zumindest seiner, dieser Deutung zugrunde liegenden Idee einer semantischen Verschiebung der GladiaturSymbolik von staatstragender Repräsentation hin zu einem alles überwiegenden Strafaspekt überzeugende Relevanz zukommen 209 . Wesentlich häufiger sind nämlich die Darstellungen, die Nemesis in einer ihrer ureigenen Bedeutungen als Zuteilerin gerechter Strafe in Verschmelzung mit Dike versinnbildlichen sowie der Synkretismus mit Diana, der möglicherweise ebenso auf 204

Vgl. Tuck 2009, 251. Vgl. erstmals Matz 1964, 24 f. Zuletzt auch Sauron 1998, 102–105, der zusätzlich einige kleinformatige Darstellungen anführt, die ebenfalls eine peitschenschwingende geflügelte Rachegöttin zeigen. Sauron 1998, 104 f. mit Abb. 21. 22. 206 Futrell 1997, 112 FN 152. Der Verweis auf die häufige Assoziation der Vanth mit Charun, der als etruskischer Todesdämon in der Arena ebenfalls eine Rolle gespielt haben soll, ist in diesem Zusammenhang jedoch hinfällig, da bereits Ville auf die Unstimmigkeiten dieser Verbindung aufmerksam gemacht hat, Ville 1981, 2 f. Zuletzt Hufschmid 2010, 490. 207 Hornum 1993, 90. 208 Flaig 2003, 258. 209 In diesem Zusammenhang ist insbesondere die häufige Attribuierung der Nemesis mit Peitsche zu sehen, die ebenfalls diesen Strafaspekt symbolisieren kann. 205

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3. NEMESIS – DEFINITION UND IKONOGRAPHIE einen chthonischen, todbringenden Aspekt der Spiele verweisen soll. Ihre Verortung in der Arena erklärt sich damit nicht ausschließlich in einer ideologisch motivierten, staatstragenden Metabedeutung, sondern auch auf einer konkreten Ebene, die bestimmten Facetten der munera – wie der gerechten Bestrafung von Verbrechern, der Jagd im Allgemeinen sowie der chthonisch aufgeladenen Auseinandersetzung mit dem Tod in der Arena im Besonderen – geschuldet ist. Als figurative Räume für die Präsentifizierung der Nemesis in der Arena dienten die sacella, deren Untersuchung der folgende Hauptteil gewidmet ist.

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KULT BEI DER ARENA. NEMESIS-HEILIGTÜMER IM KONTEXT RÖMISCHER AMPHITHEATER 4. NEMESIS-HEILIGTÜMER AMPHITHEATERN

IM

KONTEXT

VON

Die folgende Zusammenstellung gibt einen Überblick über die Analyse von 21 Amphitheatern, die aufgrund verschiedener Funde und Befunde mit der Göttin Nemesis in Verbindung gebracht werden können. Die eindeutige Identifizierung eines Nemesis-sacellum innerhalb des Amphitheaters hängt dabei von verschiedenen Faktoren ab und kann nicht pauschal erfolgen. So existieren nur wenige Beispiele, bei denen ein Zuweisungskriterium direkt im architektonischen Verbund mit einem als Nemeseum zu bezeichnenden Raum steht210. Als Zuweisungskriterien sind Altäre mit Weihinschriften an Nemesis, Reliefs mit Darstellung der Nemesis sowie rundplastische Nemesis-Statuen oder -Wandmalereien zu verstehen. Die Zuweisung hängt daher von verschiedenen derartigen Beifunden bei den entsprechenden Örtlichkeiten ab. Da es sich dabei aber um mehr oder weniger bewegliches Ausstattungsgut handelt, muss im Befund zwischen ursprünglichem Aufstellungsort, Versturz oder Verschleppung differenziert werden. Dies gelingt durch eine genaue Bewertung der Fundsituation, durch stratigraphische Einordnung der Funde sowie durch Vergleichsanalysen mit anderen Fundorten und Räumen. In den meisten Fällen kann der Fundort zumindest grob mit dem ursprünglichen Aufstellungsort gleichgesetzt werden211, sodass der entsprechende Raum als Nemesissacellum angesprochen werden darf. Auf diese Weise können bei 14 Amphitheatern bestimmte Räume als Ort der Nemesis-Verehrung identifiziert werden212. Auf dieser Basis ergibt sich die Möglichkeit einer räumlichen Verteilungsanalyse der Heiligtümer, die im Folgenden zunächst in eine grobe Differenzierung in Nemesis-sacella innerhalb der Arena, also direkt durch Öffnungen in der Podiumsmauer zugängliche Räumlichkeiten, Nemesis-sacella in einem Korridor der Haupteingänge und Nemesis-sacella außerhalb der Arena, d.h. Räume ohne direkte Verbindung zur Arena bzw. freistehende Gebäudekomplexe, mündet. Mit dem Vergleich von Lage, Architektur und Ausstattung der Heiligtümer ist die Untersuchung des gesamten baulichen Spektrums eines einzigen, auf einen bestimmten Bereich des öffentlichen Lebens in der römischen Gesellschaft beschränkten Kultes möglich, der dann die Grundlage einer weiterführenden Interpretation bildet. Während in älteren Publikationen meist der Benutzerkreis oder die politische Bedeutung des Kultes im Vordergrund 210

Ausnahmen bilden die meist in den Boden eingelassenen plantae pedis z. B. im Amphitheater von Colonia Aelia Augusta Italicensium/Santiponce (Kat.-Nr. 12) oder das Dipinto im Amphitheater von Augusta Emerita/Mérida (Kat.-Nr. 3). 211 D. h., dass der genaue Fundort nicht zwingend dem exakten ursprünglichen Aufstellungsort entsprechen muss, es jedoch als wahrscheinlich anzunehmen ist, den Aufstellungsort zumindest innerhalb des entsprechenden Raumes zu sehen. 212 Da im militärischen Amphitheater von Carnuntum/Bad DeutschAltenburg zwei Bereiche der Nemesis zugeschrieben werden können (Kat.-Nr. 4. 5) ergibt sich die Anzahl von 15 eindeutig zuweisbaren Nemesisheiligtümern.

stand 213 , wird nun auf grundlegende Fragen zur Disposition und Funktion der Heiligtümer eingegangen werden. Ebenso wie bei den großen Kaiser- und Götterkulten, die sich in den Städten in monumentalen Tempelanlagen manifestieren, und deren Aufgabe als Vermittler bestimmter politischer Werte und einer staatstragenden kulturellen Identität sich unter anderem in einer komplexen Bildersprache ausdrückt, können bei kleineren Kulten ähnliche Aufgaben postuliert werden, die sich jedoch auf einen relativ kleinen Benutzerkreis beschränken sowie auf die Bedürfnisse desselben ausgelegt sind. Hier liegt der Schwerpunkt augenscheinlich nicht auf Monumentalität sondern auf Funktionalität. Die Heiligtümer sind in erster Linie Zweckbauten, die in der einen oder anderen Form in die Amphitheater integriert sind. Dabei gilt es zu beachten, dass neben der komplexen Semantik, die sich in der Architektur und Bildausstattung der großen Tempelbauten zeigt, auch Zweckarchitektur durchaus ihren Platz in einem semantischen System hat und von Betrachtern ›entziffert‹ werden kann. Dabei sind »selbst einfachste menschliche Produktionen nicht ohne komplexe kulturelle Semantik«214. Es gilt zu fragen welche baulichen Gemeinsamkeiten sich feststellen lassen und worauf diese zurückzuführen sind. Welche Grundbedürfnisse können daraus für die Kulträume innerhalb eines Amphitheaters abgeleitet werden? Mit der schon oben angesprochenen Bedeutung der Arena bzw. des Kampfplatzes als chthonische Zwischenwelt, als bedeutungsgeladener Raum zwischen Diesseits und Jenseits, der vor dem Betreten und vor allem vor dem Verlassen möglicherweise eine rituelle Reinigung verlangte215, muss die auffällige Unterscheidung in Heiligtümer außerhalb und innerhalb der Arena verglichen werden. Für entsprechende Riten könnten nur die außerhalb oder die im Eingangskorridor befindlichen sacella in Frage kommen, da keines der innerhalb der Arena gelegenen Heiligtümer eine Verbindung nach außen besaßen und somit nicht als vermittelnder Übergangsort dienen konnten. Von Interesse sind auch die Auswirkungen der Bedürfnisse der Kultpraxis auf die Architektur der Kultbauten: Inwieweit werden die vorhandenen Konventionen der berücksichtigt und die Amphitheater-Architektur Nemesis-sacella damit in vorhandene Strukturen möglichst homogen integriert und wird bei der Konzeption von Nemesis-sacella auf die Bedürfnisse der Kultpraxis Rücksicht genommen? Anhand der bildlichen und ornamentalen Ausstattung sowie über die Lage und Zugänglichkeit der Anlagen können Rückschlüsse auf diese Kultpraxis gezogen werden. Insgesamt entsteht durch die detaillierte Analyse von Lage, Architektur und Ausstattung der Heiligtümer ein kohärentes Bild des Charakters des Nemesis-Kultes.

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Vgl. vor allem die Arbeit von Hornum: Hornum 1993, 1–3. Hölscher 1999, 185. s. o. Seite 9 sowie Hufschmid 2009, 274.

4. NEMESIS-HEILIGTÜMER IM KONTEXT VON AMPHITHEATERN In sieben Fällen ist eine genaue Lokalisierung des Nemesisheiligtums innerhalb des Amphitheaters nicht mehr möglich, da der genaue Fundort eines Ausstattungsgegenstandes aufgrund unzureichender Grabungspublikation nicht mehr exakt lokalisiert werden kann oder weil die Fundstücke in antiker oder nachantiker Zeit verschleppt wurden. Letzteres ist vor allem bei einer bewussten Zerstörung oder Entweihung des Heiligtums zu vermuten, in einigen Fällen aber auch auf bloßen Steinraub zurückzuführen216. Zunächst folgt daher eine Analyse der 15 eindeutig zuweisbaren Nemesis-sacella, kapitelweise unterteilt in die angesprochene Verteilung innerhalb, im Korridor und außerhalb der Arena. Auf eine genaue Besprechung aller in den Katalog aufgenommenen Amphitheater muss allerdings aufgrund des begrenzten Rahmens der Arbeit verzichtet werden. Stattdessen wird für jeden Typus paradigmatisch ein Amphitheater mit Nemesisheiligtum en détail vorgestellt. Für die aufgeworfene Fragestellung ist es wichtig, die sacella nicht nur isoliert, sondern im Kontext der Heiligtümer zu betrachten. Vielmehr wird durch eine ausführliche Analyse der AmphitheaterArchitektur und des topographischen, städtebaulichen und historischen Kontextes eine Basis für die weitere Interpretation geschaffen. Daran anschließend folgt eine zusammenfassende Diskussion der restlichen Beispiele des jeweiligen Typus mit Schwerpunkt auf Lage, Architektur und Ausstattung der Amphitheater oder vielmehr der sacella. Dabei wird naturgemäß auf diejenigen Amphitheater, die aufgrund ihrer Publikationslage eine differenzierte Betrachtung erlauben, ein größerer Schwerpunkt gelegt, als auf die weniger gut publizierten Spielstätten. Durch die Herausarbeitung verschiedener Kriterien wird anschließend versucht, auch für die sieben postulierten, jedoch nicht eindeutig zuweisbaren Nemesis-sacella, raumbestimmende und chronologisch sensible Aussagen zu treffen. Dies setzt eine genaue Befundanalyse voraus, welche wiederum für die diejenigen Gebäude möglichst präzise durchgeführt wird, bei denen es die Publikationslage erlaubt.

städtischen Amphitheatern vorhandenen Substruktionen unter der Spielfläche existierten von der Arena aus zugängliche carceres in nahezu jedem Amphitheater und können als obligatorische Grundausstattung gewertet werden. Sie verteilen sich um das gesamte Caveaoval und sind je nach Bauart des Amphitheaters mal einfacher, mal aufwendiger konstruiert. Die Funktionszuweisung dieser Räumlichkeiten gestaltet sich im Detail jedoch schwierig, da definierende Beifunde oder Architekturmerkmale oft fehlen. In den meisten Fällen werden solche Räume als multifunktionale Aufenthaltsräume für Akteure oder als Zwinger für Tiere zu deuten sein217. Besonders ausgestattet und von zentraler Bedeutung sind die Räumlichkeiten auf der Schmalachse unterhalb der pulpita: Bei insgesamt acht Amphitheatern besitzt der carcer hier zusätzlich Nischen218. Ein Vergleich der Scheitelräume auf den Schmalachsen mit Hilfe der Kataloge von Golvin und Hufschmid ergibt, dass in mindestens 16 Fällen zusätzlich ein direkter Verbindungsweg zwischen dem Logenbereich und einem darunter liegenden carcer existierte219. Somit ist – gerade bei den größeren Amphitheatern – eine unmittelbare Kommunikation zwischen Arena (Akteure), carcer (Ritualbereich?) und Logenplätzen (Spielgeber) möglich. Eine Interpretation als carceres für Tiere oder gar als spoliarum, in dem man die Toten oder Sterbenden ablegte, ist wohl aus rein sensorischen Gründen zu verwerfen, da über den direkten Zugang zur Loge der Spielgeber möglicherweise mit als störend empfundenem Brüllen und Schreien der Tiere bzw. Menschen konfrontiert wäre und deren Gerüche zu erdulden hätte. Den Räumen darf somit im rituellen Ablauf der Spiele eine wichtige Funktion zugeschrieben werden, die aber bisher in keinem Fall mit Nemesis in Verbindung gebracht werden kann. Die der Nemesis zuweisbaren Räumlichkeiten innerhalb der Amphitheater besitzen keine Verbindung zum Podium oder pulpitum und sind insgesamt wesentlich einfacher gestaltet. Mit lediglich drei Beispielen bilden sie unter den untersuchten Bauwerken die kleinste Gruppe. Den interessantesten Befund bietet dabei das sacellum im Amphitheater von Virunum/Maria Saal, welches im Folgenden paradigmatisch besprochen wird.

4.1. Sacella innerhalb der Amphitheater In der kanonischen Amphitheaterarchitektur bieten sich für die Einrichtung von sacella innerhalb der Bauwerke verschiedene Räumlichkeiten an: Neben den verschiedenen Eingangskorridoren und den vor allem bei größeren, 216

Eine rituelle Umdeponierung in der Antike ist in den meisten Fällen ausgeschlossen, da allein das beträchtliche Gewicht größerer Weihealtäre die Beweglichkeit derselben signifikant einschränkt. Einen solchen Kultinventar-Umzug würde höchstens die Neuerrichtung des Heiligtums an einer anderen Stelle des Amphitheaters rechtfertigen, der schlussendlich im modernen Befund auch nicht mehr nachzuweisen wäre. Belege für eine Umdeponierung innerhalb bzw. in der näheren Umgebung des Nemesisheiligtums existieren für das MilitärAmphitheater in Carnuntum/Deutsch-Altenburg (Kat.-Nr. 4), bei dem durch mehrmaligen Umbau des Nemeseums der ursprüngliche Aufstellungsort der Altäre offensichtlich mehrmals verändert wurde (Boulasikis 2010, 261 f.) und für das Amphitheater von Virunum/Maria Saal (Kat.-Nr. 22); hier wurde ein Teil des Kultinventars zum Zeitpunkt der Aufgabe des Amphitheaters rituell vor dem Nemeseum verborgen. s. u. Seite 30 sowie Jernej 2004b, 138.

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Vgl. Hufschmid 2009, 203 Bei den hier untersuchten Amphitheatern in Augusta Emerita/Merida (Kat.-Nr. 3), Isca Silurum/Caerleon (Kat.-Nr. 11), Italica/Santiponce (Kat.-Nr. 12) und Tarraco/Tarragona (Hier auch mit Nemesisheiligtum, Kat.-Nr. 20) nachgewiesen. Weitere Nischenräume finden sich im Scheitel der Schmalachse des Amphitheaters von Puteoli/Pozzuoli (Maiuri 1955, 54–56), im Süd-carcer des Amphitheaters von Thevestis/Tebessa (Lequément 1968, 36 mit Abb. 51), im Amphitheater von Augustomagus Silvanectum/Senlis (Adam 1989, 5) sowie im Amphitheater von Tipasa (Bomgardner 2000, 156 mit Abb. 4, 17). Eine detaillierte Untersuchung der Scheitelräume aller bekannten Amphitheater wurde bisher noch nicht angestrengt, würde sich aber in Folge einer weitergehenden Analyse der rituell bedeutsamen und symbolträchtigen Räumlichkeiten innerhalb der Amphitheater anbieten. 219 Hufschmid nennt 13 Beispiele (Hufschmid 2009, 525, Tab. 3), nicht aufgeführt sind bei ihm jedoch das Militär-Amphitheater von Aquincum/Budapest (Kat.-Nr. 1) sowie die Amphitheater von Porolissum/Zalău (Kat.-Nr. 15) und Salona/Solin (Kat.-Nr. 16). Insgesamt werden von Hufschmid 30 Amphitheater aufgezählt, die durch Treppenaufgänge eine direkte Verbindung zwischen Podium bzw. pulpitum und Arena besitzen.

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KULT BEI DER ARENA. NEMESIS-HEILIGTÜMER IM KONTEXT RÖMISCHER AMPHITHEATER Virunum/Maria Saal Virunum liegt im Zentrum des heutigen österreichischen Bundeslandes Kärnten in einer topographisch günstigen Talsenke, dem sog. Zollfeld, zwischen den Ausläufern des Ulrichsberges im Osten und direkt an den Hängen des Töltschacher Berges im Westen. Hier verlief die Verbindungsstraße zwischen der Adriaküste und der Donau, kreuzten sich die römischen Fernstraßen nach Aquileia, Celeia und Ovilava – und noch heute verläuft eine der wichtigsten Zubringerstraßen der modernen Hauptstadt Kärntens, Klagenfurt, durch das siedlungshistorisch sehr bedeutende Tal. Um die Mitte des 1. Jh. n. Chr. wurde hier von Kaiser Claudius die Hauptstadt der neu eingerichteten Provinz Noricum gegründet, höchst wahrscheinlich in Nachfolge des verkehrstechnisch ungünstiger gelegenen Emporion auf dem Magdalensberg unmittelbar nördlich des neuen Stadtgebiets 220 . Es entstand eine typische römische Planstadt mit regelmäßigem, orthogonalem Straßenverlauf und öffentlichen Einrichtungen wie Forum, Thermen, Kapitolstempel, Bühnentheater und Provinzheiligtum. Bis zur Verlegung der procuratores Augusti provinciae Norici im Zuge der Markomannenkriege um 170 n. Chr. nach Ovilava blieb das Municipium Claudium Virunum ca. 130 Jahre Statthaltersitz der gesamten Region. Erst nach den diocletianischen Reformen und der Zweiteilung Noricums gegen Ende des 3. Jh. n. Chr. kehrte die Provinzverwaltung nach Virunum zurück; in der Zwischenzeit diente es lediglich dem Finanzverwalter Noricums als Amtssitz221. Topographisch teilt sich das Stadtgebiet Virunums in den flachen Talbereich auf dem Zollfeld – hier befinden sich im orthogonalen Straßennetz Wohnbebauung, Kapitol, Thermen und Forum – und in den Bereich am Töltschacher Berg (Abb. 14). In Hanglage und auf Terrassierungen entstanden hier das Bühnentheater und ein großes Gebäude, das gemeinhin als Prokuratorenpalast 222 angesprochen wird sowie das Amphitheater. Zur unmittelbaren Umgebung des Amphitheaters gehört auch ein Militärlager, das erst vor wenigen Jahren durch Luftbildprospektionen identifiziert werden konnte223. Das Amphitheater (Kat.-Nr. 22) wurde als eines der großen öffentlichen Gebäude der Stadt erst sehr spät – im Herbst 1934 – bei einer Begehung des Töltschacher Berges von Franz Jantsch entdeckt224. Weitere Untersuchungen oder Probegrabungen des aufgrund der längs220

Vgl. H. Vetters, Virunum, in: ANRW II 6 (1977), 304 f. Hier auch ausführlicher zur Geschichte und Topographie Virunums. 221 Vgl. Piccottini 1989, 169. 222 Diese Bezeichnung ist rein hypothetisch. Da hier bisher noch keine wissenschaftlichen Grabungen stattfanden und auch die Oberflächenfunde keine Indizien auf eine Funktion des Gebäudes liefern, muss die genaue Funktion vorerst offen bleiben. 223 Doneus u. a. 2003, Farbtafel 1. Rechteckform und Binnenstruktur der Bewuchsmerkmale weisen sehr deutlich auf ein Militärlager hin. Im südlichen Vorfeld der Anlage scheint sich eine differenzierte, enge Wohnbebauung anzuschließen (Vgl. Doneus u. a. 2003, 396 mit Abb. 3). Leider konnten auch durch die Luftbildprospektion noch keine Hinweise auf die Hauptzugangswege zum Amphitheater gewonnen werden. 224 Jernej 2004a, 19.

ovalen Form zunächst neutral als Arena angesprochenen Gebäudes erfolgten nicht. Erst 1998–2001 wurde das Amphitheater von Virunum eingehend untersucht und anschließend die Ergebnisse in einem Sammelband vorgelegt225. Es ist damit eines der wenigen Amphitheater, das in jüngerer Zeit ausgegraben wurde und bei dessen Untersuchung modernste Grabungsmethoden und techniken Anwendung fanden. Dies spiegelt sich auch in der Publikation wieder, die in ihrem breiten Spektrum an Befund- und Fundanalysen für die hier untersuchten Amphitheater nahezu beispiellos ist. Architektur und Baugeschichte Das Amphitheater liegt am Ostrand der Stadt am Töltschacher Berg und ist an den nach Westen zur Stadt hin abfallenden Hang gebaut (Abb. 15). Es steht auf einer künstlich angelegten Terrasse etwa 30 m über dem Stadtzentrum und konnte wegen der Geländesituation nicht in das orthogonale Straßenraster der Stadt eingefügt werden. Trotz der Hanglage wurde für die Ostseite nicht das natürliche Gefälle miteinbezogen, sondern auch hier die cavea entsprechend dem Westteil aufgemauert und mit hölzernen Tribünen versehen. Die östliche Außenmauer diente gleichzeitig als Hangstützmauer für die Terrasse des Amphitheaters. Die Maße der Hauptachsen des nord-süd-orientierten kombinierten Holz-Steinbaus in structure pleine betragen 108,10 × 46,50 m. Die Westund die Ostseite der cavea-Mauer verlaufen zwar gerade, jedoch nicht exakt parallel, sodass die Arena nach Norden hin schmaler wird. An den Enden schließt jeweils ein Halbkreis die Arenafläche ab226. Die aus einer hölzernen Sitzstufenkonstruktion bestehende cavea ruhte auf regelmäßig angeordneten Radialmauern, die zwischen der Außenmauer und der arenaseitigen Podiumsmauer liegen und in den meisten Fällen mit einer Baufuge voneinander getrennt sind. Die durchschnittliche Breite des Zuschauerraumes beträgt im Westen ca. 4,50–5,0 m während er im Osten etwas breiter ist. Die Räume zwischen den Radialmauern wurden bauzeitlich verfüllt, sofern sie nicht als Zuschauerzugänge (besonders im Nordosten und Südwesten) oder als Versorgungsräume dienten. Durch die Hanglage musste die Außenmauer der westlichen Talseite zusätzlich mit Strebepfeilern gestützt werden, die jeweils in gedachter Verlängerung der Radialmauern angebracht wurden. Im gesamten Nordostviertel verläuft im Abstand von 0,60–0,70 m hinter der Arenamauer ein zweiter Mauerring. Der schmale Kanal zwischen beiden Mauern diente der Entwässerung und schützte die Arena vor dem am Hang austretenden Grund- und Regenwasser. Die Haupteingänge liegen im Süden und Norden, ein unterirdischer Versorgungsgang führt vom Westscheitel bis in das Zentrum der Arena. Auffallend ist die Gestaltung der Haupttore: Wegen des im Osten breiteren Zuschauerraumes greift die Ostwange der Tore jeweils weiter aus. Hier bestehen Ähnlichkeiten mit dem Zivilamphitheater in Carnuntum/Bad Deutsch-Altenburg (Kat.-Nr. 6) dem Amphitheater von Flavia Solva/Wagna 225 226

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Gugl – Jernej 2004. Jernej 2004b, 48.

4. NEMESIS-HEILIGTÜMER IM KONTEXT VON AMPHITHEATERN (Kat.-Nr. 8) sowie möglicherweise mit dem Bau in Venafrum/Venafro (Kat.-Nr. 21). Die Konstruktion des Nordtores wird zusätzlich von einer voramphitheaterzeitlichen Quelleneinfassung mitbestimmt, weshalb die Ostwange noch weiter in den Hang geschoben ist. Der Mauerring ist im Norden und Süden für die beiden Tore unterbrochen, arenaseitig haben sich jeweils die Schwellen erhalten. Aufgrund der modernen topografischen Situation lässt sich leider keines der beiden Tore als Hauptzugang bestimmen. Geht man allerdings von einer engeren Beziehung des Amphitheaters mit dem jüngst entdeckten Militärlager aus, kann das topographisch günstiger gelegene Nordtor als porta sanavivaria, als Haupttor postuliert werden. Der Zuschauerraum scheint über beide Tore hinweggeführt worden zu sein227. Ebenfalls im Westscheitel lag auf Arenaniveau über dem unterirdischen Zugang ein als carcer anzusprechender Raum. Auf der gegenüberliegenden Seite befand sich das Nemeseum. Oberhalb desselben wird sich der Logenbereich befunden haben, was sich im Befund allerdings nicht bestätigen lässt. Vermutlich darf auch auf der Westseite eine entsprechende Loge lokalisiert werden. Mehrere nördlich und südlich des carcer aufgefundene Pfostenlöcher könnten auf eine solche Konstruktion hinweisen228. Separate Zugänge zu den Logenbereichen konnten nicht festgestellt werden. Das Amphitheater weist durch seine nahezu parallel geführten West- und Ostmauern insgesamt eine ungewöhnliche langgestreckte Form auf und entspricht damit nicht dem gängigen elliptischen Konzept römischer Amphitheater. Die topographisch nächstliegende Parallele ist mit dem ebenfalls in Noricum gelegenen Amphitheater von Flavia Solva gegeben. Weitere Amphitheater aus den umgebenden Provinzen folgen der klassischen, elliptischen Form und weisen keine Formverwandtschaft zu den beiden norischen Amphitheatern auf229. In seiner Untersuchung zu den Amphitheatern in Noricum erkennt Stefan Groh als einzige weitere Parallele das Amphitheater von Iol Caesarea/Cherchel (Kat.-Nr. 10) in der Provinz Mauretania Caesarensis230. Auch hier besteht der Bau im Grundriss aus einem länglichen Rechteck mit an den Schmalseiten aufgesetzten Halbkreisen und einem unterirdischen Gang, der in der Mitte der Arena endet 231 . Zudem führt Groh die »beachtenswert … vergleichbare topographische Lage« Caesareas und seiner Theaterbauten an einer der Stadt zugewandten Hangseite als Vergleichsmerkmal an, welche jedoch lediglich der einfacheren Bauweise durch

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Jernej 2004b, 62. Jernej 2004b, 137. 229 Vgl. z. B. die Amphitheater von Aquileia (Golvin 1988, Kat.Nr. 141), Carnuntum (Kat.-Nr. 4. 5) oder Aquincum (Kat. Nr. 1. 2). 230 Vgl. Groh 2005, 92 und hier Kat.-Nr. 10. 231 Golvin 1988, 112–114. Das Amphitheater von Iol Caesarea, dem heutigen Cherchell in Algerien wurde schon zu Beginn des 20. Jh. ausgegraben, ist aber wie viele der zu dieser Zeit untersuchten Großbauten leider nie zusammenhängend publiziert worden. Einzig Philippe Leveau und Golvin widmeten dem Bau einige kürzere Untersuchungen: Vgl. etwa Leveau – Golvin 1979, 817–843. 228

Ausnutzen der Geländestufe geschuldet ist232. Trotzdem erkennt Groh in dem wohl schon unter Juba II. in der ersten Hälfte des 1. Jh. n. Chr. fertiggestellten Bau das Vorbild für das Virunenser Amphitheater. Er begründet dies unter anderem mit engen wirtschaftlichen und politischen Beziehungen, die ab dem 1. Jh. n. Chr. zwischen Noricum und Afrika herrschten. So schlägt er als Auftraggeber des Amphitheaters von Virunum den wohl in den 130er Jahren n. Chr. amtierenden Präsidialprokurator C. Censorius Niger vor233, der wie weitere Prokuratoren Noricums in trajanisch/hadrianischer Zeit aufgrund der Ämterlaufbahn enge Verbindungen zu den afrikanischen Provinzen unterhalten haben soll 234. Die weitere Argumentation eines ideologisch motivierten Rückgriffs auf ein in Nordafrika durchgeführtes augusteisches 235 Bauprogramm durch einen mit Afrika politisch verbundenen Provinzverwalter in hadrianischer Zeit geht in diesem Zusammenhang sicherlich zu weit. Wenn hier eine ideologisch bedeutsame – noch dazu mit Augustus in Verbindung zu bringende – Bauform vorläge, dürfte man diese durchaus bei mehreren hadrianischen Amphitheaterbauten verwirklicht sehen. Vielmehr muss die besondere Form des Amphitheaters von Caesarea und der beiden Bauten in Noricum in einem funktionalen Zusammenhang gesehen werden, der – wie Groh selbst feststellt – möglicherweise in keltischen Traditionen sowie der in Afrika und Noricum besonders bedeutsamen Pferdezucht und der damit verbundenen Vorliebe für Spiele mit Beteiligung von Pferden zu suchen ist236. Im Übrigen zeugt die kürzlich postulierte Nähe des Amphitheaters von Virunum zu einem Militärlager möglicherweise von einer Nutzung als militärischer Parade- oder Übungsplatz237. Im Grabungsbefund zeichnen sich insgesamt vier Bauperioden ab, in denen das Amphitheater umgebaut oder aber nach größeren Brandkatastrophen renoviert wurde238. 232

Groh 2005, 93. Weitere topographische Vergleichsmöglichkeiten existieren nicht; so fügt sich das Amphitheater von Caesarea im Vergleich zu dem in Virunum in das orthogonale Straßennetz ein, auch scheint die Umgebungsbebauung in Caesarea mehr von privater Wohnbebauung dominiert zu sein. Militärische Anlagen sind im Umfeld des mauretanischen Amphitheaters (noch) nicht bekannt. 233 Groh 2005, 96. Dieser ist aus zwei Inschriften aus Celeia bekannt (CIL III, 5174. 5181). Zwei Inschriften aus der Umgebung Virunums bezeugen weiterhin, dass das Durchführen größerer öffentlicher Bauvorhaben in Noricum in den Händen des Präsidialprokurators lag (Alföldy 1974, 81). 234 Groh 2005, 97. 235 Noch dazu ist das Bauprogramm nicht augusteisch, sondern schlicht in augusteischer Zeit durchgeführt. 236 Groh 2005, 99. 237 Die zerhügelte topographische Situation verhinderte die unabhängige Anlage eines solchen Platzes, wie er z. B. in der Nähe des Miltitäramphitheaters von Isca Silurum/Caeleon belegt ist (vgl. Boon 1972, 44 f.), so dass man bei den Planungen für das Amphitheater eine derartige Nutzung berücksichtigte. Weitere Untersuchungen müssen klären ob ähnliche Ansprüche bzw. topographische oder andere missgünstige Bedingungen auch bei der Planung der Amphitheater von Iol Caesarea/Cherchel (Kat.-Nr. 10) oder Flavia Solva/Wagna (Kat.-Nr. 8) zugrunde lagen. 238 Chronologisch sensibles Material lieferten vor allem klassische Fundensembles aus Keramik, Knochen, Münzen, Metallobjekten und Holzresten. Da eine umfassende Analyse des Materials nicht durchgeführt werden konnte, wurden lediglich verschiedene

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KULT BEI DER ARENA. NEMESIS-HEILIGTÜMER IM KONTEXT RÖMISCHER AMPHITHEATER An der grundlegenden Gestalt des Amphitheaters wurden jedoch keine Änderungen vorgenommen. Die erste Phase bezeichnet die Bauzeit des Amphitheaters, die in den 30er Jahren des 2. Jh. n. Chr. anzusetzen ist. Ein in den Fundamentschichten der ersten Bauphase aufgefundener As trajanischer Zeit und Dendrodatierungen geben hierfür den Ausschlag239. In einer zweiten Phase wurden die Haupttore neu strukturiert, wobei vor allem das Nordtor nach Westen hin verbreitert wurde. Außerdem sind der carcer im westlichen Arenascheitel vergrößert sowie der unterirdische Zugang von Westen zugeschüttet und damit unbrauchbar gemacht worden. Dies muss auch Einschränkungen im Spielbetrieb nach sich gezogen haben, da den Akteuren nun der direkte Zugang in die Mitte der Arena fehlte240. Möglicherweise lassen sich diese ersten Umbauten zumindest teilweise mit einer Bauinschrift identifizieren, die im westlichen Arenascheitel in Sturzlage gefunden wurde. Die Inschrift berichtet von der Erneuerung des Mauerverputzes sowie der Eingänge und Tore unter dem duumvir Sextus Sabineius Maximus. Aufgrund der eradierten Kaisertitulatur kann die Baumaßnahme in die Jahre 183/184 n. Chr. datiert werden241. Eine dritte Umbauphase folgte nur wenige Jahre später, als das Amphitheater einem verheerenden Großbrand zum Opfer fiel. Anplanierungen über einer Brandschicht im Zuschauerraum zeugen von einer Neuerrichtung der hölzernen Tribünen. Zusätzlich erfolgte der Neubau der Podiumsmauer nördlich und südlich des Nemeseums sowie eine nochmalige Vergrößerung des Westcarcer 242. Ein Sesterz des Jahres 193 n. Chr. aus den anplanierten Brandschuttschichten liefert einen terminus post quem für die Brandkatastrophe. Möglicherweise beziehen sich auch weitere Renovierungsinschriften, welche die Erneuerung von Fresken auf der Podiumsmauer betreffen, auf diese Brandkatastrophe, wodurch der Brand dann tatsächlich in severische Zeit zu setzen wäre243. Auch die Erneuerungen der dritten Bauphase wurden das Opfer eines weiteren Großbrandes, der die letzten und umfangreichsten Renovierungsmaßnahmen am Amphitheater zur Folge hatte244. Neue Mauerzüge wurden errichtet, es erfolgte eine wiederholte Neuerrichtung der hölzernen Tribünen und die Neuverfüllung des unterirdischen Zugangs. Das Fundspektrum Fundkomplexe aus einzelnen Bauphasen des Amphitheaters publiziert (Jernej 2004b, 139). 239 Jernej 2004b, 74. 240 Zur zweiten Bauphase ausführlich Jernej 2004b, 75–93. 241 Dolenz 2004, 271. In der Inschrift werden jedoch nicht alle für diese Phase im Grabungsbefund festgestellten Baumaßnahmen erwähnt. Es ist daher durchaus möglich, dass andere Personen oder Personengruppen weitere Umbauten getragen haben. 242 Zur dritten Bauphase ausführlich Jernej 2004b, 94–108. 243 Jernej 2004b, 108. Eine ausführliche Besprechung der beiden severischen Renovierungsinschriften bei Dolenz 2004, 277–284. 287– 289. Des Weiteren fanden sich eine wohl severische pro salute-Weihung (Dolenz 2004, 284–287) sowie eine weitere Bauinschrift – datiert auf den 15. März 237 n. Chr. –, die von Erneuerungsmaßnahmen eines Caius Cassius Honorius berichtet, der eine eingestürzte Mauer wiedererrichten ließ, ein Tor erneuerte sowie die Podiumsmauer mit Fresken seiner Spiele ausstattete. (Dolenz 2004, 289–298). 244 Zur vierten Bauphase ausführlich Jernej 2004b, 111–131.

(Marmorspolien, Gebrauchskeramik, Wandmalereischutt) aus Aufschüttungen und Anplanierungen lässt zusätzlich auf den Abbruch eines größeren repräsentativen Gebäudes in der näheren Umgebung schließen245. Münzfunde (bes. ein Antoninian des Florianus) lassen diese vierte Bauphase frühestens 276 n. Chr. erfolgt sein246. Die Aufgabe und Verschüttung des Amphitheaters zu Beginn des 4. Jh. n. Chr. hängt schließlich eng mit dem Zerstörungsbefund des Nemesisheiligtums zusammen. Nemeseum Der als Nemeseum anzusprechende carcer, ein 4,84 × 5,90 m großer Raum (Abb. 16) befindet sich im Ostscheitel der Arena. Die Deutung erfolgt aufgrund der vor dem Eingang und im Raum selbst deponierten Nemesis-Reliefs und -Inschriften. Der Raum öffnet sich nach Westen zur Arena mit einer ca. 1,40 m breiten Tür in der Podiumsmauer, die nicht mittig liegt, sondern leicht nach Süden versetzt ist. Die äußere Caveamauer bildet die Rückwand des Raumes. Auch in diesem Nemeseum zeichnen sich die vier angesprochenen Bauperioden deutlich ab. Zunächst wurde in der ersten Phase zwischen die Radialmauern, die als Seitenmauern des sacellum fungieren, im hinteren Drittel des Raumes eine nur leicht gekrümmte Bogenmauer eingezogen. Die Fundamente der nördlichen und südlichen Radialmauern sowie der Bogenmauer stehen im Verbund, jedoch zieht das erste nachweisbare Fußbodenniveau247 über die Nordund Südfundamente, nicht aber über das Bogenmauerfundament, welches also höher als dieses erste Fußbodenniveau aufgemauert gewesen sein muss. Zusätzlich verlaufen die Radialmauern gerade und ohne erkennbaren Maueranschluss zur Bogenmauer auf die äußere Caveamauer zu. Über der Fundamentschicht sind weder in der nördlichen noch in der südlichen Radialmauer Spuren einer ehemals deckenhoch aufgemauerten, einbindenden Bogenmauer vorhanden (Abb. 17) 248 . R. Jernej geht daher von einer halbhohen Bank aus, die mit Brettern bis an die Rückwand des Nemeseum verbreitert wurde, anstatt eine bis zur Deckenhöhe geschichtete bogenförmige Stützmauer anzunehmen249. Da durch die Konstruktion eines solchen Podestes im rückwärtigen Teil des Raumes ein bis zu 1 m breiter, toter Raum entsteht vor dem sich austretendes Hangwasser sammeln konnte, wurde in der Mitte des Bogenmauerfundaments ein zentrales Drainageloch angelegt; davor befindet sich eine mit Sand verfüllte Grube, die als Sickergrube für das ausströmende Wasser gedeutet werden kann 250 . Die 245

Jernej 2004b, 131. Jernej 2004b, 130 f. Ein ca. 5 cm starker Estrich (Jernej 2004b, 64). 248 Die nördliche Radialmauer wurde in einer späteren Phase erneuert, weswegen hier keine Spuren mehr vorhanden sind. Allerdings müssten sich in der südlichen Radialmauer entsprechende Spuren erhalten haben. Diese werden in der Grabungspublikation jedoch nicht erwähnt und sind heute aufgrund der modernen Rekonstruktion des Nemeseums nicht mehr auszumachen. 249 Jernej 2004b, 65. In der Rückwand sind jedoch keine Auflagerspuren für eine solche Bretterabdeckung vorhanden. 250 Dass beim Bau des Amphitheaters und bei späteren Umbaumaßnahmen die hangseitig austretenden Wassermassen Probleme bereiteten, 246 247

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4. NEMESIS-HEILIGTÜMER IM KONTEXT VON AMPHITHEATERN Überdachung erfolgte wohl mittels einer Holzbalkenkonstruktion, wie sie auch für die gesamte Cavea anzunehmen ist. Spuren von Balkenresten oder -löchern im aufgehenden Mauerwerk oder Pfostenlöcher haben sich jedoch keine erhalten. In keinem Amphitheater konnte innerhalb eines carcer bisher eine ähnliche bankartige Konstruktion nachgewiesen werden, welche die Nutzfläche des Raumes zum einen drastisch einschränkt und zum anderen dem austretenden Hangwasser eine zusätzliches Hinderniss bietet. Eine bogenförmige Stützmauer ist jedoch auch im militärischen Amphitheater von Carnuntum/Bad Deutsch-Altenburg nachgewiesen (Abb. 18)251. Das Nemesis-sacellum von Virunum zählt zu den größten carceres, die Hufschmid in seiner Untersuchung zusammengestellt hat252; eine Bogenmauer als Unterstützung der hölzernen Deckenkonstruktion und der darüber vermuteten Loge kann daher nicht kategorisch ausgeschlossen werden. Der erste Umbau im Nemeseum fällt höchstwahrscheinlich mit dem bereits oben erwähnten, inschriftlich belegten Umbau der Toranlagen in der zweiten Bauphase um 183/184 n. Chr. zusammen 253 . Die Bogenmauer wurde abgetragen und ein neues Fußbodenniveau eingezogen, das schließlich den gesamten Raum begehbar machte. Nach der ersten Brandkatastrophe waren auch im Nemeseum Renovierungsarbeiten notwendig, was das neue Bodenniveau der dritten Bauphase über bis zu 0,20 m starken Brandschuttschichten zeigt. Darüber hinaus erfuhr auch die Podiumsmauer im Bereich des Nemeseums eine Renovation254. Eine erneute Erhöhung des Bodenniveaus zeigt die vierte Bauphase an. Die in der vorangegangenen Phase errichtete Podiumsmauer wurde wieder abgetragen und durch eine neue ersetzt. Auf den Fundamenten der bauzeitlichen Podiumsmauer ruhend, wurde sie schmaler als diese ausgeführt und um bis zu 0,60 m nach Westen verschoben. Arenaseitig wurden dabei größere Marmorspolien integriert. Die Nordmauer des Nemeseums wurde auf ihrer gesamten Länge über einer Abbruchkante ebenfalls neu aufgemauert. Auch die gesamte pulpitum-Konstruktion muss in diesem Zuge erneuert worden sein. Im Innenraum des Nemeseums fand sich nördlich des Eingangs ein 0,60 × 0,75 m großer Mauersockel. In der vierten Phase wurde schließlich der Eingang um ca. 0,20 m verbreitert und etwas nach Süden verschoben255. Das Ende dieser letzten Umbauphase und wohl auch das Ende der Nutzung des gesamten Amphitheaters zeigt der Befund einer intentionellen Verschüttung und Verbergung des Nemeseums, der aufgrund der Fundmünzen zu Beginn des 4. Jh. n. Chr. stattgefunden haben muss. Dabei wurde zeigen die aufwendigen Kanalisierungsarbeiten die vor allem im nordöstlichen Teil der Cavea und unter der Arena durchgeführt wurden (Jernej 2004b, 69 f.). Auch die in den Renovierungsinschriften auffällig häufig erwähnten Erneuerungen des Verputzes der Podiumsmauer könnten auf ein Problem mit dem Hangwasser hindeuten. 251 s. u. Seite 43. 252 Vgl. Hufschmid 2009, 523 Tabelle 1. 253 Jernej 2004b, 84. 137. 254 Jernej 2004b, 95. 109. 255 Jernej 2004b, 121–124.

das Kultinventar nahezu vollständig von seinen ursprünglichen Anbringungs- und Aufstellungsorten entfernt und der Raum rituell verschlossen256. Die Bedeutung des Raumes innerhalb des gesamten Komplexes des Virunenser Amphitheaters erschließt sich zum einen aus seiner exzeptionellen Größe, die sogar in mehreren Bauphasen sukzessive noch erweitert wurde, zum anderen in der Sorgfalt, mit der der Raum immer wieder renoviert und umgebaut wurde, wohingegen andere Teile des Amphitheaters – wie der unterirdische Zugang in die Arena – schon bald nach seiner Errichtung wieder aufgeben wurden. Dass der Raum nicht als carcer im klassischen Sinne als Aufenthaltsort für Gladiatoren oder als Zwinger für Tiere genutzt wurde, davon zeugt die mit 1,40 m im Vergleich zu anderen portae posticae relativ breite Tür, die reine Größe des Raumes und nicht zuletzt auch die besondere Ausstattung mit Bau- und Weihinschriften sowie Votivaltären. Ein klassischer carcer findet sich dagegen vielmehr auf der gegenüberliegenden Seite. Dieser Raum besitzt als einzige Zugangsmöglichkeit eine breite, zur Arena hin geöffnete Tür, die erst nach Betreten der Arena durch eines der beiden Haupttore erreicht werden konnte. Für die Einrichtung des Nemesis-sacellum scheint in Virunum von Anfang an der Raum im Scheitel der ArenaLängsseite vorgesehen gewesen zu sein. Möglicherweise ließ die zerhügelte Topographie der Umgebung sowie die Quelleneinfassung am Nordtor eine Errichtung außerhalb oder im Korridor nicht zu. Die für die Interpretation des carcer als ein Nemesisheiligtum maßgeblichen Funde verteilen sich auf zwei Bereiche. Arenaseitig nördlich des Nemeseum-Eingangs fanden sich unter einer großen Steinpackung, umgeben von einer mehrlagigen Brand- und Schuttschicht drei gegen die Podiumsmauer gelehnte Weihinschriften, nämlich ein Votivaltar des Aelius Donatus an Nemesis Augusta, ein Votivaltar des venator Martialis ebenfalls an Nemesis Augusta sowie ein Votivaltar des Reitersoldaten Verecundus an die Campestres 257 . Etwa 2 m nördlich davon wurden mit der Schauseite nach oben liegend zwei Votivreliefs mit Darstellungen der NemesisLuna und der Nemesis-Victoria aufgefunden. Die abdeckende Steinpackung bestand hauptsächlich aus Bruchsteinen der teilweise abgerissenen Podiumsmauer. Auf einem der Altäre wurde noch ein Münzopfer vollzogen, bevor er von einer großen Schieferplatte bedeckt wurde. Knochenfunde in der Umgebung der Altäre deuten möglicherweise auch auf letzte Tieropfer hin. Die zweite Fundkonzentration befand sich innerhalb des Nemeseums in der Nordwest-Ecke. Hier wurden weitere Reste des Kultinventars – unter anderem die anpassende obere Ecke des Nemesis-Victoria Reliefs – 256

Jernej 2004b, 131–135. Schmidts 2004, 333–341. Zu den Altären vgl. Dolenz 2004, 299–308. Die campestres sind eine Dreiheit weiblicher Reitergottheiten keltischen Ursprungs, die als Herrinnen der Felder wohl hauptsächlich von römischen Reitereinheiten – unter anderem von den kaiserlichen equites singularis – verehrt wurden. Dolenz 2004, 307 mit weiterer Literatur.

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KULT BEI DER ARENA. NEMESIS-HEILIGTÜMER IM KONTEXT RÖMISCHER AMPHITHEATER sowie die Bauinschrift eines duumvir C. Marius Lucanius, die Bauinschrift eines C. Cassius Honoratus, ein Votivaltar des venator Marcus an Nemesis Augusta, ein Votivaltar des Cassius Sextus sowie ein weiteres Fragment einer Weihinschrift an Nemesis Augusta abgelegt 258 und mit Schutt aus Mörtel, Ziegelbruch, Keramik und Asche bedeckt. Aufgrund des Fehlens von Versturzsteinen in den Schuttschichten innerhalb des Nemeseums ist ein langsamer Verfall auszuschließen. Die marmornen Votivreliefs zeigen Nemesis im dritten für Amphitheater charakteristischen Typus in gewandmotivischer Anlehnung an Diana. Zudem erweitern sie das Repertoire synkretistischer Darstellungen der Nemesis um Luna und Victoria. Beide Reliefs geben eine klassische Opferszene wieder, die Nemesis gegenüber einer am Altar opfernden, männlichen Figur abbildet. Das weitaus besser erhaltene Relief zeigt Nemesis-Luna, die links neben einem Altar und einer opfernden Figur steht (Abb. 19). In dem von einer unprofilierten Randleiste eingefassten Bildfeld steht die Göttin dem Betrachter zugewandt am linken Bildrand neben dem Altar. Sie trägt eine kurze, mit Überfang gegürtete Tunika sowie eine kunstvoll um die Brust drapierte palla. Im nach unten gerichteten rechten Arm hält sie eine Peitsche, der angewinkelte linke Arm wird von einem kleinen, in Seitenansicht wiedergegebenen Rundschild verdeckt. Die Füße des rechten Spiel- und linken Standbeines sind in bis über die Knöchel reichende Stiefel gekleidet. Der im Vergleich zum Körper etwas zu große Kopf wird von zwei weit geöffneten mandelförmigen Augen mit deutlich angegebenen Augenlidern dominiert. Darüber trägt sie im üppig aufgebauschten Haar ein hohes Diadem. Hinter dem Kopf ragen die Enden einer Mondsichel hervor. Der an Fuß- und Kopfleiste mit einer doppelten Hohlkehle profilierte Altar ist unbeschriftet und steht etwas nach links aus der Mitte versetzt sehr dicht an der Figur der Nemesis-Luna. Auf der Altarplatte mit angedeuteten Eckakroteren brennt ein loderndes Feuer. Die männliche opfernde Figur steht frontal rechts neben dem Altar, den Blick aber zur Göttin gewandt, so dass der Kopf im Profil dargestellt ist. Sie trägt ebenfalls eine knielange, gegürtete Tunika mit halblangen Ärmeln und knöchelhohe Stiefel an ihrem – zur Nemesis-Luna antithetisch gestellten – rechten Stand- und linken Spielbein. Ein mit einer Scheibenfibel an der rechten Schulter befestigtes sagum fällt bis über die Hüften. Der rechte Arm ist zum Altarfeuer ausgestreckt und hält eine Rauchopferkugel in die Flammen. Der angewinkelte linke Arm umfasst die Enden eines um die linke Schulter geworfenen mantele. Auch beim Opfernden scheint der Kopf im Vergleich zum Körper etwas zu groß. Das Gesicht besitzt mit einem markanten bartlosen Kinn, einer flachen Stirn und dichten, teils sichelförmigen Locken beinahe portraithafte Züge. Aufgrund der Bekleidung wird der

Opfernde wohl als ein wohlhabender Bürger anzusprechen sein. Das mantele verweist auf eine vor der Opferung erfolgte rituelle Waschung. Das zweite Relief ist schlechter erhalten, gleicht im Aufbau aber dem Nemesis-Luna-Relief. Am linken Bildrand steht Nemesis-Victoria neben einem Brandopferaltar und einer Gruppe mit einem venator und einem Bär (Abb. 20). Auch hier trägt die Göttin eine gegürtete Tunika mit um die Brust gelegter palla sowie knöchelhohe Stiefel am rechten Stand- und linken Spielbein. In der ausgestreckten Rechten hält sie eine lange Peitsche, die über den linken Bildfeldrand hinausragt. In der angewinkelten Linken trägt sie einen rechteckigen, nach außen gewölbten Schild. Über beiden Schultern ist der Ansatz eines Flügelpaares zu erahnen 259. Als weiteres Attribut erscheint hinter ihrer linken Schulter ein Gegenstand, der von Gugl als Fackel gedeutet wird260. Starke Verwitterungsspuren erschweren gerade am Kopf eine detaillierte Betrachtung der Gesichtszüge. Die Göttin scheint ähnlich der Nemesis-Luna ein Diadem im aufgebauschten Haar zu tragen. Auf dem Altar rechts der Göttin brennt ein Feuer; er ist gegenüber demjenigen des Nemesis-Luna-Reliefs etwas kleiner, besitzt ein sehr einfaches Fuß- und Kopfprofil und ist ebenfalls unbeschriftet. Die männliche opfernde Figur rechts des Altars ist durch das Attribut der Peitsche und des daneben dargestellten Bären als venator zu identifizieren. Der Opfernde steht frontal, wendet seinen Kopf jedoch nach rechts in Richtung der Göttin. Er trägt eine Art Tunika mit halblangen Ärmeln, dazu Beinkleider und hohe Stiefel. Sein linkes Spielbein verschwindet hinter dem Bären. Mit der ausgestreckten rechten Hand wirft er eine Weihrauchkugel ins Feuer, während er in der angewinkelten Linken eine zweiriemige Peitsche hält, mit der er den Bären in Schach zu halten scheint. Gesichtszüge lassen sich auch hier keine mehr ausmachen, einzig eine dichte Lockenfrisur und ein wohl bartloses Gesicht zeichnen sich im verwaschenen Marmor ab. Der Bär zu seinen Füßen hat sich auf seinen Hinterläufen aufgerichtet und läuft nach rechts gewandt aus dem Bildfeld. Dabei wendet er seinen Kopf mit drohend aufgerissenem Maul zurück in Richtung des venator. Mit der gewandmotivischen Angleichung der Nemesis an Diana wird gerade im Amphitheater von Virunum, das durch seine besondere, längliche Form für die Darbietung von Jagdszenen prädestiniert war, der Bezug der Göttin zur Jagd und den venationes deutlich. Die Opferpraxis bestand aus einem Rauchopfer am eigens gestifteten Altar. Der relativ große Raum bot dabei Platz für eine mehrere Personen umfassende Kultgemeinschaft. Zusätzlich zeugt die Darstellung zweier aus völlig verschiedenen sozialen Schichten stammenden Opfernden von der breiten 259

258

Zu den Inschriften vgl. Dolenz 2004, 277–284. 289–298. 310–313.

Hierbei könnte es sich allerdings auch um einen Teil eines Mantels handeln. Gugl 2001, 39.

260

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4. NEMESIS-HEILIGTÜMER IM KONTEXT VON AMPHITHEATERN gesellschaftlichen Streuung, die der Kult in sich vereinte, und dass selbst infames an ihrem Altar opfernd dargestellt werden konnten. Hierdurch wird auch die gesamtgesellschaftliche Bedeutung dieses Kultes bestätigt. Hier treten neben zwei weiteren venatores auch Militärs und römische Bürger als Stifter auf, die zunächst keinen erkennbaren Bezug zum Arenamilieu aufweisen261. Dies lässt die Vermutung zu, dass das Nemeseum auch außerhalb der eigentlichen Spieltage der Bevölkerung zugänglich gewesen sein wird, die hier im Rahmen von eigenen kleinen Festen Opfer- und Weihgaben darbringen konnte. Das Amphitheater wäre damit neben seiner Funktion als Spielstätte gleichzeitig ein religiöser Raum, ein öffentlicher Kultbezirk, der außerhalb der zugangsrestringierten großen Staatskulte die Möglichkeit persönlicher religiöser Erfahrungen bot262. Ohne weitere eindeutige Zeugnisse, die eine breite Öffentlichkeit innerhalb der Arena belegen oder Vergleichsbeispiele, bleibt diese Annahme allerdings insbesondere vor dem Hintergrund der chthonischen Bedeutung der Arena fraglich. Exkurs: Fundensemble und Aufgabe des Nemeseums Die besondere Befundsituation vor dem Nemeseum in Virunum verlangt eine kurze Diskussion des Materials, um eine chronologische Einordnung der Aufgabe des Nemeseums und der dabei abgelaufenen Prozesse zu gewährleisten. Im Fundensemble vor dem Eingang des Nemeseums lassen sich verschiedene Schichten differenzieren. Die noch in situ aufgefundenen Altäre und Weihreliefs waren umgeben von mehreren ineinandergreifenden Brand-, Mörtel-, Lehm- und Schuttschichten, die alle ein mehr oder weniger breites Spektrum an Funden enthielten263. Unterhalb dieser Ablagerungen erstreckte sich eine größere Grube von der Arenamauer ausgehend nach Westen. Auch hier bestand die Verfüllung aus mehreren Brand- und Schuttschichten, deren Fundzusammensetzung den darüber liegenden Schichten sehr ähnelte. Aus der Grubenverfüllung und der Brandschicht unmittelbar darüber stammen sechs Münzen, im Bereich der Altäre fanden sich 47 und im Nemeseum selbst konnten weitere 15 Münzen geborgen werden264. Nun ergibt sich bei der Analyse der Fundmünzen eine Differenzierung in mindestens zwei zeitlich verschiedene Deponierungsphasen: Die Münzen aus der Grubenverfüllung umreißen einen Zeitraum von einem As des Titus (80/81 n. Chr.) bis zu einem As des Marc Aurel auf Faustina II. (161–176 n. Chr.) 265 . Die insgesamt 32 Münzen, die in direkter Umgebung der Altäre gefunden wurden, teilen sich in eine erste Phase, die überwiegend aus verschiedenen As-Prägungen von Augustus bis 261

Beispielsweise die Stiftung eines Altars von Aelius Donatus zu seinem Wohlergehen und dem seiner Frau (AE 2004, 1073). 262 Dolenz 2004, 302. 263 Vgl. Jernej 2004b, Abb. 4,13. 264 Gugl 2004b, 251. 265 Gugl 2004b, 252, Tab. 4. 3. Vgl. auch die Zusammenstellung der gesamten Münzen aus dem Amphitheater in Gugl 2004b, 225–233.

Commodus mit deutlichen Umlaufspuren sowie einem gut erhaltenen Denar des Septimius Severus (197 n. Chr.) als Schlussmünze besteht, und eine zweite Phase, die sich aus Antoninianen und Folles von Valerian (257 n. Chr.) bis Constantinus I. bzw. Licinius (315/316 n. Chr.) zusammensetzt266. Auch hier zeigen die späteren Münzen kaum Gebrauchsspuren. Die Verteilung der Fundmünzen der jüngeren, zweiten Phase konzentriert sich dabei im Wesentlichen auf die direkte Umgebung der Weihealtäre, wohingegen die älteren Münzen eine größere Streuung aufweisen. Die Münzen aus dem Nemeseum schließen sich zeitlich eher der zweiten Phase an. Vor allem aus der Schuttschicht über dem letzten Laufhorizont stammen mehrere Antoniniane und ein Follis von Antoninus III. (207 n. Chr.) bis Constantinus I. (313 n. Chr.). Aufgrund der nahezu identischen Datierung der Schlussmünzen der beiden Fundensembles außer- und innerhalb des Nemeseums geht Gugl zu Recht von einer gleichzeitig erfolgten Verschüttung von Nemeseum und Vorplatz aus267. Davon zu unterscheiden ist die im Vorbereich des Nemeseums zu beobachtende erste Phase. Hierbei handelt es sich um eine Grubenverfüllung, die wohl der dritten, frühestens in severischer Zeit erfolgten Umbauphase des Amphitheaters zuzurechnen ist. Die auffällige Konzentration mehrerer Antoniniane und Folles in der umgebenden Schuttschicht der in situ gefundenen Weihealtäre ist dagegen schwieriger einzuordnen. Dass die Altäre zu einem bestimmten Zeitpunkt mit einem begleitenden Opferritual, das unter anderem aus einer Münzdeponierung bestand, verborgen wurden, steht außer Frage. Hierfür geben die zwei gut erhaltenen Antoniniane des Aurelianus und des Probus, die unter der Abdeckplatte auf dem Donatus-Altar gefunden wurden sowie der Antoninian des Probus, der sich direkt unter diesem Altar befand, eindeutiges Zeugnis 268. Auch die gleichzeitige Verschüttung der Altäre unter einer Brandschuttschicht – und damit die gleichzeitige Ablagerung der restlichen Antoniniane – ist zweifelsfrei269. An die Scherben aus der Brandschuttschicht anpassende Keramikscherben aus der Verfüllung innerhalb des Nemeseums unterstützen ebenfalls die These eines gleichzeitigen Verbergungsvorgangs270. Die Knochenreste bieten ein inhomogenes Bild und bestehen hauptsächlich aus vereinzelten Knochen verschiedener Tiere (Wiederkäuer, Vögel). Einzig das nahezu vollständig erhaltene Skelett eines juvenilen Huhnes aus der untersten Schicht um die Altäre lässt an ein Tieropfer denken271. Leider lassen sich aus diesem Befund keine exakten Rückschlüsse auf bestimmte Rituale im Zusammenhang mit dem Nemesis-Kult ziehen, da die insgesamt nur sehr fragmentarische Zusammenset266

Gugl 2004b, 252, Tab. 4. 2. Gugl 2004b, 254. 268 Die Fundsituation dieser drei Münzen zeigt, dass die Aufstellung des Altars auf eine eigens angelegte Planierschicht und die Niederlegung der Münzen auf diesem Altar in etwa zum selben Zeitpunkt geschehen sein müssen (Gugl 2004b, 254). Legt man einzig die Datierung dieser drei Opfermünzen zu Grunde, müsste sich die Deponierung frühestens Ende des 3. Jh. n. Chr. ereignet haben. 269 Gugl 2004b, 255. 270 Gugl 2004a, 188. 271 Gugl 2004a, 188. 267

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KULT BEI DER ARENA. NEMESIS-HEILIGTÜMER IM KONTEXT RÖMISCHER AMPHITHEATER zung des Fundmaterials nicht zwingend auf ein Opferritual hinweisen muss. Ein kontinuierlich beim oder im Nemeseum durchgeführtes Münzopfer ist wegen der großen zeitlichen Lücke von 60 Jahren im Münzspektrum nicht anzunehmen272. Vergleicht man die Darstellungen auf verschiedenen Weihreliefs für Nemesis, unter anderem auch der beiden Reliefs aus Virunum, so besteht der Ritus aus einem klassischen Rauchopfer, bei dem der Opfernde ein kleines Weihrauchkügelchen in das auf dem Opferaltar lodernde Feuer wirft. Nach eingehender Analyse des Münzspektrums in Kombination mit detaillierten Befundbeobachtungen darf für das Amphitheater von Virunum der seltene Fall eines bewussten Verbergungsvorgangs von Kultinventar angenommen werden. Zu einem bestimmten Zeitpunkt im 2. Jahrzehnt des 4. Jh. n. Chr. wurde ein Teil des Kultinventars aus dem Nemeseum des Amphitheaters entfernt und nach einem letzten monetären Opfer – möglicherweise in Verbindung mit einem Tieropfer – nördlich des Eingangs zum Nemeseum rituell verborgen. Zeitgleich wurden weitere Teile des Kultinventars und einige Bauinschriften in der Nordwestecke des Nemeseums zusammengetragen und ebenfalls unter einer Schuttschicht begraben. Da mit der Deponierung des Kultinventars und dem Verbergen unter einer Schuttschicht auch die Spielfläche der Arena in signifikanter Weise beeinträchtigt worden sein muss, darf aus dem Ende des Nemeseums auch ein Ende des Spielbetriebs in Virunum geschlossen werden273. Mit der Datierung dieses Vorgangs in das 2. Viertel des 4. Jh. n. Chr. scheint hier auch eines der frühesten Beispiele für das Verlassen eines Nemesisheiligtums vorzuliegen. Lage, Architektur und Ausstattung innliegender sacella Neben dem sehr prominenten Nemeseum von Virunum existieren unter den bekannten Amphitheatern lediglich zwei weitere innliegende Räumlichkeiten, die aufgrund der Beifunde eindeutig als Nemesis-sacella angesprochen werden können. In Tarragona (Kat.-Nr. 20) liegt das ost-west-orientierte Amphitheater außerhalb des Stadtgebietes im Süden direkt am Meer (Abb. 21). Die Bauzeit des Amphitheaters datiert in die erste Hälfte des 2. Jh. n. Chr., große Umbaumaßnahmen fanden zur Zeit Heliogabals statt274. 272

Einzig die Annahme das Nemeseum sei erst in einer sehr späten Phase des Amphitheaters dort eingerichtet worden, könnte zu einer Interpretation führen, welche den die Altäre umgebenden Brandschutt als Rest der im Nemeseum vollzogenen Opferhandlungen versteht. Dieser Schutt könnte dann bei der Aufgabe und Deponierung der Altäre als Füllmaterial gedient haben, mit dem man schließlich auch – nach Entfernen und Ablegen des restlichen Kultinventars – das Nemeseum verfüllte. Dafür spricht auch Gugls Annahme, dass es sich bei dem Münzspektrum nicht um einen Querschnitt durch die im frühen 4. Jh. n. Chr. gebräuchlichen Münzen handelt und sie somit auch nicht zwingend gleichzeitig in der Brandschuttschicht gelandet sein müssen (Gugl 2004b, 256). Vielmehr könnten hier monetäre Opfergaben der letzten Jahrzehnte des Nemeseums umgeschichtet worden sein. 273 Vgl. Jernej 2004b, 138. 274 Alföldy in Duprés i Raventós 1990, 132. 135.

Im kombinierten structure pleine/structure creuse-Bau hat sich im Scheitelpunkt der Nordkurve ein über zwei Ebenen verteiltes sacellum erhalten (Abb. 22). Auf Höhe der Arena, hinter einer porta postica befand sich ein winziger Nischenraum mit einer steinernen Bank, der ursprünglich wohl mehrere sehr kleine Votivaltäre und eine marmorne plantae pedis-Weihung an Nemesis enthielt (Abb. 23); die Votive wurden allerdings in Sturzlage im Substruktionsgraben unterhalb des Nischenraumes gefunden 275 . Dazu befand sich an der nördlichen Westwand des Substruktionsgrabens, direkt vor dem Nischenraum das bereits beschriebene Fresko mit der Darstellung der triumphierenden Nemesis (Abb. 11). Kleine Aussparungen in der Wand über und unter dem Fresko lassen die Anbringung eines Satteldaches sowie eines Holzbrettes vermuten, auf dem persönliche Votivgaben hätten abgelegt werden können276. Aufgrund der besonderen Konstruktionsweise des Amphitheaters von Tarragona musste auf die Einrichtung weiterer carceres unter der cavea verzichtet werden. Neben den beiden Haupttoren bietet einzig ein weiterer Zugang im Süden Einlass in die Arena. Bei allen drei Zugängen fehlen jedoch ebenfalls die sonst für das Spielgeschehen entscheidenden Annexräume für die Vorbereitung der Kämpfer oder wilden Tiere. Im Zusammenhang mit dem funktionalen Ablauf der Spiele muss daher in Tarraco den Substruktionen der Arena eine elementare Rolle für den Auftritt verschiedener Akteure zukommen. Die auffällige Disposition der beiden Bereiche, in denen Nemesis erscheint, in einen oberirdischen und einen unterirdischen Raum, lassen Miguel Beltrán Lloris eine soziale Differenzierung des Kultbetriebs vermuten: Im oberirdischen Bereich dürfe man den Ort des offiziellen Abschlussopfers der spieleinleitenden pompa erwarten, im Bereich der Substruktionen eher ein persönliches, informelles sacellum für die Akteure in der Arena 277 . Einzig am Nordende des Substruktionsgrabens der Schmalachse – vor dem oberirdischen sacellum und direkt neben dem Fresko – existiert denn auch ein steil abgetreppter Mauervorsprung, der möglicherweise die beiden sacellaBereiche miteinander verband. Im Zusammenhang mit der postulierten chthonischen Bedeutung der Arena, der schlechten Zugänglichkeit und der winzigen, unrepräsentativen Beschaffenheit des oberirdischen Nischenraumes darf für diesen eine Bedeutung für die pompa nahezu ausgeschlossen werden. Vielmehr kann der unterirdische Bereich als eigentlicher Nemesis-Kultort gelten, der zum einen über eine Verbindung nach außen verfügte, zum anderen wesentlich mehr Platz bot und bei dem schließlich auch die Aufstellung der Weihgaben postuliert werden kann; zumindest der Größe nach hätten die Altärchen auch auf dem Brett unterhalb des Freskos Platz gefunden. Im Gegensatz zur Bauzeit des Amphitheaters sind die Altäre und sonstigen Funde aus der Versturzschicht 275 276 277

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Beltrán Lloris 1999, 78 f. Nr. I–IV. Beltrán Martínez – Beltrán Lloris 1991, 36. Beltrán Lloris 1999, 85.

4. NEMESIS-HEILIGTÜMER IM KONTEXT VON AMPHITHEATERN innerhalb der Substruktionen eher in das 3. Jh. n. Chr. zu datieren; auch scheint die Nemesis-Wandmalerei erst nach den umfangreichen Umbauten und Restaurationen durch Heliogabal zu Beginn des 3. Jh. n. Chr. angebracht worden zu sein278. In Deva/Chester (Kat.-Nr. 7) liegt das nord-südorientierte Militäramphitheater vor der südöstlichen Ecke des Legionslagers (Abb. 24). Ein erster Holz-Stein-Bau aus dem letzten Viertel des 1. Jh. n. Chr. hatte ca. 100 Jahre Bestand bis er Ende des 2. Jh. n. Chr. durch einen repräsentativen Neubau in structure creuse ersetzt wurde (Abb. 25)279. Direkt westlich des nördlichen Haupttores dieses Neubaus befand sich von Anfang an ein carcer, der als Nemesis-sacellum angesprochen werden muss. Vor der Nordwand des Raumes stand in einer ersten Bauphase ein Nemesisaltar auf einer Plinthe, davor lag ein weiterer kleiner, unbeschrifteter Altar. Der Westwand war eine kleine Bank vorgeblendet, und ausschließlich auf den Bereich vor der Altarbasis begrenzt, fanden sich die Reste einer Brandschicht, die möglicherweise auf ein regelmäßig vollzogenes Brandopfer hinweisen könnten. Pfostenlöcher entlang der Rückwand könnten zwar auf eine dekorative Verkleidung schließen lassen, jedoch scheinen diese eher auf die hölzernen Substruktionen der cavea des Vorgängerbaus zurückzugehen. In einer zweiten Bauphase wurde das Fußbodenniveau erhöht und die Bank an der Westwand sowie die Altarplinthe aufgegeben; der Altar jedoch fand weiterhin Verwendung, indem er auf das neue Niveau mitangehoben wurde. Zusätzlich könnten die in den Boden vor der Ostwand eingelassenen Säulenbasen als Postamente weiterer Votivgaben gedient haben280. Von der Arena bot eine Tür Zugang zu dem kleinen Raum; ob auch eine weitere Verbindung direkt über den Torweg in das sacellum existierte, kann nicht mit abschließender Sicherheit bestimmt werden. Zumindest wurde die Westwand des Torwegs auf Höhe des Nemeseums entschieden dünner ausgeführt und es fanden sich Reste zweier Stufen, die in das Nemeseum geführt haben könnten 281. Der Befund legt eine gleichzeitige Einrichtung des sacellum mit dem repräsentativen Neubau des Amphitheaters nahe. Die Weiterbenutzung des Altars und das Auffinden in situ untermauern zudem die Annahme, dass der Raum bis zur endgültigen Aufgabe des Amphitheaters als sacellum diente282.

Schlussfolgerungen Die Verbreitung der innliegenden Nemesis-Heiligtümer stellt sich mit je einem sacellum in Hispanien, Britannien und Noricum insgesamt sehr inhomogen dar. In Tarraco und in Virunum liegt das Nemesisheiligtum jeweils im Scheitel einer Längsseite in Hanglage, obwohl damit Nachteile verbunden waren. So wurde das sacellum in Tarraco aufwendig in den anstehenden Felsen getrieben, obwohl unter den auf der gegenüberliegenden Seite aufgemauerten Gewölbestrukturen wesentlich großzügigere Räumlichkeiten hätten eingebaut werden können. In Virunum nahm man die Probleme, die durch austretendes Hangwasser entstanden, billigend in Kauf, obwohl auch hier auf der gegenüberliegenden Seite ein trockener, vergleichbar großer Raum unter der cavea eingerichtet wurde. In Deva liegt das sacellum direkt westlich des nördlichen Hauptzugangs in die Arena, also in unmittelbarem Bezug zur Längsachse des Gebäudes sowie zur porta principalis dextra des Legionslagers. Die Disposition der Räumlichkeiten scheint auf den ersten Blick willkürlich Setzt man die Lage der innliegenden sacella jedoch in Bezug zur Umgebungsbebauung, so fällt auf, dass sie sowohl in Tarraco als auch in Deva jeweils an der dem zugehörigen Stadtgebiet bzw. Militärlager zugewandten Seite gelegen sind 283 . In Virunum liegt das Stadtgebiet zwar auf der gegenüberliegenden Seite im Tal, jedoch wird gleich nordöstlich des Amphitheaters ein Militärlager mit zugehöriger vicusBebauung postuliert284. Möglicherweise ist hiermit ein Anhaltspunkt gegeben, dass das Amphitheater von Virunum in erster Linie als militärisches Amphitheater anzusprechen ist285. Während das Heiligtum in Virunum mit nahezu 30 m² zu den größten sacella gehört, liegt dasjenige in Deva mit 15 m² eher im Mittelfeld; das sacellum in Tarraco konnte im großzügigen Substruktionsgraben lokalisiert werden. Eine für die Kultpraxis obligatorische, einheitliche Größe der sacella ist somit nicht zu erkennen. Allen Räumen gemeinsam ist mindestens ein Zugang über die Arena. In Tarraco und Deva scheint gleichzeitig eine Verbindung nach außen – über den Substruktionsgraben bzw. über den Korridor des Haupteingangs – zu bestehen. In Virunum und Deva konnte zudem nachgewiesen werden, dass der Zugang in einer zweiten Phase deutlich verkleinert und somit der Lichteinfall noch weiter verringert wurde. Die Räume konnten demnach schlecht eingesehen werden und boten keine große Öffentlichkeit für potentielle Opferhandlungen 286 . Darüber hinaus

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Zu den Altären vgl. Alföldy 1975, 16. 25 f. Zur Wandmalerei Beltrán Martinez – Beltrán Lloris 1991, 36. 279 Zur neu bewerteten Baugeschichte des Amphitheaters von Chester vgl. Wilmott 2008, 137–141. 280 Thompson 1976, 166–169. Für konstruktive und feinchronologische Details muss auf die Endpublikation der neuen Grabungen verwiesen werden, deren Erscheinen bereits angekündigt ist. Wilmott 2008, 137. 281 Thompson 1976, 234. 282 Thompson 1976, 169. Die Aufgabe des Amphitheaters erfolgte wahrscheinlich im 4./5. Jh. n. Chr. als die Arena mit einem Steinpflaster versehen wurde und einige der vomitoria vermauert wurden. Vgl. Willmott 2008, 184.

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In Tarragona besteht zusätzlich eine bauliche, konzeptionelle und formale Nähe zum Bezirk des concilium provinciae, indem das große, dreiteilige Stadttor am Ende des Circus auf die Haupteingänge des Amphitheaters Bezug nimmt. Vgl. Duprés i Raventós 1994, 83 mit Abb. 10. 284 s. o. Seite 24 sowie Doneus u. a. 2003, 396 mit Abb. 3. 285 Dies legen auch die ungewöhnliche Form der Arena sowie die zahlreichen Militaria, die bei den Ausgrabungen gefunden wurden, nahe. Vgl. Doneus u. a. 2003, 399. 286 Allein in Tarraco könnte eine größere Öffentlichkeit am Kult teilnehmen; dann nämlich, wenn die hölzernen Abdeckungen der

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KULT BEI DER ARENA. NEMESIS-HEILIGTÜMER IM KONTEXT RÖMISCHER AMPHITHEATER besaßen die sacella eine kleine Bank, die möglicherweise zum Abstellen von Kultinventar diente. Einzig in Virunum muss die Interpretation der großen, bogenförmigen Mauer vor der Rückwand als Bank angezweifelt werden. Für alle drei sacella gilt, dass sie bereits bei der Errichtung der Amphitheater eingeplant gewesen zu sein scheinen. Sie können demnach nicht als Notlösung betrachtet werden und müssen ihren festen Platz in der Architektur und im funktionalen Zusammenhang des Spielablaufs besessen haben. Die nur bedingt repräsentative Wirkung der sacella spiegelt sich auch in der Ausstattung wider. In keinem Fall konnte eine architektonische Betonung durch ornamentierte Bauglieder nachgewiesen werden, ebensowenig ließen sich aufwendige Wandmalereien feststellen. Einzig das sacellum im Amphitheater von Virunum nimmt durch seine Größe eine elaborierte Stellung ein. Auch die Dekoration mit Reliefs und die Weihung mehrerer Altäre – auch durch römische Beamte – verweisen auf eine besondere Bedeutung dieses Heiligtums. Die postulierte Differenzierung in ein offizielles oberirdisches und ein inoffizielles unterirdisches sacellum in Tarraco ließ sich nicht aufrechterhalten. Dennoch scheinen vor allem die innliegenden sacella in Deva und Tarraco aufgrund der mäßigen repräsentativen Ausstattung und der – zumindest für höhere Magistrate – schlechten Zugänglichkeit eher inoffizielle Kulte zu repräsentieren. Dazu passen die verhältnismäßig kleinen Votive ohne Bezug zu römischen Bürgern mit offiziellen Ämtern und die dennoch gewährleistete Zugänglichkeit von außen wie von der Arena, die für die Bedeutung der Heiligtümer als Übergangsort entscheidend ist. Die Positionierung der kleinen Heiligtümer innerhalb der Amphitheater richtete sich möglicherweise nach der relativen Lage des repräsentierten Stadtgebiets oder Militärlagers. Eine genaue Datierung der sacella ist im Einzelfall schwierig, jedoch scheinen die innliegenden Heiligtümer meist schon mit dem Bau der Amphitheater im Laufe des 2. Jh. n. Chr. eingeplant worden zu sein und wurden dann bis zur endgültigen Aufgabe der Bauten genutzt. 4.2. Sacella im Bereich der Hauptkorridore Einen interessanten, wenngleich bautypologisch sehr schwer einzuordnenden Typus stellen die sacella dar, die in einem der Korridore der in die Arena führenden großen Haupttore lokalisiert werden können. Da es sich bei den Torgängen architektonisch um Durchgangsbereiche handelt, können sie nicht als geschlossene oder auf einen bestimmten Punkt konzentrierte Kulträume im ursprünglichen Sinne einer Cella betrachtet werden. Trotzdem werden sie hier als sacella bezeichnet, da ein Heiligtum oder ein Ort für die Performanz kultischer Handlungen nicht zwingend einen baulich abgeschlossenen, Substruktionsgräben in diesem Bereich weggelassen werden, womit ein Opferritual von der gesamten cavea aus einsehbar wäre.

richtungsorientierten Raum erfordert. Im Gegenteil bieten sich die Eingangskorridore in die Arena aufgrund ihrer Durchgangsfunktion geradezu als vermittelnder Übergangsort an. So äußert sich in der elaborierten architektonischen wie ornamentalen Hervorhebung einzelner Torbereiche die symbolische Bedeutung der Haupttore. Die außenliegenden Durchgänge konnten mit Statuen, Reliefs, Halbsäulen, Pilastern oder Giebeldächern in Anlehnung an die Triumphbogen-Architektur akzentuiert werden 287 ; arenaseitig konnten ebenfalls dekorative Architekturglieder vorhanden sein. Die Korridore selbst waren oftmals zwei- oder dreischiffig; so führten dann neben einem mittleren Hauptgang zusätzliche seitliche Bediengänge hinaus auf die Spielfläche. Auch dürften die zweiflügeligen, in den Torgang öffnenden Haupttore analog zu den portae posticae figürlich oder ornamental bemalt gewesen sein 288. Die bereits oben als wahrscheinlich erkannten Bezeichnungen der porta sanavivaria und porta libitinensis untermauern den starken, symbolträchtigen Charakter der Eingangsbereiche289. Zunächst gilt es also die eigentliche Funktion der Haupttore näher zu betrachten, die innerhalb der Amphitheaterarchitektur und für den Ablauf der Spiele eine zentrale Bedeutung einnehmen. Zu Beginn der Spiele wird eines der Haupttore – höchstwahrscheinlich die als Tor des Lebens und Sieges positiv konnotierte porta sanavivaria – bei der spieleinleitenden Prozession als eines der letzten Etappenziele von Bedeutung gewesen sein. Nach der Ankunft am Amphitheater verteilte sich die Menge, wobei es durchaus wahrscheinlich ist, dass die Akteure daraufhin geschlossen durch das Tor schritten, um vor Beginn der eigentlichen Spiele eine Ehrenrunde durch die Arena zu drehen; auch dürften die mitgeführten Gottheiten dabei präsentiert worden sein 290 . Wann und ob in diesem Zusammenhang auch ein offizielles Abschlussopfer stattfand, muss offen bleiben. Zusätzlich dienten bei vielen Amphitheatern die großen Haupttore als Hauptverteiler bei der Zuschauerführung, indem von hier ein Teil der Ränge, besonders die ima cavea, erschlossen wurde. Daher kann für die Korridore eine überdurchschnittliche Frequentierung durch Zuschauer, vor allem höherer Magistrate, angenommen werden. Des Weiteren 287

Auf einem Relieffragment des Hateriergrabes ist beispielsweise die Eingangssituation des Kolosseums mit hervorkragendem Bogendurchgang und Attikazone mit Quadriga dargestellt. Vgl. Legrottaglie 2008, Taf. 1,5a. Zu der Gestaltung der Haupttore zusammenfassend Legrottaglie 2008, 66–70. 288 Eine Dekoration, die zur Bezeichnung der Tore als porta sanavivaria und porta libitinensis passt, wäre dabei durchaus vorstellbar. Zumal dies auch zur Orientierung der Akteure in der Arena beitragen könnte. Vgl. Hufschmid 2009, 217 bes. FN 1145. 289 s. o. Seite 6 sowie Hufschmid 2009, 42 f. 290 Leider ist ein Einmarsch ins Amphitheater nicht belegt. Hufschmid führt allein den Vergleich mit modernen spanischen Stierkämpfen an (vgl. Hufschmid 2009, 253). Jedoch war eine solche Ehrenrunde möglicherweise auf dem heute leider verlorenen sog. Maffei-Relief dargestellt. Auf dem Relief war eine pompa circensis abgebildet, bei der unter anderem der editor der Spiele auf einem zweispännigen Wagen mitfuhr. Möglicherweise tragbare Götterbilder erscheinen auf der spina. Eine Zeichnung hat sich im Cod. Val. Lat. 3439, fol. 58v erhalten, vgl. Lim 1999, 350 Abb. 12.

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4. NEMESIS-HEILIGTÜMER IM KONTEXT VON AMPHITHEATERN konnten durch die Tore und die parallel verlaufenden Bediengänge mehrere Akteure oder auch eine größere Anzahl Tiere die Arena betreten. Vor allem für die Inszenierung der Wildtiere existierten in vielen Korridoren raffinierte Sperr- und Einlassmechanismen291. Die Haupttore hatten demnach während einer Spielzeit, ähnlich den bereits besprochenen carceres, eine multifunktionale Bedeutung. Ob ihnen in diesem Zusammenhang auch eine rituelle Relevanz zugesprochen werden kann, soll die Untersuchung einer Präsenz der Nemesis, die bei insgesamt fünf Amphitheatern in Zugangskorridoren nachgewiesen werden konnte, klären. Aufgrund der besonderen, nahezu singulären Art der Nemesis-Weihungen aus einem der Haupteingänge des Amphitheaters von Italica/Santiponce, soll dieses im Folgenden stellvertretend für den insgesamt heterogenen Typus diskutiert werden. Italica/Santiponce Bereits um das Jahr 206 v. Chr. ließ Publius Cornelius Scipio römische Veteranen in einer wohl schon bestehenden kleineren indigenen Stadt am Guadalquivir ca. 10 km nördlich von Hispalis/Sevilla ansiedeln und benannte sie in Italica um 292 . An einer wichtigen Kreuzung zweier Straßen, welche die Silber- und Kupferabbaugebiete im baetischen Hinterland sowie die am Mittelmeer gelegene Stadt Gades/Cádiz erschlossen, kam der Gründung strategische Bedeutung zu. Nach der Erhebung zum Municipium in der zweiten Hälfte des 1. Jh. v. Chr. wurde die Stadt später als Heimatstadt der Kaiser Trajan und Hadrian bekannt. Letzterer erhob sie schließlich auf Bitte der Bewohner als Colonia Aelia Augusta Italica in den Koloniestatus293. Zwar gewann die Stadt in der Antike wie es scheint niemals provinzübergreifende Bedeutung – wichtigste Stadt Baeticas mit Sitz eines Gerichtsbezirks war Hispalis/Sevilla –, doch kommt ihr in der Forschung als älteste Stadtgründung Roms außerhalb Italiens und aufgrund der besonderen urbanistischen Situation dennoch eine exzeptionelle Rolle zu294. Nach der Gewährung des Koloniestatus erfolgte ein städtebaulicher Entwicklungsschub in der ersten Hälfte des 2. Jh. n. Chr., bei dem das alte Stadtgebiet im Nordosten erheblich erweitert wurde. Somit teilte sich Italica in zwei größere Stadtbereiche: die vetus urbs im Südwesten – von der aufgrund der modernen Überbauung durch die Kleinstadt Santiponce wenig erhalten ist – und die nova urbs im Nordosten, zu der auch das Amphitheater gehört. Das Stadtgebiet der

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Dazu ausführlich Hufschmid 2009, 218. App. Ib. 38. 293 Vgl. dazu Galsterer 1997, 60 f. 294 Zur Stadtgeschichte und zum rechtlichen Status vgl. ausführlich Galsterer 1997, 52–61. Es wurde immer wieder ein Vergleich mit hellenistischen städtebaulichen Konzepten vor allem in Kleinasien angestrengt und die Ausnahmeerscheinung Italicas herausgestellt (vgl. z. B. León 1992, 97). Zur Entmystifizierung von Italicas Bedeutung für die Urbanistik Baeticas s. zuletzt Gans 2003, 138–139. 292

nova urbs entsprach dem einer römischen Planstadt und folgte einem orthogonalen Straßenmuster. Bisher sind mehrere große domus, eine Thermenanlage und ein großer, zentral in einem weitläufigen von Portiken umstandenen Innenhof gelegener Peripteros, der in der Forschung im Allgemeinen als ein von Hadrian gestiftetes Trajaneum bezeichnet wird, bekannt 295 . Einen Sonderfall stellen die insgesamt sehr unterschiedlich dimensionierten insulae dar, die von nur ein bis zwei dementsprechend weitläufigen domus mit verhältnismäßig reicher Ausstattung bebaut waren 296. Dies lässt auf den Anspruch auf entsprechend wohlhabende Besitzer oder Bauherren schließen, denen mit der Stadterweiterung adäquater Wohnraum bzw. Baugrund zur Verfügung gestellt werden sollte. Eine dem zerhügelten Gelände folgende Befestigungsmauer aus dem 2. Jh. n. Chr. umschloss beide Stadtgebiete, wobei innerhalb des Mauerrings nicht alle Bereiche bebaut waren. Zusammen mit dem ungewöhnlichen Ausstattungsluxus der weitläufigen Häuser verweist dies auf eine nicht allzu große Bevölkerungszahl. Der ca. 8 m breite cardo maximus mit begleitenden Ziegelpfeiler-Portiken, der Alt- und Neustadt miteinander verband, verlief von der Front des Trajaneums nach Norden zu einem der Stadttore 297. Vor diesem Tor, außerhalb des Befestigungsrings gelegen, befindet sich direkt an der auf hadrianische Zeit zurückgehenden Straße nach Augusta Emerita/Merida das Amphitheater (Kat.-Nr. 12)298. Die Blüte der nova urbs währte allerdings nicht lange: Aufgrund sehr schlechter Bodenverhältnisse mussten an den Gebäuden der Neustadt schon bald Nachbesserungen ausgeführt werden oder sie wurden bereits früh wieder verlassen und systematisch abgetragen. Mit dem Ende des 2. Jh. n. Chr. scheint die großzügig geplante Neustadt schon wieder aufgegeben worden zu sein 299 . Gleichwohl wurde das Amphitheater noch Ende des 2. Jh. n. Chr. intensiv genutzt, wie die Bronzetafel eines senatus consultum aus der Zeit des Commodus mit genauen Angaben zur Finanzierung von munera in Italica und im gesamten Imperium belegt300. Im Mittelalter diente es dann als Steinbruch und wurde kontrolliert ausgeschlachtet, sodass heute kaum noch Reste der äußeren Fassade und der summa cavea vorhanden sind. Bis heute existiert auch keine moderne und umfassende Bearbeitung dieses Bauwerks; lediglich in der zweiten Hälfte des 19. Jh. 295

Gans 2003, 133–138 identifizierte mögliche Vorbilder für das Trajaneum und die Thermenanlagen nicht im Osten des Reichs sondern in Stadt-Rom bzw. im westlichen Imperium. 296 Zur Baugeschichte zweier Häuser und dem vermutlich für das gesamte Stadtgebiet Italicas zugrundeliegenden Baukonzept vgl. Luzón 1982, 449 f. 297 Gans 2003, 130–134. 298 Ahrens 2005, 78. So wäre z. B. an eine Verknüpfung des Kaiserkults mit dem Amphitheater zu denken, wie sie architektonisch am deutlichsten in Lugdunum/Lyon oder auch in Augusta Raurica/Augst zu greifen ist. Vgl. Futrell 1996, 83–89. Hufschmid 2009, 183–185 sowie infra Seite 8. 299 Luzón 1982, 451. 300 CIL II 6278. S. Golvin 1988, 200 mit weiterer Literatur.

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KULT BEI DER ARENA. NEMESIS-HEILIGTÜMER IM KONTEXT RÖMISCHER AMPHITHEATER sowie Anfang des 20. Jh. fanden intensive Ausgrabungen statt. Wichtige neue Erkenntnisse brachten zuletzt die Untersuchungen von Ramón Corzo Sánchez sowie Lourdes Roldán Gómez Anfang der 1990er Jahre301. Architektur und Baugeschichte Das Amphitheater von Italica/Santiponce liegt im Norden der Stadt außerhalb der Befestigungsmauer und wurde in eine geographische Depression eingepasst, die sich in ost-westlicher Richtung erstreckt. Die Längsachse des Bauwerks orientiert sich am Verlauf dieser Senke und liegt damit auch parallel zur Stadtmauer. Ein weiterer Bezug zwischen der Anlage des Amphitheaters und der nova urbs besteht darin, dass der Abstand zwischen den beiden Stadttoren am nördlichen Ende der auf das Amphitheater zulaufenden cardines genau der Ausdehnung der Hauptachse des Gebäudes entspricht 302 . Durch die besondere Geländemorphologie flankieren im Norden und Süden ansteigende Hänge die beiden Haupttore des Amphitheaters, die dadurch eine optische Rahmung erfahren. Verstärkt wird dieser Effekt durch die im Bereich der Haupttore dreistöckig zu rekonstruierende Fassade, wohingegen im Norden und Süden auf den Hängen nur zwei Stockwerke, allerdings mit Attikazone und Kolonnade über der höchsten Sitzreihe, angenommen werden dürfen 303 . Die Maße der Hauptachsen des großen Steinamphitheaters betrugen 152,8 × 130,6 m, es war damit eines der größten Amphitheater außerhalb Italiens und bot sicherlich mehr Raum als von der postulierten Bevölkerung Italicas benötigt wurde, sodass auch für dieses Amphitheater angenommen werden kann, dass Besucher von außerhalb den Spielen beiwohnten (Abb. 26). Um eine ebene Spielfläche zu schaffen wurde die Senke größer als die spätere Arena eingeebnet, sodass hinter der Podiumsmauer zusätzlich mehrere carceres in der Nordhälfte sowie ein breiter Umgang um die gesamte Arena eingerichtet werden konnten. In der Mitte der Arena bot ein vergleichsweise einfacher, rechteckiger Substruktionsgraben, der durch unterirdische Gänge in der Längsachse des Gebäudes erschlossen wurde, Möglichkeiten mittels Hebevorrichtungen Akteure oder Tiere unvermittelt auf der Spielfläche erscheinen zu lassen. Die Sitzstufen des Podiums und der ima cavea ruhten auf den hinter der Podiumsmauer befindlichen Gewölbekonstruktionen. Die media cavea erhob sich eine Geländestufe höher über rautenförmigen, erdverfüllten Kompartimenten, wohingegen die summa cavea in structure creuse ausgeführt wurde. Die gesamte Außenfassade war ursprünglich in opus quadratum errichtet und mit einer halbsäulengeglieder301

Zur Forschungsgeschichte des Amphitheaters von Italica vgl. ausführlich Corzo Sánchez 1994, 187 f. 302 Corzo Sánchez 1994, 191. 303 So noch Golvin 1988, 200. Aufgrund des schlechten Erhaltungszustandes der gesamten Fassade des Amphitheaters ist auch eine nur zweistöckige Konstruktion möglich. Vgl. Corzo Sánchez 1994, 192 f. mit Abb. 3.

ten Architekturdekoration versehen, von der sich jedoch nur wenige Reste erhalten haben. Im Inneren der Arena besaß die Podiumsmauer eine elaborierte, steinerne Verkleidung sowie ein profiliertes Gesims, von dem sich einige Blöcke erhalten haben 304. Auch die beiden Haupttore im Osten und Westen sollten wohl besonders repräsentativ gestaltet werden. Fünf symmetrisch angeordnete, unterschiedlich große, durch Pilaster getrennte Torbögen boten Einlass in einen durch Pfeiler in fünf Schiffe gegliederten Eingangskorridor305. Aufgrund der relativen Armut an Bauornamentik und der zum Teil nachlässigen und nicht immer vollendeten Ausführung der Pfeilerbasen liegt allerdings der Schluss nahe, dass die Tore und möglicherweise sogar die gesamte Fassade des Amphitheaters niemals fertig wurden. Zudem scheinen die Pfeiler des Osttores nicht exakt auf die Fundamentierungen ausgerichtet, was ebenfalls auf eine leichtfertige Ausführung deuten könnte306. Aufgrund der Lage des Amphitheaters im Verhältnis zum Stadtgebiet darf das Osttor als Haupteingang – und somit wohl als porta sanavivaria307 – betrachtet werden, da es zum einen verkehrsgünstig an der von der vetus urbs nach Norden führenden Straße nach Augusta Emerita/Mérida lag308 und zum anderen direkt über das Stadttor am Ende jenes cardo maximus, der an der Front des Trajaneums vorbeiführte, erschlossen wurde (Abb. 27). Die Zuschauerführung erfolgte für die summa und media cavea über aufund absteigende Treppenzugänge, die nördlich und südlich vor den Haupttoren zu den vomitoria des höher gelegenen Eingangsniveaus hinauf führten. Die tiefer in der Geländemulde liegende ima cavea sowie das Podium konnten ausschließlich über die Hauptzugänge der Westund Ostseite erreicht werden. Über die breiten Eingangshallen gelangte man in die Kryptoportikus hinter der verkleideten Arenamauer, von hier aus führten schließlich mehrere Treppen hinauf zu den Sitzplätzen309. Für die Akteure besaß das Amphitheater mehrere carceres: Jeweils eine Kammer befand sich links und rechts der Haupttore, die vom Mittelgang aus zugänglich waren, aber auch als Durchgangsraum der Seitenschiffe dienen konnten und sowohl in den Arenaumgang als auch über eine porta postica hinaus in die Arena führten. Auch für die beiden großen, langrechteckigen carceres im Scheitel der Längsseiten war über zwei portae posticae eine direkte Kommunikation mit der Arena möglich. Zusätzlich 304

Roldán Gómez 1994, 223. Arenaseiteige Dübellöcher in der aus opus testaceum errichteten Mauer weisen auf das Vorhandensein einer Verkleidung hin. 305 Roldán Gómez 1994, 216. 306 Dass das Amphitheater dennoch benutzt wurde, steht außer Frage. Davon zeugen unter anderem der Abrieb auf einigen Treppenstufen und Türschwellen sowie die Weihungen im Haupteingangskorridor. Vgl. Corzo Sánchez 1994, 203. 307 Corzo Sánchez 1994, 196. Er bezeichnet eines der Haupttore als porta triumphalis, ein Begriff der antik nicht belegt ist. Dazu Hufschmid 2009, 42 f. 308 Ahrens 2005, 78. 309 Corzo Sánchez 1994, 202.

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4. NEMESIS-HEILIGTÜMER IM KONTEXT VON AMPHITHEATERN besaßen die Räume eine überwölbte Nische in der Rückwand sowie Treppenläufe, die sie mit den darüberliegenden pulpita verbanden310. Die Disposition der Räume entspricht damit der kanonischen Amphitheaterarchitektur, bei der dem Bereich der Schmalachse meist eine akzentuierte Rolle zukommt. Weitere carceres wurden über die gesamte Nordhälfte verteilt unter der ima cavea eingerichtet, konnten jedoch ausschließlich über den Umgang hinter der Podiumsmauer erreicht werden und besaßen keine direkte Verbindung zur Arena. Zugang zu dieser boten die beiden Haupttore und insgesamt zehn portae posticae, von denen jeweils zwei nördlich und südlich der Haupteingänge lagen sowie jeweils eine im Scheitel der Längsseiten. Die Datierung des Amphitheaters gestaltet sich schwierig, da weder die frühen Ausgrabungen, noch die aktuellen Nachuntersuchungen Münz- oder andere aussagekräftige Kleinfunde lieferten, die für eine feinchronologische Einordnung des Bauwerks herangezogen werden könnten 311 . Ebensowenig existieren detaillierte Stratigraphien oder exakte Bauaufnahmen, auch epigraphische oder literarische Quellen sind nicht überliefert. So muss sich eine Datierung des Bauwerks allein auf stadtplanerische Überlegungen und auf die wenigen Reste der Bauornamentik stützen, die aus dem Amphitheater bekannt sind. Die Bauzeit des Gebäudes scheint eng mit der Planung und der Bauzeit des Stadtgebietes der nova urbs verbunden: Die Ausrichtung der Hauptachse des Bauwerks parallel zur Stadtmauer sowie die orthogonal genau zwischen zwei Stadttore eingepasste größte Ausdehung des Gebäudes, zeugen von einem offensichtlichen Bezug der Projekte zueinander. Allein auf dieser Basis ist jedoch noch keine relativchronologische Aussage über die Bauzeit des Amphitheaters möglich, da nicht zu entscheiden ist, in welcher Richtung die Beeinflussung stattfand312. Betrachtet man jedoch die Lage des Amphitheaters im Vergleich zu anderen städtischen Amphitheatern außerhalb der Befestigungsmauern, wird deutlich, dass die Bauwerke niemals allzuweit vor den Toren der Stadt liegen. Eine Errichtung des Amphitheaters noch vor der konkreten Planung der nova urbs allein für die Bewohner der vetus urbs in so großer Entfernung zum alten Stadtgebiet kann daher als nahezu ausgeschlossen gelten 313 . Vielmehr wird das Gebäude tatsächlich wie die nova urbs in der ersten Hälfte des 2. Jh. n. Chr. nach der Erhebung zur colonia noch während der Herrschaft Hadrians begonnen worden 310

Zusätzlich konnten Reste von farbigem Verputz festgestellt werden (Vgl. Roldán Gòmez 1994, 221). Zu den beiden carceres sowie weiteren Nischen, die hauptsächlich auf der Südseite hinter der Podiumsmauer liegen vgl. auch Corzo Sánchez 1994, 197. 311 Corzo Sánchez 1994, 203. 312 D. h. ob bei der Planung der nova urbs auf das bestehende Amphitheater Rücksicht genommen wurde, oder ob umgekehrt, das Amphitheater an die orthogonale Planung des Stadtgebiets angepasst wurde. 313 Für die Bestätigung dieser These lassen sich viele Beispiele anführen. Für die hier behandelten Amphitheater vgl. Tarraco/Tarragona (Kat.Nr. 20), Carnuntum/Bad Deutsch-Altenburg (Kat.-Nr. 6), Aquincum/Budapest (Kat.-Nr. 2), Sarmizegetusa/Sarmizegetusa (Kat.Nr. 17)

sein und neben Thermen und Trajaneum als weiterer repräsentativer Bau zur monumentalen Ausgestaltung des neuen Stadtgebiets beigetragen haben. Dazu passt, dass die Gesimse der Podiumsmauer des Amphitheaters typologisch mit den Gesimsen des ins beginnende 2. Jh. n. Chr. zu datierende Trajaneum verwandt sind und dass auch das Bossenmauerwerk Parallelen zu jenem des Trajaneum aufweist314. Abschließend lässt sich festhalten, dass das Amphitheater möglicherweise sehr schnell, abweichend vom ursprünglichen Plan und unter Verzicht auf Fertigstellung errichtet wurde, wobei gerade Dekoration und Ornamentierung der Außenfassade nicht durchgeführt wurden. Dennoch scheint der Bau – eventuell bis ins 5. Jh. n. Chr. 315 – intensiv genutzt worden zu sein, wovon auch die Anbringung unterschiedlicher Weihungen an Nemesis und anderer Votive innerhalb des östlichen Eingangskorridors zeugen. Nemeseum Beim Vergleich diverser, von ihm als sacella bezeichnete Räumlichkeiten kommt Golvin zu dem Schluss, dass gerade den zentral auf der Schmalachse gelegenen Kammern mit Verbindung zum Podium eine Funktion als Heiligtum zukommen muss, obwohl er insgesamt nur zwei Beispiele anführen kann, in denen sich tatsächlich Fragmente von Altären fanden 316 . Als mögliches sacellum im Amphitheater von Italica/Santiponce wurden von ihm daher die beiden bereits besprochenen, mit Nischen ausgestatteten carceres im Scheitel der Längsseiten der Arena identifiziert. Golvin bringt die Räumlichkeiten hier auch mit den Nemesis-Votiven aus dem Amphitheater in Verbindung, da bei diesen nicht von allen der genaue Fundort bekannt ist und er sie in den carceres verorten zu können meint317. Eine detaillierte Diskussion des Befundes wird diese Annahme jedoch widerlegen und das Nemeseum im östlichen Hauptzugang des Amphitheaters lokalisieren können. Aus dem Amphitheater von Italica sind insgesamt 14 marmorne Fußbodenplatten mit Inschrift und/oder plantae pedis sowie eine bronzene tabula ansata bekannt. Sie geben Weihungen unter anderem an Nemesis und Caelestis oder aber – ohne Bezug zu einer Gottheit – einzig die Namen der Stifter wieder. In der Forschung wurde immer wieder versucht, die Inschriften in verschiedene Gruppen zu kategorisieren, die einem separaten Kult der einen oder der anderen Gottheit entsprechen. Daneben wurde auch auf die Einzigartigkeit der Verbindung gerade dieser zwei Gottheiten hingewiesen, die außer in Italica/Santiponce und in Augusta Emerita/Merida sonst nicht belegt ist318. Caelestis ist eine 314

Ahrens 2005, 79. Canto 1984, 194. Sie führt dafür Inschriften des Podiums an, die sie jedoch nicht referenziert. 316 Golvin 1988, 337–340. Einzig in Lugdunum/Lyon und in Forum Iulii/Frejus fanden sich in den zentralen carceres kleine Bruchstücke von Votivgaben, ohne dass die Identifizierung einer bestimmten, dort verehrten Gottheit möglich ist. 317 Golvin 1988, 339 FN 185. 318 Vgl. Garcia y Bellido 1967, 82–89. 140–145. Canto 1984, 186. In diesem Zusammenhang ist gerade die Inschrift aus dem Eingangsbe315

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KULT BEI DER ARENA. NEMESIS-HEILIGTÜMER IM KONTEXT RÖMISCHER AMPHITHEATER vor allem in Nordafrika verehrte allmächtige Himmelsgöttin – ähnlich der Nemesis in Ägypten –, die auch einen engen Bezug zur Jagd sowie zum Erlegen von Wild besitzt und dadurch auch im Kontext der venationes eine entscheidende Rolle spielt. Gerade der Jagdaspekt könnte im Zusammenhang mit der Bedeutung Nordafrikas für den Nachschub wilder Tiere für die Spiele einen Hinweis auf die Verbindung der Nemesis und der Caelestis geben319, weshalb sich die Weihinschriften auch nicht zwingend auf zwei verschiedene Gottheiten beziehen müssen, sondern möglicherweise allgemein einer nordafrikanisch-römischen Nemesis-Caelestis als siegbringende Jagdgöttin geweiht waren. Dies würde wiederum zu dem schwer greifbaren Wesen der Nemesis passen, die – wie oben gezeigt wurde – äußerst selten als individuelle Gottheit personifiziert wurde, jedoch häufiger als numina mixta synkretistische Verbindungen mit anderen Gottheiten einging, deren Eigenschaften dabei mit nemesischen Charakterzügen ergänzt werden konnten320. Der Fundort der meisten Votive und Votivfragmente ist nicht überliefert; einige wenige Platten konnten jedoch in situ im nördlichen Bereich des östlichen Haupttores des Amphitheaters gesichert werden321: Eine Weihinschrift an Caelestis mit zwei plantae pedis fand sich im Zentrum der westlichen Hälfte des nördlichen Kuppelsaals, zwei weitere plantae pedis-Votive an Nemesis konnten im zentralen Hauptkorridor direkt vor dem mittleren Pfeiler des nördlichen Kuppelsaales aufgedeckt werden 322 . Zusätzlich fanden sich im Bereich des Eingangskorridors weitere, heute nicht mehr sichtbare Zeichen – u. a. Tiere und tabulae lusoriae –, die möglicherweise ein Indiz darstellen, dass der Zugang auch als Aufenthaltsraum genutzt wurde323. Alicia Canto hat in ihrer Untersuchung aller Votivplatten aus dem Amphitheater überzeugend auf die Ähnlichkeit derjenigen Weihungen hingewiesen, deren Inschriften ausnahmslos mit plantae pedisDarstellungen kombiniert sind 324 . Zudem bestand der Bodenbelag der Haupteingänge und Nebenräume aus großen, rechteckigen Platten, in deren Gefüge die reich des Amphitheaters von Augusta Emerita/Merida von Bedeutung, die eindeutig einen Bezug zwischen Nemesis und Caelestis herstellen lässt. Die Inschrift ist der dea invicta caelestis nemesis geweiht. Vgl. Garcia y Bellido 1960, 142 f. 319 Tert. apol. 12, 3–5. Dazu auch Beltrán Fortes – Rodríguez Hidalgo 2006, 1445 f. Zu Caelestis s. auch die jüngst erschienene, dem Verf. jedoch noch nicht zugängliche Monographie M. Lancellotti, Dea Caelestis. Studi e materiali per la storia di una divinità dell'Africa romana (Serra 2010). Auf einen Kulttransfer aus Nordafrika könnte auch die im 2. Jh. n. Chr. wachsende Präsenz nordafrikanischer Bürger in Italica deuten. Vgl. Beltrán Fortes – Rodríguez Hidalgo 2006, 1447. 320 Dazu s. o. Seite 17 321 Vgl. Garcia y Bellido 1960, 135–139. Canto 1984, 183. Hornum verweist in seiner Untersuchung bei den von ihm aufgenommenen Weihungen aus Italica für die gesamte Gruppe ganz allgemein auf einen Fundort innerhalb des östlichen Eingangskorridors (vgl. Hornum 1993, 274–280). Lourdes Roldán Gómez lokalisiert alle Stücke im nördlichen Kuppelsaal des Eingangskorridors (Roldán Gómez 1994, 216). 322 Fotos dieser Votive bei Beltrán Fortes – Rodríguez Hidalgo 2006, 1442 Fig. 5. 323 Corzo Sánchez 1994, 197. Zur Lokalisierung weiterer Inschriften vgl. auch Beltrán Fortes – Rodríguez Hidalgo 2006, 1442 Fig. 3. 324 Canto 1984, 183. 186 f.

Votivplatten hervorragend einpassen würden; der Bodenbelag der zentralen carceres dagegen schien nicht besonders hervorgehoben zu sein und bestand lediglich aus gestampfter Erde325, weshalb auch eine Anbringung der Platten in diesen Räumen – entgegen Golvins Vermutung – eher unwahrscheinlich ist. Aufgrund der Homogenität der Votivplatten, des aufgezeigten Bezugs der verehrten Gottheiten zueinander und ihrer zum Bodenbelag des Haupttores passenden Größe, kann die Lokalisierung der heute nicht mehr kontextualisierbaren Weihungen gemeinsam mit den innerhalb des Hauptkorridors gefundenen Inschriften als sehr wahrscheinlich gelten. Die Konstruktion des Haupttores als fünfschiffiger Eingangsbereich mit insgesamt sieben symmetrisch angeordneten Einlässen an der Fassade bot dabei eine hierarchisch abgestufte Zugangssituation, wobei nur die mittleren drei Tore den Mittelgang und die begleitenden großen überwölbten Säle repräsentativ erschlossen. Die beiden äußeren Türen führten in schmale, dunkle Korridore über die man die Nebenräume ebenfalls erreichte, deren Hauptfunktion jedoch in einem schnellen Zugang zur Arena und in der Erschließung der Substruktionen zu suchen ist; die zur Mitte hin folgenden Tore dienten lediglich als Aufgang zu den Plätzen der ima cavea. Die auf Pfeilern ruhenden, den zentralen Hauptkorridor begleitenden Kuppelsäle besaßen damit auf allen vier Seiten Durchgänge und boten so Zugang zu allen wichtigen Bereichen des Amphitheaters. Im zentralen westlichen Bereich des nördlichen Kuppelsaal fanden sich zudem in Verbindung mit der Inschrift an Caelestis die Reste einer rechteckigen Fundamentierung, die auf das Vorhandensein einer Kultstatuenbasis hindeuten (Abb. 28)326. Das Nemeseum im Amphitheater von Italica/Santiponce darf demnach im östlichen, bereits zuvor als porta sanavivaria glaubhaft gemachten Hauptkorridor, genauer im nördlich anschließenden Kuppelsaal lokalisiert werden und war somit kein einfacher, über eine Pforte zugänglicher Raum wie die carceres der innliegenden sacella, sondern kann vielmehr als größerer, von allen Seiten zugänglicher, semiöffentlicher Bereich angesehen werden. Als solcher wurde der östliche Haupteingang des Amphitheaters eben nicht nur von Akteuren der Spiele frequentiert, sondern musste aufgrund der einzigen Zugangsmöglichkeit zu den Logen des Podiums und der ima cavea auch von höheren Magistraten oder equites durchschritten werden. Die Anbringung der Weihungen im nördlichen Bereich des östlichen Haupttores erfolgte also an einem für die Anwesenheit von Rezipienten zentralen Punkt innerhalb des Amphitheaters. Zudem bilden sie innerhalb des Untersuchungsrahmens eine eigene Kategorie, da die Kombination von Inschriften mit plantae pedis in Nemesisheiligtümern bisher eine

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Rodríguez Gutiérrez 2010, 76 Fig. 6. 8. Beltrán Fortes – Rodríguez Hidalgo 2006, 1442.

4. NEMESIS-HEILIGTÜMER IM KONTEXT VON AMPHITHEATERN singuläre Erscheinung zu sein scheint327. Die Bedeutung der Votive erschließt sich über ihre bereits determinierte Anbringung im Komplex des Amphitheaters, über die Prosopographie der Stifter und über die Funktion der plantae pedis-Darstellungen innerhalb des Hauptkorridors. Wie gezeigt wurde, müssen die vestigia-Inschriften als eine geschlossene Gruppe betrachtet werden, die, in einem geschlossenen Kontext präsentiert, alle dem gleichen Topos folgten. Entgegen der lange Zeit vorherrschenden Forschungsmeinung, nach der die Verehrer der Nemesis aus einer niedrigen, unfreien Gesellschaftsschicht stammten und sich hauptsächlich aus Sklaven und insbesondere Gladiatoren rekrutierten, konnte Hornum nachweisen, dass die meisten Stifter der Votivinschriften höhere Magistrate, Personen mit öffentlichen Ämtern oder militärische Amtsträger waren328. Ähnlich verhält es sich auch bei den Weihinschriften aus dem Amphitheater von Italica/Santiponce. Alle in den Inschriften genannten Stifter tragen die tria nomina und können somit keine unfreien Gladiatoren sein, sondern dürfen als freie, römische Bürger gelten. Eine der Inschriften gibt zusätzlich einen Hinweis auf die Funktion des Stifters, der sich als sac(erdos) C(oloniae) A(eliae) Aug(ustae) Ital(icensium) bezeichnet 329 . Der Urheber der Caelestis-Inschrift, ein C(aius) Se[n]tius Africanus, stammte höchstwahrscheinlich aus der gleichen einflussreichen gens, der auch Marcus Sentius Mauri(t)anus, der Stifter einer Silberstatuette im Trajaneum, angehörte 330 . Die Inschriften wurden demnach von Personen gestiftet, die ein öffentliches Amt bekleideten und möglicherweise auch als Veranstalter von munera auftraten331. Die Kombination der Inschriften mit plantae pedisDarstellungen erfährt schließlich sehr ambivalente Erklärungsmuster. Auffällig ist die Seltenheit dieser Votive im Kontext von Amphitheatern und im Zusammenhang mit Caelestis und Nemesis. Neben einer marmornen plantae pedis-Weihung aus dem Amphitheater von Tarraco/Tarragona (Kat.-Nr. 20) fanden sich einzig im Amphitheater von Karthago in den Substruktionen unter der Arena vier weitere Plaketten mit plantae pedis-Darstellungen, die jedoch keiner bestimmten Gottheit zugewiesen werden können; vestigia-Weihungen an andere Gottheiten sind dagegen verbreiteter und unter anderem aus Nordafrika bekannt332. Die Bedeutung der plantae pedis-Weihungen in Italica/Santiponce kann daher nur aus der Kombination einer lokalen Tradition – 327

Canto erwähnt Weihungen aus Athen und von Lesbos, die ebenfalls mit plantae pedis verziert sein sollen, liefert dafür jedoch keine Belege. Vgl. Canto 1984, 193. 328 Personen niedrigen Status’ als Verehrer der Nemesis beispielsweise bei Schweitzer 1931, 177 und Garcia y Bellido 1967, 82. Dagegen Hornum 1993, 89. 331. 329 Garcia y Bellido 1967, 142 Nr. 3. 330 Beltrán Fortes – Rodríguez Hidalgo 2006, 1443. 1447. Andere Lesung als Caius S[ervi]lius Africanus bei Garcia y Bellido 1967, 143 Nr. 4. 331 Canto 1984, 190. 332 Beltrán Fortes – Rodríguez Hidalgo 2006, 1448 f.

die möglicherweise aus Nordafrika importiert wurde – und ihrer Anbringung im Eingangskorridor des Amphitheaters abgeleitet werden. Ihren Ursprung haben derartige Votive wohl in Ägypten, wo sie sehr zahlreich bereits in Tempeln der Ramessidenzeit erscheinen. Später tauchen vestigia häufig als Weihungen an die ägyptischen Gottheiten Isis und Serapis auf333. In vielen Fällen darf das Abbild eines Fußes sicherlich als Dankvotiv für die Heilung des entsprechenden Körperteils angesehen werden; eine Deutung, die im Zusammenhang mit Amphitheatern sicherlich nicht die einzig gültige sein kann. Denn die Votive können auch als Fußabdrücke der verehrten Gottheit zum Zeichen göttlicher Präsenz auf Erden verstanden werden sowie als moralischer Wegweiser im Sinne eines ›in die Fußstapfen der Gottheit Tretens‹. Auf der anderen Seite symbolisieren sie als Fußabdrücke des Stifters die Präsenz desselben im Heiligtum, der damit seine persönliche Frömmigkeit zum Ausdruck bringen konnte. Schließlich können die Fußabdrücke auch als apotropäische Symbole aufgefasst werden, indem sie als Garanten für ein Kommen und Gehen ›guten Fußes‹, d. h. für ein gutes Gelingen stehen334. In diesem Sinne versteht Canto die Votivgaben, wenn sie die Fußabdrücke als Bittsymbole für den reibungslosen Ablauf der von den Stiftern der Inschriften finanzierten Spiele interpretiert335. Katherine Dunbabin konnte in ihrer umfangreichen Untersuchung zu den vestigia jedoch auch nachweisen, dass die Darstellungen von Fußabdrücken sehr häufig einen bestimmten rituellen oder profanen Übergang markieren336. Im Zusammenhang mit der oben diskutierten Bedeutung der Haupttore als liminale Zonen und der möglichen Identifizierung des Osttores des Amphitheaters von Italica/Santiponce als porta sanavivaria mag die Darstellung von plantae pedis auch einem frommen Wunsch an die Gladiatoren nach siegreichem Verlassen der Arena durch das Tor des Lebens gleichkommen. Die vestigia können gerade im Kontext der Amphitheater – und hier besonders innerhalb eines Eingangskorridors – als Zeichen für das Passieren einer Übergangszone fungieren und betonen damit – in Verbindung mit den Weihinschriften an Nemesis und Caelestis – zusätzlich die Relevanz einer Unterscheidung zwischen chthonischer Zwischenwelt in der Arena und ›sicherer‹ Lebenswelt außerhalb derselben. Lage, Architektur und Ausstattung der sacella im Korridor Amphitheater mit einem Nemesis-sacellum in einem der Hauptkorridore lassen sich neben dem zuvor besprochenen Beispiel von Italica/Santiponce auch in Augusta Emerita/Merida, in Pola/Pula sowie im militärischen und 333

Vgl. Dunbabin 1990, 88. Zur vielfältigen Bedeutung der Fußabdrücke vgl. Kötting 1983, 197– 199 sowie ausführlicher Dunbabin 1990, 85–95. 107. 335 Canto 1984, 190. 336 Fußabdrücke finden sich häufig am Eingang von Heiligtümern, Thermen oder ganz allgemein auf Türschwellen. Vgl. Dunbabin 1990, 107. 334

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KULT BEI DER ARENA. NEMESIS-HEILIGTÜMER IM KONTEXT RÖMISCHER AMPHITHEATER im zivilen Amphitheater von Carnuntum/Bad DeutschAltenburg lokalisieren. Aufgrund der schwierigen Publikationslage der Bauten sind eine genaue Datierung sowie eine exakte Einordnung der Fundstücke nicht immer möglich. Das Amphitheater von Augusta Emerita/Merida (Kat.Nr. 3) liegt im äußersten Südosten der Stadt, innerhalb der Befestigungsmauern. Es bildet zusammen mit dem Theater eine Doppelanlage, deren augenfällige architektonische Kombination auf eine gemeinsame Planung zurückgehen muss (Abb. 29). Ähnlich wie in Lugdunum/Lyon oder Augusta Raurica/Augst dürfte der Komplex ebenfalls eine enge Verbindung zum Kaiserkult besessen haben, wie die Aufstellung einer Statuengalerie der augusteischen Familie in der Exedra des Theaterperistyls sowie die sekundäre Einrichtung eines Kaiserkult-sacellum im Zentrum der ima cavea des Theaters unter Kaiser Trajan vermuten lassen337. Die Datierung des Amphitheaters ist wie die der gesamten Anlage nach wie vor umstritten, da weder während der Ausgrabungskampagnen Anfang des 20. Jh., noch bei der vollständigen Neubearbeitung der Monumente durch Rosalía-María Durán Cabello im Jahr 2004 eine exakte Bauaufnahme vorgenommen wurde. Dennoch kann eine Differenzierung von zumindest vier Bauphasen angenommen werden338: Nach der epigraphisch belegten augusteischen Stiftung als kombinierter Holz-Stein-Bau extra murus, folgte die Eingliederung in das Stadtgebiet in der zweiten Hälfte des 1. Jh. n. Chr. und anschließend die Monumentalisierung als in structure creuse errichtetes Steinamphitheater intra murus Ende des 1. Jh. n. Chr., bevor schließlich in einer letzten Phase insbesondere der Bereich des Podiums umgestaltet wurde339. Nach diesen letzten Umbaumaßnahmen besaß auch das Amphitheater von Augusta Emerita/Merida – ebenso wie das von Italica/Santiponce – ein elaboriertes pulpitum mit Zugang zur Arena über einen mit Nischen ausgestatteten carcer im Scheitel der Ostkurve. Im Norden und Süden gewährten die Haupteingangskorridore über Treppenaufgänge Zugang zum Podium und der ima cavea (Abb. 30). Der zentrale auf der Schmalachse gelegene carcer wird von Durán Cabello als Nemesisheiligtum bezeichnet, obwohl keinerlei Beifunde diese Annahme stützen; vielmehr geht sie davon aus, dass die auf Stuck gemalte Weihinschrift in tabula ansata an Nemesis-Caelestis, die sich im nördlichen Eingangskorridor fand, diesen Bezug 337

Vgl. dazu ausführlich Trillmich 2007, 419–422. Durán Cabello 2004. Zur Forschungsgeschichte des Amphitheaters vgl. auch Bendala Galán – Durán Cabello 1994, 247. Der TheaterPeristyl-Komplex wird z. Z. unter der Schirmherrschaft des Architekturreferats des DAI Madrid ausführlich bauhistorisch untersucht. Vgl. dazu Röring 2010, 191. 339 Vgl. Durán Cabello 2004, 242–244. Ausschlag für die Datierung der einzelnen Bauphasen geben zum einen ein kleines Grab aus der Mitte des 1. Jh. n. Chr., das unter der summa cavea entdeckt wurde und somit als terminus post quem für die Errichtung derselben fungiert (Bendala Galán – Durán Cabello 1994, 257 f.) sowie die Anlage der Stadtmauer in der zweiten Hälfte des 1. Jh. n. Chr., auf die beim Ausbau des Amphitheaters Rücksicht genommen wurde (Calero Carretero 1994, 305 f.).

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herstellen lässt340. Der Dedikant der Inschrift – M(arcus) Aurelius Fili[... Roma – weist sich als römischer Bürger aus, der der deae invictae ein Gelübde erfüllt hat. Nach Ausweis des Formulars, des Namens und der Filiationsangabe kann die Weihung etwa an das Ende des 2. Jh. n. Chr. datiert werden 341. Aufgrund des Fundorts der Inschrift darf jedoch ähnlich wie in Italica/Santiponce eine rituelle Konnotation des Korridors angenommen werden, zumal auch mit der Lage des Haupttores an der Stadtseite, der gesellschaftlichen Stellung des Dedikanten und der Frequentierung der Tore durch verschiedene Zuschauergruppen und Akteure Parallelen vorhanden sind. In Pola/Pula (Kat.-Nr. 14) liegt das nord-südorientierte Amphitheater im Norden der Stadt, ca. 200 m vor der Befestigungsmauer direkt an der Via Flavia (Abb. 31). Das Bauwerk wurde in der ersten Hälfte des 1. Jh. n. Chr. erbaut und ist damit die älteste der hier untersuchten Spielstätten 342 . Als steinernes Amphitheater in structure creuse errichtet, besaß es eine dreistöckige Fassade aus bossiertem opus quadratum in der erweiterte Jochabstände der Arkaden im Norden und Süden die repräsentativ gestalteten Haupteingänge markierten. Ähnlich wie in Italica/Santiponce wurden die Hauptkorridore von großen, pfeilergegliederten Durchgangssälen begleitet, die über einen nachfolgenden carcer in die Arena führten. Über Treppenläufe links und rechts der Hauptkorridore konnten das Podium sowie die ima cavea erreicht werden. Ein weiterer repräsentativ gestalteter Eingang bot im Westen Zugang zur Loge auf der Schmalachse. Im Nordwesten und Nordosten sowie im Südwesten und Südosten befanden sich insgesamt vier symmetrisch angeordnete Treppentürme, die zur Erschließung der summa cavea dienten (Abb. 32). Das Nemeseum des Amphitheaters kann aufgrund der Fundsituation von mindestens einem der vier aus Pula/Pola stammenden Nemesisaltäre im südlichen Haupteingangskorridor lokalisiert werden. In dem ca. 10 × 4 m großen Saal war ein von C(aius) Lecanius Vitalis gestifteter Altar aufgestellt 343 ; drei weitere Altäre fanden sich als Streufunde im Stadtgebiet, dürften aber ebenso zumindest dem Kontext des Amphitheaters zugeordnet werden 344 . Auch in Pola/Pula lag das Nemeseum im Korridor jenes Haupttores, welches dem 340

Durán Cabello 2004, 244. Hornum geht ohne ersichtlichen Grund davon aus, die Inschrift sei versetzt worden und befinde sich nicht mehr an ihrer originalen Position. S. Hornum 1993, 60. 341 Hornum 1993, Kat.-Nr. 215. 342 Auch das Amphitheater von Pola/Pula wurde bereits sehr früh im 19. und 20. Jh. untersucht und es liegt keine umfangreiche bauhistorische Untersuchung vor, sodass sich die Datierung vornehmlich auf augenscheinliche, äußere typologische Eigenheiten stützt. Vgl. dazu Fischer 1996, 128. 343 Hornum 1993, Kat.-Nr. 41. 344 Zum Altar aus dem Hauptkorridor Hornum 1993, 177 Nr. 42. Ein zweiter Nemesisaltar, den Hornum dem Amphitheater zuordnet (Hornum 1993, 179 Nr. 44), stammt aus der Sammlung verstreuter Einzelfunde des proscaenium des Theaters am nördlichen Abhang des Kapitolhügels (Gnirs 1912, 261), ein dritter fand sich in der Infanteriekaserne (Hornum 1993, 179 Nr. 43). Der Fundort des vierten Altars ist nicht mehr bekannt. Vgl. auch Fischer 1996, 129.

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4. NEMESIS-HEILIGTÜMER IM KONTEXT VON AMPHITHEATERN Stadtgebiet am nächsten lag und das wahrscheinlich mit der porta sanavivaria zu identifizieren ist. Es wurde wohl auch von Zuschauern mit einem höheren sozialen Status genutzt, um auf die statuseigenen Sitzplätze zu gelangen. Im Vergleich mit der Disposition des Nemeseums im Amphitheater von Italica/Santiponce könnte einer der beiden großen Nebenräume als sacellum postuliert werden345. Die beiden Amphitheater von Carnuntum/Bad Deutsch-Altenburg bilden gegenüber den bisher vorgestellten Korridorheiligtümern jeweils einen Sonderfall. Im Gegensatz zu den großen, repräsentativen und semiöffentlichen Hauptkorridoren der in structure creuse errichteten Amphitheater, teilen sich die Haupttore der in structure pleine ausgeführten Bauten in Carnuntum/Bad Deutsch-Altenburg in einen zentralen Korridor und zwei abgeschrankte Nebengänge, die wohl hauptsächlich für die Einleitung wilder Tiere in die Arena gedient haben 346. Im noch näher zu besprechenden militärischen Amphitheater (Kat.-Nr. 5) 347 lag zusätzlich zu dem großen, außenliegenden sacellum am zum Legionslager ausgerichteten Westtor auch gegenüber im südlichen Seitenkorridor des Osttors eine Nische, vor der ein Nemesisaltar aufgestellt war 348 . In der Umgebung dieses Altars fanden sich verbrannte Knochenreste verschiedener Kleintiere sowie ein Münzschatz, bestehend aus 36 Silberdenaren mit Schlussmünzen des Lucius Verus und Marc Aurel349. Ähnlich wie im Amphitheater von Tarraco/Tarragona könnte hier eine soziale Differenzierung des Kultbetriebs angenommen werden 350 : Während im großen Heiligtum vor dem Westtor die offiziellen Opferhandlungen stattfanden, existierte im rückwärtigen Bereich eine kleinere Opferstelle für die Akteure des Spielbetriebs. Dazu passt, dass die Stifter des Altars keine höheren Magistrate waren, sondern aus Hispanien und Gallien stammende, einfache Veteranen der in Carnuntum stationierten Leg. XIV Gemina 351. Das in structure pleine errichtete zivile Amphitheater von Carnuntum (Kat.-Nr. 6) liegt ca. 300 m südwestlich vor der Stadtmauer (Abb. 33). Die Bauzeit kann aufgrund epigraphischer und bautypologischer Beobachtungen auf die Jahrzehnte zwischen der Regierungszeit Hadrians und

den Beginn der Markomannenkriege eingeschränkt werden 352 . Der Grundriss des Bauwerks folgt jedoch nicht dem klassischen elliptischen Konzept der Amphitheaterarchitektur, da die Achse der Haupttore von der Längsachse der Arena um einige Grad abweicht, wodurch der Eindruck eines übereilt ausgeführten und an mehreren Stellen gleichzeitig begonnenen Bauvorhabens entsteht. Auch die unregelmäßig angeordneten, in unterschiedlicher Mauerstärke ausgeführten Radialmauern der cavea verstärken diese Annahme. Ein einfacher, mit einer Nische ausgestatteter carcer befindet sich im Scheitel der Ostkurve353. Der Grundriss, der sich auf den ersten Blick nicht gleich erschließt und der schlechte Erhaltungszustand des Bauwerks lassen zudem keine konkreten Schlüsse über die Zugänge zu den einzelnen Sitzplätzen und insbesondere zur ima cavea zu. Einzig im Süden und westlich des Haupttores scheint eine Pforte zu den untersten Rängen zu führen. Noch ungeklärt ist die Funktion der durch Mauerzäune in mehrere Kompartimente unterteilten Vorbereiche der Haupttore – möglicherweise handelte es sich um Gehege, aus denen Tiere gruppenweise in die Arena gelassen werden konnten (Abb. 34). Die Verbindung zu Nemesis ist durch den Fund zweier Votivaltäre an die Göttin gegeben, die im westlichen Seitenkorridor des südlichen Haupttores zum Vorschein kamen, jedoch nicht mehr in ihrem ursprünglichen Funktionszusammenhang aufgestellt waren. Als Stifter treten die Privatpersonen Ulpius Secundus mit seiner Tochter Ulpia sowie die Stadtgemeinde des municipium Karnuntinum auf354. In einer späteren Phase, möglicherweise gegen Ende der Nutzung des Amphitheaters, wurde der westliche Seiteneingang des Haupttores durch eine Mauer zugesetzt und im dahinterliegenden Korridor ein frühchristliches Baptisterium eingerichtet. Die Altäre standen mit der Inschriftenseite zur Südwand des Raumes, waren untereinander vermörtelt und auf der Oberseite zu einer ebenen Stellfläche abgearbeitet, sodass sie im Kontext des christlichen Kultraumes als Altartisch dienen konnten355. Dass der ursprüngliche Aufstellungsort der Altäre dennoch im südlichen Hauptkorridor gesucht werden darf, stützt unter anderem der Fund eines an Dis Pater gerichteten Fluchtäfelchens im Schutt unterhalb des neuverlegten Estrichs des Baptisteriums, das auf eine rituelle Konnotation des Korridors gerade im chthonischen Bereich verweist; zudem legt das beträchtliche Gewicht der Altäre die Vermutung nahe, dass sie nicht

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Nicht unerwähnt bleiben darf ein in den 1820er Jahren ausgegrabener, kleiner hypokaustierter Annexraum mit marmornen Bodenplatten am südwestlichen Treppenturm, der allerdings noch am Tag der Ausgrabung vollständig geplündert wurde und von dem keinerlei Reste mehr vorhanden sind (Gnirs 1915, 164–169). Trotz der für außenliegende Nemesisheiligtümer charakteristischen Lage, wird hier keine Verbindung zu Nemesis postuliert, da bisher kein hypokaustiertes sacellum nachgewiesen werden konnte und der Fundort des Altars eindeutig auf den Eingangskorridor verweist. 346 Zu der Funktion der Arenatore und verschiedener Einbauten s. Hufschmid 2009, 212–214. 347 s. u. Seite 41 348 CIL III 11121. Vgl. Hauser u. a. 1888, 167 f. 349 Hauser u. a. 1888, 162. 350 s. o. Seite 30 351 Weber-Hiden 2008, 630 Nr. 14.

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Vgl. dazu Miltner 1933, 46 f. sowie Kolendo 1979, 50 f. Zur Entwicklung und Topographie der Zivilstadt von Carnuntum/DeutschAltenburg vgl. Humer 2006b, 270–273. 353 Nach Autopsie ist die Existenz der Nische allerdings fraglich, da sie bei der Rekonstruktion der Rückwand des Raumes einige Zentimeter oberhalb der erhaltenen Mauerkante ansetzt und somit antik nicht belegt sein kann. 354 Egger 1926, 124–126. Dass das Amphitheater hier dennoch in die Gruppe der eindeutig zuweisbaren Typen aufgenommen wird, ist dem Umstand geschuldet, dass die Altäre in einem klar zuweisbaren Kontext gefunden wurden, der eine Lokalisierung des sacellum in der Umgebung wahrscheinlich macht. Zu den Altären vgl. Weber-Hiden 2008, 622 f. 355 Egger 1926, 86.

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KULT BEI DER ARENA. NEMESIS-HEILIGTÜMER IM KONTEXT RÖMISCHER AMPHITHEATER weit von ihrem ursprünglichen Aufstellungsort wiederverwendet wurden356. Auch im zivilen Amphitheater von Carnuntum/Bad Deutsch-Altenburg könnte demnach ein der Nemesis geweihter Bereich, wenn auch nicht im Hauptzugang auf der Stadtseite, so doch im Korridor des gegenüberliegenden Eingangs vermutet werden357. Allerdings konnte bisher trotz der eindeutig auf das Stadtgebiet ausgerichteten Orientierung des Amphitheaters noch kein Hauptzugangsweg festgestellt werden, zumal die Vorbauten an den Haupttoren deren Nutzung als repräsentative Eingänge stark eingeschränkt hätten.358 Schlussfolgerungen Nach dem bereits oben der besondere Stellenwert, der den Haupteinlässen der Arena zugekommen sein musste, glaubhaft aufgezeigt werden konnte, gelang es durch die Untersuchung der in den Eingangskorridoren zu Tage gekommenen Nemesis-Weihungen auch den Haupttoren eine kultische Relevanz zu bestätigen. Dabei lassen sich zwei verschiedene Kategorien konstatieren: Größere, höchstwahrscheinlich auch im offiziellen Ablauf der Spiele relevante Kultstätten existierten vornehmlich in den Korridoren repräsentativer, in structure creuse ausgeführter städtischer Amphitheater. Gemeinsamkeiten bestehen zum einen in der Disposition der Heiligtümer im Verhältnis zur Stadt wie in Italica/Santiponce, Augusta Emerita/Merida sowie in Pula/Pola, wo die Bereiche für den Nemesiskult jeweils in den der Stadt am nächsten liegenden Haupttoren lokalisiert werden konnten, wodurch eine Parallele zur Verteilung der innliegenden sacella erkannt wurde. Gerade für die Haupteingänge ergibt sich dadurch ein möglicher Zusammenhang mit den spieleinleitenden Prozessionen, die hier mit der Existenz eines öffentlichen Heiligtums einen für das Abschlussopfer relevanten Endpunkt finden konnten. Zusätzlich scheint auch die Frequentierung der Räume durch unterschiedliche Personengruppen von Bedeutung gewesen zu sein. Die Haupteingänge boten zum einen Zugang zu den Logen und besseren Sitzplätzen der ima cavea, womit gerade den Angehörigen höherer Gesellschaftsschichten, die hier als Stifter von Inschriften – und vermutlich auch als editores – auftraten, eine weitere Möglichkeit der Selbstdarstellung im Sinne von ›name-dropping‹ gegeben war 359. Durch die enge Verbindung mit der Arena muss jedoch zum anderen auch die Nutzung durch Arenapersonal und Akteure 356

Egger 1926, 136. Zu Dis Pater und seiner Rolle als Psychopompos vgl. Hufschmid 2009, 272 sowie oben Seite 9. 357 In diesem Zusammenhang ist ein auch kleiner Raum von Interesse, der sich direkt östlich des südlichen Hauptzugangs befindet und den Miltner bisher als Treppenturm zum Erreichen der summa cavea identifizierte (Miltner 1933, 29 f.). Aufgrund der Lage direkt neben einem der Hauptzugänge in die Arena könnte hier jedoch auch ein kleines Nemesis-sacellum eingerichtet gewesen sein. Vgl. das zivile Amphitheater von Aquincum/Budapest (Kat. Nr. 2) oder das Militäramphitheater von Isca Silurum/Caerleon (Kat. Nr. 11). 358 Vgl. Miltner 1933, 54 f. Nimmt man einen direkten Zugangsweg über den cardo maximus vom kultischen Zentrum der Stadt auf dem Forum an, so könnte der Haupteingang an der Ostseite oder gar doch im Süden zu suchen sein (Vgl. Abb. 33). 359 Vgl. auch Canto 1984, 190.

vorausgesetzt werden. Die Einrichtung eines Nemeseums im Korridor kann demnach – vor allem in der Kombination mit den plantae pedis-Darstellungen aus Italica/Santiponce – ebenso als hochbedeutender Ort eines rituellen Übergangs für die Akteure in die Arena eine Erklärung finden. Dies wird noch dadurch bestätigt, dass gerade die großen Kuppelräume stets auch als Durchgangsräume gestaltet waren, die einen Zugang von außen wie von der Arena besaßen. Die Haupteingänge und die zugehörigen Nebensäle waren repräsentativ gestaltet, großzügig dimensioniert und durch die Pfeilerarchitektur sowohl von der Arena, als auch von außen relativ gut beleuchtet sowie gut zugänglich. Dadurch stehen sie in starkem Kontrast zu den innenliegenden sacella, bei denen ein solch repräsentativ-zugänglicher Charakter eher vermieden worden zu sein scheint. Die Ausstattung mit Dipinti, Altären, dekorierten Bodenplatten und Statuenbasen erscheint gegenüber den innliegenden sacella ebenfalls besonders elaboriert und zeugt von einem zumindest semiöffentlichen Charakter der Einrichtungen. Beispiele für die zweite Kategorie finden sich im militärischen Amphitheater von Carnuntum/Bad DeutschAltenburg sowie höchstwahrscheinlich auch im zivilen Amphitheater derselben Stadt. Anders als bei der ersten Kategorie liegen sie jedoch an der stadtabgewandten Seite der Gebäude. In den Haupttoren der vornehmlich in structure pleine ausgeführten Spielstätten existierten keine großen, korridorparallelen Säle, sodass die sacella entsprechend als kleinere Schreine oder Nischen ausgeführt wurden. Auch fungierten diese Durchgänge nicht zusätzlich als Verteiler bei der Zuschauerführung, sondern boten lediglich für Akteure und Tiere Zugang zur Arena. Insgesamt entsprechen Zugänglichkeit und Ausstattung dieser Kultplätze vielmehr den Eigenheiten der innliegenden sacella. In diesem Zusammenhang gilt es zu überlegen, ob sich hier nicht, ähnlich wie für die innliegenden sacella insgesamt angenommen, kleine, mehr oder weniger inoffizielle Kultstätten, die parallel zu einem größeren, öffentlichen Kult existierten, erhalten haben und von den Akteuren beim Betreten oder Verlassen der Arena für ein (reinigendes) Opferritual genutzt wurden. Der Fund einer an Dis Pater gerichteten tabella defixio im Gang des zivilen Amphitheaters von Carnuntum/Bad Deutsch-Altenburg mag den chthonischen Charakter der Tore und die Bedeutung als Übergangsort zusätzlich unterstreichen 360 . Abgesehen von der Außenfassade waren die Durchgänge der structure pleine Amphitheater meist nicht besonders repräsentativ gestaltet, sondern folgten einem zweckorientierten, funktionalen Schema, dem sich auch die Einrichtung und Ausstattung der kleineren sacella unterordneten. 360

Kleinere Nischen in den Haupteingangskorridoren von Amphitheatern, vor allem der in structure pleine errichteten, werden in kaum einer Publikation erwähnt, scheinen jedoch nach Autopsie mehrerer Bauten im Balkan-Donauraum regelmäßig vorhanden gewesen zu sein. Derartige Nischen müssen im Desiderat einer Zusammenstellung aller potentiellen Kulträume der bekannten Amphitheater Erwähnung finden.

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4. NEMESIS-HEILIGTÜMER IM KONTEXT VON AMPHITHEATERN Die Nemesis-Heiligtümer in den Eingangskorridoren können somit unterschieden werden in große, multifunktionale Kultstätten innerhalb der monumentalen, städtischen Amphitheater, die sowohl offiziellen wie privaten Ritualen dienten, sowie in kleinere, informelle sacella, die vor allem dem Opferritual der Akteure gerecht wurden. Hornums Kategorie eines »certain space in the building« konnte also weiter präzisiert und um zusätzliche Beispiele ergänzt werden361. Eine genaue chronologische Fixierung hängt auch hier von der zumeist ungeklärten Bauzeit der Amphitheater ab, jedoch scheinen zumindest die Weihungen eher in das 2. und 3. Jh. n. Chr. zu datieren.362 4.3. Sacella in der Umgebung des Amphitheaters Den architektonisch aufwändigsten Typus in der vorliegenden Untersuchung bilden zweifellos die sacella außerhalb der Amphitheater, die als meist unabhängige Gebäudestrukturen oder Räume noch am deutlichsten den Charakter eines klassischen Heiligtums aufweisen. Als ›außerhalb‹ gelegene Nemesisheiligtümer werden hier diejenigen Räume aufgefasst, die aufgrund ihrer Ausstattung eine Beziehung zu Nemesis nahelegen und gleichzeitig über keine direkte Verbindung zur Arena verfügen. Im Gegensatz zu den bisher vorgestellten Heiligtümern, die innerhalb der Amphitheater einen bestimmten Platz besetzen und somit nicht nur funktional sondern auch bauplanerisch in die Gebäude eingebunden sein müssen, besteht bei den außerhalb gelegenen sacella kein direkter Bezug zur kanonischen Amphitheaterarchitektur. Eine auf den Aspekt des Arenaheiligtums beschränkte Funktion – entgegen den möglicherweise multifunktional genutzten innliegenden sacella – kann demnach zumindest postuliert werden. Bisher wurde dieser Typus meist als sekundär bzw. als zusätzlicher Anbau zu potentiell schon vorhandenen sacella innerhalb der Amphitheater betrachtet. Als untergeordnete Kategorie fand er bei der Analyse der insgesamt in den Amphitheatern vorhandenen sacella meist nur mehr eine sporadische Reflektion363. Die Verteilung dieser Heiligtümer scheint sich dabei, nach den bislang bekannten Beispielen, auf die Balkan-Donau-Region zu beschränken364. Ob Lage, Größe und Ausstattung der Räumlichkeiten eine nur sekundäre Funktion rechtfertigen können, soll die Diskussion der sieben bekannten, außenliegenden Nemesis-sacella zeigen. Den komplexesten und bislang am ausführlichsten aufgearbeiteten Befund bietet das im Folgenden zu besprechende Nemesisheiligtum des militärischen Amphitheaters von Carnuntum/Bad Deutsch-Altenburg.

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Hornum 1993, 56. 59. Vgl. Hornum 1993, 48 f. mit Katalognummern und weiterer Literatur dort. 363 Vgl. dazu Hornum 1993, 57, der nur eine Aufzählung der ihm bekannten, jedoch nicht aller außerhalb gelegenen sacella gibt. Hufschmid 2009, 234 erwähnt allein die Existenz derselben. Ausführlicher zum Thema Legrottaglie 2008, 104–106. 364 Jedoch ist gerade die Umgebungsbebauung von Amphitheatern in vielen Fällen bisher noch nicht eingehend untersucht worden, sodass die Entdeckung bzw. Identifizierung weiterer, auf die Spiele bezogener, freistehender Heiligtümer die intensive Erforschung dieser Bereiche zur Voraussetzung hat.

Carnuntum/Bad Deutsch-Altenburg Um die Mitte des 1. Jh. n. Chr. entstand in einer Ebene südlich der Donau, ca. 40 km östlich von Wien das erste Standlager einer Legion auf dem Stadtgebiet von Carnuntum/Bad Deutsch-Altenburg, der späteren Provinzhauptstadt von Pannonia Inferior. Zusammen mit weiteren Legionsstandorten am mittleren Donaulimes sollte die militärische Präsenz vor Übergriffen der nördlich siedelnden Bevölkerungsgruppen schützen. Carnuntum kam dabei eine besondere Rolle zu, da sich in der Gegend zugleich der Donauübergang der von Scarbantia/Sopron nach Norden führenden Bernsteinstraße befand 365 . Das erste, ca. 40/50 n. Chr. von der zunächst hier stationierten legio XV Apollinaris errichtete Holz-Erde-Lager wurde Ende des 1. Jh. n. Chr. in mehreren Etappen bis ins erste Viertel des 2. Jh. n. Chr. in Stein ausgebaut. Die Bauvorgänge wurden dabei abermals hauptsächlich von der 15. Legion ausgeführt, die 71 n. Chr. nach Carnuntum/Bad Deutsch-Altenburg zurückkehrte, nachdem sie Mitte der 60er Jahre n. Chr. in den Jüdischen Krieg abberufen worden war. In den Jahren 114 oder 117/118 n. Chr. wurde sie schließlich von der legio XIIII Gemina abgelöst, die bis in die Spätantike in Carnuntum stationiert bleiben sollte366. Das Legionslager – zu dem weitläufige canabae legionis gehörten und dem sich später ca. 2,2 km westlich die Zivilstadt mit dem zweiten, bereits angesprochenen Amphitheater anschloss – besaß keinen klassischen, rechteckigen Grundriss sondern passte sich vor allem im Osten der Geländesituation an. Dadurch entstand eine charakteristische Einbuchtung, ähnlich einem Zangentor, in dessen Scheitelpunkt sich die porta principalis dextra befand (Abb. 35). Die Binnengliederung des Lagers folgte wieder dem klassischen Schema mit den für Legionslager obligatorischen Kasernenbauten, Tribunenhäusern, der südlich der via principalis gelegenen principia sowie valetudinarium, praetorium und Wirtschaftsgebäuden367. Die Besiedlung der canabae legionis legte sich ringförmig, ohne einem erkennbaren, orthogonalen Straßennetz zu folgen, im Westen, Süden und Osten um das Lager. Durch Prospektionsergebnisse und Grabungen sind mehrere Straßenzüge und Gebäude bekannt, unter anderem ein Tempel und das Forum im Westen sowie eine größere Thermenanlage im Süden; im Osten wurde das Amphitheater (Kat.-Nr. 4) entdeckt, dessen unmittelbare Umgebung ebenfalls dicht bebaut war368. Es wurde bereits im ausgehenden 19. Jh. unter der Leitung von Alois Hauser und Carl Tragau nahezu vollständig ausgegraben und intensiv untersucht. Einzelne Nachgrabungen fanden im Laufe des 20. Jh. statt, bevor von

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Zur topographischen und siedlungshistorischen Situation Carnuntums vgl. im Detail Jobst 1983, 30–40. 366 Ausführlich zur Baugeschichte vgl. Gugl 2006, 226. 367 Vgl. Jobst 1983, 45–70 sowie jüngst zusammenfassend Gugl 2006, 223–227. 368 Vgl. Jobst 1983, 98–105. Die jüngsten Nachuntersuchungen machten allerdings deutlich, dass ein Großteil der Umgebungsbebauung wohl erst im 3. Jh. n. Chr. entstand. Dazu vorläufig Boulasikis – Humer 2009, 564.

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KULT BEI DER ARENA. NEMESIS-HEILIGTÜMER IM KONTEXT RÖMISCHER AMPHITHEATER 2007–2010 eine Neuuntersuchung einzelner Bereiche des Bauwerks von Dimitrios Boulasikis angestrengt wurde, die wichtige Erkenntnisse zur Neubewertung der chronologischen Entwicklung des Amphitheaters beisteuerten369. Architektur und Baugeschichte Der steinerne Nachfolgebau eines zunächst hölzernen Militäramphitheaters lag weniger als 100 m vor der porta principalis dextra des Legionslagers an einer nach Norden und Osten in Richtung Donau abfallenden Senke, sodass die Höhe des Bauwerks trotz der Nähe zum Lager zu keiner Zeit die Sicht von den Wehrgängen beeinträchtigte370. Die via principalis führte aus dem Lagertor in gerader Linie an der Südseite des ost-west-orientierten Amphitheaters Richtung Osten, wobei vor dem Bauwerk ein großzügiger Zugangsweg zum westlichen Haupttor abzweigte. Ein deutlicher Bezug zum Legionslager ergibt sich demnach nicht allein aus relativen Nähe, sondern wiederum auch durch die Ausrichtung eines der Haupttore des Amphitheaters auf das zugehörige Legionslager. Die Maße der Hauptachsen betragen ca. 97 × 77 m, die Breite der cavea schwankt zwischen 12 m und 16 m, womit die Sitzreihen ca. 6000–8000 Menschen Platz boten 371 . Charakteristisch für ein structure pleine Amphitheater ruhten die hölzernen Zuschauerränge dabei auf erdverfüllten Kammern, die von unregelmäßig verteilten, speichenförmigen Radialmauern aus opus incertum zwischen Außenmauer und mit großen, behauenen Quadern verkleideter Podiumsmauer gebildet wurden. Die Radialmauern standen, wie auch in Virunum/Maria Saal, nicht im Verbund mit den Caveamauern. Aufgrund des abfallenden Geländes war die Außenmauer im Norden höher und musste zusätzlich mit Strebepfeilern unterstützt werden. Der Einlass der Zuschauer erfolgte über mehrere, teilweise durch hölzerne Treppen zu erreichende Türen in der Außenfassade, die durch hölzerne vomitoria unterhalb der cavea hinaus auf die Sitzstufen führten. Eine Unterteilung in ima, media und summa cavea wird aufgrund der verhältnismäßig kleinen Kapazität nicht vorgesehen gewesen sein. Lediglich für die unterste Sitzreihe kann eine Ausgestaltung als breites Podium vermutet werden, da hinter der Podiumsmauer eine zweite, zu dieser parallele Mauer verlief, die als Auflager für eine großzügige untere Sitzreihe gedient haben könnte. Der Gang zwischen beiden Mauern war allerdings zu eng um einem begehbaren arenaseitigen Umgang Platz zu bieten. Die Arena selbst hatte einen Boden aus gestampftem Lehm und besaß in der Mitte lediglich ein rechteckiges Überlaufbecken mit einem Abzugskanal, der das Becken nach Norden, Richtung Donau entwässerte (Abb. 36)372. 369

Vgl. Hauser 1891; Hauser u. a. 1888. Tragau u. a. 1897. Zuletzt Boulasikis 2008 sowie Boulasikis 2010. Zur Forschungsgeschichte des Amphitheaters zusammenfassend auch Boulasikis 2011, 83 f. 370 Klima – Vetters 1953, 9. 371 Klima – Vetters 1953, 31. Boulasikis 2011, 81. 372 Hauser 1891, 164.

Zugang zur Arena boten die beiden Haupttore sowie zwei weitere Eingänge im Scheitel der Schmalachse. Die Haupttore lagen im Westen und Osten und waren, wie bei vielen structure pleine Amphitheatern üblich, dreischiffig aufgebaut. Das Osttor gliederte sich somit in einen zentralen Arenazugang und zwei im Norden und Süden dazu parallel verlaufende Bediengänge. Letztere waren wiederum mittels einer Pfeilerarchitektur vom Mittelgang getrennt und besaßen jeweils eigene Pforten von außen und in die Arena. Im südlichen Korridor befand sich – wie bereits besprochen – ein kleiner Nemesis-Schrein 373. Der nördliche Gang diente als Zuleitung für Tiere, die in unabhängig voneinander abschrankbaren Warteboxen in die Arena vorgelassen werden konnten 374 . Das Westtor darf aufgrund seiner Ausrichtung zu einem der Tore des Legionslagers als für die einleitende pompa relevantes Haupttor – also möglicherweise als porta sanavivaria – angesehen werden. Es scheint ursprünglich ähnlich aufgebaut gewesen zu sein wie das Osttor, erfuhr allerdings zu einem noch unbestimmten Zeitpunkt signifikante Umbauten: der nördliche Bedienungsgang wurde dabei zu einem größeren Raum erweitert, der arenaseitig eine von Halbsäulen eingefasste Pforte besaß sowie im Westen vorgelagert einen bogenförmigen Annexbau, der aufgrund seiner Gitternuten in der Forschung bislang als Tierzwinger angesprochen wird 375 . Im Süden des Hauptkorridors öffnete sich anstatt eines abgetrennten Bedienganges eine schmale, längliche Halle mit einem breiten Durchlass Richtung Hauptgang. Im Osten durch eine kurze Quermauer getrennt, schloss daran ein kleiner, nur von der Arena aus zu betretender carcer an. Im Westen, vor dem südlichen Seitenkorridor lag mit dem mehrräumigen Nemeseum schließlich ein zweiter Annexbau, sodass sich das Westtor insgesamt als komplexe, ja sogar elaborierte Zugangskonstruktion ausweist, die mit den repräsentativen Eingängen der freistehenden structure creuse Amphitheater größerer Städte verglichen werden kann. Dazu scheint der Anlage ein größerer Platz vorgelagert gewesen zu sein, der den Endpunkt des von der Limesstraße im Süden kommenden Zugangswegs bildete. Zwei mehrräumige, ursprünglich sehr reich ausgestattete Gebäudestrukturen flankierten diesen Weg (Abb. 37)376. 373

s. o. Seite 39 Die genaue Funktionsweise solcher hintereinandergeschalter, autonomer Tierboxen konnte erstmals Hufschmid klären. Auf Basis seiner Überlegungen müssen weitere Untersuchungen zeigen, wie konventionell bzw. obligatorisch solche Zuleitungssysteme bei kleineren Amphitheatern waren. Vgl. Hufschmid 2009, 213. 375 Boulasikis 2011, 83. Die Neuuntersuchungen am Westtor des Amphitheaters sind inzwischen abgeschlossen, allerdings steht eine Gesamtpublikation noch aus, sodass bisher nur anhand der publizierten Grabungsfotos eine mögliche Zweiphasigkeit der nördlichen Torannexbauten postuliert werden kann. Vgl. Boulasikis 2011, 83 Abb. unten. 376 Tragau u. a. 1897, 225–227. Wann genau diese Gebäude errichtet wurden und ob sie dem Gesamtkomplex des Amphitheaters zugerechnet werden dürfen, muss offen bleiben. Die Ausstattung mit Weih- und Kaiserinschriften, mehreren Porträtbüsten sowie qualitätvollen Marmortafeln verweist zumindest auf eine öffentliche Bedeutung. Nowotny 1937, 138 möchte darin die Behausungen des aedituus 374

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4. NEMESIS-HEILIGTÜMER IM KONTEXT VON AMPHITHEATERN Die beiden, auf der Schmalachse gelegenen Seiteneingänge in die Arena führten zunächst in carceres, von denen das Amphitheater zusätzlich zu dem kleinen Raum südlich des Westtores drei weitere besaß: Zwischen zwei Stützpfeilern der Nordseite gelangte man durch eine kleine Kryptoportikus ebenerdig in einen carcer im nördlichen Scheitel der Schmalachse, der über zwei Pforten Zugang zur Arena gewährte; zwei weitere, etwas größere carceres befanden sich gegenüber, im südlichen Scheitel der Schmalachse. Auch diese konnten nicht nur von der Arena sondern ebenfalls über schmale, nach Norden abfallende Gänge von außerhalb des Amphitheaters betreten werden. Von Süden betrat man die Gänge durch zwei repräsentativ mit vorgeblendeten Halbsäulen und Giebeln gestaltete Türkonstruktionen, deren Hauptzweck jedoch die Erschließung einer in zwei Bauphasen kunstvoll ausgestalteten Statthalterloge war, die sich direkt über den beiden carceres befand. Da hierdurch die Höhe der beiden Räume eingeschränkt war, hatte man ihr Fußbodenniveau unterhalb des Arenaniveaus angelegt, womit eine Stehhöhe gewährleistet werden sollte377. Für die Loge wurde nahezu der gesamte zentrale Sektor der südlichen Schmalachse vom Rest der cavea abgetrennt und in drei hintereinander und auf verschiedenen Ebenen liegende Räume unterhalb der Zuschauerränge gegliedert. Den südlichen Abschluss des mittleren Logenraumes bildete eine bogenförmige Mauer, wie sie ähnlich auch schon aus dem carcer der Ostseite des Amphitheaters von Virunum bekannt ist. Eine weitere, weniger prominent ausgestattete Loge befand sich auf der gegenüberliegenden Seite über dem nördlichen carcer, die aufgrund einer Inschrift wohl den IIIIvir der Stadt vorbehalten war378. Der hölzerne Vorgängerbau des Militäramphitheaters von Carnuntum/Bad Deutsch-Altenburg scheint bereits um die Mitte des 1. Jh. n. Chr. im Zuge der Errichtung des ersten Holz-Erde-Standlagers von der Legio XV Apollinaris gegründet worden zu sein379. Die Datierung der folgenden Steinbauphase war lange Zeit umstritten und stützte sich hauptsächlich auf die zeitliche Einordnung der im Nemeseum gefundenen Weihaltäre, sodass die Errichtung des Steinbaus meist in der zweiten Hälfte des 2. Jh. n. Chr. angesetzt wurde. Entgegen dieser lange Zeit vorherrschenden Forschungsmeinung konnten die jüngsten Nachuntersuchungen erweisen, dass der steinerne Ausbau des Amphitheaters nicht, wie die erkennen, was jedoch ohne weitere Befunde reine Spekulation bleiben muss. 377 Klima – Vetters 1953, 19. 45. 378 Zur bauhistorischen Beschreibung der Logenbereiche vgl. Klima – Vetters 1953, 18–21. 42–46 Zum Nemesis-sacellum des Amphitheaters von Virunum s. o. Seite 26. Eine ähnliche, konstruktiv wiewohl funktional schwer zu erklärende Bogenmauer, findet sich an der Rückwand des Nord-carcer im Amphitheater von Augusta Raurica/Augst-Sichelengraben. Vgl. Hufschmid 2009, 113. Der Aufwand, der zum Ausbau der Loge in Carnuntum/Deutsch-Altenburg betrieben wurde scheint für ein Amphitheater dieser Größe tatsächlich sehr ungewöhnlich. Vgl. Klima – Vetters 1953, 60. 379 Klima – Vetters 1953, 59 f. Die Datierung des Holzamphitheaters konnten die aktuellen Nachuntersuchungen bestätigen. Vgl. Boulasikis 2011, 83.

Datierung der Altäre nahelegen könnte, im Laufe des 2. Jh. n. Chr. stattfand, sondern bereits unter Vespasian von der 15. Legion ausgeführt wurde. Darauf weisen neuentdeckte Bruchstücke einer steinernen Stiftungsinschrift hin, welche die legio XV Apollinaris als Bauherrin nennen und in flavische Zeit datieren380. Der Bau wird demnach nach der Rückkehr der 15. Legion aus dem Jüdischen Krieg in den 70er Jahren n. Chr. begonnen worden sein. Im Befund zeichneten sich weitere Umbaumaßnahmen vor allem im Bereich der Südloge sowie im Westtor ab, die jedoch ohne weitere Nachuntersuchungen nicht näher datiert werden können. Im 4. Jh. n. Chr. scheinen Umbauten im bereits nicht mehr überdachten Osttor anzuzeigen, dass das Amphitheater zumindest noch für venationes genutzt wurde381. Im 5. Jh. n. Chr. wurde es dann mehr und mehr als Steinbruch benutzt, woraufhin es zunehmend versandete. Nemeseum Der als Nemeseum anzusprechende Komplex im südlichen Vorbereich des westlichen Torweges wurde jüngst durch Nachgrabungen von Boulasikis vollständig neu untersucht, wobei durch die Ergebnisse die bei älteren Untersuchungen postulierte Bauabfolge in Frage gestellt werden konnte382. In seinem letzten Bauzustand bestand der parallel zum Torweg in ost-westlicher Richtung orientierte Komplex aus einer Cella, einer größeren Vorhalle sowie einem kleineren Annexraum mit angeschlossenem Podest; er bedeckte eine Fläche von ca. 15 × 10 m (zum Folgenden Abb. 38). Insgesamt weist das Heiligtum vier Bauphasen auf, die sich in den einzelnen Räumen differenziert nachweisen lassen. Eine erste Bauphase ist bisher lediglich durch vier grob in nord-südlicher Richtung verlaufende Pfostenlöcher belegt, die unter dem Fußboden der späteren steinernen Vorhalle in einer Flucht liegen. Sie sind möglicherweise einer ersten hölzernen Halle zuzurechnen, die parallel zu dem Verbindungsweg von der Limesstraße zum Westtor lag und keine direkte bauliche Verbindung zum Amphitheater hatte. Ob dazu bereits ein Vorgängerbau der steinernen Cella, vielleicht sogar in Bezug zu diesem Hallenbau, existierte, kann aufgrund der wenigen Befunde nicht schlüssig argumentiert werden383. Die zweite Bauphase markiert den ersten steinernen Ausbau des Heiligtums. Die 31,4 m2 große, trapezoide Cella bildete den Kernraum, der nun direkt an der Außenmauer der cavea ansetzte. Der Zugang erfolgte 380

Persönliche Mitteilung von D. Boulasikis, Email vom 04. 08. 2011. Klima – Vetters 1953, 60. Boulasikis 2011, 84. Möglicherweise steht in diesem Zusammenhang auch der Ausbau des sog. Zwingers am Westtor, der ebenfalls auf eine vornehmliche Nutzung für Tierhatzen hinweist. 382 Boulasikis 2010, 257. 383 Im Bereich der späteren Cella existieren allerdings zwei Gruben deren Flucht orthogonal zu derjenigen der Pfostenlöcher verläuft. Boulasikis 2008, 103. Jedoch lässt sich daraus nur schwer ein Vorgängerbau rekonstruieren, zumal dieser von der vorgelagerten Halle mehr oder weniger verdeckt worden wäre und eine zu postulierende Giebeldachkonstruktion in die Dachkonstruktion der Halle nur schwer einzubinden gewesen wäre.

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KULT BEI DER ARENA. NEMESIS-HEILIGTÜMER IM KONTEXT RÖMISCHER AMPHITHEATER aller Wahrscheinlichkeit nach von Westen. Den nördlichen Bereich der Ostmauer bildete ein neu errichteter, massiver Abschnitt der Caveamauer mit einer breiten Nische in seinem nördlichen, sowie einem kleineren Mauervorsprung in seinem südlichen Bereich384. Der südlich anschließende Teil der Ostmauer gehört zu einer älteren Phase der Caveamauer. Hier setzte in stumpfen Winkel die zunächst gerade verlaufende Südmauer der Cella an. Die Eindeckung des Hauptraumes erfolgte möglicherweise mittels eines ziegelgedeckten Satteldaches, wie die Auffindung eines Antefixbruchstückes in einer möglicherweise der zweiten Bauphase zuzurechnender Schuttschicht nahelegt385. Tragau erwähnt zusätzlich ein unstratifiziertes Stirnziegelfragment der 15. Legion386. Ebenfalls der zweiten Phase zugehörig rechnet Boulasikis den südwestlich der Cella liegenden, 11,5 m2 großen Annexraum mit Eingang von Westen, der mit bemalten Wänden und einem Ziegelmosaikfußboden ausgestattet war387. In der dritten Bauphase wurden bis auf die Caveamauer im Osten alle Mauern der Cella erneuert, die Südmauer erhielt dabei eine von zwei Mauervorsprüngen gerahmte Apsis. Obwohl der Zugang weiterhin von Westen erfolgte, wurde dadurch die Blickachse des Raumes verändert. Die Wände waren mit einem Mörtelbewurf mit Fugenstrich verputzt, die Nische und die Apsis scheinen bemalt gewesen zu sein, wobei die Apsis zusätzlich von zwei verkleideten Lisenen gefasst war sowie von einer rosettengegliederten Halbkuppel überdacht wurde 388 . Gleichzeitig mit dem Umbau der Cella entstand dieser im Westen vorgelagert eine 42 m2 große Halle: Im Norden besaß sie einen Zugang vom Torweg, im Osten bildete die westliche Cellamauer mit Durchgang ihre Begrenzung, im Süden die verlängerte Nordmauer des Annexraumes. Im Westen scheint eine stylobatartige Struktur den Haupteingang markiert zu haben. Mehrere in diesem Bereich gefundene Architekturglieder – darunter ein Kapitell und Bruchstücke eines Astragals sowie eines Zahnschnittfrieses389 – verweisen auf eine in Ansätzen elaborierte, repräsentative architektonische Ausstattung. Funde von Dachziegeln verweisen auch für die Halle auf ein ziegelgedecktes Satteldach. Der Boden war mit Ziegelplatten ausgelegt, das Bodenniveau lag dabei ca. 0,5 m höher als in der Cella390.

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Die erwähnte Nische ist in keinem der neuen Pläne Boulasikis’ eingetragen. Nach Autopsie der aufgelassenen Mauerreste und Anhand des publizierten Grabungsfotos (Boulasikis 2008, Abb. 1) könnte es sich jedoch durchaus um einen Durchgang in den westlichen Nebenraum des Torweges gehandelt haben. Damit wäre eine direkte Verbindung zwischen Nemeseum und Amphitheater geschaffen worden. 385 Boulasikis 2008, 104. 386 Tragau u. a. 1897, 208. 387 Tragau u. a. 1897, 220. Boulasikis 2008, 103. Bis auf die orthogonale Ausrichtung zur Südmauer der Cella – die auch noch in der dritten Bauphase gegeben ist – kann kein Zusammenhang zwischen den beiden Räumen hergestellt werden, wodurch eine Errichtung des Annexraumes durchaus erst in der dritten Bauphase erfolgt sein könnte. 388 Vgl. dazu Tragau u. a. 1897, 215. 389 Tragau u. a. 1897, 208. 390 Boulasikis 2008, 99 f.

In der vierten Phase wurde schließlich ein weiterer Zugang zur Cella im östlichen Bereich der Nordmauer angelegt, der den Hauptraum über eine Treppenkonstruktion vom Torweg aus erschloss. Zusätzlich wurde der Westeingang des Annexraumes zugunsten eines außenliegenden, über zwei Stufen zu erreichenden aus Spolien gefügten Podestes zugesetzt. Stattdessen wurde in der Nordmauer ein Zugang von der Halle aus geschaffen. Ein zweiter, neugeschaffener Südausgang aus der Halle sollte das kleine Podest am Annexraum erschließen391. Die für die Zuweisung des Baukomplexes als Nemeseum maßgeblichen Funde verteilen sich auf alle drei vorgestellten Räumlichkeiten und verkörpern eines der reichhaltigsten und differenziertesten Fundspektren aller untersuchten Nemesisheiligtümer. In der Cella fanden sich drei vollständig erhaltene Patera-Altäre, drei weitere, im oberen Bereich zerstörte Inschriftensockel, die zweigeteilte, beschriftete Basis einer Diana-Nemesis Statue sowie zwei weitere unbeschriftete Altäre – alle aufgestellt entlang der Apsisrückwand und vor der Nische der Ostwand. Drei der Altäre enthalten Konsulangaben und können in die Jahre 184 n. Chr. (CIL III 14071), 187 n. Chr. (CIL III 14077) und 199 n. Chr. (CIL III 14076) datiert werden. Der Erstgenannte stand mit der beschrifteten Seite gegen die Rückwand der Apsis, was möglicherweise mit der damnatio memoriae des in der Inschrift genannten Commodus zusammenhängt. Als Stifter sind vor allem der primus pilus des Lagers Quintus Refius Mansuetus sowie mehrere centurii zu nennen 392 . Dazu fanden sich als Streufunde in der Cella der untere Teil einer weiteren Statue, zwei Relieffragmente, eine kleine Bronzekeule und das Fragment einer Marmorstatuette des Herakles sowie zwei Inschriftentafeln393. Die leicht unterlebensgroße Statue aus gelblichem Sandstein, die sekundär auf der zweigeteilten Basis im Zentrum der Apsis aufgestellt wurde, folgt dem bereits angesprochenen synkretistischen Diana-Nemesis-Typus (Abb. 12). Sie stand mit ihrer ovalen Basis auf dem Altar, der zusammen mit der Statue vom primus pilus des Lagers gestiftet wurde 394 : rechter Arm und Teile der linken Hand fehlen, zudem ist das Gesicht stark bestoßen. Das rechte Spielbein ist leicht nach vorne gesetzt, beide Füße sind mit hohen Jagdstiefeln beschuht. Über einem kurz gegürteten Chiton trägt sie einen unter der Brust zu einem Wulst gedrehten Mantel der über den linken Oberarm geführt nach unten fällt. Im üppig aufgebauschten Kopfhaar ruht ein mit Mondsichel verziertes Diadem. In der Rechten hält sie eine Peitsche nach unten, die Linke trug ehemals ein Schwert. Ihr beigestellt erscheinen zu ihrer Linken ein sitzender Greif sowie hinter ihrem rechten Spielbein ein Rad und ein länglicher Gegenstand, gemeinhin als Steuerruder identifiziert395. 391

Boulasikis 2010, 259. Zu den einzelnen Inschriften vgl. aktuell den Katalog bei WeberHiden 2008, 623–630. 393 Tragau u. a. 1897, 211 f. 394 Primi pili waren als Generalstabsoberste oftmals für das Stiften von Statuen in Lagerheiligtümern zuständig. Des Weiteren hatten sie verwaltungstechnische Aufgaben wie den Straßenbau zu verantworten. Vgl. Weber-Hiden 2008, 620. 624. 395 CSIR Österreich I 2 Nr. 37. 392

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4. NEMESIS-HEILIGTÜMER IM KONTEXT VON AMPHITHEATERN In der Vorhalle fanden sich neben einem als Spolie verbautem Nemesisaltar – gestiftet u. a. von einem centurio und aufgrund des Legionsbeinamens Severianae in die Jahre 222–235 n. Chr. datiert – drei Nemesisstatuetten aus Marmor und Sandstein, eine marmorne Venus, drei beschriftete Kymafragmente, Reste von Marmorplatten und mind. fünf weiteren Figuren sowie im anplanierten Brandschutt unter dem Ziegelplattenboden eine Münze des Carinus, die in die Jahre 283–285 n. Chr. datiert werden kann. Im Annexraum kamen schließlich ein marmorner Genius, eine Figur mit Füllhorn, weitere Statuettenbruchstücke sowie der untere Teil einer Herkulesstatue mit dem Ansatz der Füße und einer Inschrift zu Tage396. Eine genaue chronologische Fixierung der einzelnen Bauphasen ist aufgrund des Fehlens von Restaurationsinschriften oder exakt stratifizierten Funden nicht möglich, sie konnten allerdings durch die jüngsten Nachuntersuchungen weiter eingeschränkt werden. So wird die erste Phase mit der querstehenden hölzernen Vorhalle etwa zeitgleich mit der Errichtung des Amphitheaters in die Jahre kurz nach Mitte des 1. Jh. n. Chr. datieren. Möglicherweise gehört das bereits erwähnte Stirnziegelbruchstück mit dem Stempel der Leg. XV Apollinaris zu diesem ersten Hallenbau. Die Datierung der zweiten Phase, mit der erstmals die steinerne Cella errichtet wurde, kann durch die Datierung der dritten Phase und der Befundsituation der Weihaltäre, die innerhalb der Apis aufgestellt die ältere Mauer der zweiten Phase überlagern, eingegrenzt werden. Die Carinusmünze im Brandschutt legt für die komplette Neuerrichtung des Heiligtums inklusive der Vorhalle in Phase drei eine Datierung nach 283–285 n. Chr. nahe. Mindestens drei Altäre datieren jedoch gute 100 Jahre früher und müssen in der dritten Phase disloziert wiederaufgestellt worden sein; ein vierter wurde als Spolie in der Halle verbaut. Die Errichtung der Cella in Phase zwei muss demnach vor 184 n. Chr. angesetzt werden. Da jedoch keine Funde eindeutig aus dem 1. bzw. frühen und mittleren 2. Jh. n. Chr. stammen, die Altäre, die Ende des 2. Jh. n. Chr. gestiftet wurden allerdings noch 100 Jahre später im Neubau des Heiligtums weiterverwendet wurden, wird man nicht fehlgehen die Bauzeit der zweiten Phase im letzten Viertel des 2. Jh. n. Chr. zu vermuten. Die kleineren Umbauten der vierten Phase können bislang nur vorsichtig in das 4. Jh. n. Chr. datiert werden397. Für eine erste hölzerne Phase des Heiligtums lassen sich bis auf die querstehende hölzerne Halle und die beiden Gruben im Bereich der Cella keine weiteren Funde – vor allem nicht im Zusammenhang mit Nemesis – ausmachen, weswegen eine Identifizierung als Nemesissacellum in Phase 1 zumindest fragwürdig bleiben muss. Erst in der zweiten Hälfte des 2. Jh. n. Chr. kommt es

zur Errichtung eines steinernen Nemeseums als Annexbau im Süden des westlichen Torweges. Zunächst als einfacher trapezoider Raum mit einer rückwärtigen Nische sowie einem Podest an das Amphitheater angebaut, kommt es Ende des 3. Jh. n . Chr. zu größeren Umbauten, die aus dem kleinen sacellum ein auch architektonisch repräsentatives Heiligtum machen. Durch den Ausbruch einer Türe im Nordwesten, direkt neben der Caveawand, wurde die Cella schließlich zu einer Art Durchgangsraum umfunktioniert, sodass Akteure das Heiligtum zwar durch den Haupteingang im Westen betreten konnten, ihn nach Vollzug einer jeweiligen (Opfer-)Handlung jedoch wieder direkt Richtung Torweg verlassen konnten 398 . Weitere Umund Anbauten v.a. im Bereich des Annexraumes zeigen, dass die Stiftungspraxis gegen Ende des 3. Jh. n. Chr. nicht nur nicht abnahm, sondern im Gegenteil immer mehr Raum benötigt wurde, um die einzelnen Weihgaben aufzustellen. Insgesamt zeugen die reiche Ausstattung – nicht nur mit Weih- und Opfergaben, sondern auch durch Architekturschmuck und dekorative Wandmalerei – sowie der vergrößernde Ausbau des sacellum von der Bedeutung, die das Heiligtum für die Bevölkerung bzw. die ansässigen Militärs gehabt haben muss. Bestätigt wird dies durch die meist hochrangige Position der Stifter, die das sacellum mit Statuen und Altären ausstatteten und möglicherweise auch für den Ausbau Sorge zu tragen hatten. Die Präsenz der Diana-Nemesis lässt wiederum vornehmlich an die Veranstaltung von venationes denken, deren Ausrichtung durch die Einrichtung des sog. Zwingers und der ausgefallenen Schleusentechnik des nördlichen Bedienganges im Osttor auch funktional bei Ausstattung des Amphitheaters berücksichtigt wurden. Die Lage am auf das zugehörige Legionslager ausgerichteten Haupttor fügt sich schließlich in die bereits vielfach beobachtete Disposition verschiedener Nemesisheiligtümer. Sie kann weiterhin auf die übergeordnete Bedeutung des Tores als Endpunkt der Prozession, sowie auf den chthonischen Übergang markierenden Ort verweisen. Lage, Architektur und Ausstattung der außenliegenden sacella Neben dem ausführlich besprochenen sacellum des Militäramphitheaters von Carnuntum/Bad DeutschAltenburg konnten externe Nemesisheiligtümer im zivilen Amphitheater von Aquincum/Budapest, in Flavia Solva/Wagna, in Lepcis Magna/Lebda, in Porolissum/Zalău, in der CUT Sarmizegetusa/Sarmizegetusa sowie in Scarbantia/Sopron nachgewiesen werden. Das zivile Amphitheater in Aquincum/Budapest (Kat.Nr. 2) liegt außerhalb der Stadtmauern der Zivilstadt in

396

Tragau u. a.1897, 212 f. 219. Eine vollständige Bearbeitung des figürlichen Fundmaterials aus dem Nemeseum steht bis heute aus, würde sich allerdings im Lichte der Neuuntersuchung des Nemeseums durchaus lohnen. Die Carinusmünze fand sich im Zuge der Nachgrabungen. Vgl. Boulasikis 2010, 260. 397 Boulasikis 2010, 106.

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Diese Art der Wegführung könnte gerade bei der spieleinleitenden Prozession von Bedeutung gewesen sein, da sich so mehrere gleichzeitig aus- und eintretende Personen nicht behinderten. Ebenso könnte man sich die Handlungsrichtung umgekehrt beim Verlassen der Arena vorstellen.

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KULT BEI DER ARENA. NEMESIS-HEILIGTÜMER IM KONTEXT RÖMISCHER AMPHITHEATER einer kleinen Geländedepression nordwestlich der vom Forum nach Norden führenden Hauptstraße (Abb. 39). Der nördliche Teil wurde bereits 1880 ausgegraben und monographisch vorgelegt, die Freilegung des südlichen Teils folgte 1890 399 . Die Hauptachsen der ost-westorientierten, in structure creuse mit eingetiefter Arena und aufgeschütteten Kammern für die cavea errichteten Spielstätte messen 86,5 × 75,5 m (Abb. 40). Die Arena besaß jeweils zwei carceres in der nördlichen und südlichen Kurve der Podiumsmauer – wobei ein carcer direkt am südlichen Ostende des westlichen Haupttores anschloss – sowie jeweils einen in der Schmalachse der Arena. Keiner der carceres bot zusätzlich einen Zugang nach außen oder besaß eine besondere Ausstattung mit Nischen. Mögliche pulpita im Scheitel der Schmalachse existierten ebenfalls nicht. Die Zuschauerführung erfolgte über an der äußeren Caveamauer angebrachte Treppenläufe und Türen, welche die einzelnen Ränge erschlossen. Die Haupttore liegen im Westen und Osten und bieten den einzigen Zugang in die Arena. Beide Tore besitzen an ihrer Südwand mindestens zwei, zum Teil auch farblich gefasste, überwölbte Nischen400. Die Bauzeit des Amphitheaters ist unbekannt, wird aber aufgrund des epigraphischen Materials aus dem Nemeseum ungefähr in der 1. Hälfte des 2. Jh. n. Chr. anzusetzen sein401. Der als Nemeseum anzusprechende Anbau befindet sich direkt südlich des westlichen Haupttores, also an der dem nächsten Zugang zur Stadt abgewandten Seite. Er besteht aus einer kleinen 3,15 m breiten Vorhalle und einer ebenso 3,15 m breiten und 3,30 m tiefen Cella. Die Rückwand bildet die Caveamauer, die Südmauer ist kürzer, da sie an einem der Strebepfeiler der Außenmauer ansetzt (Abb. 41). Weitere vorgelagerte Mauern markieren, ähnlich wie beim zivilen Amphitheater von Carnuntum/Bad Deutsch-Altenburg, ebensolche Höfe. Das Nemeseum scheint nachträglich an die Außenwand der cavea angebaut worden zu sein. Wandmalereireste an der Rückwand zeugen von einer Freskierung mit geometrischen Mustern in grellen, bunten Farben402. Die Zuweisung als Nemeseum stützt sich auf mehrere Weihaltäre und steinerne Votivtafeln an Nemesis, die innerhalb der Cella und im Vorraum gefunden wurden403. Die älteste Inschrift (CIL III 10441) datiert auf den 21. August 162 n. Chr. und wurde von Marcus Ulpius Zosimus gestiftet, eine Inschrift aus dem Jahr 214 n. Chr. nennt die Wiedererrichtung des Heiligtums durch zwei duumviri quinquenales (CIL III 10439), zwei weitere können über Konsuldaten in die Jahre 226/229 n. Chr. (CIL III 10443) und 256 n. Chr. (CIL III 10440) datiert

werden. Stifter sind immer städtische Würdenträger. Zur Klärung der weiteren Umgebungsbebauung des Amphitheaters wurden keine weiteren Untersuchungen durchgeführt. Auch die topographische Situation ist nicht mehr nachvollziehbar, sodass die Zugangswege zum Amphitheater nicht mehr rekonstruiert werden können. Damit ist auch eine hypothetische Benennung der Haupttore als porta sanavivaria oder porta libitinensis ausgeschlossen. Ebenso kann die im Vergleich zu den bisherigen Ergebnissen zunächst ungewöhnliche Disposition des Heiligtums an der stadtabgewandten Seite nicht weiter geklärt werden 404 . Die Ausstattung zeugt dennoch von einem wichtigen Heiligtum, das längere Zeit in Benutzung war und dem sorgsame Pflege und Restaurierungsmaßnahmen durch hohe städtische Beamte zuteil wurden. Das Amphitheater von Flavia Solva/Wagna (Kat.-Nr. 8) liegt am südwestlichen Stadtrand, eingebunden in das orthogonale Straßenraster der Stadt (Abb. 42). Obwohl bereits Anfang der 1920er Jahre ausgegraben, konnte es bis heute nicht zusammenhängend publiziert werden405. Das nord-süd-orientierte, in structure pleine errichtete Gebäude wurde in zwei Bauphasen von einer zunächst recht kleinen, ovalen Grundform zu einem größeren, langgestreckten Amphitheater ähnlich demjenigen aus Virunum erweitert (Abb. 43)406. Durch neuere Forschungen im westlichen Stadtgebiet scheint eine Errichtung des Amphitheaters in der 1. Hälfte des 2. Jh. n. Chr. nahezuliegen. Für eine Datierung der zweiten Phase liegen keine Hinweise vor 407 . Zur Erweiterung der zweiten Phase gehört allerdings auch das kleine, westlich des nördlichen Haupttores freistehende Nemesisheiligtum. Der 3,9 × 2,9 m große Raum besaß einen Zugang von Osten und war zumindest mit einem Nemesisaltar ausgestattet408. Ein als Spolie im nahegelegenen Schloss Seggau verbautes marmornes Nemesisrelief mit Inschrift stellt die Göttin gewandmotivisch an Viktoria angeglichen, einen ihr links gegenüber stehenden Gladiator bekränzend dar. Ihr beigestellt erscheint der Greif. Das Relief hat seinen Ursprung möglicherweise ebenfalls innerhalb des kleinen sacellum 409 . Wiederum ist die Disposition des Heiligtums auffällig, liegt es doch im Norden auf Seiten des Stadtgebiets an der vom sog. Forum im Osten heranführenden Straße. Zudem folgt die Gestaltung des Nordtores nicht dem klassischen Konzept, da hier weniger eine korridorähnliche Torkonstruktion erhalten ist, als vielmehr ein nach Norden offener Vorplatz auf dem auch das sacellum steht. 404

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Torma 1881. Kuzsinszky 1991. Zusammenfassend auch Diner 1883, 93–97 sowie Torma 1885, 233–237. 400 Torma 1885, 236. 401 Kolendo 1979, 47. 402 Torma 1885, 237. Die Rekonstruktion der Grundmauern des Nemeseums lassen vor Ort keine Rückschlüsse mehr auf eine mögliche Einbindung der Mauern in die äußere Caveamauer zu. Auf einem alten Stich aus den 1880er Jahren scheinen die Mauern jedoch eher vorgeblendet zu sein. Vgl. Kuzsinszky 1891, 115 Abb. 5. 403 Zu den Inschriften vgl. Diner 1883, 93–97. Zusätzlich fanden sich hier der bereits erwähnte Kopf und mehrere Bruchstücke einer Statue.

Auf Grundlage der bisher angestellten Beobachtungen und der postulierten Bedeutung des Heiligtums für die pompa gladiatoris sowie als Ort einer rituellen Reinigung könnte das Westtor mit dem Nemesisheiligtum dennoch als porta sanavivaria angesprochen werden. 405 Groh 2005, 87. 406 Groh 2005, 89. Groh konnte mit seinen detaillierten Befundbeobachtungen erstmals die noch vom Ausgräber angenommene Einphasigkeit des Gebäudes widerlegen und die ungewöhnliche Form im Vergleich mit den Arenen in Virunum/Maria Saal und Iol Caesarea/Cherchel auf hauptsächlich für venationes bestimmte Amphitheater zurückführen. 407 Hudeczek 1979, 455. 408 Schmid 1923–24, 228. 409 Dazu Diez 1946, 1–14.

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4. NEMESIS-HEILIGTÜMER IM KONTEXT VON AMPHITHEATERN In Lepcis Magna/Lebda (Kat.-Nr. 13) liegt das Amphitheater weit im Osten außerhalb des Stadtgebiets am Meer und bildet mit dem später angebauten Circus eine architektonische Einheit, die über eine längere, bisher nicht weiter bekannte (Prozessions-)Straße mit der Stadt verbunden gewesen sein muss. Es wurde in den 60er Jahren unter italienischer Leitung ausgegraben, jedoch nie zusammenfassend publiziert410. Anhand der über dem arenaseitigen Eingang des westlichen Haupttores angebrachten Stifterinschrift kann die Einweihung des Gebäudes in das Jahr 56 n. Chr. datiert werden. Maßgebliche Umbauten erfolgten, als im Jahr 162 n. Chr. der Circus errichtet wurde und beide Spielstätten über eine gemeinsame Zugangsregelung auch konstruktiv eng miteinander verbunden wurden411. Sowohl das ost-westorientierte Amphitheater als auch das sacellum bilden einen interessanten konstruktiven Sonderfall. Die cavea wurde nicht wie üblich über freitragenden Bogenkonstruktionen oder auf angeschütteten Stein-Erde Kompartimenten errichtet, sondern vollständig in einen elliptischen, aus dem anstehenden Felsen geschlagenen Trichter eingebaut. Die Zuschauerführung erfolgte – soweit rekonstruierbar – über Kryptoportiken, die durch vomitoria auf die ima und media cavea führten sowie über einen von Westen aus Richtung der Stadt heranführenden Viadukt, der in einem auf dem Caveahügel umlaufenden Säulengang zur Erschließung der summa cavea endete412. Zugang zur Arena boten zwei durch den Fels getriebene Torgänge im Osten und Westen. Mit Errichtung des Circus wurden zusätzlich zwei in nordsüdlicher Richtung verlaufende Galerien bis auf das Niveau des Torganges ausgehoben, die im Osten und Westen der cavea die beiden Spielstätten auf Arenaniveau miteinander verbanden und gleichzeitig die Außenseite des Amphitheaters markierten (Abb. 44). Die stadtseitig gelegene Westgalerie wurde von dem bereits erwähnten Viadukt überspannt und bot mit großen, dem Westtor vorgeblendeten Pilastern eine repräsentative Schauseite. Zusätzlich endete ein breiter von der Stadt heranführender Tunnel im Süden der Westgalerie direkt vor dem Arenator, neben einer rechteckigen, aus dem Fels geschlagenen Kammer mit fünf Nischen413. Ähnlich ungewöhnlich wie die Konstruktion des Amphitheaters stellt sich die Lage des sacellum dar. Es wurde sekundär im Süden der cavea, rückseitig der, die summa cavea bekrönenden Portikus errichtet. Hinter einer von zwei profilierten Postamenten durchbrochenen, halbrunden Exedra öffnete sich ein trapezoid nach Süden erweiterter Platz mit einem zur Arena offenen Raum

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Es existieren lediglich drei kurze Vorberichte und eine Nachuntersuchung zum sacellum. Vgl. Golvin 1988, 83 f. sowie Mahgiub u. a. 1976–1977, 21–36. 411 Zu den Stiftungsinschriften vgl. Di Vita-Evrard 1965, 29–39. bes. 31. 36. 412 Di Vita 1965, 134 f. 413 Zur Befundsituation der westlichen Galerie vgl. Di Vita 1966, 86. An den Wänden der Kammer und der Nischen zeichneten sich zur Zeit der Ausgrabung lateinische Dipinti und Graffiti ab, die allerdings weder gelesen noch publiziert wurden.

(Abb. 45)414. Im sacellum fanden sich neben einer Statue der ephesischen Artemis zwei monumentale, inschriftlich der Nemesis geweihte Marmoraltäre, von denen einer zusätzlich das besonders elaborierte Relief eines in einer aedicula stehenden Greifen, der seine Pranke auf einem Rad abstützt, trägt415. Die ungewöhnliche Disposition des sacellum im äußerten Süden der cavea, erreichbar ausschließlich über das Viadukt und ohne Verbindung zur Arena oder eines der Haupttore, lässt es für die Nutzung durch Akteure in der Arena denkbar ungeeignet erscheinen. Vielmehr scheint es repräsentativen Zwecken dienlich zu sein, ähnlich den großen Korridor-sacella in Italica/Santiponce oder Pula/Pola. Interessant ist demgegenüber, dass mit der Nischenkammer vor dem westlichen Haupttor ein weiterer Raum vorhanden ist, der, obwohl nicht direkt mit Nemesis in Verbindung zu bringen, dennoch zur konventionellen Disposition der sacella passt und am zur Stadtseite ausgerichteten Haupttor liegt. Damit könnte auch für Lepcis Magna/Lebda eine Zweiteilung des Kultes für offizielle, repräsentative sowie für informelle, private Zwecke wahrscheinlich gemacht werden416. Das steinerne Amphitheater von Porolissum/Zalău 417 – sehr eindrucksvoll ca. 100 m vor der südwestlichen Ecke des Legionslagers am Hang gelegen – wurde bereits in der zweiten Hälfte des 19. Jh. entdeckt. Erste Ausgrabungen fanden jedoch erst 1959 statt, eine umfassende Untersuchung und Konservierung des Gebäudes erfolgte in den 1980er Jahren unter der Leitung von Isván Bajusz (Abb. 46) 418 . Es besaß zunächst einen hölzernen Vorgängerbau aus hadrianischer Bauzeit 419 und wurde schließlich 157 n. Chr. im Auftrag des Antoninus Pius und unter Aufsicht des procurator Tiberius Claudius Quintilianus in Stein errichtet420. Die Hauptachsen des ost-west-orientierten, in structure creuse errichteten Amphitheaters messen 84,50 × 73,70 m (Abb. 47). Die cavea ruhte auf Radialmauern aus opus incertum deren Zwischenräume nicht verfüllt waren und wurde arenaseitig von der Podiumsmauer begrenzt. Da die Mauerabschlüsse nach außen T-förmig verbreitert sind, trugen sie möglicherweise eine Bogenkonstruktion, die der cavea den Eindruck einer offenen Arkadenstruktur verlieh. Die Sitzreihen bestanden aus einer leichten Holzkonstruktion 421 . Jeweils ein trapezoides Haupttor 414

Di Vita in Mahgiub u. a. 1976–1977, 22. In mühseliger Kleinarbeit gelang es aus den während eines Erdbebens in die cavea und die Arena herabgestürzten Blöcken das sacellum zumindest in Grundzügen zu rekonstruieren (Vgl. Mahgiub u. a. 1976–1977, 21–36). Im in Abb. 46 wiedergegebenen Plan des Amphitheaters ist das Heiligtum nicht eingetragen. Bis heute existiert kein exakter Grundriss des Amphitheaters. 415 Die Inschriften scheinen bis heute nicht publiziert und befinden sich zum einen im Amphitheater selbst und zum anderen im Museum von Lepcis Magna. Di Vita-Evrard 1999, 83. Hornum erwähnt sie einzig nach persönlicher Mitteilung der Ausgräberin. Hornum 1993, Kat.Nr. 159. Vgl. auch di Vita 1964, 136. 416 s. o. Seite 40 417 Kat.-Nr. 15. 418 Bajusz – Gudea 1998, 93–107. Vgl. auch Alicu 2000, 58. 419 Bajusz 2005, 883. 420 CIL III 836. 421 Bajusz 2003, 884.

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KULT BEI DER ARENA. NEMESIS-HEILIGTÜMER IM KONTEXT RÖMISCHER AMPHITHEATER führte im Westen und Osten in die Arena. Nördlich und südlich dieser Tore findet sich jeweils ein von der Arena, vom Torweg und von der Außenseite zugänglicher carcer. Auch in den Scheiteln der Längsseiten lag jeweils ein carcer sowie je ein Durchgang von außen Zugang zur Arena gewährte. Gleichzeitig werden hier die pulpita zu lokalisieren sein, da die Radialmauern im Bereich der Schmalachse zusätzlich verstärkt wurden und Säulen sowie Kapitellfragmente auf gesondert gestaltete Eingänge hinweisen422. Umbaumaßnahmen im Bereich des Westtores führten später zu einer Blockade des Arenazugangs im Südcarcer und der Einrichtung des Nemesis-sacellum. Auf Höhe des Zuganges zum Torweg wurde eine apsidiale Zwischenmauer eingezogen, der arenaseitige Bereich hinter der Apsis verfüllt und die Türe zur Arena zugesetzt 423 . Die ehemals offene Raumfront an der Außenseite wurde durch eine Mauer mit zentraler Türe geschlossen. Davor entstand zusätzlich eine 1,90 m tiefe Portikus, die mit einem Ziegeldach eingedeckt dem Raum eine repräsentative Außenwirkung und das Aussehen eines kleinen prostylen Tempels verlieh. Ein in der Apsis in Sturzlage aufgefundener Weihaltar an die Göttin Nemesis, gestiftet von einem centurio numeri Palmyrenorum sichert die Zuweisung des Raumes als sacellum für die Göttin. Das Formular der Inschrift lässt diese grob auf die Wende vom 2. zum 3. Jh. n. Chr. datieren424. Trotz des Umstandes, dass das sacellum im Süd-carcer des Westtores in die Gebäudestruktur des Amphitheaters integriert wurde, wird es hier als externes Heiligtum aufgefasst. Denn entgegen den festgestellten Konventionen für innliegende sacella und Korridorheiligtümer besteht keine direkte Verbindung zur Arena. Ähnlich wie in Carnuntum bot die kleine Türe in der Nordwand jedoch die Möglichkeit das sacellum durch die kleine Portikus zu betreten und es seitlich zum Torweg in Richtung der Arena wieder zu verlassen. Über die Disposition des Heiligtums im Verhältnis zum Stadtgebiet lässt sich insofern keine distinguierte Aussage treffen: Beide Haupttore des Amphitheaters waren entweder von der porta decumana oder der porta principalis sinistra des Legionslagers gut zu erreichen und die Befundsituation in der Umgebung des Amphitheaters lässt keine Rückschlüsse auf mögliche Hauptzugangswege zu. Das Amphitheater der Colonia Ulpia Traiana Augusta Sarmizegetusa/Sarmizegetusa (Kat.-Nr. 17) – seit der Gründung um ca. 108 n. Chr. Hauptstadt der Provinz Dakien – liegt nordwestlich, ca. 110 m vor der porta praetoria des zu einem unbekannten Zeitpunkt nach Westen erweiterten Legionslagers und gegenüber eines in der Forschung als area sacra bezeichneten Geländes, das die wichtigsten Heiligtümer der Stadt beherbergte 422

Bajusz – Gudea 1998, 103. Bajusz – Gudea 1998, 104. 424 Der Altar scheint allerdings noch nicht publiziert zu sein und findet nur Erwähnung bei Bajusz – Gudea 1998, 104 sowie Bajusz 2003, 885. Zu den numeri im römischen Heer Dakiens vgl. auch Nemeth 1997, 101–116, der den Altar aus Porolissum/Zalău jedoch auch nicht zu kennen scheint. 423

(Abb. 48). Im Norden schließt sich ein als Gladiatorenkaserne bezeichneter Komplex an425. Erste wissenschaftliche Grabungen fanden Ende des 19. Jh. Statt. Im Laufe des 20. Jh. wurde das Gebäude weiter untersucht und schließlich Ende der 60er Jahre restauriert um im Archäologischen Park Sarmizegetusa der Öffentlichkeit zugänglich gemacht zu werden426. Ein in die ersten Jahre des 2. Jh. n. Chr. zu datierender Vorgängerbau aus Holz wurde, ähnlich wie in Porolissum/Zalău, Anfang der zweiten Hälfte des 2. Jh. n. Chr. durch ein steinernes Amphitheater ersetzt427. In mehr oder weniger flachem Gelände errichtet, ruhte die cavea auf sehr kleinteiligen Substruktionsmauern der structure creuse, die teilweise Elemente einer kombinierten Stein-Erde-Bauweise aufnahmen. Die Maße der Hauptachsen des ost-westorientierten Amphtitheaters betragen 88 × 68 m (Abb. 49) 428 . Zugang zur Arena boten die beiden einschiffigen, an ihrer Außenseite durch eine einfache Pilasterarchitektur hervorgehobenen Haupttore, wobei das Osttor an seiner Nordseite zusätzlich einen durch Pfeiler vom Torweg abgeschrankten, arenaseitigen carcer besaß. Nördlich und südlich der Haupttore befanden sich insgesamt vier symmetrisch verteilte portae posticae mit dahinterliegenden Kammern in der Arenamauer, von denen die südlich des Westtores gelegene Kammer ein potentieller Durchgangskorridor für den Einlass von Tieren in die Arena darstellte429. Zwei weitere carceres befanden sich wiederum in den Scheiteln der Schmalachse, waren von außen erreichbar und boten gleichsam Zutritt zu den darüberliegenden Logenbereichen. Über mehrere vomitoria der Außenseite des Amphitheaters konnten die übrigen Plätze der cavea erreicht werden. Südlich vor dem östlichen Haupttor befinden sich die Reste des baulich nicht mit dem Amphitheater im Verbund stehenden Nemesisheiligtums. Bereits Ende des 19. Jh. freigelegt, wurde es nie zusammenhängend publiziert, obwohl es sich um eines der größten und fundreichsten Nemeseen handelt, die bisher bekannt sind430. Ursprünglich wohl zusammen mit der Errichtung des Amphitheaters gebaut, bestand es zunächst aus einem 425

Alicu – Paki 1995, 5. Zur Topographie und Stadtgeschichte vgl. zuletzt auch Eck – Lobüscher 2001, 263–266. Zur Forschungsgeschichte Alicu 1997, 310. Umfangreiche Nachuntersuchungen in den 80er Jahren führten zu einer monographischen Publikation des Amphitheaters durch Dorin Alicu (Alicu 1997), der darin auch alle anderen bekannten Amphitheater Rumäniens bearbeitet. Alicu – Opreanu 2000 beinhaltet einen Nachdruck der Erstpublikation, ergänzt durch eine Untersuchung epigraphischer und architektonischer Monumente aus dem Amphitheater. 427 Münzfunde aus den Fundamentgruben verweisen in die Jahre 156– 161 n. Chr. Ein bereits im 19. Jh. im Bereich des Amphitheaters entdeckter Dachziegel trägt die Konsulangaben des Jahres 158 n. Chr. Vgl. Alicu 2000, 117. 428 Alicu 2000, 81. 429 Alicu 2000, 103 schlägt für den Korridor die Bezeichnung als porta libitinensis vor, durch den die toten Akteure und Tiere abtransportiert werden konnten. Viel sinnfälliger scheint jedoch die Interpretation als Zugang für den überraschenden Auftritt von Tieren in der Arena, zumal die Haupttore keine speziell dafür vorgesehenen Einrichtungen besaßen und die nebenliegenden Substruktionsräume als Zwinger dienen konnten. 430 Alicu 1978, 177. Einzig die figürlichen Monumente aus dem Nemeseum wurden aufgearbeitet. s. o. Seite 18.

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4. NEMESIS-HEILIGTÜMER IM KONTEXT VON AMPHITHEATERN rechteckigen Hof in dessen Mitte das eigentliche Kultgebäude in Form eines kleinen, prostylen Tempels mit Cella und Vorhalle stand. Die Eingänge zu Hof und Tempel befanden sich an der stadtzugewandten Seite im Süden; ein rückwärtiges Tor im Norden gewährte von der Einfassung Zugang zum Torweg des Osttores. Der Hof wurde durch mehrere Um- und Anbauten mehrfach vergrößert und mit zusätzlichen Räumen erweitert, deren zeitliche Stellung zueinander allerdings unklar bleiben muss 431 . Die Lage des Heiligtums vor demjenigen Haupttor, das der Stadt bzw. einem Stadttor am nächsten liegt, fügt sich abermals in die Beobachtungen zu den funktionalen Aspekten der sacella als Endpunkt der einleitenden Prozession. Die Ausrichtung des Haupteingangs nach Süden in Richtung der Stadt macht diese Verbindung noch sinnfälliger. Scheint sich das Heiligtum so zwar deutlich auf die Stadt zu beziehen, bleibt über den rückwärtigen Ausgang der Bezug zum Amphitheater dennoch weiter bestehen. In Verbindung mit der potentiellen Gladiatorenkaserne im Norden, dem Nemesisheiligtum im Süden und dem deutlichen Bezug zur Stadt kann das Osttor auch als porta sanavivaria angesprochen werden 432 . Stifter der zahlreichen Weihreliefs und Weihinschriften aus dem Nemeseum sind erneut hauptsächlich höhere Beamte, Magistrate und Mitglieder verschiedener Kollegien433. In Scarbantia/Sopron in der Provinz Pannonia Inferior liegt das Amphitheater ca. 500 m nördlich des Stadtgebiets, zugänglich von der Bernsteinstraße, die hier vom Forum weiter Richtung Carnuntum/Bad DeutschAltenburg führt. Grabungen fanden in den 1940er und 1990er Jahren statt. Im Bereich des Amphitheaters verweisen eine große Anzahl Dachziegel mit Stempeln aus der Zeit des Antoninus Pius sowie eine Münze der Diva Faustina auf eine Bauzeit zu Beginn der zweiten Hälfte des 2. Jh. n. Chr.434. Die Hauptachsen des nordsüd-orientierten structure pleine Amphitheaters mit eingetiefter Arena und aufgeschütteter bzw. dem Geländeprofil folgender cavea messen ca. 127 × 75 m (Abb. 50). Neben der Arenamauer und überwölbter Torwege sind jedoch kaum bauliche Strukturen bekannt. Die Arena besaß drei große Zugänge: die Haupttore im Süden und Norden sowie den mit Gewölbeansätzen am besten erhaltenen Zugang im Westen. Möglicherweise befand sich hier zusätzlich ein pulpitum. Südöstlich des Südtores, direkt an der von der Stadt heranführenden Hauptstraße befinden sich die Mauerreste eines größeren Raumes, der aufgrund der Beifunde als Nemeseum anzusprechen ist. Erhalten haben sich die Nord- und die Ostmauer. An die Nordmauer schließt ein weiterer Mauerabschnitt an, der in Richtung des Südtores führt und den Raum baulich mit dem Amphitheater verbindet. 431

Alicu 1978, 175 Taf. 2. Möglicherweise handelt es sich hierbei um Anbauten, die der großen Fülle an Weihgaben gerecht werden sollten – ähnlich, wie es auch schon für das militärische Amphitheater von Carnuntum/Bad Deutsch-Altenburg postuliert wurde. 432 Schon Alicu 2000, 96 bezeichnet das Tor mit dem modernen Begriff porta pompae. 433 Vgl. Hornum 1993, Kat. Nr. 185–204. 434 Gömöri 1999, 100.

Es fanden sich Altarsteine und Reliefreste, unter den Kleinfunden sind Lampen, Keramikscherben sowie Tierknochen zu erwähnen 435 . Die Lage entspricht demnach der bereits mehrfach festgestellten Disposition vor demjenigen Haupttor, das direkt an der aus dem Stadtgebiet herbeiführenden Straße liegt. Aufgrund der spärlichen Baureste lassen sich keine Aussagen über die Zu- und Ausgänge sowie über die Verbindung zum Torweg in die Arena treffen. Schlussfolgerungen Im Gegensatz zu Hornums Postulat, die innliegenden sacella stellten den »most common« Typus dar, können die externen Nemesisheiligtümer mit mindestens sieben bekannten Beispielen als häufigster Typus identifiziert werden436. Die meisten finden sich in den Provinzen des Balkan-Donau-Raums: Entgegen den Arena- und Korridor-sacella scheint sich ihre Verbreitung demnach tatsächlich auf diese Region zu konzentrieren. Das Beispiel aus Lepcis Magna/Lebda und das potentiell externe sacellum in Isca Silurum/Caerleon 437 zeigen jedoch, dass der Typus durchaus auch in anderen Gegenden auftreten kann. Alle sacella liegen in unmittelbarer Nähe oder stehen in direktem Bezug zu einem der großen Haupttore in die Arena. Bei den meisten konnte zusätzlich eine Verbindung zu einer aus dem Stadtgebiet heranführenden Straße festgestellt werden. Einzig in Aquincum/Budapest und Porolissum/Zalău war dies aufgrund der unklaren topographischen Situation nicht mehr möglich. Die Disposition der externen sacella in Bezug auf das angrenzende Stadtgebiet entspricht damit weitestgehend der schon bei den Arena- und Korridor-sacella festgestellten Lage und verweist auf eine funktional motivierte Positionierung der Heiligtümer. Auffällig ist weiterhin, dass die meisten externen Nemeseen ähnlich den Korridor-sacella einen repräsentativen Eingang und einen kleineren, im rückwärtigen Teil gelegenen Ausgang besitzen, der in Verbindung mit dem Torweg steht, sodass auch mehrere Personen gleichzeitig den Kultraum frequentieren konnten ohne sich gegenseitig zu behindern. Zudem konnte das Heiligtum über diese Nebeneingänge von Akteuren auch noch nach dem Verlassen der Arena einfach erreicht werden. Keines der Beispiele stammt aus der Gruppe der repräsentativen, städtischen Amphitheater in structure creuse. Vielmehr sind es kleinere, einfache Amphitheater, deren Torkonstruktionen keine aufwändigen, mehrschiffigen Gewölbe aufweisen. Dies führt zu der These, dass 435

Vgl. zuerst Volkmann 1928, 314 sowie Póczy 1977, 25. Einige Inschriften und Reliefs, unter anderem der Altar eines Eravitus werden bei Póczy 1977, 23 genannt. Publiziert sind bisher das Fragment einer Diana (-Nemesis?) Statue (CSIR Ungarn II Nr. 2), zwei Fragmente eines Altars für Nemesis-Diana (CSIR Ungarn II Nr. 11), fünf zusammenpassende Bruchstücke des Unterteils eines Votivreliefs für Nemesis-Fortuna (CSIR Ungarn II Nr. 12) sowie zwei zusammenpassende Fragmente eines Votivreliefs für Diana (-Nemesis?) (CSIR Ungarn II Nr. 13). 436 Hornum 1993, 57 f. 437 s. u. Seite 53.

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KULT BEI DER ARENA. NEMESIS-HEILIGTÜMER IM KONTEXT RÖMISCHER AMPHITHEATER die externen sacella als auffälliger Ersatz für die in der einfachen structure pleine Architektur nicht vorgesehenen korridorbegleitenden Kuppelsäle zu verstehen sind, die sich für ein Durchgangs- bzw. Übergangsheiligtum an einer liminalen Zone am besten eignen. Die Größe der Heiligtümer ist unterschiedlich, variiert jedoch nicht so stark, wie bei den innliegenden sacella und entspricht insgesamt eher den großen Korridorheiligtümern. Mit jeweils knapp 12 m2 sind die Nemeseen in Flavia Solva/Wagna und im zivilen Ampitheater von Aquincum/Budapest die Kleinsten externen sacella, wobei dasjenige in Noricum durch die einfache Einraumstruktur auch architektonisch aus dem Rahmen fällt. Das Heiligtum in Aquincum/Budapest folgt dagegen dem – vorsichtig – als kanonisch zu bezeichnenden Grundriss der externen sacella, der meist dem eines kleinen, prostylen Tempels ähnelt: Hinter einer Säulenportikus respektive einem flachen Pronaos öffnet sich eine ziegelgedeckte Cella. Ähnlich wie die Korridorsacella hinter den monumentalen Haupttoren wurden die freistehenden sacella demnach zwecks einer repräsentativen Außenwirkung gestaltet. Manche der Heiligtümer erfuhren zusätzlich großangelegte Um- und Ausbauten oder wurden nach Zerstörungen sorgfältig renoviert, was zum einen auf eine hohe Frequentierung der Gebäude schließen lässt sowie zum anderen auf einen wichtigen Stellenwert innerhalb des komplexen Systems der Amphitheatersemantik verweist. Darüber hinaus akzentuieren sowohl die Innengestaltung mit ornamentierten Baugliedern sowie verputzten und polychrom gestalteten Wandflächen als auch die Ausstattung mit zahlreichen Altären, Reliefs und Statuen die Bedeutung der sacella. Darin manifestiert sich wiederum ein vornehmlich offizieller sowie öffentlicher Charakter der Kultstätten, der durch die gesellschaftliche Stellung der Stifter, die abermals hauptsächlich aus der höheren militärischen bzw. städtischen Verwaltung stammen, bestätigt wird. Bei einigen der außenliegenden sacella fallen zudem großzügige Vorplätze und Höfe auf, die teilweise durch Mauerzüge zusätzlich gerahmt sein konnten und somit Platz für größere Opferhandlungen vor einem breiteren Publikum boten. Eine Nutzung durch Akteure und Arenapersonal kann zwar allenfalls indirekt über die enge Verbindung zu den Torwegen postuliert werden, muss in den meisten Fällen allerdings zumindest in Erwägung gezogen werden, da eine sozial zweigeteilte Kultpraxis einzig im militärischen Amphitheater von Carnuntum/Bad Deutsch-Altenburg eindeutig nachgewiesen werden konnte438. Die Datierung der außenliegenden Nemesisheiligtümer fällt gemeinhin mit der Errichtung der (steinernen) Amphitheater zusammen. Sie kann in allen Fällen 438

Im zivilen Amphitheater von Aquincum/Budapest (Kat.-Nr. 2) weisen kleine Nischen in den Haupteingangskorridoren auf andere, informelle Kultstätten hin. In Lepcis Magna/Lebda (Kat.-Nr. 13) könnte die von der Arena abgeschnittene Lage des Heiligtums am Rande der cavea auf die Existenz einer weiteren Kultstätte in dem kleinen Nischenraum vor dem westlichen Haupttor deuten.

während der zweiten Hälfte des 2. Jh. n. Chr. angenommen werden. In Lepcis Magna/Lebda, Porolissum/Zalău, CUT Sarmizegetusa/Sarmizegetusa und Scarbantia/Sopron weisen stratifizierte Befunde und Inschriften insbesondere in die Regierungszeit des Antoninus Pius. Im militärischen Amphitheater von scheint eine Carnuntum/Bad Deutsch-Altenburg Errichtung des Nemeseums erst nachträglich erfolgt zu sein, wobei der Verlauf der Markomannenkriege eine entscheidende Rolle gespielt haben könnte. Insgesamt schließt sich die Datierung der externen sacella der schon für die beiden anderen Typen festgestellten zeitlichen Entwicklung an. Infolge dessen kann die zweite Hälfte des 2. Jh. n. Chr. für die Etablierung des Nemesiskultes in Amphitheatern als entscheidender Zeitrahmen gewertet werden. 4.4. Amphitheater mit nicht zuweisbaren sacella Auf Basis der Ergebnisse, die vor allem zu Lage und Architektur der drei grundlegenden sacella-Typen in der vorliegenden Untersuchung herausgestellt wurden, kann nun eine Analyse der sieben Amphitheater erfolgen, die zwar aufgrund bestimmter Funde mit Nemesis in Verbindung zu bringen sind, deren genauer Aufstellungsort jedoch nicht mehr verifiziert werden kann. Mit den herausgearbeiteten Kriterien zur Position der sacella innerhalb der Amphitheater, der Lage zum Stadtgebiet und der Zugänglichkeit bzw. Disposition funktionsabhängiger Ein- und Ausgänge ist es auch für diese Amphitheater möglich – sofern der Erhaltungszustand und die Publikationslage es erlauben –, fundierte Aussagen zur Existenz und Lage eines potentiellen sacellum zu treffen. Aufgrund des begrenzten Umfangs der Arbeit nicht berücksichtigt werden dabei Amphitheater derjenigen Städte, auf deren Gebiet Funde von Nemesisweihungen zwar auf die Existenz eines kleinen Heiligtums hinweisen, deren Fundkontexte jedoch gänzlich unbekannt sind bzw. vordergründig keine Verbindung zum Amphitheater nahelegen. Aquincum/Budapest Im gut erhaltenen Militär-Amphitheater von Aquincum/Budapest (Kat.-Nr. 1; Abb. 51), schon Anfang der 1940er Jahre von Layos Nagy ausgegraben439, bietet der Befund die Annahme einer bewussten Zerstörung bzw. Entweihung des sacellum. Das Amphitheater selbst, südlich des Legionslagers der legio II Adiutrix gelegen, ist mit seinen Außendimensionen von 131,84 × 108,42 m eines der größten im gesamten Balkan-Donauraum440. In seinem Aufbau folgt es der klassischen structure pleine einer ins Terrain eingetieften Arena mit Podiumsmauer. Nach innen geöffnete, u-förmige Mauerkompartimente bilden die Außenmauer und fungieren als Stützmauern für die Anschüttung des cavea-Fundaments441. Als porta sanavivaria, als Haupteingangstor, darf das dem Legionslager zugewandte, etwas breitere Nordtor 439 440 441

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Vgl. Nagy 1943, 537–549. Kolendo 1979, 44. Vgl. dazu Golvin 1988, 137.

4. NEMESIS-HEILIGTÜMER IM KONTEXT VON AMPHITHEATERN angenommen werden. Kleinere carceres befinden sich – jeweils gegenüber – in der westlichen und östlichen Kurve sowie östlich des nördlichen Haupttores442. Der Vorbereich des südlichen Haupttores ist durch den Bau einer Straße zerstört und wurde auch nicht ergraben443. Zwei weitere Zugänge befinden sich im Scheitel der Längsachsen, diese führen jeweils zu gesonderten pulpita, die wiederum einen eigenen Zugang zu einem carcer und zur Arena besitzen. Die Podiumsmauer war mit rotem, die carceres zumindest teilweise mit rot-grünem Verputz dekoriert444. In der Mitte der Arena befindet sich, wie bei vielen Amphitheatern des eingetieften Stein-Erde-Typs, ein rechteckiger Abflussschacht, der das Regenwasser über Kanäle von den Scheitelpunkten der Hauptachsen aufnimmt. Die Bauzeit des Amphitheaters ist durch eine Inschrift in einer tabula ansata, die vor dem Nordtor gefunden wurde, gegeben; demnach ist die Errichtung in das vierte Konsulat des Antoninus Pius, also 145– 161 n. Chr., zu setzen445. Die Verbindung dieses Amphitheaters mit Nemesis ist nun durch den Fund eines marmornen Votivaltars gegeben, der von Vater und Sohn – Soldaten der legio II Adiutrix – der Nemesis geweiht wurde Die Datierung des Altars gestaltet sich, wie bei den meisten anderen besprochenen Altären sehr schwierig; Der Ausgräber Nagy datiert ihn vorsichtig in die erste Hälfte des 3. Jh. n. Chr. 446 , Hornum nicht vor der Regierungszeit des Antoninus Pius aufgrund der Namen der Dedikanten, was auch zur Bauzeit des Amphitheaters passt447. Der Altar wurde bei Ausgrabungen in der Verfüllung des Schachtes in der Mitte der Arena gefunden, in einer Schicht die noch als Antik anzusprechen ist 448 . Diese Tatsache verleitet Jean Colin dazu, den Fundort mit dem ursprünglichen Aufstellungsort gleichzusetzen und in dem Abflussschacht ein Nemeseum des Amphitheaters zu sehen. Hier soll nach grausamen Kämpfen das Blut der unterlegenen Kämpfer durch die zuleitenden Kanäle über den Altar geflossen sein, um so der Nemesis – »durstig nach Blut« 449 – ihr gerechtes und befriedendes Opfer darzubringen. Diese Auffassung ist zu verwerfen, abgesehen von einer rein technischen Unmöglichkeit eines solchen Vorgangs450 und fehlender Vergleichsbei442

Der carcer am Haupttor scheint sowohl vom Korridor als auch von der Arena aus zugänglich zu sein. Colin 1954, 149. 444 Nagy 1943, 543. 445 Kolendo 1979, 45. Die Angabe COS IIII auf der Bauinschrift weist auf das vierte und letzte Konsulat des Antoninus Pius hin, welches er im Jahr 145 n. Chr. bekleidete. Kienast 1996, 134. 446 Nagy 1943, 543. 447 Stifter des Altars sind der cornicularius Aurelius Vindicianus und sein Sohn Marcus Aurelius Vindex. Hornum 1993, Kat.-Nr. 127. 448 Vgl. Colin 1954, 149. Golvin verwechselt in seiner Untersuchung das militärische und das zivile Amphitheater, da er den Fundort des Altars in den (tatsächlich nicht vorhandenen) Substruktionen des letzteren lokalisiert und ihn dementsprechend dem sacellum vor dem Westtor zuordnet. Vgl. Golvin 1988, 338. 449 Colin 1954, 150. 450 Die Kämpfer hätten direkt über den Zufluss-Kanälen kämpfen und töten müssen und selbst dann wäre das dickflüssige Blut vorher im sandigen Arenaboden versickert, bevor es in den Schacht hätte fließen können. 443

spiele, entstammt sie doch eher der populär-christlichen Vorstellung einer schranken- und sinnlosen Gewalt heidnischer Gräueltaten; so ist auch Colins literarisches Vergleichsbeispiel – mit Kyrill von Alexandrien, einem großen Kirchenvater des 5. Jh. n. Chr. – eher in die Richtung solch antiheidnischer Polemik zu deuten. Viel eher ist davon auszugehen, dass der Altar bewusst in den zentralen Schacht geworfen wurde. Entweder von Anhängern des Kultes, die das Kultinventar des Nemesisheiligtums verbergen wollten 451 , oder bei der Zerstörung des kleinen Heiligtums, möglicherweise durch Anhänger des frühen Christentums. Somit ist das eigentliche Nemesis-sacellum nicht mehr lokalisierbar. Durch Kollationieren mit anderen NemesisHeiligtümern können aber trotzdem Vorschläge zur ursprünglichen Lage eines solchen vorgebracht werden. Im direkten Vergleich mit dem zivilen Amphitheater in Aquincum, bei dem das sacellum identifiziert werden konnte, und bei der allgemeinen Tendenz, sacella in den Donauprovinzen außerhalb der Amphitheater zu errichten452, ging die Forschung bisher davon aus, dass das Heiligtum vor dem Südtor, im nicht ergrabenen Bereich zu lokalisieren ist453. Verschiedene carceres und die Korridore der Haupttore bieten allerdings weitere mögliche Räumlichkeiten, die im gegebenen Fall als sacellum in Frage kommen. In keinem der untersuchten Beispiele befindet sich ein Nemesis-sacellum in einem carcer, der nicht zumindest in unmittelbarer Nähe zu einem der Scheitelpunkte der Arenakurven liegt; daher sind die beiden Räume in der West- und Ostkurve der cavea prinzipiell auszuschließen. Die Räume unter den Logen-Plätzen stellen sich bei den untersuchten Amphitheatern mit Nemesis-sacella ebenfalls durchweg unterschiedlich dar. Nur bei zweien ließ sich tatsächlich eindeutig ein Nemeseum nachweisen454; die Heiligtümer erweisen sich bei diesen jedoch als einfache Räume und sind ausschließlich von der Arena aus erreichbar, wohingegen die Räume beim Militär-Amphitheater von Aquincum/Budapest differenzierter und komplexer gestaltet sind. Bei dem weitaus größten Teil der untersuchten Amphitheater befinden sich die Nemesis-Heiligtümer in einem Bereich, der sowohl von der Arena aus zu erreichen ist, als auch eine Verbindung zur unmittelbaren Umgebung besitzt. Aufgrund dieser Überlegungen, fehlender Nischen und der ungünstigen Form dürften auch die im Scheitel der Längsseiten gelegenen Räume in Aquincum/Budapest als Nemeseum ausscheiden. In den publizierten Grundriss-

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Ähnlich dem absichtlichen Verbergungsvorgang des Kultinventars im Amphitheater von Virunum/Maria Saal. s. o. Seite 30 sowie Jernej 2004b, 138. Aufgrund der unzureichenden Grabungspublikation, kann in Aquincum/Budapest jedoch nicht weiter differenziert werden; so sind aus der Verfüllung des Schachtes keine datierenden Münzen bekannt. 452 s. o. Seite 49 sowie Hornum 1993, 57 und zuletzt Pastor 2010, 212. 453 Vgl. Colin 1954, 148 und Kolendo 1979, 46. Golvin geht davon aus, dass das sacellum unter einer der Logen zu suchen ist. Golvin 1988, 137. 454 Im Amphitheater von Tarracco/Tarragona (Kat.-Nr. 20) und im Amphitheater von Virunum/Maria Saal (Kat-Nr. 22).

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KULT BEI DER ARENA. NEMESIS-HEILIGTÜMER IM KONTEXT RÖMISCHER AMPHITHEATER zeichnungen des Amphitheaters 455 sind jeweils im südlichen Eingangskorridor zwei Nischen dargestellt (Abb. 52), die allerdings in keiner der Publikationen zum Amphitheater erwähnt und diskutiert werden. Nach Autopsie des Verf. gehören sie augenscheinlich keiner späteren Bauphase an und sind somit als bauzeitlich zu betrachten. Es scheint im Vergleich vor allem mit den Nemesis-Bereichen im Haupteingangskorridor der Amphitheater von Carnuntum/Bad Deutsch-Altenburg (Kat.-Nr. 5. 6) durchaus angebracht, das Nemeseum des Militär-Amphitheaters von Aquincum/Budapest hier zu vermuten. So liegt gerade auch beim zivilen Amphitheater von Aquincum/Budapest das Nemesisheiligtum an der dem Haupteingangstor gegenüber liegenden Seite. Wichtig wäre dazu ein Größenvergleich des NemesisAltars aus dem zentralen Schacht der Arena mit den zwei Nischen, um möglicherweise eine der beiden als ursprünglichen Aufstellungsort desselben postulieren zu können456. Insgesamt ist ein freistehendes sacellum für das Militär-Amphitheater ähnlich dem des zivilen Amphitheaters von Aquincum/Budapest immer noch nicht ausgeschlossen, jedoch erlauben die vorhandenen Indizien, wie gezeigt wurde, durchaus auch eine Lokalisierung im bestehenden und untersuchten Baubefund. Demnach wäre die früheste Datierung eines Nemesis-sacellum im zivilen Amphitheater von Aquincum/Budapest bauzeitlich in die zweite Hälfte des 2. Jh. n. Chr. anzusetzen. Iol Caesarea/Cherchel Neben dem bereits besprochenen Amphitheater von Lepcis Magna/Lebda ist für Nordafrika allein in Iol Caesarea/Cherchel (Kat.-Nr. 10) – der Hauptstadt der Provinz Mauretania Caesariensis – eine weitere sichere Verbindung zwischen dem Fundort eines der Nemesis geweihten Altars und dem Amphitheater der Stadt herzustellen. Das ost-west-orientierte Gebäude liegt direkt am decumanus maximus, der das ca. 800 m westlich gelegene Forum sowie das Theater mit dem Amphitheater verbindet457. Da bis heute keine eingehenden stratigraphischen Untersuchungen am Gebäude stattfinden konnten, ist auch die Datierung umstritten. Ein allgemeiner Konsens geht jedoch von einer Errichtung des Amphitheaters zusammen mit dem Theater am Forum noch unter Juba II. zu Beginn des 1. Jh. n. Chr. aus458. Die seltsam langgestreckte Form des Amphitheaters, das sich aus einem zentralen Rechteck mit an den Schmalseiten aufgesetzten Halbkreisen aufbaut, wurde bereits bei der Besprechung des im Grundriss sehr ähnlichen Amphitheaters von Virunum/Maria Saal zu klären versucht, wonach eine Auslegung der Arena v. a. für die

Beteiligung von Pferden der Form zugrundeliegt459. Die Hauptachsen messen 101 × 44 m, die cavea ruht auf umlaufenden sowie radialen Mauerkompartimenten der structure pleine. Zugang zur Arena bieten die beiden bis heute nicht freigelegten Haupttore im Westen und Osten sowie insgesamt acht portae posticae aus einem hinter der Podiumsmauer umlaufenden Bediengang, damit verbundene carceres sind keine bekannt. Die Verbindung zu Nemesis ist durch einen kleinen Altar gegeben, der die Göttin nennt, dessen genauer Fundort allerdings unbekannt ist460. Da carceres im Bereich der Arena – vor allem im Scheitelpunkt der Längsseiten – vollständig fehlen und auch aus der Umgebung des Amphitheaters keine weiteren Strukturen bekannt sind, wird man nicht fehlgehen, in Korrelation mit den hier besprochenen Beispielen der Korridor-sacella, den Aufstellungsort des Altars in einem der beiden Hauptzugänge zur Arena zu suchen. Dabei bietet sich der westliche Eingangskorridor am ehesten an, liegt dieser doch in Richtung des Forums und weiteren, größeren, innerstädtischen Tempeln, sodass eine Benennung als porta sanavivaria wahrscheinlich gemacht werden kann. Da beiden Tore bislang keine intensive archäologische Untersuchung zuteil wurde, können über deren Struktur und potentielle korridorbegleitende Säle keine Aussagen getroffen werden. Immerhin scheint das Amphitheater zu einem bislang unbestimmten Zeitpunkt mit einem weiteren äußeren Mauerring – diesmal in structure creuse errichtet – erweitert worden zu sein, wobei auch die beiden Haupttore repräsentativ ausgestaltet worden sein könnten461. Wenn man den Ausbau mit der Einrichtung eines Nemeseums gleichsetzen würde, böte sich in Übereinstimmung mit der bisher festgestellten Datierung der sacella eine Errichtung im Laufe des 2. Jh. n. Chr. an. Gortyna/Haghia Deka In den Ostprovinzen des Reiches ist eine Verbindung von Nemesis mit Amphitheaterbauten schwieriger zu greifen. Ein Beispiel, das immer wieder im Zusammenhang mit Nemesis genannt wird 462 , ist das Amphitheater von Gortyna/Haghia Deka (Kat.-Nr. 9). Der Bau ist heute komplett in die rezente Bebauung des kleinen Ortes im Süden Kretas eingebunden. Nur die ovale Anordnung einer kleinen Häusergruppe erinnert an die ehemalige Lage des Amphitheaters im Osten der antiken Stadt. Im Zentrum der Häusergruppe, inmitten der ehemaligen Arena liegt die Kirche Haghia Deka, die zehn Heiligen geweiht ist, welche 250 n. Chr. in Gortyna den Märtyrertod starben, und nach der auch der moderne Ort benannt

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Vgl. oben Seite 25. Merlin 1946, 188 Nr. 79. 461 Leveau – Golvin 1979, 830–832. Ohne gezielte Grabungen an einem der Haupttore muss dies jedoch weiterhin Spekulation bleiben. Zum selben Zeitpunkt wurde möglicherweise das am Forum gelegene Bühnentheater in ein Amphitheater umgebaut, sodass von einem Wandel der Spielkultur ausgegangen werden kann, der die Einrichtung eines eigens und hauptsächlich für Gladiatorenkämpfe ausgelegten Bauwerks nötig machte. 462 Perdrizet 1898, 599; Perdrizet 1912, 250; zuletzt Hornum 1993, Kat.Nr. 154 460

455

Kolendo 1979, Fig.1 und Golvin 1988, Taf. 14. Damit ließe sich auch das Datierungsproblem des kleinen Altars lösen. Er wäre somit bauzeitlich zu datieren. 457 Leveau – Golvin 1979, 818. 821 mit Fig. 3. 458 Leveau 1990, 48 f. Das Argument stützt sich vor allem auf das Bestreben Jubas II. seine Hauptstadt römischen Standards anzupassen und auf die Bedürfnisse des neu eingerichteten Herrscherkultes für die augusteische Familie, dessen zentrales Element auch die Ausrichtung von munera und venationes war, zu achten. 456

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4. NEMESIS-HEILIGTÜMER IM KONTEXT VON AMPHITHEATERN ist 463. Im Mauerbestand der Häuser haben sich einige Mauerzüge des Amphitheaters erhalten, Mitte der 80er Jahre des letzten Jahrhunderts fanden dazu Grabungen statt, um den ungefähren Grundriss und die Datierung des Bauwerks zu klären 464 . Das ost-west-orientierte Amphitheater misst in seinen Hauptachsen ca. 120 × 91 m und wurde in structure creuse, wahrscheinlich zweistöckig errichtet 465 . Datierende Funde fehlen weitgehend und so ist eine chronologische Einordnung der Bauzeit nur indirekt möglich. Aufgrund der Bautechnik einiger Mauern in opus testaceum und einem vor der Mitte des 2. Jh. n. Chr., weitgehendem Fehlen von Inschriften, die munera oder venationes betreffen, geht Antonio di Vita von einer Datierung in antoninische Zeit, grob in die zweite Hälfte des 2. Jh. n. Chr. aus466. Die Verbindung zu Nemesis ist in Gortyna/Haghi Deka lediglich durch das Fragment eines Votivreliefs gegeben, das im British Museum inventarisiert und als »from amphitheatre. Gortyna« attribuiert ist467. Das Relief ist dem bei Hornum »Nemesis trampling on a prostrate figure« genannten Typus zuzuordnen468. Auf dem leider nur im unteren Drittel erhaltenen Marmorrelief ist eine stehende weibliche Figur dargestellt, gewandet in einen langen, um die Hüfte gegürteten Peplos, bei dem rechtes Spiel- und linkes Standbein deutlich abgesetzt sind. Flankierend zur Seite gestellt sind ihr auf der linken Seite ein geschuppter, bis auf Schenkelhöhe aufgerichteter Schlangenkörper und auf der rechten Seite ein frontal aus dem Relief blickender Greif. Namengebend für den Nemesis-Typus ist eine nach rechts ausgestreckt daliegende, nackt, geschlechtlich jedoch nicht spezifizierte Figur, auf der Nemesis triumphierend barfüßig steht. Von den 26 bisher bekannten Beispielen begegnet dieser Typus außer auf der Wandmalerei in der fossa des Amphitheaters von Tarraco/Tarragona und in dem möglicherweise zum Amphitheater von Patras gehörendem Relief469 in keiner weiteren Verbindung mit einem Amphitheater470. In jüngerer Zeit wurde schließlich auch die Herkunft des Reliefs in Frage gestellt. Gilberto Montali macht darauf aufmerksam, dass in älteren Publikationen zur Topographie von Gortyna/Haghi Deka immer wieder der Ort des Bühnentheaters als Amphitheater bezeichnet wurde. Er kommt daher zu dem Schluss, dass die Herkunftsangabe im British Museum eher auf das Bühnentheater verweist als tatsächlich auf das

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Di Vita 2010, 294. Di Vita 1986–1987, 327–351. 465 Ricciardi 2000, 142 f. 466 Di Vita 1986–1987, 345; zuletzt Di Vita 2010, 298. 467 Vgl. zuerst A. H. Smith, A Catalogue of Sculpture in the Department of Greek and Roman Antiquities, British Museum I (London 1892), 366 Nr. 794. 468 Zu dem Typus s. o. Seite 16 und Hornum 1993, 32–36, zum Relief aus Gortyna speziell Hornum 1993, 33 FN 15. 34 FN 17 sowie Perdrizet 1898, 599 f. und ausführlich Montali 2006, 194–197 Nr. 57. 469 Papapostolou 1989, 368–370. 470 Vgl. LIMC VI 1 (1992), 747–749 s. v. Nemesis (P. Karanastassi – F. Rausa). Hornum 1998, 131–133. Tradler 1998, 75 f. Auf der Wandmalerei von Tarraco/Tarragona ist das Rad als weiteres Attribut der Nemesis dargestellt (Vgl. Abb. 11). 464

Amphitheater471. Da der Nemesis gerade in griechisch geprägten Ostprovinzen vermehrt auch in Theatern sacella eingerichtet wurden, scheint die von Montali vorgeschlagene Lösung durchaus plausibel. Aufgrund des nur minimal untersuchten Baubestands des Amphitheaters ist es unmöglich bestimmte Räumlichkeiten, die als sacella gedient haben könnten, zu identifizieren. Die Beobachtung, dass Nemesis-Heiligtümer vor allem bei Amphitheatern, die in structure creuse errichtet wurden, vornehmlich in dem der Stadtseite zugewandten Eingangskorridor zu finden sind, lässt höchstens eine Lokalisierung im Bereich der westlichen Längsachse vermuten. Isca Silurum/Caerleon Auch im Amphitheater von Isca Silurum/Caerleon (Kat.Nr. 11), gelegen im Süden von Wales, kann die exakte Position des Nemesisheiligtums nicht mehr identifiziert werden, wenn auch in verschiedenen Publikationen schon diverse Vorschläge zur Verortung desselben vorgebracht wurden472. Das bereits 1926 ausgegrabene Amphitheater von Isca Silurum/Caerleon liegt direkt vor der südwestlichen Umfassungsmauer des Legionslagers der legio II Augusta, welches Mitte der 70er Jahre n. Chr. gegründet wurde473. Dem klassischen Baukonzept der Nord- und Ostprovinzen folgend, ist das Amphitheater in structure pleine errichtet und besteht aus einer eingetieften Arena sowie aus einer von einer Podiumsmauer und einer Außenmauer gestützten, aufgeschütteten cavea (Abb. 53). Mehrere Radialmauern teilen die cavea in einzelne Kompartimente und bilden Zugänge zu den Sitzrängen und in die Arena. Der nord-süd-orientierte Bau misst in seinen Außendimensionen 81,38 × 67,67 m. Als Haupttor des Amphitheaters ist das Nordtor anzusprechen, da es in seiner Ausrichtung auf die porta principalis sinistra des Legionslagers den günstigsten Zugang für eine spieleinleitende Prozession bietet474. Weitere Zugänge in die Arena befinden sich jeweils in der Ost und Westkurve sowie etwas elaborierter in den Scheitelpunkten der Längsseiten, von wo aus auch Treppenaufgänge zu den pulpita führen. Im Befund lassen sich nach der Errichtung des Amphitheaters zwei größere Umbauphasen feststellen, wobei die für die vorliegende Untersuchung signifikanten Veränderungen in die zweite, letzte Phase datieren. Die Bauzeit des Amphitheaters ist nach stratifizierten Keramik- und Münzfunden nicht vor das Jahr 77/78 n. Chr. anzunehmen. Die erste Umbauphase wird um die Mitte des 2. Jh. n. Chr. datiert, Anschüttungen und Niveauerhöhung der Zugänge sind die hauptsächlichen Veränderungen in dieser Phase. Die letzte Umbauphase lässt sich schließlich annähernd in die Jahre 471

Montali 2006, 46–54. Vgl. zuerst Wheeler – Wheeler 1928, 120; Boon 1972, 22, daran anschließend Hornum 1993, 58 und zuletzt Wilmott 2008, 150. 473 Dazu im Detail Boon 1972, 18–20. 474 Ein Plan der Gesamtanlage bei Boon 1972, Umschlag. Damit erklärt sich möglicherweise auch die ungewöhnliche Schräglage der Hauptachse.

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KULT BEI DER ARENA. NEMESIS-HEILIGTÜMER IM KONTEXT RÖMISCHER AMPHITHEATER 212–222 n. Chr. datieren475. Die wichtigsten Veränderungen betreffen dabei den Eingangsbereich des Haupttores F und die carceres der Zugänge D im Osten und H im Westen. Die carceres boten ursprünglich über zwei Treppen Zugang zum Podium, bzw. zu einem pulpitum und in die Arena. Nachdem in der ersten Umbauphase die nördlichen Treppenaufgänge und die Rückwand des Ostcarcer geschlossen worden waren, verfüllte man in der letzten Phase im Osten und im Westen den gesamten Zugang, so dass die Zuschauer nun ebenerdig auf die Ränge gelangten; zusätzlich wurde in die Rückwand des Ost-carcer eine halbrunde Nische aus Ziegeln eingebaut476. Im südlichen Treppenaufgang des West-carcer wurde in der ersten Umbauphase ein Podest vermutlich für einen Steinaltar errichtet477. Im östlichen Bereich vor dem Haupttor F entstand in der letzten Phase ein rechteckiger Annexbau. Mit Zugang vom Torweg, der von der porta principalis sinistra zum Amphitheater führte, besaß der Raum an der Westwand zusätzlich eine Steinbank und in der nordöstlichen Ecke eine rechteckige Plattform478. Die Verbindung zu Nemesis geht auf den Fund einer Bleiplakette in tabula ansata-Form zurück, die im Amphitheater zu Tage kam, ohne dass in einer Publikation eine präzise Fundortangabe genannt würde479. Es wird meist mit ähnlichen Bleitäfelchen, sog. tabellae defixionum, in Verbindung gebracht, die auch aus anderen Amphitheatern bekannt sind und meist Verwünschungen anderer Kämpfer in der Arena oder Anrufungen bestimmter Unterweltsgötter zum Thema haben. Die Flüche wurden in dünne Bleitäfelchen geritzt, die zusammengerollt und dann im Sand der Arena vergraben wurden 480 . Das Beispiel aus Isca Silurum/Caerleon ist dabei das einzige, das direkt an Nemesis gerichtet war und weist noch weitere Merkmale auf, die es von den klassischen tabellae defixionum unterscheidet. So wurde das Täfelchen zwar in der 475

Den terminus post quem für die Bauzeit liefert ein As-Prägung des Vespasian aus dem Mauerkern der Cavea-Außenmauer (Wheeler – Wheeler 1928, 146. 194 Nr. 7). Der erste Umbau ist durch stratifizierte Keramikfunde gegeben (Boon 1972, 45), die Datierung des zweiten Umbaus leitet sich aus diversen Münzfunden und vor allem aus der Verwendung gestempelter Ziegel der legio II Augusta mit dem Zusatz Anto(niniana) ab, der nur während des Prinzipats von Caracalla und Elagabal verwendet wurde (Wheeler – Wheeler 1928, 151. 159 f.). 476 Wheeler – Wheeler 1928, 135–138. 477 Vgl. Hufschmid 2009, 436 Abb. 186. Wheeler – Wheeler 1928, 140 bezeichnet das Podest kurioserweise als »stand for a policeman, ticketcollector, or other official«. 478 Wheeler – Wheeler 1928, 119; zuletzt Wilmott 2008, 150. 479 Frühe Publikationen untersuchen vornehmlich den genauen Wortlaut und die Bedeutung des Textes, fragen aber nicht nach dem archäologischen Kontext. Auch in der Grabungspublikation wird nur grob die nördliche Hälfte der Arena genannt (Wheeler – Wheeler 1928, 120). In dem Text in gewöhnlicher lateinischer Kursive geht es um einen Mantel und ein Paar Schuhe sowie um eine mögliche Blutrache an demjenigen, der die Sachen gestohlen hat: domina Nemesis do tibi palleum et galliculas qui tulit non redimat ni vita sanguine suo, vgl. zunächst Collingwood in: Wheeler – Wheeler 1928, 158 f. Nr 10 sowie zuletzt Hornum 1993, Kat.-Nr. 28. 480 55 solcher tabellae defixionem sind aus dem Amphitheater von Carthago bekannt. Vgl. Le Glay 1990, 222. Weitere Beispiele stammen aus Trier (Wünsch 1910, 1–12) und aus dem Zivil-Amphitheater von Aquincum. Egger 1926, 136.

gewöhnlichen lateinischen Kursive beschrieben, jedoch scheint der Verfasser es nicht zusammengerollt im Sand der Arena verborgen zu haben. Vielmehr weist seine Form mit den beiden ansatae und einem kleinen Dübelloch am oberen Rand auf die Anbringung an einer Wand hin. Auch muss der Text nicht, wie er bisher gelesen wurde, auf die Verwünschung einer zweiten Person abzielen. Er kann ebenso als Begleittext einer persönlichen Opfergabe gedeutet werden, indem der Opfernde darauf hinweist, die Gegenstände nur im Falle seines Todes zurück zu erhalten. Die Datierung dieser, der persönlichen Frömmigkeit einzelner Gladiatoren oder venatores zuzuschreibenden Opfergaben gestaltet sich sehr schwierig. Für das besprochene Stück aus Isca Silurum/Caerleon weist Hornum lediglich auf eine Datierung nach der Errichtung des Amphitheaters hin481. Richard Wünsch sieht sich bei der Datierung der tabellae defixiorum aus Trier vor ähnliche Probleme gestellt. Er argumentiert mit den Eigennamen auf manchen der Tafeln und kommt zu dem Schluss, dass sie christlichen Ursprungs seien und möglicherweise in die Spätantike zu datieren sind482. Dass sich im Amphitheater von Isca Silurum/Caerleon ein Nemesis-sacellum befand, darf durch den Fund der Bleiplakette und ihrer Form als an eine Wand anzubringende Opfergabe vorausgesetzt werden. Die konkrete räumliche Zuweisung ist allerdings nicht möglich. Bis zur ersten Umbauphase findet sich im Amphitheater kein geeigneter und speziell gestalteter Raum für ein sacellum. Erst durch die Blockade der Rückwand des Ost-carcer und die Errichtung eines spolierten Podestes im Treppenaufgang des West-carcers entstehen – um die Mitte des 2. Jh. n. Chr. – zwei Räumlichkeiten, die zumindest in zwei weiteren Beispielen der vorliegenden Untersuchung als potentielle Nemesis-sacella Parallelen finden483. Mit Errichtung des kleinen Annexraumes in unmittelbarer Nähe des Nordtores zu Beginn des 3. Jh. n. Chr. erhält das Amphitheater schließlich einen für Nemesis-sacella klassischen Anbau. Vielfach wurden hier Parallelen zu dem Nemesisheiligtum von Carnuntum gezogen484. Die Lage vor dem der Stadt bzw. dem Lager zugewandten Haupttor stimmt mit nahezu allen untersuchten, außerhalb des Amphitheaters gelegenen Nemesis-sacella überein, der Zugang vom Torweg fügt sich ebenso in die beobachteten Ergebnisse wie auch die Ausstattung des Raumes mit Bank und Podest ebenfalls zum Inventar eines sacellum passt485. In der Umgebung des Amphitheaters fanden sich zudem eine bronzene tabula ansata-Plakette, die von der Restaurierung eines 481

Vgl. Hornum 1993, Kat.-Nr. 28. Wünsch 1910, 12. 483 Vgl. das Nemeseum im Scheitelraum der Schmalachse in Virunum/Maria Saal oder das sacellum in der Schmalachse des Amphitheaters von Taracco/Tarragona. 484 Wheeler – Wheeler 1928, 120. Boon 1972, 66. Wilmott 2008, 150. 485 Einzig beim Zivil-Amphitheater von Aquincum/Budapest (Kat.-Nr. 1) scheint das sacellum an der stadtabgewandten Seite zu liegen. Eine Bank zur Ablage oder Aufstellung kleinerer Weihgeschenke findet sich auch in der ersten Phase des Nemesisheiligtums in Virunum/Maria Saal (Kat.-Nr. 20; Jernej 2004b, 65) und in dem kleinen sacellum in Tarraco/Tarragona (Kat.-Nr. 18; Duprés i Raventós 1990, 105). 482

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4. NEMESIS-HEILIGTÜMER IM KONTEXT VON AMPHITHEATERN bisher noch nicht lokalisierten Tempels für Diana durch Titus Flavius Postumus zeugt 486 sowie die Reste einer Statue der Diana487. Auf die enge Verbindung zwischen Diana und Nemesis im Kontext der Amphitheater Bezug nehmend, mag die Inschrift die Wiederherstellung des kleinen sacellum am Nordtor anzeigen in dem möglicherweise auch die Statue stand und könnte damit als weiterer Hinweis auf den Kult gewertet werden. Somit kann für Isca Silurum/Caerleon erst mit der letzten Renovierungsphase ein baulich definiertes Nemesissacellum angenommen werden. Ob der Kult damit erstmalig Einzug erhielt oder ob möglicherweise ein älterer Kultraum durch den Neubau vor dem Nordtor ersetzt wurde, kann nicht mehr eruiert werden. Da durch die tiefgreifenden Veränderungen der unterschiedlichen Bauphasen auch die Zugangssituation zur Arena immer wieder modifiziert wurde, ist es jedoch durchaus möglich, dass eine solche absichtliche Verlagerung des Kultortes stattfand. So verschwindet durch die Zuschüttung der Zugänge in der Schmalachse auch das Podest im Treppenaufgang des West-carcer. Ersatz könnte in dem neuerrichteten Annexraum vor dem Nordtor geschaffen worden sein. Nach den gegebenen baulichen Voraussetzungen und vergleichenden Analysen mit anderen Nemesis-Heiligtümern kann ein solches in Isca Silurum/Caerleon frühestens mit der ersten Umbauphase um die Mitte des 2. Jh. n. Chr. entstanden sein, wahrscheinlicher ist jedoch eine erstmalige Einführung des Kultes erst mit der letzten Umbauphase zu Beginn des 3. Jh. n. Chr. Damit ist auch ein grober Rahmen für die Datierung der kleinen der Nemesis geweihten Bleiplakette gegeben. Salona/Solin Das zivile Amphitheater von Salona/Solin (Kat.-Nr. 16), im Süden Kroatiens nahe Split in der Provinz Dalmatia gelegen, gehört wie das Amphitheater von Gortyna/Haghi Deka zu den monumentalen in structure creuse errichteten Steinbauten, ist jedoch wesentlich besser erhalten. Es liegt im Nordosten der Stadt, wie die meisten freitragenden Steinamphitheater noch innerhalb der Stadtmauern, und verwendet ähnlich wie das Amphitheater von Augusta Emerita/Merída einen Teil der Stadtmauer als Außenfassade. Erste Untersuchungen führte Francesco Carrara in den 1840er Jahren durch, eine frühe, groß angelegte, achtjährige Kampagne fand 1909– 1917 unter Mitarbeit des ÖAI unter Leitung von Frane Bulic statt, wurde jedoch nur unzureichend in Form eines kurzen Grabungsberichtes veröffentlicht 488 , bis schließlich Ejnar Dyggve 1933 eine umfangreiche Bearbeitung vorlegte489.

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Vgl. dazu Boon 1972, 60 mit Abb. 33. CSIR Great Britain I 5 Nr. 99. 488 Bulic 1914, 3–59. 142–153. 489 Dyggve 1933. Für eine ausführliche Forschungsgeschichte im Zeitraum vor Dygvves Bearbeitung s. Bulic 1914, 10–18. 487

Die Hauptachsen des ost-west-orientierten großen Steinamphitheaters messen 124,75 × 100,65 m 490 . Die ima cavea ist in der nördlichen Hälfte auf den anstehenden Fels gegründet, dadurch ist das Gebäude im Norden zwei- und im Süden dreistöckig. Die Südfassade besteht aus toscanischen und ionischen Arkadenkonstruktionen, bekrönt von einer Portikus, deren arenaseitige Interkolumnien durch Hermenpfeiler mit Schrankenplatten geschlossen wurden 491 . Die Nordfassade bildet die Stadtmauer, welche im Osten direkt nördlich des Haupttores an das Gebäude anschließt, als Außenmauer die gesamte Nord- und Westseite des Amphitheaters umläuft und sich schließlich im Südwesten in steilem Winkel nach Süden fortsetzt. Dadurch wird der westliche Hauptzugang in die Arena blockiert und kann nur über eine die gesamte Südhälfte der cavea umlaufende Portikus erreicht werden492. Über Treppenläufe nördlich des östlichen und westlichen Haupteingangs gelangt man zu einer ähnlichen Galerie in der Nordhälfte der Arena, deren Beleuchtung allerdings aufgrund der geschlossenen Stadtmauer schwierig gewesen sein muss. Über diese äußere Galerie und eine in der Südhälfte umlaufende Kryptoportikus unter der media cavea gelangten die Zuschauer zu den Sitzreihen. Die Haupttore im Westen und Osten führen durch dreischiffige Hallen, deren Seitenschiffe verschlossen werden konnten und somit wohl als carceres für wilde Tiere anzusprechen sind493. Im Scheitelpunkt der südlichen Längsachse befand sich eine große Ehrenloge, zugänglich über einen breiten dreischiffigen Korridor in der Mitte der Südseite. Unter der Loge lagen fünf korrespondierende, überwölbte Räume, von denen der mittlere – wenn auch sehr eng und niedrig – Zugang zur Arena bot. Die Räume links und rechts lagen jeweils drei Stufen tiefer und besaßen ein Fenster in der Südseite. Die beiden Äußeren schließlich boten über einen Treppenlauf Zugang zu den Logenplätzen494. Hinter der Podiumsmauer umläuft ein Servicegang mit zehn portae posticae die gesamte Arena. Über diesen Umgang gelangt man in sieben überwölbte unterschiedlich große carceres, die teilweise Tür- und Fensteröffnungen auf die Kryptoportikus unter der media cavea 490

Golvin 1988, 206. Vgl. Dyggve 1933, 69. Es ist allerdings umstritten, ob ein Stadttor in der Mauer im Westen der Längsachse existierte, sodass Zuschauer oder aktive Spielteilnehmer direkt von außerhalb der Stadt in den Zuschauerraum, respektive die Arena, gelangen konnten. Dyggve 1933, 112. 493 Vgl. Dyggve 1933, 111. 494 Dyggve 1933, 112 f. 119 f.. Die Loge scheint aufwendig mit einer Hermen-gegliederten Balustrade vom Rest des Podiums abgesetzt gewesen zu sein. Dyggve 1933, 70 f. mit Fig. 31. Eine ähnliche Gliederung durch Hermen lässt sich schon an der Podiumsmauer des Amphitheaters von Pompeji beobachten, deren Dekor zuletzt Hufschmid einen »tieferen symbolischen Gehalt« zuschreibt. Hufschmid 2009, 266. Gerade die Büsten- und Torhermen spielen in der Symbolik der Amphitheater eine größere Rolle, markieren sie doch als Torwächter den Übergang von einer Zone außerhalb zu einer Zone innerhalb der Arena. Vgl. Hufschmid 2009, 263. Auch auf einer Gemme mit Gladiatorenkampfszene aus Berlin markieren zwei Hermen die äußersten Enden der Längsachse der Arena. Legrottaglie 2008, 84 Fig. 14. 491

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KULT BEI DER ARENA. NEMESIS-HEILIGTÜMER IM KONTEXT RÖMISCHER AMPHITHEATER besitzen495. Im Norden existiert nur ein winziger, kaum 1 m2 großer Raum hinter der zentral gelegenen porta postica im Scheitelpunkt der Längsseite. Zwei der Kammern im Süden wurden in der Spätantike zu frühchristlichen Märtyrerkapellen umgewandelt; dazu wurden der rückwärtige Durchgang in die Kryptoportikus vermauert und die Kammern mit Fresken ausgemalt496. In der Mitte der Südseite führte ein in das anstehende TuffGestein gehauener, überwölbter Gang unterirdisch aus der Arena bis weit vor die Fassade des Amphitheaters. Dass es sich bei dem Korridor um die porta libitinensis497, also um den Ausgang für die gefallenen oder verletzten Akteure handelt, muss jedoch angezweifelt werden. Zum einen sprechen rein praktische Gründe gegen eine solche Auffassung, da es wenig plausibel erscheint, Tote oder schwer Verletzte, seien es Menschen oder Tiere, zunächst über eine steile Treppe in den Korridor hinab zu lassen um diese dann durch einen an seinem tiefsten Punkt lediglich 0,85 m hohen Gang bis in ein weiter entferntes Gebäude zu schleppen. Zum anderen scheinen religiös-funktionale Aspekte der ritualisierten Amphitheaterarchitektur keine Abwandlungen zuzulassen. Die Ordnung der in der Arena stets präsenten Ambivalenz von Leben und Tod wird reflektiert durch die antithetische Anordnung der beiden Haupttore in die Arena und deren Bezeichnung als porta sanavivaria und porta libitinensis 498. Eine Modifikation dieses Schemas, bei dem die Unterlegenen durch einen einfachen Gang in der Mitte der Arena hinausgebracht werden, ist unter den gegebenen Voraussetzungen nicht vorstellbar. Ähnlich den Gängen der Amphitheater von Virunum/Maria Saal, CUT Sarmizegetusa/Sarmizegetusa, Tarraco/Tarragona und Pola/Pula scheint es sich hier lediglich um eine Art Servicekorridor zu handeln, der von weiter außerhalb der Arena bedient wurde499.

dieselbe. Dyggve schlägt daher eine gleichzeitige Errichtung von Amphitheater und Stadtmauer ungefähr in der zweiten Hälfte des 2. Jh. n. Chr. vor 501 . In einer späteren Umbauphase wurde die bekrönende Portikus mit der hermengegliederten Brüstungsmauer errichtet, die Loge im Süden erneuert und umgebaut sowie der unterirdische Korridor gegraben. Diese Baumaßnahmen datiert Dyggve – wiederum anhand stilistischer Merkmale – in diocletianische Zeit502. Schließlich wurden 536 n. Chr. die Stadtmauer auf den zweiten Mauerring des Amphitheaters reduziert und in den beiden großen carceres die frühchristlichen Märtyreroratoria eingerichtet, damit endete auch die Nutzung des Gebäudes als Austragungsort für Wettkämpfe503. Die Verbindung zu Nemesis ist in Salona/Solin durch einen kleinen fragmentarisch erhaltenen Nemesis-Altar gegeben, der schon bei den Ausgrabungen im Jahr 1909 unter der Leitung von Bulic gefunden wurde 504 . Die linke untere Ecke des mit 0,16 m Höhe und 0,10 m Breite sehr kleinen Altars fehlt, die Inschrift ist jedoch trotzdem gut lesbar: [dia...] ia ex iusso deae [n]emesi [s(olvit)] v(otum) l(ibens) m(erito). Die Fundumstände des Altars sind nicht mehr bekannt und über den Fundort existieren widersprüchliche Angaben. So schreibt Dyggve bei seiner Besprechung des Altars und über die Verortung des Fundes, er sei in der »parcelle 4080, qui correspond à la plus grande partie du Sud de la cavea« gefunden worden 505 , wohingegen die Angaben bei Bulic über die Parzelle und den Fundort des Altars eher in den nördlichen Bereich des Amphitheaters verweisen506 .

Die Datierung des Bauwerks ist nicht unumstritten und kann lediglich indirekt erschlossen werden. Von einer monumentalen Bau- oder Stiftungsinschrift an der Podiumsmauer haben sich nur wenige Fragmente erhalten, für die bisher keine zusammenhängende Lesung vorgeschlagen werden konnte500. Im Norden scheint das Mauerwerk des Amphitheaters harmonisch in die Stadtmauerkonstruktion einzubinden; auch die Mauerwerkstechnik von Amphitheater und Stadtmauer ist

Durch den Fund des kleinen Altars ist auch die Existenz eines – wenn auch kleinen – Nemesis-sacellum in Salona/Solin anzunehmen. Zur Lokalisierung dieses Heiligtums hat zuerst Dyggve eine Lösung vorgeschlagen, die in der Forschung bisher nicht angezweifelt und unreflektiert übernommen wurde. Er bezeichnet die zwei Kammern in der Südhälfte des Amphitheaters, die im 6. Jh. in christliche Märtyreroratoria umgewandelt wurden, als mögliche Nemesis-Heiligtümer 507 . Beide liegen symmetrisch in gleichem Abstand zur Schmalachse und sind sowohl von der Arena über den Servicekorridor zugänglich als auch von der Kryptoportikus unter der cavea; hier

495

501

Da das Amphitheater im Norden auf den anstehenden Fels gegründet ist, der als Fundament für Podium und ima cavea fungiert, befinden sich die überwölbten Substruktionen nur im Südteil des Gebäudes. 496 Dyggve 1933, 107 hält die beiden Kammern für NemesisHeiligtümer. 497 So Dyggve 1933, 105. 498 Vgl. dazu oben Seite 9 über Amphitheater als religiöse Bauten. Zur Bedeutung der Torbezeichnungen und deren Zuweisung zu den beiden Haupttoren vgl. Hufschmid 2009, 42 f. 499 Vgl. Dyggve 1933, 48 f. Vorstellbar wäre durchaus eine Art Bedienungsgang, über den verschiedene Akteure oder Helfer überraschend in der Mitte der Arena auftauchen könnten. Dafür wären allerdings Einstiege auch unterhalb der cavea von Vorteil, die möglicherweise mit den von Dygvve entdeckten Schächten zu identifizieren sind. Leider ist über die Umgebungsbebauung von Amphitheatern bisher nur wenig bekannt. Hierzu müssten weitere Untersuchungen angestrengt werden, um Bezüge zu Gladiatorenschulen oder ähnlichen Gebäuden zu verstehen. 500 Dyggve 1933, 79–83 mit Fig. 37.

Dyggve 1933, 141. Er führt dafür mehrere indirekte Belege an. So fanden sich innerhalb des später ummauerten Stadtgebietes Sarkophage in situ, die stilistisch in die Mitte des 2. Jh. n. Chr. zu datieren sind. Des Weiteren argumentiert Dyggve mit bautechnischen Merkmalen wie dem Fehlen von Pfeilerfundamenten im Norden, einer Datierung der Fragmente der großen Inschrift in das 1. od. 2. Jh. n. Chr. und zieht stilistische und typologische Vergleiche bei der Besprechung der Bauornamentik, der Bautechnik und der erhaltenen Reliefs. Dyggve 1933, 139–143. 502 Dyggve 1933, 144. 503 Dyggve 1933, 145. 504 Vgl. Bulic 1914, 31. Dyggve 1933, 85. Ceci 1962, 127 f. und zuletzt Hornum 1993, Kat.-Nr. 45. 505 Dyggve 1933, 85 (Hervorhebung durch Verf.). Die Angabe der Parzelle übernimmt er dabei von Bulic 1914, 31. 506 Vgl. Bulic 1914, 21. 29. 507 Dyggve 1933, 108. Sowohl Ceci 1962, 128 als auch Hornum 1993, 59, der jedoch auf den spekulativen Charakter der Theorie hinweist, übernehmen diesen Vorschlag.

56

4. NEMESIS-HEILIGTÜMER IM KONTEXT VON AMPHITHEATERN scheint jedoch eine Brüstung oder Schranke angebracht gewesen zu sein 508 . Die Räume waren mit bemaltem Wandverputz verziert, der in Flächen unterteilt CipollinoMarmor imitierte. Für Akteure in der Arena sind beide Räume gut zugänglich, für hohe Beamte und Spielgeber ist es jedoch wesentlich umständlicher zu den Räumen zu gelangen. Sie liegen wenig repräsentativ, sind schlecht beleuchtet und in der Kryptoportikus versperrt eine Brüstung den Zugang. Über den dunklen, engen Servicekorridor wird ebenfalls kaum ein Magistrat den Raum aufgesucht haben. Im Vergleich mit den hier untersuchten Beispielen kann eine Neubewertung dieses Lokalisierungs-Vorschlags versucht werden. Wie schon bei der Besprechung des Militär-Amphitheaters von Aquincum festgestellt wurde, befinden sich alle der sicher zuweisbaren Nemesis-sacella in unmittelbarer Nähe einer der Hauptachsen, bzw. Hauptzugänge zur Arena, niemals jedoch in einfachen carceres in der Arenakurve. Ebensowenig existieren Beispiele für ein Nemeseum in einem der repräsentativen Räume unter der Magistratenloge, die sowohl für Gladiatoren von der Arena als auch für Magistraten über die Treppenaufgänge zu den Logen gut erreichbar sind. Des Weiteren scheinen die sacella gerade in den großen, in structure creuse errichteten Amphitheatern vornehmlich in dem der Stadtseite zugewandten Eingangskorridor zu liegen509 . Nur in dem freitragend errichteten Amphitheater von Tarraco/Tarragona kann das sacellum im Bereich des Scheitels einer Längsseite lokalisiert werden. Bedenkt man die Neubewertung des Fundortes des kleinen Altars in der Nordhälfte der Arena ergeben sich hier nun interessante Parallelen. So befindet sich gerade in der Rückwand des Umgangs hinter der Podiumsmauer auf der Seite, die den gewachsenen Fels als Fundament für die Zuschauerränge verwendet, sowohl in Tarraco/Tarragona als auch in Salona/Solin ein kleiner Raum bzw. eine kleine Nische. Dazu passt die geringe Größe des Altars, dessen Analoga aus Tarraco/Tarragona ein ähnliches Format besitzen. Somit könnte in dem kleinen, bisher kaum beachteten Raum 510 ein kleines, informelles Nemesis-sacellum lokalisiert werden, das ähnlich wie die Beispiele aus Tarraco/Tarragona Carnuntum/Bad Deutsch-Altenburg, und Deva/Chester dem persönlichen Kult der Akteure und Arenahelfer gedient haben könnte. Über ein größeres, offizielles Nemesis-sacellum können für Salona keine weiteren Aussagen getroffen werden, da hierfür aussagekräftige Funde fehlen. Segusium/Susa In Italien sind bisher nur zwei Amphitheater vorsichtig mit Nemesis in Verbindung zu bringen. Eines davon befindet sich in Segusium/Susa (Kat.-Nr. 19) in der Provinz Alpes Cottiae. Bereits um die Mitte des 19. Jh. n. Chr. entdeckt und erstmals untersucht, fanden systematische Grabungen

mit anschließender Restaurierung erst in den 1950er Jahern statt. Das in structure pleine errichtete Gebäude liegt im Südwesten der Stadt außerhalb der Stadtmauern und ist mit Hauptachsmaßen von ca. 60 × 52 m eines der kleinsten bekannten Amphitheater. Der west-ost-orientierte Bau wurde im Süden an einen Felshang gebaut; im Norden tragen vier Ringmauern die cavea511 . Zugang zur Arena gewähren die beiden, im Westen und Osten gelegenen, durch den Fels getriebenen Haupttore, für deren repräsentative Gestaltung sich dadurch allerdings wenig Spielraum bot. Sie waren einschiffig und besaßen im Norden und Süden lediglich zwei Pforten, die jeweils in einen auch zur Arena geöffneten carcer überleiteten bzw. in einen hinter der Podiumsmauer umlaufenden Servicegang mündeten. Die nördlich anschließenden carceres sind jeweils gleich groß, im Süden besitzt lediglich das zur Stadt hin ausgerichtete Westtor einen mit Korridor und Arena verbundenen Raum. Zwei weitere carceres befanden sich im Scheitel der Längsseiten. Der nördliche besaß über einen abgetreppten Bediengang zusätzlich eine Verbindung nach außen. Im südlichen carcer – ohne Verbindung nach außen oder zum darüberliegenden pulpitum – vermutet Golvin ohne ersichtlichen Grund das sacellum des Amphitheaters 512 . Die Datierung ist auch bei diesem Bau nicht unumstritten. Zunächst als militärische Spielstätte in augusteischer Zeit errichtet, wurde es vermutlich Ende des 2. Jh. n. Chr. erweitert bzw. restauriert und bereits im Laufe des 3. Jh. wieder aufgegeben513 . Auf eine Verbindung zu Nemesis verweist der Fund eines fragmentarisch erhaltenen Reliefs, das die Göttin mit ihren klassischen Symbolen attribuiert darstellt. Die Marmorplatte ist rechts oben und links unten gebrochen, sodass Kopfund Fußbereich des Reliefs fehlen. Die geflügelte Nemesis erscheint stehend, in einen dünnen Chiton gehüllt, umflattert von einem um den rechten Ellenbogen gewundenen Mantel. Über der rechten Schulter sind die Ansätze stark bewegter, langer Haare zu erkennen. Die erhobene Rechte hält ein Schwert, die Linke einen möglicherweise als Palmzweig zu ergänzenden, länglichen Gegenstand. Rechts von ihr blickt ein sitzender Greif zur Göttin empor, zu ihrer Linken steht das Rad514. Der hier dargestellte Typus kann zunächst keinem der drei, innerhalb der Amphitheater auftretenden Nemesistypen zugeordnet werden. Vielmehr scheint er den ägyptischen Traditionen des bewegten ›Erinyentypus‹ in Kombination mit den etwas ruhigeren, frontalen Darstellungen des ›Viktoriatypus‹ verhaftet. Zwar kann aufgrund des unteren Bruchs nicht mehr eruiert werden, ob die Göttin auf eine niedergetretene Figur tritt – die ponderierte Beinstellung und der Faltenwurf des linken Beines scheinen dies eher auszuschließen – doch kann mit dem zum Schlag erhobenen Schwert in der rechten Hand der Göttin ein weiterer bisher für Nemesis-Bildnisse nicht belegter 511

508

Dyggve 1933, 112. 509 Vgl die Amphitheater von Augusta Emerita/Mérida (Kat.-Nr. 3), Italica/Santiponce (Kat.-Nr. 12) und Pola/Pula (Kat.-Nr. 14). 510 Dyggve hält ihn für einen Treppenschacht, jedoch scheint der Raum selbst dafür zu klein.Dyggve 1933, 107.

Carducci 1958–1959, 14. Zur Lage im Stadtgebiet vgl. auch Tosi 2003, 578 mit Taf. 13 Abb. 40. Die Forschungsgeschichte ist bei Legrottaglie 2008, 259 zusammengefasst. 512 Golvin 1988, 78. 513 Tosi 2003, 579. 514 Legrottaglie 2008, Kat.-Nr. 443.

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KULT BEI DER ARENA. NEMESIS-HEILIGTÜMER IM KONTEXT RÖMISCHER AMPHITHEATER Rückgriff auf den ägyptischen Topos des den Feind niederschlagenden Pharaos assoziiert werden. In Kombination mit dem vermuteten Palmzweig in der Linken 515 scheint hier eine kämpferisch siegbringende ViktoriaNemesis verbildlicht, die noch keinem der später weiter nördlich in Verbindung mit den Spielen entstehenden Bildtypen der Göttin entspricht, jedoch v. a. auf den Aspekt der schon für das 1. Jh. n. Chr. wahrscheinlich gemachten imperatorischen Siegessymbolik zurückgreift. Da keiner der beiden Haupteingänge in die Arena besonders gestaltet ist, aufgrund der aus dem Fels geschlagenen Zugänge kein Platz für ein außenliegendes Heiligtum blieb und auch keiner der carceres mit Nischen ausgestattet auf eine mögliche Lokalisierung eines sacellum schließen lässt, können allein durch die vergleichende Analyse der Disposition der carceres Vorschläge für die Lage eines solchen vorgebracht werden. Von den beiden auf der Schmalachse gelegenen carceres besitzt einzig der nördliche Raum zusätzlich eine direkte Verbindung nach außen und erfüllt somit eines der Kriterien für die Lage eines sacellum. Die nördlich der Haupttore anschließenden carceres haben beide exakt den gleichen Grundriss und scheinen im Verlauf der Spiele eine äquivalente Funktion besessen zu haben. Allein im zur Stadt hin ausgerichteten Westtor exisitiert zusätzlich ein zweiter carcer im Süden, der sowohl zur üblichen Lage eines Nemeseums passt und zugleich auch eine Verbindung zwischen Eingangskorridor und Arena herstellt, weswegen er hier zumindest als geeigneter Ort für die Einrichtung eines Nemeseums als ursprünglicher Anbringungsort des Reliefs vorgeschlagen werden kann.

der rezenten Bebauung des Dorfes aufgegangen und bietet allein über die kreisförmige Anordnung der auf den Grundmauern des Amphitheaters errichteten Häuser Anhaltspunkte für die Rekonstruktion eines Grundrisses. Das ost-west-orientierte Gebäude liegt demnach parallel zur antiken Stadtmauer im Südosten der Stadt extra muros und misst in seinen Hauptachsen ca. 110 × 85 m. Die cavea ruhte in structure creuse auf 68 kegelförmigen, radial angeordneten Gewölben 516 . Der westliche Haupteingang lässt sich dabei in Richtung eines der Stadttore lokalisieren517 . Aufgrund des vollständigen Fehlens von Bauornamentik und epigraphischen Zeugnissen kann eine Datierung allenfalls indirekt erfolgen. So existieren aus dem Stadtgebiet von Venafrum/Venafro einige inschriftliche Belege für die Ausrichtung von munera, von denen ein Beispiel in das 1. Jh. n. Chr. datiert werden kann und somit möglicherweise einen Hinweis auf die Bauzeit des Amphitheaters liefert518. Die Verbindung zu Nemesis erfolgt über einen im frühen 18. Jh. im Bereich des Amphitheaters entdeckten Weihaltar 519 . Durch die rezente Überbauung und den dadurch nur schwer zugänglichen und differenzierbaren Baubestand, ist es für das Amphitheater in Venafrum/Venafro jedoch nicht mehr möglich eine genaue Lokalisierung des potentiellen Nemeseums vorzunehmen. Ähnlich wie in Gortyna/Haghia Deka kann einzig der dem Stadttor zugewandte Eingangskorridor, den hier vorgebrachten Ergebnissen folgend, hypothetisch vorgeschlagen werden.

Venafrum/Venafro Das Amphitheater von Venafrum/Venafro (Kat.-Nr. 21) befindet sich heute in einem ähnlichen Zustand wie dasjenige in Gortyna/Haghia Deka. Es ist vollkommen in

516

Valente 2007, 192. Tosi 2003, 102. Zur Lage zum Stadtgebiet vgl. Valente 2007, 196. 518 CIL X 4893. Valente 2007, 193. 519 CIL X 1408 = CIL X 4845. Vgl. auch Hornum 1993, Kat.-Nr. 146. 154. Hornum hat das Stück fälschlicherweise zweimal in seinen Katalog mit aufgenommen. Es handelt sich jedoch bei beiden CIL Einträgen um dasselbe Objekt. 517

515

In nahezu identischer Weise hält die Viktoria-Nemesis auf dem Relief aus Flavia Solva einen Palmzweig in der Linken. Vgl. Diez 1946, 1.

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5. FAZIT 5.

FAZIT

Gegenstand der vorliegenden Arbeit war die Zusammenstellung und Untersuchung aller bekannten archäologischen Funde und Befunde, die eine Verbindung der Nemesis mit dem Ablauf der römischen ludi und ihrem Austragungsort, dem Amphitheater, nahelegen. Damit sollte ein zentraler Aspekt des antiken Spielewesens – die religiöse Dimension der Veranstaltungen und die Bedeutung und Verortung der dabei am stärksten vertretenen Göttin Nemesis – herausgestellt werden. Die einschlägigen Arbeiten von Hornum und Tradler sowie die Sammlung der Nemesis-Bildnisse im LIMC 520 verfolgten stets das Ziel, alle bekannten Darstellungen sowie Schriftquellen und Inschriften zusammenzustellen, boten jedoch keine ausführliche Kontextanalyse. Vielmehr wurde anhand von Beispielen die Verbindung von Nemesis mit dem Amphitheater kontestiert, ohne den Bezug weiter einzugrenzen und zu präzisieren521. Eine umgekehrte Annäherung, ausgehend von den konkreten Kontexten, bietet dagegen die Chance einer detaillierteren Analyse des Phänomens. Dafür war es zunächst nötig und erschien es auch als sinnvoll, das römische Spielewesen und die Architektur der Amphitheater als Gesamtphänomen zu betrachten, um die religiöse Dimension herauszufiltern, innerhalb derer Nemesis eine Bedeutung einnehmen kann. Die anschließende umfassende Analyse von Wesenseigenschaften und Ikonographie konnte Übereinstimmungen zwischen der kultischen Bedeutung des Amphitheaters und dem Kult der Nemesis herausarbeiten und mündete schließlich in einer in diesem Umfang noch nicht geschehenen vergleichenden Betrachtung der im Amphitheater auftretenden Darstellungen der Nemesis. Dies war vor allem notwendig, da keine der vorhandenen Katalogarbeiten alle in diesem Kontext bekannten Bildnisse zusammenfasst, sodass zunächst eine systematische Aufarbeitung erfolgen musste522. Die Ergebnisse dieser vorangegangenen Analysen bildeten das Fundament für die anschließende Untersuchung der im Amphitheater vorhandenen Kultstätten. Dabei stellte sich die funktionale Betrachtung der Architektur als sinnvoll für das Verständnis der Disposition der sacella heraus. Die Auswertung der Darstellungen aus AmphitheaterKontexten ergab schließlich, zusammen mit einer Korrelation der epigraphischen Funde aus den Spielstätten, die Anzahl von 21 mit Nemesis in Verbindung zu bringenden Amphitheatern. Mit der isolierten Betrachtung ausschließlich derjenigen Denkmäler, die in einem tatsächlich kontextualisierbaren Zusammenhang mit den Spielstätten stehen, konnte entgegen der bisherigen 520

Vgl. die Kataloge bei Hornum 1993 und Tradler 1998 sowie LIMC VI 1 (1992), 733–770 s. v. Nemesis (P. Karanastassi – F. Rausa). 521 Einzig Hornum 1993, 56–62 bietet eine knappe Übersicht über die erhaltenen Kontexte und schlägt eine erste Typologisierung der sacella vor, ohne jedoch auf konkrete funktionale Aspekte einzugehen. 522 Dies liegt zum einen am Forschungsstand zum Zeitpunkt der jeweiligen Publikationen, der neuere Stücke noch nicht kannte und zum anderen an der unterschiedlichen Herangehensweise, die nicht das Ziel verfolgte alle für die Amphitheater relevanten Stücke zu präsentieren.

Forschung zu Nemesis, die sich der agonalen Dimension ihres Wirkens und gerade ihren Kultstätten häufig nur indirekt näherte, ein neuer Weg beschritten werden, um zu differenzierteren Aussagen vor allem zur Beschaffenheit und Disposition der sacella innerhalb der Amphitheater zu gelangen, als es bisher möglich war. Grenzen waren der Untersuchung durch die bereits eingangs erwähnte teilweise schwierige Publikationslage und durch die Vergänglichkeit bzw. den Erhaltungszustand mancher Befunde gesetzt. So zeigen die Beispiele aus Tarraco/Tarragona (Kat.-Nr. 20) oder Carnuntum/Bad Deutsch-Altenburg (Kat.-Nr. 4), dass in den sacella durchaus auch qualitätvolle Wandmalereien oder Stuckdekorationen zu erwarten sind, die jedoch in vielen Fällen nicht mehr erhalten waren. Indem zunächst ausführlich auf die Funktion und gesamtgesellschaftliche Bedeutung der Amphitheater und der Spiele eingegangen wurde, konnte mit der Herausarbeitung der religiösen Aspekte ein erster, semantisch sinnfälliger Rahmen abgesteckt werden, der für die folgende Diskussion der Funktion der Nemesis und ihrer Kultorte entscheidende Impulse lieferte. Gerade diese sakrale Dimension, die bisher in der Forschung hinter der Zurschaustellung imperialen Machtanspruchs und soziopolitischer Integration eine eher untergeordnete Rolle spielte, ist für die Fragen nach der funktionalen Einbindung des Nemesiskultes in den Spielablauf von zentraler Bedeutung. Dabei konnten drei essentielle Punkte geltend gemacht werden: Zum einen die auffällige Verbindung mit Anlagen des Kaiserkults und anderen sakralen Kristallisationspunkte, die bei einigen der behandelten Amphitheater vorhanden ist523, zum anderen die Bedeutung der initialen pompa, deren Funktion vor allem in der Präsentation des betriebenen Aufwands und der mitgetragenen Götterbilder zu suchen ist. Schließlich lieferte die von Hufschmid herausgearbeitete rituelle Trennung von Arena und Außenwelt entscheidende Hinweise auf die Bedeutung sowie für die Verortung der Nemesis innerhalb der Amphitheater. Ebenso mündete die ikonographische Analyse der Nemesis-Bildnisse in eine Differenzierung von drei, im Kontext der Spiele auftretenden Typen, die gleichzeitig drei verschiedene Wesenseigenschaften reflektieren. Damit einhergehend konnten auch die von Hornum und Tradler postulierten Ergebnisse erweitert werden. Nemesis fand demnach in der Arena zum einen als Siegbringerin und Garantin staatlicher Ordnung in der von der imperatorischen Ikonographie abgeleiteten Darstellungsform der triumphierenden Nemesis Verehrung. Zum anderen erscheint sie wesentlich emphatischer und in komplexeren Bezügen auf die Semantik der Spiele in Form der Nemesis-Dike und der Nemesis-Diana, die den strafenden Gerechtigkeitsaspekt genauso herausstellen wie die Relation zur Jagd und zum Spannungsfeld zwischen Arena und Außenwelt sowie 523

Vgl. z.B die Amphitheater von Augusta Emerita/Merida (Kat.-Nr. 3), Tarraco/Tarragona (Kat.-Nr. 20) oder CUT Sarmizegetusa/Sarmizegetusa (Kat.-Nr. 22).

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KULT BEI DER ARENA. NEMESIS-HEILIGTÜMER IM KONTEXT RÖMISCHER AMPHITHEATER den damit verbundenen Konzepten für die Überwindung des Todes. Demnach fügt sich Nemesis hervorragend in die ambivalente Bedeutungsgewalt der Amphitheater ein, da sie sowohl für die Sieghaftigkeit der romanitas wie auch für die Rache und den Tod stehen kann. Auf Basis der raumsoziologischen Überlegungen zur Architektur der Amphitheater folgte schließlich die Diskussion und Auswertung der 21 Spielstätten, die einen Bezug auf Nemesis aufweisen. Hornums 524 dreiteilige Typologisierung in sacella innerhalb, sacella »in einem bestimmten Bereich« und sacella außerhalb der Amphitheater wurde zunächst übernommen, konnte jedoch in einigen Fällen korrigiert bzw. erweitert werden. Dafür wurden zur exakten Differenzierung der Typen präzise Kriterien zur Zugänglichkeit und zur Architektur eingeführt. So definieren sich die innerhalb gelegenen sacella als Räume, die ähnlich den carceres einen direkten Bezug zur Arena aufweisen, weswegen hier die Bezeichnung Arena-sacellum525 vorgeschlagen wird. Für die unscharfe Charakterisierung der »in einem bestimmten Bereich« gelegenen sacella kann die Bezeichnung Korridor-sacellum 526 eingeführt werden, da sich diese Heiligtümer stets innerhalb eines der Hauptore ausmachen lassen. Die außerhalb liegenden Heiligtümer konnten als von der klassischen Architektur der Amphitheater unabhängige Strukturen erkannt werden und sollten daher als externe sacella527 bezeichnet werden. Bezugnehmend auf die zu Beginn des vierten Kapitels aufgeworfenen Fragen528, können für die Einrichtung der Nemesisheiligtümer schließlich folgende Ergebnisse geltend gemacht werden: Die sacella stehen in der Regel in Beziehung mit einem der in die Arena führenden Haupttore, liegen also immer in unmittelbarer Nähe zur Längsachse der Amphitheater und besitzen immer eine direkte oder indirekte Verbindung zur Außenwelt. Einzige bisher bekannte Ausnahmen bilden die Amphitheater in Tarraco/Tarragona (Kat.Nr. 20) und Virunum/Maria Saal (Kat.-Nr. 22) sowie möglicherweise Solin/Salona (Kat.-Nr. 16), deren sacella auf der Schmalachse liegen und damit einen Sonderfall darstellen529. In keinem Fall konnte ein mit Nischen und Treppen zu den Logenplätzen ausgestatteter Raum im Scheitel der Längsseiten mit Nemesis in Verbindung

524

Hornum 1993, 56. Deva/Chester (Kat.-Nr. 7). Tarraco/Tarragona (Kat.-Nr. 20). Virunum/Maria Saal (Kat.-Nr. 22). 526 Augusta Emerita/Mérida (Kat.-Nr. 3). Carnuntum/Bad DeutschAltenburg (Kat.-Nr. 5). Carnuntum/ Bad Deutsch-Altenburg (Kat.Nr. 6). Italica/Santiponce (Kat.-Nr. 12). Pola/Pula (Kat.-Nr. 14). 527 Aquincum/Budapest (Kat.-Nr. 2). Carnuntum/Bad DeutschAltenburg (Kat.-Nr. 4). Flavia Solva/Wagna (Kat.-Nr. 8). Lepcis Magna/Lebda (Kat.-Nr. 13). Porolissum/Zalău (Kat.-Nr. 15). CUT Sarmizegetusa/Sarmizegetusa (Kat.-Nr. 17). Scarbantia/Sopron (Kat.Nr. 18). 528 s. o. Seite 22. 529 Tarraco/Tarragona (Kat.-Nr. 20) besaß jedoch zumindest im unterirdischen Teil über die Substruktionen eine Verbindung nach außen. 525

gebracht werden 530 . Somit darf für die Lage eines Nemesisheiligtums ein obligatorischer Bezug auf eines der Haupttore postuliert werden, der nur in wenigen Ausnahmefällen nicht eingehalten wurde. Bei der Analyse des städtebaulich-topographischen Kontextes der Amphitheater ist eine weiterere interessante Relation auffallend, welche die Verbindung zu den Haupttoren weiter präzisiert und die in dieser Form noch keinen Eingang in die Forschungsliteratur gefunden hat. So liegen die untersuchten Nemesisheiligtümer in nahezu allen Fällen an demjenigen Haupttor, das auf das zugehörige Siedlungsgebiet ausgerichtet ist und somit auf direktem Weg aus der Stadt als erstes erreicht werden konnte. Die bereits eingangs vorgeschlagene Identifizierung dieses Tores mit der literarisch überlieferten porta sanavivaria erhält mit den hier erzielten Ergebnissen weitere Relevanz. Die Erschließung vor allem der Korridor- und externen sacella erfolgte immer über mehrere Ein- und Ausgänge. Neben einem repräsentativ gestalteten Haupteingang – der bei den Korridor-sacella mit dem Portal des Haupttores zusammenfiel – existierte häufig mindestens ein Zugang von geringerem Rang, der entweder in den Korridor des Hauptores oder in die Arena selbst führte und somit den Räumen einen ›Durchgangscharakter‹ verlieh. Die Heiligtümer waren im Durchschnitt ca. 40 m2 groß und besaßen meist einen langrechteckigen Grundriss. In einigen Fällen umrahmten Apsiden oder halbrunde Nischen die meist in der Eingangsachse aufgestellten Weihgaben; sie können allerdings nicht als kanonisches Ausstattungsmerkmal gewertet werden. Putz- und Malereireste zeugen von einer elaborierten Ausstattung. Große Korridor-sacella existieren ausschließlich in den monumentalen structure creuse Amphitheatern, deren mehrschiffige Eingangskorridore große Hallen zur Einrichtung eines Heiligtums aufweisen. Dagegen werden externe sacella vorwiegend den structure pleine Amphitheatern angegliedert, die keine derartigen Hallen besitzen. Bei der Errichtung der außenliegenden Heiligtümer wurde auf einen einheitlichen Grundriss geachtet, der sich meist aus einer kleinen Cella und einem Pronaos zusammensetzt; häufig wurde dieser Bereich im Laufe der Zeit durch Nebenräume erweitert. Diese Disposition führte zu der Annahme, dass für die Errichtung der sacella zwar vorhandene Strukturen in der konventionellen Architektur der Amphitheater berücksichtigt wurden – gerade mit der Integration der Korridorsacella in die großen structure creuse Bauten –, dass jedoch auch andere Kriterien eine Rolle zu spielen scheinen, die eine Herauslösung der Sakralkomplexe aus dem architektonischen Ensemble rechtfertigten531. 530

Diese Räume erfüllen im rituellen Ablauf der Spiele dennoch eine bestimmte kultische Funktion, die möglicherweise im Zusammenhang mit der Siegerehrung durch den Spielgeber steht oder in der Kommunikation von Arenapersonal mit dem editor muneris zu suchen ist. Vgl. Hufschmid 2009, 209 f. 531 So auch Legrottaglie 2008, 100.

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5. FAZIT Durch die funktionale Analyse der baulichen Gemeinsamkeiten ist es gelungen, für dieses Phänomen Vorschläge zu erarbeiten, die zusammen mit den Opferdarstellungen einiger Reliefs und aus verschiedenen sacella stammenden Kleinfunden auch Aussagen über die Kultpraxis zulassen. So verweist zunächst die Lage der Heiligtümer an der zum Siedlungsgebiet ausgerichteten Seite der Amphitheater auf das Bedürfnis nach einer möglichst direkten Erreichbarkeit aus der Stadt oder auf eine möglichst früh einsetzende optische Beziehung zwischen dem Ort des Heiligtums und den sich auf dem Weg dorthin befindenden Personen. Dies kann gut mit der Bedeutung der den Spielen vorausgehenden pompa in Verbindung gebracht werden, als deren Ziel sich die sacella am Eingang des Amphitheaters hervorragend eignen, zumal hier auch ein adäquater Raum für den Vollzug eines Abschlussopfers gegeben war532. Die Lage am Haupteingang, und daher immer mit deutlichem Bezug auf die Arena, gibt zusätzlich einen Hinweis auf die Bedeutung der Heiligtümer im Zusammenhang mit der herausgearbeiteten rituellen Trennung von Arena und Außenwelt, sodass den sacella eine Funktion im Zuge eines ›Durchgangsrituals‹ zugesprochen werden kann. Die Verteilung der Zugänge stützt diese These, da neben den außerhalb gelegenen Haupteingängen auch bei den externen sacella meist ein Zugang zum Arenakorridor existiert. Dadurch wurde eine möglichst ungestörte Handlungs- und Laufrichtung sowohl von außen in die Arena, als auch aus der Arena durch den Kultraum nach außen gewährleistet. Der von Hufschmid 533 erstmals formulierten These eines Übergangsrituals beim Betreten oder Verlassen der Arena kann durch die Funktionsanalyse der sacella somit weitere überzeugende Relevanz zugesprochen werden. Die eigentliche Kultpraxis lässt sich aufgrund fehlender schriftlicher Überlieferungen nur indirekt erschließen. Immerhin zeigen alle aus dem Bereich der sacella stammenden Opferreliefs den Vollzug eines Rauchopfers an einem kleinen Brandopferaltar; auch verweisen Brandreste aus den sacella in Deva/Chester (Kat.-Nr. 7) und Virunum/Maria Saal (Kat.-Nr. 22) auf ein derartiges Ritual. Knochenreste von Kleintieren 534 und Münzopfer 535 legen zudem weitere Opferpraktiken nahe. Der genaue Ablauf und die Anzahl der teilnehmenden Personen kann jedoch nicht bestimmt werden. Die Auswertung der Weihinschriften bei Hornum verweist zwar auf einen Stifterkreis, der sich hauptsächlich aus Personen mit höherem Status zusammensetzt 536 , die Disposition der sacella am Eingang zur Arena, die Darstellung von opfernden venatores und Gladiatoren 532

Auch wenn keine direkten Belege für Teilnahme von Nemesis an pompae überliefert sind, kann eine gewisse Relevanz der Göttin für die Einleitung Spiele nicht verkannt werden. Vgl. auch Hölkeskamp 2008, 120. 533 Vgl. Hufschmid 2009, 236. 274. 534 Carnuntum/Bad Deutsch-Altenburg (Kat.-Nr. 5). Scarbantia/Sopron (Kat.-Nr. 18). Virunum/Maria Saal (Kat.-Nr. 22). 535 Carnuntum/Bad Deutsch-Altenburg (Kat.-Nr. 5). Virunum/Maria Saal (Kat.-Nr. 22). 536 Hornum 1993, 89.

sowie die häufig auftretenden Klein- und Kleinstaltäre legen jedoch den Schluss nahe, dass auch Akteure und Arenahelfer die Heiligtümer frequentierten537. Die präzise Datierung der Nemesisheiligtümer erweist sich aufgrund des Fehlens stratifizierter Funde in den meisten Fällen als äußerst schwierig. Zum jetzigen Zeitpunkt deutet kein Befund auf die Existenz einer Nemesiskultstätte vor dem 2. Jh. n. Chr. Die überwiegende Mehrheit der sacella scheint vornehmlich in der zweiten Hälfte des 2. Jh. n. Chr., besonders in antoninischer Zeit, eingerichtet worden zu sein, zusätzlich erfuhren viele bis weit ins 3. Jh. n. Chr. umfangreiche Um- und Ausbauten oder Renovierungen. Auch die datierbaren Weih- und Stifterinschriften legen eine Blütezeit des Nemesiskultes im 2.–3. Jh. n. Chr. nahe538. Mit Blick auf die eingangs aufgeworfene Frage, welche Rolle dem Nemesiskult innerhalb des komplexen Systems der ludi und der politischen Struktur der römischen Gesellschaft zugemessen werden kann, muss zunächst Hornums Schlussfolgerung abgelehnt werden, wonach dem Phänomen keine so große Relevanz attestiert werden könne, wie forschungsgeschichtlich gemeinhin angenommen werde539. Zwar stellt sich die Verteilung der Nemesisheiligtümer über das Imperium Romanum auf den ersten Blick insgesamt als sehr inhomogen dar, dennoch belegen zum einen die Anzahl von mindestens 21 nachweisbaren Kultstätten540 und zum anderen die teils elaborierte Ausstattung sowie die lang andauernde Kult- und Stifterpraxis eine explizite Bedeutung der Göttin innerhalb der Amphitheater. Aufgrund der nicht immer optimalen Publikationslage, dem teilweise schlechten Erhaltungszustand und der Vergänglichkeit manch potentieller Dekoration könnte in Verbindung mit der den Nemesis-sacella hier zugemessenen Bedeutung für die Spiele postuliert werden, dass wesentlich mehr – wenn nicht sogar alle – Amphitheater ein derartiges Heiligtum besaßen. Doch weist gerade die relative Verteilung ihrer Kultstätten in eine andere Richtung und kann dabei in Kombination mit der soziopolitischen Gewichtung der Spiele einen Hinweis auf ihre Funktion im Amphitheater liefern: So liegt die überwiegende Zahl der Nemesisheiligtümer vor allem in den im späten 2. Jh. n. Chr. politisch unruhigen Grenzprovinzen des Balkan-Donau-Raumes sowie in Britannien, das in dieser Zeit im Zuge der Aufgabe des Antoninuswalls ebenfalls von kriegerischen 537

Die Existenz von Nischen in den Hauptkorridoren von Amphitheatern – auch zusätzlich zu den größeren Heiligtümern – verweist möglicherweise auf eine formelle Zweiteilung des Kultes. Demnach könnten neben den großen, gerade für die offizielle Eröffnungsfeier der Spiele wichtigen Heiligtümer, kleinere Kultnischen für die persönliche Frömmigkeit der Akteure zur weiteren kultisch-rituellen Ausstattung der Amphitheater gehört haben. 538 Hornum 1993, 48. 539 Hornum 1993, 89. 540 Hinzu kommen die hier nicht bearbeiteten Theater-Amphitheater sowie die hypothetischen sacella in Städten, aus denen zwar ein inschriftlicher Verweis auf Nemesis überliefert ist, eine Kontextualisierung derselben jedoch nicht mehr möglich scheint.

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KULT BEI DER ARENA. NEMESIS-HEILIGTÜMER IM KONTEXT RÖMISCHER AMPHITHEATER Auseinandersetzungen geprägt war. Zusätzlich zu den sacella weist die Überlieferung vieler nicht kontextualisierbarer Inschriften aus diesen Regionen auf eine deutliche Präsenz der Nemesis hin. Auch in den germanischen Provinzen, einer ebenfalls militärisch instabilen Grenzregion, haben sich Hinweise auf die Göttin erhalten541. Dagegen fanden sich in den gemeinhin als befriedet geltenden italischen und gallischen Provinzen erstaunlicherweise kaum oder gar keine Hinweise auf eine Verehrung der Göttin innerhalb der Amphitheater542. Die griechischen und insbesondere die kleinasiatischen (Grenz-)Provinzen weisen wiederum eine große Anzahl von Nemesisweihinschriften auf; sacella befinden sich hier jedoch in umgebauten TheaterAmphitheatern, die keinen Bestandteil der vorliegenden Untersuchung darstellten543. Diese auffällige Verteilung scheint demnach in Zusammenhang mit der regionalen Stabilität zu stehen: In Verbindung mit der machtpolitisch-demonstrativen Funktion der Spiele und dem durch Nemesis verkörperten Aspekt der Zuteilung gerechter Strafe darf das Aufkommen der Nemeseen gerade in den Grenzprovinzen als Reaktion auf die politisch unruhige Situation gewertet und der Göttin eine figurative Bedeutung zur Demonstration und Wiederherstellung des römischen Gerechtigkeitsanspruchs attestiert werden. Die Amphitheater mit ihrem gemeinschaftsstiftenden, sozialintegrativen Gepräge waren für die Veranschaulichung dieses Anspruchs am besten geeignet.

Bezugnehmend auf das eingangs aufgeworfene Zitat Tertullians, demnach die Amphitheater „Tempel aller Dämonen“ seien, und vor dem Hintergrund der hier erzielten Ergebnisse zur Bedeutung der pompa sowie der Haupttore als Schleusen zwischen Außenwelt und Arena, wäre eine Ausweitung der Untersuchung auf weitere Gottheiten und auf deren spezifische Präsenz in der munera-Tradition interessant. Es ist anzunehmen, dass tatsächlich weit mehr als die hier vorgestellten 21 Amphitheater ein ähnlich gestaltetes sacellum besaßen. Die Nemesis-Heiligtümer bilden dabei möglicherweise ein nur auf bestimmte Regionen begrenztes, der Bedeutung der Göttin entsprechendes Phänomen. Hierdurch ließe sich auch die auf den ersten Blick geringe Anzahl der bekannten Nemesis-Heiligtümer im Verhältnis zu den bekannten Amphitheatern erklären. Eine genaue Betrachtung der Befunde aus bekannten und publizierten Amphitheatern könnte hier weiteren Aufschluss geben. Abschließend gilt es festzuhalten, dass zum einen die Nemesis-sacella in Form mikrohistorischer Phänomene der mittleren bis späten römischen Kaiserzeit als für die kultische Dimension der Spiele an sich bedeutungstragende Elemente identifiziert werden konnten und zum anderen sich für die Verehrung der Nemesis innerhalb der Amphitheater eine Funktion zur Verdeutlichung makrohistorischer Prozesse in den Grenzregionen des Imperium Romanum herausstellte.

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Vgl. dazu die Auflistung der Nemesisinschriften in Hornums Katalog: zu Ungarn Hornum 1993, Kat.-Nr. 111– 133. Zu Rumänien Hornum 1993, Kat.-Nr. 164–208. Zu Britannien Hornum 1993, Kat.-Nr. 26–30. Zu Deutschland Hornum 1993, Kat.-Nr. 64–68. 542 In Frankreich existiert gar nur eine einzige Inschrift, die Nemesis nennt. Hornum 1993, Kat.-Nr. 63. Als Ausnahme müssen die spanischen Provinzen betrachtet werden, die eine verhältnismäßig große Anzahl an Nemseen und Inschriften aufweisen. Hier scheint möglicherweise die Verbindung zur nordafrikanischen Caelestis von entscheidender Bedeutung. 543 Zu Griechenland Hornum 1993, Kat.-Nr. 69–110. Inschriften aus der Türkei bei Hornum 1993, Kat.-Nr. 235–286. Insgesamt scheint der Kult der Nemesis in diesem Teil des Imperium Romanum jedoch mehr auf griechischen Traditionen zu beruhen und die Göttin keine derart ausgeprägte Bedeutung für munera oder venationes zu besitzen. Eine detaillierte Untersuchung der Bildnisse und sacella aus dem griechischen Einflussgebiet im Vergleich mit den Ergebnissen der vorliegenden Arbeit wäre in diesem Zusammenhang durchaus lohnenswert.

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Le Glay 1990 M. Le Glay, Les amphithéâtre: loci religiosi?, in: Domergue u. a. 1990, 217–225 Legrottaglie 2008 G. Legrottaglie, il sistema delle immagini negli anfiteatri romani, Beni Archeologici. Conoscenza e Tecnologie 7 (Bari 2008) León 1992 P. León, Zur Neustadt von Italica, in: H.-J. Schalles – H. von Hesberg – P. Zanker, Die römische Stadt im 2. Jh. n. Chr. Der Funktionswandel des öffentlichen Raumes. Kolloquium Xanten 2.–4. Mai 1990 (Köln 1992) 87–98 Lequément 1968 R. Lequément, Fouilles à l'amphithéâtre de Tébessa 1965–1968, BAAlger Suppl. 2 (Algier 1968) Leveau 1990 P. Leveau, Le problème de la date de l’amphithéâtre de Caesarea de Mauretanie: sa construction et son agrandissement, in: Domergue u. a. 1990, 47–50 Leveau – Golvin 1979 P. Leveau – J.-C. Golvin, L’amphithéâtre et le théâtre-amphithéâtre de Cherchel. Monuments à spectacle et histoire urbaine à Caesarea de Maurétanie, MEFRA 91, 1979, 817–843 Lichocka 2004 B. Lichocka, Némésis en Egypte romaine, Aegyptiaca Treverensia 5 (Mainz 2005) Lim 1999 R. Lim, in the »Temple of Laughter«: Visual and Literary Representations of Spectators at Roman Games, in: B. Bergmann – C. Kondoleon, The Art of Ancient Spectacle. Studies in the History of Art 56 (Washington 1999) 343–365 Luhmann 1995 N. Luhmann, Die Realität der Massenmedien, Vorträge der Nordrhein-Westfälischen Akademie der Wissenschaften 333 (Opladen 1995) Luzón 1982 J. M. Luzón, Bericht über zwei kürzlich bei Italica ausgegrabene Wohnhäuser, in: D. Papenfuss – V. M. Strocka (Hrsg.), Palast und Hütte. Beiträge zum Bauen und Wohnen im Altertum. Tagungsbeiträge eines Symposiums der Alexander von Humboldt-Stiftung BonnBad Godesberg. Berlin 25.–30. November 1979 (Berlin 1982) 447–461

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LITERATURVERZEICHNIS Maderna 2006 C. Maderna, Zum Feindbild der Ptolemäer, in: H. Beck (Hrsg.), Ägypten Griechenland Rom. Abwehr und Berührung. Ausstellungskatalog Frankfurt am Main (Frankfurt am Main 2006) 258–266 Maggi 1987 S. Maggi, Anfiteatri della Cisalpina Romana (Regio IX; Regio XI) (Florenz 1987) Mahgiub u. a. 1976–1977 O. Mahgiub – A. Chighine – R. Madaro, Nuove ricerche nell’anfiteatro di Leptis Magna, Libya antiqua 13, 1976–1977, 21–36 Maiuri 1955 A. Maiuri, Studi e ricerche sull'anfiteatro Flavio Puteolano, Memorie dell'Accademia di Archeologia, Lettere e Belle Arti di Napoli 3 (Neapel 1955) Matz 1964 F. Matz, Dionysiake telete. Archäologische Untersuchungen zum Dionysoskult in hellenistischer und römischer Zeit, Abhandlungen der Geistes- und Sozialwissenschaftlichen Klasse/Akademie der Wissenschaften und der Literatur in Mainz 1963, 15 (Wiesbaden 1964) Merlin 1946 A. Merlin, Revue des publications épigraphiques relatives a l’antiquité romaine, RA 26, 1946, 171–241 Mersch 1996 A. Mersch, Studien zur Siedlungsgeschichte Attikas von 950 bis 400 v. Chr., Europäische Hochschulschriften XXXVIII, 58 (Frankfurt am Main 1996) Miltner 1933 F. Miltner, Das zweite Amphitheater von Carnuntum, RLÖ 17, 1933, 1–72 Mlakar 1980 S. Mlakar, Das Amphitheater in Pula, Kulturhistorische Denkmäler in Istrien 1 (Pula 1980) Montali 2006 G. Montali, Il teatro romano di Gortina, Studi di archeologia cretese 4 (Padova 2006) Müller 2006 S. Müller, »Ein Schlachtfest in der Mitte, damit das ganze Amphitheater es sieht« – Überlegungen zu den Motiven der Zuschauer bei römischen munera, in: L.-M. Günther – M. Oberweis (Hrsg.), Inszenierungen des Todes. Hinrichtung – Martyrium – Schändung (Bochum 2006) 37–52

Nagy 1943 T. Nagy, Bericht des Archäologischen Institutes von Budapest über die Forschungen der Jahre 1938–1942, Budapest Régiségei 13, 1943, 537– 559 Nemeth 1997 E. Nemeth, Die Numeri im römischen Heer Dakiens, EphemNapoc 7, 1997, 101–116 Nielson 2002 I. Nielson, Cultic Theatres and Ritual Drama. ASMA 4 (Aarhus 2002) Nowotny 1937 E. Nowotny, Das Territorium legionis von Carnuntum, RLÖ 18, 1937, 130–151 Opreanu 1985–1986 C. H. Opreanu, Despre structurile subterane ale arenei amfiteatrului de la Sarmizegetusa, ActaMusNapoca 22–23, 1985–1986, 147–159 Ovadiah – Turnheim 2011 A. Ovadiah – Y. Turnheim, Roman Temples, Shrines and Temene in Israel, Rivista di Archeologia, Suppl. 30 (Rom 2011) Papapostolou 1989 I. A. Papapostolou, Monuments de combats de gladiateurs à Patras, BCH 113, 1989, 368–378 Pastor 2010 S. Pastor, Il culto della dea Nemesis nelle province balcanico-danubiane. Tra devozione private e propaganda imperiale, in: I. Baglioni (Hrsg.), Storia delle religioni e archeologia. Discipline a confronto (Rom 2010) 211–237 Perdrizet 1898 P. Perdrizet, Reliefs grec votifs: Némésis, BCH 22, 1898, 599–602 Perdrizet 1912 P. Perdrizet, Némésis, BCH 36, 1912, 218–274 Petrakos 1987 V. Petrakos, προβλήµατα της βάσης του αγάµατος τησ Νεµέσεως, in: H. Kyrieleis (Hrsg.), Archaische und Griechische Plastik. Akten des internationalen Kolloquiums vom 22.–25. April 1985 in Athen 2 (Mainz 1985) 89–107 Piccottini 1989 G. Piccottini, Die Römer in Kärnten (Klagenfurt 1989) Póczy 1977 K. Póczy, Scarbantia. Die Stadt Sopron zur Römerzeit (Kecsmekét 1977)

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KULT BEI DER ARENA. NEMESIS-HEILIGTÜMER IM KONTEXT RÖMISCHER AMPHITHEATER Premerstein 1894 A. v. Premerstein, Nemesis und ihre Bedeutung für die Agone, Philologus 53, 1894, 400–415 Ricciardi 2000 M. Ricciardi, Gortina. Ipotesi di restituzione dell’anfiteatro, in: Pepragmena 8. Diethnus Krētologiku Synedriu, Herakleion 8.–14. September 1996, Proïstorikē kai archaia Hellēnikē periodos A1 (Heraklion 2000) 139–154 Ritti 1985 T. Ritti, Hierapolis. Scavi e ricerche I: Fonti letterarie ed epigrafiche (Rom 1985) Robertson 1962 A. S. Robertson, Roman Imperial Coins in the Hunter Coin Cabinet I. Augustus to Nerva (Oxford 1962) Robertson 1971 A. S. Robertson, Roman Imperial Coins in the Hunter Coin Cabinet II. Trajan to Commodus (Oxford 1971) Rodríguez Gutiérrez 2010 O. Rodríguez Gutiérrez, Edificios de espectáculo, in: A. Caballos Rufino (Hrsg.), ItálicaSantiponce. Municipium y Colonia Aelia Augusta Italicensium, Ciudades romanas de Hispania 7 (Rom 2010) 67–80 Rodríguez Hidalgo 1997 J. M. Rodríguez Hidalgo, La nueva imagen de la Italica de Adriano, in: A. Caballos – P. León, Italica MMCC. Actas de las Jornadas del 2200 Aniversario de la Fundación de Italica. Sevilla, 8.–11. November 1994 (Sevilla 1997) 87–113 Roldán Gómez 1994 L. Roldán Gómez, El anfiteatro de Itálica. Técnicas y materiales de construcción, in: Alvarez Martínez – Enríquez Navascués 1994, 213–238 Röring 2010 N. Röring, Erste Ergebnisse zur bauhistorischen Untersuchung am römischen Theater von Mérida, in: D. Sack – T. Schulz – K. Tragbar – U. WulfRheidt (Hrsg.), Bericht über die 45. Tagung für Ausgrabungswissenschaft und Bauforschung. Regensburg, 30. April – 04. Mai 2008 (Stuttgart 2010) 191–196 Saria 1938 B. Saria, Das Theater von Stobi, JdI 53, 1938, 81–148 Sauron 1998 G. Sauron, La grande fresque de la Villa des Mystères à Pompéi. Mémoires d’une devote de Dionysos (Paris 1998)

Schmid 1923–24 W. Schmid, Römische Forschungen in Österreich 1912–1924, II: Die südlichen Ostalpenländer, BerRGK 15, 1923–1924, 178–241 Schmidts 2004 T. Schmidts, Zur Verbergung der Nemesisreliefs, in: Gugl – Jernej 2004, 333–342 Schoske 1982 S. Schoske, Das Erschlagen der Feinde (Heidelberg 1982) Schweitzer 1931 B. Schweitzer, Dea Nemesis Regina, JdI 46, 1931, 174–246 Seyrig 1932 H. Seyrig, Antiquités syriennes 4, Monuments Syriens au culte de Némésis, Syria 13, 1932, 50– 64 Simon 1969 E. Simon, Die Götter der Griechen (München 1969) Simon 1995 E. Simon, Spott zum Schutz vor Nemesis, in: G. Alföldy – T. Hölscher – R. Kettemann (Hrsg.), Römische Lebenskunst. Interdisziplinäres Kolloquium zum 85. Geburtstag von Viktor Pöschl. Heidelberg 2.–4. Februar 1995. (Heidelberg 1995), 119–130 Sittl 1890 C. Sittl, Die Gebärden der Griechen und Römer (Leipzig 1890) Spiegelberg 1914 W. Spiegelberg, Der ägyptische Mythos vom Sonnenauge. Nach dem leidener demotischen Papyrus I.384 (Straßburg 1917) Stemmer 1978 K. Stemmer, Untersuchungen zur Typologie, Chronologie und Ikonographie der Panzerstatuen, AF 4 (Berlin 1978) Thompson 1976 F. H. Thompson, The Excavation of the Roman Amphitheatre at Chester, Archaeologia 105, 1976, 127–239 Torma 1881 K. Torma, Amphitheatri Aquincensis pars septentrionalis, Értekezések a történeti tudományok köréből 9,4 (Budapest 1881) Torma 1885 K. Torma, Das Amphitheater zu Aquincum, AEM 9, 1885, 233–237

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LITERATURVERZEICHNIS Tradler 1998 M. Tradler, Die Ikonographie der Nemesis (Diss. Johannes-Gutenberg-Universität Mainz 1998) Tragau u. a. 1897 C. Tragau – J. Zingerle – R. v. Schneider – E. Bormann, Westtor des Amphitheaters und Nemesisheiligtum zu Carnuntum. AEM 20, 1897, 205–224 Trillmich 2007 W. Trillmich, Espacios públicos de culto imperial en Augusta Emerita: entre hipótesis y dudas, in: T. Nogales – J González (Hrsg.), Culto Imperial: política y poder. Actas del Congresso Internacional. Merida 18.–20. Mai 2006 (Rom 2007) 415–446 Tuck 2009 A. Tuck, On the Origin of Vanth, in: S. Bell – H. Nagy (Hrsg.), New Perspectives on Etruria and Early Rome. Festschrift für Richard Daniel De Puma (Wisconsin 2009) 251–264 Unruh 2000 F. Unruh, Religion, Strafe und Rausch im Amphitheater, in: H.-P. Kuhnen (Hrsg.), Morituri. Menschenopfer, Todgeweihte, Strafgerichte. Ausstellungskatalog Trier (Trier 2000) 71–104 Valente 2007 F. Valente, Il Verlascio. L anfiteatro Romano di Venafro, Samnium 80, 2007, 183–200 Vermeule 1959–1960 C. Vermeule, Hellenistic and Roman Cuirassed Statues, Berytus 13, 1959–1960, 1–82 Ville 1981 G. Ville, La Gladiatur en occidente des origines a la mort de Domitien, BEFAR 245 (Rom 1981) Di Vita 1964 A. Di Vita, Archaeological News, Libya Antiqua 1, 1964, 133–142 Di Vita 1965 A. Di Vita, Archeological News 1963–1964 (Tripolitania), Libya Antiqua 2, 1965, 129–137 Di Vita 1966 A. Di Vita, La villa della »Gara delle Nereide« presso Taguira: und contributo alla storia del mosaico romano. Recenti scavi e scoperte en Tripolitania, Libya Antiqua Suppl 2, 1966, 85– 91 Di Vita 1986–1987 A. Di Vita, L’anfiteatro ed il grande teatro romano di Gortina, ASAtene 64–65, 1986–1987, 327–351

Di Vita 2010 A. Di Vita, Gortina di Creta. Quindici secoli di vita urbana (Rom 2010) Di Vita-Evrard 1965 G. Di Vita-Evrard, Les dédicaces de l’amphithéâtre et du cirque de Lepcis, Libya Antiqua 2, 1965, 29–39 Di Vita-Evrard 1999 G. Di Vita-Evrard, Leptis Magna, in: R. Polidori – A. Di Vita (Hrsg.), Das antike Libyen. Vergessene Städte des römischen Imperium (Köln 1999) 44–144 Volkmann 1928 H. Volkmann, Studien zum Nemesiskult, ArRelW 26, 1928, 294–321 Volkmann 1934 H. Volkmann, Neue Beiträge zum Nemesiskult, ArRelW 31, 1934, 57–76 Vollenweider 1964 M.-L. Vollenweider, Der Jupiter-Kameo (Stuttgart 1964) Weber 1969 E. Weber, Die römerzeitlichen Inschriften der Steiermark, Veröffentlichungen der Historischen Landeskommission für Steiermark : Arbeiten zur Quellenkunde 35 (Graz 1969) Weber-Hiden 2005 I. Weber-Hiden, Gladiatorendarstellungen auf Terrasigillata. Kann die Terrasigillata ein Hinweis auf die Beliebtheit von Gladiatorenkämpfen sein? in: F. Beutler – W. Hameter (Hrsg.), »Eine ganz normale Inschrift« ... und ähnliches zum Geburtstag von Ekkehard Weber, Althistorisch-Epigraphische Studien 5 (Wien 2005) 595–609 Weber-Hiden 2008 I. Weber-Hiden, Nemesisinschriften aus Carnuntum, in: P. Mauritsch – W. Petermandl – R. Rollinger (Hrsg.), Antike Lebenswelten. Konstanz, Wandel, Wirkungsmacht. Festschrift für Ingomar Weiler zum 70. Geburtstag, Philippika. Marburger altertumskundliche Abhandlungen 25 (Wiesbaden 2008) 615–637 Weeber 1994 K.-W. Weeber, Panem et Circenses. Massenunterhaltung als Politik im antiken Rom, Zaberns Bildbände zur Archäologie 15 (Mainz 1994) Welch 2007, K. E. Welch, The Roman Amphitheatre. From ist Origins to the Colosseum (Cambridge 2007)

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KULT BEI DER ARENA. NEMESIS-HEILIGTÜMER IM KONTEXT RÖMISCHER AMPHITHEATER Wenderoth 2011 A. Wenderoth, Das Spiel mit dem Tod, GEO Special 2, 2011, 96–103 Wheeler – Wheeler 1928 R. E. M. Wheeler – T. V. Wheeler, The Roman Amphitheatre at Caerleon, Monmouthshire, Archaeologia 28, 1928, 111–218 Wiedemann 1995 G. Wiedemann, Das Ende der Römischen Gladiatorenspiele, Nikephoros 8, 1995, 145–159

Wilkes 1969 J. J. Wilkes, Dalmatia (London 1969) Wilmott 2008 T. Wilmott, The Roman Amphitheatre in Britain (Chalford 2008) Wünsch 1910 R. Wünsch, Die laminae litteratae des Trierer Amphitheaters, BJb 119, 1910, 1–12 Zazoff 1983 P. Zazoff, Die Antiken Gemmen (München 1983)

Wiedemann 2001 G. Wiedemann, Kaiser und Gladiatoren. Die Macht der Spiele im antiken Rom (Darmstadt 2001)

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ABBILDUNGSVERZEICHNIS 7.

ABBILDUNGSVERZEICHNIS

Umschlag

Abb. 1

Abb. 2

Abb. 3

Abb. 4

Abb. 5

Abb. 6

Abb. 7

Abb. 8

Abb. 9

Abb. 10

Abb. 11

Nemesis (P. Blanchard, Mythologie De La Jeunesse: Ouvrage Elémentaire, Par Demandes Et Par Réponses [Paris 1821] 141, 35. Vorlage von Pictura Paedagogica Online, Bibliothek für Bildungsgeschichtliche Forschung, b0016824berl) Isometrische Rekonstruktion des Amphitheaters von Salona mit Angabe der wichtigsten konstruktiven Elemente (Hufschmid 2009, Abb. 6 nach Dyggve 1933, Abb. 59. Mit freundlicher Genehmigung von Th. Hufschmid) Grabrelief aus Pompeji. Pompa munerorum und Szenen aus einem munus (Eigene Bearbeitung nach Hönle – Henze 1981, 46 Abb. 22. DAI Rom Inst.Neg. 79.3462 [R]) Rekonstruktionszeichnung des Grabbaus aus Amiternum mit Darstellung der pompa (Ausschnitt nach La Regina 1963–1964, Abb. B. Mit freundlicher Genehmigung von A. La Regina) Doppelte Nemesis von Smyrna (Umzeichnung nach American Numismatic Society 1944.100.45568 Mus. New York) Aureus des Claudius mit Pax-Nemesis (Umzeichnung nach American Numismatic Society 2000.5.6 M. Gasvoda) Nemesis und Greif aus Alexandria (nach Lichocka 2004, Taf. 11, 2. Alexandria, Graeco-Roman Museum Nr. 3559. Photo: Z. Dolinski) Nemesis Viktoriatypus (nach Lichocka 2004, Taf. 2. Jadis Le Caire, collection G. Dattari. Photo: D. Widmer, Neg. Nr. 7758) Späthellenistische Terrakotta-Statuette der Nemesis (nach Maderna 2006, Nr. 155, Abb. 26.155) Nemesis Statuette aus CUT Sarmizegetusa/Sarmizegetusa (Alicu 1979, Taf. 22, 99) Nemesisrelief aus CUT Sarmizegetusa/Sarmizegetusa (Alicu 1979, Taf. 22, 90) Umzeichnung des Nemesis-Freskos aus Tarraco/Tarragona (nach M. Galán, Die orientalischen Religionen Hispaniens in vorrömischer und römischer Zeit, ANRW II.18.1 [Berlin 1986], 404, Abb. 8. Mit freundlicher Genehmigung des Verlags Walter de Gruyter GmbH)

Abb. 12

Abb. 13

Abb. 14

Abb. 15

Abb. 16

Abb. 17 Abb. 18 Abb. 19

Abb. 20

Abb. 21

Abb. 22

Abb. 23 Abb. 24

Abb. 25

Abb. 26

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Nemesis-Diana Statue aus Carnuntum (CSIR Österreich I 2 Nr. 37, Taf. 14, 37. Mit freundlicher Genehmigung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften) Nemesis-Diana Relief aus Teurnia (CSIR Österreich II 6 Nr. 17 Taf. 17. Mit freundlicher Genehmigung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften) Stadtplan von Virunum (Gugl – Jernej 2004, Abb1.1. Mit freundlicher Genehmigung von Ch. Gugl) Grundriss des Amphitheaters von Virunum Jernej 2004, – (Gugl Abb. 2.3. Mit freundlicher Genehmigung von Ch. Gugl) Grundriss des Nemeseums in Virunum (Gugl – Jernej 2004 Abb. 2.126. Mit freundlicher Genehmigung von Ch. Gugl) Foto des wiederrichteten Innenraumes des Nemeseums (Foto Verf.) Foto der Bogenmauer in Carnuntum/Bad Deutsch-Altenburg (Foto Verf.) Nemesis-Luna Relief aus Virunum (Gugl 2001, Abb. 2. Mit freundlicher Genehmigung von Ch. Gugl) Nemesis-Victoria Relief (Gugl 2001, Abb. 3. Mit freundlicher Genehmigung von Ch. Gugl) Stadtgebiet Tarragona (http://icac.cat/ llibres/tarraco/maps_folder/fase_V.pdf, 20.10.2013) Grundriss des Amphitheaters von Tarragona (Ausschnitt nach http://icac.cat/ llibres/tarraco/maps_folder/I.pdf, 20.10.2013) Foto des Nischenraumes im Amphitheater von Tarragona (Foto Verf.) Gesamtplan des Legionslagers von Deva (Thompson 1976, Abb. 1. Reproduced by kind permission of the Society of Antiquaries of London from Archaeologia 105, F H Thompson, 1976, fig. 1, ‚The Excavation of the Roman Amphitheatre at Chester’, © reserved) Grundriss des steinernen Amphitheaters von Deva (Wilmott 2008, Abb. 79 [Zeichnung Chris Evans]. Mit freundlicher Genehmigung von T. Wilmott) Grundriss des Amphitheaters von Italica (nach Golvin 1988, Taf. 42. Mit freundlicher Genehmigung von J.-C. Golvin)

KULT BEI DER ARENA. NEMESIS-HEILIGTÜMER IM KONTEXT RÖMISCHER AMPHITHEATER Abb. 27

Abb. 28

Abb. 29 Abb. 30

Abb. 31

Abb. 32

Abb. 33

Abb. 34

Abb. 35

Abb. 36

Abb. 37

Abb. 38

Abb. 39

Abb. 40

Lage der Zugangswege zum Amphitheater (Eigene Bearbeitung aus Corzo Sánchez 1994, Plan 2. 5) Grundriss des nördlichen Kuppelsaals mit in situ gefundenen Inschriften (Beltrán Fortes – Rodríguez Hidalgo 2006, Fig. 3) Stadtplan von Augusta Emerita/Mérida (Dupré Raventós 2004, Taf. 1) Grundriss des Amphitheaters von Augusta Emerita/Mérida (nach Golvin 1988, Taf. 30. Mit freundlicher Genehmigung von J.-C. Golvin) Stadtplan Pola/Pula mit Lage des Amphitheaters (http://www.theatrum.de/1153.html am 3. April 2012) Grundriss des Amphitheaters von Pola/Pula (nach Golvin 1988, Taf. 32. Mit freundlicher Genehmigung von J.-C. Golvin) Stadtplan von Carnuntum/Bad DeutschAltenburg (nach Humer 2006a, Abb. 1. Mit freundlicher Genehmigung von Ch. Gugl) Grundriss des zivilen Amphitheaters von Carnuntum/Bad Deutsch Altenburg mit Markierung des Nemesisbereichs (Miltner 1933, Abb. 2. Mit freundlicher Genehmigung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften) Lageplan des Legionslagers und der canabae legionis von Carnuntum/Bad Deutsch-Altenburg (Gugl 2013, Abb. 3. [Plan: M. Doneus/N. Doneus/Ch. Gugl] Mit freundlicher Genehmigung von Ch. Gugl) rekonstruierter Grundriss des Militäramphitheaters von Carnuntum/Bad DeutschAltenburg (Klima – Vetters 1953, Abb. 56. Mit freundlicher Genehmigung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften) Westseite des Amphitheaters von Carnuntum/Bad Deutsch-Altenburg (Tragau u. a. 1897, Faltplan) Grundriss des Nemeseums von Carnun(Boulasikis tum/Bad Deutsch-Altenburg 2010, 263, Abb. 2) Gesamtplan von Aquincum/Budapest (Eigene Bearbeitung nach http://www. oeai.at/tl_files/img/Abb.1.jpg Zugriff 20.10.2013) Grundriss des zivilen Amphitheaters von Aquincum/Budapest (nach Kolendo 1979, Fig. 5. Budapest Müemlekei II, fig. 467

Abb. 41

Abb. 42 Abb. 43

Abb. 44

Abb. 45

Abb. 46 Abb. 47

Abb. 48

Abb. 49 Abb. 50

Abb. 51

Abb. 52

Abb. 53

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Nemesisheiligtum des zivilen Amphitheaters von Aquincum/Budapest (Foto des Verf.) Stadtgebiet von Flavia Solva/Wagna (Schmid 1923–24, Abb. 61, 1) Grundriss des Amphitheaters von Flavia Solva/Wagna (Hudeczek 1979, Abb. 8. Mit freundlicher Genehmigung des Verlags Walter de Gruyter GmbH) Grundriss des Amphitheaters von Lepcis Magna/Lebda (nach Golvin 1988, Taf. 13, 1. Mit freundlicher Genehmigung von J.-C. Golvin) Grundriss des sacellum im Amphitheater von Lepcis Magna/Lebda (Mahgiub u. a. 1976–1977, Abb. 4) Stadtgebiet von Porolissum/Zalău (nach Bajusz – Gudea 1998, Abb. V.A.1) Grundriss des Amphitheaters von Porolissum/Zalău mit Markierung des Nemeseums (nach Bajusz 2005, Abb. 4) Stadtgebiet der CUT Sarmizegetusa/Sarmizegetusa (Eck – Lobüscher 2001, Abb. 2) Grundriss des Amphitheaters von Sarmizegetusa (Alicu 2000, Abb. 31) Grundriss des Amphitheaters von Scarbantia/Sopron mit Markierung des Nemeseums (Gömöri 1995, 257 Abb. 3. Mit freundlicher Genehmigung von J. Gömöri) Grundriss des militärischen Amphithaters von Aquincum/Budapest (Golvin 1988, Taf. 14. Mit freundlicher Genehmigung von J.C. Golvin) Nischen im Eingangskorridor des militärischen Amphitheaters von Aquincum/Budapest (Foto des Verf.) Grundriss des Amphitheaters von Isca Silurum/Caerleon (Wilmott 2008, 145 Abb. 82 [Zeichnung Chris Evans]. Mit freundlicher Genehmigung von T. Wilmott)

KATALOG

Kat.-Nr. 1 Aquincum (Budapest)

Provinz:

Pannonia Inferior

Amphitheater Typus

militärisches Amphitheater

Architektur

structure pleine

Maße der Hauptachsen

131,84 × 108,42 m

Lage

südlich des Legionslagers innerhalb der cannabae legionis

Sacellum Typus

Korridor-sacellum

Architektur

einfache Nische an der Westseite des südlichen Haupttores?

Größe

?

Lage zum Siedlungsbereich

im Hauptor der dem Legionslager abgewandten Seite

Zugang

Arena, Außenwelt

Datierung

2. H. 2. Jh.n.Chr.

Funde

Inschriften

Figürliche Darstellungen/Sonstiges

- Ein Votivaltar (Hornum 1993, Kat.-Nr. 127)

Literatur

Colin 1954; Kolendo 1979; Golvin 1988

75

KULT BEI DER ARENA. NEMESIS-HEILIGTÜMER IM KONTEXT RÖMISCHER AMPHITHEATER

Kat.-Nr. 2 Aquincum (Budapest)

Provinz:

Pannonia Inferior

Amphitheater Typus

ziviles Amphitheater

Architektur

structure pleine

Maße der Hauptachsen

86,5 × 75,5 m

Lage

nordöstlich außerhalb der Stadtmauer der Zivilstadt.

Sacellum Typus

externes sacellum

Architektur

Annexraum südlich des westlichen Haupttores

Größe

ca. 12 m2

Lage zum Siedlungsbereich

vor dem Haupttor der dem Stadtgebiet abgewandten Seite

Zugang

Außenwelt

Datierung

Mitte 2. Jh.n.Chr.

Funde

Inschriften

Figürliche Darstellungen/Sonstiges

- 12 Votivaltäre (Hornum 1993, Kat.-Nr. 114 -118, 120-126)

- Statuenkopf und Statuenfragmente (Torma 1881, Taf. 13)

Literatur

Golvin 1988, 137 (Nr. 125); Kolendo 1979; Torma 1885; Kuzsinszky 1891.

76

KATALOG

Kat.-Nr. 3 Augusta Emerita (Mérida)

Provinz:

Lusitania

Amphitheater Typus

ziviles Amphitheater

Architektur

structure creuse

Maße der Hauptachsen

126,30 × 102,60 m

Lage

südöstlich, innerhalb der Stadtmauer. Bildet architektonisches Ensemble mit dem Theater.

Sacellum Typus

Korridor-sacellum

Architektur

Ostseite im Korridor des nördlichen Haupteingangs

Größe

?

Lage zum Siedlungsbereich

im Haupttor der dem Stadtgebiet zugewandten Seite

Zugang

Arena, Außenwelt

Datierung

2. H. 2. Jh.n.Chr.

Funde

Inschriften

Figürliche Darstellungen/Sonstiges

- Eine gemalte Wandinschrift (Hornum 1993, Kat.-Nr. 215)

Literatur

Ramírez Sádaba 1994; Calero Carretero 1994; Álvarez Martínez – Nogales Basarrate 1994; Bendala Galán – Durán Cabello 1994; Durán Cabello 2004

77

KULT BEI DER ARENA. NEMESIS-HEILIGTÜMER IM KONTEXT RÖMISCHER AMPHITHEATER

Kat.-Nr. 4 Carnuntum (Deutsch-Altenburg)

Provinz:

Pannonia Superior

Amphitheater Typus

militärisches Amphitheater

Architektur

structure pleine

Maße der Hauptachsen

97 × 77 m

Lage

östlich des Militärlagers, innerhalb der cannabae legionis

Sacellum Typus

externes sacellum

Architektur

mehrräumiges Heiligtum südlich vor dem westlichen Haupttor

Größe

31,40 m2 (Cella), 42 m2 (Vorhalle), 11,50 m2 (Annexraum)

Lage zum Siedlungsbereich

vor dem Haupttor der dem Legionslager zugewandten Seite

Zugang

Außenwelt

Datierung

2. H. 2. Jh.n.Chr.

Funde

Inschriften

Figürliche Darstellungen/Sonstiges

- Neun Votivaltäre (Weber-Hiden 2008, Kat.Nr. 3–7.9–12) - Ein als Spolie verbauter Nemesisaltar (Weber-Hiden 2008, Kat.-Nr. 8) - Drei Kymafragmente (Hornum 1993, Kat.Nr. 14)

- Eine Nemesis Statue (CSIR Österreich I 2 Nr. 37) - Mehrere Statuenfragmente (Tragau u.a. 1897, 212–213.219)

Literatur

Hauser u.a. 1888; Hauser 1891; Tragau u.a. 1897; Nowotny 1937; Klima-Vetters 1953; Kolendo 1979; Lotter 1986; Gassner 2003; Weber-Hiden 2008; Boulasikis 2008; Boulasikis 2010

78

KATALOG

Kat.-Nr. 5 Carnuntum (Deutsch-Altenburg)

Provinz:

Pannonia Superior

Amphitheater Typus

militärisches Amphitheater

Architektur

structure pleine

Maße der Hauptachsen

97 × 77 m

Lage

östlich des Militärlagers, innerhalb der cannabae legionis

Sacellum Typus

Korridor-sacellum

Architektur

Altarnische im südlichen Bediengang des östlichen Haupttores

Größe

?

Lage zum Siedlungsbereich

im Hauptor der dem Legionslager abgewandten Seite

Zugang

Arena, Außenwelt

Datierung

2. H. 2. Jh.n.Chr.

Funde

Inschriften

Figürliche Darstellungen/Sonstiges

- Ein Votivaltar (Weber-Hiden 2008, Kat.-Nr. 13)

- Knochenreste - Münzopfer (Hauser u.a. 1888, 162)

Literatur

Hauser u.a. 1888; Hauser 1891; Tragau u.a. 1897; Nowotny 1937; Klima-Vetters 1953; Kolendo 1979; Lotter 1986; Gassner 2003; Weber-Hiden 2008; Boulasikis 2008; Boulasikis 2010

79

KULT BEI DER ARENA. NEMESIS-HEILIGTÜMER IM KONTEXT RÖMISCHER AMPHITHEATER

Kat.-Nr. 6 Carnuntum (Deutsch-Altenburg)

Provinz:

Pannonia Superior

Amphitheater Typus

ziviles Amphitheater

Architektur

structure pleine

Maße der Hauptachsen

122 × 106 m

Lage

südwestlich, außerhalb der Stadtmauer

Sacellum Typus

Korridor-sacellum

Architektur

westlicher Nebenraum im südlichen Eingangskorridor

Größe

?

Lage zum Siedlungsbereich

im Haupttor der dem Stadtgebiet abgewandten Seite

Zugang

Arena, Außenwelt

Datierung

1. H. 2. Jh.n.Chr.

Funde

Inschriften

Figürliche Darstellungen/Sonstiges

- Zwei Votivaltäre (Weber-Hiden 2008, Kat.Nr. 1-2)

Literatur

Egger 1926; Miltner 1933; Obermayr 1967; Kolendo 1979

80

KATALOG

Kat.-Nr. 7 Deva (Chester)

Provinz:

Britannia

Amphitheater Typus

militärisches Amphitheater

Architektur

structure pleine

Maße der Hauptachsen

95,60 × 86,40 m

Lage

Vor der südöstlichen Ecke des Legionslagers

Sacellum Typus

Arena-sacellum/Korridor-sacellum

Architektur

Arenaseitiger Carcer westlich des nördlichen Haupttores

Größe

15 m2

Lage zum Siedlungsbereich

neben dem Haupttor der dem Legionslager zugewandten Seite

Zugang

Arena

Datierung

1. H. 2. Jh.n.Chr.

Funde

Inschriften

Figürliche Darstellungen/Sonstiges

- Ein Votivaltar an Nemesis(Hornum 1993, Kat.-Nr. 29) - Ein unbeschrifteter Votivaltar (Thompson 1976, 167)

- Brandspuren vor dem Altar (Thompson 1976, 167)

Literatur

Thompson 1976; Golvin 1988; Wilmott 2008

81

KULT BEI DER ARENA. NEMESIS-HEILIGTÜMER IM KONTEXT RÖMISCHER AMPHITHEATER

Kat.-Nr. 8 Flavia Solva (Wagna)

Provinz:

Noricum

Amphitheater Typus

ziviles Amphitheater

Architektur

structure pleine

Maße der Hauptachsen

100,5 × 48,5 m

Lage

Am südwestlichen Stadtrand, eingebunden in das orthogonale Straßennetz

Sacellum Typus

externes sacellum

Architektur

Annexraum westlich vor dem nördlichen Haupttor

Größe

12 m2

Lage zum Siedlungsbereich

vor dem Haupttor der dem Stadtgebiet zugewandten Seite

Zugang

Außenwelt

Datierung

2. H. 2. Jh. n. Chr.

Funde

Inschriften

Figürliche Darstellungen/Sonstiges

- Ein Votivaltar (Hornum 1993, Kat.-Nr. 21)

- Ein als Spolie im nahen Schloss verbautetes Nemesisrelief (Diez 1946)

Literatur

Schmid 1919; Schmid 1923/24; Diez 1946; Hudeczek 1979; Groh 2005

82

KATALOG

Kat.-Nr. 9 Gortyna (Haghi Deka)

Provinz:

Creta et Cyrenaica

Amphitheater Typus

ziviles Amphitheater

Architektur

structure creuse

Maße der Hauptachsen

120 × 91 m

Lage

westlich, innerhalb der Stadtmauer

Sacellum Typus

nicht lokalisiert

Architektur

?

Größe

?

Lage zum Siedlungsbereich

?

Zugang

?

Datierung

frühes 2. Jh. n. Chr.

Funde

Inschriften

Figürliche Darstellungen/Sonstiges - Ein Nemesisrelief (Montali 2006, Kat.-Nr. 57)

Literatur

Perdrizet 1898; Ricciardi 2000; Di Vita 2010

83

KULT BEI DER ARENA. NEMESIS-HEILIGTÜMER IM KONTEXT RÖMISCHER AMPHITHEATER

Kat.-Nr. 10 Iol Caesarea (Cherchel)

Provinz:

Mauretania Caesariensis

Amphitheater Typus

ziviles Amphitheater

Architektur

structure pleine

Maße der Hauptachsen

101 × 44 m

Lage

östlich innerhalb der Stadtmauer

Sacellum Typus

nicht lokalisiert

Architektur

?

Größe

?

Lage zum Siedlungsbereich

?

Zugang

?

Datierung

?

Funde

Inschriften

Figürliche Darstellungen/Sonstiges

- Fragment eines Votivaltars (Hornum 1993, Kat.-Nr. 2)

Literatur

A. Merlin, Revue Archeologique 1946, 188.

84

KATALOG

Kat.-Nr. 11 Isca Silurum (Caerleon)

Provinz:

Britannia

Amphitheater Typus

militärisches Amphitheater

Architektur

structure pleine

Maße der Hauptachsen

81,38 × 67,67 m

Lage

südwestlich vor dem Legionslager

Sacellum Typus

externes sacellum

Architektur

Annexraum westlich vor dem nördlichen Haupttor

Größe

ca. 40 m2

Lage zum Siedlungsbereich

vor dem Haupttor der dem Legionslager zugewandten Seite

Zugang

Außenwelt

Datierung

2. H. 2. Jh.n.Chr.

Funde

Inschriften

Figürliche Darstellungen/Sonstiges

- Bleiplakette in tabula ansata Form (Hornum 1993, Kat.-Nr. 28)

- möglicherweise Diana-Nemesis Statue (CSIR Great Britain I 5 Nr. 99)

Literatur

Wheeler – Wheeler 1928; Wilmott 2008

85

KULT BEI DER ARENA. NEMESIS-HEILIGTÜMER IM KONTEXT RÖMISCHER AMPHITHEATER

Kat.-Nr. 12 Italica (Santiponce)

Provinz:

Baetica

Amphitheater Typus

ziviles Amphitheater

Architektur

structure creuse

Maße der Hauptachsen

152,80 × 130,60 m

Lage

nordwestlich, außerhalb der Stadtmauer. An der hadrianischen Straße Richtung Mérida.

Sacellum Typus

Korridor-sacellum

Architektur

großer Durchgangssaal im Norden des östlichen Haupteingangs

Größe

ca. 65 m2

Lage zum Siedlungsbereich

im Haupttor der dem Stadtgebiet zugewandten Seite

Zugang

Arena, Außenwelt

Datierung

117-138 n. Chr.

Funde

Inschriften

Figürliche Darstellungen/Sonstiges

- Drei marmorne Weihinschriften an Nemesis mit plantae pedis (Hornum 1993, Kat.-Nr. 216-218) - Eine bronzene tabula ansata (Hornum 1993, Kat.-Nr. 219) - Eine marmorne Weihinschrift an Caelestis mit plantae pedis (Hornum 1993, Kat.-Nr. 220) - Fünf unbestimmte Weihinschriften (Hornum 1993, Kat.-Nr. 221–226)

- Fundamente einer Statuenbasis? (Beltrán Fortes – Rodríguez Hidalgo 2006, 1442)

Literatur

García y Bellido 1960a; García y Bellido 1960b; Canto 1984; Corzo Sánchez 1994; Roldán Gòmez 1994; Ahrens 2005; Beltrán Fortes – Rodríguez Hidalgo 2006

86

KATALOG

Kat.-Nr. 13 Lepcis Magna (Lebda)

Provinz:

Africa Proconsularis

Amphitheater Typus

ziviles Amphitheater

Architektur

structure pleine

Maße der Hauptachsen

121 × 111 m

Lage

östlich der Stadt und des Hafens am Meer.

Sacellum Typus

externes sacellum

Architektur

Heiligtum in der Südkurve der summa cavea

Größe

ca. 40 m2

Lage zum Siedlungsbereich

ohne direkten Bezug zum Stadtgebiet

Zugang

Über Cavea, Außenwelt

Datierung

2.-3. Jh. n. Chr.

Funde

Inschriften

Figürliche Darstellungen/Sonstiges

- Zwei Marmoraltäre (Di Vita 1964, 136)

- Ein Greifenrelief (Di Vita 1964, 136)

Literatur

Di Vita 1964; Di Vita – Evrard 1965; Di Vita 1966; Mahgiub u. a. 1976-1977; Lachaux 1979; Golvin 1988; Di Vita-Evrard 1999

87

KULT BEI DER ARENA. NEMESIS-HEILIGTÜMER IM KONTEXT RÖMISCHER AMPHITHEATER

Kat.-Nr. 14 Pola (Pula)

Provinz:

Venetia et Histria

Amphitheater Typus

ziviles Amphitheater

Architektur

structure creuse

Maße der Hauptachsen

132,45 × 105,10 m

Lage

nordöstlich, außerhalb der Stadtmauer

Sacellum Typus

Korridor-sacellum

Architektur

großer Durchgangssaal im Osten des südlichen Haupteingangs

Größe

40 m2

Lage zum Siedlungsbereich

im Haupttor der dem Stadtgebiet zugewandten Seite

Zugang

Arena, Außenwelt

Datierung

spätes 1. Jh. n. Chr.

Funde

Inschriften

Figürliche Darstellungen/Sonstiges

- Vier Altäre für Nemesis (Hornum 1993, Kat.-Nr. 41–44)

Literatur

Weishäupl 1894; Gnirs 1910; Gnirs 1915; Mlakar 1980; Golvin 1988; Fischer 1996

88

KATALOG

Kat.-Nr. 15 Porolissum (Zalau)

Provinz:

Dacia

Amphitheater Typus

militärisches Amphitheater

Architektur

structure pleine

Maße der Hauptachsen

84,5 × 73,7 m

Lage

südwestlich, außerhalb der Stadt am Hang

Sacellum Typus

externes sacellum

Architektur

südlicher Nebenraum des westlichen Haupttores

Größe

ca. 22 m2

Lage zum Siedlungsbereich

neben dem Haupttor der dem Legionslager zugewandten Seite

Zugang

Arena, Außenwelt

Datierung

2. H. 2. Jh.n.Chr

Funde

Inschriften

Figürliche Darstellungen/Sonstiges

- ein Votivaltar? (AE 2003, 1468)

Literatur

Bajusz 2005; Alicu 2000; Bajusz – Gudea 1998

89

KULT BEI DER ARENA. NEMESIS-HEILIGTÜMER IM KONTEXT RÖMISCHER AMPHITHEATER

Kat.-Nr. 16 Salona (Solin)

Provinz:

Dalmatia

Amphitheater Typus

ziviles Amphitheater

Architektur

structure creuse/structure pleine

Maße der Hauptachsen

124,75 × 100,65 m

Lage

nordöstlich, innerhalb der Stadt, direkt an der Stadtmauer.

Sacellum Typus

nicht lokalisiert

Architektur

?

Größe

?

Lage zum Siedlungsbereich

?

Zugang

?

Datierung

2. H. 2. Jh.n.Chr

Funde

Inschriften

Figürliche Darstellungen/Sonstiges

- ein Votivaltar (Hornum 1993, Kat.-Nr. 45)

Literatur

Bomgardner 2000; Golvin 1988; Dyggve 1933; Wilkes 1969

90

KATALOG

Kat.-Nr. 17 CUT Sarmizegetusa (Sarmizegetusa)

Provinz:

Dacia

Amphitheater Typus

ziviles Amphitheater

Architektur

structure creuse/structure pleine

Maße der Hauptachsen

88,00 × 68,00 m

Lage

nördlich, außerhalb der Stadtmauer. Auffällige Nähe zur Area Sacra.

Sacellum Typus

externes sacellum

Architektur

mehrräumiges Heiligtum nördlich vor dem westlichen Haupttor

Größe

ca. 52 m2

Lage zum Siedlungsbereich

vor dem Haupttor der dem Stadtgebiet zugewandten Seite

Zugang

Außenwelt

Datierung

frühes 2. Jh. n. Chr.

Funde

Inschriften

Figürliche Darstellungen/Sonstiges

- Vier Votivinschriften (Hornum 1993, Kat.Nr. 185.190.191.199) - Zwei Marmortafeln mit Votivinschrift (Hornum 1993, Kat.-Nr. 197.198)

- Acht Weihreliefs (Alicu 1979, Kat.-Nr. 90. 91. 93. 100. 101. 102. 103.105) - Drei inschriftlich benannte Weihreliefs (Alicu 1979, Kat.-Nr. 92.99.89)

Literatur

Alicu 1978; Alicu 1979; Alicu – Opreanu 2000

91

KULT BEI DER ARENA. NEMESIS-HEILIGTÜMER IM KONTEXT RÖMISCHER AMPHITHEATER

Kat.-Nr. 18 Scarbantia (Sopron)

Provinz:

Pannonia Superior

Amphitheater Typus

ziviles Amphitheater

Architektur

structure pleine

Maße der Hauptachsen

127 × 75 m

Lage

nördlich, außerhalb der Stadtmauer

Sacellum Typus

externes sacellum

Architektur

mehrräumiges Heiligtum nördlich des östlichen Haupttores

Größe

? > 40 m2

Lage zum Siedlungsbereich

vor dem Haupttor der dem Stadtgebiet zugewandten Seite

Zugang

Außenwelt

Datierung

2. H. 2. Jh.n.Chr

Funde

Inschriften

Figürliche Darstellungen/Sonstiges

- Einige Inschriften unter anderem der Altar eines Eravitus werden bei Póczy 1978, 23 genannt.

- Fragment einer Diana Statue (Nemesis?) CSIR Ungarn 2, Nr. 2) - Zwei Fragmente eines Altars für NemesisDiana (CSIR Ungarn 2, Nr. 11) - Fünf zusammenpassende Bruchstücke eines Votivreliefs für Nemesis-Fortuna (CSIR Ungarn 2, Nr. 12) - Zwei zusammenpassende Fragmente eines Votivreliefs für Diana (-Nemesis?) (CSIR Ungarn 2, Nr. 13.) - Knochenreste (Póczy 1977, 25)

Literatur

Volkmann 1928, 44; Póczy 1965; Póczy 1977; Gömöri 1999

92

KATALOG

Kat.-Nr. 19 Segusium (Susa)

Provinz:

Alpes Cottiae

Amphitheater Typus

ziviles Amphitheater

Architektur

structure pleine

Maße der Hauptachsen

60,00 × 52,00 m

Lage

südlich, außerhalb der Stadtmauer

Sacellum Typus

nicht lokalisiert

Architektur

?

Größe

?

Lage zum Siedlungsbereich

?

Zugang

?

Datierung

1.-2. Jh. n. Chr.?

Funde

Inschriften

Figürliche Darstellungen/Sonstiges - Ein Votivrelief (Legrottaglie 2008, Kat.Nr.443)

Literatur

Carducci 1958–1959; Golvin 1988, Kat.-Nr. 15; Tosi 2003, 578-579

93

KULT BEI DER ARENA. NEMESIS-HEILIGTÜMER IM KONTEXT RÖMISCHER AMPHITHEATER

Kat.-Nr. 20 Tarraco (Tarragona)

Provinz:

Hispania Tarraconensis

Amphitheater Typus

ziviles Amphitheater

Architektur

structure creuse/structure pleine

Maße der Hauptachsen

109,50 × 86,50 m

Lage

südöstlich, außerhalb der Stadtmauer der Stadt, südlich der Via Augusta an der Küste. Mit Verbindung zum Provinziallandtag.

Sacellum Typus

Arena-sacellum

Architektur

Carcer im nördlichen Scheitel der Schmalachse; Schrein im nördlichen Abschnitt des Substruktionsgrabens

Größe

1,5 m2

Lage zum Siedlungsbereich

im Carcer der dem Stadtgebiet zugewandten Seite

Zugang

Arena

Datierung

frühes 3. Jh. n. Chr.

Funde

Inschriften

Figürliche Darstellungen/Sonstiges

- Zwei Votivaltäre an Nemesis (Hornum 1993, Kat.-Nr. 226-227) - Eine Marmorplatte mit Weihinschrift und plantae pedum (Legrottaglie 2008, Kat.-Nr. 473)

- Eine Freskowandmalerei mit Nemesisdarstellung (Beltrán Lloris in: Dupré Raventós 1990, 107–116)

Literatur

García y Bellido 1963; Arbeloa y Rigau 1987; Golvin 1988, Kat.-Nr. 139; Beltrán Martínez – Beltrán Lloris 1991; Montón Broto 1991; Dupré Raventós 1990; Dupré Raventós 1994; Beltrán Lloris 1999

94

KATALOG

Kat.-Nr. 21 Venafrum (Venafro)

Provinz:

Regio I

Amphitheater Typus

ziviles Amphitheater

Architektur

structure creuse

Maße der Hauptachsen

110,00 × 85,00 m

Lage

südlich, außerhalb der Stadtmauer

Sacellum Typus

nicht lokalisiert

Architektur

?

Größe

?

Lage zum Siedlungsbereich

?

Zugang

?

Datierung

1. Jh.n.Chr.

Funde

Inschriften

Figürliche Darstellungen/Sonstiges

- Eine Weihinschrift an Nemesis (Hornum 1993, Kat.-Nr. 154)

Literatur

Tosi 2003, 101–102; Valente 2007

95

KULT BEI DER ARENA. NEMESIS-HEILIGTÜMER IM KONTEXT RÖMISCHER AMPHITHEATER

Kat.-Nr. 22 Virunum (Maria Saal)

Provinz:

Noricum

Amphitheater Typus

ziviles Amphitheater

Architektur

structure pleine

Maße der Hauptachsen

108,10 × 46,50 m

Lage

westlich des Stadtgebiets, östlich eines Militärlagers am Hang

Sacellum Typus

Arena-sacellum

Architektur

großer Carcer im östlichen Scheitel der Schmalachse

Größe

30 m2

Lage zum Siedlungsbereich

im Carcer der dem Stadtgebiet zugewandten Seite

Zugang

Arena

Datierung

1. H. 2. Jh.n.Chr.

Funde

Inschriften

Figürliche Darstellungen/Sonstiges

- Fünf Votivaltäre für Nemesis (Dolenz 2004, 299–306.310–316.) - Ein Votivaltar für die Camprestes (Dolenz 2004, 306–308) - Ein Votivaltar an Fortuna (Dolenz 2004, 309–310)

- Zwei Votivreliefs mit Darstellungen der Nemesis (Gugl 2001, 35–49) - Münzopfer, Brandspuren

Literatur

Gugl – Jernej 2003; Gugl – Jernej 2004

96

Abbildungsteil

Abb. 1: Isometrische Rekonstruktion des Amphitheaters von Salona/Solin mit Angabe der wichtigsten konstruktiven Elemente

Abb. 2: Grabrelief aus Pompeji. Pompa munerorum und Szenen aus einem munus

97

Kult bei der Arena. Nemesis-Heiligtümer im Kontext römischer Amphitheater

Abb. 3: Rekonstruktionszeichnung des Grabbaus aus Amiternum mit Darstellung der pompa

Abb. 4: Doppelte Nemesis von Smyrna

98

Abbildungsteil

Abb. 5: Aureus des Claudius mit Pax-Nemesis

Abb. 6: Nemesis und Greif aus Alexandria

99

Kult bei der Arena. Nemesis-Heiligtümer im Kontext römischer Amphitheater

Abb. 8: Späthellenistische TerrakottaStatuette der Nemesis

Abb. 7: Nemesis Viktoriatypus

Abb. 9: Nemesis Statuette aus CUT Sarmize-

Abb. 10: Nemesisrelief aus CUT Sarmize-

getusa/Sarmizegetusa

getusa/Sarmizegetusa 100

Abbildungsteil

Abb. 11: Umzeichnung des Nemesis-Freskos aus Tarraco/Tarragona

Abb. 12: Nemesis-Diana Statue aus Carnuntum/Bad Deutsch-Altenburg

101

Kult bei der Arena. Nemesis-Heiligtümer im Kontext römischer Amphitheater

Abb. 13: Nemesis-Diana Relief aus Teurnia/St. Peter

Abb. 14: Stadtplan von Virunum/Maria Saal

102

Abbildungsteil

Abb. 15: Grundriss des Amphitheaters von Virunum/Maria Saal

Abb. 16: Grundriss des Nemeseums in Virunum/Maria Saal 103

Kult bei der Arena. Nemesis-Heiligtümer im Kontext römischer Amphitheater

Abb. 17: Foto des wiederrichteten Innenraumes des Nemeseums

Abb. 18: Foto der Bogenmauer in Carnuntum/Bad Deutsch-Altenburg 104

Abbildungsteil

Abb. 19: Nemesis-Luna Relief aus Virunum/Maria Saal

Abb. 20: Nemesis-Victoria Relief

105

Kult bei der Arena. Nemesis-Heiligtümer im Kontext römischer Amphitheater

Abb. 21: Stadtgebiet Tarraco/Tarragona

Abb. 22: Grundriss des Amphitheaters von Tarraco/Tarragona mit Markierung des Nemesisbereichs

106

Abbildungsteil

Abb. 23: Foto des Nischenraumes im Amphitheater von Tarraco/Tarragona

Abb. 24: Gesamtplan des Legionslagers von Deva/Chester 107

Kult bei der Arena. Nemesis-Heiligtümer im Kontext römischer Amphitheater

Abb. 25: Grundriss des steinernen Amphitheaters von Deva/Chester mit Markierung des Nemesisbereichs (Zeichnung Chris Evans)

Abb. 26: Grundriss des Amphitheaters von Italica/Santiponce mit Marierung des Nemesisbereichs 108

Abbildungsteil

Abb. 27: Lage der Zugangswege zum Amphitheater von Italica/Santiponce

Abb. 28: Grundriss des nördlichen Kuppelsaals mit in situ gefundenen Inschriften

109

Kult bei der Arena. Nemesis-Heiligtümer im Kontext römischer Amphitheater

Abb. 29: Stadtplan von Augusta Emerita/Mérida

Abb. 30: Grundriss des Amphitheaters von Augusta Emerita/Mérida mit Markierung des Nemesisbereichs

110

Abbildungsteil

Abb. 31: Stadtplan Pola/Pula mit Lage des Amphitheaters

Abb. 32: Grundriss des Amphitheaters von Pola/Pula mit Markierung des Nemesisbereichs

111

Kult bei der Arena. Nemesis-Heiligtümer im Kontext römischer Amphitheater

Abb. 33: Stadtplan von Carnuntum/Bad Deutsch-Altenburg

Abb. 34: Grundriss des zivilen Amphitheaters von Carnuntum/Bad Deutsch Altenburg mit Markierung des Nemesisbereichs

112

Abbildungsteil

Abb. 35: Lageplan des Legionslagers und der canabae legionis von Carnuntum/Bad Deutsch-Altenburg

Abb. 36: rekonstruierter Grundriss des Militäramphitheaters von Carnuntum/Bad Deutsch-Altenburg mit Markierung des Nemesisbereichs 113

Kult bei der Arena. Nemesis-Heiligtümer im Kontext römischer Amphitheater

Abb. 37: Westseite des Amphitheaters von Carnuntum/Bad Deutsch-Altenburg

Abb. 38: Grundriss des Nemeseums von Carnuntum/Bad Deutsch-Altenburg

114

Abbildungsteil

Abb. 40: Grundriss des zivilen Amphitheaters von Abb. 39: Gesamtplan von Aquincum/Budapest Aquincum/Budapest mit Markierung des Nemesisbereichs

Abb. 41: Nemesisheiligtum des zivilen Amphitheaters von Aquincum/Budapest

115

Kult bei der Arena. Nemesis-Heiligtümer im Kontext römischer Amphitheater

Abb. 42: Stadtgebiet von Flavia Solva/Wagna

Abb. 43: Grundriss des Amphitheaters von Flavia Solva/Wagna mit Markierung des Nemesisbereichs

116

Abbildungsteil

Abb. 44: Grundriss des Amphitheaters von Lepcis Magna/Lebda mit Markierung des Nemesisbereichs

Abb. 45: Grundriss des sacellum im Amphitheater von Lepcis Magna/Lebda

117

Kult bei der Arena. Nemesis-Heiligtümer im Kontext römischer Amphitheater

Abb. 46: Stadtgebiet von Porolissum/Zalau

Abb. 47: Grundriss des Amphitheaters von Porolissum/Zalau mit Markierung des Nemesisbereichs 118

Abbildungsteil

Abb. 48: Stadtgebiet der CUT Sarmizegetusa/Sarmizegetusa

Abb. 49: Grundriss des Amphitheaters der CUT Sarmizegetusa/Sarmizegetusa mit Markierung des Nemesisbereichs 119

Kult bei der Arena. Nemesis-Heiligtümer im Kontext römischer Amphitheater

Abb. 50: Grundriss des Amphitheaters von Scarbantia/Sopron mit Markierung des Nemesisbereichs

Abb. 51: Grundriss des militärischen Amphithaters von Aquincum/Budapest 120

Abbildungsteil

Abb. 52: Nischen im Eingangskorridor des militärischen Amphitheaters von Aquincum/Budapest

Abb. 53: Grundriss des Amphitheaters von Isca Silurum/Caerleon (Zeichnung Chris Evans) 121