Heraklit im Kontext 3110425882, 9783110425888

Heraklits Denken und seine philosophischen Positionen haben einen ungeheuren Einfluss im Altertum, in der Neuzeit und bi

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Heraklit im Kontext
 3110425882, 9783110425888

Table of contents :
Vorwort
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
Ephesos und Heraklit
Der Artemistempel von Ephesos – Intellekt und Macht
Heraklit und das Artemision. Die Erfindung eines neutralen Standpunkts in der Politik
Shared Responsibility for the Common Good: Heraclitus, Early Philosophy, and Political Thought
Heraklit und die ionischen Isonomien
„Schlechte Zeugen sind für die Menschen Augen und Ohren derjenigen, die Barbaren- Seelen haben“: Heraklit und Herodot, zusammengedacht
Heraclitus on Pythagoras
Heraclitus, Milesian Monism, and the Felting of Wool
Heraklits Kosmologie als Praxis von Modellierung
The Metaphor of liber naturae and the Alphabet Analogy in Heraclitus′ logos- Fragments (with some remarks on Plato’s “dream theory” and the origin of the concept of elements)
Le Sage dans la Pénombre. Masques de l’Énonciateur et de ses Destinataires dans les Fragments B 5 et B 42 d’Héraclite d’Éphèse
Heraklit: Die ‘bathyphysische’ Denkform
What is the Source of Knowledge in Heraclitus?
The Reconstructed Book of Heraclitus in English Translation
Der Klang prophetischer Stimmen. Kassandra und die Sibylle in performance
On being reminded of Heraclitus by the motifs in Plato’s Phaedo
His Dearest Enemy. Heraclitus in the Aristotelian Oeuvre
Tracking the Sources of the Fragments of Heraclitus in Stobaeus′ Anthology
Olearius über Atomismus und Theismus bei Heraklit: Zur Vorsokratiker-Rezeption in Deutschland um 1700
„Die Welt ist ein Spiel des Zeus …“: Friedrich Nietzsches ästhetische Sicht auf Heraklit
Philosophical Oracles. Tropical forms in speculative reflections from Heraclitus to Heidegger
Dem Fließenden Stimme geben. Heraklits Wirkungen in Kunst und Philosophie
Heraklit in der Musik – Eine Spurensuche
Index locorum
Index nominum et rerum

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Heraklit im Kontext

Studia Praesocratica

Herausgegeben von / Edited by Richard McKirahan, Denis O’Brien, Oliver Primavesi, Christoph Riedweg, David Sider, Gotthard Strohmaier, Georg Wöhrle

Band/Volume 8

Heraklit im Kontext

Herausgegeben von Enrica Fantino, Ulrike Muss, Charlotte Schubert und Kurt Sier

ISBN 978-3-11-042588-8 e-ISBN (PDF) 978-3-11-042132-3 e-ISBN (EPUB) 978-3-11-042140-8 ISSN 1869-7143 Library of Congress Cataloging-in-Publication Data A CIP catalog record for this book has been applied for at the Library of Congress. Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen ­Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2017 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston Satz: Dörlemann Satz, Lemförde Druck und Bindung: Hubert & Co. GmbH & Co. KG, Göttingen ♾ Gedruckt auf säurefreiem Papier Printed in Germany www.degruyter.com

Vorwort Der vorliegende Band geht auf eine Tagung zurück, die vom 7.–12. Oktober 2013 in Selçuk stattgefunden hat. Veranstalter waren die Gemeinde Selçuk sowie die Universitäten Leipzig und Wien mit den Instituten für Alte Geschichte und Klassische Philologie (Leipzig) und Klassische Archäologie (Wien). Die großzügige Förderung durch die Fritz Thyssen-Stiftung hat es ermöglicht, die Tagung in Selçuk, dem Ort des antiken Ephesos, durchzuführen. Mit der Anbindung an Heraklits Heimatstadt war die Absicht verbunden, archäologische Fragestellungen einzubeziehen und etwas von den kulturellen und geographischen Bedingungen aufscheinen zu lassen, unter denen sein Denken und seine philosophischen Ansichten entstanden sind. So war die Tagung von einer thematischen Dreiteilung bestimmt, die es so in der Heraklit-Forschung wohl noch nicht gegeben hat. Neben die heraklitische Philosophie als Zentrum traten einerseits Beispiele für ihre Rezeption von der Antike bis in die Moderne und andererseits ein Ausblick auf die ihr vorausliegende Lebenswelt. Für die Chance, eine solche Synopse und diachron perspektivierte Interdisziplinarität im Zeichen des genius loci realisieren zu können, sind wir der Fritz Thyssen-Stiftung außerordentlich dankbar. Ohne diese großzügige Förderung hätte die Tagung nicht stattfinden können. Der damalige Bürgermeister H. Vefa Ülgür sowie die Kulturbeauftragten der Stadt, Yusuf Yavaş und Teodora Hacudi, haben die Tagung mit uns vorbereitet und uns bei der Organisation des begleitenden Kulturprogrammes unterstützt. Für Führungen im Artemision und auf dem Gelände der Johanneskirche danken wir Anton Bammer. Jene in Ephesos hat Hilke Thür übernommen; auch ihr sei herzlich gedankt. Das Sekretariat der Veranstaltung lag in den Händen von Nora Johnston. Unser ganz besonderer Dank gilt Atılay Ileri, der die Tagung nicht nur finanziell unterstützt und uns mit seiner ‘Philosophie der Olive’ vertraut gemacht hat, sondern die Teilnehmenden auch mit einem unvergesslichen Abend auf seinem Landgut bei Selçuk beschenkt hat. Unser Dank gebührt ebenfalls Abit und Deniz Yeşilkaya für ihre finanzielle Förderung. Ohne erste Gespräche zum Thema ‘Heraklit’ der Tagung mit Beatrice Odierna und die Unterstützung bei deren Vorbereitung durch Kollegen und Freunde wäre vieles nicht gelungen. Marion Meyer stellte die Infrastruktur des Instituts in Wien zur Verfügung und Andrea Sulzgruber übernahm die Ausarbeitung der Poster. Besonders bedanken wir uns bei Yusuf Yavaş, Nadide Azatoğlu und Hilke Thür, die großen Anteil am reibungslosen Ablauf der Tagung haben. Prof. Dr. Uluğ Nutku sind wir für die Übersetzungen der Zusammenfassungen ins Türkische zu großem Dank verpflichtet; sie haben die Kommunikation

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 Vorwort

mit den Zuhörern wesentlich erleichtert. Die Skizze seines eigenen Beitrags sowie die Übersetzungen konnten leider weder von ihm selbst vollendet noch von uns redaktionell weiterbearbeitet werden, da Prof. Nutku während der Vorbereitung des vorliegenden Bandes verstorben ist. Seinen Beitrag zum Gelingen der Tagung behalten wir in dankbarer Erinnerung. Die mühevolle und zeitraubende Arbeit, die sich aus den redaktionellen Anpassungen, der Vereinheitlichung der Manuskripte und der Erstellung der Indices ergab, lag in den Händen von Enrica Fantino. Für vielfältige Unterstützung beim Korrekturlesen und bei Erstellung der Druckvorlage sind wir Silvia Ottaviano, Eva Wöckener-Gade, Friederike Dahms, Volker Dietz, Ludwig Maisel, Hennig Ohst und Yanneck Wiegers zu großem Dank verpflichtet. Ohne ihre Sorgfalt und ihren unermüdlichen Einsatz hätte der lange Weg von den Manuskripten zum nunmehr vorliegenden Buch nicht gelingen können. Ulrike Muss Charlotte Schubert Kurt Sier

Inhaltsverzeichnis Vorwort  Einleitung 

 V  1

Ulrike Muss (Wien) Ephesos und Heraklit 

 7

Anton Bammer (Wien) Der Artemistempel von Ephesos – Intellekt und Macht 

 49

Michael Franz (Tübingen) Heraklit und das Artemision. Die Erfindung eines neutralen Standpunkts in der Politik   83 Kurt A. Raaflaub (Brown University) Shared Responsibility for the Common Good: Heraclitus, Early Philosophy, and Political Thought   103 Charlotte Schubert (Leipzig) Heraklit und die ionischen Isonomien 

 129

Uwe Walter (Bielefeld) „Schlechte Zeugen sind für die Menschen Augen und Ohren derjenigen, die Barbaren-Seelen haben“: Heraklit und Herodot, zusammengedacht   151 Leonid Zhmud (Sankt-Petersburg, Russische Akademie der Wissenschaften) Heraclitus on Pythagoras   171 Robert Hahn (Southern Illinois University) Heraclitus, Milesian Monism, and the Felting of Wool  Lutz Käppel (Kiel) Heraklits Kosmologie als Praxis von Modellierung 

 187

 211

Andrei V. Lebedev (Rethymno/Moskau, Russische Akademie der Wissenschaften) The Metaphor of liber naturae and the Alphabet Analogy in Heraclitusʼ logosFragments (with some remarks on Plato’s “dream theory” and the origin of the concept of elements)   231

VIII 

 Inhaltsverzeichnis

Marianne Garin (Fribourg) Le Sage dans la Pénombre. Masques de l’Énonciateur et de ses Destinataires dans les Fragments B 5 et B 42 d’Héraclite d’Éphèse   269 Martin Thurner (München) Heraklit: Die ‘bathyphysische’ Denkform 

 287

Aylin Cankaya (Manisa University) What is the Source of Knowledge in Heraclitus? 

 303

Serge Mouraviev (Paris) The Reconstructed Book of Heraclitus in English Translation 

 309

Laura Gianvittorio (Wien) Der Klang prophetischer Stimmen. Kassandra und die Sibylle in performance   343 Catherine Rowett (Norwich) On Being Reminded of Heraclitus by the Motifs in Plato’s Phaedo  Christof Rapp (München) His Dearest Enemy. Heraclitus in the Aristotelian Oeuvre 

 373

 415

Dominic J. O’Meara (Fribourg) Tracking the Sources of the Fragments of Heraclitus in Stobaeus’ Anthology   439 Oliver Primavesi (München) Olearius über Atomismus und Theismus bei Heraklit: Zur VorsokratikerRezeption in Deutschland um 1700   451 Renate Reschke (Humboldt-Universität zu Berlin) „Die Welt ist ein Spiel des Zeus …“: Friedrich Nietzsches ästhetische Sicht auf Heraklit   485 Pirmin Stekeler-Weithofer (Leipzig) Philosophical Oracles. Tropical forms in speculative reflections from Heraclitus to Heidegger   507

Inhaltsverzeichnis 

Paul Good (Düsseldorf/Bad Ragaz) Dem Fließenden Stimme geben. Heraklits Wirkungen in Kunst und Philosophie   533 Mischa Meier (Tübingen) Heraklit in der Musik – Eine Spurensuche  Indices 

 583

 557

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Einleitung Es erscheint so naheliegend und ist doch bisher noch nicht realisiert worden – eine Tagung zu Heraklit, einem der wirkungsmächtigsten Denker der europä­ ischen Geistesgeschichte, am Ort seines Lebens. Dies ist keine erzwungene Kom­ bination von Philosophie und Geographie, sondern ein Aspekt, der längst hätte thematisiert werden sollen. Heraklit und Ephesos, die Profile des Philosophen und der antiken Stadt, gehören unmittelbar zusammen. Der Name Heraklit ist untrennbar mit Ephesos, der Stadt seiner Herkunft und seines Wirkens verbunden. Die Ausstrahlung seiner Philosophie reicht gewiss weit über Zeit und Ort hinaus, aber diese war doch zunächst lokal ­situiert und in den zeitgenössischen Diskursen die Stimme von Ephesos. Mit Heraklit befinden wir uns im Ionien des 6. Jahrhunderts v. Chr. und damit in einer Land­ schaft, in der mit den reichen und hochentwickelten Handelsstädten Ephesos, Kolophon, Milet die rationale Erkundung der Welt beginnt und der Ursprung des abendländischen Denkens liegt. In die Lebenszeit des Philosophen (etwa 550/40–490/80 v. Chr) fallen politisch nachhaltige Entwicklungen und fällt auch die Entstehung der Demokratie. Es kam zur Errichtung des ersten monumentalen Marmortempels im Artemision von Ephesos – in ihm soll Heraklit seine Schrift zur Lektüre hinterlegt und ‘publiziert’ haben. Er wurde in eine bewegte und geis­ tesgeschichtlich bedeutende Zeit geboren und hat an ihrer Gestaltung selbst mit­ gewirkt. In seinem kulturellen Umfeld gingen Literatur und Kunst, Medizin und Technik neue, die Folgezeit bestimmende Wege, und in den innovativen Kontext gehören natürlich auch die Fragestellungen und Konzepte der frühen Philoso­ phie, die mit der allgemeinen Kulturentwicklung in wechselseitigem Austausch stand. Als das Zentrum des Geschehens (dem alsbald die griechischen Kolonien in Unteritalien konkurrierend zur Seite traten) darf das kleinasiatische Ionien gelten, doch hat die bisherige Forschung noch kaum versucht, die geographi­ sche Verortung mit inhaltlichen Aspekten in Verbindung zu bringen. Letzteres gilt auch für Heraklit und seine Heimatstadt. Ephesos ist Teil einer einzigartigen Kulturlandschaft von einer besonderen und eigenen Identität. Die Stadt und ihre Umgebung mit ihrer sich ständig ändernden Auenlandschaft, den mäandrieren­ den Flüssen und einer stetigen Veränderung der Küstenlinie bildet den natur­ räumlichen Hintergrund für Heraklits Philosophie, die eben das zu thematisieren scheint – den permanenten Wandel in einem vorgegebenen, fixierten Kontext. Die Idee, an jenem Ort eine Tagung zu veranstalten, an dem Heraklit lebte und wirkte, erscheint daher auch insofern fruchtbar, als in Ephesos nach wie vor die Möglichkeit besteht, den Charakter der Umgebung sinnlich zu erfahren, in der das heraklitische Denken stattgefunden hat. Diese örtliche Orientierung bildete den Ausgangspunkt der Tagung. Ihr Ziel war, Spezialisten zu einem über­

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 Einleitung

greifenden Dialog zusammenzuführen und im Zusammenwirken verschiedener Disziplinen Heraklits Ort in der Philosophie- und Geistesgeschichte, in Politik und Kunst genauer zu bestimmen, als das in den bisher vorwiegend auf philo­ sophiehistorisch-philologische Aspekte fokussierten Darstellungen geschehen ist. Es sollte einerseits darum gehen, die kulturellen Bedingungen sichtbar zu machen, unter denen Heraklits Denken und seine philosophischen Positionen entstanden sind, und dadurch den notorisch ‘Dunklen’ systematisch besser zu verstehen, und andererseits um den ungeheuren Einfluss, den seine Sentenzen im Altertum und in der Neuzeit bis in die Moderne hin ausgeübt haben. Entspre­ chend sind die hier gesammelten Aufsätze folgenden Schwerpunkten gewidmet.

1 Ephesos zur Zeit Heraklits Die historische Geographie von Ephesos ist durch die Lage der Stadt an der Meeresküste und am unteren Delta des Kaysterflusses charakterisiert. Der ­ Kayster (heute ‘Kleiner Mäander’ genannt) gestaltet durch die ständige Verände­ rung seines Laufes die Identität der ephesischen Landschaft im Besonderen mit. Diese naturräumliche Situation ist es, die Heraklit vor Augen hatte, in ihr wird er sowohl den ‘harmonischen Ausgleich’ der natürlichen Prozesse als auch ihre Antinomien abgebildet gesehen haben. Ein wichtiges kulturhistorisches Ereignis, das in seine Lebenszeit fiel, war die Erbauung des monumentalen Artemistempels in Ephesos. Die Erschließung der riesigen Marmorvorkommen in der Umgebung ermöglichte zum ersten Mal eine Architektur ganz in Marmor. Dieser Tempel war das Symbol machtpolitischer Ver­ hältnisse sowohl unter dem Lyderkönig Kroisos (Herodot 1, 92) als auch unter der Herrschaft der Perser. Er gehörte zu den bedeutendsten Bauwerken der Zeit und verkörpert die intellektuellen Fähigkeiten bzw. die Macht ihrer Erbauer. Im Gegensatz zu Anaximander von Milet leitete Heraklit aus der Architektur keine konstruktiven oder konstruktivistischen kosmologischen Vorstellungen ab. Heraklits Verhältnis zum Artemision war vielfältiger Art. Er stammte aus dem griechischen Adel der Stadt Ephesos, aus dem Geschlecht der Androkliden, die sich auf einen Sohn des mythischen athenischen Königs Kodros zurückführten. Diese hatten auch das Priesteramt im Artemision inne, damit war Heraklit mit der rituellen Wirklichkeit des Kultes der ephesischen Artemis vertraut. Das Heiligtum mit seinem Asyl war für Heraklit der angemessene Platz, um seine ‘Schrift’ nie­ derzulegen. Diesem Schwerpunkt sind die Beiträge von Ulrike Muss, Anton Bammer und Michael Franz gewidmet.

Einleitung 

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2 Politik und Gesellschaft In der politischen und philosophischen, künstlerischen, literarischen und archi­ tektonischen Entwicklung Griechenlands hat es zwischen dem 8. und dem 6. Jahr­ hundert v. Chr. umwälzende und langfristig traditionsbildende ‘Entdeckungen’ und Entwicklungen vor allem in Ionien gegeben, mit denen sich die Beiträge von Kurt Raaflaub, Charlotte Schubert und Uwe Walter befassen. Dazu zählen die Entstehung der Polis als einer Bürgergemeinschaft, die Genese der Kunstform des Epos in den homerischen Werken und die nach ihrem Ursprungsort benannte Ionische Naturphilosophie mit ihrer Ausstrahlung auf die technai, etwa in Mathematik oder Medizin. Seit dem Beginn des 6. Jahrhunderts hatten sich die politische Organisationsstrukturen herausgebildet, die von da an zur ‘Grundausstattung’ der griechischen Polis gehörten. Sie setzten sich zusam­ men aus einer Vollversammlung aller Bürger, einem Rat und jeweils funktions­ spezifischen Gremien. Heraklits Leben und Wirken fällt zugleich in eine Zeit, die von der persischen Eroberung Ioniens und einer dadurch ausgelösten Gegenbewegung geprägt war, die gegen den persischen Machtanspruch Widerstand leistete und in der Konse­ quenz nicht nur zum ionischen Aufstand, sondern in den kleinasiatischen grie­ chischen Poleis auch zur Ausbildung isonomer Ordnungen geführt hat. Heraklit selbst äußert sich zwar teilweise durchaus traditionell-aristokratisch und in der Tradition der archaischen Elite (DK 22 B 49: „Einer ist mir Zehntausende wert“), doch vertritt er zugleich auch den Gedanken einer nicht von Geburt, Begabung oder anderen Bedingungen eingeschränkten Teilhabemöglichkeit aller Menschen an Erkenntnis und Weisheit (z. B. DK 22 B 114 und 116). An seinem Beispiel wird in den Tagungsbeiträgen auch das Verhältnis von ionischer Philosophie und politischer Ordnung diskutiert. In der politi­ schen Geschichte schlägt sich im Isonomie-Begriff ein Streben nach politischer Gleichberechtigung und der Schaffung einer auf breitere Schichten gegründe­ ten Ordnung nieder, in der alle Bürger gleichermaßen Anteil an dieser Ordnung hatten. Damit war ein Prozess in Gang gesetzt, in dem sich das politische Denken und das allgemeine Bedürfnis nach Rechtssicherheit, Gerechtigkeit und Teilhabe an der Herrschaft zu einer neuen politischen Ordnung – der Demokratie – entwi­ ckelt hat. Herodot bezeugt zwar solch isonome Bestrebungen für das Ionien der fraglichen Zeit (3, 142), doch sind seine Angaben oft als anachronistisch zurück­ gewiesen worden. Ein Thema der Tagung war auch, ob die philosophischen Zeug­ nisse – und speziell die heraklitischen Sentenzen – ihm recht geben oder nicht.

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 Einleitung

3 Heraklits philosophisches Profil Mit der von den milesischen Denkern des 6. Jahrhunderts – Thales, Anaximander, Anaximenes  – begründeten Tradition der ionischen Naturphilosophie beginnt eine Richtung des Denkens, die sich vorrangig damit befasste, Weltmodelle zu konstruieren und danach zu fragen, aus welchem Stoff und durch welches Bewegungsprinzip der Kosmos entstanden sei. Ursache und Anfang des Kosmos werden mit Analogien aus bestimmten Bereichen der Lebenswelt erklärt. Die Ein­ gebundenheit in den ‘Alltag’ zeigt sich darin, dass vielfach Erklärungs­modelle aus der belebten und unbelebten Natur, in Anlehnung an die Funktionen und die Genese des menschlichen Körpers sowie die Bereiche des menschlichen Han­ delns verwendet werden. Den hypothetisch-spekulativen Ansätzen lag die Vor­ stellung zugrunde, dass der Mikrokosmos des Menschen in Analogie zum Makro­ kosmos des Universums verstanden werden kann. Insofern ist in der ionischen Naturphilosophie zwischen mythischem und philosophischem Denken keine klare Grenze zu ziehen und ein zielgerichteter Weg ‘vom Mythos zum Logos’ nur bedingt erkennbar. Das Neue dieser Philosophie ist in dem Versuch zu sehen, auf der Grundlage gegebener Voraussetzungen eine Vorstellung von Natur und Kosmos in nachvollziehbarer Weise zu explizieren. Anders steht es mit Heraklit von Ephesos, der an sich dem gleichen kultu­ rellen Kontext Ioniens entstammt, aber im Gegensatz zur eher schlichten ‘Rationalität’ der Milesier die Ambiguität und Dialektik einer begründungsfähigen Weltauffassung deutlich werden lässt. Das Hauptproblem seiner Philosophie, das sich auch in den Beiträgen des vorliegenden Bandes – von Leonid Zhmud, Robert Hahn, Lutz Käppel, Andrei Lebedev, Marianne Garin, Martin Thurner, Aylin Cankaya und Serge Mouraviev  – in verschiedenen Brechungen spiegelt, ergibt sich aus der Frage nach dem Verhältnis von Naturphilosophie und ‘metaphysischer’ Methodologie. Dass bei ihm beides vorhanden ist, lässt sich schwer­ lich bestreiten, doch die Gewichtung dieser Perspektiven und Zugangsweisen ist nach wie vor umstritten. Das Problem hängt zwar auch, aber offensichtlich nicht nur mit dem fragmentarischen Erhaltungszustand seines Werks zusammen, sondern ist in dessen hermeneutisch-kommunikationstheoretischem Zuschnitt und in der literarischen Form der überlieferten Texte angelegt  – Versuche, die tradierten ‘Sentenzen’ für sekundär zu halten und eine ursprüngliche systema­ tisch-diskursive Darstellung für Heraklit zu postulieren, sind vorgeschlagen, aber nicht allgemein akzeptiert worden. In der Sache geht es bei ihm statt um die ἀρχή-Frage nach der Entstehung und den Gesetzmäßigkeiten des Kosmos eher um das Ineinander von Kontinuität und Veränderung, um Maß und Balance und um eine Koinzidenz der Gegensätze, die den Prozessen einer veränderlichen Welt zugrunde liegt. Weniger die Erklärung physikalischer Phänomene als vielmehr

Einleitung 

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die ‘Weisheit’, das Verständnis des Logos und der psycho-logischen Verfasstheit des Menschen, sowie die Reflexion auf die Bedingungen menschlicher Erkennt­ nis und ihrer Vermittlung stehen bei Heraklit im Vordergrund. Dieser so grundlegende Ansatz mag auch erklären, warum gerade Heraklits Philosophie ein so langes Nachleben hatte und hat. Diesem Aspekt der vielfälti­ gen Rezeption in der Antike, gehen die Beiträge von Laura Gianvittorio, Catherine Rowett, Christof Rapp, Dominic O’Meara nach, der Rezeption in Neuzeit und Moderne diejenigen von Oliver Primavesi, Renate Reschke, Pirmin StekelerWeithofer, Paul Good und Mischa Meier. Die einzelnen Beiträge präsentieren durchaus unterschiedliche Interpreta­ tionen und Analysen zu diesen Schwerpunkten – aber gerade dies ist der beste Beleg für den Sinn und die Notwendigkeit des interdisziplinären Dialogs, für den wir mit dem vorliegenden Band einen Weg anbieten. Ulrike Muss Charlotte Schubert Kurt Sier

Ulrike Muss

Ephesos und Heraklit Heraklit und seine Philosophie sind ohne das Umfeld des ephesischen Natur- und Kulturraumes nicht zu verstehen (Abb. 1 – Faltkarte, Abb. 2). In seiner Heimat­ stadt tritt Heraklit aber nicht nur mit seiner Philosophie hervor, sondern über­ liefert ist auch sein Interesse an den politischen Verhältnissen, die er kritisiert.1 Er lebte in einer Zeit, in der nach der Einnahme Ioniens durch die Perser die kleinasiatischen Satrapien von Sardes und Daskyleion gegründet wurden und perserfreundliche Tyrannen in den griechischen Städten eingesetzt waren.2 Aus Ephesos sind aus dieser Zeit zwei Tyrannen bekannt: Komas und Athenagoras.3 Allerdings hat der persische General Mardonios nach 490 v. Chr. den ionischen Städten demokra­tische Einrichtungen zugesagt, wenn gleich unklar ist, wie und wo dies im Einzelnen realisiert wurde.4 Als Sohn des Bloson, dessen Geschlecht sich auf den mythischen Stadtgrün­ der von Ephesos, Androklos, zurückführte, war Heraklit auch in die Organisa­ tion des religiösen und politischen Lebens in Ephesos eingebunden.5 An seinen Bruder trat er das Priesterkönigtum ab und vielleicht versteht sich in dem oben genannten Zusammenhang die Klage um seinen Freund Hermodoros, den die Ephesier exiliert hatten. Heraklit soll außerdem den Tyrannen Melankomas dazu überredet haben, die Tyrannis aufzugeben.6 Spätere Quellen beschreiben eine eher sonderbare Persönlichkeit und schätzen Heraklit als Misanthropen und Melancholiker ein.7 Diese Nachrichten scheinen maßgeblich für jüngere Darstel­ lungen des Philosophen zu sein, die mit Heraklit in Raffaels Schule von Athen beginnen.8 Aus antiker Zeit ist eine überlebensgroße Darstellung aus der mittle­ ren Kaiserzeit erhalten, die auf ein klassisches Original des 5. Jahrhunderts v. Chr. zurückgeht.9 Wo diese posthume Statue gestanden hat und wer sie geweiht hat,

1 Z. B. Clem. Al. Strom. 1, 14, 65, 4 = DK 22 A 3. 2 Ausführliche Diskussion von Geburt und Tod des Heraklit bei Mouraviev 2008, 110–129. 3 Libero 1996, 371–372; Fischer 2009, 3–5. 4 Meiggs 1975, 30. Am Artemision ist trotz der Änderung der politischen Verhältnisse nach 547 v. Chr. keine Bauunterbrechung zu bemerken. Muss 1994, 29–30; 98–99. 5 Diog. Laert. 9, 1, 6 = DK 22 A 1. Nach einer anderen Überlieferung war er Sohn des Herkon. 6 Huxley 1966, 140; Snell 1983, 46–47; Ellinger 1985, 37–39; 7 Diog. Laert. 9, 6, 4 = DK 22 A 1; Diogenes zitiert hier Theophrast als Zeugen für die Melancholie des Heraklit. 8 Raphael, Schule von Athen (1510/11), Fresko in der Stanza della Segnatura. 9 1885 auf der Agora von Gortyn gefunden, heute im Museum von Chania. Lippold 1911; Del­ brück 1912, 31, Nr. 14; Frel 1969, 17–37; Mouraviev 2003, 46–47.

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 Ulrike Muss

Abb. 2: Blick über die Ruinen von Ephesos: Theater, Arkadiane, Hafenbecken, Blick auf das Meer.

ist nicht bekannt. Sie zeigt einen stehenden Philosophen mit langem Haar und Bart, der ein seine linke Schulter bedeckendes Himation und Sandalen trägt. In der linken Hand hält er eine Keule, die beim klassischen Original der Knoten­ stock des Bürgers war.10 Die Tracht, das lange Haar sowie der Gebets(?)gestus der 10 Dieser wurde bei der Kopie zu einer Keule umgestaltet. Auch auf den Münzen ist eine Keule zu sehen, allerdings wird diese hier im Arm gehalten. Lippold 1911, 155 vermutete, dass diese wegen des an Herakles anklingenden Namen verwendet worden ist.



Ephesos und Heraklit 

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Abb. 3: Statue des Heraklit aus Gortyn.

rechten Hand ließen Jiří Frel auf den Status des Heraklit als „Basileus“ schliessen (Abb.  3).11 Dieselbe Ikonographie findet sich auf einer Handvoll Darstellungen des Heraklit auf den Rückseiten ephesischer Münzprägungen.12

11 Das lange Haar ist literarisch nicht bezeugt, aber archäologisch für das 4.  Jh. v. Chr. etwa mit der Darstellung des kleinasiatisch-karischen Dynasten Mausolos belegt. Für zeitgenössische Darstellungen von Philosophen Metzler 1971, 267–273. 12 Sie stammen aus der Zeit des Antoninus Pius, Alexander Severus, Geta, Philippus und Galli­ enus. Vgl. die Titelvignette Herakleitos von Ephesos bei DK mit Rückseitenbild einer in Ephesos geprägten Kupfermünze des Philippus I. aus der Sammlung des British Museum. Das am besten

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 Ulrike Muss

Heraklit stammte zwar aus dem gleichen kulturellen Kontext Ioniens wie die drei milesischen Denker des 6. Jahrhunderts, Thales, Anaximander und Anaxi­ menes, die sich damit befassten, Weltmodelle zu konstruieren und danach zu fragen, aus welchem Stoff und durch welche Bewegung der Kosmos entstanden sei13, bei Heraklit steht aber Ambiguität und Dialektik im Mittelpunkt. Ihn scheint in der Flut der Wahrnehmungsmöglichkeiten nicht die Frage nach der Entste­ hung und den Gesetzmäßigkeiten des Kosmos zu interessieren, sondern die nach Kontinuität und Veränderung, Maß und Balance und die nach der Koinzidenz der Gegensätze, die den Prozessen einer veränderbaren Welt zugrunde liegt. Als eine Voraussetzung für Heraklits Philosophie darf seine Beobachtung des Naturrau­ mes in Ephesos gelten.14 Die mäandrierenden Flüsse mit den Auenlandschaften und die sich stetig verändernde Küstenlinie lassen ihn die alltägliche Erfahrung von Wandel und Wechsel der Umwelt aufnehmen. Auch heute sind hier dieselben kurzzeitigen Veränderungen innerhalb eines Lebensalters erfahrbar.

1 Der Naturraum Wie keine andere Landschaft im östlichen Mittelmeer wird Ionien von drei großen, auf weite Strecken schiffbaren Flüssen geprägt: dem Mäander bei Priene15, dem Kaystros in Ephesos, der heute Küçük Menderes (Kleiner Mäander) genannt wird und dem Hermos (modern Gediz), der nördlich von Izmir fließt (Abb.  4). Alle drei mündeten in tiefe Meeresbuchten, die sich im Laufe der Zeit auffüllten (Abb. 1, 2).16 Im 5. Jahrhundert v. Chr. beschreibt Herodot nicht nur das paradie­ sische Klima Ioniens,17 sondern bei der Beschreibung Ägyptens auch diejenigen Flüsse, die Ebenen angeschwemmt haben. Da heißt es: „Denn die Ebene zwi­ schen den genannten Gebirgen über Memphis hinaus ist, wie mir scheint, einst ein Meerbusen gewesen, ähnlich etwa wie das Gebiet um Ilion, um Teuthrania, Ephesos und die Ebene des Maiandros, soweit man diese kleinen Flächen mit großen überhaupt vergleichen kann […]“.18 erhaltene Exemplar gehört in die Zeit Diadumenians. Gorny & Mosch 2001, 61, Nr. 4215 (Hinweis St. Karwiese). 13  Heitsch 2007. 14 Allgemein zu seiner Naturauffassung: Diog. Laert. 9, 5–6; S. Emp. adv. math. 7, 132–33; Hippol. Haer. 9, 9, 3 = DK 22 B 1, B 2. 15 Herda 2013. 16 Hütteroth 1982, 64–67; Hueber 1997, 6–10; Greaves 2010a, 1–9; Höpfner 2011, 13–18. 17 Hdt. 1, 142. 18 Hdt. 2, 10 (Übers. Josef Feix).



Abb. 4: Umgebung von Ephesos.

Ephesos und Heraklit 

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 Ulrike Muss

Die historische Geographie von Ephesos ist durch die Lage der Stadt an der Meeresküste und am unteren Delta des Kaysterflusses charakterisiert. Durch die Lage an der Küste werden die säkularen Meeresspiegelschwankungen wirksam und im Delta spielen Erosion, Verlandung und der Grundwasserspiegel eine Rolle. Das Kaysterdelta ist heute hoch und weit verschüttet, das Artemision liegt mehrere Meter unter dem Grundwasserspiegel. Die säkularen Meeresspiegelschwankungen haben die kleinasiatische Küste weithin gekennzeichnet. Sie sind die Folge sowohl großer Klimaschwankungen als auch räumlich begrenzter tektonischer Veränderungen der Erdkruste. Seit etwa 20 000  Jahren ist ein globaler Temperaturanstieg nachweisbar, der ein Schmelzen des Eises an den Polen zur Folge hatte und den Meeresspiegel um etwa 100 m ansteigen ließ. Dieser Vorgang bewirkte ein langsames Absinken des Küstengebietes Westkleinasiens in die Ägäis.19 Lesbos, Chios und Samos, noch bis etwa 9000 v. Chr. (frühes Neolithikum) mit dem Festland verbunden, wurden zu Inseln.20 Dieses Ansteigen der Temperatur bzw. des Meeresspiegels fand gegen Ende der späten Bronzezeit ein Ende. Eine relative Kälteperiode setzte ein. In archaischer und klassischer Zeit erwärmt sich das Klima erneut und erreicht offenbar im 4. Jahrhundert v. Chr. ein Maximum.21 Für die historische Zeit lassen sich durch die Überschwemmungen der Bauten im Küstenbereich Kleinasiens Werte aufstellen, die in zwei Faktoren gegliedert sind: einen eustatischen Faktor (Veränderungen des Meeresspiegels) und einen lokalen, tektonischen Faktor. Messungen bestätigten, dass der Meeresspiegel seit römischer Zeit um ein bis zwei Meter gestiegen ist, aus diesem Grund liegen viele antike Ruinen an der kleinasiatischen Küste heute unter oder im Wasser (Abb. 5). Die Deltaforschungen der letzten Jahrzehnte haben gezeigt, dass es zwei Perioden gab, in welchen Erdanschwemmungen im Mittelmeergebiet sehr hoch waren: Der eine Abschnitt gehört der prähistorischen Zeit an, der andere den letzten eintausend Jahren. Die Verlandung der ephesischen Ebene stammt aus der zweiten Periode.22 Während Menschen als Verursacher für das Steigen und Fallen des Mee­ resspiegels nicht in Betracht kommen, kann die Verlandung des Kaysterdeltas durch Rodung, künstliche Bewässerung und landwirtschaftliche Bodennut­ zung mitverursacht worden sein.23 Die heute sichtbare Verlandung der Meeres­

19 Bammer 1988, 58–65. 20 Andel/Shakleton 1982, 445 ff., Abb. 2 und 3. 21 Bammer 1964/65. 22 Vita-Fintzi 1978, 58; Bammer/Muss 1996, 21–24. 23 Zu dieser Thematik allgemein Bilitza 1973; Butzer 1982; Wagstaff 1987; Bammer 1988, 57–69.



Ephesos und Heraklit 

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Abb. 5: Artemisionareal im Wasser. Im Bildhintergrund der Ayasoluk mit Zitadelle und den Ruinen der Johannesbasilika.

bucht entstand vor allem durch Rodungen der römischen und byzantinischen Zeit.24 So wie die Kaystrosbucht in Ephesos (Abb.  6) verlandeten etwa zwischen 1500 v. Chr.  – 500 n. Chr. alle Mündungsbuchten westanatolischer Flüsse, von der Bucht des Skamander vor Troja im Norden, bis zur Mündung des Dalyan beim antiken Kaunos im Süden. Tektonische Bewegungen und Brüche, ein Senken der Landmassen sowie Meeresspiegelschwankungen führten in den folgenden Jahr­ tausenden zur Überflutung der Täler, so dass tief ins Landesinnere reichende Buchten entstanden und die Ausläufer der Gebirgszüge zu Inseln wurden.25 Die Buchten sind heute durch Erosion zu breiten, fruchtbaren Ebenen aufgefüllt, durch die sich die Flüsse bis zu ihrer in jüngster Zeit erfolgten Regulierung mit

24 Die Entwaldung in moderner Zeit wurde aber vor allem dadurch gefördert, dass die sich bil­ dende Macchie durch die Überweidung im Mittelalter hintangehalten wurde. Eisma 1964; Eisma 1978; Hütteroth 1982, 134–136; Bammer/Muss 1996, 21–24. 25 Güldah 1979, 186 ff. mit Abb. 46.

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Abb. 6: Karte von Ionien.

Kanälen träge gewunden haben.26 Mit Schleifen und Windungen haben sie immer wieder ihr Bett verändert und in den Regenperioden weiteres Schwemmmaterial antransportiert und abgesetzt (Abb. 1, 2).27 Ephesos selbst lag in einem alten Bruchtal, in das nach dem Ende der letzten Eiszeit das Wasser langsam wieder einfloss.28 Dieses Tal war um 4000 v. Chr. – zur Zeit der höchsten Erwärmung – bereits vollständig von Wasser bedeckt. In

26 Zur Dominanz der Flüsse im Landschaftsbild siehe auch ältere Karten, etwa die von Pition de Tournefort „Voyage du Levant“ 1717 bei Lessing/Oberleitner 1978, 513, Abb. 111. 27 Das Bett des Kayster ist nach der Kanalisierung des Flusses nur mehr rudimentär zu erken­ nen. Vgl. das Satellitenbild der 1960er Jahre mit der alten Situation bei Scherrer 1995, 9. 28 Benndorf 1906, 90ff; Güldah 1979, 186 f.



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der Bucht bildeten sich mehrere Inseln bzw. Halbinseln, so der heutige Ayaso­ luk und die Syrie (heute Korudağ oder Korutepe, i. e. trockener Hügel). Das Meer reichte damals knapp bis zum westlichen Fuß des Ayasolukhügels und östlich des Panayirdağ weit in ein Seitental hinein (Abb. 1, 4).29 Während die Berge am Nordrand der Bucht, die Inseln und Hügel südlich des Panayir-und Bülbüldağ weitgehend aus kristallinem Kalk bestehen, teilweise sogar aus Marmor, war das Ostende bis hinauf in den Bereich des heutigen Dorfes Şirince weitgehend aus Schiefergestein gebildet (Abb. 1 – Kirkindsche). Nur am südwestlichen Ende der ephesischen Bucht liegen zwei Hügel aus Kalkmergel mit einem noch bis in jüngste Zeit genutzten Steinbruch, dem Iğdelitepe (Abb. 1 – linker Bildrand).30 Den Naturraum im Bereich der ephesischen Bucht gestalteten vor allem die Flüsse. Durch sie wurde das Schwemmmaterial von den Bergen in die Bucht getra­ gen. Der größte Fluss, der Kayster, entspringt weit im Inneren des Landes bei dem modernen Ort Ödemiş und fließt nördlich von Ephesos ins Meer. Die Schwemm­ ebene des Kayster ist durch Dünenbildung entstanden.31 Hinter den Dünen bilde­ ten sich Lagunen, die sich langsam auffüllten (Abb. 1, 13).32 Neben dem Kayster kennen wir weitere kleinere Flüsse oder Bäche. Einer kommt aus dem Şirince-Tal (Abb.  1  – Kirkindsche Boğazı), es ist wohl der in der Antike Klaseas genannte Fluss. Aus dem Tal im Südosten gelangte außerdem viel Schwemmmaterial über den Fluss Marnas (Abb. 1 – modern Dervend Dere) in die Ebene. Ein weiterer Bach, der Selinus (Selenus in Abb. 1), verursachte Überschwemmungen im Bereich des Heiligtums der Artemis. Für die Schifffahrt eignete sich nur der Kayster im Winter zur Regenzeit, auf ihm konnte auch der Marmor zum Bau des Artemistempels auf Flößen herange­ bracht werden. Die Marmorsteinbrüche lagen im Hinterland von Ephesos: einer an der Nordseite des Kayster gegenüber dem heutigen Dorf Belevi, der andere in der Nähe des Kayster (Abb. 1, 4)33. Der schönste weiße Marmor kam von einem Berg, der Kuşini (Vogelhöhle) heißt, sein Abbau erfolgte unterirdisch in einer

29 S. auch die Abbildungen bei Kraft u. a. 2001, Taf. 6; Brückner u. a. 2008, 22, Abb. 5. 30 Heute Gemi Tepe. Dieser Sandstein wurde für alle frühen Bauten im Artemision verwendet. Seit einigen Jahren ist das Gelände Schutzgebiet. Kerschner/Prochaska 2011, 79, Abb. 5. 31 Eisma 1962, 234–236. In den Lagunen, die der Kayster vom Meer abgeschnitten hatte, mischte sich das Salzwasser mit dem Süßwasser. 32 So findet sich bei Grabungen im Artemision immer wieder schwarzes Erdmaterial, das nicht von einem Brand, sondern von Sumpfpflanzen stammt. Die Schwemmebene selbst füllte sich etwa ab 800 n. Chr. auf, wie eine C 14 Untersuchung von Holz aus dem Artemision ergeben hat. Bis etwa 1400 n. Chr. erfolgte dann ein rapider Anstieg des Materials, in den letzten 500 Jahren dagegen betrug dieser nur mehr etwa einen Meter. Eisma 1962. 33 Bammer u. a. 2013, 99–101. Er wird nach dem heutigen Besitzer Aytekin genannt.

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großen Höhle.34 Waren die Mauern vor dem 6.  Jahrhundert v. Chr. aus Schie­ fer und Kalkmergel gebaut, verwendete man jetzt zum Bau des monumentalen Tempels der Artemis zum ersten Mal Marmor.35 Zur Zeit Heraklits war die ephesische Bucht im Wesentlichen noch ein Meer, nur an den nördlichen Abhängen des Galesiongebirges bildeten sich bereits Sümpfe und Seen. Zwei der drei Sümpfe werden im 1.  Jh. v. Chr. von Strabon erwähnt. Von einem nennt er den Namen, Selinusia36. Sie gehörten zum Besitz des Heiligtums der Artemis. Heute liegen drei Binnenseen wie große Pfützen in der Landschaft, die beiden Lagunen (Göbekkilise Gölü und Akgöl oder Cakalboğaz Gölü genannt) beim heu­ tigen Dorf Zeytinköy37 und ein weiterer Sumpf bzw. See (Alaman Batakliği oder Alaman Gölü genannt) (Abb. 1). Das bedrohte Vogelparadies wird jetzt durch die moderne Straßenverbindung Pamuçak – Ahmetbeyli geteilt. Diese Sümpfe und Seen vermitteln einen Eindruck vom Aussehen der antiken Lagunenlandschaft (Abb. 7). Homer kennt den Kayster mit seiner Vogelwelt. In der Ilias heißt es: Τῶν δ’ ὥς τ’ ὀρνίθων πετεηνῶν ἔθνεα πολλὰ χηνῶν ἢ γεράνων ἢ κύκνων δουλιχοδείρων Ἀσίω ἐν λειμῶνι Καϋστρίου ἀμφὶ ῥέεθρα ἔνθα καὶ ἔνθα ποτῶνται ἀγαλλόμενα πτερύγεσσι κλαγγηδὸν προκαθιζόντων, σμαραγεῖ δέ τε λειμών (Hom. Il. 2, 459–463). Gleich unzähligen Scharen gefiederter Vögel: wie Gänse Kraniche oder die Schwäne mit langen Hälsen im Schwarme Über Asiens Feld, um die Wasser des Flusses Kaystros Hier und dort in stolzem Fluge die Schwingen entfalten Und mit Gekreische sich lagern; vom Lärme dröhnen die Auen (Übers. Hans Rupé).

Die Verse der Ilias enthalten etwas Bemerkenswertes: Homer nennt Asien, das hier zum ersten Mal fassbar wird und ein Fluss wird als Kayster angeführt. Homer kennt aber nicht nur die Topographie, er erwähnt auch die Auen, die für einen Uferwald, einen ‘Feuchtwald’ in der Nähe von Flüssen oder Seen stehen. 34 Bammer 2000, 437–444; Bammer u. a. 2013, Abb. 2, 5, 6. 35 Vgl. den Beitrag von Anton Bammer in diesem Band. 36 Strab. 14, 1, 26: Μετὰ δὲ τὴν ἐκβολὴν τοῦ Καΰστρου λίμνη ἐστὶν ἐκ τοῦ πελάγους ἀναχεομένη (καλεῖται δὲ Σελινουσία) καὶ ἐφεξῆς ἄλλη σύρρους αὐτῇ  – „Nach der Mündung des Kaystros kommt ein aus dem Meer ins Land hineinreichender See – er wird der Selinusische genannt – und anschließend noch einer, der mit ihm in Verbindung steht“ (Übers. Stefan Radt). Zur mög­ lichen Lage: Scherrer 2007, 322, Abb. 1 zwischen Artemision und der Insel Syrie; Stock u. a. 2014, 56 f. lokalisieren weiter westlich. 37 Engelmann 2001, 41.



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Abb. 7: Winterlagune mit Strandsituation nördlich von Ephesos. Im Bildvordergrund Narthexstaude und Asphodill. Im Hintergrund die Mykale.

Heraklit macht in drei Fragmenten einen Fluss bzw. mehrere Flüsse zum Thema. In DK 22 B 12: ποταμοῖσι τοῖσιν αὐτοῖσιν ἐμβαίνουσι ἕτερα καὶ ἕτερα ὕδατα ἐπιρρεῖ – Denen, die in dieselben Flüsse hineinsteigen, strömen andere und wieder andere Wasser­ fluten zu.

In DK 22 B 49a: ποταμοῖς τοῖς αὐτοῖς ἐμβαίνομέν τε καὶ ἐμβαίνομεν, εἶμέν τε καὶ οὐκ εἶμεν – In dieselben Flüsse steigen wir und steigen wir nicht, wir sind und wir sind nicht.

In DK 22 B 91: ποταμῶι γὰρ οὐκ ἔστιν ἐμβῆναι δὶς τῶι αὐτῶι –

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Man kann nicht zweimal in denselben Fluss steigen.38

Schon in der Antike verstand man den Fluss in diesen Fragmenten als ein Sinn­ bild für die kontinuierliche Veränderung der gesamten Wirklichkeit.39 Die Phi­ losophen haben die sogenannten Flussfragmente jedoch nicht immer notwen­ dig als den ‘Fluss aller Dinge’ gesehen, sondern sie auch als Beitrag zum Thema ‘Gegensätze’ verstanden.40 Der „fruchtbare Schlamm“, feinster Boden ohne Steine und Geröll, bringt den Menschen landwirtschaftlichen Reichtum, schreibt viel später Plinius41 und weiter heißt es an anderer Stelle: „[…] es entsteht nämlich neues Land, aber nicht nur durch die Anschwemmung der Flüsse […] und nicht nur durch den Rückzug des Meeres […] sowie zu Ephesos, wo es einst den Dianatempel umspülte“.42

38 DK 22 B 91 vollständig: ποταμῶι γὰρ οὐκ ἔστιν ἐμβῆναι δὶς τῶι αὐτῶι καθʼ Ἡράκλειτον οὐδὲ θνητῆς οὐσίας δὶς ἅψασθαι κατὰ ἕξιν · ἀλλ’ ὀξύτητι καὶ τάχει μεταβολῆς σκίδνησι καὶ πάλιν συνάγει (μᾶλλον δὲ οὐδὲ πάλιν οὐδʼ ὕστερον, ἀλλ’ ἅμα συνίσταται καὶ ἀπολείπει) καὶ πρόσεισι καὶ ἄπεισι  – „Man kann nicht zweimal in denselben Fluß steigen nach Heraklit und nicht zweimal eine ihrer Beschaffenheit nach identische vergängliche Substanz berühren, sondern durch das Ungestüm und die Schnelligkeit ihrer Umwandlung zerstreut sie sich und sammelt sich wiederum und naht sich und entfernt sich“. (Übers. DK) 39 Rapp 1997, 76–78. 40 Taran 1999; Rapp 1997, 74–76 für die Echtheit der Flusslehre. Viele Forscher, die sich mit Ephesos beschäftigen, können angesichts des Landschaftsbildes nicht umhin, an Heraklit zu denken und so wird nicht nur das panta rhei (ungeachtet der Tatsache, dass die Formel vom ‘Ewigen Fluß’ von einem Großteil der Heraklitforschung als unecht gewertet wird, vgl. Rapp 1997, 73), sondern auch einige andere Sequenzen, die sich mit Wandel und Wechsel assoziieren las­ sen, gerne zitiert und den Beiträgen vornean gestellt. Benndorf 1906, 13 (DK 22 B 36); Bammer 1988, 9, 57, 70. Auch die naturwissenschaftliche paläogeologische und paläogeographische For­ schung zu Ephesos nimmt Heraklit gerne als Gewährsmann für die dynamischen Prozesse der Veränderung, etwa Kraft u. a. 2007, 121 („Introduction“). Brückner u. a. 2008, 21 schreiben zu ihren geoarchäologischen Forschungen: „Es ist faszinierend festzustellen, dass dies zu den Sze­ narien passt, die sich aus Archäologie, klassischer Literatur und sogar legendärer Überlieferung ableiten lassen“. Zuletzt Stock u. a. 2014, 36–38. Nach dieser Lektüre gewinnt man den Eindruck, dass Ephesos aus einer Bohrlöcherlandschaft besteht, die man mit literarischen Quellen zu ver­ stehen versucht. Dazu die Kritik von Greaves 2010, 35. 41 placidus omnesque eos agros fertilissimo rigans limo. (Plin. nat. 5, 113) 42 Plin. nat. 2, 201.



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2 Die Fauna Einige in antiker Zeit belegte Echsenarten sind ausgestorben, grünschillernde Smaragd- und Zauneidechsen, große sog. Siedleragamen und Geckos lassen sich aber auf heißen Steinen, Felsen und Wänden beobachten.43 Der überall vorhandene Laubfrosch passt seine Farbe der Umgebung von Dunkelgrau bis Gelblichweiß changierend an. Von den in Ephesos heimischen Schlangen sind viele  – besonders die Nattern (Würfel-, Montpelliernattern, Äskulap- und Rin­ gelnattern) – im Ruinengelände von Ephesos nur mehr schwer zu entdecken.44 Giftige Vipern finden sich auch heute noch, gegen ihren Biss kannte man in antiker Zeit mehrere Arten der Aristolocheia (Osterluzei), die ihren Namen ihrem mythischen Entdecker Aristoloches verdanken.45 Diesem offenbarte Artemis, als beim Bau des Tempels zahlreiche Arbeiter von Schlangen gebissen wurden, die Heilkräfte dieser Pflanze. Blindschleichen, Molche, Kröten, besonders Kammund Teichmolche, Schlammtaucher und Wechselkröten sowie die große Erdkröte finden auch in dem morastigen Tümpel des ehemaligen antiken Hafens ihren Platz. Große grüne Frösche und Kröten bevölkern zu Hunderten die Tümpel im Artemision und quaken allabendlich ihren Chor. Neben den überall zu beobach­ tenden Landschildkröten sind hier auch Wasser- bzw. Sumpfschildkröten hei­ misch, die gerne auch ein Sonnenbad nehmen (Abb. 8). Auch die ephesische Vogelwelt ist noch heute mannigfaltig. Nebelkrähen, Eichelhäher, Lerchen, Weißkehlsänger, Schwalben, Bienenfresser46, Blauracken47, blauglänzende Eisvögel48, Buntspechte, Turtel- und Felsentauben bevölkern Sträucher, Bäume und Felsspalten in und um Ephesos, ebenso Falken sowie Eulen und Steinkautze als lautlose Raubvögel der Nacht. Störche nisten heute auf Säulen, Minaretten und Aquädukten, oft sieht man sie in der Kaysterebene auf Futtersuche (Abb. 9). Hier finden auch Reiher Nahrung; die noch bis vor zwanzig Jahren in den Winterlagunen fischenden roten Flamingos scheinen verschwun­ den zu sein.49

43 Lessing/Oberleitner 1978, 89, Anm. 80, 249 für die lateinischen Namen (Bestimmung durch Petra Wolff). Keller 1909, 284–305 (Schlangen). 44 Lessing/Oberleitner 1978, 89–91. Im Artemision sind Ringelnattern noch häufiger anzutref­ fen. 45 Murr 1890, 191–192. 46 Merops apiaster. Keller 1913, 69. 47 Coracias garula, auch Mandelkrähe genannt. Keller 1913, 67. 48 Alcedo hispida. Keller 1913, 55–60. 49 Lessing/Oberleitner 1978, 90; Keller 1913, 193–197 (Storch).

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Abb. 8: Sumpfschildkröten im Artemision.

In der Antike wie heute finden sich im Sumpf- und Buschgebiet sowie auf den Bergen um Ephesos Wildschweine – der Eber spielte auch eine Rolle in der Grün­ dungslegende von Ephesos –, dagegen sind Wildziegen und der Damhirsch, der wegen seines weiß gefleckten Felles Abbild des Sternenhimmels und Begleitung der Mondgöttin ist und auch zur ephesischen Artemis einen Bezug aufweist, nicht mehr auszumachen. Auch die Schakale – noch vor wenigen Jahrzehnten in Ephesos allabendlich mit ihrem Geschrei zu hören – sind heute verschwunden.50 Wolf, Braunbär, Leopard und Löwe – zu Heraklits Zeiten vorhanden – sind heute auch auf den Samsundağları, dem antiken Mykalegebirge, unweit südlich von Ephesos gelegen, nicht mehr zu finden (Abb. 6, 7).51

50 Benndorf 1906, 205. 51 Keller 1909, 24–62. Der sog. kleinasiatische Leopard, eine Unterart des Leoparden (pan­thera pardus tulliana), dessen Fang und Bejagung seit der Antike ununterbrochen stattgefunden hat, ist heute ausgestorben. Kasparek 1990, 62–73. Einer der letzten Vertreter seiner Art gelangte schwimmend nach Samos und wurde dort erschossen. Verewigt hat diese Katze Alki Zéi in ihrem 1964 veröffentlichen Roman To kaplani tis vitrinas (‘Der Leopard in der Vitrine’), der im Samos der 1930er Jahre spielt. Das ausgestopfte Tier ist heute im Museum von Mitilini zu sehen.



Abb. 9: Storch mit Jungen auf der Artemisionsäule.

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Ein Blick auf die Tierwelt zur Zeit Heraklits ist auch durch die in den archai­ schen Schichten des Artemisions aufgefundenen Tierknochen möglich, die vom Ritual des Tieropfers stammen. Neben Wildtieren wie Löwen, Wildschweinen, Wölfen, Füchsen, Braunbären, Rot- und Damwild sowie Feldhasen, sind Schafe, Ziegen, Rinder und Schweine,52 aber auch Pferde und Esel- und Hunde(-welpen) nachgewiesen.53 Wilde Tiere wurden vielleicht auch in einem Gehege, einem παράδεισος gehalten.54 Bei den Reptilien finden sich Schildkröten und die Riesensmaragdeidechse, bei den Amphibien der Seefrosch55. Unter den Vögeln kommen Haushuhn, Ente, Gans, Steinhuhn, Fasan, Ringel­ taube, Purpurhuhn, Zwergohreule, Afrikanischer Strauß und der Nonnenkranich vor56. Dieser lässt sich vielleicht in Zusammenhang mit dem Kultgeschehen im Artemision verstehen, könnte er doch eine ähnliche Bedeutung gehabt haben wie auf Delos, wo ein eigener Kranichtanz, der geranos, überliefert ist, dessen Rhythmus dem Gebaren der Kraniche nachgeahmt war.57 Im Areal des Altares der Artemis wurden aus der Zeit des Heraklit außerdem auch Menschenknochen gefunden, die vielleicht zu dem von Hipponax überlieferten Pharmakosritual gehören.58

3 Die Flora Für die Flora zur Zeit Heraklits existieren ebenfalls Evidenzen aus den archai­ schen Schichten des Heiligtums der Artemis. Laubabwerfende Bäume wie Eichen und Steineichen, Olivenbäume, Ulmen, Ahorn, Pinien, Platanen, Eschen, Pappeln, Aleppokiefern, Erdbeerbäume, Ginster, Tamarisken, Keuschschlamm, Wachholder, Johannisbrotbäume sowie Weinreben, Geißblätter, Traubenkerne und Kernobst konnten mit den bei den Ausgrabungen geborgenen Holz- und

52 Forstenpointner 2001; Muss in Druck. 53 Bammer u. a. 1978, 107–117; Riezler 1993; Forstenpointner u. a. 2005; Forstenpointner u. a. 2008. 54 Galter/Käppel 2000. Für eine Beschreibung der Pflanzen- und Tierwelt im Artemision zu Be­ ginn des 20. Jhs. s. Benndorf 1906, 205. 55 Krachler 1993, 63–110. 56 Grus leucogeranus. Keller 1913, 208. 57 Krachler 1993, 95. 58 Hipponax 5–10W./26–30Deg.; 6 Deg. = Tzetz. Chil. 5, 728–758. Murr 1890, 34–35; Nilsson 1957, 107–108; Bammer u. a. 1978, 107–108; Bammer 1988, 39; Muss 1994, 47.



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Abb. 10: Blühender Lygos im Artemision.

Holzkohleresten bestimmt werden.59 Auch Feigenbäume und Gerste sind belegt.60 Im Gelände des Artemisions dürfte es einen Alsos, einen heiligen Hain gegeben haben, dessen Bäume durchaus nicht gepflanzt worden sein müssen, sondern auch als natürliches Landschaftsbild zum Heiligtum gehört haben können. Diese Art der Baumverehrung mit dem Wissen um Entstehen und Vergehen der Natur lässt sich mit vielen Göttern verbinden.61 Auch heute lassen sich in der ephesischen Landschaft Pflanzen, Sträucher und Bäume entdecken, die zur Zeit Heraklits existiert haben.62 Platanen, Pappeln, 59 Popovtschak 2001; Schoch 2011. 60 Popovtschak 2001, 204 f., Abb. 4 und 5. 61 Früheste literarische Zeugnisse für Haine stammen aus der Ilias und der Odyssee, vgl. Il. 2, 505–506 (Poseidonheiligtum von Onchestos); Od. 6, 291–294; 321–322 (Hain für Athena im Land der Phäaken). Krenn 1996; Hoster 2004, 92–136; Mylonopoulos 2008, 60–63. Von einem ἄλσος, in dem verschiedenen Baumarten, besonders Zypressen, wachsen, berichtet Strabon (14, 1, 20) für Ortygia, den legendären Geburtsort der Artemis und des Apoll, der von einigen Forschern im Tal von Arvalya lokalisiert wird (Benndorf 1906, 76–79; auch Karwiese 1995, 11, 79, 85; vgl. Abb. 1). 62 Lessing/Oberleitner 1978, 78–80; Tayler 1984; Schoch u. a. (in Druck).

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Aleppokiefern, Lorbeerbäume und der überall wachsende Oleander gehören ebenso dazu, wie der Keuschlammstrauch, der griechisch Lygos und lateinisch vitus agnus castus heißt (Abb. 10). Er ist heiliger Baum weiblicher Gottheiten, wie der Hera und der Artemis.63 Man findet Mastix, mit dessen Zweigen sich Artemis bekränzte,64 Zistrosen und Myrte, die heilige Pflanze der Aphrodite.65 Besonders aber prägen die vielen Narthexstauden, ein Riesenfenchel (lat. ferula communis) das Landschaftsbild. Hesiod berichtet, Prometheus habe in ihrem Stengel das Mark zum Glosen gebracht und damit den Menschen das Feuer geschenkt.66 Narthexstauden dominieren die ephesische Landschaft nicht nur im Früh­ ling, wenn ihre gelben Blüten alle anderen Pflanzen überragen, sondern auch im Sommer, wenn sie ausgetrocknet gegen den Himmel stehen (Abb. 7, 11). Die vielen Frühlingsblumen können hier gar nicht alle aufgeführt werden.67 Anemo­ nen setzen weiße, blaue und rote Farbklekse; in der Antike sah man in ihnen die Tränen, die Aphrodite über den Tod des Adonis weinte.68 Weiß und gelb blühen Asphodill und Asphodeline (die sog. Junkerlilie) als Blumen der Unterwelt;69 Iris und Orchideen, Schwertlilien, Sumpflilien (Abb.  11), Glockenblumen (campanula), Berglavendel (ebenus), Crocus und Judasbäume.70

4 Die Entstehung des Heiligtums der Artemis Ein ‘Seismograph’ für die Küsten- und die Sedimentationsveränderungen ist das Heiligtum der Artemis, dessen Ruinen einen Großteil des Jahres unter Wasser stehen (Abb. 5). Wahrscheinlich lag das Gelände des Heiligtums mit seinen Gebäuden und Ruinen im frühen Mittelalter noch frei,71 im Lauf der Zeit wurde es von den Sedi­ menten der Flüsse verschüttet und verschwand so vollständig in der Auenland­ schaft.

63 Murr 1890, bes. 100–104. 64 Murr 1890, 66 f. 65 Murr 1890, bes. 84–91. Der für das archaische Artemision nachgewiesene Johannisbrotbaum kommt heute erst weiter südlich im Samsundağı Nationalpark bei Kuşadası vor. Schoch 2011. 66 Hes. Th. 5, 567; Murr 1890, 231–232. 67 Lessing/Oberleitner 1978, 80. 68 Murr 1890, 265–266. 69 Murr 1890, 188–240. 70 Polunin/Huxley 1968. 71 Zu den nachantiken Nutzungsperioden Vroom 2005; Weißl 2008, 9 f.



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Abb. 11: Blick auf den Panayirdağ von Osten, im Vordergrund Sumpflilien und Narthexstaude.

Heute liegt das Artemision in der Nähe des Westrandes des 87 m hohen Ayasoluk­ hügels, der in der Antike ein Inselrücken war. Die hellenistisch-römische Stadt ist etwa 2 km entfernt (Abb. 1, 17). Das Meer, das sich zur Zeit des Heraklit am Rande des Tempels befand, ist heute ca. 8 km von diesem entfernt. Das Heiligtum liegt in einer tiefen Grube, an deren Rändern man die im Lauf der Zeit entstandenen Ablagerungen erkennt. Diese sind durch die Verlandung entstanden, aber auch durch die Rodungen des Hinterlandes, die die damit erfolgten Erosionen beschleunigt und beeinflusst haben. Durch die verschie­ denen Phasen der Ausgrabungen ist dieser Prozess sichtbar geworden: bei der Entdeckung des Platzes durch John T. Wood (1869–1874),72 durch die erste Inter­ vention der Österreicher (1895) mit Otto Benndorf und Carl Humann und bei den Grabungen (1965–1994) von Anton Bammer (Abb. 12).73 72 Wood 1877, Tafeln nach S. 191; Weißl 2008, 51, Abb.  2; Bammer/Muss 1996, 15 (Abb. 8), 16 (Abb. 10), 18 (Abb. 13); Muss u. a. 2001, 4, Abb. 5 und Abb. 6; Bammer 2008, 59, Abb. 3. 73 Bei der 1965 gelungenen Entdeckung des Hofaltares – er war zusätzlich noch unter mächti­ gem Aushubmaterial der Grabung Woods versteckt – war die Situation deutlich zu sehen. Vgl. Bammer 1961/63; Bammer/Muss 1996, Abb. 77; Muss u. a. 2001, Abb. 12–21. Die Bezeichnung des Artemisionplatzes als ‘englische Grube’ („Ingiliz çukur“) bei den Einhei­ mischen, erinnert noch heute an die Entdeckung des Platzes vor über hundert Jahren durch die englischen Ausgräber. Das Grabungsgeschehen, so wie es z. B. mit dem Schutt aus der Grabung von John T. Wood sichtbar ist, der sich heute noch im Norden des Vorplatzes des Ruinengelän­

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Abb. 12: Altargrabung 1968. Fundament und Alluvium, Blick von Nordosten.

Die naturräumliche Situation und die Ausdehnung des Heiligtums sind von zwei Faktoren beeinflusst: dem Meer und den Bächen bzw. Flüssen, die von Osten kommend innerhalb des Heiligtums oder an ihm vorbei in das Meer flossen (Abb.  1). Die beiden monumentalen Marmordipteroi (der archaische, sog. Kroi­ sostempel und der Tempel des 4. Jahrhunderts v. Chr., der ab dem späten Helle­ nismus zu den Weltwundern zählte) und die diesen vorausgehenden Heiligtümer wurden in einer Küstenlandschaft auf den Delta- und Schwemmfächersedimen­ ten der Bäche Selinus und Marnas erbaut (Abb. 13).74 Der kleine Wasserlauf des Selinus strömt aus dem Tal nördlich des Tavşantepe in Richtung Westen auf das Artemision zu, der Marnas (heute Dervent) fließt aus Richtung Magnesia – über das heutige Camlik – in das Tal (Abb. 1). Literarische Quellen erwähnen die Flus­ sauen des Selinus und Marnas im Bereich des Artemisions. Xenophon schreibt im 5. Jahrhundert v. Chr.: „Zufällig floss durch dieses Grundstück ein Bach Selinus.

des auftürmt, trägt ganz unmittelbar zur Darstellung der modernen Geschichte im Artemision­ bereich bei. Der archäologische Befund in diesem heiligen Bezirk vermittelt sowohl kurzzeitige Ereignisse als auch mittelfristige und langzeitliche Veränderungen und damit gleichzeitig dyna­ mische und auch statische Aspekte. 74 Brückner u. a. 2008, 30.

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Abb. 13: Küstenlinien, Ephesos und Ayasoluk.

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Auch in Ephesos fließt am Tempel der Artemis ein Selinus vorbei, und in beiden Gewässern gibt es Fische und Muscheln“.75 Auch Strabon erwähnt in der ersten Hälfte des 1. Jahrhunderts n. Chr., dass der Selinus am Artemision vorbeifließt.76 In der späten Bronzezeit (ca 1300/1200 v. Chr.) verlief die Küstenlinie genau dort, wo zur Zeit Heraklits der erste monumentale Marmortempel errichtet wurde (Abb.  13).77 Das frühe Heiligtum befand sich in sumpfigem Gelände und am Übergang zum Meer inmitten einer üppigen Vegetation. Als ein Ausgangspunkt des Kultes wurde eine Süßwasserquelle an der Südwestecke des Altarbereichs unmittelbar am Ufer des Meeres vermutet,78 das Heiligtum besaß auch einen von alters her verehrten Eichenbaum, so beschreibt es die Gründungslegende des hellenistischen Dichters Kallimachos. Es sind die Amazonen, die unter dem Stamm dieses Baumes das erste hölzerne Kultbild am Rande des Meeres aufstel­ len.79 Wasser spielte im Heiligtum der Artemis von Ephesos in jeder Hinsicht eine herausragende Rolle.80 Der spätbronzezeitliche und eisenzeitliche heilige Bezirk lag nicht nur inmitten der Natur, sondern auch im Bereich eines Flüsschens, wohl des oben erwähnten Selinus, bei dessen Mündung sich ein kleiner Hügel befand (Abb. 13). Überschwemmungen versuchte man zurückzuhalten indem man Ter­ rassen aufschüttete und Böschungsmauern gegen das Wasser errichtete.81

75 Xen. an. 5, 3, 8 (Übers. Walter Müri). Archestratos von Gela (fr. 143, ed. Lloyd-Jones/Parson) erwähnt in der 2. Hälfte des 4. Jhs. die sparus aurata, die wir Goldbrasse oder Dorade nennen, die sowohl in Salz- als auch Süß- und Brackwasser gedeihen kann. Dieser Fisch schwamm beim Artemision in den Selinus. Auch die fischreichen Seen beim heutigen Zeytinköy gehören von alters her zum Heiligtum. Engelmann 2001, 41. 76 Strab. 8, 7, 5: „Durch die Stadt der Aigier fließt der Fluss Selinus, gleichnamig […] dem zu Ephesos am Artemistempel fließenden […]“. (Übers. Christoph Gottlieb Groskurd) 77 Kraft u. a. 2001; Kraft u. a. 2007; Brückner u. a. 2008, 22, Abb. 5. 78 Muss u. a. 2001, 35–37. Diese Annahme wurde durch eine neue geologische Untersuchung nicht bestätigt (http://www.oeai.at/index.php/Paläogeographie [Helmut Brückner]). Dies mag daran liegen, dass die vermutete Stelle der Quelle bis zu einer Tiefe von – 1,50 m ausgehoben und rezent mit Erde verfüllt wurde. Eine Dokumentation war wegen des ungeheuren Wasserandran­ ges an dieser Stelle nicht möglich. 79 Call. Dian. 237–250: „Dir haben auch die Amazonen, Liebhaberinnen des Krieges, an der Küste in Ephesos ein hölzernes Kultbild aufgestellt unter dem Stamm eines Eichenbaumes, voll­ endet aber dir ein Heiligtum Hippo. Darum tanzten die Amazonen selber, o Herrscherin Oupis, zunächst den Waffentanz mit ihren Schilden, dann aber stellten sie sich im Kreis zu einem weite­ ren Reigen auf.“ (Übers. Markus Asper) Pausanias (7, 2, 7) nennt ebenfalls (Pindar zitierend) die Amazonen als Verehrerinnen der Artemis. Zu den Amazonen zuletzt Schubert/Weiß 2013. 80 Bammer/Muss 2006a. 81 Forstenpointner u. a. 2008, 33–34.



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Während ein kleiner Ringhallentempel spätgeometrischer Zeit82 auf einem Gelände lag, welches ausschaute wie ein ins Meer vorstoßender Sporn, lag der zu Heraklits Lebenszeit gebaute monumentale Marmortempel der Artemis zwar in unmittelbarer Meeresnähe, er stand schon auf halbwegs solidem Grund (Abb. 13).83 Die Westorientierung dieses Tempels – zum Untergang der Sonne im Meer hin –, welche sich bei den meisten Kultstätten im Artemision beobachten lässt, teilt der archaische und spätklassische Tempel der Artemis von Ephesos mit den Heiligtümern von Magnesia und Sardes (vgl. Abb. 1 im Beitrag von Anton Bammer). Diejenigen Kultbauten, die im Zentrum des Artemisions liegen, sind im Laufe der Jahrhunderte an derselben Stelle übereinander errichtet worden. Der am höchsten gelegene Bau war der spätklassische Tempel des 4.  Jahrhunderts v. Chr., er liegt 2, 70 m über dem archaischen Tempel der Heraklit-Zeit auf einem hohen Podium, welches ihn vor dem im 4. Jahrhundert wieder stark ansteigen­ den Meeresspiegel und dem Alluvium schützt.84 Damit lag er etwa 5 m höher als der älteste Kultbau, der kleine Peripteros (Abb. 14) Wahrscheinlich lag ein Hafen bereits von frühester Zeit an in der Bucht unmittelbar nördlich des Artemisions (Abb. 13, 15), dieser war bis in das 4. Jahr­ hundert v. Chr. verwendbar.85 Die Verlandung der südlichen Bucht unmittelbar beim Artemision hat jedenfalls noch im 5. Jahrhundert v. Chr. eingesetzt. Auch die Meeresbucht zwischen dem Artemision und dem Panayirdağ wurde bereits zur Zeit Heraklits eine Lagune, die spätestens im 2. Jahrhundert n. Chr. vollständig verlandet war.86 Die ältesten Artefakte, die im Heiligtum geborgen wurden, stammen aus der späten Bronzezeit. Sie wurden unter dem ersten Ringhallentempel, dem kleinen Peripteros des 8.  Jahrhunderts v. Chr. und östlich von diesem freigelegt.87 Hin­ weise auf Kulthandlungen bereits im zweiten Jahrtausend geben vor allem Reste von Tonfiguren, von denen sich ein Kopf zusammen mit anderen Fragmenten zu einer Göttin mit erhobenen Händen rekonstruieren lässt, wie wir sie aus anderen Gegenden der griechischen Welt kennen.88

82 Bammer 1990; Bammer 2003. 83 Der archaische Tempel steht auf dem Alluvium des Selinus. Stock u. a. 2014, 50–57. 84 Bammer 1964/65; Bammer 1972. 85 Stock u. a. 2014, 37, 56. Zur Nennung eines heiligen Hafens (beim Artemision gelegen?) Kreo­ phylos bei Athenaios 8, 62, 361c–e. 86 Brückner u. a. 2008. Zur paläographischen Entwicklung der Ephesia http://www.oceai.at/ index/php./Paläographie.html (Helmut Brückner). 87 Muss 2005; Forstenpointner u. a. 2008. 88 Muss 2001b; Muss 2007, 170–177.

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Abb. 14: Spätgeometrischer Peripteros und Tempel des 4. Jhs. v. Chr.

Aus einer Aufschüttung für den Bau des oben erwähnten ersten Tempels der frühen Eisenzeit, des Peripteros, stammen mehr als 1000 Gefäßfragmente pro­ togeometrischer Zeit (spätes 11.  Jahrhundert bis ca. 900 v. Chr.).89 Miniaturge­ fäße und Darstellungen von Rindern aus diesem Kontext beweisen, dass es im Areal des Artemisions einen Kultplatz gab.90 Für das Ritual dieser Zeit ist auf­ fällig, dass sich bereits in diesen protogeometrischen Schichten Knochen und Zahnfragmente sehr junger Ferkel finden, die nicht geschlachtet wurden und auf frühe Beziehungen zu Kultformen chthonischer Göttinnen verweisen.91 Nach Strabon haben die ionischen Einwanderer den Kult der eleusinischen Demeter nach Ephesos mitgebracht und es ist – nach den Evidenzen der Tierknochen – möglich, dass das Thesmophorienfest in dieser frühen Zeit an der Stelle des Arte­ misions gefeiert wurde. Die Keramik aus der Aufschüttung enthält auch importierte Gefäße aus Athen, die eine große Bedeutung für die Diskussion über die Anfänge der Besied­

89 Forstenpointner u. a. 2008, 33–34. 90 Kerschner 2003; Muss 2005; Muss 2007; Forstenpointner u. a. 2008; Muss (in Druck). Mit die­ sem Kult und dem Fest der Thesmophorien ist die Ermordung der schiffbrüchigen Chier nach der Seeschlacht bei Lade im Jahr 494 v. Chr. verbunden. Vgl. den Beitrag von Charlotte Schubert in diesem Band. 91 Muss 1994, 46–49; Forstenpointner 2001; Muss (in Druck).



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Abb. 15: Archaischer Artemistempel mit columnae caelatae und eingefügten Fragmenten.

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lung der ostägäischen Küstenregion durch die Ionier hat,92 aber auch die Bezie­ hungen zu einer möglichen Siedlung auf dem Ayasoluk beleuchtet. Auch dort lässt sich ab dem 11. Jahrhundert griechische importierte Keramik im Fundspek­ trum nachweisen.93 Erste größere bauliche Aktivitäten lassen sich im Zentrum des Hofes der beiden Marmortempel im 8. Jahrhundert nachweisen.94 Hier entsteht ein kleiner peripteraler Tempel mit 4 × 8 Säulen aus Grünschiefer und einer von sechs Säulen umstandenen Basis im Inneren (Abb. 1 im Beitrag von A. Bammer). Im Umkreis dieser Basis fanden sich mehr als 600 Bernsteinobjekte, deren Rohmaterial zum großen Teil aus dem Baltikum stammt und wahrscheinlich von phönikischen Handwerkern aus Italien und Kreta in Ephesos geschnitzt wurde. Dieser Bau wurde durch eine Überflutung des Heiligtums am Ende des 7. Jahrhunderts zer­ stört.95 Eine große Blütezeit erlebte das Heiligtum in der 2. Hälfte des 7. und in der ersten Hälfte des 6. Jahrhunderts. Über den oder die Kultträger dieser Zeit wissen wir sehr wenig.96 Die Gaben an die Göttin(nen?) des ephesischen Heiligtums zeugen von materiellem und symbolischem Gabentausch der Besucher des Hei­ ligtums, sie spiegeln religiöse Vorstellungen und das soziale Umfeld der Kultteil­ nehmer und Stifter wider.97 Das Fundspektrum zeigt, dass das Einzugsgebiet des Artemisions vor allem Lydien und auch Phrygien ist.98 Sog. ‘fremde Weihungen’, Importe von außerhalb Kleinasiens, gelangten nur ganz vereinzelt in das Arte­ mision, sie stammen aus dem Balkan, dem Kaukasus, Ägypten und Phönikien.99

92 Kerschner 2003; Muss 2005. 93 Büyükkolancι 2000 und 2005; Kerschner 2003 und 2006. Der Gründungsmythos ist überlie­ fert bei Str. 14, 1, 3; Paus. 7, 2, 8–9; Ephor. FGrHist 70 F 126; Pherecyd. FGH 1 fr. 111 (ed. Müller); St. Byz. Ethn. (Epit.) p.  163 Meineke. Hier wird u. a. ein Kodride namens Androklos als Führer eines athenischen Auswanderungszuges genannt, der eine Stadt mit dem Namen Koressos oder Ephesos gegründet hat. Der Gründungsmythos bei Athenaios (8, 62, 361 c–e), der sich auf Kreo­ phylos bezieht, ist mit einem Athenatempel verbunden: Genannt werden außerdem ein Tempel der Artemis bei der Agora sowie ein Tempel des Apollo Pythios beim Hafen. Archäologisch sind diese Heiligtümer nicht nachgewiesen. 94 Bammer 1982; Bammer 1990. Ein ebenfalls existierender Vorgänger dieses Peripteros aus dem 8., eventuell dem 9. Jh. besaß in Anlehnung an phönikische Tempel aus Zypern einen drei­ schiffigen Innenraum. Bammer/Muss 2014, 55–60; Bammer 2015, 86–87. 95 Bammer/Muss 2014. 96 Die frühesten Quellen, die den Namen Artemis für die Gottheit des Heiligtums belegen, fin­ den sich bei Hdt. 1, 26. 97 Muss 2001, passim; Muss 2008, passim; Seipel 2008, passim. 98 Klebinder-Gauß 2007; Pülz 2009. 99 Klebinder-Gauß/Pülz 2008.



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Beispiele für die Überreste von Kulthandlungen finden sich im gesamten Grabungsareal, viele sind direkt bei den Vorgängerbauten des archaischen Dip­ teros (des sog. Kroisostempels) gefunden worden, etwa beim Hekatompedos100, besonders aber bei kleinen Opferplätzen (Kultbasen genannt), bei denen Votive und Tierknochen auch zusammen mit der Asche der Opferhandlungen ausge­ graben wurden (Abb. 1 und Abb. 10 im Beitrag von Anton Bammer).101 Bei den Votiven handelt es sich fast ausnahmslos um kleine bis winzige Objekte.102 Neben Schmuckobjekten und Fibeln sind besonders die vielen Tierdarstellungen103 und die weiblichen Statuetten aus Gold, Elfenbein, Ton und Bronze von Bedeutung, die Göttinnen darstellen.104 Die während der Lebenszeit des Heraklit entstan­ dene Bauplastik des ersten monumentalen Marmortempels zeigt auf den columnae caelatae, reliefierten Kuben und Säulentrommeln, einen Prozessionszug von Menschen und Tieren, die zu einer Opferhandlung schreiten (Abb. 15).105 Auf dem figürlich gestalteten Fries der Sima106 lassen sich Darstellungen von Persern bei einem Festzug für Artemis belegen, offenbar wird mit diesen im frühen 5. Jahr­ hundert entstandenen Bildern gezeigt, dass diese am Kultgeschehen teilnehmen (Abb. 16).107

100 Bammer/Muss 2009b. 101 Bammer/Muss 2009a. 102 Muss 2008, passim; Seipel 2008, passim. 103 Klebinder-Gauß 2007; Pülz 2009. 104 Hogarth 1908; Muss 2008, 63–66; Seipel 2008. Zu Artemis als Potnia Theron Muss 2008b. 105 Muss 1994, 43–56. 106 Muss 1994, 79–88. 107 Muss 1994, 111 f.; Scheer 2003, 70 f. weist darauf hin, dass sich keinesfalls nachweisen lässt, dass die Artemis von Ephesos spätestens seit Dareios von den Persern verehrt wird. Erst mit Thukydides (8, 160) findet sich der Hinweis, Tissaphernes habe der Artemis geopfert. Nach Scheer wird die angebliche Ehrfurcht der Perserkönige vor der Artemis von Ephesos nur aus der Tatsache der Verschonung des Heiligtums während des ionischen Aufstandes und aus dem bei Xenophon (An. 5, 3, 4–7) erstmals für Ephesos erwähnten „Megabyzos“ konstruiert. Muss 1994, 43–56, bes. 52 f. Zu Persern und griechischen Heiligtümern Funke 2007.

Abb. 16: Rekonstruktion des Simenfrieses und Fragment mit Perserdarstellung.

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5 Der Kultur- und Siedlungsraum Die meisten frühen Siedlungsplätze im Bereich von Ephesos liegen am Südrand der ephesischen Bucht (Abb. 1, 17). Diese tiefe Bucht mit ihren Seitenbuchten hat schon früh Menschen angezogen und so entstanden Siedlungen, wie der Cuku­ riçi Höyük und der Arvalya Höyük. Der Cukuriçi Höyük liegt am westlichen Rand der als Kulturland genutzten Mündungsebene des Marnas (Dervent Dere) im Süd­ osten des Panayirdağ bzw. am Hang des Bülbüldağ, etwa 500 m vom Magnesi­ schen Tor der hellenistisch-römischen Stadt entfernt (Abb. 17). Der zweite prähis­ torische Siedlungsplatz befindet sich in dem Nord-Süd gerichteten, heute Arvalya genannten Tal an der Westseite des Bülbüldağ.108 Für den Ayasolukhügel (Abb.  18) ist eine Besiedlung von der mittleren Bronze­zeit bis in die Eisenzeit mit Keramikfunden zu vermuten, die ein chro­ nologisches Spektrum vom 3. Jahrtausend bis in das 6. Jahrhundert v. Chr. erge­ ben.109 Er scheint der am längsten besiedelte Platz im ephesischen Gebiet zu sein. Bei den meisten Forschern gilt er heute als Platz für die in hethitischen Quellen genannte Stadt Apaša, die Hauptstadt des Landes Arzawa, das der hethitische König Mursili 1342 v. Chr. bekriegte (Abb. 1, 13, 17).110 Am Nordabhang des Ayaso­ luk ließ sich ein frühes Quellheiligtum vermuten.111 Reste einer Quadermauer wurden in das 2. Jahrtausend datiert und sollen zur Festungsmauer von Apaša gehören, welches wohl eher einer Burg ähnelte.112 Da der Ayasoluk neben dem Heiligtum der Artemis, das in unmittelbarer Nähe am Westfuss des Hügels liegt, der einzige Fundplatz des 11.–9. Jahrhunderts v. Chr. im Gebiet von Ephesos ist, kann er auch der Ort der ersten frühen Siedlung der Griechen sein, wie dies zuerst von Otto Benndorf vermutet worden ist.113 Für die spätgeometrische und archaische Zeit sind mehrere Siedlungskerne archäologisch belegt oder indirekt erschlossen worden. Zwischen dem Bülbüldağ

108 Während die Untersuchungen des Cukurici Höyük inzwischen bis in Neolithikum reichen (Horejs u. a. 2011), hat die vorläufige Datierung für den Arvalya Höyük nach Untersuchungen der Archäologen des Ephesos-Museums in Selçuk ein Datum im 3. Jahrtausend ergeben (Evren/ Içten 1997). 109 Büyükkolancı 2000, 39–41, Abb. 12. Zudem auch Büyükkolancı 2005 und 2007, 22–23, Abb. 2. 110 Büyükkolancι 2001; 2005; 2007, 21. Anders Bammer 1999 und 2000. Sarah P. Morris hat vor­ geschlagen (Morris 2001, Morris 2008), die Göttin von Apaŝa, mit der in Linear B-Texten aus Pylos genannten Potnia Aswiya zu identifizieren. 111 Bammer/Muss 2007. 112 Büyükkolanci 2000, 2005, 2007. 113 Benndorf 1906, 25. Diesem Modell zur historischen Topographie des frühen Ephesos mit einer Siedlung auf dem Hügel von Ayasoluk hatte sich Anton Bammer angeschlossen, s. Bammer 1964/65. Jetzt auch Büyükkolancı 2000 und 2007; Kerschner u. a. 2008, 121 f.

Abb. 17: Historische Topographie von Ephesos in spätgeometrischer und archaischer Zeit.

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Abb. 18: Ansicht des Ayasolukhügels von Südwesten.

im Süden, der die Stadtmauer trägt, und dem Panayirdağ im Norden liegen die Ruinen der hellenistisch-römischen Stadt (Abb. 1, 17). Der westlich des Panayirdağ gelegene Bereich der Stadt in der Ebene liegt heute auf alluvialen Ablagerungen in der Nähe des hellenistisch-römischen Hafens. An dieser Stelle entstand um 750 v. Chr. und damit etwa gleichzeitig mit dem ersten Ringhallentempel im Artemision eine Siedlung mit Häusern, die bis zum Ende des 6. Jahrhunderts v. Chr. bestand. Sie liegt unter dem Westteil der römischen Tetragonos Agora und damit mitten im Gebiet des hellenistisch-römischen Ephesos.114 In archaischer Zeit reichte das Meer bis an die Stelle des späteren Westtores der Agora (Abb. 17 Nr. 1), damit lag die ausgegrabene Fläche – es sind etwa 300 m2 – zu dieser Zeit im Bereich eines Strandes.115 Nachgewiesen wurden sechs Bauphasen, die in die Zeit von der Mitte des 8. bis in die Mitte des 6.  Jahrhunderts v. Chr. gehören.116 Die in der letzten Bauphase vorhandenen Hofhäuser wurden im Verlauf des 6. Jahrhunderts v. Chr.

114 Scherrer/Trinkl 2006, 59–64. 115 Damit kann aber nicht die ursprüngliche Ausdehnung erfasst sein, da unklar ist, ob und in wieweit sich die Bebauung an den Hängen des Bülbüldağ hinaufzog. 116 Hier entstanden nach Holzpfostenbauten rechteckige Einraumhäuser und ein Ovalhaus mit zentralem Grubenherd. Scherrer/Trinkl 2006, 59–64.

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aufgegeben.117 Die Entdeckung dieser Siedlung durch Gerhard Langmann und Peter Scherrer gehört zu den bedeutendsten für die Frühgeschichte von Ephesos, da alle weiteren frühen Siedlungen im Gebiet der späteren Stadt Ephesos und in der Nähe des Artemisions nur indirekt erschlossen werden können. Der außerhalb der hellenistischen Stadtmauern liegende nördliche Bergrü­ cken des Panayirdağ weist an seiner Ostflanke tiefe Schluchten auf. Hier lag an der Stelle eines längeren Küstenstreifens ein Hafen.118 In diesem Gebiet, in der Umgebung des späteren Stadions und auf dem in der Frühzeit weit ins Meer vor­ springenden Kap (das vom sog. Akropolishügel oder Macellum bis zum sog. Fels­ spalttempel reicht), hat in den 1920er Jahren Josef Keil eine Siedlung lokalisieren wollen. Allerdings ergaben seine Gräben ausschließlich Keramik des späten 8. bis 6.  Jahrhundert v. Chr. aber keine baulichen Überreste.119 Keils Siedlungsmodell wurde in den letzten Jahren auch auf den nordwestlichen Ausläufer des Panayirdağ ausgedehnt, fanden sich doch auch in den Planierschichten des römischen Vedi­ usgymnasiums Scherben der spätgeometrischen und archaischen Epoche (Abb. 17 Nr. 5).120 Ebenso wird hier eine Besiedlung mit einer spätgeometrisch-archaischen Aufschüttung unter wenigen Häusern des 4.  Jahrhunderts v. Chr. angenommen, die in den letzten Jahren unmittelbar oberhalb des Meterheiligtums ausgegraben wurden (Abb. 17 Nr. 6).121 Hier befinden sich auch die lange bekannten Reste einer spätarchaischen Stadtmauer (Abb. 17).122 Eine Siedlungskontinuität in klassischer Zeit wird auch anhand der ebenfalls in sekundärem Kontext geborgenen attischen und attisierenden Keramikfragmente angenommen.123

117 Auf Grund des steigenden (Grund-)Wassers? Bis in das beginnende 3.  Jh. v. Chr., als der Platz für die Anlage der lysimachischen Neustadt Arsinoeia diente, war das Gebiet teilweise ein Handwerkerquartier. Scherrer/Trinkl 2006, 69–76. 118 Kraft u. a. 2000; Stock u. a. 2014, 57 (dort „koressian harbour“ genannt). 119 Keil 1922/24; Keil 1926, 250–256. Keil vermutete hier damals die erste Ansiedlung der ein­ wandernden Ionier. 120 Kerschner u. a. 2008, 21–23. 121 http://www.oeai.at/index.php/vorhellenistisches-ephesos.html (Michael Kerschner). Der Befund ist noch nicht ausführlich publiziert. Im Meterheiligtum sind Inschriften nicht vor dem Ende des 5. Jahrhunderts nachgewiesen. 122 Kerschner u. a. 2008, 116. Kerschner gibt (Anm.  123) einen terminus post quem von 500 v. Chr. für die Mauer und spricht von einer Fläche von 9 ha, die diese eingrenzte. 123 Kerschner u. a. 2008, 124–126. Die Identifikation der angenommenen Siedlung am Panayirdağ als Koressos ist keinesfalls sicher. Vgl. die Zusammenfasssung der Koressos­dis­kus­ sion von Martin Steskal in Kerschner u. a. 2008, 11 f., bes. 19 f. Besonders Kerschner (25 ff. und bes. 109–116) nimmt eine vorschnelle historische Interpretation vor. Ältere Vorschläge wie Bammer 1961/63, 136–143; Alzinger 1967; Brein 1976/77 sind nicht ‚vom Tisch‘. Vgl. die Rezensio­ nen zu Kerschner u. a. 2008: Gassner 2009; Rogl 2009; Greaves 2010b.



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Für die archaische und klassische Zeit lassen außerdem eine spätarchaische Nekropole unter dem Staatsmarkt (Abb. 17 Nr. 3)124 und die Gräber des 5. Jahrhun­ derts v. Chr. unter dem Hanghaus II dort in der Nähe zu lokalisierende Siedlun­ gen vermuten, wie dies Peter Scherrer und Elisabeth Trinkl getan haben (Abb. 17 Nr. 4).125 Für das 6.  Jahrhundert ist nicht nur die Baugeschichte des Artemisions, sondern auch die Siedlungsgeschichte von Ephesos mit der Person des Lyder­ königs Kroisos verbunden. Kroisos griff nach seiner Thronbesteigung als erste der kleinasiatischen Küstenstädte Ephesos an, wie Herodot berichtet.126 Zur Zeit des Tempelbaues scheint eine Verfassungsänderung in Ephesos vorgenommen worden zu sein. Kurz vor 553 v. Chr. wurde ein adeliger Athener namens Aristar­ chos von ephesischen Verwandten nach Ephesos gerufen.127 Unter Aristarchos kam es offenbar zu einer siedlungstopographischen Veränderung und einer Phylenreform; eine solche lässt sich in Ephesos aus den für das 4. Jahrhundert v. Chr. überlieferten Phylen- und Chiliastiennamen erschliessen.128 Diese auch als „Synoikismos des Kroisos“ bezeichnete Zusammenlegung129 geht möglicher­ weise auch aus Strabon hervor, bei dem es heißt, dass bis in die Zeit des Kroisos an einer Bergseite gewohnt wird (dem Westhang des Ayasoluk) und man später vom Berghang herabstieg und bis zu Alexander um den Tempel herumwohnte.130 Die Siedlung, die durch Kroisos um die Mitte des 6.  Jahrhunderts v. Chr. einen

124  Langmann 1967. 125 Scherrer/Trinkl 2006, 337, Plan 3 (mit Fragezeichen); Mohr 2007; Scherrer 2007, 324, Abb. 2. 126 Hdt. 1, 26. Die Belagerung von Ephesos spiegelt deutlich das Interesse des Kroisos an Ephe­ sos. Der von ihm belagerte Tyrann Pindaros, der sein Neffe war, rät den Ephesiern, die Stadt durch ein Seil mit dem Artemision zu verbinden. Diese Seilverbindung hat offenbar zweierlei Bedeutung: Auf der einen Seite die, die Stadt als unverletzbares Eigentum der Artemis zu erklä­ ren, wie dies auch von Polyainos (strat. 6, 50) berichtet wird, zum anderen auch eine Verbindung mit Kroisos selbst herzustellen, der durch ein Gelübde mit Artemis bereits verbunden war. In den literarischen Quellen ist die Stadt ein Anhängsel des Heiligtums und das scheint sie auch für Kroisos gewesen zu sein. Zu der nicht ganz unproblematischen Chronologie im Hinblick auf die Nabonid-Chronik II, 15–18 (ed. Grayson): Bichler 2004, 213; ausführliche Übersicht zur For­ schungsdiskussion bei Rollinger 1993, 188–197. 127 Suda, s.v. „Aristarchos“ ( οὗτος τὴν ἐν Ἐφέσῳ μόναρχον εἶχεν ἐξουσίαν ἐκ τῶν Ἀθηναίων ἥκων κλητός. ἐκάλουν δὲ ἄρα αὐτὸν οἱ προσήκοντες, ὅτι ἐμμελῶς τε καὶ σὺν κηδεμονίᾳ αὐτῶν ἦρξεν ἔτεσι εʹ. ὑπανέστη δὲ ἐκ τῶν Ἀθηναίων, ὅτε Ἅρπαγος Κῦρον τὸν Καμβύσου παῖδα ἐπὶ τὴν σὺν Πέρσαις ἀπόστασιν ἐπάρας ἔτυχεν). Libero 1996, 371 mit Anm. 27; Fischer 2009. 128 Muss 1994, 28, Anm. 167; Mohr 2007, 306, Anm. 26. 129 Dazu zuletzt Kerschner u. a. 2008, 123 f. 130 Strabo 14, 1, 21 (C. 640).

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enormen Aufschwung genommen haben muss, wird im Südwesten des Tempels vermutet.131 Für einen Siedlungskern beim Artemision und am Osthang des Ayasolukhü­ gels (Abb. 17 Nr. 7) wurden auch die am östlichen Hangende des Ayasoluk liegen­ den Gräber angeführt, die vom 7. bis zum 4. Jahrhundert v. Chr. genutzt wurden, ebenso die Sarkophagbestattungen des 5. Jahrhunderts v. Chr., die gleich außer­ halb des sog. Tores der Verfolgung bei der Johanneskirche aufgefunden wurden.132 Wie könnte Ephesos zur Zeit des Heraklit ausgesehen haben? Während sich das Artemision schon vor seiner Lebenszeit zu einem bedeutenden Kultzentrum entwickelte, das überregionale Bedeutung gehabt haben muss, zeigen archäolo­ gische Zeugnisse und Vermutungen, dass die Vorstellungen von der urbanisti­ schen Entwicklung von Ephesos noch sehr eingeschränkt sind. Zusammenhän­ gende großräumigere Bebauung lässt sich nirgendwo nachweisen; sowohl für die geometrische als auch für die archaische und klassische Zeit ist von mehreren Siedlungskernen auszugehen, von denen nur ein einziger unter der Tetragonos Agora zumindest auf einer Fläche von etwa 300 m2 ausgegraben werden konnte (Abb. 17 Nr. 1). Weder die Größe noch die Bedeutung der Siedlungen lässt sich bis heute genauer erschließen, nach der Blütezeit des Heiligtums der Artemis bereits in der zweiten Hälfte des 7. Jahrhunderts und der ersten Hälfte des 6. Jahrhun­ derts beurteilt, können sie nicht ganz unbedeutend gewesen sein. Für das Artemision ist eine noch heute im Stadtplan von Ephesos deutlich sichtbare topographische Konstante anzuführen. Es ist die in spätarchaischer Zeit angelegte Straße, die sog. Kuretenstraße, deren Verlauf vom Ostende des Staatsmarkts (sog. Obere Agora) bis in den östlichen Teil der Tetragonos Agora nachgewiesen ist. (Abb. 17 Nr. 2). Sie war bis zum Ende des 4. Jahrhunderts v. Chr. eine Gräberstraße. Ihr Verlauf blieb bei der Planung und Ausführung des helle­ nistisch-römischen Stadtplanrasters unangetastet. Ihre mögliche Anbindung an

131 Anders Özyiyit 1988, 95 f., der davon ausgeht, dass die archaische Stadt immer an derselben Stelle lag, wie die hellenistisch-römische, auch die Stadtmauern datiert er in das 5.  Jh. v. Chr. und er lehnt die Annahme einer Siedlung um das Artemision auch aufgrund der dort sumpfigen Situation ab. Mohr 2007, 303, 320; Rubinstein 2004, 1072. Die von Keil 1930, 34–38 angeführten keramischen Evidenzen klassischer Zeit aus einer Versuchsgrabung südlich des Artemisions las­ sen sich nicht als Evidenzen für eine archaische Siedlung an dieser Stelle anführen, ebensowe­ nig die Bohrungen İlhan Kayans (Kayan 1999, 375 f., Taf. 58), bei denen unklar ist, ob sie nicht innerhalb der Temenosgrenzen des Heiligtums liegen. Hueber 1997, 38 und Scherrer 1999, 381 interpretieren diese Evidenzen als Siedlungsbefunde, vermuten aber gleichzeitig eine Siedlung am Westhang des Ayasoluk. 132 Scherrer/Trinkl 2006, Plan 3; Mohr 2007; Içten/Evren 1997, 85 ff. Zu dieser Gräberstraße ge­ hören vielleicht auch die von Stefan Karwiese bei Bauarbeiten beobachteten „hellenistischen Bauglieder“ (Karwiese 1995, 67).



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den vermuteten archaisch-klassischen Siedlungskern in der Ebene beim Artemi­ sion und an das Temenos der Artemis kennen wir nicht. Michael Mohr, der auf ihre Bedeutung im Zusammenhang mit der Diskussion um die Lokalisierungen früher Siedlungen hingewiesen hat, führt die Heilige Strasse an der Westflanke des Panayirdağ entlang zum Artemision, welches immer außerhalb aller Siedlun­ gen verblieb (Abb. 1, 17).133

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 Ulrike Muss

Abbildungsnachweise Abb. 1: nach Forschungen in Ephesos I (1906), Anhang. – Abb. 2: nach İlhan Kayan, „Kayıp Denizi Keşfetmek“, in: Atlas Dergi 161 (2006), 136.  – Abb.  3: nach J.  A. Sakellarakis, Heraklion. Das Archäologische Museum 2005, 144. – Abb. 4: nach Höpfner 2011, 17, Abb. 3. – Abb. 5: Foto A. Bammer, 1980er Jahre.  – Abb.  6: nach Höpfner 2011, Abb.  4.  – Abb.  7: Foto U. Muss 2014.  – Abb. 8: Foto U. Muss 2012. – Abb. 9: Foto U. Muss 2013. – Abb. 10: Foto U. Muss 2008. – Abb. 11: Foto U. Muss 2014. – Abb. 12: Archiv A. Bammer. – Abb. 13: nach Kraft u. a. 2001, Taf. 6. – Abb. 14: Zeichnung A. Bammer.  – Abb.  15: nach Krischen 1956, Taf. 58 und Jenkins 2006, 57, Abb.  38, 39. – Abb. 16: nach Jenkins 2006, 59 und Muss 1994, Abb. 101. – Abb. 17: nach Scherrer 2007, 324, Abb. 2. – Abb. 18: Foto U. Muss 2012.

Zusammenfassung Heraklit stammte zwar aus dem gleichen kulturellen Kontext Ioniens wie die drei milesischen Denker des 6. Jahrhunderts, Thales, Anaximander und Anaximenes, die sich damit befassten, Weltmodelle zu konstruieren und danach zu fragen, aus welchem Stoff und durch welche Bewegung der Kosmos entstanden sei, bei Heraklit steht aber Ambiguität und Dialektik im Mittelpunkt. Ihn scheint in der Flut der Wahrnehmungsmöglichkeiten nicht die Frage nach der Entstehung und den Gesetzmäßigkeiten des Kosmos zu interessieren, sondern die nach Kon­ tinuität und Veränderung, Maß und Balance und die nach der Koinzidenz der Gegensätze, die den Prozessen einer veränderbaren Welt zugrunde liegt. Als eine Voraussetzung für Heraklits Philosophie darf seine Beobachtung des Naturrau­ mes in Ephesos gelten. Die mäandrierenden Flüsse mit den Auenlandschaften und die sich stetig verändernde Küstenlinie lassen ihn die alltägliche Erfahrung von Wandel und Wechsel der Umwelt aufnehmen. Auch heute sind hier diesel­ ben kurzzeitigen Veränderungen innerhalb eines Lebensalters erfahrbar. Als ein ‘Seismograph’ für die Küsten- und die Sedimentationsveränderungen ist dabei das Heiligtum der Artemis zu verstehen, dessen Ruinen einen Großteil des Jahres unter Wasser stehen. Im Gegensatz zum Naturraum erschließt sich der ephesi­ sche Kulturraum mit seinen Siedlungen bis heute nur schwer, so dass unsere Vor­ stellung von Ephesos zur Zeit des Heraklit noch sehr lückenhaft ist.

Anton Bammer

Der Artemistempel von Ephesos – Intellekt und Macht Das Artemision wurde 1870 von John Turtle Wood entdeckt und ausgegraben,1 danach vom Britischen Museum 1904/5 unter David Hogarth und Arthur E. Hendersen weiter untersucht.2 Von 1965 bis 1994 wurden die Grabungen unter meiner Leitung durchgeführt. Die erste Bauaufnahme des archaischen Artemis­ tempels erfolgte durch Wilhelm Wilberg nach dem Beginn der österreichischen Ausgrabungen in Ephesos 1895,3 eine weitere Studie hat 1982 Wilfried Schaber durchgeführt;4 eine neuere Bauuntersuchung stammt von Aenne Ohnesorg.5 Als Präambel möchte ich festhalten: Die neuen Techniken, die sich beim Bau des Artemistempels beobachten lassen, sind Einzelpersonen, Künstlern oder Phi­ losophen zu verdanken. Sie sind nicht über einen Diskurs – wie er in der Politik möglich war – zustande gekommen, sondern durch Kreativität und Spontanität. Diese Sicht wird von den modernen Bearbeitern der samischen (siehe unten) und parischen Architektur6 und denen des ephesischen Tempels und Altares7 geteilt; die Kunst des Artemisions wird aber jetzt auch mit anderem Forschungsansatz erforscht, bei dem die Überlieferungen in der antiken Literatur außer Acht gelas­ sen werden sollen.8 Am älteren Tempel der Artemis wurde spätestens seit der Thronbesteigung des Kroisos um 560 v. Chr. gebaut. Wenn Heraklit um 540 v. Chr. geboren sein sollte, so hat er viele Jahre den Baufortschritt des Heiligtums beobachtet, in seiner Lebenszeit waren bereits die Arbeiten an der Sima und somit auch am Dach in Arbeit. Heraklit hatte sicher eine Baustellensituation vor sich. Es gibt keine Nach­ richt darüber, ob er sich für den Tempelbau in irgendeiner Form interessiert hat, das Artemision ist aber der einzige Platz, den wir sicher benennen können, an dem er physisch anwesend war. Nach Diogenes Laertius hat er seine Schrift(en?)

1 Wood 1877. 2 Hogarth 1908. 3 Benndorf/Wilberg 1906, 221–234. 4 Schaber 1982. 5 Ohnesorg 2007. 6 Gruben 1999, 296. 7 Bammer 2013; Muss 2013. 8 Greaves 2013, 524 ff. möchte anstelle literarischer Quellen eine „Macht der Dinge“ setzen, die wir in anderem Zusammenhang bei den ephesischen Bernsteinen ähnlich sehen, vgl. Bammer/ Muss 2014.

Abb. 1: Schematischer Plan Artemision, Dipteros (grün) und Peripteros (rot) mit weiteren Kultbauten.

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im Tempel hinterlegt.9 Während für Anaximander aus Milet die Erde mit einer Säulentrommel vergleichbar war,10 gibt es keine Bemerkungen Heraklits zum Tempel(-bau). Zwei andere Denker sind es, die mit dem Tempel der Artemis in Verbindung zu bringen sind: der Universalkünstler Theodoros und der Philosoph Pythagoras, beide aus Samos stammend. Ihr Einfluss auf den Bau und die Kon­ struktionsprinzipien des Tempels der Artemis werden im Folgenden aufgezeigt. Der archaische Tempel der Artemis ist ein Dipteros, also die Einfassung einer rechteckigen Cella mit einer doppelten Säulenhalle. Der Dipteros ist eine Verdop­ pelung des Peripteros, der in rechteckiger Form zum ersten Male im Artemision von Ephesos belegt ist (Abb. 1).11 Dieser ephesische Peripteros ist zwar der älteste und einzige Bau, der sich direkt im Zentrum des späteren Dipteros befindet, er ist aber Teil einer größeren Kultlandschaft, die durch den Bau des archaischen Dipteros überbaut und zerstört wurde. Mit der Zerstörung wurden nicht nur ältere Bauten und Strukturen vernichtet, sondern vielleicht auch der Versuch unternommen, gesellschaftliche Veränderungen vorzunehmen. Wir wissen, dass ein gewisser Aristarch aus Athen12 von Verwandten um 550 v. Chr. nach Ephesos gerufen wurde,13 um eine Verfassung zu erstellen, ob damit aber auch die Gestal­ tung eines politischen Raumes zu verbinden ist, bleibt unbekannt. François de Polignac meint zwar, dass die Heiligtümer die Grenzen eines städtischen Territo­ riums markieren,14 archäologisch gesehen gibt es aber in Ephesos keine Hinweise auf eine Polis als Kern einer Stadt in archaischer Zeit. Zurück zum Peripteros: Der erste Peripteros misst 13,5 × 8,4 m in seiner Aus­ dehnung, er besitzt einen äußeren Säulenkranz von 4  ×  8 Säulen, eine nach Westen hin offene Cella und im Inneren eine rechteckige Basis, die von 6 Säulen eingeschlossen wird. In der ersten Bauphase existierte die gemauerte Cellamauer noch nicht, sondern nur das Fundament einer schmalen Cellamauer sowie die äußeren und inneren Säulen (Abb.  2). Die äußeren und inneren Säulenbasen liegen auf einem Boden, der tiefer liegt als die Cellamauer und sie sind mit einer Erdschicht von dieser getrennt. Im Ostbereich ist die Fundamentierung tiefer, weil sie auf einer Aufschüttung aufliegt. Dieser erste Bau, der vier Säulenreihen aufwies, war dreischiffig und mit drei ungleich breiten Schiffen ausgestattet, er besaß weder eine Cella noch einen Altar (Abb. 2, 3) und war offenbar ohne jede

9 Diog. Laert. 9, 6. 10 DK 12 A 10. 11 Bammer 1990. 12 Suda s.v. „Aristarchos“. 13 Huxley 1966, 110; Muss 1994, 28. 14 Polignac 1984; Greaves 2010, 112.

Abb. 2: Grundriß Vorperipteros.

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Abb. 3: Rekonstruktion Vorperipteros.

Beziehung zu einem kretischen Herdtempel, wie früher von mir angenommen.15 Eine Cella mit drei Schiffen existierte auch beim „ancien édifice“, dem Oikos der Naxier auf Delos aus dem 7.  Jh. v. Chr.16 Die Cella wies zwar zwei Säulenreihen auf, aber außen wurde das Bauwerk durch Mauern, nicht durch Säulen – wie in Ephesos – begrenzt (Abb. 4). Als Vorbild für den ephesischen Peripteros kommt auch der delische Préoikos nicht in Frage, da ihm der äußere Säulenkranz fehlt. Einen phönikischen dreischiffigen Astartetempel gab es aber schon in Kition auf Zypern.17 Dieser wurde zwischen 887 und 856 v. Chr. unter König Ethbaal errichtet (Abb.  5). Es scheint möglich, dass auch der erste dreischiffige Bau im Artemision von Phönikern konzipiert wurde. Denn die Phöniker haben offenbar auch bei der Ausstattung des Kultbildes mit Bernsteinen18, Spiralaugenperlen19 und weiterem Schmuck20 eine Rolle gespielt.

15 Bammer 2004b, 29–45. 16 Courbin 1980, 11 ff.; Gruben 1997, 304 ff., insb. 307, Abb. 21; Bammer 1993, 187. 17 Karageorghis 1982. 18 Bammer/Muss 2014 19 Harden 1971, 145 f.; Pulsinger 2001, 211. 20 Etwa einem Lyraspielersiegel. Winter 1995, 253, Anm. 39; Morris 1992; siehe auch Boardman 1994, 95–100; Bammer/Muss 2014.

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Abb. 4: Vorgängerbau des Oikos der Naxier auf Delos.

Der spätere Kultplatz der Artemis und der Bereich am Nord- und Westfuß des Aya­ solukhügels wurden aber sehr wahrscheinlich bereits seit dem späten zweiten Jahrtausend v. Chr. kultisch genutzt. So gibt es spätbronzezeitliche bzw. mykeni­ sche Funde im Artemision21 und am Nordhang des Ayasolukhügels wahrschein­ lich ein Quellheiligtum22. Hier könnte auch ein Kultplatz für eine spätbronzezeit­ liche Göttin (Potnia Aswiya?)23 vermutet werden. 21 Bammer 1999b, 401 f.; Muss 2001b, 162 ff. 22 Bammer/Muss 2007, 95–101 23 Morris 2001, 423–434.

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Abb. 5: Tempel von Kition.



Abb. 6: Peripteros Grundriss.

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Abb. 7: Peripteros und Kultbild mit Baldachin.

Der oben identifizierte Vorgängerbau des Peripteros wurde später durch den Einbau einer Cellamauer zu einem Peripteros umgebaut. Auch diese Cella war dreischiffig. In der Cella lag eine Rechteckbasis, die jünger als die Innensäulen des Vorgängerbaues war (Abb.  6). Es ist naheliegend, anzunehmen, dass diese Basis den Standort des Xoanons darstellte. Die sechs die Rechteckbasis umschlie­ ßenden Säulenfundamente wurden offenbar für die Konstruktion eines Balda­ chins genutzt (Abb. 7).24 In einem weiteren Stadium wurden die äußeren Säulen auf einen Sockel gestellt und die Cellamauer mit einer Flankenmauer erweitert (Abb.  8). Nach einer Überschwemmung wurde die Cellamauer über die ganze Länge in voller Höhe verstärkt. Diese Ummantelung erfolgte über einer Schwemmschicht aus Sand, deren Niveau mit der Oberkante der Schwemmschicht im Inneren über­ einstimmt. In der vorletzten Phase, als die äußeren Säulen schon aufgegeben waren, wurde im Ostteil der Cella über die Einschwemmung ein würfelförmiger Kasten gesetzt und mit Opferrückständen aufgefüllt25. In der letzten Phase wurde die Westmauer des Kubus bis an die Cellawände durchgezogen (jetzt als Trans­ versalmauer bezeichnet) und darüber der Naiskos des Kroisostempels errich­ tet (Abb. 9). Damit ist das Ende des alten Kultbaues und der Beginn des neuen archai­schen Dipteros (des sogenannten Kroisostempels) gegeben.26

24 Bammer 2008, 83–90. 25 Hogarth 1908, 55–58. 26 Anders interpretieren Michael Weissl (2002, 326) und ihm folgend Michael Kerschner (Ker­ schner/Prochaska 2011, 82–85). Einen Vorgängerbau des Peripteros nehmen sie nicht zur Kennt­

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Abb. 8: 2. Peripteros.

Außerhalb des Peripteros existierten in der zweiten Hälfte des 7. und im frühen 6. Jh. weitere Kultplätze (Abb. 10). Sie waren aus ziegelförmigen Steinen errich­ tet und hatten eine rechteckige bis quadratische Form. Bis auf einen sind alle in dem Orientierungssystem errichtet, dem auch der Peripteros angehörte. Ihr Mate­ rial ist wie das des Peripteros lokaler Kalkmergel. Diese Basen waren umgeben von einer starken Schicht aus Asche, in denen sich die Knochen von Tieren und Weihgeschenken fanden.27 Es handelt sich um Kultplätze, sog. Kultbasen, die Votive und Reste von Tieropfern aufwiesen.28 Die Tiere waren vor allem Haus­ tiere, wie Schweine29, es fand sich aber auch Wild. Unter den Weihungen waren

nis. Die rechteckige Basis in der Cella interpretieren sie als Altar. Das Fehlen von Opferresiduen stört sie nicht. Dagegen lehnen sie die Existenz von Altären oder Kultbasen außerhalb des Pe­ ripteros trotz der dort existierenden Opferüberreste ab. Der Neubau des Heiligtums mit neuen Cellamauern erfolgt ohne Außenstützen, obwohl dafür Sockel existieren. Ich kann diesem Vor­ schlag nicht folgen. 27 Bammer/Muss 2009a, 391–408. 28 Anders Weissl 2003/4, 198; ihm folgt kritiklos Kerschner in Kerschner/Prochaska 2011, 145. 29 Forstenpointner 2001, 49–71.



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Abb. 9: Naiskos des Kroisostempels.

auch solche, die mit Nomaden wie Kimmerern30 und Phönikern31 in Verbindung gebracht werden können. Nicht zu Unrecht wurde der Kultplatz des Artemisions wegen der bis heute für Ephesos singulären Befunde als eine „Kathedrale in der Wüste“ bezeichnet.32 Westlich des späteren Dipteros wurden zwei große Gebäude ausgegraben, ein sogenannter Hekatompedos und westlich davon der große Altar. Die Interpre­ tation des Hekatompedos ist nach wie vor umstritten.33 Südlich davon wurde eine weitere rechteckige Basis entdeckt. Damit gab es inner- und außerhalb des späteren Dipteros eine reiche Kult­ landschaft, die mit dem Bau des monumentalen Dipteros überbaut und zerstört

30 Bammer/Muss 2013, 153. 31 Bammer 2015, 85–97. 32 Persönliches Gespräch mit François de Polignac. 33 Bammer/Muss 2009b.

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Abb. 10: Kultbasis D (vgl. Abb. 1).



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wurde. Eine Überbauung bedeutet aber mehr als eine Zerstörung, denn mit ihr wurden die Vorgängerbauten gewissermaßen dem Neubau einverleibt. Allein der Unterschied der Dimensionen des Dipteros zu den Vorgängerbauten schuf einen Ausdruck von Macht, der alles bisher Dagewesene in den Schatten stellte.34 Der erste monumentale Dipteros ist aber in Samos belegt (Abb. 11) – erbaut um 570–560 v. Chr. Ursprünglich mit Rhoikos verbunden, wird er heute meist dem vielseitigen Künstler und Architekten Theodoros zugeschrieben,35 der auch eine Schrift darüber verfasst haben soll.36 Dieser erste griechische Dipteros hatte eine dreischiffige Cella, wie aus den Spiren der Gruppe A aus dem Inneren der Cella hervorgeht.37 Diese dreischiffige Cella hat ein unmittelbares Vorbild auf Delos mit dem Vorgängerbau des Naxieroikos (Abb.  4).38 Die Innensäulen der Cella bedingen auch, dass die Cella entweder komplett eingedeckt war oder zumindest dass das Mittelschiff offen war. Es lässt sich zwar zeigen, dass die Erfindung der Ringhalle sich mit ägyptischer Architektur in Zusammenhang bringen lässt, aber ein direkter Einfluß Ägyptens auf die samische Monumentalarchitektur ist nicht nachzuweisen.39 Der samische Tempel war in ionischem Stil erbaut, das heißt er hatte runde Basen, bestehend aus Spira und Torus. Theodoros war auch der Erfinder der Drehscheibe40 für die Herstellung der Spiren und Tori (Abb. 12) des sogenannten Tornos (Abb. 13).41 Theodoros war auch maßgeblich beim Tempel­ bau in Ephesos beteiligt.42 Er war in dieser Zeit auch der Einzige, der Erfahrung mit Bauten dieser Größenordnung hatte. Allein schon die Herstellung der Spiren und Tori des ephesischen Baues mit Hilfe der Rotation konnte nicht ohne deren Erfinder Theodoros vonstatten gehen. Ob auch die Säulentrommeln gedreht wurden, muss offen bleiben. Wenn der samische Tempel zwischen 570 und 560, der ephesische schon vor 560 begonnen wurde,43 so musste Theodoros knapp nach oder vielleicht schon vor der Fertigstellung des samischen Baues den ephe­

34 Die politischen Zusammenhänge, die zum Aufstieg des Kroisos und seinen Beziehungen zu Ephesos und der Artemis führten, sind schon oft darstellt worden, zuletzt Muss 1994 und Bammer/Muss 1996, 42 ff. Vgl. dazu die kritischen Anmerkungen von Michels 2012, 81–85. 35 Kienast 1998, 111–131; Kienast 2012, 5–17. Zu Theodoros: Svenson-Evers 1996, 7 ff.; Ebbinghaus 2004, 445–447. In Gruben 2014 (posthum erschienen) wird der alte Tempel weiterhin als Rhoikos Tempel bezeichnet. 36 Vitr. 7, praef. 12. 37 Hendrich 2007, 56 ff. 38 Courbin, 1980, 11; Gruben 1997, 304ff; Bammer 1993. 39 Bammer 2001a, 71–82. 40 Plin. nat. 7, 198. 41 Hendrich 2007, 72. 42 Plin. nat. 36, 95; Diog. Laert. 2, 103. 43 Muss 1994, 27.

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Abb. 11: 1. Dipteros auf Samos.



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Abb. 12: Drehscheibe nach Theodoros.

sischen begonnen haben. Auch für eine Neubewertung des ephesischen Dipteros ist es wichtig festzuhalten, dass alle neueren Arbeiten über den ersten Dipteros auf Samos jetzt Theodoros als Architekten heranziehen und nicht mehr  – wie früher – Rhoikos. Der ephesische Tempel war zwar auch ein Dipteros, hatte aber wahrschein­ lich keine Säulen im Inneren der Cella, sondern einen offenen Hof mit den Abmessungen 52,26 m = 40 Ellen und 21,15 m. Hier fand die Dreischiffigkeit der Vorgängerbauten offenbar keine Fortsetzung. Gegenüber dem samischen Dipteros gibt es zwei grundlegende Neuerungen, der ephesische Bau war vollständig aus Marmor erbaut und er hatte quadratische Plinthen (Abb. 14).44 Die wichtigsten frühen Marmorbauten in ionischem Stil entstanden auf den Kykladen, Delos und Naxos, alle ihre Säulen hatten runde Basen,45 aber keine rechteckigen Plinthen eben so wenig wie die Säulen des Dipteros der Hera auf 44 Benndorf/Wilberg 1906, 224 f. (in der ersten Fassung nur Wilberg) und Fig. 187; Ohnesorg 2007, 22, 24, Taf. 47. 45 Gruben 2001, 367 ff.

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Abb. 13: Tornos des Theodoros.

Samos. Die Erfindung der Plinthe (Abb. 15) ist nicht nur eine statische und bau­ technische Verbesserung, sondern von grundsätzlicher konzeptioneller Natur. Mit ihr entstand beim ‘Neubau’ des Artemisions im 4. Jh. v. Chr. der quadratische Plinthenraster, das heißt die Abfolge vom Quadrat der Plinthe und gleichgroßer Leerstelle bis zur nächsten Plinthe. Dieses Prinzip wird erst im 4.  Jh. v. Chr. während der Ionischen Renaissance zur gültigen Regel. Theodoros wird zwar in Ephesos nur als Berater der Fundamentierung des Tempels genannt, er soll die Kapillarwirkung (Bindung von Wasser) durch die Einbringung von Asche und von Fellen verhindert haben,46 was nach den schlech­ ten Erfahrungen in Samos (siehe unten) verständlich ist, aber seine Tätigkeit ist natürlich viel weitreichender zu sehen. Er brachte wahrscheinlich auch die Idee des Dipteros nach Ephesos und damit die quadratische Plinthe. Die archaischen Plinthen wurden nochmals von Aenne Ohnesorg diskutiert.47 Die Plinthenhöhen variieren zwischen 30 cm bis 39 cm.48 Die Plinthen der Basen an der Westseite B und C sowie an der erst von mir freigelegten Basis E (Abb. 15, 18) waren halbiert und mit Klammern verbunden. Auch die Plinthe der südlichen Ante B ist unter­

46 Plin. nat. 36, 95; Diog. Laert. 2, 103. 47 Ohnesorg 2012, 23–26 mit Abb. 4, 5. 48 Schaber 1982, 100; Bammer 1972, 53 Nr.  1220a: Hier ist die archaische Plinthe unter Basis F 32,2 cm, die unter Basis E 39 cm hoch.



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Abb. 14: Rekonstruktionen der Basen des archaischen Artemistempels mit Plinthen, Spira und Torus von A. E. Henderson.

teilt und mit S-förmigen Klammern versehen. Die Standfestigkeit der Plinthen wird dadurch gemindert. An der Basis D lässt sich die halbe Plinthenlänge mit 117  cm messen,49 was eine Gesamtplinthenlänge von 234  cm ergibt. Durch die quadratische Plinthe erhält schon der Grundriss des archaischen Tempels eine andere Struktur als die samischen und kykladischen Tempel, die dann mit dem Plinthenraster des jüngeren Tempels noch verstärkt wird. Mit der Plinthe kommt

49 Benndorf/Wilberg 1906, 224, Fig. 184.

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 Anton Bammer

Abb. 15: Basen B, C und D nach W. Wilberg.

ein rechteckiges Element in die sonst aus runden Bauteilen bestehende Säule. Sie bildet gewissermaßen den ebenerdigen Kontrast zu der bei den dorischen Säulen vorkommenden Rechteckigkeit des hoch gelegenen Abakus. Die Rotationsme­ thode war natürlich für die Ausführung in Marmor eine besondere Herausforde­ rung. Der ephesische Dipteros ist nicht von kykladischen Architekten, sondern nach Vitruv von den beiden Architekten Chersiphron und Metagenes aus Kreta erbaut worden.50 Sie hatten den Transport des Marmors, der aus den Steinbrüchen von Kuşini und Belevi kam, mithilfe von Rädern, die an den Marmorblöcken als Achsen eingespannt waren, organisiert. Der Marmor ist von Belevi wahrschein­ lich über den im Winter viel Wasser führenden Fluss Kayster auf Flößen in die Nähe des Artemisions transportiert worden.51 Das Treiben der großen Marmor­ blöcke auf einem Floß war ein besonderes Schauspiel, welches Heraklit sicher beobachtet hat. Die Fundamente des Dipteros waren nicht aus Marmor, sondern aus Kalk­ stein und großen Schieferblöcken, in die auch viele Marmorspolien eines Bau­ werkes, das älter als der Artemistempel war, eingebaut waren (Abb. 16).52 Marmor 50 Vitr. 10, 2, 11–12; Plin. nat. 36, 21, 95. Vgl. Bammer 2004a. 51 Bammer u. a. 2013, 93. 52 Bammer 1982, 61 ff., Pl. XVc.; Bammer 2005, 26, Abb. 7.



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Abb. 16: Marmorspolien aus dem Tempelfundament.

ist also auch vor dem Tempel des Kroisos verwendet worden, so auch beim soge­ nannten Hekatompedos westlich davon. Die Plinthen standen auf einem Stylo­ bat aus Marmor, der aus polygonalen Platten (Abb. 17) bestand. Der polygonale Steinschnitt ist ein Charakteristikum der archaischen Bautechnik und wurde nicht nur für Stützwände, sondern auch – und dies nur am Artemision – horizon­ tal verwendet. Die polygonale Technik war aber nicht nur aus bautechnischen Gründen – wie etwa zur Erdbebensicherheit – ein Vorteil, sondern stand auch in konzeptioneller Hinsicht im Blickpunkt. Sie bildet nämlich einen Kontrast zum Prinzip der Rechteckigkeit, das sonst im Artemision herrschte. Dieser Kontrast war aber nicht nur ästhetischer Natur, sondern auch in mathematischer Hinsicht bemerkenswert, indem er auf das Besondere der Rechteckigkeit hinwies. An zwei Stellen zeigt sich außerdem, dass Plinthe und polygonaler Stylobat (Abb. 18) aus einem Stein gearbeitet waren.53 Dies hatte den Vorteil, dass eine Fuge an einer Wasser und Eis ausgesetzten Stelle vermieden wurde. Arbeits- und Materialer­ sparnis waren nicht unbedingt Erfordernisse der archaischen Architektur. Für die Denkweise wichtiger ist, dass damit die Vertikale in die Horizontale der Architek­ tur integriert wird. Die Vorstellung von Architektur als Pfahlbau wird aufgegeben.

53 Bammer 1972, 6, Taf. 1e.

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Abb. 17: Polygonale Stylobatplatten unmittelbar westlich der NO-Säule des Tempels.

Die Qualität der Oberflächenbehandlung von Marmor in archaischer Zeit ist unübertroffen, so auch am Artemision zu sehen, etwa am archaischen Naiskos, von dem einige Blöcke in situ erhalten sind.54 Der ephesische Tempel war aber offenbar besser fundamentiert als der samische, der erneuert werden musste, wie Hermann Kienast festgestellt hat.55 Der zweite Tempel von Samos wurde etwas nach hinten verschoben erbaut und war, zumindest teilweise, aus Marmor errichtet.56 Die Beziehungen des ephesischen Tempels zum samischen Dipteros sind damit aber nicht zu Ende. Sie haben auch mit dem Einfluss des samischen Denkers Pythagoras zu tun.57 Die Jochweite der Säulen des ephesischen Tempels betragen genau 10 Ellen, also 5, 23 m (Abb. 19). Auch die Breite des Fundamentes der Säulen misst genau 100 Ellen und die Sekoslänge 40 Ellen. Nun ist 10 eine Zahl, die dem Pythagoras58 zugeschrieben wird: Sie gilt als vollkommene Zahl und wurde Tetraktys genannt,

54 Bammer/Muss 1996, 88, Abb. 114. 55 Kienast 1998, 111–131; Kienast 2012, 11. 56 Hellner 2009, 139 ff. 57 Heraklit, DK 22 B 129, B 40. Riedweg 70 ff. 58 Riedweg 2007, 110 ff.; Bammer 2001a, 31; Bammer 2007, 9–21.



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Abb. 18: Plinthe und Stylobat aus einem Stein.

weil sie einer Addition von 1, 2, 3 und 4 entspricht. Sie ist aus dem Entwurfskon­ zept für den Tempel ablesbar. Damit wird zumindest deutlich, dass ganze Zahlen in die Architektur eingeführt werden. Dass Zahlen nicht nur in der Architektur eine Rolle spielen, zeigt sich auch in ihrer Beziehung zur Musik. Die musikali­ schen Harmonien59 zeigen sich in ihrem Verhältnis von 2 : 1, 3 : 2, 4 : 3, die von den Pythagoräern entdeckt wurden. Die Konzeption des Grundrisses nach Qua­ draten, die durch die Plinthe gebildet wurden, hatte weitreichende Folgen auch für die ephesische Stadtentwicklung. Eine Entdeckung Anfang der 1960er Jahre zeigte, dass die Orientierung der auch damals erkannten hippodamischen Stadt in Ephesos die gleiche des Artemistempels ist, der über 1,5 km von ihr entfernt liegt (Abb.  20).60 Wenn die Nachricht richtig sein sollte, dass die Ephesier sich später um den Tempel ansiedelten,61 wäre die hellenistische Stadt eine Verlänge­ rung der spätarchaischen und klassischen Stadt um das Artemision. Diese Stadt ist bis heute nicht identifiziert.62

59 Riedweg 2007, 44 ff. 60 Bammer 1961/63, 147 und Abb. 98. Die Topographie von Ephesos ist nach wie vor ungeklärt, ebenso wie die Lage des spätbronzezeitlichen Apaša. Siehe dazu Bammer 1986/87. Mustafa Büyükkolancι u. a. halten dagegen an der Deutung des Ayasolukhügels als Apaša fest (vgl. Büyükkolancι 1999). 61 Strabo 14, 1, 22 (C. 640). 62 Welche Stadt (Herodot 1, 26) belagerte Kroisos also?

Abb. 19: Plan des archaischen Artemision nach W. Wilberg.

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Abb. 20: Stadtplan von Ephesos (links); Artemision und Ayasolukhügel (rechts).

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Zur Zeit der Erbauung des archaischen Dipteros gab es keine Stadt in der Nähe des Tempels. Das Artemision war ein extraurbanes Heiligtum.63 Damit gehört es zu denjenigen archaischen Heiligtümern, die wie auf Samos, in Didyma, in Argos, in Sparta, in Eretria und in Klaros teilweise viele Kilometer entfernt von der Sied­ lung zu finden sind. Diese extraurbane Lage ist wesentlich für die Definition des religiösen und poli­ tischen Raumes einer Stadt. Unabhängig davon ist der Raster der hellenistischen hippodamischen Stadt (Abb.  21) in Analogie zum Raster des spätklassischen Grundrisses des Tempels zu sehen.64 Der spätklassische Plinthenraster ergibt sich aus der nach London gebrachten Plinthe des spätklassischen Tempels, bei der der Abstand der Sichtfläche der Plinthe zum Zentrum (= halbe Plinthenbreite) 132  cm, also die gesamte Plinthenbreite 264 cm misst65. Damit ist die spätklas­ sische Plinthe um 30 cm breiter als die archaische. Die Jochweite zwischen den Säulen beträgt 523 cm. Die Westorientierung des Artemisions, die auf den ersten Peripteros zurück­ ging, wiederholte sich nur bei zwei Tempeln, dem Artemision von Magnesia am Mäander und beim Artemision von Sardis. Der archaische Tempel wies bereits Volutenkapitelle in zwei Ausführungen auf, eines mit Schnecken in den Voluten, das andere mit Rosetten, was schon die Engländer erkannten, aber durch den Fund eines Fragmentes, das Aenne Ohnesorg rekonstruierte, bestätigt wurde (Abb. 22).66 Mit der Volute wird wie mit Spira und Torus die alte Idee des Kreises in der Architektur bestätigt. Wichtig ist die ‘Erfindung’ der columnae caelatae, der reliefierten Säulen. Das Motiv könnte orientalisch sein, es gibt aber keine wirklichen Vorbilder. Beim Artemision ist eine Prozessionsdarstellung mit Pries­ tern, die mit einem Löwenfell geschmückt sind, erhalten.67 Es gibt im 6. Jh. v. Chr. kaum Freiplastik in Ephesos.68 Erst beim spätklassischen Artemision kann man darüber diskutieren, ob sie an der Basis oder unter dem Kapitell angeordnet waren.69 Sicher ist nur eine columna caelata unter dem Kapitell des Tempels von Chryse.70 Auch die hohe Marmorsima des ephesischen Tempels ist außergewöhnlich, es gibt zwar Simen bei Terrakottafriesen, aber ein erzählender Fries so wie in Ephesos ist ungewöhn­

63 Polignac 1984. 64 Bammer 1961/63, 149. 65 Bammer 1972, 53, Nr. 1220a. 66 Ohnesorg 2001,185–198; Ohnesorg 2007, 112. 67 Muss 1994, 43 ff. 68 Muss/Büyükkolancι 1999. 69 Wesenberg 2001. 70 Bammer 1983, 281, Fig.10.

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Abb. 21: Stadtraster von Ephesos.



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Abb. 22: Rosettenkapitell.



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lich. Auf der Sima finden sich Darstellungen von Persern – verständlich, weil zu der Zeit ihrer Herstellung Ephesos bereits unter persischer Herrschaft war.71 Neben diesen großartigen Leistungen des Aufbaues mit seinem Säulenwald und dem Gebälk wirkt der Entwurf des Grundrisses abstrakt und unsichtbar. Daher ist es kein Wunder, dass die antiken Schriftsteller den Theodoros nicht als Architekten des Baues anerkannten. Griechische sakrale Architektur hat fast immer eine politische Bedeutung, so auch das archaische Artemision von Ephesos, das eine Demonstration von Macht ist. Bei seiner Errichtung mussten die alten Opferplätze72 dem großen Tempel des Kroisos weichen,73 ihre wertvollen Votive wurden überbaut und der Vergan­ genheit anheim gestellt. Damit sollte auch die wirtschaftliche Macht der reichen ephesischen Familien gebrochen werden.74 Mit dem Verschwinden der histori­ schen Denkmäler, dem Ende des Pluralismus der Kulte der Vorgängerbauten,75 wurde auch deren religiöse und politische Bedeutung zunichte gemacht und es wurde ein Neuanfang demonstriert. Der Bau des Dipteros war ein Anfang bei Null. Die ganze Konzeption des Dipteros demonstriert den Kontrast zum Vergan­ genen, die mathematische und gedankliche Durchdringung des Entwurfes, das neue Material Marmor, die Entmystifizierung des Religiösen. Mit diesem Ratio­ nalismus sollte die Vergangenheit ad acta gelegt werden. Die Macht der Lyder und des Kroisos war nicht nur eine militärische, sondern auch ein intellektuelle, wie oben gezeigt wurde. Der Bau spiegelt das hochkomplizierte Konzept des Zusammenspiels von Politik, Religion und Macht wider, das sich in das intellek­ tuelle Milieu des frühen Ionien einfügte. Zuletzt soll noch ein Blick auf das weitere Schicksal des ersten Dipteros von Ephesos geworfen werden. Die brauchbaren Überreste aus Marmor wurden so wie beim ersten Dipteros auf Samos im Neubau wiederverwendet und vor allem in das erhöhte Podium eingebaut. Marmorfragmente der columnae caelatae, wie das einer Tänzerin76, wurden nicht nur sekundär verwendet, sondern 71 Muss 1994, 87. 72 Bammer/Muss 2013. 73 Die Bezeichnug Kroisostempel beruht auf zwei Belegen, erstens auf der Erwähnung Hero­ dots (1, 92), dass die meisten Säulen von Kroisos gestiftet wurden, zweitens auf den Schriftfrag­ menten einer Säule, die zu „Basileus Kroisos anetheken“ ergänzt werden, vgl. Price 1928, 38; Muss 1994. 74 Ersichtlich an den zahlreichen Elektronmünzen und Goldfunden, u. a. Bammer/Muss 1996, 79, 89. 75 Bammer 1998, 27–47. Weissl 2003/4, 169–200 möchte dagegen eine lineare Entwicklung sehen. Vgl. Bammer/Muss 2005, 239. Auch Michael Kerschner lehnt den Pluralismus der Kulte ab (in Kerschner/ Prochaska 2011, 75, 145). 76 Bammer/Muss 1996, 47, Abb. 50.

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auch tertiär in die Kirchenpfeiler, die innerhalb des Sekos liegen, verbaut.77 Die Wiederverwendung der Fragmente der Vorgängerbauten hat im Artemision eine lange Tradition, schon die Grünschieferblöcke im Fundament des archaischen Naiskos sind wiederverwendet, im Fundament des ersten Dipteros stecken ältere Bauteile, ebenso im zweiten Dipteros und zuletzt in der Kirche.78 Diese Spolien hatten natürlich den praktischen Zweck der Nutzung vorhandenen Materials, ein charakteristisches Recyclingphänomen besonders des spätantiken Ephesos,79 aber auch eine ideologische Bedeutung. Mit ihnen sollte die Macht und Kraft des Vorgängerbaues in den Neubau integriert und damit verinnerlicht werden.

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77 Bammer 1999a, 86–88; Russo 2001, 265–278; Bammer 2005, 127, Fig.19; Bammer 2010, 72, Abb. 3. 78 Muss in Druck. 79 Bammer 1988, 150.



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Abbildungsnachweise Abb. 1: Archiv A. Bammer. – Abb. 2: nach Anatolia Antiqua 40. – Abb. 3: Archiv A. Bammer. – Abb.  4: nach Courbin 1980.  – Abb.  5: nach Karageorghis 1982.  – Abb.  6: nach Anatolien Studies  40, 1990, Fig. 6.  – Abb. 7 : nach Bammer u.  Muss 2014, 71, Abb. 40. ­– Abb. 8: nach A.  Bammer, Anatolia Antiqua 13, 2005, Abb. 17. ­– ­Abb. 9: nach A. Bammer, Anatolia Antiqua 13, 2005, Abb. 18. – Abb.  10: Foto A. Bammer.  – Abb.  11–13: nach Hendrich 2007.  – Abb.  14: nach A. E. Henderson in Hogarth 1908, Atlas Taf. VI. – Abb. 15: nach W. Wilberg, Forschungen in Ephesos I, 1906, Abb. 20. – Abb. 16: nach Bammer 1990. – Abb. 17: nach Ohnesorg 2007, 112. – Abb. 18: Foto A. Bammer. – Abb. 19: nach W. Wilberg, Forschungen in Ephesos I, 1906. – Abb. 20: nach E. Lessing u. W. Oberleitner, Ephesos, Wien 1978, 75, Abb. 47.  – Abb.  21: nach Bammer 1961/63. – Abb. 22: nach Ohnesorg 2001, 186, Abb. 1–3.

Zusammenfassung Zu dem großen kulthistorischen Ereignis in Ephesos zur Zeit Heraklits gehört die Erbauung des ersten monumentalen Marmortempels in Ephesos (begonnen um die Mitte des 6. Jhs. v. Chr.) unter dem Einfluss des Lyderkönigs Kroisos. Zuvor lassen mehrere etwa gleichzeitig existierende, ältere kleinere Bauten eine pluralistische Struktur erkennen, die diese Plätze als Kultplätze der aris­ tokratischen ephesischen Familien ausweisen. Sie wurden durch den Bau des Tempels der Artemis zerstört. Diese massive Strukturveränderung im Bereich des Heiligtums erfolgte aus politischer Absicht. Die Kultplätze verschwanden unter den Fundamenten des neuen Tempels. Damit erreichte der Lyderkönig Kroisos die Zerschlagung der Clanstruktur und der Macht der Familien. Von diesen Ver­ änderungen war auch die Familie Heraklits betroffen, die zu den alten aristokra­ tischen Familien in Ephesos gehört hat. Auf den reliefierten Säulen des Tempels, den columnae caelatae wurde eine Prozession dargestellt, die das kultische und gleichzeitig politische Programm des Lyderkönigs widerspiegelt: Die Entmach­ tung der aristokratischen Familien und die Ästhetisierung der neuen Macht. Architektonisch gesehen wurde aus einem pluralistischen System im Artemision ein duales, welches jetzt nur mehr aus Tempel und Altar bestand.



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Mit dem monumentalen Tempel der Artemis wird Heraklit zwar verschie­ dentlich in Zusammenhang gebracht, seine Philosophie lässt aber nicht erken­ nen, dass er  – wie etwa Anaximander aus Milet  – konstruktive kosmologische Vorstellungen aus der Architektur des Tempels abgeleitet hätte. Ein Blick auf die Konstruktionsprinzipien des Tempels zeigt die maßgebliche Bedeutung der Zahl 10 – etwa als Maß für die Jochweite der Säulen, die an den Längsseiten 10 Ellen misst. Damit wird unser Blick auf Pythagoras von Samos gerichtet, für den die vollkommene Zahl die Zahl 10 war, die Tetraktys. Heraklit kannte die Lehre des älteren Pythagoras sehr wohl, die er nach Diogenes Laertios (DK 22 B 40, B 129) auch kritisierte.

Michael Franz

Heraklit und das Artemision. Die Erfindung eines neutralen Standpunkts in der Politik Die Nachrichten, die Diogenes Laertius über das Leben des Heraklit zusammengestellt hat, genießen keinen guten Ruf.1 Sie werden von vielen für offenkundige Fabrikationen der kaiserzeitlichen Unterhaltungsliteratur gehalten,2 die allenfalls aus einigen mehr oder weniger falsch verstandenen Textstellen der Heraklit-Worte herausgesponnen worden seien. Diese überwiegende Ablehnung ist verständlich in Bezug auf die drastischen Ausmalungen verschiedener grotesker Todesarten, die Heraklit ereilt haben sollen.3 Sie stehen in einer Reihe mit anderen ähnlichen Anekdoten in den Laertianischen Philosophen-Viten, die jeweils auf den Höhepunkt eines eigenen Epigramms zulaufen, das der Autor aus einer offenbar schon zuvor zusammengestellten Sammlung4 solcher Spottverse beisteuert. Ich sehe freilich keinen Grund, dieses Urteil auf die Nachrichten über das Verhältnis Heraklits zu seiner Vaterstadt Ephesos auszudehnen, die allenfalls lose an die späteren typologischen Charakterisierungen des Philosophen als Misanthropen5 oder Melancholikers6 und an einige seiner überlieferten Apophthegmen anknüpfen. Sie beziehen sich in der Hauptsache auf das Verhältnis des Heraklit zum Artemision und damit auf eine besondere Institution, die eine historische Realität sui generis markiert. Die beiden Textpassagen, die ich im Folgenden unter der Annahme, dass sie Historisches widerspiegeln, behandeln möchte, lauten: Er legte sich auch an mit den Ephesiern, als diese seinen Gefährten Hermodoros ausgewiesen hatten, und sagte: „Es wäre recht, wenn die Ephesier sich Mann für Mann aufhängten und den Nicht-Mannbaren die Stadt überließen, sie, die den tüchtigsten Mann von ihnen

1 Besonders schnell fertig ist mit ihnen Hussey 2001, 80: „Über die äußeren Umstände seines Lebens ist nichts bekannt; die späteren biographischen Berichte beruhen auf Fiktion.“ 2 So z. B. Kahn 1979, 1. 3 Diogenes Laertius 9, 3–5 (im Folgenden abgekürzt: D. L.). Die heute maßgebliche Ausgabe des griechischen Texts ist Dorandi 2013. Eine (nicht immer zuverlässige) deutsche Übersetzung liegt vor in Reich 1967. 4 Vgl. Mejer 1978, 47–50, und Runia 1997, 602. 5 D. L. 9, 3. 6 D. L. 9, 6.

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ausgewiesen haben, indem sie sagten: von uns sei keiner der tüchtigste, und wenn, dann anderswo und bei anderen.“ Als man ihn für würdig fand, ihnen ein Gesetz zu geben, lehnte er das ab, weil die Stadt schon beherrscht werde von einer üblen Verfassung. Er zog sich zurück in das Heiligtum der Artemis und spielte mit den Kindern Würfel. Denen von den Ephesiern, die darum herumstanden, sagte er: „Was wundert ihr euch, ihr Gesindel, ist es nicht besser, das zu tun, als mit euch Politik zu betreiben?“ (D. L. 9, 2–3, eigene Übersetzung)

Und: Das Buch, das von ihm überliefert ist, ist von seinem Inhalt her eins Peri physeōs, es teilt sich aber auf in drei Themenbereiche (logous), nämlich in den über das Alles und einen politischen und einen theologischen. Er stellte es aus im Heiligtum der Artemis, wie einige sagen, im Bemühen, höchst uneindeutig zu schreiben, damit nur die, die dazu in der Lage seien, Zugang dazu finden könnten, und es nicht wegen seiner Gewöhnlichkeit leicht zu verachten sei. Ihn skizziert Timon mit den Worten: Unter ihnen wuchs auf ein Kukuck7, Verächter der Massen, Herakleitos, der Rätsel Aufgebende. Theophrastos aber sagt, er habe aus Melancholie einerseits unausgegoren, andererseits einmal so einmal anders geschrieben. Ein Zeichen seines Hochmuts erwähnt Antisthenes in seinen Philosophen-Schulen: Er habe seinem Bruder die Königswürde abgetreten. Einen solchen Ruf erlangte sein Buch, dass es ihm auch Jünger einbrachte, die sogenannten Herakliteer. (D. L. 9, 5–6, eigene Übersetzung)

1 Artemision Ich habe das Artemision im Vorgriff als eine historische Realität sui generis bezeichnet. Das muss ich nun begründen. Das Artemision hat eine sehr wechselvolle Geschichte, deren Anfänge – wie könnte es anders sein? – in mythischem Dunkel liegen, deren Ausgang aber in einem gewissermaßen überbelichteten Triumph sich verliert: In dem massenhaft skandierten Ruf „Groß ist die Artemis der Ephesier“ liegt schon ein Vorgeschmack von „Allahhu akbar“, dem Schlachtruf heutiger Fanatiker. Nicht alles an dieser Geschichte ist für das hier zu behandelnde Thema von Belang. Vor allem muss uns die Geschichte des Heiligtums in hellenistischer oder noch späterer Zeit hier weniger interessieren, bzw. nur als gelegentlich heranzuziehender Kontrast zu den archaisch-klassischen Zeiten, denen natürlicherweise 7 Mit dieser Charakterisierung (κοκκυστής) ist mehr gemeint als die misstönende Lautstärke des Vogels (Apelt in Reich 1967: „Schreier“; so auch Gemelli Marciano 2007, 287), vielmehr soll Heraklit als illegitime Brut in fremdem Nest gebrandmarkt werden.



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unser Hauptaugenmerk gelten muss. In vorhellenistischer Zeit war das Artemision kein städtischer Tempel,8 sondern eine von der Stadt weitgehend unabhängige Institution, die freilich wegen dieser Unabhängigkeit fast unaufhörlich um diese Unabhängigkeit kämpfen musste. Nach mythischen Überlieferungen soll das Heiligtum gegründet – oder erstmals in „Gebrauch genommen“  – worden sein von Amazonen. Dieser genuine Gebrauch sei nämlich die Asylie. Die älteste überlieferte Version dieser mythischen Erzählung stammt von Pindar und ist bei Pausanias erhalten.9 Nach Pindar sollen die Amazonen das Heiligtum gegründet haben, als sie gegen Athen und Theseus zu Felde zogen. Pausanias aber korrigiert Pindar, der habe nicht die ganze Geschichte gekannt, denn die Amazonen hätten sich bei ihrem Feldzug gegen Theseus deshalb in dieses Heiligtum zurückgezogen, weil sie es von früheren Gelegenheiten schon gekannt hätten, als sie nämlich vor Herakles, und noch früher, als sie vor Dionysos hätten fliehen müssen. Und sie hätten es auch nicht gegründet, sondern der Gründer sei ein Einheimischer aus Ephesos gewesen namens Koressos. Diese Überlieferung bezieht sich also auf gewissermaßen vorheroische Zeiten zurück, wenn man mit den klassischen Griechen unter den heroischen Zeiten das ‘Zeitalter’ des troianischen Krieges verstehen will. Nach der fiktiven – aber relativ genauen – Chronologie des Marmor Parium wäre die ‘relative’ Zeit dieser mythischen Ereignisse das – nach heutiger Zählung – dreizehnte oder vierzehnte Jahrhundert vor dem Beginn der christlichen Ära.10 Ein Kuriosum ist es, dass die älteste Erwähnung eines Ortsnamens, der mit dem späteren Namen ‘Ephesos’ identifiziert werden könnte, in den Annalen des hethitischen Königs Mursili II. erscheint.11 Dort taucht ein Toponym „Apaša“ auf, das für eine (oder die) Stadt des Herrschers des Landes Arzawa steht. Nach der heute von der Mehrzahl der Spezialisten für wahrscheinlich gehaltenen Deutung dieser Namen ist mit dem Land Arzawa der Teil des westanatolischen Gebiets gemeint, der zwischen den Flussmündungen des Hermos und des Mäander liegt.12 Eben-

8 So aber noch jüngst Kerschner 2011, 101: „Das Artemision von Ephesos war auch im 7. und frühen 6. Jahrhundert v. Chr. das Heiligtum der Artemis, der Hauptgöttin der Polis“. Vgl. dagegen schon Burkert 1999, 64: „Das Heiligtum von Ephesos aber gehörte nicht der Stadt Ephesos, fast ist es umgekehrt: […] kaiserzeitliche Münzen zeigen sie [i. e. Artemis] regelmäßig als Patronin der Stadt. Und doch ist sie nicht die Polias-Göttin“. 9 Paus. 7, 2, 6–7. 10 Marmor Parium (Jacoby 1904), A 21: Feldzug der Amazonen gegen Attika zur Zeit des Theseus (nach Jacoby i. J. 1256/5); A 18: Herakles (nach Jacoby) zwischen 1307/6 und 1295/4, Dionysos, bzw. seine Mutter (nach Jacoby) um die Mitte des 15. Jahrhunderts. 11 Götze 1933, 50/1 und ff. 12 Haider 1999 und vgl. Niemeier 2007.

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falls von einer großen Anzahl von Fachleuten wird die Gleichsetzung von ‘Apaša’ und ‘Ephesos’ für plausibel gehalten. Bedauerlicherweise gibt es für diese Identifizierungen bislang keine sicheren archäologischen Belege. Zwar sind zuletzt in zwei Sondagen von 1990 und 1996 auf dem Ayasoluk, dem Burgberg nördlich des antiken Ephesos, Reste einer spätbronzezeitlichen Befestigungsmauer gefunden worden, die der Ausgräber als „Befestigungsmauer der hethitischen Stadt Apaša verstehen“13 möchte. In weiteren Grabungen der Jahre 2000–2002 am Westrand des Ayasoluk kam dann allerdings nur „ein mittelgeometrischer Befund zutage.“14 Aufhorchen lässt freilich die Aussage in den Mursili-Annalen, dass der Grund für seinen Feldzug darin bestanden habe, dass eine Anzahl von „Untertanen“ des Hethiterkönigs nach Arzawa geflohen seien und er sie zurückgefordert habe, was ihm auf beleidigende Weise vom Herrscher des Arzawa-Landes verweigert worden sei.15 Aber auch diese Aussage kann nicht ohne weiteres als Beleg für die Existenz eines Asylorts zu dieser frühen Zeit genommen werden, denn so weit zurück reichen die sicheren Belege für die rechtliche Institution der Asylie nun einmal nicht.16 Für die Entstehung eines diesbezüglichen Mythos sind freilich solche historischen Anhaltspunkte gar nicht nötig, denn sein Element ist das Gerücht. Dass es am Kayster-Delta seit dem 11. Jahrhundert v. Chr. einen nennenswerten Bevölkerungszuzug aus dem westlichen Teil der Ägäis, vorzüglich aus Attika, gegeben hat, ist archäologisch mittlerweile belegbar.17 Der mythische Apoikismos des Androklos, eines Sohnes des athenischen Königs Kodros, steht damit im Zusammenhang, auch wenn die genaueren verwandtschaftlichen Verbindungen mit dem athenischen Herrscherhaus, die für politische Legitimität und Würde sorgten, erst ein Ergebnis der nachhomerischen Genealogie sein sollten. Nach allem Anschein war die archaische Stadt Ephesos jedoch ein multiethnisches Gebilde mit häufigen Regierungswechseln zwischen den jeweils die Oberhand gewinnenden Bevölkerungsteilen.18 Phrygische und lydische Kulturelemente sind wohl nicht allein als äußere Einflüsse zu erklären. Seit dem Begründer der mermnadischen Dynastie in Sardis, Gyges, gab es enge, wenn auch „ambivalente“

13 Büyükkolancı 2007, 23. 14 Kerschner 2006, 367. 15 Vgl. Bammer 1986/87. 16 Vgl. grundsätzlich Traulsen 2004 und Dreher 2003. 17 Forstenpointner u. a. 2008, 35 f. (Kerschner). 18 Darin vergleichbar der äolischen Stadt Mytilene auf Lesbos, wo es neben mehreren griechischen Adelsfamilien (Penthiliden, Archeanaktiden, Kleanaktiden) auch starke thrakische und anatolische Bevölkerungsteile gab, wie z. B. aus den Herrschernamen Pittakos und Myrsilos deutlich wird: vgl. die klassische Darstellung in Page (1959); auf dem neuesten Stand: Wallace 2009.



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Beziehungen zu den ionischen Küstenstädten, vor allem aber mit Ephesos.19 Diese schlossen auch Heiratsallianzen des lydischen Hofs mit den ephesischen Androkliden ein, die sich gelegentlich auch kontraproduktiv ausgewirkt haben mögen. Das scheint im Fall des Kroisos gewesen zu sein, der mit seinem Schwager von schwesterlicher Seite, Pindaros, zu dieser Zeit „Tyrann“ von Ephesos, in Konflikt geriet. Auf den lydischen Thron war Kroisos jedoch allem Anschein nach nur durch einen ansehnlichen Kredit des Artemisions gekommen, den er nach Thronerlangung zurückzuzahlen feierlich gelobt hatte.20 Dieser Umstand zeigt, dass das Artemision zu dieser Zeit schon eine Funktion übernommen hatte, die sich an die Asylie anschließt: das Bankwesen. Aufschlussreich für die Frage nach dem Status des Artemisions gegenüber der Stadt Ephesos ist die Anekdote, die bei Herodot überliefert ist: Nach dem Tode des Alyattes übernahm sein Sohn Kroisos im Alter von 35 Jahren die Regierung. Er griff als erste Griechenstadt Ephesos an. Als er die Stadt belagerte, weihten die Einwohner sie der Artemis und zogen vom Tempel bis zur Stadtmauer ein Seil. Zwischen der Altstadt, die damals belagert wurde, und dem Tempel liegen sieben Stadien. (Hdt. 1, 26, Übers. Josef Feix)

Aus dieser Nachricht geht hervor, dass zwischen den Stadtmauern der Stadt, die belagert wurde, und dem Heiligtum, das offensichtlich nicht belagert wurde, zu diesem Zeitpunkt (ca. 555) ein Abstand von 7 Stadien (ca. 1,25 km) bestand. Aus der Geschichte mit dem Seil ist einmal zu schließen, dass zwischen Stadt und Heiligtum ein Zusammenhang erst gestiftet werden musste; er bestand also nicht schon, vielmehr war das Heiligtum exemt. Und dass zum andern der Lyderkönig kein Interesse an der Einnahme des Heiligtums haben konnte. Und das wohl deshalb, weil er dann das System der Finanzierung von Handel und Militär in Westkleinasien und die damit verbundenen Risiken selbst hätte übernehmen müssen. Bekanntlich hat Kroisos das Artemision in der Folge in großzügiger Weise beim Bau eines neuen Tempels unterstützt. Aber aus der Tatsache, dass er nicht die Kosten für den gesamten Tempel übernommen hat, lässt sich wiederum schließen, dass das Heiligtum seinen Status als unabhängige Einheit, die den umliegenden Städten und Ländern sowohl Dienste anbot als auch von ihnen Gaben annahm, weiterhin bewahren wollte und konnte. Und das selbst dann noch, als durch die Umgestaltungen des Stadtgebiets von Ephesos, die durch den Bau des neuen Tempels nötig wurden, das Heiligtum nun wohl ringsum umgeben war von

19 Georges 1994, 25. 20 Karwiese 1995, 32.

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städtischer Bebauung. Diese Abnahme der räumlichen Distanz zur Stadt konnte nichts an seinem rechtlich exemten Charakter ändern. Der Gedanke der Unantastbarkeit, das Zentrum der Asylie, war und blieb der Grund für das ‘Geschäftsmodell’ des Heiligtums und der Bank. Dieser unantastbare Status der „Bank von Asien“21 besaß noch mindestens bis zur Anabasis des Xenophon (401  v. Chr.) Geltung, der den Sold für seine Soldaten nach dem Feldzug dort deponierte.22 Das zeigt sich auch und besonders an dem priesterlichen Personal, das die Institution spätestens seit dem Ende des sechsten Jahrhunderts v. Chr. leitete. Die Oberpriester hießen Megabyzos oder Megabyxos (Verbalhornung eines persischen Wortes)23 und waren Eunuchen. Dieser Umstand hatte wohl nur in zweiter Linie mit dem sexuell-aggressiven Charakter der Göttin,24 deren Geschäfte sie betrieben, zu tun. Eunuchen waren deshalb in den höchsten administrativen Ämtern der vorderasiatischen Reiche so beliebt, weil sie keine eigenen dynastischen Ambitionen haben konnten. Außerdem hören wir über sie, dass sie von außerhalb der Stadt stammten.25 Das konnte nur den Sinn haben, dass sie dadurch aus den stadtinternen Machtkämpfen um den Einfluss auf das Artemision sich heraushalten oder herausgehalten werden konnten. Auch hierin deutet sich der Charakter der Neutralität an, der für das Heiligtum von entscheidender Bedeutung war und sich so auch in der Person seines obersten Amtsträgers manifestierte. Dass das Artemision keinesfalls Bestandteil der Stadt Ephesos war, geht auch aus einer relativ späten Nachricht hervor, die Licht wirft auf die Verhältnisse in der zweiten Hälfte des 4.  Jahrhunderts v. Chr.: Alexander habe den Ephesiern befohlen, „die Abgaben, die sie an die Barbaren zu zahlen pflegten, [nunmehr] an die Artemis zu entrichten.“26 Welchen Sinn hätte diese Maßnahme gehabt, wenn das Artemision ohnehin schon den Ephesiern gehört hätte?

21 So schon Karwiese 1970, 271. 22 Karwiese 1995, 55 (Xenophon, Anabasis 5, 3, 6). 23 Vgl. Burkert 1999, 62 f. 24 Vgl. Burkert 2011, 233 f. Hierher gehören auch die Stierhoden (früher für Brüste gehalten), die ihrem Kultgewand den unverwechselbaren Charakter verliehen: vgl. Seiterle 1979. 25 Strabon 14, 1, 23; vgl. dazu Smith 1996. 26 Arrian, Anabasis 1, 17, 10–11, eigene Übersetzung.



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2 Basiliden Heraklit stammte aus dem griechischen Adel der Stadt Ephesos, genauer gesagt aus dem Geschlecht der Androkliden, die sich auf einen Sohn des mythischen Athener-Königs Kodros zurückführten. Die entsprechende Gründungssage – der Königssohn Androklos sei von Attika nach Kleinasien gesegelt und habe die Stadt Ephesos gegründet und die zuvor in der Gegend wohnenden Karer und Leleger vertrieben (Strabon)27 – gehört zu einem in Kleinasien weitverbreiteten Typ mythischer Legitimierung politischer Herrschaftsansprüche.28 Auch wenn die genealogische Konstruktion eine späte Erfindung des 7. oder 6. Jahrhunderts sein sollte, muss nicht daran gezweifelt werden, dass es im 6.  Jahrhundert in Ephesos ein ionisches Adelsgeschlecht gab, für das jene Abstammung real war. Da in diesem griechischen Clan das Amt eines Basileus, also ein hohes religiöses und judikatives Amt symbolischer Integration, von Generation zu Generation vererbt wurde, nannte man dieses Adelsgeschlecht auch die Familie der Basiliden. Die archäologischen Forschungen haben – so scheint es – bestätigt, dass es in Ephesos und im Artemision schon sehr früh, vielleicht sogar schon im 9. oder 10.  Jahrhundert. v. u. Z. einen nennenswerten Teil von aus Attika stammender Gebrauchskeramik gab, was auf einen beachtlichen Bevölkerungsanteil schließen lässt, der attische Wurzeln hatte. Dennoch ist durch diesen Befund natürlich der Propaganda-Überschuss, der von einer Gründung der Stadt durch Androklos spricht, nicht gerechtfertigt. Wie dem auch sei, wir hören bei Diogenes Laertius (s. o.), dass Heraklit „auf die amtliche Königswürde verzichtet“ habe, und zwar zugunsten seines Bruders. Die Quelle des Diogenes versteht diesen Akt als ein Zeichen des „Hochmuts“29 des Heraklit, reagiert aber damit wahrscheinlich nur auf die früh schon sich bildende Fama vom arroganten und misanthropischen Philosophen. Dass ein Amt, das sich in der Familie forterbt, auf den nächsten Verwandten übergeht, wenn ein Prätendent verzichtet, ist eine Selbstverständlichkeit. Aber, gesetzt, es handelt sich im Falle Heraklits um eine historisch zutreffende Nachricht, was wäre dann, wenn die psychologisierende oder charakterologisch gemeinte Deutung (gleich welcher Wertung) bei Seite gesetzt werden kann, ein möglicher Sinn dieser Handlungsweise? Er könnte einerseits in einer Zurückweisung der Politik der Basili27 Strabon 14, 1, 21. 28 Das einschlägige Buch, Prinz 1979, betrachtet sie allesamt als unhistorisch. 29 Die deutsche Übersetzung (Apelt in Reich u. Zekel 1967, Bd. 2, 161) spricht von „hoher Sinnesart“ und deutet das griechische Wort μεγαλοφροσύνη also im positiven Sinn, was im Zusammenhang der Stelle nicht sehr wahrscheinlich ist; außerdem wird Heraklit der gleiche Hochmut auch schon im ersten Abschnitt (μεγαλοφρών) und im fünfzehnten (ὑπερφρονῆσαι) attestiert.

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den und einer Distanzierung von dieser bestanden haben, die man sich unschwer als Hegemoniestreben innerhalb der Stadt wird vorstellen können. Und da sich gegen Ende des 6. Jahrhunderts v. Chr. die Bevölkerungsstruktur der Stadt Ephesos noch nicht vollständig homogenisiert haben dürfte,30 der Antagonismus zwischen der persischen Reichsidee und dem athenischen Großmachtstreben jedoch schon begonnen hatte, werden wir auch eine außenpolitische Zielrichtung vermuten dürfen. Beide politischen Aspekte finden wir zusammengefasst in einem Fragment aus dem Buch des Heraklit (DK 22 B 14, s. u.) bestätigt. Zur religiösen Legitimationsideologie der Androkliden gehörte es nämlich auch, dass sie es gewesen seien, die den eleusinischen Kult der Demeter, also ihre ‘Mysterien’ nach Ephesos gebracht hätten: Den Anfang mit der Ionischen Kolonisation – die später stattfand als die Äolische – habe Androklos, ein echter Sohn des Kodros, des Königs von Athen, gemacht und dieser sei der Gründer von Ephesos gewesen (daher soll der Königssitz der Ionier dort entstanden sein; und noch heute werden die Angehörigen des Geschlechts ,Könige‘ genannt und besitzen bestimmte Privilegien: den Sitz auf dem ersten Rang bei Wettspielen, den Purpur als Kennzeichen ihres königlichen Geschlechts, einen Stab – anstelle des Zepters – und die Zeremonien der Eleusinischen Demeter). (Strabon 14, 1, 3, Übers. Stefan Radt.)

Diese mythische Tradition impliziert zunächst einmal, dass die eleusinischen Mysterien schon zur Zeit des Kodros und seiner Söhne (nach unserer relativen Chronologie im 11. oder spätestens im 10. Jahrhundert v. Chr.) unter athenischer Schirmherrschaft gestanden hätten, eine Annahme, für die zwar abundante mythische „Beweise“ und genealogische Ableitungen erfunden worden sind, die aber bei modernen Historikern auf eine gewisse Skepsis gestoßen ist. Dass bereits in protogeometrischer Zeit (also ca. 10. Jh. v. Chr.) „Kontakte mit Athen“ bestanden, wird freilich durch „archäometrische Materialuntersuchungen“31 nahegelegt. Die deutlichen Anzeichen für das Vorhandensein von „Kultformen der Demeterverehrung“ für die „früheste bisher gesicherte Nutzungsphase des Heiligtums“,32 d. h. für protogeometrische Zeiten, können auf Opferbräuche zurückgeführt werden, wie sie bei dem auch im ionischen Kleinasien weitverbreiteten und sogar im äolischen Lesbos belegten Thesmophorienfest schon sehr früh üblich waren.33 Die eleusinischen Mysterien müssen freilich unterschieden 30 Über den Prozess der Bildung eines einheitlichen „hellenischen“ Selbstverständnisses in der griechischen Archaik vgl. Hall 2002. 31 Forstenpointner u. a. 2008, 35 (Kerschner). 32 Es handelt sich um „Skelettreste sehr junger Ferkel“ (Forstenpointner, in: Forstenpointner u. a. 2008, 37). 33 Vgl. Forstenpointner 2001, 53.



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werden vom Thesmophorienfest, wenn auch nicht durch den Brauch des Ferkelopfers, der bei beiden Anlässen eine Rolle spielte. Es waren die ersteren, also die Mysterien von Eleusis, und nicht das letztere, das ubiquitäre Thesmophorienfest, die für die „athenische Außenpolitik“34 wohl schon seit der zweiten Hälfte des 6. Jahrhunderts ein wichtiges Instrument bereitstellten. Für unseren Kontext und die Zeit Heraklits ist es aber nicht wichtig, ob der Kult der eleusinischen Demeter tatsächlich schon im 10. Jahrhundert nach Ephesos hätte transportiert werden können, oder ob die Anzeichen der Demeter-typischen Ferkelopfer durch einen später zustande gekommenen ‘Synkretismus’ erklärt werden können. Weil zu seiner Zeit die Verknüpfung der eleusinischen Mysterien mit der Politik des athenischen Großmachtstrebens durch die Repräsentanten eben dieser athenischen Kultursuprematie, die ephesischen Androkliden, praktiziert wurde, hat sich Heraklit kritisch damit auseinandergesetzt, wenn er geschrieben hat, was der Kirchenvater Clemens von Alexandria folgendermaßen zusammenfasst: Wem also prophezeit Heraklit der Ephesier? Den Nachtwandelnden, den Magiern, den Bakchen, den Lenäen-Feiernden, den Mysten; diesen droht er mit dem, was nach dem Tod kommt, diesen prophezeit er das Feuer. Denn was die Menschen für Mysterien halten, das begehen sie auf unheilige Weise. (DK 22 B 14, eigene Übers.)

Vermutlich ist nur der letzte Satz wortwörtliches Zitat; die vorausgehende Aufzählung der Adressaten der Kritik des Heraklit ist aber möglicherweise ebenfalls authentisch, wie die Edition von Diels/Kranz andeutet und Charles Kahn en detail gezeigt hat.35 Was ist das Gemeinsame an diesen gleichermaßen verdammten Kulten? Lēnai ist ein Ausdruck für die Mänaden des Lenäenfestes und sie gehören wie die Bakchen eindeutig der Sphäre der Dionysos-Kulte an. Auch die Mysten könnten dazugerechnet werden, denn es gab Dionysos-Mysterien und dieser Gott hat sich auch den mit der Prozession nach Eleusis verbundenen Namen des Iakchos angeeignet und gilt daher spätestens seit dem frühen 5. Jahrhundert als zu den eleusinischen Gestalten gehörig. Die Gemeinsamkeit der von Heraklit angegriffenen religiösen Praktiken scheint in der Qualifizierung als „Nachtwandelnde“ zu liegen.36 Aber was sollte an diesem Nachtwandlertum so verabscheuenswert sein?

34 Vgl. Graf 1974, 181. 35 Kahn 1979, 263. 36 Hier könnte man, nach einer Vermutung von Ulrike Muss, einen Zusammenhang sehen mit den in den entsprechenden Arealen der gehäuften Ferkelknochen gefundenen „archaischen Lampen und Wassergefäßen“, die als „Indikatoren für nächtliche Rituale zu Ehren erdgebundener Gottheiten, wie eben Demeter und Kore gedeutet werden“ können (Forstenpointner 2001, 69).

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Beachtet werden muss die Unterscheidung, die Heraklit in dem einzigen Satz trifft, der vermutlich wörtlich zitiert ist. Hier wird ein gängiger Glaube gebrandmarkt, der sich zwar auf die Tradition der Mysterien zu beziehen meint, die Einweihungen aber auf eine „unheilige Art und Weise“ (ἀνιερωστί) vollzieht. Da wir nicht wissen, welche Riten genau Heraklit meint, und noch weniger, wie diese Riten in Ephesos vollzogen wurden, scheint nichts anderes übrig zu bleiben, als die Sache auf sich beruhen zu lassen. Es bliebe aber dann erst recht im Unklaren, warum sich Heraklit mit derlei religiösen Bräuchen abgibt. Zwar hätten wir hier einen Beleg für die Annahme,37 dass Heraklit in Ephesos gelegentlich eine ähnliche Rolle eingenommen hat wie die Propheten des vorexilischen Judentums, nämlich die eines Kritikers der herrschenden Kultpraxis. Und in der Tat benutzt der Kirchenvater in seinem Heraklit-Referat zweimal das Wort μαντεύεσθαι, also: prophezeien. Aber das könnte eine semantische Voreingenommenheit des alexan­drinischen Theologen sein, die zudem den falschen Terminus benutzt, denn die jüdischen Propheten sind keine manteis im griechischen Sinn. Wir müssen uns ins Gedächtnis rufen, dass die ‘Kultkritik’ der hebräischen wie auch die der neuassyrischen Propheten38 immer zugleich auch eine politische Bewandtnis hatte. Wenn wir das berücksichtigen, dann fällt sofort ins Auge, dass die hier vorgebrachte harsche Kritik Heraklits auf der gleichen Linie liegt wie seine Distanzierung von dem religiösen Amt der Basileia seines Familienclans, also der ephesischen Androkliden. Deren Politik war offensichtlich darauf ausgerichtet, durch ihre Vereinnahmung der eleusinischen Riten sich einen ideologischen Vorrang vor den anderen griechischen Familien und vor allem vor den nicht-griechischen Bevölkerungsteilen von Ephesos zu verschaffen. Die Verwaltung religiöser Veranstaltungen wurde von den Androkliden im Sinne der Erlangung und Sicherung politischer Privilegien und Machtansprüche ausgeübt. Und gegen diese Instrumentalisierung religiöser Gebräuche für die athenophilen Familieninteressen einzelner Gruppen (und damit für die überseeische Macht Athen) scheint sich Heraklit zu wehren. Sein Rückzug in das Artemision wäre dafür eine deutliche Konsequenz. Die gleichzeitige Verdammung der nun eindeutig mit ihrem persischen Namen belegten Magoi macht jedoch zugleich deutlich, dass Heraklit nicht einfach nur gegen eine der herrschenden Parteien in Ephesos, nämlich die athenophile, polemisieren oder Partei ergreifen will. Er spricht sich im selben Satz auch gegen eine entsprechende Kultpraxis der Magoi aus, also der persischen

37 Von mir in der Vortragsversion dieses Beitrags auf dem Symposium in Selçuk advokatisiert und auf überwiegende Ablehnung oder Desinteresse der Teilnehmer gestoßen. 38 Vgl. Nissinen 2000 und Nissinen 2003.



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Charismatiker, deren es im als perserfreundlich verschrienen Ephesos sicher etliche gegeben haben dürfte. Was er sucht, ist ein neutraler Standpunkt.

3 Anachōrēsis Der Ausdruck im griechischen Text, der für diesen Rückzug des Heraklit gebraucht wird, ist eine Partizipialform des Verbs ἀναχωρεῖν. Wir kennen dieses Wort von dem christlichen terminus technicus ‘Anachoret’ für den Eremiten, der sich in die Einsamkeit zurückzieht. Diese Terminologie taucht zwar erst im dritten nachchristlichen Jahrhundert und damit ein wenig später als der Autor Diogenes Laertius auf, geht aber möglicherweise auf ältere Ausdruckweisen zurück. Bei Diogenes Laertius taucht das Wort insgesamt fünfmal auf,39 davon dreimal in einem unspezifischen Gebrauch, der seiner wörtlichen Bedeutung entspricht. Da ist von Sokrates die Rede, der sich inmitten der Flucht der athenischen Truppen nach der Schlacht von Delion in aller Ruhe „zurückzieht“ (D. L. 2, 23), von Aristippos, der sich einem, der ihn schmäht, zu „entziehen“ versucht (2, 70), oder von den vor dem Haus wartenden Gästen des Menedemus, die sich je nachdem, welche Gänge im Hause aufgetragen werden, „davonmachen“ (2, 139) oder eintreten. Ein wenig ähnlicher ist schon die vierte Stelle, an der davon die Rede ist, dass Krantor sich ins Asklepieion zurückzieht, nachdem er sich krank fühlt (4, 24). Aber auch hier scheint der Gebrauch des Wortes unterminologisch zu sein. Der fünfte und letzte Beleg für das Wort, nämlich die Benennung des Rückzugs des Heraklit aus der Stadt in das exemte Heiligtum, könnte nun allerdings doch sich einer geprägten Terminologie bedienen. Das muss nicht bedeuten, dass Heraklit selbst sich dieses Begriffs bedient hätte, um sein Verhalten zu beschreiben. Es geht vielmehr um die spezifische Qualität dieses Schrittes. Der Begriff der Anachōrēsis ist allerdings bekannt aus dem juristischen Vokabular ägyptischer Urkunden aus hellenistischer Zeit, meistens auf erhaltenen Papyri.40 Hier ist Anachōrēsis ein terminus technicus für die Flucht dienstpflichtiger Beamter oder Bauern aus ihren angewiesenen Wohnsitzen oder Arbeitsplätzen an einen sicheren Ort. Diese Flucht ist ein Mittel des Protests z. B. gegen zu hohen Pachtzins oder eine Art von ‘Streik’ gegen als ungerecht empfundene Arbeitsbedingungen oder Leistungspflichten, oder gar eine unbotmäßige Beendigung des Dienstverhältnisses. Die Flucht führte entweder in nahegelegene Hei-

39 Vgl. Janaček 1992, 24. 40 Vgl. ­Schmidt 1966.

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ligtümer (Isis-Tempel, Serapeion) oder auch einfach nur in schwer erreichbare Gegenden. Es besteht kein Grund zu der Annahme, dass dieser Brauch oder die Gegenmaßnahmen gegen ihn eine spezifisch ägyptische Angelegenheit gewesen sein sollten. Der Ausdruck dürfte vielmehr allgemein in der hellenistischen Zeit (oder schon zuvor?) eine juristische Bedeutung bekommen (oder vielleicht auch beibehalten) haben, die mit dem Rückzug (aus welchem Grund auch immer) auf unantastbares Gebiet zu tun hatte.41 Unter der Annahme, dass das Wort anachōrein auch im Zusammenhang der Erzählung von Heraklits Rückzug auf eine terminologische Bedeutung anspielt und zwar eine, die mit rechtlichen Kategorien zu tun hat, wird somit deutlich, dass Heraklits Schritt eine juridische Symbolik entfaltet. Der Philosoph sucht nicht bloß den Tempel einer Göttin auf, um dort seiner Ruhe zu genießen, sondern er wählt einen Platz, den er für den ihm angemessenen hält. Er lässt die Verpflichtungen hinter sich, die seine Familienzugehörigkeit und seine Polisbürgerschaft ihm auferlegt haben. Er hat damit einen neutralen Ort gewählt, der ihn aus den Bürgerzwistigkeiten befreit. Das muss durchaus nicht im Sinn eines Rückzugs aus jeder politischen Stellungnahme verstanden werden.42 Und tatsächlich deuten sowohl die oben wiedergegebenen anekdotischen Erzählungen als auch die gelegentlich in den überlieferten Fragmenten seiner Schrift enthaltenen politischen Anspielungen darauf hin, dass Heraklit nach wie vor seine Kommentare zum Verhalten der Ephesier abgab. Dafür spricht auch der Umstand, dass seine „Schrift“ (σύγγραμμα), die er wohl nicht schon fertig ins Artemision mitgebracht hat, nach einer bedenkenswerten Nachricht, die auf den Grammatiker Diodotos zurückgeht, eben nicht über die „Natur“ (περὶ φύσεως), sondern über die „Politik“ (περὶ πολιτείας) gehandelt habe.43

41 Es fällt schwer, hier nun nicht doch an die „Flucht“ jener Untertanen des hethitischen Königs ins Land Arzawa zu denken, die den Feldzug Mursilis veranlaßt hat (s. o. Götze 1933). 42 Vgl. die Beiträge von Kurt A. Raaflaub und Charlotte Schubert in diesem Band, die – unter jeweils verschiedenem Gesichtspunkt – mit Recht Heraklit als politischen Denker behandeln. 43 D. L. 9, 15. In der anderen, anfangs schon zitierten bei Diogenes Laertius erhaltenen Nachricht (9, 5) ist von „drei Themen“ (λόγοι) seines „Büchleins“ (βιβλίον) die Rede: über das All, ein politisches und ein theologisches.



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4 Neutralität Die Neutralität, die das Heiligtum der Artemis garantiert,44 scheint als politisches Programm Heraklits im Gegensatz zu stehen zu dem bekannten – und umstrittenen – Stasis-Gesetz Solons. Dieses Gesetz macht es den Bürgern Athens (genauer gesagt: den Mitgliedern des Areopags) zur Pflicht, in einem in der Stadt entstandenen Streit (nicht unbedingt: Bürgerkrieg) Partei (nicht unbedingt: die Waffen) zu ergreifen.45 Man sollte jedoch unterscheiden zwischen einem Gesetz, das allen geboten wird, und einem Standpunkt, den ein Individuum für sich wählt. Den solonischen Gesichtspunkt der notwendigen Beteiligung Aller an der ‘Verteidigung’ der Stadt nicht nur gegen äußere Feinde, sondern auch gegen interne Machtkämpfe bringt ja auch Heraklits Spruch zum Ausdruck, das Volk (δῆμος!) müsse kämpfen für sein Gesetz wie für seine Mauer (DK 22 B 44). Diesem ‘demokratisch’ klingenden Satz steht freilich der andere entgegen, Gesetz heiße auch dem Willen eines einzigen folgen (DK 22 B 33), was nun als Aufforderung verstanden werden kann, einer Tyrannis sich zu beugen. Der Standpunkt der Neutralität legt nicht auf eine bestimmte Verfassungsform fest, sondern vermag Gegensätzliches zu vereinen. Insofern ist der Gedanke eines neutralen Standpunkts keineswegs selbstverständlich oder eine naheliegende Option. Er musste in der griechischen, durch Familienverbände geregelten Welt, in der selbst Nachbarschaftsverhältnisse wie die Phylen46 und Phratrien als „fiktive Verwandtschaftsverbände“47 begründet werden mussten, offensichtlich erst „erfunden“, bzw. durch eine symbolische Handlung wie die Anachōrēsis ins Artemision augenfällig gemacht werden. So legt sich auch die Vermutung nahe, dass selbst der ontologische Kern­ gedanke des Heraklit, gewöhnlich als „Einheit der Gegensätze“ zusammengefasst, aus dem Gesichtspunkt eines solchen neutralen Standorts verständlich gemacht werden könnte. Die Einsicht, dass die Gegensätze letztlich eins sind, setzt einen Standpunkt außerhalb des Spannungsfelds dieser Gegensätze voraus. Auf diese Weise gelangte der Philosoph zwar nicht in eine „epistemologische Schweiz“,48 denn in einer solchen müsste man „zweimal in denselben Fluss steigen“ können,

44 Fleischer 2002, 197, spricht vom „Bereich des stets neutralen Artemisions“. 45 Vgl. dazu Schmitz 2011. 46 Vgl. Artikel „Phyle“ von Bernhard Smarczyk in DNP 9, Sp. 983: „Wie bei den Bezeichnungen für andere Untergliederungen der pólis wurde auch mit dem Terminus ph. das Idiom der Verwandtschaft auf die Binnenorganisation der póleis übertragen“. 47 Vgl. Artikel „Phratrie“ von Winfried Schmitz in DNP 9, Sp. 962. 48 Duerr 1978, 114: „In der Tat sind einige Philosophen zu einem derartigen Schluß gekommen. Sie meinen etwa, es gebe keinen ‚neutral way of testing‘, wie es sich in Wirklichkeit verhalte, es gebe also nicht so etwas wie eine ‚epistemologische Schweiz‘.“

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was der ephesische Philosoph für unmöglich erklärt (DK 22 B 91), bzw. wären – was die moderne Epistemologie ablehnt – alle Experimente eo ipso reproduzierbar. Der ontologisch neutrale Standpunkt ist daher nur als meta-physische (und nicht als epistemologische) Annahme denkbar und insofern  – um mit Kant zu reden – eine „natürliche und unvermeidliche Illusion“.49 Ob die meta-physische Illusion der Einheit der Gegensätze eine „Spätfolge“ der Einnahme des meta-politisch neutralen Standpunkts gewesen ist oder ob sie umgekehrt eine spekulative Voraussetzung für die politisch neutrale Positionierung des Philosophen bildete, vermag ich nicht zu sagen und halte beides für möglich. Auch wenn er nicht im Paradies der „epistemologische[n] Schweiz“ lebt, sondern im Asyl der politisch Obdachlosen, so braucht der Philosoph dennoch Sachverstand, gerade dann, wenn er sein Wissen fruchtbar machen will für seine Zeitgenossen. So verstehe ich den harmlos klingenden, bei näherer Betrachtung aber auf seltsame Weise aufschlussreichen Spruch, den wiederum der Alexandrinische Kirchenvater Clemens aufbewahrt hat: χρὴ γὰρ εὖ μάλα πολλῶν ἵστορας φιλοσόφους ἄνδρας εἶναι – „denn es müssen die Philosophen sehr wohl in vielem sachverständige Männer sein.“ (DK 22 B 35, eigene Übers.)

Gewöhnlich wird in den Übersetzungen der Satz ein wenig anders konstruiert, weil man Heraklit den substantivischen Gebrauch des Wortes philosophos nicht zutraut.50 Dann wären es also „weisheitsliebende Männer“, die „in vielem sachverständig“ sein müssen. Sei dem wie ihm sei, „sachverständig“ (ἵστορας) müssen die weisheitsliebenden Männer, bzw. die Philosophen sein. Das Wissen eines Sachverständigen ist aber nicht einfach ein „Kundigsein“, das dann leicht in die Nähe der von Heraklit verachteten „Vielwisserei“ (πολυμαθίη) zu rücken wäre. Vielmehr dient das Wissen eines Sachverständigen als neutrales Gutachten in einer Streitsache. Ein histōr ist ein neutraler Schiedsrichter, der keiner der jeweiligen Streitparteien angehört, aber auf beide hört.51 Insofern ist sein Stand-

49 Kant 1787, 354. 50 Die Zweifel an der Möglichkeit des substantivischen Gebrauchs von φιλόσοφος schon bei Heraklit gehen auf Wilamowitz zurück (s. Apparat in der Ausgabe von Diels u. Kranz 1956, 181). 51 Vgl. die Darstellung des neutralen Schiedsrichters (ἵστωρ) bei Homer, Ilias 18, 497–501: „Das Volk aber war auf dem Markt versammelt. Dort hatte ein Streit Sich erhoben: zwei Männer stritten um das Wergeld (ποινή) Für einen erschlagenen Mann. Der eine gelobte, dass er alles erstattet habe, Und tat es dem Volke dar, der andere leugnete: nichts habe er empfangen. Und beide begehrten, beim Schiedsmann (ἴστωρ) einen Entscheid zu erlangen.“ (Übers. Wolfgang Schadewaldt)



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ort vergleichbar jenem archimedischen Punkt außerhalb, von dem aus die Erde bewegt werden könnte, – wenn sie nicht schon in Bewegung wäre, wie Heraklit allerdings annimmt (DK 22 B 91). Die Analogie zum archimedischen Punkt bestätigt den Postulatscharakter des angenommenen Standpunkts und macht noch einmal deutlich, dass der Rückzug ins Artemision als eine symbolische Handlung verstanden werden sollte.

5 Asyl statt Exil Heraklit distanzierte sich von dem politisch-religiösen Geschäft seiner könig­ lichen Familie, die mit den Mitteln von privilegierter Religion politische Mehrheiten zusammenzubringen versuchte. Seine öffentlichen Scheltworte gegenüber den Bürgern von Ephesos haben ihm gewiss keine Freunde eingebracht, im Gegenteil musste er wohl damit rechnen, vom ephesischen „Magistrat“ aus der Stadt verwiesen zu werden, eine Übung, die damals schon wegen vergleichsweise viel harmloserer Übertretungen gepflegt wurde, wie das Beispiel des skatologischen Dichters Hipponax vor Augen führen konnte. Heraklit ging aber nicht ins Exil  – wie das Politiker und Philosophen in anderen Städten getan haben, wenn sie in Lebensgefahr gerieten, man denke nur an Anaxagoras im nahen Klazomenai –, sondern er entschied sich für das Asyl vor den Toren der Stadt. Dort konnte er seines Lebens sicher sein und dennoch seiner Berufung folgen, die er offensichtlich darin sah, seinen Mitbürgern ein Ärgernis zu sein. Mit dieser Entscheidung – Asyl statt Exil – machte er zweierlei deutlich: einmal, dass er sich nicht als aktiver Politiker verstand, der das Exil hätte nutzen können, um eine ausreichende Menge von (sei es militärischer, sei es ideologischer) Unterstützung zu sammeln; und zum andern, positiv gewendet,

Weitere Belege für die spezifische Bedeutung von ἵστωρ („one who knows law and right, judge“) in LSJ s.v. Im Plural kann es auch ‘witnesses’ bedeuten (ebd.). Die Diskussion um die Möglichkeit oder Unmöglichkeit, Heraklit den substantivischen Terminus philosophos zuzubilligen, hat die Aufmerksamkeit der Exegeten (Nestle in Zeller 1920, 1, 903, Anm. 2; Gigon 1935; Verdenius 1947; Burkert 1960; Gladigow 1965 u. a.) von dem Terminus ἵστορας, der nur aus dem Substantiv ἱστορίη, das in DK 22 B 129 abschätzig gebraucht wird, und dem ebenfalls nicht besonders gut beleumundeten Verb ἱστορεῖν erklärt wurde, abgezogen und zur Konstruktion eines angeb­ lichen Widerspruchs zwischen der Ablehnung der ἱστορίη in DK B 129 und der Verpflichtung der „weisheitsliebenden Männer“ in DK 22 B 35 darauf, ἵστορας zu sein, geführt. Dass die eigentliche Pointe des Herakliteischen Satzes aber in der Betonung des histōr-Seins der Philosophen liegt, wird durch das verkürzte Zitat bei Porphyrios, De abstinentia 2, 49, deutlich: ἵστωρ γὰρ πολλῶν ὁ ὄντως φιλόσοφος („Der wahre Philosoph ist ein in vielem Sachverständiger“).

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dass er das eigentliche Problem, das ihn von seinen Mitbürgern entzweit hatte, nicht auf einer lokalen politischen Ebene sehen wollte. Im Tempelbezirk des Artemisions soll er mit den Kindern Würfel gespielt haben52 und zu den umstehenden Ephesiern gesagt haben: „Was wundert ihr euch, ihr Gesindel, ist es nicht besser, das zu tun, als mit euch Politik zu betreiben?“53 Das ist eine harsche Antwort, von der Diels seinerzeit im Apparat bemerkte, sie wirke „sehr echt“.54 Möglicherweise ist nicht erst die Antwort des Heraklit provozierend, sondern schon die Handlung ist es, mit der er die Ephesier verblüfft. Mit andern Worten: Heraklit hat nicht einfach zum Zeitvertreib mit den Kindern gewürfelt, sondern er wollte mit dieser Handlungsweise seine Mitbürger provozieren. Insofern weist diese Handlungsweise eben gewisse Merkmale auf, die auch für die symbolischen Handlungen der altisraelitischen Propheten55 charakteristisch sind. Eine verblüffende, sinnlos scheinende Handlung wird zum Anlass für die Erteilung einer Botschaft. Die Botschaft entspricht der, die er zuvor schon einmal seinen Kompatrioten erteilt hatte, als diese ihn darum gebeten hatten, ihnen Gesetze, einen νόμος, zu geben. Bei dieser Gelegenheit hatte er das mit Entrüstung von sich gewiesen, weil die Stadt schon beherrscht werde von schlechter Politik.56 Damals aber war er noch Teil dieser Polis gewesen und sollte eine Art von reformerischem Werk beginnen, was ihm aber bereits zu diesem Zeitpunkt sinnlos schien. Nun ist sein Standpunkt aber noch radikaler geworden. Und das zeigt sich schon daran, dass sein Standort nun ein anderer geworden ist. Vielleicht reicht die Analogie zu den nahöstlichen Propheten auch noch soweit, dass sich an diesem Ort dann auch Schüler oder Anhänger („Herakliteer“57) gefunden haben, die seine bitteren

52 Es ist nicht unmöglich, dass diese Anekdote nun doch unhistorisch ist und aus den im Artemision belegten Astragal-Orakeln (vgl. Karwiese 1970, 342 f. und 355), bei denen Kinder eine Rolle spielten, „herausgesponnen“ wurde. 53 D. L. 9, 3, eigene Übersetzung. 54 DK 1956, Bd. I, 140. 55 Vgl. dazu Fohrer 1968. 56 D. L. 9, 2. 57 Von keinem anderen Philosophen vor Sokrates gibt es Anhänger, die sich nach seinem Namen nennen oder nach ihm genannt werden – eine Tatsache, die für den charismatischen, prophetischen Charakter Heraklits Zeugnis ablegt. Die einzige Parallele könnte für Pythagoras geltend gemacht werden, dessen Anhänger – schon in der Akademie – als Pythagoreioi bezeichnet werden; obwohl von ihm seit dem Platon-Schüler Herakleides Pontikos die Rede geht, er habe sich als erster „Philosoph“ genannt (D. L. I 10), so ist gerade sein Charismatikertum unverkennbar. Wenn Heraklit ihn den „Anführer der Schwindler“ (DK 22 B 81) nennt, so gehört das zum unter Charismatikern üblichen Ton (den hilfreichen Hinweis auf Pythagoras verdanke ich Volker Dietz, Universität Leipzig).



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Bonmots aufgezeichnet und sein „Buch“ fortgeschrieben haben, wie das bei den Propheten des Alten Israel nachweislich geschehen ist.58 Freilich ist er nun kein Anachoret im biblischen Sinn geworden, der wie Elia oder später Johannes der Täufer sich in die Wüste zurückzieht, sondern er bleibt zwar mitten in der Stadt  – das Artemision ist zu seiner Zeit ja wahrscheinlich schon rings umbaut –, befindet sich aber doch außerhalb ihres Hoheitsgebiets: drinnen und doch draußen. Denn er will ja gehört werden, er will ja provozieren. Aber er muss klarstellen, dass er nicht dazugehört. Sein Wort soll von außerhalb der Polis kommen, wenn Handeln innerhalb der städtischen Politik nur noch als Komplizenschaft möglich ist. Es gibt auch außerhalb der Polis einen Ort, von dem aus politisches Wirken möglich ist. Dies ist die Botschaft des Heraklit. Sein Standort symbolisiert die Erkenntnis, zu der seines Erachtens (noch) niemand (bisher) gelangt ist: σοφόν ἐστι πάντων κεχωρισμένον –– „Weises ist von allem abgesondert“ (DK 22 B 108, eigene Übers.).59

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RE

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58 Vgl. Toorn 2007, 173–204. 59 Die Übersetzung von Laura Gemelli Marciano trivialisiert den Gedanken Heraklits: „dass das Weise von allen Dingen verschieden ist“ (Gemelli Marciano 2007, 299). In metaphysische Regio­ nen gehoben wird er hingegen von Snell 1989, 33: „daß das Weise etwas von allem Getrenntes ist (ab-solutum).“

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Zusammenfassung Heraklits Verbindungen mit dem Artemision in Ephesos verdienen große Aufmerksamkeit. Allerdings ist über die kultischen Institutionen dieses Heiligtums in der archaischen Zeit nur wenig bekannt. Hinzu kommt, dass auch die politischen Verhältnisse an der westkleinasiatischen Ägäisküste gegen Ende des 6. Jahrhunderts im Einzelnen nicht besonders klar sind und die Übernahme persischer Kultformen und religiöser Titel für das Artemision zwar belegt, aber in ihren konkreten Auswirkungen schwer zu durchschauen ist. Wenn man den Angaben des Diogenes Laertios trauen darf, hat Heraklit sein „Buch“ im Artemision hinterlegt (oder ausgestellt?) und sich dorthin „zurückgezogen“. Dort handelt auch eine Episode, die ihn mit Kindern ein Würfelspiel spielen lässt. In dieser Szene wie auch in einigen anderen Apophthegmata scheint eine grundsätzliche Distanzierung des Heraklit von den Bewohnern der Stadt Ephesos anzuklingen, wie auch schon der Ausdruck „zurückgezogen“ (ἀναχωρήσας) deutlich macht. Die Wahl dieses Aufenthaltsorts ist als symbolische Handlung zu verstehen. Sie macht augenfällig, dass Heraklit einen anderen Ort einnehmen will als den durch die gegensätzlichen Faktionen der Bewohner von Ephesos eingeschlossenen. Dies bedeutet aber für Heraklit keinen Rückzug aus der Politik, sondern die Einnahme eines im 6. Jh. in Athen für schädlich gehaltenen neutralen Standorts. Der Gegensatz einer solchen Politik der Neutralität zum Antistasis-Gesetz des Solon liegt auf der Hand. Möglicherweise hängt dieser neue politische Gesichtspunkt zusammen mit Heraklits ontologischen Erwägungen zu der Einheit der Gegensätze.

Kurt A. Raaflaub

Shared Responsibility for the Common Good: Heraclitus, Early Philosophy, and Political Thought 1 Background In Edward Hussey’s sober summary, Heraclitus “lived at the end of the 6th century b.c.e. Nothing is known of his life (the ancient ‘biographies’ are fiction).”1 Indeed, as so often, what we are told by Diogenes Laërtius and other late authors is most likely spun out of the philosopher’s own statements, which were considered “obscure” or “puzzling” already in antiquity. Of course, this has not prevented scholars, based almost exclusively on information provided by late authors (such as Plutarch, Diogenes Laërtius, or Clement of Alexandria), to construe various life scenarios, in which Heraclitus, politically active early on, retired from public life when his friend Hermodorus (below) was exiled, or was involved in a bitter feud between a pro-Persian, ʻlydianizingʼ faction among the aristocracy that was devoted to a luxurious life style and orientalizing cults and mysteries, and a ʻGreekʼ faction that advocated Greek values, a simpler life style, moderation, and a fight for liberty, or persuaded the tyrant Melankomas, imposed by the Persian satrap, to resign and, despite his contempt for the masses, took the side of the people who advocated further democratization. In such reconstructions, the philosopher wears almost any conceivable political hat and is motivated by a broad spectrum of political or religious considerations.2 Still, and even if we do not know Heraclitus’s exact dates, a few well-attested facts are worth remembering. At the time, Ephesus, like all East Greek poleis,

1 Hussey 2000, 631. On Heraclitus’s ‘life’, see n. 6 below. – Abbreviations: DK: Diels & Kranz 1961; ER: van Effenterre & Ruzé 1994; F: Fornara 1983; K: Kahn 1979; KRS: Kirk et al. 1983; ML: Meiggs & Lewis 1988; W: West 1992. Translations (often modified): Kahn 1979 or Barnes 1982. I have mostly worked with the fragments themselves; Navia 1993 offers an annotated bibliography. – I thank the organizers of the conference in Ephesus for inviting me and for providing a greatly stimulating venue for productive discussions; I also thank them (and the local authorities) for their hospitality and the participants for useful comments on an earlier version of this chapter. Finally, I thank David Sider for helpful comments and for sharing his paper on Heraclitus’s ethics with me (Sider 2013). 2 See, e. g., Zoumpos 1956; Helm 1964; Spaňár 1983; Silvestre 1992.

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was part of the Achaemenid empire and thus indeed ruled by a ‘tyrant’, that is, a ‘governor’, usually from one of the elite families, imposed and supported by the Persian satrap in Sardes. Unlike most of the Ionians, Ephesus apparently did not participate in the Ionian Revolt (499–94 bce) – this must have had a good reason, but we have no idea what it was – and thus probably did not suffer harm from its suppression; perhaps it even profited from the demise of others, especially neighboring Miletus. Presumably, Mardonius’s subsequent establishment of ‘democracies’ (which probably should be understood as some form of ‘isonomic’ system empowering at least the land-owning farmers) applied to Ephesus too; so did the ʻliberation’ of Ionia from the Persians after the battle of Mycale in 479 and the foundation of the Delian League in 478, although Ephesus is never explicitly mentioned in these contexts. Moreover, Ephesus early on was a wealthy polis, due to its location, past favors by Croesus, and the prominence of the Artemision, but, since archaeologists have not found the archaic town, it is uncertain to what extent this continued into the fifth century. And finally, Ephesus also produced the most sarcastic of all ‘blame poets’, Hipponax, probably a slightly older contemporary of Heraclitus.3 What does all this mean for our understanding of Heraclitus? Not much because we do not know any details. For this very reason, even the reasonable assumption that Heraclitus’s philosophy was at least partly rooted in his reaction to contemporary events and experiences does not bring us any further.4 All we can say is that probably for most of his life-time his polis was indeed governed by

3 On Ephesus: Hdt. 1.142–43, 169; 5.100. On the Ionian Revolt: Murray 1988. Mardonius’s establishment of democracies: Hdt. 6.43. On isonomia in this context, see chapters by Charlotte ­Schubert and Uwe Walter in this volume. Herodotus (6.131) uses dēmokratia for Cleisthenes’ isonomia as well; for reasons why this was not yet a fully developed democracy, see Raaflaub 2007; contra: Ober 2007. Ephesus member of the Delian League from the beginning: Meritt et al. 1950, 200 – 1. Democracy later in the 5th cent.: Robinson 2011, 172–73. 4 Among others, Karl Popper (2013, 10–16) assumed that Heraclitus’s discovery of the principle of change, formulated in the “doctrine of universal flux” emerged from his “terrifying personal experiences suffered as a result of the social and political disturbances of his day.” This may well be, but Popper understood these disturbances as caused by a fundamental conflict between new democracies and ancient tribal aristocracies (in which “everybody has his assigned place within the whole of the social structure, everyone feels that his place is the proper, the ‘natural’ place assigned to him by the forces which rule the world, everyone ‘knows his place’”). This sounds much more Near Eastern (see, e. g., Jacobsen 1946) than Greek. Despite Ephesus’s location in East Greece and thus at the border to the Near Eastern world, and possible Lydian influences, the social, economic, and political troubles the polis suffered in Heraclitus’s time probably had much more in common with those that had been going on in Greek poleis since the late 7th century (see, e. g., Starr 1977; Stein-Hölkeskamp 1989).



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Persian-imposed tyranny and from soon after 494 by a more ʻisonomicʼ system in which at least a sizable part of the citizen body had a say; we do not know what kind of democracy existed later in the fifth century and whether Heraclitus lived to experience it. Nor do we know why the Ephesians rejected Hermodorus’ constitutional proposals (if he really was a ʻlawgiverʼ) and why Heraclitus thought that their constitution was so bad.5 Given our condition of almost complete ignorance of Heraclitus’s life and circumstances, the only sound approach leads through his own statements  – despite all uncertainties and difficulties this entails. The image of a misanthrope and ʻrabble-haterʼ who withdrew from society and polis into the sanctuary of the Artemision and deposited his ʻbookʼ there or into the abandoned ʻupper polisʼ or even the mountains – again an image constructed by later authors – has influenced scholars to underestimate the political component of his thinking or at least to interpret it from a one-sided perspective.6 I for one find in his words interesting and serious concerns for the community and the common good. This is the issue I want to investigate in this chapter.

2 Prologue: law and polis I begin with one of Heraclitus’s statements on law (nomos) – and one that seems straightforward: “The people (dēmos) must fight for the law (nomos) as for their city wall” (K lxv; DK 22 B 44). Elsewhere, he compares violence or lawlessness (hybris) with a house on fire: “One must quench hybris quicker than a blazing fire” (K civ; DK 22 B 43). This is the only fragment in which fire appears as a purely destructive force. As an enemy attack threatens the entire city, so a fire threatens the entire neighborhood; the defense of civic law is as important as that of the walls; hence suppressing hybris, lawlessness endangering civic unity and the common interests of all, appears even more urgent than quenching a raging fire.7 Heraclitus again emphasizes such common interest of all (to xynon pantōn), and again in connection with nomos, when he says: “Speaking with understanding (xyn noōi), they must hold fast to what is shared by all (to xynon pantōn), as a city holds to its law (tōi nomōi) and even more firmly” (K xxx; DK 22 B 114). I shall

5 For discussion of the relevant fragments, see below. On the testimonia concerning Hermodorus, see Mouraviev 2003, 16–17. 6 See esp. Diog. Laert. 9.1–6; for a critical discussion of the extant reports on his life, see Kahn 1979, 1–3. For Heraclitus and the Artemision, see Michael Franz’ chapter in this volume. 7 Kahn 1979, 241.

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return later to the aspect of common interest. Here I note the emphasis Heraclitus places on the significance of the law for communal well-being: it is essential for civic life and social harmony. To observe and protect it lies in the citizens’ vital self-interest. Charles Kahn rightly notices here a similarity with the thinking of Solon the Athenian: both stress the rule of law and do so from the perspective of social conflict and the need to firm up social justice.8 But Heraclitus (in the continuation of the fragment just quoted) sees cosmic order based on “the divine one” (hen to theion): “For all human laws (anthrōpeioi nomoi) are nourished by a divine one (hypo henos tou theiou). It prevails as it will and suffices for all and is more than enough.” He thus goes beyond Solon in allowing for the possibility that an outstanding individual (perhaps like Solon himself) could play a crucial role in protecting civic order and law: “It is law also to obey the counsel of one” (K lxvi; DK 22 B 33). I shall come back to this as well. These thoughts place Heraclitus in the middle of the process by which the role of law in the Greek polis was increasingly defined and conceptualized. This process starts with the earliest extant Greek laws (in the second half of the seventh century bce), some of which begin with “This was decided by the polis” (had’ ewade poli) or by the demos.9 The polis, the community of citizens in assembly, enacted laws which, resulting from public and thus open debate, expressed the community’s voice and will. Inscribed on stone and often placed in a sanctuary, the law received divine protection, public respect and recognition, and was made permanent, which was crucial to enhance the security of law. At the same time, though, the law became changeable: by popular fiat, it could be adapted to new conditions and needs. The law thus served as an instrument by which the polis could shape its order – and restore it if it got disturbed. The law became a tool to realize the common good. All this is true even if the polis decided to endow a ʻstraightenerʼ or lawgiver with full power to ʻstraighten outʼ a community tormented by civil strife. (The image is the same as in Hesiod’s appeal to corrupt judges to pass “straight” rather than “crooked” judgments.) Despite their power, these ʻmediatorsʼ spoke and acted from a position in the middle of the community, not above it, and on its behalf.10 Solon and Cleisthenes of Athens, active at the beginning and end of the sixth century, were lawgivers whose reforms, based on sophisticated political analysis 8 Ibid., 179–81; the parallel was seen much earlier by ­Schmid & Stählin 1929, 741 n. 1. 9 ML 2; ER 81; see also 64; F 11. On the process sketched here, see Raaflaub 2013, 78–79 with bibliog. Specifically on early Greek law, see Gagarin 1986, 2008; Hölkeskamp 1994, 1999; Thomas 1996; Whitley 1998; Farenga 2006; Hawke 2011. 10 On the “straighteners” (katartistēres, aisymnētai): Meier 1990, 40–52; Faraguna 2001; Wallace 2009. Solon speaking as a citizen, from the middle: fr. 4.1–8, 30; 5; 36.1–2, 20–27; 37 W.



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and theoretical thinking, and enacted through legislation, restored order out of civic division (stasis) and shaped their communities in new ways. In one of his poems, Solon explicitly refers to his function as a lawgiver: I achieved what I did through my power (kratos), harnessing together force (biē) and justice (dikē)… I wrote down ordinances (thesmous) for low and high alike, fitting straight justice for each man. (36, 15–19 W)

This approximates the concept of equality before the law (isonomia), and it was especially important to Solon to enhance popular participation in the administration of justice.11 After an interlude of tyranny that decisively weakened the aristocratic families, and a new outbreak of factional strife, Cleisthenes went farther by establishing political equality at least among the upper and middle class citizens (the independent farmers serving in the polis army). His complex and sophisticated reforms helped integrate a polis that was previously divided both vertically (between classes) and horizontally (between regions) and thus gave it the unity needed to meet major outside challenges.12 It is against this background that we must understand the emphasis Heraclitus places on the crucial significance of the law – equal to the walls – for the polis’ well-being. What the walls are intended to accomplish against external enemies, the laws are supposed to achieve in maintaining internal order, unity, and security. But, of course, both the walls and the laws can meet this purpose only if they are supported vigorously and unconditionally by the citizens. Hence Heraclitus’s urgent appeal to “hold fast to what is shared by all, as a city holds to its laws, and even more firmly” (K xxx; DK 22 B 114). Where did the process of conceptualizing the role of law in the polis end? In fourth-century political philosophy, of course, but I would first mention the discussion in Herodotus between king Xerxes and the exiled Spartan king Demaratus. Trying to convince Xerxes that the Spartans will fight even against extreme odds in numbers, Demaratus refers to the enormous impact of social cohesion and integration on a polis’ fighting power: Fighting singly, [the Spartans] are as good as any, but fighting together they are the best soldiers in the world. They are free – yes – but not entirely free; for they have a master (despotēs), and that master is the law (nomos), which they fear much more than your subjects

11 On Solon, see Andrewes 1982; Welwei 1992, 161–206; Raaflaub 1996. 12 On Cleisthenes, see Ostwald 1988; Meier 1990, ch. 4; Anderson 2003; Ober 2007. On stasis: Lintott 1982; Gehrke 1985.

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fear you. Whatever this master commands, they do; and his command never varies: it is never to retreat in battle, however great the odds, but always to remain in formation, and to conquer or die (7.104).

These are the Spartans, but Pericles claims in Thucydides’ Funeral Oration equal obedience to the law on the part of the Athenians, and in a fragment of unknown date Pindar coined the famous phrase Nomos basileus, “Law is the king.” Sovereignty of the law was thus recognized as the ultimate condition for the polis’ liberty.13 As this little case study shows, it is especially by interpreting Heraclitus’s political statements not only against the philosophical but also against the social and political background of Greek intellectual developments that we can hope to gain a fuller understanding.

3 Introduction My long-standing research project investigates the beginnings of Greek political thinking in the cultural context of the larger eastern Mediterranean world. In contrast to ʻpolitical theoryʼ which I take to be direct, systematic, and at least partially abstract thinking about political matters, under ʻpolitical thoughtʼ I understand, more broadly, any reflection on politics, institutions and their interaction, the community, and relations between citizens and among communities, including what is sometimes called “the political.”14 I consider the Mediterranean context because hardly anybody so far has investigated whether the vast range of cultural and intellectual impulses the Greeks in their formative period picked up from the ancient Near Eastern civilizations included ideas that affected the emergence of Greek political thought.15 There is no a priori reason to think that this was not the case. My project aims to find out whether it was and, if so, to what extent, and how exactly. Naturally, this involves a re-assessment of the contents, preconditions, and development of early Greek political thought as well, and this is what brings me to Heraclitus. I will begin by offering a brief summary of the main issues, concerns, 13 Thuc. 2.37; Pindar, fr. 169 Snell & Maehler; Gigante 1956. 14 On political thought and theory and “the political,” see, e. g., Rowe & Schofield 2000, 1–2; also Meier 1990, pt. I; Cartledge 2009, ch. 2. 15 Partial exceptions: West 1971, concerning philosophy; Vernant 1982, concerning Greek thought in general. For an early approach to this project, see Raaflaub 1993a. For a preliminary discussion of Greek and Near Eastern political thought, see Raaflaub 2011.



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and characteristics of such thinking and then sketch the role political issues played in the earliest philosophers’ works: all this will suggest what we might expect a thinker like Heraclitus to have contributed in this area, and provide a framework helping to tease meaning out of his often puzzling statements. This is a difficult task: not being a specialist in ancient philosophy myself, I ask for the indulgence and patience of those who are, and am grateful for good advice.

4 A brief sketch: the beginnings of Greek political thought Remarkably, ʻpolitical thinking,ʼ as I defined it earlier, pervades Greek literature from its very beginnings.16 We can only guess why this is the case and how it came about. The explanation must lie largely in two facts: the Greek polis, as it emerged in the early archaic period, was a small face-to-face citizen community without centralized or authoritarian structures or even a strong and cohesive aristocracy that rose far above the other members of the community;17 and this polis was embedded in a system of similar ones with which it interacted and competed intensely in peace and war.18 The formula Thucydides uses – “the men are the polis” (andres polis) – occurs similarly 200 years earlier in the poems of Alcaeus.19 These men – initially the land owning farmers – met in assembly and fought in the army, forming the core of a community that was built on largely egalitarian foundations. They had to work out their problems themselves, and they gradually developed the tools to do so: public debate, procedures of communal decision making, and law. The leaders’ position was embedded in the community; politics was performed in the middle (en mesōi): in the agora, the polis’ center. The leader was expected to be the best in fighting and in speaking, hence to persuade the men and lead with their consent.20 In all this, political thinking played a crucial

16 For surveys of early Greek political thinking, see Raaflaub 2000, 2013. 17 On the early polis, see, e. g., Snodgrass 1980, 25–47, 85–122; Starr 1986; Raaflaub 1993b; Finkelberg 2011, II: 682, and relevant chs. in Osborne 1996; Hall 2014. The polis as a citizen-state: Hansen 1993b; see also id. 1998. Starr 1977, ch. 6 labels farmers as semi-aristocrats. 18 Raaflaub 1990. 19 Thuc. 7.77.7; cf. Hdt. 8.61; Alc. fr. 112.10; 426 Campbell. 20 On the challenges faced by early Greek citizen communities: Meier 2011; egalitarian foundations: Morris 2000, pt. 3; Raaflaub et al. 2007, ch. 2; public debate: Raaflaub 1997; Finkelberg 2011, I: 104; citizen army: Raaflaub 2008; politics as performance: Hammer 2002. On law, see n. 9 above.

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role, and it was not restricted to the top of society but the responsibility of all who expressed their opinion publicly, including the poets who performed their songs in the leaders’ great halls or at public festivals. Hence early political thinking focused largely on two major issues: justice and proper political procedures. We find such thinking expressed through the juxtaposition and conceptualization of contrasting political phenomena: in the Odyssey, on the one hand, the completely uncivilized and atomized ʻnonsocietyʼ of the Cyclopes who live in god-given abundance, but respect neither the gods nor common norms of hospitality (in fact, they eat their guests), do not communicate with the outside world, and, most importantly, have no common laws or norms and do not make shared decisions in assembly; each man sets the norms for his own family, and they have no communal life.21 On the other hand, there is the equally fantastic perfect society of the Phaeacians whose city is built around a harbor with sheds for the ships, a sanctuary of the protector-deity, and a place for political meetings that is paved (hence permanent) and has polished stones as seats for the councilors. The Phaeacians do everything right: they have a leader, a council, and an assembly, and these institutions collaborate properly; they treat their guests generously and with respect, and they communicate with the outside world. Tying nonsociety and ideal society even closer together, the poet tells us that the Cyclopes and Phaeacians originally were neighbors but the Phaeacians, constantly harassed by the Cyclopes, emigrated and founded a new city. Their polis is thus a ʻfounded communityʼ, reflecting an issue familiar to audiences of the early age of colonization.22 We think of the slightly later analogy, in Hesiod’s Theogony, of the just world order newly established by Zeus – and then of Zeus’s marriage with Themis that symbolizes the melding of a traditional or conventional order with a newly created order (and thus anticipates what will happen when a polis begins to enact laws) and whose offspring are Justice, Good Order, and Peace (Dikē, Eunomia, and Eirēnē).23 The epic poet thus uses conceptualization through juxtaposition of contrasting phenomena, and in doing this he focuses on the characteristics of a good community which he identifies with the existence, correct use, and collaboration of social and political institutions. Similarly, the Iliad juxtaposes on the famous shield of Achilles a city in war and a city in peace – the latter characterized by harvest, wedding, and public arbitration (in peace, this means, justice works),

21 Od. 9.112–15 in the larger context of 9.105–42. 22 The Phaeacian society is described in Od. bks. 6–8, 13. Description of the city: 6.262–69; founded city: 6.3–10. 23 Hesiod, Theogony 901–3.



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and Hesiod contrasts a polis fostering justice and being blessed by Zeus and Dike with fertility and peace and a polis that tolerates injustice and suffers infertility, disasters, and war.24 Accordingly, especially the Iliad pays close attention – and precisely from the perspective of justice – to the political interaction among citizens and the relations between leaders, council, and assembly. Woven into the dramatic narrative of an episode in the tenth year of the Trojan War, we find a political story that is announced already in the epic’s proem, emphasizing not the great and admirable deeds of great heroes, but the misery their quarrel brought upon their community, causing the death of countless men.25 Right at the beginning, the poet thus assumes a political perspective, and not that of the leaders, but that of the community. The story of the quarrel between Agamemnon and Achilles is rich in political lessons. As it unfolds, Agamemnon, the Greek supreme leader, makes two horrendous mistakes of judgment, alienating first the god Apollo who targets the Greek army with an epidemic, then his strongest vassal Achilles who withdraws with his soldiers from the fighting. Agamemnon’s leadership incurs a deep crisis, the soldiers threaten to abandon him, his fellow-leaders need to bail him out, and in the ensuing battle the Greeks suffer defeat and heavy losses. But then Aga­ memnon realizes the mistakes he has made, seeks the advice of his peers in the council, makes strenuous and generous efforts to bring Achilles back, eventually achieves reconciliation with his rival and unity in the community, and thus succeeds in securing victory. For this he is praised as having become “more just” (Il. 19.181: dikaioteros). The lesson is clear: every leader makes mistakes; the community honors him who is able to correct them and overcome detrimental rifts.26 All this happens in an army. But this army in its fortified camp is treated like a temporary polis. Every step and turn in Agamemnon’s story takes place in a meeting of the assembly or council. Although these institutions are not yet formalized or legally regulated – for example, meetings are called or dissolved entirely at the desire of the leaders, and the assembly does not vote, only expresses its opinion by shouting or booing  – the assembled citizens witness communally important events, and their sentiments influence decisions. The impression the poet conveys thus reinforces what he expresses through his contrasting portrait of Cyclopes and Phaeacians: a community can only flourish if leaders, council, and assembly collaborate and the leaders respect the sentiments of their peers

24 Shield of Achilles: Iliad 18.483–608; just and unjust polis: Hesiod, Works and Days 225–47. 25 Il. 1.1–7. 26 The positive changes in Agamemnon’s experience are to be contrasted with Hector’s negative turn: see Raaflaub 2001, 80–83.

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and the commoners and work for the common good. All this especially since, as Zeus emphasizes in the Odyssey’s opening, humans themselves, not the gods, are responsible for their success or suffering – at least beyond the “share” (moira) assigned them by fate.27 For reasons of space I omit here Hesiod, whose pervasive concern for justice and great effort at systematizing the powers and forces that influence human lives individually and collectively deserve close attention. His limitations are no less conspicuous: being powerless himself, he can only trust in the justice of Zeus and Dike who will bless the just and punish the unjust and their communities, and urge both high and low to act accordingly.28 Soon (around 650), we saw, the Greeks began to enact laws. In a time of severe crisis the Spartans adopted the first constitutional reform we know of: among other issues, it regulated meetings of the assembly and the role of council and assembly in communal decision making, assigning the final decision to the mass of the citizens.29 In the late seventh century, Athens was plagued by social crisis and conflict that was caused by rampant debt, widespread debt bondage resulting in enslavement of failing debtors, and other abuses of power triggered by relentless rivalries for power among the ruling aristocracy. Thirty years earlier, an attempt at establishing a tyranny had failed, resulting in murder, pollution of the polis, and the expulsion of a prominent family. The lawgiver Draco was active around this time, although we do not know to what extent his legislation extended beyond a partially preserved law on homicide that for the first time distinguishes between premeditated and unpremeditated murder.30 In 594 bce, in order to avoid serious civil strife, the Athenians elected Solon as chief magistrate and ʻstraightenerʼ, giving him absolute power to resolve the crisis. He enacted a broad range of reforms that included the guarantee of personal freedom as a basic civic right, the enhancement of security and equality of law, the regulation and expansion of political institutions, and an increased involvement of large numbers of citizens in jurisdiction and, to some extent, in politics.31 At the end of the sixth century, another Athenian, Cleisthenes, enacted a complex set of reforms, based on sophisticated political thinking, that reorgan-

27 Odyssey 1.32–43. On the role of the assembly in Homer: Finkelstein 2011, I: 104. 28 On Hesiod, see Raaflaub 2000, 34–37. 29  On Sparta’s “Great Rhetra”, see Tyrtaeus 4 W; Plutarch, Lycurgus 6; ER 61; F 12. See, e. g., Cartledge 2002, 115–17; Welwei 2004, 59–69. 30 Draco’s law: ML 86; F 15; for discussion, see Stroud 1968; Gagarin 1981. On Athenian history of the time, including Cylon’s failed attempt at tyranny, see Welwei 1992, 133–61; on aristocracy and crisis: Stein-Hölkeskamp 1989, ch. III. 31 See n. 11 above.



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ized the structure of the citizen body and the political institutions, made it possible for citizens from all over the large Attic territory to collaborate in religious, military, and political activities, greatly advanced civic equality, and helped integrate the community. A dense system of representation made sure that the interests of all citizens were heard in the polis center and that a large number of citizens took turns in participating actively in government. As a result, at least the land-owning citizens, who served in the army, were fully placed in charge; feeling in charge, they felt responsible.32 Their decision, a few years later, to resist the invading Persians, and their famous victory at Marathon were a direct result of such empowerment. We might think of such reforms as ʻapplied political thoughtʼ. In Solon’s case, we also know the thinking underlying his legislation. In a programmatic poem, he develops a ʻtheory of crisis resolutionʼ. His starting point is that humans are responsible for their own fate and that communal suffering is caused by the citi­ zens’ (especially the elite’s) abuses and crimes. Relying on empirical observation – that is, on knowledge, not belief – Solon constructs an inescapable chain of cause and effect that is comparable to laws of nature (such as thunder following upon lightning) and links civic wrong-doing with communal harm (such as civil strife, civil war, and loss of freedom to a tyrant’s rule). In contrast to Homer and Hesiod, all this plays out entirely on the human and socio-political level; no natural disasters are involved, and Solon’s Goddess of Justice (Dikē) does not depend on the power of her father Zeus; she is an independent demon of revenge, almost an abstract principle: justice will prevail with certainty! The entire city is affected, nobody can escape!33 In a thrilling breakthrough in political thought, for the first time a political process was here analyzed entirely on the political level. Knowing the causes of the communal problems, Solon was able to intervene in the logic of the political process involved, eliminate these causes and enact measures that helped avoid the problems’ aggravation or recurrence. These measures were the logical consequence of Solon’s understanding of civic responsibility: if every citizen was to suffer from political abuses, every citizen had to assume responsibility for the

32 See n. 12 above. 33 Solon fr. 4 W, esp. 14–17, 26–29: “They [the leaders of the people] do not observe the solemn norms of Justice (Dikē), / the silent one, who knows what is and has been done, / and comes at last with certainty (pantōs) to seek her revenge. / This comes as an inescapable wound to the entire polis […] / The public ill comes home to every man: / the yard doors are no more disposed to hold; / it leaps the high wall, and it finds him out for sure, / though he take refuge in his inmost room”. Laws of nature: fr. 9 W; cf. 11; 13.17–32 W. On Solon’s political thought: Jaeger 1966, 75–99; Lewis 2006; Meier 2011, ch. 21; Raaflaub 2000, 39–42; 2013, 79–81.

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common good – not necessarily the same amount of responsibility and in the same way but some and in some way. Solon was no democrat – far from it; his goal was to restore “good order” (eunomia), in which the aristocracy led responsibly and the demos, protected from abuses, followed, though playing a meaningful role.34 Furthermore, the foundation of multiple new communities by Greek emigrants in the ʻage of colonizationʼ entailed constitutional experimentation and interaction with native populations and different cultural traditions; forced by their circumstances, these settlers, often coming from various places and bringing with them different experiences and expectations, had to work out new and commonly acceptable solutions to the old problems from which they had escaped, and to new challenges they ran into. Not accidentally several early lawgivers were connected with the colonial world. Given the close connections that were usually maintained between ʻmother citiesʼ and colonies, it is likely that such experiences in new worlds in turn influenced perceptions and developments in the ʻold worldʼ.35

5 Political thought and the earliest philosophers The evidence that survives for early Greek political thinking is thus quite rich and reveals the enormous progress made by the time of the first philosophers. As said before, it focused on two major issues which we can now define more precisely: how to maintain and enforce justice in a constitution that was fair to all and guaranteed collaboration among institutions, and how to ensure internal peace by strengthening political institutions and barring abuses by the powerful. In both cases, solutions were found that significantly broadened the citizen base of the polis by enhancing popular participation – even if such participation remained limited to owners of substantial property who were able to equip themselves to fight in the polis’ army – two conditions that were at the time generally considered indispensable for the capacity of governing. As a result, the number of poleis with increasingly egalitarian (ʻisonomicʼ) constitutions increased greatly in the course of the sixth century.36 In Athens, emerging from tyranny and renewed factional strife among elite leaders, this development was apparently welcomed by

34 See explicitly frs. 5 and 6 W; for discussion, see Raaflaub et al. 2007, ch. 3 and 142–44. 35 See bibliog. in Raaflaub 2000, 43 n. 42; Malkin 1994. On the lawgivers: Hölkeskamp 1999. 36 Robinson 1997. On isonomia, see Ostwald 1969, 96 ff. Owners of substantial property: for recent debates about the property qualifications for citizens serving in the polis’ infantry army, see Raaflaub et al. 2007, 128–32.



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the overwhelming majority of citizens; elsewhere, as the corpus of poems at­tri­ buted to the Megarian poet Theognis attests, this may not always have been the case.37 It surprises, therefore, that in the tapestry of political thought the space occupied by the early philosophers is mostly blank, while in the more general tapestry of early Greek intellectual life this space is colorful and dramatically alive. The corpus of the early Presocratics (in the sixth century) comprises six illustrious names: Thales, Anaximander, Anaximenes, Xenophanes, Pythagoras, and Heraclitus. They were all active in East Greece (the west coast of Anatolia and adjacent islands) and some of them, after emigration, in southern Italy and Sicily. At the time, the East Greeks, led by Miletus, were the political and cultural leaders of the Greek world, with far-reaching colonizing, trade, and intellectual connections to the Black Sea, into Anatolia (interacting with Lydians, Phrygians, Persians, and the Hittite heritage), to Egypt (Naucratis), and via the Levant far into Mesopotamia. Elite persons (such as Sappho’s brother Charaxos) were involved in the trade of luxury goods. Moreover, Ionians and Carians had served as mercenaries in the Near East since at least the late eighth century and in Egypt since the mid-seventh; by the mid-sixth century, tens of thousands had settled in military colonies in Egypt, mixing with the native population. Herodotus says plausibly that from that time the flow of reliable information back to the Greek world increased enormously. In particular, returning mercenary officers who were members of elite families (like Alcaeus’s brother Antimenidas of Lesbos) would have brought knowledge along that would have been of interest (and socially acceptable) to the East Greek elite (among whom we should presumably place all the early philo­ sophers).38 For good reasons, disciplines like geography, history, mathematics, astro­ nomy, and medicine originated in East Greece. A lively intellectual discourse across boundaries must have favored the emergence of philosophy as well, although we do not know what caused the qualitative leap from empirical observation and practical science to pure speculation and philosophy. Thales, for example, is known for mathematical and astronomical skills, resolving difficult practical problems, and offering useful political advice, but none of this gives us a clue why he began to search for the first principle of all things and defined it as water.39 At any rate, it is most likely that the intellectual discourse of the time

37 On Theognis, see, e. g., Figueira & Nagy 1985; Raaflaub 2000, 38–39 with bibliography. 38 For sources and discussion, see Raaflaub 2004. 39 See Hdt. 1.74–75, 170. On Thales, see KRS 76–99; Guthrie 1962, 45–72; Barnes 1982, 5–16 (and below). See also, on the origins of Ionian philosophy, Emlyn-Jones 1980; Hussey 1995.

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comprised politics as well. That, despite predominant interests in other areas, political issues were prominent in the early philosophers’ thinking is visible in the extant record – though not much more. Of course, physics, religion, ethics, and politics were not yet separated into defined disciplines. Humans were part of nature, subject to its laws, while it was possible, conversely, to understand and explain natural processes through relations and rules observed in human society. For this inter-relationship between rules applying to the natural and human realms Anaximander’s sole extant fragment offers an impressive example. Ana­ ximander conceptualized the cosmos as a system that is subject to the laws and relations of justice. In the unlimited apeiron all potential being exists in a perfect mixture and dynamic balance. The things that exist emerge from it in a balance of opposites. Such balance is just, the domination of one over the other(s) re­presents injustice which requires compensation in the course of time (DK 12 B 1; KRS no. 110). Scholars have rightly suggested that this view of the cosmos presupposes an analogous concept of social and political order: it functions only on the basis of justice and the balance of power among equals, as it is realized in the political concept of isonomia (equality of distribution, shares, and participation, and equality of justice, that is, equality before the law).40 The late sixth- or early fifth-century physician Alcmaeon of Croton applied this concept to medicine, postulating that health depends on “equal rights” (isonomia) of contrasting “powers” (dynameis) such as moist and dry, cold and hot, bitter and sweet, while the preponderance (monarchia) of one of them is the cause of disease (DK 24 B 4; KRS no. 310). Of Thales we know a daring political proposal. When the East-Greeks were facing conquest by the Persian empire in the mid-sixth century, Herodotus writes, he suggested that they form a united state (a “superpolis”) with its center on the island of Teos in the middle. The other poleis would continue to exist but hold a position similar to that of villages or towns in the countryside of a polis. Such unification and centralization would have made it possible to maximise the common resources under a central command and decision-making body. I suspect that Thales here adapted for the inter-polis sphere a model of structuring the polis that is familiar to us from Cleisthenes’ reforms in Athens almost forty years later (but was perhaps older and more common at the time than the extant evidence allows us to see): this model, aiming to improve the polis’ integration, provided a strictly representative central council (composed of delegations from the villages, districts, and towns of Attica in proportion to their citizen numbers) that assisted

40 On Anaximander, see KRS 100–142; Guthrie 1962, 72–115; see also Vlastos 1947; Vernant 1965, 185–206.



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the more traditional central decision-making body (the assembly). In Thales’ case, the central council of delegates from the formerly independent poleis would presumably have served both in a deliberative and decision-making capacity. At any rate, it is clear that it was impossible to design such models without sophisticated, complex, and theoretical political thinking.41 Xenophanes of Colophon, critical of Homer’s and Hesiod’s all too human portraits of the gods and of anthropomorphism in religion, formulated a radically abstract concept of the divine. He was also critical of the luxurious life style of the Ionian elite and polemicized against the custom of honoring victorious athletes at public expense; for the athlete’s skill, unlike the wise man’s good expertise (sophiē), does not contribute to putting the polis in good order (eunomiē) nor “enrich the polis’ treasury”.42 The conclusion does not seem far-fetched that Xenophanes considered it the responsibility of a sophos to think about a good polis order and to define it conceptually and practically. After all, Solon had done this earlier and soon Hippodamus of Miletus would design an ideal polis from scratch.43 But if Xenophanes pursued such ideas, nothing survives among his fragments. If we can trust tradition, however, Pythagoras of Samos, almost exactly Xenophanes’ contemporary, did precisely that and realized his ideas in the religious and politically active “order” he founded in Croton. But Pythagoras left no written statements; later members of his ‘school’ were influential teachers and provoked strong reactions. Hence Pythagoras’ own career and teaching soon became so completely enveloped in legend that it is almost impossible to retrieve his political thinking. All I can say is that a thinker who engaged not only in physical or metaphysical speculation but also in political theories and tried to realize these theories in practice would not have been out of place in the social and intellectual environment of the late sixth and early fifth century.44 After all, even Parmenides, “that most abstract of intellects, took sufficient time off from metaphysics,” according to Plutarch, “to arrange his own country by excellent laws, 41 Hdt. 1.170 (mentioning another proposal by Bias of Priene that also suggested unification). On Cleisthenes’ and other representative councils, see Larsen 1955; on Cleisthenes’ reforms, n. 12 above. Solon’s Council of 400 and the “popular council” of Chios (ML 8; ER 62; F 19) were composed of equal numbers of representatives from various tribes (phylai); see Robinson 1997 on Chios, and Wallace 2013. Other models of integration beyond one polis included synoecism (Moggi 1976), sympoliteia (Giovannini 2007, 244 ff.), and isopoliteia (Giovannini 1971; 2007, 308 ff.; Gawantka 1975). 42 2 W; DK 21 B 2: 11–2, 19–22. On Xenophanes, see KRS 163–80; Guthrie 1962, 360–402; Barnes 1982, 82–99; Lesher 1992; Schäfer 1996. 43 On Hippodamus, see Arist. Pol. 1266a39 ff.; 1267b24 ff.; Höcker 1998 with bibliography. 44 On Pythagoras, see KRS 214–38; Guthrie 1962, ch. 4; Barnes 1982, 100–120; von Fritz 1940; Burkert 1962; Zhmud 1997; Riedweg 2002.

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so that the citizens still make their officials swear each year to abide by the laws of Parmenides.”45 Overall, then, there are strong if elusive clues to a corpus of political ideas, concepts, and theories that was contained in the works of these early philosophers.46 We should expect this to be true as well of Heraclitus, to whom I now turn, encouraged by Jonathan Barnes’ sober readings to assume, indeed, “that Heraclitus usually means what he says.”47

6 Heraclitus and political thought That much of Heraclitus’s thought was political is confirmed by ancient testimonies. The Stoic Diodotus, Cicero’s teacher, claimed that Heraclitus’s book “is not about nature, but about government, and the remarks about nature have an illustrative function” (D. L. 9.15). Diogenes Laërtius himself says that the book’s general tenor is “on nature (peri physeōs); but it was divided into three accounts (logoi)  – one on the universe (to pan), one political (politikon), one on divine matters” (9.5). Think of it: up to a third of Heraclitus’s work was political. Of this we have very little if we define ‘political’ narrowly; more if we include ethics, as, of course, we must.48 David Sider points out that the same Diodotus characterizes Heraclitus’s book as “accurate steerage toward life’s harbor”, others as “a guide of conduct”.49 Barnes recognizes a different triple division in the first fragment: And of this account (logos) which is the case always men prove to be uncomprehending, both before they hear it and once they have heard it. For although everything comes about in accordance with this account (logos), they are like inexperienced men when they experience both the words and the deeds of the sort which I recount by dividing up each thing in accordance with its nature (physis) and saying how it is; but other men do not notice what they do when they are awake, just as they are oblivious of things when asleep. (K i; DK 22 B 1)

45 Plut. Mor. 1126a; Barnes 1982, 121–22. 46 It is astonishing, therefore, that Popper 2013, 11 claims that Heraclitus was the first philosopher who dealt not only with “nature” but even more with ethico-political problems. 47 Barnes 1982, 58: Like all Presocratics, Heraclitus is often vague and paradoxical but “paradox is not always obscure” and “he does not present his thoughts in ‘riddles’”. If “he sometimes produces similes and analogies, it is gratuitous to suppose that his every remark must be construed unliterally, as the surface sign of an underlying profundity. At all events, I shall proceed on the assumption that Heraclitus usually means what he says.” 48 On Heraclitus’s ethics, see recently Bolton 1989; Fattal 2012; Sider 2013. 49 Sider 2013, 323–24 on D. L. 9.12.



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Barnes writes: “Heraclitus’ first claim is that he can offer a general account of the world, and that he can do this by explaining what is the physis or essential nature of each thing. Second, he maintains that most men are woefully ignorant of this account: they are ‘like the deaf’; they live in a dream world. […]” (This would refer to epistemology.) “Third, he says that most men do not even know what they are doing or how to act” – which would allude to ethical theory, and Barnes concludes: “There is […] something to be said for the view that this ethical theory was the summit of Heraclitus’ thought.”50 By implication, this would include politics. Mindboggling! But, lest our hopes soar too high, Barnes discusses Heraclitus as a natural philosopher and as an ethicist and moralist, not as a political thinker. Nor, with few exceptions, does political thought figure as a prominent category in other scholarly discussions of Heraclitus. I will focus here on pulling out one strand: Heraclitus’s thought on communal responsibility. I begin with his ideas about “the best” and his statement that the Ephesians deserve to be hanged “since they drove out their best man (onēistos), Hermodorus, saying ‘Let no one be the best (onēistos) among us; if he is, let him be so elsewhere and among others’” (K lxiv; DK 22 B 121). It is tempting to read this as an endorsement of the rule of the best, and such an endorsement might be founded on two basic principles: one is the recognition of a universal law or “one” (hen), the source of all human laws, divine, governing “as far as it will” (K xxx; DK 22 B  114), the other the insight that universal order based on necessity is im­pos­ sible without a universal governing power, however he/it is defined.51 By analogy between physis or cosmos and the human world, one should expect Heraclitus to have recognized the need for united leadership in the person of the best. A couple of other fragments might support this view: “One man is (worth) ten thousand, if he is the best” (K lxiii; DK 22 B 49). “It is law also to obey the counsel (boulē) of one” (K lxvi; DK 22 B 33), which we might connect with another: “The wise is one (hen to sophon), knowing the plan (gnōmē) by which it steers all things through all” (K liv; DK 22 B 41; or, in Andrei Lebedev’s as yet unpublished translation, “to recognize the only Wise Being, the Mind that alone steers the whole universe”).52 This is part of Heraclitus’s cosmology, but as often we can sense here the political or communal analogy. The enlightened leader has a plan, insight, by which he can steer (or: the enlightened leader’s mind is capable of steering) the community through turbulence to safety.

50 Barnes 1982, 59. 51 K xxx (DK 22 B 114); liv (B 41); cxviii–cxx (B 32, 64–65). 52 I thank Andrei Lebedev for sharing this with me.

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Kahn sees in such statements an indirect reference to Solon. His comment on B 33 (“It is law also to obey the counsel [boulē] of one”) is worth quoting: Boulē here may signify (1) deliberation and (2) the council, as a constitutional body. […] Perhaps the thought is as follows. It is law to obey the Boule, the city council. But the role of the Boule is to deliberate, to make intelligent plans for the interests of the community. If such wise counsel (boulē) is offered by a single man, it is no less the expression of what is common and lawful.

Kahn goes on to suggest that the sentence can be read as an elliptical résumé of Heraclitus’ political theory: law is what is common; what is common is thinking; sound thinking is wisdom; wisdom is the one and the recognition of the cosmic plan. Hence it is law to follow this unified plan, even when it is represented by the wisdom of a single man.53

I would only add that wisdom is also recognition of the common good that is to be realized by a common plan. Hence we cannot discard the possibility that Heraclitus considered enlightened leadership by a few or even one a distinct possibility or even preferable. But this does not follow from the Hermodorus fragment (B  121, quoted above) because Heraclitus does not qualify this man as “best” (aristos [as in B 49]) but as onēistos, “most useful”. We are reminded of Xenophanes’ claim (DK 21 B 2, also quoted above) that the athlete’s skill is not as beneficial to the polis as his own wisdom (sophiē), or of Pericles’ later statement in Thucydides’ Funeral Oration (2.40.2) that a passive (apragmōn) citizen is considered useless (achreios) to the community. Or we think of Heraclitus’s praise of Bias of Priene whose logos, what people say of him, his reputation, is greater, more comprehensive (pleiōn) than that of others (K lxii; DK 22 B 39). Unlike Hermodorus, Bias was well-known for his sage political advice.54 “Best” (aristos) can be a subjective value, reflecting prejudicial claims based on blue-blooded descent, but “useful” is not: to eject the citizen who has the potential of being most useful to the polis runs counter to communal interest. Hence the Hermodorus fragment is an indictment of the political stupidity of the Ephesian demos and as such in good company among

53 Kahn 1979, 181. 54 On Bias’s political advice to the Ionians (similar to that of Thales but including the theory of the invincible island state that Themistocles and Pericles realized in Athens [Thuc. 1.143.5]), see Hdt. 1.170 (also 1.27); more on his reputation in Kahn 1979, 176–77.



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Heraclitus’s statements,55 but it also underlines the centrality of the common interest and common good in Heraclitus’s thought. It would seem, then, that one angle of Heraclitus’ political thinking focused on the aspect of “usefulness to the polis”. I place here the statement that “the best choose one thing in exchange for all, everflowing fame among mortals (kleos aenaon thnētōn); but most men have sated themselves like cattle” (K xcvii; DK 22 B 29): another stab at the demos – or, if we follow David Sider’s radically different and much more negative interpretation, at the aristocrats. Kleos aenaon recalls – and, by the word choice and formulation, questions  – Achilles’ imperishable fame (kleos aphthiton) in the Iliad.56 Even if the latter, the allusion is unmistakable: how does one gain such fame? By outstanding bravery and leadership, but not, as the Iliad makes abundantly clear, in isolation: only for the community or for a common cause!57 Bias of Priene qualified; did Heraclitus himself not aspire to such fame? “When they asked him to write laws for them, he refused on the grounds that the city had already been mastered by a wicked constitution (kekratēsthai tēi ponērai politeiai).” He preferred to play knuckle-bones with children, saying to the Ephesians, “is it not better to do this than to play politics with you?” (meth’humōn politeuesthai; D. L. 9.2–3, trans. Barnes). We do not know the circumstances. Did he consider it a lost cause because the Ephesians were notorious for embracing a bad politeia? Had he given up any hope for the people of Ephesus? Would he have reacted differently if he had been asked (as Protagoras was in the case of Thurii) to write a new constitution for a new polis? At any rate, what seems to me crucial is the significance of xynos (common) in Heraclitus’s thinking. “Although the account (logos) is shared (xynos), most men (hoi polloi) live as though their thinking (phronēsis: intelligence, good sense, wisdom in practical decisions) were a private possession (idios)” (K iii; DK 22 B 2). Typically, we can pursue this in two directions: logos can be common because (as in the opening statement, quoted above [K i; DK 22 B 1]) it is shared by all things in events that take place in accordance with this logos; but xynos also alludes to consent, common cause, or common in the sense of public, what belongs to the community as a whole (koinon), in contrast to what is private. Those who exer-

55 For example: “What wit (phrēn) or understanding (noos) do they have? They believe the poets of the people (dēmōn) and take the mob (homilos) as their teacher, not knowing that ‘the many (hoi polloi) are worthless (kakoi),’ good men are few” (K lix; DK 22 B 104). The quote in the quote may come from Bias, which would in part explain Heraclitus’s high praise for him. Because of his frequent criticism of the demos, the third-century philosopher and author of sarcastic poems, Timon of Phlius, called him “mob reviler” (ochloloidoros, D. L. 9.6). 56 Sider 2013, 325–27. 57 See, e. g., Il. 1.117; 2.233–34; 12.310–16, and Raaflaub 2000, 27–34.

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cise their phronēsis as if its purpose were merely private (idios) thus are entirely wrong. The proper use of phronēsis is public, communal. Again, Kahn seems to me to get this right: [T]he logos is […] a public possession in principle available to all men, since it is ‘given’ in the immanent structure of their shared experience. The logos is also shared as a principle of agreement between diverse powers, […] of public unity and joint action among the members of a political community. The logos is all these things because the term signifies not only meaningful speech, but the exercise of intelligence as such, the activity of nous or phronēsis.58

Accordingly, Heraclitus says: “Sōphronein (thinking well) is common to all humans, just as knowing themselves”, or, as I would put it, “All humans have a share in (or share the ability of) knowing themselves and thinking soundly” (K xxix; DK 22 B 116). This is reinforced by other fragments: “It is common (xynon) to all to think (phroneein)” (K xxxi; DK 22 B 113); “Thinking well (sōphronein) is the greatest excellence and wisdom (aretē kai sophiē): to act and speak what is true, perceiving things according to their nature (physis)” (K xxxii; DK 22 B 112). Here again, physis and polis are linked by parallel qualities; Homeric excellences (aretē and sōphrosynē) are applied to sound thinking in a public, communal context. Or (we heard this before) “Speaking with understanding (xyn noōi), they must hold fast what is shared by all (tōi xynōi pantōn), just as the city holds to its law (tōi nomōi) and even more firmly” (K xxx; DK 22 B 114). That is, thinking and speaking soundly “in common”, that is, in a public context and for the public good is the greatest good the community has. It is a quality inspired by the greatest common good that stands above all human laws, to theion. I connect this with the statement with which we began: “The people (dēmos) must fight for the law (nomos) as for their city wall” (K lxv; DK 22 B 44). Communal law is as essential as the city wall for the security of those who dwell within. We can now expand this: not only wall and law, but also sound thinking and speaking are decisive to protect the common good. And as all citizens must engage in protecting wall and law, so they all must commit themselves to, and are capable of, sound thinking and speaking.59 Hence, whatever Heraclitus thought about the demos’s capacity to participate in government, ultimately his scorn was directed against all, whether high or low, who were too stupid to recognize their capacity and obligation to participate in the quest for the common good. His insistence that soundness and

58 Kahn 1979, 101–2. The association between lack of cognition and remaining in a private world occurs also in K iv (DK 22 B 17) and K vi (DK 22 B 89). 59 Here I find myself in full agreement with Sider 2013, 332–33.



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safety lie in what is public and common and that all must contribute to it seems to me a crucial and so far not sufficiently appreciated component of Heraclitus’s political thinking. And so, in the end, we return to Solon. We mentioned above two aspects, brought up by Charles Kahn and others before him, that connect Heraclitus with the Athenian lawgiver: the emphasis they both place, based on their experience of social conflict and the need to consolidate social justice, on the rule of law, and the possibility they both allow, that an outstanding individual can play a decisive role in protecting civic order and law. The latter, in fact, is astonishing only if we consider Heraclitus in isolation but quite natural when we think of the prominence of single ʻstraightenersʼ, lawgivers, and reformers throughout archaic Greek history. Yet, as we now see, Heraclitus shares with Solon much more than these aspects: most of all the insight that, when it comes to being useful to the community and defending what is common and sustains the polis, the demos has much to offer and an indispensable role to play. Solon, we saw, did not consider the demos capable of ruling but he believed that all citizens had to assume responsibility for the common good, and therefore enhanced and broadened the political institutions and increased especially the demos’ role in the administration of justice. Heraclitus did not actively engage in legislation and constitutional reform but he too left no doubt about the responsibility and capacity of all citizens, including the demos, to think, speak, and act together for the common good.

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Abstract Political reflection is visible already in Homer’s epics, in the conceptualization of a fragmented ‘non-society’ (the Cyclopes) vs. an ideally civilized society (the Phaeacians) or in the careful attention the poet pays to relations between leaders and people and the working of institutions. Hesiod uses genealogical systematization to emphasize the values that are crucial for human society and presents in Zeus’s just rule a model for human leaders. Based on empirical observation, Solon of Athens postulates a direct causal relationship, located entirely on the social and political levels, between injustice of aristocratic leaders and communal suffering, thus developing a ‘proto-theoretical’ foundation for political intervention and legislation. From the mid-seventh century, communal legislation and constitutional reform aim at regulating institutions and the power of officials and at restoring a (lost) ideal of “good order” (eunomia) that is based on just law, equitable distribution, and popular participation. By the time of the earliest philosophers, political thought had thus reached a remarkable level of sophistication and capacity for abstraction. We should expect them to have continued and built upon this tradition. Correspondences with and concern for the political sphere are visible – but unfortunately only very dimly – in the thinking of Anaximander, Pythagoras, or Xenophanes. As a consequence, the political component of early Greek philosophy has not received enough attention in recent scholarship. This chapter summarizes briefly the political elements that can be found in the thinking of Heraclitus’s predecessors and then focuses on one important strand of Heraclitus’s political reflection: his concern for communal responsibility.

Charlotte Schubert

Heraklit und die ionischen Isonomien 1 Heraklits politische Tätigkeit in Ephesos1 Diogenes Laertius schreibt in seinem biographischen Abriss, das Werk Heraklits sei in drei Logoi geteilt gewesen (9, 5):2 einen über das Ganze, einen weiteren über das Politische und schließlich einen über die Theologie. Wenn man diese Information des Diogenes nicht gleich verwirft, dann ergibt sich ein deutlicher Hinweis darauf, dass Heraklit ein Interesse am Politischen gehabt haben muss. In welche Richtung dieses Interesse weist, ob und wie man es in einen zeitge­ nössischen Kontext einordnen kann, scheint durch verschiedene seiner eigenen Äußerungen deutlich zu werden: εἷς ἐμοὶ μύριοι, ἐὰν ἄριστος ἦι (DK 22 B 49) wird als elitäre Verachtung der Menge verstanden, ebenso wie sein Ausspruch, anläß­ lich der Exilierung seines Freundes Hermodorus, dass sich die Ephesier doch alle aufhängen sollten.3 In diesen Fragmenten scheint eine deutliche Kritik an der Masse, dem Volk und dessen Unverstand zum Ausdruck zu kommen.4 Diese Kritik am Demos lässt Heraklit als einen elitären Denker erscheinen, der sich von dem, was die allge­ meine Mehrheit bewegt, fernhält und sogar regelrecht unpolitisch gewesen sei.5

1 Als Textgrundlage wird die Ausgabe von Diels u. Kranz (DK) verwendet. Im Interesse der Lese­ freundlichkeit und der Präzision sind die wichtigsten griechischen Zitate im Text übersetzt, in den Anmerkungen ist jeweils angegeben, ob eine andere als die eigene Übersetzung verwendet wurde. 2 Diog. Laert. 9, 5: Τὸ δὲ φερόμενον αὐτοῦ βιβλίον ἐστὶ μὲν ἀπὸ τοῦ συνέχοντος Περὶ φύσεως, διῄρηται δ’ εἰς τρεῖς λόγους, εἴς τε τὸν περὶ τοῦ παντὸς καὶ πολιτικὸν καὶ θεολογικόν. 3 DK  22 B  121 (=  Strabo 14, 1, 25 =  Diog. Laert. 9, 2): ἄξιον Ἐφεσίοις ἡβηδὸν ἀπάγξασθαι πᾶσι καὶ τοῖς ἀνήβοις τὴν πόλιν καταλιπεῖν, οἵτινες Ἑρμόδωρον ἄνδρα ἑωυτῶν ὀνήιστον ἐξέβαλον φάντες· ἡμέων μηδὲ εἷς ὀνήιστος ἔστω, εἰ δὲ μή, ἄλλη τε καὶ μετ’ ἄλλων. 4 Vgl. DK 22 B 17, 29, 104. 5 Vgl. aber dagegen Sier 2012, 48: „Indes wäre es einseitig, bei Heraklit nur das Ausschließende, ‚Esoterische‘ und Elitäre zu registrieren. Das hieße übersehen, dass seine Philosophie zugleich ein großes Plädoyer für eine intersubjektiv-gemeinschaftliche Weltansicht darstellt.“ Ältere Posi­ tionen bei Guthrie 1969, 408–410: „indifferent to politics“; Kahn 1979, 3: „small sympathy for democracy“; McKirahan 2010, 142: „anti-democratic political outlook“; Naddaf 2005, 126 hält ihn sogar für einen Tyrannen („However, it is tempting to see him as an enlightened tyrant who was interested in the rule of law, for the anecdote presents Hermodorus leaving for Rome to assist in composing their law […]“).

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 Charlotte Schubert

Gleichwohl haben ihn, so heißt es bei Diogenes Laertius, seine Mitbürger gebeten, der Stadt Ephesos Gesetze zu geben. Das erinnert an Solon6 sowie auch an andere der Sieben Weisen und könnte in einen allgemeinen Kontext zur Über­ lieferung herausragender Philosophen gehören. Allerdings widerspricht einer solchen Einordnung in eine allgemeine Traditionsbildung, dass etwa das Her­ modorus-Fragment, das eine die Masse ablehnende Haltung zeigt, doch auf eine sehr spezifische, politische Situation hinweist und keinen Anlass dazu gibt, an dem Bezug auf eine konkrete, historische Situation zu zweifeln. Vermutet wurde bisher, dass dies mit dem ionischen Aufstand zu tun haben könne. Die Exilie­ rung des Hermodorus sollen die Ephesier so begründet haben: „Von uns soll keiner der wertvollste sein oder, wenn schon, dann anderswo und bei anderen.“7 (DK 22 B 121, Übers. DK) Das deutet auf ein dem Ostrakismos ähnliches Verfah­ ren in Ephesos hin.8 Für die chronologische Einordnung gibt eine weitere Nach­ richt einen Hinweis, die Clemens Alexandrinus in seinen Stromateis überliefert: Ἡράκλειτος γὰρ ὁ Βλύσωνος Μελαγκόμαν τὸν τύραννον ἔπεισεν ἀποθέσθαι τὴν ἀρχήν. οὗτος βασιλέα Δαρεῖον παρακαλοῦντα ἥκειν εἰς Πέρσας ὑπερεῖδεν9 (Clem. Al. strom. 1, 14, 65, 4 = DK 22 A 3). Clemens geht es in diesem Abschnitt dezidiert um Datierungen (u. a. des Thales, Solon, Xenophanes und Pythagoras) und er zählt der Reihe nach einiges auf, was er u. a. auch aus Herodot recherchiert hat.10

6 Kahn 1979, 3: „Heraclitus will himself have had small sympathy for democracy understood in the Greek sense as rule by the greater number […] “. Vgl. Vlastos 1947, 166: „[…] the philosopher’s contempt for the folly of the crowd […]“. Überblick zu den Positionen im Hinblick auf Heraklits politische Einstellung bei Naddaf 2009, 125–128. 7 S. o. Anm. 3. 8 Graham 2010, 194. Kirk u. a. (KRS), 199 halten einen zeithistorischen Bezug auf nach 478 v. Chr. für unwahrscheinlich, allerdings auch nur aus dem Grund, weil die Lebenszeit des Heraklit nicht so weit ausgedehnt werden könne. Strabo 14, 1, 25 und Plin. nat. 34, 21 (= DK 22 A 3a) bringen Hermodorus mit dem Zwölftafelgesetz in Verbindung. Chronologisch ließe sich dies durchaus lösen, ohne dass man komplett von der herkömmlichen Chronologie für Heraklit (Akme um 500 v. Chr.) abweicht, indem man eine sehr lange Lebensspanne für Heraklit annimmt und die Äußerungen zu Hermodorus sehr weit an das Ende eines langen Lebens setzt. Dies ist allerdings alles spekulativ, eine andere Konstellation ist genauso vorstellbar (s. u. meine eigene, ebenso spekulative Variante am Ende dieses Beitrags). 9 „Heraklit aber, der Sohn des Blyson, überredete den Tyrannen Melankomas, seine Herrschaft niederzulegen. Dieser schlug die Einladung des Königs Dareios, nach Persien zu kommen, ab.“ 10 Clem. Al. strom. 1, 14, 65 (ed. Stählin): […] καὶ περὶ μὲν Ξενοφάνους εἴρηται, ὃς τῆς Ἐλεατικῆς ἦρξε φιλοσοφίας, Θαλῆν δὲ Εὔδημος ἐν ταῖς Ἀστρολογικαῖς ἱστορίαις τὴν γενομένην ἔκλειψιν τοῦ ἡλίου προειπεῖν φησι καθ’ οὓς χρόνους συνῆψαν μάχην πρὸς ἀλλήλους Μῆδοί τε καὶ Λυδοὶ βασιλεύοντος Κυαξάρους μὲν τοῦ Ἀστυάγους πατρὸς Μήδων, Ἀλυάττου δὲ τοῦ Κροίσου Λυδῶν. συνᾴδει δὲ αὐτῷ καὶ Ἡρόδοτος ἐν τῇ πρώτῃ. εἰσὶ δὲ οἱ χρόνοι ἀμφὶ τὴν πεντηκοστὴν ὀλυμπιάδα. Πυθαγόρας δὲ κατὰ Πολυκράτη τὸν τύραννον περὶ τὴν ἑξηκοστὴν δευτέραν ὀλυμπιάδα



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Die chronologischen Informationen und der historische Kontext sind hier eindeu­ tig: Eine Niederlegung der Tyrannenherrschaften in Ionien gab es nur zu Beginn des Ionischen Aufstandes im Jahr 499 v. Chr.11 Lediglich in Mytilene wurde der Tyrann Koës hingerichtet, die meisten dieser Tyrannen begaben sich an den Hof des Dareios, der sie aufnahm und später für Vermittlungsversuche in den Aus­ einandersetzungen mit den Ioniern einsetzte.12 In Ephesos scheint es demnach zu dieser Zeit einen Tyrannen namens Melankomas gegeben zu haben, offenbar wie in anderen ionischen Städten ein Machthaber von Dareios’ Gnaden.13 Die Nachricht bei Clemens verweist aber nicht nur auf einen eindeutigen his­ torischen Kontext, sondern sie besagt viel über die Stellung Heraklits in Ephesos zur Zeit des ionischen Aufstands.14 Deutlich wird nicht nur, dass er politisch außerordentlich einflussreich war, sondern auch, dass er, wie im Fall der Bitte, den Ephesiern Gesetze zu geben, als politisch wirkungsmächtige Autorität in der Öffentlichkeit, und zwar auch von der Mehrheit der Einwohner in Ephesos, ange­ sehen wurde. Die Situation in Ephesos, in der Heraklit ganz offensichtlich aktiv in das politische Geschehen eingegriffen hat, ist eine ganz besondere gewesen: Es war die Zeit, in der in Ionien nach dem Sturz der Tyrannen zuerst in Milet und dann in ganz Ionien Isonomien eingerichtet wurden, wie dies von Herodot berichtet wird: Aristagoras legte seine Tyrannis in Milet nieder und richtete eine Isono­ mie ein, danach auch in den anderen Poleis Ioniens (Hdt. 5, 37, 2: καὶ πρῶτα μὲν

εὑρίσκεται. Σόλωνος δὲ ζηλωτὴς Μνησίφιλος ἀναγράφεται, ᾧ Θεμιστοκλῆς συνδιέτριψεν. ἤκμασεν οὖν ὁ Σόλων κατὰ τὴν τεσσαρακοστὴν ἕκτην ὀλυμπιάδα. Ἡράκλειτος γὰρ ὁ Βλύσωνος Μελαγκόμαν τὸν τύραννον ἔπεισεν ἀποθέσθαι τὴν ἀρχήν. οὗτος βασιλέα Δαρεῖον παρακαλοῦντα ἥκειν εἰς Πέρσας ὑπερεῖδεν. 11 Kienast 2002, 9 f. gegen Berve 1967, 104 und de Libero 1996, 362: Die ‘Niederlegung’ war nicht überall freiwillig oder ein ‘unbehelligtes Ziehenlassen der Tyrannen’, sondern mit Verbannungs­ akten verbunden, aber eben, wie der Fall des Aristagoras in Milet zeigt (Hdt. 5, 37 ff.), auch nicht immer und überall. 12 Hdt. 5, 38, 2; 6, 9, 2. Dazu Georges 2000, 24; Kienast 2002, 10. Vermittlungsversuche vor der Schlacht bei Lade: Hdt. 6, 9, 2–10. 13 Vgl. Georges 2000, Kienast 2002, Wiesehöfer 2009 zu den Neuerungen, die nach Dareios’ Machtergreifung in der persischen Herrschaft über Ionien eingeführt wurden: Dazu gehörte nicht nur die finanzielle Reorganisation des Tributes, sondern offenbar auch eine andere, sehr viel striktere Etablierung von Dareios’ Günstlingen als Tyrannen. Georges 2000, 19–23 und Wie­ sehöfer 2009, 173 haben betont, dass insbesondere diese stärkere Eingliederung in persische Reichsstrukturen zunehmend zu Unzufriedenheit in Ionien geführt hat. 14 Naddaf 2009, 127 ordnet hier auch DK 22 A 3b ein; ausf. bei Gildemeister/Bücheler 1872, 457: Aus einem syrischen Text des Themistius ist zu entnehmen, dass die Ephesier während der Bela­ gerung durch die Perser durch einen gewissen Heraklit überzeugt wurden, sich von Gerstenbrei zu ernähren; vgl. Plut. de garrulitate 17, 511b.

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 Charlotte Schubert

λόγῳ μετεὶς τὴν τυραννίδα ἰσονομίην ἐποίεε τῇ Μιλήτῳ, ὡς ἂν ἑκόντες αὐτῷ οἱ Μιλήσιοι συναπισταίατο, μετὰ δὲ καὶ ἐν τῇ ἄλλῃ Ἰωνίῃ τὠυτὸ τοῦτο ἐποίεε, […]).15 Auch wenn man nun hieraus nicht ableiten kann, dass Heraklit in diesen Jahren direkt und persönlich in die Etablierung einer Isonomie in Ephesos involviert war, so ist vor diesem Hintergrund aber doch zu prüfen, ob die mit der Isonomie in Ionien zusammenhängenden Entwicklungen einen Niederschlag in Heraklits Werk gefunden haben.

2 Ionische Isonomien? Für das Verständnis von Isonomie gibt es zwei, zu den Ereignissen in Ionien mehr oder weniger zeitgleiche Zeugnisse, das berühmte attische Trinklied, das Harmodios und Aristogeiton das Verdienst zuspricht, den Athenern die Isonomie gebracht zu haben: ἐν μύρτου κλαδὶ τὸ ξίφος φορήσω, ὥσπερ Ἁρμόδιος καὶ Ἀριστογείτων, ὅτε τὸν τύραννον κτανέτην ἰσονόμους τ’ Ἀθήνας ἐποιησάτην16 (Ath. 15, 50, 695a [ed. Kaibel])

sowie die Beschreibung des Arztes und Philosophen Alkmaion, der Tyrannis (als Monarchie bezeichnet) und Isonomie mit Krankheit und Gesundheit vergleicht: Ἀ. τῆς μὲν ὑγιείας εἶναι συνεκτικὴν τὴν ἰσονομίαν τῶν δυνάμεων, ὑγροῦ, ξηροῦ, ψυχροῦ, θερμοῦ, πικροῦ, γλυκέος καὶ τῶν λοιπῶν, τὴν δ’ ἐν αὐτοῖς μοναρχίαν νόσου ποιητικήν· φθοροποιὸν γὰρ ἑκατέρου μοναρχίαν. καὶ νόσον συμπίπτειν ὡς μὲν ὑφ’ οὗ ὑπερβολῆι θερμότητος ἢ ψυχρότητος, ὡς δὲ ἐξ οὗ διὰ πλῆθος τροφῆς ἢ ἔνδειαν, ὡς δ’ ἐν οἷς ἢ * αἷμα ἢ μυελὸν ἢ ἐγκέφαλον. ἐγγίνεσθαι δὲ τούτοις ποτὲ κἀκ τῶν ἔξωθεν αἰτιῶν, ὑδάτων ποιῶν (?) ἢ χώρας ἢ κόπων ἢ ἀνάγκης ἢ τῶν τούτοις παραπλησίων. τὴν δὲ ὑγείαν τὴν σύμμετρον τῶν ποιῶν κρᾶσιν.17 (DK 24 B 4)

15 „Und zuerst aber legte er [sc. Aristagoras] die Tyrannenherrschaft dem Namen nach nieder und errichtete die Isonomie, um die Milesier zur Teilnahme an der Revolte zu bewegen. Danach tat er im übrigen Ionien dasselbe […].“ 16 „Im Myrtenzweige tragen will ich mein Schwert, / so wie Harmodios und Aristogeiton, / da den Tyrannen sie erschlugen, / isonom die Athenern machten.“ 17 „Alkmaion sagt, für die Gesundheit sei die Isonomie der Kräfte (Qualitäten) bestimmend, des Feuchten, Trockenen, Kalten, Warmen, Bitteren, Süßen und der übrigen; aber eine Monarchie unter ihnen bewirke Krankheit. Denn die Monarchie von einem der beiden (oder: unter ihnen) sei verderblich. Krankheit tritt der Ursache nach durch das Übergewicht an Wärme oder Kälte



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Beide Texte stehen in keinerlei Verbindung zu den Ereignissen in Ionien, geben aber immerhin einen chronologischen Fixpunkt für die Verwendung des Begriffs um 500 v. Chr. Dafür bietet Herodot demgegenüber eine ausführliche und aus­ gefeilte Darstellung, in der die Isonomie in Ionien in den ersten 6 Büchern der Historien als einer der Hauptzüge seiner Darstellung angesehen werden kann. Er beginnt diese Darstellung mit den Ratschlägen des Thales und Bias (1, 170), setzt dies mit den Ereignissen in Samos nach dem Sturz des Polykrates (3, 142) und der Diskussion unter den Ioniern während des Skythenfeldzuges des Dareios fort (4, 137) und lässt sie zu Beginn des Ionischen Aufstands (5, 37) sowie nach seinem Ende (6, 43) kulminieren. Dies zieht sich als roter Faden durch die gesam­ ten 50 Jahre der Geschichte Ioniens bis zur Reorganisation nach der Niederlage bei Lade 494 v. Chr. Da er in diesem Kontext teilweise auch den sehr viel später erst entstandenen Begriff Demokratie verwendet, ist es für den späteren Leser nicht immer einfach, den spezifisch historischen Kontext zu erkennen. Damit mag auch zusammen­ hängen, dass seine  – nicht wenigen  – Beschreibungen, Bemerkungen und expliziten Kommentare zur politischen Entwicklung in Ionien bisher nicht die Aufmerksamkeit gefunden haben,18 die ihnen eigentlich zusteht und die auch entscheidend ist, wenn es um die Frage geht, ob und wie wir Heraklit in diesem Feld sehen. Dass Heraklit konzeptionelle Gedanken aus der allgemeinen Entwicklung des griechischen politischen Denkens aufgenommen hat, ist natürlich unbestrit­ ten. Insbesondere von Christian Meier und Kurt Raaflaub ist diese Entwicklung in zahlreichen Arbeiten benannt und analysiert worden.19 Auch Daniel Graham,

auf, dem Anlass nach infolge der Fülle an Nahrung oder Mangel, dem Ort nach im Blut, Kno­ chenmark oder Gehirn. Befallen würden diese manchmal auch aus äußeren Ursachen, infolge der Eigenschaft von Wasser, Land, Mühen, Zwang oder dergleichen. Gesundheit aber beruhe auf der symmetrischen Mischung der Qualitäten.“ Das Trinklied ist bei Athenaios 15, 50, 695a–b überliefert, das Fragment des Alkmaion (DK 24 B 4) sowohl bei Ps.-Plutarch, Epit. 5, 30, 911a2 ff. als auch Stobaios, 4, 37, 1–5 (ed. Wachsmuth/Hense), woraus Diels dann einen Text des Aëtius komponiert hat (Diels 1965, 442). Zum inhaltlichen Zusammenhang beider Texte im Verhältnis der implizierten Gleichgewichtskonzeptionen Triebel-Schubert 1984, 40 ff. 18 Vgl. zu den unterschiedlichen Positionen Raaflaub 2004, 94 f., der Isonomie für ein Schlag­ wort der attischen Aristokraten im Kampf gegen die Tyrannen hält und bei Herodot ausschließ­ lich den Gebrauch als Gegensatz zur Tyrannis sieht; Raaflaub hält es aber für möglich, dass der Ausdruck und das Konzept früher und andernorts als in Athen entstanden sein können. Ausf. Literaturübersicht, insb. mit dem Vergleich seiner eigenen Position zu Vlastos und Ostwald bei Raaflaub a. a. O., 310 mit Anm. 159–163; Übersicht der älteren Literatur bei Schubert 1994, 140– 153 und Triebel-Schubert 1984, 40 ff. 19 Meier 1980, 91–143. Raaflaub 1980, 7 ff., 2004, 94 f.; Raaflaub u. a. 2007, 44–46.

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Charles Kahn und Martin Ostwald haben darauf hingewiesen, dass bereits in Heraklits Begriff des ξυνόν eine hier einschlägige bürgerlich-gemeinschaftliche Dimension enthalten ist.20 Es macht jedoch einen erheblichen Unterschied aus, ob man Heraklit in einer Reihe mit Hesiod, Solon und Anaximander als einen der Exponenten einer allgemeinen, konzeptionellen Entwicklung des griechischen, politischen Denkens sieht, in der die Griechen das Politische erfunden haben,21 in dem Sinn, dass sie die gemeinsame Beschlussfassung durch die Bürgerschaft im öffentlichen Raum verankert haben, oder ob man zeigen kann, dass philo­ sophische Begriffe und Ideen in einem konkreten Zusammenhang mit aktuellen politischen Ereignissen stehen, diese aufnehmen und reflektieren. Um dies zu erläutern, sei hier die ganz allgemeine Bedeutung von Isonomie der Einfachheit halber vorangestellt: Isonomie bedeutet Machtverlagerung hin zur Volksversammlung, in der jeder männliche, erwachsene Bürger, der Zugang hatte, über gleiches Stimmrecht verfügte und dies als Bestandteil eines von der politischen Gemeinschaft getragenen Nomos begründet wurde. Damit unverein­ bar sind Alleinherrschaften welcher Art auch immer, ebenso individuelles Her­ ausragen oder individuelle Entscheidungen in politischen Prozessen. Hier sind jedoch auch die weitreichenden Konsequenzen mit einzubeziehen, die die Verwirklichung in der politischen Praxis nach sich zog: Die praktische Etablierung des Abstimmungsrechts setzte immer die Neueinteilung der Bürger­ schaft in Untergruppierungen zur Realisierung dieses gleichen Stimmrechtes voraus, ebenso Veränderungen der Ämterstruktur und eine Reform des Rates hin zu einer repräsentativen Zusammensetzung. Dies sind allesamt Infrastrukturen einer politischen Organisationsform, wie man sie in dieser Detailtiefe nur aus Athen mit und seit den kleisthenischen Reformen kennt. Diese Infrastruktur ist nicht gleichzusetzen mit Isonomie, sie ist jedoch die unmittelbare Konsequenz der Isonomie, wenn die gleiche Teilhabe, die das Konzept beinhaltet, auch praktisch verwirklicht werden soll. Daher kann tatsäch­ lich aus der bloßen Tatsache der Erwähnung einer Einführung der Isonomie in einer beliebigen Polis abgeleitet werden, dass eben diese Infrastrukturen auch eingeführt wurden oder es zumindest beabsichtigt oder diskutiert wurde, sie in der Polis einzuführen.

20 Vgl. Mourelatos 1965, 258–66; Ostwald 1969, 26 f.; Kahn 1979, zu III (= DK 22 B 2), 101 f. und insb. XXX (= DK 22 B 114), 117 f.; Graham 2010 zu F1 (=DK B 1/2), F 36 (= DK B 80), F 94 (=DK B 114) im Kommentar zu F93/94, a. a. O. 193 f. 21 Vgl. zu diesem Isonomie–Verständnis insb. Fouchard 1986, 147–172; Vernant 1965, 576–595; Détienne 1965, 425–441 und Leveque/Vidal-Naquet 1983. Mehr auf den praktischen Aspekt des Politischen hebt Cartledge 2009, 8 ff. ab.



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Dass dies auch für das 6.  Jahrhundert nicht abwegig ist, zeigt uns die berühmte Inschrift aus Chios (ML 8), die all dies lange vor Kleisthenes belegt – in der gewünschten Detailtiefe der politischen Infrastruktur, allerdings ohne den Begriff der Isonomie zu verwenden:22 A [---]κ̣ ατ̣ ης∶ Ἱστίης δήμο ῥήτρας⋮ φυλάσσω[ν ---] [---]ον∶ ηρει∶ ἢμ μὲν δημαρχῶν∶ ἢ βασιλεύων∶ δεκασ̣[θῆι? ---] [---]ς Ἱστίης ἀποδότω⋮ δημαρχέων⋮ ἐξπρῆξαι∶ τὸν ἐ[ξεταστὴν (?) --] [---]εν δήμο κεκλημένο αλοιαι τιμὴ διπλησ̣[ίη ---] [---]ν̣ ὅ̣ σ̣η̣ν̣ π̣ αρ ̣ αλ̣οι̣ ω̣[․] B [․c. 3․]η̣ν̣ δ’ ἥκκλητος δ̣ί̣[κη? --] [---] ἢν δὲ ἀδικῆται∶ παρὰ δημάρχωι∶ στατῆρ ̣ [ας? ---] C ἐκκαλέσθω ἐς βολὴν τὴν δημοσίην· τῆι τρίτηι ἐξ Ἑβδομαίων βολὴ ἀγερέσθω ἡ δημοσίη ἐπιθώϊος λεκτὴ πεντήϘοντ’ ἀπὸ φυλῆς· τά τ’ ἄλ[λ][α] πρησσέτω τὰ δήμο καὶ δίκα[ς ὁ][Ϙό]σαι ἂν ἔκκλητοι γένων̣ [τ][αι] τὸ μηνὸς πάσας ἐπι̣ [․․․] [․c. 4․]σ̣ε̣ ε̣ ρ ̣ [․c. 3․]

22 ML 8 = HGIÜ Nr. 10: Chios: Gesetz (575–550 v. Chr.): „(A) [Betreffs dessen, das geweiht ist] der Hestia, soll des Volkes | Satzungen (der Beamte) beachte[n –| –], das (dies) besagt (?). Wenn ein (amtierender) Dema|rchos* oder Basileus* sich beste[chen läßt (?), soll˚ er˚ – |5 –] der Hestia zahlen als Dema|rchos. Eintreiben soll der [– | –] wenn der Demos einberufen ist. | (Bei) Verurteilungen durch Überführen (?) doppelte Buße [– | –] so hoch wie von [–] (B) –] das Berufungsverfahren | [–] wenn er Unrecht erleidet, beim | Demarchos | Stater[e* –] (C) Berufung einlegen soll er vor | dem Rat des Vol|kes. Am dritten (Tag) | nach den Hebdomaia (= dem 7. jedes Monats) |5 soll der Rat sich versammel|n, der des Volkes, d|er Buße auferlegen darf {oder: (bei Nichtversammlung) Buße zahlen muß}, der auserlesen is|t aus fünfzig (Männern) vo|n (jeder) Phyle*. Und das and|10ere soll verhandelt werden, was das Vo|lk betrifft, und Pro­ zesse, so|weit sie Gegenstand einer Ber|ufung geworden sin|d im (jeweiligen) Monat, alle|15samt [– | – | –] (D) [–] (im Monat) Artemision | [–] soll˚ Eidesopfer schlachten und sch[wören (?)  – |  – den B] asileis. vacat“. (Übers. HGIÜ)

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D [----Ἀ]ρ ̣τ̣ εμισιῶνος vacat [----]ων ὅρκια ἐπιταμνέτω Ϙὠ̣[μνύτω (?) --] [--- β]α̣σιλεῦσιν. vacat

Die Inschrift zeigt eine politische Organisationsform mit der Volksversammlung und dem Rat als repräsentativ zusammengesetztem Organ aus den Untergruppie­ rungen, d. h. genau den infrastrukturellen Elementen, die zur praktischen Ver­ wirklichung von Isonomie erforderlich sind. Lehnt man nun die Schlussfolgerung ab, dass die Einführung einer Isono­ mie drastische Änderungen der politischen Infrastruktur nach sich zog, dann bleibt die Isonomie eine eigentümlich blutleere Formulierung und es wäre auch kaum zu verstehen, warum die Einführung dieser Isonomien fast immer mit poli­ tischen Umsturzgeschehen bzw. dramatischen Veränderungen verbunden ist.23 Man muss dann auch unserer Hauptquelle für die Isonomien in Ionien, Herodot, unterstellen, dass er die gesamte politische Geschichte Ioniens rückprojizierend umgeschrieben hat und das, obwohl er neben Heraklit, dem uns hier beschäf­ tigenden Autor, der einzige griechische Autor ist, von dem wir überhaupt frühe Prosatexte in substantiellem Umfang haben.24 Eine solche Skepsis ist jedoch nicht überraschend angesichts des bis vor wenigen Jahren verbreiteten Miss­ trauens gegenüber Herodots Methode.25 Ein zweiter, ebenso gravierender Einwand leitet sich von den Varianten im Bedeutungsspektrum von Isonomie ab: Mit der Annahme, dass die Vorstellung von Isonomie aus der Ablehnung der Tyrannis entstanden ist, somit im Ursprung eher von aristokratischen Politikvorstellungen stammt (was auch ich beides für wahrscheinlich halte), wird in der Regel implizit die Annahme verbunden, dass es auszuschließen sei, dass die ionischen Isonomien mit dem beschriebenen infrastrukturellen Gerüst von politischer Organisation verbunden waren. Daran knüpft sich dann die weitere Annahme, die attische Isonomie, d. h. die Reform

23 Cartledge 2009, 8 kommt daher auch genau zu dieser Schlußfolgerung: „for what in practice was to count as an ‘equal’ sharing of power, and who were the ‘people’ entitled to share it?“ und „Iso-nomia stood for the most general and unspecific principle of political equality.“ Zu den Umsturzgeschehen bzw. politischen Veränderungen: Persien (Hdt. 3, 80), Samos (Hdt. 3, 142), Ionien (4, 137), Milet und Ionien (Hdt. 5, 37), Athen (Hdt. 5, 78; 6, 43 und 6, 131), Kos (Hdt. 7, 164); vergleichbar auch die Rede der Korinther bei Hdt. 5, 92. 24 Kahn 1979, 92. 25 Zu der Skepsis gegenüber Herodots Methode haben die Arbeiten von Fehling (1971) und Pritchett (1993) maßgeblich beigetragen. Vgl. demgegenüber Lateiner 1989. Zu dem komplexen Verständnis von Fiktion in der Arbeit des Historiographen bei Herodot s. Schubert/Sier (2012).



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des Kleisthenes, sei etwas grundsätzlich anderes gewesen als die bei Herodot genannten ionischen Isonomien.26 Lässt sich hingegen zeigen, dass Herodots ionische Isonomien historisch plausibel sind, dann bietet sich auch eine ganz andere Möglichkeit, sowohl Hera­ klits politische Aktivität (die in der Erwähnung einer Ablehnung gesetzgeberi­ scher Tätigkeit und der Intervention im Ionischen Aufstand erkennbar wird) als auch zentrale Begriffe seiner Fragmente historisch zu kontextualisieren.

3 Herodots Darstellung der ionischen Isonomien Herodot zieht einen großen Spannungsbogen von der ersten persischen Unter­ werfung Ioniens durch Kyros bis zur Niederlage nach dem ionischen Aufstand. Am Anfang stand eine Versammlung der ionischen Poleis in ihrem Bund, dem Panionion; dort schlägt Thales vor, eine gemeinsame politische Organisations­ struktur mit einem zentralen, repräsentativen Rat einzurichten:27 Einrichtung einer Ratsversammlung am Mittelpunkt, lokalisiert in Teos, da es geographisch der Mittelpunkt Ioniens sei, und die Umwandlung der Poleis zu Demen, d. h. Ein­ führung eines strukturellen Synoikismos. Der Rat basiert auf einer Vorstellung von Mitte als Symmetriepunkt, wie man dies auch in den kosmologischen Model­ len der Zeit erkennen kann, weist aber auch auf ein politisches Repräsentations­ konzept hin, dass Gleichheit aller Beteiligten ermöglicht.28

26 Kienast 2002, 9 f. mit Anm. 32 und Literatur. 27 Asheri (in Asheri u. a. 2007, 191) sieht bei Herodot Elemente einer politischen Utopie aus in­ tellektuellen Zirkeln Milets, die er chronologisch in die Zeit zwischen der persischen Eroberung und dem ionischen Aufstand einordnet. 28 Hdt. 1, 170. [1] κεκακωμένων δὲ Ἰώνων καὶ συλλεγομένων οὐδὲν ἧσσον ἐς τὸ Πανιώνιον, πυνθάνομαι γνώμην Βίαντα ἄνδρα Πριηνέα ἀποδέξασθαι Ἴωσι χρησιμωτάτην, τῇ εἰ ἐπείθοντο, παρεῖχε ἂν σφι εὐδαιμονέειν Ἑλλήνων μάλιστα· [2] ὃς ἐκέλευε κοινῷ στόλῳ Ἴωνας ἀερθέντας πλέειν ἐς Σαρδὼ καὶ ἔπειτα πόλιν μίαν κτίζειν πάντων Ἰώνων, καὶ οὕτω ἀπαλλαχθέντας σφέας δουλοσύνης εὐδαιμονήσειν, νήσων τε ἁπασέων μεγίστην νεμομένους καὶ ἄρχοντας ἄλλων· μένουσι δέ σφι ἐν τῇ Ἰωνίῃ οὐκ ἔφη ἐνορᾶν ἐλευθερίην ἔτι ἐσομένην. [3] αὕτη μὲν Βίαντος τοῦ Πριηνέος γνώμη ἐπὶ διεφθαρμένοισι Ἴωσι γενομένη, χρηστὴ δὲ καὶ πρὶν ἢ διαφθαρῆναι Ἰωνίην Θάλεω ἀνδρὸς Μιλησίου ἐγένετο, τὸ ἀνέκαθεν γένος ἐόντος Φοίνικος, ὃς ἐκέλευε ἓν βουλευτήριον Ἴωνας ἐκτῆσθαι, τὸ δὲ εἶναι ἐν Τέῳ (Τέων γὰρ μέσον εἶναι Ἰωνίης), τὰς δὲ ἄλλας πόλιας οἰκεομένας μηδὲν ἧσσον νομίζεσθαι κατά περ εἰ δῆμοι εἶεν [Hervorh. C. S.]. „Als die Ionier in solcher Not waren und sich trotzdem beim Panionion sammelten, da, so höre ich, hat Bias, ein Mann aus Priene, den Ioniern einen höchst nützlichen Vorschlag gemacht; hätten sie ihm gehorcht, so wäre es ihnen möglich gewesen, am meisten unter allen Griechen zu Wohlstand zu kommen. Bias meinte nämlich, die Ionier sollten in gemeinsamem Heereszug

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Auch der Vorschlag des Bias, dass die Ionier nach der Niederlage bei Lade alle nach Sardinien auswandern sollten, so dass sie der Knechtschaft durch die Perser entgehen und ein Leben in εὐδαιμονία führen könnten, weist auf diesen Kontext: Das εὐδαιμονεῖν ist eine Spielart des Lebens in Gleichheit, zwar keines­ wegs auf wirtschaftliche Gleichheit ausgerichtet, doch die soziale Komponente dieses Konzeptes betonend.29 Diese Entwicklung läuft über mehrere Stationen: Nach dem Tod des sami­ schen Tyrannen Polykrates soll sein Nachfolger Maiandrios 522 v. Chr. versucht haben, in Samos eine Isonomie einzurichten30 (Hdt. 3, 142, 3: ἐγὼ δὲ ἐς μέσον τὴν ἀρχὴν τιθεὶς ἰσονομίην ὑμῖν προαγορεύω).31 Das Vorhaben scheitert, weil, wie Herodot sagt, die Samier ihre Freiheit anscheinend gar nicht wollten. Ist dies eine ʻhistorisierende Fiktionʼ aus der anti-tyrannischen Rhetoriktradition?32 Anderer­ seits beschreibt Herodot auch den Machtverzicht des koischen Tyrannen Kadmos (7, 164, 1) – in den Jahren nach 500 v. Chr. – mit den gleichen Worten,33 nur dass eine Generation später die Koer offenbar klüger waren als die Samier. Die beiden Geschichten hängen zusammen, spiegeln einander und wenn man die eine für anachronistisch hält, dann trifft dies auch die andere. Während des einige Zeit oder vielleicht auch kurz danach von Darius begon­ nenen Skythenfeldzuges sollen die von den Persern gestützten oder eingesetzten ionischen Tyrannen die für den Rückweg des Perserheeres unabdingbare Brücke über den Istros bewachen. Miltiades, der spätere Sieger von Marathon und zu dieser Zeit noch Tyrann auf der thrakischen Chersones, schlägt vor, von den aufbrechen, nach Sardinien segeln und dann eine einzige Stadt aller Ionier gründen. So würden sie, frei von Knechtschaft, zu Wohlstand kommen, indem sie die größte aller Inseln bewohnten und über andere herrschten. Wenn sie in Ionien blieben, sagte er, sähe er nicht, wie sie in Frei­ heit leben könnten. Dies war der Rat des Bias von Priene, erteilt, als die Ionier bereits vernichtet waren; brauchbar aber, bevor Ionien vernichtet wurde, war auch der Rat des Thales aus Milet, der seiner Herkunft nach Phöniker war. Er riet, die Ionier sollten ein einziges Bouleuterion haben und dies solle auf Teos sein – Teos nämlich sei der Mittelpunkt von Ionien –, die anderen be­ wohnten Poleis aber sollten deshalb nicht weniger an ihren Einrichtungen behalten, wie wenn sie Demen wären.“ (Übers. Heinrich Stein) 29 So Cartledge 2009, 8 ff. 30 Hdt. 3, 142–146. 31 „Ich aber lege die Herrschaft in die Mitte und verkünde Euch die Isonomie.“ 32 Vgl. Asheri (in Asheri u. a. 2007, 518 f.), der im Anschluss an frühere Arbeiten Raaflaubs hier den Niederschlag der antityrannischen Rhetorik der Griechen sieht. Raaflaub 2004, 105 f. und bes. 110: Zwar hält Raaflaub die Einrichtung eines Kultes für Zeus Eleutherios für eine histori­ sierende Fiktion, sieht dafür jedoch die Umstände dieser Isonomie, die er hier explizit als eine aristokratische Form der Regierung bezeichnet, als zuverlässig tradiert an. 33 Hdt. 7, 164, 1: ἑκών τε εἶναι καὶ δεινοῦ ἐπιόντος οὐδενὸς ἀλλ’ ὑπὸ δικαιοσύνης ἐς μέσον Κῴοισι καταθεὶς τὴν ἀρχὴν οἴχετο ἐς Σικελίην.



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Persern abzufallen und Ionien zu befreien. Histiaios, der Tyrann von Milet, ent­ gegnet dem, dass dann keiner der Tyrannen sich mehr in Ionien werde halten können, weil jede Polis dann die Einführung der Demokratie (δημοκρατέεσθαι) der Tyrannis vorziehen werde.34 Das überzeugt alle und die nächste Chance für Ionien ist vertan; allerdings geht bekanntlich Miltiades 20  Jahre später nach Athen zurück und wird dort ein sehr erfolgreicher, demokratisch legitimierter Stratege. Marathon als identitätsstiftende Leistung der Athener hat Athen als nicht nur Sparta ebenbürtige Macht etabliert. Vor diesem Hintergrund ist es natürlich offensichtlich, dass Herodot diesen Querbezug in der Darstellung der Brückendiskussion mit voller Absicht impliziert. Nur: Ist auch dies eine Fiktion oder will er damit eine lange historische Linie plausibilisieren? Zeitlich der Brückendiskussion nachfolgend sind die Ereignisse in Athen mit dem Tyrannensturz und der kleisthenischen Phylenreform (Hdt. 5, 78 und 6, 131), deren politische Konsequenz mit dem erwachenden Selbstvertrauen der Athener die Spartaner mit Gewalt eindämmen wollen. Doch dies wissen die Korinther bei der entscheidenden Versammlung des Peloponnesischen Bundes, um 504 v. Chr., zu verhindern, indem sie die Spartaner nachdrücklich davor warnen, Isokratien – wie hier also Athen – zugunsten von Tyrannenherrschaften aufzulösen (5, 92α 1). Es folgt dann der Ausbruch des ionischen Aufstands, zu dessen Beginn der milesische Subtyrann Aristagoras seine Tyrannis niederlegt, und in Milet – wie schon gesagt (Hdt. 5, 37) – eine Isonomie einrichtet. Nun betont Herodot, dass Aristagoras die Tyrannis λόγῳ niedergelegt habe (5, 37, 2). Wer denkt bei dieser Formulierung nicht sofort an Thukydides’ Nachruf auf Perikles (2, 65, 10), wonach Athen λόγῳ μὲν δημοκρατία, ἔργῳ δὲ ὑπὸ τοῦ πρώτου ἀνδρὸς ἀρχή wurde? Auch hier im ionischen Aufstand scheint die Einführung der Isonomien für Herodot doch wieder nur eine der verpassten Chancen der Ionier gewesen zu sein. Denn am Ende steht die Etablierung von Demokratien durch persische Gnade und nicht aus eigener Kraft: Mardonios entfernt alle Tyrannen aus Ionien und errichtet in jeder Polis demokratische Verfassungen. So Herodot: ὡς δὲ παραπλέων τὴν Ἀσίην ἀπίκετο ὁ Μαρδόνιος ἐς τὴν Ἰωνίην, ἐνθαῦτα μέγιστον θῶμα ἐρέω τοῖσι μὴ ἀποδεκομένοισι Ἑλλήνων Περσέων τοῖσι ἑπτὰ Ὀτάνεα γνώμην ἀποδέξασθαι ὡς χρεὸν εἴη δημοκρατέεσθαι Πέρσας· τοὺς γὰρ τυράννους τῶν Ἰώνων καταπαύσας πάντας ὁ Μαρδόνιος δημοκρατίας κατίστα ἐς τὰς πόλιας.35 (Hdt. 6, 43, 3)

34 Hdt. 4, 137, 2: βουλήσεσθαι γὰρ ἑκάστην τῶν πολίων δημοκρατέεσθαι μᾶλλον ἢ τυραννεύεσθαι. 35 „Als Mardonios an Asien entlang nach Ionien kam, geschah etwas, das diejenigen Griechen außerordentlich verwundern wird, die nicht glauben wollen, dass Otanes den sieben Persern die Ansicht dargelegt hat, daß es nötig sei, die Perser demokratisch zu regieren.“

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Vergleicht man diese herodoteische Schilderung der Entwicklung in Ionien mit 6, 131, der – zugegeben sehr kurzen, aber doch äußerst prägnanten – Beschreibung der kleisthenischen Reform, dann fällt sofort auf, dass der Ratschlag des Thales und der Kern der kleisthenischen Maßnahmen das entscheidende Element gemeinsam haben: In Athen hat Kleisthenes durch einen Zusammenschluss der Bevölkerung Attikas  – vergleichbar einem Synoikismos  – eine neue politische Organisationsstruktur eingerichtet. Die Ionier, im Gegensatz zu den Athenern, schlagen diesen Weg nicht ein. Das ionische Panionion hätte ein wirkliches, erfolgreiches Koinon werden können. So wissen wir, dass das ionische Koinon Grundsatzbeschlüsse über die Kriegsführung fasste (Hdt. 5, 108, 2), gemeinsame Militäraktionen durchführte (5, 109, 3) und eine gemeinsame Heer- bzw. Flotten­ führung hatte (Hdt. 6, 7).36 Doch das ist ganz offensichtlich nicht das, was nach Herodot ein wirkliches Koinon ausmacht: Für Athen stellt Herodot dann nach den militärischen Erfolgen 504 v. Chr. über Spartaner, Böoter und Chalkidier fest, dass die Isegorie für alle (πανταχῇ ἡ ἰσηγορίη), hier synonym mit Isonomie verwendet, Athen über die Entfaltung von Eigeninteresse erfolgreich und stark gemacht habe. Eigeninteresse und Gesamtheit bedingen sich, doch der Identi­ fikationsprozess mit der neuen Ordnung der Polis (als vorpolitische Grundlage) ist die Voraussetzung für das Einzelne und ermöglichte erst den militärischen Gesamterfolg. Im Gegensatz dazu zeigen die erfolglose Mahnung des Dionysios von Phokaia vor der Schlacht bei Lade (6, 11) und das Verhalten der Ionier in der Schlacht (6, 13–15), dass den Ioniern genau dieser Sinn für das Allgemeine fehlte, sodass die militärische Niederlage gegen die Perser folgte. Das Ertragen der Mühsal und der Strapazen, die den Mannschaften der Schiffe wie Sklaverei vorkam, hätte nur mit dem Sinn für das Allgemeinwohl als höherem Ziel ertragen werden können – aber genau dazu sind die Ionier nicht in der Lage.37

36 Nach Kienast 2002, 16 mit Anm. 56 lässt sich bei Herodot deutlich zwischen dem Koinon und der Symmachie der Ionier unterscheiden, er verweist dazu auf Hdt. 6, 9, 3 und 6, 13, 1 sowie 6, 15, 2. Vgl. McInerney 2013, 470 f. zu einer systematischen Zusammenstellung der Merkmale eines Koinon als politischer Organisationsform. 37 An diesen Gedanken knüpft Herodot 9, 122 wie in einer großen Ringkomposition wieder an. Die Perser kommen zu Kyros, weil sie das eigene Land zugunsten eines anderen, frucht­ bareren und reicheren Gebietes, und zwar eines fernliegenden, noch zu erobernden Landes verlassen wollen. Damit ist ein Land oder eine Region außerhalb von Asien gemeint, weil der Status quo die Herrschaft über ganz Asien ist. Kyros kann sein Volk von dieser Absicht abhalten, indem er ihnen den Zusammenhang zwischen den klimatischen und geographischen Bedingungen einer Region und der psychisch-mentalen Konstitution schildert. Ein karges Land bringe tapfere und freie Menschen hervor und ein fruchtbares, reiches Land hingegen verweich­ lichte Einwohner, und so würden die stolzen Perser in einer anderen Region von Herren zu



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Natürlich kann man die Formulierung, die Herodot dem Rat des Thales gibt, in bewährter Manier als Rückprojektion des Herodot auffassen,38 passt er doch zu gut als Ausgangspunkt all der gescheiterten ionischen Isonomien: Während es den Athenern gelungen ist, die Gemeinsamkeit zur politischen Willensbildung erfolgreich, eben auch militärisch erfolgreich gegenüber den Persern, zu realisie­ ren, so scheitern eben die Ionier genau an diesem Punkt! Hier ordnet sich nun auch der interessanteste Text zur Isonomie bei Herodot ein, die Rede des Otanes in der Verfassungsdebatte (3, 80), der zu unendlichen Diskussionen geführt hat. Es ist sehr wahrscheinlich, dass dieser Text viel aus dem zeitgenössischen Athen der perikleischen Zeit wiedergibt.39 Trotzdem ist zu fragen, warum Herodot diesen Text im dritten Buch, in den Kontext der Macht­ ergreifung des Darius, des entscheidenden persischen Gegenspielers der Ionier, platziert hat. Auch hier gilt m. E., dass man dies als Spiegelung sehen muss, durch die der Autor Herodot mit viel Ironie die guten und richtigen Argumente immer denjenigen in den Mund legt, denen es dann doch nicht gelingt, andere zu überzeugen. Die zentrale Stelle in der Verfassungsdebatte steht am Ende der Otanes-Rede (Hdt. 3, 80, 6). Die Herrschaft der Menge ist eine Isonomie und sie ist dadurch charakterisiert, dass βουλεύματα δὲ πάντα ἐς τὸ κοινόν („alle Beschlüsse vor die Gemeinschaft“) gebracht werden und ἐν γὰρ τῷ πολλῷ ἔνι τὰ πάντα („in den Vielen das Ganze“) liegt. Herodot spricht hier gar nicht von speziellen politischen Verfassungsformen in dem Sinn einer Ämterstruktur oder bestimmter Wahl­ modi, Zugangsqualifikationen etc., sondern er spricht von sehr grundsätzlichen Dingen: Die Vorstellung vom Ganzen, das durch einen Sinn für das Allgemeine erst ermöglicht wird, in dem sich das Einzelne entfaltet, ist ein klares politisches Konzept. Die politische Aussage dieser Texte ist m. E. eindeutig: Isonomie und politi­ sche Organisation der Bürger müssen als ein κοινόν angesehen werden. κοινόν Sklaven. Hier legt Herodot Kyros die im 5.  Jahrhundert auch aus anderen Werken bekannte Klimatheorie in den Mund. Die überdeutliche Parallele aus dem Corpus Hippocraticum ist De aeribus mit dem Gegensatz des verweichlichten und des abgehärteten Menschen in Abhängig­ keit von den klimatischen Bedingungen. Der Autor legt im zweiten Teil seiner Schrift (12–24) eine auf ethnographischen Überlegungen basierende Gegenüberstellung Asiens und Europas dar, worin er mit dem jeweiligen Weltenteil ganz spezielle äußere und innere, charakterliche und politische Prägungen verbindet (s. Schubert/Leschhorn 2006, 379–388). 38 Fritz 1967, Bd. 1, 296; Raaflaub 1980; Kienast 2002, 15 mit Anm. 55. 39 Asheri u. a. 2007, ad loc., 473–476 mit einer Auswahl aus der Literatur. Asheri betont, dass Herodot nachdrücklich auf die Authentizität seiner Darstellung hinweist. Asheri selbst hält es a. a. O. 472 für möglich, dass die Debatte eine Diskussion aus Athen aus den Jahren um 511 v. Chr. wiedergibt.

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ist hierbei als Ausdruck einer politischen Organisationsform zu verstehen, der auf die Praktiken des Politischen ausgerichtet ist und nicht als expliziter Verfas­ sungsbegriff.40 Der Begriff geht noch weit darüber hinaus: Er zielt darauf ab, dass das Ganze  – durchaus im Sinn des Gemeinwohls  – auf der Voraussetzung des Gemeinsinns ruht, der erst die Verwirklichung der politischen Organisationsform ermöglicht. Dies ist den Athenern gelungen, den Ioniern nicht. Insofern zeigt sich das Narrativ Herodots als stringent und plausibel, hat diverse, historisch eindeutig identifizierbare Stationen von der Eroberung Ioniens durch Kyros, über die Episoden in Samos und während des Skythenfeldzuges bis hin zum ionischen Aufstand. Allein aus dieser Plausibilität ergibt sich für das Narrativ ein Anspruch auf Glaubwürdigkeit.

4 Heraklit und die ionischen Isonomien Für Heraklit ist eingangs hervorgehoben worden, dass er in den entscheidenden Momenten des ionischen Aufstands politisch aktiv gewesen sein könnte. Wenn nun unsere Hauptquelle für diese Epoche die Darstellung unter die Leitlinie der zwar gescheiterten, aber doch breiter diskutierten Isonomie gestellt hat, so ist zu prüfen, ob es Hinweise dafür gibt, dass auch Heraklit sich mit diesem Thema auseinandergesetzt hat. Damit ist nicht die Grundsatzfrage gemeint, wie sich sein Denken zur allgemeinen konzeptionellen Entwicklung des politischen Denkens in Griechenland verhält, sondern sehr viel konkreter, ob es für die hier aus Herodot rekonstruierte Diskussion um die Einführung isonomer Verfassungen in seinem Werk Hinweise gibt. Es ist wohl anzunehmen, dass er eine solche Diskus­ sion, wenn sie denn nicht eine reine Fiktion Herodots gewesen sein soll, gekannt haben müsste. Aber, wie eingangs betont, so gilt Heraklit als ein elitärer Denker, der sich von dem, was die allgemeine Mehrheit bewegt, ferngehalten habe. Kann es also sein, dass diese Auseinandersetzung um die Isonomie in Ionien Spuren in seinem Werk hinterlassen hat? Wenn dies zu erkennen wäre, so würde es zwei­ erlei bedeuten: Zum einen wäre es ein Beleg dafür, dass Herodots Narrativ nicht nur plausibel, sondern auch historisch authentisch ist, weil ein von ihm ganz unabhängiger, ihm zeitlich auch vorausgehender Denker den gleichen Zusam­ menhang benennt. Zum anderen würde es uns erlauben, Heraklits Werk – ganz

40 Als isonom konnten bekanntlich auch Aristokratien bezeichnet werden: Thuk. 4, 78, 2–3; Raaflaub 2004, 110 und Cartledge 2009, 8 f.



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im Unterschied zu dem anderer Vorsokratiker – in einen konkreten politischen, ja sogar zeitgenössisch aktuellen Kontext zu stellen. Die Äußerungen Heraklits zur Gemeinschaftsstiftung sind breit untersucht worden,41 werden jedoch meist nicht im Zusammenhang der politischen Entwick­ lung Ioniens betrachtet. Auch die meist präferierte Sicht, dass der attischen Iso­ nomie, insbesondere durch und mit den kleisthenischen Reformen in Athen etab­ liert, Priorität zukomme, steht einem solchen Interpretationsversuch entgegen.42 Es ist allerdings wirklich auffällig, dass gerade einer der wichtigsten Begriffe der Heraklitischen Fragmente, das ξυνόν, eine politische Dimension hat: DK  22 B  114 (=  Stob. 3, 1, 179): ξὺν νόωι λέγοντας ἰσχυρίζεσθαι χρὴ τῶι ξυνῶι πάντων, ὅκωσπερ νόμωι πόλις, καὶ πολὺ ἰσχυροτέρως. τρέφονται γὰρ πάντες οἱ ἀνθρώπειοι νόμοι ὑπὸ ἑνὸς τοῦ θείου· κρατεῖ γὰρ τοσοῦτον ὁκόσον ἐθέλει καὶ ἐξαρκεῖ πᾶσι καὶ περιγίνεται.43 DK 22 B 33 (= Clem. Al. strom. 5, 14, 115, 2): νόμος καὶ βουλῆι πείθεσθαι ἑνός.44 DK 22 B 2 (= Sext. Emp. adv. math. 7,133): διὸ δεῖ ἕπεσθαι τῶι κοινῶι· ξυνὸς γὰρ ὁ κοινός. τοῦ λόγου δ’ ἐόντος ξυνοῦ ζώουσιν οἱ πολλοὶ ὡς ἰδίαν ἔχοντες φρόνησιν.45

41 Vgl. dazu Sier 2012; Kahn und Graham zum xunon s. o. Anm. 20; zum Verhältnis von xunon zu nomos: Ostwald 1969, 27 f. 42 So ganz explizit Ostwald 1969, 167. Anders Kahn 1979, 15, der Heraklit als den ersten politi­ schen Philosophen betrachtet: „I note that Heraclitus’ restatement of this traditional view marks the birth of political philosophy proper and the beginnings of the theory of natural law, which will receive its classic statement by the Stoics working under his inspiration. Heraclitus’ own formulation is novel in three respects. He generalizes the notion of Justice to apply to every mani­ festation of cosmic order, including the rule of the jungle by which birds and beasts eat one ano­ ther (LXXXII, D. 80). Secondly, human law is conceived as the unifying principle of the political community, and thus as grounded in the rational order of nature which unifies the cosmos. Fi­ nally, the unique status of human nomos and the political order is interpreted as a consequence of the common human possession of speech (logos) and understanding (noos), that is, as a con­ sequence of the rational capacity to communicate one’s thoughts and come to an agreement ­(homologein in XXXVI, D. 50, echoing xyn legontas in XXX, D. 114).“ Ganz anders Ostwald 1969, 27 f.: xunon sei nicht politisch, sondern auf einen göttlichen Nomos bezogen; Graham im Kom­ mentar zu F 98 (= DK 22 B 121) äußert sich nicht ganz unähnlich, s. o. Anm. 20. 43 „Wenn man mit Verstand reden will, muß man sich stark machen mit dem allen Gemeinsa­ men (d. h. dem Verstand ξὺν νῶι: ξυνῶι) wie eine Stadt mit dem Gesetz und noch viel stärker. Nähren sich doch alle menschlichen Gesetze von dem einen, göttlichen; denn dieses gebietet, soweit es nur will, und reicht aus für alle (und alles) und ist sogar noch darüber.“ (Übers. DK) 44 „Das Gesetz ist auch, dem Willen eines einzigen zu folgen.“ 45 „Deshalb muß man dem Gemeinsamen folgen, d. h. dem Gemeinschaftlichen (denn ‘gemein­ sam’ ist dasselbe wie ‘gemeinschaftlich’). Obwohl aber der Logos gemeinsam ist, leben die vie­ len, als ob sie eine eigene Einsicht hätten.“ (Übers. Laura Gemelli Marciano) διὸ δεῖ ἕπεσθαι zeigt ein Zitat mit sicher anzunehmender wörtlicher Übernahme aus Heraklit an: ξυνῶι, τουτέστι τῶι ist eine Ergänzung von Diels nach Bekker, vgl. dazu Bett 2005, 29. ξυνὸς γὰρ ὁ κοινός wird meist als Erklärung des Sextus Empiricus aufgefasst, die das ihm als archaisch

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DK  22 B  44 (=Diog. Laert. 9, 2, 2): μάχεσθαι χρὴ τὸν δῆμον ὑπὲρ τοῦ νόμου ὅκως ὑπὲρ τείχεος.46

Heraklit unterscheidet hier zwei verschiedene Konzepte von Nomos: den Nomos der Polis, der für die Ordnung der Polis steht (ὅκωσπερ νόμωι πόλις) und die menschlichen Nomoi (οἱ ἀνθρώπειοι νόμοι), die letztlich auf einen göttlichen Nomos zurückgehen.47 Dieser drückt sich im Logos aus, der eine allgemeingül­ tige Norm für die Polis vorgibt.48 Heraklit hat, so die Interpretation von Kahn, im Nomos das die bürgerliche Gemeinschaft der Polis Verbindende gesehen.49 Ins­ besondere γάρ in DK 22 B 114 lässt erkennen, dass Heraklit diese beiden Arten von Nomoi (die menschlichen und die Nomoi der Polis) für identisch hält. ὅκωσπερ wiederum zeigt an, dass die Nomoi der Polis und das ξυνόν πάντων analog gedacht sind.50 Hier ist der Nomos das, was auch den Gemeinsinn (ξυνόν) begründet: Das ξυνόν ist der Gemeinsinn, die gemeinschaftliche Praxis der Bürger in einer Polis, um das Gemeinwohl (κοινόν, dazu s. u.) des Ganzen zu verwirklichen.51

erscheinende xunon verständlicher machen sollte und daher wird dies auch meist – anders als bei Diels – in Klammern gesetzt; Graham 2010 ad F2, 142 setzt die Klammer sogar von τουτέστι bis κοινός. KRS haben die Fragmente nicht aufgenommen. 46 „Kämpfen soll die Bürgerschaft für ihr Gesetz wie für die Mauer.“ (Übers. DK) Nach νόμου steht in BP1F: ὑπὲρ τοῦ γινομένου. 47 Ausf. Disk. zur Bedeutung von Nomos in DK 22 B 114 bei Ostwald 1969, 27 ff.; die Bedeutung von Nomos als positives Gesetz erst später im 5. Jh. 48 Graham 2010, 193 im Kommentar zu F 93–94 (= DK 22 B 114): Heraklit scheint „to prefigure natural law theory, and certainly to believe in principles of law that transcend the city-state. The divine law must be, or be closely connected with the Logos, which itself is the structural principle of order.“ 49 Kahn 1979, 3: „So Heraclitus, who discovered in what is shared or common to all (to xynon) the essential principle of order in the universe, recognized within the city the unifying role of the nomos, the structure of civic law and moral custom which protects the demos as the city wall protects all the inhabitants of the city (LXV, D. 44).“ 50 Ostwald 1969, 27: „The identity of these human νόμοι with the νόμος of the city, mentioned in the preceding sentence, is made abundantly clear not only by the context but especially by the γάρ which introduces the second sentence. Their all-inclusiveness makes it impossible to confine their meaning to any specific customs or political regulations, which thrive in the various citystates, and they must be taken in a wider sense as referring to the way of life or mores of a city as a whole. That this interpretation is correct is confirmed by Heraclitusʼ analogy (ὅκωσπερ) of the νόμος of the city with the ξυνὸν πάντων, that is, with ‘what is common to all things’, and that is the Logos.“ 51 Diesen engen Zusammenhang von Nomos und Polis scheint auch Bias von Priene vertreten zu haben: Plut. Sept. Sap. Conv. 154d: ὁ Βίας ἔφησε κρατίστην εἶναι δημοκρατίαν ἐν ᾗ πάντες ὡς τύραννον φοβοῦνται τὸν νόμον. Plutarch lässt die Weisen an dieser Stelle explizit περὶ πολιτείας ἰσονόμου diskutieren.



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Das daraus abgeleitete ξυνόν steht über allem anderen, so dass beispiels­ weise auch eine Feuersbrunst, an sich ebenfalls die Polis gefährdend, weniger gefährlich erscheint als eine Überhebung/Hybris, in der sich der Einzelne von dem Streben nach dem Gemeinwohl verabschiedet zugunsten eigener Interessen, d. h. damit auch die Orientierung am Gemeinsinn aufgegeben hat:52 ὕβριν χρὴ σβεννύναι μᾶλλον ἢ πυρκαϊήν.53 (DK 22 B 43 = Diog. Laert. 9, 2, 1) Dieses Konzept des ξυνόν ist etwas Spezifisches bei Heraklit, das in dieser Form bei den anderen Vorsokratikern nicht zu finden ist. Vlastos hatte es als „perfectly compatible with democratic politics“ bezeichnet,54 doch diese einfa­ che Gleichsetzung mit demokratischer Politik geht doch zu weit. Gleichwohl hat das ξυνόν aber eine politische Dimension, die insb. in DK 22 B 2 mit der Gleich­ setzung von ξυνόν und κοινόν zum Ausdruck kommt: διὸ δεῖ ἕπεσθαι τῶι κοινῶι· ξυνὸς γὰρ ὁ κοινός. τοῦ λόγου δ’ ἐόντος ξυνοῦ ζώουσιν οἱ πολλοὶ ὡς ἰδίαν ἔχοντες φρόνησιν.55 (DK 22 B 2 = Sext. Emp. adv. math. 7, 133) Diese Gleichsetzung ist nun sehr interessant, weil der Begriff des koinon, wie die bereits besprochenen Passagen aus Herodot zu dem Rat des Thales an die Ionier (1, 170) und der Charakterisierung der Isonomie in der Verfassungsdebatte (3, 80, 6) zeigen, bei Herodot ebenfalls prominent begegnet und wie bei He­ra­ klit sowohl das Gemeinwohl als auch den dafür als Voraussetzung notwendigen Gemeinsinn (ξυνόν) beschreibt. Wie Herodot auch, so zeigt Heraklit, dass Stiftung von Gemeinsinn mehr ist als institutionelle Organisation politischer Prozesse: Repräsentation im exis­ tenziellen Sinn, nicht nur im organisatorisch-politischen Bereich, sondern weit darüber hinausgehend, das Ganze, das Allgemeine umfassend: d. h. der Nomos nimmt die Stelle ein (DK 22 B 33), an der die eigentliche Identifikationsfigur der Polis zu verorten ist; die Identifikation mit dem Nomos der Polis erst schafft ein

52 Vlastos 1947, 175: „Thus Heracleitus in his own way remains within the general framework of equalitarian physics.“ Vlastos a. a. O., 166 zu fr. B 114 (demokratisch und spartanisch): „Here the law is clearly the ‘common’ thing in the polis, and as such the source of its strength. Hence ‘the demos must fight on behalf of the law as for the city-walls’ (Frag. B44), i.e., as for the supreme condition of its common freedom. Similarly, in Frag. B43, ‘hybris must be extinguished even more than a conflagration’, the reference is again to a common peril.“ 53 „Überhebung soll man löschen mehr noch als Feuersbrunst.“ (Übers. DK) 54 Vlastos 1947, 166: „What is peculiar to Heracleitus is, rather, the doctrine of the ‘common’: truth is the ‘common’; the world is ‘common’ and in the state, law is the ‘common.’ This concept of the state as a community, united by a common stake in a common justice, is perfectly compa­ tible with democratic politics.“ 55 S. o. Anm. 45.

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κοινόν (Gemeinwohl) und der Zusammenhalt der Polis, der sich dabei erweist, ist das ξυνόν (Gemeinsinn).56 Messen lassen muss sich die Orientierung am Gemeinsamen am richti­ gen Umgang mit dem Nomos, demgegenüber der Machtmissbrauch steht, der Nutzen nur für den einzelnen (idion) und damit Hybris erzielen will. In diesem Sinn ist gemeinwohlorientiertes Handeln auch politisches Handeln und findet seinen Ausdruck in der Isonomie als dem schönsten Namen dafür. Dieser Zusam­ menhang zeigt auch, dass diese Vorstellung von Gemeinwohl vom Ergebnis her gedacht ist, d. h. vom Wohl des Gemeinsamen für das Volk. Im Unterschied dazu setzen die späteren, genauestens bekannten Reformen wie diejenige des Klei­ sthenes, auch wenn ihr Ziel die breite Partizipation ist, im institutionellen Gefüge von Verfahren und Strukturen (Wahlen, Einteilung der Wahlbezirke, Zugangs­ modi, Abstimmungsregeln etc.) an, denken also vom Volk ausgehend. Diese oben als Infrastruktur bezeichneten Reformen können durchaus auch Teil der Gemein­ wohlsemantik sein, müssen aber nicht zwangsläufig damit einhergehen. Dies scheint bei Heraklit und Herodot sehr gut vergleichbar, wobei allerdings der Philosoph Heraklit in seinen Äußerungen zeigt, dass er den dazu notwendi­ gen Gemeinsinn (ξυνόν) bei seinen Mitbürgern und anscheinend generell bei den Menschen schmerzlich vermisst. Der Historiker Herodot wiederum zeigt, dass die Ionier trotz eines langen Vorlaufs an Diskussion am Mangel dieses Gemein­ sinns politisch und militärisch scheitern, während es den Athenern gelingt, mit Hilfe dieses Gemeinsinns im Interesse des Gesamtwohls ihrer Polis erfolgreich zu kämpfen. Beide legen dieselbe Vorstellung von Ordnung zugrunde, die – auch wenn Heraklit das Wort nicht verwendet  – m. E. tatsächlich unschwer als Isonomie erkennbar ist: Der Nomos steht im Zentrum der Polis, alle Bürger haben an ihm Anteil, indem sie sich an dem Ganzen orientieren, er gewährleistet für sie das Gemeinwohl.57 Dafür, dass dies ein schwer zu erreichendes Ziel ist, legen beide beredt Zeugnis ab: Herodot, indem er das Scheitern der ionischen Isonomien

56 Vgl. zu dem Zusammenhang von Gemeinsinn und Identität Hellmann 2002. Ausführlich dazu auch die von H. Herfried Münkler herausgegebenen Bände zu Gemeinwohl und Gemeinsinn (Münkler/Bluhm 2001, 2002a, 2002b und Münkler/Fischer 2002). Guido O. Kirner in Münkler (2001) behandelt die Thematik für die antike Polis am Beispiel Athens. 57 Diesen Unterschied kann man bei Heraklit durchaus erkennen DK 22 B 114: ξὺν νόωι λέγοντας ἰσχυρίζεσθαι χρὴ τῶι ξυνῶι πάντων, ὅκωσπερ νόμωι πόλις, καὶ πολὺ ἰσχυροτέρως und DK 22 B 2 (= S. Emp., adv. math. 7,133) διὸ δεῖ ἕπεσθαι τῶι κοινῶι· ξυνὸς γὰρ ὁ κοινός. (Vgl. dazu oben Anm. 45). Die Verschränkung von ξὺν νόωι und τῶι ξυνῶι in DK 22 B 114 ist sicher nicht unabsichtlich. ξυνῶι auch in DK 22 B 2 hat Marcovich 2001 veranlasst, B 2 als Anschluß von B 114 zu sehen; dazu Graham 2010, 193.



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beschreibt, Heraklit, indem er die Schwäche und den Eigennutz der Menschen herausstellt. Zum Schluss noch ein Gedankenspiel: Ausgehend von DK 22 A 3 ist vorstell­ bar, dass Heraklit, vielleicht noch nicht in fortgeschrittenem Alter, sondern als jüngerer Mann, mit dem Enthusiasmus der politischen Aufbruchsstimmung der Loslösung von den Persern, in Ephesos die politische Initiative ergriffen hat. Er bewegte den Tyrannen von persischen Gnaden, Melankomas, zum freiwilligen Exil, und propagierte die Isonomie in Ephesos. Anfänglich waren insbesondere die Ephesier aktiv und erfolgreich: Sie führten das ionische Heer nach Sardes, das die Ionier auch – bis auf die Burg – eroberten (Hdt. 5, 100). Doch in den fol­ genden Jahren misslang alles: der Aufstand, die politische Neuorientierung und insb. die militärischen Aktionen wie die Schlacht bei Ephesos nach dem Rückzug aus Sardes (Hdt. 5, 102) und der furchtbare Irrtum der Ephesier, die die nach der Schlacht bei Lade fliehenden Chier für ein feindliches Heer hielten und sie alle erschlugen (Hdt. 6, 16). Und warum nun dieses Scheitern? Weil insbesondere die Ephesier es an Gemeinsinn mangeln ließen, stattdessen Hybris und Gewinnsucht ihnen wich­ tiger waren: τυφλὸν δὲ τὸν Πλοῦτον ποιεῖ ὡς οὐκ ἀρετῆς, κακίας δὲ παραιτίου. ὅθεν καὶ Ἡ. ὁ Ἐφέσιος ἀρώμενος Ἐφεσίοις, οὐκ ἐπευχόμενος· μὴ ἐπιλίποι ὑμᾶς πλοῦτος, ἔφη, Ἐφέσιοι, ἵν’ ἐξελέγχοισθε πονηρευόμενοι.58 (DK 22 B 125a = Tzetzes ad Aristoph. Plut. 88)

Und schließlich zu guter Letzt haben sie auch noch den Hermodorus (DK 22 B 121), offenbar einen Freund, vielleicht sogar den eromenos des Heraklit, aus Ephesos verbannt! Danach hat sich Heraklit, so könnte man es sich vorstellen, aus dem politischen Geschehen zurückgezogen, die Beteiligung an weiteren Reformen strikt abgelehnt, seiner Verachtung der Mitbürger und überhaupt aller Menschen deutlichen Ausdruck verliehen und schließlich sogar Ephesos ganz verlassen.

58 „Möge euch nie der Reichtum ausgehen, Ephesier, damit eure Schlechtigkeit an den Tag kommen kann.“ (Übers. DK)

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Zusammenfassung Heraklits Akme gehört nach der traditionellen Chronologie in die Zeit um 500 v. Chr. und fällt damit in einen Zeitabschnitt, in dem Ionien von gravieren­ den politischen, gesellschaftlichen und militärischen Umwälzungen geprägt war. Der Beitrag geht der Frage nach, ob und welche Spuren die neuen politischen Vorstellungen von Isonomie, wie sie Herodot bereits seit der zweiten Hälfte des 6.  Jahrhunderts in Ionien beschreibt (Thales’ Rat an die Ionier, Verfassungs­ debatte am persischen Hof, Samos, Miltiades Rede während des Skythenfeldzu­ ges, Isonomien vor und während des Ionischen Aufstandes) in den Fragmenten Heraklits hinterlassen haben. Im Ergebnis zeigt sich bei Heraklit eine Vorstellung von Ordnung, die – auch wenn Heraklit das Wort nicht verwendet – als Isonomie erkennbar ist.

Uwe Walter

„Schlechte Zeugen sind für die Menschen Augen und Ohren derjenigen, die BarbarenSeelen haben“1: Heraklit und Herodot, zusammengedacht Dem Andenken an Carl Joachim Classen (1928–2013)

Herodot nennt von den ionischen Denkern Thales, Pythagoras und Hekataios, niemals Heraklit. Die Stellen in seinem Werk, wo Ephesos erwähnt wird, füllen in Powells „Lexicon to Herodotus“ vier Zeilen, die zu Milet fast deren zwanzig.2 Die Heimat des Ephesiers, aus der dieser offenbar auch nicht markant herausgetreten ist, hatte Herodot also nicht in gleicher Weise ‘auf dem Schirm’ wie Milet oder Samos.3 Es kann hier also nicht um die Frage gehen, ob Herodot von Heraklit – dessen Lebenszeit sich immerhin höchstwahrscheinlich bis in die Perserkriegszeit erstreckte – Kenntnis hatte oder ob gar die Historien von diesem beeinflusst waren, während etwa die Referenz auf Hekataios durch ausdrückliche Hinweise belegt ist.4 Aber die Ideengeschichte5 hat ohnehin das linear-genealogische Modell einer Übernahme einzelner Ideen und Anschauungen von früheren Denkern/ Autoren weitgehend hinter sich gelassen und misst heute lieber kontextorientiert Diskursräume aus, also die Ermöglichungen von bestimmten Ausprägungen des Denkens, die dann – als solche – individuell und kontingent, d. h. kausal unterbestimmt bleiben können.6 Es ist dies eine Herangehensweise, die sich angesichts der trümmerhaften Überlieferung zumal für die sog. Vorsokratiker ohnehin empfiehlt. Und im Sinne dieser methodischen Generallinie mag es nicht mehr ganz so abwegig erscheinen, als Althistoriker (nicht als Philosoph!) einmal ver-

1 Heraklit 20 Gemelli = B 107 DK. – Benutzte Ausgabe: Gemelli, 284–329; die Fragmentzählung in DK ist jeweils hinzugefügt. Kommentar: Fronterotta 2013. Für den Forschungsstand zu Heraklit s. jetzt Bremer/Dilcher 2013. 2 Powell 1938, 154 und 226. 3 Zu Herodots Kenntnis von Kleinasien s. Jacoby 1913, 267 f. 4 Herodot 4, 36; 6, 137. Vgl. Bertelli 2001; West 1991. 5 Zum Diskussionsstand s. etwa Reinalter 2001; Dorschel 2010; Stollberg-Rilinger 2010 (v. a. die Einleitung der Herausgeberin, 7–42); Mulsow/Mahler 2010; Ebert/Marciniak 2011; Horowitz 2004. 6 Vgl. das von Hans Leisegang geprägte Konzept der „Denkformen“ (s.  M. Thurner in diesem Band).

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suchsweise Heraklit und Herodot in einem Atemzug zu nennen und nach gemeinsamen Zügen in der Art des Denkens zu fragen. 1. Beide waren kleinasiatische Griechen; die Lebensspanne von Heraklit (ca. 550 bis ca. 480) deckt sich ungefähr mit der von Herodot berichteten Zeit von Kroisos bis Salamis. 2. Beider Lebensweg war zwar auf den ersten Blick sehr unterschiedlich: Während Herodot aus der ethnisch-kulturellen Grenzstadt Halikarnassos stammte und bekanntlich ausgedehnte Reisen nach Ägypten und in den Vorderen Orient unternahm, sich außerdem in Zentren aller drei Teile der griechischen Welt – Ionien, Mutterland, Großgriechenland  – länger aufhielt, scheint Heraklit aus Ephesos nicht herausgekommen zu sein. Aber Ephesos war in seiner Zeit eine durchaus welthaltige Stadt. Sie verdankte das ihrem Wohlstand (DK 22 B 125a), ferner der überregionalen Bedeutung des Artemis-Heiligtums (s. den Beitrag von A. Bammer in diesem Band) und einer vorsichtigen, nach allen Seiten offenen, nach Möglichkeit zur Neutralität tendierenden Politik.7 Kroisos beschenkte das Artemision reich (Herodot 1, 92; Sylloge Inscriptionum Graecarum3 6), Xerxes ließ nach Salamis seine Söhne in die Stadt bringen, wo er sie anscheinend sicher wähnte (Herodot 8, 103; 107). Am Ionischen Aufstand hatte sich Ephesos nicht offiziell beteiligt; im Zuge der Neuordnung der Region durch die Perser 492 wurde eine offenbar stärker isonome oder sogar ‘demokratische’ Ordnung etabliert (s. den Beitrag von Ch. Schubert in diesem Band), doch sind die Nachrichten zur ephesischen ‘Verfassungsgeschichte’ und ihren Umbrüchen im 6. und 5. Jahrhundert vage und problematisch; das gilt auch für die Frage nach möglichen politischen Hintergründen für die Verbannung des von Heraklit als „der wertvollste“ gepriesenen Hermodoros (72 Gemelli = DK 22 B  121).8 Die Vielfalt der Phänomene und der Wandel der Verhältnisse konnten jedenfalls in Ephesos in weitem Umfang und auf verschiedenen Wegen erfahren werden. Das gilt nicht nur für die geschichtliche Welt, sondern auch für den Naturraum, wo die Verschiebung der Küstenlinie durch Verlandung des Kaystros-Bettes innerhalb eines Menschenalters deutlich voranschritt.9

7 Gehrke 1985, 57–59. Vgl. allgem. Fischer 2013. 8 Über den angeblich Mitte des 6. Jahrhunderts in Ephesos als Aisymnet mit μόναρχος ἐξουσία wirkenden Athener Aristarchos s. Hölkeskamp 1999, 110–112. Ebd., 112–114 eine Diskussion der angeblichen Nomothesie des Hermodoros. In welchen Zeithorizont Heraklits harsche Kritik an den Ephesiern gehörte und ob die Verbannung des Hermodoros überhaupt einen politischen Hintergrund hatte, muss Spekulation bleiben. Auch Heraklits Rede von der „schlechten Verfassung“ seiner Heimatstadt (Diogenes Laertios 9, 2) ist nicht seriös datierbar. 9 S. den Beitrag von U. Muss in diesem Band sowie zusammenfassend Hueber 1997, 4–10 (mit Karten und Abb.).



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3. Vor allem aber hatten sowohl Heraklit wie auch Herodot als Akteure teil an einem säkularen Transformationsprozess, der das Wissen des Menschen betraf.10 Dieses Wissen wurde zwischen der Mitte des 6. und dem Ende des 5. Jahrhunderts in vielfältiger Weise erweitert, ausdifferenziert, begründet, kommuniziert und in der Kommunikation auch gegen anderes, konkurrierendes Wissen in Stellung gebracht. Die Transformation brachte zugleich verschiedene Arten von Wissenden hervor, wobei nun weit ältere Arten, Wissen durch Tätigkeiten zu erwerben und weiterzugeben, etwa das Reisen und Zur-See-Fahren, die ärztliche Kunst oder das Geschichtenerzählen, sich zu eigenständigen (wenngleich natürlich vielfach miteinander verflochtenen) Diskursen kristallisierten. All dies zusammengenommen und verbunden mit der seit den homerischen agorai geübten Praxis des öffentlichen Redens führte zu einem großen Inventar von Möglichkeiten sowohl der geistigen Übung als auch der Behauptung von Autorität für das eigene Sprechen. Die ‘Bausteine’ der Autorität waren ebenfalls sehr verschieden: Neben die alte Inspiration des Dichters durch Götter und Musen sowie das seherische Vermögen traten nun Begründungen wie sinnliche Wahrnehmung, Vernunft, Einsicht in verborgene Zusammenhänge oder sozialer Konsens zwischen Toten und Lebenden in Gestalt der erzählten Erinnerung. Diese Begründungen konnten einander die Gültigkeit bestreiten, doch sie bewegten sich in einem vergleichsweise homogenen kommunikativen Raum, der zugleich aber reich und differenziert gegliedert war, nicht zuletzt deshalb, weil die Teilnehmer an der Kommunikation in der Regel ihren Namen nannten und sich eben auch kritisch gegen andere Sprecher vernehmen ließen. Heraklit tat das bekanntlich sehr konkret, und er war der erste Verfasser philosophischer Prosa, von dem wir sicher wissen, dass er sich in der Ich-Form geäußert hat.11 Gleich im ersten Satz verweist er auf das von ihm verfasste Buch (s.  das deiktische τοῦ δὲ λόγου τοῦδ’)  – wie ungefähr gleichzeitig Hekataios und später eben Herodot (ἀπόδεξις ἥδε).12 Aber auch sonst waren bei den frühen Denkern das Ich-Sagen und die Inszenierung als Solist verbreitet  – ebenso wie die Abgrenzung, bisweilen Polemik gegen andere Positionen.13 Der Dichter, der Reisende, der Schiedsrichter, Versöhner und Gesetzgeber, der Denker, der vor dem Volk oder einem kleineren Zugehörigkeitskreis sprechende Aristokrat: Diese Rollen, die ein Solon noch alle in sich vereinigt hatte, differenzierten sich mehr und mehr aus, aber sie traten nicht in der Weise aus-

10 Durchaus anders die Stoßrichtung bei Meier 1983, 70 ff.: „Die Sozialgeschichte des politischen Denkens als treibende Kraft der Transformation“. 11 Patzer 2013, 138. 12 16 Gemelli = DK 22 B 1; vgl. Koenen 1993. 13 Zu beidem jetzt grundlegend Itgenshorst 2014.

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einander, dass sie einander nichts mehr angingen. Das wird gerade in der polemischen Abgrenzung Heraklits gegen „Vielwisserei“ (s. u.), gegen die Dichtung eines Homer oder eines Archilochos oder gegen die einsichtslose Masse deutlich. Zu dieser hohen Kohäsion des Diskurses bei gleichzeitiger Ausdifferenzierung trug gewiss auch bei, dass die behandelten Gegenstände fast durchweg hochrangig waren beziehungsweise als solche überhaupt erst diskursfähig gemacht wurden. Zu nennen sind die Götter, die Welt als Ganzes mit ihren Prinzipien, das Wissen an sich sowie die gute Ordnung, sowohl in der Polis als auch allgemein in der sozialen Welt. Heraklit und Herodot einmal zusammenzudenken, dafür gibt es  – über diesen eher allgemeinen Zusammenhang hinaus  – aber vielleicht auch noch andere Ansatzpunkte. Hält man den Versuch für nicht völlig abwegig, finden sich bei großen Interpreten durchaus Vorstöße. So notierte Nietzsche: „Die Ordnung in der Welt, das mühsamste und langsamste Resultat entsetzlicher Evolutionen als Wesen der Welt begriffen – Heraklit!“14 Theodor Gomperz resümiert: Der innerste Kern des Heraklitismus ist Einblick in die Vielseitigkeit der Dinge, Weite des geistigen Horizonts im Gegensatz zu jeder Art von engsinniger Beschränktheit. […] [Diese Fähigkeit] erzeugt historischen Sinn. […] Die Bedingtheit seiner [scil. des Heraklitismus] Urteile flößt ihm historische Gerechtigkeit ein; allein sie hindert ihn auch, sich bei irgend­ einer Gestaltung als einer endgültigen zu beruhigen.15

Eric Voegelin sieht Heraklits Streben nach einer „Philosophie der Ordnung“ von Bewegung bestimmt: Menschliche Weisheit ist kein fertiger Besitz, sondern ein Prozeß. Die Partizipation an der göttlichen Weisheit, die von allen Dingen getrennt ist, lässt sich nicht durch einen Sprung über alle Dinge hinaus erreichen; sie ist das Ergebnis der Beschäftigung mit eben diesen Dingen und steigt aus der Mannigfaltigkeit empor zum Einen, das in ihnen allen zu finden ist. Der Versuch kann fehlschlagen; und der Weisheitsliebende, der Philosoph, kann als Polyhistor enden.16

14 Nachgelassene Fragmente 1872/73, http://www.nietzschesource.org/#eKGWB/NF-1872,19[124] (10.12.2013). An anderer Stelle – Nachgelassene Fragmente 1875 (http://www.nietzschesource.org/#eKGWB/ NF-1875,6[50] [10.12.2013]) – sehr kühn: „Heraclit. Kampf gegen den Mythus, insofern er die Griechen isolirt und sie den Barbaren entgegenstellt. Er denkt über eine Weltordnung nach, die überhellenisch ist.“ 15 Gomperz 1903, 65 f. 16 Voegelin 2003, 88. – Heraklits „Philosophie der Ordnung“: ebd., 92. Erfahrungszentrum der Ordnung sei für Heraklit die Seele gewesen, die sich von dort aus in eine Ordnung der Gesellschaft und des Kosmos entfaltete.



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Doch blicken wir zunächst auf Herodot, um zu sehen, welche seiner Leistungen besonders erklärungsbedürftig sind.17 Eine wesentliche Voraussetzung für sein Werk liegt in einer grundstürzenden Erfahrung. Als 480 der persische Großkönig Xerxes mit kombinierten Land- und Seestreitkräften nach Hellas kam, musste allen Bewohnern der Halbinsel klar werden, dass sie nunmehr – in welcher Rolle auch immer – in ein Geschehen hineingeworfen waren, das viel größer war als sie selbst und ihre unmittelbare Umgebung. Und fast noch wichtiger: Nach dem Abzug der Perser i. J. 479 gab es nur teilweise eine Rückkehr in den alten, begrenzten Horizont. Athen führte den Kampf zusammen mit einigen Verbündeten weiter, weitete ihn aus und begründete in Gestalt des Attischen Seebundes ein Machtgebilde, das den Krieg dauerhaft in weit entfernte Regionen trug und dafür sorgte, dass zumindest ein wichtiger Teil von Hellas weiter an der ‘großen Politik’ mitwirkte. Athens Expansion und der schrittweise Aufbau eines Dualismus mit Sparta infizierten die griechische Welt mit einem Bazillus, den man politische Globalisierung nennen kann: Die Verhältnisse auf der Peloponnes und in Mittelgriechenland, die Fühlungnahmen mit westgriechischen Städten auf Sizilien und in Unteritalien, die Flottenoperationen ins östliche Mittelmeer gegen Perser und Phönizier bis nach Ägypten sowie ins Schwarzmeergebiet – das alles sorgte für eine ‘Verflechtung’ und ließ viele Stadtstaaten zu Akteuren oder zumindest Beobachtern eines Geschehens werden, das nach Größe, Dynamik und Komplexität für Griechen ohne Beispiel war. Zugrunde lag also eine weithin geteilte, bedrängende Erfahrung, die ‘bewältigt’ werden musste – wofür es aber keine Modelle gab. Doch Erfahrungen und Erinnerungen sind naturgemäß vielfältig, widersprüchlich, auch einseitig. Solange sie lokal begrenzt und mündlich kommuniziert werden, ergeben sich keine Probleme, weder aus ihrer Vielfalt noch ihrer Verschiedenartigkeit, ja Gegensätzlichkeit. Doch jemanden, der aufs Ganze schaute, konnte diese Kon­ stellation durchaus irritieren und herausfordern. Wenn das Geschehen alle Hellenen betraf und zugleich sehr viele Erzählungen davon im Umlauf waren, tat sich eine logische Lücke auf, die zu füllen war: Idealerweise durch eine Erzählung, die möglichst viel von dem aufnimmt, was hier und da und dort erinnert und berichtet wird (Zeitzeugen; mündliche Überlieferung; anlassgebundene Dichtung), dieses aber zugleich mit einem Blick für das große Ganze verarbeitet und im dreifachen Sinn ‘aufhebt’, also aufnimmt, bewahrt und auf eine höhere Ebene transformiert. Das große Ganze aber war groß in drei Hinsichten: in der Weite des

17 Für das Folgende s.  Walter 2010. Das hier skizzierte Herodot-Bild weiß sich v. a. dem von Michael Stahl verpflichtet; s. zuletzt Stahl 2008, 39–57 und 295–296.

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betroffenen Raumes, in der Tiefe der erinnerten Zeiten und in der Vielzahl der beteiligten Akteure. Diese Ordnungsleistung konnte nur von einem individuellen Kopf kommen, der sich dafür der Schrift zu bedienen hatte, um mit der Komplexität des Gegenstandes zurechtzukommen. Vorbilder für Herodot waren dabei Homer und Hekataios von Milet. In letzterem richtete sich erstmals, soweit wir sehen, die sophia eines Einzelnen auf die Vergangenheit, stellte sich ein Autor selbstbewusst gängigem kollektivem Wissen entgegen und beanspruchte für sich, durch die Kraft seines Verstandes besseres Wissen zu produzieren. Der berühmte erste Satz der Genealogiai lautet bekanntlich: „Hekataios von Milet spricht so. Dies schreibe ich, wie ich es für wahr halte. Denn die Erzählungen der Hellenen sind, wie es mir vorkommt, zahlreich und lächerlich.“18 Gleichzeitig war das ganze Unternehmen seinem Sachbereich nach zwingend auf Außenwirkung angelegt und angewiesen, und die Nachrichten von öffentlichen Vorträgen Herodots aus seinem Werk gewinnen durch diese Überlegung noch an Plausibilität. Denker wie Heraklit hingegen konnten die sophia gegen die Torheit der Masse stellen, aber zentrale Gegenstände ihres Denkens  – das innere Wesen der Welt, die Ordnung des Kosmos, die Möglichkeit des Wissens usw.  – waren auch nicht das Thema breiterer Kreise gewesen, jedenfalls nicht in der Grundsätzlichkeit, in der die Denker es angingen. Anders sah das bei der Frage nach der guten Ordnung des Sozialen und nach dem Gemeinwohl in der politischen Ordnung aus (s. den Beitrag von K. Raaflaub in diesem Band) – und eben auch bei der Vergangenheit. Sich ihr irgendwie zu stellen und in ihr einzurichten ist dem Menschen sozusagen einprogrammiert, weil er in der Folge von Generationen steht und einem sozialen Verband angehört. Wer darüber zur Feder greift, kann sich zwar (wie Thukydides) eine herrische „Ich weiß es besser“Attitüde zulegen, um Autorität für eine neue Art des Wissens und Sprechens zu gewinnen, muss dies aber nicht tun. Ziehen wir eine erste Bilanz, so haben wir die Voraussetzungen für Herodots Geschichtswerk vor uns: ein neues, verbreitetes Orientierungsbedürfnis, erwachsen durch ein welterschütterndes Großereignis, ferner eine plausible Anforderung an ein solches Werk und drittens die intellektuelle Disposition, mit dem eigenen Namen für eine bessere Erzählung zu stehen.19 18 Hekataios FGrH 1 F 1: ῾Εκαταῖος Μιλήσιος ὧδε μυθεῖται· τάδε γράφω, ὥς μοι δοκεῖ ἀληθέα εἶναι· οἱ γὰρ ῾Ελλήνων λόγοι πολλοί τε καὶ γελοῖοι, ὡς ἐμοὶ φαίνονται, εἰσίν. Zu Hekataios s. ­Lendle 1992, 10–18. 19 Vgl. Heuß 1959, 24: „Der Historiker bewahrt Kunde, aber er schafft auch Kunde. Er greift nicht nur auf, was er und andere noch wissen, sondern er sucht auch nach dem, was die anderen wissen sollen und was der Verborgenheit entrissen werden soll. […] Er macht sich zum Gefäß



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Herodots Werk umfasst in Roséns Teubner-Ausgabe gut 900 Seiten. Die Forschung ist heute überwiegend der Ansicht, dass es seiner Anlage gemäß (wenn auch vielleicht nicht in einem technischen Sinn) fertiggestellt wurde und vollständig überliefert ist.20 Hören wir dem Autor zunächst zu, wie er sich selbst einführt. Der erste Satz lautet: Herodot aus Halikarnassos bietet hier die Darlegung der Erkundung, damit weder die von Menschen ausgehenden Begebenheiten im Laufe der Zeit in Vergessenheit geraten noch die großen und staunenswerten Leistungen, die Hellenen und Barbaren gleichermaßen aufzuweisen haben, ohne Anerkennung bei der Nachwelt bleiben; die Erkundung aber bezog sich neben manchem anderen vor allem auf die Frage, aus welcher Verschuldung / aus welchem Grund sie [scil. die Hellenen und Barbaren] gegeneinander Krieg führten.21

Herodot nennt zu Beginn seinen Namen. Man kann das pragmatisch als Ersatz eines Titelblattes oder Rückenschilds ansehen, aber es steckt auch ein Stück Anfang einer spezifisch europäischen Auffassung von Geschichtsschreibung darin. Homer gab sich als Sprachrohr einer höheren, göttlichen Gewalt des Wortes; ohne die Musen wäre er stumm. Und die Geschichtsschreiber des Alten Testaments mit ihren reichen Schilderungen waren namenlose Chronisten der von Jahwe ausgehenden Ereignisse. Seit Hekataios jedoch und so auch bei Herodot ist jedes mit höherem Anspruch versehene Reden über Geschichte untrennbar mit der Autorität und Subjektivität eines sich mit Namen nennenden Autors verbunden. Es war diese Zuschreibbarkeit zugleich eine Voraussetzung dafür, dass der Diskurs über Geschichte argumentativ, kontrovers und im Wettbewerb geführt werden konnte. – Mit „Darlegung der Erkundung“ setzte Herodot, unverändert gültig, jeder gehaltvollen Geschichtsschreibung die Norm: Ohne eine möglichst genaue Erkundung (ἱστορίη), eine den Dingen auf den Grund gehende Tätigkeit des Intellekts – wir würden heute ‘Forschung’ sagen – bleibt es beim beliebigen Reden über Vergangenes. Herodot griff dabei das Bemühen der ionischen Naturphilosophen und der Geographen auf, auf verschiedenen Feldern der Erfahrung die Phänomene unter die Lupe zu nehmen, um – teils aus spekulativer Neugierde, teils aus ganz praktischen Bedürfnissen – die Welt besser und rationaler verste-

des historischen Wissens und er ist es auch. Er antwortet auf die Fragen der anderen, aber er gibt ihnen ebenso auch die Fragen auf, er sättigt nicht nur ein Verlangen, sondern er verkörpert auch den Antrieb zu ihm.“ 20 Asheri u. a. 2007, 10 f. 21 ῾Ηροδότου Ἁλικαρνασσέος ἱστορίης ἀπόδεξις ἥδε, ὡς μήτε τὰ γενόμενα ἐξ ἀνθρώπων τῷ χρόνῳ ἐξίτηλα γένηται, μήτε ἔργα μεγάλα τε καὶ θωμαστά, τὰ μὲν ῞Ελλησι, τὰ δὲ βαρβάροισι ἀποδεχθέντα, ἀκλέα γένηται, τά τε ἄλλα καὶ διʾ ἣν αἰτίην ἐπολέμησαν ἀλλήλοισι (Übers.: Vf.). Zur Interpretation s. etwa Erbse 1956; Krischer 1965; Nagy 1987; Bakker 2002, v. a. 6–13.

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hen und erklären zu können. Aber das Erforschte muss auch öffentlich „aufgewiesen“ werden – so die Grundbedeutung von ἀπόδεξις –, also einem Publikum in sinnhafter, überzeugender und für das künftige Handeln bedeutsamer Weise dargeboten werden. Damit waren der Geschichtsschreibung für alle Zeiten gleich drei Brücken gebaut: 1.) als Rede über gemeinschaftsrelevante Themen, Einsichten und Verfahren eine Brücke zur Politik, 2.) als Rede über richtiges Verhalten eine weitere zur Ethik und 3.) als Sinnherstellung mit dem Mittel der Sprache eine dritte zur Rhetorik. Die Gegenstände des Werkes werden dann dreifach in trichterartiger Verengung benannt. „Die von Menschen ausgehenden Begebenheiten“ fassen den Stoff einerseits denkbar weit, grenzen ihn zugleich jedoch markant ein: Zwar spielen in Herodots Werk Eingriffe der Götter oder „der Gottheit“ in Gestalt von Träumen, Orakeln oder strafenden Unglücksfällen eine zentrale Rolle. Doch im Mittelpunkt des Interesses steht der Mensch in seinem Tun und Leiden, seinem Leben und Wirken, seinem Wissen und Können – auch und gerade im Umgang mit dem ‘Göttlichen’. In der Anlage des Werkes ist diese thematische Begrenzung mit einer heuristischen Differenzierung verknüpft : Alte und älteste Erzählungen können allenfalls wiedererzählt werden, sie sind aber kein sinnvoller Gegenstand rationalisierender Kritik (wie bei Hekataios) oder eindringender ἱστορίη. Indem Herodot dann ferner die „großen und staunenswerten Leistungen, die Hellenen und Barbaren gleichermaßen aufzuweisen haben“, in den Vordergrund rückt, hält er sich frei von dem antipersischen Chauvinismus, der in seiner Lebenszeit aufzukommen begann. In einer prägnanten Episode führt er demgegenüber später am Beispiel von Begräbnispraktiken der Hellenen und der indischen Kallatier vor, dass bei allen Völkern ein bestimmter νόμος, eine zum Gesetz gewordene Sitte, vorherrscht und unbedingten Respekt verdient (3, 38), gerade wenn es um religiöse Dinge geht. Dabei ist der νόμος nicht beliebig zu gestalten, der Mensch ist also nicht – wie Protagoras es etwa zur gleichen Zeit verkündete – „das Maß aller Dinge“, sondern geformt durch Landesnatur, Abstammung, Tradition und den Platz, an den er gestellt ist. Individualität und gestalterische Kraft hatten in diesem geschichtlich gewachsenen Gehäuse indes reichlich Platz und äußerten sich in „Leistungen“ (ἔργα); das konnten Bauten sein wie die Pyramiden oder der Tunnel des Eupalinos auf Samos, ferner Techniken oder Tapferkeit im Krieg, aber auch das Errichten einer stabilen Gemeinschaftsordnung, wie es Lykurg in Sparta gelang (1, 65), Kleisthenes in Athen (5, 66–73; 6, 131), Demonax in Kyrene (4,161 f.) und Deiokes bei den Medern (1, 96–101)22. Doch nur die Hellenen haben ihren νόμος zu einer politischen Größe gemacht und unterwerfen sich

22 Zur Deiokes-Episode s. Meier u. a. 2004.



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allein ihm bewusst und in Freiheit (7, 104, 5). In thematischer Verdichtung und Dramatisierung mündet der Gegensatz von Hellenen und Barbaren in die großen Perserschlachten von 480/479 (Bücher sieben bis neun). Blickt man auf das Gesamtwerk, so entwirft Herodot auf einer synchronen Ebene der Betrachtung ein beziehungsreiches Panorama der unterschiedlichen Lebensformen zahlreicher Völkerschaften der bewohnten Welt auf der Grundlage eigener Anschauung und Erkundigungen. Seine Rekonstruktion ist zugleich informiert durch zeitgenössische Debatten über Geographie, politische Ordnungen oder den Zusammenhang von Klima und Volksnatur. Der Chronologie nur im Großen folgend, im Einzelnen aber immer wieder vor- und zurückgreifend entfaltet er diachron seine Vorstellung über das Auf und Ab in der Geschichte: Städte und Mächte, „die vor Zeiten groß waren, von denen sind die meisten klein geworden; und die groß sind zu meiner Zeit, waren früher klein. Und da ich nun weiß, dass der Menschen Glück nie stille steht, werde ich beider gedenken in gleicher Weise.“23 Wenn man Herodots Leistung  – sträflich verkürzend  – in etwa so wie hier skizziert beschreiben möchte, so ist eine gedankliche Grundfiguration erkennbar, die der Geschichtsschreiber nicht ‘erfinden’ musste, weil sie sich bereits bei frühen ionischen Denkern fand und seither – eine gewisse Bekanntheit vorausgesetzt24 – Teil des ‘Diskursinventars’ war.25 In dem eben zitierten Satz über die

23 Herodot 1, 5, 4: […] προβήσομαι ἐς τὸ πρόσω τοῦ λόγου, ὁμοίως μικρὰ καὶ μεγάλα ἄστεα ἀνθρώπων ἐπεξιών. τὰ γὰρ τὸ πάλαι μεγάλα ἦν, τὰ πολλὰ αὐτῶν σμικρὰ γέγονε· τὰ δὲ ἐπ’ ἐμέο ἦν μεγάλα, πρότερον ἦν σμικρά. τὴν ἀνθρωπηίην ὦν ἐπιστάμενος εὐδαιμονίην οὐδαμὰ ἐν τὠυτῷ μένουσαν, ἐπιμνήσομαι ἀμφοτέρων ὁμοίως. 24 Dass Heraklit zu Herodots Zeit zumal bei den Ostgriechen ‘in der Diskussion’ war, ergibt sich aus Platon, Theaitetos 179d: Von einem Streit über die Wahrheit von Wahrnehmungen und Meinungen sagt er, dieser nehme „in Ionien immer größere Ausdehnung an; denn die Anhänger Heraklits vertreten als Führer diesen Satz auf das heftigste“ (Übers.: Otto Apelt). Für die mög­ liche Einwirkung auf Herodot ist aufschlussreich, dass der Sprecher anschließend von einem gewissen ‘Denkstil’ spricht (ebd.): „[Ü]ber diese Heraklitischen oder, wie du meinst, Homerischen oder sogar noch älteren Sätze kann man mit den Leuten aus Ephesus, die sich als Sachkenner ausgeben, so wenig sprechen wie mit Verrückten. Denn vollständig im Geiste ihrer Schriften ist ihr ganzes Wesen Bewegung.“ 25 Für die intellektuellen Hintergründe Herodots ist maßgeblich: Thomas 2000; vgl. ferner Raaflaub 2002. Thematisch enger, aber immer noch sehr lesenswert ist Nestle 1908. Nestle hält eine Lektüre von Heraklits Buch durch Herodot für „mindestens fraglich“ (9), weist aber darauf hin, dass heraklitische Gedanken ihm auch durch die Vermittlung über Dritte bekannt gewesen sein können, etwa die Schriften Epicharms oder den Herakliteer Kratylos, auf den Herodots Sicht der natürlichen Richtigkeit von Benennungen zurückgehen könnte (s.  Platons gleichnamigen Dialog). Insgesamt bescheinigt Nestle Herodot einen selektiven Umgang mit den frühen Philosophen (12): Den spekulativen Zentralgedanken der philosophischen Systeme habe er gleichgültig

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nie erlahmende Bewegung zeigt sich eine übergreifende Ordnungsvorstellung, die im kontingenten, von Menschen ausgelösten Geschehen sichtbar wird, ohne dieses umgekehrt zum bloßen Vollzug eines ein für allemal feststehenden Planes zu degradieren. Denn Herodot konnte sich als Historiker selbstverständlich nicht einem streng zyklischen Denken ausliefern oder das Verhältnis von Werden und Vergehen als strikte „Strafe und Buße für ihre Ungerechtigkeit nach der Ordnung der Zeit“ konstruieren, um es mit dem bekannten Satz des Anaximander zu sagen.26 Die von ihm aufgewiesenen Bewegungen etwa von Erfolg und Missgeschick verlaufen komplementär, aber individuell verschieden, auch in Phasen unterschiedlicher Geschwindigkeit.27 Das gleiche gilt für das Verhältnis von Streit und Zusammenwirken.28 Aber die wesentlich von Heraklit entwickelte Grundidee prozessualer Verläufe bedeutete meines Erachtens eine wichtige gedankliche Voraussetzung für Herodots Historiographie. Heraklit stellte, darin ist sich die Forschung wohl einig, einen steten Wechsel und Wandel fest.29 Stellvertretend sei hier Eduard Zellers Würdigung dieser Neuerung zitiert, da sie implizit auf deren Bedeutung für Herodot verweist: Ist aber alles nur im Werden, so kann sich auch die Philosophie der Anforderung nicht entziehen, das Werden und die Veränderung zu erklären. Es wird ihr mithin durch Heraklit eine neue Aufgabe gestellt: statt der Frage nach der Substanz, aus der die Dinge bestehen, tritt die Untersuchung der Ursachen, von welchen das Entstehen, das Vergehen und die Veränderung herrührt, in den Vordergrund, […].30

gegenübergestanden; „nur was für die Philosophie Aussenwerke sind, was in das naturwissenschaftliche und kulturgeschichtliche Gebiet umschlägt, kurz das empirisch Wahrnehmbare, die auf Erfahrung beruhende ἱστορίη zieht ihn an.“ 26 Anaximandros 5B Gemelli =  DK  12 A  9 ([…] διδόναι γὰρ αὐτὰ δίκην καὶ τίσιν ἀλλήλοις τῆς ἀδικίας κατὰ τὴν τοῦ χρόνου τάξιν). 27 S. zuletzt van Ross 2013. 28 Vgl. Immerwahr 1966, 152: „Herodotus’ picture of the world is […] comparable […] to the Heraclitean, in which strife and cooperation would coexist at all times, combining in manifold individual patterns.“ 29 Vgl. Zeller 1892, 734: „Keiner von diesen [scil. den ion. Naturphilosophen vor Heraklit] hat es ausgesprochen, dass nichts in der Welt einen festen Bestand habe, dass alle Stoffe und alle Einzelwesen in einer unaufhörlichen, ruhelosen Veränderung begriffen seien, und dass diese nicht blos in Verdünnung und Verdichtung, sondern in einer qualitativen Umwandlung be­ stehe.“ Solch ein pragmatischer Eklektizismus scheint mir den Zusammenhang aber nicht auszu­schöpfen. 30 Zeller 1892, 740.



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Heraklits Welt, so spitzt Karl Popper es zu, besteht nicht aus Dingen, sondern aus Prozessen.31 Die Frage, wie daneben des Ephesiers Postulat einer einheitlichen Welt genau zu verstehen ist, kann in diesem Zusammenhang beiseite bleiben;32 entscheidend ist hier, „dass Prozeßhaftigkeit für Heraklit Grundform der Existenz in der beobachtbaren Welt ist, wenn es auch etwas nicht unmittelbar Beobachtbares gibt, das durchgängig und dauerhaft besteht“.33 Wenn Heraklit zudem darauf insistiert, in den Prozessen seien wohlbestimmte Maße und Verhältnisse einzuhalten, so ist damit einerseits auf die mit Delphi und den Sieben Weisen verknüpfte, verbreitete Ethik des Maßes verwiesen,34 aber eben auch ein weiterer für Herodot maßgeblicher Grundgedanke auf den Punkt gebracht. Andreas Graeser präzisiert:35 Heraklit sei es offenbar darum gegangen, „dass die eigentliche Wirklichkeit als hintergründiges Geflecht von Beziehungen“ und das Einzelne „sinnvoll nur als etwas Beziehungshaftes“ zu denken seien. Damit ist – und darauf kommt es an – keine schlichte Scheidung zwischen vielgestaltigen, aber letztlich irrelevanten Oberflächen- oder Kulissenphänomenen und regelhafter Gesetzmäßigkeit ‘hinter’ diesen gemeint, sondern die Forderung formuliert, den Sinn just in den Verknüpfungen zwischen den Phänomenen aufzusuchen, in den „erahnten Verhältnissen und Bezügen, die in den Wechseln als das Bleibende erscheinen“36. In diesem Sinn kann man die Wendung vom Anfang des Werkes verstehen: „solche Worte und Taten, wie ich sie darlege, indem ich jedes Einzelne κατὰ φύσιν ausdeute und sage, wie es sich verhält“ (16 Gemelli = DK 22 B 1). Mit diesem programmatischen Satz Heraklits ist auch dem Geschichtsschreiber eine Aufgabe gestellt, die Herodot, so meine ich, sehr genau verstanden und in hohem Maße bewältigt hat.37 Ferner hat Heraklit seine Lehre über das Wesen der Götter und der Dinge offenbar eng mit der Frage verknüpft, 1.) wie überhaupt ein Wissen darüber möglich ist, 2.) wie man dieses Wissen zum Ausdruck bringen kann und 3.) ob dieses Wissen dann die möglichen Adressaten zu erreichen vermag beziehungs31 Popper 2005, 241 f., 321 f. 32 Wichtig ist dafür 28 Gemelli = DK 22 B 51: „Sie verstehen nicht, wie das Auseinandertretende mit sich selbst übereinstimmt: rückstrebige Fügung wie bei Bogen und Leier“ (οὐ ξυνιᾶσιν ὅκως διαφερόμενον ἑωυτῶι ὁμολογέει· παλίντροπος ἁρμονίη, ὅκωσπερ τόξου καὶ λύρης). Vgl. Bremer/ Dilcher 2013, 610–615. 33 Hussey 2001, 90. 34 Bremer/Dilcher 2013, 624. 35 Graeser 1992, 45. 36 Schadewaldt 1978, 376. 37 Vgl. Graeser 1992, 50: Heraklit könne „als Denker der Prozessualität gewürdigt werden – als Philosoph, der die wahre Wirklichkeit eben nicht […] als Ensemble starrer, dinghafter Realitäten begriffen wissen wollte, sondern als eine Welt der Ereignisse und Vorfälle“.

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weise ob diese es zur Kenntnis nehmen können oder wollen. In letzterem Punkt war der aristokratisch-elitäre Denker38 bekanntlich pessimistisch – ohne freilich zum Esoteriker zu werden, und das Artemis-Heiligtum, in dem er der doxographischen Überlieferung zufolge sein ‘Buch’ ablegte, war nicht eben ein klandestiner Ort. Wie dem auch sei39, vom Erkennen und Formulieren der genannten ­Probleme in unmittelbar zu erfassenden Bildern führt meines Erachtens durchaus eine Linie zu Herodots ἀπόδεξις und seinem Bemühen, das, was ihm wichtig war, dem Publikum auf unterschiedlichen Wegen zu vermitteln: in gnomischen Sätzen, durch anschauliche Szenen und durch eine überlegte Darstellungskonstruktion mit roten Fäden und wiederkehrenden Motiven. Thukydides wiederum sollte etwas später die Bereitschaft und Fähigkeit des Publikums, sich auf seine neue, herbe, anstrengende Art des Sprechens über Geschichte einzulassen, wiederum eher skeptisch einschätzen – in der herrischen Selbststilisierung zum Wissenden und zugleich Einsamen gleicht er eher Heraklit als Herodot, den man sich in diesem Punkt vielleicht als Optimisten vorstellen kann. In der Frage nach dem Wissen40 gibt es jedenfalls evidente Berührungen zwischen dem Ephesier und dem Halikarnassier. Heraklit polemisiert bekanntlich gegen die πολυμαθίη – sie lehre den Verstand nicht – und nennt in diesem Zusammenhang Hesiod, Pythagoras, Xenophanes und Hekataios (11A Gemelli = DK 22 B 40). Mit πολυμαθίη scheint er das Resultat von Operationen zu meinen, die Herodot unter ἱστορίη fasst: Reisen, Forschen, Sammeln, Auswählen fremden Wissens. „Pythagoras habe“, so heißt es 13 A Gemelli = DK 22 B 129, „von allen Menschen am meisten Forschung (ἱστορίην) betrieben, und indem er eine Auswahl aus diesen Schriften machte, schuf er sich seine eigene Weisheit, Vielwisserei, Betrügerei“.41 Doch dürfte sich diese Polemik gegen solche Dichter und Denker gerichtet haben, die bei der πολυμαθίη sozusagen stehen bleiben. Keiner, dessen λόγοι er hörte, sei bis zu der Erkenntnis gekommen, dass das Weise von

38 Am deutlichsten 73 Gemelli =  DK  22 B  29: „Denn eins vor allem anderen wählen sich die Besten (οἱ ἄριστοι), den ewigen Ruhm (κλέος ἀέναον) unter den Sterblichen; die vielen freilich sind gesättigt wie das Vieh.“ Vgl. daneben 71 Gemelli = DK 22 B 49: „Einer gilt mir zehntausend, wenn er der beste (ἄριστος) ist.“ 39 Vgl. Patzer 2013, 139: Es müsse offenbleiben, „ob die Deponierung des Buches in sakrosankter Sphäre als Sicherung und Bewahrung oder als Vermächtnis an die Nachwelt oder als eine pathetische Geste aufzufassen ist, in der sich die Verachtung der Vielen ausdrückt“. S. auch den Beitrag von M. Franz in diesem Band. 40 Zur Semantik s. immer noch Snell 1924. 41 S. den Beitrag von L. Zhmud in diesem Band. Bemerkenswert ist, dass in diesem Satz sowohl die von Herodot in Anspruch genommene ἱστορίη als auch die vieldiskutierte ξυγγραφή, als die Thukydides sein Werk bezeichnete, in einem Atemzug erscheinen.



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allen Dingen verschieden sei (22 Gemelli = DK 22 B 108)42; dieses sei vielmehr ein Einziges: „die Einsicht zu erkennen, die alles durch alles steuert“ (23 Gemelli = DK 22 B 41). Was auch immer das meint: Für unsere Frage relevant ist hier nur, dass Heraklit das Wissen dezidiert 1.) mit Subjektivität und 2.) mit einem Durchblick auf bestimmte (und bestimmbare) Regelhaftigkeiten verbunden sehen möchte – Beides bildete auch für die anspruchsvolle griechische Historiographie seit Herodot und Thukydides konstitutive Momente. Nur der Gegenstand, die unübersichtliche, durch den zeitlichen Abstand schwer zu ermittelnde und nicht von strikten Gesetzmäßigkeiten dominierte geschichtliche Welt, legte dem Historiographen Herodot nahe, eine andere Gewichtung von empirischer ἱστορίη und Subjektivität sowie von Phänomenen und Prinzipien vorzunehmen, als Heraklit dies in seinem zwar welthaltigen, aber im Kern doch spekulativen Buch wagen konnte. Dabei wendet sich Heraklit keineswegs grundsätzlich gegen die sinnliche Wahrnehmung (s.  den Beitrag von A. Cankaya in diesem Band). Ausdrücklich stellt er klar (62 Gemelli =  DK  22 B  55): „Dingen, die zu sehen, zu hören, zu erfahren sind, gebe ich den Vorzug.“ Die Trias ὄψις, ἀκοή und μάθησις lässt sogleich an Herodots Auskunft zum Quellenwechsel im Ägypten-Logos denken (2, 99), wo von ὄψις, γνώμη und ἱστορίη die Rede ist, dann (davon abgestuft) vom „Gehörten“.43 Abgewertet wird von Heraklit wohl lediglich die unverständige sinnliche Wahrnehmung, die – ähnlich wie das Vielwissen – ohne Einsicht und λόγος nichts wert ist: „Schlechte Zeugen sind für die Menschen Augen und Ohren derjenigen, die Barbaren-Seelen haben“, die also – in der ursprünglichen Bedeutung des Wortes Barbar („einer, der für einen Griechen unverständlich redet“) – mangels Kenntnis keine Apperzeptionsfähigkeit besitzen.44 Der Denker fordert also auf, die sinnlichen Wahrnehmungen als Erkenntnismittel so gut wie möglich zu nutzen, ohne sich von landläufigen Meinungen oder Gemeinplätzen leiten zu lassen.45 Den Wert verschiedener Sinne unterschiedlich zu bemessen (63 Gemelli = DK 22 B 101a) – und sei es auch nur im Sinne einer sprichwörtlichen

42 Irrig hierzu m. E. Hussey 2001, 80: Heraklit beanspruche hier „ausdrücklich, den Versuch unternommen zu haben, alle vorausgehenden Autoritäten zu verstehen, die ihm bekannt waren“. 43 Μέχρι μὲν τούτου ὄψις τε ἐμὴ καὶ γνώμη καὶ ἱστορίη ταῦτα λέγουσά ἐστι, τὸ δὲ ἀπὸ τοῦδε αἰγυπτίους ἔρχομαι λόγους ἐρέων κατὰ [τὰ] ἤκουον· προσέσται δέ τι αὐτοῖσι καὶ τῆς ἐμῆς ὄψιος. (Hervorhebung: Vf.) Vgl. Jacoby 1913, 395 f.; Snell 1924, 64 sowie Marincola 1997, 63–86 (Augen und Ohren; zu Heraklit: 65). 44 20 Gemelli = DK 22 B 107. Vgl. auch Hussey 2001, 82; Bremer/Dilcher 2013, 621; Fronterotta 2013, 169. Anders Lesher 2001, 214. 45 Vgl. Gemelli I, 351 und 453.

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Wendung46 – wäre sinnlos, wenn Wahrnehmungen mittels dieser Sinne gar kein Wert zukäme. Auch auf bestimmten thematischen Feldern lohnt ein vergleichender Blick auf Heraklit und Herodot.47 Das betrifft das Verständnis des nomos, die Bedeutung des Krieges, die Vorstellungen von den Göttern und Kultpraktiken oder das bisweilen unterschätzte Thema ‘Heraklit und die Polis’. Hierzu abschließend noch einige Beobachtungen. – Nomos: Die Hochschätzung des νόμος wird man als in hohem Maße gemeingriechisch ansehen müssen. Für Heraklit sind zwei Stellen einschlägig, nämlich 18 Gemelli = DK 22 B 113/114 („Vernunft zu haben, ist allen gemeinsam. Wer mit Verstand spricht, muss sich auf das stützen, was allen gemeinsam ist, so wie eine Stadt sich auf ihre Gesetze stützt, und noch viel stärker. Es ernähren sich nämlich alle menschlichen Gesetze von einem einzigen, dem göttlichen; denn dieses herrscht, soweit es nur will, und genügt allem und ist allem überlegen.“48) und 70 Gemelli = DK 22 B 44 („Die Bürger sollen für ihr Gesetz kämpfen wie für eine Mauer.“49). Während dieser Satz durchaus auf der Linie traditioneller Paränese liegt, stellt jener durch seine sprachliche Gestalt eine Art Okkupation des Nomos durch den Denker dar: Statt mit Konvention oder Satzung begründet zu werden, erhält der νόμος durch die Verbindung mit νόος einen neuen Akzent, und sucht Heraklit den νόμος als λόγος zu begreifen.50 Hiermit sowie durch die Referenz der menschlichen Gesetze auf die göttliche Gesamtordnung51 sucht Heraklit auch in diesem Zusammenhang das eine, allein dem Verständigen zugängliche Moment,

46 Vgl. Gemelli I, 368 unter Verweis auf Herodot 1, 8 ὦτα γὰρ τυγχάνει ἀνθρώποισι ἐόντα ἀπιστότερα ὀφθαλμῶν. 47 Ausgeklammert sei hier hingegen der über das zu Beginn dieses Aufsatzes Skizzierte hinausgehende, notwendig spekulative Vergleich beider Lebensläufe, die freilich gewiss für die jeweilige geistige Physiognomie von Bedeutung waren. Vgl. Nietzsche, Nachgelassene Fragmente 1872/73, (http://www.nietzschesource.org/#eKGWB/NF-1872,23[23] [10.12.2013]): „Denkt euch, der Philosoph wanderte und käme zu den Griechen – so steht es mit jenen Vorplatonikern: sie sind gleichsam Fremde, verwunderte Fremde. Jeder Philosoph ist es in der Fremde: und muss erst das Nächste als fremd fühlen. Herodot unter Fremden – Heraklit unter Griechen. Der Historiker und Geograph unter Fremden, der Philosoph im Heimischen. Kein Prophet gilt im Vaterlande. Im Heimischen versteht man das Außerordentliche unter sich nicht.“ 48 Ξυνόν ἐστι πᾶσι τὸ φρονέειν. ξὺν νόωι λέγοντας ἰσχυρίζεσθαι χρὴ τῶι ξυνῶι πάντων, ὅκωσπερ νόμωι πόλις, καὶ πολὺ ἰσχυροτέρως. τρέφονται γὰρ πάντες οἱ ἀνθρώπειοι νόμοι ὑπὸ ἑνὸς τοῦ θείου· κρατεῖ γὰρ τοσοῦτον ὁκόσον ἐθέλει καὶ ἐξαρκεῖ πᾶσι καὶ περιγίνεται. 49 Μάχεσθαι χρὴ τὸν δῆμον ὑπὲρ τοῦ νόμου ὅκωσπερ τείχεος. 50 Vgl. Voegelin 2003, 95; Snell 1924, 66. 51 Vgl. Brown 2009, 338–343. Aus der älteren Literatur s. immer noch Wolf 1947, 235–285.



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das in der Vielfalt der Ausprägungen wirksam ist. Herodot hingegen entwickelt den Nomos-Begriff, wiederum seinem Gegenstand angemessen, in eine andere Richtung weiter. Locus classicus für die Passung der νόμοι zum jeweiligen Volk ist die bereits angeführte Erzählung über die Bewertung der Begräbnissitten der jeweils Anderen durch Hellenen und Kallatier (3, 38), die Herodot emphatisch mit dem offenbar geläufigen Pindar-Wort vom Nomos als König abschließt (Fragment 169 Maehler).52 Dieser Gedanke eines lebensformspezifischen, damit ‘relativen’ νόμος ist freilich auch bei Heraklit erkennbar, z. B. 32 Gemelli = DK 22 B 61: „Meer: das reinste und das schmutzigste Wasser; für Fische trinkbar und lebenserhaltend, für Menschen untrinkbar und verderblich.“ Dass die νόμοι in Veränderung begriffen sind oder sein können, zeigt Herodot an den Persern, die bereitwillig fremde Sitten übernähmen (1, 134). – Krieg und Streit: Ein großer Krieg ist Herodots Hauptgegenstand. (Gleichwohl lässt er einen seiner Hauptakteure markant gegen den Krieg Stellung beziehen und äußert sich in eigener Person ebenso.53) Eine ausgeführte Vorstellung davon, wie Kriege den historischen Prozess vorantreiben, findet sich bei ihm nicht; sie dürfte aber implizit bestanden haben. Im programmatischen Abschluss der Einleitung findet sich der bereits zitierte Satz über den nie stillestehenden Wandel der Dinge eng verknüpft mit dem ermittelbaren Beginn „unrechtmäßiger Taten“ zwischen Hellenen und Barbaren (Herodot 1, 5, 3). Die folgenden Ereignisse werden als Kette von jeweils zum Krieg führenden Übergriffen und Vergeltungen vorgestellt, weswegen man Herodot nicht ohne Recht den Anschluss an eine „conflict, or retributive, theory of world order and justice“54 zugeschrieben hat  – wie sie von Anaximander (s. o.) und Heraklit gedanklich zumindest vorbereitet wurde. Für Heraklit jedenfalls war der Krieg offenbar ein dynamisierendes und zugleich differenzierendes Moment, wenn man das bekannte Fragment („Krieg ist Vater von allen und König von allen. Die einen erweist er als Götter, die anderen als Menschen, die einen macht er zu Sklaven, die anderen zu Freien.“55) konkret und auf die sozio-politische Welt zielend verstehen möchte. Hierher gehört auch 36A Gemelli = DK 22 B 80: „Man soll aber wissen, dass Krieg

52 Vgl. Asheri u. a. 2007, 436 f. mit Lit. 53 Herodot 1, 87 (Kroisos: Im Krieg begraben die Väter ihre Söhne); 8, 3, 1 (Bürgerkrieg so viel schlechter als äußerer Krieg wie dieser im Verhältnis zum Frieden); vgl. auch 4, 23 (über die skythischen Argippaier, die als heilig gelten, kein Kriegsgerät besitzen und als Schlichter wirken). Vgl. allgem. Cobet 1986. 54 Derow 1994, 78. 55 37 Gemelli = DK 22 B 53 Πόλεμος πάντων μὲν πατήρ ἐστι, πάντων δὲ βασιλεύς, καὶ τοὺς μὲν θεοὺς ἔδειξε τοὺς δὲ ἀνθρώπους, τοὺς μὲν δούλους ἐποίησε τοὺς δὲ ἐλευθέρους. Vgl. Bremer/ Dilcher 2013, 625 f. 628.

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Gemeinsamkeit ist und Gerechtigkeit Streit und dass alles geschieht durch Streit und Notwendigkeit.“56 – Vorstellungen von den Göttern und Kulten: Heraklit bekundet seine Ablehnung von dionysischen Kulten (14A/B Gemelli =  DK  22 B  14/15) beziehungsweise anthropomorphen Götter(bilder)n (15 Gemelli =  DK  22 B  5) erwartungs­ gemäß ‘absolut’, während Herodot im Sinne seiner Nomos-Vorstellung Kritik an bestimmten Praktiken und Vorstellungen von historischen Akteuren vortragen lässt: von Skythen (Herodot 4, 79 f.) und Persern (1, 131, 1).57 – Polis (s. den Beitrag von K. Raaflaub in diesem Band): Man muss vielleicht nicht so weit gehen wie der Heraklit-Erklärer Diodotos, der behauptete, „die Schrift handle nicht von der Natur, sondern von der πολιτεία“ (Diogenes Laertios 9, 15). Aber eine nicht geringe Zahl von Fragmenten hat einen politischen Sinn,58 und damit ist bereits vom Sachgebiet her eine Nähe zum Gegenstand des Geschichtsschreibers gegeben. Wenn etwa der Πόλεμος πάντων πατήρ-Satz tatsächlich die „Polis als das Paradigma eines in sich differenzierten Ganzen, das seine Struktur durch den Krieg gewinnt“,59 aufweisen sollte, so wäre auch damit eine bei Herodot oftmals erkennbare Beobachtungsrichtung identifiziert, nämlich die Charakterisierung einer bestimmten sozio-politischen Ordnung durch ihr Militärwesen. – Sprache: Vielleicht schon Heraklit selbst, in jedem Fall aber der Herakliteer Kratylos verfocht die Ansicht, Bezeichnungen hingen ihren Gegenständen φύσει an, mit innerer Notwendigkeit; sie seien Ausdruck des Wesens der Sache, nicht Resultat von Zufall oder Willkür.60 Einige etymologische Argumentationen bei Herodot weisen, wie Wilhelm Nestle zeigen konnte, eine „grundsätzliche Übereinstimmung mit der Sprachtheorie der Heraklitischen Schule“61 auf.

56 εἰδέναι δὲ χρὴ τὸν πόλεμον ἐόντα ξυνόν, καὶ δίκην ἔριν, καὶ γινόμενα πάντα κατ’ ἔριν καὶ χρεών. Der erste Teil des Satzes könnte auf die polis-formierende Kraft des Kriegführens abzielen (s. a. gleich im Text); der zweite Teil bezieht sich auf die Rechtsfindung im Rahmen einer Gemeinschaft und besagt durchaus nichts Revolutionäres: Schon bei Homer (etwa in der bekannten Schiedsgerichtsszene der Schildbeschreibung: Homer, Ilias 18, 497–508) wird Recht als Ergebnis einer geregelten Prozedur beschrieben (und nicht etwa als Offenbarung einer göttlichen Weisheit); es entsteht aus dem Disput der streitenden Parteien und wird gewonnen durch einen abschließenden Rechtsspruch, der den sozialen Konsens wiederherstellt. 57 Vgl. Nestle 1908, 9 f. 58 Vgl. Voegelin 2003, 95: „Die vorhandenen Fragmente legen nahe, daß Diodotos der Wahrheit erheblich näher kommt als die Auffassung, Heraklit sei ein Naturforscher gewesen.“ 59 Bremer/Dilcher 2013, 628 f.; zum Thema Heraklit und die Polis insges. s. ebd. 626–631. 60 Vgl. 33 Gemelli = DK 22 B 48; 51 Gemelli = DK 22 B 32 mit Platon, Kratylos 396a. Skeptisch ist Zeller 1892, 723 f. 61 Nestle 1908, 11. Zum Heraklitismus s. Hager 1974.



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Insgesamt hoffe ich – abgesehen von den eben skizzierten Berührungen in einzelnen Themen  – grundsätzlich plausibel gemacht zu haben, dass Heraklit 1.) eine Reflexion über das Wissen sowie 2.) – vielleicht noch wichtiger – einen differenzierten Wirklichkeits- und Prozessualitätsbegriff in das frühe griechische Diskursinventar eingebracht hat, der sich für Herodots Zugriff auf einen freilich ganz anders gearteten Gegenstand, die Welt des Geschichtlichen, als brauchbar und konstitutiv erweisen sollte. Auch sein Bemühen, in der Fülle der Ereignisse und Phänomene einen konsistenten Sinn aufzufinden und damit – philosophisch gesprochen – im Werden ein Sein zu erkennen, rückt ihn (wie auch Thukydides!) unmittelbar an die von den sog. Vorsokratikern aufgeworfenen Fragen heran.62

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62 Vgl. Shrimpton 2003, 157: „The search for repeatable patterns discernable behind otherwise meaningless genomena is a search for stability in the midst of change and sounds vaguely Parmenidean or at least Heraclitean.“

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 Uwe Walter

Zusammenfassung Zwischen den ‘dunklen’, bisweilen raunend-verfremdet erscheinenden Dicta Heraklits und dem anschauungsprallen Prosa Herodots, der Sinn stets aus Anschauung und Schilderung erwachsen lässt und keine Scheu vor den Menschen in ihrer Vielheit und Buntheit kennt, scheint es keine Berührungspunkte zu geben. Die Forschung hat deshalb unter den intellektuellen Voraussetzungen des herodoteischen Werkes überwiegend andere Autoren und Bereiche des frühen ionischen Wissens genannt. Doch bei näherem Hinsehen finden sich durchaus Überschneidungen. Heraklit und Herodot machen ihre Subjektivität zum Siegel der Gültigkeit ihres jeweiligen Wissens und ihrer Rede. Eine wesentliche intellektuelle Voraussetzung für Herodots Geschichtswerk bildete die maßgeblich von Heraklit entwickelte Vorstellung von prozessualen Verläufen: Nicht die Frage nach der Substanz, aus der die Dinge bestehen, stand für Heraklit im Mittelpunkt, sondern die Untersuchung der Ursachen, von welchen das Entstehen, das Vergehen und die Veränderung herrührt. Seine Ankündigung, „solche Worte und Taten (darzulegen), indem ich jedes Einzelne kata physin ausdeute und sage, wie es sich verhält“ (F 16 Gemelli = DK 22 B 1), hat Herodot auf die vielgestaltige Sphäre des Menschlichen in der Geschichte übertragen. Berührungspunkte finden sich ferner in beider Auskünften über die Gewinnung und Validität von Wissen, die Bedeutung des nomos in der Polis, die Dynamik generierende Wirkung des Krieges, den Zusammenhang von Dingen und Sprache sowie in bestimmten Auffassungen von den Göttern. Insgesamt rückt Herodots Bemühen, in der Fülle der Ereignisse und Phänomene einen konsistenten Sinn aufzufinden und damit – philosophisch gesprochen – im Werden ein Sein zu erkennen, den Halikarnassier (wie auch Thukydides!) nah an die von den sog. Vorsokratikern aufgeworfenen Fragen heran.

Leonid Zhmud

Heraclitus on Pythagoras By the time of Heraclitus, criticism of one’s predecessors and contemporaries had long been an established literary tradition. It had been successfully prac­ ticed since Hesiod by many poets and prose writers.1 No one, however, practiced criticism in the form of persistent and methodical attacks on both previous and current intellectual traditions as effectively as Heraclitus. Indeed, his biting criti­ cism was a part of his philosophical method and, on an even deeper level, of his self-appraisal and self-understanding, since he alone pretended to know the correct way to understand the underlying reality, unattainable even for the wisest men of Greece. Of all the celebrities figuring in Heraclitus’ fragments only Bias, one of the Seven Sages, is mentioned approvingly (DK  22 B  39), while another Sage, Thales, is the only one mentioned neutrally, as an astronomer (DK 22 B 38). All the others named by Heraclitus, which is to say the three most famous poets, Homer, Hesiod and Archilochus, the philosophical poet Xenophanes, Pythago­ ras, widely known for his manifold wisdom, and finally, the historian and geog­ rapher Hecataeus – are given their share of opprobrium.2 Despite all the intensity of Heraclitus’ attacks on these famous individuals, one cannot say that there was much personal in them. He was not engaged in ordi­ nary polemics with his contemporaries, as for example Xenophanes, Simonides or Pindar were.3 Xenophanes and Hecataeus, who were alive when his book was written, appear only once in his fragments, and even then only in the company of two more famous people, Hesiod and Pythagoras (DK 22 B 40). His fundamental complaints were directed against illustrious men of the distant and recent past, and in those cases where the grounds for those complaints are formulated or at least reconstructable, they are of a predominantly philosophical, or to be more precise, epistemological character. Heraclitus tries to assure his readers that he knows the truth which the others only pretend to know. From such a point of view it is quite natural that his main targets were Homer and Hesiod, known as the teachers of Greece. Both poets are mentioned three times, though Homer once in a seemingly neutral yet unclear context: he is simply called an astronomer (DK 22 1 Zajcev 1993, 149–153. 2 Babut 1976. 3 Zaicev 1993, 150–152. Article Note: Research for this paper was supported by RGNF (Russian Science Foundation for the Humanities), grant № 15-03-00213.

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 Leonid Zhmud

B 105). In fragment DK 22 B 56 an epistemological charge can be very clearly iden­ tified: “Men are mistaken as regards the knowledge of the visible things, in the same way as Homer, who was wiser than all the Greeks”.4 In spite of being the wisest of the Greeks, Homer still lacks the insight needed to apprehend reality, for he was not even able to solve a riddle posed to him by children. Thus, his wisdom is only seeming.5 Criticism of the same kind is directed against Hesiod in fragment DK 22 B 57. He is the teacher of most people and they are sure that he knew most things, yet he did not recognize that day and night are one. Indeed, Hesiod was unaware of Heraclitus’ doctrine on the unity of the opposing powers, so his pretensions to be a master of truth are shallow.6 There is also a similar frag­ ment on lucky and unlucky days (DK 22 B 106), though in this case it is not clear whether Hesiod was in fact mentioned by Heraclitus.7 If he was, this does not add anything substantial to his portrait by Heraclitus; if he was not, this reduces his presence from three to two fragments. In the last case it turns out that the main object of Heraclitus’ attacks was Pythagoras, for he appears in three fragments, once with the other polymaths, and twice as the sole object of criticism. The force and variety of Heraclitus’ attacks on Pythagoras demonstrates that he possibly saw him as being his chief rival in pretensions to wisdom. Since Pythagoras lived in Croton in southern Italy and did not leave any writing behind, his fame by the time of his death (ca. 490-s) must have been so well established and widely spread that in Heraclitus’ eyes he could easily compete with the greatest Greek poets and teachers. But precisely because Pythagoras wrote nothing, we know far less about his activities than about Hesiod, Xenophanes and Hecataeus. Heraclitus probably knew more about Pythagoras, but in order to understand him we need to compare his words with what we know about Pythagoras, and this is quite problematic. The wide variety of interpretations produced in the last century arises not so much from the con­ stantly changing views on Heraclitus as from the changing views on Pythagoras. One of the trends is to replace an old image of Pythagoras the philosopher and scientist with a purely religious figure, whose reflection must be found in Her­ aclitus’ text. Another difficulty is that our three fragments contain an unusual concentration of words which are either coined by Heraclitus himself, such as πολυμαθίη, and possibly κακοτεχνίη, or appear for the first time in his book,

4 Unless otherwise stated, translations are my own. 5 Marcovich 1967/2001, 81–83; Babut 1976, 469–474; Kahn 1979, 111–112. 6 Babut 1976, 480–481. 7 Marcovich 1967/2001, 321; cf. Babut 1976, 482–486.



Heraclitus on Pythagoras 

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such as ἱστορίη, συγγραφαί and κοπίδες. All this widens the spectrum of possible interpretations, though luckily it does not make it endlessly extendable. Let me start with the shortest of these fragments, DK 22 B 81, in which Hera­ clitus calls Pythagoras κοπίδων ἀρχηγός. This is rendered either as ‘chief of swindlers’8 or as ‘originator, ancestor of swindles’,9 because the genitive plural κοπίδων can be regarded as derived either from κόπις or from κοπίς. Κόπις denoted a speaker who could sway an audience with artful, but deceitful words. Euripides calls Odysseus ὁ ποικιλόφρων κόπις ἡδυλόγος δημοχαριστὴς Λαερτιάδης (Hec. 131 f.). In the Byzantine dictionaries κόπις is explained as ὁ λαλός, ὁ ῥήτωρ (Suda) or as ὁ δημοκόπος καὶ κόβαλος (Etym. Gudian.). If κοπίδων refers to such people, then Heraclitus would have had in mind both Pythagoras, as an arch-cheater, and the Pythagoreans, who also deceived people with their mendacious speeches, the ‘teachers of lies’.10 This is possible, although a reference to Pythagoras coupled with Pythagoreans would be unique in the fifth century. Besides, there is no evidence that the Pythagoreans were renowned as powerful speakers, although Pythagoras certainly was. On the other hand, the word κοπίδες, the plural of κοπίς (a kind of knife) refers not to liars themselves, but to their deceitful speeches: κοπίδας δὲ τὰς τῶν λόγων τέχνας.11 This is how I think both sources of fragment DK 22 B 81 under­ stood κοπίδων. Philodemus in the Rhetoric, quoting Heraclitus, calls rhetoric (and not Pythagoras!) κοπίδων ἀρχηγός, i. e. either “the originator of swindles” or “chief of swindlers”. Timaeus of Tauromenium, defending Pythagoras, makes the first variant more plausible, for he says: thus, it appears that not Pythago­ ras was the inventor of real swindles (ὥστε καὶ φαίνεσθαι μὴ τὸν Πυθαγόραν εὑρόμενον τῶν ἀληθινῶν κοπίδων) but his accuser Heraclitus was the liar (FGrHist 566 F  132 =  DK  22 B  81)! A Hellenistic pseudo-Pythagorean tradi­ tion reacted to this debate by producing Pythagoras’ own book Κοπίδες.12 All this imparts more plausibility to the interpretation, shared by H. Diels and other schol­ ars, which makes Pythagoras the sole target of Heraclitus: ‘originator, ancestor of swindles’.13 Marcovich’s objection that there were liars long before Pythagoras,

8 Burkert 1972, 161; Kahn 1979, 41: “prince of impostors”; Marcovich 1967/2001, 72: “chief captain of cheaters”. 9 DK: “Ahnherr der Schwindeleien (Schwindler)”; LSJ, s.v. ἀρχηγός II.3: “first cause, originator κοπίδων”. 10 So Marcovich 1967/2001, 71. 11 Schol. Eur. Hek. 131 = DK 22 B 81. 12 Diog. Laert. 8, 8; Diels 1890. 13  For a challenging new interpretation which makes rhetoric and not Pythagoras the sole tar­ get of DK 22 B 81, see Vassallo 2015. Cf., however, Erbì 2010.

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e. g. Homer and Hesiod,14 does not seem conclusive: first, Heraclitus does not call the poets ‘liars’, secondly, ‘swindles’ most probably refers to the speeches of Pythagoras, who addressed his audience directly. The tradition of Pythagoras’ speeches having been given to various groups of the Crotoniates is attested by the Socratic Antisthenes, and then by Dicaearchus (fr. 33) and Timaeus (ap. Iust. 20.4). In his comment on the Homeric epithet πολύτροπος, characterizing the wise and eloquent Odysseus, Antisthenes uses for comparison Pythagoras’ ability to speak differently with different social and age groups, such as women and children, for example, seeing in it proof of his wisdom (fr. 51 Decleva Caizzi). But Heraclitus, who had earned the nickname ‘the mob-reviler’ (ὀχλολοίδορος, Diog.  Laert. 9.6), was unlikely to admire a person trying to persuade his co-citizens of something, not least women and children. We know very little of the content of Pythagoras’ speeches, though one conspicu­ ous topic seemed to be the struggle with τρυφή and immoderation in general.15 This attitude was not alien to Heraclitus himself, but there was no obstacle to him attacking people whose ideas he shared, whilst at the same time refusing to acknowledge their wisdom. In fact, we can only guess what specifically Hera­ clitus has in mind in condemning Pythagoras’ ‘swindles’. Though it is tempting to suggest here Pythagoras’ religious teaching, no classical source connects his speeches with anything religious. The fragment DK  22 B  28, “Justice will catch up with those who invent lies and those who swear to them”,16 which some com­ mentators relate to Pythagoras and his followers,17 seems too general in its claim to be convincingly connected either with metempsychosis or with Pythagoras. The two other fragments mentioning Pythagoras might clarify the background of Heraclitus’ criticism. “Much learning does not teach understanding; otherwise it would have taught Hesiod and Pythagoras, and also Xenophanes and Hecataeus”.18 This is fragment DK  22 B  40. Πολυμαθίη, which also figures in fragment DK  22 B  129, directed against Pythagoras alone, and the names, among which he is men­ tioned, show that the claims of Heraclitus are of an epistemological nature,19 as those related to Homer and Hesiod individually. Even if Hesiod knew most things (πλεῖστα εἰδέναι), he did not understand what he should have understood (DK 22

14 Marcovich 1967/2001, 72–73. 15 Zhmud 2012, 93, 200 n. 120–121. 16 Trans. Charles H. Kahn. 17 Marcovich 1967/2001, 76–77; Conche 1986, 216. 18 Πολυμαθίη νόον ἔχειν οὐ διδάσκει· Ἡσίοδον γὰρ ἂν ἐδίδαξε καὶ Πυθαγόρην αὖτίς τε Ξενοφάνεά τε καὶ Ἑκαταῖον. 19 Marcovich 1967/2001, 59–60, 64–66; Conche 1986, 91–92.



Heraclitus on Pythagoras 

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B 57). It is from this standpoint that Heraclitus juxtaposes the author of the Theo­ gony and Pythagoras, Xenophanes, who ridiculed both traditional religion and metempsychosis (DK 21 B 7), and finally Hecataeus, also well known for his cri­ tique of common sense (FGrHist 1 F 1). Digressing from the distinctions between them, Heraclitus concentrates on what concerned him most of all: contrasting their method of cognition with his own. Since true insight was available only to Heraclitus, the others were left with πολυμαθίη alone. There is a long dispute about πολυμαθίη: is it bad as such or just an insuffi­ cient means to attain wisdom? Those who prefer the second interpretation often refer to fragment DK  22 B  35: “Men who love wisdom must have knowledge of many things indeed”, which makes problematic condemnation of πολυμαθίη in itself.20 On the contrary, those who see incompatibility in these two fragments explain DK 22 B 35 as being an ironic sneer or as an opinion of οἱ πολλοί.21 In view of the other fragments, such as DK 22 B 55, which approves μάθησις, and DK 22 B 95, which criticizes ἀμαθίη, one could say that Heraclitus does not condemn an active acquisition of knowledge per se, but contrasts πολυμαθίη with “the wise which is one”, ἓν τὸ σοφόν (DK 22 B 41; it is possible that B 40 and 41 were continu­ ous).22 This kind of wisdom is identified by Heraclitus with knowing the reason, or thought (γνώμη) that steers everything and is therefore accessible solely to him. The other point of debate is the sequence of names in DK 22 B 40, divided by αὖτίς τε into two groups. Traditionally this was explained by chronology: when Heraclitus was writing, Hesiod and Pythagoras were no longer alive; hence their names are juxtaposed.23 Babut aptly noted that the name of Hesiod is placed at the head of the sentence, in an emphatic position, underlined by the placing of the verb, which separates it intentionally from the others:24 “Polymathie does not teach the intelligence of things, otherwise it is Hesiod whom it would have taught, and Pythagoras, to whom it is possible to add Xenophanes and Hecataeus”. In this rendering αὖτίς τε loses its function of dividing the four names into two opposing groups. In Heraclitus’ view, Hesiod’s poems, including the extensive genealogical Catalogue of Women, which was ascribed to him, made him the principal polymath, whereas Pythagoras’ success in the acquisition of knowledge, referred to in DK 22 B 129, brought him closer to Hesiod than to Xenophanes and Hecataeus.

20 See Lesher 1994, 15 n. 29 (with bibliography) and recently Vassallo 2015, 200–202. 21 See references in Marcovich 1967/2001, 27 and Granger 2004, 248–250. 22 Kirk 1970, 386–387; Babut 1976, 490–491; Marcovich 1967/2001, 449–453. 23 Lévy 1927, 2 n. 8; Marcovich 1967/2001, 64–65; Conche 1986, 92. 24 Babut 1976, 493–495.

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A different interpretation was put forward by W. Rathmann and W. Burkert: Pythagoras, with Hesiod, has to be treated as representing religious thought, unlike Xenophanes and Hecataeus.25 Recently this view was defended by H. Granger and C. Huffman: “Heraclitus pairs Pythagoras in B 40 with the ancient theologian Hesiod, and sets them apart from Xenophanes and Hecataeus who in their different ways try to abandon the irrationalities of Greek mythology”.26 But did Pythagoras develop “non-Hesiodic mythical teaching about the world and its gods”27 that could be called πολυμαθίη and compared to the Theogony of Hesiod or the Genealogies of Hecataeus?28 The fourth-century tradition ascribes to him claims to remember his previous incarnations, predict future events and understand the language of animals (Arist. fr. 191), but these stories – if they were already known to Heraclitus29 – relate to Pythagoras’ superhuman and extraor­ dinary qualities, which would rather separate him from the other polymaths. Besides, we should bear in mind that unlike Xenophanes, Hecataeus and Heracli­ tus himself, Pythagoras did not say anything new about gods, whereas his teach­ ing on the immortality and transmigration of the soul was no less innovative and ‘modern’, for example, in its attitude to animal sacrifice, than Xenophanes’ view on a single non-anthropomorphic deity. The examples of Empedocles and Plato demonstrate that it can be easily integrated into philosophical theology. What brings Xenophanes and Hecataeus together is their openly critical atti­ tude towards the tradition, a characteristic that is not associated with Pythagoras, though he too belonged to the reformers of the traditional Greek religion. As for Heraclitus, his position is far from a clear-cut dichotomy between ‘religion’ and ‘Ionian rationalism’. On the one hand, he ignored Anaximander and Anaximenes and attacked Xenophanes and Hecataeus, on the other, his criticism of Homer and Hesiod did not concern mythology as such; he questioned their wisdom and insight, not that they were not enlightened enough. What was most objectionable about Hesiod? The fact that he did not recognize that day and night are one (DK 22 B  57). No Greek thinker, however rationalistic he might have been, could have

25 Rathmann 1933, 38; Burkert 1972, 210. Rathmann’s general approach to Pythagoras was hy­ percritical, he even disputed the tradition that Pythagoras taught metempsychosis. 26 Granger 2004, 246. Huffman 2008, 22: “Pythagoras belongs not to the new world of Ionian rationalism represented by Xenophanes and Hecataeus but rather to the mythological view of the world found in Hesiod”. 27 Burkert 1972, 210. 28 Cf. Kahn 2001, 16: “There is no reason to suppose that the great learning ascribed to Pytha­ goras is limited to theological genealogy in the style of Hesiod”. 29 Some of them were invented later or transferred from Pherecydes to Pythagoras: Zhmud 2012, 62–63.



Heraclitus on Pythagoras 

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escaped that kind of criticism. Heraclitus’ general attitude towards traditional religion is a matter of controversy, as is almost everything in his oeuvre, but two special studies of this problem, by D. Babut and M. Adomenas, though coming to quite different conclusions, both stress the same point: Heraclitus was neither a reformer of the Greek religion nor an Aufklärer.30 It is doubtful, therefore, that a distinction between ‘mythology’ (which, incidentally, does not appear as such in the preserved fragments as opposed to the various religious practices) and ‘Ionian rationalism’ was that relevant for him in DK 22 B 40. It is easy to foresee that Pythagoras’ wisdom was also not of the kind accept­ able to Heraclitus. In fragment DK 22 B 129 we read: “Pythagoras, the son of Mne­ sarchus, practised inquiry beyond all other men and having selected these writ­ ings made a wisdom of his own: much learning, an imposture”.31 Here polymathie is what really constitutes Pythagoras’ wisdom, which, in turn, was attained by ἱστορίη and the usage of books. Thus, the contours of Pythagoras’ figure, as they were known to Heraclitus, become more visible to us: he was famous for his wisdom, vast knowledge and intensive intellectual activity. Indeed, what espe­ cially distinguishes Pythagoras in Heraclitus’ eyes from all the other men is the intensiveness of ἱστορίη he has undertaken. ἱστορίη appears only once in Hera­clitus, though the above-quoted fragment, χρὴ γὰρ εὖ μάλα πολλῶν ἵστορας φιλοσόφους ἄνδρας εἶναι (DK 22 B 35), connects ἱστορίη with an accumulation of knowledge by those who love wisdom. Over the last century ἱστορίη has usually been rendered as ‘Forschung’, ‘scientific research’ or more neutrally as ‘Erkun­ dung’, ‘inquiry’.32 In any event, ἱστορίη remains a purposeful cognitive activity of a rational kind, but in order to understand what specifically it refers to we must compare it with Pythagoras’ activities. In itself, ἱστορίη does not necessarily mean “natural science”, asserts Huffman, and περὶ φύσεως ἱστορία as the standard designation of the Presocratic

30 Babut 1975, 121: “L’attitude d’Heraclite est donc aussi éloignée que possible de celle d’un réformateur religieux, dont le but serait de corriger certains aspects choquants des croyances ou des pratiques usuelles: en s’appuyant sur deux exemples particulièrement significatifs – sacri­ fices expiatoires et prières représentent en effet deux aspects essentiels du culte traditionnel – c’est en réalité toute la religiosité populaire qu’il condamne d’un seul coup”. Adomenas 1999, 113 : “Heraclitus, on the contrary, is not a reformer or an Aufklärer, but an interpreter who tries to discern the pattern inherent in the existing practices, and exploit it in the construction of his own philosophical theology”. 31 Πυθαγόρης Μνησάρχου ἱστορίην ἤσκησεν ἀνθρώπων μάλιστα πάντων καὶ ἐκλεξάμενος ταύτας τὰς συγγραφὰς ἐποιήσατο ἑαυτοῦ σοφίην, πολυμαθίην, κακοτεχνίην. 32 So e. g. Zeller 1910, 459 n. 4: “Erkundigung, Nachfragen bei andern”; Riedweg 2005, 50: “the desire to see, hear, and learn from others”. Cf. Marcovich 1967/2001, 68: “scientific inquiry (or research)”; Robinson 1987, 73: “‘art of’ investigation”.

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natural philosophy/science appears only in the late fifth century.33 This is correct, yet the first option for being the main area of Pythagoras’ inquiry is not natural science, but rather mathemata, as is attested in Aristotle’s fragment, which resembles in its structure fragment DK 22 B 129 of Heraclitus: “Pythagoras, the son of Mnesarchus, first dedicated himself to the study of mathemata, especially numbers, but later could not refrain from the wonder-working of Pherecydes” (fr. 191).34 Indeed, it was geometry and (mathematical) astronomy, where Thales and Anaximander attained their greatest success (in Thales’ case this was attested by Heraclitus: DK 22 B 38), and there is ample evidence both that these sciences were cultivated in the early Pythagorean school and that arithmetic and harmonics were added to them.35 We can live without Pythagoras the natural philosopher, who is hardly perceptible behind the theories even of his immediate followers, Alcmaeon and Hippasus. But without his contributions arithmetic, geometry, mathematical astronomy and harmonics of the early fifth century are left hanging in the air. Thus, it is reasonable to assume that mathemata constituted a signifi­ cant part of Pythagoras’ inquiry, or research. Granger interprets Heraclitus’ attitude to everything in which Pythagoras was involved in a resolutely negative way. Polymathie as such is uncondition­ ally condemned by Heraclitus, and Pythagoras’ polymathie specifically lies in extensive borrowing from Greek folk wisdom and superstition, exemplified in the Pythagorean symbola (Granger prefers to call them akousmata, though this term appears only in Iamblichus). Further, ἱστορίη in Heraclitus’ eyes is no less objectionable than πολυμαθίη, and his words about “philosophical men” who are obliged to be “inquirers” into many things (DK  22 B  35) are just a mockery of “those parvenus like Pythagoras who pursue ‘inquiry’”. Pythagoras’ ἱστορίη amounts merely to his pursuit of books, whereas his wisdom is a compilation of opinions, based on hearsay and book-learning.36 Huffman develops some of these ideas, especially that of the symbola as the principal result of Pythagoras’ ἱστορίη. In order to resolve the contradiction between the hearsay learning of Pythagoras and his study of books, he offers several new interpretations. Thus, having analyzed in detail the usage of ἱστορίη in Herodotus, the nearest source to Heraclitus, Huffman comes to the conclusion that it means “the active collection

33 Huffman 2008, 23–24. See Pl. Phd. 96a. Eur. fr. 910 N. 34 Cf. Xenocrates fr. 87 Isnardi Parente: “Pythagoras, Xenocrates says, discovered also that the intervals in music do not come into being apart from number, for they are an interrelation of quantity with quantity. So he set out to investigate under what conditions concordant intervals come about, and discordant ones, and everything well attuned and ill attuned”. 35 Zhmud 2012, 239–345. 36 Granger 2004, 241–250.



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of what people say on a given topic”. Respectively, “Herodotean usage suggests that Heraclitus’ audience would have understood him to be saying that Pythago­ ras was actively engaged in collecting what people say on a number of topics, in making enquiries, and that he created his wisdom out of this hearsay evidence.”37 (Probably in order to underline the oral character of Pythagoras’ ἱστορίη Huffman renders it throughout his paper invariably as ‘enquiry’, even in all those cases, where the scholarly texts he quotes have ‘inquiry’.38 This is hardly a matter of personal preference, for I did not find ‘enquiry’ in any other English translation of DK 22 B 129.) Now, Herodotus was necessarily engaged in what we call today ‘oral history’ and his usage of the written sources was very limited, indeed. It is only natural that his practice of ἱστορίη consisted often in asking other people what they know, though he himself preferred to be an eyewitness. This does not mean, however, that Heraclitus, who wrote earlier, meant by ἱστορίην ἤσκησεν ἀνθρώπων μάλιστα πάντων that Pythagoras was taking a poll of people’s opinion (on what subject?) more than all other men. This is improbable in itself and would contradict the entire fifth-century tradition which unanimously stresses Pythagoras’ σοφία: a wise man, whether a religious sage or philosopher, does not need to collect hearsay evidence. It is another thing to accuse a famous wise man of his wisdom being derived from συγγραφαί and being in fact nothing more than polymathie.39 In order to progress we must work out what συγγραφαί Heraclitus could have had in mind. συγγραφή normally indicates a prose writing (LSJ, s.v. II.1),40 so that Orphic poems, suggested by Rathmann,41 seem out of place here. Huffman attempted to prove that συγγραφή could mean poetry as well, but adduces no example from the classical literature where συγγραφή refers to poetry and only one, of the mid-fourth century, where σύγγραμμα explicitly refers to both prosaic and poetic works.42 His analysis of Herodotean usage does not support his con­ clusion that “[i]n Herodotus too, a συγγραφή turns out to be something recorded

37 Huffman 2008, 31, 33. 38 Most modern British dictionaries define ‘enquiry’ as ‘the act of questioning’ and ‘inquiry’ as ‘investigation’. 39 At the same time, we should not forget “that Heraclitus had practiced inquiry the way Pytha­ goras had, or was a well read person” (Mansfeld 1990, 445). 40 Marcovich 1967/2001, 69; Kahn 1979, 113; Conche, 1986, 106. 41 Rathmann 1933, 93; Burkert 1972, 131, 210. 42 Pl. Leg. 858d; Huffman 2008, 36–38. His example with συγγράφω in Aristotle (EE  1214a1– 4) proves the opposite, for here Aristotle first says that someone composed an inscription (συνέγραψεν) for the propylaeum of the temple of Leto, then conveys its content, and finally quotes it, introducing the verses with ποιήσας.

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in writing, but it is clear that the writing can be either in prose or in verse”.43 The only example of συγγραφή (Hdt. 1.93) refers to ‘recording’ or ‘writing down’ the marvels of Lydia (see LSJ, s.v. I), whereas συγγράφω in those two cases where it is related to the oracles in verses (Hdt. 1.47–48; 7.141) obviously means ‘to write or note down’ (LSJ, s.v. I) and not ‘to compose a work in writing, especially in prose’ (LSJ, s.v. II). The verses were composed not by those envoys who wrote them down.44 Since ταύτας τὰς συγγραφάς in DK 22 B 129 denote rather ‘written compositions, books’ than just something which was ‘written down’ but com­ posed by the other people, this seriously limits the possibilities of seeing in them religious poetry. Among the prose writings that we know of the only one with religious content is that of Pythagoras’ alleged teacher Pherecydes; the others are either of a philosophical nature, such as the treatises of Anaximander and Anaximenes, or devoted to special fields of knowledge. To this category belong technical treatises by the architects Chersiphron and Metagenes of Crete and Theo­dorus of Samos, the work on music by Lasus of Hermione, the interpreta­ tion of the Homeric poems by Theagenes of Rhegium, the voyages of Scylax of ­Caryanda and Euthymenes of Massalia.45 Kahn rightly points out that this is only a small portion of what existed in the sixth century.46 Indeed, Thales’ geometry must have reached Italy in a written form, even if we do not have direct evidence for this. It is worth recalling, however, that Aris­ totle’s student Eudemus of Rhodes says in his History of Geometry that Thales “was the first to notice and assert that in every isosceles the angles at the base are equal, though in somewhat archaic fashion he called the ‘equal’ angles ‘similar’” (ἀρχαϊκώτερον δὲ τὰς ἴσας ὁμοίας προσειρηκέναι).47 Obviously, Eudemus relied on an early geometrical text, at least earlier than Hippocrates of Chios (ca. 430 BC), who called the equal angles ἴσας,48 where theorems attributed to Thales

43 Huffman 2008, 40. 44 Contrary to Huffman’s contention (2008, 40), most of the oracles were written not in verses but in prose, as was convincingly demonstrated by J. Fontenrose (1978, 174, 193–195). 45 Technical treatises (Vitr. VII, praef. 12); Lasus (18 A  3; Aristox. Harm. 7.19 f.); Theagenes (8 A 2); Scylax (FGrHist 709); Euthymenes (FHG IV, 408). 46 Kahn 2003, 152. 47 Procl. in Eucl. 251.2, trans. Glenn R. Morrow. The Eudemian origin of these words is widely accepted; for references see Panchenko (1994) 37 n. 25. In the case of Oenopides of Chios (ca 450) Eudemus was also sensitive to problems of terminology: Oenopides calls the perpendicular in the archaic manner gnomon-wise (ὀνομάζει δὲ τὴν κάθετον ἀρχαϊκῶς κατὰ γνώμωνα), since the gnomon also stands at right angles to the horizon (Procl. in Eucl. 283.7 f.). See Zhmud (2006), 171, 200. 48 Fr. 140, p. 60. 6 Wehrli. See Panchenko 1994, 37 ff.



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were written down. Eudemus refers to four of them.49 Such or a similar text could have been available to Heraclitus too. On the other hand, there is no reason to suppose that Heraclitus had in mind Babylonian mathematical treatises,50 for who would call συγγραφαί the small clay tablets with absolutely unintelligible signs on them? ἐκλεξάμενος ταύτας τὰς σύγγραφάς seems to mean ‘having selected these writings’ rather than ‘having selected from (or of) these writings’,51 while ταύτας may refer to something outside of the fragment. Huffman, following M. West, takes ταύτας to indicate that the συγγραφάς were notorious in some way. Further, though he suggests that “Heraclitus could have used συγγραφαί to refer to any­ thing written up, whether in poetry or in prose”,52 it is not religious poetry that he finds in the συγγραφαί. Relying mainly on the late fifth and early fourth cen­ turies’ Athenian usage of συγγραφή as decree, covenant, contract, bond etc. (LSJ, s.v. II.2), he argues that Heraclitus more likely was referring not to book-length writings or treatises but to “short records of information of some sort”. It turns out, then, that these συγγραφαί could be even one sentence long, in which case it is easy to identify them with the Pythagorean sayings known as symbola. The following picture develops: Pythagoras widely travels asking different authorities about various important things  – What is an earthquake? What is wisest? Should we walk on public roads?, – memorizes their answers – that an earthquake is a gathering of the dead, that the wisest is the number and that we should not walk on public roads – then somebody else writes up a collection of these symbola and thus they become the συγγραφαί referred to by Heraclitus. “Heraclitus may be saying something like this to his reader”, writes Huffman: “‘You know these things of Pythagoras that have been written up and are in cir­ culation – he just selected them out of his extensive enquiries into the views of other people.’”53 All this, however, is not convincing. συγγραφή cannot mean a saying of one sentence long; any decree or marriage contract, however short, constitutes a complete text. An oral σύμβολον which is written up remains a σύμβολον and does not become a συγγραφή.54 The earliest collection of the symbola that we

49 Zhmud (2006), 170, 191 f. 50 Marcovich 1967/2001, 69. 51 DK 22 B 129; Kahn 1979, 309 n. 79; Barnes 1982, 146; Robinson 1987, 73; Huffman 2008, 35. 52  Huffman 2008, 41. 53 Huffman 2008, 43. 54 Cf. the symbola on the fourth century BC Orphic tablet: σύμβολα. Ἀνρικεπαιδόθυρσον. Ἀνδρικεπαιδόθυρσον. Βριμώ. Βριμώ. εἴσιθ ἱερὸν λειμῶνα. ἄποινος γὰρ ὁ μύστης (Bernabé 2005, 72, fr. 493).

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know of was compiled around 400 BC by a Milesian Sophist Anaximander the Younger, and its Pythagorean origin is guarantied only by its title, Συμβόλων Πυθαγορείων ἐξήγησις (58 C  6).55 But even in Anaximander these sayings are called the Pythagorean, not Pythagoras’ symbola. Indeed, not a single symbolon from Anaximander’s collection preserved by Aristotle (fr. 194–195) was related to Pythagoras in the fifth-century tradition. This makes the existence of a collec­ tion of the symbola written in the time of Heraclitus and available only to him highly improbable. Nothing that we know of early Pythagoreanism allows us to assume the existence of any authoritative religious text emanating from Pythago­ ras.56 And how would Heraclitus recognise that the συγγραφαί, which constitute the results of Pythagoras’ ἱστορίη and the essence of his wisdom, are written by somebody else, since Pythagoras – as we know – did not write anything? I now come to σοφίη. Heraclitus asserts that the wisdom of Pythagoras achieved through research and the accumulation of knowledge from books is no less seeming than the wisdom of Homer. In reality it is πολυμαθίη and κακοτεχνίη. But if we look at it against the background of the entire early tra­ dition, Pythagoras’ σοφία becomes his most conspicuous trait. It is noted by Herodotus (4.95) and Empedocles (DK 31 B 129), the philosophising poet Ion of Chios (DK  36 B  40), Antisthenes (fr. 51 Decleva Caizzi) and the Sophist Alcida­ mas (DK 14 A 5). Especially close to Heraclitus’s words is Ion’s elegy to Pherecy­ des, who “even in death has a life which is pleasing to his soul, if Pythagoras the wise truly achieved knowledge and understanding beyond that of all men” (εἴπερ Πυθαγόρης ἐτύμως σοφός, ὃς περὶ πάντων ἀνθρώπων γνώμας εἶδε καὶ ἐξέμαθεν, DK 36 B 4, trans. Kenneth Dover).57 Often these words are seen as a polemic with Heraclitus, defending Pythagoras’ wisdom.58 The context of most other testimo­ nies is similar: they point to the outstanding intellectual abilities of Pythagoras and his vast knowledge. It makes no sense to argue against this knowledge being connected with the sphere of religion; what is important to us is that it was not restricted to that sphere. Neither the miracles of Pythagoras nor his preaching of metempsychosis could alone establish his reputation as a wise man. ἱστορίη, συγγραφαί, σοφίη and πολυμαθίη taken together imply that Pytha­ goras’ κακοτεχνίη should be at the same theoretical level, whereas κοπίδες in DK 22 B 81 refer rather to his social activities. The usual meaning of κακοτεχνίη is 55 See Zhmud 2012, 192–206. 56 Burkert 1972, 219–220. 57 See Dover 1988. For the meaning of γνώμη, cf. Heraclitus DK  22 B  41 and 78; Anaxagoras DK 59 B 12; Democritus DK 68 B 11. Snell 1924, 31–32 stresses the double meaning of γνώμη as cognition and its result. 58 See e. g. Marcovich 1967/2001, 67–68; Dover 1988, 4–5.



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‘base artifice, falsification, charlatanism’; the legal sense is ‘bribing of a witness to give false testimony evidence’ (LSJ, s.v.), which is to say something connected with fraud. By itself κακοτεχνίη nowhere implies religious imposture, so Burkert’s suggestion to see here “a ritually enacted katabasis of Pythagoras” did not win much support.59 Huffman proposes a rather gloomy interpretation of κακοτεχνίη: it refers “to the Pythagorean society as a conspiracy, which is based on false tes­ timony about the Pythagorean doctrine of the immortality and transmigration of the soul”.60 I doubt very much that any reader of Heraclitus could extract from κακοτεχνίη such a meaning. Certainly, Pythagoras’ claims of immortality and an ability to do wonders could not have been to Heraclitus’ liking, but the Pytha­ gorean society was a political organisation, and no Pythagorean known to us by name is connected with transmigration of the soul. There were suggestions that κακοτεχνίη is an accusation of appropriation of the thoughts of others, but I am not sure that we can narrow down the general meaning of this word in DK 22 B 129 with certainty.61 At any rate, whatever specific meaning Heraclitus imparted to κακοτεχνίη, it provides only an additional nuance to his radical denial of any significance one should attach to everything said by his archrival Pythagoras of Samos.

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59 Burkert 1972, 161. Cf. Marcovich 1967/2001, 70. 60 Huffman 2008, 44. 61 Cf. Marcovich 1967/2001, 70.

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Heraclitus on Pythagoras 

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Abstract Heraclitus is known for his critical attitude towards his predecessors. Almost every author mentioned by him – Homer, Hesiod and Archilochus, Xenophanes and Hecataeus – attract their share of opprobrium. Among the early Greek think­ ers only Thales seemed to appear in a neutral context (DK 22 B 38). Judging by the preserved evidence, Pythagoras was the principal target of Heraclitus’ attacks, for the Samian sage is mentioned in three different fragments, every time very crucially. In DK  22 B  129 Heraclitus claims that Pythagorasʼ wisdom is in fact a polymathy and an imposture, B  40 says that Pythagorasʼ polymathy did not teach him understanding (νόον), and B 81 calls Pythagoras “originator, ancestor of swindles”. The force of Heraclitusʼ attacks on Pythagoras demonstrates that he possibly saw in him his chief rival, but how this has to be explained? What was the area in which their interests and competences have crossed? Heracli­ tus was the first to note the dual nature of the figure of Pythagoras, cf. ἱστορίη and κακοτεχνίη in DK 22 B 129. On what evidence did he rely? This article tries to answer these and several related questions.

Robert Hahn

Heraclitus, Milesian Monism, and the Felting of Wool 1 The Problem: Were the Milesians and Heraclitus Monists? Was Heraclitus a material monist? Aristotle says he was at Metaphysics 984a7–10 and classifies him along the lines he drew at 983b, where Thales is identified as the founder of (this kind of) philosophy. What does one believe, according to Aristotle, if one is a material monist? Most of the earliest philosophers conceived only material principles as underlying all things. That of which things consist, from which they first come (ἐξ οὗ γίγνεται) and into which on their destruction they are ultimately resolved (εἰς ὃ φθείρεται τελευταῖον), of which the essence persists although modified by its affections – this, they say, is an element (στοιχεῖον) and principle (ἀρχή) of existing things […]. In the same way nothing else is generated or destroyed (οὔτε γιγνεσθαι οὐθὲν οἴονται οὔτε ἀπόλλυσθαι); for there is some one entity […] which always persists and from which all other things are generated (ἀεὶ γὰρ εἶναι τινα φύσιν ἢ πλείους μιᾶς, ἐξ ὧν γίγνεται τἆλλα σωζομένης ἐκείνης). […] Thales says it is water […]. Anaximenes held that air is prior to water and most truly the first principle of all corporeal elements […] and Heraclitus held it is fire (Aristot. metaph. 983b7–984a9, trans. Hugh Tredennick).

The material principle  – Thales’ ὕδωρ (water), Anaximenes’ ἀήρ (misty air), Heraclitus’ πῦρ (fire) – is the origin or beginning of all things, it is ultimately that stuff of which all different appearances are made, it is that into which things ultimately return upon dissolution. Aristotle clarifies this position further when he says that, because this underlying material stuff persists throughout, nothing is either generated or destroyed, and thus there is no change, only alteration or modification of this permanent unity. Is Aristotle mistaken about Heraclitus’s position? And moreover, was he mistaken about the Milesian

Article Note: I have presented versions of this essay at various conferences including the University of Milwaukee, the annual meeting of the Society for Ancient Greek Philosophy at Fordham University in New York, University of Athens, University of West Bohemia (Pilsen), and University of Prague. I gratefully acknowledge helpful comments and criticisms from those who heard my presentations.

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monism of Thales and Anaximenes? Did Aristotle get the origins of philosophy wrong? The claim that Heraclitus advocates Material Monism (MM) has two kinds of challenges. First, (i) we have some fragments that seem to accept genuine change, not simply alteration, and (ii) the selection of “fire” seems to suggest that the process of change is more central than the materials that undergo it.1 Thus, there are fragments that are hard to square with material monism. MM requires that the original stuff – fire – cannot be generated but always exists and that all differences in appearances can be only alterations of “fire” that subsists throughout, and is ungenerated.2 But Heraclitus says: For souls, it is death to become water; for water, it is death to become earth; out of earth comes water; and out of water comes soul.3 (DK 22 B 36, trans. Daniel W. Graham) The death of fire is the birth of air, and the death of air is the birth of water.4 (DK 22 B 76) Immortals are mortals, mortals are immortal: one living the death of the other, another dying the other’s life.5 (DK 22 B 62)

In these cases, the language of birth and death seems to recall the familiar terms for generation and perishing, and so it may be argued that this is incompatible with MM because MM requires continuing, persisting identity, while such fragments suggest permanent interruptions for anything that supposedly persists. Thus, the challenge to Aristotle’s rendition of Heraclitus as a material monist requires that either Heraclitus is committed to some form of real change, and not merely alteration, or Heraclitus turns out to be a pluralist. But either alternative undermines Aristotle’s claim. Since Aristotle classifies Heraclitus along the lines of MM that he establishes with the Milesian monism of Thales and Anaximenes, let us to turn to re-examine him again after we place the whole discussion in a reviewed light. According to Aristotle, the monism of Thales and Anaximenes consists in a basic underlying unity of things; all apparent diversity is accounted for as alterations of the basic stuff – ὕδωρ or ἀήρ – there is no change. At one moment, ὕδωρ looks fiery at the stove, at another it is the air we breathe, it is the liquid that

1 These points are raised by Daniel Graham in his entry on “Heraclitus” in The Stanford Encyclopedia of Philosophy, online (s. Graham 2015). 2 Here I am following Graham 2015. 3 Clem. Al. Strom. VI.16 (II.435.25). In this fragment it seems that “soul” takes the place of “fire” and perhaps Heraclitus thought of them as interchangeable in the same way that Ana­ximenes seems to have conceived “soul” and ἀήρ. 4 Max. Tyr. XLI.4. 5 Hippol. Haer. IX.10.



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flows in our cups, and it is the hard stone out of which the temples were made, and all the other variations of appearances we experience. Let us imagine Thales has just expressed this metaphysical vision to his compatriots; it is impossible to believe that a member of his retinue did not ask: How does this happen? How is it that ὕδωρ now looks one way, and now another? And at the same time, let me make a distinction between explaining the structure of alterations and the process for these alterations. The structural explanation attempts to clarify why one alteration looks fiery and another hard as stone; the explanation of process attempts to clarify the how the fiery appearance transforms to look like stone, or vice versa. We have two reports that Anaximenes explained the process of alteration by appeal to rarefaction and condensation, one from Simplicius and the other from Hippolytus. Anaximenes held that when ἀήρ becomes finer, it transforms into fire; being condensed, it transforms into wind, cloud, water, earth, stones. (Simp. in Ph. 24.26–25.1 = DK 13 A 5, author’s own trans.) When it becomes finer, ἀήρ becomes fire, being condensed it transforms into wind. clouds and water result when ἀήρ felts more and more. (Hippol. Haer. I.7 = DK 13 A 7 [italics and bold supplied], author’s own trans.)

The gist of these reports is echoed also in Aetius6 and Pseudo-Plutarch.7 The process of transformations in alterations is by condensation (πύκνωσις) and rarefaction (ἀραίωσις and/or μάνωσις).8 Various terms for expressing ‘compression’ are applied such as τὸ συστελλόμενον,9 and the process is illuminated by analogy with the felting of wool (πίλησις from πιλέω, meaning to compress). We have one report, in Simplicius, that Thales’ too subscribed to the same mechanism to account for alterations.10 And we have doxographical reports that Heraclitus too made an appeal to condensation and rarefaction.11 As I continued to reflect on the evidence we have for Thales’ forays in geo­ metry, placing together the geometrical diagrams presupposed by his measurement of the height of the pyramid and the distance of a ship at sea, the theo-

6 Aët. III.3.2 = DK 13 A 17. 7 Ps.-Plu. de prim. frig. = DK 13 B 1. 8 Cf. DK 13 A 5 and A 6 (Anaximenes), DK 22 A 1 (Heraclitus). 9 Cf. DK 13 B 1 (Anaximenes), and DK 22 A 5 (Heraclitus). 10 Simp. in Ph. 180.14. Cf. Kirk & Raven 1971, 93 who doubt the correctness of this attribution, but in the absence of any evidence for the process by which Thales’ explained how alteration takes place, condensation and rarefaction are not implausible candidates. 11 D. L. IX.8. Cf. also Simpl. in Ph. 149.32 (= DK 22 A 5).

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rems with which he is credited by Proclus on the authority of Eudemus,12 and the theorem that the angle in a (semi-)circle is right by Pamphila, I glimpsed a lost narrative that unexpectedly tied Thales with the famous theorem connected to the name of Pythagoras. The key here, by following the diagrams, is to pay attention to geometrical similarity and the importance of the right triangle in these geometrical reflections. In following through, I came to see that Thales’ search in geometry was for the same underlying unity he sought in nature, but this time the geometrical figure out of which all else was constructed. I developed the hypothesis that Thales concluded it was the right triangle, and the echo of this project I came to regard was preserved in Plato’s Timaeus 53cff. – the building of the cosmos out of right triangles. This lost narrative supplied the structure, but not the process of alteration. The limited space here makes it impossible to unfold this relevant account, but that can be found in another publication, The Metaphysics of the Pythagorean Theorem: Thales, Pythagoras, Engineering, Diagrams, and the Construction of the Cosmos out of Right Triangles.13 For now I shall turn to explore the process of this alteration – condensation and rarefaction – for in it we have an unexplored clue for reviewing Heraclitus and his originality. Were it not for a recent study by Daniel Graham that placed Aristotle’s account of material monism in question, and a fortiori the origins of philosophy, my discussion would have had one course. But this new study raised important issues that help us to get clearer about Aristotle, Monism, and consequently Heraclitus. Daniel Graham has argued recently that Aristotle has it wrong – and thus also all who have followed his lead, ancient and modern. Graham claims that Aristotle attributes to the Milesians the doctrine of “Material Monism” but this expression obfuscates rather than illuminates what is at stake. While Graham agrees with Aristotle that the Ionians did claim that in the beginning there was an original stuff (= Source Monism), Graham’s thesis is that the original stuff perished in the process of generating other new things: Generating Substance Theory (GST).14 Thus, according to Graham, there is no underlying unity, no Substance Monism at all, but there is Source Monism. Can the case be made that Aristotle’s account of Milesian Source and Substance Monism is mistaken and that, instead, Anaximander and Anaximenes were proponents of GST? Graham offers what he regards to be arguments that are both “historically appropriate” and “philosophically coherent”15 to make his case, and while

12 Aristotle’s pupil who made a survey of mathematical knowledge. 13 Hahn 2017. 14 Graham 2006. 15 Graham 2006, 52 and 62.



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exploring his claims I wish to raise a new line of approach that ought to count as historically appropriate and philosophically coherent that Graham never considers, and in this way test his case. Anaximenes, and Anaximander, illuminate cosmic processes by appeal to the “felting of wool” (πίλησις) – and this “felting” offers an argument by analogy to condensation and rarefaction. Can archaeological resources and ethnographical analogy lend support to or undermine Aristotle’s claim to Source and Substance Monism or Graham’s GST? And if so, what light can this cast on the question of whether Heraclitus was a proponent of Substance Monism? Furthermore, if archaeological/ethnographical resources can lend clarity to traditional debates in classical scholarship, what new light does this shed on what also counts as evidence that is “historically appropriate” and “philosophically coherent”? How does this new approach, and new evidence, illuminate the scope, in its earliest development, of what counted as “proof” for the Greeks? To prove something was originally to show forth and reveal, to make something visible – δείκνυμι. Can watching the felter, and recreating the process of making felt count as a kind of “proof” in the archaic period? Graham regards the evidence for Thales as too uncertain to make his case though he addresses the Milesians in general. When Graham examines the ­doxographical reports on Anaximander’s cosmology, he understands that in the beginning was the ἄπειρον and from that, by some quasi-biological process, a seed is generated, and from that seed comes the opposites – hot and cold, wet and dry  – and in turn the “elements” that are comprised of them. Thus, hot and dry fire surrounds the cold and moist earth, like bark around a tree, and somehow gets separated off into concentric wheels of fire that we come to call the sun, moon, and stars. In Graham’s take on the reports, the elements transform out of each other and perish into each other, but the ἄπειρον does not seem to enter directly into these processes after it first produces the initial seed. Thus, in ­Graham’s estimation, Anaximander accepts Source Monism but does not appear to accept Substance Monism, and from this reading of him Anaximenes could not have inherited Substance Monism either. So, for Anaximander, Graham’s reading is that from this original unity – the ἄπειρον – the opposites are generated, and from them, all creation/transformation takes place but never to return again to the ἄπειρον, only back into other forms of opposites. And so, Anaximander does not subscribe to Substance Monism. The conclusion Graham recommends, then, is that there is no underlying reality, and thus change is real; there are processes that are more than alteration or modification. But it should be noted that many commentators interpret the only surviving fragment of Anaximander’s prose book to read that “from where things have their origin, into that they have their perishing” (DK 12 B 1); it is from the ἄπειρον that plurality emerges and it is back into the ἄπειρον that all diverse things return ultimately. Graham’s reading that

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the interchange is between the elements has had formidable support, but there is a substantial assembly of scholars who have advocated the reading that favors Substance Monism – that origins from and perishing into finds as its locus the ἄπειρον.16 On that reading, Anaximander is both a Source and Substance Monist, though an immaterial or supersensible monist. On Graham’s view, Anaximenes’ embrace of ἀήρ as the originating substance allows it to continue in the resulting world.17 Like Anaximander, according to Graham, Anaximenes’ originating substance articulates into successor states, but Anaximenes describes the processes of condensation and rarefaction as the process by means of which “he can at least adumbrate the laws that operate on physical objects and ultimately maintain cosmic scales in balance.”18 Thus “Anaximenes’ great achievement is to fill in the gaps of Anaximander’s grand vision with details […].”19 How does Graham defend this interpretation? He claims that it is “historically appropriate” because it does not suppose a sophisticated ontology.20 Had the Ionians been proponents of Substance Monism they would be positing an underlying substratum that persists throughout ever-changing appearances and Graham can find no evidence for this sophistication. And Graham presses this point further when he contends that GST is more “philosophically coherent” because Substance Monism requires an account of an ultimate reality beyond the sensible attributes that we perceive, and again, he can find no evidence for such an Ionian account. Moreover, Graham emphasizes that in the doxographical reports, Simplicius uses the term γίγνεσθαι and Hippolytus uses the term ἀπόγονος21 in explaining Anaximenes’ position; these terms suggest the kind of coming-to-be that is consistent with real change, more than mere alteration of a primordial stuff, and seems inconsistent with the doctrine of Substance Monism. With Graham’s thesis and its background debate in mind, let us now investigate how we might test both hypotheses – for Substance Monism as opposed to the Generating Substance Theory. How might we do this? Anaximenes offers

16 Cf. Couprie 1989, 159–199: There are scholars who take an approach shared by Graham, for example Kahn, Schwabl, Vlastos, perhaps Heidel, while those like Nietzsche, Schmitz, Gadamer, Freudenthal, Stokes, Hoelscher, and Couprie adopt the ἄπειρον reading. An important issue to be resolved here is to explain ‘why’ Anaximander might have postulated the ἄπειρον as the ori­ ginative stuff if it played no further role in the explanatory narrative. 17 Graham 2006, 83. 18 Ibid. 19 Ibid. 20 Ibid. 80. 21 Cf. Anaximenes DK 13 A 7.



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to illuminate what he means by this process of condensation and rarefaction by appeal to the felting of wool. Suppose we could recreate the process so that plausibly we would be watching just what Anaximenes and his compatriots would have witnessed, and would have been urged to imagine while hearing or reading his words? This would be an argument by ethnographic analogy, a technique I have discussed elsewhere.22 But, to simplify, the general picture is this. We have surviving pieces of felt made in the 7th century B. C.E. and earlier from greater Ionia. The materials are chemically identical with the ones we can make today by a process whose long-existing techniques are still practiced in Ionia. If we watch the felter at work, can we gain insight into what Anaximenes regarded as sufficiently illuminating to clarify his understanding of cosmic transformation by means of it? And when we do, would it support Aristotle’s claims of Substance Monism or Graham’s GST? When we isolate the evidence so far as possible can we understand better why this particular technē seemed appropriate to Anaximenes (and Anaximander), and Heraclitus, to describe and/or illuminate whether there is one underlying unity that appears as divergent multiplicity, or would it favor instead that each transformation brings forth something really new, the original perishing in the process of real change, and not just qualitative change of appearance?

2 Felting23 The early history of felt is a much-understudied field of research due to the paucity of available sources, physical remains, imagery, and written evidence. The presentation here follows an ethnographic approach, and the argument is that the ancient techniques for felting are still broadly practiced today; thus when the ancient evidence is in accord with the modern evidence, the modern practices are taken to reveal, reproduce, and confirm the ancient ones. Accordingly, we will first make preliminary considerations about the wool, then we will consider the ancient evidence, and finally we will turn to the contemporary on-going evidence for the process itself.

22 Hahn 2010, 193–196. 23 I wish to acknowledge here Agnete Wisti Lassen who many years ago prepared a report in answer to my research questions about felting. At that time, I had no clear idea about how felt was produced, but thanks to her report I was able to investigate further. In this short section, I have drawn on her report freely, and I owe footnotes 23–29 to that report.

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To understand the felting process we need to know that wool or similar fibers have a surface that is scaly (below), and it is this property that allows for felting. I am not arguing that ancient felters understood this fact for it is difficult to see the scales without a microscope or some polished glass that can significantly enlarge a strand of hair. When moisture, heat, and compression are applied, the scales join or lock together. This result is what we call felting.

Fig. 1: A greatly enlarged view of a strand of sheep hair shows that the surface is scaly.

While the felted material is much denser than the pile of wool from which it is made, it is tiny pockets of air between the fibers that accounts for the insulating property of felt. The ancient felter may well not have known that hair has scales nor that the tiny pockets of air contribute to its insulating properties, but the felter knew that by this process the wool compresses into a new appearance and can now provide cushioning, wind-breaking, and warmth. The discovery of felting is lost to the mists of time but we can make some plausible proposals about it. Our earliest ancestors discovered that covering their feet with animal skins protected them from all kinds of injury and discomfort. In warmer weather and warmer climates, the skin would have been reduced to a sole and straps to hold it on – the invention of the sandal. When the weather got colder, one solution to keeping the feet warm would have been to wrap the foot in a piece of woven wool, and then inserted in the sandal. Due to perspiration, and pressure from the foot while walking, the wool below the foot would have turned into a little mat. Here was the discovery of felt: a piece of wool that by the addition of moisture and compressing pressure became a cushion and a source of warmth.24

24 There is a European legend that ascribes the invention of felt to Saint Clement, who blistered his feet fleeing from his persecutors. To protect his feet he placed wool in his shoes and so invented felt. Of course the invention of felt took place very long before the time of St. Clement.



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The earliest evidence we have for felting was found in an archaeological excavation from Beycesultan in western Anatolia and dates to Early Bronze Age II, the middle of the third millennium B. C.E.25 In one room of the sanctuary, some pieces were found on the floor and others on the altar.26 Around 700 B. C.E. in Gordion, the capital of Phrygia in central Anatolia, a wealth of different types of textiles including felts were found in tumuli, or burial chambers. Along with the burial, in one case there was a collection of blankets set one on top of the other, some of which were woven and others felted. These finds do not reveal any details of the method of production, although Bellinger has suggested that the felt was formed directly on the loosely woven blanket.27 This interpretation means that they laid out the wool on the woven blanket building up many layers, which were then worked into a single thick felt mat. Barber, however, rejects this idea because some layers were of different colors and these colors would have been lost if everything was felted into a large coherent mass.28 We also have some important evidence from Pazyryk in the Altai Mountains, though these finds are slightly later, somewhere between the 5th and late 4th centuries B. C.E. The felts (below) were discovered in a tomb tumulus, and in this case they outnumbered the woven textiles. The selection of felts appears to be quite different from the ones found in Gordion where they were mostly household goods such as mats, blankets, wall-hangings, and bedding. In Pazyryk the felts include clothing, rugs, blankets, saddles, headgear for horses, even stuffed animals and tents.29 Felts were also decorated by an appliqué technique that involved cutting out pieces of felt in different colors and sewing them and working them into another piece of felt.

25 Note that it has also been suggested that felt was discovered as early as the 6th millennium in the famous site Çatal Höyük. Mellaart 1966, 180 writes that felt was found in the graves of level VI. Burkert 1977 examined the finds and writes that there was no sign of pattern, but it was animal hair pressed together. The find could be coincidental, and there is a gap of two millennia before any felt is discovered again. 26 Lloyd & Mellaart 1962, 40–45. 27 Bellinger 1962, 13. 28 Barber 1991, 219. 29 It seems to be very common to make caps and hats out of felt. E. g. the Greek pilidion, which were caps of conical shape to ward of rain or cold. Such caps were generally worn by artisans and sailors. We also hear in classical sources that the Medes, Scythians, and Persian wore felt caps.

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Fig. 2: The Pazyryk felts.

3 The process of making felt Today, Mr. Arik works in the town of Tire a few hours away from Miletus, and closer to Ephesus. With the help of his father who, years earlier, produced felt only in the traditional way – without recourse to modern day machinery – he recreated the original process. Before I visited Tire, I had seen photos taken in Iran showing the process. Without saying anything at first to these Turkish felters, I was amazed to see that the process was virtually identical in every respect. The process of felting begins with the shearing of sheep or goats. This step is followed by processes in which the wool is cleaned of twigs and dirt, and washed, before it is used for felting. The ancient process for cleaning wool begins with the tossing the wool into the air with a stick or a bow string, to separate it from the dirt, or achieving the same result by hand, pulling apart the wool from the dirt.



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Fig. 3: A worker cleaning the wool at the felt shop in Tire.

In the contemporary production, a machine is often employed to complete the process. It is also usual for the wool from each fleece to be divided into categories according to quality. In the written sources from the late 3rd millennium southern Mesopotamia, the poorer qualities of wool were used for stuffing and felting, and the higher qualities are used for woven textiles. The fibers are then untangled and perhaps combed. In latter periods (Roman and later) the wool could be carded, which is a way of making the wool soft and fluffy. This effect can also be achieved by hitting the wool with sticks or the string of a large bow, below. It is, however, unknown how far this method stretches back in time.

Fig. 4: By removing debris, workers clean the wool.

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When the wool has been prepared, it is placed on a mat made from the reeds gathered from the banks of the Meander River (below). The mat must be significantly larger than the intended product.

Fig. 5: We begin with a mat made from reeds along the banks of the Meander River.

Next, wool of different colors can be placed on top of (or below) the base-color to create a pattern. This follows the technique of the ancient examples that have survived from Pazyryk.

Fig. 6: Dyed wool making a design is placed first on the reed mat.



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The next step in the process is to heap wool upon the decorated pattern of colored wool; in this case, from white-wool sheep. It is striking how much the pile of wool creates the image of a cloud.

Fig. 7: Mr. Arik heaps up the white wool on top of the colored wool design.

And when multiple feltings are being produced, the imagery seems quite like the sky on a cloudy day.

Fig. 8: Mr. Arik heaps up white wool on top of two designs.

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When the pile of wool is in place, water is sprinkled on the wool. Hot water may facilitate further the felting (= the process of allowing the scales on the hair to join together) when shortly after the reed mat is rolled, that is, compressed. It is possible that other liquids were also used, perhaps whey and possibly other liquids, but no particular one would be necessary to make the process successful; what is required is moisture. Again, reflecting on Anaximenes words, the images of rain and cloud are unmistakable.

Fig. 9: Mr. Arik moistens the wool. He does so holding a pail of water and with a small broom whisks the water onto the wool in large droplets. It was quite literally watching him “rain” on the wool.

Next, the reed mat is rolled up tightly and the stage of compression begins.

Fig. 10: The moistened wool is then rolled tightly into the mat.



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The reed mat with (warm) water partially saturating the wool is subjected to a process where foot-pressure – rolling and rolling the mat – adds additional heat and compression that together with the moisture facilitates the joining of the scales.

Fig. 11: The felters roll the mat back and forth along the floor, pressing firmly with their feet as they go. Here is the moment of transformation from wool to felt, by compression.

And finally, and somewhat surprisingly, after only a few minutes, the finished product is produced. The rolling process took only ten minutes or so.

Fig. 12: Mr Arik (left) with his father holding the finished felt.

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There is one very important intermediary event that is crucial to emphasize, and it offers to shed light on a problem of understanding Heraclitus at the end of this essay. One time that I watched this felting process, an inexperienced, new member of the team did not compress the materials long enough, and the result was that neither the back of the wool felted, nor all of the strands of wool on the front side. What happened next was that more wool needed to be piled up, cloudlike on the other side, moistened again by the raining down of water, and after the materials were rolled up again, subjected to compressing, and unrolled again, the back was now fully felted as was the front. At what point could we say the wool had felted? Certainly after this final stage, but drawing the line at earlier stages is as fascinating as it is difficult to do. Just when were the stands of wool felted? When did the wool and water transform into felt? At just which moment was the pile of wool no longer simply wool but felt? Below, the felters were preparing the other side to assure the whole material – front and back – had felted completely.

Fig. 13: The felt, unfinished on the reverse side, needed more wool, moistening water, rolled and compressed.

And now comes the pivotal, philosophical question  – What does this ethno­ graphical analogy illuminate about the process of cosmic transformation? When we finish watching this process, and see the resulting felt, what did Anaximenes and his compatriots, who were surely his audience, plausibly believe they saw? Did they believe that the felt was something new, a genuine coming-to-be in which the original materials perished in the process (GST)? Or did they believe it was the same stuff – cloud-like wool, rain sprinkled water, rolled, compressed – a transformed alteration in the process (Substance Monism)? – another appearance of the same underlying unity, ἀήρ, distinguished from those other alterations by being further compressed?



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The first time I watched the process I came away unsure of my own conclusion. If, on the one hand, each piece in the process – the reed mat, dyed wool, white wool, water sprinkled over the wool, activity of rolling – were taken as separate and distinct, then the felt product could be seen as something genuinely new. On the other hand, had each piece in the process been regarded as merely an alteration of the original stuff, then, of course, the felt product would not be new at all but only another alteration – a new assembly or modification of other pieces that were all alterations themselves. Well, which was it? A few weeks later, I brought my students back to Tire to watch the felter, and all at once it became clear to me. The whole key lay in rolling the mat, and the analogy might well have been imagined as meteorological turbulence – wind, πρηστήρ, storm; the crucial ingredient was “compression” – and indeed, this is the meaning of πίλησις. What differentiates appearances is entirely accounted for by compression; it is the mechanism of cosmic transformation. In this illuminated light, it seems difficult to escape the conclusion that Graham, not Aristotle, has it wrong. Had he paid closer attention to this “historically appropriate” evidence, he should have been compelled to re-think the very late doxographical reports that include terms such as γίγνεσθαι and ἀπόγονος that suggested to him the GST thesis. Graham’s argument claims that GST is both “historically appropriate” and “philosophically coherent”; he means that the supposition of Substance Monism is without foundation for lack of metaphysical evidence of an underlying substratum. But how shall we make sense of Aristotle’s detail that Thales proposed ὕδωρ and Anaximenes ἀήρ as the original stuff? The case is clear from Ana­ximenes’ cosmology that ἀήρ transforms into water and earth and fire. According to Simplicius in his Commentary on Aristotle’s Physics, Anaximenes held that when ἀήρ becomes finer it transforms into fire; being condensed it transforms into wind, cloud, water, earth, stones; Anaximenes, like Anaximander, makes motion eternal, and alterations arise by means of it.30 Hippolytus describes the transformations similarly: When ἀήρ is most even, it is invisible, but it is revealed by the cold and the hot and the wet, and movement. It is always moving for everything that changes would not change unless it was moving. When it becomes finer, ἀήρ becomes fire, being condensed it transforms into wind. Clouds and water result when ἀήρ felts more and more. (Hippol. Haer. I.7. = DK 13 A 7 [italics added], author’s own trans.)

30 Simp. in Ph. 24.26–25.1 = DK 13 A 5.

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The same sense in these reports is repeated also by Aetius and Pseudo-Plutarch.31 But in all these cases, expressions of “change” mean “qualitative change,” alterations or modifications of the same underlying stuff. From all that we know about Anaximander and Anaximenes, they both posited a system in which one underlying unity transforms into another. So why bother to identify a primary elemental form? What would be the purpose of identifying a “beginning” elemental form (Source Monism) if it was not also an underlying substratum (Substance Monism)? Aristotle’s details make sense only if we suppose that the Milesian φυσιολόγοι were debating which stuff in the ever-changing transformations of appearances was not merely originative but ultimately “underlying.” If the ἀρχή – the beginning and underlying principle – were not the same, how shall we account for the debate among the Milesians about which enjoys prominence? On Graham’s interpretation, they were merely arguing about which came first, only to disappear as each gave rise to successor states. All held some view that each originative underlying unity transformed into the other forms, other appearances. The proposals of ὕδωρ, ἄπειρον, and ἀήρ are just proposals of what is ultimately underlying, and consequently both beginning and end. When we watch the felter, the cloud of wool and the raining of moisture provide stunning imagery whose analogy to the abstract discussion of cosmic transformation Anaximenes’ compatriots plausibly grasped immediately. Now we can return to Heraclitus to see what new light this casts onto the old problem of whether Heraclitus was a Source and Substance Monist, whether Aristotle had gotten him right. To reflect on Heraclitus in the light of Milesian monism and its process for change – compression – is to invite us to see condensation and rarefaction illuminated by felting. Had Heraclitus been influenced positively by the Milesian monists in the way we have considered, all appearances would be modifications of fire. All appearances come from fire as an originating state and pass back into it ultimately upon dissolution. The principal element is not generated but exists eternally, and from it all other appearances are generated. This world-order (kosmos), the same of all, no god nor man did create, but it ever was and is and will be: everliving fire, kindling in measures and being quenched in measures.32 (DK 22 B 30 [emphasis added], trans. Daniel W. Graham)

The process of alteration is compression and even the terms πύκνωσις and ἀραίωσις are attributed to him in the doxographical report by Diogenes Laertius,

31 Aët. III.3.2 = DK 13 A 17 and Ps.-Plu. de prim. frig. = DK 13 B 1. 32 Clem. Al. Strom. IV.105 (II.376.10). Cf. also Plu. De An. 5.1014A.



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and the generalization by Simplicius, following by Aristotle that the material monists embraced this process to account for alterations.33 The selection of fire as the principal element suggests that the process of transformations is brought into prominence; fire, even considered by itself, always remains fire though at each moment the fire is itself different. Now if all things are only fire in altered forms, then the transformations of appearances are brought about by compression (i.e. condensation and rarefaction) as the process of transformation. We have little evidence for the structure of the qualitative change but it is by quantitative equivalence. About the transformation of elementary bodies into one another, Heraclitus says: The turnings of fire: first sea, and of sea half is earth, half fireburst. (DK 22 B 31[a], trans. Daniel W. Graham) is liquefied as sea and measured into the same proportion (λόγος) as it had before it became earth.34 (DK 22 B 31[b], trans. id.)

In these elemental transformations we have a conservation of quantity, a lawlike transformation of appearances from fire to water to earth. One elemental appearance turns into other appearances but always in an equal amount. Fire turns into an equal amount of sea (i.e. water), and this appearance then turns into an equal total quantity, split in two, of earth and πρηστήρ (fiery-wind, ometimes suggesting lightning). When earth transforms back into a liquid state, the amount or quantity remains the same – there is a conservation of quantity – and consequently there is an overall cosmic maintenance of equilibrium. In a world where “flux” is fundamental, this cosmic equilibrium holds the prospect that contrary qualities remain in balance. Barnes thinks that Heraclitus’ doctrine cannot achieve this balance without engendering internal contradiction. He accepts Aristotle’s classification of Heraclitus as a material monist – a substance monist – and interprets Heraclitus to maintain that everything is in flux, in the sense that everything is flowing in some respects, which results in the coincidence of opposites (i.e. “every pair of contraries is somewhere co-instantiated, and every object co-instantiates at least one pair of contraries”35). The result, in Barnes’ assessment, is to reduce Heraclitus to internal contradiction because the flux theory and coincidence of opposites necessarily violates the laws of logic.

33 Diog. Laert. IX.8; Simp. in Ph. 149, 32 (= DK 22 A5). 34 Clem. Al. Strom. V 105 (II. 396.13). 35 Barnes 1981, 69–70.

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 Robert Hahn

But what if we think again about felting as a way by means of which the ancient peoples from Ionia came to understand and clarify by analogy cosmic compression, and hence the transformation of appearances as alterations? As I watched the felters work on one occasion, when they completed the process and unrolled the mat to reveal the finished, transformed product, the material had not fully felted; one side was mostly compressed but parts were not fully compressed, and the back showed little signs of being finished at all. Here was just a case of contrary qualities co-existing in a manner easy for all to understand in the days before the principle of the law of contradiction had been fully absorbed. Some of the wool fibers had felted, some had not, some had come together, some had not: Joints [or “lines of junction”, συνάψιες] are whole and not whole, being drawn together and being drawn apart, being in unison while being dissonant, that is to say, one out of all things, and all things out of one.36 (DK 22 B 10, author’s own trans.)

The model of contraries in Heraclitus is a series of interconnected states, as one gives rise to the other, as the strands of wool become joined together into a firm collection upon compression, and like other interconnected processes, can disjoin to resume earlier, and different states, in turn. These things are the same: living and dying, being awake and being asleep, young and old. The former (of each pair) moving to become the latter, is moving again to become the former.37 (DK 22 B 88, author’s own trans.)

Living and dying are both part of any person’s experience, one moment one is alive and the next moment dead. We are asleep at one moment and awake in the next moment. The same person is at one-time young and at another old. But let’s focus on the lines of junction, the points of transition – συνάψιες. The strands of wool are at one moment disjointed and in the next moment fully joined and felted. In the light of formal logic, the clarity of Heraclitus’ pronouncement may come into question, but his meaning was likely accessible and clear to his compatriots. The lines of demarcation from one state to another are not always clear; when one awakens but is still half-asleep or groggy, as we say, which is it – asleep or awake? One state passes into another almost seamlessly, and yet while the points of transition are not always clear, when it seems contraries can both inhere simultaneously, the transitions that finally result are perfectly distinct – alive or dead.

36 Arist. Mu. 5.396b7. Some translators prefer “collections” for συνάψιες. 37 Ps.-Plu., Cons. ad Apoll. 10.106e.



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Graham thought that Aristotle had it wrong, that while the Milesians were source monists, they were not substance monists but rather were proponents of a Generating Substance Theory. Had Graham paid more attention to the process of felting  – and the importance of observation and experience that he emphasizes  – perhaps he would have come to see matters differently? The process of felting illuminates the importance of compression for cosmic transformation and it shows that quantitative equivalence is maintained, though the appearance is transformed. The moment when wool and water become felt is hard to say, though at one moment it is a pile of disconnected materials, and some moments later it is felt. But there are intermediary moments when the state of things is neither the original pile nor the completed product, and yet clearly, one state transforms into another. Well, someone might ask: “Which is it, a pile of moistened wool or felt?” And the answer that would have been clear to 6th century Greeks was: “It is both, and neither”, without the slightest sense that they had contradicted themselves so as to render their pronouncements meaningless and self-stultifying. Everyone could see the fuzziness of lines of junction, and no one would have been troubled to understand how contraries could both belong to one and the same thing. Compression is the process of transforming the one to the other, and that transition is on its way. “The way up and down are one and the same”, says Heraclitus – there is a continuous road of transitions, one into the other, the in-between stages “both … and”. Heraclitus was a source and substance monist, and Aristotle, not Graham, had it right.

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 Robert Hahn

Hahn (2010): Robert Hahn, Archaeology and the Origins of Philosophy, Ancient Philosophy series, State University of New York Press, Albany, NY. Hanh (2017): Robert Hahn, The Metaphysics of the Pythagorean Theorem: Thales, Pythagoras, Engineering, Diagrams, and the Construction of the Cosmos out of Right Triangles (= Ancient Philosophy series, State University of New York Press). Kirk & Raven (1971): G. S. Kirk & J. Raven, The Presocratic Philosophers. A Critical History with a Selection of Texts, Cambridge. Lassen (Unpublished): Agnete Wisti Lassen, “The Felting of Wool”, Unpublished Research Report. Lloyd & Mellaart (1962): Seton Lloyd & James Mellaart, Beycesultan, vol. 1: The Chalcolithic and Early Bronze Age Levels, London. Mellaart (1967): James Mellaart, Çatalhöyük. A Neolithic Town in Anatolia, London.

Illustrations and photographic sources Fig. 1: from the unpublished report of Agnete Wisti Lassen. – Fig. 2: https://en.wikipedia.org/ wiki/Pazyryk_burials. – Fig. 3: photo taken by the author. – Fig. 4: photo taken from the report by Agnete Wisti Lassen. – Fig. 5–13: photos taken by the author.

Abstract In both ancient and modern traditions of interpretation, the fragments of Heraclitus have been hard to organize to produce a consistent and coherent doctrine. In a recent study, Daniel Graham argues that consistency and clarity among Heraclitus’ fragments can be secured only if we would see that he is responding to the Milesians, but not the doctrine attributed to them by Aristotle – Material Monism (MM)  – but rather the Generating Substance Theory (GST)  – Aristotle had it wrong. MM holds that there was an originating stuff out of which all things are made (= source monism), and all appearances are only modifications of this permanent underlying stuff (= substance monism); thus there is no real change but only alteration, and upon dissolution there is a return to this basic stuff. GST holds, on the other hand, that there was an originating stuff (= source monism), but the original perished upon transforming into successor states, and there was no return to the basic stuff upon dissolution (=  NO substance monism). Thus, only when we see that, contrary to the conventional view, Heraclitus is agreeing with the Milesians’ GST, he now goes to resolve difficulties with GST, not MM. Graham’s most detailed case for GST concerns Anaximenes’ doctrine of aēr. Surprisingly, he never explores the technical analogy by which Anaximenes



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clarifies his own position to account for qualitative change, namely, by analogy with the felting of wool (pilēsis). Anaximenes explains that when the basic stuff is compressed, it “felts” – aēr becomes wind, cloud, rain, rivers and seas, earth, and stone. Graham’s whole case about Heraclitus rests on his thesis of GST for the Milesians. Suppose we could recreate the ancient process of felting? Could this exercise in experimental archaeology, by way of an ethnographic analogy, confirm or undermine Graham’s thesis? I found nearby to Ephesus and Miletus, in the town of Tire, craftsmen who were still practicing the original tribal technique of making felt and photographed the process. After presenting the series of steps, can we decide about MM vs GST? And then, what of Heraclitus’ doctrines in this new light?

Lutz Käppel

Heraklits Kosmologie als Praxis von Modellierung 1 Einleitung und Fragestellung Heraklit wird seit der Antike ‘der Dunkle’, σκοτεινός, genannt, ein αἰνικτής, ein ‘Rätselsteller’ (Diog. Laert. 9, 6), und sein Buch gilt auch manchen jüngeren Philosophiehistorikern unserer Zeit1 als Rätselbuch (obwohl genau genommen nur ein einziges Rätsel, das sogenannte Läuserätsel, überliefert ist).2 In der Antike wurde die Charakteristik, die zunächst und vor allem natürlich eine Charakteristik seines Werkes, das heißt: seines Buches war, auch und gerade auf seine Person übertragen. Diogenes Laertios z. B. beschreibt ihn als arrogant und hochmütig. Sein Buch sei absichtlich in dunkler Sprache gehalten, damit nur die wirklich Berufenen sich mit ihm beschäftigten: Ein Misanthrop, der seine Weisheiten vor der dummen Masse lieber verbergen wollte, weil er sie verachtete.3 Im Gegensatz dazu steht der hohe Anspruch seiner Philosophie, der auch schon in der Antike seine Wirkung nicht verfehlte. Ebenfalls bereits bei Diogenes Laertios heißt es: „Seine Schrift gelangte zu so hohem Ansehen, dass es auch schülermäßige Anhänger von ihm gab, die sog. Herakliteer“ (Diog. Laert. 9, 6). Doch nicht nur dies: Auch die Moderne hat Heraklits philosophische Leistung stets hoch geschätzt; Schleiermacher, Hegel, Nietzsche, Heidegger: Sie alle waren von Hochachtung erfüllt. Und in der Tat scheint Heraklit nach allem, was wir aus den Fragmenten noch erkennen können, der erste Denker der abendländischen Tradition zu sein, der über den Entwurf eines neuen (natur-)philosophischen Weltbildes hinaus eine vielschichtige philosophische Systematik entwickelt hat, die viele Lebensbereiche umfasst: neben der Physik und Kosmologie auch Politik, Psychologie, eine quasi-Wissenschaftstheorie, Erkenntnistheorie und manch anderes mehr. Der folgende Beitrag verfolgt dagegen ein bescheideneres Ziel: Er möchte auf den folgenden wenigen Seiten lediglich die Frage stellen, aus welchem Grunde Heraklits Darstellung seiner Philosophie eigentlich so merkwürdig, so dunkel ist. Weshalb sind die Aussagen so verrätselt? Ist es tatsächlich – wie einige Frag-

1 So z. B. Rapp 1997, 61; Sier 2012, 41. 2 Heraklit DK 22 B 56 = 21 M. 3 Vgl. Diog. Laert. 9, 1 f. und 6.

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 Lutz Käppel

mente es nahe legen  –, um die Wahrheit der philosophischen Aussagen nur den wenigen berufenen Geistern zugänglich zu machen und sozusagen vor dem unsachgemäßen Gebrauch durch die dumme Masse zu schützen? Wie es z. B. in DK 22 B 104 = 101 M. heißt:4 τίς (γὰρ) αὐτῶν νόος ἢ φρήν; δήμων ἀοιδοῖσι πείθονται καὶ διδασκάλωι χρείωνται ὁμίλωι οὐκ εἰδότες ὅτι ‘οἱ πολλοὶ κακοί, ὀλίγοι δὲ ἀγαθοί’.

In der Übersetzung von Mansfeld/Primavesi 2011: Was haben sie eigentlich für einen Begriff oder Verstand? Sie hören auf Volkssänger und bedienen sich der großen Menge als Lehrer, nicht wissend, dass ‘die meisten schlecht sind und nur wenige gut’ [sc. deren Ausführungen zwar verständlich, aber unzutreffend sind].

Ähnlich DK 22 B 17 = 3 M.: οὐ (γὰρ) φρονέουσι τοιαῦτα πολλοί, ὁκόσοι ἐγκυρεῦσιν, οὐδὲ μαθόντες γινώσκουσιν, ἑωυτοῖσι δὲ δοκέουσιν. Die Leute verstehen die Dinge nicht, die ihnen begegnen, und wenn diese ihnen erklärt werden, begreifen sie sie nicht und beharren auf ihren privaten Einsichten.

Oder DK 22 B 34 = 2 M.: ἀξύνετοι ἀκούσαντες κωφοῖσιν ἐοίκασιν· φάτις αὐτοῖσιν μαρτυρεῖ παρεόντας ἀπεῖναι. Die ohne Verständnis hören, gleichen Tauben; das Sprichwort bezeugt es ihnen: „Anwesend sind sie abwesend.“

Ist es also so, dass unser mangelndes Verständnis bei der Lektüre uns, die Leser, als Taube, als anwesend Abwesende ausweist? Schauen wir uns die Art der Schwierigkeit der herakliteischen Fragmente einmal exemplarisch an, um einer Antwort auf die Frage nach der Rätselhaftigkeit der Heraklitfragmente zu erhalten. Ich beginne mit dem bekannten Sonnenfragment, das von Plutarch (De exilio 604a) überliefert ist, DK 22 B 94 = 52 M.: Ἥλιος γὰρ οὐχ ὑπερβήσεται μέτρα· εἰ δὲ μή, Ἐρινύες μιν Δίκης ἐπίκουροι ἐξευρήσουσιν. Die Sonne wird die Maße nicht überschreiten; sonst werden sie die Erinyen, die Helferinnen der Dike, ausfindig machen.

4 Die Fragmente Heraklits werden hier nach der Textausgabe von Diels/Kranz zitiert. Zum Vergleich ist jeweils die Fragmentnummer bei Marcovich angegeben, unbeschadet einer ggf. abweichenden Textkonstitution.



Heraklits Kosmologie als Praxis von Modellierung 

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Der Derveni-Papyrus, col. 4, Zeile 7–10 bestätigt dieses: ἥλι[ος …]. ου κατὰ φύσιν ἀνθρω[πηΐου] εὖρος ποδός [ἐστι,]| τὸ μ[έγεθο]ς οὐχ ὑπερβάλλων εἰκ[ότας οὔ]ρους ε[ὔρους]| [ἑοῦ· εἰ δὲ μ]ή, Ἐρινύε[ς] νιν ἐξευρήσου[σι, Δίκης ἐπίκουροι·]|[ὅμως δὲ μηδὲν ὑπερ]βατὸν ποῆι κ[ […] Gemäß ihrer Natur ist die Sonne so breit wie der menschliche Fuß. Sie übersteigt ihre Grenzen nicht; denn wenn sie ihre Breite um etwas überschreiten würde, so würden die Erinyen sie ausfindig machen, die Helfer des Rechts. Dennoch […].5

Dem entspricht das Fragment DΚ 22 B 3 = 57 M.: (περὶ μεγέθους ἡλίου) εὖρος ποδὸς ἀνθρωπείου. (über die Größe der Sonne) einen menschlichen Fuß breit.

Das Maß, das die Sonne nicht überschreitet, ist demnach ihre Breite von einem Fuß. Es scheint also klar, dass es um eine kosmologische Beschreibung der Sonne geht: Sie ist einen Fuß breit, nicht mehr.6 In DK 22 B 94 = 52 M. wird jedoch eine bemerkenswerte, diesen an und für sich einfachen Sachverhalt merkwürdig verunklärende Formulierung gebraucht: Für das „nicht mehr als ein Fuß“ steht: „sonst werden sie die Erinnyen, die Helferinnen der Dike, ausfindig machen.“ Was soll das bedeuten? Soll es ernsthaft bedeuten, dass hier die Erinnyen als Helferinnen der Dike am Werk sind, wie wir sie z. B. aus Aischylos Eumeniden kennen, wie sie am Fuß des Areopag in Athen kultisch verehrt wurden oder wie sie schon von Hesiod in der Theogonie (V. 185) als Kinder der Gaia beschrieben sind? Die modernen Interpreten scheinen die Formulierung als eine Art Metapher für die strikte Einhaltung von Naturgesetzen (eben der Dike) zu betrachten. So schreiben die Herausgeber des Derveni-Papyrus über die Erinnyen: In their role as servants of Dike Heraclitus’ Erinyes need not to be understood literally as divine agents charged with punishing a Sun prone to exceeding its assigned width. The latter can be plausibly understood as a mythological personification of the inescapably strong way in which the Sun possesses a fixed width in accordance with its real constitution […]. If the Erinyes, who will catch the Sun in case it exceeds its width, personify the inescapably strong way in which the Sun has a stable diameter in accordance with its real constitution, they are not different from Parmenides’ mighty Ananke.7

5 Übersetzung nach Mansfeld/Primavesi 2011, 273 mit eigenen Modifikationen. 6 Damit scheidet die Deutung von Kahn 1979, 159–161, die Bahn der Sonne sei konstant, aus. 7 Kouremenos u. a. 2006, 159. – Parmenides DK 28 B 8, 31 f.

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Die Erinnyen werden also als mythologische Personifikationen gefasst, die ein Phänomen bezeichnen, das z. B. Parmenides direkt Ananke nennt, wir würden es vielleicht ‘Naturgesetz’ o. ä. nennen. Doch ist eine so verkürzte und verkürzende Interpretation der literarischen bzw. darstellerischen Verfahrensweise Heraklits eigentlich berechtigt? Weshalb vermischt er in so (wohl auch für antike Leser) irritierender Weise die Lebensbereiche? Man könnte sogar die Frage stellen: Welcher Sachverhalt ist hier eigentlich gemeint? Bilden hier religiöse Vorstellungen aus dem Bereich des Rechts ein semantisches Feld, mit dessen Hilfe metaphorisch eine naturwissenschaftliche Aussage über die Sonne und die Konstanz ihres Durchmessers getroffen werden soll? Oder ist die Sonne und ihr Durchmesser nur ein Zeichen für das Wirken von Erinnyen auch im Bereich der Natur (wo man sie gar nicht erwartet hätte)? Wie passen sozial-religiöse Konzepte und physikalische Konzepte zusammen? Handelt es sich hier nur um ein Phänomen der sprachlich-literarischen Oberfläche in dem Sinne, dass ein Bereich sprachlich herangezogen wird, um metaphorisch auf etwas zu verweisen, was ‘eigentlich’ gemeint ist (also: ‘Erinnyen’ und ‘Dike’ stehen für ‘Naturgesetz’). Ein solches Vorgehen würde dann aber doch eigentlich nicht zur Verdeutlichung der Sachverhalte – wie Metaphern es eigentlich leisten  –, sondern zu deren Verschleierung dienen und man müsste sich ernsthaft fragen, welchen Sinn es hat, so kühn Gegenstandsbereiche zu vermischen. Und auch in der Antike hat man dieses Problem offenbar schon gesehen, und zwar genau an der Schnittstelle zwischen Naturphilosophie und sozialer Sphäre, den beiden Bereichen, zwischen denen auch unser Sonnenfragment oszilliert. Diogenes Laertius (9, 15) berichtet nämlich, dass der Grammatiker Diodotos gesagt habe, die Schrift des Heraklit sei gar nicht περὶ φύσεως, ‘Über die Natur’, sondern περὶ πολιτείας, ‘Über die Verfassung’, den Staat, das Gemeinwesen; die Ausführungen über die Natur aber lägen lediglich in Form eines Paradeigmas, eines Modells, vor. Πλεῖστοί τέ εἰσιν ὅσοι ἐξήγηνται αὐτοῦ τὸ σύγγραμμα· […] τῶν δὲ γραμματικῶν Διόδοτος, ὃς οὔ φησι περὶ φύσεως εἶναι τὸ σύγγραμμα, ἀλλὰ περὶ πολιτείας, τὰ δὲ περὶ φύσεως ἐν παραδείγματος εἴδει κεῖσθαι. Es gibt sehr viele, die seine Schrift gedeutet haben: […] von den Grammatikern Diodotos, der sagt, dass die Schrift nicht ‘von der Natur’ handele, sondern ‘vom Gemeinwesen’, und dass die Aussagen über die Natur in der Form eines Paradeigmas vorlägen [Diog. Laert. 9, 15; Übers. des Verfassers].

Also bereits Diodotos, offenbar der Lehrer Ciceros, hat die Problematik auf den Punkt gebracht: Worum geht es eigentlich? Um die Natur? Oder um soziale



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Ordnung? Für Diodotos wäre die Natur das Paradeigma, das Modell,8 für die soziale Ordnung, und nicht, wie wir modernen Interpreten geneigt sind zu glauben, umgekehrt. Damit stellt sich nun ganz verschärft die Frage, wie Heraklits verrätselte Formulierungen zu verstehen sind: als Analogien zwischen verschiedenen Gegenstandsbereichen, als Metaphern für das ‘eigentlich’ Gemeinte, oder gar als Ausdruck für die Einheit von allem – und hier greife ich ein wenig vor –, die Einheit, die nach Heraklit als Logos den (in sich in Gegensätzen strukturierten) Erscheinungen innewohnt? Im Folgenden soll nun der Begriff des Modells, des Paradeigmas, wie er von Diodotos vorgegeben ist, als heuristisches Mittel verwendet werden, um dem herakliteischen Verfahren nachzugehen. Heraklits Ausformulierung seiner Kosmologie soll als Akt von Modellierung erklärt werden. Dabei sollen mithilfe einer ‘Semiotik’ des Modells im Allgemeinen und der (zu erhellenden) ‘Kultur’ des – nennen wir es einmal: Modellierens im frühgriechischen Denken im Besonderen die rätselhaft-provokativen Übergänge zwischen den Gegenstands- und Lebensbereichen erklärt werden. Am Ende wird als Ergebnis zwar nicht eine umfassende Skizze der Kosmologie Heraklits stehen, aber doch wenigstens die Frage nach der Stellung der Kosmologie im Gesamtkonzept Heraklits aufgeworfen werden. Ist der Kosmos selbst nur ein Zeichen für den Logos? Sind die Konzepte aus der menschlichen Lebenswelt Zeichen für die Gestalt des Kosmos? Welche Rolle spielt die Rationalität für die Entschlüsselung der Welt? Und überhaupt: Was ist eigentlich ein Zeichen wofür?

2 Zum Begriff des Modells Ich beginne mit der Frage: Was ist überhaupt ein Modell allgemein?9 Wir kennen Modelle aus der modernen Lebenswelt zuhauf: Es gibt phänomenologische Modelle, mathematische Modelle, analoge Modelle, ikonische Modelle, FotoModelle, usw. In der Wissenschaft haben Modelle einen besonderen Status: Sie unterscheiden sich von der Theorie, die sehr viel allgemeiner ist, und dem Experi-

8 Zum Begriff des Paradeigmas im Sinne von ‘Modell’ im frühen griechischen Denken siehe ­Käppel 1999, wo der früheste Beleg des Wortes in einer Inschrift im Tunnel des Eupalinos auf Samos (Mitte des 6. Jhs. v. Chr.) besprochen ist. 9 Die folgenden Ausführungen nehmen insbesondere die von Claas Lattmann (z. T. mit Björn Kralemann) erarbeiteten Konzepte im Anschluss an Charles S. Peirce auf: Lattmann 2010, 19–35; Lattmann 2012; Kralemann/Lattmann 2013a; Kralemann/Lattmann 2013b; Lattmann 2015.

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ment, das immer nur ein einziges spezielles Ereignis darstellt. Sie haben also eine irgendwie geartete Mittelstellung. Auf eine gewisse Weise scheinen sie Wissen zu enthalten, bisweilen sogar zu generieren. Sie treten meist in Handlungszusammenhängen auf und haben dort eine spezielle Funktion: Ein U-Bahn-Plan z. B. gibt nicht die Realität wieder, er hat im Grunde kaum eine ‘echte’ Ähnlichkeit mit der realen Welt – eine solche gibt es nur in einer einzigen Hinsicht: der Folge der Haltestellen und der Kreuzungspunkte der verschiedenen Linien, und nur diese beiden Merkmale sind für den Nutzer interessant; wie die Kurven verlaufen, wie lang die Strecken sind, und wie es über der Erde aussieht, ist für ihn uninteressant. Die Semantik des Modells ist immer ein Problem, man muss sie kennen, um ein Modell lesen zu können. Der ontologische Status eines Modells ist dabei besonders problematisch. Modelle sind offenbar Zeichen, die eine Ähnlichkeitsstruktur zwischen Modell und Objekt aufweisen. Modelle sind aber doch offenbar eine spezielle Art von Zeichen. Doch was für eine? Hier haben Björn Kralemann und Claas Lattmann nun vorgeschlagen, eine Antwort auf der Linie des amerikanischen Semiotikers Charles S. Peirce zu geben.10 Herkömmliche Zeichentheorien nämlich, etwa die von Ferdinand de Saussure, scheinen wenig geeignet, Grundlage einer Modelltheorie zu sein. Sie betrachten die Beziehung zwischen Zeichen und Objekt, signifiant und signifiée, als grundsätzlich beliebig, aber im Prinzip eindeutig: Es ist also reine Konvention, welches Zeichen ich wähle, um etwas zu bezeichnen. Es besteht keine Ähnlichkeit zwischen Zeichen und Objekt, doch die Verweisstruktur ist eindeutig. Das Modell jedoch hat eine (wie auch immer geartete) Ähnlichkeit mit dem, was es darstellt, und ist insofern nicht beliebig, andererseits mangelt es ihm häufig an Eindeutigkeit, insbesondere wenn der Sachverhalt, den es repräsentieren soll, gar nicht konkret vorliegt, und das Modell eine Art geistiger Annäherung darstellt, wie z. B. ein Modell des Kosmos oder ein Modell des Atoms, beides Dinge, die noch nie jemand gesehen hat und zu denen ein Modell lediglich eine geistige Annäherung darstellt. Modelle haben also Merkmale ihrer Objekte, aber nicht alle und noch einige dazu. Zudem ist nichts Modell per se. Es ist eher die Frage: Was erkläre ich zu einem Modell wofür? Eine Holzplatte mit einer Anordnung von Streichholzschachteln mag ein Architekturmodell für eine zu bauende Siedlung oder für die mikroskopische Struktur einer neuartigen Kunststoffoberfläche sein.

10 Siehe insgesamt Kralemann/Lattmann 2013a.



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Zentral sind in diesem Zusammenhang ‘ikonische’ Zeichen: Sie haben eine Ähnlichkeit zur Qualität ihres Objektes mittels ihrer eigenen Qualität, oder wie Peirce es ausdrückt, für das Zeichen allgemein: A sign, or representamen, is somthing which stands to somebody for something in some respect or capacity. It addresses somebody, that is, it creates in the mind of that person an equivalent sign, or perhaps a more developed sign. That sign which it creates I call the interpretant of the first sign. The sign stands for something, its object. It stands for that object, not in all respects, but in reference to a sort of idea, which I have sometimes called the ground of the representamen (Peirce, Coll. Pap. 1, 564).11

Ein Zeichen im Peirce’schen Sinne ist also eines von Relativität und KontextAbhängigkeit. Zeichen und Objekt decken sich nicht. Ein Zeichen ist immer nur Zeichen von etwas im Hinblick auf einen bestimmten Aspekt; die Bewertung als Zeichen unterliegt subjektivem Urteil; semantisch erhält ein Zeichen seine Bedeutung nur durch ein Drittes. Jedes Zeichen ist nur Zeichen durch ein Subjekt, überhaupt ist die Welt nur verfügbar durch Zeichen. Zusammengefasst bedeutet dies: Ein Zeichen (representamen) steht für ein Objekt mit einem bestimmten Ziel, zu einem bestimmten Zweck. Das Zeichen generiert im Zuge dessen eine Deutung, eine Be-deutung, im Subjekt und steht stets in Hinsicht auf einen Grund, eine Idee, die in einem Vorwissen, einer Theorie oder einer Sprache vorgegeben ist. Doch von den Zeichen zurück zu den Modellen. Welche spezifischen Zeichen sind Modelle? Modelle sind jedenfalls keine linguistischen Zeichen. Das Wort ‘Haus’, H – A – U – S ist kein Modell. Was für eine Art von Zeichen aber ist ein Modell? Peirce unterschied drei Arten von Zeichen: I. „Icons“, II. „Indexes“, III. „Symbols“.12 1. „Icons“ zeichnen sich durch eine intrinsische Qualität aus. Sie haben unter bestimmten Aspekten und Rücksichten Ähnlichkeit, sie sind ihren Objekten im weitesten Sinne analog. (Landkarte). 2. „Indexes“ sind ohne qualitativen Bezug. Sie sind bloß deiktisch (ein Parkschild, blau, rund, mit einem P verweist zeichenhaft auf einen Parkplatz, weist aber selbst keine Ähnlichkeit mit einem Parkplatz auf). 3. „Symbols“ bieten eine Assoziation von Ideen komplexer Art (z. B. das ‘Kreuz’ ist ein Symbol für den christlichen Glauben). Es ist evident, dass „Icons“ diejenige Zeichensorte sind, die für die Entwicklung eines Modellbegriffs interessant sind. Denn nur sie verfügen über eine Ähnlichkeit mittels ihnen anhaftender Charakteristika. Peirce unterscheidet drei Arten von „Icons“ (Peirce, Coll. Pap. 2, 276 f.):

11 Nach Kralemann/Lattmann 2013a, Kap. 3.1. 12 Zum Folgenden siehe ebd., Kap. 3.2. mit Peirce, Coll. Pap. 2, 247–249.

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1. „Images“: Bilder, die durch einfache Qualitäten einzelne Eigenschaften ihrer Objekte direkt abbilden. ‘Bilder’ in jeder Form sind denn auch die Sorte von Icons, die bildlichen Modellen zugrunde liegen (z. B. Architekturmodell, Atommodell etc.). 2. Diagramme: Sie weisen keine bildliche, sehr wohl aber eine relationale oder strukturelle Ähnlichkeit auf. Als Beispiel könnte eine mathematische Formel dienen: a2 + b2 = c2 ist z. B. ein Icon, das strukturell auf eine Wirklichkeit verweist, aber keine bildliche Ähnlichkeit hat. Oder ein Tagungsprogramm: Auch dieses verweist auf die Vortragenden, die Inhalte der Vorträge, ihre Reihenfolge, die Zeiten, ist also der Tagung (bzw. bestimmten relevanten Aspekten der Tagung) in strukturellem Sinne ähnlich und bildet sie ab. 3. Die dritte Gruppe von Icons weist eine semiotische Ähnlichkeit auf. Peirce nennt sie „models of a novel semiotic fact“ und meint damit, was wir gemeinhin ‘Metaphern’ nennen.13 Sie sind gleichsam doppelt ikonisch, insofern in ihnen das semiotische Dreieck doppelt geschachtelt auftritt: Die Triade Zeichen – Objekt – Deutung – entfaltet sich sowohl auf der Zeichenebene als auch auf der Objekt­ ebene, die dann ihrerseits zur Zeichenebene wird und mit dem Zeichen in einen Rückkoppelungsprozess tritt. Man nehme z. B. den Satz „Achill ist ein Löwe“. ‘Löwe’ steht darin zeichenhaft für Achill im Hinblick auf – sagen wir – Wildheit, Mut, Brutalität, Mordlust, Blutgier usw. Qua Metapher wird aber auch umgekehrt der ‘Löwe’ sozusagen von ‘Achill’ her mit Sinn aufgeladen, für den der Löwe ja steht: Der Löwe ist ja Achill, der somit auch seinerseits zum Zeichen für das Objekt Löwe wird. Wir sehen in Achill einen Löwen. Mit dem Löwenhaften in ihm verweist ‘Achill’ auf den ‘Löwen’. Metaphern sind also Metamodelle im Peirce’schen Sinne: Objekt und Zeichen, Gegenstand und Modell, Sache und Metapher sind in Balance, verweisen gegenseitig aufeinander und wechseln sozusagen oszillierend ihren Objekt- und Zeichenstatus: Der Löwe steht zeichenhaft als Metapher für Achill, Achill verweist zeichenhaft auf den Löwen. Dies geschieht unter einem mehr oder weniger diffusen Deutungshorizont: Die Rücksicht, unter der bei der Metapher beide Elemente – Achill und Löwe – Objekt und Zeichen jeweils für­ einander werden, wird dezidiert in die Deutungsecke des semiotischen Dreiecks geschoben. Es ist das Dritte, das Allgemeine (in unserem Fall: die Wildheit, Mordlust, der Mut, oder gar das Majestätische, das Königliche), die dem Rezi­pienten in der Metapher zur Aufgabe wird. Die Landkarte, das Atommodell oder das Diagramm liefert dem Rezipienten reduktionistische Deutungen des Objektes, in der Metapher wird der Rezipient zur aktiven Instanz, die bei der Deutung selbst

13 Vgl. dazu Lattmann 2012.



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das Tertium, das Allgemeine bestimmen muss. Kralemann/Lattmann nennen deshalb Metaphern auch kognitive Modelle.14 Was bedeutet nun diese semiotische Skizze für ein adäquates wissenschaftsphilosophisches Verständnis von Modell und Modellierung von Wirklichkeit? Die moderne Modelltheorie spricht von einem Modell stets als von einem „Modell einer Theorie“ („model theory“),15 und zwar im Sinne einer instantialisierenden Konzeption von Modell oder – um es in den Worten des Doyens der internationalen Modelltheorie, Alfred Tarski, zu sagen: Ein Modell ist die Interpretation von Variablen einer Theorie. Modelle bewegen sich also stets im Kontext irgendeiner Theorie, eines Vorwissens, einer wie auch immer gearteten ‘Sprache’ im weitesten Sinne (dem, was Peirce „ground of interpretation“ genannt hatte).16 Phänomenologische Modelle in rein repräsentierender Funktion lasse ich jetzt hier beiseite; auch für sie gilt, was für die komplexen Fälle gilt. Was also mit der Formel von „Modell einer Theorie“ angesprochen ist, verweist auf den zwingenden Umstand, dass ein Modell immer von einer Theorie abhängig ist. Eine besondere Bedeutung kommt dabei der Sprache zu, Sprache im weitesten Sinne, als dem Einsatz von Symbolen im Kontext einer kulturellen Praxis. Sprachen implizieren stets Theorien, d. h. Wissen über die Welt (was ist möglich, notwendig, unmöglich, welche Regeln gelten, usw.?). So gibt es eine ‘Sprache’ der Physik, eine der Mathematik, eine der Musik, eine der Kunst, eine Alltagssprache, usw. Jedes Objekt erscheint verschieden in den verschiedenen Sprachen. Eine Mozart-Sonate z. B. erscheint in der Sprache der Musikwissenschaft anders als in der Sprache der physikalischen Akustik, ein Dreieck in der Sprache der Mathematik anders als in der Sprache der Kunst oder der Alltagssprache. Je nachdem, in welchem Sprach- resp. Theorie-Kontext ich mich befinde, erhalte ich als Modell einer Mozart-Sonate entweder eine Zahlenreihe mit Schwingungsfrequenzen oder eine Noten-Partitur oder eine verbale Beschreibung des Klangerlebnisses im Stile eines Musikkritikers. Oder noch einmal etwas theoretischer: Ausgehend von einem formalen symbolischen System, einer abstrakten Theorie, wird ein mögliches Beziehungssystem interpretierter ­Variablen durch Axiome und Ableitungsregeln formuliert. Jede Interpretation der ­Variablen, die die Axiome und abgeleiteten Sätze wahr machen, ist ein Modell der Theorie. Dabei kann die Interpretation der Variablen nicht aus der Theorie abgeleitet werden. Sie ist abhängig vom Objekt, das im Kontext der Theorie modelliert werden soll. Das Modell hat also eine Mittelposition zwischen einer Theorie und

14 Kralemann/Lattmann 2013a, Kap. 3.2, unter Punkt (c). 15 Kralemann/Lattmann 2013a, Kap. 4 init. 16 Kralemann/Lattmann 2013a, Kap. 4.1.

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dem theoriefreien Objekt selbst (falls so etwas denn überhaupt existieren kann). Es ist – wie gesagt – die Instantialisierung der Theorie am Objekt. Am Anfang der Modellierung steht also die Vorentscheidung über den theo­ retischen Kontext. Er ist die Voraussetzung für das Modell überhaupt. Dies gilt übrigens sogar für bildliche Modelle im engsten Sinne: Die ‘Theorie’ bestimmt, was relevant ist. Der U-Bahn-Verkehr z. B. ist grundsätzlich durch die Verbindungen zwischen den Bahnhöfen bestimmt. Nur sie und die Umsteigemöglichkeiten zwischen den Linien sind für den Fahrgast relevant. Der tatsächliche Streckenverlauf mit seinen konkreten Kurven, Geraden, präzisen Entfernungen, Himmelsrichtungen etc. ist irrelevant. Das Modell hingegen transzendiert dann die Theorie durch Konkretisierung: Der U-Bahn-Plan von Berlin. Oder London. Oder Athen. Da sich aber jedes Modell auf ein spezielles Set von Objekten bezieht, ist es von diesem, und nur von diesem ein Modell. Das Modell ist also einerseits determiniert von der semantischen Struktur der Theorie, und andererseits von den Eigenschaften des modellierten Objektes oder der modellierten Objekte. Er repräsentiert das Original im Kontext einer Theorie, eben als „icon“. Die Ähnlichkeit eines Modells mit seinem Objekt ist demnach ein komplexer Zusammenhang. Ein Set von Attributen des Objektes bzw. der Vorlage, als Konkretisierung der Variablen einer abstrakten Theorie, bestimmen die Syntax des Modells, die vom Rezipienten, wenn er die Theorie durchschaut, auf das Objekt rückbezogen werden, so dass er dieses besser versteht bzw. überhaupt erst wahrnehmen kann (z. B. beim U-Bahn-Plan von Berlin). Die Modelle repräsentieren die Attribute oder Relationen ihrer Originale durch ihre eigenen Attribute oder ihre Syntax. Diese Repräsentation kann bildhaft (image-like), strukturell oder kognitiv-semiotisch bzw. metaphorisch sein. Ganz gleich jedoch, welches Verfahren von Modellierung gewählt ist, es dient dem erkennenden Zugriff des Produzenten wie auch Betrachters des Modells auf Objekte der Welt und  – notwendigerweise  – durch sie hindurch auf das Allgemeine, die Theorie, sozusagen die ‘Sprache’ der Welt.

3 Heraklits philosophische Methode und ihre sprachliche Darstellung als Modellierung Mit dieser gleichsam semiotischen Schärfung der Begriffe möchte ich nun meinen Blick zurück zu Heraklit wenden. Schon bei dem von uns eingangs besprochenen Fragment verknüpfen sich Aussagen, die sich – so die hier vorgeschlagene Hypothese  – auf verschiedenen Ebenen als verschiedene Formen von Modellierung interpretieren lassen:



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So bereits in Pap. Derveni col. 4, 7 (DK 22 B 3 = 57 M.): ἥλι[ος …].ου κατὰ φύσιν ἀνθρω[πηΐου] εὖρος ποδός [ὲστι]. Ihrer Natur nach ist die Sonne einen menschlichen Fuß breit.

DK 22 B 99 = 60 M.: εὶ μὴ ἥλιος ἦν, ἕνεκα τῶν ἄλλων ἄστρων εὐφρόνη ἂν ἦν. Gäbe es keine Sonne, wäre es, sofern es die übrigen Himmelskörper angeht, Nacht.

DK 22 B 6 = 58 M.: ὁ ἥλιος οὐ μόνον, καθάπερ ὁ Ἡράκλειτός φησι, νέος ἐφ᾽ἡμέρηι ἐστίν, ἀλλ᾽ἀεὶ νέος συνεχῶς. Die Sonne ist nicht nur, wie Heraklit sagt, an jedem Tage wieder jung, sondern kontinuierlich immer jung.

Diese Sätze muten zunächst einmal ganz und gar nicht als verschlüsselte Aussagen an, die eine vordergründig klare Wirklichkeit im Dunkel herakliteischer Rätselsprüche kleiden. Offenbar ist hier ganz elementar das Verfahren am Werk, Eigenschaften der Sonne zu isolieren und sie mit Begriffen nicht kosmologischer Provenienz zu belegen: irdische Längenmaße, Jugend/Alter, Beleuchtungsverhältnisse. Wir erhalten ein ‘Bild’ von der Sonne in der Terminologie unserer Lebenswelt. Auch mit der Aussage, dass die Sonne genau einen Fuß breit ist und nie größer (DK 22 B 3 = 57 M. mit DK 22 B 94 = 52 M.), können wir an unser Alltagswissen anknüpfen. Die Sonne wird uns vorgestellt als ein Ding aus unserer Welt. Es fällt uns gar nicht auf, dass ein analoges bildhaftes, ‘image-haftes’ Modell der Sonne erstellt wird, also ein – zugegebenermaßen einfaches – Modell der Kategorie 1: image-like. Und ein Modell ist es wirklich, denn die Sonne ‘selbst’ haben wir ja nicht. Wir müssen uns – wie gesagt – ein ‘Bild’ von ihr machen. Auch dieses Modell beruht tatsächlich auf einer Theorie, einer, die das Wesen und die Funktionen der Himmelskörper allgemein beschreibt. Auch diese Theorie der Himmelskörper haben wir freilich nicht, jedenfalls nicht explizit. Ihr gilt es sich anzunähern. Doch die Aussagen über die Sonne sind ja noch nicht erschöpft. Was uns eingangs so irritiert hatte, war ja die Formulierung: „denn wenn die Sonne ihre Breite um etwas überschreiten würde, so würden die Erinyen sie ausfindig machen, die Helfer des Rechts.“ Hier erkennt man jetzt wiederum einen Akt des Modellierens. Man könnte dieses Modell der Kategorie der kognitiven Modelle zuordnen. Der Mechanismus, der die Konstanz der Breite der Sonne regelt, sind die Erinyen. Diese treten bekanntlich auf, wenn Handlungen oder Vorgänge drohen, die vorgegebenen Grenzen zu überschreiten. Als kognitives Modell sind sie eine Metapher, ein Zeichen für diesen Regelungsmechanismus (der im Flimmern des

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Sonnenrandes sichtbar werden mag: Die Sonne will ihre Grenzen überschreiten, wird jedoch dauernd in ihnen gehalten). Doch nicht nur das: In der metaphorischen Verbindung zwischen (nennen wir es einmal:) physikalischem Regelungsmechanismus und der Tätigkeit der Erinyen entsteht durch den vorhin beschriebenen Rückkoppelungsprozess eine kognitive Gesamtstruktur: Wie die Erinyen als wohlbekanntes Zeichen für den unbekannten (oder zumindest: unbenannten) physikalischen Vorgang stehen, ihn repräsentieren und inhaltlich deuten, so wird auch der physikalische Vorgang (sagen wir: das leichte Flimmern der Sonnenscheibe) Zeichen für das Wirken der Erinyen. Gerade an diesem Beispiel sieht man gut, wie Gegenstand und Modell oszillierend ihren jeweiligen Objekt- und Zeichencharakter wechseln. Eines ist Zeichen für das andere. An der Sonne sieht man das Wirken der (ansonsten unsichtbaren) Erinyen, die Erinyen machen den (abstrakten, unsichtbaren) physikalischen Regelungsmechanismus sichtbar. Auf diese Weise wird die kognitive Aktivität des Betrachters in Gang gesetzt, der nach den wechselseitigen Analogien zu fragen gezwungen ist und sich so gewissermaßen auf den Weg gemacht hat zur Theorie, deren Instantialisierungen die konstante Sonnenbreite resp. die Erinyen ja sind. Beides ist gleichermaßen Realität, beides ist Objekt. Doch gilt auch: Beides ist Bild, beides ist Zeichen. Und auch diesen Zusammenhang hat bereits der Autor des Derveni-Papyrus als Gedanken für Heraklit reklamiert (Derveni-Papyrus, col. 4, Zeile 5 f.): κατὰ [ταὐτ]ὰ Ἡράκλειτος μα[ρτυρόμενος] τὰ κοινὰ | κατ[αστρέ]φει τὰ ἴδ[ι]α· ὅσπερ ἴκελα [ἀστρο]λόγωι λέγων [ἔφη·]17 Dementsprechend bezeugt Heraklit das Gemeinsame [sc. das Allgemeine], indem er das Eigentümliche [sc. das Spezielle] hinabwendet. Wie ein [Astronom] sprechend, sagte er: [es folgt das oben zitierte Sonnenfragment].

Auch der Autor des Derveni-Papyrus sieht Heraklit offenbar letzten Endes als Modellierer. Das angeführte Fragment weist in diese Richtung. Denn keineswegs scheint es um die Trennung der falschen Meinungen Einzelner oder eines Einzel-

17 ἴκελα [ἀστρο]λόγωι „wie ein Astronom“ nach Kouremenos u. a. 2006, 69. Sider bei Laks/Most ergänzt ἴκελ[ος ἱερο]λόγωι „wie ein Erzähler [heiliger Mythen]“. Beide Ergänzungen haben ihre Plausibilität. Im zweiten Fall wäre auf die dunkle, orakelhaft-poetische Ausdrucksweise abgehoben, die von Erinyen im Zusammenhang mit Naturphänomenen wie der Sonne spricht. Die erste Ergänzung würde auf den astronomischen Gegenstand verweisen, an dem die allgemeine Aus­ sage, dass Heraklit ‘das Gemeinsame bezeuge und das Eigentümliche umstürze’ gezeigt wird. Beides scheint denkbar. Die erste Lösung hätte den Vorteil, dass unmittelbar zuvor offenbar bereits von Erinyen und Dike die Rede war, der astronomische Gegenstand also in der Tat das Besondere wäre, das das zitierte Heraklitfragment jetzt hinzubringt.



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nen (τὰ ἴδ[ι]α) von der richtigen Sicht auf die Wirklichkeit (τὰ κοινά) zu gehen.18 Eher dürfte von ‘allgemeinen’ im Gegensatz zu ‘individuellen’, ‘speziellen’ Momenten die Rede sein.19 Und von den ‘individuellen’, ‘speziellen’ Momenten heißt es, dass er sie κατ[αστρέ]φει. Gemeinhin wird dieser Ausdruck als Zurücksetzung des Individuellen gegenüber dem Allgemeinen gedeutet.20 Dies mag in der Bedeutung des Wortes liegen. Allerdings weist das Fragment keineswegs in diese Richtung. Vielmehr scheint die Pointe der Formulierung ja gerade in der Kombination der Naturerscheinung ‘Sonnengröße/Sonnenflimmern’ mit der religiös-mythischen Vorstellung von ‘Erinyen’ zu liegen. Nachdem der vorhergehende Abschnitt im Derveni-Papyrus offenbar von Erinyen handelte, bringt – aus der Sicht des Autors des Papyrustextes – das Heraklitzitat jetzt dementsprechend (κατὰ [ταὐτ]ά) ein (spezielles) astronomisches Fallbeispiel (Sonne) für das (allgemeine) Wirken der Erinyen, von dem bislang die Rede war. Damit bezeugt er (μα[ρτυρόμενος]) einerseits τὰ κοινά und andererseits καταστρέφει τὰ ἴδια, d. h. „er wendet das Spezielle (und hier liegt es nahe, zu ergänzen: κατὰ τὰ κοινά, ‘hinab zum Allgemeinen’)“, er lenkt es sozusagen auf das Allgemeine. Dies leistet semantisch das Wort καταστρέφειν in ganz vorzüglicher Weise.21 Und die Konstruktion der Verteilung der Handlungen auf Partizip und Verbum finitum – für den griechischen Sprachgebrauch typisch, dem deutschen Sprachgefühl eher entgegengesetzt – unterstützt diese Interpretation: Die Verbalhandlung, die die reale Aktion beinhaltet, das konkrete, sichtbare Geschehen, das, was das Subjekt tatsächlich tut, steht im Verbum finitum; die begleitende Deutung, die der Autor/ Sprecher dem Geschehen bzw. der Handlung im Hinblick auf die Bedeutsamkeit gibt, d. h. die tiefere Bedeutung dieses Geschehens, seine mittelbare Konsequenz, dagegen im Partizip.22 Im Griechischen heißt es daher: „Das Allgemeine

18 So Kouremenos u. a. 2006, 155 f. Davon, dass Heraklit die eigenen Ansichten (τὰ ἴδ[ι]α) zugunsten der allen gemeinsamen Wahrheiten (τὰ κοινά) „umstürze“ (so Kouremenos u. a. 2006, 130 [in der Übersetzung] nach Tsatsanoglou 1997, 109), kann im Lichte des zitierten Fragmentes ebenfalls nicht die Rede sein. 19 Janko 1992, 9 übersetzt „shared (sensations)“ und „those which are individual“. 20 Mansfeld/Primavesi 2011, 273 übersetzen „zurückdrängt.“ Kouremenos/Parássoglou/Tsatsanoglou 2006, 130 übersetzen „presents his own views upside down (?).“ 21 Vgl. LSJ s. v. καταστρέφω IV. „turn round, direct“; dort zitiert: κατέστρεψεν εἰς φιλανθρωπίαν τοὺς λόγους „er wandte, drehte seine Worte hin zur Humanität“, d. h. aus wie auch immer gearteten Worten wurden (am Ende der Rede) humane Worte (Aischines 2, 39). 22 Ein instruktives Beispiel ist in der Tragödie z. B. Aischylos, Agamemnon 147–151: […] καλέω Παιᾶνα, μή τινας ἀντιπνόους […] τεύξηι [sc. Artemis], σπευδομένα θυσίαν ἑτέραν […]. Wörtlich: „[…] ich rufe Paian an, dass Artemis nicht irgendwelche Gegenwinde […] erzeugt, ein weiteres Opfer erzwingend […].“ Gemeint ist (in idiomatischem Deutsch): „[…] ich rufe Paian an, dass Artemis nicht, indem sie irgendwelche Gegenwinde […] erzeugt, ein weiteres Opfer erzwingt […].“

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bezeugend, wendet er das Spezielle [sc. auf es] hin“. Das Deutsche fasst es gerade umgekehrt: „Er bezeugt das Allgemeine, indem er das Spezielle [sc. auf es] hinwendet.“ – Und genau das ist der Sinn, den der Autor des Papyrus seinem Heraklitzitat in dem Raisonnement über die Erinyen plausiblerweise geben kann: „Genau das, was ich über die Erinyen hier an Grundsätzlichem sage, ist bei Heraklit am konkreten Beispiel der Sonne gesagt.“ Für die Deutung des Heraklitfragmentes bedeutet dies eine Bestätigung des gewählten Interpretationsansatzes: Der Zugriff auf einzelne Elemente der Wirklichkeit erfolgt mittels eines instantialisierenden Modells im Rückbezug auf eine allgemeine Theorie. Auch in der Entfaltung anderer Elemente der Kosmologie wendet Heraklit sein Verfahren an. Nehmen wir zum Beispiel das Feuer. Da gibt es das Fragment DK 22 B 30 = 51 M.: κόσμον τόνδε, τὸν αὐτὸν ἁπάντων, οὔτε τις θεῶν οὔτε ἀνθρώπων ἐποίησεν, ἀλλ᾽ ἦν ἀεὶ καὶ ἔστιν καὶ ἔσται πῦρ ἀείζωον, ἁπτόμενον μέτρα καὶ ἀποσβεννύμενον μέτρα. Die Ordnung (κόσμος) aller Dinge, die dieselbe in allem ist, ist weder von einem der Götter noch der Menschen geschaffen worden, sondern sie war immer, ist und wird sein: Feuer, ewig lebendig, nach Maßen entflammend und nach Maßen erlöschend.

Die Ordnung der Welt wird also – so der typisch vorsokratische Gedanke – durch eines der Elemente, in Heraklits Fall ist es das Feuer, getragen. Was nun aber wiederum bemerkenswert ist, ist die metaphorische Modellierung des Feuers im Fragment DK 22 B 90 = 54 M.: πυρὸς δὲ ἀνταμοιβὴ τὰ πάντα καὶ πῦρ ἁπάντων ὅκωσπερ χρυσοῦ χρήματα καὶ χρημάτων χρυσός. Alles ist austauschbar gegen Feuer und Feuer gegen alles, wie Waren gegen Gold und Gold gegen Waren.

Diese Metapher stammt aus dem menschlichen Bereich des Handels, genauer gesagt, des Geldhandels, wobei das Geld resp. Gold für das Feuer steht, die Waren für die Dinge der Welt und das Kaufen und Verkaufen für den Wandel bzw. die Umwandlung der einen Sache in eine andere. Solche Umwandlungen sind offenbar direkt angesprochen in DK 22 B 126 = 42 M.:

In der älteren Lyrik z. B. Archilochos fr. 13, 1 West: κήδεα μὲν […] οὔτέ τις ἀστῶν μεμφόμενος θαλίηις τέρψεται […]. Wörtlich: „Keiner der Bürger, die Trauer tadelnd, wird sich an Festesfreuden ergötzen […].“ Gemeint ist (in idiomatischem Deutsch): „Keiner der Bürger wird die Trauer tadeln, wenn er sich an Festesfreuden ergötzt […]“ (man kann trauern und trotzdem feiern). Die Grammatiken beschreiben diese Besonderheit der griechischen Sprche leider nicht.



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τὰ ψυχρὰ θέρεται, θερμὸν ψύχεται, ὑγρὸν αὐαίνεται, καρφαλέον νοτίζεται. Das Kalte wird warm, das Warme kühlt sich ab, das Feuchte trocknet, das Trockene wird feucht.

Die Rolle von Wasser und Erde im Zusammenspiel mit Feuer wird auch in anderen Fragmenten noch häufiger thematisiert.23 Die Handelsmetapher ist nun aber besonders bemerkenswert.24 Sie operiert wiederum nach dem schon bekannten Modellierungsverfahren: Der Wandel der Welt und der Handel bei den Menschen spiegeln sich gegenseitig unter dem Horizont einer Theorie (man könnte hier z. B. an den Fluss aller Dinge denken o. ä.). Obendrein scheint die Handelsmetapher für die wechselnden Zustände des Feuers noch eine Art Meta-Metapher, eine Art Meta-Modell, darzustellen. Denn das Feuer resp. Gold scheint ein Objekt bzw. Zeichen höherer Ordnung insofern zu sein, als es dem Allgemeinen näher steht als beispielsweise Sonne und Erinyen. Sie sind Entitäten von einer Allgemeinheit, die ihrerseits Instantialisierungen zulassen: Gold lässt sich tauschen in verschiedene Waren und wieder zurück, Feuer wird zu verschiedenen physikalischen Substanzen. Sie weisen damit in sich gleichsam eine Theorie-ModellStruktur auf. Jedes Ding der Welt ist gewissermaßen eine Instantialisierung von Feuer, man könnte sagen: eine Art ‘Modell’ von Feuer, das damit gewissermaßen ‘Theorie’-Rang bekäme. Dass ein solches philosophisches Verfahren in der sprachlichen Darstellung wie auch als philosophisches Konzept schon den antiken Lesern dunkel und rätselhaft vorkommen musste, kann da eigentlich nicht verwundern. Hat man sich jedoch einmal auf Heraklits Verfahren eingelassen, ein Verfahren, das den Rezipienten nicht dogmatisch belehrt und ihm die Dinge zeigt, wie sie sind – weil sie eben nicht als solche verfügbar sind, ‘wie sie sind’ –, sondern ihn über Modellbildung kognitiv an der Annäherung an die Welt im Ganzen wie in ihren Teilen beteiligt, dann wird klar, dass Heraklit nicht einen philosophischen Traktat vorgelegt hat mit einer Darstellung der Welt und der Prinzipien, die sie begründen, sondern sozusagen ein Modellierungs-Mitmachbuch in philosophischer Praxis. Die Lösungen bietet nicht der Autor, sondern sie entstehen im Rezipienten. Entscheidend dabei ist stets das Instantialisieren des speziellen Objektes in der allgemeinen Theorie. Dies aber funktioniert nur über die Konstruktion von Zeichenrelationen, mit anderen Worten: über Modellierung.

23 Vgl. z. B. DK 22 B 30  = 51 M.; B 31 = 53 M.; B 62 = 47 M.; B 64 = 79 M.; B 65 = 55 M.; B 66 = 82 M.; B 67 = 77, 4 M. 24 Zum Phänomen der Geldwirtschaft im Zusammenhang mit archaischen philosophischen Konzepten siehe Seaford 2004, 231–242; Seaford 2012, 257.

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In genau diesem Zusammenhang scheint auch eines der zentralen Fragmente Heraklits zu gehören, DK 22 B 93  = 14 M.: ὁ ἄναξ, οὗ τὸ μαντεῖόν ἐστι τὸ ἐν Δελφοῖς, οὔτε λέγει οὔτε κρύπτει, ἀλλὰ σημαίνει. Der Herr, dem das Orakel von Delphi gehört, sagt nicht, verbirgt nicht, sondern gibt Zeichen.

Auch hier findet sich – auf der Meta-Ebene – dieselbe Struktur. Das Modell (I): „Apollon, der Gott von Delphi, gibt ein Orakel.“ Die bezeichnete Sache (Modell II): „Heraklit (= Apollon) gibt in seiner Schrift zeichenhafte Modelle (= Orakel), die nicht eins zu eins die Wirklichkeit sind, sie aber auch nicht ganz und gar nicht sind, sondern die auf die Wirklichkeit verweisen.“ Die ‘Theorie’ (I): „Die Wirklichkeit selbst ist ein Zeichen, ein Modell, als eine momentane Zustandsform eines allgemeinen Prinzips, die Objekte sind Instantialierungen der Variablen einer Theorie“ (= Theorie II als Meta-Theorie höherer Ordnung zu dieser, usw.). Oder aber die Orakelmetapher meint beides – und noch mehr (Modelle I, II, III etc.). Der Leser ist geradezu aufgefordert, weitere Realisierungen der zugrundeliegenden Theorie zu finden. Je mehr, desto besser, denn nur so erfolgt eine Annäherung an die Theorie, die die Welt erst verstehbar macht. Heraklits Modellierungspraxis ist im Wesentlichen ein Forschungsprogramm. Das sagt er selbst in DK 22 B 35 = 7 M.: χρὴ γὰρ εὖ μάλα πολλῶν ἵστορας φιλοσόφους ἄνδρας εἶναι („Nach Weisheit strebende Männer müssen sehr viele Dinge erforschen“). Denn – so Heraklit DK 22 B 123 = 8 M. – φύσις κρύπτεσθαι φιλεῖ („Natur pflegt sich zu verbergen“). Dass ein solches subtiles Verfahren nötig und der bewusste Weg über das Modell erforderlich ist, sagt Heraklit ebenfalls, z. B. in DK 22 B 47  = 113 M.: μὴ εἰκῆ περὶ τῶν μεγίστων συμβαλλώμεθα („Wir sollten nicht aufs Geratewohl über die wichtigsten Dinge urteilen“). In der Tat: Die Einbindung in die ‘Theorie’ vom Fluss der Dinge ist der zentrale Akt bei der Deutung einer Sache als ‘Modell der Theorie’. Denn – so Heraklit DK 22 B 113  = 23 M. – ξυνόν ἐστι πᾶσι τὸ φρονέειν („Einsicht zu haben ist etwas All-Gemeines“) oder DK  22 B  107 =  13  M. κακοὶ μάρτυρες ἀνθρώποισιν ὀφθαλμοὶ καὶ ὦτα βαρβάρους ψυχὰς ἐχόντων („Schlechte Zeugen sind den Menschen Augen und Ohren, wenn sie Seelen haben, die nicht die richtige Sprache beherrschen“)  – in anderen Worten: „Ohne Theoriebezug (=  Sprachbeherrschung) keine Erkenntnis der Dinge und Sachverhalte in der Welt.“ Dieser erkenntnistheoretischen Seite korrespondiert wohl auch die ontologische in DK 22 B 50 = 26 M.: ὁμολογεῖν σοφόν ἐστι ἕν πάντα εἶναι („Es ist weise, beizupflichten, dass alles eins ist“), wobei ἕν und πάντα wechselweise als Subjekt und Prädikatsnomen verstehbar sind. Alle Dinge der Welt  – so offenbar der Gedanke  – sind Erscheinungsformen und damit Zeichen, Instantialisierungen, Modelle des Einen, das Eine ist sozusagen das Regelwerk für die Konsistenz aller Dinge dieser Welt, und damit ist es die Welt. Die Dinge der Welt, wie sie jeweils



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gerade ist, sind eine Füllung der ­Variablen des Allgemeinen. Letzten Endes lassen sich auch die Lehre vom Fluss der Dinge und die Gegensatzlehre als zwei Untertheorien dieser Metatheorie fassen. Fragment DK 22 B 10 = 25 M. stellt selbst den Zusammenhang her: συνάψιες ὅλα καὶ οὐχ ὅλα, συμφερόμενον διαφερόμενον, συνᾶιδον διᾶιδον, καὶ ἐκ πάντων ἓν καὶ ἐξ ἑνὸς πάντα („Verbindungen: Ganzes und nicht Ganzes, Zusammentretendes – Aus­einandertretendes, Zusammenklingendes  – Auseinanderklingendes, sowohl aus allem eines als auch aus einem alles“). Neben den vielen einschlägigen Fragmenten scheint DK 22 B 61 = 35 M. für den Modellierungszusammenhang besonders sprechend: θάλασσα ὕδωρ καθαρώτατον καὶ μιαρώταταον· ἰχθύσι μὲν πότιμον καὶ σωτήριον, ἀνθρώποις δὲ ἄποτον καὶ ὀλέθριον („Meer: das sauberste und das schmutzigste Wasser; für Fische trinkbar und zuträglich, für Menschen nicht trinkbar und verderblich“). Je nach dem Deutungsrahmen, den man wählt, erscheint das Meereswasser in unterschiedlichen Bewertungen. Wechselt der Deutungsrahmen, d. h. wechselt die Theorie, erscheint dasselbe Objekt in unterschiedlicher Modellierung. Man denke an die Mozart-Sonate aus der modernen Modelltheorie, wie sie ganz unterschiedlich modelliert werden konnte. Heraklit steigert den Effekt bis hin zu den Gegensätzen, die ja nach seiner Lehre die innere Spannung der Welt garantieren. Auch Heraklits Lehre vom Fluss der Dinge erscheint in den Fragmenten als Modell, und zwar als kognitives Modell, als Metapher. So z. B. in DK 22 B  91  =  40  M.: ποταμῶι οὐκ ἔστιν ἐμβῆναι δὶς τῶι αὐτῶι  … σκίδνησι καὶ πάλιν συνάγει […] καὶ πρόσεισι καὶ ἄπεισι („Es ist nicht möglich, zweimal in denselben Fluss zu steigen […] Der Fluss zerstreut und bringt wieder zusammen […] und geht heran und geht fort“). Auch hier gilt wieder: Die Welt ist nur eine momentane Füllung von Variablen des Allgemeinen. Der Fluss wechselt ständig sein Wasser, verändert sogar sein Bett allmählich – und doch sind die Wasserteilchen immer wieder neue Teile immer desselben Flusses. Der Fluss ist als Metapher das Modell im Rahmen der Theorie der Veränderlichkeit der Welt, die ihrerseits ein Modell im Rahmen einer Theorie höherer Ordnung (der Theorie des Einen?) ist. So ist es nun auch gar nicht verwunderlich, dass schon Diodotos nicht so recht wusste, um welches Thema es in dem Buch des Heraklit eigentlich geht: Um Physik oder Politik. Steht das eine für das andere oder umgekehrt? Es scheint ja in der Tat ganz genuin politische Fragmente zu geben, z. B. DK 22 B 114 = 23 M.: ξὺν νόωι λέγοντας ἰσχυρίζεσθαι χρὴ τῶι ξυνῶι πάντων, ὅκωσπερ νόμωι πόλις, καὶ πολὺ ἰσχυροτέρως. τρέφονται γὰρ πάντες οἱ ἄνθρωπειοι νόμοι ὑπὸ ἑνὸς τοῦ θείου· κρατεῖ γὰρ τοσοῦτον ὁκόσον ἐθέλει καὶ ἐξαρκεῖ πᾶσι καὶ περιγίνεται. Wenn man sich mit Verstand ausdrücken will, muss man Stärke schöpfen aus dem, was allem/n gemeinsam ist, wie eine Polis aus ihrem Gesetz, und noch viel stärker. Denn alle menschlichen Gesetze nähren sich aus dem einen göttlichen Gesetz; denn es herrscht so viel wie viel es will; und es genügt für alles/alle und hat die Oberhand.

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Auch in der Politik, die hier ihrerseits offenbar als Vergleich (Modell) für einen übergeordneten theoretischen Zusammenhang gebracht wird (ὅκωσπερ), herrscht also offenbar die Struktur der allgemeinen Theorie (göttliches Gesetz) und des sie instantialisierenden Modells (Gesetz der Polis). Überhaupt scheinen die Gegenstände und Sachverhalte der Physik, Kosmologie, Politik, Ethik allesamt Metaphern und Modelle im Rahmen von kleineren und größeren und diese wiederum einer allumfassenden Theorie zu sein. Was macht es da für einen Unterschied, ob das Buch von dem einen oder dem anderen handelt? Alles kann ja als Modell für alles fungieren, wenn der Theorierahmen ‘stimmt’, d. h. identisch ist. Und die Ver‘einheit’lichung dessen ist ja Heraklits Forschungsprogramm. Im Licht eines solches Heraklitverständnisses verwundert es nicht, wie sehr sich Heraklit vom Scheinwissen, das sich nur an der äußeren Wahrnehmung der Welt orientiert, abgrenzt. Wissenschaft ist eben ein schwieriges Zusammenspiel zwischen Gegenstandswahrnehmung, Modellierung und Theoriebildung. Keines der drei Elemente darf dabei fehlen. Ohne ‘Theorie’, ohne ‘Logos’, bleibt die Welt unverstanden, daher bezieht sie ihre Konsistenz. Die Realität der Welt ist dabei keineswegs eine von diesem Logos nur abgeleitete, so wie der Logos keineswegs eine Größe jenseits dieser Welt ist. Die reale Welt ist durchaus die Welt in vollem Umfang und der Logos ist ihr immanent, verborgen zwar, aber real. Der Zugriff auf die Welt kann daher nur mittels des Modells erfolgen. Die Gegenstände und Sachverhalte dieser Welt werden nur im systematischen Zusammenhang der Theorie verständlich. Ihr Verständnis erfolgt über Modelle, sie selbst sind gleichsam immer ‘Modelle’: von der Konstanz des Sonnendurchmessers über das Wirken der Erinyen, die Gesetze der Polis bis hin zum zeichengebenden Wirken des delphischen Orakels, das sozusagen selbst ein Modell des Modellierens ist. Nur wer diesen Zusammenhang versteht, der wird am Ende die Welt und nicht zuletzt auch Heraklits ‘dunkles’ Werk und seine Darstellungstechnik gleichsam als systematisch notwendigen Spiegel der Welt und ihrer Annäherung an sie verstanden haben.

Literaturverzeichnis 1 Ausgaben und Kommentare DK (= Diels u. Kranz 1951): Die Fragmente der Vorsokratiker, griechisch und deutsch, von Hermann Diels, hg. v. Walther Kranz, 6. Auflage, 3 Bde., Berlin. Janko (2002): Richard Janko, The Derveni Papyrus. An Interim Text, Bonn. Kahn (1979): Charles Kahn, The Art and Thought of Heraclitus. An edition of the fragments with translation and commentary, Cambridge.



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Kouremenos u. a. (2006): Theokritos Kouremenos, George M. Parássoglou u. Kyriakos Tsantsanoglou, The Derveni Papyrus. Edited with Introduction and Commentary, Florenz. Laks u. Most (1997): André Laks u. Glenn W. Most, Studies on the Derveni Papyrus, Oxford. M. (= Marcovich 1967): Miroslav Marcovich, Heraclitus. Greek Text with a Short Commentary. Editio maior, Merida. Mansfeld u. Primavesi (2001): Jaap Mansfeld u. Oliver Primavesi, Die Vorsokratiker. Griechisch/ Deutsch, Stuttgart.

2 Literatur Betegh (2004): Gábor Betegh, The Derveni Papyrus. Cosmology, Theology and Interpretation, Cambridge. Bremer u. Dilcher (2013): Dieter Bremer u. Roman Dilcher, „Heraklit“, in: Hellmuth Flashar, Dieter Bremer u. Georg Rechenauer (Hgg.), Die Philosophie der Antike, Bd. 1/2: Frühgriechische Philosophie, Basel 2013, 601–656. Käppel (1999): Lutz Käppel, „Die Paradegma-Inschrift im Tunnel des Eupalinos auf Samos“, Antike und Abendland 45, 75–100. Seaford (2004): Richard Seaford, Money and the Early Greek Mind. Homer, Philosophy, Tragedy, Cambridge. Seaford (2012): Richard Seaford, Cosmology and the Polis. The Social Construction of Space and Time in the Tragedies of Aeschylus, Cambridge. Rapp (1997): Christoph Rapp, Vorsokratiker, Stuttgart 1997. Kralemann u. Lattmann (2013a): Björn Kralemann u. Claas Lattmann, „Models as Icons: Modeling Models in the Semiotic Framework of Peirce’s Theory of Signs“, Synthese 190, 3397–3420, DOI: 10.1007/s11229-012-0176-x (Online First: 12.09.2012) Kralemann u. Lattmann (2013b): Björn Kralemann u. Claas Lattmann, „The Semantics of Models: a Semiotic Philosophy of Science Approach“, in: Klaus-Dieter Schewe u. Bernhard Thalheim (Hgg.), Semantics in Data and Knowledge Bases. 5th International Workshop SDKB 2011, Zurich, Switzerland, July 3, 2011. Revised Selected Papers, Berlin (= Lecture Notes in Computer Science, 7693), 50–69. Lattmann (2010): Claas Lattmann, Das Gleiche im Verschiedenen. Metapher des Sports und Lob des Siegers in Pindars Epinikien (= Untersuchungen zur antiken Literatur und Geschichte, 102), Berlin. Lattmann (2012): Claas Lattmann, „Icons of novel thought. A New Perspective on Peirce’s Definition of Metaphor (CP 2.277)“, Semiotica 192, 535–556. Lattmann (2015): „Die Welt im Modell. Zur Geburt der systematischen Modellierung in der Antike. “, in: Bernhard Thalheim u. Ivor Nissen (Hgg.), Wissenschaft und Kunst der Modellierung. Modelle, Modellieren, Modellierung, Berlin, 307–327. Sier (2012): Kurt Sier, „Warum ist Heraklit so schwierig?“, in Roxana Kath u. Michaela Rücker (Hgg.), Die Geburt der griechischen Weisheit oder: Anacharsis, Skythe und Grieche, (= Orientwissenschaftliche Hefte 29), 41–56. Tsantsanoglou (1997): Kyriakos Tsantsanoglou, „The First Columns oft the Derveni Papyrus and their Religious Significance“, in: Andrè Laks u. Glenn W. Most (Hgg.), Studies in the Derveni Papyrus, Oxford, 93–128.

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Zusammenfassung „(Denn) Helios wird seine Maße nicht überschreiten, sonst werden ihn die Erinyen, der Dike Schergen, ausfindig machen“ (Heraklit DK 22 B 94). Die in diesem Fragment – wie in vielen anderen – greifbare Durchdringung von kosmologischen, religiösen und ethischen Konzepten hat seit jeher den Reiz, aber auch die Schwierigkeit der Interpretation von Heraklits Fragmenten ausgemacht. Welcher Sachverhalt ist beispielsweise ‘eigentlich’ in dem Fragment gemeint? Bilden hier religiöse Vorstellungen aus dem Bereich des Rechts das Modell für eine naturwissenschaftliche Aussage über die Sonne (z. B. ihre Bahn)? Oder ist die Sonne (mit ihrer Bahn?) ein Zeichen für ein in den Erinynen repräsentiertes (Rechts-?)Prinzip? Ist der Kosmos selbst nur ein ‘Zeichen’ für den Logos? Sind die Vorstellungen aus der menschlichen Lebenswelt Zeichen für die Gestalt des Kosmos? Welche Rolle spielt die Rationalität für die ‘Entschlüsselung’ der Welt? Und überhaupt: Was ist eigentlichen Zeichen wofür? Bis heute stellt sich die Frage, wie Heraklits verrätselte Formulierungen zu verstehen sind: als Analogien zwischen verschiedenen Gegenstandsbereichen, als Metaphern für das ‘eigentlich’ Gemeinte, oder als Ausdruck für die Einheit von allem, die als Logos den (in sich wiederum in Gegensätzen strukturierten) Erscheinungen zugrunde liegt? In dem Beitrag soll Heraklits Ausformulierung seiner Kosmologie als Akt von Modellierung gedeutet werden. Dabei werden mithilfe einer ‘Semiotik’ des Modells im Allgemeinen und der (zu erhellenden) ‘Kultur’ des Modellierens im frühgriechischen Denken im Besonderen die rätselhaft-provokativen Übergänge zwischen den Gegenstands- und Lebensbereichen erklärt.

Andrei V. Lebedev

The Metaphor of liber naturae and the Alphabet Analogy in Heraclitusʼ logosFragments (with some remarks on Plato’s “dream theory” and the origin of the concept of elements) 1 Why both the traditional metaphysical and the verbal interpretations of Heraclitus’ logos have failed From the 19th century on the interpretation of Heraclitus’ logos-fragments has been dominated by the debate between two conflicting schools of thought reminiscent of the medieval strife between the realists and the nominalists. The traditional metaphysical and/or theological interpretation of Logos as governing cosmic principle, divine reason, Weltgesetz etc. (realist), which goes back to the Stoics was criticised and opposed by the ‘trivial’ verbal interpretation of the phrase “this logos” in fr. DK 22 B 1 as “this discourse of mine”, i. e. as a reference to Heraclitus’ own logos (book or doctrine). The verbal interpretation was first proposed by John Burnet in 1892 and revived with new force by Martin West in 1971. Both interpretations have their own strong and weak sides. Two facts prima facie seem to support the verbal interpretation. First, if we leave aside the special quantitative meaning “proportion, measure” in fr. DK 22 B 31 (the logos of the sea), logos in Heraclitus never means “reason”, but always retains its association with spoken word or text, something that can be “heard” and “understood” (or misunderstood). When Heraclitus says “of all those whose logoi I have heard”1 he primarily means “of all those whose books I have read” (oral doctrines may also be included). Secondly, early Greek prose books were conceived as logoi, and in the extant proems of such books the word “logos” and the phrase “this logos” commonly refer to the

1 Heraclit. 139 Leb./DK 22 B 108: ὁκόσων λόγους ἤκουσα κτλ. The fragments of Heraclitus are cited by double numbers, the first number refers to the edition of Lebedev 2014 and the second to that of Diels/Kranz. The Greek text of the fragments is based on the edition of Lebedev.

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book itself.2 But four objections can be made to the verbal interpretation, objections that render it impossible. If logos is Heraclitus’ own discourse then it cannot “exist forever” (λόγου ἐόντος ἀεί). Therefore the supporters of Burnet translate “and of this my account which stands throughout […]”.3 But this is linguistically impossible: in Greek language the verb ‘to be’ (εἶναι) with adverb of time can only have existential, never veridical meaning. Second, in fr. 1 Leb./DK 22 B 50 Heraclitus’ own logos is opposed to some other (i. e. external, not of Heraclitus himself) logos as an inferior one to a superior one. Third, the verbal interpretation does not square with the epithet ξυνός which Heraclitus applies to λόγος in three fragments.4 In normal Greek the phrase ξυνὸς λόγος (or κοινὸς λόγος) would mean ‘common’ in the sense of ‘everyone’s’ and would denote ‘something that all people say’, and this would flatly contradict the message of fragments 1–2 Leb.5 In Heraclitus ξυνός means ‘universal’ and is synonymous with ὁ αὐτός (ὡυτός) ‘the same for all’, it has a deontological connotation of standard, of what should be followed by everybody (but in fact is neglected). And last but not least, it is inconceivable how the Stoics who possessed the complete text of Heraclitus and pondered on the meaning of every single word in it,6 could commit such a childish mistake and turn a trivial phrase into a fundamental principle of their metaphysics, philosophy of nature, theology and ethics? One should not underestimate the linguistic competence and interpretive skills of Greek philosophers, especially of a whole school that lasted for 500 years or so. The traditional metaphysical interpretation is immune to these objections, but it is vulnerable too: it leaves unaccounted the bold semantic innovation of Heraclitus and the meaning of the demonstrative τοῦδε/τόνδε. This demonstrative pronoun normally points to a concrete object just before our eyes: is it possible to point with one’s finger to a universal law or divine principle and to say “Here it is”?

2 Cf. West 1970, 5 and note 2. 3 West 1970, 117. Note that there is no “my” in the Greek text. Similarly Burnet 1920, 133: “Though this Word is true evermore […]”. 4 Fr. 2 Leb./DK 22 B 1, 7 Leb./DK 22 B 2, 131 Leb./DK 22 B 114. In the latter fragment ξυνῶι should either be understood as elliptic for λόγωι ξυνῶι or λόγωι has been omitted in the manuscripts. 5 E. g. Galen. v. 4, p. 529, 7 K.: τὸ ἥμισυ τοῦ παντός, ὡς ὁ κοινὸς λόγος. In post-Aristotelian philo­ sophical and scientific texts the phrase ὁ κοινὸς λόγος is often used in the sense of “general theory”, “general exposition” (of a certain subject) (as opposed to special), but this would not fit Heraclitus’ context. 6 An impressive example of Stoic exegesis of Heraclitus has been preserved by Arius Didymus ap. Eusebius PE 15.20 = Heraclit. 67 Leb./cf. DK 22 B 12. Fragments of Heraclitus are quoted with philological accuracy, verbatim in Ionian dialect. Nothing of the kind can be found in Plato or Aristotle who quote Heraclitus by memory, as a rule rephrasing him and sometimes with serious distortions.



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There is only one possibility to avoid the difficulties involved with both interpretations and at the same time to preserve and to combine their strong sides, namely to admit that the phrase λόγος ὅδε at least in two fragments of Heraclitus (fr. 1–2 Leb./DK 22 B 1, B 50) is a metaphor which on the iconic (metaphorical) level of meaning retains the semantics of a ‘spoken word’ that can be ‘heard’ and interpreted, but on the referential level denotes the Universe, τὸ πᾶν. This interpretation was well known to the ancient readers of Heraclitus, notably to Plato in Cratylus and Theaetetus, as well as Philo Alexandrinus (or rather to his Stoic source) and others. In a sense the interpretation we propose vindicates the ­metaphysical (which is at the same time physical, theological, ethical and politi­ cal) interpretation, but with one reservation: the logos of Heraclitus was incorrectly defined as a principle, law or structure etc. of reality. This ‘of’ makes logos an abstraction. The logos of Heraclitus is not a feature of reality, but reality itself, a holistic concept of the Universe. It is incorrect to identify logos with fire since these are two parallel metaphors distinct on the iconic level, but with the same referential meaning, i. e. cosmic One.

2 Preliminary remarks on the early philosophical use of metaphor and analogy In the formative early period of Greek philosophy, when philosophical terminology had not been systematically developed and fixed, the use of metaphor and analogy played an important role in the language of philosophy.7 Philosophical metaphors differ from poetic ones in two important respects. 1) They are not (only) aesthetic and expressive means, but primarily have a cognitive and explanatory function. 2) Not unfrequently, philosophical metaphors, unlike poetic metaphors, are not isolated, but are parts of what we designate as metaphorical code.8 A metaphorical code is a set of metaphors, a kind of mini-language or a ῾language game᾽ used for the description of a certain model of the cosmos or another (com-

7 On metaphor in science see the chapter “Metaphor and language of science” in Lloyd 1987, 172–214. 8 We borrow this term from semiotics, no ‘mystical’ or esoteric connotation is implied. Metaphorical codes mostly come from ordinary practices or τέχναι. But in some archaic philosophers’ writing for “those who know” (e. g. Parmenides and Heraclitus) a special metaphorical code could be used intentionally to achieve oracular ambiguity and to conceal the ‘deep level’ message from the prophane οἱ πολλοί or those who are not initiated into philosophical mysteries (the analogy with mysteries itself being a metaphorical code).

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monly complex) explanandum. The three basic models of cosmos prevailing in Greek philosophical texts, deriving from politics, biology and technical design (which we designate as sociomorphic, biomorphic and technomorphic codes), have been described in the unduly forgotten pioneering work of G. E. R. Lloyd.9 There may have been as many technomorphic codes (with corresponding models of the cosmos) as Greek τέχναι, a term that covers not only liberal and fine arts, but also technology in the modern sense and all kinds of skills and practices. Lloyd’s useful collection of material does not include, e. g., the agonistic model of cosmos in Heraclitus (expressed in agonistic metaphorical code) or the “repayment of debt” economic metaphorical code attested in Anaximander DK 12 B 1 and several fragments of Heraclitus, which is extremely important for the history of the ex nihilo nihil principle.10 We propose to distinguish metaphorical analogy and natural analogy in Greek philosophy. A metaphorical analogy points to the similarity between phenomena from totally different spheres (e. g. deriving from culture and nature). A natural analogy differs from the metaphorical one in that the comparandum and the comparatio, the referential and the iconic correlates both come from the sphere of nature.11 Metaphorical analogy is more poetic, natural analogy is more scientific in character. In a sense, natural analogy is based on empirical observation and constitutes an inductive argument. Metaphorical analogies are common in different archaic mythopoetical traditions, although they may be not as precise as in Greek philosophy. The natural analogy is the product of the 6th century B. C. scientific revolution in Miletus and the emergence of the Ionian peri physeos historia, which (in the work of Thales, Anaximander and Anaximenes) for the first time in history replaced the complex theological apparatus of mythopoetic cosmogonies with a single evolutionist concept of φύσις. For example, Heraclitus’ comparison of the cosmos with the stadium, of cosmic opposites with competing athletes, of the sun with an umpire, of the cosmic law with the athletic oath etc. is a typical metaphorical analogy, since the iconic paradigm derives from the sphere of culture (source domain) and is “transferred” (μεταφέρεται) to the referential realm of nature (target domain).12 This type of analogy can be easily transformed into metaphor: the sun is the ‘supervisor’ or ruler of the world. As an example of natural analogy we can take the common explanation of the cosmogonical “separation” of the

9 Lloyd 1966, part 2. 10 Heraclit. fr. 44–45 Leb./DK 22 B 31, 31 Leb./DK 22 B 80, 82 Leb./DK 22 B 90. 11 We use the distinction of iconic/referential levels in metaphor as equivalent to source/domain in the terminology of Lakoff & Johnson 1980. 12 Lebedev 1985.



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original mixture by analogy with the “vortex” (δίνη) or turbulent motion of air that causes heavy bodies to come to the center and the light ones to the periphery of the vortex. In this case a natural phenomenon well known from experience serves as an explanatory model for the “unknown” event that happened on a larger scale in the beginning. Strictly speaking, Ionian “vortex” is not a metaphor, but a scientific model and an “empirical proof” (τεκμήριον) of a scientific hypothesis: the visible diurnal revolution of the Heavens is adduced as a factual corroboration, as a “relic” of the invisible original vortex. Another example of natural analogy is the comparison of the incessant chaotic motion of Sonnenstäubchen visible in sunbeams with the invisible motion of atoms or particles of matter.13 A theory of earthquakes ascribed by Seneca to Thales is based on a natural analogy: the shaking of the flat earth floating on the primordial ocean is compared with the rolling of a ship in stormy weather.14 Explaining the principle simila similibus, which governs the aggregation of atoms of similar shape, Democritus refers to the pebbles on the sea shore and the proverbial daws that “sit together”.15 Natural analogies may be misleading: e. g. Anaximenes’ attempt to prove that rarefaction of air causes heat by pointing to the warm air that we exhale with open mouth as opposed to the condensed cold that results from blowing with lips closed.16

3 The alphabet (grammatical) analogy in Heraclitus Heraclitus was the main theoretical opponent (in Ionia) of this new mechanistic world view since he perceived it as a threat to religion and morality. In his polemics against the Milesian cosmogony he anticipated the cosmological argument or argument from design for the existence of god: our world has not spontaneously evolved from the original chaos since its organization points to the “Wise Being” (τὸ Σοφόν) or divine “Mind” (Γνώμη) that “steers the Universe” (fr. 140 Leb./DK 22 B  41).17 If our world were the result of a spontaneous vortex like a whirl-wind,

13 Arist. de An. 404a3, cf. a 18, Ps.-Arist. Pr. 913a9. Lebedev 1984, 18. 14 Seneca, QN 3.14; 6.6 = Thal. 99.101 Wöhrle. The simile may be authentic. 15 Ps.-Plut. Plac. 902d = DK 68 A 128. 16 DK 13 B 1. 17 We read and interpret DK 22 B 41 = 140 Leb. as follows: Diogenes Laertius 9.1 (p. 637, 11–12 Marc.) ἓν τὸ σοφόν ἐπίστασθαι· Γνώμην ἥτε οἴη ἐκυβέρνησε πάντα διὰ πάντων – “To recognize only one Wise Being: that Mind which alone steers the whole Universe” (ἥτε οἴη ἐκυβέρνησε scripsi || ἐπίστασθαι = infinitivus quasi imperativus as in the texts of laws).

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there would be no “most beautiful world-order”, but “a heap of rubbish poured at random” (fr. 38 Leb./DK 22 B 124). Unlike the Milesians, Heraclitus in his philosophy of nature did not provide aetiological explanations of different natural phenomena. He was interested only in the pattern of the “single way of administration of all things”, the divine law of measure and harmony of the opposites that permeates all spheres of being – from the heavenly bodies to the human “practices” (τέχναι). In the second part of his treatise (λόγος πολιτικός) that comprised not only political philosophy and theory of law, but also anthropology and ethics, Heraclitus asserted his fundamental thesis “art imitates nature” (ἡ τέχνη μιμεῖται τὴν φύσιν) and tried to prove it by numerous examples or empirical “proofs” (τεκμήρια) from various arts and crafts; an extensive imitation of this part of Heraclitus’ book has been preserved in Ps.-Hippocrates De victu 1.11–24.18 According to this thesis in their “technological practices” (in their ἔργα) humans unconsciously “imitate” or reproduce the “divine law” (θεῖος νόμος) of harmony and unity of the opposites. The thesis “craft imitates nature” is reversible, i. e. involves “nature imitates craft” or rather “nature provides a paradigm for imitation to τέχναι”, and this, in turn, proves that natural processes are not driven by blind mechanical force (as in Anaximander), but are directed by the divine cosmic mind and follow a providential plan. Among the examples from τέχναι in this section of his book Heraclitus referred to the art of grammar (γραμματική τέχνη): [Arist.] De mundo 5.396b7 ff. = Heraclit. fr. 106 Leb, cf. DK 22 B 10. Καίτοι γέ τις ἐθαύμασε πῶς ποτε, ἐκ τῶν ἐναντίων ἀρχῶν συνεστηκὼς ὁ κόσμος, λέγω δὲ ξηρῶν τε καὶ ὑγρῶν, ψυχρῶν τε καὶ θερμῶν, οὐ πάλαι διέφθαρται καὶ ἀπόλωλεν, ὡς κἂν εἰ πόλιν τινὲς θαυμάζοιεν, ὅπως διαμένει συνεστηκυῖα ἐκ τῶν ἐναντιωτάτων ἐθνῶν, πενήτων λέγω καὶ | πλουσίων, νέων γερόντων, ἀσθενῶν ἰσχυρῶν, πονηρῶν χρηστῶν. Ἀγνοοῦσι δὲ ὅτι τοῦτ’ ἦν πολιτικῆς ὁμονοίας τὸ θαυμασιώτατον, λέγω δὲ τὸ ἐκ πολλῶν μίαν καὶ ὁμοίαν ἐξ ἀνομοίων ἀποτελεῖν διάθεσιν ὑποδεχομένην πᾶσαν καὶ φύσιν καὶ τέχνην1. Ἴσως δὲ τῶν ἐναντίων ἡ φύσις γλίχεται καὶ ἐκ τούτων ἀποτελεῖ τὸ σύμφωνον, οὐκ ἐκ τῶν ὁμοίων, ὥσπερ ἀμέλει τὸ ἄρρεν συνήγαγε πρὸς τὸ θῆλυ καὶ οὐχ ἑκάτερον πρὸς τὸ ὁμόφυλον, καὶ τὴν πρώτην ὁμόνοιαν διὰ τῶν ἐναντίων σηνῆψεν, οὐ διὰ τῶν ὁμοίων. Ἔοικε δὲ καὶ ἡ τέχνη τὴν φύσιν μιμουμένη τοῦτο ποιεῖν. Ζωγραφία μὲν γὰρ λευκῶν τε καὶ μελάνων, ὠχρῶν τε καὶ ἐρυθρῶν, χρωμάτων ἐγκερασαμένη φύσεις τὰς εἰκόνας τοῖς προηγουμένοις ἀπετέλεσε συμφώνους, μουσικὴ δὲ ὀξεῖς ἅμα καὶ βαρεῖς, μακρούς τε καὶ βραχεῖς, φθόγγους μίξασα ἐν διαφόροις φωναῖς μίαν ἀπετέλεσεν ἁρμονίαν, γραμματικὴ δὲ ἐκ φωνηέντων καὶ ἀφώνων γραμμάτων κρᾶσιν ποιησαμένη τὴν ὅλην τέχνην ἀπ’ αὐτῶν συνεστήσατο. Ταὐτὸ δὲ τοῦτο ἦν καὶ τὸ παρὰ τῷ σκοτεινῷ λεγόμενον Ἡρακλείτῳ·

18 We argue in extenso in support of this in Lebedev 2014, 27–42. Of the 20 examples of various τέχναι in De victu 1.11–24 about 15 are attested either in Heraclitus’ authentic fragments or in the Heraclitean tradition.



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«Συλλάψιες2 οὖλα3 {καὶ}4 οὐχ οὖλα, συμφερόμενον διαφερόμενον, συνᾷδον διᾷδον· ἐκ πάντων ἓν,{καὶ}5 ἐξ ἑνὸς πάντα.» Οὕτως οὖν καὶ τὴν τῶν ὅλων σύστασιν, οὐρανοῦ λέγω καὶ γῆς τοῦ τε σύμπαντος κόσμου, διὰ τῆς τῶν ἐναντιωτάτων κράσεως ἀρχῶν μία διεκόσμησεν ἁρμονία· ξηρὸν γὰρ ὑγρῷ, θερμὸν δὲ ψυχρῷ, βαρεῖ τε κοῦφον μιγὲν κτλ.  (1) τέχνην scripsi : τύχην codd. || (2) συλλάψιες Lp (Lipsiensis 16), acc. Lorimer, Kirk, Marcovich, Kahn, Graham alii : συλλήψιες P (Vat. 1339) : συλλήψεις v.l. R 233 : σύλληψις Par. 2494 : συλλάψει ἐς Stob. I, 270 Wachsmuth : συνάψιες Apc (Parisinus 1102), C (Laurentianus 97, 14) E (Vat. Urbin. 125) cett. (vide app. crit. ap. Lorimer, p. 76 et Marcovich EF, p. 70), acc. Diels, Herakleitos1, DK, Walzer, Conche alii || (3) οὖλα  … οὖλα BTW, Ald, Vat. 1314 acc.  : οὗλα … οὗλα EF : οὖλα … οὗλα AH : ὅλα καὶ οὐχ᾽ ὅλα P, Amb 174, Bern., Vind. 8 cett., acc. Diels-Kranz, Marcovich, Kahn, Conche alii. || (4) καί del. Zeller || (5) καί om. F Fl2 Someone once expressed his wonder how on earth is it possible that the cosmos which consists of opposite principles – I mean of wet and dry, cold and hot – has not already perished. In the same way one might express his wonder about the polis: how can it survive while consisting of radically opposite groups, I mean of poor and rich, young and old, weak and strong, rogue and decent? They ignore that that is exactly the most wonderful ability of the civil concordance (πολιτικῆς ὁμονοίας), I mean the ability to create one from many and a similar from a dissimilar disposition, which accommodates any nature and any art (τέχνη). It seems that nature strives for opposites and creates from them what is concordant, not from the similar. For example, she brought together male and female, not creatures of the same sex, and created the first concordance by joining together the opposites, not the simi­ lars. It seems that art (τέχνη), imitating nature (φύσις), does the same. For example, the art of painting, having mixed together the natures of the black and white, yellow and red colors, created pictures that are concordant with the originals. Music, in turn, having mixed together high and low, long and short sounds, created a harmony in different voices. The art of grammar, producing fusion of voiced (= vowels) and unvoiced (= consonants) letters, constructed from them the whole τέχνη. Thatʼs exactly the meaning of the saying of Heraclitus the Obscure: “Syllables: voiced and unvoiced /letters/,19 matching conflicting, consonant dissonant, from all /elements/ one, from one all.” In the same way and the construction of all things, I mean of the Heaven and Earth, as well as of the whole cosmos, was set in order by the single Harmony from completely opposite principles: mixing hot with cold, heavy with light etc.

19 In the translations, slashes mark words that are not represented in the ancient text on the lexical level (as separate words), but are still an integral part of the meaning of the sentence.

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The first and third pairs of opposites in the verbatim quotation correspond to the arts of grammar and music respectively, the second may refer to ‘matching’ colors in the art of painting. Or, alternatively, all three pairs describe the antithetic nature of letters and syllables in the grammatical art. The pair συνᾷδον διᾷδον may equally refer to musical notes and to prosody of speech (cf. ὀξεῖς ἅμα καὶ βαρεῖς in the paraphrase). In any case, in all human arts “harmony” derives from combining the opposite, not the similar elements. The imitation in De victu provides additional independent evidence on the mention of the grammatical art in Heraclitus: Γραμματικὴ τοιόνδε· σχημάτων συνθέσεις, σημήϊα φωνῆς ἀνθρωπίνης, δύναμις τὰ παροιχόμενα μνημονεῦσαι, τὰ ποιητέα δηλῶσαι· διʼ ἑπτὰ σχημάτων ἡ γνῶσις· ταῦτα πάντα ἄνθρωπος διαπρήσσεται καὶ ὁ ἐπιστάμενος γράμματα καὶ ὁ μὴ ἐπιστάμενος. (Ps.-Hippocrates, De victu 1.23)

Here the emphasis is again on the composition (σύνθεσις) of speech from single “letters” (γράμματα). This provides additional confirmation (apart from the context in De mundo) of our interpretation of συλλάψιες as syllables, and the words οὖλα καὶ οὐχ᾽ οὖλα as “voiced and unvoiced letters”, i. e. vowels and consonants. And so, since grammatical art imitates nature, according to Heraclitus the structure of speech or text (γράμματα can refer to both phonetic sounds and written signs) imitates the structure of the physical world. In the second chapter of his treatise (λόγος πολιτικός) he studied the human world and drew parallels between human actions and crafts (ἔργα, τέχναι) on the one hand, and cosmic processes on the other. In the first chapter (λόγος περὶ τοῦ παντός), on the contrary, he studied the nature of the Universe and described it in metaphorical terms borrowed from grammar (λόγος, ἔπη) and music (ἁρμονία). The idea of parallelism of the macrocosm and microcosm, of the upper divine and the lower human realm, is fundamental to his philosophy. In his study of the human ἔργα he discovers the imitation (μίμησις) of the celestial harmony, and in his study of the Heavens he discovers divine harmony and cosmic Logos. In the beginning of his book he refers to it as “this logos”. 1 Leb. (DK 22 B 50) = Hippolytus, Refutatio 9.9.1 οὐκ ἐμοῦ, ἀλλὰ τοῦ λόγου ἀκούσαντας ὁμολογεῖν· σοφόν ἐστιν ἓν πάντα εἰδέναι. Listening not to mine, but to this logos, one must agree: wisdom consists in knowing all things as one. 2 Leb. (DK 22 B 1) = Sextus Empiricus, adv. math. 7.132 = Hippolytus, Refutatio 9.9.1



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τοῦ δὲ λόγου τοῦδʼ ἐόντος ἀεὶ ἀξύνετοι γίνονται ἄνθρωποι καὶ πρόσθεν ἢ ἀκοῦσαι καὶ ἀκούσαντες τὸ πρῶτον· γινομένων γὰρ πάντων κατὰ τὸν λόγον τόνδε ἀπείροισιν ἐοίκασι, πειρώμενοι καὶ ἐπέων καὶ ἔργων τοιούτων, ὁκοίων ἐγὼ διηγεῦμαι διαιρέων κατὰ φύσιν καὶ φράζων ὅκως ἔχει. τοὺς δὲ ἄλλους ἀνθρώπους λανθάνει ὁκόσα ἐγερθέντες ποιοῦσιν, ὅκωσπερ ὁκόσα εὕδοντες ἐπιλανθάνονται.  διερέων κατὰ φύσιν Hippol.: κατὰ φύσιν διαιρέων ἕκαστον Sext. But although this logos exists forever humans fail to understand it both before they have listened to it and once they have listened. And indeed, although all /humans/ encounter directly this logos, they are similar to the ignorant of it even when they try /to understand/ such words and deeds as those which I expound dividing them according to nature and indicating how they are. As regards the rest of humanity, they do not realize what they are doing awake, just as they are unaware of what they are doing when they sleep.

The deictic ὅδε points to “what is in front of us”, i. e. the visible logos of the Universe (the metaphor of liber naturae). In Greek philosophy the deictic pronoun ὅδε, τόδε later becomes a technical term for the concrete, in Aristotle it designates the hylemorphic compound. We follow the version of Hippolytus, which omits the word ἕκαστον. Relying on Sextus’ version of the passage one might think that the purpose of Heraclitus’ book was to explain the “natural constitution” of separate phenomena the way the Milesian physiologoi did in their aitiologiai. But according to the fundamental principle of Heraclitus’ monism ἕκαστον, i. e. particulars, do not exist, or at least have no nature and substance of their own. Hippolytus is the best source of ipsissima verba Heracliti in Ionian dialect. Sextus, on the other hand, intersperses his quotations of Heraclitus’ logos-fragments with explanatory remarks and commentary. In Hippolytus’ quotation the grammatical object of διαιρέων is not ἕκαστον, but ἔπη καὶ ἔργα, a phrase which corresponds to the λόγος ὅδε in the beginning of the fragment. It is a variant of the liber naturae metaphor and it refers to the world as text. At the same time this phrase exactly corresponds to what the humans ποιοῦσι καὶ λέγουσι, i. e. to their technical practices on the one hand, and their poetry, mythology, laws (which are also logoi) etc. on the other. So the subject of Heraclitus’ book was not physical science, but a comparative study of the “words and deeds” in the divine (cosmos) and human (polis) realms. The study of ἔπη prefigures his subsequent attack on Homer and the poets, and the study of ἔργα prefigures the analysis of τέχναι in the second chapter or λόγος πολιτικός. The results of this comparative study are intended to demonstrate that in their τέχναι humans follow the “divine law” (without realizing this themselves), whereas in the realm of philosophy, poli­tics and religion they “are at variance” with it (τούτωι διαφέρονται, in Marcus Antoninus’ paraphrase). It follows that the Greek state, laws, religion, art and even language should be reformed in order to become concordant with the divine

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law and nature, κατὰ φύσιν. Heraclitus’ book in scope and purpose (if not always in language of persuasion) has much more in common with Plato’s Politeia than with Anaximander’s Peri physeos (which he attacks in fr. 38 Leb./DK 22 B 124). The verb διαιρέω in grammatical contexts was used for ‘reading’ or ‘division of words’, the scriptio continua being standard both in inscriptions and books. The phrase ἀκούειν τοῦ λόγου is ambiguous: it can refer both to ‘hearing a spoken word’ and to reading a written text (regardless of whether the reading is silent or not), ‘to attend’, ‘to perceive’. Ιn the title of Plutarch’s work Πῶς δεῖ τὸν νέον ποιημάτων ἀκούειν the word ἀκούειν means ‘to read’, ‘to interpret’. The standard later word for ‘reading’, ἀναγιγνώσκειν, was unknown to Herodotus and early Ionian prose. The Ionic and poetic word ἐγκυρέω used by Heraclitus in another epistemological fragment (fr. 5 Leb./DK 22 B 17), which followed immediately or soon after the complex fr. 1–2 Leb., is synonymous with the standard Attic and common verb ἐντυγχάνω. The latter word was widely used in a specialised sense for ‘to encounter’ or ‘to converse (with a book)’, i. e. to read.20 We conclude that in fr. 2 Leb./DK 22 B 1 Heraclitus relies on the alphabet (grammatical) analogy attested in fr. 106 Leb./DK 22 B 10 and explains his philosophical method as hermeneutics (possibly with mantic connotations), as the art of reading and interpretation of the logos of the Universe or liber naturae. In fr. 1 Leb./DK 22 B 50 he makes use of the prophetic formula οὐκ ἐμὸς ὁ λόγος which implies that his speech is inspired by Apollo, like that of the Sibyl. Heraclitus regarded himself as a prophet of Apollo, and consequently attributed his main metaphysical thesis – the law of identity and harmony of opposites – to Apollo himself and the symbols of his wisdom, the bow and the lyre (fr. 29 Leb./DK 22 B 51). According to the Ps.-Heraclitean letter IV, a certain Euthycles accused Heraclitus of ἀσέβεια on the ground that he allegedly erected an altar to himself at the Ephesian agora with the inscription ΗΡΑΚΛΕΙΤΩΙΕΦΕΣΙΩΙ meaning “To Heraclitus the Ephesian”. Heraclitus acquits himself by explaining that he meant ΗΡΑΚΛΕΙ ΤΩΙ ΕΦΕΣΙΩΙ “for Heracles of Ephesus”, not “for Heraclitus”. The incorrect word-division (διαίρεσις) leads to the confusion between gods and men.21 Now we come to the crucial question in our attempt to reconstruct the alphabet analogy in Heraclitus’ metaphysics and philosophy of nature. Heraclitus’ own “division”, as he claims in fr. 2 Leb. (DK 22 B 1), is “according to nature”, κατὰ φύσιν. Those who fail to comprehend the logos of the Universe, apparently misread it, their “division” is not κατὰ φύσιν. What exactly does Heraclitus mean by this? To

20 LSJ, s.v. ἐντυγχάνω III. οἱ ἐντυγχάνοντες ῾readers᾽. 21 Heraclit. Epistulae IV.2.18–20 Taran: Ἡρακλεῖ ἐπέγραψα τῶι Ἐφεσίωι πολιτογραφῶν ὑμῖν τὸν θεὸν, οὐχ Ἡράκλειτον.



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answer this question we have to establish the exact correspondence between the terms of the iconic and referential level of the analogy, and this is possible only if we find the iconic equivalents of the separate opposites which are the “elements” at the referential level. According to the common Greek view λόγος (speech, text) is divided into “names” (ὀνόματα), “names” into “syllables” (συλλαβαί), syllables into “letters” (στοιχεῖα or γράμματα). There are two possibilities of the reconstruction for Heraclitus’ ‘grammar of the Universe’: 1) We may assume that separate opposites correspond to “syllables”, pairs of opposites to “names”, and a συμπλοκή of names to λόγος. 2) Alternatively, we may assume that the separate opposites correspond to letters, pairs of opposites – to syllables, and all syllables are integrated into a single common logos which stands (on the referential level) for the cosmos or the Universe. In both versions scriptio continua of the iconic level corresponds to the “witness” of the senses (fr. 19 Leb./DK 22 B 107), i. e. to the ‘raw’ sense data not interpreted by the ‘reading’ mind (νόος). In Heraclitus’ own language these are things upon which people “stumble” or which they “encounter” without realizing what exactly they see (ἐγκυρέουσι or γίνονται κατά). In the first version “letters” are skipped, in the second “names” are either omitted or do not represent a salient feature in the structure of the analogy. Let us take as example of version (1) a series of cosmic opposites from Heraclitus fr. 43 Leb. (DK 22 B 67): ΗΜΕΡΗΕΥΦΡΟΝΗΧΕΙΜΩΝΘΕΡΟΣ This is scriptio continua, undivided text. Cognitive status is ἐγκυρεῖν. ΗΜΕΡΗ | ΕΥΦΡΟΝΗ | ΧΕΙΜΩΝ | ΘΕΡΟΣ This is the wrong division (diairesis) of the “many” that yields 4 separate names, and consequently a false belief (δόξα ψευδής) that there are four different objects. In this case the senses are κακοὶ μάρτυρες. ΗΜΕΡΗΕΥΦΡΟΝΗ | ΧΕΙΜΩΝΘΕΡΟΣ This is a correct (κατὰ φύσιν) division of the wise that yields only 2 ‘natural’ names. The cognitive status is ‘to have knowledge’ (γινώσκειν) and ‘to perceive’ (φρονεῖν). This version fits well with the fr. 2 Leb./DK 22 B 1. Its other advantage is that it allows us to reconstruct a logical (from Heraclitus’ point of view) theory of ‘names’. Heraclitus has been commonly regarded as a ‘naturalist’ in the philosophy of language, but all extant fragments are incompatible with such a view because they emphasize that names of the ordinary language contradict the function (ergon) of things named.22 According to version (1) Heraclitus would have a theory of ‘natural names’, but by natural names he would mean integrated pairs

22 Fr. 28 Leb./DK 22 B 48: τῶι οὖν τόξωι ὄνομα βίος, ἔργον δὲ θάνατος. In fr. 118 Leb./DK 22 B 23 the name of Dike is inseparable from ἄδικα ἔργα. In fr. 115 Leb./DK 22 B 15 gods of life (Dionysos)

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of opposites. The disadvantage of version (1) is that it contradicts fr. 106 Leb./ DK 22 B 10 which explicitly equates separate opposites with letters. It also leaves unaccounted for the ὀνόματα, which seem to have played a significant role in Heraclitus’ philosophy of language. Theoretically a version (3) is conceivable which starts from letters (like version 2) and accommodates the ὀνόματα as something intermediary between syllables (pairs of opposites) and logos (Universe) by equating them with Aristotle’s primary ousiai, i. e. middle-size natural bodies (animals, artifacts etc.). According to the alphabetical analogy in fr. 106 Leb./DK 22 B 10 “syllables” are combinations of opposites, and therefore separate opposites (like day and night etc.) correspond with “letters” of the cosmic liber naturae. And since according to Heraclitus’ metaphysics in the whole world there is not a single thing which is individual and has no matching pair (its opposite), it follows that all things are one, because their logos is ξυνός.

4 Plato’s “dream theory” in the Theaetetus and Heraclitus In Plato’s Theaetetus 201d Socrates reports a theory of first principles which he allegedly “heard from someone” in his dream.23 According to this so-called ‘dream theory’ the first constituents of “all things” (τὰ πρῶτα) are like “letters” (στοιχεῖα). It is possible only to “name them” (ὀνομάσαι), but they “have no logos”, for logos by definition is a “conjunction of names” (συμπλοκή ὀνομάτων). These elementary “letters” of the Universe cannot be expressed in logos and are not knowable, but nevertheless can be perceived by the senses (τὰ μὲν στοιχεῖα ἄλογα καὶ ἄγνωστα εἶναι, αἰσθητά δέ). Who is the author of this theory, why Socrates says that he “heard it in a dream”, and what is the referential meaning of “letters” (i. e. what is the whole theory about!), is one of the great puzzles of the Platonic studies. The prevailing attribution of the “dream theory” to Antisthenes lacks serious documentary basis and does not explain the mysterious mention

and death (Hades) are identified because the bacchic symbol of generation (αἰδοῖον) conceals the name of Hades. 23 The analysis of the “dream theory” in the context of Plato’s epistemology goes beyond the scope of this article. On this subject see, e. g., Oelhler 1962, 34 ff.; Burnyeat 1990, 134 ff.; Sedley 2004, 153 ff.; Roecklein 2011, 177 ff.



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of a “dream”.24 Numerous TLG proximity searches for a combination of a grammatical analogy and a mention of a ‘dream’ in the same context fail to provide a single instance from the whole corpus of Greek texts. The only passage that fits the bill is Heraclit. fr. 2 Leb./DK  22 B  1. In this fragment and nowhere else we do have an unusual combination of a grammatical analogy between text and cosmos on the one hand, and the explicit mention of “dreamers” (εὕδοντες), on the other. In Heraclitus the metaphor of “dreamers” (i. e. the non-philosophical part of humanity) is an integral part of the logos-Universe analogy. The “many” are “dreamers” exactly because they fail to “divide” the book of nature correctly and mistake for real objects some insignificant segments of the cosmic speech which denote nothing. In all probability Socrates paraphrases (and elaborates on) the beginning of Heraclitus’ book, our fragments 1–2 and their context. The mention of a “dream” is a humorous and ironical allusion to the metaphor of “dreamers” in Heraclitus’ original. According to Heraclitus no man has ever divided the universal logos correctly because their intellect is impaired by the “dream” or doxastic imagination induced by the “wetness” of their barbaric souls. Socrates ironically admits that he also, like most mortals, is a dreamer and therefore unable to grasp its exact meaning (but subsequently he refutes this). If so, the “elements” of the “dream theory” can with a high degree of probability be identified with the physical elements or δυνάμεις like “hot and cold, dry and wet”, which in Heraclitus cosmology are constantly changing one into another. The “first elements” in Socrates’ dream are constantly “running in circles” or “running up and down” (περιτρέχοντα), just as in Heraclitus’ “cosmic stadium” the opposite forces (like day and night, summer and winter) are represented as runners that constantly shift from the “way up” to the “way down” and vice versa (ὁδὸς ἄνω κάτω).25 The analogy between Democritean atoms and letters of the alphabet is attested by Aristotle in two passages. In the passage from De generatione we read that, as a result of recomposing, the same set of atoms appears to different subjects as a totally different thing, just as “from the same letters are generated tragedy and comedy”.26 In the Metaphysics Aristotle reports that atomists reduce

24 The alphabet analogy as such is not found in any fragment of Antisthenes and is not ascribed explicitly to Antisthenes in the extant sources. There is only one mention of letters and syllables in the context of Aristotelian polemics against some Antistheniansʼ denial of the possibility of definition: Arist. Metaph. 1043b4 ff. = Antisthenes fr. 44 A Decleva Caizzi = Antisthenes fr. 150 Giannantoni. No dream metaphor is attested in the fragments of Antisthenes, either. 25 Lebedev 1985, 132 ff. 26 DK 67 A 9 = Arist. gen. corr. 315.11 ff.: τὰ σχήματα ἄπειρα ἐποίησαν, ὥστε ταῖς μεταβολαῖς τοῦ συγκειμένου τὸ αὐτὸ ἐναντίον δοκεῖν ἄλλῳ καὶ ἄλλῳ, καὶ μετακινεῖσθαι μικροῦ ἐμμιγνυμένου καὶ

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all qualitative differences between things to the three basic differences in shape, sequence and position of atoms (the atoms themselves possess no sensible qualities at all, only shape and size, and consist of homogeneous matter). These three differences in atomic structure of composite bodies are illustrated by analogy with the letters of the alphabet: “The letter Α differs from Ν by its shape, ΑΝ from ΝΑ by order, and z from Η by position”.27 In Aristotle’s reports the alphabet analogy in Democritus is simpler than in Heraclitus and Plato: no syllables or names are mentioned, we have only letters (γράμματα) that correspond to atoms, and texts (tragedy or comedy) that correspond to different appearances of physical bodies or substances. Aristotle may be quoting only that part of the analogy which is relevant to his context, i. e. reductionist theories of matter that reduce phenomenal qualities to the structural differences of the constituent elements. One cannot exclude that in the original text Democritus developed the alphabet analogy further and compared, e. g. syllables with the four elements, and physical bodies with ὀνόματα, but this cannot be proved, either. It is conceivable that Democritus’ analogy in its original form is restricted to only γράμματα and λόγος “letters and texts”, “tragedy and comedy” being forms of λόγος. Plato in the “dream theory” of the Theaetetus cannot refer to Democritus, since the Democritean simplest “elements” are not perceived by the senses, whereas both in Plato and Heraclitus they are. There is a second difference: in Democritus the simple elements are perceived by the mind (γνώμη or φρήν), whereas in Plato they are ἄγνωστα (only αἰσθητά); on the contrary, in Plato the “letters” of the Universe “have no logos”, and in Heraclitus too, taken separately, they produce λόγος ψευδής. Nevertheless it is possible that Democritus (who had knowledge of Heraclitus’ book) borrowed the idea of alphabet analogy from Heraclitus, but modified and reinterpreted it in the context of his mechanistic physics. Heraclitus denied the reality (substantiality) and self-subsistence of “individual things” (ἴδιον) recognizing only the reality (substantiality) of what is “common” (ξυνόν). The grammatical analogy in Heraclitus’ metaphysics serves exactly this purpose: logos on the iconic level stands for the universum on the referential level. This is a radical form of holism that strictly speaking excludes any theory of “elements” of the Democritean type. The philosophical systems of Heraclitus and Democritus represent a classical opposition between holistic and atomistic (= ‘alphabetical’) principles. For Democritus only “letters” are real and substantial, for Heraclitus

ὅλως ἕτερον φαίνεσθαι ἑνὸς μετακινηθέντος· ἐκ τῶν αὐτῶν γὰρ τραγῳδία καὶ κωμῳδία γίνεται γραμμάτων. 27 Arist. Metaph. 985b4 ff. = DK 67 A 6. Democrit. fr. 240, 241, 271 Luria, cf. fr. 235 Luria with comment to 271.



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only their integral whole, the logos (incorrectly dissected by poets and ignorant οἱ πολλοί). In Heraclitus the grammatical logos/syllables/letters analogy, strictly speaking, is not a physical, but epistemological and logical-mereological theory inherently connected with his monistic theological thesis of the identity of all opposites. Our reconstruction of the grammatical analogy in Heraclitus in a sense rehabilitates the theological interpretation of Heraclitus’ logos by the Stoics. According to Heraclitus, the universal Logos (Cosmos) is the integral whole of all individual names, syllables, letters (the four elements, animals etc.), identical with the pantheistic god. However there is one significant semasiological difference between the Stoic and the Heraclitean usage of the word: logos in Heraclitus never means ‘reason’ in the sense of (mental) faculty of reasoning, in his epistemology it retains the original meaning of ‘word’ or meaningful speech that can be ‘heard’ and interpreted. Heraclitus’ words for ‘mind’ or ‘reason’ are νόος, φρήν, φρόνησις, γνώμαι, and for the divine cosmic mind Γνώμη and τὸ Σοφόν. Another possible reminiscence of Heraclitus’ alphabet analogy is found in the reference to μικρὰ καὶ μεγάλα γράμματα in Platos’ Republic by which Socrates illustrates the exact parallelism between Justice in the polis and justice in the individual soul: “large letters” are easier to read than small ones, therefore one should start from Justice in the polis.28 Plato makes use of the traditional topos of parallelism of microcosm and macrocosm, but adjusts it to his purpose in Politeia by replacing the physical macrocosm with the political one. In Heraclitus’ theory of the natural law the cosmic justice is written in the logos (= γράμματα) of the visible Universe, all nomoi in human poleis depend on “one, the divine” law that surpasses them all in its might.29 The alphabet analogy found in Heraclitus, Democritus and Plato has nothing to do with the use of the alphabet in occult sciences, magic and isopsephism (divination by names) – the occult principle according to which the coincidence of the numerical values of two names indicates the identity of things (persons) named or has an otherwise predictive meaning. The hypothesis of R. Eisler and

28 Plat. rep. 268d2: οἵανπερ ἂν εἰ προσέταξέ τις γράμματα σμικρὰ πόρρωθεν ἀναγνῶναι μὴ πάνυ ὀξὺ βλέπουσιν, ἔπειτά τις ἐνενόησεν, ὅτι τὰ αὐτὰ γράμματα ἔστι που καὶ ἄλλοθι μείζω τε καὶ ἐν μείζονι κτλ. Heraclitus probably did speak about μικρά and μεγάλα in the context of parallelism between macrocosm and microcosm, cf. the verbal coincidence in two independent imitations of Heraclitus: Ps.-Hippocrates, De victu 1.10: ἑνὶ δὲ λόγωι πάντα διεκοσμήσατο […] το πῦρ, ἀπομίμησιν τοῦ ὅλου, μικρὰ πρὸς μεγάλα καὶ μεγάλα πρὸς μικρά. Cleanth. Hymn to Zeus, 8–9 κοινὸν λόγον, ὃς διὰ πάντων φοιτᾶι μειγνύμενος μεγάλοις μικροῖς τε φάεσσι. The same logos permeates the “big lights” of the stars and “small lights” of human souls (with possible etymological word pun on φώς ‘man’/ φῶς ‘light’). 29 Heraclit. fr. 131 Leb./DK 22 B 114.

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W. Schulz on the existence of an early Ionian system of isopsephism has not won many supporters. This mystical doctrine is to be indeed excluded for Ionian natu­ ralists and scientists. On the other hand, alphabet mysticism and mantic use of letters are theoretically conceivable in the case of ancient manteis and theopropoi, orpheotelestai and pythagorizing diviners like Pharnabazos of Olbia.30 In fact the underlying principle of isopsephism is similar to the Pythagorean doctrine that everything has its own number. The Pythagorean Eurytus was searching for “the number of horse” by constructing a schematic image of a horse with “pebbles” (ψῆφοι).31

5 Additional evidence from later sources on the liber naturae metaphor and γράμματα τῆς φύσεως in Heraclitus The following texts from various sources demonstrate that Heraclitus’ metaphor of liber naturae was well known to and perfectly understood by independent ancient readers of his book (λόγος ὅδε = τὸ πᾶν), including both our main sources for fr. 2 Leb./DK 22 B 1, Hippolytus and Sextus. The neglected paraphrases, adaptations and reminiscences of Heraclitus’ logos analogy combined with the alphabet analogy cited below support both the identity “Logos = Universe” and the second reconstruction of the liber naturae metaphorical model in Heraclitus, according to which the separate opposites correspond to the “letters” of the cosmic logos, and integrated pairs of opposites to the “syllables”. (1) Hippolytus, Refutatio Omnium Haeresium 9.9.1: Ἡράκλειτος μὲν οὖν φησιν εἶναι τὸ πᾶν διαιρετὸν ἀδιαίρετον […] – “Heraclitus says that the Universe is divisible indivisible […]”.

After this introductory remark Hippolytus cites Heraclitus’ fragment on “this logos” fr. 2 Leb./DK 22 B 1 as supporting his claim. It appears that he or his source correctly understood the phrase “this logos” as a metaphor of the Universe (τὸ πᾶν). Heraclitus says in this fragment that he “divides words and deeds” (ἐπέων καὶ ἔργων […] διαιρέων) of the cosmic logos κατὰ φύσιν, i. e. according to objec-

30 Lebedev 1996. The diviner Pharnabazos may have been the author of the so called Orphic graffiti from Olbia. 31 DK 45 2–3.



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tive reality as opposed to the dream worlds of the poets and οἱ πολλοί. In Heraclitus (exactly as in Parmenides) the Universe is “one” (indivisible) according to the divine knowledge, and is “many” (divisible) according to human doxa. (2) Sextus Empiricus, Adversus mathematicos 7.132: ἐναρχόμενος γοῦν τῶν περὶ φύσεως ὁ προειρημένος ἀνὴρ καὶ τρόπον τινὰ δεικνύς τὸ περιέχον φησί· τοῦ δὲ λόγου τοῦδ᾽ ἐόντος ἀεί κτλ.

Sextus (or his source Aenesidemus) citing fr.2 Leb./DK 22 B 1 hints with τρόπον τινά (“in a certain manner”) at Heraclitus’ oblique, i. e. metaphorical way of saying something, most probably the liber naturae metaphor. Sextus’ δεικνύων refers to Heraclitus’s deictic τοῦδε. He probably follows Aenesidemus’ identification of Heraclitus’ logos with the air and understands τὸ περιέχον as the atmosphere. This interpretation is too narrow and cannot be authentic. However, Aenesidemus who had the complete text of Heraclitus, clearly saw that by “this logos” Heraclitus refers to “what surrounds us”, i. e. the world around us. (3) Diogenes Laertius 9.7: τὸ δὲ φερόμενον αὐτοῦ βιβλίον ἐστὶ μὲν ἀπὸ τοῦ συνέχοντος Περὶ φύσεως, διήιρηται δὲ εἰς τρεῖς λόγους, εἴς τε τὸν περὶ τοῦ παντὸς καὶ πολιτικὸν καὶ θεολογικόν.

The source of Diogenes is probably Diodotus who wrote a commentary on Heraclitus’ book. This division in three logoi has nothing to do with the Stoic diairesis of philosophy, it is authentic.32 Since the first part of Heraclitus’ book contained the theory of logos, it follows that the source of Diogenes also interpreted the phrase λόγος ὅδε as a metaphor for the Universe (τὸ πᾶν). (4) Plato, Cratylus 408c2 = Heraclit. fr. probabilia 3 Leb. {ΣΩ.} Οἶσθα ὅτι ὁ λόγος τὸ πᾶν σημαίνει καὶ κυκλεῖ καὶ πολεῖ ἀεί, καὶ ἔστι διπλοῦς, ἀληθής τε καὶ ψευδής. {ΕΡΜ.} Πάνυ γε. {ΣΩ.} Οὐκοῦν τὸ μὲν ἀληθὲς αὐτοῦ λεῖον καὶ θεῖον καὶ ἄνω οἰκοῦν ἐν τοῖς θεοῖς, τὸ δὲ ψεῦδος κάτω ἐν τοῖς πολλοῖς τῶν ἀνθρώπων καὶ τραχὺ καὶ τραγικόν· ἐνταῦθα γὰρ πλεῖστοι οἱ μῦθοί τε καὶ τὰ ψεύδη ἐστίν, περὶ τὸν τραγικὸν βίον. [Context: etymology of the name of the god Pan whose upper part of the body is human, and the lower part is goat-like]. {Socrates}You know that logos means “Universe”33 and that it goes in circles and revolves always, and is of double nature, true and false.

32 Lebedev 2014, 25 ff. 33 Sedley 2003, 96 translates τὸ πᾶν as “everything”, but this contradicts the allegorical interpretation of two parts of Pan as heaven and earth, i. e. Universe.

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{Hermogenes} Sure. {Socrates} Its true part is smooth and divine and dwells in the sky among the gods, whereas the false part lives among crowds of men, and is coarse and goat-like [=  tragic]. Indeed, myths and lies are related to this region and concern the tragic [= goat-like] life.

This is a neglected reminiscence and elaboration of Heraclitus’ λόγος ὅδε meta­ phor of the Universe. The adaptation of the Heraclitean metaphor to the etymology of Pan is probably Plato’s own (though allegorical interpretations of mythological names in Heraclitus’ third logos are for the most part lost; some of them may be hidden among the etymologies in the Cratylus). Both the opposition between λόγος ἀληθής and λόγος ψευδής, and the correlation of the true logos with the divine world (knowledge), and of the false logos with the phenomenal human world of plurality and change are authentic. Authentic is also the connection between the false world of plurality with poetry and myth. According to Heraclitus the poets (Homer and Hesiod) misread the cosmic logos by dissecting it into “letters” that have no meaning instead of “grasping them together” as syllables of the same “common” logos. 5) Philo Alexandrinus, Quis rerum divinarum haeres 207–214 = Heraclit. fr. 106 B Leb. τῷ γὰρ ὄντι πάνθ’ ὅσα ἐν κόσμῳ σχεδὸν ἐναντία εἶναι πέφυκεν[…] [208] θερμὸν ἐναντίον ψυχρῷ καὶ ξηρὸν ὑγρῷ καὶ κοῦφον βαρεῖ καὶ σκότος φωτὶ καὶ νὺξ ἡμέρᾳ […] κατὰ δὲ τὸν ἀέρα αἰθρία νεφώσει, νηνεμία πνεύμασι, θέρει χειμών, ἔαρι μετόπωρον […] [210] πάλιν γραμματικὴ ἀγραμματία, μουσικὴ ἀμουσία, παιδεία ἀπαιδευσία, συνόλως τέχνη ἀτεχνία, καὶ τὰ ἐν ταῖς τέχναις, φωνήεντα στοιχεῖα καὶ ἄφωνα, ὀξεῖς καὶ βαρεῖς φθόγγοι, εὐθεῖαι καὶ περιφερεῖς γραμμαί […] [213] παγκάλως οὖν ὁ τῶν τῆς φύσεως ἑρμηνεὺς γραμμάτων , τῆς ἀργίας καὶ ἀμελετησίας ἡμῶν λαμβάνων οἶκτον ἑκάστοτ’ ἀφόνως ἀναδιδάσκει, καθὰ καὶ νῦν, τὴν ἀντιπρόσωπον ἑκάστων θέσιν οὐχ ὁλοκλήρων, ἀλλὰ τμημάτων ὑπαρχόντων· ἓν γὰρ τὸ ἐξ ἀμφοῖν τῶν ἐναντίων, οὗ τμηθέντος γνώριμα τὰ ἐναντία. [214] οὐ τοῦτ’ ἐστίν, ὅ φασιν Ἕλληνες τὸν μέγαν καὶ ἀοίδιμον παρ’ αὐτοῖς Ἡράκλειτον κεφάλαιον τῆς αὑτοῦ προστησάμενον φιλοσοφίας αὐχεῖν ὡς ἐφ’ εὑρέσει καινῇ; For in truth we may take it that everything in the world is by nature opposite to something else. Hot is opposite to cold, dry to wet, light to heavy, darkness to light, night to day […] cloudless to cloudy, calm to wind, summer to winter […] [210] Again we have the opposite conditions of the literary and the illiterate […] and in general the scientific and the unscientific, and in the subject matter of the arts (τέχναι) or sciences there are vocal sounds or vowels and non-vocal sounds or consonants, high notes and low notes, straight lines and curved lines. […] [213] How excellent then is this lesson, which the interpreter of Nature’s letters […] lavishes on us always and everywhere, as he does in this passage, that in every case it is not where things exist as wholes, but where they exist as divisions or sections, that they must be “set facing opposite each other.” For the two opposites together form a single whole, by the division of which the opposites are known. Is not this the truth which according to the Greeks Heracleitus, whose greatness they celebrate so loudly, put in the forefront of his philosophy and vaunted it as a new discovery? (trans. Francis Henry Colson & George Herbert Whittaker with few alterations).



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Philo comments on the biblical passage about the division of sacrificial animals in Abraham’s story: the “Holy Word” (ἱερός λόγος) saying “he set them opposite each other” ἔθηκεν ἀντιπρόσωπα ἀλλήλοις (Gen. 15.10) teaches us the “science of opposites”. To support the thesis that the opposites are universal he produces what may well be the most extensive list of opposites in ancient literature from all spheres of being starting from the “first” (cosmos, elements, stars, seasons) and then passing to living beings, moral qualities, arts and sciences (τέχναι), politics and society. Many (but not all) of these pairs of opposites are attested independently in other sources on Heraclitus. We have demonstrated elsewhere that the sequence of the thematic groups of opposites in Philo’s passage coincides almost exactly with the general structure of Heraclitus’ book: cosmos – living beings – anthropology and ethics – the world of τέχναι – state and law.34 In the last section of this digression Philo makes use of Heraclitus’ logos metaphor: he calls Moses “the interpreter of the letters of Nature” (ὁ τῆς φύσεως ἑρμηνεὺς γραμμάτων)35 and paraphrases the diairesis theory of Heraclitus fr. B 1. After making Moses a Heraclitean Philo accuses Heraclitus of plagiarism, anticipating the similar technique of the Christian apologists (cf. e. g. the text of Clement below). 6) Clemens Alexandrinus, Stromata 1.13.57 (1.36.17–37.2 St.) = Heraclit. fr. probabilia 5 Leb. […] εἰ καὶ ἀλλήλοις ἀνόμοια εἶναι δοκεῖ, τῷ γένει γε καὶ ὅλῃ τῇ ἀληθείᾳ ὁμολογοῦντα· ἢ γὰρ ὡς μέλος ἢ ὡς μέρος ἢ ὡς εἶδος ἢ ὡς γένος εἰς ἓν συνάπτεται. ἤδη δὲ καὶ ἡ ὑπάτη ἐναντία τῇ νεάτῃ οὖσα, ἀλλ’ ἄμφω γε ἁρμονία μία, ἔν τε ἀριθμοῖς ὁ ἄρτιος τῷ περιττῷ διαφέρεται, ὁμολογοῦσι δὲ ἄμφω τῇ ἀριθμητικῇ, ὡς τῷ σχήματι ὁ κύκλος καὶ τὸ τρίγωνον καὶ τὸ τετράγωνον καὶ ὅσα τῶν σχημάτων ἀλλήλων διενήνοχεν. ἀτὰρ καὶ ἐν τῷ κόσμῳ παντὶ τὰ μέρη σύμπαντα, κἂν διαφέρηται πρὸς ἄλληλα, τὴν πρὸς τὸ ὅλον οἰκειότητα διαφυλάττει. οὕτως οὖν ἥ τε βάρβαρος ἥ τε Ἑλληνικὴ φιλοσοφία τὴν ἀίδιον ἀλήθειαν σπαραγμόν τινα, οὐ τῆς Διονύσου μυθολογίας, τῆς δὲ τοῦ λόγου τοῦ ὄντος ἀεὶ θεολογίας πεποίηται. ὁ δὲ τὰ διῃρημένα συνθεὶς αὖθις καὶ ἑνοποιήσας τέλειον τὸν λόγον ἀκινδύνως εὖ ἴσθ’ ὅτι κατόψεται, τὴν ἀλήθειαν.

This passage of Clement contains a neglected verbatim quotation from Heraclitus 2 Leb./DK 22 B 1 τοῦ λόγου τοῦ ὄντος ἀεί. Like Hippolytus (Nr. 1 above) and Philo (Nr.  6 above) he connects “this logos” with a theory of diairesis according to which the Logos-Universe is both one and many, and like Plato in the Cratylus he understands the undivided logos as aletheia, and the divided one as pseudos. What especially strikes us is that, Clement like Philo connects the true and false

34 Lebedev 2014, 415–417. 35 γραμμάτων is the reading of all manuscripts. Editors accept the reading of the papyrus πραγμάτων, but this is a lectio facilior, an ‘emendation’ made by someone who did not understand the Heraclitean metaphor of the “book of nature”.

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diairesis of logos with the Heraclitean thesis ἡ τέχνη μιμεῖται τὴν φύσιν, the idea that human τέχναι reproduce the antithetical structure of the divine arrangement of the Universe. He may be influenced by Philo’s passage in Quis rerum divinarum, but he gives to the Heraclitean eternal logos a new, christological meaning. Note that the correlation of the phenomenal world of plurality with Dionysus and/or the sparagmos myth is also attested in Plato’s Cratylus (text 4 above: the false world is “Bacchic” and “tragic”) and in the Heraclitizing context of Plutarch’s quotations of fr. 42 Leb./DK 22 B 90 and fr. 41 Leb./DK 22 B 65 in De E apud Delphos 388e = Heraclit. fr. probabilia 12 Leb. In Plutarch, Apollo stands for one = κόρος =  ἐκπύρωσις, and Dionysus-Zagreus for many =  χρησμοσύνη =  διακόσμησις. The ultimate source of this allegorical theology is likely to be the third logos (θεολογικός) of Heraclitus’ book. 7) Porphyrius, De abstinentia 3.21 = Heraclit. fr. probabilia 6 Leb. καίτοι Στράτωνός γε τοῦ φυσικοῦ λόγος ἐστὶν ἀποδεικνύων, ὡς οὐδὲ αἰσθάνεσθαι τὸ παράπαν ἄνευ τοῦ νοεῖν ὑπάρχει. καὶ γὰρ γράμματα πολλάκις ἐπιπορευομένους τῇ ὄψει καὶ λόγοι προσπίπτοντες τῇ ἀκοῇ διαλανθάνουσιν ἡμᾶς καὶ διαφεύγουσι πρὸς ἑτέροις τὸν νοῦν ἔχοντας· εἶτ’ αὖθις ἐπανῆλθεν καὶ μεταθεῖ καὶ διώκει τῶν προειρημένων ἕκαστον ἀναλεγόμενος· ᾗ καὶ λέλεκται,νοῦς ὁρᾷ, νοῦς ἀκούει, τὰ δ’ ἄλλα κωφὰ καὶ τυφλά· ὡς τοῦ περὶ τὰ ὄμματα καὶ τὰ ὦτα πάθους, ἂν μὴ παρῇ τὸ φρονοῦν, αἴσθησιν οὐ ποιοῦντος. Schol. ad loc. P. 195 Bouffartigue/Patillon οἶμαι Ἡράκλειτον τοῦτο λέγειν.

The ultimate source of Porphyry is Strato of Lampsacus who apparently argued against the Platonic opposition between sense-perception (as lowest cognitive faculty) and noetic knowledge as a separate and highest faculty. According to Strato, sense-perception involves attention and mind (νοῦς), therefore they are inseparable. One may guess that Strato supported his argument by quoting Epicharmus’ verse and Heraclitus’ fragments on ἀξύνετοι and “barbarian souls” (fr. 19 Leb./DK 22 B 107) that do not understand the language of the senses. Porphyry’s διαλανθάνουσιν ἡμᾶς καὶ διαφεύγουσι echoes Heraclitus’ λανθάνει in fr. 2 Leb./DK 22 B 1 and διαφυγγάνει in fr. 136 Leb./DK 22 B 86. 8) Synesius, De insomniis 2.40. = Heraclit. fr. probabilia 7 Leb. διὰ τοῦτο καὶ ὁ σοφὸς οἰκεῖος θεῷ, ὅτι πειρᾶται σύνεγγυς εἶναι τῇ γνώσει, καὶ πραγματεύεται περὶ νόησιν, ᾗ τὸ θεῖον οὐσίωται. Αὗται μὲν ἀποδείξεις ἔστων τοῦ μαντείας ἐν τοῖς ἀρίστοις εἶναι τῶν ἐπιτηδευομένων ἀνθρώποις. εἰ δὲ σημαίνει μὲν διὰ πάντων πάντα, ἅτε ἀδελφῶν ὄντων τῶν ἐν ἑνὶ ζῴῳ, τῷ κόσμῳ, καὶ ἔστι ταῦτα γράμματα παντοδαπά, καθάπερ ἐν βιβλίῳ, τοῖς οὖσι, τὰ μὲν Φοινίκια, τὰ δὲ Αἰγύπτια, καὶ ἄλλα Ἀσσύρια, ἀναγινώσκει δὲ ὁ σοφός· σοφὸς δὲ ὁ φύσει μαθών καὶ ἄλλος ἄλλα, καὶ ὁ μὲν μᾶλλον, ὁ δὲ ἧττον, ὥσπερ ὁ μὲν κατὰ συλλαβάς, ὁ δὲ ἀθρόαν τὴν λέξιν, ὁ δὲ τὸν λόγον ὁμοῦ – οὕτως ὁρῶσι σοφοὶ τὸ μέλλον […] ἔστι γάρ τις ὡς ἐν συγγενείᾳ τοῖς μέρεσι καὶ διχόνοια·οὐ γάρ ἐστιν ὁ κόσμος τὸ ἁπλῶς ἕν, ἀλλὰ τὸ ἐκ πολλῶν ἕν. καὶ ἔστιν ἐν αὐτῷ μέρη μέρεσι προσήγορα καὶ μαχόμενα, καὶ τῆς στάσεως αὐτῶν εἰς τὴν τοῦ παντὸς ὁμόνοιαν συμφωνούσης, ὥσπερ ἡ λύρα σύστημα φθόγγων ἐστὶν ἀντιφώνων τε καὶ συμφώνων τὸ δ’ ἐξ ἀντικειμένων ἕν, ἁρμονία καὶ λύρας καὶ κόσμου.



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This passage combines the liber naturae interpretation of Heraclitus’ logos-fragments with a paraphrase of the fragments on strife and palintropos harmonia at the end (29 Leb./B 51). Philosophy is the art of reading the book of nature and the most sophisticated reader grasps the whole logos as a unity, but does not dissect it into letters and syllables. At the same time reading the book of nature is also a kind of manteia, the art of interpretation of oracles. This combination of the grammatical and the mantic metaphorical codes is also authentic and goes back to Heraclitus.

6 The origin of the abstract meaning of στοιχεῖα (“elements”) The results of our study of the early history of the alphabet analogy in Greek philosophy are relevant for the old debate on the origin of the philosophical concept of “elements” in the abstract sense of the inherent basic constituents. Simplicius has preserved the evidence of Eudemus stating that Plato was the first who distinguished in physics “elementary principles” from other principles and assigned to such principles the name of στοιχεῖα.36 It is not immediately clear what is meant here by “elementary principles”: in the preceding context Simplicius speaks about the first philosophers who studied “material and elementary principles” (τὰς ὑλικὰς καὶ στοιχειώδεις ἀρχάς [in Ph. 6.35]), but after quoting Eudemus he states that Aristotle and before him Plato and the Pythagorean Timaeus “considered from a higher point of view the material causes themselves” and analyzed “the corporeal substance” (σωματικὴ φύσις) and defined the “first elementary principles” as matter and form.37 In another passage of the commentary Simplicius means by στοιχειώδεις ἀρχαί the Aristotelian triad ὕλη – εἶδος – στέρησις which he ascribes to both Plato and Aristole, following Aristotle’s distinction in the Metaphysics between three “elements” and four causes or

36 Eudem. fr. 31 Wehrli = Simpl. in Ph. CAG vol. 9, p. 7, 12 Diels: κἀν τοῖς φυσικοῖς καὶ γενητοῖς τὰς στοιχειώδεις ἀρχὰς τῶν ἄλλων διέκρινε (scil. Πλάτων) καὶ στοιχεῖα πρῶτος αὐτὸς ὠνόμασε τὰς τοιαύτας ἀρχάς, ὡς ὁ Εὔδημος ἱστορεῖ. 37 Simpl. in Ph. 7.23 ff.: αὐτὸς καὶ τὰς ὁμοιομερείας καὶ τὰ τέσσαρα στοιχεῖα διέλυσε καὶ αὐτὴν τὴν σωματικὴν φύσιν εἴς τε τὴν ὕλην καὶ τὸ εἶδος ἀνέλυσεν, ὡς πρὸ αὐτοῦ Πλάτων καὶ πρὸ τοῦ Πλάτωνος ὁ Πυθαγορικὸς Τίμαιος, προσεχῆ μὲν τὰ τέτταρα στοιχεῖα ποιήσαντες, πρὸ ἐκείνων δὲ τὰ ἐπίπεδα, ἀρχὰς δὲ πρώτας στοιχειώδεις τὴν ὕλην καὶ τὸ εἶδος. Burkert 2008, 109, note 85 quotes the 6.35 passage, but overlooks the 7.27.

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principles.38 One may wonder if Simplicius paraphrases in later language rather than quotes Eudemus. In any case Eudemus attests that Plato was the first to introduce the term στοιχεῖα into physics. Eudemus’ report seems to be correct with regard of the word στοιχεῖα (Heraclitus’ and Democritus’ word for letters was most probably γράμματα, not στοιχεῖα),39 but the analogy from which the term στοιχεῖα derives is pre-Platonic, and it is attested, as we have seen, not only in Heraclitus, but also in Democritus. The word στοιχεῖον existed before it was made into an abstract term by Plato and Aristotle, and was used, inter alia, in two τέχναι: in Greek grammar for the letters of alphabet and in Greek geometry for elementary propositions (as in Euclid’s Stoicheia). According to Diels the philosophical term originated as a metaphor from grammar and the analogy between letters of alphabet and simple physical elements. Walter Burkert, following Lagerkranz, has proposed an altenative explanation arguing that Plato got his notion of “elements” from geometry. Schwabe believes that the existing evidence does not allow a definite conclusion.40 Burkert rightly points to some weak points in Diels’ arguments, and correctly emphasizes the close relation of Plato’s concept of “elements” with analysis and demonstration more geometrico, as well as the anti-naturalistic character of the whole theory of matter in Timaeus,41 but the grammatical origin remains more plausible. According to Burkert’s hypothesis the originally mathematical term that already had acquired a general meaning of “basic components” became a “fashionable word” among the Sophists who appropriated it for “letzte Grundbestandteile des Systems” and allegedly were followed by γραμματοδιδάσκαλοι who applied it to the alphabet.42 There is no sufficient evidence for this ingenious hypothesis. Α fact of fundamental importance for the history of the word στοιχεῖον is that it is an Attic word. It is unknown to Herodotus (in any sense, not only in the sense of ‘letters’), and there is only one instance in the Corpus Hippocraticum; the original common Greek word for letters was γράμματα.43 Plato’s contemporary Philistion of Locri is still unfamiliar with Plato’s new term and writes Περὶ ἰδεῶν meaning the four elements. Since στοιχεῖον is Attic and γράμματα an orig-

38 Arist. Metaph. 1070b23: στοιχεῖα μὲν τρία, αἰτίαι δὲ καὶ άρχαί τέτταρες. 39 Contra Burkert 2007, 87 and note 27. Recte Diels 1899, 17. 40 Schwabe 1908, 104. 41 Burkert 2008, 109. 42 Ibid. 108. 43 Hippocr. Mul. 230: Πειρῶ δὲ φυσικὸς εἶναι, πρὸς τῆς ἀνθρώπου τὴν ἕξιν καὶ τὴν ἰσχὺν ὁρέων […] στοιχεῖα δέ σοι ταῦτά ἐστιν· ἡ δὲ θεραπείη τουτέων ἐστὶν ἐν μέρει ἑκάστου κτλ. The meaning of στοιχεῖα here seems to be ‘general principles’, ‘guidelines’.



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inal common Greek word, Diels’ suggestion that στοιχεῖα “letters” derives from the language of Attic letter-cutters of the 5th century (when στοιχηδόν style was common) remains attractive.44 It is therefore not necessary to explain the parallel existence of two words for “letters” in classical Greek by postulating the origin of one of them from geometry. It is significant that in one of the first attested instances of στοιχεῖα as a term for the four Empedoclean elements in Timaeus 48b5–c2, Plato in a humorous note remarks that in fact they do not qualify even for syllables, let alone letters.45 The influence of Democritus’ atomic theory on Plato’s theory of matter has been plausibly suggested by a number of scholars.46 Plato did not borrow the analogy mechanically from Democritus, but rather polemically reinterpreted the original in order to refute it. The caustic remark about “short-sighted” (βραχὺ φρονοῦντος) who assimilates or draws analogy (cf. ἀπεικασθῆναι) between the four elements and indivisible “letters”, looks like a peritrope, i. e. a polemical imitation of Democritus’own alphabet analogy and turning it against his naturalistic monism.47

7 Conclusion If our reconstruction of the alphabet analogy in Heraclitus and the identification of the source of the “dream theory” in Plato’s Theaetetus are correct (as we believe they are), Plato knew the analogy between letters and cosmic elements both from Democritus and Heraclitus. The original and ultimate source of the grammatical and alphabet analogy in Greek philosophy of nature was Heraclitus. His main reason for proposing it may have been partly polemical. The idea of the “book of nature” was Heraclitus’ reply both to the mechanistic determinism of the Milesians (inasmuch as it recognized the existence of an ethically relevant god in the Universe whose commands should be obeyed) and to the anthropomorphic polytheism of the mythopoetic tradition (inasmuch as it recognized only one and non-anthropomorphic god identical with the Universe). The cosmic Logos in Heraclitus, apart from the logical, epistemological and metaphysical dimension, is also ethically, politically and theologically relevant. It represents a kind

44 Diels 1899, 60. 45 νῦν γὰρ οὐδείς πω γένεσιν αὐτῶν μεμήνυκεν, ἀλλ’ ὡς εἰδόσιν πῦρ ὅτι ποτέ ἐστιν καὶ ἕκαστον αὐτῶν λέγομεν ἀρχὰς αὐτὰ τιθέμενοι στοιχεῖα τοῦ παντός, προσῆκον αὐτοῖς οὐδ’ ἂν ὡς ἐν συλλαβῆς εἴδεσιν μόνον εἰκότως ὑπὸ τοῦ καὶ βραχὺ φρονοῦντος ἀπεικασθῆναι. 46 Nikolaou 1998, 140 ff. 47 Democritus as the source of the passage is admitted by Nikolaou 1998, 201.

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of divine command, a cosmic imperative that demands from humans to listen, to obey, to follow the “common” and to suppress the “private”. In a sense Heraclitus’ poetical cosmology was a restoration of the mantic world-view that had been dispelled by the scientific revolution in Miletus. The cosmos of Heraclitus should be read and interpreted like a book or an oracle, not explained by the action of blind mechanical forces. Heraclitus can also be regarded as the father of hermeneutics and semiotics. He created a new ‘philosophy of understanding’ that contributed nothing to physical science and a lot to dialectical, hermeneutical, existential, ethical, psychological, political thought, philosophy of language and philosophical theology. The real giant of pre-Platonic thought was Heraclitus, not Parmenides.48 Parmenides’ influence on subsequent thought is restricted to Plato and the Platonic tradition.49 Heraclitus’ philosophy exerted enormous influence on Sophists, Plato, the Stoics, Cynics (Antisthenes) and Sceptics (Aenesidemus), i. e. on virtually all Greek philosophy except for Aristotle and the Epicureans.

Appendix 1: Text and translation of Heraclitus’ fragments about cosmic logos Quoted below are the fragments of Heraclitus that concern the universal (ξυνός) or cosmic logos; fragments that use λόγος in traditional sense are not included. The new readings and interpretations are explained in the commentary of our 2014 edition. Ipsissima verba Heracliti are set in bold type, paraphrases are underlined. Fragments 1, 2, 3, 7 derive from the very beginning of the first chapter of Heraclitus’ book (Λόγος περὶ τοῦ παντός), fragment 131 from the second chapter (Λόγος πολιτικός) and fragments 153–154 (which supplement each other) from the last chapter (Λόγος περὶ θεῶν). Fragment 154 is one of the more than 20 new (either neglected or not recognized as authentic in previous editions) fragments in our 2014 edition. All fragments of Heraclitus quoted by Clement are authentic. It is hard to see why this one (in Ionian dialect!) should not be one. The words λόγος γὰρ ὡυτός are part of the quotation, not a christological explanation of Clement. They admit two interpretations. If the fragment is based on the liber naturae metaphor, “logos is the same” means that ἀθάνατοι and θνητοί are syllables of the same word (logos) like ΑΘΑΝΑΤΟΙΘΝΗΤΟΙ, i. e. not self-subsistent beings, but two phases of the same process of cyclical change (of the same sub-

48 Pace Reinhardt 1916 and his followers. 49 I argue in detail for the Pythagorean background of Parmenides’ philosophy in Lebedev 2014.



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strate). Alternatively, if logos here is a part of the economic metaphorical code (mortgage-borrow) as in fr. 45 Leb./B  31, it means the “common account” or “measure”. By immortals are meant cosmic elements like fire and earth. Mortals are born “at the expense” of the death of immortals because the constituents of their bodies are borrowed from cosmic elements. Then according to cosmic justice the process is reversed: at the prefixed date (prothesmia of loan) the mortals have to die and recompense the damage they inflicted to the immortals by “replenishing” (μετρεῖσθαι) them “to the same measure as was before” (εἰς τὸν αὐτὸν λόγον ὁκοῖος πρόσθεν ἦν). 1 (DK 22 B 50)

Verbatim quotation

Hippolytus, Refutatio Omnium Haeresium 9.9.1 οὐκ ἐμοῦ, ἀλλὰ τοῦ λόγου ἀκούσαντας ὁμολογεῖν· σοφόν ἐστιν ἓν πάντα εἰδέναι.  τοῦ supplevi, cf. fr. 2 || λόγου Bernays  : δόγματος Parisinus || ὁμολογεῖν· interpunxi, infinitivus quasi imperativus : ὁμολογεῖν σοφόν ἐστιν, fere omnes || εἰδέναι cod. : εἶναι Miller, edd. Listening not to mine, but to this logos*, one must agree: wisdom consists in knowing all things as one. --------------Intentional syntactical ambiguity admits alternative translation: “Listening not to mine, but to this logos, one must agree: there is only one Wise being (i. e. god) to know (or to control) all things” * i. e. to the visible “book of nature”, the Universe conceived as text. 2 (DK 22 B 1)

Verbatim quotation

Sextus Empiricus, Adversus mathematicos 7.132; Hippol. Refutatio 9.9.1 [τοῦ δὲ λόγου … ὅκως ἔχει] τοῦ δὲ λόγου τοῦδ᾽ἐόντος αἰεὶ ἀξύνετοι γίνονται ἄνθρωποι καὶ πρόσθεν ἢ ἀκοῦσαι καὶ ἀκούσαντες τὸ πρῶτον· γινομένων γὰρ πάντων κατὰ τὸν λόγον τόνδε ἀπείροισιν ἐοίκασι, πειρώμενοι καὶ ἐπέων καὶ ἔργων τοιουτέων, ὁκοίων ἐγὼ διηγεῦμαι διαιρέων κατὰ φύσιν καὶ φράζων ὅκως ἔχει. τοὺς δὲ ἄλλους ἀνθρώπους λανθάνει ὁκόσα ἐγερθέντες ποιοῦσιν, ὅκωσπερ ὁκόσα εὕδοντες ἐπιλανθάνονται.  τοῦ δὲ Hippol. : om. Sextus || αἰεί Clem. Alex. Str. V.111.7 : ἀεί Hippol. : om. Sextus || πάντων Hippol  : om. Sextus || καὶ ἐπέων Hippol.  : ἐπέων Sextus || τοιουτέων Hippol.  : τοιούτων Sextus || διερέων κατὰ φύσιν Hippol.: κατὰ φύσιν διαιρέων ἕκαστον Sext. || ποιοῦσιν Sextus : ποιοῦσιν καὶ λέγουσιν, ut videtur, Marcus, vide fr. 3 infra.

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But although this logos exists forever humans fail to understand it both before they have listened to it and once they have listened. And indeed, although all /humans/ encounter this logos *, they look like ignorant of it even when they try /to understand/ such words and deeds as those which I expound by dividing them according to nature and indicating how they are. As regards the rest of humanity, they do not realize what they are doing awake, just as they are oblivious /unconscious/ of what they are doing when they sleep. --------------*  Intentional syntactical ambiguity admits alternative translation: “although all things happen according to this logos”. 3 (DK 22 B 72–73) Paraphrase of fr. 1–2 and context Marcus Antoninus 4.46; p. 33, 21–24 Dalfen ἀεὶ τοῦ Ἡρακλειτείου μεμνῆσθαι ὧι μάλιστα διηνεκῶς ὁμιλοῦσι λόγωι τῶι τὰ ὅλα διοικοῦντι, τούτωι διαφέρονται, καὶ οἷς καθ’ ἡμέραν ἐγκυροῦσι, ταῦτα αὐτοῖς ξένα φαίνεται. καὶ ὅτι οὐ δεῖ ὥσπερ καθεύδοντας ποιεῖν καὶ λέγειν· καὶ γὰρ καὶ τότε δοκοῦμεν ποιεῖν καὶ λέγειν. Always remember the saying of Heraclitus: with the very same logos with which they communicate constantly – the one that governs the Universe – they are at variance, and what they encounter daily seems to them unknown. Also that one should not act and speak like dreamers, for in our dreams we too imagine to act and to speak. 7 (DK 22 B 2)

Paraphrase + verbatim quotation Sextus Empiricus, Adversus mathematicos 7.133 (p. 33 Mutchmann) διὸ δεῖ ἕπεσθαι τῶι κοινῶι {ξυνὸς γὰρ ὁ κοινός}. τοῦ < δὲ> λόγου δ’ ἐόντος ξυνοῦ ζώουσιν οἱ πολλοὶ ὡς ἰδίαν ἔχοντες φρόνησιν.  τοῦ < δὲ> λόγου supplevi (cf. fr. 1) : τοῦ λόγου δ’ codd., edd. || λόγωι post κοινῶι add. N, sed exp. Therefore one should follow the common /logos/… but although this logos is common, most people conduct their life as if they had a private intelligence. 131 (DK 22 B 114)

Verbatim quotation Stobaeus 3.1.179 (III, p. 129 Hense) ξὺν νόωι λέγοντας ἰσχυρίζεσθαι χρὴ τῶι ξυνῶι πάντων /scil. λόγωι/, ὅκωσπερ νόμωι πόλις, καὶ πολὺ ἰσχυροτέρως. τρέφονται γὰρ πάντες οἱ ἀνθρώπειοι νόμοι ὑπὸ ἑνὸς τοῦ θείου· κρατεῖ γὰρ τοσοῦτον ὁκόσον ἐθέλει καὶ ἐξαρκεῖ πᾶσι καὶ περιγίνεται.  πολύ Schleiermacher : πόλις Trincavelli (Florilegium ed. Venet. 1536) Those who speak /=  state their logos/ with understanding, should rely on the common /logos/, like a community of citizens on the law, and even stronger. For all human laws depend on the single one divine law. It extends its power as far as it wills, it is sufficient to all and surpasses them all.

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153 (DK 22 B 62)

Verbatim quotation Hippolytus, Refutatio omnium haeresium 9.10 ἀθάνατοι θνητοί, θνητοὶ ἀθάνατοι, ζῶντες τὸν ἐκείνων θάνατον, τὸν δὲ ἐκείνων βίον τεθνεῶτες. Immortals are mortals, mortals are immortals, they live at the expense of others’ death, they die at the expense of others’ life. 154

Paraphrase of 153 + verbatim quotation Clemens Alexandrinus, Paedagogus 3.1.5 (I, p. 236, 24 St.) ἀνθρωποι θεοί, θεοὶ ἄνθρωποι· λόγος γὰρ ὡυτός. Humans are gods, gods are humans, for the account is the same. Fragmenta probabilia, Nr. 7 Leb. Synesius, de insomniis 2.40. διὰ τοῦτο καὶ ὁ σοφὸς οἰκεῖος θεῷ, ὅτι πειρᾶται σύνεγγυς εἶναι τῇ γνώσει, καὶ πραγματεύεται περὶ νόησιν, ᾗ τὸ θεῖον οὐσίωται. Αὗται μὲν ἀποδείξεις ἔστων τοῦ μαντείας ἐν τοῖς ἀρίστοις εἶναι τῶν ἐπιτηδευομένων ἀνθρώποις. εἰ δὲ σημαίνει μὲν διὰ πάντων πάντα, ἅτε ἀδελφῶν ὄντων τῶν ἐν ἑνὶ ζῴῳ, τῷ κόσμῳ, καὶ ἔστι ταῦτα γράμματα παντοδαπά, καθάπερ ἐν βιβλίῳ, τοῖς οὖσι, τὰ μὲν Φοινίκια, τὰ δὲ Αἰγύπτια, καὶ ἄλλα Ἀσσύρια, ἀναγινώσκει δὲ ὁ σοφός· σοφὸς δὲ ὁ φύσει μαθών· καὶ ἄλλος ἄλλα, καὶ ὁ μὲν μᾶλλον, ὁ δὲ ἧττον, ὥσπερ ὁ μὲν κατὰ συλλαβάς, ὁ δὲ ἀθρόαν τὴν λέξιν, ὁ δὲ τὸν λόγον ὁμοῦ· – οὕτως ὁρῶσι σοφοὶ τὸ μέλλον ἔστι γάρ τις ὡς ἐν συγγενείᾳ τοῖς μέρεσι καὶ διχόνοια· οὐ γάρ ἐστιν ὁ κόσμος τὸ ἁπλῶς ἕν, ἀλλὰ τὸ ἐκ πολλῶν ἕν. καὶ ἔστιν ἐν αὐτῷ μέρη μέρεσι προσήγορα καὶ μαχόμενα, καὶ τῆς στάσεως αὐτῶν εἰς τὴν τοῦ παντὸς ὁμόνοιαν συμφωνούσης, ὥσπερ ἡ λύρα σύστημα φθόγγων ἐστὶν ἀντιφώνων τε καὶ συμφώνων· τὸ δ’ ἐξ ἀντικειμένων ἕν, ἁρμονία καὶ λύρας καὶ κόσμου.

Appendix 2: The use of “book of nature” metaphor in post-classical Western traditions: some parallels to Heraclitus. The “book of nature” is one of the most popular and persistent conceptual meta­ phors in Western European philosophical, scientific, theological and poetic literature in the Middle Ages, Renaissance and Modern times (especially in early modern history) up to the 19th century when it faded away (after Romanticism), becoming untimely in the age of evolutionism and positivism.50 The relevant

50 For a general overview see Nobis 1971, 957–959; Curtius 1953, 319–326; Brădățan 2006a, 57 ff. Darwinism against argument from design: Berkel & Vanderjagt 2006, IX.

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material is abundant, the aim of these remarks is only to pinpoint some interesting typological parallels to Heraclitus and in some cases, maybe, to detect histori­ cal traces of Heraclitus’ thought. The earliest instances of the phrase “book of nature” or “book of the world” (with the word βιβλίον, liber) are found in Augustine, Johannes Chrysostomus and Synesius of Cyrene. According to Augustine, God is the author not of one, but of two books, of the Holy Scripture and of the Book of Nature.51 The idea of book of nature is alluded in one passage of Johannes Chrysostomus: the beauty (τὸ κάλλος) of Heavens and creation “instead of books and letters” (ἀντὶ βιβλίων καὶ γραμμάτων) teach the human race and “recount” (διηγοῦνται) the wisdom of the Creator.52 The passage from De insomniis of Synesius (often neglected) is quoted above in Appendix 1. It is of special importance since Synesius combines a detailed exposition of the alphabet analogy with a direct quotation of Heraclitus’ fragment on the cosmic harmony and the harmony of the bow and the lyre. Synesius demonstrates perfect understanding of Heraclitus’ metaphorical language: the cosmic logos and the palintropos harmonia in Heraclitus are two parallel metaphors that express the same metaphysical doctrine of coincidentia oppositorum. In medieval theological tradition the topos of liber scripturae/liber naturae as a double revelation became standard (with variants liber creaturae and liber mundi for liber naturae): “Omnis mundi creatura quasi liber et pictura nobis est et speculum” (Alanus de Insulis).53 The following text from Nicolaus Cusanus (whose theory of coincidentia oppositorum has been compared with Heraclitus) recalls Heraclitus’ fragments on λόγος and ἀξύνετοι: “Die Dinge sind die Bücher der Sinne. In ihnen steht das Wollen der göttlichen Vernunft in sinnenfälligen Bildern beschrieben.”54 In the early modern period it was equally fashionable in Protestant theological tradition and in secular empirical science.55 Keppler declared himself a priest of the Book of Nature, and Galileo pronounced the famous motto “il grandissimo libro della natura è scritto in lingua matema­ tica” (Saggiatore, 1623).

51 Aug. De Gen. ad litt. MPL 32.219 ff. 52 Johannes Chrys., In illud Isaiae: Ego dominus deus feci lumen (MPG, vol. 56, p. 145, 23): Διὰ τοῦτο ὁ Προφήτης οὐκ εἶπεν ἁπλῶς, ὅτι οἱ οὐρανοὶ φθέγγονται δόξαν Θεοῦ, ἀλλὰ, Διηγοῦνται, τουτέστι, καὶ ἑτέρους παιδεύουσι, καὶ μαθητὰς ἔχουσι τὸ τῶν ἀνθρώπων γένος, καὶ διδασκαλεῖον μέγιστον εἰς τὸ μέσον εἰσὶ προβαλλόμενοι, ἀντὶ βιβλίων, καὶ γραμμάτων, τῆς οἰκείας φύσεως τὸ κάλλος καὶ ἰδιώταις, καὶ σοφοῖς, καὶ πᾶσι παρέχοντες ἐπιέναι, καθάπερ ἐν βιβλίῳ τὴν ἐγκειμένην αὐτοῖς περὶ τῆς τοῦ Θεοῦ σοφίας καὶ δυνάμεως διδασκαλίαν. 53 MPL 210.579a. 54 Quoted by Nobis 1971, 958. 55 Van Berkel & Vanderjagt 2006; Jorink 2010.



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Before Augustine the idea of double grounding is foreshadowed in two passages of the New Testament: the beginning of the St. John’s Gospel (1.1–4) and St. Paul (Cor. 13.12–13). Costică Brădățan makes an interesting suggestion that both passages are connected with the topic of liber mundi, though in different perspectives: in the first the cosmic text (logos) is presented in the “text perspective” (the author and his text), and in the second in the “reader’s perspective”, the cosmic text considered in relation to its “readers”.56 If this suggestion is correct, or at least, if the use of Logos in St. John 1.1–4 indeed depends on some version of the liber mundi or liber naturae metaphor (as it does in Heraclitus), Amelius’ claim that the doctrines of Heraclitus and St. John on Logos agree, would not be as fantastic as it has been commonly assumed.57 We have seen that Philo Alexandrinus knew and correctly understood Heraclitus’ metaphor of γράμματα τῆς φύσεως (= ὁ λόγος ὅδε), so Philo would provide a possible link between Heraclitus and St. John. But this requires further investigation. A striking parallel to Heraclitus’ logos of nature metaphor is provided by philosophical writings of Berkeley, who adopted the topos of liber naturae (liber mundi) and on the basis of it developed his theory of the “universal language of nature”.58 There is no agreement as to his sources; biblical (NT), scholastic and Neoplatonic (especially through Eriugena) sources may have had a combined effect on his thought. Costică Brădățan convincingly demonstrates that the philosophy of Berkeley is rooted in the Platonic tradition, and since we have seen above that Plato in Theaetetus and Cratylus knew and correctly interpreted Heraclitus’ idea of the book of nature, the Neoplatonic roots of Berkeley’s metaphor seem plausible. Neoplatonists, in turn, knew Heraclitus both from Stoic sources and from the original (Plotinus certainly did).59 Berkeley does not speak precisely about the “book” of nature, but rather about “language” or “word”, by which god speaks to us through things conceived as “signs”. This comes even closer to Heraclitus’ ξυνὸς λόγος. Just as Heraclitus sets against the aetiological explanation of natural phenomena by the Milesians a ‘semiotic’ epistemological paradigm of ‘attending’ to logos (reading the book of nature) and interpreting the “signs” (cf. σημαίνει), so Berkeley sets against the principle of the contemporary mechanistic science (especially Descartes) scire per causas his own principle scire per signa.60

56 Brădățan 2006a, 58. 57 Amelius ap. Euseb. PE 11.19.1 (II, 25 Mras) = Heraclit. 1(f) Marc. 58 See on this topic the illuminating work of Brădățan 2006a, 38 ff. (chapter 3 “George Berkeley and the Liber Mundi Tradition”) and Brădățan 2006b. 59 We attribute to Heraclitus in Lebedev 2014 three additional fragments quoted by Plotinus: fr. 52, 81, fr. probabilia 14 Leb. On the subject see also Stamatellos 2012. 60 On this topic see Parigi 2010, 107–122.

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Berkeley conceives the cosmic language of God as visual or “optic”. Heraclitus, too, emphasizes that “eyes are more trustworthy witnesses than ears.”61 It is interesting that Descartes, Berkeley’s theoretical opponent in methodology, also used the metaphor of the “book of nature”. However in Descartes it has no theological implications, but rather serves as a slogan of empiricism and is directed against bookish knowledge: “as soon as I was old enough to emerge from the control of my teachers, I entirely abandoned the study of letters. Resolving to seek no knowledge other than that which could be found in myself or else in the great book of the world, I spent the rest of my youth traveling […].”62 In Heraclitus the metaphor of liber naturae is used in both ways. On the one hand it expresses the principle of the absolute authenticity of truth: the truth cannot be learned from others (‘heard’), but only directly perceived from “this logos” (‘seen’). Just as in Descartes the turn from tradition and teachers to personal experience in Heraclitus is combined with the motif of the autodidact: ἐδιζησάμην ἐμεωτόν.63 Heraclitus sets “this logos”, the logos of nature, against the traditional “many logoi” of others as the only source of true knowledge.64 On the other hand in the symbolical (visual) language of the book of nature is written the divine law (θεῖος νόμος) of the harmony of opposites and the monotheistic doctrine about the one and only “Wise Being” (τὸ Σοφόν) whose providential Will (Γνώμη) steers the Universe.65 In Berkeley the symbolical character of things and the idea of “god’s language” as visual are closely related with his immaterialism and the denial of the reality of matter. Heraclitus definitely was not an absolute idealist like Berkeley, he was a pantheist and identified god with φύσις. He also held a (quasi) naturalistic view of soul as “evaporation” from blood that would hardly appeal to Berkeley. Nevertheless Heraclitus’ alphabet analogy contains elements of subjective idealism (immaterialism) with regard to the individual things (separated opposites).66 Only the integral Logos (= One) is really real, separate letters and syllables have no meaning and therefore are not self-subsistent. They are like “lice” which cease to exist the very moment they are “grasped.”67 Empirical science of the Milesian type, according to Heraclitus, is concerned with non-entities. In his “Philosoph-

61 Fr. 13 Leb./DK 22 B 101a. The biographical tradition on Heraclitus as autodidact depends on this and related fragments. 62 Descartes, Discource on the method I.9, in: Cottingham et al. 1985, 115. 63 Fr. 97 Leb./DK 22 B 101. 64 Fr. 139 Leb./DK 22 B 108, 11 Leb./DK 22 B 74 etc. 65 Fr. 1 Leb./DK 22 B 50, 140 Leb./DK 22 B 41, 131 Leb./DK 22 B 114. 66 I argue in detail against Myles Burnyeat’s denial of the existence of idealism in Greek philoso­ phy (Burnyeat 1982) in Lebedev 2013. 67 Fr. 20 Leb./DK 22 B 56.



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ical Intuition” Henri Bergson finds the key to the understanding of Berkeley’s immaterialism in the conception of the material world as “the language that god speaks to us” (“une langue que Dieu nous parle”). In contrast to this view, according to Bergson, the materialists, “by emphasizing each syllable [italics are mine, A. L.]” and declaring it an independent entity, “divert us from the meaning” and “prevent us from following the divine word.”68 This looks like a summary of Heraclitus’ alphabet analogy: logos (= Universe) is real and meaningful, its separate elements are not.

Appendix 3: The Liber naturae metaphor and the quest for perfect language Heraclitus’ concept of the logos of nature was not only the basis of his new hermeneutical epistemology and an argument in support of his radical metaphysical monism, theological monotheism and the political idea of Cosmopolis and natural (“divine”) law, it was also essential to his logic (the denial of contradiction) and to his philosophy of language. Just as the divine knowledge is superior to human knowledge, so the cosmic language is more “according to nature” (κατὰ φύσιν) than ordinary human language, which is based on the false diairesis of the world’s scriptio continua. Consequently the ordinary language should be reformed and brought into accordance with nature. The ‘cosmic grammar’ becomes normative for the language of philosophy.69 In our study of Heraclitus’ language and style, we have tried to demonstrate that the logos (text) of Heraclitus’ book imitates the cosmic logos.70 In the authentic verbatim quotations (e. g. in Hippolytus) he regularly omits the conjunction καί between the opposites (since in nature they are not separated) and does not use the copula ἐστίν when the subject is τὰ φανερά. He also avoids the use of the article with words denoting phenomenal opposites (like day and night) since the article in his time still retained the deictic power of the demonstrative pronoun and as such would have made the phenomena self-subsistent, whereas for Heraclitus they are just temporal phases of the cyclic change, of the ‘road to and fro’. But he uses the article and the verb ‘to be’ when he speaks about cosmic absolutes like logos (τοῦ λόγου τοῦδε ἐόντος), πῦρ or αἰών. This explains why in Plato’s “dream theory” it is pro-

68 Bergson, L’Intuition philosophique (1911), quoted by Brădățan 2006b, 70. 69 I have discussed the topic “Greek philosophy as a reform of language” in Lebedev 2009. 70 Lebedev 2014, 44–54.

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hibited to apply expressions like αὐτό and τοῦτο to singular “letters” (στοιχεῖα) of the logos-world.71

Appendix 4: The archaic roots of Heraclitus’ cosmos and of the liber naturae metaphor Van Berkel and Vandrjagt explain the extreme popularity of the “book of nature” metaphor in the early modern period by the spread of printed books after Gutenberg.72 This may have been one of the contributing factors, but hardly the main one. The liber scripturae/liber naturae topos was already widespread in the Middle Ages, and we have seen that versions of it were known to Greek philosophers in archaic and classical times. One should not be misled by the fact that the phrase “book of nature” (containing the word liber, βιβλίον) first appears in late antiquity: this is due to linguistic factors. In early times the word βιβλίον was more closely associated with the physical body (papyrus roll) of a book rather than with its content (literary work or philosophical treatise). That is why in its archaic and classical version the same metaphor is expressed by different lexical means (γράμματα, στοιχεῖα, ἔπη, λόγος etc.): a phrase like τὸ βιβλίον τῆς φύσεως would sound bizarre to the ears of Heraclitus or Plato. The historical roots of this classical metaphor may go back to even more ancient times, since in different archaic religious traditions the Holy Scripture (or sacral hymn, prayer etc.) is considered as eternal and existing from time immemorial. The Logos of St. John is at once the Word of God with cosmogonic power and the Saviour that existed ἐν ἀρχῆι. According to the Quran (13.39) all revealed scriptures derive from a single divine source called the Umm al-Kitab or “Mother of Books”. The concept of the “People of Book” (Ahl al-Kitab), uniting Muslims, Jews and Christians as spiritual cousins worshipping the same God in opposition to pagans, is based on this passage. So the Torah, the Gospels and the Quran are regarded as three copies of the same eternal archetype, the last copy, of course, being most perfect and final.73 In ancient Indian thought, Brahman refers not only to divine reality that permeates the Universe, but also to the “verses” of Rig-Veda and later to magic formulas and incantations in Atharva-Veda. In fr. 2 Leb./DK 22 B 1 Heraclitus speaks

71 Plato, Theaet. 202a2sq.: ἐπεὶ οὐδὲ τὸ “αὐτὸ” οὐδὲ τὸ “ἐκεῖνο” οὐδὲ τὸ “ἕκαστον” οὐδὲ τὸ “μόνον” οὐδὲ “τοῦτο” προσοιστέον οὐδ’ ἄλλα πολλὰ τοιαῦτα. 72 Van Berkel & Vanderjagt 2006, IX. 73 Sajoo 2009, 46–47.



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about (human and) cosmic ἔπη, i. e. verses of liber naturae, as a source of philo­sophical truth opposed to the false “verses” of the poets. In Advaita-Vedanta Brahman is essentially connected with the idea of absolute spiritual monism, and similarly in Heraclitus λόγος ὅδε is a holistic metaphor for the indivisible One.74 According to Fr. Rochberg, the epistemological foundation of Mesopotamian divination and astrology was the “conceptualization of phenomena as signs”: “the diviners regarded the physical world of phenomena as an interpretable system of signs or symbolic language, by means of which humankind could obtain knowledge of future events.”75 These oriental parallels are intended as only typological parallels, not as alleged sources of Heraclitus. There is no evidence for any oriental (e. g. Iranian) influence on Heraclitus’ thought. If there was any pre-existing tradition that influenced Heraclitus’ philosophy and the conceptual metaphor of liber naturae, it was the Hellenic Apollonian art of divination (μαντικὴ τέχνη). Heraclitus compares himself with a prophet (using the prophetic formula “it is not my word”) and assimilates the cosmic logos to an oracular text which is to be interpreted by a philosophical reader. He also adopts in his terminology of the Cosmic Cycle a set of metaphors from Apollonian astragalomanteia: πόλεμος – εἰρήνη and κόρος – χρησμοσύνη were popular names of the four sides of an astragalos that predicted (by falling with “response” on the upper side) war or peace, poverty or wealth. In a sense, Heraclitus’ philosophy was an attempt to restore the traditional religious conception of the world as a community of gods and men living in a cozy twolevel cosmos with divine heaven and mortal earth, a world that was mercilessly destroyed by the scientific revolution in Miletus and dissolved in the meaningless infinite ocean of chaotic matter. In the Milesian cosmos, natural phenomena and processes are mute and meaningless, in the mantic world-view they speak to humans and transmit the commands of gods. However, these mantic features of Heraclitus’ cosmos should not be overstated. No doubt he was not an ordinary mantis watching the flight of birds or inspecting the intestines of sacrificial animals. He may well have rejected traditional mantic techniques together with the ritual practices that he compares with “madness”. The mantic metaphorical code and the theme of the “wisdom of Apollo” that permeate Heraclitus’ book are to some extent rhetorical devices. In archaic Greek philosophy, claiming divine wisdom was a façon de parler to attain a higher level of objectivity and truth and surpassing the doxastic subjectivity of the non-philosophical οἱ πολλοί. Pythagoras, Parmenides and Empedocles provide clear examples.

74 Craig 1998, 1–4 75 Rochberg 2004, 165.

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Appendix 5: Heraclitus and the “Speech of Nature” in Lucretius. A plausible imitation of Heraclitus’ “logos of the Universe” metaphor is found in Lucretius‘ “speech of nature” imagery in book III.931–71: Denique si vocem rerum natura repente  / mittat et hoc alicui nostrum sic increpet ipsa  / “quid tibi tanto operest, mortalis, quod nimis aegris / luctibus indulges? quid mortem congemis ac fles? etc”. Commentators have suggested that this digression draws on non-Epicurean sources and compared the speech of personified Penia in Bion of Borysthenes (fr. 17 Kindstrand). T. Reinhardt convincingly argues that Lucretius, while relying on non-Epicurean sources, “is pursuing a distinctly Epicurean aim.”76 In our view the main source of Lucretius (Epicurus) is most probably Heraclitus, though in this Epicurean adaptation of Heraclitus’ imagery the emphasis is shifted from metaphysical/epistemological aspects to ethical ones and serves as an exhortation against the fear of death. Both in Heraclitus and in Lucretius the image of Nature herself speaking gives expression to the empiricist notion of self-evidence (τὸ ἐναργές) and objective truth as opposed to the false beliefs of mortals (τὰ δοκέοντα in Heraclitus). Further confirmation is provided by the use of Heraclitus’ lend-and-borrow metaphorical code (on which see above pp. 256–257) in Lucretius’ concluding remarks (III.970–71): sic alid ex alio numquam desisti oriri / vitaque mancipio nulli datur, omnibus usu. Our body is not our property to keep forever, we have borrowed it from Nature and at the prefixed date we have to return its constituents (semina rerum) to the Owner. It is silly to complain when one has to pay. It is conceivable that Heraclitus is the common source of both the Epicureans and Bion of Borysthenes since Bion was familiar with Heraclitus image of παλίντροπος ἁρμονία (ap. Plut. Mor. 396E). The “voice of nature” or liber naturae metaphor in Heraclitus is interwoven with the alphabet analogy which is attested both in Democritus (fr. 240, 241, 271 Luria) and Lucretius, I, 196. 823, II 686.77

76 Reinhardt 2002, 294. 77 On the letter analogy and “book of nature” metaphor in Lucretius see Diels (1899), 5  ff, Kennedy (2007), 382.



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Abstract Both the traditional metaphysical/theological and the ‘verbal’ or trivial interpretation of Heraclitus’ logos as his “discourse” (Burnet/West) involve unsurmountable difficulties. These difficulties can only be resolved by assuming that in fr. 2 Leb./DK 22 B 1 and 1 Leb./DK 22 B 50 the phrase λόγος ὅδε is a metaphor which on the iconic (metaphorical) level retains the original meaning of “word”, speech or text, but on the referential level denotes the Universe. “this very” means “the one in front of our eyes”, i. e. the visible cosmos, cf. the similar use of deictic ὅδε in fr. 37 Leb./DK 22 Β 30 (κόσμον τόνδε) and 40 Leb./DK 22 Β 64 (τάδε πάντα). The syntactical ambiguity of γινομένων γὰρ πάντων κατὰ τὸν λόγον τόνδε allows a different reading: taking πάντων as a genitive not from neuter πάντα, but from masculine πάντες, scil. ἄνθρωποι. In this case γίνεσθαι κατά does not mean “to happen in accordance with this logos”, but “to come across, to encounter, to meet face to face with”, i. e. is synonymous with the epistemological term ἐγκυρεῖν in fr. 5 Leb./DK 22 B 17, i. e. “for although all humans encounter (in their experience) this very logos (i. e. the book of nature), they look like those who have no knowledge of it […]”. This interpretation was known to Marcus Aurelius who in his paraphrase of 2 Leb./DK 22 B 1 in fr. 3 Leb./DK 22 B 72 renders γινομένων κατὰ τὸν λόγον as ὁμιλοῦσι λόγωι. λόγος ὅδε is not an isolated metaphor, but a part of an elaborated analogy (or explanatory model) between grammatical τέχνη and understanding the cosmos. Since early Ionian prose had no special word for ‘reading’, and “hearing a logos” could as well mean “to read a book” (as in fr. 139 Leb./DK 22 B 108), Heraclitus’ metaphor can also be interpreted as Liber Naturae or “The book οf nature”. If “this very logos” denotes the Universe, then the separate letters and syllables should somehow refer to the separate pheno­mena. According to the most plausible reconstruction, the separate opposites correspond to letters (στοιχεῖα), their conjunctions (pairs of opposites) to syllables (cf. συλλάψιες in fr. 106 Leb./DK 22 B 10), and all syllables should be integrated into the single ξυνὸς λόγος “common logos”, i. e. the Universe. This diairesis is κατὰ φύσιν, i. e. corresponds to the objective reality (cf. κατὰ φύσιν διαιρέων in fr. 2 Leb./DK  22 B  1). This interpretation was well known to the ancients. Plato refers to it twice: in Cratylus 408c (ὁ λόγος τὸ πᾶν σημαίνει) and Theaet. 201d (the “dream” is a reminiscence of the “dreamers” in fr. 2 Leb./DK 22 B 1), both Hippolytus (τὸ πᾶν διαιρετόν κτλ.) and Sextus (δεικνὺς τὸ περιέχον) citing fr. 2 Leb./DK 22 B 1 know it, it is also alluded in Ps.-Heraclit. Epist. IV.2.18–20 (the false division in reading the inscription ΗΡΑΚΛΕΙΤΩΙΕΦΕΣΙΩΙ). Unlike the traditional and the verbal interpretations, the liber naturae analogy can explain the intrinsic connection between the semantics of the word logos and Heraclitus’ main metaphysical thesis πάντα = ἕν.

Marianne Garin

Le Sage dans la Pénombre. Masques de l’Énonciateur et de ses Destinataires dans les Fragments B 5 et B 42 d’Héraclite d’Éphèse εἶναι γὰρ ὅμοιον τὸν σοφὸν τῷ ἀγαθῷ ὑποκριτῇ, ὃς ἄν τε Θερσίτου ἄν τε Ἀγαμέμνονος πρόσωπον ἀναλάβῃ, ἑκάτερον ὑποκρίνεται προσηκόντως  (attribué par Diogène Laërce à Ariston de Chios)1

1 Introduction. Les puits de subjectivité De nombreux chercheurs2 se sont penchés sur la mouvante question des traits distinguant la discipline nommée “philosophie” des domaines que la pensée commune ou la réalité des textes lui accole volontiers. Ces tentatives de défi­ nition accompagnent souvent, au sein des études anciennes, la question jumelle de son émergence historique sur cette bande temporelle, vaste et contrastée, que l’on nomme “Antiquité”3. S’appuyant sur des critères divers et variés, eux-mêmes inspirés par des traditions intellectuelles et des sensibilités personnelles diver­ gentes, les membres de la communauté scientifique ont proposé – et proposent encore – divers moments de la naissance de ce que Renan appellera « le miracle grec »4 et que, tous, nous nous entendons à reconnaître sans pour autant parvenir à en définir clairement les contours. 1 Diogène Laërce VII, 160. Voir à ce propos l’analyse de Lévy 2003, 132 et ss. 2 Sur ce point, je distinguerai deux grandes traditions herméneutiques : d’une part, les approches “de rupture” selon lesquelles l’apparition de la discipline philosophique procèderait d’une sorte de jaillissement inexplicable, apparition presque miraculeuse d’une rationalité jusqu’alors en­ fouie sous des strates, parfois indiscernables, de croyances, de superstitions et de fictions fantai­ sistes et, d’autre part, les interprétations “continuistes” selon lesquelles son avènement aurait été préfiguré par une conjonction de connaissances, de sciences et de pratiques préexistantes. À titre d’exemples, on pourra, pour la première catégorie, citer Burnet 1914, 1–10 et Snell 1946, 7–11 et, pour la seconde, Vernant 1965, 285-314 mais également la préface de 1996, 9 et ss. 3 Sur l’imbrication entre questionnement conceptuel et circonscription temporelle, voir Sassi 2002, 55. 4 Renan 2012, 60.

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Comme l’ont constaté tout un pan d’historiens de la philosophie5, ces jalons-là ne portent en eux-mêmes que la valeur octroyée aux raisons qui les motivent et comptent, par leur contenu, assez peu. Je citerai, à cet égard, la synthèse opérée par Balaudé dans un récent ouvrage consacré au savoir-vivre philosophique, notamment à l’ère préplatonicienne: Si je me donne tel critère, je repérerai à tel moment l’émergence philosophique plutôt qu’à tel autre […], c’est moi qui délimite cette émergence […] et l’on peut considérer cette déli­ mitation comme arbitraire, guère plus légitime qu’une autre, conforme à tel autre critère6.

Cette remarque recouvre à elle seule le double écueil du nombrilisme et du néces­ saire regressus ad infinitum auquel ouvre la chaîne de critères censés déterminer nature et émergence de la discipline : d’une part, le danger de ne déceler, en fait de naissance réelle, qu’une projection de ses préjugés scientifiques propres  et, d’autre part, la nécessité aussi impérieuse que vaine, de justifier indéfiniment non seulement ses critères de définition mais, également, en amont, tous les paramètres censés légitimer les critères en question. Ce sont là deux puits de subjectivité dans lesquels, à l’instar de Thalès7, le commentateur en quête d’un absolu risque fort de tomber. Or, à la lecture des fragments Héraclite, il semble que l’un des moyens d’évi­ ter ces deux difficultés majeures consiste à creuser le puits d’une autre subjecti­ vité en ne suivant pas, dans le corpus, la trace de critères préalablement donnés, mais en prenant ancrage dans les œuvres elles-mêmes, c’est-à-dire dans les traits distinctifs que les textes candidats à investigation se reconnaissent. À ce point de la réflexion interviennent deux nouvelles  difficultés dont il me faut faire état avant que de présenter, en détail, la démarche méthodolo­ gique retenue présentement. Au sein des études anciennes, l’objet principal de la recherche réside dans le texte, ce reliquat encore palpable d’une pensée dont la matrice  – société, culture et langue  – a, en l’état, tout à fait disparu. Ainsi, bien qu’elle puisse faire appel à des sciences portant sur le monde même8, la recherche menée par les historiens de la philosophie ancienne s’exerce princi­ palement sur les textes, que ceux-ci soient l’œuvre des auteurs mêmes ou qu’ils

5 Voir, à ce propos, Laks 2002 et 2006, Lloyd 2002, Sassi 2002 ou encore Balaudé 2010. 6 Balaudé 2010, 18. 7 Voir à ce propos l’anecdote rapportée par Platon dans Théétète en 174a (= DK 11 A 9). 8 Je pense ici entre autres, comme en témoigne le présent volume, à l’archéologie, qui fournit de si précieuses informations sur le mode de vie des auteurs et, partant, sur certains aspects de leurs écrits ou, dans une certaine mesure, à la paléographie, discipline à cheval entre matière et pensée.



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aient fixé, ultérieurement, une pensée originellement conçue dans l’oralité. Et, plus précisément, sur le contenu des textes, à savoir sur des phrases. Et, à l’inté­ rieur des phrases, sur des mots. Nous voilà donc arrivés sur la plus petite unité de valeur, celle que renferment toutes les autres ayant cours au sein de notre étude  : livre, chapitres, paragraphes, phrases, syntagmes. Mot. Or, dans le cas de la définition de la sagesse au sein des fragments d’Héraclite, force est de constater que la recherche positive du vocabulaire pertinent et, partant, des séquences comportant ledit vocabulaire présente deux difficultés majeures. Dans l’optique qui est la mienne, il serait logique qu’une recherche portant sur l’émergence de la pensée philosophique à l’époque archaïque donnât lieu à une étude ciblée du champ morphologique ad hoc, à commencer par celui de la σοφία ou du σοφός, termes-clefs permettant de circonscrire la vision héracli­ téenne du sage. Toutefois, une telle investigation, fondée sur la présence d’un vocabulaire explicite et univoque, induirait, comme déjà mentionné, deux nou­ veaux problèmes. Tout d’abord, constatons que le corpus d’Héraclite comprend huit occur­ rences relevant du champ morphologique de la sagesse, réparties sur sept séquences différentes : il s’agit des fragments B 32 (τό σοφόν), B 35 (φιλοσόφους), B 41 (τό σοφόν), B 56 (ὅς σοφώτερος), B 83 (ὁ σοφώτατος et σοφίᾳ), B 108 (σοφόν) et B  112 (σοφίη). Or, comme le confirme une première lecture superficielle des sept séquences concernées, la majorité de ces occurrences ne renvoient pas direc­ tement à la description du sage, tel que le concevait Héraclite lui-même, mais soit à une forme d’entité abstraite, vraisemblablement divinisée, soit à une posture générale relevant non de la personne, mais d’un exercice ou d’une pratique aux contours encore flous. Ainsi les fragments B 32 (τό σοφόν) et, nonobstant quelque incertitude syn­ taxique9, B 108 (σοφόν) se réfèrent-ils non pas à un modèle d’individu loué par l’auteur, mais à une forme d’entité, sinon divine, du moins supérieure aux êtres 9 De par sa construction syntaxique, le fragment B 108 présente certaine difficulté d’interpréta­ tion. En effet, le terme σοφόν est ici le sujet de la complétive introduite par ὅτι, si bien que deux options grammaticales se présentent au traducteur : soit le σοφόν constitue l’accusatif du mas­ culin σοφός et renvoie par conséquent à la notion d’“homme sage”, soit il constitue l’accusatif du neutre σοφόν et signifie “ce qui est sage”. Kirk, qui opte pour la seconde lecture, souligne que l’absence d’article ne peut toutefois suffire à faire pencher la balance en faveur du neutre. « The omission of the article before σοφόν (if it is not simply a textual error) is not very surprising. Whatever may have been the general practice in the archaic style, Heraclitus was prepared on occasion to use neuter participles and adjectives without the article, as nouns  : cf. especially frr. 88, 126. σοφόν therefore probably means either ‘wisdom’ or ‘the/a wise thing’. » Kirk 1954 398. Nonobstant leurs divergences d’interprétation, Diels & Kranz 1951, 175  ; Kirk 1954, 398  ; Marcovich 1967, 440–441 ; Kahn 1979, 114 ; Curd 1998, 8 ; Mouraviev 2006, 280 et Long 2007, 3–6

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humains, caractérisée par l’unité fondamentale du réel. De même, de par leurs contenus respectifs, les séquences B 56 (ὅς σοφώτερος) et B 83 (ὁ σοφώτατος et σοφίᾳ) se saisissent-elles du motif de la sagesse de manière beaucoup trop super­ ficielle pour en esquisser quelque définition que ce soit : en B  56, recourant à une expression proverbiale pour décrire Homère, et, en B 83, usant d’un exemple creux et interchangeable afin d’illustrer l’idée, plus générale et plus abstraite, de la relativité. Dans ces deux cas, la notion de sagesse fait presque office d’an­ tienne, sinon d’alibi, les thèmes réellement abordés par l’auteur se trouvant en décalage avec le champ lexical apparent. Par conséquent et aussi solides soient-elles du point de vue de la terminolo­ gie, ces quatre séquences s’avèrent d’une utilité très indirecte dans le cadre d’une recherche portant sur la représentation du sage, que ce soit sur le plan de ses actions ou de sa pensée théorique. Sans préjuger de la signification profonde de chacune des séquences concernées, je constate qu’une fois les fragments B 32, B 56, B 83 et, peut-être, B 108 retranchés de mon sous-corpus, seules demeurent trois séquences réellement valables dans le cadre de mon enquête, guère plus. Ensuite, et plus important encore, relevons qu’aussi évident qu’un auteur peut développer une réflexion sur les astres ou sur les plantes sans jamais user des termes “astronomie” ou “horticulture”, de même peut-il parler de sage et de sagesse sans pour autant jamais apposer, sur son discours, une étiquette aussi clairement identifiable. Aussi, il est fort probable qu’en cantonnant le terrain de la recherche aux quelques occurrences d’un champ morphologique déjà res­ treint, je me limite à perte à un très petit nombre de fragments, manquant ainsi peut-être nombre d’indices implicites présents au sein du corpus, masqués sous un vocabulaire ou des thèmes apparemment sans rapport avec le chapeau de l’in­ vestigation. Puisque la matière textuelle à disposition ne propose que peu d’éléments solides et explicites sur lesquels fonder l’enquête, comment, d’une part, détecter les séquences du corpus esquissant une image du penseur tel qu’il se concevait lui-même et, d’autre part, justifier de la pertinence de la sélection, au regard du peu d’évidence signalé plus haut? À la lecture des séquences qui composent aujourd’hui le corpus d’Héraclite, il me semble que l’une des voies d’accès potentielle à cet autoportrait passe par les marqueurs de l’énonciateur10, c’est-à-dire par les indices textuels permettant

traduisent et interprètent tous le sujet de la complétive comme un neutre renvoyant à la plus haute forme de sagesse, non à l’individu paradigmatique. 10 « Pour la catégorie de la personne [au sein de la situation d’énonciation] sont définies trois positions : énonciateur, co-énonciateur et non-personne. La position d’énonciateur est par défi­



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de déceler la présence de celui qui s’exprime, à l’arrière-fond des fragments. En effet, puisque le corpus ne révèle aucune définition, univoque et explicite, de la figure du sage, c’est en restituant la voix de l’auteur que l’on pourra récolter quelques indices quant à la manière dont Héraclite concevait la posture de l’homme éclairé. Or, il se trouve que celui-ci est l’un des Présocratiques à s’être exprimé, dans neuf fragments au moins, soit à la première personne du singulier, soit à la première personne du pluriel11, donnant ainsi à voir la figure du sage en action. Les pronoms personnels qui jalonnent son corpus relèvent de la disci­ pline linguistique appelée “énonciation”, définie par Benveniste de la manière suivante: En tant que réalisation individuelle, l’énonciation peut se définir, par rapport à la langue, comme un procès d’appropriation. Le locuteur s’approprie l’appareil formel de la langue et il énonce sa position de locuteur par des indices spécifiques, d’une part, et au moyen de procédés accessoires, de l’autre. Mais immédiatement, dès qu’il se déclare locuteur et assume la langue, il implante l’autre en face de lui, quel que soit le degré de présence qu’il attribue à cet autre. Toute énonciation est, explicite ou implicite, une allocution, elle postule un allocutaire. Enfin, dans l’énonciation, la langue se trouve employée à l’expres­ sion d’un certain rapport au monde. La condition même de cette mobilisation et de cette appropriation de la langue est, chez le locuteur, le besoin de référer par le discours, et, chez l’autre, la possibilité de co-référer identiquement, dans le consensus pragmatique qui fait de chaque locuteur un co-locuteur. La référence est partie intégrante de l’énonciation12.

nition le point d’origine des coordonnées énonciatives. En français le pronom JE en est le mar­ queur. Entre cet énonciateur et son destinataire, le co-énonciateur (dont le marqueur est TU en français), il existe une relation de « différence », d’altérité : énonciateur et co-énonciateur sont à la fois solidaires, placés sur le même plan, et opposés. […] La position de non-personne est celle des entités qui sont présentées comme n’étant pas susceptibles de prendre part à l’activité d’énonciation. » Maingueneau 2010, 5. (C’est l’auteur qui souligne.) 11 Il s’agit, pour le “je”, des fragments B 1 (ἐγώ διηγεῦμαι), B 49 (ἐμοί), B 50 (ἐμοῦ), B 55 (ἐγώ προτιμέω), B 101 (ἐδιζησάμην ἐμεωυτόν) et B 108 (ἤκουσα) et, pour le “nous”, des fragments B 21 (ὁρέομεν), B 47 (συμβαλλώμεθα) et B 49a (ἐμβαίνομέν, [οὐκ] ἐμβαίνομεν, εἶμέν, [οὐκ] εἶμεν). De cet inventaire, j’exclus trois fragments comprenant la première personne du pluriel. D’abord, les séquences B  56 (εἴδομεν, ἐλάβομεν, ἀπολείπομεν, [οὔτε] εἴδομεν, [οὔτ᾽] ἐλάβομεν, φέρομεν) et B 121 (ἡμέων), dont les occurrences sont insérées au sein de discours directs respectivement im­ putés à des enfants et aux Éphésiens. Ensuite, le très disputé fragment B 4 (diceremus) rapporté par Albert le Grand (in Des Plantes VI, 401). En effet, de récentes recherches, encore inédites, me­ nées par O’Meara, semblent avoir confirmé le soupçon d’inauthenticité déjà formulé par Kahn. L’analyse d’O’Meara démontre que c’est le fragment B 9, progressivement modifié au cours des siècles par Michel d’Éphèse, puis Robert Grosseteste et Albert le Grand sous les influences com­ binées de l’Éthique à Nicomaque et de l’Histoire des Animaux d’Aristote, qui serait à l’origine de la création tardive de B 4. Voir également Kahn 1979, 288–289. 12 Benveniste 1970, 14 (C’est l’auteur qui souligne.)

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Au sein du discours oral ou écrit, les manifestations de l’énonciation sont iden­ tifiables par la présence de marqueurs explicites que la littérature a cristallisés sous les termes de “déictiques” ou d’“embrayeurs”13. Ces deux notions renvoient à des termes dont les référents changent avec la situation d’énonciation et qui reflètent la présence d’actants – à savoir les locuteurs (“je”, “moi” et cetera) ou les destinataires (“tu”, “vous” et cetera) – et de circonstants – principalement liés au lieu (“ici”, “là-bas” et cetera) et au moment de l’énonciation (“maintenant”, “dans deux semaines” et cetera). C’est donc en partant du postulat que les marqueurs de l’énonciation déce­ lables au sein des fragments témoignent de la présence de l’autoportrait du sage que mon article tentera de proposer une analyse des séquences B 5 et B 42, consi­ dérées ici comme porteuses d’indices d’une subtile description de soi.

2 Le fragment B 5. L’étranger d’Éphèse Fragment B 514 : καθαίρονται δ’ ἄλλωι15 αἵματι μιαινόμενοι οἷον εἴ τις εἰς πηλὸν ἐμβὰς πηλῶι ἀπονίζοιτο.

[1] [2]

13 Au sein de la littérature spécialisée, la signification du terme “déictique” puise dans son étymologie même, à savoir dans l’expression “qui désigne, qui montre”. « [Le mot “déictique”] désigne une classe de forme sans dénotation concrète, à référence variable, qui ne peut être saisie qu’en lien étroit à la situation [dans laquelle le propos a été énoncé] ; si la situation n’est pas connue, le référent ne peut être identifié : Regarde ÇA ! Viens ICI ! Ainsi définie, la classe des déictiques comprend non seulement les démonstratifs, mais aussi des pronoms comme ici et maintenant. » Mounin 1974, 98. Pour la définition concurrente de “shifter”, voir Jakobson 1971, 131–133. 14 Les sources premières sont : 1–4 Aristocrit. Théosoph. 68 ; 1–2 Élias Crét. In Greg. Naz. Orat. 25, 15 ; 4–5 Cels. ap. Orig. C. Cels. VII, 62 ; 4 Clém. Protrept. 50, 4. Pour les sources, je me réfère ici au travail de Mouraviev 2006, 21–24. Il faut relever que le texte du fragment B 5 n’a été cité par aucun auteur ancien dans son intégralité et que l’extrait le plus long nous vient d’Aristocrite, « membre d’une secte manichéenne qui aurait vécu au Ve sicèle après J.-C. » Babut 1994, 51. Sauf indication contraire, les traductions françaises proposées au sein de cet article sont de moi. 15 Je suis ici la proposition retenue par Diels & Kranz 1951, Fränkel 1955, ou, encore, Adomėnas 1999, l’absurdité du couple ἄλλωι αἵματι/μιαινόμενοι permettant un jeu de symétrie avec le couple suivant, πηλόν/πηλῶι, tout aussi insensé du point de vue de la purification. En effet, il est probable que l’analogie sous-tendant les deux premières lignes se joue sur les notions res­ pectives de sang et de boue, lesquels, précisément, ne sauraient constituer des moyens de purifi­ cation contre la souillure infligée par le sang et la boue. Kahn 1979, Kirk et al. 1983 et Mouraviev 2006 lui préfèrent toutefois le ἄλλως présent chez Aristocrite, c’est-à-dire « en vain ».



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μαίνεσθαι δ’ ἂν δοκοίη, εἴ τις αὐτὸν ἀνθρώπων ἐπιφράσαιτο οὕτω ποιέοντα.  [3] καὶ τοῖς ἀγάλμασι δὲ τουτέοισιν εὔχονται, ὁκοῖον εἴ τις δόμοισι λεσχηνεύοιτο,[4] οὔ τι γινώσκων θεοὺς οὐδ’ ἥρωας οἵτινές εἰσι. [5] Ils se purifient par le sang d’être impurs par un autre sang, [1] comme si quelqu’un ayant marché dans la boue voulait se laver par la boue.  [2] Si parmi les hommes quelqu’un le voyait agissant de la sorte, il passerait pour délirant.][3] Et ils prient ces images, comme si quelqu’un parlait à des maisons,  [4] ne sachant rien, que ce soit des dieux ou des héros, de ce qu’est leur vraie nature.] [5] Nous l’avons dit : Héraclite est l’un de ces auteurs archaïques recourant, à l’occa­ sion, aux deux premières personnes du singulier et ce sont les fragments porteurs de ces désinences ou de ces pronoms qui, au départ, ont éveillé le soupçon de la présence d’une autodescription en creux. Toutefois, en se penchant attenti­ vement sur un corpus riche de tours et de détours littéraires, on remarque assez vite que les traces de l’énonciateur, pour n’être pas toutes explicites, sont moins rares qu’on pourrait le penser et se moulent, parfois, dans des jeux sémantiques et syntaxiques aussi subtils que sophistiqués. C’est l’un de ces “je” masqués que j’aimerais maintenant présenter via le fragment B 5. Il n’échappera à personne que n’apparaît, au sein de cette séquence, aucune désinence à la première personne du singulier, ni aucun pronom réflexif du même type. Et cependant, par l’usage d’un trope subtil, ce passage me semble illustrer l’une des multiples manières dont l’énonciateur peut se profiler au sein de son propre discours. Je commencerai par une remarque d’ordre général sur l’un des vecteurs de l’autoportrait que je qualifierai ici d’“intonation textuelle”16 et qui comprend tous les indices du ton  – ironie, sarcasme, interrogation, effroi et cetera  – sur

16 Sur le plan de l’énonciation orale, l’intonation est définie par Delattre « comme une notion subjective qui nous permet de distinguer un mode d’expression logique d’un autre (question, commandement, continuation, finalité, etc.) ou une simple attitude émotive d’une autre (sur­ prise, curiosité, impatience, peur, joie, etc.). Ce que nous percevons subjectivement comme une certaine intonation se réalise objectivement par les variations d’un ensemble de traits acous­ tiques, facteurs irréductibles de la voix : l’intensité, la durée, et la fréquence. » Delattre 1966, 1–14. Sur le plan de l’énonciation écrite, il me semble que, si elle demeure souvent ambiguë, l’intonation ne s’exprime pas moins par le truchement du vocabulaire choisi, des connotations mises en valeur et des références socio-culturelles suggérées par le scripteur avec plus ou moins de finesse.

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lequel un énoncé peut avoir été modulé. Dans cet extrait où Héraclite ridiculise les pratiques cultuelles de ses congénères et la conception divine et héroïque qu’elles présupposent, l’énonciateur se distancie de la masse non en thématisant explicitement ce qui différencie le sage des nombreux mais, plutôt, en décrivant et en commentant certaines de leurs activités avec une ironie critique qui interdit de penser qu’il s’identifie d’une quelconque manière au groupe décrié. Ce sont les comparaisons (οἷον εἴ τις εἰς πηλὸν ἐμβὰς πηλῶι ἀπονίζοιτο; ὁκοῖον εἴ τις δόμοισι λεσχηνεύοιτο) et le vocabulaire utilisés (μιαινόμενοι ; πηλὸν, πηλῶι ; μαίνεσθαι), plus qu’une claire distinction pronominale entre l’énonciateur et ses semblables, qui suggèrent la ligne de démarcation entre homme éclairé et masse peu avertie : l’opposition entre le “je” tacite et le “ils” explicite17 se moule ici dans la forme d’une description sarcastique, reposant elle-même sur des comparaisons menées ad absurdum18 par un énonciateur qui s’affiche non pas sous les traits, indiscu­ tables, d’une première personne du singulier mais, en creux, dans les actions reprochées à un groupe indistinct Ensuite, s’il est vrai que l’énonciateur se devine ici derrière le ton et la formule agacés adoptés par l’Éphésien, il surgit également en passant furtif au sein même du fragment, et ce sous la forme d’un passant anonyme. En effet, lorsqu’Héraclite réduit un rite cathartique à une pratique non seulement vaine, mais, en outre, tout à fait absurde, il adopte le regard d’un individu qui, de passage aux abords d’un culte public, s’opposerait aux us de cette communauté religieuse – et donc sociale  –, dès lors envisagée avec recul et étonnement  : ce quidam, c’est le τις ἀνθρώπων de la ligne trois. Cet anonyme extérieur à la collectivité fustigée nous est présenté comme un personnage hypothétique, sorte de figure blanche incarnant le regard neuf et la perplexité de celui qui observe un fait sans le secours de la tradition ou de l’ha­ bitude : en bref, c’est la relativité toute arbitraire de certaines pratiques considé­ rées comme sensées par la seule force de la coutume qui est ici mise en exergue par ce “quelqu’un” dépourvu d’identité, arraché aux matrices de la culture et de l’éducation.

17 Les fragments usant de la troisième personne  – singulière ou plurielle  – de manière in­ distincte et dépréciative ne sont pas rares, au sein du corpus d’Héraclite : outre B  5, on peut également relever B  15 (μαίνονται), B  19 (ἐπιστάμενοι), B  20 (ἐθέλουσι), B  34 (ἐοίκασι), B  51 ([οὐ] ξυνιᾶσιν), B 57 (ἐπίστανται), B 72 (ὁμιλοῦσι, διαφέρονται, ἐγκυροῦσι) et B 104 (πείθονται, χρείωνται). S’y adjoignent les expressions péjoratives πλεῖστοι, en B 57, et οἱ πολλοί, en B 2, B 17, B 29 et B 104. Dans sa traduction du fragment B 5, Marcovich prend du reste la peine de préciser que la désinence de καθαίρονται renvoie aux « common people ». Marcovich 1967, 459. 18 Voir Robinson 1987, 78.



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Pour autant, la supposition de ce τις ἀνθρώπων porte en elle-même une forme, latente, de contradiction : cet observateur sans visage qui s’étonne de rites étrangers s’avance, au sein de cette séquence, sur le mode de l’hypothèse, intro­ duite par la conjonction “si” (εἴ τις αὐτὸν ἀνθρώπων ἐπιφράσαιτο οὕτω ποιέοντα). Autrement dit et pour reformuler la pensée ici exprimée, si quelqu’un venait à passer par là qui ne fût immergé dans la culture ambiante, il prendrait cet homme aux mœurs rationnellement infondées pour un fou : en créant un scénario sur le mode de l’hypothèse, Héraclite introduit, sur la scène décrite, un regard appa­ remment étranger n’appartenant à aucun des acteurs de l’énonciation : ni à celui qui s’exprime et dont l’objectivité est largement compromise par l’émission d’une acerbe critique, ni à ceux dont ils parlent, et dont le point de vue est jugé inepte. Et cependant, ladite supposition n’en est pas une puisqu’au moment même où elle est formulée, il est bien un être au moins pour avoir posé un regard vierge de tout préjugé social ou culturel sur le type de pratique cathartique fustigée : cet être, c’est l’énonciateur même de la critique. Dès lors, la figure du passant aux contours flous (τις) se pare d’une silhouette plus précise et l’hypothèse présentée par l’auteur dans le fragment B  5 s’annule par l’énonciation de la sentence. Le mode de l’hypothèse exprimé par l’optatif (ἐπιφράσαιτο) se dissout au sein de la séquence dont il est l’un des ressorts même : en effet, comment considérer comme imaginaire une action  – en l’occurrence un sarcasme (μαίνεσθαι δ’ ἂν δοκοίη) – dont l’auteur fait justement état au moment même où il prétend la sup­ poser? Il semble que nous ayons ici affaire à une variante sophistiquée du mode de la prétérition, soit à une manière très astucieuse de feindre la négation d’un fait pour mieux, dans un second temps, entériner son affirmation : La prétérition consiste essentiellement, pour le locuteur, dans le fait d’annoncer explicite­ ment qu’il va faire abstraction d’une chose tout en la mentionnant. L’énonciateur fait com­ prendre son intention de ne pas livrer une certaine information, et, ce faisant, la transmet quand même. C’est pourquoi cette figure est parfois appelée « fausse réticence »19.

Dans sa forme habituelle, ce trope scinde une assertion en deux parties. Dans le premier mouvement, le locuteur énonce clairement qu’il ne compte pas faire mention d’un fait ou d’une information quelconques. Dans le second mouve­ ment, le fait en question, sous couvert d’être passé sous silence, est clairement énoncé, le locuteur contrevenant ainsi à l’attente créée par la première partie de 19 Snoeck Henkemans 2009, § 6. Parmi les prétéritions les plus courantes, citons, par exemple, « Je ne vous présente pas Monsieur Untel » ou « Je n’ai pas besoin de vous rappeler que le train part à 15 heures ».

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l’assertion et produisant, de ce fait, une contradiction patente laissée à la libre interprétation de l’auditeur. Dans le fragment B 5, il en va un peu autrement : comme déjà relevé, Héra­ clite crée, sur le mode de l’hypothèse, un étranger ou, à tout le moins, un homme extérieur à la culture décrite. Or, la formulation même de l’hypothèse au sein d’un passage qui, par sa seule présence, atteste de l’existence de cet anonyme sans visage, suggère que son auteur a lui-même éprouvé ce sentiment de rejet présenté comme purement imaginaire. La structure habituelle de la prétérition semble ici se présenter selon la variante suivante  : (i) d’abord, l’opposition ne se joue plus entre deux mouve­ ments ou parties d’une même phrase mais entre une phrase et son contexte d’énonciation, (ii) ensuite, se substitue à l’attente déçue une contradiction entre, d’une part, l’hypothèse traduite par le mode verbal ainsi que le scénario supposé et, d’autre part, la présence bien réelle de la critique qui est raison même de ce passage. Dans sa forme habituelle, la prétérition, comme son nom l’indique, consiste à taire ou à omettre une information que l’on souhaite, au vrai, mettre en exergue. Or, le motif que l’auteur feint ici de passer sous silence sous le double masque de l’hypothèse et de l’anonymat, c’est lui-même. Avant que de conclure l’analyse du fragment B 5, attardons-nous un instant encore sur la présence du partitif ἀνθρώπων, dont ni la traduction, ni la signifi­ cation exacte ne sont évidentes. Face à la difficulté d’une juste traduction, on se demande quel sens attribuer à ce complément de prime abord trivial et peu infor­ matif : en effet, dans le contexte de ce fragment-là, le lecteur se demande à quel groupe pourrait appartenir ce τις, sinon à celui du genre humain ? Une recherche systématique au sein des fragments B permet de constater que l’on ne retrouve, chez Héraclite, qu’une seule occurrence du pronom accompagné d’un génitif partitif. Il s’agit du Fragment B 30 que je reproduis ci-dessous: Fragment B 3020: Κόσμον [τόνδε]21 τὸν αὐτὸν ἁπάντων, οὔτε τις θεῶν, οὔτε ἀνθρώπων ἐποίησεν, ἀλλ᾽ ἦν ἀεὶ καὶ ἔστιν καὶ ἔσται, πῦρ ἀείζωον, ἁπτόμενον μέτρα καὶ ἀποσβεννύμενον μέτρα.

20 Les sources premières sont : 1–4 Clém. Strom. V, 103 et Eus. Prép. év. XIII, 3. Voir Mouraviev 2006, 84–85. 21 Absent chez Clément d’Alexandrie et chez Eusèbe de Césarée, l’article est en revanche pré­ sent chez Plutarque, l’une de nos sources secondaires.



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Toutefois, dans ce passage, où il est question de l’éternité du monde, deux élé­ ments rendent l’utilisation du génitif complètement différente de celle du frag­ ment B 5. Tout d’abord, le τις y est accompagné d’une négation (οὔτε), laquelle transforme le sens de l’expression : en effet, le “quelqu’un” devient ici “personne”. Ensuite, la création du monde pouvant être attribuée, selon les philosophies ou les croyances, à des êtres ou à des forces d’essences fort différentes, il paraît logique que l’auteur pense à spécifier l’empan de sa négation. Tel qu’il est utilisé dans le fragment B 5 et au vu du corpus dont nous disposons aujourd’hui, ce τις ἀνθρώπων semble donc être la seule occurrence héraclitéenne connue. Dès lors, comment trouver une juste interprétation à ce déroutant complé­ ment et faire sens d’une apparente redondance  ? Une possibilité consisterait à traiter le partitif comme partie intégrante du τις et, par conséquent, à n’en point tenir compte, que ce soit dans la traduction ou dans l’interprétation22. En d’autres termes, l’on pourrait dissoudre le génitif dans le pronom indéfini et considérer qu’il s’agit là d’une formule idiomatique se traduisant simplement par le terme “quelqu’un”. Une autre possibilité, antagoniste, viserait à traduire le couple de termes en l’état, postulant que son caractère superfétatoire véhicule en réalité un sens bien précis voulu par l’auteur23. C’est précisément l’option reflétée par la traduction proposée supra que je souhaite étendre ici à l’interprétation de la séquence toute entière. Il est, fondamentalement, deux manières d’aborder la construction  de ce complément  : soit en supposant que l’auteur a souhaité mettre en exergue le contraste entre ce τις-là et d’autres formes hypothétiques de τις, soit, inver­ sement, en tentant de comprendre son apport sémantique au regard du partitif ἀνθρώπων. Dans le premier cas, le lecteur est amené à s’interroger sur l’identité des caté­ gories d’êtres vivants auxquelles s’oppose le syntagme présent au sein de ce frag­ ment. La première hypothèse, inspirée par B 30, est celle d’un éventuel τις θεῶν, soit d’un “quelqu’un parmi les dieux” qu’Héraclite viserait à écarter de sa sen­ tence, insistant sur le fait que n’importe quel humain, s’il s’en donnait la peine, serait à même de constater l’absurdité de cette pratique cultuelle. Cette hypothèse tendrait à souligner que la formulation d’un jugement sensé n’exige au fond ni statut ontologique particulier, ni compétences intellectuelles extraordinaires.

22 C’est par exemple le cas de Kahn 1979, 81. Wilamowitz-Moellendorff le considère comme une dittographie en raison même de son caractère redondant et va jusqu’à proposer de l’effacer pour ne conserver que le τις. Voir Wilamowitz-Moellendorff 1932, 206, 2. 23 Voir Diels & Kranz 1951, 151–152, Marcovich 1967, 108–109, Conche 1991, 171 et Adomėnas 1999, 94–99 dont les traductions respectives rendent explicitement le partitif.

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Si, pour Héraclite, l’homme rationnel semble devoir dépasser ses pulsions grégaires, il n’est pas pour autant tenu de posséder des facultés outrepassant les limites de son humaine condition : la description dont témoigne cette séquence suggère par ailleurs que la principale qualité requise pour s’extraire de l’irratio­ nalité ambiante réside dans la capacité de se faire étranger, à soi-même et à son mode de vie. Dans cette perspective, le sage d’Héraclite ne se situerait pas au-des­ sus de ses congénères humains, mais se contenterait de réaliser pleinement ses fonctions rationnelles – ni plus, ni moins. Dans le second cas, il est intéressant de constater que la construction du frag­ ment B  5 repose sur trois τις dont seul le deuxième se trouve agrémenté d’un génitif. Le premier et le troisième pronoms se réfèrent à ces hommes sots qui exaspèrent Héraclite, soit à des individus s’associant à des pratiques religieuses aberrantes. Le second τις se distingue quant à lui dans la mesure où il renvoie non au pas au commun des mortels précédemment cité mais à un être qui, par une mise à distance des us et des coutumes de son temps, en rejette la totale absurdité. Or, il se trouve que c’est à ce seul τις qu’est adjoint le partitif ἀνθρώπων quand les deux autres occurrences, elles, en sont dépourvues. Dans cette optique, on pourrait supposer que seul le second τις, sorte d’ava­ tar de l’énonciateur, soit à même, par la pratique de la raison, de revendiquer la qualité d’être humain quand les deux autres renverraient, eux, à un com­ portement presque bestial, du reste suggéré par la mention de la boue (πηλόν et πηλῶι). Cette hypothèse pourrait être renforcée par les fragments B 13 et B 37 dans lesquels Héraclite indique que les porcs et les oiseaux ont pour habitude de se laver respectivement dans la boue (βορβόρῳ en B 13) et dans la poussière (caeno en B 37), dédaignant ainsi les vertus cathartiques de l’eau claire (καθαρῷ ὕδατι en B 13). Il n’est donc pas impossible de voir dans le fragment B 5 une comparaison implicite entre un comportement animalier naturel et une coutume humaine qui, dans sa bassesse, ramènerait ses thuriféraires au rang de cochons ou de volaille. Partant, l’embarrassant partitif ἀνθρώπων se délesterait de sa redondance pour souligner le contraste, éclatant, entre un observateur à qui sa rationalité confère le statut d’être humain à part entière et des êtres dont les rites empruntent plus au règne animal qu’à celui des Hommes. Cette lecture rejoint la précédente, et ce dans la mesure où, si les qualités requises pour accéder à la pleine réalisation de son humanité peuvent être poten­ tiellement activées par tous, il n’en demeure pas moins que seul celui qui en dispose pleinement méritera la qualification d’être humain. Il ne me semble pas anodin que la volonté de mise à distance de la culture religieuse à laquelle il appartient passe, pour Héraclite, par une mise à distance littéraire de sa propre personne, coulée dans cet anonyme qui est à la fois celui



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qui exprime la critique – l’auteur effectif du passage – et, potentiellement, comme le suggèrent les deux autres τις des lignes deux et quatre, tout un chacun.

3 Le fragment B 42. Homère, Archiloque et le jeu des poupées russes Fragment B 4224: τόν τε Ὅμηρον 25 ἄξιον ἐκ τῶν ἀγώνων ἐκβάλλεσθαι καὶ ῥαπίζεσθαι καὶ Ἀρχίλοχον ὁμοίως. qu’Homère devrait être banni des concours et fouetté, et Archiloque pareillement.

[1] [2] [1] [2]

Si la reconstruction de l’autoportrait du penseur repose essentiellement sur le déchiffrement et l’interprétation des indices de l’énonciateur, qu’ils soient expli­ cites ou implicites, il n’est pas sans pertinence non plus de circonscrire l’image du sage héraclitéen à travers celle de ses destinataires. Ainsi, il sera intéressant de constater que, tout comme le “je” peut se révéler derrière des masques inatten­ dus, de même certaines adresses d’Héraclite se dissimulent-elles sous des appel­ lations apparemment sans lien avec les pronoms et les désinences des deuxièmes personnes du singulier et du pluriel26. C’est précisément l’une de ces adresses obliques que je souhaiterais maintenant présenter via le fragment B 42. Cette séquence fait partie des nombreux fragments dans lesquels Héra­ clite dresse un portrait vitriolé de ceux qui, de son point de vue, ne sont que sages dévoyés27. Dans ce passage, c’est Homère et Archiloque (τόν Ὅμηρον et Ἀρχίλοχον), nommément cités, qui sont à la fête. Comme on le constate, la séquence ne contient pas plus d’adresse à la deuxième personne du singulier ou

24 La source première est : 1–2 Diog. Laërt. IX, 1. Voir Mouraviev 2006, 109–110. 25 Le verbe introducteur nous vient de Diogène Laërce. 26 Notre unique fragment comportant mention de la deuxième personne du singulier est B 45 (ἐξεύροιο), dont de récentes recherches, menées de concert par Betegh et Dorandi, semblent démontrer l’inexactitude, au profit de la troisième personne du singulier (ἐξεύροι ὁ). Voir Betegh 2009, 398–403. 27 Voir également les Fragments B  40 (contre Hésiode, Xénophane, Hécatée et Pythagore), B 42 (contre Homère et Archiloque), B 56 (contre Homère), B 57 (contre Hésiode), B 105 (contre Homère), B 106 (contre Hésiode) et B 129 (contre Pythagore), auxquels on peut encore ajouter B  28 (les fabricants et les témoins du faux), B  104 (les aèdes et le grand public) et B  108 (les penseurs en général).

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du pluriel que le Fragment B 5 ne faisait état d’un “je” explicite. Et cependant, il semble que l’on puisse à nouveau extraire de cette séquence une sorte d’autopor­ trait qui passerait par le double truchement d’un énonciateur et de ses destina­ taires cachés. Critiquant certains grands noms de la pensée de sa culture ou de son temps, Héraclite leur associe ceux qui, précisément, leur octroient un statut de déposi­ taires de sagesse, soit le public. Cet attelage a pour effet de suggérer que le faux sage n’existe que par l’approbation extérieure – selon Héraclite au moins aussi nuisible que ceux qu’elle adoube –, souvent caractérisée par le poids d’une majo­ rité grégaire. D’un point de vue littéraire, il est intéressant de relever que cette critique mêlée repose sur une triple métonymie28, compressant en trois noms (τόν Ὅμηρον, Ἀρχίλοχον et τῶν ἀγώνων) (i) les œuvres honnies, (ii) leurs auteurs, (iii) ceux qui les relaient et (iv) le public qui, admirant les premières, fait des deu­ xièmes et des troisièmes ses référents de sagesse. La première métonymie, trop courante, peut-être, pour être réellement signi­ ficative, consiste à désigner une œuvre par le nom de son auteur : Homère pour l’Iliade ou l’Odyssée, Archiloque pour ses Iambes et ses Élégies. Pourquoi penser que l’Éphésien vise plus les vers que leurs auteurs ? Le premier semble avoir été un aède de la fin du 8ème s.  av. J.-C., auteur de deux épopées fondatrices de la littérature occidentale. Archiloque, quant à lui, est un poète élégiaque du s. av. J.-C., plus tardif que son collègue supposé d’un siècle environs. Ni l’un, ni l’autre ne sont contemporains d’Héraclite et les concours (τῶν ἀγώνων) auxquels il est fait allusion dans ce passage sont ceux où récits et poèmes sont déclamés par des rhapsodes29. Ces compétitions constituaient un lieu d’affrontement pour ceux qui reprenaient et apprenaient les œuvres de leurs prédécesseurs, Homère de Chios en tête, mais aussi Archiloque de Paros ou Sémonide d’Amorgos. On comprend

28 La métonymie consiste, dans le cours d’une phrase, à substituer à un terme un mot en­ tretenant avec lui un lien de contiguïté lequel place leurs référents respectifs dans un rapport d’équivalence immédiatement intelligible. Voici comment Todorov définit ce lien de contiguïté : « Un mot pour désigner un objet ou une propriété qui se trouve dans un rapport existentiel avec la référence habituelle de ce même mot. » Ducrot & Todorov 1972, 354. Entre autres métonymies, la substitution peut jouer sur le lien entre instrument et agent (par exemple “Le premier violon attaque son solo”), lieu et résident (par exemple “Londres adresse une protestation”) ou matière et objet (par exemple “J’admire un bronze de Rodin”). 29 Au 6ème s. av. J.-C., les rhapsodes ne composent pas eux-mêmes mais déclament les œuvres pour un large public, renouvelant leur auditoire en se déplaçant de ville en ville. C’est peu à peu que se mettront en place des concours, comme celui, très célèbre, des Panathénées.



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dès lors que ce qui est réellement fustigé par Héraclite, ce sont, en-deçà des auteurs de ces méfaits de pensée, les œuvres qui leur survivent30. Cette première métonymie en implique tout naturellement une deuxième, à savoir la confusion de ce qui est récité à l’occasion de ces fameux concours avec les acteurs même de la récitation. Qui Héraclite aimerait-il voir fouetté et banni des joutes (ἐκ τῶν ἀγώνων ἐκβάλλεσθαι καὶ ῥαπίζεσθαι), sinon ces rhapsodes qui accordent du crédit à des auteurs que lui-même méprise et qui, par leur art, dif­ fusent un savoir frelaté au plus grand nombre ? Et c’est là qu’intervient la troisième collision puisque les rhapsodes se dépla­ çant de ville en ville et de joute en joute pour renouveler leur auditoire n’ont raison d’être que par les auditeurs qu’ils conquièrent  : derrière Homère, Archiloque, leurs œuvres et les rhapsodes qui les relaient, c’est toute la masse du public que semble dévoiler cette brève séquence héraclitéenne. Nous voilà donc en présence de quatre référents emboîtés  – les fameux concours oratoires faisant pivot entre les deuxième, les œuvres, et les troisièmes, les rhapsodes – et de trois glissements de cibles : (i) les aèdes pour leurs œuvres, (ii) les œuvres pour les rhapsodes et (iii) les rhapsodes pour leurs admirateurs nombreux, symbolisés par les joutes publiques explicitement mentionnées par l’auteur. Ce genre de collision d’identité, comme celle, d’un autre ordre, présen­ tée dans le fragment B  5, semble être un trait de la polémique héraclitéenne  : d’un même geste, ce dernier attaque les penseurs – dont il semble se considé­ rer comme un contrepoint  – et ceux auprès de qui ils font école, rhapsodes et grand public confondus, sans pour autant s’adresser frontalement ni aux uns, ni autres. En somme, le lecteur est soumis par l’habileté héraclitéenne à une double attaque incurvée, atteignant quatre cibles alignées par des voies de côté.

30 La recherche fait état de tout un débat autour des cibles réelles de ce fragment B 42. Conche réfute la thèse de Fränkel selon laquelle il faudrait voir dans le ῥαπίζεσθαι une allusion à la baguette du rhapsode : selon lui, Héraclite viserait non pas les promulgateurs de cette fausse sagesse mais uniquement ses initiateurs et les œuvres qui leurs survivent. Voir Fränkel 1951, 449, 57 et Conche 1986, 116. Sur ce point et comme je tente de le montrer dans mon analyse, rien n’in­ terdit de penser qu’Héraclite fait d’une pierre quatre coups en fustigeant aussi bien les auteurs (et donc leurs œuvres) et les rhapsodes que leurs auditeurs. Le problème réside d’ailleurs moins dans le groupe ciblé par cet extrait que dans les critères censés imposer au commentateur telle ou telle lecture : il me semble que rien n’oblige ici à exclure une interprétation au profit d’une autre.

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4 Conclusion. Héraclite et l’autoportrait furtif De l’analyse tentée au sein de cet article, on peut, il me semble tirer trois conclusions : l’une portant sur la méthode de lecture du corpus, les deux autres sur sa signification éventuelle. Tout d’abord, sur un plan méthodologique, je constate qu’il existe une manière au moins de définir la représentation du penseur ou du sage au sein des fragments, tout en contournant l’écueil de la subjectivité. Cette méthode exige néanmoins un parti pris touchant à l’ensemble de l’œuvre, à savoir le fait de considérer le corpus à disposition comme un vestige de la sagesse telle qu’Héra­ clite lui-même pouvait la concevoir, en pensée comme en mots31. Ensuite, sur le plan de l’analyse et de l’interprétation, deux conclusions s’imposent. D’une part, les marqueurs de l’énonciation peuvent constituer une voie d’accès intéressante à l’autoportrait du sage et aux figures, masquées, de ses destinataires. D’autre part, il est possible de déceler des signes masqués de l’énonciation derrière des figures stylistiques – en l’occurrence la prétérition et la métonymie – apparemment sans rapport avec ses marqueurs habituels. Le principal constat, à la fois philosophique et méthodologique, que je retire de ces deux analyses réside dans la nature pour ainsi dire “plissée” de fragments qu’il faut parfois défroisser pour que se déploie un autoportrait que le texte (dans ses sens premier et second) dissimule de prime abord. Derrière le τις ἀνθρώπων, la prétérition et la vraie-fausse conditionnelle du fragment B 5, sous la métony­ mie filée et le jeu de poupées russes où s’imbriquent aèdes, œuvres, rhapsodes et auditoire du fragment B 40 se révèlent, comme un négatif photographique, les couleurs tremblées d’une discipline encore incertaine.

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31 Les fragments B 1 et B 50 semblent nous inviter à un tel parti pris.



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Résumé Toute recherche portant sur l’origine et la nature de la philosophie occidentale se heurte, entre autres difficultés, à l’écueil de la subjectivité qu’infligent les critères imposés de l’extérieur aux textes candidats à investigation. En effet, comment circonscrire tout à la fois l’essence et le moment de l’émergence de la discipline sans préjuger, dans une perspective personnelle et culturellement biaisée, de ses caractéristiques supposées les plus saillantes ? L’une des manières de contourner cette difficulté méthodologique consiste à déterminer non pas comment nous percevons, aujourd’hui, l’activité intellec­ tuelle ou le mode de vie des auteurs de l’époque concernée, mais comment euxmêmes concevaient leur pratique propre, quelle qu’elle ait pu être. Dans cette optique, je propose de considérer deux fragments d’Héraclite d’Éphèse, l’un des auteurs les plus anciens de notre corpus présocratique, d’une part comme les ves­ tiges de l’autoportrait du sage, et, d’autre part, comme ceux des individus à qui s’adressait initialement l’enseignement dont nous ne possédons, aujourd’hui, que quelques lambeaux épars. Dans le cadre du présent article, je développe une interprétation des frag­ ments B 5 et B 42 permettant de mettre au jour la présence d’un énonciateur et de ses destinataires et, partant, de restituer, partiellement à tout le moins, la des­ cription du sage dans ses propres mots.

Martin Thurner

Heraklit: Die ‘bathyphysische’ Denkform 1 Heraklit – der posthume Vor-Metaphysiker „Wenn Heraklit nicht sagen konnte, daß sein Denken noch nicht metaphysisch ist, weil er noch nicht auf die kommende Metaphysik vorausschauen konnte, so müssen wir von uns selbst sagen, daß wir nicht mehr metaphysisch zu denken versuchen, und zwar deshalb, weil wir aus der Metaphysik herkommen“1  – so heißt es in Martin Heideggers gemeinsam mit Eugen Fink im Wintersemester 1966/67 an der Universität Freiburg gehaltenen Heraklit-Seminar. In diesem Zitat wird unmissverständlich deutlich, worin ein bestimmender Grundzug vieler spezifisch philosophischer Bezugnahmen auf Heraklit besteht. Philosophen blicken oft nicht nur auf Heraklit, um sich mit seinen in den Fragmenten ausdrücklich formulierten Gedanken zu beschäftigen. Vielfach, beginnend schon mit Platon,2 erscheint Heraklit primär deshalb als interessant, weil er am Anfang der abendländischen Philosophiegeschichte steht. Aus dieser rückwirkenden Positionierung Heraklits kann dann sowohl der Verlauf der Philosophiegeschichte als auch das Verhältnis des eigenen Denkens zur vorausliegenden Tradition erschlossen und – nicht selten – auch bewertet werden.3 Diese Optik entfaltet besonders dann ihr volles Potenzial, wenn die vorausliegende Philosophiegeschichte nicht mehr  – wie noch pointiert bei Aristoteles und Hegel der Fall – als Prozess des Fortschritts zu immer höheren Stadien der Vernunftentwicklung gedeutet wird, sondern als Verfallsdrama, im Verlauf dessen ein als paradiesisch vollkommen angesetzter Urzustand zunehmend verlustig geht. Es scheint bezeichnend, dass das Überhandnehmen der letzteren Betrachtungsweise der Geistesgeschichte als Dekadenz zu einer beispiellosen Heraklit-Renaissance geführt hat. Seitdem Friedrich Nietzsche im sokratischen Moralprimat und der platonisierenden Ideenlehre den Sündenfall der Philosophiegeschichte diagnostizierte und den Rückgriff auf die (von ihm erstmals so

1 Heidegger 1986, 124. 2 Platon, Sophistes 242c8–243a; zur Interpretation vgl. das Kapitel „Ein Stück frühester Philosophiegeschichte in Platons ‚Sophistes‘“, in: Buchheim 1994, 47–55. 3 Vgl. dazu den Überblick zu derartigen, die dazwischenliegende Geistesgeschichte mit einbeziehenden philosophischen Bezugnahmen auf Heraklit in: Thurner 2001, 54–172 (Kapitel: „Der historische Ursprung des Denkens als philosophische Frage“).

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genannten) ‘Vor-Sokratiker’ als Heilmittel dagegen propagierte,4 bietet sich Heraklit vielfach als Quelle, oft auch als Projektionsfläche eines noch nicht geschichtlich korrumpierten Denkens an. Bereits bei Nietzsche wird jene seiner Auffassung gemäß „nachsokratisch“5 einsetzende Krankheitsgeschichte des europäischen Geistes als „erhabener metaphysischer Wahn“6 beschrieben. Unter Metaphysik versteht Nietzsche dabei die Einbildung und Absolutsetzung einer „a n d r e n W e l t “ ewiger Wahrheiten und Werte, die zugleich mit einer Entwirklichung und Entwertung der Lebenswelt des Menschen, „dieser Welt, u n s r e r Welt“ zum bloßen Schein einhergehe.7 Für Nietzsche als selbsterklärten „Antimetaphysiker“8 der „auch noch mit höchster Anspannung seiner Besonnenheit die Metaphysik zu überwinden trachtet, ist eine r ü c k l ä u f i g e B e w e g u n g nöthig“.9 Sie ist von der Intention geleitet, in einem destruktiven Rückgang durch die Geschichte der Metaphysik zu dem in ihr Pervertierten zurückzugelangen: „Sie will vielmehr bis zum Umgekehrten hindurch – bis zu einem d i o n y s i s c h e n J a s a g e n zur Welt, wie sie ist, ohne Abzug, Ausnahme und Auswahl.“10 Im Zuge dieser Umkehr der metaphysischen Verkehrtheiten findet Nietzsche nun zurück zu Heraklit, den er im Blick auf die spätere Philosophiegeschichte und gerade deshalb eigentlich ahistorisch als Kronzeugen für ein vormetaphysisches Denken einsetzt. Daher erscheinen Heraklits Gedanken bei Nietzsche zunächst nicht in ihrer ursprünglich affirmativen Gestalt, sondern in ihrer späteren Funktion als wiedergutmachende „Verneinung“ aller der Metaphysik zugeschriebenen Verneinungen: „Einmal leugnete er die Zweiheit ganz diverser Welten […]; er schied nicht mehr eine physische Welt von einer metaphysischen, ein Reich der bestimmten Qualitäten von einem Reich der undefinierbaren Unbestimmtheit von einander ab. Jetzt, nach diesem ersten Schritte, konnte er auch nicht mehr von einer weit größeren Kühnheit des Verneinens zurückgehalten werden:

4 Vgl. z. B. Friedrich Nietzsche, Götzen-Dämmerung; Das Problem des Sokrates 10 (Kritische Studienausgabe, hg. v. Colli u. Montinari VI 72, 13–18; im Folgenden als KSA abgekürzt); zur Kategorie ‘Vorsokratiker’ vgl. z. B. Nachgelassene Fragmente; Sommer 1875 6 [14] (KSA VIII 102, 24) sowie: Borsche 1985. 5 Nachgelassene Fragmente; Sommer 1875 6 [15] (KSA VIII 103, 11 f.). 6 Die Geburt der Tragödie 15 (KSA I 99, 12 f.). 7 Die fröhliche Wissenschaft, Fünftes Buch 344 (KSA III 577, 1–7). 8 Die fröhliche Wissenschaft; Fünftes Buch 344 (KSA III 577,11). 9 Menschliches, Allzumenschliches I, 1: Von den ersten und letzten Dingen 20 (KSA II 41, 26–29). 10 Nachgelassene Fragmente; Frühjahr–Sommer 1888 16 [32] (KSA XIII 492, 25–27).



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er leugnete überhaupt das Sein. […] Lauter als Anaximander rief Heraklit es aus: Ich sehe nichts als Werden.“11 Entgegen der von Nietzsche Heraklit in den Mund gelegten Aussage, er sehe nichts als Werden, sieht man einen expliziten Begriff des ‘Werdens’ in den von diesem Vorsokratiker überlieferten Fragmenten indessen nicht. Ein solcher lässt sich bei ihm nur (re)konstruieren, wenn man sein Denken – im wahrsten Sinn des Wortes  – ana-chronistisch als vorausgehenden Gegenwurf zur späteren, in Anknüpfung an Parmenides (DK  28 B  3, 6, 8) entwickelten metaphysischen Theorie des Aufstiegs zum rein intelligiblen, selbstidentischen Sein interpretiert. Doch führt sich damit die Lesart Heraklits als Vormetaphysiker nicht selbst ad absurdum, wenn sie bei ihm gerade jene Inhalte findet, die sie vorab als Negation der metaphysischen Hauptthesen bereits identifiziert hat? Diese Gefahr besteht tatsächlich, wenn man sich wie Nietzsche und später auch Heidegger in seinem Versuch, das eigene nachmetaphysische Denken des „Seinsgeschicks“ als „Ereignis“ „ungesagt“ bereits bei Heraklit zu finden,12 primär auf die worthaft-‘begrifflichen’ oder gedanklich-‘systematischen’ Inhalte der Philosophie des Vorsokratikers bezieht.

2 Die Frage nach der Denkform Vielleicht lässt sich das metaphysikkritische Potenzial Heraklits aber unvoreingenommener erheben, wenn man weniger die Inhalte, mehr aber die Form seines Denkens analysiert? Betrachtet man die bisher genannten metaphysikkritischen Rekurse auf Heraklit bei Nietzsche und Heidegger, so ist auffällig, dass beide zwar auf je ihre Weise die Denkform der Metaphysik thematisieren, auf eine ausführliche Untersuchung derselben Dimension bei ihrem Vorsokratiker aber verzichten.13 Es hat fast den Anschein, die beiden Späteren gehen ‘ungesagt’ davon aus, dass es eine derartige Denkform beim Denker des „ersten Anfangs“14 (noch) nicht gäbe. Demgegenüber soll in den folgenden Überlegungen dieses Beitrages der Nachweis versucht werden, dass sich bei Heraklit nicht nur leicht eine derartige,

11 Die Philosophie im tragischen Zeitalter der Griechen 5 (KSA I 822, 23–823, 11). 12 Vgl. z. B. Heidegger 1997, 168. 13 Als ersten Ansatz in diese Richtung könnte man beispielsweise die Beobachtung Nietzsches werten, dass Heraklits Einsichten mehr „intuitiven“ statt (im rational-wissenschaftlichen Sinne) „vernünftigen“ Charakter haben, vgl. Ueber Wahrheit und Lüge im aussermoralischen Sinne 2 (KSA I 888, 25–889, 8). 14 Vgl. Heidegger 1982, 202.

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für ihn spezifische Denkform eruieren lässt. Darüber hinaus wird auch die These vertreten, dass sich jenes für das heraklitische Denken verschiedentlich reklamierte metaphysikkritische Potenzial erst voll entfalten kann, wenn man nicht primär die von Heraklit artikulierten Inhalte zugrunde legt, sondern die deren Zustandekommen erst ermöglichende Denkform. Die metaphysikkritische Beanspruchung der heraklitischen Philosophie erreicht erst dann ihre volle Wirkkraft, wenn sich zeigen lässt, dass Heraklit nicht nur explizit Gedanken artikuliert hat, die aus einer späteren Sicht als vormetaphysisch gedeutet werden können, sondern dass Heraklit vor allem implizit eine Denkform etabliert, die als vormetaphysische Methode des Denkens erscheint. Der hier verwendete Begriff der Denkform wurde von Hans Leisegang in seinem 1928 erschienenen Buch Denkformen geprägt. Er definiert die Denkform als „das in sich zusammenhängende Ganze der Gesetzmäßigkeiten des Denkens, die sich aus der Analyse von schriftlich ausgedrückten Gedanken eines Individuums ergeben“.15 Die Denkform stellt die spezifische Art und Weise dar, wie in einer Philosophie die aus der extramentalen Welt gewonnenen Eindrücke auf die Ebene einer begrifflichen, theoretischen Deutung gehoben werden. Die Denkform wird also konstituiert in der Vereinigung von Formgebung durch die Wirklichkeit und spontaner Formkraft durch den denkenden Geist. Von daher beinhaltet die Denkform die Prinzipien, Methoden und Bewegungsrichtungen des Denkens, die dessen spezifischen Inhalten vorausgehen, indem sie diese überhaupt erst möglich machen. Da die Denkform die vermittelnde Dynamik ist, durch die ein bestimmter Philosoph die zu deutende Wirklichkeit auf je eigene Weise in sein Denken einholt, ist sie stets mehr als rein formale Logik und kann auch nicht als solche isoliert werden. Die Denkform zeigt sich immer nur indirekt, aber dafür umso prägender in den Inhalten, die durch sie hervorgebracht werden. Identifiziert werden kann eine bestimmte Denkform also nur durch die rückführende Analyse der Inhalte im Hinblick auf die Frage, auf welche Weise diese im Dialog mit der Wirklichkeit zustande gekommen sind. Den verschiedenen metaphysischen Theoriebildungen scheint unter dem Aspekt der Denkform gemeinsam zu sein, dass sie aus einer aufsteigenden Denkbewegung resultieren. Die verschiedenen Prinzipien, auf die metaphysisches Denken die Wirklichkeit zurückführt (die Idee, die Form, das Erste UnbewegtBewegende bis hin zum Absoluten Geist), werden in einem Prozess des Überstiegs der sinnlich-physikalischen Wirklichkeit gefunden. Selbst die Wortbildung MetaPhysik scheint diese Tendenz zum Aufstieg in die sinnlichkeitstranszendente Höhe zu spiegeln. Jene seinsbegründende Dimension, die in der meta-physischen

15 Leisegang 1928, 9.



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Höhe jenseits aller Sinnlichkeit erreicht wird, identifiziert das Denken dann mit der eigenen Geistnatur: Dasselbe ist Denken und Sein! (Parmenides, DK 28 B 3). Von daher eröffnet sich für die Metaphysik die Frage nach dem Verhältnis von Geist und Materie, wobei eine Tendenz zu einer strikten dualistischen Trennung zumindest im Hinblick auf das erste, absolute, göttliche, eben stets rein geistig gedachte Prinzip bestimmend wird. Nicht nur zwecks Kontrastierung zur Metaphysik, sondern primär in Anlehnung an seinen eigenen Sprachgebrauch möchte ich die ursprünglichere Denkform Heraklits als ‘Bathyphysik’ beschreiben: Im programmatischen Fragment 1 bestimmt Heraklit die Methode seines logos, der das Entstehen aller Dinge darlegt, als eine Denkbewegung, die „ein jedes gemäß seiner physis zergliedert und ausdeutet, wie es sich verhält“.16 In DK 22 B 123 sagt er von jener physis, mit der der logos übereinstimmt, dass sie „es liebt, sich zu verbergen“. Konsequenterweise wird dann in DK 22 B 45 der logos, der die Verborgenheit der physis zur Sprache bringt, als ein bathys logos, als eine „tiefe Darlegung“ bezeichnet.

3 Das ursprüngliche Wesen der Physis Die Eigenart der bathyphysischen Denkform ergibt sich aus der Beschreibung des Wesens der physis in Fragment 123. Der Schlüssel zum Verständnis liegt dabei in der auch etymologischen Grundbedeutung von physis als lebendiges Hervorkommen, Wachsen, In-Erscheinung-Treten – interpretierend übersetzt: Aufgang, Leibwerdung.17 Etymologisch leitet sich ‘Physis’ von der indogermanischen Wurzel *bhu- (altindisch bhuti) ab.18 Es ist das Verbalsubstantiv (nomen actionis) zu phyein, phyesthai, phynai, was primär ‘wachsen’ und ‘entstehen’ bedeutet und dann auch den Vorgang des ‘Zeugens’ und ‘Gebärens’ bezeichnete, der dem Wachstumsprozess ursprünglich zugrunde liegt. Anfangs war diese Wortgruppe stets auf das Werden der leiblichen Wirklichkeit bezogen, im Sinne von ‘keimen’ vorzüglich auf den Phänomenbereich des Pflanzlichen. Vergleichbar dem deutschen Wort ‘Bau’, das auf dieselbe indogermanische Wortwurzel zurückgeht,19 bezeichnet das Substantiv ‘Physis’ sowohl den Prozess als auch das Resultat des leiblichen Wachsens,

16 Hier wie im weiteren Verlauf des Aufsatzes stammen die Übersetzungen vom Autor. 17 Die Sekundärliteratur zur (griechischen) Begriffsgeschichte von „Physis“ ist relativ umfangreich. Es sei hier nur auf zwei Übersichtsbeiträge verwiesen, die weitere Literaturhinweise zu Spezialuntersuchungen enthalten: Buchheim 2002, Bremer 1989. 18 Dazu: Burger 1925. 19 Vgl. Kluge 1967, 57.

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also den organischen ‘Wuchs’.20 Wenn ‘Physis’ demgemäß auch die Gestalt, die Form oder das Wesen eines Dinges bezeichnen kann,21 so ist dies eine Betrachtungsweise, die das Wesen der Dinge nicht (wie später die platonische Ideenlehre und die an ihr anknüpfende meta-physische Tradition) von einer materiefreien, unwandelbaren, intelligiblen Bestimmung her ableitet, sondern vom Ursprung seines leiblichen Lebens her erkennt.22 Als Ursprung des Zeugungs- und Geburtsvorganges ist die Physis die Liebe, als Prinzip des organischen Wachstums ist die Physis das Leben, als das gestalthafte Resultat des lebendigen Entstehungsprozesses ist die Physis der Leib. Im Denken der Physis ist das Wesen eines Dinges sein Leib, der aus dem Leben der Liebe ursprünglich hervorgeht. Diese ursprünglichen Sinnmomente des Wortes ‘Physis’ sind auch in seiner ersten uns überlieferten Bezeugung in auffallend klarer Weise präsent. Sie findet sich in Homers Odyssee (10, 305) im Zusammenhang mit der Beschreibung des Heil- und Zauberkrautes moly, das von Hermes aus der Erde gezogen wird, um

20 Nach Bremer 1989, 242 ist für „Physis“ der „Doppelaspekt von ‘werden’ und ‘sein’ charakteristisch“ (vgl. auch ebd. 255). Dies zeigt sich auch im etymologischen Befund: In zahlreichen indogermanischen Sprachen werden die Wörter für ‘sein’ neben der Wurzel *es- (‘ist’, ‘Sein’, ‘Wesen’, ‘Essenz’) auch aus der Wurzel *bhu- gebildet (lat. fui, dt. ‘bin’). Die letztere, auch dem Wort ‘Physis’ zugrunde liegende Wurzel betont mehr den dynamischen Aspekt des lebendigen Entstehens, während die Formen, die aus *es- hervorgegangen sind, eher einem statischen Seinsverständnis entsprechen. Dazu: Kahn 1966. 21 Kant wird diesen Bedeutungsaspekt von „Physis“ als „natura formaliter spectata“ bezeichnen und als „das Dasein der Dinge, sofern es nach allgemeinen Gesetzen bestimmt ist“ definieren. Von dieser „formalen Bedeutung“ wird er die „materiale Bedeutung“ von „Natur“ abheben, die er als „Inbegriff aller Gegenstände der Erfahrung“ bestimmt (Prolegomena § 16, Akademie-Ausgabe Bd. 4, 295). In unserem gegenwärtigen Sprachgebrauch spiegelt sich diese Unterscheidung, wenn wir einerseits von der „Natur einer Sache“ („es liegt in der Natur der Dinge“) sprechen, andererseits aber mit „Natur“ nicht nur die Wesenswirklichkeit und das dieser entsprechende Verhalten eines konkreten Dinges bezeichnen, sondern damit auch die Gesamtheit der nicht vom Menschen hervorgebrachten Dinge der materiellen Welt benennen. Im letzteren Sinne eines Gesamtbegriffes ist das griechische Wort ‘Physis’ aber erst seit Aristoteles bezeugt (De caelo 1, 1, 268a1 f.; 3, 1, 298a27 f. Metaphysik A 6, 987b2; Γ 3, 1005a33). In früheren Verwendungen ist es stets auf das Prinzip des Werdens von einzelnen Dingen bezogen, in welchem sich aber das ‘Wesen’ des ganzen Kosmos ‘aussprechen’ kann (vgl. Heraklits Logos von der Physis des Feuers). 22 Diese Weise, das Wesen der Dinge von den Ursprüngen ihres leiblichen Werdens her zu erkennen, ist nicht nur für die frühe Phase des griechischen Denkens kennzeichnend, sondern auch für die Frühzeit der hebräisch-biblischen Wirklichkeitsauffassung. Bekanntlich bezeichnet das hebräische Verbum für ‘erkennen’ (iada) zugleich den Vollzug der leiblichen Vereinigung im Zeugungsakt. Noch eine Stufe tiefer in den leiblich-erotischen Ursprüngen des Lebens ist etwa das deutsche Erkenntnisverb ‘ent-decken’ verwurzelt. Im Rückgriff auf Jacob Böhme versuchte Franz von Baader in seiner Schrift Ueber die Analogie des Erkenntniss- und Zeugungs-Triebes (Sämtliche Werke, Bd. I, S. 39–48) diese ursprüngliche Erkenntnisart der Physis zu erneuern.



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es Odysseus als Schutz vor der Zauberin Kirke zu geben. Die von Hermes vorab dem Odysseus vorgetragene Beschreibung des Krautes wird von Homer als das „Zeigen der Physis“ bezeichnet: „und er zeigte mir seinen Wuchs: an der Wurzel war es schwarz beschaffen, der Milch gleichend aber seine Blüte“ (Od. 10, 303 f.). Ganz dem Homer noch gegenwärtigen verbalen Ursprung des Wortes entsprechend (vgl. z. B. Ilias 14, 288) wird „Physis“ hier als die Gestalt eines Dinges verstanden, wie sie sich aus seinem organischen Wachstum ergibt. Die Beschreibung des Wesens des Krautes orientiert sich voll an dessen Leib, wie dieser aus den Ursprüngen seiner Lebensbewegung („Wurzel“) hervorgegangen („Blüte“) ist. An der ‘Schwärze’ der Wurzel und der milchartigen ‘Weiße’ der Blüte kommt zum Ausdruck, dass das Werden der Physis zugleich ein Aufgang aus der nichtshaften Verborgenheit des Ursprungs zur erscheinenden Gegenwart des Seins ist. Derart ist das Geschehen des Aufgangs der Physis identisch mit der ursprünglichen (etymologischen) Bedeutung des griechischen Wortes für ‘Wahrheit’, a-letheia – ‘UnVerborgenheit’. An der Physis des Krautes zeigt sich das Wesen der Dinge als ein Aufgehen aus der engen, harten, starren und finsteren Verschlossenheit der Erde, die durch das Wasser beweglich wird und so das Leben aus sich hervorbrechen lässt, zur Helle des Lichtes, das durch die ungehemmte und transparente Beweglichkeit der Luft überall hinscheinend durchzudringen vermag. Im Aufgang der Physis (des Krautes) erweist sich der Wachstumsprozess des leiblichen Lebens als ein Weg von der beängstigenden, hässlichen Enge („schwarze Wurzel“) in die schöne, freudig-lustvolle Offenheit der Freiheit („milchweiße Blüte“). Im Hinblick auf ihre Physis wird deutlich, wie die Dinge ursprünglich aus der gegenstrebigen Kraft der Leibwerdung entstehen, einer dunkel einziehenden und einer licht ausziehenden Bewegung. Im Denken des Aufgangs wird das Wesen des Seins dynamisch verstanden, als die rückwendige Liebes-Einheit und gespannte Harmonie jener entgegengesetzten Kräfte, die das Leben des Leibes ursprünglich aus sich hervorgehen lassen. Ein für das Denken der Physis wesentliches Moment ist im Zusammenhang der ersten Bezeugung des Wortes bei Homer bereits darin angedeutet, dass er diese gegenstrebige Dynamik der Physis als die Beschaffenheit eines Zauber- und Heilkrautes schildert.23 Im Moment des Zauberhaften kommt jene Eigenschaft der Physis zum Ausdruck, die dann in der hermetisch-alchemistisch-magischen Tradition explizit gesucht wird, nämlich ihre Fähigkeit und Kraft (dynamis  – Dynamik),24 das Sein aus dem Nichts hervorgehen zu lassen. Im Moment des

23 Über den philologischen Befund zum Heilkraut „Moly“ vgl. Stanard 1962, Steier 1933. 24 In diesem Sinne wird dann in der hippokratischen Schrift De vetere medicina (Über die ältere Medizin) Physis mit dynamis (= [Heil-]Kraft) gleichgesetzt. Vgl. dazu: Miller 1952.

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Heilenden und vor bösem Zauber Schützenden kommt die lebensfördernde und somit sinnhafte und gute Grundeigenschaft der Physis zum Ausdruck. Die spätere, lange Tradition einer Fundierung des Ethos in der Physis (Heraklit, Stoa, thomasisches Naturrechtsdenken) findet in dieser Homer-Stelle ihre erste Andeutung.25 Allerdings sind bei Homer mit der „dunklen Wurzel“ des Krautes auch noch die lebensverneinenden, leidvollen, tödlichen und ‘irrationalen’ Kräfte aus der Einsicht in ihre Not-wendigkeit in das sinnhafte Ganze der Physis (und einer ihr entsprechenden Ethik) positiv integriert. Das ursprüngliche, bathyphysische Denken des Aufgangs hat keine Angst vor den dunklen Grundkräften des leiblichen Werdens und Vergehens, es kann sie vielmehr als Grundmomente des Lebens der Liebe bejahen. Das Leben wird so als (ebenso abgründig-tragisches wie [seil-]tänzerisch leichtes) Spiel in der von ihnen erzeugten Spannung des Seins erfahrbar. Darin liegt die therapeutische Heilkraft (des Denkens) der Physis, die den Schmerz als notwendiges Moment der unaufhörlich neuen Freude des Aufgangs erweist.26

4 Die Zeugung des Lebens aus dem Tod Im umfangreichsten von Heraklit überlieferten Textzusammenhang, dem Fragment B 1, das aller Wahrscheinlichkeit nach am Anfang seiner Spruchsammlung stand,27 sagt Heraklit, er wolle in seinem „Logos“ „ein jegliches der Physis gemäß zer-gliedern und ausdeuten, wie es sich verhält“: κατὰ φύσιν διαιρέων ἕκαστον καὶ φράζων ὅκως ἔχει. Der Erkenntnisprozess seines Logos beruht also auf einer Denkbewegung, die ausdrücklich auf die Physis hin ausgerichtet ist und dieser gemäß geschieht. Dem frühgriechischen Sprachgebrauch von ‘Physis’ entsprechend sagt Heraklit damit, dass er das Wesen der Dinge erkennen will, indem er ihre leibliche Gestalt auf die Ursprünge ihres Lebendig-Werdens hin untersucht. In einem seiner schönsten Worte (DK 22 B 45) sagt Heraklit dann, in welche Richtung diese Denkbewegung geht: ψυχῆς πείρατα ἰὼν οὐκ ἂν ἐξεύροιο, πᾶσαν 25 Vgl. dazu: Thurner 1999. 26 Dazu: Thurner 2003. Dies wird sich nach Heraklit bis auf seine Rezeption durch Nietzsche insbesondere im Gefolge der stoischen Moralphilosophie ändern, die nur das als „der Physis entsprechend“ („natürlich“) gelten lässt, was unwidersprüchlich und affektlos vernünftig ist; zu dieser einseitigen Transformation des Ethos der Physis durch die Stoiker und ihre europäische Wirkungsgeschichte vgl. Bremer 1989, 257–259. 27 So Aristoteles, Rhetorik 1407b14 und die Doxographie des Sextus Empiricus, Adversus mathematicos 7, 132. Für eine ausführlichere Interpretation von Heraklits Fragment B 1 vgl. Thurner 2001, 206–219.



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ἐπιπορευόμενος ὁδόν· οὕτω βαθὺν λόγον ἔχει – „Der Seele Grenzen wirst du im Gehen nicht ausfindig machen, auch wenn du jeden Weg abschreitest: einen so tiefen (bathys) Logos (Darlegung, Zuspruch) hat sie“. Der auf die Physis ausgerichtete Logos Heraklits geht nicht, wie später dann der Logos der Meta-Physik, über die Dinge hinaus in die Höhe eines in sich vollkommen abgeschlossenen, rein geistigen Prinzips (das parmenideische Sein, die platonische Idee, der aristotelische erste unbewegte Beweger), sondern er geht in die unbegrenzt-unendliche, weil un-gründige Tiefe (Homers „schwarze Wurzel“) ihres leiblichen Herkommens. Heraklit ist der Begründer einer bathy-physischen Denkform. Nachdem Heraklit bekundet hat, dass sich der Logos seines Denkens auf die Physis hin ausrichtet, legt er dar, wie die Physis selbst in einem ursprünglichen Sinn zu denken sei. Dies geschieht in jenem Fragment (DK  22 B  123), welches die Grund-Aussage der bathyphysischen Philosophie enthält: φύσις κρύπτεσθαι φιλεῖ – „Die Physis liebt es, sich zu verbergen“. Wenn mit Physis bei Heraklit das Sein eines Dinges im Hinblick auf dessen lebendigen Hervorgang bezeichnet wird, könnte man „Physis“ im Kontext dieses Fragmentes auch mit „Daher-Wesen“ übersetzen.28 Die Antwort auf die Frage, warum nach Heraklit die Wesensherkunft eines jeden Dinges im Verborgenen liegt, wird in DK 22 B 88 gegeben: ταὐτό τ’ ἔνι ζῶν καὶ τεθνηκὸς καὶ ἐγρηγορὸς καὶ καθεῦδον καὶ νέον καὶ γηραιόν· τάδε γὰρ μεταπεσόντα ἐκεῖνά ἐστι κἀκεῖνα πάλιν μεταπεσόντα ταῦτα – „Dasselbe ist in uns Lebendiges und Gestorbenes, Waches und Schlafendes, Junges und Altes: Dieses ist umschlagend jenes, und jenes ist umschlagend dieses“. Die Verborgenheit ist deshalb der bevorzugte Ort der Physis, weil der Lebensaufgang eines jeden Dinges ein Hervorgang aus dem Tod ist. Indem Heraklit „ein jegliches der Physis gemäß zer-gliedert und ausdeutet, wie es sich verhält“ (DK 22 B 1), kommt er zur paradoxen Einsicht seines Logos, dass der Ursprung des Lebens im Tod verborgen liegt. In Heraklits bathyphysischem Logos der Physis ist das Geboren-Werden des Leibes aus dem Nichts des Todes das Ursprungsphänomen des Seins: γινομένων γὰρ πάντων κατὰ τὸν λόγον τόνδε – „Alles nämlich wird diesem Logos gemäß geboren“.29 Diese der Bathyphysik entsprechende Sicht des Seins als die verschlingende Begierde des Todes, die zugleich die zeugende Lust der Geburt ist, bringt Heraklit zum Ausdruck, indem er im „Feuer“ das ungründige Prinzip und den In-Begriff des alles umfassenden kosmischen Prozesses erblickt. Weil das Feuer in seinen

28 So der Übersetzungsversuch in: Thurner 2001, 217 f. u.ö. 29 Vgl. auch die Fragmente DK 22 B 7, 20, 31, 36, 39, 63, 80, 110. Das bathyphysische Denken lässt sich im Hinblick darauf auch als eine Philosophie der Gebürtigkeit bestimmen; vgl. Saner 1976.

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„Wenden“ (DK  22 B  31: tropai) den „Aus-Tausch“ (DK  22 B  90: antamoibē) der verschiedenen (elementaren) Zustände des Weltganzen wie im „Blitz“ aus dem Dunkel des Nichts heraus erhellend „steuert“ (DK  22 B  64), ist alles Sein das „ewige Leben“ des Feuers (DK 22 B 30): κόσμον τόνδε, τὸν αὐτὸν ἁπάντων, οὔτε τις θεῶν οὔτε ἀνθρώπων ἐποίησεν, ἀλλ’ ἦν ἀεὶ καὶ ἔστιν καὶ ἔσται πῦρ ἀείζωον, ἁπτόμενον μέτρα καὶ ἀποσβεννύμενον μέτρα  – „Diesen Kosmos, den selbigen für alle, hat weder einer der Götter noch der Menschen gemacht, sondern er war immer und ist und wird sein: immerlebendiges Feuer, aufflackernd nach Maßen und verglimmend nach Maßen“. Als die Spannungs-Einheit von „Hunger und Sattheit“ (DK  22 B  65: χρησμοςύνη καὶ κόρον, chrēsmosynē kai koros; vgl. auch DK  22 B  67) ist der Feuer-Kosmos des Seins „das Brennende der Lebenslust“30 (vgl. DK 22 B 67: hēdonē).

5 Leben als Leibwerdung Nach dem grundlosen Hervorgang des Seins aus dem Nichts des Todes ist es ein zweites wesentliches Moment des bathyphysischen Denkens, dass sich die Sinngestalt des Seins vollkommen in der Leibwerdung erschließt.31 Den Aufgang der Physis, der aus der Liebe zum ungründig Verborgenen hervorgeht, sieht Heraklit im zugleich tödlich-verzehrenden und lustvoll-erzeugenden Wesen des Feuers verwirklicht. Das „immerlebendige“ Feuer ist deshalb In-Begriff für das ‘ewige Leben’ des Kosmos, weil die elementaren Urzustände des Seins – ebenso wie jene der (Jahres-)Zeit(en) aus den Wenden der Sonne – aus den „Wenden“ des Feuers hervorgehen (DK 22 B 31): πυρὸς τροπαί· πρῶτον θάλασσα, θαλάσσης δέ τὸ μὲν ἥμισυ γῆ, τὸ δὲ ἥμισυ πρηστήρ – „Feuers Wenden: erstens Meer, vom Meere aber die eine Hälfte Erde, die andere Gluthauch“. Am Wechsel der elementaren Zustände des Weltganzen offenbart sich Heraklit, wie das Leben aus der Lust am eigenen Sein durch seine Ver-Nichtung hindurch ständig neu aufgeht. Die „Wenden des Feuers“ halten diese lebendige

30 So wird Heraklits Wort vom Feuer treffend übersetzt bei: Sánchez de Murillo 2002, 39; zur tiefenphänomenologischen Sicht des verzehrend-erzeugenden Feuers vgl. auch ebd., 371. 31 Damit ist auch ein zweites, wesentliches Differenzmoment zum meta-physischen Denken angegeben. Denn ebenso, wie für das metaphysische Denken das Leben nicht aus dem Nichts des Todes, sondern aus dem höchsten, in sich als reine Wirklichkeit subsistierenden (überseienden) Sein hervorgeht, gilt dem metaphysischen Denken auch nicht das veränderlich-vergängliche leibliche Sein, sondern die unveränderlich-zeitfreie Selbstidentität des Geistes (die Idee, das Denken des Denkens) als die absolute Vollkommenheit.



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Bewegung unter den kosmischen Elementen zu deren läuternder Umwandlung aufrecht. Diese „Wenden“ ereignen sich dabei als  die  (Selbst-)Zerstörung des Feuers, in denen das Feuer in die ihm entgegengesetzten Zustände hinein stirbt (Wasser, Erde, Luft), um daraus erneuert wieder zu seiner alten Kraft zurückzufinden. Aus dieser „immerlebendigen“ Auferstehungs-Bewegung des Feuers aus seinem Tod gehen also das „Flüssige“ und das „Starre“ hervor. Damit entstehen aus den Um-Wendungen der Feuer-Physis jene Dimen­sionen, in denen die Leiblichkeit besteht.32 „Des Feuers Wenden“ sind der Prozess der Leibwerdung des Seins.

6 Die Sprache der Phänomene Für das bathyphysische Denken ist der aus der ungründigen Vergangenheit hervorgegangene Leib nicht nur die vollendete Sinngestalt von Sein, sondern auch der einzig mögliche und hervorragende Ort der Erkenntnis von Wahrheit. Heraklits Einsicht in des „Feuers Wenden“ als das Wesen (Physis) der Welt liegt die Entdeckung zugrunde, dass sich in den leiblichen Erscheinungsweisen (Phänomenen) des physischen Werdens das ungründige Geschehen des Seins selbst zeigt. Weil sich der ungründige Ursprung in der aus ihm aufgegangenen leib­ lichen Wirklichkeit weder so, wie er in seiner Grundlosigkeit ist, unmittelbar „ausspricht“, noch auch gänzlich „verbirgt“, wird der Leib (Physis) der Dinge gleich einem delphischen Orakelspruch als „Zeichen“ (sēma) für den ungründigen Grund des Aufgangs deutbar und verstehbar.33 Diese Be-Deutung der leibhaftigen Zeichen resultiert dabei für Heraklit weniger aus der statisch verfestigten Form ihrer Leiblichkeit, sondern aus dem Werden ihres Lebens aus dem Tod. Weil die elementaren Urzustände des Kosmos immer wieder in ihren Gegensatz hinein sterben und aus diesem wieder neu aufleben, hat das „immerlebendige“ Geschehen des Feuerkosmos eine Regelmäßigkeit, die Heraklit als logos bezeichnet (vgl. DK 22 B 31). Mit diesem Grund-Wort der bathyphysischen Philosophie wird jene verhältnishafte Un-Grund-Struk-

32 Das „Flüssige“ und das „Starre“ sind jene Bezeichnungen für die elementaren Naturgestalten, die Franz von Baader in seiner Böhme-Rezeption als Prinzipien der Leibwerdung des Lebens prägt; vgl. Franz von Baader, Ueber Starres und Fließendes (in: Werke III, 269–276). 33 Vgl. B 93: ὁ ἄναξ, οὗ τὸ μαντεῖόν ἐστι τὸ ἐν Δελφοῖς, οὔτε λέγει οὔτε κρύπτει ἀλλὰ σημαίνει – „Der Herr, dessen das Orakel ist das in Delphi, weder spricht er noch verbirgt er, sondern bedeutet“. Heidegger übersetzt das sēmainein – ‘be-zeichnen’, ‘be-deuten’ – aus Fragment B 93 mit „Winke geben“ (vgl. Heidegger 1983, 179).

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tur des kosmischen Lebens benannt, die als ‘Wahrheit’ erkennbar ist und zur Sprache gebracht werden kann, weil sie sich selbst dem Denken in leibhaftigen Zeichen zu-spricht. Das Erkennen der Wahrheit ereignet sich für das bathyphysische Denken, wenn der Mensch jenem „Zu-Spruch“ (logos) des Seins ge-horsam (akouein) ent-spricht (homologein), der sich ihm in der Sprache der Phänomene zugleich verbirgt und eröffnet.34 Dieses im Hinhören auf die Sprache der Phänomene bestehende Ent-Sprechen der Weisheit ist nach Heraklit der Ursprung für die gesprochene Sprache in ihren lautgestaltlich-leiblichen Konkretionen. Weil der Leib des gesprochenen Wortes dann entsteht, wenn der Mensch im „Ein-Klang“ (vgl. DK 22 B 51: harmonia) mit dem ungründigen Aufgang der Dinge (ihrer Physis) gehorsam übereinstimmt (vgl. DK  22 B  112), spricht sich in der lautlichen Gestalt des gesprochenen Wortes das (Daher-)Wesen (die Physis) der Dinge selbst aus. Im lautlichen Gleich-Klang der Worte kann Heraklit daher ebenso den ungründigen Tod als Ursprung für den Lebensaufgang hören35 wie auch den Lebensaufgang als die innere Wesenswirklichkeit des ver-nichtenden Todes vernehmen36. Indem Heraklit im Hören auf den Logos der gesprochenen Sprache den EinKlang von „Immerlebendigkeit“ (DK 22 B 30: aeizōon) als der Wesenseigenschaft des Feuer-Kosmos und dem „Äon“ der (Welt-)Zeit des Lebens-Laufes (DK 22 B 52: aiōn) vernimmt, entdeckt er die tiefere Einheit von Sein und Zeit: Gemäß der Bathy­physik lebt das Sein in und als Zeit. Da das zeithafte Sein in seinem Werden und Vergehen in der Wirklichkeit des Leibes Gestalt gewinnt, verwirklicht es sein Wesen im Prozess einer ununterbrochenen Neugeburt. Diese ständige, reproduktive Erneuerung des Seins zeigt sich in der Lebensgestalt des Kindes. Im grundlos-freien Spiel als der Tätigkeit des Kindes findet das Sein jene Wirksamkeit, die seiner Wesensherkunft als Aufgang aus dem Ungrund vollkommen ent-

34 Vgl. Heraklit, DK 22 B 50: οὐκ ἐμοῦ, ἀλλὰ τοῦ λόγου ἀκούσαντας ὁμολογεῖν σοφόν ἐστιν ἓν πάντα –„Nicht auf mich, sondern auf die Darlegung gehört habend, ist es weise, zu ent-sprechen: eines alles“. „Zu-spruch“, „Stimme“ und „ent-sprechen“, „zu-stimmen“, „überein-stimmen“ sind Heideggers kongeniale Übersetzungen für logos und homologein aus Heraklits Fragment B 50 in: Heidegger 1956, 21. Zum Verständnis des Grund-Wortes logos bei Heraklit vgl. Thurner 2000 sowie Thurner 2001, 206–219 und 301–318 (mit weiteren Literaturangaben zum Forschungsstand). Zum Primat des Hörens vor dem Sehen bei Heraklit vgl. außerdem: Picht 1989, 180. 35 So beispielsweise in der (griechischen) Bezeichnung des todbringenden Bogens mit demselben Wort wie Leben (bios; vgl. DK 22 B 48). 36 So beispielsweise in der Benennung der Nacht in ihrem irrationalen Zustand des Schlafes, des Bruders des Todes, mit dem Wort euphronē (vgl. DK 22 Β 67) – ‘Wohl-Sinn’. Zum heraklitischen Verständnis der „rückwendigen Fügung“ (vgl. DK 22 B 51: palintropos harmoniē) der Sprache in ihren „Silben“ (vgl. DK  22 B  10: synapsies  – „Zusammen-Fassungen“) als zeichenhafte Offenbarung der ungründigen Physis vgl. Thurner 2001, 219–233.



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spricht. Das spielende Kind ist der „König“ (DK 22 B 52), weil in ihm die höchste Stufe im Selbst-Steigerungsprozess (DK  22 B  53, 79, 83, 119) des ungründigen Lebensaufgangs erreicht ist.

7 Philo-Sophia Im Fragment über die sich zu verbergen liebende Physis hat Heraklit nicht nur den objektiven Inhalt seines bathyphysischen Logos beschrieben, sondern auch dessen eigene, innerste Wesensbestimmung als philo-sophia (vgl. DK  22 B  35) angedeutet. Der auf die Selbsterfahrung des Denkens bezogene Sinn dieses Grund-Satzes offenbart sich, wenn man ihn – wie in der Heraklit-Interpretation bisher m. W. nicht geschehen  – vom Naheliegendsten her versteht. Der Logos Heraklits besteht im Hinhören auf die Sprache der Phänomene; und die Sprache der Phänomene ist im Leib der Dinge niedergeschrieben. Der Spruch über die Selbstverbergung der Physis ent-spricht (vgl. DK  22 B  50: homologein) daher in seiner ersten Be-Deutung (vgl. DK 22 B 93: sēmainei) einem Moment des leiblichen Lebens. Das heraklitische philein („lieben“) aus Fragment 123 ist das ungründige Liebe-Spiel des Aufgangs des leiblichen Lebens aus dem Nichts, das sich durch den Untergang in seinen verborgenen Ursprung immer wieder erneuert. Als der Aufgang und der Ursprung des leiblichen Lebens, als der Grund seiner Entstehung, ist die „Physis“ das zeugende Genital, und ihre „Selbstverbergung“ ist das Phänomen der Scham(behaarung). Am Phänomen der Scham(behaarung) zeigt sich, dass sich der Ursprung der Physis sofort wieder in seine Verborgenheit zurück-zieht, um seine anfängliche Reinheit nicht preiszugeben. Die leibliche Scham, deren Entbergung ein Gefühl der Lust und des Ekels zugleich erzeugt, enthüllt sich nur vor jenem Auge, welches das Leibliche auch in seiner Arm-Seligkeit (seinem Tod) bedingungslos liebt. Nur für ein liebendes Denken wird sich die Physis in einem ekstatischen Augenblick rein zeigen, in der Fülle ihrer Kraft und in der Bedürftigkeit ihrer Vergänglichkeit. Das Wort philosophos ist bei Heraklit erstmals bezeugt (DK 22 B 35) und bekommt im Zuge seiner bathyphysischen Denkbewegung einen spezifischen Wort-Sinn: philo-sophia (vgl. DK 22 B 35, 50) entsteht ursprünglich als „Überein-Stimmung“ und „Ent-Sprechung“, als homo-logia (vgl. DK 22 B 50) des Denkens mit der philia, dem sich grundlos mitteilenden und so frei verschenkenden „Lieben“ der Physis (vgl. DK 22 B 123). Indem die bathyphysische Denkform die in der physis waltende philia entdeckt und sich anverwandelt, vollendet sie den logos der philosophia als eine liebende Bejahung auch der abgründigen Momente sowohl im kosmischen wie im existenziell-eigenen Lebensgeburtsprozess.

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Thurner (2001): Martin Thurner, Der Ursprung des Denkens bei Heraklit (= Ursprünge des Philosophierens 1), Stuttgart. Thurner (2003): Martin Thurner, „»… und dienet der ewigen Freude der Überwindung«. Der positive Sinn des Leidens nach Nietzsche, Heraklit und Jacob Böhme“, in: Henrieke StahlSchwaetzer u. Harald Schwaetzer in Verbindung mit Klaus Reinhardt (Hgg.), Umgang mit Leid. Köwericher Akademische Tagung in Trier vom 5.–8. September 2002 (= Philosophie interdisziplinär 7), Regensburg, 157–202.

Zusammenfassung Spätestens seit Friedrich Nietzsche ist der philosophische Rückgriff auf Heraklit häufig von der Absicht geleitet, bei dem ‘Vorsokratiker’ eine Art von Denken wiederzufinden, das älter ist als die Metaphysik mit ihrer Tendenz zur Dualität von Materie und Geist. Derartige metaphysikkritische Heraklit-Interpretationen analysieren zwar ausführlich die Denkform der Metaphysik als Zwei-Welten-Lehre, die mit einer aufsteigenden Erkenntnisbewegung und einer dementsprechenden Abwertung des Irdischen verbunden sei; das leitende Prinzip des Denkens beim als Gegenpol dazu (re-)konstruierten Heraklit bleibt jedoch meist weitgehend unbestimmt, als ob es eine derartige Denkform beim Denker des ‘ersten Anfangs’ (noch) nicht gäbe. Das metaphysikkritische Potenzial der heraklitischen Philosophie wird aber erst dann vollends sichtbar, wenn deutlich gemacht wird, dass Heraklit nicht nur explizit Gedanken artikuliert hat, die aus einer späteren Sicht als vormetaphysisch gedeutet werden können, sondern dass Heraklit vor allem implizit eine Denkform etabliert, die als vormetaphysische Methode des Denkens erscheint. In Anlehnung an Heraklits eigenen Sprachgebrauch soll diese Denkform als ‘Bathyphysik’ beschrieben werden. Im programmatischen Fragment 1 bestimmt Heraklit die Methode seines logos, der das Entstehen aller Dinge darlegt, als eine Denkbewegung, die „ein jedes gemäß seiner physis zergliedert und ausdeutet, wie es sich verhält“. In Fragment 123 sagt er von jener physis, mit der der logos übereinstimmt, dass sie „es liebt, sich zu verbergen“. Konsequenterweise wird dann in Fragment 45 der logos, der die Verborgenheit der physis zur Sprache bringt, als ein bathys logos, als eine „tiefe Darlegung“ bezeichnet. Die Eigenart der bathyphysischen Denkform ergibt sich aus der Beschreibung des Wesens der physis in Fragment 123. Der Schlüssel zum Verständnis liegt dabei in der auch etymologischen Grundbedeutung von physis als lebendiges Hervorkommen, Wachsen, In-Erscheinung-Treten – interpretierend übersetzt: Aufgang, Leibwerdung. Der logos der physis ist demnach eine Denkbewegung, die ein jedes Ding gemäß seinem leiblichen Werden und Entstehen erklärt. Sie geht deshalb

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 Martin Thurner

in die Tiefe, weil sich die genesis alles Leibhaftigen im schamhaft verborgenen Akt der Zeugung des Lebens aus dem Nichts des Todes ereignet. Indem die bathyphysische Denkform die in der physis waltende philia entdeckt, vollendet sie den logos der philosophia als eine liebende Bejahung auch der abgründigen Momente im kosmischen Lebensgeburtsprozess.

Aylin Cankaya

What is the Source of Knowledge in Heraclitus? “The eyes are more exact witnesses than ears” Heraclitus (DK 22 B 101a)1

Heraclitus of Ephesus is best known for his doctrine that everything is constantly changing in a universal flux. From the fragments it appears that Heraclitus perceived that “all things are flowing” (panta rhei) except for the logos. Logos, in other words “ever-living fire” (DK 22 Β 20), is the only one thing that does not change within his conception of world. The comprehension of logos is one of the most fundamental issues in Heraclitus’ philosophy. Grasping, or trying to know the logos – that is dominated in the world – is a crucial requirement for knowledge of the sensible world or nature. Is it really possible to grasp the logos or, to put it another way, is knowledge possible for Heraclitus’ philosophy? If it is, how could it be? What is the way to the logos? I would like to find out some answers to these questions. Firstly, I attempt to identify the source of knowledge in Heraclitus’ philosophy. My main point here is that trying to reveal the proper role of sense perception or senses in grasping the logos will shed light on understanding the idea of wisdom. In this sense, it can be said that the logos is a clue on the way to wisdom. According to Heraclitus, the world is something to be grasped, gained, arrived at or discovered.2 Ergo, there is no agnostic attitude about comprehension of the world. It is absolutely clear that nature waits to be discovered. Two fragments, DK 22 B 123 and DK 22 B 54, communicate this idea well. B 123 says that “nature (physis) loves to hide”3 and Β 54 says that “the hidden harmony is stronger (or better) than the visible”.4 I think it is possible to interpret these fragments as meaning there is a hidden reality which is not seen. Hidden nature or reality waits to be revealed by some people even if it is a secret. As we can see in these fragment, Heraclitus seems to give more prominence to the principle the principle which is not apparent. Grasping the unseen principle behind the visible or, in other words, exposing the hidden nature, is the main endeavor of

1 Trans. Kathleen Freeman. 2 Pritzl 1985, 303. 3 Trans. John Burnet. 4 Trans. Kathleen Freeman.

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 Aylin Cankaya

the wise. For this, he advises following the common principle, namely, the logos (DK 22 B 2). Plato, who rejects the concept of change, believes that knowledge is impossible in Heraclitus’ changing world.5 It is true that change is constant and therefore all things pass and nothing stays in the sensible world. In this sense, of course, there is no possibility of knowledge. However, when we read all the fragments, we not only see that Heraclitus mentions the things in a flux, but he also mentions logos which does not change. It is possible to speak of the knowledge of unchangeable things. With this connection, what Heraclitus is trying to do is not to understand the things which are in a flux, but rather to understand the logos which is not subject to change. Therefore, knowledge for Heraclitus is not related to things in a flux, but related to logos. In other words, the object of knowledge is the logos itself that is common to the world (DK 22 B 2).6 If logos is assumed to be the object of knowledge, then Plato’s criticism will be misplaced. What is the source of that knowledge? How can knowledge of the logos be comprehended? Fragment DK  22 B  55 claims that Heraclitus prefers learning what comes from sight, hearing and also experience. In Burnet’s translation this fragment expresses that he prizes the most what is seen and heard. While the translations are quite distinct, in both of them he emphasizes the importance of experience in the process of acquiring knowledge. Heraclitus refers to the witnesses of senses.7 Another fragment DK  22 B  101a also supports this idea and says: “the eyes are more exact witnesses than ears”.8 In this fragment Heraclitus makes a distinction between senses, and he opts for sight in the final analysis. The thing that is heard cannot be true because it is indirect knowledge; on the other hand, the thing that is seen is more accurate or reliable than the other, because it represents direct knowledge. Therefore, it can be claimed that sight is superior to hearing. Heraclitus also refers to the sense of smell, touch and taste in some fragments, for example DK 22 B 26, B 61, and B 91. However, it should be noted that there is not any hint that these senses play any role in the gaining of knowledge. Taste, touch or smell are not related to perception or comprehension of the truth.9 Accordingly, it can be assumed that only sight and hearing can give a basis of knowledge. A further fragment is connected with these two senses, stating that “eyes and ears are bad witnesses to men who have barbarian

5 Graham 2011. 6 Curd 1991, 4. 7 Pritzl 1985, 304 f. 8 Trans. Kathleen Freeman. 9 Pritzl 1985, 304–307.



What is the Source of Knowledge in Heraclitus? 

 305

souls” (DK 22 B 107).10 This fragment also refers to the witness of senses, but it assumes that eyes and ears will be useless to those people who have barbarian souls as presumably they fail to grasp the truth. Heraclitus probably implies that who do not understand the language of his discourse or logos have barbarian souls. In this sense logos can be defined as the language of nature. All these fragments, mentioned above, indicate that seeing and hearing play a great role in knowledge. It is obvious that senses are required for knowledge to be possible, although, as Patricia Curd pointed out, Heraclitus does not accept that sense perception is the only means to knowledge.11 The witness of the senses or perception are necessary in any way but not sufficient by themselves comprehending the truth about the world. If the senses of sight and hearing cannot be the sole source of knowledge, then what can it be? The logos of Heraklitus is not easy to define: it has multiple meanings.12 Some meanings suggest that logos is the independent, existing truth, order, or principle which is common to all (DK 22 B 2, B 113). The comprehension of this principle takes place through the data provided by the two senses, sight and hearing. These imply fundamental parts of understanding or logos but not all parts of the truth, for the senses are limited through the path to knowledge or comprehension. In understanding logos, a further significant role is played by noos. Sense, experience or observation without noos is nothing according to Heraclitus. They can only enable learning many things, but do not enable understanding (noos), as stated in DK 22 B 40.13 Noos is required in order to understand the material of knowledge. Its function can be actualized through the senses, particularly seeing. In DK 22 B 40, Heraclitus accuses Pythagoras, Hesiod, Xenophanes and Hecataeus of possessing much learning without understanding. The Greek term polymathie is used to refer to them in this fragment. He believes that polymaths fail to understand the real object of knowledge, which is logos. There is a real contrast between poly­ maths and wise people. Polymathie is antithesis of wisdom. Therefore, according to Heraclitus, the wise, unlike the merely learned, can comprehend the logos. They can see the truth behind the discourse by means of thought or noos. On the other hand, polymaths are described as “absent while they are living”. They are identified with “deaf hearers” in DK  22 B  34. In this sense, polymaths are only living physically in this world, they are not able to recognize the logos.14

10 Trans. Kathleen Freeman. 11 Curd 1991, 7 f. 12 George 1988, 3. 13 Curd 1991, 1. 14 Ibid., 5.

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As Bruno Snell pointed out, in the use of the word of polymathie, the prefix ‘poly-’ indicates the knowledge in terms of quantity, not intensity. From this point of view, Pythagoras and Hesiod are people who have much knowledge of what exists, although they lack understanding (DK 22 B 40).15 As Curd claimed, Heraclitus does not deny that Hesiod or Pythagoras have knowledge about what exists. No one can dispense with experience or perception. They are indispensable, as they inform the first step toward acquiring knowledge. The criticism of Hesiod and other philosophers here is directed instead to the lack of depth in the knowledge. Genuine knowledge consists of knowing more deeply, which requires understanding the whole as a unity, not as an aggregate of perceived facts.16 It is not possible to understand the logos as a complete unity in any other way. Thus, Heraclitus opposes the ideal of polymathie. However, that does not mean that he rejects this kind of knowledge. According to him, polymathie or true beliefs about what exists should be supported by understanding. For, by itself it only provides the accumulation of knowledge. In this connection, Heraclitus exalts wisdom. For it is able to understand or grasp knowledge, unlike polymathie. Accumulation of information does not constitute understanding (DK 22 B 40 and also DK 22 B 57).17 Heraclitus therefore prefers wisdom to polymathie. What then is wisdom according to Heraclitus? In DK 22 B 40 Heraclitus tries to explain what wisdom is not. It is very clear that wisdom is not polymathie. Polymathie does not of itself yield wisdom. In addition to inquiry, noos should be present, because it is an essential part of understanding the truth. With this belief, wisdom (to sophon) can be characterized as the unity of episteme and noos. If this kind of characterization is right, it is possible to claim that this idea inspired Aristotle’s concept of sophia, as in the Nicomachean Ethics Aristotle mentions the roles of episteme and noos in attaining sophia (1141a15–20). There are some fragments which are related directly to wisdom. For instance, DK 22 B 41. Wisdom (to sophon) is defined as “one thing. It is to know the thought by which all things are steered through all things”.18 DK  22 B  50 is also linked with this discourse: “When you have listened, not to me, but to the Logos, it is wise to agree that all things are one”.19 It is very obvious that these two fragments of Heraclitus’ refer to the sound of logos in the world. Wisdom is something that is closely related to grasping the logos, in other words, the truth about the

15 Pritzl 1985, 308. 16 Curd 1991, 1. 17 Ibid., 5. 18 Trans. John Burnet. 19 Trans. Kathleen Freeman.



What is the Source of Knowledge in Heraclitus? 

 307

world.20 The knowledge of world as a unity (= content of logos) should be understood: “Hesiod is the teacher of very many, he who did not understand day and night: for they are one.” (DK 22 B 57)21 Heraclitus thus advises readers to follow a common principle. But even if it is available to all people (DK 22 B 113), it is not easy to grasp. The seeker of wisdom is similar to a prospector of gold. Heraclitus claims that the prospector digs up earth but he only finds a little (DK 22 B 22).22 This fragment implies that finding gold, and so by implication knowledge and understanding, is not easy. In my opinion, the most important thing in here is not the result of the quest, but rather the difficulty or complexity which defines the quest. This complexity does not make the quest disreputable, neither does this idea carry a negative meaning. It only reminds us of the difficulty of the search, which is the same for the seeker of truth. He is required to know and also separate what is worthwhile from worthless. This is supported by DK 22 B 108: “Of all whose discourses I have heard, there is not one who attains to understanding that wisdom is apart from all”.23 It is not surprising how difficult to grasp the truth is. This idea seems to have influenced other philosophers. For instance, Aristotle also claims in his Metaphysics that “the wise man is he who can comprehend difficult things, such as are not easy for human comprehension” (982a 10–15).24 The duty of a wise person is to grasp that difficult principle, which is logos, and nothing more than this. And this, supposedly, will never be easy.

Conclusion In this paper I have argued that the senses give a basis for understanding the object of knowledge. Grasping the logos, or, in other words, the Heraclitean way to wisdom, certainly begins with the evidence of the senses. However, the real emphasis is directed to the idea that senses cannot be the sole source by themselves in acquiring knowledge on the way of attaining truth. Noos goes with them. I have tried to reveal that there is no doubt that noos or its functions are necessary in the process of acquiring knowledge. Noos or apprehension provide the awareness of logos or what things are. I hold this to be one of the most significant features of Heraclitus’ philosophical system.

20 Curd 1991, 7–8. 21 Trans. Kathleen Freeman. 22 George 1988, 5. 23 Trans. John Burnet. 24 Trans. Harris Rackham.

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Bibliography Burnet (1920): John Burnet (ed.), Early Greek Philosophy, London. Curd (1991): Patricia Curd, “Knowledge and Unity in Heraclitus”, The Monist 74, 531–549. Diels & Kranz (62004 = 1951–1952): Hermann Diels & Walther Kranz (edd.), Die Fragmente der Vorsokratiker, vol. 1, Zürich. Freeman (1948): Kathleen Freeman, Ancilla to the Pre-Socratic Philosophers: A Complete Translation of the Fragments in Diels, “Fragmente der Vorsokratiker”, Cambridge, Massachusetts. George (1988): Marie I. George, “What Wisdom is According to Heraclitus the Obscure”, Lyceum 5, 1–19. Graham (2007): Daniel Graham, “Heraclitus”, The Stanford Encyclopedia of Philosophy http:// plato.stanford.edu/entries/heraclitus/ (1.7.2013). Pritzl (1985): Kurt Pritzl, “On The Way to Wisdom in Heraclitus”, Phoenix 39, 303–316. Rackham (1956): Harris Rackham (trans.), Aristotle. The Nicomachean Ethics, London. Tredennick (1933): Hugh Tredennick (trans.), Aristotle. Metaphysics. Books 1–9, London.

Abstract The paper focuses on the problem of the source of knowledge in Heraclitus’ philosophy. According to Heraclitus his main questions are: “how do people attain the truth?”, “what is the way to the wisdom?” – in other words – “how can logos be comprehended?” Grasping the logos means to understand his philosophy in one way. This concept is the crucial key point of Heraclitus’ philosophy. Therefore, the study tries to determine the source of knowledge. In doing so, it argues that the role of sight sense (perception) is crucial for understanding the logos. After that, the paper also examines what the function of noos is in the process of acquiring the knowledge. Besides that, the relation between noos and logos is also discussed. Because noos is the essential part in order to understand the truth.

Serge Mouraviev

The Reconstructed Book of Heraclitus in English Translation The present publication has no other purpose than to give the English-speaking reader a general impression of the bare results of more than forty years of reconstructing the book of Heraclitus out of all the available Greek sources. I have completely skipped here all the discussions and argumentation concerning the authenticity, relevance, literality, meaning, criticism, interpretation of the ca. 250 texts it consists of; of the way I combined them to form as continuous a whole as was possible; and of how I understood and translated this whole. Much of this will be found in my earlier publications and particularly, of course, (a) in my editions of the sources, of the quotations and of the doxography, (b) in my papers on particular texts and (c) in the various versions of the reconstruction made public in different forms between 1970 and 2011. The reconstruction of a book, just as the reconstruction of a temple, or of a fresco, or of anything, is not an edition of the sources, is not a catalogue of all that remains of the lost monument. It consists in re-assembling this monument out of all the bits and pieces we still have of it with the aim of recovering substantial parts of the lost original and filling to the best of one’s ability the inevitable gaps. It is (a) a practical work and (b) an experiment. If the whole you obtain is more or less digestible, you gain new knowledge. If it is wrong or if the material collected is too scarce to restore coherent parts of it, the restoration fails and you do not gain anything or get only partial and dubious results. The reconstruction of a book belongs therefore to what I would call empirical philology. Inserting the broken pieces into a single context is a way of testing in actu the fullness and unity of the corpus of our texts concerning the philosopher and his opinions and finding out the most probable true meanings of many controversial fragments and sources. The proof of the pudding is in the eating. If some readers will find this pudding at least partly edible, if they enjoy reading this or that passage and discover in it real food for further thought about Heraclitus’ messages, doctrine, style, poetics, about his genius, I will have reached my most general goal. If some parts of the reconstruction seem to them to be plausible enough and worthy of being accepted as expressing the philosopher’s true insight, or, on the contrary, if a reader strongly objects against this or that combination of texts which he finds completely wrong and suggests or defends a different one, then I will have achieved even more: I will have drawn or lured him into the reconstruction game which, to be more and more successful, requires the involvement of more

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and more players, the confrontation of more and more different opinions and the elaboration of more and more refined methods and tools … Last but not least, the reconstruction includes all that fits into the whole. It consists of –– textually sound verbatim quotations: the accepted fragments; –– textually defective or disputed and emended quotations (sometimes with risky emendations): the controversial fragments; –– indirect quotations and paraphrases (as far as possible with restoration of the direct speech and of the most probable original); –– almost certainly spurious quotations which still do fit into kindred contexts or fill obvious gaps; –– purely doxographic information (often combining a number of kindred items into one and reflecting at best an opinion of Heraclitus but not his idiosyncratic language); –– finally, in angular brackets, additions of the reconstructor’s own fabrication meant to restore the content of small gaps or propose conjectural transitions between possibly connected items. In print all this is more or less clearly distinguished by different scripts and sizes (which should not be modified). But the serious reader is still supposed to know the sources or at least to be able to find them whenever the exact nature of a text is not clear to him. In this he will be helped by the references in square brackets and the short bibliography below. * * * This latest English version, completed on March 5, 2016, owes many improvements to the critical remarks and suggestions by Yvonne Borowski, Gerard Pape and Enrica Fantino to all of whom I feel deeply indebted. But of course I am the sole responsible for all the remaining defects. S. M.

Bibliography and links Héraclite d’Ephèse, Refectio / La reconstruction, A. Le Livre “Les Muses” ou “De la Nature”, Texte reconstruit à partir des fragments (III.3.B) et des opinions (III.2). Texte, traduction, et commentaire =  Heraclitea. Edition critique complète des témoignages sur la vie et l’œuvre d’Héraclite d’Ephèse et des vestiges de son livre.



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 311

IVe partie. Refectio A. Liber (Sankt Augustin, Academia Verlag, 2011) XXXI + 206 p. (dont 1–30 doubles). Rev.: Enrique Hülsz Piccone: Bryn Mawr Classical Review 2012.11.25; Guido Calenda: Elenchos 33/2 (2012), 357–362; Raúl Caballero Sánchez: “El último Heráclito de Mouraviev”, Exemplaria Clássica 16 (2012), 177–202; Simon Trépanier: Revue philosophique de Louvain 111/1 (2013), 151–153  ; Ливио Россетти, (1) “Семантическая стабильность и нестабильность у Гераклита: По случаю выхода Consecutio fragmentorum Heracliti Сергея Муравьева”: Aristeas/Аристей 8 (2013), 181–198 =  ital. Livio Rossetti, “Stabilità e instabilità in Eraclito. A proposito della consecutio fragmentorum Heracliti proposta dal Mouraviev”, in: Omar Álvarez Salas & Enrique Hülsz Piccone (eds.), El libro de Heráclito 2500 años después. Estudios sobre los Heraclitea de Serge Mouraviev, Universidad nacional autónoma de México 2015, 51–76 (Nova Tellus, Supplementum IX); Id., “Eraclito si identifica con i suoi 130–135 frammenti?”, Preface of: Ivan Pozzoni (ed.), L’oscurita di Eraclito d’Efeso. Frammenti e “leggenda”, Villasanta 2014, 1–27; Raúl Caballero Sánchez, “El libro de Heráclito reconstruido por S. Mouraviev: una offrenda a Ártemis Efesia o al dio marino Glauco?”, in: O. Álvarez Salas & E. Hülsz Piccone (edd.), El libro … [cf. supra], 155–192; and cf. ibidem papers by Guido Calenda (77–113), Thomas M. Robinson (115–127), Francesc Casadesús Bordoy (129–153), Anne Gabrièle Wersinger (195–213), Laura Gianvittorio (215–240) and the Editors.

The following bibliographies and/or extracts can be viewed, copied and/or downloaded from the internet. Just open the links https://independent.academia.edu/SergeMouraviev [abbrev. Ac. Edu] or http://heracleitos.blogspot.com [abbrev. Heracl.], if necessary log in or register and indicate your institution (if none, write independent) and, in the former, open either the profile where all my contributions are listed in the left column under all, or the appropriate section on the right of all (including more), in the other use the Archive du Blog (Blog Archive) repertory in the right column to see the content, and in both, click on the title you wish to open/read/download. It is also possible to reach a paper directly by using its individual URL. 1. Full bibliography 1970–2013 (Ac.edu, section: présentation. bibliographie https://www.academia.edu/3288779/) 2. Bibliography on Heraclitus and the Presocratics (Heracl or Ac.edu): A – http://heracleitos.blogspot.fr/2013/02/100-19702012.html B – https://www.academia.edu/3495066/ 3. Bibliography on the reconstruction (Heracl or Ac.edu): See 2A items # 78A, 79 thru 82; 2B items # 78A, 79 thru 86 4. Reconstruction. Greek original (Ac.edu): https://www.academia.edu/3117053/185_ 5. Translations (Ac.edu):

312 

 Serge Mouraviev

French – https://www.academia.edu/3117073/185_2011_ Russian – https://www.academia.edu/3117226/191_2012_ Italian – https://www.academia.edu/3117121/190_2012_ Spanish – https://www.academia.edu/13843548/216_2015_ Esperanto – https://www.academia.edu/22297334/_2016_

Abbreviations The sigla and numbers in the right-hand column indicate the corresponding numeration according to the edition: Heraclitea. Edition critique complète des témoignages sur la vie et l’œuvre d’Héraclite d’Ephèse et des vestiges de son livre, Sankt Augustin, 1999–2011. F stands for Fragmenta (vol. III.3.B/i–iii, 2006) [same numbers as in Diels/ Kranz with additions], D(oxa) stands for Placita (vol. III.2, 2008), T stands for Traditio (vol. II.A.1–4, 1999–2003).

Concordance (see p. 338)



The Reconstructed Book of Heraclitus in English Translation 

 313

1 2 3

knowledge of gods and of men of the single arrangement of all

Outlaws would not have stood in need of Justice F 23 if such was not the case. For the most trustworthy F 28 {of the most famous men} from false appearances knows how to avert. And, mind you, Justice too will seize builders and witnesses of fallacies.

4

If this here sun by nature has the dimension of a human foot, he shall not transgress his proper bounds. If he his width exceeds, the Erinnyes, servants of Justice, will capture him.

5 6

A foolish man is wont to flutter about every speech (every logos). Whosever speeches have I heard, not one went to the point of recognizing that Wise is set apart from anyone {and anything}.

7 8

F 81A

F 3–94

F 87 F 108

I heard Xenophanes. F 107E

That the All is a God separable – inseparable, begotten – unbegotten, mortal – immortal

F 50

314 

9

 Serge Mouraviev

it is right . For those who listened not to me but to the Logos (to the Discourse) it is right to agree that Wise is to know all as One. For Wise is one: to establish the knowledge by which to steer all things through all.

F 41

Α´ But even though 10 this here Discourse (this here logos) is extant … always … men fail to understand it both before they hear it and having heard it once. For although all occurs according to this here Discourse, they look inexpert when experiencing such words and deeds as I explain dividing according to nature and telling what is correct.

F 1a

11

F 34

12 13

Dim-witted minds! When they do listen, they look like deaf and dumb. The idiom witnesses against them: “Present , but absent!”

The infidels!… Incapable to listen, F 19 nor to speak. From that with what continuously they associate, F 72 the Discourse *that pervades the whole world*, from that they diverge. And what they meet with every day, that appears foreign to them.



The Reconstructed Book of Heraclitus in English Translation 

14

For the many fail to realize the things they come across. Even when taught they recognize them not though they believe they do.

F 17

15

As to other men all they do awake evades them just as all asleep they forget.

F 1b

16 17

One should not act and speak like the sleeping, nor as children of one’s parents. For dogs too bark at those whom none of them knows.

18 19 20

 315

F 73–74 F 97

Men’s opinions are children’s playthings. F 70 Men are deceived in the knowledge of the obvious as Homer was, the wisest of all Greeks. Even him did children killing lice deceive by saying: “What we saw and caught, that we leave behind. What we neither saw nor caught, that we carry.”

F 56

F 9A

“May strife disappear from among gods and men!” For he prays for the destruction of all. Harmonia would not have been born

without the female and the male that are opposites. 21 just as meat at random (= from miscarriage) F 124 would be the fairest of the begotten (= the world) 22 coming together F 122 .

316 

 Serge Mouraviev

23

24

So well in love must be War, this common one, and Justice.

25

And all is brought forth in accordance with Strife and by her retained under duress. The confronting gathers. From different the fairest harmony . And all is begotten according to Strife.



F 80

F 8

26 27

War is the father of all F 53 and the king of all. And some he proclaims gods, some others men, some he makes slaves, some others freemen. *War and Zeus are the same being* F 13B

28

“No human being … escapes his doom, neither the coward nor the brave, insofar he be born.” “Worst of all is ever to the dying”, says he.

29 30 31

A weird awaits men at death they expect not nor can imagine. For men to get the they wish is not the best. Long once born they wish to live and suffer fatal dooms or rather rest in peace. And they leave offspring for fatal dooms to come.

F 105b

Il. VI, 488

0

fr. 133 W.

F 27

F 110 F 20



The Reconstructed Book of Heraclitus in English Translation 

32 33 34 35

Yet greater dooms are alotted greater fates. Honours enslave both gods and men, gods and men do honour those slain by Ares. Souls slain by Ares are purer than of diseases;

36 37

That which is in the tomb can still rise up and become vigilant guardian of both the quick and the stiff. But corpses should be thrown away quicker than shit.

38

This Homer truly deserves to be expelled from contests and whipped. And Archilochus alike.

The teacher of almost everyone, 39 Hesiod, is reputed for knowing almost everything, he who neither day nor night did recognize. For they are one. 40 And some days he made lucky, others unlucky, ignoring that, of any day, nature is one : *One day equals any day.* 41 42 43 44

 317

F 25 F 130 F 24 F 136

F 63

F 96 F 42

F 57

F 106

If there were no Sun, for all the other stars it would be night.

F 99

The limits of morn and of eve are:

F 120

Night F 13A is, the foremost goddess … … Sun is the source of heavenly light. F 70B

318 



 Serge Mouraviev

the Bear, and, opposite the Bear, the abundance of the radiant Zeus.

45 ( Homer believed that Hector and Amphidamas “were born



46 47 48 49 50

on the same night” )

Pythagoras, son of Mnesarchus, practiced enquiry {of men} beyond anybody and having examined these written records of his he made up his own sageness, his muchlearnedness, his wickedcraftiness. For very much a ‘wisdom lover’ must be informed of many things. He is the ancestor of sacrificial knives {and knaves} Muchlearnedness teaches no intelligence It would have taught it both to Hesiod and Pythagoras and again both to Xenophanes and Hecataeus For where are their wits and where their senses? The one is wailing songs of the dêmos, The other auspicating as a teacher to the mob, while both ignoring that: “the many are wicked and few are the good.”

F 129

F 35 F 81 F 40

F 104

Β´ 51

In Priene lived Bias, son of Teutames whose speech is superior to that of the rest.

F 39

And the Prieneians dedicated to him a precinct called Teutameion. It is he who proclaimed: “Most people are wicked.”



The Reconstructed Book of Heraclitus in English Translation 

 319

52

One to me is ten thousands if he be best. And the countless, no one.

F 49

53

For the best choose one thing out of all: glory for ever. But most mortals are glutted like cattle and measure well-being with their belly, their cock and the most shameful in us.

F 29

54 May you keep hold of your wealth, Ephesians, so that you would be denounced by your wretchedness! This people must fight for the law, 55 for the verily lawful, as for the walls of the city. Law is also to obey 56 the will of one. 57 The Ephesians deserve to hang themselves all and leave the city to boys immature, for they banished Hermodorus, the most valuable among them, saying: “Let no one among us be most valuable! If there is one, let him be abroad and among others.” 58 59 60 61

Hard it is to fight against anger: whatever it wishes it buys at the expense of our soul. Fighting against pleasure is even harder than against anger. Conceit is a “sacred disease” (an epilepsy). Impudence must be quenched

F 125A

F 44 F 33 F 121

F 85 F 7A F 46a F 43

320 

62

 Serge Mouraviev

faster than conflagration. Better hide one’s ignorance (to hide one’s ignorance is safer than making a show of it) but it is not easy when relaxing and vinous.

F 95–109

F 119 63 His êthos (self) is man’s daimôn (genius) 64 An adult looks like a suckling in front of a daimôn F 79 just like a child in front of an adult. For the human êthos has no knowledge F 78 65 while the godly one has. 66

Let us not conjecture at random on those subjects most sublime!

F 49

Γ ´ 67 68

The lord whose is the oracle that is in Delphi neither speaks, nor conceals, but implies. But the Sibyl with her raving mouth, which utters words mirthless unanointed unadorned, reaches out with her voice over a thousand years thanks to her god.

F 93

69 70 71

Yet good disbelief hides the depths of knowledge, they escape us not to be known. Nature likes hiding. Non-obvious harmony is better than the obvious.

F 86

72

If he expects not the unexpected he shall not find

F 92

F 123 F 54

F 18



The Reconstructed Book of Heraclitus in English Translation 

73

the unfindable that is unattainable and out of reach. Seekers of gold dig up much earth and find but little.

74 75

I sought myself. Not in a human wise, thanks to divine help, more so than the Sibyl I reached clarity.

76 77 78

Whatever lends itself to seeing hearing learning, this I prefer. . Eyes are more accurate witnesses than ears. if everything turned into smoke, something would nostrils recognize.

79 80 81 82 83 84

 321

F 22

F 101 F 16A

F 55 0 F 101A F 7

F 101B citing untrustworthy witnesses in support of controversial facts. bad witnesses to men F 107 are the eyes and ears of those whose souls are barbarian.

For it is death to souls to become water. delight to souls, not death, to become moist. An adult when drunk is led by an immature boy and stumbles, not knowing whither he walks, for his soul is moist.

F 117 F 36 Hipp.

F 77a

F 117

322 

 Serge Mouraviev

85 … because of the vapours from wine; moisture blunts sight and hearing. cf. D 121 86 He forgot where the path leads. 87

Man according to nature has no rational thinking, his understanding is

D 146, cf.



outside of the body. Only the Ambient (that which encompasses us)

D 148



has the power of thinking and reasoning.



the senses it streams out, dispersed rather than compact.

88 89

The soul is diffused in the whole body and is itself everywhere … Through D 117 … The Discourse with whom the soul communicates through the

cf. D 148



apertures of the senses is the judge (criterion) of truth.



encompassing us has the power of reasoning and thinking. We become



conscious when we breathe in this divine Discourse … When we are asleep …

90

Not any discourse, but the common and divine … The Ambient

91

Sleepers too are workers and collaborators

D 148,

F 107Aa

F 75

of things going on in the world.



… we forget it, but waking up we are conscious again. During our sleep,



since the apertures of the senses are closed, the mind which is in us is



separated from the Ambient with which it coalesced, there remains only



the link through breathing like a root. And it loses the mnemonic power



it used to have earlier.



Only their mind keeps vigil.> Yet their rational power, thanks to this



inseparable link through breath, freed from the impressions of the resting



senses, is able in sleep to perceive the future .

92