Ökosysteme im Mittelstand [1. Aufl.] 9783658298432, 9783658298449

Die Unternehmenslandschaft steht vor einem der dramatischsten Umbrüche der letzten 150 Jahre. Digitale Technologien verä

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German Pages VIII, 177 [183] Year 2020

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Ökosysteme im Mittelstand [1. Aufl.]
 9783658298432, 9783658298449

Table of contents :
Front Matter ....Pages I-VIII
Einführung (Wolfgang Becker, Patrick Ulrich, Alexandra Fibitz, Felix Schuhknecht, Meike Stradtmann)....Pages 1-5
Executive Summary (Wolfgang Becker, Patrick Ulrich, Alexandra Fibitz, Felix Schuhknecht, Meike Stradtmann)....Pages 7-11
Grundlagen (Wolfgang Becker, Patrick Ulrich, Alexandra Fibitz, Felix Schuhknecht, Meike Stradtmann)....Pages 13-56
Quantitative Erhebung (Wolfgang Becker, Patrick Ulrich, Alexandra Fibitz, Felix Schuhknecht, Meike Stradtmann)....Pages 57-123
Qualitative Erhebung (Wolfgang Becker, Patrick Ulrich, Alexandra Fibitz, Felix Schuhknecht, Meike Stradtmann)....Pages 125-164
Diskussion (Wolfgang Becker, Patrick Ulrich, Alexandra Fibitz, Felix Schuhknecht, Meike Stradtmann)....Pages 165-172
Ableitung von Best Practices (Wolfgang Becker, Patrick Ulrich, Alexandra Fibitz, Felix Schuhknecht, Meike Stradtmann)....Pages 173-177

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Management und Controlling im Mittelstand Wolfgang Becker · Patrick Ulrich Hrsg.

Wolfgang Becker · Patrick Ulrich Alexandra Fibitz · Felix Schuhknecht Meike Stradtmann

Ökosysteme im Mittelstand

Management und Controlling im Mittelstand Reihe herausgegeben von Wolfgang Becker, Otto-Friedrich-Universität Bamberg, Bamberg, Deutschland Patrick Ulrich, Hochschule Aalen -Technik und Wirtschaft, Aalen, Deutschland

Ziel der Reihe „Management und Controlling im Mittelstand“ ist es, die Gesamtheit der mittelstandsorientierten Betriebswirtschaftslehre abzubilden. Sie folgt der Maxime „a small business is not a little big business“ (Welsh/White), nach der mittelständische Unternehmen bedarfsgerechte Konzepte benötigen. Die Reihe strebt die Generierung fundierter, praxisnaher, aber auch theoretisch auf State-of-the-Art-Niveau stehender wissenschaftlicher Erkenntnisse an, die dem Mittelstand auch im Forschungsbereich eine Bedeutung verschaffen sollen, die er aufgrund seiner volkswirtschaftlichen Stellung schon lange verdient. Diese Erkenntnisse sollen dann in konkrete Managementkonzepte und -instrumente überführt werden. Die Konkretisierung dieser Zielsetzung besteht darin, zunächst eine mittelständische Problemlandkarte zu entwerfen, die von den gegenwärtigen und zukünftigen Erfolgsfaktoren mittelständischer Unternehmen ausgeht. Auf dieser Basis sollen gegenwärtige Erfolgsfaktoren analysiert, zukünftige Erfolgsfaktoren identifiziert und Handlungsempfehlungen für die Unternehmenspraxis abgeleitet werden. Die Reihe hat einen hohen theoretischen Anspruch, ist letztlich anwendungsorientiert ausgerichtet und zudem ausdrücklich offen für neue inhaltliche und publizistische Formate. Sie nutzt die bildhafte Vermittlung als Gestaltungsinstrument und bietet zeitgemäße, wissenschaftlich solide, dabei aber verständliche und praxisorientierte Fachpublikationen.

Weitere Bände in der Reihe http://www.springer.com/series/13362

Wolfgang Becker · Patrick Ulrich · Alexandra Fibitz · Felix Schuhknecht · Meike Stradtmann

Ökosysteme im Mittelstand

Wolfgang Becker Universität Bamberg Bamberg, Bayern, Deutschland Alexandra Fibitz Hochschule Aalen Aalen, Baden-Württemberg, Deutschland Meike Stradtmann Otto-Friedrich-Universität Bamberg Bamberg, Bayern, Deutschland

Patrick Ulrich Hochschule Aalen -Technik und Wirtschaft Aalen, Baden-Württemberg, Deutschland Felix Schuhknecht Lehrstuhl für Betriebswirtschaftslehre Otto-Friedrich-Universität Bamberg Bamberg, Bayern, Deutschland

ISSN 2567-773X ISSN 2567-7853  (electronic) Management und Controlling im Mittelstand ISBN 978-3-658-29843-2 ISBN 978-3-658-29844-9  (eBook) https://doi.org/10.1007/978-3-658-29844-9 Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von allgemein beschreibenden Bezeichnungen, Marken, Unternehmensnamen etc. in diesem Werk bedeutet nicht, dass diese frei durch jedermann benutzt werden dürfen. Die Berechtigung zur Benutzung unterliegt, auch ohne gesonderten Hinweis hierzu, den Regeln des Markenrechts. Die Rechte des jeweiligen Zeicheninhabers sind zu beachten. Der Verlag, die Autoren und die Herausgeber gehen davon aus, dass die Angaben und Informationen in diesem Werk zum Zeitpunkt der Veröffentlichung vollständig und korrekt sind. Weder der Verlag, noch die Autoren oder die Herausgeber übernehmen, ausdrücklich oder implizit, Gewähr für den Inhalt des Werkes, etwaige Fehler oder Äußerungen. Der Verlag bleibt im Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutionsadressen neutral. Planung/Lektorat: Anna Pietras Springer Gabler ist ein Imprint der eingetragenen Gesellschaft Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH und ist ein Teil von Springer Nature. Die Anschrift der Gesellschaft ist: Abraham-Lincoln-Str. 46, 65189 Wiesbaden, Germany

Vorwort

Die Unternehmenslandschaft steht vielleicht vor einem der dramatischsten Umbrüche der letzten 150 Jahre. Digitale Technologien verändern die Art und Weise, in der Unternehmen Wettbewerb treiben und Wertschöpfung erzielen. Kunden zeigen immer weniger Markenbindung und sind bereit, auch in kürzester Zeit Anbieter häufig zu wechseln. Dies führt die Unternehmen zu einer erhöhten Unsicherheit, die in Theorie und Praxis gerne mit dem Schlagwort „VUCA“ (Volatilität, Unsicherheit, Komplexität und Mehrdeutigkeit) umschrieben wird. Deutschland steht im internationalen Vergleich der Digitalisierungsbestrebungen nicht unbedingt an der Spitze, weder bezogen auf die Infrastruktur noch Aspekte wie die Start-up-Mentalität oder Risikokapital für (digitale) Unternehmen. Die Stärke der deutschen Wirtschaft beruhte seit jeher auf Technologieführerschaft – fraglich ist, ob wir diese Führerschaft auch in Zukunft behalten können. Rückgrat der deutschen Wirtschaft sind die mittelständischen und familiengeführten Unternehmen, die mit Innovationskraft, Kundennähe und Flexibilität zu Weltmarktführern geworden sind. Es besteht die Hoffnung, dass diese Unternehmensgruppe eine wichtige Säule der digitalen Wirtschaft in Deutschland werden kann. Nicht nur für den Mittelstand, sondern auch für Großunternehmen hat sich die Wettbewerbsdynamik in den letzten Jahren stark verändert: Es konkurrieren nicht mehr nur Unternehmen gegeneinander, sondern ganze Ökosysteme. Ersichtlich ist dies v. a. an den Beispielen Alphabet (Google), Amazon und Apple. Das Ökosystem als neue Erscheinungsform der Unternehmensorganisation stellt eine Weiterentwicklung des virtuellen Netzwerks dar, das auf der Nutzung von Informations- und Kommunikationstechnologien beruht und das Erreichen gemeinsamer, synergetischer Wertschöpfung in den Vordergrund stellt. Eng verbunden mit dem Ökosystem ist die sogenannte Plattformökonomie, die über die two-sided-markets von Rochet schon in die klassische ökonomische

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Vorwort

Theorie eingegangen ist: Ein Plattformanbieter schafft es, durch Angebot einer technischen Lösung Anbieter und Nachfrager zu verbinden und – hier liegt der besondere Charme – von beiden Seiten Geld für diese Leistung zu verlangen. In der Digitalökonomie sind Plattformen bspw. Homepages, Apps, aber auch Hard-, Soft- und Middleware. Die Plattformanbieter wie Amazon gehören zu den wertvollsten Unternehmen weltweit, sodass viele in Theorie und Praxis das „Zeitalter der Plattformökonomie“ ausgerufen haben. Vor diesem Hintergrund haben sich die Autoren dieses Buchs die Frage gestellt, ob es sich bei Ökosystemen, digitalen Strategien und Plattformen nur um einen Hype oder eine werthaltige strategische Entwicklung handelt. Zu diesem Zweck wurde im Jahr 2018/2019 eine empirische Untersuchung unter deutschen mittelständischen Unternehmen aufgeführt, die zeigt, dass auch der Mittelstand erste Schritte in Richtung Plattformökonomie unternommen hat. Wir danken den wissenschaftlichen und studentischen Mitarbeitern der Lehrstühle Unternehmensführung und Controlling an der Universität Bamberg sowie Unternehmensführung und -kontrolle an der Hochschule Aalen für die Unterstützung im Rahmen der Erstellung des Manuskripts. Ebenso schulden wir den Interviewpartnern und Teilnehmern der schriftlichen Unternehmensbefragung unseren Dank. Besonderer Dank gebührt unseren Lektorinnen Anna Pietras und Catarina Gomes de Almeida von Springer Gabler, die uns wie gehabt mit Fachwissen und Expertise zur Seite gestanden haben. Wir hoffen auf eine positive Rezeption des Buchs in Theorie und Praxis und sind für Anregungen jederzeit dankbar. Bamberg und Aalen im August 2019

Wolfgang Becker Patrick Ulrich Alexandra Fibitz Felix Schuhknecht Meike Stradtmann

Inhaltsverzeichnis

1 Einführung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 2 Executive Summary . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 3 Grundlagen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 3.1 Ökosysteme. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 3.1.1 Digitale Ökosysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 3.1.2 Unternehmerische Ökosysteme. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 3.1.3 Digitalisierung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 3.1.4 Digitale Strategien. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 3.1.5 Plattformen als neue Art von digitalen Geschäftsmodellen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 3.1.6 Mittelstand. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 3.2 Analyse von Beraterstudien. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 4 Quantitative Erhebung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 4.1 Forschungsdesign. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 4.2 Charakterisierung der Probanden. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 4.3 Ergebnisse der quantitativen Erhebung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 4.3.1 Rahmenbedingungen für Ökosysteme. . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 4.3.2 Ausgestaltung von Ökosystemen im Mittelstand. . . . . . . . . . 86 4.3.3 Ökosysteme Typologie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 4.3.4 Erfolgswirkungen von Ökosystemen im Mittelstand. . . . . . . 97 4.4 Ergebnisdiskussion. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 VII

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Inhaltsverzeichnis

5 Qualitative Erhebung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 5.1 Forschungsdesign. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 5.2 Forschungsergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 5.2.1 Unternehmen 1: Ökosystem aus Sicht eines Orchestrators . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 5.2.2 Unternehmen 2: Ökosystem aus der Rollensicht eines Intermediärs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 5.2.3 Unternehmen 3: Ökosystem aus Sicht einer Mischung aus Layer Player und Orchestrator. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 5.2.4 Unternehmen 4: Ökosysteme aus der Sicht eines Market Makers. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 5.2.5 Unternehmen 5: Ökosysteme aus der Sicht eines Integrated Models . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 5.2.6 Unternehmen 6: Ökosysteme aus Sicht eines Unternehmens in der primären Rolle des Integrators . . . . . . 149 5.2.7 Unternehmen 7: Ökosysteme aus Sicht eines Unternehmens in den Rollen des Integrators und Market Makers. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 5.2.8 Unternehmen 8: Ökosysteme aus Sicht eines Unternehmens in den Rollen des Integrators und Market Makers. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 6 Diskussion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 7 Ableitung von Best Practices. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173

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Einführung

Die Unternehmenslandschaft hat sich in den letzten Jahren stark verändert und befindet sich aktuell in einem tief greifenden Umbruch (Becker et al. 2016, S. 97; Bharadwaj et al. 2013, S. 471 f.; Weill und Woerner 2015, S. 27; El Sawy und Pereira 2013, S. 2; El Sawy et al. 2010, S. 836). Während früher die Unternehmensgrenzen und die Austauschbeziehungen zu Kunden und Stakeholder klar definiert waren, führt die Digitalisierung zu einer zunehmenden Dynamisierung und Komplexität (zum Komplexitätsbegriff siehe Becker 1992, S. 171) der Unternehmensumwelt (El Sawy et al. 2010, S. 836), bei der die Unternehmensgrenzen sich immer stärker auflösen und Branchen verstärkt miteinander zu konvergieren erscheinen (Teece und Linden 2017, S. 2; Weill und Woerner 2017, S. 3 f.). Exemplarisch zeigen Porter und Heppelmann plakativ anhand des Landwirtschaftssektors, wie sich ein Traktor als rein physisches Produkt durch den Einsatz moderner Informations- und Kommunikationstechniken zu einem sogenannten smarten (intelligenten) Produkt entwickeln kann, das branchenübergreifende Anknüpfungspunkte für verschiedene aufbauende Serviceanbieter bietet und letztlich in einer Art „System von Systemen“ mündet (Porter und Heppelmann 2014, S. 74 f.). Folglich werden Unternehmen nicht mehr als Teil sequentiell verlaufender Wertschöpfungsketten, sondern als Bestandteile komplexer Ökosysteme verstanden (Pflaum und Klötzer 2019, S. 65; Pflaum und Fischer 2019, S. 425). In der immer komplexer werdenden digitalen Welt basieren Ökosysteme zumeist auf Plattformen (zur strategischen Bedeutung von Plattformen siehe Pflaum und Fischer 2019; Pflaum und Klötzer 2019), auf denen sich Akteure dynamisch vernetzten und neuartige, kundenzentrierte Wertangebote gemeinsam mit den Kunden und weiteren Wertschöpfungsakteuren kreieren. Ein in diesem Zusammenhang häufig verwendeter Begriff ist die sogenannte „Plattformökonomie“ (van  Alstyne et al. 2016, S. 24; Parker et al. 2016, S. 134). Diese E ­ ntwicklung

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 W. Becker et al., Ökosysteme im Mittelstand, Management und Controlling im Mittelstand, https://doi.org/10.1007/978-3-658-29844-9_1

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wird von aufkommenden, innovativen Intermediären evoziert, die sich die technologischen Möglichkeiten gezielt zu Nutze machen, um tradierte Wertschöpfungsketten gezielt zu fragmentieren und zu disruptieren und etablierten Unternehmen jedweder Größenordnung ihre Wettbewerbspositionen streitig machen (Bharadwaj et al. 2013, S. 477; Parker et al. 2016, S. 6; Parson et al. 2016, S. 41; Bloching et al. 2015, S. 18 ff.). Beispiele von innovativen Unternehmen wie Apple, Google, oder Amazon haben bereits verdeutlicht, dass sie als finanzstarke (Groß)Unternehmen in der Lage sind, in bestehende sowie bisher unbesetzte Branchenstrukturen vorzudringen, etablierte Wertschöpfungsketten zu disruptieren, und innerhalb von kurzer Zeit dominierende Positionen zu besetzen (Parson et al. 2016, S. 41; Iansiti und Lakhani 2017, S. 86). Diese Entwicklungen werden durch die Nutzung moderner Informations- und Kommunikationstechniken grundlegend begünstigt sowie weiterhin beschleunigt (Becker et al. 2016, S. 97). Während die Wertschöpfung bisher unilateral durch ein Unternehmen erbracht wurde, ist bedingt durch die zunehmende Komplexität und Dynamik in der digitalen Welt eine Verschiebung hin zur gemeinschaftlichen Wertschöpfungsgenerierung in Ökosystemen zu beobachten. Der Wettbewerb schiebt sich dabei zunehmend auf die Ebene der Ökosysteme, die miteinander konkurrieren (Papert 2019, S. 401). Vor diesem Hintergrund erscheint es notwendig, die Wertschöpfungslogik von Unternehmen und hierin inbegriffen das Geschäftsmodell auf den Prüfstand zu stellen (Iansiti und Lakhani 2014, S. 93). Etablierte Geschäftsmodelle und Strategien werden vor dem Hintergrund der Digitalisierung zunehmend infrage gestellt (Teece und Linden 2017, S. 2), um die notwendige digitale Transformation ganzer Geschäftsmodelle oder Teile davon (Baumgärtner et al. 2013, S. 54) einzuleiten und nicht dem „Digitalen Darwinismus“ (Kreutzner und Land 2013) zu verfallen, sondern weiterhin wettbewerbsfähig zu bleiben und in Ökosystemen partizipieren zu können (Weill und Woerner 2017, S. 4; Kiron 2017, S. 17). Im Mittelpunkt der Betrachtung steht dabei die zentrale Fragestellung, wer die Ökosysteme der Zukunft dominiert. Eng hieran anknüpfend stellt sich die Frage, welche Stellung etablierte Unternehmen in Ökosystemen einnehmen (Pflaum und Klötzer 2019, S. 72), durch welche Leistungen bzw. Lösungen sie sich in das Ökosystem einbringen (können) und welche Erfolgsfaktoren sich durch die Partizipation in Ökosystemen generieren lassen. Wenngleich diese strategischen Fragestellungen gleichermaßen für Großunternehmen wie auch für mittelständische Unternehmen relevant sind, so wurden mittelständischen Unternehmen im Rahmen dieser Thematik bisher

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v­ ergleichsweise wenig Aufmerksamkeit gebührt, was Anlass für die vorliegende Studie gab. Dabei kennzeichnet sich der wachstumsstarke Mittelstand dadurch, zentrale Stellungen in Wertschöpfungssystemen einzunehmen, in denen sie enge Kunden-Zulieferer-Beziehungen pflegen und Innovationen hervorbringen. Vor diesem Hintergrund besteht die Vermutung, dass der Partizipation in Ökosystemen vor allem für mittelständische Unternehmen eine hohe strategische Bedeutung attestiert werden kann. Unklar bleibt jedoch, inwiefern sich die mittelständische Unternehmenspraxis diesen Entwicklungen bewusst ist und mit welchen Geschäftsmodellen die mittelständische Unternehmenspraxis diesen veränderten Rahmenbedingungen begegnet, um durch die Partizipation in Ökosystemen Erfolgspotentiale generieren und letztlich realisieren zu können. Dies setzt eine mittelstandsspezifische Betrachtung voraus. Mit diesem gemeinschaftlichen Forschungsprojekt zielen das Europäische Forschungsfeld für Angewandte Mittelstandsforschung (EFAM) an der Universität Bamberg und die Hochschule Aalen darauf ab, die Zukunftsvision um Plattformen, Ökosysteme und digitale Geschäftsmodelle im Mittelstand zu untersuchen. In diesem Kontext sollen im Sinne einer möglichst holistischen Betrachtung des Untersuchungsgegenstands folgende Schwerpunkte den Fokus bilden: • Rahmenbedingungen für Ökosysteme • Ausgestaltung der Ökosysteme im Mittelstand • Ökosystem-Typologien • Erfolgswirkungen von Ökosystemen im Mittelstand Besonderer Dank gilt dabei den Unternehmensvertretern, die den Fragebogen beantwortet haben und den Experten, die mit ihrer Unterstützung dieses Forschungsprojekts einen Einblick in die praktische Ausgestaltung von Ökosystemen im Mittelstand gegeben und damit die vorliegende Untersuchung erst ermöglicht haben. Bester Dank gilt schließlich auch den studentischen Mitarbeitern des Lehrstuhls für Unternehmensführung und Controlling und der Hochschule Aalen für ihre Ideen, Anregungen und Mithilfe bei der Auswertung, der Erhebung und Erstellung dieses Beitrags. Wir hoffen, dass dieser Beitrag nicht nur aus Sicht der Forschung, sondern auch aus Sicht der Unternehmenspraxis wertvolle Einblicke in die Rahmenbedingungen, Ausgestaltungen und Erfolgswirkungen von Ökosystemen im Mittelstand liefert.

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1 Einführung

Literatur Baumgärtner, S., Horz, C., & Klein, U. (2013). Transformationsmanagement: Rennstrategien für erfolgreiche Veränderungen. Zeitschrift Führung + Organisation, 82(1), 54–60. Becker, W. (1992). Komplexitätskosten. Krp-Kostenrechnungspraxis, Zeitschrift für Controlling, 3, 171–175. Becker, W., Ulrich, P., Botzkowski, T., & Eurich, S. (2016). Controlling von Digitalisierungsprozessen – Veränderungstendenzen und empirische Erfahrungswerte aus dem Mittelstand. In R. Obermaier (Hrsg.), Industrie 4.0 als unternehmerische Gestaltungsaufgabe – betriebswirtschaftliche, technische und rechtliche Herausforderungen (S. 97–120). Wiesbaden: Springer Gabler. Bharadwaj, A., El Sawy, O. A., Pavlou, P. A., & Venkatraman, N. (2013). Digital business strategy: Towards a next generation of insights. MIS Quarterly, 37(2), 471–482. Bloching, B., Leutiger, P., Oltmanns, T., Rossbach, C., Schlick, T., Remane, G., Quick, P. & Shafranyuk, O. (2015). Die digitale Transformation der Industrie. https://bdi.eu/media/ user_upload/Digitale_Transformation.pdf. Zugegriffen: 23. Juli 2018. El Sawy, O. A., & Pereira, F. (2013). Business modelling in digital space – An ecosystem approach. Berlin: Springer. El Sawy, O. A., Malhorta, A., Park, Y., & Pavlou, P. A. (2010). Seeking the configurations of digital ecodynamics: It takes three to Tango. Information Systems Research, 21(4), 835–848. Iansiti, M., & Lakhani, K. (2014). Digital ubiquity: How connections, sensors, and data are revolutionizing business. Harvard Business Review, 92(11), 91–99. Iansiti, M., & Lakhani, K. (2017). Managing our hub economy: Strategy, ethics, and network competition in the age of digital superpowers. Harvard Business Review, 95(5), 84–92. Kiron, D. (2017). Why your company needs more collaboration. MIT Sloan Management Review, 59(1), 16–19. Kreutzer, R. T., & Land, K.-H. (2013). Digitaler Darwinismus – Der stille Angriff auf ihr Geschäftsmodell und ihre Marken. Das Think!Book. Wiesbaden: Springer. Papert, M. (2019). Ökosystembezogene Implementierungsempfehlungen für Internet-derDinge-Lösungen. In W. Becker, B. Eierle, A. Fliaster, B. Ivens, A. Leischnig, A. Pflaum, & E. Sucky (Hrsg.), Geschäftsmodelle in der digitalen Welt: Strategien, Prozesse und Praxiserfahrungen (S. 398–411). Wiesbaden: Springer Gabler. Parker, G. G., van Alstyne, M. W., & Choudary, S. P. (2016). Platform Revolution. How networked markets are transforming the economy and how to make them work for you. New York: W.W. Norton & Company. Parson, C., Leutiger, P., Lang, A. & Born, D. (2016). FairPlay in der digitalen Welt: Wie Europa für Plattformen den richtigen Rahmen setzt. https://www.rolandberger. com/publications/publication_pdf/roland_berger_ief_plattformstudie_de_final.pdf. Zugegriffen: 3. Juli 2018.

Literatur

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Pflaum, A., & Fischer, C. (2019). Von der Pipeline zur Plattform – Denkanstöße und Handlungsempfehlungen für das Supply Chain Management. In P. Ulrich & B. Baltzer (Hrsg.), Wertschöpfung in der Betriebswirtschaftslehre (S. 409–429). Wiesbaden: Springer Gabler. Pflaum, A., & Klötzer, C. (2019). Von der Pipeline zur Plattform – Strategische Implikationen für das Unternehmen. In W. Becker, B. Eierle, A. Fliaster, B. Ivens, A. Leischnig, A. Pflaum, & E. Sucky (Hrsg.), Geschäftsmodelle in der digitalen Welt: Strategien, Prozesse und Praxiserfahrungen (S. 57–73). Wiesbaden: Springer Gabler. Porter, M. E., & Heppelmann, J. E. (2014). How smart, connected products are transforming competition. Harvard Business Review, 93(10), 96–114. Teece, D. J., & Linden, G. (2017). Business models, value capture, and the digital enterprise. Journal of Organization Design, 6(8), 1–14. Van Alstyne, M. W., Parker, G. G., & Choudary, S. P. (2016). Plattform statt Pipeline. Harvard Business Review Manager, 38(6), 22–31. Weill, P., & Woener, S. L. (2015). Thriving in an increasingly digital ecosystem. MIT Sloan Management Review, 56(4), 27–34. Weill, P. & Woerner, S. L. (2017). Surviving in an increasingly digital ecosystem. https://sloanreview.mit.edu/article/surviving-in-an-increasingly-digital-ecosystem/?switch_ view=PDF. Zugegriffen: 17. Juli 2018.

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Executive Summary

Die Digitalisierung führt aktuell zu einer der stärksten Umbrüche der Unternehmenspraxis. Die Dynamik und Komplexität der digitalen Welt zeigt sich durch verstärkte Konvergenzen und verschwimmende Branchengrenzen sowie die Disruption etablierter Geschäftsmodelle durch innovative Marktteilnehmer, die sich den Einsatz digitaler Information- und Kommunikationstechnologien zu Nutze machen, um bisherig dominierende Wertschöpfungsstrukturen zu fragmentieren (Porter und Heppelmann 2014, S. 66 f.; Iansiti und Lakhani 2017, S. 86 f.; Parson et al. 2016, S. 41 f.). Um auf diese veränderten Rahmenbedingungen zu reagieren kommt der Partizipation in Ökosystemen, bei denen Unternehmen auf Plattformen interagieren, um flexibel mit anderen Akteuren und Kunden gemeinsam Wertschöpfung zu kreieren, eine besondere erfolgsversprechende strategische Relevanz für die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen zu (Pflaum und Klötzer 2019). Sowohl in der Praxis als auch in der Forschung hat sich das Themengebiet um Ökosysteme und Plattformen im Zuge dieses Bedeutungszuwachses zu einem strategischen Imperativ in der digitalen Welt entwickelt (Weill und Woener 2015, 2017; Parker et al. 2016). Hiervon ausgehend, zielt der vorliegende Beitrag darauf ab, speziell aus der Perspektive der mittelständischen Unternehmenspraxis zu eruieren, inwieweit sich die Zukunftsvision um Plattformen, digitale Geschäftsmodelle und Ökosysteme bisher etabliert hat und Trendszenarien antizipiert werden konnten. Um die Aktualität und Relevanz dieses Themengebietes möglichst ganzheitlich zu beleuchten, wurden im Sinne einer anwendungsorientierten Mittelstandsforschung sowohl eine Fragebogenaktion mit 152 Unternehmensvertretern als auch fallstudienbasierte Tiefeninterviews mit 17 Experten zum Thema Ökosysteme im Mittelstand durchgeführt. Die an der Fragebogenaktion partizipierten Unternehmen haben im Durchschnitt 736 Mitarbeiter beschäftigt und erzielen

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 W. Becker et al., Ökosysteme im Mittelstand, Management und Controlling im Mittelstand, https://doi.org/10.1007/978-3-658-29844-9_2

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2  Executive Summary

einen durchschnittlichen Umsatz von 152 Mio. EUR. 94 % der Unternehmensvertreter gehören der ersten oder zweiten Führungsebene an. Die Studienergebnisse zeigen, dass sich das Thema um Ökosysteme im Mittelstand noch in den Anfängen befindet. 83 % der Unternehmensvertreter ist der Begriff des Ökosystems weitestgehend unbekannt und hat sich bisher auch noch nicht im Unternehmensvokabular etablieren können. Auch die Nutzung von Plattformen innerhalb des Ökosystems bestätigt sich lediglich von 8 % der Studienteilnehmer. Dabei wird der proaktive Aufbau von eigenen Plattformen oder zumindest die Partizipation in bestehenden Plattformen aus Sicht der Forschung (vgl. Pflaum und Schulz 2018; Pflaum und Fischer 2019; Pflaum und Klötzer 2019) wie auch aus Sicht anderer Praxisstudien (Buchholz et al. 2017, S. 33; Capgemini Consulting et al. 2014; BMWi 2019) empfohlen. Dennoch wird dem Konzept um unternehmerische Ökosysteme im Digitalisierungskontext eine moderate bis steigende Wichtigkeit in der mittelständischen Unternehmenspraxis attestiert, wonach der Mittelstand durchaus die Trendentwicklungen erkennt: 55 % sehen sich einem spürbaren Digitalisierungsdruck zur digitalen Vernetzung mit anderen Marktakteuren und Kunden ausgesetzt; und 55 % der Probanden geben zu Protokoll, Ökosysteme aktiv auf- oder ausbauen zu wollen. Dies deutet bereits darauf hin, dass Mittelständler eher dazu neigen, sich zugunsten der Risikoreduktion auf mehrseitige Plattformmodelle fokussieren zu wollen, bei denen die Unternehmen sich auf mehrere Plattformen gleichzeitig einbringen (Siehe hierzu auch Parmentier und Gandia 2017, S. 52 f.; Gandia und Parmentier 2017, S. 323 f.). Ferner zeigen die Studienergebnisse, dass die Wertschöpfungstiefe von dem Vernetzungsdruck oder auch dem aktiven Vernetzungsvorhaben weitestgehend unberührt blieb. Die Mehrheit der befragten Mittelständler weisen das klassische Wertschöpfungsmodell des Wertkettenintegrators auf und agieren mit einer relativ hohen Wertschöpfungstiefe. Simon (2015, S. 110) hatte diese Merkmale als Charakteristikum erfolgreicher mittelständischer „Hidden Champions“ hervorgehoben. Die im Rahmen dieser Studie durchgeführte methodische Kontrastierung nach erfolgreichen und weniger erfolgreichen Unternehmen zeigt ähnliche Tendenzen, sodass erfolgreiche Unternehmen eine höhere Wertschöpfungstiefe aufweisen, als weniger erfolgreiche Unternehmen. Durch die Partizipation in Ökosystemen forcieren mittelständische Unternehmen vornehmlich eine verbesserte Kundenansprache sowie eine nachhaltigere Optimierung der unternehmerischen Prozesse. Hierin inbegriffen streben Mittelständler auch den Aufbau und die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle mit ihrem Ökosystemvorhaben an. Die Kundenzentrierung hat sich laut den vorliegenden Studienergebnissen vor allem bei erfolgreichen Unternehmen einstellen

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können, die ihre Interaktionen mit Kunden durch die intensive Auseinandersetzung mit Möglichkeiten der Plattformnutzung steigern konnten. Diesbezüglich zeigen die Studienergebnisse, dass erfolgreiche Unternehmen stärkere Interaktionsgrade sowohl mit Kunden als auch mit Wettbewerbern aufweisen, was auf die strategische Relevanz der Vernetzung als Erfolgsfaktor in der digitalen Welt schließen lässt. Im Zuge der Partizipation in Ökosystemen ergeben sich aus Sicht der Unternehmenspraxis gleichermaßen vielfältige Barrieren, die potentielle Umsetzungsrisiken repräsentieren können. Die Preisgabe von Geschäftsgeheimnissen, fehlender Datenschutz und Datensicherheitsaspekte sowie unklare Haftungsregeln hindern die Implementierung in der Unternehmenspraxis. Hinzu kommt die im Vergleich zu Großunternehmen restringierte Ressourcenbasis, die dazu führt, dass sich Fehlentscheidungen tendenziell gravierender auf die Unternehmensexistenz auswirken können. Demzufolge zeigen sich mittelständische Unternehmen ähnlich verhalten, wie mit der digitalen Transformation ihrer Geschäftsmodelle, und präferieren auch in Bezug auf Ökosysteme und Plattformen ein schrittweises, inkrementelles Vorgehensmuster. Zu hoch schätzt die Mittelstandspraxis die Gefahr des First-Mover Disadvantages bei alleinigen Plattform- und Ökosystemaufbau ein: Zu hoch sei der dafür notwendige Investitionsbedarf und das damit einhergehende finanzielle Risiko. Vielmehr bestehe die Gefahr, Wettbewerber könnten sie als Exempel heranziehen, um von ihren Fehlern zu lernen und wertvolle Erfahrungen für den Aufbau einer eigenen Plattform zu generieren. Ähnlich verhalten zeigen sich auch in bestehende Wertschöpfungssysteme eingebettete Probanden, wie etwa mittelständische Zulieferer in der Automobilindustrie. Hier mangelt es vor allem an geeigneten Schnittstellen zum ganzheitlichen Austausch. Ein weiterer Aspekt der Zurückhaltung trotz merklicher Relevanz des Themengebietes im eigenen Unternehmen stellt die hohe Abhängigkeit vom Kunden dar, der letztlich seine Stellung als fokales Unternehmen im Ökosystem beibehalten möchte. Etablierte Machtstrukturen sowie Schnittstelleninkompatibilitäten und fehlende Branchenstandards sind sodann gleichwohl bedeutsame Umsetzungsbarrieren für die Potentialausschöpfung von Plattformen und Ökosystemen. Bezogen auf die Wertschaffung innerhalb des Ökosystems zeigen die mittelständischen Unternehmen eine dominierende Langfristorientierung, bei der in enger Anlehnung an den Nachhaltigkeitsdimensionen des „Triple-bottomLine“ Prinzips neben ökonomischen ebenfalls soziale sowie – in Analogie an die ursprüngliche Bedeutung von Ökosystemen – ökologische Faktoren forciert werden. Erfolgsreiche Unternehmen bemessen Erfolg des Ökosystems diesbezüglich stärker an dem Stakeholder als an dem Shareholder Value. Neben der

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eigentlichen Wertschaffung bildet die Wertverteilung unter den partizipierenden Unternehmen ein durchaus wichtiges, wenngleich auch sensibles Thema aus Sicht der Unternehmenspraxis. Während 52 % für sich eine wirtschaftliche Besserstellung durch die Partizipation in Ökosystemen versprechen, verspüren 55 % das Gefühl, wirtschaftlich geringfügig von dem Ökosystem profitieren zu können. Die Ergebnisse implizieren, dass das Thema um Ökosysteme für mittelständische Unternehmen einen Bedeutungszuwachs in der digitalen Welt verzeichnet. Gleichwohl konnten diverse Nachholbedarfe identifiziert werden, denen sich die mittelständische Unternehmenspraxis ausgesetzt sieht, um das Potential von Ökosystemen ganzheitlich für sich ausschöpfen zu können. Es gilt daher angezeigt die dadurch entstehenden Chancen und Risiken gleichermaßen zielgerichtet und ganzheitlich mit geeigneten Strategien, agilen Organisationsstrukturen und einem notwendigen Kulturwandel zu begegnen, um das Potential für Mittelständler ausschöpfen zu können.

Literatur Buchholz, B., Ferdinand, J.-P., Gieschen, J.-H. & Seidl, U. (2017). Digitalisierung industrieller Wertschöpfung – Transformationsansätze für KMU. Eine Studie im Rahmen der Begleitforschung zum Technologieprogramm AUTONOMIK für Industrie 4.0 des Bundesministeriums für Energie und Wirtschaft. https://www.digitale-technologien.de/DT/Redaktion/DE/Downloads/Publikation/2017-04-27_AUT%20Studie%20 Wertsch%C3%B6pfungsketten.pdf?__blob=publicationFile&v=4. Zugegriffen: 16. März 2019. Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi). (2019). Vernetzte Wertschöpfung. Mittelstand Digital. https://www.bmwi.de/Redaktion/DE/Publikationen/Mittelstand/ mittelstand-digital-vernetzte-wertschoepfung.pdf?__blob=publicationFile&v=9. Zugegriffen: 16. März 2019. Capgemini Consulting, RWTH Aachen, & Fraunhofer IPT. (2014). Digital value networks in the tool manufacturing industry: Understanding the impact of digital (Unter Mitarbeit von G. Schuh, V. Varnhagen, K. Kuhlmann, M. Pitsch, C. Stich, N. Komorek, J. Bechthold, C. Lauenstein). https://www.wzl.rwth-aachen.de/www_files/2013_Studie_ WZL_Digital_Value_Networks_in_the_Tool_Manufacturing_Industry.pdf. Zugegriffen: 18. Juli 2018. Gandia, R., & Parmentier, G. (2017). Optimizing value creation and value capture with a digital multi-sided business model. Strategic Change, 26(4), 323–331. Iansiti, M., & Lakhani, K. R. (2017). Managing our hub economy: Strategy, ethics, and network competition in the age of digital superpowers. Harvard Business Review, 95(5), 84–92.

Literatur

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Grundlagen

3.1 Ökosysteme Der Begriff des Ökosystems ist nicht neu, jedoch hat dieser sich in den Jahren stark gewandelt und durch den interdisziplinären Charakter neue Nuancenmerkmale erhalten. Grundsätzlich entstammt der Begriff „Ökosystem“ dem Fachbereich der Biologie und stellt „ein Beziehungsgefüge von Lebewesen untereinander in einem Lebensraum einer bestimmten Größenordnung“ dar (Vgl. Spektrum.de (2017) (Spektrum.de 2018) Lexikon der Biologie „Ökosystem“). Diesbezüglich handelt es sich um natürliche Ökosystemgebilde, die aus mehreren miteinander verbundenen Organismen bestehen, die allesamt unterschiedlichen Gruppen zugehörig sein können und sich in einer physischen Umwelt bewegen. Als das kleinste Ökosystem der Welt gelten sogenannte „mikrobielle Lebensgemeinschaften“, worunter lediglich eine winzige Formierung zu verstehen ist, die nur wenige Millimeter dick ist (Karsten und Kühl 1996). Grundsätzlich lassen sich Ökosystemen zwei wesentliche Merkmale zuordnen: Ökosystemen bilden zunächst komplexe Systeme ab, die im Kern mehrere Partner in einem Gefüge vernetzen und zu einem System zusammenführen und zweitens basiert das Wachstumspotenzial von Ökosystemen vorwiegend auf den Merkmalen der Agilität und Flexibilität auf externe Umstände und Einflussfaktoren. Seit ca. dem Jahr 2000 ist der Begriff auch durchaus in der Wirtschaft geläufig. Eine allgemeingültige Definition gibt es dafür zwar im wirtschaftlichen Kontext noch nicht, aber dafür mehrere Definitionsansätze, die meist einen ähnlichen Kern beschreiben. Wesentliche Definitionsansätze werden in Tab. 3.1 aufgezeigt und anschließend kritisch beleuchtet und miteinander verglichen.

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 W. Becker et al., Ökosysteme im Mittelstand, Management und Controlling im Mittelstand, https://doi.org/10.1007/978-3-658-29844-9_3

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Tab. 3.1   Definitionsansätze von 1996 bis 2004 Definitionsansätze “The term circumscribes the microeconomics of intense coevolution coalescing around innovative ideas. Business ecosystems span a variety of industries. The companies within them coevolve capabilities around the innovation and cooperatively and competitively to support new products, satisfy customer needs, and incorporate the next round of innovation.” (Moore 1996, S. 15) A digital business ecosystem is the “adoption of Internet-based technologies for business” and “business services and the software components are supported by a pervasive software environment, which shows an evolutionary and self-organising behaviour.” (Nachira 2002, S. 10) “We consider a business ecosystem to be a dynamic structure which consists of an interconnected population of organizations.” (Peltoniemi und Vuori 2004, S. 13) “A business ecosystem is a network of suppliers and customers around a core technology platform, who depend on each other for their success and survival.” (Den Hartigh und van Asseldonk 2004, S. 23) “We found that perhaps more than any other type of network, a biological ecosystem provides a powerful analogy for understanding a business network. Like business networks, biological ecosystems are characterized by a large number of loosely interconnected participants who depend on each other for their mutual effectiveness and survival. And like business network participants, biological species in ecosystems share their fate with each other. If the ecosystem is healthy, individual species thrive. If the ecosystem is unhealthy, individual species suffer deeply. And as with business ecosystems, reversals in overall ecosystem health can happen very quickly.” (Iansiti und Levien 2004, S. 8 f.)

In einer genaueren Betrachtung und Analyse der Definitionsansätze lassen sich einige Gemeinsamkeiten sowie Unterschiede, je nach Interpretation und Zeitpunkt der Definitionen feststellen. Frühe Definitionsansätze zwischen 1996 bis ca. 2004 stellen primär das Ziel der Innovation in den Vordergrund und betonen, dass Ökosysteme vorwiegend dafür da sind, so viele Industrien wie möglich in solch eine Architektur einzubinden, um den Innovationsgedanken voranzutreiben. Innovationen werden dabei mit neuen Produkten gekoppelt, deren Kundenzentrierung eine wesentliche Rolle einnimmt. Zudem kommt mit der Nutzung von neuen, digitalen Technologien und einer Förderung der Serviceinnovation eine weitere Innovationskomponente dazu. Demnach liegt der Fokus dieser noch frühen Definitionen verstärkt auf dem Gedanken einer einfachen Netzwerkstruktur innerhalb eines Ökosystems, die zumeist offen gestaltet ist und neue Technologien dazu nutzt, neue Produkte zu entwickeln, die die Kundenbedürfnisse möglichst gut umsetzen.

3.1 Ökosysteme

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Die Definitionsansätze in Tab. 3.2, die im Zeitraum zwischen 2006 und 2010 veröffentlicht wurden, setzen einen etwas anderen Fokus im Rahmen ihrer Ökosystemdefinition. Es ist festzustellen, dass hierbei die Architektur bzw. Struktur eines Ökosystems viel stärker in den Vordergrund gerückt werden, vor allem im Hinblick auf den Zugang, der als geschlossen und nicht offen genannt wird. Geschlossene bzw. halb-offene Ökosysteme erlauben es, die Akteure in einem Ökosystem zu begrenzen und so eine gewisse Konsistenz und Kontrolle innerhalb des Ökosystems zu gewährleisten. Dabei werden Ökosysteme hierbei als robuste und skalierbare Architektur angegeben, deren primäre Aufgabe es ist, weiterhin den Kunden im Blick zu behalten und durch angepasste Dienstleistungen einen

Tab. 3.2   Definitionsansätze von 2006 bis 2010 Definitionsansätze “A business ecosystem, as we will see, can also be conceived as a network of interdependent niches that in turn are occupied by organizations. These niches can be said to be more or less open, to the degree to which they embrace alternative contributors.” (Moore 2006, S. 33) “A digital ecosystem (DE) is defined as an open, loosely coupled, domain clustered, demand driven, self-organizing and agent-based environment, in which each species is proactive and responsive for its own benefit and profit.” (Chang et al. 2006) “A Digital Business Ecosystem (DBE) is a closed or semi-closed system of Small and Medium Enterprises (SMEs), which may come together in cyberspace in the same way companies gather in a business park in the physical world. These companies will interact with each other through buyer-seller relationships.” (Giannoutakis und Petrou 2007, S. 269) “Business ecosystem is defined as “loose networks of suppliers, distributors, outsourcing firms, makers of related products or services, technology providers, and a host of other organizations, which affect, and are affected by, the creation and delivery of a company’s own offerings”. Loose networks imply that we must consider loose-tie networks (e.g., third-tier networks, potential suppliers from same or different industries) as well as strongtie networks (e.g., first-tier suppliers).” (Song et al. 2009, S. 5) “DBEs are digital environments that have been employed for the facilitation of collaboration and service aggregation between small organisations offering complementary services, and which coalition for the creation of more complex applications based primarily on the services each one provides, enhances the competitiveness of the whole set of cooperating companies facing bigger application or service providers.” (Lurgi und Estanyol 2010, S. 3) “Ecosystems are thought to be robust, scalable architectures that can automatically solve complex, dynamic problems, possessing several properties that may be useful in socioeconomic technical systems, including self-organisation, self-management, sustainability and scalability.” (Stanley und Briscoe 2010, S. 3)

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3 Grundlagen

Mehrwert zu generieren. Bereits hierbei ist eine Entwicklung des Begriffes festzustellen. Zunächst weg von einem offenen System hin zu einem geschlossenen Ökosystem, welches kontrolliert und aufgrund der beschränkten Zahl an Akteuren auch skalierbar ist sowie die Hinwendung zu neuen, veränderten Innovationsarten wie z. B. Serviceinnovationen, die neue Produkte ergänzen können. Neuere Definitionsansätze von 2011 bis 2017 (siehe Tab. 3.3) wiederum widmen sich weniger dem Strukturgedanken von Ökosystemen, sondern vielmehr dem Netzwerk innerhalb des Ökosystems und wie in diesem durch eine verbesserte Informationsstruktur Wert geschaffen werden kann. Dabei scheint die Komplexität eines Ökosystems je nach Anzahl der Akteure anzusteigen, weshalb die Begrenzung bzw. die Wahl eines halboffenen Ökosystems eine mögliche Einschränkung bieten kann. Weiterhin wird deutlich, dass erstmals auch die Suche nach neuen Akteuren, hier beschrieben als „Business“ und „Non-Business“ eine wichtige Rolle spielt. Es wird dadurch versucht sicherzustellen, dass eine konsistente Erneuerung des Ökosystems mit seinen Akteuren zu einem Erfolgsfaktor wird. Ebenfalls auffällig ist die Tatsache, dass die Wertarchitektur des Ökosystems eine immer wichtigere Rolle spielt und die Wertelemente value creation und value capture den zentralen Wert innerhalb des Ökosystems einnehmen. Dies ist vor alle im Hinblick auf neue Geschäftsmodelle und die neue Innovationsart Geschäftsmodellinnovationen wichtig, da sichtbar wird, wie stark sich die Ökosystemdebatte immer weiter in die Richtung entwickelt. In den folgenden Abschnitten gilt es den Begriff „Ökosystem“ im Rahmen der unterschiedlichen Sichtweisen näher zu beleuchten und in den Zusammenhang der Digitalisierung zu stellen. Daher werden nachfolgend die wesentlichen Beziehungen aufgezeigt und näher erläutert.

3.1.1 Digitale Ökosysteme Der Begriff des „digitalen Ökosystems“ ist zwingend von dem reinen Begriff des Ökosystems zu unterscheiden. Hierbei finden sich die folgenden Definitionsansätze, die auch für die zugrunde liegende Untersuchung Verwendung finden sollen: “a useful metaphor for understanding the dynamics of business networks at the regional and sectoral levels and their interaction with and through ICTSs” (Dini et al. 2000). Eine etwas neuere Definition aus dem Jahr 2012 suggeriert unter dem Begriff digitales Ökosystem folgendes: “self-organizing, scalable and sustainable system composed of heterogenous digital entities and their interrelations focusing on

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Tab. 3.3   Definitionsansätze von 2011 bis 2017 Definitionsansätze “Business ecosystem started as a need to revolutionize the business ideas, tradition business models. Digital ecosystem provided the technology to form the Digital Business Ecosystem (DBE). Natural ecosystem is an environment pertaining to a particular area of physical components containing all the living and non living organisms in it. […] DBE is combination of Digital Ecosystem (DE) and Business Ecosystem (BE). […] A merged definition would be that it is a distributive, slackly coupled, demand-driven, selforganizing, collaborative software environment, where each entity is quite responsive and proactive.” (Khalil et al. 2011, S. 66) “A company’s business ecosystem includes more than the direct contributors to the productions and delivery of products and services, namely suppliers and distributors. It also includes companies that contribute indirectly, such as its competitors and customers.” (Zhang und Liang 2011, S. 158) “Digital Business Ecosystem (DBE) is a decentralised environment where very small enterprises (VSEs) and small to medium sized enterprises (SMEs) interoperate by establishing collaborations with each other.” (Isherwood und Coetzee 2011, S. 1) “Business ecosystems describe the network of firms, which collectively produce a holistic, integrated technological system that creates value for customers. Understanding the mode of ecosystem change can provide valuable information for organizations that are positioned in these networked environments.” (Mäkinen und Dedehayir 2012, S. 1) “Similar to a biological ecosystem, a business ecosystem is formed by large, loosely coupled networks of entities. These entities such as firms, organizations, entrepreneurs, etc. interact with each other and the health and performance of each actor is dependent on the health and performance of the whole. That is, the actors are simultaneously influenced by their own capabilities and their interaction ties with the other players in the ecosystem.” (Heikkilä und Kuivaniemi 2012, S. 19) “A business ecosystem is a community that consists of various levels of interdependent firms which co-evolve in an ongoing cycle and constantly renew themselves.” (Liu und Rong 2015, S. 809) “[…] ecosystems consist of a heterogeneous and continuously evolving set of individuals and firms that are interconnected through a complex, global network of relationships. These firms come from a variety of market segments, each providing unique value propositions.” (Basole et al. 2015, S. 3) “Business ecosystem as a concept to define interacting, self-organized and evolving value networks has different interpretations in academic discussion. Positioning the ecosystem concept with other value constellation models is not unambiguous. Ecosystems are not strictly defined, they are not systematically managed and they have multiple business and non-business actors either directly or indirectly impacting the value creation.” (Lappi und Haapasalo 2016, S. 336) “A business ecosystem is a dynamic structure of organizations that work together in a specific primary technological platform or core business.” (Immonen et al. 2016, S. 153) “A business “ecosystem” is the wider network of firms that influences how a focal firm, in our case the MaaS [Mobility as a Service] provider, creates and captures value.” (Kamargianni und Matyas 2017, S. 6)

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interactions among entities to increase system utility, gain benefits, and promote information sharing, inner and inter cooperation and system innovation.” (Li et al. 2012, S. 119). Zu einer der meistgenutzten deutschsprachigen Definitionen gehört: „Ein digitales Ökosystem ist ein dynamischer und synergetischer Komplex aus digitalen Gemeinschaften, bestehend aus miteinander verbundenen, wechselwirkenden und gegenseitig abhängigen digitalen Spezies. Diese existieren auf einer digitalen Infrastruktur und interagieren als Services, dabei sind sie über Aufrufe, Informations- und Transaktionsflüsse miteinander verbunden“ (Masak 2009, S. 213). Grundsätzlich ist festzuhalten, dass sich der Begriff aus zwei wesentlichen Bestandteilen zusammensetzt, nämlich dem Ökosystem-Charakter sowie dem Digitalisierungsaspekt. Die erste Säule enthält demnach das Format eines Systems, welches durch eine Mehrzahl an Nutzern in einer Netzwerkstruktur miteinander verbunden ist. Durch das Zusammenwirken mehrerer Akteure kommt es zur Partizipation am Netzwerk. Ein wesentlicher Begriff, der in diesem Zusammenhang stets genannt werden sollte, ist der der „Value Co-creation“, d. h. der gemeinsamen Wertschöpfung. Durch die gemeinsame Vernetzung innerhalb der Systemarchitektur zwischen Nutzern und Anbietern kommt es zu einem Mehrwert innerhalb des Ökosystems (Webster und Lutsch 2013). Wesentlich ist dabei die Bereitschaft der Nutzer Inhalte zu teilen, innerhalb des Ökosystems zu partizipieren sowie Zeit und Aufwand in das Ökosystem zu investieren (Sussan und Acs 2017, S. 60). Die digitale Infrastruktur ist der zweite Fuß auf dem die Inhalte fundieren. Die digitale Infrastruktur kann dabei als eigenständiges System im Ökosystem verstanden werden, welches in die holistische Struktur durch digitale Medien eingebettet ist (Henfridsson und Bygstad 2013). Die Autoren Henfridsson und Bygstad (2013) gehen sogar so weit zu sagen, dass die digitale Komponente das tragende Bindungsglied für alle Bestandteile ist. Eine Vielzahl an Unternehmen reihen sich inzwischen in die Gruppe von digitalen Ökosystemen ein. Zu den wohl populärsten Beispielen gehören die Unternehmen bzw. Plattformen Google, Apple, Amazon und Facebook (Tißen 2015). Mehrere grundlegende Merkmale beeinflussen sowohl die Funktion als auch die Struktur des biologischen Ökosystems, darunter das Zusammenspiel verschiedener Arten, die Populationsdynamik, die Evolution und eine komplexe, sich ständig wandelnde Umwelt. Ähnliches geschieht auch in komplexen, großen Softwaresystemen. Die Verteilung eines Softwareprogramms kann mit der räumlichen Verteilung eines biologischen Systems verglichen werden. Im Vergleich zu realen Ökosystemen ist die Form der räumlichen Dynamik relativ simpel (vgl. Masak 2009, S. 210).

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Um eine Grundlage für Wettbewerbsvorteile durch Ökosysteme zu schaffen, erfordert dies eine große Veränderungen von Unternehmen. Der Fokus muss dabei auf den Kunden, den Wettbewerbern und den unternehmensinternen Beziehungen liegen (vgl. Robinson und Lacy 2015, S. 3). Diese Unternehmen begannen mit einem einfachen Service und bieten heute darauf aufbauend zahlreiche Dienstleistungen in verschiedenen Bereichen an (vgl. TME Institut 2018, S. 1). Drei große Netzwerke sind dabei Transport und Logistik, Energieversorgung und Kommunikation. Abb. 143 zeigt das Ökosystem der Digital Giants. Hierbei ist zu erkennen, dass Google nicht nur Suchmaschine ist und Amazon nicht nur Bücher vertreibt, sondern auch noch andere Dienstleistungen und Produkte anbietet. Das Konzept, welches die BigTechs erfolgreich macht, wird nun auch auf Banken und Versicherungen angewandt, um die Kunden langfristig an das Unternehmen zu binden und den Ansprüchen dieser gerecht zu werden. Kunden erwarten individuelle Angebote entsprechend ihrer Bedürfnisse. Dabei ist es wichtig, dass Ökosysteme dem Kunden gedanklich voraus sind und Lösungen für möglichst viele spezifische Kundenprobleme bereitstellen. Dies ist vor allem durch interdisziplinäre Innovationen möglich, die durch strategische Partnerschaften gefördert werden (vgl. TME Institut 2018). Ein erfolgreiches Unternehmen kann sich durch gute Führung, vorbildliche Menschen, eine solide Kultur oder durch einen sehr zielgerichteten Markt auszeichnen. Oftmals werden jedoch die Auswirkungen des Aufbaus eines erfolgreichen Ökosystems mit Partnern unterschätzt. Durch diese Partnerschaften können Unternehmen mit neuen Anwendungen, Produkten, Funktionen und Kanälen auf dem Markt unterstützt werden.

3.1.2 Unternehmerische Ökosysteme Unternehmerische Ökosysteme lassen sich von dem angloamerikanischen Begriff „Entrepreneurial Ecosystem“ ableiten und übersetzen. Grundsätzlich ist dieser Art von Ökosystemen erneut eine etwas andere Sichtweise bzw. Fokussierung zu unterstellen, die im Folgenden weiter definiert und herausgearbeitet werden soll. Um den Begriff in aller Tiefe und Deutlichkeit zu erörtern, wird im Folgenden die Konzeption nach Sussan und Acs 2017 verwendet und näher geschildert. Die Autoren haben digitale unternehmerische Ökosysteme anhand von vier Quadranten innerhalb zwei Dimensionen klassifiziert. Die Dimensionen sind horizontal gekennzeichnet durch unternehmerische Ökosysteme und die beiden Kriterien Institutionen und Agenten und vertikal durch die Dimension der digitalen Ökosysteme und die beiden vormals genannten Grundpfeiler Digitale Infrastruktur und Nutzer. Die einzelnen Dimensionen sollen im Folgenden näher erläutert werden.

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Dimension 1: Digitale Governance von Infrastrukturen Die 1. Dimension befasst sich mit der Koordinierung, die erforderlich ist, um eine Reihe gemeinsamer technologischer Normen festzulegen, die mit unternehmerischen Tätigkeiten zusammenhängen. Es gibt 2 Wege der Legitimation bei unternehmerischen Ökosystemen. Erstens, den gewöhnlichen Regeln folgen oder zweitens, eigene Regeln aufstellen. Dies sieht man am Beispiel vieler neuer digitaler Geschäftsmodelle, die den Gesetzgebern voraus sind und keiner Regulierung unterliegen (Bsp. AirBnB). Durch ihr Handeln werden Gesetzgeber dazu gezwungen neue Regeln aufzustellen. Wobei dies weiter Probleme hervorbringt, da Regulierung meistens auch Innovationen limitiert. Deshalb stellen die Autoren die These auf, dass die digitale Infrastruktur dezentral und offen ist und da bei der Gestaltung von Standards eher auf ein Bottom-up-Diskurs gesetzt wird hat die Digitale Governance von Infrastrukturen positive Auswirkungen auf digitale unternehmerische Ökosysteme. Diese Bottom-up-Standardisierung in Digitaler Governance von Infrastrukturen hat jedoch einen Wendepunkt der positiv und effektiv digitale unternehmerische Ökosysteme beeinflusst. Deshalb entspricht die Beziehung zwischen Digitaler Governance von Infrastrukturen und digitalen unternehmerischen Ökosystemen einer U-förmigen Kurve. Dimension 2: Digitale Marktplätze Die 2. Dimension repräsentiert die Kombination von Nutzern und Unternehmensvertretern im Kontext von unternehmerischen und digitalen Ökosystemen. Hier geht es um Wertschöpfung in Form eines neuen Produktes, Services oder neuem Wissen, welche aus unternehmerischen Aktivitäten und Beteiligung von Nutzern hervorgeht. Diese Wertschöpfung in digitalen Marktplätzen umfasst unternehmerische Aktivität in For-Profit, Non-Profit und staatlichen Umfeldern und die Ergebnisse dieser Aktivität werden von den Nutzern angenommen. Zum Beispiel sind Unternehmen wie Facebook, Uber oder Wikipedia gemeint. Digitale Marktplätze sind ein Schlüsselelement der Nachhaltigkeit von digitalen unternehmerischen Ökosystemen. Kontinuierliche kooperative Wertschöpfung zwischen Unternehmensakteuren und Nutzern in Digitalen Märkten ist ein wichtiger Weg zu nachhaltigen digitalen unternehmerischen Ökosystemen. Wenn Nutzer weiterhin neue Inhalte produzieren und somit Zeit und freie Arbeit dafür bereitstellen, werden sie dadurch weitere unternehmerische Aktivitäten hervorrufen, da in solchen Situationen Unternehmen von der Nutzerbeteiligung profitieren. Deshalb wird die These aufgestellt, dass digitale Märkte, die sich auf kooperative Wertschöpfung konzentrieren einen positiven Effekt auf

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digitale unternehmerische Ökosysteme haben. Dafür braucht man aber eine aktive und engagierte Nutzerbasis, die man entwickeln muss, um mit neuen digitalen Angeboten mithalten zu können. Weiterhin stellen die Autoren die These auf, dass digitale Marktplätze sicherstellen müssen, dass Nutzer mitwirken können. Außerdem soll digitale Nutzer-Citizenship in Interaktion mit digitalen Märkten einen positiven Effekt auf beide Seiten haben. Dimension 3: Digitale Nutzer-Citizenship Die 3. Dimension repräsentiert die Kombination von Nutzern und Institutionen im Kontext beider Ökosysteme. Institutionen repräsentieren hierbei die regulatorische Seite. Diese Dimension befasst sich deshalb expliziter mit den Regeln, denen die Nutzer zustimmen, um in der digitalen Welt mitzuwirken. Digitale NutzerCitizenship bedeutet einfach die Möglichkeit an der digitalen Gesellschaft und ihren Aktivitäten teilzuhaben. Durch diese Partizipation an der digitalen Gesellschaft hinterlässt man aber auch viele digitale Daten, die dann sehr interessant für Unternehmen sind. Es gibt drei Einflüsse von digitaler Nutzer-Citizenship auf nachhaltige digitale unternehmerische Ökosysteme. Einer ist je mehr kompetente und sich beteiligende Nutzer es gibt, desto mehr potenzielle neue digitale Unternehmer gibt es. Der zweite ist ähnlich wie der erste, nur dass durch mehr beteiligte und kompetente Nutzer die Kundenbasis für digitale Unternehmer größer ist, um ihre Plattformen füllen zu können, was ein wichtiger Teil von digitalen unternehmerischen Ökosystemen ist. Der Dritte und wahrscheinlich wichtigste Punkt ist, dass wenn es mehr Digitale ­ Nutzer-Citizenship Interaktionen gibt, steigt die Chance, dass Nutzer in der Lage sind mit anderen Nutzern neue Dinge zu erschaffen und so neue Wertschöpfung in digitalen unternehmerischen Ökosystemen entsteht. Deshalb ist digitale N ­ utzer-Citizenship essentiell für nachhaltige digitale unternehmerische Ökosysteme. Für die Beziehung zwischen digitaler Nutzer-Citizenship und digitalen unternehmerischen Ökosystemen ist die digitale Governance von Infrastrukturen sehr wichtig. Wenn zum Beispiel eine starke hierarchische Struktur vorliegt, verringert diese die Beteiligung von neuen Nutzern was nicht im Sinne eines digitalen unternehmerischen Ökosystems ist. Dimension 4: Digitales Entrepreneurship Die 4. Dimension behandelt die Kombination von der digitalen Infrastruktur mit Unternehmensvertretern im Kontext beider Ökosysteme. Bei den hier angesprochenen Unternehmensvertretern ist es egal aus welcher Art von Unternehmung sie kommen. Egal, ob es sich um kommerzielle, soziale oder staatliche

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Unternehmungen handelt, die digitale Technologien benutzen. Es ist auch egal welche Aufgaben sie erfüllen. Zum Beispiel ein Uber Fahrer gilt hier auch als Unternehmensvertreter. Er nutzt digitale Technologien, um Effizienz zu steigern und dadurch wird die Wirtschaft immer mehr digitalisiert. In der digitalen Ökonomie gibt es außerdem die Möglichkeit sehr schneller Wechsel von Marktführerpositionen. Als Beispiel hierfür gilt der schnelle Aufstieg von Google, welche Yahoo als Marktführer im Bereich der Suchmaschinen relativ zügig ablösten. Dieser rapide Wechsel von Monopolstellungen ist ein einzigartiges Phänomen der digitalen Ökonomie. Deshalb sind bei digitaler Entrepreneurship risikoreiche Aktivitäten zur Innovation nicht selten, um die digitalen Nutzer für sich zu gewinnen. Der Einfluss von digitaler Entrepreneurship auf Nachhaltigkeit von digitalen unternehmerischen Ökosystemen ist ein ständiger Fluss neuer Innovationen, die sehr schnell zu monopolistischen Situationen führen aber sie ebenso schnell wieder auflösen können. Damit digitales Entrepreneurship funktioniert ist eine aktive Nutzerbasis oder auch digitale Nutzer-Citizenship essentiell.

3.1.3 Digitalisierung Digitalisierung und Agilität gehören zu den Schlagwörtern, die fast täglich auf der Agenda der Unternehmen auftauchen und für die sich ständig ändernde Umwelt einstehen, charakterisiert durch zunehmende Geschwindigkeit und enorme Tragweite (vgl. Hoeffgen o. J., S. 8). Franken (2016, S. 4) definiert die Digitalisierung als „[…] den Wandel der privaten und der Arbeitswelt durch den vermehrten Einsatz neuer Informationsund Kommunikationstechnologien“. Für Kagermann (2015, S.  15) ist die Digitalisierung “[…] the networking of people and things and the convergence of the real and virtual worlds that is enabled by information and communication technology (ICT)”. „Digitalisierung“ ist dabei mehr als nur ein Schlagwort in der heutigen Zeit, die geprägt ist von einer sich schnell verändernden Umwelt. Die Digitalisierung ist ein Megatrend, der Märkte, Gesellschaften und Unternehmen maßgeblich beeinflusst und vielfach disruptiert (Bressanelli et al. 2018, S. 2; Iansiti und Lakhani 2014, S. 90 ff.). Trotz der in den letzten Jahren vermehrten Forschung und Praxisrelevanz des Themas, gibt es bisher noch kein Leitparadigma welches als Leuchtturm für Digitalisierungsfragen in Unternehmen verstanden werden kann (Bughin und van Zeebroeck 2017). Des Weiteren bleibt die bisher noch fehlende einheitliche Verwendung von Begriffen, ob es sich um

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eine reine technische Transformation, Digitalisierung per se oder eine holistisch betrachtete digitale Transformation handelt. Vereinfacht ausgedrückt beschreibt die Digitalisierung die technische Umwandlung von analogen Informationen und Prozessen in digitale (Negroponte 1995). Jedoch beinhaltet die Digitalisierung mehr als nur die rein technische Perspektive und umfasst vielmehr die Veränderungen in den Mustern von Unternehmen hin zu einem Digitalen Denken und einen innovativen Charakter, der sich auf Wirtschaft, Gesellschaft und weitere Aspekte auswirkt (Loebbecke und Picot 2015, S. 149). Neben der stark ausgeprägten Praxisrelevanz hat sich das Thema als eigenständiger Forschungsstrang in den letzten Jahren stark weiterentwickelt (Tsatsou 2016, S. 597). Zu den Schwerpunkten dieses Forschungsbereiches zählen u. a. Digitales Unternehmertum (Aldrich 2014; Obschinka und Fisch 2018, S. 851), Marktgrenzen und Wettbewerb (Cattani et al. 2017. S. 64), Unternehmensstrategien (Arora et al. 2014, S. 317) sowie Ressourcen und Fähigkeiten im digitalen Umfeld (Berger und Kuckertz 2016, S. 5164; Dy et al. 2017, S. 286 ff.; Teece 2018, S. 40 ff.) und zeigen wie interdisziplinär dieser Forschungsbereich sein kann. Daher eröffnet die Digitalisierung neue Möglichkeiten für eine innovative und disruptive Nutzung der Geschäftsarchitektur (Newell und Marabelli 2015, S. 3). Dabei wirkt sich die Digitalisierung nicht nur auf einzelne Produkte oder Dienstleistungen aus und verleiht diesen eine digitale Komponente, sondern verändert vielmehr die interne Grundstruktur von Unternehmen und damit das gesamte Geschäftsmodell, ganze Industrien oder auch gesamte Branchen (Bleicher und Stanley 2016, S. 63). Die Digitalisierung basiert dabei auf drei wesentlichen Antriebskräften. Die erste Säule ist die Fähigkeit, Informationen und Daten durch binäre Zeichen und Codes auszudrücken, während die zweite die kontinuierliche Weiterentwicklung der Technologie ist. Zudem besteht im Zuge der Digitalisierung eine zunehmende Verbindung zwischen der technischen und der kaufmännischen Ebene (vgl. Becker et al. 2017, S. 12). Die Anzahl der mit dem Internet verbundenen Geräte wächst exponentiell. Mit der Digitalisierung und durch die Vernetzung der Geräte können mehr Daten generiert und mobil genutzt werden. Diese Daten gewinnen durch die zunehmende Integration in Geschäfts- und Technologieprozessen an wirtschaftlicher Bedeutung (vgl. Kaufmann 2015, S. 2.). Die Digitalisierung ermöglicht es den Mitarbeitern, ihre Arbeitszeit und ihr Arbeitsumfeld flexibler zu gestalten, was ihnen hilft, ihre Leistung zu steigern und sich gleichzeitig auf die Ergebnisse zu konzentrieren (vgl. Dengler und Matthes 2015, S. 6 f.). Die nachfolgenden Abschnitte gehen detaillierter auf spezifische Digitalisierungsthemen ein und nähern sich zudem dem Zusammenhang zwischen Digitalisierung, Strategie, Geschäftsmodelle und Ökosysteme.

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3.1.4 Digitale Strategien Sowohl der technologische Wandel als auch die damit einhergehende Digitalisierung nehmen seit der Jahrtausendwende an Bedeutung zu (Haffke 2017), da diese Megatrends nicht nur Auswirkungen auf einzelne Unternehmen oder Branchen haben (Haffke et al. 2013; Hess et al. 2016; Laumer et al. 2016; Sia et al. 2016; Westermann et al. 2012), sondern auch die gesamte Wirtschaft und sogar Gesellschaft vor dem Hintergrund sich stetig verändernder Kundenbedürfnisse beeinflussen (Haffke et al. 2013). Diese veränderten Kundenbedürfnisse und -verhalten sind besondere für Unternehmen entscheidend, da Kunden zunehmend individualisierte Produkte, Dienstleistungen und ganze Kundenerlebnisse erwarten (Vey et al. 2017). Für Unternehmen selbst führt dies dazu, dass diese “to adapt their business infrastructure to the new digital era” (Bharadwaj 2013, S. 472) müssen. Dabei müssen Unternehmen ihre gesamte Wertschöpfungskette an die neuen Anforderungen anpassen und auch zukünftig technologiebasierte und digitalere Geschäftsmodelle entwickeln, durch welche sie sich von Wettbewerbern unterscheiden, um auch weiterhin wertschöpfend agieren zu können und somit das Überleben in der digitalen Welt sicherzustellen (Becker et al. 2018; Bharadwaj 2013; Klötzer und Pflaum 2017; Porter und Heppelmann 2015; Hess et al. 2016; Vey et al. 2017). Damit Unternehmen auch im digitalen Zeitalter ihr volles Wertschöpfungspotenzial ausschöpfen können, bedarf es einer klar festgelegten strategischen Ausrichtung des Unternehmens, mit welcher diese Geschäftsmodelle realisiert werden können. Dabei wird in der Literatur darauf hingewiesen, dass nicht entscheidend ist, wann, sondern wie die digitale Transformation umgesetzt werden soll (Hess et al. 2016). Eine geeignete Strategie in Zeiten der Digitalisierung nutzt die Vorteile der Implementierung neuer digitaler Technologien (Ross et al. 2017), wodurch sowohl Kostenvorteile, zusätzliche Absatzpotenziale, steigende Produktivität und gänzlich neue Geschäftsmodelle realisiert werden können (Hess et al. 2016). Eine für das Unternehmen passende Strategie, die den Einsatz solcher Technologien berücksichtigt, ist daher letztlich entscheidend für den Erfolg von Unternehmen (Hess et al. 2016). Oftmals wird allerdings eine solche Strategie mit digitaler Fokussierung, insofern sie im Unternehmen überhaupt separat vorhanden ist, tendenziell eher der Geschäftsstrategie untergeordnet oder gleichgestellt (Hirschheim und Sabherwal 2001; Reich und Benbasat 2000; Sabherwal und Chan 2001). Allerdings ist heutzutage eine digitale Strategie weit aus bedeutender, da digitale Technologien traditionelle Geschäftsstrategien in modulare und funktionsübergreifende, unternehmensweite Strategien transformieren und mithilfe dieser Geschäftsprozesse

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über Grenzen von Zeit, Entfernung oder Funktion hinaus realisiert werden können (Banker et al. 2006; Kohli und Grover 2008; Sambamurphy et al. 2003; Wheeler 2002). Somit ist eine digitale Strategie letztlich als erweiterte Geschäftsstrategie zu sehen, die von der Leistungsfähigkeit leistungsstarker, leicht zugänglicher Technologien inspiriert ist und die gleichzeitig einzigartige, integrierte Geschäftsfunktionen bietet, sich an ständig ändernde Marktbedingungen anpassen zu können (Sebastian et al. 2017). Unternehmen, die auch in Zeiten der Digitalisierung Wertschöpfung betreiben und somit weiterhin am Markt existieren möchten, benötigen daher eine solche umfassende Strategie, die sämtliche ­digital-basierten Ressourcen beinhaltet (Bharadwaj 2013). Weiterhin existieren zwischen einer digitalen Strategie und einer Geschäftsstrategie wechselseitige Beziehungen (Bharadwaj 2013; Hess et al. 2016), wodurch eine solche Digitalstrategie das integrierte Gesamtkonstrukt einer digitalen Strategie und einer Geschäftsstrategie darstellt (Mithas et al. 2016; Woodard et al. 2013). Eine digitale Geschäftsstrategie liegt insofern bei Unternehmen dann vor, wenn sie wettbewerbsbezogene Aktivitäten zum Anbieten digitaler Produkte und Dienstleistungen umfasst (Yeow et al. 2017). Da sich letztlich jedes Unternehmen unabhängig von Branche und Größe dem digitalen Wandel konfrontiert sieht (Westermann et al. 2012), müssen sich alle Unternehmen mit einer solchen strategischen Ausrichtung auseinandersetzen und eine geeignete Digitalstrategie für sich ableiten. Auch in der aktuellen wissenschaftlichen Literatur wird thematisiert, dass Digitalstrategien ein aktuelles Forschungsthema darstellt (Bharadwaj 2013; Hess et al. 2016; Matt et al. 2015; Mithas et al. 2016; Pagani 2013; Woodard et al. 2013), das sich bislang auch noch im Anfangsstadium befindet (Mithas et al. 2016). Insbesondere zeigt sich dies darin, dass in der aktuellen wissenschaftlichen Literatur ein bislang heterogenes Begriffsverständnis vorliegt, da der Begriff auf unterschiedliche Weisen definiert wird (Bharadwaj 2013; Hess et al. 2016; Mithas et al. 2016; Sebastian et al. 2017; Woodard et al. 2013). Matt, Hess und Benlian haben derweil untersucht, welche Komponenten eine Digitalstrategie aufweisen soll (Matt et al. 2015). In weiteren Studien wird untersucht, wie durch solche Digitalstrategien ein Mehrwert geschaffen und in von technologischen Veränderungen betroffenen Netzwerken eingesetzt werden kann (Pagani 2013) und wie eine solche Digitalstrategie entsteht, wenn der Wettbewerb eines Unternehmens die digitale strategische Position beeinflusst (Mithas et al. 2016). Die Literatur zeigt zudem, dass sämtliche aktuelle Studien zum Thema Digitalstrategien auf Grundlage eines qualitativen Forschungsdesigns mit Unternehmen unterschiedlicher Größe und Branche durchgeführt wurden (siehe u. a. Hess et al. 2016; Woodard et al. 2013). Daran lässt sich erkennen, dass sich

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bislang keine Studie auf Unternehmen einer bestimmten Größe konzentriert hat, wodurch diese Fokussierung eine Forschungslücke darstellt. An dieser Stelle beschreibt die Literatur, dass sich vor allem kleine und mittlere Unternehmen (KMU) durch ihre wichtige Rolle in der europäischen Wirtschaft auszeichnen (Li et al. 2016), da diese als Motoren des Wirtschaftswachstums gelten (Lee et al. 2012). Darüber hinaus unterscheiden sich KMUs von Großunternehmen (GU) dadurch, dass sie häufig nur über begrenzte finanzielle Mittel, weniger gut ausgebildetes Personal und allgemein weniger Ressourcen als GUs verfügen. Dennoch stehen KMUs vor den gleichen Wettbewerbsherausforderungen wie GUs (Bidan et al. 2012; Pullen et al. 2009). Nichtsdestotrotz müssen sich sowohl KMUs als auch GUs mit dem Thema Digitalstrategien auseinandersetzen, da davon ausgegangen werden kann, dass es aufgrund dieser unterschiedlichen Merkmale dieser Unternehmensgrößen im digitalen Zeitalter wesentliche Unterschiede in der strategischen Ausrichtung gibt. Aus diesem Grund thematisiert die vorliegende Studie diese Forschungslücke.

3.1.5 Plattformen als neue Art von digitalen Geschäftsmodellen Die folgenden Abschnitte nähern sich vorwiegend dem Plattformbegriff und der historischen Entwicklung des Begriffes. Die Digitalisierung ist allgegenwärtig: Industrie 4.0, Künstliche Intelligenz (KI), Cloud Computing, das Internet der Dinge, Social Networking, universelle Konnektivität und Big Data gehören derzeit zu den meist diskutierten Themen (vgl. Accenture 2016, S. 4 ff.; Deloitte 2015, S. 29). Die Industrie und das Arbeitsumfeld befinden sich dadurch seit einigen Jahren in einem grundlegenden Veränderungsprozess (vgl. Sendler 2016, S. 3 ff.). Die stetig zunehmende Digitalisierung von Gesellschaft und Wirtschaft ist die treibende Kraft dieser Entwicklung (vgl. Cole und Urchs 2013, S. 13 ff.; Mauritz 2015, S. 23 ff.). Die digitale Revolution ist kein neues Phänomen, stellt jedoch eine große Herausforderung für Gesellschaft und Unternehmen dar (vgl. Franken 2016, S. 4). Durch ihren großen Einfluss auf unzählige Bereiche der Wirtschaft und des täglichen Lebens (vgl. Cole und Urchs 2013, S. 13 ff.; Mauritz 2015, S. 23 ff.) verändern digitale Technologien in unterschiedlichen Branchen und Sektoren die Geschäftsstrategien, Geschäftsprozesse, Unternehmensfähigkeiten, Produkte und Dienstleistungen sowie die zwischenbetrieblichen Beziehungen in erweiterten Unternehmensnetzwerken erheblich (vgl. Bharadwaj et al. 2013, S. 471). Der Einfluss der Digitalisierung auf alle Lebensbereiche und die dadurch

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entstehende nachhaltige Veränderung ist nicht mehr zu übersehen. Besonders in der Arbeitswelt zeigt sich dieser Wandel deutlich, denn hier verändern sich u. a. Produktionsbedingungen, ganze Märkte, Kundenbeziehungen und Wertvorstellungen rasant (vgl. Ingenics AG 2018). Das Herzstück der digitalen Transformation sind digitale Technologien, die den Wandel der Geschäftslandschaft auslösen. Mit dem Aufkommen des Internets und der fortwährenden Entwicklung der digitalen Revolution ist eine beträchtliche Anzahl von digitalen Technologien entstanden. Digitale Technologien sind im Grunde externe Vermittler, die die Entwicklung neuer Unternehmen technisch fördern (von Briel et al. 2018) und gleichzeitig bestehende und etablierte Unternehmen oftmals disruptieren und neuordnen (Svahn et al. 2017). Die Digitalisierung verkörpert genau diesen Wandel der Unternehmen, der durch die Einführung digitaler Technologien herbeigeführt wird und sich auf gesamte Geschäftsmodelle von Unternehmen auswirkt (Katz und Koutroumpis 2013). Demnach führt der Einsatz digitaler Technologien nicht mehr nur zu fortschrittlichen Produkten, Prozessen und Dienstleistungen, sondern verändert die Möglichkeiten von Kundenangeboten und stellt Geschäftsmodelle und deren Innovation weitestgehend in den Vordergrund von Innovationsinitiativen (Ardolino et al. 2018). Die in vielen Bereichen zu findenden disruptiven Veränderungen lassen neue digitale Geschäftsmodelle entstehen (vgl. Keuper et al. 2018, S. 189). Eine klare Strategie für den Einsatz und die Nutzung digitaler Technologien und die entstehenden Veränderungen ist dabei ausschlaggebend für den Geschäftserfolg (vgl. Hess et al. 2016, S. 124).

3.1.5.1 Historische Entwicklung Digitalisierung wird in breitem Maße als allgegenwärtigster und relevantester Trend angesehen und damit einhergehend sind Innovationen für eine Vielzahl an Unternehmen wichtig für die Sicherstellung des zukünftigen Erfolgs. Hervorgehoben wird hierbei die Nutzung neuer Technologien und Weiterentwicklung von Geschäftsmodellen. Kurz nach der Jahrtausendwende fand das Thema digitale Plattform erste Aufmerksamkeit in der akademischen Literatur. Hierbei wird insbesondere Rochet und Tiroles (2003) Aufsatz hervorgehoben. Als Plattform kann auch der bereits in den 1990ern gestartete Online Marktplatz eBay oder erste Social Media Plattformen wie MySpace gesehen werden. Wirklich große Aufmerksamkeit erhielt die Thematik jedoch erst durch den phänomenalen Aufstieg der digitalen Giganten Amazon, Facebook und Alphabet. Apple hat durch seine revolutionäre Nutzung eines offenen AppStores BlackBerry als dominanten

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Mobilfunkhersteller verdrängt (Tiwana 2014). Auch von Automobilherstellern oder in der Luftfahrt von Boeing und Airbus werden Plattformen seit geraumer Zeit verwendet, um ihre Zulieferer zu koordinieren. Der Erfolg digitaler Plattformen wie Amazon, Facebook und Alphabet hat dazu geführt, dass dem Geschäftsmodell digitale Plattform in den vergangenen Jahren erhöhte Aufmerksamkeit zu Teil wurde (Evans et al. 2008; Eisenmann et al. 2008; Gawer und Henderson 2007; Srnicek 2017). Hierzu gehören zum einen die Bestrebungen von Unternehmen eigene Plattformen aufzubauen als auch Bemühungen von Forschung und Literatur dieses Phänomen zu untersuchen. Eine Vielzahl dieser unternehmerischen Bestrebungen eine eigene digitale Plattform aufzubauen sind aufgrund verschiedenster Ursachen gescheitert (Evans und Schmalensee 2016; Olleros 2008). Es ist aufgrund der Neuheit sowie Unerforschtheit der Thematik wichtig, zunächst ein Verständnis darüber zu schaffen, was digitale Plattformen sind, wie sie abzugrenzen sind, wozu sie genutzt und gebraucht werden können, sowie ihre Erfolgsdeterminanten zu beachten. In ihrem Aufsatz sprechen Rochet und Tiroles auch über den Plattform wettbewerb zweiseitiger Märkte. Dies ist vereinfacht gesprochen die Zusammenführung zweier Nutzergruppen, wobei beide Kundengruppen einen Mehrwert durch das Interagieren mit der jeweils anderen Gruppe erfahren. Diese Interaktionen werden vielmals über eine Plattform vermittelt. Beispiele hierfür sind Dating Portale oder Kreditkartennutzung. Ein weiteres Beispiel ist wie vorher angesprochen der AppStore, welcher Entwicklern die Möglichkeit gibt ihre Produkte an den Markt zu bringen und Feedback von den Nutzern zu generieren. Gleichzeitig erhalten die Nutzer des AppStores einen Mehrwert durch die Verfügbarkeit der App. Im Kontext von digitalen Plattformen bilden zweiseitige Märkte einen zentralen Bestandteil. Prinzipiell bildet eine Plattform einen Teil eines Geschäftsmodells, bei dem eine Vielzahl verschiedener Gruppen zusammengebracht werden (BDI 2018). Plattformen bieten hierfür die Infrastruktur und agieren als Vermittler zwischen den Gruppen (Srnicek 2017; Schweitzer et al. 2016). In der Literatur kursieren eine Vielzahl an Definitionen über digitale Plattformen sowie eine breite Unterscheidung hinsichtlich verschiedener Typologien von Plattformen. In diesem Beitrag wird sich an der Definition von Parker (2016) orientiert, welche Plattformen als „…ein neues Geschäftsmodell, welches Technologie nutzt um Menschen, Organisationen und Ressourcen in einem interaktiven Ökosystem zu verbinden, wodurch erstaunliche Mengen an Wert kreiert und ausgetauscht werden können“ bezeichnet. Der Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbauer definiert Plattformen als „[…] Intermediäre […], die mit Hilfe von digitaler ­Technologie

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zwei oder mehr Marktteilnehmer über die Plattform verbinden und deren Transaktionen vereinfachen.“ (BDI 2018). Eine digitale Plattform besteht ihrer Bezeichnung nach aus mindestens vier Akteuren. Dem Eigentümer der Plattform, dem Betreiber sowie den Produzenten und Konsumenten, welche durch die Plattform in Kontakt gebracht werden (Van Alstyne 2016; BDI 2018). Tiwana (2014) beschreibt digitale Plattformen als das Bereitstellen einer beliebig erweiterbaren Codebasis eines softwarebasierten Systems, welches durch Apps gemeinsam genutzt werden kann. Je nach Auffassung werden Plattformen unterschiedlich definiert. Eine einheitliche Definition wurde aufgrund der Neuheit der Thematik noch nicht festgelegt. Gemein ist den bisherigen Definitionen jedoch, dass es sich um das Nutzen digitaler Technologien zur Vernetzung mehrerer Nutzergruppen handelt. Ein Schlüsselelement für den Erfolg und das Überleben einer Plattform sind Netzwerkeffekte. (Evans und Gawer 2016) Der Wert einer Plattform steigt mit zunehmender Nutzeranzahl. Bevor sich dieser Effekt jedoch ergibt muss die kritische Masse überwunden werden. Dieses Phänomen ist auch bekannt als das Chicken-Egg Problem (Caillaud und Jullien 2003). Am Beispiel des AppStores von Apple lässt sich dies einfach nachvollziehen. Je mehr Nutzer der AppStore hat, desto attraktiver ist es für Entwickler Applikationen dort zur Verfügung zu stellen. Gleichzeitig gewinnt der AppStore für den Nutzer an Attraktivität, wenn dort viele Apps zur Verfügung stehen (Tiwana 2014). Es entsteht eine Rückkopplungsschleife welche zu monopolistischen Zuständen führt denn, wenn das Chicken-Egg Problem überwunden ist und eine kritische Masse überschritten wurde stellt sich ein zweiter Effekt der Plattform Ökonomie ein. (Van Alstyne 2016) Der Winner-takes-it-all-Effekt. Einer Konzentration auf eine Plattform mit monopolistischen Ausmaßen geschuldet durch den zunehmenden Wert der Plattform dank steigender Nutzerzahlen, welche durch den zusätzlichen Wert angelockt werden. Es setzt ein Sog hin zur größten Plattform ein (Schweitzer et al. 2016). Diesem Effekt wird jedoch kritisch entgegengehalten, dass eine Vielzahl der Plattformen oftmals sehr spezifisch sind und nur Nischenmärkte bedienen (Huotari et al. 2017; Kim et al. 2017; Steur 2018). Plattformen erzeugen auch einen Innovationseffekt, da sie nicht nur ein bisheriges Geschäftsmodell erneuern können oder auch neue kreieren, sondern durch Zusammenbringen verschiedener Akteure zudem Raum für kontinuierliche Weiterentwicklung bieten. Auch dieses Phänomen lässt sich bei Apple’s AppStore beobachten. Eine Plattform, die Entwicklern die Möglichkeit bietet selber neue Applikationen zu entwickeln und diese dem weltweiten Netzwerk der Apple User zur Verfügung zu stellen (Evans und Gawer 2016).

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3.1.5.2 Die Entwicklung einer Plattform Wie jede unternehmerische Handlung muss auch die Entwicklung einer Plattform strategisch geplant sein. Denn auch Plattformen durchlaufen einen Lebenszyklus wie andere Produkte. In der ersten Phase müssen konzeptionelle Fragen wie die Hauptgeschäftstätigkeit der Plattform, die Schaffung von Mehrwert für die Nutzer und die damit verknüpfte Monetisierung beantwortet werden. Hinsichtlich der Preisgestaltung von Plattformen, sind die zwei gängigsten Formen, das transaktionsbasierte Pricing oder ein Abonnement zu nennen. Gängig sind auch kostenlose Testversionen oder Freemium Modelle. Zudem ist es wichtig Nutzer zur Interaktion auf der Plattform zu motivieren, um die zuvor bereits angesprochene kritische Masse zur Erzeugung des Netzwerkseffekts zu erreichen. Das Geschäftsmodell einer digitalen Plattform und die somit anvisierten Nutzergruppen können sowohl B2B, C2C oder B2C konzipiert sein (Täuscher und Laudien 2018). Wurden erste Nutzergruppen gewonnen, so gilt es diese zu analysieren und Schlüsse über deren Zusammensetzung, Verhalten und Mehrwert zu ziehen. Zielgruppen und deren Erreichung werden hinterfragt um den Mehrwert der Plattform und somit auch deren Attraktivität zu steigern. In einer Art Reifephase wurde bereits eine größere Nutzeranzahl gewonnen und deren Bindung an die Plattform ist nun entscheidend. Hierzu wird eine Weiterentwicklung der Kernkompetenzen im Sinne der Nutzer forciert.

3.1.5.3 Plattform Architektur Die Herausforderung der Plattform Architektur ist anpassungsfähig zu sein für Anforderungen, die zu Beginn nicht abzusehen waren. Einzelne Module der Plattform müssen veränderbar sein ohne die Gesamtfunktionalität zu gefährden (Tiwana et al. 2010). Die aufstrebenden Plattformen verändern die Wettbewerbswelt. Wertschöpfung klassischer Produktionsunternehmen funktionierte bis dato Pipeline mäßig durch Schritt für Schritt Prozesse. Ressourcen wurden eingesetzt, um entlang der Wertschöpfungskette ein Endprodukt zu fabrizieren. Hierbei bildeten die Ressourcen, über die man verfügte, den Wettbewerbsvorteil. Aus Plattformsicht hingegen sind die Nutzer der Plattform die wichtigste Ressource und bilden somit den Wettbewerbsvorteil. Durch die Interaktionen der Nutzer wird Wert geschaffen und nicht wie im Pipeline Modell durch eine strikte Optimierung der Wertschöpfungskette. Während dies einen eindimensionalen linearen Prozess darstellt geht es bei den Plattformen um das Ausweiten des kreisförmigen Ökosystems (Van Alstyne 2016). Nach Gawer und Henderson (2007) bilden Plattformen das Rückgrat eines Ökosystems. Die digitale Infrastruktur einer Plattform liegt

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hierbei in einem Ökosystem eingebettet (Eisenmann et al. 2006; Parker et al. 2016). Ökosysteme sind das Zusammenspiel vieler Subjekte in einer geordneten Art und Weise, um hierdurch den Wertschöpfungsprozess positiv zu fördern. Die Teilnehmer im Ökosystem haben eigene, klar definierte Rollen und Aufgaben (Adner 2017). Ökosysteme unterliegen geordneten Prozessen und einer festgelegten Architektur und sind somit eine wichtige Rahmenbedingung für das erfolgreiche Funktionieren von Plattformen. Hieraus lässt sich erkennen, dass das Zusammenwirken von Plattformen und Ökosystemen eng miteinander verflochten ist, dadurch aber auch höhere Effizienz sowie Agilität erreicht werden kann (Rasmussen und Petersen 2017).

3.1.5.4 Marktplätze Marktplätze ermöglichen und unterstützen Transaktionen der Angebots- und Nachfrageseite (Täuscher und Laudien 2018). Der digitale Marktplatz an sich vertritt keine spezielle Teilnehmergruppe, sondern führt diese lediglich zusammen und stellt daher auch keine eigenen Güter her, sondern lediglich die Dienstleistung der Vermittlung zur Verfügung (Täuscher und Laudien 2018). Amazon im klassischen Sinn oder auch eBay bieten Marktplätze an auf welchen Nutzer zum Kauf und Verkauf von Waren zusammenfinden. Social Media Plattformen wie beispielsweise Facebook und LinkedIn ermöglichen es den Menschen privat oder auf beruflicher Ebene mit ihrem Netzwerk zu interagieren, während IoT Plattformen sowohl offen und für jeden zugänglich als auch geschlossen und somit nur für eine bestimmte Gruppe verfügbar sind. Ist man jedoch Mitglied einer Plattform so lässt sich diese unabhängig vom Ort, an dem sich Unternehmen oder Person befinden, nutzen (Schweitzer et al. 2016.

3.1.5.5 IoT Plattformen Mind Sphere ist ein Beispiel für eine deutsche Internet of Things Plattform. Das von Siemens entwickelte cloudbasierte, offene IoT System ermöglicht eine erhöhte Produktivität und Effizienz dank der Daten über Produkte, Anlagen, Systeme und Maschinen. Ziel einer IoT Plattform ist das Vernetzen verschiedener Geräte, um somit für einen Informationsaustausch und systemübergreifende Steuerung und Datennutzung zu sorgen. Plattformen bieten also zum einen die Möglichkeit neue Geschäftsmodelle zu entwickeln, bestehende zu verbessern beziehungsweise deren Wertschöpfung zu erhöhen oder können diese aber auch vollständig ersetzen. Ein weiteres Beispiel für eine Industrial-Internet-of-Things Plattform ist ADAMOS. Aus einer Allianz verschiedener Maschinenbauer entstandenen steht ADAMOS für ADAptive Manufacturing Open Solutions und dient der Bündelung

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von Know-how, um hierdurch herstellerunabhängig den Kundenmehrwert zu erhöhen. Dies soll durch die Nutzung der verschiedenen Module (Device & Data Management, Real Time Analytics, On Premise & Cloud Integration, …) und die damit verbundene Erstellung individueller, digitaler Anwendungen, welche bspw. Auslastung und Verfügbarkeit einzelner Maschinen erhöht, die End-to-End Transparenz erhöht oder Produktivität der Fertigung effizienter gestaltet, erreicht werden. Der digitale Marktplatz eines jeden Partners dieser Allianz wird eigenständig gestaltet und verwaltet und bildet somit die Schnittstelle zum Markt (BDI 2018).

3.1.5.6 Sonstige Plattformtypen Weitere bereits umgesetzte Beispiele für digitale Plattformen sind AirSupply, Coats eComm und Conti Connect. AirSupply unterstützt die Zusammenarbeit von Herstellern und Lieferanten der Luftfahrt entlang der Lieferkette. Über die gemeinsam genutzte Plattform kann der Supply Chain Management Prozess durch vorrauschauende Kapazitätsplanung sowie engere Abstimmungen beispielsweise bezüglich des Lieferstatus oder der genauen Lieferzeit effizienter gestaltet werden (BDI 2018). Coats eComm wurde mit ähnlichem Ziel gegründet und unterstützt die Kommunikation und das Tracking des Warenverkehrs in der weltweit agierenden Textilindustrie. Nicht nur Überwachung und Real-Time Analysen bietet Coats eComm, sondern auch die Möglichkeit eigene Muster über das Tablet zu kreieren und ohne die Notwendigkeit einer formellen E-Mail online zu bestellen und nachzuverfolgen (BDI 2018). Conti Connect ist die digitale Plattform von Continental und dient der Reifenüberwachung des Fuhrparks. Durch kontinuierliche Überwachung des Reifenzustands können Wartungszyklen optimiert werden, Nutzungszeiten verlängert und daher die Flottenperformance insgesamt verbessert werden (BDI 2018). John Deere, einer der größten Landwirtschaftsmaschinenbauer, baute eine Plattform auf, auf welcher Bauern, Saatguthersteller und Maschinenhersteller zusammenfinden und kollaborieren können, beispielsweise zur Ernteerwartungen oder Produktverbesserungen (Srnicek 2017). Diese Beispiele aus der Luftfahrt, Textil-, Landwirtschafts- und Automobilzuliefererindustrie zeigen die vielseitigen und branchenunabhängigen Nutzungsmöglichkeiten digitaler Plattformen. Zu den bekanntesten digitalen Plattformen gehören Uber und AirBnB, die es schafften durch die Nutzung dieses neuen Geschäftsmodells zu Unicorn – Startups, also mit über einer Milliarde Euro bewertete Startups, zu werden. Ihre Nutzung ist heute für viele Endkunden alltäglich und hat die jeweilige Branche

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revolutioniert. Umfragen zufolge geben 77 % der befragten Unternehmen an, dass industrielle Internetplattformen in den nächsten 10 Jahren eine (sehr) große Bedeutung für ihr Unternehmen und ihre Branche erlangen werden (BDI 2018). Volkswagen hat, um einen Überblick über die Vielzahl an Lieferanten und Teile zu behalten, eine SCM-Kommunikationsplattform entwickelt auf welcher Transparenz über Transporte und Daten durch Vereinheitlichung geschaffen wird.

3.1.5.7 Plattform Governance Innerhalb der Plattform regulieren Governance Mechanismen die Nutzung und Interaktionen, um schädliches Verhalten zu vermeiden (vgl. Schreieck et al. 2018). Durch Governance soll das Einhalten geltender Gesetze und Normen gewährleistet werden, gute Governance geht jedoch noch darüber hinaus. Nach Tiwana et al. (2010) Auffassung geht es Plattform Governance vor allem um Kontrolle. Der Plattform Besitzer muss sowohl eigene Kontrolle haben, um die Integrität der Plattform aufrecht zu erhalten und andererseits genügend Freiräume lassen, um Innovation und Weiterentwicklung der Plattform zuzulassen. In ihrem Aufsatz führen Tiwana et al. (2010) weiterhin aus, dass sich die Governance in drei Unterkategorien aufteilen lässt. Die Frage, wer die Entscheidungsrechte über die Plattform hält, Kontrollmechanismen, um Verhalten auf der Plattform zu steuern (Input-, Output- oder Process control) und die Frage nach dem Eigentum der Plattform, ob dieses bei einem Unternehmen allein liegt oder es sich um geteilte Eigentumsrechte handelt (Tiwana et al. 2010). Folgende weitere Themen werden im Kontext von Plattform Governance aufgeführt: Die Offenheit der Plattform, also ob jeder oder nur bestimmte Nutzer Zugriff auf die Plattform haben; ob diese sich einfach anmelden können oder einen Verifizierungsprozess durchlaufen; wie die Inhalte der Plattform kontrolliert werden; wie Vertrauen zwischen den Parteien geschaffen werden kann; wie, falls gegeben, die Preisfestsetzung und Bezahlung durch die Nutzer erfolgt. In der Praxis werden je nach Plattformtyp verschiedene Mechanismen genutzt, um die Thematik zu adressieren. Teilweise müssen detaillierte persönliche Verifizierungen durchgeführt werden, um Zugriff auf die Plattform zu erhalten, teilweise werden die Inhalte einzeln geprüft oder aber auch nur anhand von Spielregeln Rahmenbedingungen festgelegt, welche von den Nutzern gegenseitig überprüft werden, in einer Vielzahl von Fällen werden gegenseitige Ratingsysteme verwendet um Vertrauen zu schaffen (Uber, AirBnB, Ebay). Kontrolle wird Nutzern angeboten indem sie individuelle Profil Einstellungen vornehmen können (Evans 2012, vgl. Schreieck et al. 2018).

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3.1.6 Mittelstand Der deutsche Mittelstand nimmt stetig an Bedeutung zu, da er als ein Motor für das Wirtschaftswachstum und Beschäftigung gilt (Vgl. Lee et al. 2012, S. 832). Gleichzeitig erwirtschaften mittelständische Unternehmen einen Großteil der Wertschöpfung der deutschen Volkswirtschaft (Vgl. Hausch 2004, S. 5). Dies führt letztlich dazu, dass gerade in der Öffentlichkeit (Vgl. Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie 2007) und Wissenschaft (Vgl. Becker und Ulrich 2011, S. 2 ff.) derartige Unternehmen einen aktuell diskutierten Gegenstand darstellen. Kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) unterscheiden sich dabei insbesondere von großen Unternehmen (GU), da diese größere finanzielle Engpässe aufweisen, meist unzureichend oder zu wenig ausgebildetes Personal besitzen. Dadurch haben KMU, relativ betrachtet, tendenziell eher geringere Ressourcen als GU, obwohl sie die gleichen Wettbewerbsherausforderungen aufweisen (Vgl. Bidan et al. 2012, 287 f; Pullen et al. 2009, 209 f.). Aus Sicht der Wissenschaft ist der Mittelstand obgleich der praktischen Themenrelevanz bislang nur rudimentär untersucht worden (Vgl. Becker et al. 2008, S. 4). Insbesondere durch eine Vielfalt ähnlicher oder synonym verwendeter Begrifflichkeiten (KMU, Mittelstand, Familienunternehmen, etc.) wird deutlich, dass eine klare Begriffsabgrenzung weitestgehend uneinheitlich ist (Vgl. Damken 2007, S. 57 ff.). In Deutschland haben sich derweil drei wesentliche Definitionsansätze, durch die eine Kategorisierung des Mittestandes erfolgen kann, herauskristallisiert. Einerseits ist dies die Auffassung des Mittelstandsbegriffs nach der EU-Kommission (Vgl. Europäische Kommission 1996, 2003), der eine rein quantitative Einteilung vorsieht. Die zweite Definition des Mittelstandsbegriffs nach dem Institut für Mittelstandsforschung (IfM) Bonn berücksichtigt neben quantitativen auch qualitative Aspekte (Vgl. Günterberg und Kayser 2004, S. 11). Neben diesen Auffassungen hat sich die Definition des Europäischen Forschungsfeldes für Angewandte Mittelstandsforschung (EFAM) (ehemaliges Europäisches Kompetenzzentrum für Angewandte Mittelstandsforschung (EKAM)) herausgebildet, die dieser Untersuchung zugrunde liegt. Diese Definition berücksichtigt neben quantitativen auch qualitative Merkmale: • alle eigentümergeführten Unternehmen und Familienunternehmen; • managementgeführte Unternehmen bis zu einer Mitarbeiterzahl von ca. 3.000 Mitarbeitern und/oder bis zu einer Umsatzgröße von ca. 600 Mio. EUR und • Unternehmen, die beide Definitionsmerkmale aufweisen.

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Die kombinierte, qualitativ-quantitative Sichtweise kann dabei als Abbild des Selbstverständnisses sowie der betrieblichen Realität des Mittelstands dienen. Eine Eingrenzung des Mittelstandsbegriffs auf rein quantitative und/oder qualitative Definitionen erweist sich dabei als unzureichend (Vgl. Wallau und Meyer 2005, S. 1 ff.). Aus diesem Grund wird die Ansicht um die Aspekte Besitz und Leitung erweitert und als Grundlage der Typologie für den Mittelstand verwendet. Nach der Definition des EFAM lassen sich entsprechend fünf charakteristische Unternehmenstypen innerhalb des Mittelstands unterscheiden (Die detaillierte Beschreibung der einzelnen Unternehmenstypen kann bei Becker und Ulrich 2011, S. 30 f. nachvollzogen werden). Diese Typologie ist demnach eine Erweiterung der quantitativen und qualitativen Mittelstandskriterien. Im Rahmen der vorliegenden Untersuchung sollen vor allem die drei Betriebstypen Eigentümer-Unternehmen, Familienunternehmen und Fremdgeführter Mittelstand, also der gesamte Mittelstand mit Familientradition, thematisiert werden. Diese werden dann den atypischen Unternehmensformen, also mischfinanzierten Unternehmen und Publikumsgesellschaften, gegenübergestellt. Der Großteil der Unternehmen des Mittelstandes kann als Eigentümer-­ Unternehmen klassifiziert werden, wobei diese hinsichtlich ihrer Leitungs- und Besitzstruktur besondere Merkmale besitzen, denn sowohl Besitz als auch Leitung können eindeutig einer Einzelperson zugeordnet werden. Im Kontext dieses Unternehmenstyps sind vor allem die Auswirkungen der im Unternehmen vorliegenden Besitz- und Leitungsstruktur auf die Ausprägung des Geschäftsmodells von Interesse. Es besteht die Vermutung, dass persönliche Eigenschaften und Neigungen des Eigentümers das Unternehmen in besonderem Maße prägen. Im Gegenzug dazu weisen Familienunternehmen in Bezug auf die Leitungsund Besitzstruktur einen unmittelbaren Einfluss der besitzenden Familie auf. Der oberste Entscheider (beispielsweise als CEO) ist stets ein Familienmitglied, selbst dann, wenn ein Fremdmanagement in der Geschäftsleitung etabliert ist. Der fremdgeführte Mittelstand hingegen lässt sich dadurch charakterisieren, dass das Unternehmen im Besitz einer Einzelperson oder einer Familie (mindestens zwei Personen) steht, wobei die Unternehmensleitung komplett von einem externen Management erfolgt. Vor dem Hintergrund einer zunehmenden Entfernung der Familie vom operativen Geschäft werden nur Unternehmen bis ca. 3000 Mitarbeiter oder 600 Mio. EUR Jahresumsatz zu dieser Gruppe gezählt. Größere Unternehmen, welche ähnliche Besitz- und Leitungsstrukturen aufweisen, können aufgrund ihrer qualitativen Eigenschaften eher mit Publikumsgesellschaften verglichen werden.

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3 Grundlagen

3.2 Analyse von Beraterstudien Deloitte – Ecosystems – Kooperation als Zukunftsmodell für die Digital Economy (ohne Jahr) Rahmen der Studie Ein Bericht von Deloitte berichtet darüber, wie vor allem große Unternehmen durch Kooperationen und das Partizipieren in einem Ökosystem wachsen und zukunftsfähig bleiben. Dabei liegt der Schwerpunkt stark an der Innovationskomponente und wie Ökosysteme ein möglicher Innovationstreiber sein können. Denn gerade Großunternehmen haben meist mit anderen Problemen zu kämpfen, verglichen mit ihren kleinen und mittelständischen Mitstreitern. Nichtsdestotrotz tun sich auch große, etablierte Unternehmen oftmals schwer dem Trend ausreichend zu folgen und der agilen Arbeitsweise ausreichend nachzugehen. Kooperationen z. B. mit innovativen, neuen Start-Up Unternehmen könnten Abhilfe schaffen. Deren wesentliche Meilensteine und wichtige Treiber dieser Entwicklung werden in dem Artikel vorgestellt, Ergebnisse der Studie Eine nachhaltige Vorgehensweise in einer zunehmend vernetzten und digitalen Welt ist die Akzeptanz der traditionellen, bewährten Perspektive, die das Ziel der Existenzsicherung verfolgt, gekoppelt mit einem Heranwagen an neue, innovative Wege. Wichtig ist dabei, die Offenheit des Ökosystems für neue Strukturen, neue Akteure und neue Zusammensetzungen zu wagen, dass nur so der notwendige Innovationspegel zur Wertschöpfung erreicht werden kann. Adaptive Denkweisen die einen zentralen Kern des Ökosystems in ihrer Flexibilität unterstützen sind dabei wichtige Aspekte. Zudem bleibt es ebenfalls wesentlich, neuartigen Trends, die mit dem neuen Trend der Ökosysteme aufkommen, offen zu begegnen und zu folgen. Darunter sind neben neuen Methoden, zu denen z. B. Design Thinking, SCRUM und agiles Projektmanagement gehören auch die Debatten um New Work, d. h. neue Arbeitswelten die neben neuen Arbeitsweisen wie z.B: Crowdworking etc. auch neue Arbeitsplatzkonzepte liefern. Diese neue Art der Zusammenarbeit fördert das Wissen innerhalb des Ökosystems und leistet somit einen wesentlichen Beitrag zur Wertschöpfung im Rahmen des Ökosystems. Der Beitrag spricht ebenfalls die Wichtigkeit von Plattformen als mögliches Fundament für Ökosysteme an und deutet auf die vielen Möglichkeiten zur Vernetzung hin, die eine Plattform den Kunden bietet.

3.2  Analyse von Beraterstudien

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Fazit Ökosysteme sind mehr als nur eine Metapher, unter der teilweise ganz unterschiedliche Dinge und Strukturen verstanden werden. Jedes Unternehmen sollte anhand der eigenen Wertschöpfungskette versuchen, diese möglich effizient und nachhaltig für externe Akteure zu öffnen, um so den Weg hin zu einer Ökosystemstruktur zu vereinfachen. Großunternehmen sollten dabei vorwiegend auch den Bezug zu Start-Ups suchen, da eine Zusammenführung dieser doch recht unterschiedlichen Betriebstypen zwar eine große Herausforderung, aber nachhaltig auch eine große Chance bieten kann. Wichtig ist an dieser Stelle, dass es vor der Zusammenschließung zu einem Ökosystem eine klare Zielsetzung geben muss, welche Ziele und Maßnahmen gemeinsam erreicht werden sollen. Demnach ist auch eine Messung des Erfolgs, z. B. über richtige Messinstrumente erforderlich, was wiederum schlussendlich die Dokumentation und Nachvollziehbarkeit deutlich erhöhen kann. Accenture – Digital ecosystems – Six steps to building a digital ecosystem for innovation and growth (2016) Rahmen der Studie Die Studie unterstreicht zunächst die Wichtigkeit offener Zusammenarbeit in Form eines digitalen Ökosystems und hebt dabei die Relevanz digitaler Technologien hervor. Ökosysteme werden dabei als Partnernetzwerke aufgefasst, deren Herzstück eine Plattform ist und die eine einfache Zusammenarbeit zur gemeinsamen Zielerreichung ermöglichen soll. Dennoch bleibt die Hürde, dass viele Unternehmen aufgrund von kulturellen Hemmnissen oder auch komplexen Geschäftsmodalitäten nur zaghaft an Ökosystemen teilnehmen und sich dadurch gegen eine Ökosystemstruktur sperren. Der Beitrag arbeitet sechs Schritte heraus, wie man diese Herausforderungen überwindet und sich ggü. Innovationen und digitalen Plattformen öffnet. Accenture Strategy hat hierbei 1252 Führungskräfte aus verschiedenen Branchen weltweit befragt, um besser zu verstehen, inwieweit Unternehmen die Möglichkeiten des Ökosystems nutzen und wie dieses dann ausgestaltet ist. Ergebnisse der Studie Die Studie beschreibt zunächst wichtige Aspekte moderner Business-­ Ökosysteme, zu denen neben einer gemeinschaftlichen Gestaltung, Innovationsfähigkeit und komplexen Wechselbeziehungen auch eine dynamische Rollenverteilung sowie eine möglichst anpassungsfähige Umwelt gehören. Aus

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einer technischen Perspektive betrachtet, ist die Definition und Kommunikation einer Technologievision ratsam, die ein zukünftiges Bild des Unternehmens malt und die die wesentlichen Technologien, die innerhalb des Unternehmens Relevanz finden sollen, zusammenfasst. Dies verdeutlicht erneut die starke Verflechtung der beiden Themen Digitalisierung bzw. neue, digitale Technologien und Ökosysteme und deren Wechselwirkung. Dabei macht die Studie deutlich, dass Ökosysteme von Unternehmen als relevanten Hebel gesehen werden, um agiler zu werden, zeitgleich Wachstum zu erzielen und nachhaltig wettbewerbsfähig zu bleiben. Einige quantitative Ergebnisse liefern Erkenntnisse darüber, dass deutsche Unternehmen die Vorteile des Ökosystems bereits erkannt haben und teilweise auch schon in Ökosystemen aktiv sind, jedoch werden die anfangs in der Vision festgelegten Wachstumsraten oftmals nicht realisiert. Dies macht wiederum deutlich, dass Ökosysteme ein deutlicher Treiber für Wertschöpfung sein können und diese auch erhebliche Wachstums- und Innovationschancen bieten. Führungskräfte in Unternehmen sollten dabei auf neue Fähigkeiten setzen, um den Mitarbeitern möglichst geeignete Werkzeuge an die Hand zu geben, die sie für eine nachhaltige Ökosystementwicklung benutzen können. Grundlegend werden Ökosysteme als Innovationsart verstanden, die zusammengefasst durch sechs Maßnahmen und Aktionen erfolgreich sein können. Dazu zählen die Fokussierung auf einen klaren Fokus innerhalb des Ökosystems, das Einbeziehen der Kunden in die Struktur, die Etablierung einer offenen Innovationskultur, den Schutz des geistigen Eigentums, eine stetige Anpassung des Geschäftsmodells und der angebundenen Prozesse sowie die Öffnung hin zu einer Kollaborationsplattform. Fazit Digitale Infrastrukturen eröffnen neue Möglichkeiten für die Kundenansprache, die Zusammenarbeit mit Lieferanten und neues Wachstum. Plattformen verwandeln Branchen in vernetzte Ökosysteme und definieren damit die Wettbewerbsfähigkeit neu. Zuvor „unabhängige“ Anbieter von Produkten und Dienstleistungen werden damit zum Bestandteil eines großen, wettbewerbsfähigen Ökosystems und einem Gefüge, welches gemeinsam die Wertschöpfung erhöht. Daraus ergibt sich eine ganz neue Unternehmensrealität. Ehemalige Konkurrenten können dadurch im engen Austausch mit Partnern stehen. Dieser offene Einbezug von Wettbewerbern wird momentan zwar oftmals mit Vorsicht betrachtet, birgt jedoch ebenfalls große Chancen für eine nachhaltige Entwicklung.

3.2  Analyse von Beraterstudien

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Roland Berger – Fair Play in der digitalen Welt – Wie Europa für Plattformen den richtigen Rahmen setzt (2016) Rahmen der Studie Die Studie von Roland Berger in Zusammenarbeit mit der Internet Economy Foundation analysiert, wie digitale Plattformen funktionieren, reflektiert ihr Potential im Wettbewerb und berät in nationalen und europäischen politikrelevanten Fragestellungen. Dabei gilt es die Wachstumstreiber im Rahmen von Plattformentwicklungen zu identifizieren und zu erweitern, um den Plattformtrend in den Unternehmen ausreichend zu adressieren. Ergebnisse der Studie Die Studie zeigt, dass eine Internetökonomie benötigt wird, die ohne Plattformen als Haupttreiber kaum noch funktioniert und gekennzeichnet ist durch eine hohe Innovationsstärke, einen hohen Grad an Wertschöpfung, einen fairen Wettbewerb, dem vertrauensvollen Umgang mit Daten und Informationen und Verantwortung im Handeln und Tun von Unternehmen. Sobald jedoch das Thema Plattformökonomie in den Vordergrund tritt, bleibt es nicht aus, dass ein Vergleich zwischen Europa und den USA oder Asien gezogen wird, bei dem Europa, als Wirtschaftsstandort und Innovationsknoten, nicht gut genug abschneidet. Dies rührt einerseits aus den verschärften Regularien in Deutschland bzw. Europa verglichen mit den USA, andererseits resultiert diese ungerechte Verteilung auch daraus, dass es in Deutschland aufgrund der momentan noch zaghaften S ­ tart-up Kultur teilweise schwieriger ist, als dies in anderen Regionen wie z. B. dem Silicon Valley und anderen Standorten zu finden ist. Daraus resultierend verfasst der Beitrag einen Zukunftsplan mit zehn dedizierten Maßnahmen, die einen Ökosystemgedanken in Europa fördern sollen, um Plattformen auch in Europa eine vergleichsweise realistische Chance zu geben. Zu diesen zehn Punkten zählen der Aufbau eines digitalen Binnenmarktes, eine Anpassung der Regulatorik, Abbau von Hürden im Bereich des Kartellrechts, Evaluierung neuer Standards im Kooperations-/ Fusionsbereich, Aufbrechen strenger vertikaler Wertschöpfungsketten, Förderung der Neutralität von Plattformen, Aufbau einer gemeinschaftlichen europäischen Kultur und Digital-Know-Hows, Möglichkeiten zum Aufbau von Kooperationen ohne Limitationen und Grenzen sowie die verbesserte Förderung der Innovationskultur und Start-up-Szene.

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Fazit Digitale Plattformen werden in Zukunft ein wichtiger Bestandteil der Wirtschaft in Europa sein. Damit Europa diese auch selber an den Markt bringen kann, bedarf es aber noch Verbesserungen der rechtlichen Rahmenbedingungen, attraktivere Finanzierungsmöglichkeiten und einen Ausbau der technischen als auch sozialen Möglichkeiten. In Kombination mit einem verstärkten Gründergeiste kann dann auch Europa ein erfolgreicher Standort für Plattformen werden. Ernst & Young – Die wirtschaftliche, steuerliche und regulatorische Attraktivität von Start-up Ökosystemen (2017) Rahmen der Studie Die vorliegende Studie untersucht die bedeutendsten Unterschiede zwischen den einzelnen Startup-Ökosystemen und leitet daraus entsprechende Verbesserungsmaßnahmen für deutsche Startup-Ökosysteme ab. Die Studie analysiert die wirtschaftlichen, steuerlichen und regulatorischen Rahmenbedingungen für Deutschland, Israel, das Vereinigte Königreich und Kalifornien (USA) und erstellt daraufhin ein Benchmarking sowie Handlungsempfehlungen. Es erfolgt eine Klassifizierung der Start-Up Ökosysteme in weniger förderlich, förderlich und sehr förderlich Ergebnisse der Studie Im Vergleich zu den anderen drei beobachteten Startup-Zentren schneidet Deutschland trotz erheblichen Fortschritten in einzelnen Bereichen eines Startup-Ökosystems bisher noch sehr enttäuschend ab. Auch wenn Deutsch­ land ein signifikantes Potenzial für Wachstum unterstellt wird, bedarf es laut der Studie vier Änderungen, um im Vergleich zu den anderen Standorten konkurrenzfähig zu werden. Als erheblich wichtig werden verbesserte Finanzierungsmöglichkeiten für Startups beurteilt. Für große Tech-Unternehmen müssen deshalb mehr Anreize für Investitionen geschaffen werden. Ebenfalls sind auch Wagniskapitalgeber und Business Angels spezialisierte Fonds denkbar, wie es sie bereits im Vereinigten Königreich gibt. Außerdem benötigt der Startup-Standort Deutschland ein für Investoren attraktiveres Steuersystem. Eine vergleichsweise hohe Besteuerung und limitierte Möglichkeiten bezüglich einer steuerlichen Verlustverrechnung bei gescheiterten Investitionen, verschlechtern die Attraktivität für Investoren hierzulande. Um steuerlich gesehen attraktiver aufgestellt zu sein, sollte die Politik eine Steuerreform der Sonderregelungen zur Nutzungsmöglichkeit von Forschungs- und Entwicklungskosten oder eine Änderung bezüglich der Verlustvorträge ermöglichen.

3.2  Analyse von Beraterstudien

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Des Weiteren nennt die Studie eine Anpassung der Kapitalanforderungen in Deutschland, da sich diese negativ auf das Startup-Ökosystem auswirken. Generell ist der Gründungsprozess hierzulande aufgrund vieler komplizierter, regulatorischer Anforderungen zu langsam und auch Vorabkosten stellen für die Zulassung in einzelnen Branchen eine unangenehm große Barriere dar. Die Studie empfiehlt daher eine sogenannte „One-Stop-Shop-Lösung“. Letztlich bedarf es in Deutschland eines stärkeren Gründungsgeistes. Im Gegensatz zu Kalifornien oder Israel, wo das Prinzip „fail fast“ als Erfolgsrezept dient, wird hier Scheitern nicht akzeptiert, sondern verurteilt. Um dem entgegen zu steuern, muss die Begeisterung für das Gründen bereits in jungem Alter durch innovative Bildungsprogramme kreiert werden. Fazit Das Ökosystem rund um Startups muss in Deutschland anhand von Verbesserungen der wirtschaftlichen, steuerlichen und regulatorischen Rahmenbedingungen attraktiver gemacht werden. Der Ökosystemgedanke kann durchaus dabei helfen, die bisherigen Nachteile für deutsche Unternehmen ggf. durch Kooperationen zwischen Start-Ups und andere Betriebstypen wie z. B. Großunternehmen oder auch Fonds zu kompensieren. Durch eine entsprechende Erhöhung der Attraktivität und vereinfachten Bedingungen für die Zusammenarbeit, können Gründer als auch Investoren neue Wege zum Erfolg finden und so den oftmals propagierten „weiten Abstand“ in Sachen Innovationskultur und Digitalisierungs-Spirit (wie z. B. verglichen mit dem Silicon Valley in den USA) deutlich schmälern. Dies könnte ein wesentlicher Treiber für eine prosperierende Entwicklung in diesem Markt sein. McKinsey – Management’s next frontier: Making the most of the ecosystem economy (2017) Rahmen der Studie Der Artikel des Beratungsunternehmens McKinsey beschreibt, dass der Aufbau und die Umsetzung digitaler Ökosysteme völlig neue Fähigkeiten und Kenntnisse voraussetzen. Am Ende „gewinnt“ dasjenige Unternehmen, welches sich frühzeitig mit dieser Entwicklung auseinandersetzt und am schnellsten an die neuen Spielregeln anpasst. Ergebnisse der Studie Zunächst erläutert die Studie einige Eigenheiten von Ökosystemen. Neben oftmals unerwarteten Partnerschaften, die stark auf den Markt wirken können, zählen zu den Eigenheiten auch die oftmals stark verschwimmenden

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­ nternehmens- und/oder Industriegrenzen und der stark disruptive Charakter, U den Ökosystem ebenfalls aufweisen können. Weiterhin beschreibt der Artikel die Vielzahl an Möglichkeiten, wie Ökosysteme ausgestaltet sein können. Dies reicht von einem losen Zusammenschluss von mehreren Firmen bis hin zu komplexen Systemen mit vertraglicher Bindung und einem hohen Erhaltungsaufwand. Zu bedenken gilt, dass Ökosysteme nicht nur aus einem Zusammenschluss von Partnern bestehen, sondern diese Struktur stark durch die Branche getrieben wird, sowie von anderen Faktoren wie den Technologien, die in den Unternehmen verwendet werden oder auch den kulturellen Komponenten. Um von neuen Geschäftstechnologien in vollem Umfang profitieren zu können, müssen nicht nur traditionelle IT-Funktionen an die Chancen und Herausforderungen neuer Technologie-Ökosysteme angepasst werden. Zu der richtigen Partnerauswahl zählt jedoch nicht nur die Wahl des richtigen Technologiepartners, sondern viele andere Aspekte spielen für diese essentielle Entscheidung ebenfalls eine wesentliche Rolle. Dabei wird für die Partnerauswahl ein vierstufiges Vorgehen propagiert, welches die Stufen „Partnerevaluation (Analyse der Branche und der Wettbewerbslandschaft), Geschäftsmodellanalyse, Betrachtung des Humankapitals und Kulturaspekte zählen. Jedoch muss von allen Seiten eine gewisse Bereitschaft zur Wertschöpfung innerhalb des Ökosystems gegeben sein, da sonst die Gefahr besteht, dass ein Ungleichgewicht innerhalb der Struktur entsteht. Dabei wird empfohlen eine dedizierte Person abzustellen, um den Prozess der Anbahnung und Ökosystem-Aufsetzung von Beginn an professionell zu begleiten und zu unterstützen. Doch auch die weitere Entwicklung sollte langfristig geplant und ausreichend überwacht werden. Das bedeutet, neben einem ausführlichen Ökosystem-Beziehungsmanagement auch ein Performance Management System, welches durch festgesetzte Erfolgsfaktoren gemessen werden kann. Fazit Letztlich gibt die Studie zu bedenken, dass es neue Fähigkeiten und Kenntnisse braucht, um ein Ökosystem nachhaltig aufzubauen und erfolgreich umzusetzen. Zu den Erfolgsfaktoren, die in dieser Entwicklung entscheidend sind, zählen u. a. die Investition in Programme, die die Skalierung von Ökosystemen technisch unterstützen können und der Aufbau einer kooperativen und einheitlichen Ökosystemkultur. Der Plattformraum des Internet der Dinge ist wichtig, aber auch überfüllt und verwirrend.

3.2  Analyse von Beraterstudien

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PriceWaterhouseCoopers (PWC) – Platform Banking & Digital Ecosystems – Cooperation with third-party providers as an important factor for providing a wide range of services and products (2019) Rahmen der Studie Fokus dieser Studie war der Finanzmarkt bzw. die Beziehung zwischen Banken und Drittanbietern in der Zeit von 2012 bis 2018. Darauf basiert die Datenlage der Studie. Das Ziel der Studie ist es, den Fokus auf die zunehmende Bedeutung von Ökosystembildungen im Bankensektor zu legen, deren strategische Agenda zu verstehen und wie man auch nachhaltig, eine P ­ artnerschafts-/Kooperationsbzw. Ökosystemstruktur erfolgreich umsetzen kann. Da der Fokus dieses Buches jedoch der Ökosystemcharakter ist, wird der Fokus dieser Zusammenfassung auch auf die Aspekte im Rahmen dieser Fragestellung gelenkt. Ergebnisse der Studie Die Ergebnisse der Studie zeigen auf, dass der Hauptbeweggrund von Banken für die Teilnahme an einem Ökosystem die Verbesserung ihres Produktportfolios ist, sowohl hinsichtlich Privat- als auch Geschäftskunden. Dies ist vor allem im Hinblick darauf interessant, dass hierbei augenscheinlich eher die Produkt- bzw. Serviceschiene im Fokus steht. Glaubt man den aktuellen Trends, Praxisstimmen sowie Forschungsthemen, so zeichnet sich gerade im Finanzsektor ab, dass die Umstrukturierung des Geschäftsmodells als ein wesentlicher Trend angesehen werden kann. Primär im Hinblick auf das Onlinegeschäft, hat gerade der Bankensektor in den letzten Jahren einen starken Druck verspürt das traditionelle Geschäftsmodell zu überdenken und in Zeiten von Onlinebanking ggf. neue Maßnahmen zu ergreifen. Dies spricht auch der Beitrag an, indem er dem traditionellen Geschäft eine hohe Sättigung unterstellt. Neue Partnerschaften folgen demnach dem Motto „Beyond Banking“ und konzentrieren sich vielmehr auf die Transformation hin zum Lösungsanbieter, deren Dienstleistungsportfoliound Niveau deutlich über das des traditionellen Bankengeschäfts hinausgeht. Dabei geht hervor, dass Ökosysteme sich vermehrt mit unterschiedlichen Partnermodellen auseinandersetzen und der Fokus auf einer Integration von Finanztechnologien in das Ökosystem basiert. Ebenso spielt der Plattform-Gedanke im Bankensektor eine wesentliche Rolle und unterstreicht nochmal die Relevanz der Interdependent zwischen Plattformen und Ökosystemen.

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Fazit Obwohl dieser Beitrag sehr stark an die Finanzbranche gekoppelt ist, wird deutlich wie viele Parallelen auch für andere Branchen gezogen werden können. Demnach bleibt zu attestieren, dass der Ökosystemgedanke und die verstärkte Netzwerkdenke in Deutschland bereits angekommen ist und auch umgesetzt wird, jedoch kann nicht von einer Vorreiterrolle per se gesprochen werden. Vielmehr geht hervor, dass gewisse Lektionen für die Branche abgeleitet werden können: Kooperationen sind das eine, jedoch ist der Aufbau, die Pflege und die Wertschöpfung durch ein Ökosystemnetz nochmal eine andere Herausforderung, vor der aber nicht zurückgeschreckt werden sollte. Bedeutsam ist, dass sowohl wirtschaftliche als auch technologische Trends in der Auswahl des geeigneten Modells und der vollumfänglichen Umsetzung der Ökosystemstruktur eine wesentliche Rolle spielen. Boston Consulting Group – The Emerging Art of Ecosystem Management (2019) Rahmen der Studie Dieser Bericht analysiert die Entwicklung von Ökosystem in der Vergangenheit und widmet sich zeitgleich der zukünftigen Sichtweise. Die Kernfrage dabei ist, wie man komplexe Ökosysteme auch in Zukunft erfolgreich managen kann, um daraus Mehrwert für die Stakeholder zu generieren. Im Hinblick auf die immer lauter werdende „Smarte“ Bewegung, in der Dinge mithilfe von digitalen Technologien digitaler und intelligenter werden, muss auch die Frage nach dem richtigen Management der im Ökosystem befindlichen Akteure als auch Technologien und Produkte gestellt werden. Der Unterschied in der Wertschöpfung zwischen Gewinnern und Nachzüglern zeigt, dass Führung und Strategie mehr denn je zählen. Ergebnisse der Studie Zunächst beschreibt die Studie, dass die Bedeutung zum Agieren in Ökosystem vor allem dahin gehend wichtiger geworden ist, dass alle Unternehmen in irgendeiner Form nach neuen Technologien suchen, was demnach den Bedarf zur Zusammenarbeit deutlich vorantreibt. Die Basis dieses Fortschritts ist oftmals auf Software Plattformen, die das Fundament für alle darauf abgebildeten Entwicklungen darstellen. Damit steigert der fortschreitende technologische Wandel, die stetig steigenden, individuellen Kundenbedarfe sowie der zunehmende Bedarf an Anpassungen und Adjustoren den Bedarf für Ökosystemgefüge. Dabei wird herausgestellt, dass die Art der Kommunikation und Information heute

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deutlich anders erfolgt, als dies bisher und in früheren Zeiten der Fall war. Die größte Herausforderung wie auch wichtigste Aufgabe ist die Etablierung einer strategischen Vorgehensweise, um den Wertbeitrag maximal zu erhöhen. Die Studie hat vier konkrete Aspekte herausgefunden, die aufzeigen, wie sich die Kollaboration von heute verändert. Darunter zählt die geografische Streuung der Akteure, der interdisziplinäre Industriefokus, viel mehr Flexibilität in den Strukturen sowie kontinuierliche Wertschöpfung, die im Fokus steht. Der Beitrag stellt letztlich drei unterschiedliche Typen von Ökosystemen vor. Unter einem „Digitizer“ Ökosystem wird die Digitalisierung eines bestehenden Produktes/ Services verstanden mithilfe des Netzwerkes. Der Typ „Plattform“ widmet sich der Fragestellung, wie man Smart Systems mit den Usern einer Plattform verbinden kann, um zusätzlich auch ein hohes Maß an Service und Zufriedenheit zu gewährleisten. Die dritte Form an Ökosystem, die „Super Plattform“ befasst sich damit, wie man mehrere Plattformen in ein großes Lösungsmodell integrieren kann, um daraus Daten-zentrierte Geschäftsmodelle aufzubauen. Es bleibt je nach Kenntnissen und Fähigkeiten als auch je nach Fokus zu unterscheiden, welche Art von Ökosystem die geeignetste Variante für das jeweilige Unternehmen ist. Fazit Der Beitrag nähert sich grundlegend der Fragestellung wie sich die Ökosystemstrukturen als auch das dahinterliegende Management in den letzten Jahren verändert hat. Wichtig ist es, dabei einige wesentliche Faktoren für die Wahl der richtigen Ökosystemarchitektur zu beachten. Darunter zählen z. B. die Offenheit des Ökosystems und die Art sowie Anzahl der Akteure innerhalb des Ökosystems. Des Weiteren sollte die Rolle, die Aufgaben sowie die Verantwortung des Orchestrators im Vorfeld genau festgelegt werden. Letztlich ist vermutlich jedes Ökosystem nicht erfolgreich, wenn man die Wertschöpfung nicht in den Mittelpunkt des Ökosystems setzt und eine klare Fokussierung und Zielsetzung, um diesen Begriff und die Zielverfolgung legt.

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Quantitative Erhebung

4.1 Forschungsdesign Das Forschungsdesign wird grundsätzlich aus der/den Zielsetzung(en) bzw. dem Forschungsprojekt abgeleitet. Hierfür soll im Folgenden zunächst das Feld möglicher Forschungsdesigns aufgezeigt werden. Darauf aufbauend erfolgt vor dem Hintergrund der Ziele des Forschungsprojektes die Auswahl eines geeigneten Forschungsdesigns. Ebenfalls zu diskutieren sind die daraus resultierenden Konsequenzen für die gewählte Organisation der qualitativen Studie. Jegliche empirische Forschungsarbeit folgt grundsätzlich einem logischen Aufbau, welcher Auskunft über die verwendeten Forschungsinstrumente und die wesentlichen Arbeitsschritte gibt (Atteslander 2010, S. 55). In der bestehenden wissenschaftlichen Literatur wird dieser schematische Forschungsaufbau als Forschungsdesign oder Untersuchungsanordnung bezeichnet (Schnell et al. 2005, S. 211). Dies entspricht demzufolge der grundlegenden Art und Weise, mit der die Untersuchung einer empirischen Fragestellung erfolgen soll. Alle Entscheidungen, welche bspw. die Stichprobenauswahl, die Wahl der Erhebungsmethoden und der Analysestrategien betreffen, sind damit verbunden. Allerdings ist ein Forschungsdesign nicht mit der zugrunde liegenden Methode der Datensammlung (qualitativ und/oder quantitativ) gleichzusetzen. Vielmehr ist ein Forschungsdesign weitaus umfassender zu verstehen. Es dient der Abbildung der logischen Struktur einer Untersuchung, welche wiederum die Methode der Datensammlung enthält. Durch die Reduktion eines Forschungsdesigns allein auf die Methodenebene wird häufig die Gesamtsicht auf die Zielsetzung der Untersuchung – mit dem grundlegenden Ziel der Ableitung möglichst widerspruchsfreier Erkenntnisse – verengt (Homburg et al. 2009, S. 175). Vor dem Hintergrund einer bestmöglichen Beantwortung der aufgeworfenen

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 W. Becker et al., Ökosysteme im Mittelstand, Management und Controlling im Mittelstand, https://doi.org/10.1007/978-3-658-29844-9_4

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4  Quantitative Erhebung

­ orschungsfragen, gewinnen daher Forschungsdesigns, die pragmatisch sowohl F quantitative als auch qualitative Methoden umfassen (sog. Mixed Method Research) zunehmend an Bedeutung. Hierbei kann der Einsatz parallel oder sequenziell erfolgen (Creswell und Clark 2007, S. 5). In Abb. 4.1 wird dieser sachlogische Zusammenhang grafisch dargestellt. Quantitative Forschungsmethoden basieren vorrangig auf numerischen Erhebungen und der Beschreibung von Sachverhalten. In dieser zahlenmäßigen Abbildung der Realität grenzen sie sich von qualitativen Methoden ab, die auf die verbale Charakterisierung der Untersuchungsobjekte abzielen. Qualitative Methoden sind in den Fällen, in denen Daten nicht natürlich in Zahlenform vorliegen, primär durch die Verwandlung von Merkmalsausprägungen in ein numerisches Format gekennzeichnet (Schwaiger 2009, S. 421 f.). Forschungsdesigns lassen sich, im Hinblick auf die Erklärungsmethodik, in explorative und in konfirmatorische Designs unterscheiden. Die konfirmatorische Forschung baut grundsätzlich auf bereits untersuchte Wirkungszusammenhänge (sekundär) auf und überprüft Thesen, welche aus der Theorie abgeleitet werden,

Abb. 4.1   Integration qualitativer/quantitativer Designs. (In Anlehnung an: Srnka 2007, S. 254)

4.1 Forschungsdesign

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empirisch. Der explorative Ansatz hingegen versucht, unter einer Berücksichtigung einer großen Anzahl möglicher Variablen Strukturen und Zusammenhänge zunächst zu identifizieren aber auch zu interpretieren (Backhaus et al. 2003, S. 7). Eine Unterscheidung in strukturentdeckende und strukturprüfende Verfahren finden sich unter anderem bei Backhaus et al. Diese Klassifizierung wird in Abb. 4.2 nochmals grafisch aufgegriffen. Aus den dargestellten Befunden der Beraterstudienanalyse (siehe Abschn. 3.2) wird deutlich, dass die Thematik der Ökosysteme ein höchst aktuelles und zugleich ein viel diskutiertes Thema darstellt. Zwar sind betriebliche Ökosysteme nicht als neu zu klassifizieren, allerdings sind die Veränderungen dieser Systeme durch die (industrielle) Digitalisierung sehr heterogen fortgeschritten, was den Zweck des hier vorliegenden Forschungsprojektes begründet. Außerdem ist zu konstatieren, dass digitale Ökosysteme in der wissenschaftlichen Literatur (siehe Abschn. 3.1.6) und in der unternehmerischen Praxis (siehe Abschn. 3.2) bisher unzureichend erforscht wurden und aufgrund dessen nur eine überschaubare Anzahl konzeptioneller und empirischer Studien vorliegt. Hierin begründet sich vornehmlich die Notwendigkeit, neue Daten zu generieren und in diesem Kontext zur Mehrung der Wissensbasis beizutragen. Es soll also insbesondere eruiert werden, wie sich betriebliche Ökosysteme durch die digitale Transformation von Geschäftsmodellen aber auch die industrielle Digitalisierung und ähnliche Trends verändern könnten.

Abb. 4.2   Ermittlung empirischer Zusammenhänge. (In Anlehnung an: Becker 2011, S. 88)

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4  Quantitative Erhebung

Dies führt dazu, dass in dem vorliegenden Forschungsprojekt zunächst quantitativ-konfirmatorische Elemente zum Einsatz kommen. Gleichzeitig soll der bisher eher rudimentäre Charakter des Kenntnisstands um entscheidende Aspekte erweitert werden, womit wiederum eine Inkludierung um quantitativexploratorische Elemente angestrebt wird. Neben der wissenschaftlichmotivierten Zielsetzung besteht der Anspruch, dass die Studienergebnisse zudem praxisorientierte Handlungsempfehlungen generieren (siehe Kap. 6). Sinnvolle Forschungserkenntnisse können nach der Ansicht Beckers (siehe Abb. 4.3) nur durch eine Synthese aus betriebswirtschaftlichen Theorien abund aus empirischen Daten hergeleiteten Argumentationsschritten entstehen. Die Forschung im Gegenstrom nach Becker findet in der vorliegenden Studie Anwendung, indem deduktiv aus theoretischem Wissen und induktiv aus bestehenden empirischen Studien Erkenntnisse zu betrieblichen Ökosystemen generiert werden. Im Rahmen eines quantitativen Ansatzes muss beachtet werden, dass die Datengrundlage möglichst standardisiert generiert wird (Diekmann 2006, S. 373 f.). Hierzu greifen die Autoren zur Erhebung der Daten auf das Instrument der schriftlichen Befragung zurück, welches mithilfe eines semi-standardisierten Fragebogens durchgeführt wird. Die Befragung kann als ein klassisches Instrument der Datenerhebung verstanden werden. Sie lässt sich in persönlich-mündliche,

Abb. 4.3   Forschung im Gegenstrom. (In Anlehnung an: Becker 1990, S. 296)

4.1 Forschungsdesign

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s­ chriftliche, telefonische und Onlinebefragungen differenzieren. Allerdings ist festzuhalten, dass eine Erhebungssituation stets unkontrolliert ist und die befragten Probanden eventuell Fragen inkorrekt verstehen könnten (Bortz und Döring 2002, S. 253). Die Konstruktion eines semi-standardisierten Fragebogens ist der Kunstlehre zuzuordnen. Die Operationalisierung der Forschungsfragen stellt das zentrale Problem bei der Entwicklung eines solchen Fragebogens dar. In der gängigen Literatur zur empirischen Sozialforschung wird mittlerweile eine Vielzahl von verschiedensten Fragetypen bzw. -arten beschrieben. Hierbei bezeichnet die Offenheit bis zu respektive Geschlossenheit den Spielraum einer Frage, welche dem Teilnehmer zugesprochen wird. Eine offene Frage enthält keine festen Antwortkategorien. Der Proband kann seine Antwort also völlig selbstständig und unabhängig formulieren. Erst bei der Auswertung werden die Antworten bestimmten Kategorien zugeordnet. Im Gegensatz dazu werden bei geschlossenen Fragen den Probanden alle möglichen oder zumindest die relevanten Antworten – nach im Vorfeld geordneten Kategorien – vorgelegt (Atteslander 2010, S. 146). Offene Fragen helfen zunächst, fehlende Kenntnisse und Missverständnisse der Probanden zu identifizieren. Im Gegensatz dazu generieren geschlossene Fragen eine größere Einheitlichkeit der Antworten und erhöhen dementsprechend deren Vergleichbarkeit unter den Probanden. Zudem bietet sich bei einer geschlossenen und skalierten Frage der Vorteil, die Intensität einer Meinung operationalisierbar machen zu können. Aus dem Grund der größtmöglichen Standardisierung wurden in der vorliegenden Erhebung mehrheitlich geschlossene Fragen formuliert, sowohl in skalierter als auch in nicht-skalierter Form. Zwar enthalten skalierte Fragen grundsätzlich stärker zu differenzierende Antwortmöglichkeiten, wohingegen die nicht skalierten oft nur Ja/Nein Antwortmöglichkeiten offerieren. Allerdings ist stets anzumerken, dass die Vorgabe fester Antwortalternativen stets das Wiedererkennungsvermögen der Probanden voraussetzt. Dies erleichtert neben der Beantwortung auch die darauffolgende statistische Auswertung des Fragebogens. Zudem wurden einige Fragen als halboffene Fragen konzipiert, es erfolgte also eine Kombination aus offenen und geschlossenen Antwortmöglichkeiten. Der Proband kann somit bei bestehendem Bedarf zu den bereits vorgegebenen standardisierten Antwortalternativen ergänzende meist qualitative Aussagen formulieren (Diekmann 2006, S. 408). Im Forschungsprozess kommt der Verwendung der geeigneten Skalenniveaus eine überragende Bedeutung zu. Der Typ der Skalierung der Fragen entscheidet

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4  Quantitative Erhebung

schlussendlich darüber, welche sinnvollen Aussagen daraus abgeleitet werden können. In der Literatur wird zwischen Nominal-, Ordinal-, Intervall-, Ratio- und Absolutskalen differenziert. Der hier eingesetzte Fragebogen nutzt vor allem die sogenannte Likert-Skala (Ordinalskalen). Diese dient primär zur Eruierung von (Selbst-) Einschätzungen (Rodeghier 1997 S. 19). Offerierte die wissenschaftliche Literatur wenig bis keine Anhaltspunkte für die Formulierung geschlossener bzw. halboffener Fragen, wurden die Probanden um die Beantwortung von offenen Fragen gebeten. Werden unterschiedliche qualitative und quantitative Erhebungsmethoden kombiniert, wird von einer Triangulation gesprochen. Diese beiden Methoden lassen sich nach Kluge (2010, S. 63 ff.) kombinieren und dementsprechend synthetisieren. In dieser Erhebung wurde die Triangulation zur Fokussierung der standardisierten Befragung für die Gestaltung des Leitfadens für die Interviews genutzt, um so die quantitativen Ergebnisse der schriftlichen Befragung durch Experteninterviews zu flankieren bzw. zu verifizieren. Gläser und Laudel (2006, S. 10) definieren Experten grundsätzlich als: „[…] Menschen, die ein besonderes Wissen über soziale Sachverhalte besitzen, und Experteninterviews sind eine Methode, dieses Wissen zu erschließen.“ Experten stellen also kein Untersuchungsobjekt dar, sondern sind als Medien zu verstehen, die befragt werden, um Erkenntnisse zum eigentlichen Untersuchungsobjekt zu generieren. Schlussendlich wird die Äquidistanz der verwendeten Skalenwerte durch die durchgeführten Experteninterviews validiert. Somit verschiebt sich die bereits erläuterte Likert-Skala, die grundsätzlich eine Ordinalskala darstellt, hin zu einer Intervallskala, bei der von gleichgroßen Abständen zwischen den Ausprägungen auszugehen ist. Im weiteren Verlauf des Abschn. 4.1 soll der Ablauf der Datenerhebung der empirischen Studie beschrieben werden. Die methodische Herangehensweise an die Datensammlung ist an einen Standardartikel zur Konzeptualisierung komplexer Konstrukte angelehnt (Homburg und Giering 1996, S. 11 f.). In diesem werden fünf zentrale Schritte erläutert: I) Grobkonzeptualisierung Der erste Schritt der Grobkonzeptualisierung ist entscheidend, um ein grundlegendes Verständnis für die zu untersuchende/n Fragestellung(en) zu eruieren. In der vorliegenden empirischen Erhebung wurde hierzu eine ausführliche Literaturrecherche genutzt, um den Status Quo der Forschungslandschaft zum Thema der Ökosysteme darzustellen (Abschn. 3.2).

4.1 Forschungsdesign

63

II) Fragenbogenkonstruktion Auf die Grobkonzeptualisierung folgt die Konstruktion einer ersten Version des Fragebogens. Dieser Entwurf wurde in einem Pretest von insgesamt zehn Probanden evaluiert. Ziel hierbei ist vor allem die Überprüfung der nachfolgenden Aspekte: – Grundsätzliches Interesse gegenüber der Befragung; – Verständnis der Fragen; – Schwierigkeitsgrad der Fragen; – Dauer der Befragung sowie – Effekte der Fragenanordnung. Unter Berücksichtigung dieser Kriterien wurde der Fragebogen mehrmals überarbeitet und sodann eine finale Version erstellt. III) Datenerhebung Darauf erfolgte die eigentliche Datenerhebung, welche im Oktober 2018 durchgeführt wurde. Als Methode wurde die Primärerhebung ausgewählt. Der standardisierte Fragebogen richtete sich an den/die Top-Entscheider/in des Phänomens Ökosysteme und war von diesen eigenständig auszufüllen. Die Einladung inklusive Link zur Online-Umfrage wurde per E-Mail an die Unternehmen geschickt. Insgesamt wurden 42.296 Mittelständler auf diesem Wege kontaktiert. Es konnten 152 Probanden zur Teilnahme an der Umfrage gewonnen werden, sodass die Erfolgsquote akzeptable 0,36 % beträgt. IV) Dateneingabe und Auswertung der Datensätze Eine wichtige Eigenschaft von quantitativen Methoden ist die Nutzbarkeit statistischer Verfahren (Schnell et al. 2005, S. 447 f.). Die Daten der insgesamt 152 vollständig ausgefüllten Fragebögen wurden mithilfe einer Excel-Tabellenkalkulation und des Statistikprogramms IBM SPSS erfasst. Nach Abschluss der Dateneingabe wurden alle Angaben einer Plausibilitätskontrolle unterzogen, bei der Fehleingaben und Werte bereinigt sowie unwahrscheinliche und unmöglich erscheinende Wertkombinationen korrigiert bzw. entfernt wurden. Zur Auswertung der offen formulierten Fragestellungen erscheint eine inhaltsanalytische Vorgehensweise nach Mayring (2007, S. 70 ff.) zielund zweckorientiert. Dies bedeutet, dass das gesamte Antwortmaterial zur offenen Frage als Basis für eine Kategorienbildung fungiert. Der Prozess der qualitativen Inhaltsanalyse gestaltet sich im vorliegenden Fall wie folgt: Zunächst sollte für die Frage ein sinnvolles Thema zur Kategorienbildung gewählt werden. Nach dieser vorangestellten Annahme wird das vorliegende Antwortmaterial sorgfältig mit dem Ziel gesichtet, inhaltlich sinnvolle Kategorien zu bilden. Eine neue Kategorie entsteht dabei immer,

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4  Quantitative Erhebung

wenn eine gegebene Antwort oder ein Antwortbestandteil nicht den bereits aufgestellten Kategorien entspricht. Zudem ist im Rahmen der Analysemethodik der hier vorliegenden Erhebung noch auf folgende zwei zentrale Punkte hinzuweisen. Aufgrund fehlender Antworten zu einzelnen Fragen können nicht immer alle Datensätze bei allen verwendeten Auswertungsverfahren berücksichtigt werden. Wegen der im Vorfeld bereits großzügig aussortierten unvollständigen Fragebögen, handelt es sich jedoch hierbei um eine zu akzeptierende Anzahl an Fragebögen mit fehlenden Angaben. Zudem ist, aufbauend auf den analysierten Untersuchungsergebnissen, bei der Interpretation dieser Ergebnisse schließlich zu beachten, dass sich jene Probanden, die sich die Zeit und Mühe nehmen, einen Fragebogen zu beantworten und zu retournieren, von anderen Probanden in ihrer Ausprägung sowie ihrer Expertise zum Thema stark unterscheiden könnten. Es besteht aus diesem Grunde also immer die elementare Gefahr einer möglichen Verzerrung der Antwort (Bias), weshalb ein diesbezüglicher systematischer Fehler in den Untersuchungsergebnissen nicht mit abschließender Gewissheit ausgeschlossen werden darf. V) Anwendung der Gütekriterien Es existieren in der bestehenden Literatur verschiedene anerkannte Kriterien, nach denen die Güte bzw. Qualität eines Fragebogens beurteilt wird. Zu den Hauptgütekriterien zählen Objektivität, Reliabilität und Validität. Sie stehen im Folgenden kausalen Zusammenhang zueinander: Die Objektivität bildet die Voraussetzung für die Reliabilität, die ihrerseits wiederum die Voraussetzung für die Validität eines Fragebogens ist. Eine Standardisierung wirkt sich am meisten bei der Objektivität aus, am wenigsten auf die Validität (Bühner 2004, S. 27). Entsprechend dieses kausalen Sinnzusammenhangs (siehe Abb. 4.4) werden zunächst die Objektivität, darauf aufbauend die Reliabilität und zuletzt die Validität des erstellten Fragebogens betrachtet. Das Kriterium der Objektivität verdeutlicht, wie unabhängig die Testergebnisse von denjenigen Forscher/innen der Forschungsgruppe sind, die die Daten erheben und/oder auswerten. Die Objektivität einer Untersuchung ist stets vom Standardisierungsgrad der Mess- bzw. der Erhebungsmethodik abhängig. Stark standardisierte Erhebungsinstrumente (in diesem Fall der Fragebogen) garantieren ein hohes Maß an Objektivität bei der Datenerhebung; standardisierte Auswertungsverfahren (z. B. mathematische Operationen) ermöglichen Objektivität bei der Datenauswertung. Es lassen sich verschiedene Arten von Objektivität

4.1 Forschungsdesign

65

Abb. 4.4   Zusammenhang quantitativer Gütekriterien

a­ nalog der erörterten Forschungsphasen unterscheiden: D ­ urchführungsobjektivität, Auswertungsobjektivität und Interpretationsobjektivität (Bühner 2004, S. 28). • Die Durchführungsobjektivität ist umso größer, je weniger die Forscher durch ihr äußeres Erscheinungsbild, sowie ihre Bedürfnis-, Ziel- und Wertstruktur die Ergebnisse (unbewusst) beeinflussen. Aus dieser Objektivitätsart ergibt sich die Forderung nach einer möglichst geringen sozialen Interaktion zwischen den Befragten und den Forschenden sowie nach standardisierten Bearbeitungshinweisen. Die Durchführungsobjektivität der vorliegenden Untersuchung ist insofern gewährleistet, als dass den Befragten ein standardisierter Fragebogen elektronisch zugeschickt wurde, den diese eigenständig – unbeeinflusst von einem Forscher – im Unternehmen ausfüllten. • Das Kriterium der Auswertungsobjektivität kann als erfüllt angesehen werden, wenn verschiedene Untersuchungsleiter bei der Auswertung desselben Fragebogens zu einem gleichen Ergebnis gelangen. Dies ist gewährleistet, wenn die Fragen weitestgehend geschlossen gestellt und die Itemformulierungen standardisiert sind. Bei den geschlossen-unskalierten und -skalierten Fragen handelt es sich um durchweg standardisierte Fragestellungen, bei denen die Antwortmöglichkeiten zum Auswählen bereits vorgegeben wurden, weshalb keinerlei Freiheitsgrade für die Auswertung der Fragebögen bestanden. Bei den wenigen offen gestellten Fragen wurde bei der Codierung und Eingabe der Antworten stark sowohl auf die Wahrung der intraindividuellen wie auch ­interindividuellen Objektivität geachtet.

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4  Quantitative Erhebung

• Die Interpretationsobjektivität ist schließlich abhängig von den Freiheitsgraden, die ein Forscher bei der Interpretation der Ergebnisse hat. Je unbeeinflusster die Interpretation der Fragebogenergebnisse von der individuellen Deutung des Forschenden ist, desto höher ist auch die Interpretationsobjektivität. Aufgrund der vorliegenden Struktur des Fragebogens ergaben sich nur geringe Freiheitsgrade bei der Interpretation der Fragebogenergebnisse, womit auch die Interpretationsobjektivität als gegeben angesehen werden kann. Unter Reliabilität wird die Zuverlässigkeit, also die formale Messgenauigkeit eines Fragebogens verstanden. Unter der Grundvoraussetzung von konstanten Messbedingungen ist ein Fragebogen dann reliabel, wenn die einzelnen Messwerte präzise und stabil, das heißt bei wiederholter Messung reproduzierbar sind. In der wissenschaftlichen Literatur werden drei Arten der Reliabilität unterschieden: die Retest-, Paralleltest- sowie Testhalbierungsreliabilität (Bortz und Döring 2002, S. 196 ff.). Da für die Überprüfung der Retest-Reliabilität derselbe Fragebogen zu zwei unterschiedlichen Testzeitpunkten der gleichen Testgruppe vorgelegt werden muss und die Messung der Paralleltest-Reliabilität zwei unterschiedliche Fragebögen bedingt, die das gleiche Konstrukt operationalisieren sollen, kommt für die Reliabilitätsmessung des erstellten Fragebogens nur die Überprüfung der Testhalbierungs-Reliabilität in Betracht. Die Validität (oder Gültigkeit) verdeutlicht, ob ein Messinstrument tatsächlich misst, was es auch messen soll. Sie gilt, in der Literatur, als das wichtigste Testkriterium und gibt an, ob ein Fragebogen eine Testgültigkeit besitzt. Sie lässt sich in die drei Formen der Inhalts-, Kriteriums- und Konstruktvalidität unterschieden. • Eine Inhaltsvalidität kann als gegeben angesehen werden, wenn möglichst alle Aspekte der Dimension, die gemessen werden sollen, berücksichtigt wurden (Schnell et al. 2005, S. 148). Eine Höhe der Inhaltsvalidität eines Fragebogens kann jedoch nicht numerisch bestimmt werden, da keinerlei objektive Kriterien hierfür existieren, sondern sie beruht allein auf subjektiven Einschätzungen sowie fachlichen und logischen Überlegungen (Bühner 2004, S. 30). Bei der Konstruktion des vorliegenden Fragebogens orientierte sich die Auswahl der Items an den in der Literatur zur Verfügung stehenden Untersuchungen und hierzu vorhandenen Erfahrungswerten. Im Zuge dessen wurde versucht, möglichst alle relevanten Determinanten zu erfassen. Für den Fall, dass ein Item vergessen wurde, stehen den Probanden am Ende einer jeden Frage ein oder mehrere offene Antwortfelder für weitere Determinanten zur Verfügung. Da prinzipiell jedoch keine objektive Aussage darüber getroffen werden kann, wie gut die Zusammenstellung tatsächlich ist, wird

4.2  Charakterisierung der Probanden

67

die ­ Inhaltsvalidität nicht als Testkriterium, sondern eher als Zielvorgabe betrachtet, die bei der Konstruktion bedacht werden sollte (Bortz und Döring 2002, S. 199). • Die Kriteriumsvalidität bezieht sich auf den Zusammenhang zwischen den empirisch gemessenen Ergebnissen des Fragebogens und einem anders gemessenen empirischen Außenkriterium. • Eine hohe Konstruktvalidität liegt schließlich vor, wenn der Fragebogen das theoretische Konstrukt, das er messen soll, auch tatsächlich erfasst hat. In der Regel sind diese Konstrukte jedoch auch nicht direkt messbar, sondern müssen aufgrund logischer Folgerungen erschlossen werden. Da die Überprüfung der Konstruktvalidität auf einem Vergleich mit anderen theoretischen Konstrukten basiert, bei dem mehrere Konstrukte durch unterschiedliche Erhebungsmethoden erfasst werden, kann im Rahmen dieser Erhebung mangels Vergleichswerte keine Aussage zur Konstruktvalidität des erstellten Fragebogens getroffen werden (Schnell et al. 2005, S. 150 ff.). Mayring (2007, S. 141) stellt hingegen fest, dass sich diese Maße nicht für die Beurteilung qualitativer Analysen eignen. Er schlägt für ihre Beurteilung sechs alternative Kriterien vor: Nähe zum Gegenstand, Verfahrensdokumentation, Regelgeleitetheit, argumentative Interpretationsabsicherung, Triangulation und kommunikative Validierung.

4.2 Charakterisierung der Probanden Im Folgenden werden die Charakteristika der befragten Probanden anhand unternehmensklassifikatorischer Kriterien dargelegt. Als Merkmalsausprägungen fungieren die Branchenzugehörigkeit, die Rechtsform, Angaben zu Mitarbeiteranzahl und Jahresumsatz, die Position der Probanden im Unternehmen, das Gründungsjahr sowie der Anteil der Familienmitglieder in diversen Gremien. Branchenzugehörigkeit In einer geschlossenen Fragestellung zur Charakterisierung der Probanden wird die Zugehörigkeit zu einer Branche ermittelt. Diese beinhaltet eine Branchenkategorisierung nach Industrie, Handel und Dienstleistungen (siehe Abb. 4.5). 37 % der befragten Probanden verorten ihr Unternehmen in der Industriellen Branche. 54 % der Befragten operieren in der Dienstleistungsbranche. Neun Prozent hingegen ordnen sich dem Handel zu.

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4  Quantitative Erhebung

Abb. 4.5   Branchenzugehörigkeit

Rechtsform Die Rechtsform der Untersuchungsobjekte wird ebenfalls in einer geschlossenen Frage abgefragt (siehe Abb. 4.6). 64 % der befragten Unternehmen agieren in der Rechtsform einer GmbH, elf Prozent als GmbH & Co. KG, drei Prozent der partizipierenden Unternehmen sind eine AG, zwei Prozent als KG und 19 % als sonstige Rechtsform. Ein Prozent tätigte hierzu keine Angabe. Mitarbeiteranzahl Im Gegensatz zu der orangestellten Frage wurden die Probanden in einer offenen Frage gebeten, die Anzahl der beschäftigten Mitarbeiter zu beziffern (siehe Abb. 4.7). Die befragten Unternehmen weisen in Bezug auf die Größe ein arithmetisches Mittel von 164 Mitarbeitern auf. Die einzelnen Größenkategorien lauten wie folgt: 76 % unter 30 Mitarbeiter; 13 % zwischen 30 und 300 Mitarbeiter sowie elf Prozent zwischen 300 und 3000 Mitarbeiter. Ein Prozent beschäftigen mehr als 3000 Mitarbeiter.

4.2  Charakterisierung der Probanden

69

Abb. 4.6   Rechtsform der befragten Unternehmen

Abb. 4.7   Mitarbeiteranzahl der Probanden

Gesamtumsatz Analog zu der Anzahl der Mitarbeiter wurde ebenfalls um die Angabe des voraussichtlichen Gesamtjahresumsatz (siehe Abb. 4.8) gebeten.

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4  Quantitative Erhebung

Abb. 4.8   Gesamtumsatz der Probanden

Die befragten Unternehmen wiesen hinsichtlich des Umsatzes ein arithmetisches Mittel von 28,92 Mio. EUR auf. Ein Großteil der befragten Probanden (70 %) gab einen Umsatz von unter 6 Mio. EUR an. Neun Prozent bewegen sich in der Spanne von 6 Mio. EUR bis unter 60 Mio. EUR. 17 % weisen einen Umsatz zwischen 60 Mio. EUR und 600 Mio. EUR aus. Vier Prozent erwirtschaften einen Umsatz über 600 Mio. EUR. Gründungsjahr Das Jahr der Gründung der Unternehmung wurde ebenfalls im Rahmen einer offenen Frage erhoben (siehe Abb. 4.9). Die befragten Unternehmen weisen in Bezug auf das Gründungsjahr einen Median im Jahre 1991 auf. Fünf Prozent der Unternehmen wurden vor 1900 gegründet. Elf Prozent in der Zeitspanne zwischen 1900 und 1945. Zwischen den Jahren 1946 und 1990 wurden 34 % der Unternehmen gegründet, wohingegen 50 % nach dem Jahr 1990 gegründet wurden. Größenklassifikation gemäß des Europäischen Forschungsfeldes für Angewandte Mittelstandsforschung Mithilfe der Angaben zum Umsatz und der Mitarbeiteranzahl wird gemäß der quantitativen Mittelstandsdefinition des EFAM eine Zuordnung der befragten mittelständischen Unternehmen in unterschiedliche Größenklassen durchgeführt (siehe Abb. 4.10).

4.2  Charakterisierung der Probanden

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Abb. 4.9   Jahr der Gründung

Abb. 4.10   Größenklassifikation nach EFAM

72 % der Unternehmen sind nach der gewählten EFAM-Klassifikation Kleinstunternehmen. Auf die Größenkategorien kleine Unternehmen entfallen Neun Prozent der Probanden und auf die Kategorie mittlere Unternehmen 18 %. Ein Prozent der Probanden sind große Unternehmen.

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4  Quantitative Erhebung

Position im Unternehmen Neben den, bereits beschriebenen größenklassifikatorischen Angaben wurde die Probanden nach ihrer Position im Unternehmen befragt (siehe Abb. 4.11). Die befragten Unternehmensvertreter sind mit 68 % Nennungen mehrheitlich als Eigentümer bzw. Gesellschafter tätig. 27 % der Probanden sind (angestellte) Manager. Fünf Prozent ordnen sich den „Sonstigen“ zu. (Familien-) Mitglieder im Aufsichtsratsgremium Des Weiteren wurden die Probanden gebeten anzugeben, welche Größe das Aufsichtsratsgremium umfasst (siehe Abb. 4.12). 45 % der Probanden verfügen über kein Aufsichtsratsgremium. 39 % der Unternehmen weisen zwischen einem und drei Aufsichtsräte auf, 14 % zwischen vier und sechs, ein Prozent zwischen sieben und zehn und ein weiteres Prozent mehr als zehn. Zudem wurde der Anteil der Familienmitglieder in diesem Gremium abgefragt (siehe Abb. 4.13).

Abb. 4.11   Position der Probanden

4.2  Charakterisierung der Probanden

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Abb. 4.12   Anzahl der Mitglieder des Aufsichtsratsgremiums

Abb. 4.13   Anteil Familienmitglieder im Aufsichtsratsgremium

Hierbei sind meist keine Familienmitglieder zu finden (59 %). In 40 % der Fälle sind zwischen einem und drei Familienmitglieder in diesem Gremium zu finden. In ein Prozent der Fälle befinden sich vier bis sechs Familienmitglieder in diesem Gremium.

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4  Quantitative Erhebung

Abb. 4.14   Anzahl der Mitglieder im Leitungsgremium

(Familien-) Mitglieder im Leitungsgremium Neben dem Aufsichtsratsgremium wurde auch die Größe des Leitungsgremium erfasst (siehe Abb. 4.14). Drei Prozent der Probanden verfügen über kein Leitungsgremium. 86 % der Unternehmen weisen zwischen einem und drei Geschäftsführern bzw. Vorstände auf und elf Prozent zwischen vier und sechs. Auch in dieser Fragestellung wurde der Anteil der Familienmitglieder abgefragt (siehe Abb. 4.15). Hierbei sind bei 33 % der Probanden keine Familienmitglieder zu finden. In 67 % der Fälle sind zwischen einem und drei Familienmitglieder in diesem Gremium zu finden. Bei einem Prozent sind zwischen vier und sechs Familienmitglieder Geschäftsführer bzw. Vorstände.

4.3 Ergebnisse der quantitativen Erhebung Im nun folgenden Abschnitt werden die Ergebnisse der quantitativen Erhebung dargelegt. Zu Beginn werden wichtige Rahmenbedingungen für Ökosysteme erörtert (Abschn.  4.3.1). Darauf folgen Ausführungen bezüglich der Ausgestaltung von Ökosystemen im Mittelstand (Abschn. 4.3.2). Hierauf aufbauend

4.3  Ergebnisse der quantitativen Erhebung

75

Abb. 4.15   Anteil Familienmitglieder im Leitungsgremium

wird eine Ökosystem Typologie dargelegt (Abschn. 4.3.3). Der Abschn. 4.3.4 schließt mit Erläuterungen zu möglichen Erfolgswirkungen von Ökosystemen im Mittelstand (Abschn. 4.3.4). Über alle Abschnitte hinweg soll stellenweise eine Kontrastierung der Ergebnisse nach erfolgreichen und weniger erfolgreichen Unternehmen durchgeführt werden.

4.3.1 Rahmenbedingungen für Ökosysteme Im Folgenden werden wichtige Rahmenbedingungen, denen die Probanden ausgesetzt sind, aufgezeigt. Einleitend wird die Wertschöpfungstiefe der Eigen- und Fremdfertigung abgefragt. Daraufhin wird zunächst die grundsätzliche Bekanntheit der Begrifflichkeit „unternehmerisches Ökosystem“ eruiert. Zudem wird um eine Einschätzung der aktuellen und zukünftigen Bedeutung von Ökosystemen gebeten. Auch soll eine Einschätzung des Digitalisierungsgrades der Probanden nicht unberücksichtigt bleiben. Neben dem derzeitigen Stand zur Partizipation in Ökosystemen werden Thesen zur Partizipation aufgeworfen. Darauf aufbauend wird die Anzahl der Akteure im entsprechenden Ökosystem erfragt. Hierauf folgen Fragen zur Beschreibung des Modells im Ökosystem und zu der Rolle der involvierten Stakeholder. Der Abschn. 4.3.1 schließt sodann mit einer Frage zur Verantwortlichkeit für die Thematik des Ökosystems im Unternehmen.

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4  Quantitative Erhebung

Wertschöpfungstiefe der Eigen- und Fremdfertigung Die Probanden wurden gebeten, sowohl Auskunft über ihren prozentualen Anteil an Eigenfertigung als auch an Fremdfertigung zu geben (siehe Abb. 4.16 und 4.17). Die Eigenfertigungstiefe beziffern die befragten Unternehmen im Durchschnitt auf 63 %. In einer weiteren Angabe bemisst sich der Anteil des Fremdbezuges, der laut Angaben der Probanden im Durchschnitt bei 43 % liegt. Veränderung der Wertschöpfungstiefe Zudem wurde eine skalierte Frage nach der Veränderung der Wertschöpfungstiefe formuliert (siehe Abb. 4.18). Hinsichtlich der Veränderung der Wertschöpfungstiefe in den letzten Jahren, verzeichnen drei Prozent der Probanden einen starken Anstieg und 31 % der Unternehmen geben an, dass dieser grundsätzlich gestiegen ist. Bei 51 % ist die Wertschöpfungstiefe weder gesunken, noch gestiegen, bei zehn Prozent ist sie gesunken und bei sechs Prozent stark gesunken. Bekanntheitsgrad der Begrifflichkeit „Ökosystem“ Im Rahmen einer „Ja/Nein“-Frage wurden die Kenntnis des Begriffes des Ökosystems eruiert (siehe Abb. 4.19).

Abb. 4.16   Wertschöpfungstiefe der Eigenfertigung

4.3  Ergebnisse der quantitativen Erhebung

Abb. 4.17   Wertschöpfungstiefe des Fremdbezuges

Abb. 4.18   Veränderung der Wertschöpfungstiefe

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78

4  Quantitative Erhebung

Abb. 4.19   Geläufigkeit des Begriffes “Ökosystem”

In 17 % der Unternehmen ist der Begriff „unternehmerisches Ökosystem/ Entrepreneurial Ecosystem“ geläufig und findet Verwendung im Unternehmen. Der deutlichen Mehrheit der Probanden (83 %) ist der Begriff indes nicht geläufig und findet auch keine Verwendung im Unternehmen. Aktuelle und zukünftige Bedeutung von Ökosystemen in Unternehmen Im weiteren Verlauf der Erhebung wurden die Probanden gebeten, eine Einschätzung der aktuellen und der zukünftigen Bedeutung von Ökosystemen vorzunehmen (siehe Abb. 4.20 und 4.21). Die derzeitige Bedeutung von Ökosystemen erachten 16 % der befragten Unternehmen als sehr wichtig für das eigene Unternehmen. 37 % attestieren dieser Thematik eine grundlegend wichtige Bedeutung für das Unternehmen. 23 % erachten die Bedeutung als eher neutral, während 13 % eine unwichtige und zwölf Prozent eine sehr unwichtige Bedeutung angeben. Ein anderes Bild zeigt sich bei der Frage nach der zukünftigen Bedeutung von Ökosystemen. Hier sind 37 % der Probanden der Meinung, dass Ökosysteme zukünftig eine sehr wichtige Rolle spielen. 33 % erachten die zukünftige

4.3  Ergebnisse der quantitativen Erhebung

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Abb. 4.20   Derzeitige Bedeutung von Ökosystemen

Abb. 4.21   Zukünftige Bedeutung von Ökosystemen

Bedeutung als wichtig, weitere 16 % halten sich neutral. Eine unwichtige Rolle attestieren zehn Prozent der Probanden den Ökosystemen in der Zukunft, während ihnen lediglich vier Prozent eine sehr unwichtige Rolle zuweisen.

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4  Quantitative Erhebung

Abb. 4.22   Digitalisierungsgrad der Probanden

Digitalisierungsgrad Hierbei wurden die Probanden im Rahmen einer offenen Frage um eine Angabe des selbsteingeschätzten Digitalisierungsgrad ihres Unternehmens gebeten (siehe Abb. 4.22). Der prozentuale Digitalisierungsgrad der befragten Unternehmen beziffert sich im Durchschnitt auf 58 %. Partizipation in Ökosystemen Im Rahmen einer „Ja/Nein“-Frage wurde die Involvierung der Probanden in einem Ökosystem eruiert (siehe Abb. 4.23). 51 % der Unternehmen geben an, derzeit Teil eines oder mehrerer Ökosysteme zu sein. 49 % verneinen dies. Thesen zur Partizipation in Ökosystemen Im Folgenden wurden die Probanden, im Rahmen einer skalierten Frage, um die Einschätzung ausgewählter Thesen gebeten (siehe Abb. 4.24). Der These „Aufgrund des hohen Digitalisierungsdrucks wird von uns erwartet, dass wir uns in digitale Ökosysteme einbringen“ stimmen elf Prozent stark und weitere 44 % zu. Sieben Prozent stimmen dieser These überhaupt nicht zu, weitere 18 % stimmen grundsätzlich nicht zu. 20 % der Probanden nehmen diesbezüglich eine neutrale Haltung ein.

4.3  Ergebnisse der quantitativen Erhebung

Abb. 4.23   Derzeitiger Stand zur Partizipation in Ökosystemen

Abb. 4.24   Thesen zur Partizipation in Ökosystemen

81

82

4  Quantitative Erhebung

Der These „Wir sehen eine zunehmende Bedeutung von Ökosystemen und haben uns bewusst dazu entschieden, uns aktiv einzubringen“ stimmen 13 % der Probanden stark und 42 % grundsätzlich zu. 27 % der befragten Unternehmen halten sich neutral, während weitere zehn Prozent der These grundsätzlich nicht und acht Prozent überhaupt nicht zustimmen. Der These „Wir verspüren einen hohen Digitalisierungsdruck, sind uns aber durchaus den Vorteilen eines solchen Ökosystems bewusst“ stimmen 13 % der befragten Unternehmen sehr stark und weitere 40 % grundsätzlich zu. 26 % nehmen hierzu eine neutrale Stellung ein, während 15 % grundsätzlich nicht und weitere sieben Prozent überhaupt nicht zustimmen. Akteure im Ökosystem Zudem wurden die Probanden gebeten, die Anzahl der involvierten Akteure im Ökosystem zu nennen (siehe Abb. 4.25). Ein diversifiziertes Bild zeigt sich bei der Frage nach der Anzahl der Akteure im Ökosystem. Während 24 % angeben, dass zehn oder mehr als zehn Akteure im Ökosystem partizipieren, besteht das Ökosystem bei fünf Prozent der befragten Unternehmen aus sieben bis neun Partizipierten. 24 % geben an, dass zwischen vier und sechs Akteure im Ökosystem beteiligt sind, während bei 47 % der Probanden zwischen einem und drei Akteure im Ökosystem partizipieren.

Abb. 4.25   Anzahl der Akteure im Ökosystem

4.3  Ergebnisse der quantitativen Erhebung

83

Modell im Ökosystem Hierbei wurden die Probanden gebeten, anzugeben welches Modell sie ihrem Unternehmen zuschreiben würden (siehe Abb. 4.26). Auf die Frage, welches Modell das Ökosystem am besten beschreibt, führen die befragten Unternehmen mit 58 % der Nennungen das Modell des Integrators als treffende Beschreibung für ihr Ökosystem an, bei dem das Unternehmen alle oder fast alle Aktivitäten entlang der Wertschöpfungskette in Eigenregie durchführt. 20 % der Probanden erachten das Layer Player Modell als treffend. Im Layer Player Modell konzentriert sich das Unternehmen auf eine Stufe der Wertschöpfungskette und erbringt diese Leistung oftmals für mehrere Bereiche. Neun Prozent der Probanden hingegen verweisen auf das Orchestrator Modell. In diesem Modell beschränkt das Unternehmen seine Leistung weitestgehend auf die Koordination der Leistungserstellung anderer Unternehmen und baut zu diesem Zwecke ein Wertschöpfungsnetzwerk auf, in dem es die besten Eigenschaften der Partnerunternehmen koordiniert. Im Market Maker Modell (13 %) fügt das Unternehmen bestehende Wertketten einer Wertschöpfungstiefe hinzu und ermöglicht dadurch Kombinationsmöglichkeiten der Wertschöpfungsstufen verschiedener Wertketten.

Abb. 4.26   Beschreibung des Modells im Ökosystem

84

4  Quantitative Erhebung

Integration und Einfluss von Stakeholdern im Ökosystem Im Rahmen zweier intervallskalierten Fragen wurden die Probanden hinsichtlich der Integration und des attestierten Einflusses von Stakeholdern befragt (siehe Abb. 4.27 sowie Abb. 4.28). Wesentliche Stakeholder, die in das Ökosystem integriert werden, sind vor allem Mitarbeiter (74 %: 42 % stark und 32 % sehr stark), Kunden (66 %: 41 % stark und 25 % sehr stark), Manager (67 %: 38 % stark und 29 % sehr stark), Lieferanten (59 %: 39 % stark und 20 % sehr stark) sowie die Eigenkapitalgeber (53 %: 22 % stark und 31 % sehr stark). Wesentlich schwächer eingebunden sind laut den Angaben der Probanden gesellschaftliche Institutionen (54 %: 24 % schwach und 30 % sehr schwach), Fremdkapitalgeber (70 %: 22 % schwach und 48 % sehr schwach) sowie Wettbewerber (60 %: 29 % schwach und 31 % sehr schwach). Ein ähnliches Bild zeigt sich hinsichtlich der Beurteilung des Einflusses dieser Stakeholder auf das Ökosystem (siehe Abb. 4.28). Der höchste Einfluss geht hierbei von den Kunden aus (74 %: 45 % hoch und 29 % sehr hoch), gefolgt von den Mitarbeitern (70 %: 49 % hoch und 21 % sehr hoch) und Managern (72 %: 37 % hoch und 35 % sehr hoch). Weitere Einflussnahme üben Eigenkapitalgeber mit 55 % Nennungen (24 % hoch und 31 % sehr

Abb. 4.27   Integration von Stakeholdern in das Ökosystem

4.3  Ergebnisse der quantitativen Erhebung

85

Abb. 4.28   Einfluss von Stakeholdern auf das Ökosystem

hoch) sowie Lieferanten mit 43 % Nennungen (34 % hoch und neun Prozent sehr hoch) aus. Vergleichsweise wenig Einfluss attestieren die Probanden den Fremdkapitalgebern (67 %: zehn Prozent niedrig und 57 % sehr niedrig), den gesellschaftlichen Institutionen (59 %: 23 % niedrig und 36 % sehr niedrig) und dem Wettbewerb mit 53 % Nennungen (28 % niedrig und 25 % sehr niedrig). Verantwortlicher für Ökosysteme Abschließend wurde die Verantwortlichkeit, im Rahmen einer halboffenen Frage, für die Thematik der Ökosysteme erfragt (siehe Abb. 4.29). Bei der Mehrheit der Probanden (79 %) liegt die Verantwortlichkeit für das Thema Ökosystem bei der Geschäftsleitung bzw. der Vorstandsebene. Bei neun Prozent der Probanden übernimmt ein Verantwortlicher für die Unternehmensstrategie diese Thematik, bei vier Prozent ein Digitalisierungsverantwortlicher und bei zwei Prozent der Leiter der IT-/EDV Abteilung. Sechs Prozent der Probanden verweisen hierbei auf „Sonstige“. Einige Probanden hinterließen diesbezüglich jedoch Kommentare. So schreibt ein Proband treffend „das Thema MUSS ja bei der GL [Geschäftsleitung] angesiedelt sein, denn das ganze Geschäftsmodell dreht sich darum.“ Während wiederum andere monieren, dass der Begriff an sich zu „diffus“ sei, wie auch von einem anderen Autor zum

86

4  Quantitative Erhebung

Abb. 4.29   Verantwortlichkeit für das Thema Ökosysteme im Unternehmen

­ usdruck gebracht: „Die meisten Menschen kennen nicht mal den Unterschied A zwischen Natur und Umwelt. Wenn jetzt noch „Ökosystem“ im Zusammenhang mit Digitalisierung verwendet wird, weiß bald keiner mehr, wovon wirklich gesprochen wird!“.

4.3.2 Ausgestaltung von Ökosystemen im Mittelstand Im Rahmen der Eruierung der Ausgestaltung von Ökosystemen wurden zunächst Chancen einer solchen Partizipation erörtert. Zudem wurde auch die Stärke der Interaktion erfragt. Es erfolgte auch eine Beleuchtung wichtiger Rollen in ­Ökosystemen. Des Weiteren sollen Hindernisse für den Einsatz herkömmlicher Plattformen und Barrieren in der Kooperation mit Partnern diskutiert werden. Chancen durch die Partizipation in Ökosystemen Zunächst bat man die Probanden eine Einschätzung vorgegebener Chancen vorzunehmen (siehe Abb. 4.30). Auf die Frage, welche Chancen sich die Probanden von der Partizipation in Ökosystemen versprechen, zeigt sich ein überaus klares Bild. Die befragten Unternehmen erhoffen sich vor allem eine Verbesserung der Kundenbeziehung, gezieltere Ansprachen und punktgenaue Bedienung der Kunden (74 %: 23 % sehr stark und 51 % stark) sowie eine nachhaltige Optimierung unternehmerischer

4.3  Ergebnisse der quantitativen Erhebung

87

Abb. 4.30   Chancen durch die Partizipation in Ökosystemen

Prozesse (73 %: 51 % sehr stark und 22 % stark). 57 % der Probanden (22 % sehr stark und 35 % stark) sehen die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle als Chance durch die Partizipation in Ökosystemen, 52 % (18 % sehr stark und 34 % stark) eine erhöhte Effizienz in der Produktentwicklung und mit 46 % Nennungen (13 % sehr stark und 33 % stark) mehr Effizienz in der Lieferantenkommunikation. Auffällig ist, dass die vorgegebenen Aspekte überwiegend eher positiv als negativ von den Probanden bewertet werden. Interaktionsstärke mit Wertschöpfungspartnern Ferner wurde nach der Stärke der Integration mit verschiedenen Wertschöpfungspartnern, wie Kunden, Lieferanten und Wettbewerbern gefragt (siehe Abb. 4.31). Die Stärke der Integration mit Kunden beziffert sich im Durchschnitt auf 57 %, gefolgt von einer durchschnittlichen Stärke von 51 % bei der Integration von Lieferanten. Die Stärke der Integration mit Wettbewerbern beziffert sich lediglich auf einen durchschnittlichen Wert von 29 %. Rolle in Ökosystemen Im weiteren Verlauf des Fragenblockes wurde die Existenz möglicher Rollen erfragt (siehe Abb. 4.32).

88

Abb. 4.31   Stärke der Interaktion mit Wertschöpfungspartnern

Abb. 4.32   Rollen im Ökosystem

4  Quantitative Erhebung

4.3  Ergebnisse der quantitativen Erhebung

89

Bezogen auf die Rollen, die im Ökosystem der befragten Unternehmen existieren, zeigt sich eine Vielfalt an existierenden Rollen. Bei der Hälfte der Probanden (50 %) existiert ein Dienstleistungsunternehmen oder „User“, bei 45 % ein Produkthersteller und bei 36 % findet sich die Rolle des Lösungsanbieters im Ökosystem wieder. Die Entwickler von Softwareanwendungen nehmen mit 25 %, Betreiber von Anwendungsplattformen mit 18 % sowie Datenbankbetreiber und -anbieter mit jeweils 15 und 14 % ebenfalls repräsentierte Rollen in Ökosystemen ein. Vergleichsweise unterrepräsentiert sind hingegen Hersteller eingebetteter Systeme (elf Prozent), Hersteller von Human IoT Interfaces (fünf Prozent) und Finanzintermediäre mit drei Prozent Nennungen. Hindernisse für den Einsatz herkömmlicher Plattformen Hierbei wurden die Probanden gebeten eine Einschätzung vorgegebener Hindernisse vorzunehmen (siehe Abb. 4.33). Hinsichtlich der Hindernisse, warum Unternehmen den Einsatz herkömmlicher Plattformen nicht befürworten, nennt die Mehrheit der Probanden, dass Kerndaten und Geschäftsgeheimnisse preisgegeben werden (77 %: 28 % stimmen stark und 49 % stimmen zu), die Datensicherheit nicht garantiert werden kann (73 %: 31 % stimmen stark und 42 % stimmen zu), klare Haftungsregeln

Abb. 4.33   Hindernisse für den Einsatz herkömmlicher Plattformen

90

4  Quantitative Erhebung

fehlen (75 %: 32 % stimmen stark und 43 % stimmen zu) und, dass das Teilen kompetitiver Informationen problematisch ist, da hierdurch Wettbewerbern Vorteile ermöglicht werden (75 %: 24 % stimmen stark und 51 % stimmen zu). Weitere 63 % der Unternehmen (25 % stimmen stark und 38 % stimmen zu) sehen in der fehlenden Bereitschaft der anderen Player ein Hindernis für den Einsatz herkömmlicher Plattformen begründet. Barrieren in der Kooperation mit Partnern Zum Abschluss des Frageblockes wurden die Probanden um eine Bewertung von vorgegebenen Barrieren in der Kooperation mit Partnern gebeten (siehe Abb. 4.34). Die Mehrheit der Probanden sieht insbesondere Barrieren aufgrund des hohen persönlichen Abstimmungsbedarfes (81 %: 20 % stimmen stark und 61 % stimmen zu) und des hohen Zeitaufwandes zur Klärung von Anforderungen (78 %: 22 % stimmen stark und 56 % stimmen zu). 71 % bemängeln, dass keine gemeinsame Datenbasis existiert (18 % stimmen stark und 53 % stimmen zu) und weitere 69 % (24 % stimmen stark und 45 % stimmen zu) führen inkonsistente Daten als Barriere an. 63 % (21 % stimmen stark und 42 % stimmen zu) geben an, dass keine gemeinsame Kapazitäts- und Terminplanung vorliegt. 42 % (zwölf Prozent stimmen zu und 30 % stimmen stark zu), sehen eine Barriere in häufigen

Abb. 4.34   Barrieren in der Kooperation mit Partnern

4.3  Ergebnisse der quantitativen Erhebung

91

Designänderungen, dies wird jedoch von 27 % der Probanden (23 % stimmen nicht und 4 % überhaupt nicht zu) als vergleichsweise unwesentliche Barriere erachtet.

4.3.3 Ökosysteme Typologie Im nun folgenden Frageblock wurde der Versuch unternommen, eine Ökosystemtypologie abzuleiten. Hierzu wurde zunächst eine mögliche Art und Weise der Einbringung in Ökosysteme eruiert. Zudem wurde erfragt, ob das Ökosystem auf einer Plattform basiert und welche Rollen im Zuge dessen eingenommen werden. Der Teil der Erhebung schließt mit Fragen zur Kooperationsintensität und zur Anpassung von Geschäftsmodell-Elementen. Art und Weise der Einbringung in Ökosysteme Zunächst wurden die Probanden gebeten, anzugeben, wie ihr Unternehmen Wert schafft (siehe Abb. 4.35). Ein deutliches Bild zeigt die Frage nach der Art und Weise, wie sich Unternehmen in Ökosysteme einbringen. Die Mehrheit der befragten Unternehmen

Abb. 4.35   Art und Weise der Einbringung in Ökosysteme

92

4  Quantitative Erhebung

schafft Wert durch die Bereitstellung von Dienstleistungen (82 %: 50 % trifft stark und 32 % trifft zu). 51 % (30 % trifft stark und 21 % trifft zu) der befragten Unternehmen schaffen Wert durch die Bereitstellung physischer Güter, wobei Fertigung sowie Vertrieb der Güter in Eigenregie erfolgt. 34 % (15 % trifft stark und 19 % trifft zu) der Probanden schaffen Wert durch die Entwicklung und Bereitstellung von Technologien (z. B. Software, Analytics) sowie 36 % durch die Schaffung von Konnektivität zwischen den einzelnen Wertschöpfungsakteuren, indem sie hierfür eine Plattform zur Verfügung stellen (12 % trifft stark und 24 % trifft zu). Die zuletzt genannten Einbringungsformen werden jedoch von 47 bzw. 50 % der Probanden als eher nicht und überhaupt nicht zutreffend beurteilt. Plattformen und Ökosysteme Hierbei wurde die Frage aufgeworfen, ob das Ökosystem der befragten Probanden auf einer Plattform basiert (siehe Abb. 4.36). 92 % der Unternehmen geben an, dass ihr Ökosystem auf keiner Plattform basiert. Bei acht Prozent der Unternehmen basiert das Ökosystem auf einer Plattform. Nachfolgend werden drei spezifische Fragen zu den Plattformen gestellt, wobei nur Unternehmen, deren Ökosystem auf einer Plattform beruht (acht Prozent; n = 9), berücksichtigt werden.

Abb. 4.36   Plattformen und Ökosysteme

4.3  Ergebnisse der quantitativen Erhebung

93

Zunächst wurde erfragt auf welcher Art Plattform das Ökosystem basiert (siehe Abb. 4.37). Ein recht einheitliches Bild zeigen die Probanden auf die Frage, auf welcher Plattform das Ökosystem basiert. Mit 88 % Nennungen (50 % stimmen stark und 38 % stimmen zu) verwenden Unternehmen, deren Ökosystem auf Plattformen basieren, transaktionsbezogene Plattformen. Diesen Plattformen dient eine Technologie, ein Produkt oder ein Service als Intermediär und ermöglicht den Austausch und die Transaktionen zwischen Anspruchsgruppen (Nutzern, Käufern und Zulieferern). Unterrepräsentiert sind investitionsbezogene Plattformen, auf denen Unternehmen hauptsächlich als Investoren agieren, welche Portfoliostrategien entwickelt haben. Sie werden von allen Probanden mit einer neutralen Zustimmung bewertet. Auch nutzen die meisten Unternehmen (83 % stimmen nicht zu) keine innovationsbezogenen Plattformen. Bei diesen Plattformen dient eine Technologie, ein Produkt, oder ein Service als Grundlage, auf welcher die Unternehmen komplementäre Technologien, Produkte und Services entwickeln. Weitestgehende Ablehnung (67 % stimmen nicht zu) erfährt auch die Nutzung integrierter Plattformen. Bei diesen handelt es sich um Plattformen, die sowohl transaktions- als auch innovationsbezogene Charakteristika aufweisen und auf diesen das Matching zwischen den Unternehmen stattfindet.

Abb. 4.37   Plattformen für Ökosysteme

94

4  Quantitative Erhebung

Abb. 4.38   Eingenommene Rollen in Plattformen

Des Weiteren wurde eruiert welche Rolle in der Plattform eingenommen wird (siehe Abb. 4.38). Auf die Frage, welche Rolle das Unternehmen in dieser Plattform einnimmt, agieren 67 % in der Rolle des Eigentümers, 56 % in der Rolle des Nutzers und 33 % in der Rolle des Owners. Zudem wurden Unternehmen, deren Ökosystem auf einer Plattform basiert, gefragt, ob das eigene Ökosystem ausgebaut oder mit anderen Ökosystemen partizipiert werden sollte (siehe Abb. 4.39). 63 % der Unternehmen sind der Meinung, dass sowohl das eigene Ökosystem ausgebaut als auch mit anderen Ökosystemen partizipiert werden soll. 25 % meinen, dass die Partizipation mit anderen Ökosystemen vorangetrieben werden soll, während 13 % der Meinung sind, dass der Ausbau des eigenen Ökosystems forciert werden sollte. Planung einer Plattformanwendung im Unternehmen Zudem wurden Unternehmen, deren Ökosystem auf keiner Plattform basiert (69 %; n = 105), gefragt, ob die Anwendung einer Plattform im Unternehmen geplant ist (siehe Abb. 4.40). 85 % der Probanden haben diesbezüglich keine Anwendung einer Plattform im Unternehmen geplant, 15 % der Probanden planen eine Anwendung von Plattformen im Unternehmen.

4.3  Ergebnisse der quantitativen Erhebung

Abb. 4.39   Ausbau des bestehenden oder Partizipation in anderen Ökosystemen

Abb. 4.40   Planung einer Plattformanwendung im Unternehmen

95

96

4  Quantitative Erhebung

Kooperationsintensität im Unternehmen Zudem wurden Unternehmen, deren Ökosystem auf keiner Plattform basiert, anhand verschiedener vordefinierter Kooperationsformen, nach der Kooperationsintensität befragt (siehe Abb. 4.41). 50 % der Probanden führen hierbei die Kooperation eines Produktionsvertriebs an. Jeweils 15 % charakterisieren ihre Kooperationsintensität über Lizenzverträge sowie aufgrund ihrer Positionierung als Tochtergesellschaft. Acht Prozent führen die Kooperationsform eines Joint Ventures an, weitere sieben Prozent beschränken sich auf den direkten und fünf Prozent auf den indirekten Export. Das Franchising liegt in keinem Unternehmen vor. Anpassung von Geschäftsmodell-Elementen zur Umsetzung digitaler Ökosysteme Abschließend wurden alle Probanden um eine Einschätzung der Notwendigkeit der Anpassung von Geschäftsmodell-Elementen zur Umsetzung digitaler Ökosysteme gebeten (siehe Abb. 4.42). Auf die Frage, welche Geschäftsmodellelemente am ehesten angepasst werden müssen, um digitale Ökosysteme bestmöglich umsetzen zu können, ist den Einschätzungen der Probanden zu entnehmen, dass am ehesten Kundenbeziehungen mit 46 % Nennungen im Geschäftsmodell angepasst werden müssen. 32 % nennen Anpassungen in den Schlüsselpartnerschaften, 27 % in der Kosten-

Abb. 4.41   Kooperationsintensität im Unternehmen

4.3  Ergebnisse der quantitativen Erhebung

97

Abb. 4.42   Anpassung von Geschäftsmodell-Elementen zur Umsetzung digitaler Ökosysteme

struktur, weitere 21 % in den Schlüsselaktivitäten und 18 % jeweils in den Einnahmequellen und Kanälen. 14 % sehen die Anpassung der Schlüsselressourcen, zwölf Prozent der Kundensegmente und elf Prozent der Wertangebote als notwendig zur bestmöglichen Umsetzung digitaler Ökosysteme an.

4.3.4 Erfolgswirkungen von Ökosystemen im Mittelstand Beim letzten Frageblock stehen die Erfolgswirkungen von Ökosystemen im Vordergrund der Betrachtung. In diesem sollen zunächst bedeutsame Aspekte hinsichtlich der Werteverteilung im Ökosystem erfragt werden. Darauf folgen Fragen zu Customer Journey, des Triple Bottom Line Konzeptes, zur zeitlichen Orientierung und zu Auswirkungen von Ökosystemen auf das Unternehmen, woraufhin konkrete Erfolgswirkungen durch die Partizipation in Ökosystemen diskutiert werden. Zudem werden notwendige Aspekte für ein Ökosystem angesprochen. Der Fragenblock schließt sodann mit Fragen zur Zufriedenheit mit ausgewählten Aspekten im Vergleich zum stärksten Mitbewerber.

98

4  Quantitative Erhebung

Verständnis von Wertgenerierung Um das Verständnis von Wertgenerierung unter den Befragten zu eruieren, wurden die Probanden gebeten, eine Einschätzung in einem Kontinuum zwischen Shareholder Value und Stakeholder Value abzugeben (siehe Abb. 4.43). Im Durchschnitt beziffert sich die Einschätzung auf 60 % zur Tendenz in Richtung des Stakeholder Values als Verständnisgrundlage von Wertgenerierung. Wertverteilung im Ökosystem Im weiteren Verlauf der Erhebung wurden die Probanden im Rahmen einer intervallskalierten Frage gebeten, Angaben zur Wertverteilung im Ökosystem zu tätigen (siehe Abb. 4.44). Als bedeutsamer Aspekt hinsichtlich der Wertverteilung im Ökosystem sticht vor allem der wirtschaftliche und gesellschaftliche Mehrwert im Verhältnis zu Kosten (84 %: 19 % sehr starke und 65 % starke Bedeutung) hervor. Eine weitere Bedeutung erfährt die gemeinsame Wertschöpfung von Unternehmen und Gesellschaft mit 68 % Nennungen (17 % sehr starke und 51 % starke Bedeutung). 46 % der Unternehmen (zwölf Prozent sehr starke und 34 % starke Bedeutung) legen zudem Wert darauf, dass das leistungswirtschaftliche Programm ­unternehmensspezifisch und intern generiert wird. Die beiden zuletzt genannten

Abb. 4.43   Verständnis von Wertgenerierung

4.3  Ergebnisse der quantitativen Erhebung

99

Abb. 4.44   Bedeutsame Aspekte hinsichtlich der Wertverteilung im Ökosystem

Aspekte werden lediglich von 17 bzw. 21 % der Unternehmen als weitestgehend unbedeutend beurteilt (geringe und sehr geringe Bedeutung). Customer Journey Im weiteren Verlauf werden Fragen zur Bekanntheit und zur aktiven Gestaltung der Customer Journey formuliert (siehe Abb. 4.45 sowie Abb. 4.46). Die Ergebnisse der Umfrage zeigen, dass 77 % der Probanden mit diesem Begriff nicht vertraut sind. 23 % hingegen ist der Begriff bekannt. Ferner wurde nach der aktiven Mitgestaltung der Customer Journey gefragt (n = 28). 39 % der befragten Unternehmen geben zu Protokoll, dass sie die Customer Journey stark aktiv mitgestalten, während sieben Prozent diese sehr stark aktiv mitgestalten. 36 % der Probanden forcieren indes weder eine aktive noch eine passive Mitgestaltung. 14 % der Probanden gestalten ihre Customer Journey stark, vier Prozent sehr stark passiv.

100

Abb. 4.45   Bekanntheit und Gestaltung der Customer Journey

Abb. 4.46   Aktive Mitgestaltung der Customer Journey

4  Quantitative Erhebung

4.3  Ergebnisse der quantitativen Erhebung

101

Triple Bottom Line Prinzips im Ökosystem Im Folgenden (Abb. 4.47) wurden die Probanden gebeten, Einschätzungen bezüglich des Triple Bottom Line Prinzips im Kontext von Ökosystemen abzugeben. Eine Einschätzung der Probanden hinsichtlich der Bestandteile des Tripple Bottom Line Prinzips im Ökosystem ergab ein relativ austariertes Gesamtbild. 87 % der Probanden schätzen ökonomische Gesichtspunkte, 81 % ethische Gesichtspunkte und 78 % ökologische Geschichtspunkte als wichtig und sehr wichtig für das Ökosystem ein. Zeitliche Orientierung Im weiteren Verlauf wurde eine Einschätzung der zeitlichen Orientierung des Unternehmens abgefragt (siehe Abb. 4.48). Hinsichtlich der Einschätzung der zeitlichen Orientierung des Unternehmens, gibt die Mehrheit der Probanden (76 %) zu Protokoll, eine langfristig bis dauerhafte Orientierung zu verfolgen. 24 % orientieren sich zeitlich kurz- bis mittelfristig.

Abb. 4.47   Bedeutung der Bestandteile des Triple Bottom Line Prinzips im Ökosystem

102

4  Quantitative Erhebung

Abb. 4.48   Zeitliche Orientierung

Auswirkungen von Ökosystem auf das Unternehmen In der betriebswirtschaftlichen Literatur werden vielfältige Auswirkungen von Ökosystemen auf Unternehmen diskutiert Abschn. 3.1.1. Deswegen wurden ausgewählte Auswirkungen eruiert (siehe Abb. 4.49). 68 % der Unternehmen (20 % sehr stark; 48 % stark), verzeichnen einen erhöhten Wert für den Kunden. 60 % der Unternehmen (15 % sehr stark; 45 % stark) geben an, dass sie eine im Vergleich zu den Konkurrenten effektivere Struktur generieren konnten. 58 % der Probanden (14 % sehr stark; 44 % stark) geben indes zu Protokoll, dass eine höhere Fokussierung auf Kernaktivitäten ermöglicht wurde. 50 % der Unternehmen (elf Prozent sehr stark; 39 % stark) konnten durch das Ökosystem neue Kundengruppen erschließen und 46 % (sieben Prozent sehr stark; 39 % stark) verzeichnen ein steigendes Unternehmenswachstum durch Netzwerkeffekte. 38 % der Unternehmen (13 % sehr stark; 25 % stark) können durch Ökosysteme Marktrisiken besser differenzieren; 30 % der Unternehmen (15 % sehr schwach; 15 % schwach) können die zuletzt genannte Auswirkung hingegen nicht verzeichnen. Erfolgswirkung durch die Partizipation in Ökosystemen Neben den Auswirkungen wurde zudem nach der erhofften Erfolgswirkung durch die Partizipation in Ökosystemen gefragt (siehe Abb. 4.50).

4.3  Ergebnisse der quantitativen Erhebung

Abb. 4.49   Auswirkungen von Ökosystem auf das Unternehmen

Abb. 4.50   Erfolgswirkung durch die Partizipation in Ökosystemen

103

104

4  Quantitative Erhebung

Rund die Hälfte der Unternehmen (72 %: 33 % sehr stark; 39 % stark) erhoffen sich durch die Partizipation in Ökosystemen eine bessere Kundeneinbindung. 63 % (20 % sehr stark; 43 % stark) erhoffen sich Produkt- und Serviceinnovationen, 60 % Kostenreduktionen (15 % sehr stark; 45 % stark) und 57 % (14 % sehr stark; 43 % stark) zusätzlichen Gewinn. Als weniger repräsentative aber dennoch bedeutsame Erfolgswirkung erhoffen sich 41 % (zehn Prozent sehr stark; 31 % stark) geringere Transaktionskosten und einen schnelleren Markteintritt erwünschen sich weitere 31 % (zwölf Prozent sehr stark; 19 % stark) der Probanden, wohingegen 29 % der Probanden (15 % sehr schwach; 14 % schwach) dies nicht unbedingt forcieren. Notwendige Aspekte im Ökosystem Zudem wurden die Probanden befragt welche Aspekte als essentiell für ein Ökosystem gelten können (siehe Abb. 4.51). Als notwendig erachtet die Mehrheit der Probanden einerseits, dass ein hohes Maß an Sicherheit garantiert wird (90 %: 52 % sehr stark, 38 % stark) und andererseits, dass die juristische Komponente hinsichtlich der Haftung geklärt werden muss (82 %: 36 % sehr stark; 46 % stark). Umstritten ist die Notwendigkeit, eine Zertifizierung durch neue Stellen erfolgen zu lassen, die 42 %

Abb. 4.51   Notwendige Aspekte im Ökosystem

4.3  Ergebnisse der quantitativen Erhebung

105

(14 % sehr stark; 28 % stark) als relevant und 38 % (22 % sehr schwach; 16 % schwach) als weniger relevant erachten. Thesen zur Bewertung der Wertverteilung im Ökosystem Abschließend wurden den Probanden Thesen bezüglich der Bewertung der Wertverteilung im Ökosystem offeriert und um eine Bewertung gebeten (siehe Abb. 4.52). Der These „Wir haben das Gefühl, dass wir wirtschaftlich geringfügig vom Ökosystem profitieren“ stimmen neun Prozent stark und weitere 45 % zu. Drei Prozent stimmen dieser These überhaupt nicht zu, weitere 26 % stimmen grundsätzlich nicht zu. 17 % der Probanden nehmen diesbezüglich eine neutrale Haltung ein. Der These „Wir haben das Gefühl, dass die entstandenen Werte wirtschaftlich gerecht unter den Akteuren verteilt sind“ stimmen sieben Prozent der Probanden stark und 36 % grundsätzlich zu. 33 % der befragten Unternehmen halten sich neutral, während weitere sieben Prozent der These überhaupt nicht und 18 % grundsätzlich nicht zustimmen. Der These „Wir haben das Gefühl, im Gegensatz zu anderen Akteuren unseres Ökosystems wirtschaftlich besser gestellt zu sein“ stimmen drei Prozent der

Abb. 4.52   Thesen zur Bewertung der Wertverteilung im Ökosystem

106

4  Quantitative Erhebung

befragten Unternehmen sehr stark und weitere 19 % grundsätzlich zu. 51 % nehmen hierzu eine neutrale Stellung ein, während 20 % grundsätzlich nicht und weitere sieben Prozent überhaupt nicht zustimmen. Der These „Wir gehen davon aus, dass wir zukünftig eine wirtschaftliche Besserstellung im Zuge der Digitalisierung unseres Ökosystems erfahren werden“ stimmen sechs Prozent der befragten Unternehmen sehr stark und weitere 46 % grundsätzlich zu. 32 % nehmen hierzu eine neutrale Stellung ein, während zehn Prozent grundsätzlich nicht und weitere sechs Prozent überhaupt nicht zustimmen. Der These „Wir gehen davon aus, dass wir zukünftig eine wirtschaftliche Schlechterstellung im Zuge der Digitalisierung unseres Ökosystems erfahren werden“ stimmen zwei Prozent der befragten Unternehmen sehr stark und weitere fünf Prozent grundsätzlich zu. 27 % nehmen hierzu eine neutrale Stellung ein, während 45 % dieser These grundsätzlich nicht und weitere 20 % überhaupt nicht zustimmen. Zufriedenheit mit Aspekten im Vergleich zum stärksten Wettbewerber Zum Abschluss der quantitativen Erhebung wurden Zufriedenheitsaspekte in Bezug zum stärksten Wettbewerber eruiert (siehe Abb. 4.53).

Abb. 4.53   Zufriedenheit mit Aspekten im Vergleich zum stärksten Wettbewerber

4.4 Ergebnisdiskussion

107

Im Vergleich zum stärksten Wettbewerber zeigen sich die befragten Unternehmen mit 77 % Nennungen (38 % sehr zufrieden; 39 % zufrieden) mehrheitlich hinsichtlich ihres Grads der Kundenloyalität sowie mit jeweils 74 % Nennungen mit ihrer Nachhaltigkeit (16 % sehr zufrieden; 58 % zufrieden) und der Entwicklung des Unternehmens (19 % sehr zufrieden; 55 % zufrieden) zufrieden. Knapp die Hälfte der Unternehmen gibt mit 68 % Nennungen (18 % sehr zufrieden; 50 % zufrieden) zudem eine zufriedenstellende Innovationskraft im Vergleich zum stärksten Wettbewerber zu Protokoll. 61 % nennen diesbezüglich die eigene Profitabilität (6 % sehr zufrieden; 55 % zufrieden), 59 % (16 % sehr zufrieden; 43 % zufrieden) die Gewinnprognose des Unternehmens und 57 % die eigene Wachstumsrate (zwölf Prozent sehr zufrieden; 45 % zufrieden). 51 % zeigen sich indes mit ihrem Marktanteil (zehn Prozent sehr zufrieden; 41 % zufrieden) und weitere 50 % (elf Prozent sehr zufrieden; 39 % zufrieden) mit ihrem Digitalisierungsgrad im Vergleich zum stärksten Wettbewerber zufrieden. Zugleich wird deutlich, dass sich einzelne Unternehmen vermehrt mit ihrer Gewinnprognose (27 %: drei Prozent sehr unzufrieden; 24 % unzufrieden) und ihrem Digitalisierungsgrad (25 %: zwei Prozent sehr unzufrieden; 23 % unzufrieden), eher unzufrieden zeigen.

4.4 Ergebnisdiskussion Im Anschluss an die Ergebnispräsentation sollen die gewonnen Erkenntnisse aus der qualitativen Erhebung in diesem Abschnitt diskutiert werden. Fundament der Ergebnisdiskussion bildet die Kontrastierung der Stichprobe. Als Grundlage der Kontrastierung wurden die Einschätzungen der Probanden zur Zufriedenheit im Vergleich zum stärksten Wettbewerber herangezogen. Im Rahmen einer Faktorenanalyse konnten die Unternehmen in zwei Gruppen kategorisiert werden, die sich in „erfolgreiche“ und „weniger erfolgreiche“ Unternehmen unterteilen lassen. Anhand dieser erfolgsabhängigen Betrachtung ergeben sich mitunter aussagekräftige Unterschiede bzw. Gemeinsamkeiten, die stellenweise im Folgenden hervorgehoben werden. Prozentuale Unstimmigkeiten können auf zwei Gründe zurückgeführt werden. Einerseits auf die Tatsache, dass in der Kontrastierung „keine Angaben“ unberücksichtigt bleiben, anderseits auf die Faktorenanalyse an sich, welche auf dem Fragenblock „Erfolgswirkungen von Ökosystemen im Mittelstand“ basierend durchgeführt wurde, sodass es zu Stichprobengrößenunterschieden kommen kann. Aufgrund des Umfangs der Erhebung werden im Anschluss lediglich stellenweise Kontrastierungen diskutiert, bei denen die Unternehmen in ihrem Antwortverhalten divergieren, um

108

4  Quantitative Erhebung

dadurch die Rahmenbedingungen, Ausgestaltungen, Typologien und Erfolgswirkungen von Ökosystemen zwischen erfolgreichen und weniger erfolgreichen Mittelständlern vergleichen zu können. Rahmenbedingungen für Ökosysteme In Bezug auf die Rahmenbedingungen für Ökosysteme lassen sich bereits Unterschiede zwischen den erfolgreichen und weniger erfolgreichen Mittelständlern aus der vorliegenden Stichprobe identifizieren. Hinsichtlich der Wertschöpfungstiefe wird deutlich, dass erfolgreiche Unternehmen tendenziell eine höhere Wertschöpfungstiefe der Eigenfertigung (Median 80 %) vorweisen, als weniger erfolgreiche Unternehmen (Median 70 %) (siehe Abb. 4.54). Dies ist in Einklang zu bestehenden Forschungserkenntnissen zu sehen. So hatte Simon die hohe vertikale Integration der Wertschöpfungsaktivitäten als spezifisches Charakteristikum mittelständischer „Hidden Champions“ hervorgehoben. Auch hinsichtlich der Veränderung der Wertschöpfungstiefe zeigen sich deutliche Unterschiede zwischen den erfolgreichen und weniger erfolgreichen Mittelständlern. Bei knapp der Hälfte (40 %) der erfolgreichen Unternehmen ist die Wertschöpfungstiefe in den letzten Jahren gestiegen bzw. stark gestiegen. Bei den weniger erfolgreichen Unternehmen verzeichnen lediglich 19 % der Probanden

Abb. 4.54   Kontrastierung der Wertschöpfungstiefe

4.4 Ergebnisdiskussion

109

einen spürbaren Wertschöpfungsanstieg (siehe Abb. 4.55). Dies lässt vermuten, dass erfolgreiche Mittelständler durch ihre starke vertikale Integration tendenziell spezialisierter am (Nischen-)Markt auftreten, als es weniger erfolgreichen Mittelständlern gelingt. In diesem Kontext kommt es auch zu Unterschieden bezüglich der aktuellen und zukünftigen Bedeutung von Ökosystemen für das Unternehmen. Die zukünftige Bedeutung von Ökosystemen erachten 78 % der erfolgreichen Unternehmen als wichtig bzw. sehr wichtig. Unter den weniger erfolgreichen Unternehmen gehen 70 % von einer zukünftig wichtigen bzw. sehr wichtigen Bedeutung von Ökosystemen aus (siehe Abb. 4.56). Dies impliziert, dass erfolgreiche Mittelständler tendenziell ein höheres Bewusstsein für die Bedeutsamkeit von Ökosystemen in der digitalen Welt vorweisen, als weniger erfolgreiche Unternehmen. Ausgehend von der divergierenden Bedeutungszuweisung von Ökosystemen in der digitalen Welt, zeigen erfolgreiche und weniger erfolgreiche Unternehmen ein unterschiedliches Meinungsbild hinsichtlich der grundsätzlichen Rahmenbedingungen für Ökosysteme. Die Ergebnisse zeigen, dass sich sowohl erfolgreiche (48 % starke bzw. sehr starke Zustimmung) als auch weniger erfolgreiche Unternehmen (66 % starke bzw. sehr starke Zustimmung) einem hohen Digitalisierungsdruck ausgesetzt fühlen. Es lässt sich also festhalten, dass

Abb. 4.55   Kontrastierung der Veränderung der Wertschöpfungstiefe

110

4  Quantitative Erhebung

Abb. 4.56   Kontrastierung der zukünftigen Bedeutung von Ökosystemen

weniger erfolgreiche Unternehmen einem höheren Druck ausgesetzt sind. Zudem wird ersichtlich, dass erfolgreiche Unternehmen der Aussage „Wir sehen eine zunehmende Bedeutung von Ökosystemen und haben uns bewusst dazu entschieden, uns aktiv einzubringen“ etwas weniger stark zustimmen (50 %) als weniger erfolgreiche Unternehmen (63 %) (siehe Abb. 4.57). Bezogen auf die Anzahl der Akteure im Ökosystem zeigen die Kontrastierungen, dass erfolgreiche Unternehmen meist über eine höhere Anzahl an Akteuren im Ökosystem verfügen (siehe Abb. 4.58). Gemeinsamkeiten zeigen sowohl erfolgreiche als auch weniger erfolgreiche Unternehmen dahingehend, dass beide überwiegend das Modell des Integrators präferieren. Dies erscheint plausibel, zumal Mittelständler sich typischerweise durch ihre hohe Spezialisierung auf die unternehmenseigenen Kernkompetenzen kennzeichnen. Dieses Charakteristikum spiegelt sich am ehesten in dem Integrated Model wieder. Daneben präferieren erfolgreiche Unternehmen tendenziell eher (20 %) das Modell des Orchestrators als weniger erfolgreiche Unternehmen (16 %) (siehe Abb. 4.59). Unterschiede zeichnen sich zudem in Bezug auf die Einbindung von Stakeholdern in das Ökosystem ab. Die Kontrastierungen zeigen, dass die Kunden (zu 73 % stark und sehr stark) und die Manager (zu 67 % stark und sehr stark) bei erfolgreichen Unternehmen stärker in das bestehende Ökosystem

4.4 Ergebnisdiskussion

Abb. 4.57   Kontrastierung der Thesen

Abb. 4.58   Kontrastierung der Anzahl der Akteure im Ökosystem

111

112

4  Quantitative Erhebung

Abb. 4.59   Kontrastierung der Beschreibung des Modells im Ökosystem

integriert werden. Unter den weniger erfolgreichen Unternehmen werden ebenfalls eher die Kunden mit 71 % (starke und sehr starke Zustimmung) und die Manager mit 71 % (starke und sehr starke Zustimmung) in das Ökosystem integriert (siehe Abb. 4.60). Ausgestaltung von Ökosystemen im Mittelstand Im Zuge der Ausgestaltung von Ökosystemen assoziieren erfolgreiche und weniger erfolgreiche Unternehmen verschiedene Chancen durch die Partizipation in Ökosystemen sowie unterschiedliche Hindernisse für den Einsatz von Plattformen. Weniger erfolgreiche Unternehmen (68  % starke bzw. sehr starke Zustimmung) sehen im Gegensatz zu erfolgreichen Unternehmen (52 % starke bzw. sehr starke Zustimmung) vornehmlich eine Chance in der Entwicklung von neuen Geschäftsmodellen durch die Partizipation in Ökosystemen. Ein weniger drastisches Bild zeigt sich hinsichtlich der Chance auf erhöhte Effizienz in der Produktentwicklung. Hierbei stimmen 54 % der Vertreter von weniger erfolgreichen Unternehmen stark bzw. sehr stark zu. Erfolgreiche Unternehmen erwägen dies zu 56 % als Chance (siehe Abb. 4.61). Bezugnehmend auf die Hindernisse für den Einsatz von Plattformen kann festgestellt werden, dass erfolgreiche Unternehmen vor allem Hindernisse

4.4 Ergebnisdiskussion

Abb. 4.60   Kontrastierung der Integration von Stakeholdern in das Ökosystem

Abb. 4.61   Kontrastierung der Chancen durch die Partizipation in Ökosystemen

113

114

4  Quantitative Erhebung

h­insichtlich des Teilens kompetitiver Informationen (83 % Zustimmung und starke Zustimmung) identifizieren. Weniger erfolgreiche Unternehmen hingegen sehen mit 75 % (Zustimmung und starke Zustimmung) ein Hindernis in der fehlenden Datensicherheit. Ähnlich verhält es sich mit der bereits aufgezeigten fehlenden Bereitschaft der interagierenden „Player“, die 63 % (Zustimmung und starke Zustimmung) der weniger erfolgreichen Unternehmen als explizites Hindernis erachten (Abb. 4.62). Ökosysteme Typologie An die vorherigen Kontrastierungen anknüpfend, werden zudem Unterschiede – bezogen auf die Art und Weise der Einbringung in Ökosysteme und die Notwendigkeit zu Geschäftsmodellanpassungen durch die Partizipation in Ökosystemen – zwischen erfolgreichen und weniger erfolgreichen Mittelständlern deutlich. Bezugnehmend auf die Art und Weise der Einbringung in Ökosystemen generieren weniger erfolgreiche Unternehmen im Gegensatz zu erfolgreichen Unternehmen eher Wert durch die Schaffung von Konnektivität zwischen den einzelnen Wertschöpfungsakteuren (44 % starke und sehr starke Zustimmung). Vertreter von erfolgreichen Unternehmen stimmen dem nur zu 33 % stark bzw.

Abb. 4.62   Kontrastierung der Hindernisse für den Einsatz herkömmlicher Plattformen

4.4 Ergebnisdiskussion

115

sehr stark zu. Stattdessen erzeugen erfolgreiche Unternehmen überwiegend Wert durch die Bereitstellung von Dienstleistungen (83 % starke und sehr starke Zustimmung) (siehe Abb. 4.63). In der wissenschaftlichen Literatur wird die Abkehr von Produkten hin zu Dienstleistungen als eine der wesentlichsten Entwicklungstendenzen in der digitalen Welt hervorgehoben. Die Ergebnisse implizieren, dass erfolgreiche Mittelständler diese Trends eher umzusetzen scheinen, in dem sie eine stärkere Dienstleistungsorientierung im Wertangebot verfolgen. Hinsichtlich notwendiger Anpassungen von Geschäftsmodell-Elementen zur Umsetzung digitaler Ökosysteme müssen in weniger erfolgreichen Unternehmen (25 % positive Resonanz) im Gegensatz zu erfolgreichen Unternehmen (neun Prozent positive Resonanz) die Schlüsselressourcen angepasst werden. Auch hinsichtlich der Wertangebote zeigt sich ein ähnliches Bild. 17 % der weniger erfolgreichen Unternehmen stellen hierbei Anpassungsbedarf fest, wohingegen nur sieben Prozent der erfolgreichen Unternehmen dies zu Protokoll geben. Bezüglich der anderen Geschäftsmodellkomponenten können keine wesentlichen Unterschiede zwischen erfolgreichen und weniger erfolgreichen Unternehmen festgestellt werden (siehe Abb. 4.64).

Abb. 4.63   Kontrastierung der Art und Weise der Einbringung in Ökosysteme

116

Abb. 4.64    Kontrastierung der Umsetzung digitaler Ökosysteme

4  Quantitative Erhebung

Anpassung

von

Geschäftsmodell-Elementen

zur

Erfolgswirkungen von Ökosystemen im Mittelstand Ebenfalls zeigen sich vielfältige Unterschiede hinsichtlich der Beurteilung der Erfolgswirkung von Ökosystemen, die im Nachfolgenden erläutert und diskutiert werden. Deutliche Unterschiede sind hinsichtlich des Aspektes „gemeinsame Wertschöpfung von Unternehmen und Gesellschaft“ zu konstatieren. Diese wird vor allem von erfolgreichen Unternehmen (82 % starke bzw. sehr starke Bedeutung) als bedeutsam eingeschätzt, wohingegen nur 60 % der weniger erfolgreichen Unternehmen dieser eine hohe Bedeutung einräumen (siehe Abb. 4.65). Dies könnte implizieren, dass erfolgreiche Unternehmen vornehmlich eine Stakeholderorientierung verfolgen, bei der dem Konzept des Shared Value einen hohen Stellenwert zugeschrieben wird. Hinsichtlich der Mitgestaltung der Customer Journey ist festzustellen, dass 28 % der befragten weniger erfolgreichen Unternehmen die Customer Journey eher stark bzw. sehr stark passiv gestalten lassen. Unter den erfolgreichen Unternehmen wird die Mitgestaltung hingegen lediglich von acht Prozent der Probanden nicht aktiv fokussiert (siehe Abb. 4.66). Dies lässt vermuten, dass sich erfolgreiche Unternehmen tendenziell gezielter mit den Möglichkeiten zur aktiven Mitgestaltung der Customer Journey auseinandersetzen, während unter den weniger erfolgreichen Mittelständlern die aktive Mitgestaltung der Customer Journey vereinzelt noch in den Anfängen steht.

4.4 Ergebnisdiskussion

117

Abb. 4.65    Kontrastierung bedeutsamer Aspekte hinsichtlich der Wertverteilung im ­Ökosystem

Abb. 4.66   Kontrastierung der aktiven Mitgestaltung der Customer Journey

118

4  Quantitative Erhebung

Auch weisen erfolgreiche und weniger erfolgreiche Unternehmen Unterschiede hinsichtlich der Berücksichtigung des Triple Bottom Line Prinzips im Ökosystemkontext auf. Grundsätzlich sind ökologische, ethische aber auch ökonomische Gesichtspunkte gleichermaßen unter erfolgreichen wie auch unter weniger erfolgreichen Unternehmen vertreten. Ökologische Gesichtspunkte werden eher von erfolgreichen Unternehmen berücksichtigt. Hierbei ordnen 82 % der Probanden diesem Gesichtspunkt eine wichtige bzw. sehr wichtige Bedeutung zu, wohingegen nur etwas mehr als zwei Drittel (70 %) der Unternehmensvertreter von weniger erfolgreichen Unternehmen diesen Gesichtspunkt als ähnlich bedeutsam erachten (siehe Abb. 4.67). Hieran anknüpfend zeigen sich zudem Unterschiede in der zeitlichen Orientierung der Unternehmen. Im Gegensatz zu weniger erfolgreichen Unternehmen (69 %) charakterisieren 81 % der erfolgreichen Unternehmen die zeitliche Orientierung als langfristig bis dauerhaft (siehe Abb. 4.68). Dies ließe vermuten, dass auch die Partizipation in Ökosystemen von erfolgreichen Mittelständlern eher langfristig als kurzfristig forciert wird.

Abb. 4.67   Kontrastierung der Bedeutung der Bestandteile des Triple Bottom Line Prinzips im Ökosystem

4.4 Ergebnisdiskussion

119

Abb. 4.68   Kontrastierung der zeitlichen Orientierung

Bezugnehmend auf die Auswirkungen von Ökosystemen auf das Unternehmen, verzeichnen weniger erfolgreiche Unternehmen vornehmlich die Erschließung von neuen Kundengruppen (57 % starke und sehr starke Zustimmung) als Auswirkung von Ökosystemen auf das Unternehmen, wohingegen 48 % der erfolgreichen Unternehmen diesem Aspekt eine starke bzw. sehr starke Bedeutung beimessen. Ein ähnliches Bild lässt sich hinsichtlich der Erhöhung des Kundenwertes skizzieren, die von 74 % der weniger erfolgreichen Unternehmen realisiert werden konnte (starke und sehr starke Zustimmung). Im Gegensatz dazu erachten nur 69 % der erfolgreichen Unternehmen dies als entscheidende Auswirkung auf das Unternehmen (siehe Abb. 4.69). Aufgrund dieser Erkenntnisse lässt sich die Kundenorientierung sowohl erfolgreicher als auch weniger erfolgreicher Mittelständler illustrieren. Bezogen auf die Erfolgswirkung durch die Partizipation in Ökosystemen erachten mehr als zwei Drittel (73 %) der weniger erfolgreichen Unternehmen die Kostenreduktion als starke bzw. sehr starke Erfolgswirkung. Diese Erfolgswirkung wird im Gegensatz dazu von 53 % der erfolgreichen Unternehmen zu Protokoll gegeben. Ähnlich verhält es sich bei dem zu erwartenden zusätzlichen Gewinn, der analog von zwei Dritteln (64 %) der weniger erfolgreichen Unternehmen als starke bzw. sehr starke Erfolgswirkung angesehen wird. 56 %

120

4  Quantitative Erhebung

Abb. 4.69   Kontrastierung der Auswirkungen von Ökosystem auf das Unternehmen

der erfolgreichen Unternehmen attestieren dem zusätzlichen Gewinn dieselbe Wirkung (siehe Abb. 4.70). Analog zeigen sich hinsichtlich der Notwendigkeit bestimmter Aspekte Bedeutungsunterschiede in der kontrastierten Stichprobe (siehe Abb. 4.71). Annähernd die Hälfte (54 %) der befragten Probanden von erfolgreichen Unternehmen sehen die Zertifizierung durch eine neutrale Stelle als wichtige Notwendigkeit für die erfolgreiche Ausgestaltung eines Ökosystems. Diese Notwendigkeit wird allerdings nur von 28 % der weniger erfolgreichen Unternehmen attestiert (siehe Abb. 4.71). Auch die Notwendigkeit einer juristischen Komponente zur Klärung von Haftungen wird stärker von den weniger erfolgreichen Unternehmen hervorgehoben. Dies lässt vermuten, dass erfolgreiche Unternehmen sich mit diesem Aspekt ggf. bereits auseinandergesetzt und im Unternehmen Verantwortlichkeiten festgelegt haben. Unterschiedliche Tendenzen zeigen sich zwischen erfolgreichen und weniger erfolgreichen Unternehmen in der Beurteilung der Wertverteilung innerhalb des Ökosystems. Weit über die Hälfte (61 %) der weniger erfolgreichen Unternehmen haben das Gefühl, wirtschaftlich geringfügig von dem Ökosystem zu profitieren. Erfolgreiche Unternehmen hingegen geben an (31 % starke bzw.

4.4 Ergebnisdiskussion

Abb. 4.70   Kontrastierung der Erfolgswirkung durch die Partizipation in Ökosystemen

Abb. 4.71   Kontrastierung der notwendigen Aspekte im Ökosystem

121

122

4  Quantitative Erhebung

Abb. 4.72   Kontrastierung der Thesen zur Bewertung der Wertverteilung im Ökosystem

sehr starke Zustimmung), eine Besserstellung durch die Partizipation in Ökosystemen erfahren zu haben. Auch positive Zukunftsaussichten zugunsten einer Besserstellung werden vornehmlich von erfolgreichen Unternehmen zu Protokoll gegeben (60 % starke bzw. sehr starke Zustimmung) (siehe Abb. 4.72). Dies könnte daran liegen, dass erfolgreiche Unternehmen die Bedeutung von Ökosystemen eher für sich erkannt haben, als weniger erfolgreiche Unternehmen. Auch die stärkere Langfristorientierung erfolgreicher Mittelständler könnte die Wahrnehmung über die Wertverteilung im Ökosystem nachhaltig beeinflussen.

Literatur Atteslander, P. (2010). Methoden der empirischen Sozialforschung. Berlin: Erich Schmidt Verlag. Backhaus, K., Erichson, B., Plinke, W., & Weiber, R. (2003). Multivariate Analysemethoden: Eine anwendungsorientierte Einführung. Berlin: Springer. Becker, W. (1990). Funktionsprinzipien des Controlling. Zeitschrift für Betriebswirtschaft, 60(3), 295–318.

Literatur

123

Becker, W., & Ulrich, P. (2011). Mittelstandsforschung: Begriffe, Relevanz und Konsequenzen. Stuttgart: Kohlhammer. Bortz, J., & Döring, N. (2002). Forschungsmethoden und Evaluation: Für Human- und Sozialwissenschaftler. Berlin: Springer. Bühner, R. (2004). Betriebswirtschaftliche Organisationslehre (10.  Aufl.). München: Oldenbourg Wissenschaftsverlag. Creswell, J. W., & Clark, V. L. P. (2007). Designing and conducting mixed methods research. Thousand Oaks: Sage. Diekmann, A. (2006). Empirische Sozialforschung: Grundlagen, Methoden, Anwendungen. Hamburg: Rowohlt-Taschenbuch. Gläser, J., & Laudel, G. (2006). Experteninterviews und qualitative Inhaltsanalyse. Wiesbaden: Springer VS. Homburg, C., & Giering, A. (1996). Konzeptualisierung und Operationalisierung komplexer Konstrukte: Ein Leitfaden für die Marketingforschung. Marketing – Zeitschrift für Forschung und Praxis, 18(1), 5–24. Homburg, C., Schilke, O., & Reimann, M. (2009). Triangulation von Umfragedaten in der Marketing- und Managementforschung. Die Betriebswirtschaft, 69(2), 175–195. Kluge, S. (2001). Strategien zur Integration qualitativer und quantitativer Erhebungs- und Auswertungsverfahren. In S. Kluge & U. Kelle (Hrsg.), Methodeninnovation in der Lebenslaufforschung (S. 37–88). Weinheim/München: Juventa. Mayring, P. (2007). Qualitative Inhaltsanalyse: Grundlagen und Techniken. Weinheim: Beltz. Rodeghier, M. (1997). Marktforschung mit SPSS: Analyse, Datenerhebung und Auswertung. Bonn: Thomson. Schnell, R., Hill, P., & Esser, E. (2005). Methoden der empirischen Sozialforschung. München: Oldenbourg. Schwaiger, M. (2009). Theorien und Methoden der Betriebswirtschaft: Handbuch für Wissenschaftler und Studierende. München: Vahlen. Srnka, K. J. (2007). Integration qualitativer und quantitativer Forschungsmethoden – Der Einsatz kombinierter Forschungsdesigns als Möglichkeit zur Förderung der Theorieentwicklung in der Marketingforschung als betriebswirtschaftliche Disziplin. Marketing ZFP, 29(4), 247–260.

5

Qualitative Erhebung

Anknüpfend an die quantitative Erhebung werden im Folgenden die Erkenntnisse aus den Fallstudien vorgestellt, um das Themengebiet möglichst ganzheitlich abzudecken. Die Fallstudien werden anhand der Positionierung des Mittelständlers innerhalb des Ökosystems paradigmatisch anhand von Case Studies im Detail vorgestellt. Die hieraus gewonnenen Forschungserkenntnisse sollen als Ergänzung zur Online-Umfrage gewertet werden. Mithilfe der durchgeführten Interviews lassen sich sodann tief greifende Einblicke in die Rahmenbedingungen, Ausgestaltungsformen und Erfolgswirkungen von Ökosystemen in der mittelständischen Unternehmenspraxis generieren, auf deren Basis generische Handlungsempfehlungen abgeleitet werden können. Hierfür wird zunächst das verwendete Forschungsdesign darlegt, bevor die Fallstudien im Detail vorgestellt werden.

5.1 Forschungsdesign Forschungsseitig kann dem Mittelstand in Bezug auf die Thematik um digitale Ökosysteme und Plattformen eine unzureichende Basis an theoretischen und empirischen Erkenntnissen attestiert werden. Vor allem fehlt es an gesicherten Erkenntnissen zur Ausgestaltung von Ökosystemen speziell für mittelständische Unternehmen. Die quantitative Forschungsmethodik konnte diesbezüglich bereits erste Erkenntnisse liefern, allerdings ohne Berücksichtigung der notwendigen Kontextfaktoren. Diesbezüglich eignet sich der qualitative Forschungsansatz, um den Untersuchungsgegenstand durch die Anwendung offener Fragestellungen im Sinne eines Phänomen-bezogenen Forschungsansatzes in der Tiefenstruktur eruieren und im Gesamtkontext betrachten zu können. Dabei besteht die ­ Möglichkeit

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 W. Becker et al., Ökosysteme im Mittelstand, Management und Controlling im Mittelstand, https://doi.org/10.1007/978-3-658-29844-9_5

125

126

5  Qualitative Erhebung

für den Interviewer, Nachfragen zu einzelnen Begriffsverständnissen und Themenbereichen zu stellen sowie weiterführend die Rahmenbedingungen für ökosystembezogene Entscheidungen zu hinterfragen, um konstituierend zur quantitativen Forschung tiefere, ganzheitlichere Einblicke in das Untersuchungsobjekt zu generieren. Um diesem Anspruch gerecht zu werden, sollte der verwendete Forschungsansatz im Einklang mit dem quantitativen Forschungsdesign sowohl die notwendige Tiefe, als auch hinreichende Flexibilität und Offenheit bei der Durchführung des Forschungsvorhabens bieten. Dies entspricht dem qualitativen Forschungsansatz von Bortz und Döring (2002), auf den im Rahmen der qualitativen Studie zurückgegriffen wird. Der qualitative Forschungsansatz ermöglicht die interpretative Verarbeitung und Auswertung des transkribierten Datenmaterials (Bortz und Döring 2002, S. 274) und fördert auf diese Weise das Verstehen von komplexen Zusammenhängen (Flick 2007, S. 23). Die qualitative Forschungsausrichtung widmet sich vordergründig der Beschreibung des Forschungsgegenstandes, wobei sowohl die individuellen Sichtweisen der beteiligten Subjekte als auch die subjektiven und sozialen Konstrukte hinreichende Berücksichtigung finden (Flick 2007, S. 17). Im Bereich der qualitativen Forschung gibt es grundsätzlich verschiedene Möglichkeiten, dieses Forschungsziel zu erreichen, wobei nachfolgend lediglich die später zur Anwendung kommende Form dargestellt wird. Für das vorliegende Forschungsvorhaben zeigt sich eine Methode als geeignet, die die Untersuchung im natürlichen Kontext ermöglicht, sodass Einblicke in die individuellen Perspektiven betroffener Entscheider abgeleitet werden können. Ein solches Forschungsdesign repräsentiert die Fallstudie (Zaugg 2006, S. 13), die besonders für bisher offenstehende und wenig bearbeitete Fragestellungen Anwendung findet (Eisenhardt 1989, S. 548 f.). Nach Yin soll unter einer Fallstudie eine Art der empirischen Untersuchung verstanden werden, bei der ein Konstrukt oder Phänomen in seinem natürlichen Kontext untersucht wird (Yin 2003, S. 12 f.). Durch die Untersuchung im natürlichen Kontext, bietet die Fallstudie gegenüber anderen Forschungsmethoden die Vorteilhaftigkeit, ein tief greifendes Verständnis über relevante Zusammenhänge herbeizuführen, um letztlich zur Klärung des untersuchten Phänomens beizutragen. In Abhängigkeit von der Fallanzahl und den Analyseeinheiten unterscheidet Yin zwischen vier verschiedenen Forschungsdesigns für die Durchführung von Fallstudien. Für die vorliegende Untersuchung findet die multiple Fallstudie mit eingebetteten Analyseeinheiten (Yin 2003, S. 51) Anwendung. Im Rahmen von

5.1 Forschungsdesign

127

multiplen Fallstudien können nicht nur einzelne Fälle konkret analysiert, sondern auch fallübergreifende Gemeinsamkeiten und Unterschiede identifiziert und hervorgehoben werden. Nach der Vorstellung des verfolgten Forschungsdesigns wird nachfolgend die konkrete methodische Vorgehensweise beschrieben. In der Untersuchung orientiert sie sich an der von Eisenhardt dargestellten Methode zur Ableitung von theoretischen Erkenntnissen aus Fallstudien (Abb. 5.1). Innerhalb der ersten Untersuchungsphase wird der Mittelstand als Betrachtungsobjekt herangezogen und anschließend auf die Forschungserkenntnisse zum Themenkomplex um Ökosysteme übertragen. In der kombinativen Betrachtung können sodann erste Erkenntnisse zum Untersuchungsobjekt gewonnen werden. In einer zweiten Untersuchungsphase erfolgt die Auswahl geeigneter Unternehmen für die Fallstudien selbst. Um die Reliabilität und Validität der Untersuchung sicherstellstellen zu können, ist die Auswahl auf einer theoretischen Basis zu begründen. Gegenstand der dritten Untersuchungsphase ist die Durchführung der explorativen Befragung sowie die Auswertung des verbalen

Abb. 5.1   Ableitung theoretischer Erkenntnisse. (Nach Eisenhardt 1989, S. 548 f.)

128

5  Qualitative Erhebung

­ atenmaterials. Auch hier ist die Verwendung einer strukturierten VorgehensD weise fundamental, um letztlich eine Vergleichbarkeit der einzelnen Fallstudien untereinander zu ermöglichen. Innerhalb der vierten Phase werden die gewonnen Erkenntnisse sodann bezüglich ihrer Verifikation geprüft. Abschließend können die gewonnenen Erkenntnisse aus den Tiefeninterviews mit bestehenden wissenschaftlichen Theorien und anderen Forschungsergebnissen abgeglichen werden, um themenbezogene Thesen aufzustellen. Die verschiedenen Phasen einer Fallstudienuntersuchung können zusätzlich in unterschiedlichen Schritten zusammengefasst werden. Die hier zugrunde liegende Vorgehensweise lehnt an die Empfehlung nach Eisenhardt an und kann in sechs Schritte unterteilt werden (Eisenhardt 1989, S. 545). Bezugnehmend auf die optimale Anzahl der zu untersuchenden Fälle empfiehlt Eisenhardt aus Komplexitätsgründen, zwischen vier bis zehn Fallstudien durchzuführen (Eisenhardt 1989, S. 545). Im Rahmen dieser Fallstudienuntersuchung wurde die Fallanzahl allerdings bewusst überschritten. Ziel der Untersuchung ist es, möglichst umfangreiche und vielfältige Einblicke in die mittelständische Unternehmenspraxis zu generieren. Neben Festlegung der Fallstudienanzahl ist zudem die Wahl der Befragungsmethodik relevant. In Anlehnung an Yin (2003) eignet sich das Interview als geeignete Datenquelle für das Forschungsdesign der Fallstudie. Peräkyla weist in diesem Zusammenhang auf die Vorteilhaftigkeit hin, subjektive Zusammenhänge erschließen zu können (Peräkyla 2005, S. 869). Für die Ausgestaltung des Interviews besteht die Wahl zwischen verschiedenen Ausgestaltungsformen. Das problemzentrierte Interview ist dabei als eine Spezialform des Interviews zu sehen. Bei problemzentrierten Interviews handelt es sich um eine offene und mittels Leitfaden halbstrukturierte Befragung (Mayring 2007, S. 50 f.). Innerhalb von Befragungsabläufen werden lediglich Überkategorien zu verschiedenen Themenschwerpunkten im Vorfeld festgelegt, die Interviewführung selbst wird jedoch weitestgehend offen gehalten. Dadurch wird es ermöglicht, die „subjektiven Perspektiven und Deutungen“ (Mayring 2007, S. 51) der Befragten zu erkennen und zugleich sicherzustellen, dass keine Unklarheiten seitens des Befragten existieren. Im Falle dessen stehen sowohl dem Befragten als auch dem Interviewer die Möglichkeiten offen, nachzufragen. Aus diesen Gründen wird für die Fallstudienuntersuchung auf die Erhebungsmethodik von problemzentrierten Interviews zurückgegriffen (Mayring 2007, S. 48 ff.; Hopf 2007, S. 349 ff.). Im Rahmen von problemzentrierten Interviews können induktive und deduktive Argumentationsschritte miteinander kombiniert werden. Die zur Anwendung kommenden Theorien können sodann auf Basis der Erkenntnisse vom Forscher im

5.1 Forschungsdesign

129

Nachgang modifiziert werden (Lamnek 2006, S. 364). Das Verfahren ist somit mit der von Becker propagierten Forschungskonzeption im Gegenstrom (Becker 1990, S. 296) in Einklang zu bringen (siehe Abb. 5.2). Der Kern des Konzeptes einer Forschung im Gegenstrom bildet die Synthese deduktiv erarbeiteter betriebswirtschaftlicher Theorien und induktiv aus empirischen Erhebungen und Daten ermittelter Erkenntnisse. Durch die Konfrontation beider Perspektiven lassen sich im Ergebnis Wissenszuwächse generieren. Die deduktive als auch induktive Wissensgenerierung ähnelt der Triangulation von Erkenntnissen in der Wissenschaftstheorie. Sie ermöglicht zudem, dass neben den verschiedenen Methoden der Datenerhebung, auch verschiedene Ansätze der Dateninterpretation genutzt werden (Becker 1990, S. 296). Als Zielsetzung ermöglicht die Forschung im Gegenstrom ein ganzheitlich geschlossenes Bild des Untersuchungsobjektes. Der Interviewleitfaden ermöglicht in der beschriebenen Vorgehensweise sowohl die Triangulation innerhalb (bspw. durch die Anwendung des Interviewleitfadens), als auch zwischen den Fallstudien (bspw. durch die Verwendung desselben Interviewleitfadens in allen Fallstudien). Hierdurch werden die Konstruktvalidität sowie die interne und externe Validität gesteigert. Die Validität wird durch die Wahl unterschiedlicher Erhebungsmethoden (z. B. Dokumente, Beobachtungen, Interviews, kommunikative Rückkopplungen der Ergebnisse mit Interviewpartnern) sichergestellt.

Abb. 5.2   Forschungskonzeption im Gegenstrom. (Nach Becker 1990, S. 296)

130

5  Qualitative Erhebung

Die Datenerhebung mittels problemzentrierter Interviewleitfäden lässt sich dabei in drei wesentliche Prozessschritte untergliedern, die sich in die Vorbereitung der Interviews, die Fallstudiendurchführung sowie in die Nachbereitung der qualitativen Datenerhebung untergliedern lassen. Die Vorbereitungsphase der Interviews umfasst die Auswahl geeigneter Probanden nach ex ante definierten theoretischen Auswahlkriterien. Geeignete Probanden wurden per Internetrecherche sowie aus der Datenbank des EFAMs identifiziert. Zur Einbeziehung mittelständischer Unternehmen, wurde sich an der größenklassifikatorischen Mittelstandsdefinition des EFAMs orientiert. Zusätzlich ergab sich aus der Fragebogenaktion heraus die Möglichkeit, sich als Experte für ein Interview zur Verfügung zu stellen, sodass einige der Probanden bereits aus der quantitativen Umfrage heraus für ein Experteninterview gewonnen werden konnten. Auf diesem elektronischen Wege wurden insgesamt 42.296 Probanden die Möglichkeit gegeben, sich als Experte für ein Interview zur Verfügung zu stellen. Letztlich haben sich sowohl aus der Umfrage heraus als auch durch weitere Akquisitionskanäle 17 Probanden für eine Interviewteilnahme ausgesprochen. Im nächsten Schritt wurde ein Interviewleitfaden entwickelt. Der Interviewleitfaden besteht inhaltlich analog zur quantitativen Erhebung aus fünf zentralen Themenbereichen, um die notwendige Validität der Erkenntnisse sowohl innerhalb als auch zwischen den Fallstudien zu gewährleisten. Im ersten Abschnitt des Fragebogens werden zunächst die auf freiwilliger Basis getätigten Angaben zur interviewten Person und dem repräsentativen Unternehmen erhoben. Dadurch soll die Möglichkeit der Vergleichbarkeit zwischen den interviewten Unternehmensvertretern erhöht werden. Diese unternehmensspezifischen Merkmale können zugleich als argumentative Grundlage für etwaige Unterschiedlichkeiten herangezogen werden. Im zweiten Abschnitt des Interviewleitfadens werden analog zur quantitativen Erhebung zunächst die Rahmenbedingungen von Ökosystemen in der mittelständischen Unternehmenspraxis thematisiert. In diesem Kontext werden die Probanden ebenfalls gebeten, ihre Definition von Ökosystemen und mögliche Trendszenarien bezogen auf das Wertschöpfungssystem des Unternehmens und in Bezug auf das Ökosystem darzulegen. Im dritten Themenblock des Interviewleitfadens wird die Ausgestaltung von Ökosystemen im Mittelstand aufgegriffen. In diesem Zusammenhang werden neben Rollenmodellen vor allem die aus der Partizipation in Ökosystemen resultierenden Chancen und Risiken thematisiert. Anschließend wird im vierten Abschnitt der Fokus auf die Typologie von Ökosystemen im Mittelstand gelegt. Gegenstand der Betrachtung ist dabei die Art und Weise, wie sich mittelständische Unternehmen in Ökosysteme einbringen, welche Plattformen ggf. genutzt werden und wie sich die Interaktion

5.1 Forschungsdesign

131

mit den Akteuren innerhalb eines Ökosystems aus der Mittelstandsperspektive heraus gestaltet. In diesem Zusammenhang wurden zudem Auswirkungen auf mittelständische Geschäftsmodelle durch die Partizipation in Ökosystemen erfragt. Im letzten Abschnitt wird schließlich die Erfolgswirkung von Ökosystemen betrachtet. Neben der Logik der Wertgenerierung war dabei auch die wahrgenommene Wertverteilung innerhalb des Ökosystems von Interesse. Weiterführende Faktoren, die für die Partizipation in Ökosystemen erfolgsträchtig sind, wurden ebenfalls im Rahmen des Interviewleitfadens thematisiert, um die Kontextfaktoren möglichst ganzheitlich berücksichtigen zu können. Am Ende des Interviewleitfadens bestand zudem die Möglichkeit, bisher unberücksichtigte Aspekte im Rahmen einer offenen Diskussion zusätzlich mit aufzugreifen. Grundsätzlich obliegt die Erstellung eines Interviewleitfadens dem Interviewer selbst. Im Interviewleitfaden wurden daher bereits offene Fragestellungen vorab definiert und (vor-)formuliert, um den Probanden eine Orientierung über die jeweiligen Fokusthemen für jeden Abschnitt zu geben. Der Interviewleitfaden fungiert daher trotz seiner konkreten Ausgestaltung im Kern lediglich als Orientierungsrahmen, wobei den Probanden in ihren Ausführungen keine Grenzen gesetzt wurden. Folglich konnte je nach Gesprächssituation jederzeit von den vorformulierten Fragestellungen abgewichen werden, um weitere Kontextfaktoren einzubringen. Die Unternehmensvertreter, die sich als Interviewpartner zur Verfügung gestellt haben, wurden direkt durch den Interviewer kontaktiert, um einen Termin zur Durchführung zu vereinbaren. Die Interviews wurden sowohl direkt am Standort des Unternehmens als auch telefonisch geführt. Die Durchführung der Interviews wurde stets persönlich von wissenschaftlichen Mitarbeitern des Europäischen Forschungsfeldes für Angewandte Mittelstandsforschung oder der Hochschule Aalen geführt, die die Transkripte unmittelbar im Anschluss an das Gespräch auf Basis eines Gedächtnisprotokolls anfertigten. Die Mitschriften wurden entsprechend der Transkriptionsregeln der Handhabbarkeit und Lesbarkeit angefertigt. Die Transkription selbst dient als Dokumentationsnachweis im Rahmen wissenschaftlicher Untersuchungen, bei der die mündlichen Kommunikationsprozesse schriftlich dokumentiert werden (zur Vorgehensweise der Transkription siehe Dittmar 2004). Getroffene Aussagen und gewonnene Erkenntnisse werden für die weitere Analyse in einem Transkript schriftlich fixiert. Hierzu besteht die Notwendigkeit, die Erlaubnis zur Transkription des Interviews von den Interviewpartnern im Vorfeld einzuholen. Keiner der Unternehmensvertreter sprach sich gegen eine Transkription des Gesprächsverlaufs aus. Um das Datenmaterial später analysieren und interpretieren zu können, wurden die Probanden zudem

132

5  Qualitative Erhebung

gebeten, das erstellte Interviewtranskript in Form eines Gedächtnisprotokolls mit ihren getätigten Aussagen für wissenschaftliche Zwecken freizugeben (Lamnek 2006, S. 616; Gläser und Laudel (2006), S. 157). Dadurch wird gewährleistet, dass die Aussagen der Probanden realitätsgetreu rekonstruiert worden sind und fehlerfrei in die weitere Analyse übernommen werden können. Zur Unterstützung des Transkriptionsprozesses wurde auf die bestehende Möglichkeit der Tonbandaufnahme zurückgegriffen, sofern die Probanden dem Einsatz dieses Dokumentationsmediums im Vorfeld zustimmten. Die Tonbandaufnahmen wurden primär nach Beendigung des Interviews unterstützend zur Überprüfung der Vollständigkeit des Gedächtnisprotokolls herangezogen. Der zeitliche Rahmen der Interviewdurchführung bewegte sich zwischen 60 und 120 min. Aufgrund der offenen Fragestellung und der freien Gesprächsführung konnte den Probanden lediglich eine grobe zeitliche Orientierung vorgegeben werden. Dies begründet sich zudem in der verfolgten Zielsetzung, möglichst viele Aspekte um das Kernthema beleuchten zu wollen und subjektiv wahrgenommene Kausalzusammenhänge erschließen zu wollen, sodass eine genaue Vorgabe des dafür benötigten Zeitraumes im Vorfeld schwer festzusetzen ist. Ob alle Fragen im Rahmen des Gesprächsverlaufs hinreichend beantwortet sind, oder stellenweise weiterer Fragebedarf besteht, obliegt der Entscheidung des Interviewers. Um allerdings zu verhindern, dass Themengebiete womöglich nicht vollumfänglich betrachtet werden konnten, setzten die Interviewer in jedem Abschnitt gezielt Standardisierung, Kontrollfragen und/oder Verständnisfragen ein. Um sowohl dem Interviewer als auch dem Interviewten einen Überblick über zu thematisierende Inhalte zu verschaffen, lag der Interviewleitfaden beiden während des Gesprächsverlaufs vor und wurde vorab ebenfalls elektronisch zugesandt. Die Interviews wurden zwischen September 2018 und Januar 2019 geführt, sodass sich der Erhebungszeitraum auf fünf Monate bemisst. Im Anschluss an die Interviewdurchführung wurden die oben genannten Transkripte an die befragten Unternehmensvertreter mit der Möglichkeit zur Durchsicht und Verbesserung zur Freigabe auf elektronischem Wege versendet. Den vorgefertigten Transkripten wurde die Freigabe seitens der Probanden ausgesprochen, sodass sie als Grundlage für die Auswertung herangezogen werden konnten. Dabei unterliegen sämtliche Unterlagen zu den Interviews den strengsten Anforderungen der Anonymisierung. Aus diesem Grunde sind die Unterlagen für die Öffentlichkeit unzugänglich und befinden sich unter Verschluss in den Räumlichkeiten des Europäischen Forschungsfeldes für Angewandte Mittelstandsforschung der Universität Bamberg oder der Hochschule Aalen. Dadurch können die Probanden sichergehen, dass die Daten streng vertraulich behandelt

5.1 Forschungsdesign

133

und ausschließlich im Rahmen der vorliegenden Studie zu wissenschaftlichen Zwecken genutzt werden. Dennoch stimmten einige der Probanden einer namentlichen Nennung ihrer Person, Position und auch des Unternehmens zu, weshalb die nachfolgenden Fallstudien mitunter nicht anonymisiert präsentiert werden dürfen. Die Ergebnispräsentation der durchgeführten Fallstudien basiert auf einer deskriptiv-explorativen Vorgehensweise. Demzufolge werden die einzelnen Fallstudien ganzheitlich beschrieben, um Kontextbedingungen, die durch die Interviewpartner identifiziert wurden, mit aufzugreifen und dadurch ganzheitlichere Einblicke in die Ausgestaltung von Ökosystemen aus den jeweiligen Fallstudien generieren zu können. Die Datenauswertung erfolgt unter Berücksichtigung der Gütekriterien für qualitative Forschungsvorhaben. Innerhalb der quantitativen Forschung bilden Objektivität, Reliabilität und Validität die zentralen Gütekriterien. Gemäß Steinke sind diese quantitativen Gütekriterien allerdings nicht ohne weiteres auf die qualitative Forschung übertragbar, zumal die qualitative Forschung einen geringeren Formalisierungsgrad sowie eine geringere Standardisierbarkeit aufweist (Steinke 2007, S. 322 f.). Dies bedeutet jedoch keinesfalls, diese Gütekriterien vernachlässigen zu dürfen. Auch in der qualitativen Forschung erlangen Gütekriterien eine hohe Bedeutung: Zum einen dienen sie dazu, Beliebigkeit und Willkür innerhalb des Forschungsansatzes entgegenwirken, und zum anderen unterstützen sie, die ansonsten drohenden Anerkennungsproblematik qualitativer Forschungserkenntnisse außerhalb der eigenen wissenschaftlichen Gemeinschaft zu vermeiden (Steinke 2007, S. 320). Um die Schwächen des geringeren Formalisierungsgrades und der geringeren Standardisierbarkeit zu kompensieren, empfiehlt Steinke eine universelle und allgemein verbindliche Erstellung eines Kriterienkatalogs, welcher unter Berücksichtigung des spezifischen Forschungsfeldes und des konkreten Untersuchungsgegenstands Anwendung finden sollte. Als allgemein zur Anwendung kommende, mögliche Gütekriterien nennt Steinke mitunter die intersubjektive Nachvollziehbarkeit, Indikation des Forschungsprozesses, empirische Verankerung, Limitation, Kohärenz, Relevanz sowie reflektierende Subjektivität (Steinke 2007, S. 323 f.). Im Rahmen der vorliegenden Studie sollen die von Steinke definierten Gütekriterien Anwendung finden. Dem Gütekriterium der intersubjektiven Nachvollziehbarkeit wird durch die Offenlegung der Erhebungsmethoden und Transkriptionsregeln sowie der zugrunde liegenden Informationsquellen zugunsten der Transparenz und Nachvollziehbarkeit Folge geleistet. Lediglich die Auswertungsmethodik weist Einschränkungen auf. Wenngleich die verwendete Auswertungsmethodik eingangs vorgestellt wurde, bleiben die Transkripte aus

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5  Qualitative Erhebung

Anonymisierungsgründen unzugänglich für Dritte. Dies schränkt die Bewertung des zugrunde liegenden Datenmaterials und der darauf basierenden Interpretationen für Dritte grundsätzlich ein. Als weiteres Gütekriterium wird die Indikation des Forschungsprozesses betrachtet. Die Indikation hinterfragt die Angemessenheit des gesamten Forschungsprozesses und kann für die vorliegende Studie als erfüllt angesehen werden. Aufgrund der skizzierten Forschungssituation wurde zunächst die qualitative Forschung nahegelegt, wobei die Methodenwahl zweckdienlich auf das intendierte Forschungsvorhaben abgestimmt ist. Zudem wird den Probanden unter Nutzung des Interviewleitfadens ausreichend Raum für Deutungen, Äußerungen und Einschätzungen eingeräumt. Außerdem wird der verwendete Interviewleitfaden wie auch das Sample der Probanden umfangreich erläutert, sodass die Indikation des Forschungsprozesses als gegeben beurteilt werden kann. Die empirische Verankerung bildet ein weiteres, zu berücksichtigendes Gütekriterium. Dieses Kriterium kann durch den Einsatz der Grounded Theory als Auswertungsmethodik erfüllt werden. Dabei finden Abweichungen im Rahmen der Datenauswertung Berücksichtigung. Diese Abweichungen werden entsprechend aufgedeckt und einer kritischen Diskussion unterzogen. Wenn möglich, können Abweichungen in der Folge durch die Meinungen der Experten trianguliert sowie weiterführend relativiert werden. Letztlich bleibt das Gütekriterium der Relevanz zu prüfen. Das vorliegende Forschungsvorhaben erfüllt durchaus das Relevanzkriterium, zumal mittelständischen Unternehmen historisch bedingt eine hohe Bedeutung für die deutsche Volkswirtschaft attestiert werden kann. Als solche sind sie gleichermaßen wie Großunternehmen vor die Herausforderungen gestellt, sich in Ökosysteme einzubringen und die sich dadurch ergebenden Auswirkungen auf das Unternehmen zu beurteilen sowie zu steuern. Insgesamt zeigen die obigen Ausführungen, dass sich die vorliegende Untersuchung hinsichtlich der Wahl der Erhebungsmethodik sowie auch der gewählten deskriptiv-explorativen Darstellungsform für die Untersuchung von Ökosystemen im Mittelstand eignet. Darüber hinaus zeigen die spezifischen Unternehmenscharakteristika hinsichtlich der Größen-, Branchen-, und Rechtsformverteilungen, dass die Heterogenität mittelständischer Unternehmen im Rahmen der Stichprobe adäquat abgebildet werden kann. Limitationen ergeben sich indes aufgrund der Anwendung der Mittelstandsdefinition gemäß des Europäischen Forschungsfeldes für Angewandte Mittelstandsforschung, sodass die Anwendung der Ergebnisse auf Deutschland eingeschränkt wird. Trotzdem kann die vorliegende Studie alle Gütekriterien mit wenigen Einschränkungen erfüllen.

5.2 Forschungsergebnisse

135

5.2 Forschungsergebnisse Im Rahmen des Forschungsprojektes wurden zudem zusätzlich bislang acht Interviews mit mittelständischen Unternehmen durchgeführt. Die in den Fallstudien thematisierten Fallbeispiele lassen sich anhand der ebenfalls im Rahmen der qualitativen Analyse vordefinierten Modelle, die das Ökosystem am ehesten beschreiben, kategorisieren. Die Unternehmen können demnach eine oder auch mehrere Rollen als Integrator, Orchestrator, Market Maker oder Layer Player im Ökosystem einnehmen. Die Fallbeispiele werden den jeweiligen Beschreibungsmodellen zugeordnet aufbereitet und zunächst fallspezifisch vorgestellt, sodass in Abhängigkeit der Rolle ökosystemspezifische Charakteristika bezüglich der Rahmenbedingungen und Ausgestaltungen von Ökosystemen sowie die daraus resultierenden Erfolgswirkungen fallspezifisch umfangreich dargelegt werden können. Die Erkenntnisse werden nachfolgend präsentiert.

5.2.1 Unternehmen 1: Ökosystem aus Sicht eines Orchestrators Bei dem Unternehmen, welches die Orchestrator-Rolle innerhalb des Ökosystems eingenommen hat, handelt es sich um ein mittelständisches Unternehmen aus Deutschland, welches in der Branche der Bildverarbeitung und Kameratechnik angesiedelt ist. Das Unternehmen ist bereits seit mehr als 20 Jahren auf dem Markt aktiv und sieht sich selbst mit seinen acht Standorten und 600 Mitarbeitern als solides mittelständisches Familienunternehmen, welches als AG firmiert und börsennotiert ist. Neben einem großen Angebot an einer Vielzahl von Produkten, ist das Kamerageschäft die Hauptgeschäftsader des Unternehmens. Die Frage nach der Wertschöpfungstiefe kann grundsätzlich aufgrund der Vielzahl der Produkte und Verzweigungen nicht eindeutig genannt werden, jedoch schätzt das befragte Vorstandsmitglied die Wertschöpfungstiefe in-house im Kamerageschäft auf ca. 60 bis 70 % ein. Die Frage, ob der Begriff Ökosystem oder der angelsächsische Begriff „Entrepreneurial Ecosystem“ im Unternehmen gebräuchlich ist, wurde sofort bejaht und auch neu gegründete bzw. umstrukturierte Geschäftsbereiche basieren ganz bewusst auf dem ökosystemtheoretischen Ansatz. Der Befragte gibt an, dass er unter einem Ökosystem definiert, dass mehrere Firmen miteinander kooperieren und die einzelnen Akteure innerhalb des Ökosystems unterschiedliche Rollen einnehmen. Dabei sieht sich das Unternehmen bewusst als Orchestrator und baut hierfür ein Wertschöpfungsnetzwerk auf, welches die

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5  Qualitative Erhebung

besten Eigenschaften der Partnerunternehmen koordiniert, die leitende Funktion im Ökosystem ausübt und dadurch gemeinsam einen Mehrwert für alle Parteien generiert. Wenn bestimmte, essentielle Rollen bisher im Ökosystem nicht besetzt sind, wird explizit nach Partnern gesucht, die diese bisher vakanten Rollen einnehmen können. Dies hat in dem betreffenden Unternehmen von der Partnersuche bis hin zur Umsetzung meist reibungslos und gut funktioniert. Die Frage nach den Merkmalen eines Ökosystems lässt sich meist nur schwer beantworten, da der Begriff selbst meist sehr divers verwendet wird und Charakteristika situativ und ohne allgemeingültige Richtigkeit zugeschrieben werden. Der befragte Manager gibt an, dass die Anzahl der Partner kennzeichnend für ein Ökosystem ist. Ein Verbund aus mehreren einzelnen Firmen stellt für ihn noch kein Ökosystem dar. Eine Größenordnung von 20 bis 100 Partnern ist eher charakteristisch. Ein weiteres Merkmal stellt die Architektur mit den unterschiedlichen Rollen innerhalb eines Ökosystems dar. Unternehmen nehmen dabei bewusst, je nach Kompetenzen und Fähigkeiten, bestimmte Rollen im Ökosystem ein, wobei es durchaus vorkommt, dass einzelne Unternehmen auch mehrere unterschiedliche Rollen innehaben. Diese besagten Rollen stellen die Schnittstellen mit den Partnern und die Zusammenarbeit innerhalb der Wertschöpfungsarchitektur dar. Ein weiteres Unterscheidungsmerkmal von Ökosystemen im Gegensatz zu reinen Partner- oder Verbundprojekten ist zudem die Art der Geschäftsbeziehung. In einer traditionellen Wertschöpfungskette finden sich im simplen Fall meist drei große Akteure: der Lieferant, das Kernunternehmen, welches die Leistung anbietet, und der Kunde. Seitens des Lieferanten wurden Beziehungen bisher immer klar vertraglich ausgestaltet, d. h. es bestand ein Lieferantenvertrag, der Lieferant liefert die Ware und das abnehmende Unternehmen gibt die Ware an den Kunden weiter. Der Kunde kauft, ob mit oder ohne weiteren Intermediär, mittels Bezahlung ein Produkt/eine Dienstleistung von dem Unternehmen ab. Innerhalb einer Ökosystem-geprägten Wertschöpfungsarchitektur werden diese bilinearen Beziehungen meist von einer Vielzahl an anderen Akteuren und Partnern ergänzt und zudem wird oftmals ein neuer Fokus gesetzt. Nun kauft der Kunde nicht mehr die Ware von einem Unternehmen, sondern die Unternehmen treten im Verbund auf und bieten dem Kunden oftmals eine Gesamtlösung, die dem Kunden als auch den Partnern im Verbund einen Mehrwert generiert. Diese Verbundlösung kann der Kunde in dieser Form annehmen und wahrnehmen, jedoch ist er an die vernetzt zur Verfügung gestellte Lösung keinesfalls gebunden oder wird gezwungen diese zu bestätigen. Die Frage nach der derzeitigen und zukünftigen Bedeutung von Ökosystemen für das Unternehmen konnte recht eindeutig beantwortet werden. Bisher unterliegt

5.2 Forschungsergebnisse

137

das Kerngeschäft, nämlich die Kamerasparte, noch keiner Ökosystemarchitektur. Dafür wurde vor kurzer Zeit in ein neues digitales Geschäftsfeld investiert, dessen Bereich heute gut innerhalb der Ökosystemarchitektur vernetzt ist. Einer Schätzung zur Folge macht dieser neue Bereich zurzeit nur lediglich fünf Prozent des Gesamtgeschäfts aus, jedoch besagen die Berechnungen für die Zukunft, dass dieser Teil in ca. zehn Jahren auf eine Größe von einem Drittel wachsen wird. Das hat wiederum zur Folge, dass die Bedeutung von Ökosystemen zukünftig stark ansteigen wird. Die steigende Bedeutung ist überdies auf die Stärke der Partnerschaften zurückzuführen, die sich durch die offene Ökosystemarchitektur zeigt. Interessanten neuen Partnern kann jederzeit Zutritt zu dem Ökosystem gewährt werden. Die Entscheidung hierfür obliegt in den meisten Fällen dem orchestrierenden Unternehmen, das sozusagen innerhalb der Architektur den „Lead“ übernimmt. Demnach handelt es sich in den meisten Fällen um offene Ökosysteme, die unendlich erweiterbar und damit flexibel aufgebaut sind. Das Unternehmen, welches befragt wurde, schätzt seine Größe zurzeit auf 30 bis 40 Unternehmen im Ökosystem ein und gibt selbst an, dass es Orchestrator innerhalb des Ökosystems ist. Die wesentlichen Vorteile durch die Partizipation im Ökosystem liegen für den Orchestrator in der möglichen Besetzung eines neu-entstehenden Marktes. Ebenso können Gesamtlösungen durch die Zusammenarbeit mit anderen Partnern angeboten werden, die es ohne Ökosysteme in der Art und Weise und zu den Konditionen nicht geben könnte. Der Kunde hat davon auch einen Mehrwert, indem er relativ zeitsparend und ohne erhöhten Aufwand mehrere Vorteile ausnutzt, die im Einzelnen keine solch starke Wirkung hätten. Damit erhält er meist ein „Rundum-sorglos-Paket“ und eine etablierte Infrastruktur, die mehrere Vorteile miteinander kombiniert. Das befragte Vorstandmitglied gibt dabei zu bedenken, dass das gesamte Ökosystem somit zu einem Lösungsanbieter wird und jedem einzelnen Unternehmen eine Teilrolle innerhalb der Wertschöpfung zukommt. Dies ist das Ergebnis der Visionsumsetzung des Unternehmens, Wertschöpfungsketten so schlank wie möglich zu organisieren. Digitale Technologien bieten hierbei vielfach Anlaufstellen für eine optimale Umsetzung und Systemintegration. Digitalisierung ist dabei ein Megatrend, der alle Unternehmen betrifft und der in seiner Form nicht mehr aufzuhalten oder zu umgehen ist. Daher ist es wichtig, die Vorteile dieser Entwicklung viel stärker zu forcieren und eine digitale Infrastruktur aufzubauen, um Prozesse, Systeme, Produkte und Geschäftsmodelle digitaler, automatisierter und moderner zu gestalten. Kostenseitig lässt sich diese Umsetzung relativ genau voraussagen, wobei der Befragte zugibt, dass die Kosten alles andere als gering sind. Langfristig gesehen, überwiegen allerdings der Nutzen und die Vorteile einer digitalen Infrastruktur im ­Verhältnis

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5  Qualitative Erhebung

zur Kostenfrage. Diese Philosophie basiert auf einem plattformzentrierten Geschäftsmodell, welches zum Ziel hat, Prozesse sowie das gesamte Geschäftsmodell schlank und effizient aufzubauen. Dies hat auch einen großen Einfluss auf die Customer Journey des Unternehmens. Es ist wichtig, diese für die einzelnen Kundengruppen genau zu kennen. Dafür wurden in dem befragten Unternehmen strategische Anforderungen gestellt, die konkret lauten, dass das Unternehmen in der betreffenden Branche das erste mit einer vollständig digitalisierten Customer Journey sein möchte. Dafür werden Kundenprozesse genau untersucht und dabei beobachtet, an welchen Stellen Kunden mit dem Unternehmen interagieren und wie man diese Schnittstellen digital gestalten kann. An diesen Kundenschnittstellen sind eine digitale Infrastruktur, technologisches Knowhow und Algorithmen-basierte Verfahren unerlässlich. Hinsichtlich der Veränderung von Geschäftsmodellen durch die Ökosystemstruktur gibt der Manager an, dass die Modularität von Geschäftsmodellkomponenten eine wesentlich wichtigere Rolle spielt, als dies bisher der Fall war. Klassische oder traditionelle Geschäftsmodelle sind stark produktzentriert. Ein Unternehmen bietet dem Kunden ein Produkt an und dieser entscheidet, ob er es kauft oder nicht. Inzwischen sind diese Geschäftsmodelle jedoch wesentlich komplizierter, modularer und vernetzter aufgebaut. Neben dem reinen Produkt werden zusätzlich oftmals Services oder Lösungen angeboten, die neben einer Hauptkomponente oder der wesentlichen Value Proposition auch Add-ons oder modulare Bausteine bieten. Oftmals inkludiert dieses Gebilde Beratungsleistungen, Add-ons in Form von digitalen Services oder auch sehr spezifische, individualisierte Komponenten, die dementsprechend entwickelt und angeboten werden müssen. Die Frage nach datenbasierten Sicherheitsbedenken beantwortet der Befragte dahingehend, dass das Unternehmen gesamthaft mit immer mehr Reglementierungen zu kämpfen hat und weniger mit cyberkritischen Herausforderungen konfrontiert wird. Abschließend sagt der Befragte aus, dass man zwischen einer Digitalisierung mit und einer Digitalisierung ohne Ökosystem unterscheiden müsse. Er gibt an, dass beides Sinn ergibt, da die digitale Transformation an den Unternehmen nicht spurlos vorbeiziehen wird und die Digitalisierung ein grundsätzlicher Weg ist, um in der Branche und im Markt zu überleben. Jedoch gibt er zu bedenken, dass die Partizipation in einem Ökosystem diesen Schritt durch die Rollenzuordnung erleichtert. Man baue sich schließlich mit dem Ökosystem eine Art „Bastion“ auf, die wettbewerblich wesentlich schwerer zu durchbrechen ist.

5.2 Forschungsergebnisse

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5.2.2 Unternehmen 2: Ökosystem aus der Rollensicht eines Intermediärs Ein weiteres Unternehmen aus der qualitativen Befragung ist ebenfalls Teil eines Ökosystems und übernimmt primär die Rolle eines Intermediärs zwischen verschiedenen Partnern. Es handelt sich dabei um ein relativ großes Unternehmen, das klassifikatorisch dennoch dem Mittelstand zugeordnet werden kann. Das Familienunternehmen schaut bereits auf eine lange Unternehmenshistorie zurück und wird inzwischen in der vierten Generation familiengeführt. Das Unternehmen befindet sich in einem sehr großen und breitflächigen Markt, wobei die Produkte und Dienstleistungen, die angeboten werden, eher einer Nische zugeordnet werden können. Im Unternehmen gibt es mehrere unterschiedliche, miteinander verknüpfte Geschäftsbereiche, die allesamt zum Unternehmenserfolg beitragen. Der Kernbereich entspricht dem Versandhandel spezieller Produkte und der Verknüpfung von zwei Marktseiten, wobei das Unternehmen als Intermediär und Match-Maker zwischen Angebot und Nachfrage agiert. Das Interview wurde mit dem Geschäftsführer geführt und dieser gibt zu, dass ihm der Begriff „Ökosystem“ zwar geläufig ist, jedoch in der Form im Unternehmen keine Anwendung findet. Ihm ist eine transparente und verständliche Kommunikation mit den Mitarbeitern sehr wichtig. Diesbezüglich sieht er im Zusammenhang mit dem Ökosystembegriff einige Schwierigkeiten. Daher ist es wichtig, Begriffe zu wählen, die alle im Unternehmen verstehen und die auch nicht fälschlich interpretiert oder missverstanden werden. Grundsätzlich sieht sich das Unternehmen jedoch als Teil eines großen Ökosystems. Das zeigt sich insbesondere darin, dass nicht alle Leistungen entlang der Wertschöpfungskette eigenständig erbracht werden können oder sollen. Die Tiefe in der Produktion war vor ca. vier Jahren noch deutlich höher. Im Unternehmen, so der Geschäftsführer, sei es jedoch wichtig, die Kernprozesse und Kernkompetenzen bestens zu kennen und zu verstehen. Diese werden dann auch selbstständig im Unternehmen übernommen, schlicht um das Know-how intern zu fördern und einen Mehrwert für das Unternehmen zu generieren. Alles Weitere, was auch hinsichtlich der Kosten zu kalkulieren ist, wird an Externe vergeben und daher wird mit einem Netzwerk an Partnern zusammengearbeitet. Damit hat jeder Teil des Ökosystems etwas davon und es wird ein Anstieg an Flexibilität, Leistungsfähigkeit und Effizienz attestiert. Aufgrund der vorherrschenden Ressourcenknappheit ist es weder möglich noch ratsam, jeden Schritt der Wertschöpfungskette eigenständig zu leisten. Es ist aber festzustellen, dass die digitalen Veränderungen dazu führen, dass das

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5  Qualitative Erhebung

­ nlinegeschäft deutlich zunimmt, ein signifikanter Anstieg an Produkten, die O benötigt werden, zu verzeichnen ist und sich auch das Angebot dementsprechend stark gewandelt hat. Des Weiteren hat sich auch die Kommunikation hin zum Kunden in den letzten Jahren stark verändert. Hier helfen digitale Services ungemein, um den Kontakt zum Kunden stetig zu verbessern und auch immer wieder neue Services anbieten zu können. Auch diese Leistung wäre allein nur schwer in der Form umsetzbar, wieso es sinnvoll ist, sich in einem Ökosystem mit den richtigen Partnern zu positionieren. Das Unternehmen basiert seine Geschäfte auch auf einer Plattform, die aber bisher noch nicht vollständig funktionsfähig ist. Diese Programmierleistung, die an dieser Stelle erforderlich ist, wird häufig an Partner im Ökosystem vergeben, da für die Umsetzung intern oftmals nicht ausreichend Ressourcen oder Knowhow zur Verfügung stehen. Hierbei ist dem Geschäftsführer wichtig, dass man die Marge nicht in den Vordergrund rückt. Plattformen brauchen Zeit und ein hohes Investment, um zu skalieren. Die Marge steht dabei nicht im Vordergrund für den Befragten, sondern vielmehr das Wachstum und der Weg hin zur Skalierung. Um diesen zu bestreiten, wird auch bewusst auf bestimmte Margen verzichtet, um dafür als Ausgleich die Transaktionen auf die Plattform zu bekommen. Wichtigster Punkt im Rahmen einer Plattformarchitektur ist die Beziehung zum Kunden und, dass die Plattform sich eigentlich aus den Erfordernissen der Kunden heraus entwickeln muss. Diese Veränderung im Geschäftsmodell erfordert einige Maßnahmen. So erläutert der Befragte die seiner Meinung nach drei wesentlichen Anpassungen hin zu einer Plattform- und Ökosystemstruktur. Als erste Anpassungsmaßnahme erachtet er zwingend den Aufbau von Kernkompetenzen im eigenen Unternehmen. Dabei ist es wichtig, auch genau darauf zu achten, was wirklich die Kernleistung des Unternehmens ist. Zweitens müssen mehr Tätigkeiten und Aufgaben nach außen abgegeben werden. Es bringe nichts, alles inhouse alleine machen zu wollen; das würde nur unnötige Zeit in Anspruch nehmen und auch kostenseitig eher zum Nachteil für das Unternehmen sein. Wichtig ist, die Partner, die mit einem im Ökosystem interagieren, im Vorfeld gut auszusuchen und den Kontakt zu ihnen zu pflegen. Dies fördert Vertrauen innerhalb des Ökosystems und führt zu einem Mehrwert in der Wertschöpfung. Der dritte Punkt, der sich innerhalb der notwenigen Geschäftsmodellveränderung ergibt, ist die Anpassung von Ertragsmodellen. Der Anteil derjenigen, die klassisch im Geschäft mit Bargeld ihre Produkte kaufen, geht immer mehr zurück und neue Ertragsmodelle, wie z. B. gesehen bei Netflix, AirBnB oder ähnlichen digitalen Unternehmen, disruptieren immer weiter den Markt und damit die Ertragsdynamik. Plattformen führen im Endeffekt dazu, dass Unternehmen neue Märkte viel einfacher betreten

5.2 Forschungsergebnisse

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können und auch eine Internationalisierung ist heutzutage durch Plattformökonomien und die digitale Infrastruktur etwas leichter geworden, als dies noch vor einigen Jahren der Fall war. Grundsätzlich geht es auch darum, dass Geschäftsmodelle, wie Plattformen es geschafft haben, bestehenden Ressourcen (beim ­Beispiel AirBnB sind das z. B. die leeren Wohnungen) einen Nutzen zuführen, der wiederum zu einer Verzinsung führt. Das ist der wesentliche Punkt, der die Plattformen so spannend macht. Hinsichtlich der Digitalisierung gibt der Befragte an, dass er diesen Trend als Herausforderung und Chance zugleich erachtet. Deutschland als Hochlohnland bleibe gar keine andere Möglichkeit, als dass deutsche Unternehmen die Digitalisierung zweckdienlich nutzen müssen, um bisher analog ablaufende Prozesse, Strukturen und auch Geschäftsmodelle zu digitalisieren und zu automatisieren. Um diesen Wandel zu schaffen und die Chancen überwiegen zu lassen, ist es wichtig, das Know-how in diesem Bereich bereitzustellen und das Thema offen, wenn auch mit einer gewissen Vorsicht, anzugehen. Der Geschäftsführer gibt zu, dass innerhalb des Unternehmens bereits viele Maßnahmen initiiert wurden, die sich in Richtung neuer Technologien wie z. B. Blockchain entwickeln werden. Das Unternehmen hat es inzwischen geschafft, seine Produktinnovationskraft in den letzten Jahren um das 15- bis 20-fache zu steigern, was in der betreffenden Branche schon ein großer Erfolg ist. Diesen aktuellen Vorsprung zum Wettbewerb hat das Unternehmen primär durch die Plattformökonomie und die Partizipation im Ökosystem erlangt. Eine gemeinsame Vision ist dabei ebenso immens wichtig. Diese Quote soll in den kommenden Jahren weiter gesteigert werden. Daher glaubt der Geschäftsführer auch, dass die Bedeutung von Plattformgeschäftsmodellen und Ökosystemarchitekturen in den kommenden Jahren durchaus weiter zunehmen wird.

5.2.3 Unternehmen 3: Ökosystem aus Sicht einer Mischung aus Layer Player und Orchestrator Ein weiteres befragtes Unternehmen sieht sich innerhalb der Rollenverteilung im Ökosystem sowohl als Orchestrator als auch als Layer Player. Dabei handelt es sich um ein mittelständisches Unternehmen aus Deutschland, welches der Bauund Immobilienbranche zugeordnet werden kann. Gegründet wurde das Unternehmen bereits vor den 1990er Jahren. Gegenwärtig sind knapp 250 Mitarbeiter dort beschäftigt. Das Unternehmen besteht aus vier Unternehmensteilen, die aus dem Bauunternehmen, der Bauträgerei, der Wohnungsvermietung und der

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5  Qualitative Erhebung

­ erwaltung von Wohnungen besteht. Die Frage nach der Wertschöpfungstiefe V kann grundsätzlich aufgrund der vier Geschäftsfelder nicht eindeutig beantwortet werden, jedoch wird betont, dass die Kernleistung – in diesem Fall der Rohbau – überwiegend eigenständig durchgeführt wird. Die Frage, ob die Begriffe „unternehmerisches Ökosystem“ oder „Entrepreneurial Ökosystem“ geläufig und im Unternehmen gebräuchlich sind, wurde sofort verneint und erklärt, dass das Unternehmen unter Ökosystemen etwas Anderes verstehe. Der Interviewpartner, der gleichzeitig Geschäftsführer des Unternehmens ist, gibt zu, dass sich das Unternehmen als ökologisch orientiertes Ökosystem versteht, was wiederum durch die Branchenzugehörigkeit geprägt ist, jedoch einen anderen Fokus auf den Begriff legt. Der Befragte gibt weiterführend an, dass er unter einem unternehmerischen Ökosystem ein Zusammenwirken einzelner Systemelemente versteht, das in ihrem Unternehmen als Kooperationen, Partnerschaften oder je nach Ausprägung benannt wird. Er betont allerdings, dass er den Begriff weder selbst benutzt noch in der Form in Zeitschriften oder anderen Medien wahrgenommen hat. Das Unternehmen sieht sich in der Rolle zwischen dem Layer Player und dem Orchestrator. Dies ist eine Mischung aus Eigenregie des Unternehmens für die Führung aller oder fast aller Aktivitäten entlang der Wertschöpfungskette und der Konzentration auf einer Stufe der Wertschöpfungskette durch Leistungserbringung für mehrere Branchen. Die Kunden des Unternehmens stammen hauptsächlich aus dem B2B Bereich. Das Unternehmen hat ca. 1000 Netzwerkpartner inklusive Lieferanten und hat als Orchestrator die Hauptaufgabe, Regie über diese Partnerschaften zu führen, da das Unternehmen die Verantwortung dafür trägt, die baulichen Prozesse zusammenzubringen. Der Geschäftsführer merkt an, dass kennzeichnend für dieses Netzwerk die Merkmale Vertrauen, langfristige Zusammenarbeit und Zuverlässigkeit sind, wobei dies in der Realität oft nicht vollständig realisiert werden kann. Als Grund gibt der Befragte die Marktauslastung an. Auf die Frage mit welchen Wertschöpfungspartnern das Unternehmen interagiert, nennt er die schriftlichen Verträge, die gegenseitigen Leistungen, Pflichten und Rechte, die schriftlich fixiert sind und somit Grundvoraussetzungen für eine vertrauensvolle Arbeit darstellen. Das Unternehmen sieht durch die Partizipation in Ökosystemen eine höhere und nachhaltigere Leistungsfähigkeit sowie eine gesteigerte Innovationsfähigkeit. Zu den strategischen Aufgaben des Geschäftsführers zählt dabei, die Rahmenbedingungen bereitzustellen, damit das Netzwerk praktisch aufgebaut und gelebt werden kann. Als Barrieren nennt er das Vertrauen und das gegenseitige Verständnis, welche gerade in der Baubranche eine große Herausforderung darstellen. Um diese Interaktion aufrechtzuerhalten, nutzt das Unternehmen keine speziell

5.2 Forschungsergebnisse

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a­ufgebaute Plattform. Jedoch gibt es verschiedene Projekte, bei denen auf ITPlattformen zurückgegriffen wird, um Informationen zur Verfügung zu stellen und auszutauschen. Auf die Frage hin, ob durch die Netzwerkstruktur Anpassungen des Geschäftsmodells als notwendig empfunden werden, gibt der Befragte an, dass die Digitalisierung strategisch fixiert ist und weiter betrieben werden muss, um Informationen noch aktueller zur Verfügung zu stellen. Das hat sicherlich auch Auswirkungen auf bestimmte Teile des Geschäftsmodells, jedoch ist das Baugewerbe eine sehr traditionsreiche und klassische Branche, was dazu führt, dass disruptive oder gar radikale Innovationen eher eine Seltenheit darstellen. Das Unternehmen ist im Wesentlichen gerade dabei, klassische Prozesse in die digitale Welt zu übertragen, um daraus zusätzliche Erträge zu generieren. Ein vollständig digitales Geschäftsmodell liegt dem Unternehmen derzeit allerdings noch nicht zugrunde. Dem Unternehmen geht es zunächst darum, die internen und externen Prozesse zu optimieren, um den Kundennutzen zu erhöhen. Um sowohl Kunden, die bereits digitale Technologien nutzen, als auch Kunden, die sich weniger in der technischen und digitalisierten Welt wohlfühlen, abzugreifen, schaltet das Unternehmen digitale und auch klassische Marketinginstrumente parallel, was jedoch zu erhöhten Kosten führt. Datenorientierte Sicherheitsaspekte nimmt das Unternehmen sehr ernst. Zu den Maßnahmen, die das Unternehmen vollzogen hat, gehört beispielsweise die Einstellung eines externen Datenschutzbeauftragten. Dabei handelt es sich um einen Mitarbeiter, der sich über einen längeren Zeitraum intensiv mit der neuen Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) auseinandersetzt und somit die Partizipation innerhalb des Ökosystems aus einer rechtlichen Perspektive vorantreibt. Über das Empfinden der Wertverteilung innerhalb des Ökosystems konnte der Befragte keine eindeutige Aussage treffen, da dieses immer schwankt. Es gibt Funktionen, die leichter zu besetzen seien, und es gibt Funktionen, die kaum zu besetzen seien. Grundsätzlich schätzt er die Machtverteilung aber als ausgewogen ein. Die Frage nach den derzeitigen und zukünftigen Bedeutungen von Ökosystemen konnte nur schwer beantwortet werden. Einerseits ist man als geschäftlich operierende Institution immer mehr darauf angewiesen, in Netzwerken zusammenzuarbeiten, weshalb die Bedeutung derzeit bereits als hoch eingestuft und in der Zukunft mindestens genauso hoch sein wird. Bezogen auf die vier Unternehmensteile sieht er diese Entwicklung ähnlich, wobei die Wertschöpfungstiefe dort etwas geringer ist. Dies liegt teilweise an der Tatsache, dass viele Leistungen, die nicht zum Kernkompetenzspektrum gehören, aus Effizienzgründen oftmals ausgelagert werden. Der Digitalisierungsgrad ist in den anderen Bereichen etwas geringer, da es sich dort um Prozesse und Abläufe handelt, die

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5  Qualitative Erhebung

wenig digitalisierbar sind und im heutigen Stadium einen persönlichen Kontakt und die menschliche Komponente voraussetzen. Dennoch werden auch dort bisher analoge Schnittstellen inkrementell in digitale umgesetzt. So funktioniert die Wohnungsabnahme durch einen Vertreter der Hausverwaltung bereits in den meisten Fällen digital und wird dem Unternehmen und auch den Mietern über Cloud Server zur Verfügung gestellt. Auf die Frage, ob der dritte Unternehmensteil, Wohnungsvermietungen, nicht ein sehr klassisches Geschäft sei, meinte der Befragte, dass es in diesem Bereich bereits einen hohen Digitalisierungsgrad gebe. Es gibt bereits ein Unternehmen, welches Wohnungen online vermietet. Hierzu muss der Wohnungssuchende sich online anmelden, seine Daten angeben und seine Kaution zahlen. Nun kann sich der Wohnungssuchende auf dem Wohnungsmarkt umschauen. Sobald er etwas Passendes gefunden hat, wird die Schufa automatisch abgefragt und bei Zusage wird ein Code zugesandt, wodurch die Miete automatisch eingezogen werden kann. Eine weitere Zukunftsvision, die das Unternehmen anstrebt, ist die Digitalisierung im Bereich der Handwerksleistungen. Probeweise wird derzeit eine App eingeführt. Der Mieter kann sich mithilfe dieser App melden, wenn beispielsweise der Wasserhahn defekt ist. Dazu macht er ein Foto und lädt dieses in der App hoch. Idealerweise bekommt der Mieter dann sofort einen Terminvorschlag für die Reparatur des Wasserhahns von dem zuständigen Handwerker. Die Bezahlung erfolgt ebenfalls digital über die App. Im Nachhinein kann der Mieter den Handwerker bewerten und ggf. weiterempfehlen. Das Unternehmen setzt sich eine Grenze von fünf Jahren bis sie diese App eingeführt haben werden. Dasselbe forciert das Unternehmen mit der Wohnungsverwaltung als vierten Unternehmensbereich. Diese soll auch über eine App ablaufen, in der Betriebskostenabrechnungen und Handwerkerleistungen digitalisiert werden.

5.2.4 Unternehmen 4: Ökosysteme aus der Sicht eines Market Makers Bei dem vierten Unternehmen handelt es sich um ein sehr junges und modernes Unternehmen aus dem E-Business Bereich, welches sich selbst als Tech-Company bezeichnet. Das Unternehmen selbst ist sozusagen das „Ökosystem“ und baut sich und die Architektur demnach immer weiter aus. Der befragte Proband schildert es in der Form: „Das Geschäftsmodell ist das Ökosystem.“ Die Idee ist daher, möglichst die gesamte Wertschöpfungskette in einem Ökosystem abzubilden. Das Ökosystem basiert auf den beiden digitalen Haupttechnologien: Künstliche Intelligenz

5.2 Forschungsergebnisse

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(KI) und Virtual Reality (VR). Es ist ein großes Anliegen, diese Technologien in Deutschland zu etablieren und vorwiegend auch für den Mittelstand verfügbar zu machen. Das Ziel ist es, darüber hinaus, ein geschlossenes digitales Ökosystem von der Idee bis zur Marktreife aufzubauen. Die wichtigsten Akteure dieser Plattform sind Tech-Firmen, welche sich teilweise aus etablierten Unternehmen aus technischen Branchen und auch aus jungen Start-ups zusammensetzen sowie weiterführend Investoren, z. B. Business Angels etc., und auch Forschungsinstituten, die das technische Know-how aus einem wissenschaftlichen Blickwinkel beisteuern. Wichtig ist, dass Ökosysteme in diesem Fall immer unter dem Schirm der beiden führenden Technologien KI und VR betrachtet werden. Der Interviewpartner ist maßgeblich an dem Unternehmen beteiligt und inkludiert in seine Sicht zwei wesentliche Bestandteile eines Ökosystems. Zunächst handelt es sich um den Aufbau einer Plattformökonomie. Dies ist ein Trend, der sich im heutigen digitalen Zeitalter verstärkt zeigt und worunter zu verstehen ist, dass Unternehmen oftmals keine eigenen Assets mehr zur Verfügung haben, sondern sich das Geschäft vielmehr auf eine Plattform verlagert, die über hohe Margen an eine Skalierung heranreichen soll. Kernressource dieses Plattformgedankens ist die Bereitstellung von Daten. Das befragte Unternehmen stellt selbst keine Daten bereit, sondern fungiert als Mittler zwischen Unternehmen, die die hohen Datenmengen zuliefern und den Kunden, die die Daten für ihre Analyse benötigen. Dieses Geschäftsmodell ist meist gebührenpflichtig und an die Abgabe einer festgesetzten Gebühr geknüpft. Grundsätzlich wird dieses Geschäftsmodell in der Praxis oftmals auch als „Marketplace“, d. h. Marktplatz für den Austausch von Produkten/Dienstleistungen oder anderen Ressourcen verstanden. Der Ökosystembegriff ist dem befragten Teilnehmer somit durchaus bekannt und er wird auch täglich im Unternehmen verwendet, zumal, wie bereits erwähnt, das gesamte Unternehmen ökosystemtheoretisch aufgebaut ist. Unter einem Ökosystem wird demnach ein Ineinandergreifen verschiedener Parteien verstanden, dazu zählen u. a. Start-ups, etablierte Technologieunternehmen, Forschungsinstitute sowie Investoren verschiedenster Art. Dabei gibt der Befragte zu bedenken, dass der Begriff sicherlich schwer zu definieren ist, weil die Fülle und Bandbreite an Definitionen durchaus je nach Unternehmen abweichen können. Er gibt an, dass Ökosysteme aus komplementären und synergetischen Entitäten bestehen, die das gemeinsame Ziel verfolgen, Technologien wie KI und VR in Deutschland zu fördern und für den Mittelstand verfügbar zu machen. Zu den Merkmalen zählen vorrangig die Festsetzung einer gemeinsamen Strategie sowie eine gemeinsame Vision, die es zu verfolgen gilt. Die Frage nach der derzeitigen und zukünftigen Bedeutung von digitalen Ökosystemen wurde sehr deutlich dahin gehend beantwortet, dass das Thema momentan einen Hype erfährt, der sich in den kommenden Jahren

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s­icherlich noch ausweiten wird, da zunehmend Interesse für digitale Ökosysteme entstehen wird. Schließlich, so der Befragte, handelt es sich dabei um einen Hebel, um gemeinsam Wertschöpfung zu erreichen. In diesem Ökosystem sind jedem Akteur spezifische Rollen zugeordnet. Das befragte Unternehmen ist der Market Maker und stellt mit dem eigens aufgebauten Ökosystem die Infrastruktur für alle weiteren Schritte zur Verfügung. Die Start-ups bringen sich mit ihrem unternehmerischen Spirit, Dynamik und guten Ideen ein, woraufhin die Investoren bereit sind, zu investieren, und auch mit ihrer Erfahrung und Guidance in der Umsetzung der Ideen stark mitzuhelfen. Die Kernkompetenz des technologischen Know-hows im Rahmen der beiden Vorreitertechnologien bringt die Technologieunternehmen praxisseitig und die Forschungsinstitute wissenschaftlich ein. Dieser Austausch ist immens wertvoll und trägt dazu bei, dass das Ökosystem „aktiv lebt“. Der Market Maker ist zugleich Orchestrator und kümmert sich dementsprechend auch um die Koordination und Kontrolle aller Handlungen. Hierzu sagt der Befragte aus: „Im Zusammenspiel des Ökosystems kann jeder seine Stärken einbringen. Dadurch funktioniert das abgedroschene Prinzip 1 + 1 = 3 wirklich. Wenn jeder seine Stärken einbringt und die Schwächen durch das Ökosystem kompensiert werden, dann ist das Ökosystem mehr als die Summe der einzelnen Teile. Daran glaube ich fest.“ Grundsätzlich vertritt das Unternehmensmitglied auch die Meinung, dass unbedingt eine gemeinsame Kultur notwendig ist, um dieses teilweise auch komplexe Gebilde zusammenzuhalten. Das soll dazu führen, dass ein radikales Denken und Disruptionen gefördert werden, wodurch der Standort Deutschland, der global gesehen in gewissen Technologien deutlich hinterherhinkt, zunehmend gestärkt wird. Geplant ist auch der Launch einer firmeneigenen Plattform, die sich jedoch zum jetzigen Zeitpunkt noch im Aufbau befindet. Da diese Struktur vom Markt jedoch immer weiter gefördert wird, wird fleißig an der Umsetzung gearbeitet. Grundsätzlich sollte das Ökosystem auch wirtschaftlich stabil sein und Erträge erwirtschaften. Dies wird durch die Inkubatorstruktur sichergestellt. Erfahrene Unternehmen und Investoren geben ihr Know-how in das Ökosystem. Das beinhaltet neben dem technischen Know-how auch grundlegende unternehmerische Hilfestellungen, wie z. B. „Wie mache ich Vertrieb?“, „Wie funktioniert gutes Marketing?“, „Wie mache ich meine Buchhaltung?“. Die Start-up Unternehmen profitieren demnach von erfahrenen Mentoren, die das unternehmerische Geschehen stetig begleiten und steuern. Im Gegenzug werden die Unternehmen an den Start-ups beteiligt. Zu den wesentlichen Vorteilen dieser Struktur zählt, dass in einem Ökosystem nicht jeder alles machen kann und auch muss – das Ökosystem übernimmt die Koordination und bringt dadurch Effizienz. Langfristig sind die Auswirkungen dieser Arbeit, dass der Standort D ­ eutschland

5.2 Forschungsergebnisse

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als Technologiestandort weiter auf- und ausgebaut werden soll. Ziel ist es, das kleine deutsche Silicon Valley entsprechend auszubauen, um Arbeitsplätze zu schaffen und sich im Vergleich zum europäischen bzw. globalen Wettbewerb konkurrierend aufstellen zu können. Primär sollen dabei die beiden hochtechnologischen Trends KI und VR alltagstauglich gemacht werden und ganzheitliche Verwendung finden. Hierbei bleibt offen, inwieweit andere Firmen in der Schaffung von Ökosystemen nachziehen werden und sich eventuell mehrere Ökosysteme zusammenschließen. Auf die Frage, ob es Bedenken hinsichtlich datenrelevanter Sicherheitsaspekte gibt, antwortet der Proband, dass dies definitiv zu beachten ist, da das gesamte Ökosystem auf Daten basiert und auch verantwortungsbewusst mit diesen umgegangen werden muss. Der Befragte sagt aus, dass „Daten das neue Gold“ sind, daher sollten wir sie schützen, jedoch dürfen wir uns in Deutschland durch zu hohe Begrenzungen wiederum nicht unnötig im Weg stehen. Da Ökosysteme allgemein als Erfolgsfaktoren zu sehen sind, werden das Interesse und die praktische Umsetzung dieser in Zukunft mit Sicherheit weiter steigen. Alleine aufgrund der Wettbewerbsfähigkeit sind Unternehmen gezwungen sich früher oder später mit der Thematik auseinanderzusetzen.

5.2.5 Unternehmen 5: Ökosysteme aus der Sicht eines Integrated Models Unter den Interviewpartnern ist auch ein Unternehmen vertreten, welches die Rolle des „Integrated Models“ annimmt. Das Unternehmen bezeichnet sich selbst als „großen Mittelständler“ aus der Chemiebranche. Das Unternehmen kann bereits auf eine lange Unternehmenshistorie zurückblicken und weist daher auch ein recht traditionelles und klassisches Geschäftsmodell auf. Befragt wurde der Leiter der Digitalisierungsabteilung, der sich zurzeit intensiv mit der strategischen Ausrichtung des Unternehmens in Zeiten der digitalen Transformation beschäftigt. Die Frage nach der derzeitigen Wertschöpfungstiefe im Unternehmen bemisst der Befragte auf ca. 80 %. Dies liegt vorrangig an der Tatsache, dass es sich bei dem Chemieunternehmen um ein sehr traditionsreiches Unternehmen handelt. Kernleistungen werden inhouse produziert und nur wenige Wertschöpfungsschritte können nach außen gegeben werden. Damit gruppiert sich das Unternehmen weitestgehend in die Kategorie des „Layer Players“ ein. Charakteristisch ist dabei der hohe Anteil an Eigenleistung. Mit der vormals genannten Angabe von 80 % der Wertschöpfung, die in Eigenregie durchgeführt wird, ist dies ein relativ hoher Anteil. Auf den Begriff Ökosystem angesprochen, gibt der Befragte zu, dass er sich unter dem Begriff zwar etwas vorstellen kann,

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5  Qualitative Erhebung

dieser in der Form im Unternehmen jedoch keine Verwendung findet. Grundsätzlich wird darunter der strategische Zusammenschluss mehrerer Firmen zu einer Einheit subsumiert. Oftmals ist es innerhalb der Wertschöpfungskette nicht immer möglich bzw. sinnvoll, alle Aktivitäten selbstständig durchzuführen, daher ist es ein wesentlicher Vorteil, mit Partnern zu kooperieren und ein gemeinsames Wertschöpfungsnetzwerk zu erschaffen. Dies geht über ein regionales Netzwerk hinaus. Vielmehr steht im Vordergrund, dass die Kunden mit den angeforderten Chemieprodukten bedient werden. Wenn dies überregional der Fall ist, ist es sinnvoll, sich mit anderen Playern aus der Branche auszutauschen und so eine möglichst effektive und effiziente Netzwerkstruktur aufzubauen. Hierbei arbeitet das Unternehmen auch mit Wettbewerbern zusammen. In einem Ökosystem erscheint die Digitalkomponente eine wichtige Rolle einzunehmen. So versucht das Unternehmen, Prozesse möglichst schlank zu halten und effizient zu gestalten. Dies ist aufgrund des sehr traditionsreichen Geschäftsmodells und der teilweise langjährigen Standards nicht immer einfach und auch das Digitalisierungspotential ist in dem Unternehmen nicht unendlich vorhanden. Dennoch wird versucht, das Thema proaktiv und strategisch anzugehen. Daher werden einige spezifische digitale Technologien bereits seit einigen Jahren im Unternehmen aktiv genutzt. Dies trifft beispielsweise auf Technologien wie Big Data und Internet of Things zu, die laut dem Befragten bereits seit gut 20 Jahren Anwendung innerhalb des Unternehmens finden. Weitere digitale Trends und die Zunahme an digitalen Technologien werden in den kommenden Jahren sicherlich steigen, jedoch wird das die Branche und den Markt, in dem sich das Unternehmen befindet, in den nächsten zehn bis 20 Jahren nicht vollumfänglich treffen. Dies erlaubt einen gewissen Spielraum zur Vorbereitung auf die kommenden Herausforderungen, die sich durch die digitale Transformation ergeben. Erste vergleichbare Produktionsanlagen, die vollautomatisiert und mit Robotik arbeiten, sind auf dem Markt inzwischen bereits existent, jedoch im Ausland sehr vereinzelt. Für die Mehrzahl der Betriebe wird diese Entwicklung vermutlich nur schrittweise zum Thema werden, da die Kosten für derartige Anlagen zurzeit noch deutlich zu hoch sind und der kulturelle Wandel in den meisten Betrieben in Deutschland noch nicht so weit fortgeschritten ist. Gerade für den Mittelstand sind solch hohe Investitionen derzeit eher unrentabel. Hinsichtlich der Machtverteilung im Ökosystem gibt der Befragte an, dass es sich um eine Gleichverteilung zwischen den Partnern handelt. Dies liegt unter anderem an der Langfristigkeit der Geschäfte, die bei manchen Kunden sogar über mehrere Dekaden vertraglich fixiert sind, was wiederum auf die sehr klassische Rolle im Wertschöpfungsnetzwerk deutet. Dadurch, dass man innerhalb des Ökosystems zusammenhält, hat keiner etwas davon, andere Partner zu verdrängen oder kleinzuhalten. S ­icherheitsrelevante Aspekte innerhalb des

5.2 Forschungsergebnisse

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Ökosystems werden wahrgenommen und auch angegangen. So gibt es inzwischen einen Datenschutzbeauftragten und weitere IT-seitige Anpassungen, die im Zuge der digitalen Transformation notwendig sind. Grundsätzlich sieht der Befragte das Thema Digitalisierung als wichtig und auch maßgeblich an, jedoch dürfe man sich von der digitalen Transformation auch nicht zu sehr einschüchtern lassen. Notwendige Maßnahmen werden umgesetzt und Schnittstellen, an denen eine digitale Komponente möglich und sinnvoll ist, werden angepasst. Eine holistische Umgestaltung aller Teilkomponenten des Unternehmens wäre jedoch ein etwas übertriebener Schritt, der zudem kostenseitig zu überdenken wäre.

5.2.6 Unternehmen 6: Ökosysteme aus Sicht eines Unternehmens in der primären Rolle des Integrators Das traditionell familiengeführte mittelständische Unternehmen agiert in der Automobilbranche als Automobilzulieferer primär in der Rolle des Integrators. Befragt wurde ein Mitglied der Geschäftsleitung. Hinsichtlich der Wertschöpfung verzeichnete das Unternehmen zurückblickend auf die letzten Jahre keine Veränderungen. Der Begriff des Ökosystems ist dem Interviewpartner zwar geläufig, allerdings inhaltlich nicht neu. Er beschreibt das Ökosystem als „ein modernes Deutsch für andere Partnerunternehmen, Zulieferer sowie in der Wertschöpfung verbundene Lieferanten und Kunden“. Der Begriff des Ökosystems sei seiner Auffassung nach vielmehr aus einem derzeitigen Hype heraus entstanden, bei dem viele Trends mit neuen Schlagworten als Themen aufgegriffen werden. Wenngleich er hierfür vollstes Verständnis hat, findet dieser Begriff allerdings keine Verwendung im Unternehmen. Er nennt vielfältige Gründe, um in einem Ökosystem zu partizipieren. Das Unternehmen selbst verfügt über viele Partnerunternehmen und nutzt gemeinsame Forschungsprojekte mit Universitäten oder universitätsnahen Instituten im Rahmen der Produktentwicklung. Dabei tritt das Unternehmen in eine aktive Zusammenarbeit mit Forschung und Entwicklung, u. a. über Sponsoring. Für die Wertschöpfung im Sinne der Produktionsentwicklung werden gezielt externe Dienstleister für Themen genutzt, bei denen entweder die benötigten Kompetenzen vorhanden sind, oder aus reinen Kapazitätsgründen bzw. zugunsten von Kapazitätserweiterungen. Das mittelständische Unternehmen befindet sich derzeit in einer Wachstumsphase und wächst doppelt so schnell wie der Markt, wodurch es bei einer Vielzahl an Projekten, die gleichzeitig abgewickelt werden müssen, zu kapazitativen Engpässen kommen kann. Wenngleich die Kapazitätserweiterungen durch die Auslagerung an externe

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5  Qualitative Erhebung

Partner notwendig scheinen, so erachtet der Geschäftsführer diese Art der Kapazitätserweiterung als kritisch. Die Auslagerung an externe Partner als Kapazitätspuffer sei prinzipiell teurer und die notwendigen Kompetenzen würden nicht im Unternehmen selbst aufgebaut werden. Um diese nachteiligen Effekte kompensieren zu können, ist es stets das Ziel bzw. die Strategie, sich nur zeitweise am Partner zu „bedienen“ und diese Kompetenzen intern zeitnah auf- bzw. auszubauen. In diesem Zusammenhang kooperiert das Unternehmen auch mit anderen Automobilzulieferern, die teilweise deutlich größer sind. Bei diesen Kooperationen handelt es sich um „echte Kooperationen“, bei denen klare Kooperationsmodelle vorliegen und sich verschiedene Kompetenzbereiche einbringen. Im Rahmen solcher Projekte trägt jeder seine Kosten und bringt sein spezifisches Know-how ein, um Projekte gemeinsam beim Kunden auf Augenhöhe zu bedienen und letztlich „Win-Win“-Situationen zu schaffen. Derartige Kooperationen nehmen vor allem im Bereich der Elektrofahrzeuge spürbar zu. Bezogen auf die Rolle innerhalb des Ökosystems, sieht sich der Mittelständler in der Automobilbranche als First Tier Supplier positioniert und differenziert sich vor allem aufgrund seiner umfangreichen Systemkompetenz. Diese umfasst sowohl die Abstimmung wie auch die Erweiterung von Komponenten, die in vollkommener Eigenregie durchgeführt werden kann. Das Unternehmen erfüllt dabei nach Einschätzungen des Geschäftsführers primär die Rolle des Integrators. Dennoch ist festzustellen, dass sich die Rollen ein wenig verschieben. Dies ist vor allem auf die immer komplexer werdenden Anforderungen, wie etwa bei Elektrofahrzeugen, zurückzuführen. In diesem Bereich gibt es neben den klassischen First-Tier- oder Second-Tier-Märkten zunehmend Batterieproduzenten, die selbst Chemieunternehmen aus dem Consumer Market sind, und das Automobilgeschäft nur bedingt kennen. Die Kompetenz dieser Unternehmen als Batterieproduzenten liegt primär im Bereich der Zellenproduktion, weniger jedoch im Bereich Fahrzeugintegration oder auch Elektronik. Diesbezüglich ergeben sich hieraus vielerlei mögliche Konstellationen und somit auch Rollen, die innerhalb des Ökosystems eingenommen werden können. Einige Hersteller (OEMs) fertigen die Batterien in Eigenregie, sodass sich eine Verschiebung vom First-Tier zum OEM abzeichnet. Der Mittelständler selbst ist dabei in eine Konstellation mit einem Premiumhersteller eingegliedert. In diesem Falle, so berichtet der Geschäftsführer, möchte der OEM direkt Zelllieferanten beauftragen, wobei sein Unternehmen in der Rolle des First-Tiers agieren soll, um sicherstellen zu können, dass die Systemintegration funktioniert und zugleich fundierte Methodenkompetenzen bezüglich automobilspezifischer Prozesse mit eingebunden werden. In diesem Szenario kooperiert der Mittelständler mit einem Batterieproduzenten einer ganz anderen Größenordnung. Diese Art der Kooperation wird dann jedoch

5.2 Forschungsergebnisse

151

eher vom OEM selbst orchestriert bzw. vorgegeben. Er bestimmt die Partner und die Aufteilung der Wertschöpfungskette. Entscheidend ist hierbei aus Sicht des Geschäftsführers, dass der Mittelständler eine gewisse Flexibilität aufweist, um diese verschiedenen Konstellationen bedienen zu können. Exemplarisch führt der Geschäftsführer chinesische Kunden an, die wiederum ganz andere Anforderungen haben. Teilweise fordern chinesische Kunden sein Unternehmen auf, die komplette Systemkompetenz zu übernehmen und versetzen ihn somit in die Rolle des First Tiers. Der chinesische Kunde zielt indes darauf ab, weniger delegieren und weniger Verantwortung übernehmen zu müssen. Situationsbedingt könnte der Mittelständler demnach ebenfalls die Rolle des Orchestrators erfüllen. Die Rolle des Market Makers ist allerdings den OEMs vorbehalten, zumal der Mittelständler lediglich den Markt von Zulieferersystemen und Komponenten beeinflussen könnte. Der Zulieferermarkt ist an dieser Stelle aber nicht der Endkundenmarkt, sodass die Trends sehr stark vom OEM orchestriert und bestimmt werden. Die Frage nach der Nutzung einer Plattform für den gemeinsamen Austausch wird indes verneint. Das Problem liegt hier nach Aussage des Geschäftsführers in der Komplexität. Eine wesentliche Herausforderung von Gemeinschaftskooperationen bildet die noch nicht abschließend gelöste Schnittstellenproblematik. Jedes Haus nutzt intern ein anderes System, wodurch der Austausch und der Transfer der Modelle problematisch sind. Die größte Herausforderung bestehe darin, diese unterschiedlichen Welten möglichst „seemless“ zu integrieren. Auch ergeben sich lokalisierungsabhängige Anforderungsprofile. So berichtet der Geschäftsführer von abweichenden Anforderungen bei der Produktion in China, Mexiko oder in Deutschland, die sich letztlich an das Ökosystem richten. Hierfür bedarf es globaler Lieferanten, die den familiengeführten Mittelständler weltweit dort, wo er produziert, genauso bedienen können, als wenn er das Projekt ausschließlich in Indien realisieren würde. Lokalisierung ist für sein Unternehmen insofern ein wichtiges strategisches Thema für die Wertschöpfung, sodass gleichermaßen die Standards im Sinne von Qualitäts- und Produktsystemen vereinheitlicht werden müssen und zwar nicht nur innerhalb des Unternehmens, sondern ebenfalls über die Unternehmensgrenzen hinaus. Inwiefern sich die Wertschöpfung verschiebt, ist seinen Aussagen zufolge jedoch grundlegend abhängig vom Business Case und den damit verbundenen vorhandenen Kapazitäten. Insofern erachtet der Geschäftsführer es auch teilweise als opportun, das Ökosystem zu nutzen, um nicht selbst zusätzliche Produktionsfläche oder neue Gebäude aufbauen zu müssen. „Insofern kann man auch mit dem Ökosystem atmen, um sprungfixe Kosten zu schieben oder zu vermeiden“. Hieraus ergibt sich entsprechend ein weiteres Spektrum im Sinne

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5  Qualitative Erhebung

einer „Klaviatur“ mit vielfältigen Möglichkeiten, die Wertschöpfung bestmöglich entsprechend der Business Cases und der Volumenszenarien zu gestalten, wobei letzteres stark von der Spezifität des Produktes und der eingebundenen Applikationen abhängig ist. Eben hierin sieht er einen Vorteil für sein Unternehmen, in der Lage zu sein, kundenspezifische Entwicklungen für ein Produkt zu fertigen, zu industrialisieren und für die Massenproduktion vorzubereiten, sodass der Markt kosteneffizient bedient werden kann und das Endprodukt gleichzeitig optimiert wird. Dabei strebt der Mittelständler sowohl den Ausbau des eigenen Ökosystems als auch die stärkere Partizipation in bestehenden Ökosystemen an. Vor allem im Bereich der Automobilbranche herrscht derzeit viel Umbruch, ausgelöst durch Entwicklungen, wie etwa alternative Antriebstechniken. Diesbezüglich führt der Geschäftsführer an, dass hier immer wieder neue Player in das Spielfeld eintreten, wodurch sich ganz andere Themen ergeben, die derzeit auf der Agenda stehen. Doch genauso wie es den Mittelständler trifft, so betrifft es gleichermaßen die Lieferanten, die diesem ständigen Wandel ebenfalls ausgesetzt sind und ihre Leistungsprofile entsprechend anpassen. Hierbei wird es aus Sicht des Mittelständlers interessant, wenn sich deutsche Lieferanten, die man bereits kennt, internationalisieren und sich auch als Lieferanten für den mexikanischen Markt anbieten. Dies hänge jedoch zunehmend davon ab, wie dynamisch die bestehenden Lieferanten sind und wie sie auf die heutigen Entwicklungen reagieren oder diese sogar proaktiv vorantreiben. Denkbar ist auch die Gründung eines gemeinsamen Joint Ventures zur Einbringung verschiedener Aktivitäten. Dieses Kooperationsmodell weist der Mittelständler ebenfalls auf. Aufgrund der spezifischen Trends in der Automobilindustrie geht der Geschäftsführer grundsätzlich von Geschäftsmodellanpassungen aus. Dies sei jedoch davon abhängig, wie beeinflussend oder signifikant dieser Trend für das eigene Unternehmen ist. Seiner Meinung nach wird sich das Geschäftsmodell von Automobilherstellern, das heute (noch) aus dem Abverkauf von Fahrzeugen besteht, künftig zum Verkauf von Mobilitätsdienstleistungen wandeln. Diesbezüglich stellt sich die fundamentale Frage, wie es mit der Wertschöpfung weitergeht. Besonders im Bereich der Sensorik wird die Software immer wichtiger. Gleichermaßen entsteht durch die Sensorik auch die Möglichkeit, medizinische Services oder etwa Google, z. B. mit seinen Big Data Kompetenzen, in das Ökosystem miteinzubringen, sodass letztlich auch Fragestellungen hinsichtlich des Dateneigentums und der Datenverwendung im Vordergrund stehen. Der Mittelständler geht von einer Zunahme an Intelligenz im Sinne von Algorithmen aus, die die Auswertungen von Informationen der Sensoren übernehmen und betont, dass hierbei ein „neues Geschäftsfeld“ erschlossen wird,

5.2 Forschungsergebnisse

153

sei es ihm Rahmen weiterer Produkte, Softwarealgorithmen oder Services. Dies sollte jedoch auch kritisch beleuchtet werden, zumal diese Entwicklung auch sehr stark von anderen Marktspielern abhängen und die OEMs die Datensammlung und Datenvermarktung an Andere, wie z. B. medizinische Services, gerne selbst übernehmen wollen würden. Trotz der hohen Dynamik vermerkt der Geschäftsführer, dass eine gewisse Reserviertheit besteht, sodass seitens des OEMs keine so große Bereitschaft für einen Umbruch besteht. Auf der anderen Seite möchten die partizipierenden Akteure jedoch „das größte Stück vom Kuchen“, sodass die vielfältigen Interessenlagen zu berücksichtigen sind. Zudem bergen Internetplattformen derzeit die Gefahr, bestehende Strukturen zu disruptieren, weshalb letztlich abzuwarten ist „wer hier das große Rennen macht“. „Da wird sicherlich noch die ein oder andere Überraschung kommen, auch von Marktteilnehmern, die man ggf. nicht auf dem Radar hat und auch nicht kennt“. Es wird dann eine Herausforderung sein – im Sinne der ganzheitlichen digitalen Vernetzung – diese Komplexität im Endeffekt zu managen und gleichzeitig wertschöpfend zu sein. Der Geschäftsführer verweist diesbezüglich auf die Grenzen von Komplexitätskosten, die durch den zielgerichteten Einsatz von Plattformen und digitaler Technologien reduziert werden können und so Möglichkeiten bieten, größere Zusammenschlüsse zu realisieren. Die Ernüchterung könne sich im Rahmen dessen äußern, was tatsächlich machbar und effizient ist. Dennoch ist von einer intensiveren Zusammenarbeit über verschiedene Wertschöpfungsstufen und Industrien hinweg auszugehen. Als neuartig hebt der Geschäftsführer hervor, dass nun auch mit „neuen“ Industrien neue Kooperationen eingegangen werden. Dies scheint jedoch stark abhängig vom Use Case. Dies zeige sich vor allem an vielfältigen Mobilitäts- und SharedOwnership-Modellen, die vor allem in Ballungsräumen spürbar zunehmen. Diese Konzepte sind interessant für Kunden, die aufgrund ihres Use Cases auf das eigene Auto verzichten und stattdessen die Mobilitätsdienstleistungen in Anspruch nehmen. Zwar fällt hierdurch ein Teil aus dem klassischen Geschäftsmodell eines Automobilzulieferers weg, „aber das wird nie dazu führen, dass von jetzt auf gleich alle Fahrzeugverkäufe eingestellt werden“. Die Automobilbranche könnte hierfür selbst einen Bestand an Flottenfahrzeugen oder Fahrrobotern aufbauen und dies, sofern die kritische Masse erreicht wurde, als Zusatzgeschäft tragen. Denn diese neuen Services durch z. B. Uber – so stellt der Geschäftsführer fest – bringen einen großen „benefit“ für viele. Die Ausrichtung des mittelständischen Unternehmens ist laut Aussage des Geschäftsführers definitiv langfristig orientiert. Das Unternehmen sieht Nachholbedarfe in den Bereichen Digitalisierung und Robotik sowie Big Data. Hierbei geht das Unternehmen stets mit einer gewissen Vorbereitung an die Themen

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5  Qualitative Erhebung

heran und zählt im Rahmen eigener „Konzeptschulen“ auf, welche Felder am Markt bestehen, in denen sich der Einsatz einer neuen Technologie als lohnenswert erweist, um hierauf aufbauend Use-Cases oder auch Business Cases zu konzipieren. Dabei verfolgt das Unternehmen tendenziell eher einen allmählichen als einen radikalen Umbruchprozess. Die Frage hinsichtlich der Wertverteilung innerhalb des Ökosystems ist für den Geschäftsführer schwierig zu beantworten. Eine genaue Differenzierung zwischen einem Hype und einem nachhaltigen Trend sollte seiner Ansicht nach stets vorgenommen werden. Besonders mittelständische Unternehmen verfügen über weniger „Munition“, was voraussetzt, Investitionen im Vorfeld ganzheitlich zu überdenken, bevor auf das Familieneigentum zurückgegriffen wird. Als wesentlich sieht der Geschäftsführer das Trendscouting als Teils des Screenings – also das Wahrnehmen und Bearbeiten von Trends – an. Dafür werden für bestimmte Trends Use-Cases und Business Cases kreiert, die letztlich als Entscheidungsgrundlage für oder gegen ein Investment dienen. Konkret bezogen auf die Zusammenarbeit im Ökosystem merkt der Geschäftsführer jedoch an, dass dies durchaus partnerschaftlicher sein könnte. Zwar sind die OEMs immer begeistert von neuen Ideen und Konzepten, zeigen sich jedoch sehr zurückhaltend, die eigenen Ideen mit ihren Lieferanten zu teilen. Der Geschäftsführer hat den Eindruck, dass dies daran liegen könnte, dass sich die OEMs derzeit eher mit anderen Themen, wie etwa Tesla, Google, Dieselgate oder auch der Elektromobilität beschäftigen. Die gemeinsamen Vorentwicklungen und Vorstudien mit dem OEM sind hingegen sehr diskret und geben wenig Handlungsspielraum. Die Wertverteilung im Ökosystem erachtet der Geschäftsführer indes als „überhaupt nicht fair verteilt“. Die OEMs üben einen „ganz massiven Kostendruck auf die Zuliefererindustrie“ aus, sodass der OEM die Gestaltung der Wertschöpfung vorbestimmt, Cost-Breakdowns erstellt und Ziele sowie teilweise Unterlieferanten im Vorfeld definiert. Den Einschätzungen des Geschäftsführers zufolge, versuchen die OEMs ihre hohen Investitionssummen für z.  B. Elektromobilität über Preisreduktionen bei Lieferanten gegen zu finanzieren. Der Handlungsspielraum ist dementsprechend eng, weshalb keine Gleichverteilung im Ökosystem vorherrscht.

5.2.7 Unternehmen 7: Ökosysteme aus Sicht eines Unternehmens in den Rollen des Integrators und Market Makers Das mittelständische Unternehmen agiert in der Automobilbranche als klassisches Zuliefererunternehmen und kann auf eine lange Unternehmenshistorie

5.2 Forschungsergebnisse

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zurückblicken. Die Wahl zwischen Eigenfertigung und Fremdbezug repräsentiert für den Mittelständler grundsätzlich eine strategische Fragestellung, wobei strategisch relevante Komponenten aber auch technologisch interessante Themen in Eigenregie erstellt bzw. begonnen werden. Mit abnehmender Bedeutung für das Kerngeschäft, wird es von Dritten bezogen, wobei die „Eigenfertigungsthemen“ entsprechend mit neuen Inhalten, wie beispielsweise der additiven Fertigung, aufgefüllt werden. In diesem Bereich wird versucht, erst einmal die eigenen Erfahrungen mit dieser Technologie einzuholen. Diesbezüglich fällt es dem Interviewpartner schwer, die Eigenfertigungstiefe prozentual festzulegen. Eine Veränderung der Wertschöpfungstiefe ist zwar nicht zu verzeichnen, allerdings versucht der mittelständische Automobilzulieferer, seine Lieferanten immer stärker in neue strategische Themen mit einzubeziehen. Der Mittelständler hat hierfür sogenannte „Technologie-Tage“ – ähnlich einer Hausmesse – eingeführt, bei denen Lieferanten zusammenkommen und für sie relevante Themen anbringen und Entwicklungen vorstellen können. Diese Art „Marktplatz“ lässt der Mittelständler in jeder Region einmal im Jahr stattfinden, sodass ausgewählten Lieferanten die Möglichkeit gegeben wird, ihre Ideen und Innovationen vorzustellen. Hieran partizipierend sind nicht nur die Einkäufer, sondern auch die Entwickler des mittelständischen Unternehmens, um sicherzustellen, dass Konstrukteure die Ideen direkt vor Ort auf gemeinsame technische Umsetzbarkeit mit dem Lieferanten prüfen und diskutieren können. Der Trend zur kollektiven Wertschöpfung ist für den Mittelständler deutlich spürbar und auch ökonomisch sinnvoll, zumal man nicht alles alleine im Haus stemmen kann. Darüber hinaus „wäre es auch schade, wenn man Ideen, die Lieferanten generieren, nicht in die eigenen Produkte integriert oder noch schlimmer, diese Innovationen von Wettbewerbern aber nicht von uns genutzt werden“. So erachtet der Mittelständler seine Lieferanten in einigen Teilbereichen als die deutlich besseren Spezialisten bzgl. bestimmter Technologien und Produktionsverfahren. Dabei besteht natürlich die Gefahr, Know-how Verluste zu verzeichnen. Diese Diskussion wird im Unternehmen oft geführt. Dem gegenüber stehen allerdings Geheimhaltungsvereinbarungen, die abgeschlossen werden, bevor die Themen überhaupt gemeinsam realisiert werden. Insgesamt sind „die Chancen, davon zu profitieren, deutlich größer als die Gefahr, die bei solchen Themen auch immer ein bisschen mitspielt.“ Das Thema Ökosysteme wird daher sehr aktiv vorangetrieben. Wenngleich der Begriff „Ökosystem“ im Unternehmen bislang keine Verwendung findet, so sieht sich der Mittelständler klar als Teil eines Ökosystems, das vornehmlich die Lieferanten umfasst, aber auch innerhalb des Unternehmens Verknüpfungen zwischen Entwicklungs-, Konstruktions-, und Qualitätsabteilungen als integrativen Bestandteil des Ökosystems miteinbezieht. Dies setzt

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5  Qualitative Erhebung

ein abteilungsübergreifendes Denken voraus, zumal z. B. Qualitätsbewertungen der Lieferanten letztlich auch für andere Abteilungen wesentlich sind und zugänglich gemacht werden müssen. Der Automobilzulieferer fängt langsam an, abteilungsübergreifender zu denken, sodass letztlich nicht die Abteilung, sondern die Prozesse wegleitend sind und sein sollen. Komplex wird das Vorhaben allerdings durch Berechtigungsthemen, die im Vorfeld geklärt werden müssen. Insbesondere zur Realisierung von Big Data sieht der Mittelständler die Notwendigkeit zur unternehmensübergreifenden Datenverknüpfung. Dem Probanden zufolge ist das Unternehmen da zwar noch relativ am Anfang, allerdings wird das Thema „Daten“ und insbesondere „Data Analytics“ aktiv forciert, sodass sich damit gegenwärtig intensiv in der ganzen Unternehmensgruppe beschäftigt wird. Auf die Frage, welche Rolle(n) der Automobilzulieferer im Ökosystem einnimmt, zeigt sich ein diversifiziertes Bild. Das Unternehmen zeugt zwar von hoher Eigenfertigungstiefe von strategisch relevanten Themen und ordnet sich dadurch als Integrator ein. Aus der Sicht des Einkaufs ist das Rollenbild des Market Makers jedoch bezeichnender. Im Einkauf wird auch individuell über die Wertschöpfungstiefe entschieden. Dies ist letztlich davon abhängig, welches Know-how im Haus vorliegt und wie schnell neues Know-how intern auf- und ausgebaut werden kann. Sofern die interne Durchführung als wenig sinnvoll und zweckdienlich erscheint, müssen bestimmte Themen von Externen ausgeführt werden. Diese Fragestellungen fungieren somit als wesentliche Treiber für Entscheidungen bezüglich der Wertschöpfungstiefe. Zugleich sieht sich der mittelständische Automobilzulieferer in der Rolle des Orchestrators agierend, insbesondere aufgrund des intensiven Lieferantenaustausches und der letztlichen Koordination zur Ideengenerierung und der gemeinsamen Umsetzung. Aktiv angetrieben wird das Thema Ökosysteme von der Geschäftsführung des Unternehmens: „Aus meiner Sicht muss es auch von der Geschäftsführung aus gewollt sein und auch unterstützt werden, weil es sonst natürlich auf den darunterliegenden Ebenen immer Schwierigkeiten mit der Umsetzung geben wird.“ So wurden auch die Lieferantentage aktiv von der Geschäftsleitung initiiert, um das Thema der gemeinsamen Wertschöpfung voranzutreiben: „ich glaube, dass wir ohne ihre Unterstützung in dem Maße nicht da wären, wo wir heute sind.“ Neben den Lieferanten werden auch verstärkt OEMs, die den Automobilzulieferer wiederum als eigenen Lieferanten erachten, verstärkt in das Ökosystem miteinbezogen. Die intensive Interaktion erscheint sinnig, zumal gewisse Wertschöpfungstiefen im Alleingang nicht mehr bewältigt werden können. Vor allem werden die Komponenten und Systeme immer komplexer, sodass es auch für die OEMs kostspieliger wird, dieses Know-How selbst im Unternehmen aufzubauen. Stattdessen ist es effizienter, gewisse Umfänge auch nach außen ­ abzugeben.

5.2 Forschungsergebnisse

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Der Druck innerhalb des Ökosystems geht allerdings immer vom Kunden (OEM) aus. Durch die vergleichsweise geringere Anzahl an OEMs in Relation zu der breiten Zuliefererindustrie, ist die Monopolstellung deutlich größer, sodass hierdurch aktiv Druck auf die Zulieferer ausgeübt werden kann. Daraus ergibt sich ein anderes Szenario, also wenn der Automobilzulieferer selbst auf einen kleineren Lieferanten zugeht: „Stanzteile z. B. können viele herstellen und da kann man natürlich versuchen, gewissen Druck aufzubauen und natürlich gibt es eine gewisse Abhängigkeit, aber die ist deutlich kleiner als die Abhängigkeit, die wir gegenüber unserem Kunden (OEM) haben.“ Im Ökosystem erachtet der Mittelständler es trotz der Abhängigkeitsverhältnisse als wesentlich vorteilhaft, vorhandenes Know-how besser ausschöpfen zu können und sich dort zu bedienen, wo es bereits vorliegt. Vertrauen in die Kompetenzen und Fähigkeiten des Partners bildet dabei die fundamentale Basis. Schwierig wird es, wenn es dabei um vertrauliche Informationen oder den Schutz von Know-how geht. Deshalb hat sich der Mittelständler bewusst dazu entschieden, strategisch relevante Aktivitäten im eigenen Haus durchzuführen, wenngleich der intensivere Austausch Potentiale mit sich bringt: „Aber ich glaube, viele Geschäftspartner haben erkannt, dass es durchaus möglich ist, dass beide von solchen Beziehungen profitieren, ohne Know-how-Verluste zu verzeichnen“. So besteht im Unternehmen grundsätzlich die Bereitschaft, den Ausbau des bestehenden Ökosystems aktiv voranzutreiben sowie damit einhergehend eine verstärkte Partizipation durch einen intensiveren Austausch innerhalb des Ökosystems zu realisieren. Die Zusammenarbeit mit strategisch relevanten Lieferanten wurde deutlich intensiviert, sodass „die klassische Kunden-Lieferanten-Beziehung von früher nur noch relativ selten funktioniert“. Die Vorteile der kollektiven Wertschöpfung werden beiderseitig transparent dargelegt und durch eine enge Verzahnung der Partner realisiert: „Am Ende hängt es davon ab, wie man das Ökosystem für sich lebt; genauso wie die internen Rollen davon profitieren, indem man die Teamzusammenarbeit einfach verstärkt.“ Der Automobilzulieferer forciert diesbezüglich eine frühzeitige Lieferanteneinbindung, um Innovationsthemen gemeinsam realisieren zu können. Die „Lieferantentage“ sind hierfür das plakativste Beispiel. Daneben gibt es noch zweimal im Jahr ein exklusives Treffen mit strategischen Lieferanten auf Managementebene, um dort einerseits die gegenseitige Wertschätzung zu zeigen und dem Lieferanten andererseits die Möglichkeit zu geben, seine Themen möglichst hoch platzieren und innovative Ideen herantragen zu können. Dadurch wird der Gefahr entgangen, dass Innovationen auf unterster Ebene scheitern, wenn sie nicht in vertretbarer Form in die Organisation getragen werden kann. Dies führt der Proband als ein Hauptmotiv für diese Art von Treffen an.

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5  Qualitative Erhebung

Entwicklungen in Richtung digitaler Plattformen und eines gegenseitigen digitalen Datenaustausches mit Lieferanten sind beim Mittelständler bereits spürbar und werden ebenfalls aktiv forciert. Der Anfrageprozess wurde bereits digitalisiert, sodass hierfür ein Tool zwischengeschaltet wurde, auf dessen Basis Lieferanten die Anfragen zugesandt bekommen. Lieferanten können sich dort einloggen und ihr Angebot direkt über das Tool abgeben. Dadurch erhält der Mittelständler eine schnelle Vergleichbarkeit der unterschiedlichen Angebote verschiedener Lieferanten für einen selbigen Umfang. Diese digitale Dokumentation fungiert letztlich als Entscheidungsbasis für die Lieferantenauswahl: „Daraufhin kann man sehr gut dokumentieren und archivieren, warum welche Entscheidung wie getroffen wurde“. Dieses Tool bildet sodann den kompletten Vergabeprozess digital ab, sodass aus der Anfrage heraus ein Workflow generiert wird, der Grundlage für die finale Entscheidungssitzung darstellt. Dabei ist es aus dem Tool heraus nachvollziehbar, wer die Vergabe freigegeben, oder aus welchen Gründen ein Lieferant den Auftrag erhalten hat oder abgelehnt wurde. In diesem Zusammenhang führt der Mittelständler auch Supplier-Portal-Themen im Unternehmen. Hierbei geht es um die Pflege der Lieferantenstammdaten, wobei den Lieferanten die Möglichkeit gegeben wird, seine Daten selbstständig einzupflegen, was früher noch in wesentlich aufwendiger Form über Rückfragen seitens des Mittelständlers eingeholt wurde. Online werden dann direkt die Ansprechpartner im Portal angezeigt, was sich in Krisenfällen als essentiell vorteilhaft erweist. Der Automobilzulieferer nutzt ein für die Angebotsabgabe branchenübliches Tool, welches von Drittanbietern zur Verfügung gestellt und auf die Anforderungen des Unternehmens individuell angepasst wurde. Beim Lieferanten musste für die Nutzung dieses Tools wenig Überzeugungsarbeit geleistet werden. Der Mittelständler gab hier konkrete Vorgaben gegenüber seinen Lieferanten, um sie zur Nutzung der Tools für Angebotsabgaben zu verpflichten. Unterschieden wird lediglich hinsichtlich der von den Lieferanten anzugebenden Detailtiefe bei der Angebotsabgabe. Vor allem, wenn sich der Mittelständler in einer besseren Machtposition gegenüber den Lieferanten sieht, wird das Angebot mit einem tieferen Detailierungsgrad verlangt. Bei Lieferanten, die eine stärkere Machtposition am Markt genießen, wird zumeist versucht, sich einvernehmlich zu einigen. Vor allem das Supplier-Portal erachtet der Proband aus Sicht des Lieferanten als „schwierig“, zumal jeder Kunde ein anderes Supplier-Portal führt, auf das sich die Lieferanten einstellen müssen. Dies erfordert eine intensive Einarbeitungszeit. Branchenseitige Impulse zur stärkeren Datenintegration werden bereits dahin gehend diskutiert, einheitliche Standards zu setzen. Ansonsten könnte sich dieses Thema zu einer (noch) größeren Hemmschwelle wandeln.

5.2 Forschungsergebnisse

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Anpassungen im Geschäftsmodell hingegen führt der Proband weniger auf die Partizipation in Ökosystemen zurück. Ausschlaggebend seien hierfür andere Kriterien, die das Geschäftsmodell gestalten. Big Data ist dabei ein Kernthema, mit dem sich der Mittelständler intensiv auseinandersetzt. Um der Problematik zu entgehen, dass jeder im Unternehmen versucht, das Thema für sich voranzutreiben, wurden regelmäßige Meetings eingeführt. Damit wird das Ziel verfolgt, der Unternehmensgruppe eine gewisse Spannbreite vorzugeben, in der sich der Mittelständler in diesem Themengebiet bewegen möchte, und den Themenfokus in einem extra dafür vorgesehenen Kanal festzulegen. „Und ich glaube am Ende schon, dass sich aus der Fülle der Daten, die dadurch zur Verfügung stehen, wesentliche Chancen ergeben werden, das Geschäftsmodell dahin gehend zu verändern.“ Eine Überlegung, die damit einhergeht, ist eine mögliche Zukunftsvision des Datenverkaufs. Der Mittelständler hat für sich die Wichtigkeit von Daten erkannt, um daraus ggf. zukünftig ein Modell abzuleiten. Allerdings kann dies derzeit noch nicht weiter konkretisiert werden. Zugleich herrscht die Meinung, dass derzeit viele Unternehmen Daten für sich als zukünftige Geschäftsmodellbasis erwägen. In Benchmark-Gesprächen mit anderen Unternehmen stellte der Mittelständler zumindest fest, dass sich alle Wettbewerber derzeit noch auf demselben Niveau bewegen: „Jeder will, aber keiner weiß, wo man das Thema, in welcher Art und Weise sinnvoll angehen sollte und wie es sich weiterentwickeln wird. Aber jeder will eigentlich etwas tun, weil jeder das Gefühl hat, damit wird man Wertschöpfung in der Zukunft generieren können!“ Die dafür notwendige Öffnung des Geschäftsmodells erachtet der Automobilzulieferer in diesem Zusammenhang als eine Hürde. Das Thema „Cloud“ konnte sich im Unternehmen z. B. aufgrund der vielen Gefahren, die damit einhergehen, noch nicht durchsetzen. Dennoch wird davon ausgegangen, dass auch diese Themen früher oder später lösbar sein und sich letzten Endes zum Standard entwickeln werden, „weil man sonst irgendwann den Fortschritt verpasst und weil es einfach viele Möglichkeiten mit sich bringt, um auch schneller am Markt agieren zu können“. Die Entwicklungszeiten am Markt werden als wesentlich schnelllebiger wahrgenommen. Mitunter ist bereits eine Reduktion der Entwicklungszeiten auf ein Jahr und weniger möglich und teilweise zeigen sich Tendenzen von noch höherer Geschwindigkeit. Simulationssoftwares und 3D-Drucker führen bereits zu schnelleren Durchlaufzeiten bei gleichbleibender und teilweise sogar höherer Qualitätswahrung: „Es geht nicht darum, ein Stanzteil, was ich heute habe, in gleicher Form aus 3D zu bauen, sondern komplett anders zu konstruieren“ und dadurch ganze Baugruppen zu rekonstruieren. Bezüglich der zeitlichen Orientierung im Ökosystem gibt der Mittelständler zu Protokoll, aufgrund der Partizipation in Ökosystemen eine ­Langfristorientierung

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5  Qualitative Erhebung

zu verfolgen. Dies zeigt sich vor allem in dem intensiven Austausch mit den strategischen Partnern, mit denen Themen gemeinsam entwickelt werden. Dadurch werden etwaige Hürden, wie Know-how-Verluste, verringert, zumal diese Partnerschaften bereits lange bestehen und gegenseitiges Vertrauen vorliegt. Die Hemmschwellen, sich über neue Technologien auszutauschen und zukünftige Entwicklungen zu diskutieren, sinken dadurch erheblich. Gleichermaßen wird jedoch auch eine gewisse Flexibilität am Markt gefordert. „Das Thema „Stillstand ist Rückschritt“ ist aktueller als jemals zuvor.“ Daher sieht der Mittelständler es als essentiell an, die Entwicklungen am Markt aktiv mitzuverfolgen, um nicht Gefahr zu laufen, nicht mehr auf den Zug aufspringen zu können. Aufgrund dessen verspürt der Mittelständler auch Handlungsbedarf im Bereich der Datenanalyse, „weil, wenn es so weit ist, wir nicht die letzten sein möchten, sondern zu den Ersten gehören wollen“. Die Werteverteilung innerhalb des Ökosystems ist der Wahrnehmung des Automobilzulieferers zufolge einigermaßen fair aufgeteilt, „weil es sonst auf Dauer gar nicht funktioniert. Wenn ich ein Ökosystem darauf aufbaue, dass ich langfristig immer der Gewinner bin, dann wird es nicht lange funktionieren. Ich denke, dass das in solchen Beziehungen relativ wichtig ist.“ Gleichzeitig fördert die Partizipation die Wettbewerbsfähigkeit des Mittelständlers, indem Wettbewerbsvorteile verstärkt am Markt generiert werden können. Der Automobilzulieferer versucht stets „einer der ersten am Markt zu sein.“ Insbesondere bei technologisch komplexen Produkten kann durch die verstärkte Nutzung von Ökosystemen die Wettbewerbsfähigkeit gestärkt werden. Diesbezüglich wird eine steigende zukünftige Bedeutung von Ökosystemen prognostiziert. „Die Vernetzung und die Vernetzungsmöglichkeiten werden größer werden. Größer, schneller, transparenter und alleine aus dem Grund wird es vermutlich zunehmen.“ Gleichermaßen werden sich auch die internen Abteilungsgrenzen immer mehr auflösen, zumal sie dann nicht mehr zeitgemäß sind „und weil Prozesse auch nicht vor Abteilungsgrenzen haltmachen.“

5.2.8 Unternehmen 8: Ökosysteme aus Sicht eines Unternehmens in den Rollen des Integrators und Market Makers Der traditionell vor 1900 gegründete Automobilzulieferer sieht sich in der Position eines First-Tier Suppliers in der Automobilbranche situiert. In Bezug auf die Eigen- sowie Fremdfertigung können hinsichtlich der Wertschöpfungstiefe bisweilen keine signifikanten Veränderungen verzeichnet werden. Der interviewte

5.2 Forschungsergebnisse

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strategische Einkäufer arbeitet mit einem vordefinierten Lieferantenportfolio für sehr spezialisierte Produkte. Der Begriff des Ökosystems wird zwar im Unternehmen derart nicht verwendet, allerdings versteht er hierunter die „Zusammenstellung verschiedener Interaktionspartner, die in Summe ein Ökosystem ergeben“. Der Fokus der Ökosystembetrachtung liegt laut Aussagen des Probanden auf der gegenseitigen (Ein-)Wirkung und dem daraus resultierenden Zusammenspiel im Zuge der Digitalisierung. Die interne Abteilung fungiert dabei im Wesentlichen als Bedarfsträger. Der First-Tier Supplier sieht sich in seiner Rolle definitiv als Teil eines Ökosystems. Der Fokus liegt allerdings darauf, sich als Automobilzulieferer zu beteiligen und mitzudiskutieren, wie die Vorgaben des OEMs erfüllt werden können. Dabei wird das übergeordnete Ziel der verstärkten kollektiven Generierung von Wertschöpfung mit Partnerunternehmen verfolgt. Konkret wird dementsprechend der Versuch unternommen, die Wertschöpfung integrativ und ganzheitlich aufzuziehen. Der tatsächliche Austausch ist jedoch wesentlich begrenzter: „Wir arbeiten so viel, aber auch gleichzeitig so wenig wie möglich miteinander, weil man seine Marktposition nicht schwächen möchte.“ Die Bedeutung von Ökosystemen ist aus Sicht des strategischen Einkäufers zwar noch nicht spürbar, wird jedoch als Trend immer wieder aufgegriffen. Wie sich das letztendlich verändert, scheint jedoch noch nicht ganz klar. Dagegen spricht laut Meinung des Interviewpartners, dass die Unternehmen sich auch selbstständig im Wettbewerb behaupten müssen. „Kollektiv hört sich zwar gut an, aber die Umsetzung könnte sich vor diesem Hintergrund schwierig gestalten“. Bezogen auf die Rolle, die das Unternehmen im bestehenden Ökosystem einnimmt, agiert der Automobilzulieferer sowohl in der Rolle des Layer Players als auch in der Rolle des Market Makers. Als First-Tier Supplier versucht das Unternehmen, sich in die Nischen zwischen den Second-Tier Suppliern und den OEMs einzubringen und da gezielt Wertschöpfung zu erbringen. Als Market Maker wird dem Gedanke des Zusammenführens von Leistungen Ausdruck verliehen, speziell an die Leistungen des Second-Tiers anzuknüpfen und Wertschöpfung hinzuzufügen. Hieraus ergibt sich sodann die kollektive Wertschöpfungstiefe. Vor allem besonders relevante Lieferanten für die Herstellung von Spezialprodukten, die als Turnkey-Lieferanten im Unternehmen betitelt werden, repräsentieren aus der Perspektive des Einkaufs einen wesentlichen Wertschöpfungspartner im Ökosystem. Dem Vertrieb hingegen obliegt die Kontaktaufnahme zu den OEMs. Aus den Planungen des Vertriebes, ergibt sich wiederum das Bedarfsprofil für die Einkäufer, weshalb die interne Abteilung als bedeutsamer Bedarfsträger innerhalb des Ökosystems fungiert.

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5  Qualitative Erhebung

Die Partizipation in Ökosystemen bietet dabei aus Sicht des Interviewpartners die grundlegende Chance, ökonomisch sinnvoll zu agieren. Barrieren hingegen entstünden, wenn der Lieferant direkt mit dem Bedarfsträger kommuniziert und der Einkauf umgangen wird. Dies ruft Informationslücken hervor. Auch führt der Interviewpartner die Problematik an, dass der Lieferant die Automobilzulieferer umgeht und das direkte Geschäft mit dem OEM forciert. Dies könnte ebenfalls eine Informationslücke darstellen, aber auch einen ökonomischen Verlust zur Folge haben, sodass Umsatzeinbußen zu erwarten wären und die Gewinnmargen ggf. nicht erzielt werden können. Diese Szenarien hängen seiner Ansicht nach mehr vom Machtverhältnis als vom Vertrauensverhältnis ab. Vertrauen sei fast keines vorhanden, sodass die Partizipation hauptsächlich auf Machtverhältnissen fußt. Die Interaktion mit den Wertschöpfungspartnern erfolgt sowohl telefonisch als auch durch persönliche Treffen. Zur Abwicklung von Lieferantenanfragen werden spezielle Tools genutzt. Der Automobilzulieferer kann über diese Tools Anfragen gebündelt rausschicken und notwendige Dokumente hochladen, die an eine bestimmte Verteilergruppe verschickt werden. Die Deadline für die Quotes ist in dem Programm einstellbar, sodass die Angebote in digitaler Form als PDFDatei bis zu einem bestimmten Zeitpunkt eingegangen sein müssen. Der Automobilzulieferer nutzt hierzu verschiedene Bidding Sheets, die beliebig komplex oder vereinfacht ausgestaltet werden können. Letztlich hängt der Komplexitätsgrad stark vom Produkt selbst ab. Bei komplexen Produkten werden zugleich höhere Anforderungen an die Lieferanten gestellt. Für relativ standardisierte Produkte werden gestaffelte Preismatrizen zugunsten der Preisfindung erstellt. Bei komplexeren Produkten hingegen werden analog aufwendigere Kalkulationsdateien erstellt, bei denen gezielt jährliche volumenabhängige Ersparnisse berücksichtigt werden sollen. Das Tool zur Angebotsabwicklung ist ein branchenübliches Programm und wird von einem externen Dienstleister gestellt. Die Machtposition des Unternehmens erlaubt es ihnen, den Lieferanten dieses Tool problemlos oktroyieren zu können. Das Thema IT-Sicherheit und Datenschutz ist für das Unternehmen laut Angaben des Interviewpartners indes kein großes Hindernis. Insgesamt ist der Automobilzulieferer bestrebt, sowohl den bestehenden Austausch zu intensivieren, als auch weitere Wertschöpfungspartner miteinzubeziehen. Das Geschäftsmodell verändert sich jedoch nicht aufgrund der Partizipation in Ökosystemen. Stattdessen begegnet das Unternehmen dem starken Marktdruck, in dem es gegenüber den OEMs zum Ausdruck bringt, auch in Zukunft der richtige Ansprechpartner für neue Innovationen und als First-Tier Supplier unumgänglich zu sein. Das Ziel ist hierbei, die Effizienz weiterhin b­ eizubehalten, und zugleich

Literatur

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kostengünstig, innovativ und qualitativ hochwertig zu agieren. Daher ist die langfristige Orientierung und Ausrichtung des unternehmerischen Handelns ein aktuelles strategisches Thema in der Geschäftsführung. Die Wertverteilung innerhalb des Ökosystems wird indes als fair beurteilt. Sowohl die OEMs sind hochprofitabel, als auch die Zuliefererunternehmen und weitere Sublieferanten, die teilweise wesentlich größer sind als der Zulieferer. Bezogen auf die zukünftige Bedeutung von Ökosystemen wird die Meinung vertreten, ein notwendiges Bewusstsein für das Ökosystem und die Entwicklung des Ökosystems schaffen zu müssen: „man sollte sich schon klar darüber sein, in welchem Ökosystem man sich bewegt, um sich der Risiken bewusst zu sein, wie etwa durch Wettbewerber oder sonstige Einflüsse, die da entstehen können“. Gleichermaßen spielen Ökosysteme eine wesentliche Bedeutung bei der Überschaubarkeit der Wettbewerbslandschaft, um frühzeitig Repositionierungen anderer Wettbewerber zu identifizieren und ggf. nachziehen zu können, denn „das ist immer wichtig, dass man das ganzheitlich im Blick hat“.

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5  Qualitative Erhebung

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6

Diskussion

Rahmenbedingungen Hinsichtlich der Wertschöpfungstiefe der Probanden ist zunächst festzustellen, dass grundsätzlich zwischen strategisch wichtigen und unwichtigen Komponenten unterschieden werden sollte. Vor allem in der Automobilbranche werden ausschließlich strategisch unwichtige Komponenten fremdbezogen. Allerdings ist festzustellen, dass zunächst wichtige strategische Komponenten im Zeitverlauf auch eine geringere strategische Priorität entwickeln können und somit für einen Fremdbezug infrage kommen können. Die Probanden der quantitativen Erhebung zeichnen mit 63 % Eigenfertigung und 43 % Fremdbezug kein klares Bild. Weder die Probanden der quantitativen, noch im Rahmen der qualitativen Erhebung sehen eine signifikante Veränderung der Wertschöpfungstiefe. So vermutet ein Proband, dass die „Wertschöpfung bei uns relativ konstant [bleibt]. Nichtsdestotrotz versuchen wir auch, unsere Lieferanten immer stärker in neue strategische Themen miteinzubeziehen“. Sowohl in der quantitativen als auch in der qualitativen Erhebung wird deutlich, dass der Begriff des Ökosystems nicht in den Unternehmen verwendet wird (siehe Tab. 6.1). Dennoch ist den Probanden der qualitativen Erhebung die Begrifflichkeit des Ökosystems geläufig. Ein Proband stellt fest, dass es sich herbei nur um „modernes Deutsch für andere Partnerunternehmen, Zulieferer sowie in der Wertschöpfung verbundene Lieferanten, und Kunden“ handelt. Auch, wenn den Probanden die Begrifflichkeit nicht klar ist, sehen sie ihr Unternehmen in ein Ökosystem eingebettet. In beiden Erhebungen kann festgestellt werden, dass die derzeitige und vor allem die zukünftige Bedeutung von Ökosystemen hoch bzw. sehr hoch ist. So wird beispielsweise über „Sponsoring und andere Themen bei der Grundlagenentwicklung“ partizipiert.

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 W. Becker et al., Ökosysteme im Mittelstand, Management und Controlling im Mittelstand, https://doi.org/10.1007/978-3-658-29844-9_6

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166

6 Diskussion

Tab. 6.1   Ausgewählte Aspekte der Rahmenbedingungen Quantitative Erhebung Wertschöpfungstiefe • Hinsichtlich der Wertschöpfungstiefe und deren und deren EntEntwicklung zeichnet sich ein wicklung homogenes Bild ab

Qualitative Erhebung • Die Wertschöpfungstiefe ist davon abhängig, ob es sich hierbei um strategische relevante Komponenten handelt • Eine Veränderung der Wertschöpfungstiefe ist nicht festzustellen

Geläufigkeit und Verwendung des Begriffes „Ökosystem“

• Einem Großteil der Probanden • Zwar wird die Begrifflichkeit im Unternehmen nicht ist der Begriff des Ökosystems verwendet, jedoch ist eine nicht geläufig rudimentäre Kenntnis des Begriffes zu attestieren

Derzeitige und zukünftige Bedeutung von Ökosystemen

• Aktuell erachtet rund die Hälfte • Ist die derzeitige Bedeutung noch überschaubar, sehen der Probanden die Bedeutung die Probanden einen starken der Thematik als hoch bzw. Anstieg hinsichtlich der sehr hoch. Die zukünftige Bedeutung von Ökosystemen Bedeutung wird hingegen von zwei Drittel der Befragten als hoch bzw. sehr hoch eingeschätzt

Anzahl an Akteuren • Mehrheitlich einer bis drei Akteure im Ökosystem Ökosystemmodell

• Vornehmlich ordnen sich die Probanden dem Integrated Model zu

• Meist nur Lieferanten • Den meisten Probanden ist eine klare Einteilung nicht möglich

Während ein Großteil der Probanden der quantitativen Erhebung ihr Ökosystem auf einen bis drei Akteure beziffert, sieht eine Vielzahl der Probanden der qualitativen Erhebung lediglich die Lieferanten, also wichtige Akteure, im Ökosystem. Es zeigt sich in der quantitativen Erhebung ein recht klares Bild hinsichtlich des Integrated Model, dabei sind sich die Probanden der qualitativen Erhebung oft unschlüssig, welches Modell ihr Ökosystem am besten beschreibt und wählen in der Regel mehrere Typen. Ausgestaltung Im Rahmen der Ausgestaltung zeigt die mittelständische Unternehmenspraxis vielfältige charakteristische Gestaltungsmerkmale auf, die aus der quantitativen und qualitativen Erhebung resultieren (siehe Tab. 6.2).

6 Diskussion

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Tab. 6.2   Ausgewählte Aspekte zur Ausgestaltung von Ökosystemen Quantitative Erhebung Chancen durch die • Ganzheitlich kundenzentriertere AusPartizipation richtung • Prozessoptimierungen im Geschäftsmodell

Qualitative Erhebung • Schaffung ganzheitlicher Kundenlösungen („rundum sorglos Paket für Kunden“) durch das Zusammenwirken verschiedener Akteure im Ökosystem • Flexibilität, Leistungsfähigkeit und Effizienz • Kapazitätserweiterungen

• Komplexitätsfallen Hindernisse für den • Preisgabe von Kerndaten  chnittstellenproblematik und Plattformeinsatz in und Geschäftsgeheimnissen • S Integrationsschwierigkeiten der • Datensicherheit und Ökosystemen Systeme untereinander Haftungsregelungen • Etablierte Macht- und Wert• Abstimmungsbedarf und Barrieren bei schöpfungsstrukturen schränken Kooperationen mit Zeitaufwand zur Klärung den Handlungsspielraum für von Anforderungen Akteuren Unternehmen zur Wahl von • Fehlende gemeinsame Datenbasis und inkonsistent Kooperationspartnern ein (z. B. Automobilbranche) vorliegende Daten

In der quantitativen Erhebung zeichnete sich ein überaus klares Bild dahin gehend ab, dass sich Unternehmen durch die Partizipation in Ökosystemen vor allem eine Verbesserung der Kundenbeziehungen, gezieltere Ansprachen und kundenspezifischere Kundenbedienungen erhoffen. Mehrheitlich wurden auch die Prozessoptimierung und die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle unter den Probanden genannt. Im Rahmen der qualitativen Untersuchung konnten darüber hinaus noch weitere Chancen eruiert werden. Eine wesentliche Chance sehen die Interviewprobanden vor allem in der Möglichkeit, ganzheitliche Kundenlösungen im Ökosystem zu schaffen und sich im Zuge dessen stärker von einem produktorientierten hin zu einem dienstleistungsorientierten Unternehmen zu wandeln. Die chancenreiche Besonderheit des Ökosystems basiert dabei auf der Zusammenarbeit mit anderen Partnerunternehmen, wobei jedem Unternehmen eine spezifische Teilrolle zukommt und digitale Technologien hierfür grundsätzlich eine Unterstützung zur optimalen Umsetzung und Systemintegration bieten. Konkret verzeichnen die Experteninterviews einen Anstieg der unternehmerischen Flexibilität, Leistungsfähigkeit und Effizienz. Ein durchaus differenziertes Meinungsbild zeigen Mittelständler hinsichtlich der auftretenden Hindernisse beim Einsatz von Plattformen im Ökosystem. Die quantitative Erhebung zeigt, dass die Preisgabe von Kerndaten und

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6 Diskussion

­ eschäftsgeheimnissen, genauso wie Aspekte der Datensicherheit und HaftungsG regeln mitunter die wesentlichsten Hindernisse sind, die unter den Mittelständlern vertreten sind. Auch die Experteninterviews führen Hindernisse für den Einsatz herkömmlicher Plattformen an, die sich allerdings inhaltlich von den quantitativ eruierten Erkenntnissen unterscheiden. Die Experten führen mehrheitlich Schnittstellenproblematiken in der Praxis an. Zu viele Unternehmen implementieren zu viele Schnittstellen im eigenen Unternehmen, wofür verschiedene Softwareunterstützungen zum Einsatz kommen. Eine wesentliche Herausforderung besteht folglich darin, diese Komplexität im Ökosystem gewissermaßen „händelbar“ zu machen. Dies wird durch die zunehmend komplexer werdenden Umweltbedingungen und die Disruptionsgefahr durch auftretende plattformbasierte Geschäftsmodelle nachhaltig erschwert. Neben der eigentlichen Komplexitätsfalle führt die soeben beschriebene Schnittstellenproblematik zu gravierenden Integrationsschwierigkeiten: „Jedes Haus nutzt ein anderes System, wodurch der Austausch und der Transfer der Modelle problematisch ist.“ Dies bietet zugleich eine Erklärung, warum das Potential von Plattformvorhaben im Ökosystem, trotz starker Bemühungen in der mittelständischen Unternehmenspraxis, noch nicht vollständiges Potential entfalten konnte. Neben der eigentlichen Implementierung von Plattformen zeichnen sich in der mittelständischen Unternehmenspraxis zudem Barrieren ab, die grundsätzlich in der Kooperation mit Partnern zu sehen sind. Die Auswertung der quantitativen Erhebung hat gezeigt, dass Unternehmen vornehmlich den hohen Abstimmungsbedarf und Zeitaufwand zur Klärung von Anforderungen als hindernd empfinden. Auch eine fehlende gemeinsame Datenbasis sowie inkonsistent vorliegende Daten werden als Barriere für unternehmensübergreifende Zusammenarbeiten wahrgenommen. Die Experteninterviews konnten diese Erkenntnisse weitfassender anreichern und führen hier ebenfalls die Dominanz von gewachsenen Wertschöpfungsstrukturen in ausgewählten Branchen an. Historisch gewachsene Wertschöpfungsstrukturen finden sich z. B. im Automobilsektor. OEMs halten die höchste Machtposition inne und determinieren üblicherweise im Vorfeld, welche Akteure zur Durchführung der jeweiligen Wertschöpfungsaktivitäten zusammenarbeiten sollen. Dies schränkt den Handlungsspielraum für Zuliefererunternehmen grundsätzlich ein, sich mit anderen, selbstgewählten Partnern zu vernetzen. Auch herrscht in der Automobilbranche eine große Zurückhaltung dahin gehend, Informationen preiszugeben. Dem gegenüber verzeichnen Unternehmen in dieser Branche allerdings einen spürbaren Vernetzungsdruck, der seitens der OEMs aktiv initiiert wird. Unterschwellig wird zudem die Gefährdung durch Google oder Apple geäußert, die sich als Intermediäre auf Plattformen zwischen Zulieferer und Kunde schalten können und somit etablierte

6 Diskussion

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­ ertschöpfungsstrukturen regelrecht fragmentieren und disruptieren können. W Diese Gefährdung wird von einigen Akteuren als ein durchaus realistisches Szenario betrachtet. Die Zulieferer sind sich dieser Gefahr zwar bewusst, allerdings zeigt sich bisher aufgrund etablierter Wertschöpfungs- und Machtstrukturen tendenziell wenig (Eigen-)Initiative, proaktiv entgegenzuwirken. Die Erwartungshaltung ist dahin gehend zu verzeichnen, dass die OEMs hierfür handlungsweisende Initiativen initiieren sollten. Ökosystem-Typologie Mittelständische Unternehmen bringen sich auf unterschiedliche Art und Weise in Ökosysteme ein (siehe Tab. 6.3). Die Probanden der quantitativen Erhebung gaben mehrheitlich zu Protokoll, einen Wertbetrag durch die Bereitstellung von Dienstleistungen oder durch die Bereitstellung physischer Güter für das Ökosystem schaffen. Im Rahmen der qualitativen Erhebung lassen sich ähnliche Tendenzen erkennen. Allerdings zeigen die Ergebnisse aus den Tiefeninterviews, dass Unternehmen sich auch als „Marktplatz“ verstehen und einen Wertbeitrag leisten, indem sie aktiv Lieferanten zusammenbringen, um sich über neue Branchentrends auszutauschen. Diese Events finden zumeist physisch statt und verkörpern die Ideen, die Digitalisierungsinitiativen und Trendentwicklungen in einzelnen Teilbereichen ganzheitlich erfassen zu können, um hierauf aufbauend – dem Ökosystemgedanken folgend – Branchenlösungen für das Ökosystem zumindest zu thematisieren, Problemfelder zu analysieren und geeignete Maßnahmen als Integrationsmöglichkeiten zu bieten. Der Einsatz von Plattformunternehmen ist in der mittelständischen Unternehmenspraxis hingegen noch in den Anfängen. Lediglich 8 % der Probanden aus der quantitativen Erhebung geben zu Protokoll, Plattformen im Ökosystem zu nutzen. Wenn diese genutzt werden, dann überwiegend zum Zweck, den Austausch und die Transaktion zwischen Anspruchsgruppen zu ermöglichen. Innovationsbezogenen Plattformen, die als Grundlage dienen komplementäre Technologien, Produkte und Services zur Schaffung ganzheitlicher, innovativer Kundenlösungen zu integrieren, bilden die Seltenheit. Ähnliche Tendenzen lassen sich auch seitens des befragten Experten erkennen. Plattformen werden hauptsächlich als Interaktionsmedium genutzt, um bei der Informations- oder Koordinationsfunktion zu unterstützen. Dabei wird die eigentliche Innovationstätigkeit weniger auf die Plattformebene geschoben. Dennoch sieht die mittelständische Unternehmenspraxis eine grundlegende Notwendigkeit zu Geschäftsmodellanpassungen im Zuge der Partizipation in Ökosystemen. Die Erkenntnisse aus der quantitativen Erhebung haben diesbezüglich vor allem Veränderungen in den Kundenbeziehungen, Anpassungen

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6 Diskussion

Tab. 6.3   Ausgewählte Aspekte der Ökosystem-Typologie Quantitative Erhebung

Qualitative Erhebung

Art und Weise der Einbringung in Ökosysteme

• Wertbeitrag durch die Bereit- • Unternehmen schaffen physische Marktplätze, auf denen Kunden stellung von Produkten/ und Lieferanten zusammenDienstleistungen kommen und sich über Digitalisierungsthemen austauschen können

Plattformnutzung

• Plattformnutzung ist noch in • Plattformen werden häufig als Interaktionsmedium zugunsten den Anfängen der Erfüllung der Informations• Vornehmlich finden transaktionsbezogene Plattformen und Koordinationsfunktion von Akteuren genutzt Verwendung zu Austausch• Eigentliche Innovationstätigkeit und Transaktionszwecken wird bisher nicht auf Plattformen • Innovationszentrierte Plattverlagert formen bilden die Seltenheit

Notwendigkeit zu Geschäftsmodellanpassungen

• Veränderungen der Kundenbeziehungen • Anpassungen der Schlüsselressourcen • Auswirkungen auf die Kostenstruktur

• Modularität und Synergie der Geschäftsmodell-komponenten sind essentiell • Prozesse determinieren die Geschäftsmodellgestaltung • Wandel vom produktorientierten hin zum dienstleistungsorientierten Unternehmen • Unternehmen agieren als Lösungsanbieter am Markt und reichern die Hauptkomponente durch „Add-Ons“ an • Ganzheitliche Transformationsbetrachtung

in den Schlüsselressourcen sowie in der Kostenstruktur hervorbringen können. Die Tiefeninterviews zeigen hier ein weitaus differenzierteres Bild, bezogen auf die Geschäftsmodellgestaltung. Vor allem die Modularität und Synergie der Geschäftsmodellkomponenten untereinander ist von Bedeutung. Unternehmen zeigen sich diesbezüglich in einer ganzheitlichen Neuausrichtung und wandeln sich merklich vom klassischen produktorientierten Unternehmen zum dienstleistungsorientierten Unternehmen. Als dienstleistungsorientierte Unternehmen treten sie als Lösungsanbieter am Markt auf, und reichern ihre Hauptkomponente durch Add-Ons oder modulare Bausteine aus dem Ökosystem an, wodurch letztlich ganzheitliche Lösungsangebote für den Kunden generiert werden können.

6 Diskussion

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Diesbezüglich bildet das Geschäftsmodell in Gänze mitsamt seiner zugrunde liegenden Wertschöpfungsarchitektur den Transformationsgegenstand. Dabei verzeichnen die Experten eine Auflösung herrschender Silo-Strukturen zugunsten einer prozessorientierten Geschäftsmodellausgestaltung, die mitunter als Notwendigkeit hervorgehoben wird. Erfolgswirkungen Die Probanden der qualitativen Erhebung sehen die Thematik Big Data hinsichtlich der Generierung von Erfolg in einer zentralen Rolle, allerdings sind die Unternehmen derzeit noch nicht in der Lage diese Daten auch wirklich als Erfolgspotentiale zu nutzen (siehe Tab. 6.4). Ein Proband stellt fest, dass „man Daten zu einem gewissen Maß verkauft. Da gibt es tatsächlich Überlegungen. Das Thema Daten ist mittlerweile schon sehr wertvoll geworden, um daraus vielleicht ein Modell zu machen, ohne dass wir heute schon so weit sind, dies zu konkretisieren. Aber wir haben darüber nachgedacht, dass das eine mögliche Zukunftsversion sein könnte. Das würde zumindest einmal die Basis dafür schaffen und Wert generieren“. Wohingegen die Probanden der quantitativen Erhebung vornehmlich die Kundenwerterhöhung und die Fokussierung der Kernaktivitäten im Vordergrund sehen. Bezüglich der Sicherheitsaspekte erachten die Probanden der qualitativen Erhebung vor allem ein gegenseitiges Vertrauen für essentiell. Ein Proband stellt fest, wenn das „Vertrauen durch langjährige Beziehungen aufgebaut ist, ist es einfacher, sich offen über komplett neue Technologien und zukünftige Entwicklungen zu unterhalten als mit einem neuen Lieferanten“. Die Probanden der Tab. 6.4   Ausgewählte Aspekte der Erfolgswirkungen Quantitative Erhebung Generierung von Erfolg

Qualitative Erhebung

• Vornehmlich wird die Erhöhung • Erfolg kann beispielsweise durch die Generierung und Anades Wertes für die Kunden und lyse von Daten erzielt werden eine höhere Fokussierung auf Kernaktivitäten als Erfolgswirkung eruiert

Sicherheitsaspekte • Ein hohes Maß an Sicherheit ist • Das Vertrauen zwischen den unabdingbar Akteuren spielt eine zentrale Rolle • Ein Großteil der Probanden Werteverteilung innerhalb des Öko- hat das Gefühl nur geringfügig wirtschaftlich von dem systems ­Ökosystem zu profitieren

• Die Wertverteilung muss ausgeglichen verteilt werden, da sonst ein Ökosystem nicht langfristig existieren kann

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6 Diskussion

quantitativen Erhebung erachten grundsätzliche Sicherheitsaspekte jedoch als hoch bzw. sehr hoch. Sprechen die Probanden der qualitativen Erhebung die Empfehlung aus, die Werteverteilung möglichst fair zu gestalten um eine langfristige Existenz des Ökosystems zu ermöglichen, eruiert eine große Anzahl an Probanden der quantitativen Erhebung nur geringfügig wirtschaftlich an dem Ökosystem zu profitieren.

7

Ableitung von Best Practices

(Siehe Abb. 7.1) Rahmenbedingungen für Ökosysteme prüfen und das Bewusstsein für Ökosysteme im eigenen Unternehmen stärken Aufgrund der Digitalisierung wandeln sich etablierte Branchen derzeit stark. Die digitale Welt ist durch eine hohe Dynamik und Komplexität gezeichnet, bei der vor allem digitalaffine Unternehmen etablierte Branchenstrukturen nachhaltig verändern und zur Disruption ganzer Branchenstrukturen und -logiken führen können. Von diesen Entwicklungen sind ebenfalls mittelständische Unternehmen nachhaltig betroffen. Es besteht die Notwendigkeit, das Disruptionspotential auf die eigene Branche sowie auch auf das mittelständische Geschäftsmodell kontinuierlich gründlich zu analysieren. Auch sollten derzeitige Aktivitäten auf bereits bestehende Tendenzen zur Partizipation in Ökosystemen ausgerichtet werden. Hierbei bietet sich sowohl der Aufbau eines eigenen Ökosystems als auch die Partizipation in bestehenden Ökosystemen an. Bezogen auf das Bewusstsein für die Bedeutung von Ökosystemen, zeigt sich in diesem Zusammenhang die mittelständische Unternehmenspraxis noch sehr heterogen. Deshalb sind Mittelständler dazu angehalten, sich stärker mit dem Themengebiet auseinanderzusetzen, ein nachhaltiges Bewusstsein für die Bedeutung von Ökosystemen in der digitalen Welt zu schaffen sowie entsprechende Möglichkeiten für die Einbringung in bestehende oder den Aufbau eigener Ökosysteme für das Unternehmen zu prüfen. Gleichsam besteht die Notwendigkeit, sich die eigene Position innerhalb des Ökosystems zu vergegenwärtigen, um Trendentwicklungen in Bezug auf die Stellung des Unternehmens im Ökosystem früh genug antizipieren zu können und weiterhin wettbewerbsfähig zu bleiben.

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 W. Becker et al., Ökosysteme im Mittelstand, Management und Controlling im Mittelstand, https://doi.org/10.1007/978-3-658-29844-9_7

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Abb. 7.1   Ableitung von Best Practices

7  Ableitung von Best Practices

7  Ableitung von Best Practices

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Integriertes Chancen- und Risikomanagement als unternehmenspolitische Aufgabe wahrnehmen Unabdingbar ist in diesem Zusammenhang die Installation eines integrierten Chancen- und Risikomanagements, zumal die Entscheidungen, bezogen auf die Bildung eigener oder den Eintritt in bestehende Ökosysteme, stets Folgeinvestitionen nach sich ziehen, die vor allem für ressourcenrestringierte mittelständische Unternehmen durchaus risikobehaftet sind. Die Studienergebnisse konnten diesbezüglich vielfältige Chancen und Risiken identifizieren, denen sich die mittelständische Unternehmenspraxis ausgesetzt sieht. Dies setzt voraus, dass ökosystembezogene Entscheidungen idealerweise als unternehmenspolitische Aufgabe im Rahmen eines integrierten Chancen- und Risikomanagements wahrgenommen und begleitet werden sollten. Dadurch wird es den Unternehmen erleichtert, die auftretenden Chancen und deren risikobehaftete Umsetzung systematisch zu entgegnen. Chancen und Risiken durch Ökosysteme sollten sodann systematisch identifiziert, analysiert sowie entsprechend bewertet werden, um darauf aufbauend geeignete Maßnahmen ableiten zu können. Im Zuge dessen scheint es ebenfalls empfehlenswert, konkrete Verantwortlichkeiten im Unternehmen für den digitalen Austausch in Ökosystemen festzulegen. Herausforderungen wie Schnittstellenproblematiken, Datenschutz- und Datensicherheitsaspekte könnten durch das Zusammenwirken verschiedener Branchenteilnehmer im Sinne von gemeinsamen Branchenlösungen entwickelt werden, um hierfür die notwendigen Rahmenbedingungen zu schaffen. Strategische Bedeutung von Plattformen vergegenwärtigen und Möglichkeiten zur Umsetzung aktiv analysieren und nutzen In bisherigen Forschungsbeiträgen wurden Plattformen als inhärenter Bestandteil von Ökosystemen in der digitalen Welt angeführt. In der mittelständischen Unternehmenspraxis hingegen ist das strategische Potential von Plattformen bisher noch nicht vollumfänglich ausgeschöpft, sodass Mittelständler tendenziell weniger auf Plattformen agieren. Ein Grund hierfür könnte darin liegen, dass Mittelständler das Potential von Plattformen für sich noch unterschätzen. Dabei erweisen sich Plattformen in der digitalen Welt als wichtiges Interaktionsmedium, auf denen Ökosysteme verstärkt basieren werden. Die Zurückhaltung mittelständischer Unternehmen hinsichtlich der Plattformnutzung könnte dazu führen, dass sich Intermediäre zwischen die Mittelständler und ihre Kunden drängen und ihnen ihre etablierten Wettbewerbspositionen streitig machen. Aus diesem Grunde ist der Mittelstand dazu angehalten, die strategische Bedeutung von

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7  Ableitung von Best Practices

Plattformen, bezogen auf das eigene Geschäftsmodell zu analysieren und aktiv nach Möglichkeiten der Umsetzung zu suchen und diese zu nutzen. Zur Risikodiversifikation kann die Partizipation auf mehreren Plattformen gleichzeitig eine Möglichkeit darstellen, wie auch der Aufbau einer eigenen Plattform. Im letzten Szenario sollten allerdings im Vorfeld die Möglichkeiten zur Generierung von Netzwerkeffekten eruiert und strategisch mit der Plattforminitiative verankert werden. Pilotprojekte könnten eine Basis für die spätere Implementierung ­darstellen. Ökosysteme und Plattformen im Einklang zum Digitalisierungsbestreben des Unternehmens vorantreiben Im Idealfall wird der Aufbau von Ökosystemen und Plattformen in Einklang mit den Digitalisierungsbestrebungen des Unternehmens gebracht. Im Zuge der Digitalisierung des eigenen Geschäftsmodells sollten die Möglichkeiten zur Partizipation von Ökosystemen und Plattformen aktiv auf ihre Passgenauigkeit hin evaluiert werden und technische sowie strategische Möglichkeiten genauestens geprüft werden. Insbesondere die Einbindung des Kunden als aktiver Wertschöpfungspartner kann durch Ökosysteme und Plattformen gestärkt werden. Im Rahmen der Digitalisierung von Geschäftsmodellen könnten so nicht nur interne Prozesse, im Sinne der Effektivität und Effizienz einer Neuausrichtung unterzogen werden, sondern auch kundenbezogene Prozesse umgestaltet werden. Mittelständler sollten Plattformen und Ökosysteme daher als Quelle zur Identifikation und Zusammenstellung neuer Leistungsangebote für Kunden erachten. Auf deren Basis können mittelständische Unternehmen ebenfalls ihre Customer Journey durch konkrete Strategien zur Kundeneinbindung als aktiver Wertschöpfungspartner innerhalb des Ökosystems oder unter Nutzung von Plattformen aktiver als bisher mitgestalten. Hierzu können Mittelständler auf ihre vorhandene Wissensbasis und ihren Erfahrungsschatz zurückgreifen. Ökosystem- und Plattforminitiativen durch strategische, strukturelle und kulturelle Unternehmensausrichtung forcieren Ökosysteme und Plattformen führen zum Aufbrechen klassischer Branchenstrukturen und stellen Unternehmen jedweder Größenordnung vor neue Herausforderungen. Um auch in der digitalen Welt weiterhin wettbewerbsfähig zu bleiben, ist ein Umdenken vonnöten. Diesbezüglich gilt es als angezeigt, etablierte Strukturen und Strategien sowie auch kulturelle Unternehmensaspekte auf den Prüfstand zu stellen und auf die Anforderungen der digitalen Welt vorzubereiten, wie auch auf die Partizipation in Ökosystemen und Plattformen auszurichten. Mittelständler sind dazu angehalten, zu analysieren,

7  Ableitung von Best Practices

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inwiefern die bisherigen Strategien und Unternehmensstrukturen in der Lage sind, den Anforderungen der digitalen Welt gerecht zu werden. Die Öffnung des Geschäftsmodells zum kontrollierten digitalen Austausch fordert nach unternehmerischer Agilität und sollte daher ebenfalls unternehmenskulturell durch ein entsprechendes Change Management begleitet werden. Das integrierte Chancenund Risikomanagement kann dabei unterstützen, die zukünftige strategische Stoßrichtung durch die Ableitung entsprechender Maßnahmen und Zielsetzung zu verstärken.