Mittelstand – Schlüsselakteur im deutschen Innovationssystem: RKW-Kuratorium [1 ed.] 9783896444998, 9783896734990

Innovationen treiben die Wirtschaft voran. Kleine und mittlere Unternehmen haben dabei eine zentrale Rolle: Sie prägen d

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Mittelstand – Schlüsselakteur im deutschen Innovationssystem: RKW-Kuratorium [1 ed.]
 9783896444998, 9783896734990

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RKW-Kuratorium

RKW Edition

Otmar Franz (Hrsg.)

Mittelstand – Schlüsselakteur im deutschen Innovationssystem RKW-Kuratorium

Verlag Wissenschaft & Praxis

Mittelstand - Schlüsselakteur im deutschen Innovationssystem

RKW-Edition

Otmar Franz (Hrsg.)

Mittelstand − Schlüsselakteur im deutschen Innovationssystem

RKW-Kuratorium

Verlag Wissenschaft & Praxis

Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.

ISBN 978-3-89673-499-0

© Verlag Wissenschaft & Praxis Dr. Brauner GmbH 2009 D-75447 Sternenfels, Nußbaumweg 6 Tel. 07045/930093 Fax 07045/930094

Alle Rechte vorbehalten Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Printed in Germany

Mittelstand — Schlüsselakteur im deutschen Innovationssystem

Dr. Otmar Franz (Hrsg.)

INHALTSVERZEICHNIS

1. Dr. Otmar Franz Vorsitzender des Kuratoriums des RKW – Rationalisierungs- und Innovationszentrum der Deutschen Wirtschaft e.V. Mittelstand - Schlüsselakteur im deutschen Innovationssystem................................. Seite 11

I. Mittelstand - Schlüsselakteur im deutschen Innovationssystem Aus der Sicht der Wissenschaft 2. Prof. Dr.-Ing. habil. Hans-Jörg Bullinger Präsident der Fraunhofer-Gesellschaft zur Förderung der angewandten Forschung e.V., und Dr. Steffen Kinkel Das Innovationsverhalten der kleinen und mittleren Unternehmen als Basis für künftige inländische Wertschöpfungspotenziale . ................................. Seite 19 3. Prof. Dr.-Ing. Günter Spur Technische Universität Berlin Innovationsdruck auf mittelständische Betriebe . ...................................................... Seite 34 4. Prof. Dr.-Ing. Wolfgang Maßberg Ruhr-Universität Bochum Innovation eröffnet mittelständischen Unternehmen den Zugang zum globalen Marktplatz ........................................................................................... Seite 41 5. Prof. Dr. Günter Rinsche Mitglied des Vorstands der Konrad-Adenauer-Stiftung Mittelstand – Dynamische Kraft im deutschen Innovationssystem ......................... Seite 48



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6. Prof. Dr. Werner Meißner Präsident der accadis Hochschule Bad Homburg Private Hochschulen – „Mittelstand“ im deutschen Bildungssystem . ..................... Seite 58 7. Dr. Helga Steeg Exekutivdirektorin der Internationalen Energie-Agentur IEA a. D. Innovationen müssen sich aus eigener Kraft durchsetzen ......................................... Seite 63

II. Mittelstand - Schlüsselakteur im deutschen Innovationssystem Aus der Sicht der Politik 8. Dr. Annette Schavan MdB Bundesministerin für Bildung und Forschung Nationale Strategien der Innovationspolitik .............................................................. Seite 68 9. Dieter Althaus Ministerpräsident des Freistaats Thüringen Vernetzung zwischen Wissenschaft und Politik – Nährboden für Innovationen in Thüringen . ............................................................................................................. Seite 73 10. Matthias Platzeck Ministerpräsident des Landes Brandenburg Life Sciences führen zu einem dynamischen Mittelstand in der Hauptstadtregion . ........................................................................................... Seite 77 11. Prof. Dr. Andreas Pinkwart Minister für Innovation, Wissenschaft, Forschung und Technologie des Landes Nordrhein-Westfalen Zukunft durch Innovation ......................................................................................... Seite 83 12. Dr. Silvana Koch-Mehrin MdEP Vorsitzende der FDP im Europaparlament Die Europäische Union und der deutsche Mittelstand ............................................. Seite 89

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13. Dr. Angelika Niebler MdEP Vorsitzende des Ausschusses Industrie, Forschung und Energie des Europaparlaments Maßnahmen der EU zur Verbesserung der Innovationsfähigkeit kleinerer und mittlerer Unternehmen . ...................................................................... Seite 94 14. Edelgard Bulmahn MdB Bundesministerin für Bildung und Forschung a. D., Vorsitzende des Ausschusses für Wirtschaft und Technologie des Deutschen Bundestags Förderung von Innovationen – eine politische Querschnittsaufgabe ..................... Seite 100 15. Christine Scheel MdB Stellvertretende Vorsitzende der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen: Finanzpolitik für mehr Innovationen ....................................................................... Seite 105 16. Friedhelm Ost Staatssekretär a. D. Gute Innovationspolitik fördert Kreativität und Eigenständigkeit........................... Seite 115 17. Harald Schartau MdL Minister für Wirtschaft und Arbeit des Landes Nordrhein-Westfalen a. D. Schaffung mittelstandsgerechter Rahmenbedingungen . ......................................... Seite 127 18. Petra Roth Oberbürgermeisterin der Stadt Frankfurt am Main Innovationen in der Wissensregion Frankfurt Rhein/Main ..................................... Seite 132



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III. Mittelstand - Schlüsselakteur im deutschen Innovationssystem Aus der Sicht der Wirtschaft 19. Dr. Clemens Börsig Vorsitzender des Aufsichtsrats der Deutschen Bank AG If I could solve all the problems myself, I would .................................................... Seite 141 20. Dr. Eberhard Heinke Vorsitzender des Verwaltungsrats des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung Forschungsstrategien von mittelständischen Unternehmen und die Förderung von Forschung und Innovationen . ......................................................... Seite 146 21. Michael Sommer Vorsitzender des Deutschen Gewerkschaftsbundes Bessere Ausschöpfung der Innovationspotenziale . ................................................. Seite 154 22. Dr. Ludolf von Wartenberg Mitglied des Präsidiums des Bundesverbandes der Deutschen Industrie e.V. und Dr. Hans-Joachim Haß Der deutsche Mittelstand im internationalen Innovationswettbewerb .................... Seite 158 23. Roland Issen Vorstandsvorsitzender der Deutschen Angestellten-Gewerkschaft a.D. Mittelständische Unternehmen als stabiler ökonomischer Faktor im marktwirtschaftlichen Bildungssystem .............................................................. Seite 166 24. Joachim Dirschka Präsident der Handwerkskammer zu Leipzig Handwerk und Innovationen . .................................................................................. Seite 170

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25. Dr. Ludwig Baumgarten Mitglied des Vorstands des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt e.V. Mittelständische Unternehmen in der deutschen Raumfahrt – Motor für technologische Innovationen und Wettbewerb ....................................... Seite 175 26. Dr. Alexander Tesche Mitglied des Vorstands der Ed. Züblin AG Innovationen in der Baubranche .............................................................................. Seite 184 27. Hans-Christoph Noack Frankfurter Allgemeine Zeitung Auch von Madonna lernen. Innovative Mittelständler verdienen mehr .................. Seite 190 28.

Dr. Ingrid Voigt Leiterin des Fachbereichs „Innovationspotenzial“ und stellvertretende Geschäftsführerin des RKW Kompetenzzentrum Innovationen als besondere Herausforderung für kleine und mittlere Unternehmen .............................................................................................. Seite 198

Veröffentlichungen des RKW-Kuratoriums ...................................................... Seite 207 Mitglieder des RKW Kuratoriums ..................................................................... Seite 209



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Dr. Otmar Franz Mittelstand – Schlüsselakteur im deutschen Innovationssystem

Auf Einladung unseres Kuratoriumsmitglieds, der Bundesministerin für Bildung und Forschung Dr. Annette Schavan, haben sich die Wissenschaftler, Politiker, Unternehmer und Gewerkschaftler unseres Kuratoriums in ihrer Sitzung im November 2007 mit dem Mittelstand als Schlüsselakteur im deutschen Innovationssystem auseinandergesetzt. Ihre Beiträge werden in diesem 16. Jahresband des Kuratoriums vorgelegt. Einleitend fassen Professor Dr. Hans-Jörg Bullinger, Präsident der Fraunhofer Gesellschaft zur Förderung der angewandten Forschung e.V., und Dr. Steffen Kinkel die Ergebnisse einer Studie des Fraunhofer-Instituts für System- und Innovationsforschung (ISI) zusammen. In dieser Studie für die Stiftung Industrieforschung und den Bundesverband der Deutschen Industrie werden das Innovationsverhalten der kleinen und mittleren Unternehmen als Basis für zukünftige inländische Wertschöpfungspotenziale analysiert und die relevanten Technikfelder identifiziert, in denen deutsche Mittelständler Wettbewerbs- und Spezialisierungsvorteile aufweisen. Die Befunde deuten darauf hin, dass Technologie- und Innovationspolitik auch im klassischen Feld technischer Produktinnovationen nicht allein betriebliche Forschungs- und Entwicklungs-Aktivitäten stimulieren sollten, sondern umfassendere Innovationsanreize setzen müssten. Professor Dr. Günter Spur, der langjährige Leiter des Instituts für Werkzeugmaschinen und Fabrikbetrieb der Technischen Universität Berlin, setzt sich mit dem permanenten Druck zum Fortschritt durch Innovationen auseinander. Innovationen als kreative Reaktionen auf Veränderungen des Marktes bilden ein System zur Durchsetzung des Neuen in einer technologisch ausgerichteten Zukunftswelt. Die zukunftsorientierte mittelständische Industrie verarbeitet das Neue, das sie entdeckt, aber auch das, was durch sie als Neues erfunden wird. Ihre Schlüsselfunktion im Innovationssystem sichert die Zukunft des Industriestandorts Deutschland. Der frühere Rektor der Ruhr-Universität Bochum Professor Dr. Wolfgang Maßberg zeigt auf, wie Innovation mittelständischen Unternehmen den Zugang zum globalen Marktplatz öffnet. Unter den veränderten weltwirtschaftlichen Rahmenbedingungen kann die erfolgreiche



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Erschließung von Auslandsmärkten für mittelständische Unternehmen zu einem existentiellen Faktor werden. Der Erfolgsfaktor Innovation ist gerade für die überwiegend in Deutschland fertigenden Mittelständler für das Überleben auf dem globalen Marktplatz noch wichtiger als für Großunternehmen, die als Global Player die Produktion dorthin verlagern können, wo der Produktionsfaktor Arbeit am günstigsten ist. Professor Dr. Günter Rinsche setzt sich mit dem Mittelstand als dynamische Kraft im deutschen Innovationssystem auseinander. Im Zusammenhang mit den Erfordernissen der globalen Wettbewerbsfähigkeit sind technologische Innovationen als Wirkkräfte für quantitatives und qualitatives Wachstum, Effizienzverbesserung, Produktivitätssteigerung und internationale Wettbewerbsfähigkeit unverzichtbar. Erforderlich zur Aktivierung der Talente und innovativen Begabungen ist, wie Günter Rinsche ausführt, ein flächendeckendes Innovationssystem, das auf einer mittelständischen Struktur der Volkswirtschaft aufgebaut ist beziehungsweise errichtet werden muss. Die dynamische Kraft des Mittelstands im deutschen Innovationssystem ist und bleibt eine Voraussetzung der sozialökonomischen Zukunftssicherung. Für den früheren Präsidenten der Johann-Wolfgang-von Goethe-Universität in Frankfurt am Main Professor Dr. Werner Meißner, der jetzt Präsident der accadis Hochschule in Bad Homburg ist, gehören die privaten Hochschulen in Deutschland zum Mittelstand. Es sind der Gedanke des Wettbewerbs und die Erwartung von Innovationen im Bereich tertiärer Bildung, welche die positive politische Haltung zur Gründung und zum Betrieb von privaten Hochschulen bestimmen. Sie werden weiterhin eine wichtige Neben- und Nischenrolle spielen und innovative Anregungen für Hochschulen im staatlichen Sektor geben. Das ist – wie Werner Meißner ausführt – der Platz für kleine und mittlere Unternehmen im Bereich der tertiären Bildung. Innovationen müssen sich aus eigener Kraft durchsetzen, dies fordert Dr. Helga Steeg, die langjährige Exekutivdirektorin der Internationalen Energie-Agentur IEA in Paris. Im Lichte der Globalisierung und des zunehmenden internationalen Wettbewerbs müssen die erheblichen Anstrengungen der deutschen mittelständischen Unternehmen zur Entwicklung und Anwendung von Innovationen fortgesetzt und verstärkt werden. Dabei ist auf die richtige Rollenverteilung zwischen Regierung und Wirtschaft zu achten. Hilfestellung des Staates sollte sich auf die Verbesserung der internationalen Rahmenbedingungen konzentrieren.

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An die Beiträge aus der Wissenschaft schließen sich elf Beiträge aus der Politik an: Dr. Annette Schavan, Bundesministerin für Bildung und Forschung, stellt in ihrem Beitrag nationale Strategien der Innovationspolitik vor. Mit der Hightech-Strategie für Deutschland und der Qualifizierungsinitiative „Aufstieg durch Bildung“ hat die Bundesregierung die Weichen auf Zukunft gestellt. Ziele der Hightech-Strategie sind es, neue Leitmärkte zu erschließen, Wirtschaft und Wissenschaft stärker zu vernetzen und Freiräume für Forscher, Innovatoren und Unternehmen zu schaffen. Der Thüringer Ministerpräsident Dieter Althaus weist darauf hin, dass der Mittelstand mit der Unterstützung durch die Politik rechnen kann. Erfolgreiche Wirtschaftspolitik zeichnet sich durch eine enge Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft, Wirtschaft und Politik aus. Ein vernetzter Prozess zwischen diesen Partnern kann Grundlage, kann Nährboden für Innovationen und damit Pfeiler sein, der die Zukunft trägt. Am Beispiel Thüringens erläutert Dieter Althaus wie Gründungsinteressierte bestmögliche Unterstützung und Beratung erfahren, damit gute Ideen zum Erfolg geführt werden. Der Ministerpräsident des Landes Brandenburg Matthias Platzeck fordert die Ausschöpfung der Quellen der Innovation. Die Life Sciences bringen einen dynamischen und facettenreichen Mittelstand in der Hauptstadtregion hervor. In Berlin-Brandenburg hat sich – wie Matthias Platzeck ausführt – einer der leistungsfähigsten und bedeutendsten Standorte Europas für Life Sciences entfaltet. Vom Aufschwung dieser Branche profitiert eine neue Generation von kleinen und mittleren Unternehmen, die nach Exzellenz strebt und Nischenprodukte herstellt. Professor Dr. Andreas Pinkwart, Minister für Innovation, Wissenschaft, Forschung und Technologie des Landes Nordrhein-Westfalen, stellt die Landesinitiative „Zukunft durch Innovation. NRW“ (ZdI) in den Mittelpunkt seiner Ausführungen. Schulen, Hochschulen, Unternehmen und Verbände haben sich zusammengeschlossen, um Jugendlichen die Möglichkeit zu geben, HighTech-Forschung und -Produktion hautnah zu erleben. In den nächsten drei Jahren sollen 25 neue Zentren eingerichtet werden, in denen junge Menschen ihr Interesse an Technik und Naturwissenschaften entdecken können. Vier neue Fachhochschulen sollen gegründet werden. Die Landesregierung fokussiert ihre Forschungs- und Technologieförderung auf Zukunftsbereiche mit besonderem Innovationspotenzial.



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Aus europäischer Perspektive erläutert Dr. Silvana Koch-Mehrin MdEP, stellvertretende Vorsitzende der ALDE und Vorsitzende der FDP im Europaparlament, die Schlüsselrolle des Mittelstands im deutschen Innovationssystem. In ganz Europa ist der Mittelstand eine starke Kraft. Von rund 20 Millionen europäischen Unternehmen im nicht-finanziellen Sektor sind 99,8 Prozent kleine und mittelständische Unternehmen mit weniger als 250 Beschäftigten, wobei Deutschland als attraktivster Standort gilt. Mit dem „Small Business Act“ bekennt die Europäische Union den politischen Willen zur Anerkennung der Schlüsselrolle des Mittelstands. Dr. Angela Niebler MdEP, Vorsitzende des Ausschusses Industrie, Forschung und Energie des Europaparlaments, erläutert die Maßnahmen der EU zur Verbesserung der Innovationsfähigkeit kleiner und mittlerer Unternehmen. Dazu gehören die Rahmenbedingungen, weniger Verwaltungslasten, Förderung innovativer Finanzierungsformen und europäischer Kooperationen und der Schutz geistigen Eigentums. Es muss ein Kernanliegen der Politik sein, die Innovationsfähigkeit von kleinen und mittleren Unternehmen weiter zu verbessern. Edelgard Bulmahn MdB, die Vorgängerin von Annette Schavan als Bundesministerin für Bildung und Forschung, erläutert als Vorsitzende des Ausschusses für Wirtschaft und Technologie des Deutschen Bundestags, warum die Förderung von Innovationen im deutschen Mittelstand eine politische Querschnittsaufgabe ist. Sie darf sich nicht in der Forschungspolitik oder Wirtschaftsförderung erschöpfen. Wissen wird – wie Edelgard Bulmahn ausführt – in einem wachsenden Maß zu einem konstitutiven Moment moderner Volkswirtschaften und Gesellschaften. Christine Scheel MdB, die langjährige Vorsitzende des Finanzausschusses des Deutschen Bundestags, die jetzt stellvertretende Vorsitzende der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/ Die Grünen ist, fordert gute Finanzierungsbedingungen für mehr Innovationen. Der Anteil von privatem Wagniskapital an der Wirtschaftsleistung muss drastisch erhöht werden, wenn Deutschland zu einem der attraktivsten Standorte für innovative Unternehmen werden soll. Diese Dynamik kann – wie Christine Scheel ausführt – nur mit deutlich besseren steuerlichen Bedingungen entstehen, damit die Geldströme privater Investoren in innovative Unternehmen gelenkt werden. Staatssekretär a.D. Friedhelm Ost zeigt auf, dass gute Innovationspolitik, Kreativität und Eigeninitiative die Innovations- und Risikobereitschaft fördern. Zahlreiche Förderprogramme und Innovationsstrategien belegen, dass Politik, Wirtschaft und Wissenschaft heute gleichermaßen die

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Steigerung der deutschen Innovationskraft als wesentlich für den Erfolg unserer Wirtschaft im internationalen Wettbewerb ansehen. Den Kampf um die Märkte der Zukunft kann nur der für sich entscheiden, der Innovationen vorantreibt. Harald Schartau MdL, ehemaliger Minister für Wirtschaft und Arbeit des Landes NordrheinWestfalen, setzt sich für die Schaffung mittelstandsgerechter Rahmenbedingungen ein. Die Innovationskraft des Mittelstands ist ein leistungsfähiger Motor der deutschen Wirtschaft. Das daraus resultierende Selbstbewusstsein darf aber – wie Harald Schartau betont – nicht darüber hinwegtäuschen, dass es sich um eine störanfällige Kraft handelt. Die Politik ist gut beraten, mit wachem Auge auf mittelstandsgerechte Rahmenbedingungen zu achten. Bewegung ist die Voraussetzung für ein auf Dauer gesundes Rückgrat. Nach den Ministerpräsidenten, den Ministern aus Bund und Ländern und den Abgeordneten aus Europaparlament, Bundestag und Landtag analysiert die Oberbürgermeisterin von Frankfurt am Main, Petra Roth, Innovationen in der Wissensregion Frankfurt-Rhein-Main. Die Region hat frühzeitig die Weichen für eine Wissensregion gestellt, in der durch Aufbau von Netzwerken für den Wissensaustausch und die Umsetzung des Wissens in Produkte und Dienstleistungen ein nachhaltiger Wettbewerbsvorsprung erzielt wird. So entstand eine der stärksten und vielfältigsten Wirtschafts- und Wissensregionen Europas. Den Abschluss bilden neun Beiträge aus der Sicht der Wirtschaft, von Unternehmern, Gewerkschaftlern und Wirtschaftsverbänden und der Beitrag eines Wirtschaftsjournalisten. Die Kernthese des Vorsitzenden des Aufsichtsrates der Deutschen Bank AG Dr. Clemens Börsig lautet: „Häufig entstehen erfolgreiche Innovationen gerade in Zusammenspiel von Mittelständlern mit Großunternehmen, mit anderen mittelständischen Unternehmen sowie mit der Wissenschaft.“ Schon als Thomas Alva Edison 1880 sein Patent für die Glühbirne anmeldete, meinte er: „If I could solve all the problems myself, I would.“ Mittelstand und Großunternehmen stehen sich nicht konkurrierend gegenüber. Das Zusammenspiel zeichnet sich durch effiziente Arbeitsteilung aus. Dies ist die Stärke der deutschen Wirtschaft. Clemens Börsig beendet seinen Beitrag mit der Erkenntnis von Ken Blanchard: „Non of us is as smart as all of us“. Dr. Eberhard Heinke, langjähriger Landeszentralbankpräsident, der jetzt Vorsitzender des Verwaltungsrates des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung ist, stellt die



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erfolgreichen Forschungsstrategien von mittelständischen Unternehmen in den Mittelpunkt seiner Ausführungen. Die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen wie der deutschen Wirtschaft soll nicht nur durch die Verbesserung von Rahmenbedingungen für Forschung und Entwicklung, sondern auch durch deren finanzielle Förderung gesteigert werden. In allen Industrienationen sind staatlich finanzierte Forschung an Universitäten und Forschungsinstituten und Unternehmensforschung immer näher zusammengerückt. Für den Vorsitzenden des Deutschen Gewerkschaftsbundes Michael Sommer ist eine bessere Ausschöpfung der Innovationspotenziale von besonderer Bedeutung. Deshalb plädieren Gewerkschaften – wie Sommer ausführt – für einen erweiterten Innovationsbegriff, der gezielter die Potenziale der Beschäftigten im Betrieb berücksichtigt. Der klassische Technikbezug des Innovationsbegriffs sollte um die Faktoren Bildung, Qualifikation und Mitbestimmung auf die gesamte Belegschaft erweitert werden. Gerade in mittelständischen Unternehmen sind die Ideen aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu fördern. Jede Innovation misst sich für Gewerkschaften vor allem an der Beschäftigungswirkung. Erneuerung ist für Dr. Ludolf von Wartenberg, Mitglied des Präsidiums des Bundesverbands der Deutschen Industrie, der Schlüssel zu nahezu allen Problemen, mit denen sich die deutsche Wirtschaft und Gesellschaft heute konfrontiert sehen. Nur mit innovativen Produkten und Dienstleistungen werden unsere Unternehmen auf den Weltmärkten Marktchancen ausschöpfen können. Deutschland muss wieder zu einem Land der Ideen und auch der Umsetzung von Ideen werden. Wenn dies mit einer breit angelegten Innovationsstrategie – wie sie Ludolf von Wartenberg und Dr. Hans-Joachim Haß darlegen – gelingt, wird man vielleicht auch wieder in einem positiven Sinne vom „Modell Deutschland“ sprechen. Roland Issen, der langjährige Vorstandsvorsitzende der Deutschen Angestellten-Gewerkschaft, sieht mittelständische Unternehmen als stabilen ökonomischen Faktor im marktwirtschaftlichen Wirtschaftssystem. Sie waren die besseren Garanten für den Erhalt von Arbeitsplätzen im Vergleich zu Großunternehmen, sowohl in der Industrie als auch im Dienstleistungsbereich. Angesichts der demographischen Entwicklung sollten die Unternehmen aber mehr als bisher in die Fortbildung ihrer Mitarbeiter- und Mitarbeiterinnen investieren. Der Qualität der Belegschaften kommt eine immer größere Bedeutung zu.

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Der Präsident der Handwerkskammer zu Leipzig, Joachim Dirschka, konzentriert sich auf die Rolle des Handwerks für Innovation und technischen Fortschritt. Die spezifischen Charakteristika des Handwerks als Innovationsträger sind für den speziellen Charakter von Innovation von Bedeutung. Der Innovationsbegriff im Handwerk ist – wie Joachim Dirschka ausführt – unmittelbar praxisorientiert und stärker kundenorientiert. Das Handwerk begegnet dem Strukturwandel nicht mit „Verteidigung“, sondern mit „Anpassung“. Kundennähe als Innovationsfaktor, Diffusion und Multiplikation von Ideen und das ständige Suchen kleinteiliger, praxisnaher Innovationslösungen sind von Bedeutung. Dr. Ludwig Baumgarten, Mitglied des Vorstands des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt, stellt in seinem Beitrag heraus, dass mittelständische Unternehmen in der deutschen Raumfahrt Motor für technologische Innovationen und Wettbewerb sind. Kleine und mittlere Unternehmen spielen eine maßgebliche Rolle für ein ausgewogenes und gesundes Marktgeschehen in der deutschen und europäischen Raumfahrt. Sie fordern die großen Raumfahrtunternehmen. Sie investieren mehr in Forschung und Entwicklung und erzielen für sich und für die Großunternehmen strategische Vorteile in der Zusammenarbeit. Innovationen in der Baubranche untersucht Dr. Alexander Tesche, Mitglied des Vorstands der Ed. Züblin AG. Innovationen in der Baubranche haben das Bauen stets verändert und ermöglichen heute die Erstellung von äußerst komplexen Bauwerken. Innovationen fließen in den Bauprozess ein, von außen durch universitäre Forschung, Ingenieurbüros und Maschinenhersteller, aber auch von innen durch eigene Entwicklungsabteilungen. Alexander Tesche stellt sechs Themenfelder heraus, unter anderem Energieeffizienz, auf die sich zurzeit die Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten vieler Bauunternehmen konzentrieren. Um sich ein Alleinstellungsmerkmal zu verschaffen, müssen Bauunternehmen Motor der Innovation sein. Hans-Christoph Noack von der Frankfurter Allgemeinen Zeitung kommt unter der knalligen Überschrift. „Auch von Madonna lernen“ zu dem Schluss, dass innovative kleine und mittlere Unternehmen mehr verdienen. Erfolgreiche Mittelständler, die in allen Marktsegmenten und Branchen zu finden sind, nutzen vor allem drei Hebel geschickter als ihre Wettbewerber. Sie erreichen eine bessere Marktposition, haben das richtige Produkt- und Leistungsportfolio und stimmen ihre Wertschöpfungsstrategie intelligent auf Positionierung und Portfolio ab. Jörg Freiling, den Noack zitiert, stellt in seinem Werk „Entrepreneurship“ fest, dass Madonna in den vier Unternehmens-



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funktionen Innovation, Arbitrage, Koordination und Risikomanagement ganz hoch punktet – ein Naturtalent in Entrepreneurship, die durch ihre Findigkeit Gewinne aus Möglichkeiten erzielt, die andere noch nicht entdeckt haben. Zum Abschluss stellt Dr. Ingrid Voigt, Leiterin des Fachbereichs „Innovationspotenzial“ und stellvertretende Geschäftsführerin des RKW, die Sicht des RKW auf Innovationen und das Innovationsmanagement in kleinen und mittleren Unternehmen dar. Sie sehen sich vor besonderen Herausforderungen, denen sie aber besondere Stärken entgegen setzen können. Eins-zu-Eins-Übernahmen von erfolgreichen Konzepten großer Unternehmen führen in Sackgassen, vielmehr müssen die kleinen und mittleren Unternehmen ein Innovationsmanagement etablieren, das am Alltag im Unternehmen anknüpft und gelebt werden kann. Ich danke allen Kuratoriumsmitgliedern des RKW für ihre Beiträge zur Schlüsselfunktion des Mittelstands im deutschen Innovationssystem. Die Ergebnisse, vor allem die konkreten Anregungen fließen ein in die Arbeit des Rationalisierungs- und Innovationszentrums der Deutschen Wirtschaft für den deutschen Mittelstand.

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Prof. Dr. Hans -Jörg Bullinger und Dr. Steffen Kinkel Das Innovationsverhalten der kleinen und mittleren Unternehmen als Basis für künftige inländische Wertschöpfungspotenziale

Das verarbeitende Gewerbe ist von zentraler Bedeutung für die deutsche Wirtschaft. Zusätzlich zu seinem jüngst wieder gestiegenen direkten Wertschöpfungsanteil von 23,4 Prozent induziert es durch Vorleistungsverflechtungen einen erheblichen Anteil der gesamtwirtschaftlichen Bruttowertschöpfung auch in den anderen Sektoren. Eine vorsichtige Abschätzung unter Beachtung von Vorleistungsimporten, aber auch in diesen Importen enthaltenen deutschen Zulieferungen (Zweitrundeneffekte) deutet darauf hin, dass zumindest 45 Prozent der deutschen Wertschöpfung direkt oder indirekt vom verarbeitenden Gewerbe ausgehen. Auch der Dienstleistungssektor, insbesondere die produktions- bzw. unternehmensnahen und wissensintensiven Bereiche, profitiert damit unmittelbar von einer starken und international wettbewerbsfähigen Industrie. Neben seinem direkten und induzierten Wertschöpfungsbeitrag hat das verarbeitende Gewerbe auch eine Schlüsselstellung für den Außenhandelserfolg und die Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten (FuE) der Wirtschaft. Etwa 90 Prozent der FuE-Aufwendungen der deutschen Wirtschaft und ebenfalls etwa 90 Prozent der Exporte gehen vom verarbeitenden Gewerbe aus. Der positive Außenhandelssaldo mit Industriegütern ist wesentlich größer als die Außenhandelsbilanz insgesamt, d.h. der Exportüberschuss mit Industriegütern ist zu einem erheblichen Teil erforderlich, um die Defizite der anderen Wirtschaftsbereiche auszugleichen. Diese zentrale Rolle des deutschen verarbeitenden Gewerbes für Innovations-, Wachstums- und Wertschöpfungspotenziale muss auch zukünftig erhalten und unterstützt werden. Im verarbeitenden Gewerbe kommt neben den großen, global tätigen Unternehmen auch dem industriellen Mittelstand, d.h. der Gruppe der kleinen und mittleren Unternehmen mit 20 bis 499 Beschäftigten, eine zentrale Bedeutung zu, insbesondere für die Sicherung der inländischen Beschäftigung. So liegt der Anteil der kleinen und mittleren Unternehmen an der Anzahl aller Industrieunternehmen bei über 95 Prozent. Zudem war die Beschäftigungsentwicklung zwischen 1995 und 2005 in dieser Gruppe mit -0,7 Prozent pro Jahr deutlich positiver als bei den Unternehmen mit



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500 und mehr Beschäftigten mit etwa -1,8 Prozent pro Jahr. Damit weist diese Gruppe mit einem Anteil von 50,8 Prozent inzwischen mehr industrielle Erwerbstätige auf als die Gruppe der großen Unternehmen. Gerade die kleinen und mittleren Unternehmen haben demnach im letzten Jahrzehnt in erheblichem Ausmaß zur Dämpfung des industriellen Arbeitsplatzabbaus in Deutschland beigetragen. Bei wirtschafts- und innovationspolitischen Initiativen gilt es, diese Schlüsselrolle der produzierenden Mittelständler für die inländische Beschäftigung entsprechend zu berücksichtigen und zu unterstützen. Vor dem Hintergrund der hohen gesamtwirtschaftlichen Bedeutung des industriellen Mittelstands in Deutschland war es Ziel einer Studie des Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung (ISI) für die Stiftung Industrieforschung und den BDI (Kinkel et al. 2008), das Innovationsverhalten der kleinen und mittleren Unternehmen als Basis für zukünftige inländische Wertschöpfungspotenziale zu analysieren und die relevanten Technikfelder zu identifizieren, in denen deutsche kleine und mittlere Unternehmen Wettbewerbs- und Spezialisierungsvorteile aufweisen. Die zentralen Befunde dieser Studie sollen im Folgenden kurz vorgestellt werden. Als eine wesentliche Strategie zur Sicherung und Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit deutscher Unternehmen werden Innovationstätigkeiten angesehen. Aufgrund ihrer Flexibilität werden kleinen und mittleren Unternehmen hier besondere Chancen zugeschrieben, gleichzeitig haben sie jedoch auch größenbedingte Nachteile. Vor diesem Hintergrund soll das Innovationsverhalten von kleinen und mittleren Unternehmen im Vergleich zu größeren Unternehmen umfassend beleuchtet werden. Hierfür ist es notwendig, den Blick nicht nur das Feld der Produktinnovationen zu richten, sondern auch auf technische und organisatorische Prozessinnovationen sowie auf Dienstleistungsinnovationen.

Produktinnovationen Bei den Produktinnovationen sind auf der Input-Seite zunächst die Aufwendungen für Forschung und Entwicklung sowie die Innovationsaufwendungen insgesamt von Interesse. Die Ausgaben für Forschung und Entwicklung der deutschen Wirtschaft haben sich zwar in den letzten Jahren erhöht, aber nicht besonders kräftig (EFI 2008). Dies ist insbesondere deshalb problematisch, da im internationalen Vergleich ein hohe Dynamik zu beobachten ist. Diese hohe Dynamik bei Investitionen in FuE ist im letzten Jahrzehnt maßgeblich von den aufholenden Ländern aus

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Asien (Korea, Indien und insbesondere China) getrieben worden. Gerade China hat die FuE-Anstrengungen seit Mitte der 90er Jahre real mehr als vervierfacht und sich damit in kurzer Zeit vor Deutschland auf Rang 3 der forschungsstarken Länder platziert (Legler/Gehrke 2006). Insbesondere der deutsche Mittelstand ist bei Forschungs- und Entwicklungsaufwendungen bzw. Innovationsaufwendungen zurückhaltend. Nach den Daten des Mannheimer Innovationspanel (Aschoff et al. 2007) lagen die Innovationsaufwendungen der industriellen Mittelständler im Mittel der zurückliegenden Jahre bei einem Anteil von 3,3 Prozent am Umsatz. Die Tendenz im Zeitverlauf lässt einen leichten Abwärtstrend erkennen, aktuell (2006) liegt der entsprechende Wert bei 3,0 Prozent (Abbildung 1). Dieser Wert liegt unterhalb des für das verarbeitende Gewerbe insgesamt charakteristischen Anteils der Innovationsaufwendungen am Umsatz. Hier gilt, dass in den letzten vier Jahren relativ stabil ca. 5 Prozent des Umsatzes in Innovationen investiert werden.

6 5

Prozent

4 3 2

KMU alle Unternehmen

1 0 1994

1995

1996

1997

1998

1999

2000

2001

2002

2003

2004

2005

2006

Abbildung 1: Entwicklung des Umsatzanteils der Innovationsaufwendungen im Verarbeitenden Gewerbe und Bergbau nach Unternehmensgröße (Quelle: Mannheimer Innovationspanel MIP)



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Innovationsaufwendungen alle FuE Aufwendungen

Innovationsintensitäten KMU 2003 1 Innovations- und FuE Intensitäten 2003

High-Tech Startups2 Forschende KMU2 Innovierende KMU Nicht inno. KMU Durchschnitt Industrie

in % am Umsatz 0

10

20

30

40

50 1

Werte gerundet

60 2

Unternehmen mit kontinuierlicher FuE

Abbildung 2: Innovations- und FuE Intensitäten deutscher KMU (Rammer et al. 2006; Mannheimer Innovationspanel)

Im Detail ergibt sich aber ein durchaus differenzierteres Bild der mittelständischen Innovationsaktivitäten. Wenn industrielle Mittelständler kontinuierlich und nicht nur sporadisch forschen, dann durchaus intensiv (Rammer et al. 2006). Sowohl die gesamten Innovations- wie auch die reinen Forschung und Entwicklungsaufwendungen von kontinuierlich forschenden kleinen und mittleren Unternehmen liegen über dem industriellen Durchschnitt (Abbildung 2). Weiterhin unterstreichen auch Zahlen des Stifterverbundes die hohe Bedeutung der forschenden kleinen und mittleren Unternehmen für die Innovationsfähigkeit der deutschen Industrie. 2005 konnte alleine der Zuwachs von in der FuE beschäftigtem Personal bei kleinen und mittleren Unternehmen einen entsprechenden Rückgang bei den Großunternehmen ausgleichen (Frank et al. 2007). Die im Gesamtmittel höheren Innovationsaufwendungen größerer Unternehmen schlagen sich auch darin nieder, dass diese Unternehmensgruppe im Vergleich zu kleinen und mittleren Unternehmen auch zu höheren Anteilen Patentanmeldungen tätigt. Durch Datenbankverknüpfungen konnten die Patentaktivitäten der an der ISI-Umfrage „Modernisierung der Produktion 2006“ teilnehmenden 1.663 Betriebe des deutschen verarbeitenden Gewerbes, davon 1.482 Unternehmen mit weniger als 500 Beschäftigten, analysiert werden. Demnach haben zwischen 2002 und 2004

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48 Prozent der Großunternehmen, jedoch nur 14 Prozent der kleinen und mittleren Unternehmen Patente angemeldet. Diese große Differenz ist jedoch nicht nur auf die unterschiedlichen Innovationsaufwendungen zurückzuführen, sondern bringt auch eine unterschiedliche Patentierneigung zum Ausdruck. Patentanmeldungen (2002 - 2004) nach Branchen

alle Betriebe KMU

M aschinenbau

25

M edizin-, M ess-, Steuer- und Regelungstechnik

24

Fahrzeugbau

29 28 25

17

Elektroindustrie (ohne MSRO)

23

16

C hemische Industrie

19

14

M etallerzeugung/ Herstellung von M etallerzeugnissen

10

8

Papier-, Verlags- und Druckgewerbe

7

Hersteller von G ummiund Kunststoffwaren

7

sonstige Branchen 3

Ernährungsgewerbe 1 0

8 7

6

Textil-, Bekleidungsund Ledergewerbe

10

3 2

10

20

30

40

A nteil Betriebe mit Patentanmeldungen 2002 -2 004 (in Prozent)

Abbildung 3: Patentanmeldungen 2002 bis 2004 im verarbeitenden Gewerbe nach Sektoren und Unternehmensgröße (Quelle: ISI-Erhebung Modernisierung der Produktion 2006)

Betrachtet man die kleinen und mittleren Unternehmen und das verarbeitende Gewerbe insgesamt nach Sektoren, so fällt auf, dass der Anteil der Firmen mit Patentanmeldungen weit streut (Abbildung 3): Führend sind hier die Maschinenbaufirmen, Schlusslicht die Unternehmen des Ernährungsgewerbes. Im Vergleich zwischen kleinen und mittleren Unternehmen und allen Unternehmen der jeweiligen Sektoren fällt auf, dass insbesondere in den Sektoren mit vergleichsweise hohen



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Quoten patentierender Firmen ein gewisser Rückstand der kleinen und mittleren Unternehmen zu konstatieren ist. So beträgt der Anteil kleinen und mittleren Unternehmen mit Patentanmeldungen zwischen 2002 und 2004 im Maschinenbau 25 Prozent, wohingegen der Mittelwert in diesem Sektor mit 29 Prozent ausgewiesen ist. In der Medizin-, Mess-, Steuer- und Regelungstechnik liegt das entsprechende Verhältnis bei 24 Prozent zu 28 Prozent und im Fahrzeugbau bei 17 Prozent zu 25 Prozent. Wie weiterführende Analysen eindeutig zeigen, ist der Zusammenhang zwischen Patentaktivitäten als wichtigem Throughput-Indikator für Produktinnovationen und den Umsatzerfolgen mit neuen Produkten bzw. mit Marktneuheiten als wichtigen Outputindikatoren signifikant positiv. Unternehmen des Verarbeitenden Gewerbes, die in den Jahren 2002 bis 2004 Patente angemeldet haben, weisen sowohl einen signifikant höheren Umsatzanteil mit für den jeweiligen Betrieb neuen Produkten (16 %) als auch mit Marktneuheiten (7 %) auf als Betriebe ohne entsprechende Patentaktivitäten (11 % bzw. 4 %). Patente können daher als geeigneter Frühindikator für zukünftige Innovationserfolge und damit auch mittelfristige Wachstumspotenziale herangezogen werden. Analysiert man daraufhin die Output-Seite von Produktinnovationen anhand der Umsatzanteile, die mit für den Markt neuen Produkten erwirtschaftet werden, so zeigt sich, dass auch hier die kleinen und mittleren Unternehmen gegenüber den größeren Unternehmen zurückliegen (Aschoff et al. 2007). Mit 3,6 Prozent Umsatzanteil aus Marktneuheiten erreichen sie lediglich gut die Hälfte des Wertes, den Firmen des verarbeitenden Gewerbes insgesamt realisieren (6,3 %). Der Rückstand der kleinen und mittleren Unternehmen in der Bedeutung markinnovativer Produkte für die Umsätze ist in den zurückliegenden Jahren damit sogar eher noch angewachsen. Vertiefende Analysen zeigen, dass diese Relation nicht nur für die Marktneuheiten gilt, sondern auch für Produktinnovationen, die lediglich für das innovierende Unternehmen, jedoch nicht für den jeweiligen Markt Neuheitscharakter haben. Damit findet eine mögliche These keine Bestätigung, wonach größere Unternehmen sich verstärkt auf Marktneuheiten konzentrieren, wohingegen kleinen und mittleren Unternehmen Innovationen eher in die Breite tragen.

Technische und organisatorische Prozessinnovationen Im Bereich Prozessinnovationen, die darauf abzielen, die Herstellung der gefertigten Produkte kostengünstiger, flexibler und qualitativ besser zu gestalten, unterscheidet sich der Anteil prozessinnovativer Unternehmen im Mannheimer Innovationspanel (Aschoff et al. 2007) zwischen

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kleinen und mittleren Unternehmen und größeren Firmen auf den ersten Blick nur unwesentlich (Abbildung 4). Berücksichtigt man jedoch, dass Großunternehmen (500 und mehr Beschäftigte) lediglich knapp vier Prozent aller Firmen des verarbeitenden Gewerbes ausmachen, so wird deutlich dass diese vergleichsweise kleine Firmengruppe ca. 60 Prozent prozessinnovative Unternehmen aufweisen muss, um den Gesamtdurchschnitt von den 35 Prozent der kleinen und mittleren Unternehmen auf die 36 Prozent aller Firmen des Verarbeitenden Gewerbes anzuheben. KMU alle Unternehmen 40 35 30

Prozent

25 20 15 10 5 0 2000

2001

2002

2003

2004

2005

2006

Abbildung 4: Anteil Unternehmen mit Prozessinnovationen im Verarbeitenden Gewerbe und Bergbau nach Unternehmensgröße (Quelle: MIP)

Vertiefende Informationen zum Vergleich der Prozessinnovationsaktivitäten von kleinen und mittleren Unternehmen im Vergleich zu großen Unternehmen liefert die ISI-Erhebung „Modernisierung der Produktion 2006“. Demnach ist der Vorsprung der Großunternehmen sowohl bei technischen als auch bei organisatorischen Prozessinnovationen so deutlich, wie oben vermutet: So haben beispielsweise 30 Prozent der kleinen und mittleren Unternehmen, jedoch 72 Prozent der größeren Betriebe Industrieroboter als Prozessinnovation verwirklicht, bei PPS-Systemen beläuft sich die entsprechende Relation auf 62 zu 95 Prozent und bei der rechnergestützten Konstruktion (CAD) auf 72 zu 92 Prozent. Bei organisatorischen Innovationen ist der Rückstand von kleinen und mittleren zu Großunternehmen zwar nicht ganz so ausgeprägt wie bei technischen Prozess-



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innovationen, er ist jedoch auch bei diesen ohne große Investitionen in Maschinen-, Anlagen- und Informationstechnik auskommenden Innovationen durchaus bemerkenswert. Serviceinnovationen Betrachtet man Serviceinnovationen als neben den Produktinnovationen sowie technischen und organisatorischen Prozessinnovationen viertes relevantes Feld für unternehmerische Neuerungsaktivitäten, so verschlechtert sich die Datenlage. Anhaltspunkte zum Vergleich von kleinen und mittleren Unternehmen und Großunternehmen liefert hier mit veröffentlichten Informationen lediglich die ISI-Erhebung „Modernisierung der Produktion 2006“. Danach erzielen 35 Prozent der Betriebe des verarbeitenden Gewerbes Umsätze mit innovativen Dienstleistungen, die in den zurückliegenden drei Jahren konzipiert und in den Markt eingeführt worden sind. Diese Quote serviceinnovativer Firmen erweist sich über alle Betriebsgrößenklassen als stabil. Im Gegensatz zu technologischen Produktinnovationen scheinen damit Service-Innovationen ein Innovationsfeld zu sein, das von kleineren Betrieben ähnlich breit wie von größeren Firmen bearbeitet werden kann. Umsatzanteil aus Services jünger als 3 Jahre Umsatzanteil aus Services älter als 3 Jahre

Anteil am gesamtumsatz in Przent

20

15 7

7

9

9

10

7

5 8

0 alle Betriebe

nur KMU (< 500)

nur GU (> = 500)

Betriebsgröße (Anzahl an Beschäftigten)

Abbildung 5: Umsatzanteile aus innovativen Services im verarbeitenden Gewerbe nach Betriebsgröße (Quelle: ISI-Erhebung Modernisierung der Produktion 2006)

Im Branchenvergleich fällt auf, dass Service-Innovationen insbesondere im Maschinenbau, der Elektroindustrie sowie der Medizin-, Mess-, Steuer-, Regelungstechnik und Optik überdurchschnittlich häufig anzutreffen sind. In diesen Industriezweigen liegt die Quote der Service-Innova-

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toren deutlich über 40 Prozent. In der Chemischen Industrie wie auch im Ernährungs- und Tabakgewerbe scheinen Service-Innovationen dagegen einen weitaus geringeren Stellenwert zu haben. Mit 20 bzw. 12 Prozent serviceinnovativer Betriebe rangieren diese Wirtschaftszweige am unteren Ende der Rangreihe. Dieses Ergebnis scheint die unterschiedlichen Intensitäten widerzuspiegeln, mit denen das Thema „Services“ in den einschlägigen Branchendiskursen in den zurückliegenden Jahren behandelt wurde. Der Anteil der Umsätze mit innovativen Services am Gesamtumsatz der Betriebe liegt über alle Betriebe bei etwa neun Prozent. Im Vergleich der Betriebsgrößen variiert der Stellenwert innovativer Services kaum: Während bei kleinen und mittleren Unternehmen wie im Durchschnitt neun Prozent der Umsätze aus innovativen Dienstleistungen stammt, so beläuft sich dieser Wert bei großen Betrieben auf acht Prozent (Abbildung 5).

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Patent- und Technologie-Spezialisierung deutscher KMU Vorliegende Patentanalysen haben gezeigt, dass die deutsche Industrie in vielen Forschungs-

und Technologiebereichen sehr aktiv ist und sich, gemessen an diesem Frühindikator, in den letzten Jahren auch im internationalen Vergleich eine sehr gute Ausgangsposition für die zukünftige Festigung der Wettbewerbsposition in wichtigen Technologiebereichen geschaffen hat (BCG 2006). Eine spezifische Patentanalyse für die kleinen und mittleren Unternehmen der deutschen Industrie lag jedoch bislang nicht vor. Eine solche spezifische Analyse ist nicht trivial, da die vorhandenen Patentdatenbanken und -klassifikationen keine automatische Differenzierung nach großen beziehungsweise kleinen und mittleren Unternehmen erlauben. Durch geeignete Verfahren konnten jedoch unter den deutschen Patentanmeldern am deutschen Markt insgesamt 19.697 kleine und mittlere Unternehmen und 2.257 Großunternehmen identifiziert werden. Das Muster der Patentaktivitäten und die Spezialisierung der deutschen kleinen und mittleren Unternehmen am deutschen Markt entspricht in weiten Teilen dem der deutschen Akteure insgesamt. Positive oder negative Spezialisierungen treten jedoch bei ihnen deutlicher zutage (Abbildung 6). Die Stärken deutscher kleiner und mittlerer Unternehmen liegen demnach insbesondere bei den Werkzeugmaschinen, den Metallerzeugnissen, dem Maschinenbau und bei den nichtpolymeren Materialien. Auch die anderen deutschen Akteure sind in diesen Bereichen überdurchschnittlich aktiv. Im „Zukunftsmarkt Medizintechnik“ zeigen deutsche Mittelständler eine leicht positive Spezialisierung, obwohl hier insgesamt die deutschen Akteure stark unterdurchschnittlich patentaktiv sind. Gleichzeitig zeigt sich, dass in den beiden Bereichen, in denen die deutschen



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Akteure insgesamt besonders stark aufgestellt sind, dem Fahrzeugbau und den Geräten der Energieerzeugung, die kleinen und mittleren Unternehmen unterdurchschnittlich aktiv sind. Auch bei den Energie-Maschinen bleiben die KMU deutlich hinter den Spezialisierungswerten für die deutschen Anmelder insgesamt, erreichen aber immer noch einen durchschnittlichen Wert. In diesen Feldern scheinen insbesondere große OEM das nationale Patentgeschehen zu dominieren. Auch in der Luft- und Raumfahrt tritt die unterdurchschnittliche Schwerpunktsetzung der kleinen und mittleren Unternehmen im Vergleich zu allen deutschen Anmeldern deutlich zutage. Dieser Bereich ist aber im Vergleich zu Bereichen wie Maschinenbau oder Metallerzeugnissen sehr klein. alle deutschen Anmelder

deutsche KMU

Werkzeugmaschinen Metallerzeugnisse Maschinenbau Nicht-polymere Materialien Mess- & Regeltechnik Kunststoffe, Gummiwaren Konsumgüter Medizintechnik Energie-Maschinen Geräte der Elektrizitätserzeugung Fahrzeugbau Allgemeine Chemie Optik Pharmazeutika Elektr. Bauteile Telekommunikation Luft- und Raumfahrzeuge Computer, Büromaschinen -100

-80

-60

-40

-20

0

20

40

60

80

100

Abbildung 6: Branchenspezialisierung deutscher KMU am deutschen Markt im Vergleich (2002-2004) (Quelle: Patstat Datenbank, Berechnungen Fraunhofer ISI)

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Insgesamt spiegeln die Patentspezialisierungen deutscher kleinen und mittleren Unternehmen damit - mit Ausnahme von Fahrzeugbau und Geräten der Energieerzeugung sowie EnergieMaschinen - die traditionellen Stärken der deutschen Industrie in den Bereichen der „hochwertigen Technologie“ (v. a. Werkzeugmaschinen, Metallerzeugnisse und Maschinenbau) wider, die es für die Sicherung inländischer Wertschöpfungspotenziale auch zukünftig zu bewahren gilt. Betrachtet man zusätzlich für ausgewählte Technologiefelder die Situation an den internationalen Märkten im Zeitvergleich, so zeigt sich (Abbildung 7), dass die deutschen kleinen und mittleren Unternehmen am internationalen Markt bei Produktionstechnologien und in der Biotechnologie deutlich positive Spezialisierungswerte erreichen. In der Biotechnologie konnte die am Ende der neunziger Jahre noch negative Spezialisierung in eine positive umgewandelt werden. Offensichtlich wird aber auch, dass am internationalen Markt die positive Spezialisierung der deutschen kleinen und mittleren Unternehmen in der Produktionstechnologie abgenommen hat. Positiv ist auch die Spezialisierung in der Nanotechnologie und bei den Umwelttechnologien. Aufgrund fehlender Daten sind hier jedoch keine vergleichenden Aussagen im Zeitverlauf möglich. 1996 - 1998 2002 - 2004

Werkstofftechnologie Produktionstechnologie luK-Technologien Optische Technologien Umwelttechnologie Energietechnologie Nanotechnologie Biotechnologie -100

-80

-60

-40

-20

0

20

40

60

80

100

RPA Index

Abbildung 7: Spezialisierung deutscher KMU am internationalen Markt im Zeitvergleich nach Technologiefeldern (Quelle: Patstat Datenbank, Berechnungen Fraunhofer ISI)



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Treiber und interne Kompetenzen für Innovationen Eine telefonische Umfrage bei kleinen und mittleren Unternehmen des deutschen verarbei-

tenden Gewerbes nach der CATI-Methode (Computer Aided Telephone Interviews) brachte neue Einsichten in die für Stimulierung von Innovationen maßgeblichen Kompetenzen. Die 197 teilnehmenden kleinen und mittleren Unternehmen sind repräsentativ für ihre Branchenstruktur im verarbeitenden Gewerbe, Mittelständler mit 250 bis 499 Beschäftigten wurden aber gegenüber kleinen Betrieben mit 50 bis 99 Beschäftigten bewusst überproportional angesprochen. Es zeigt sich, dass für Produktinnovationen insbesondere interne Kompetenzen bei Forschung und Entwicklung (90 %), Markt- und Kundenanalyse (87 %) sowie Prototypenbau und Erprobung (83 %) als sehr wichtig oder wichtig erachtet werden (Tabelle 1). Für Innovationen bei produktbegleitenden Dienstleistungen sind insbesondere interne Kompetenzen in Bereichen mit direktem Kundenbezug wie Absatz und Vertrieb (86 %), Service und Kundendienst (80 %) sowie Markt- und Kundenanalyse (78 %) relevant. Für technische Prozess- und Verfahrensinnovationen ist ein breites Spektrum interner, wertschöpfungsbezogener Kompetenzen sehr wichtig oder wichtig, das von der Qualitätssicherung (92 %) und Produktions- und Prozessorganisation (82 %) über Fertigung und Montage, Forschung und Entwicklung, Materialbearbeitung bis hin zu Prototypenbau und Erprobung (jeweils etwa 75 %) reicht. Zentrale interne Kompetenzen für organisatorische Innovationen sollten in den Bereichen Personalwesen, Qualitätssicherung, Produktions- und Prozessorganisation sowie zentrale Organisation und IT (jeweils etwa 75 % sehr wichtig oder wichtig) vorgehalten werden. Produktinnovation

Bereich Forschung und Entwicklung

Prozessinnovation Anteil Firmen Bereich 89,5

Markt-/Kundenanalyse 87,4 Prototypenbau, Erprobung etc. 82,7 Materialbearbeitung Service, Kundendienst etc.

57,7 24,7

Dienstleistungsinnovation

Organisationsinnovation

Fertigung und Montage 75,4

Anteil Anteil Firmen Bereich Firmen Zentrale Organisation / Absatz und Vertrieb 85,5 EDV/IT 78,1 Service und Produktions- und Kundendienst 79,5 Prozessorganisation 77,3 Markt- und Kundenanalyse 78,4 Qualitätssicherung 75,8

Forschung und Entwicklung

75,0

Qualitätssicherung

67,8 Personal

72,9

Instandhaltung

34,1 Fertigung und Montage 64,3 Service und Kundendienst 61,4

Qualitätssicherung Produktions- und Prozessorganisation

Materialbearbeitung Prototypenbau/ Erprobung Kundenanalyse/ Kundendienst Instandhaltung Betriebsmittel-/ Werkzeugbau

Anteil Firmen Bereich 92,6 81,4

72,8 65,7 59,4 55,2

Tabelle 1: Wichtige interne Bereiche zur Sicherung der Innovationsfähigkeit (in %)

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Instandhaltung

74,9

37,2

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Insgesamt zeigt sich deutlich, dass für eine nachhaltige Innovationsfähigkeit in den vier Feldern Produkt, Service, Prozess und Organisation nicht nur, wie vielfach verkürzt dargestellt, interne Kompetenzen in Forschung und Entwicklung zentral sind. Äußerst relevant sind für technische und nicht-technische produktseitige Innovationen (also Produkt- und Serviceinnovationen) insbesondere auch interne Kompetenzen in Bereichen mit direktem Kundenbezug (v. a. Markt- und Kundenanalyse, Absatz und Vertrieb sowie Service und Kundendienst) sowie für technische und nicht-technische Prozessinnovationen (also Verfahrens- und organisatorische Innovationen) insbesondere in wertschöpfungsbezogenen Tätigkeiten (v. a. Qualitätssicherung, Produktions- und Prozessorganisation, Fertigung und Personal). Zukünftige Outsourcing-Strategien in diesen Bereichen, die nicht selten als Randkompetenzen eingestuft werden, sollten demnach systematisch daraufhin überprüft werden, ob damit nicht die mittel- bis langfristige Innovationsfähigkeit des Betriebs entscheidend eingeschränkt wird.

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Fazit Im verarbeitenden Gewerbe kommt dem industriellen Mittelstand eine zentrale Bedeutung

zu, insbesondere für die Sicherung der inländischen Beschäftigung. Heute weist die Gruppe der kleinen und mittleren Unternehmen mit einem Anteil von 50,8 Prozent inzwischen mehr industrielle Erwerbstätige auf als die Gruppe der großen Unternehmen. Gerade die kleinen und mittleren Unternehmen haben demnach im letzten Jahrzehnt in erheblichem Ausmaß zur Dämpfung des industriellen Arbeitsplatzabbaus in Deutschland beigetragen. Der zentrale Treiber für zukünftige Wertschöpfungspotenziale des produzierenden Mittelstands in Deutschland sind Innovationen. Dabei gilt es jedoch einen erweiterten Blick auf Innovationen anzulegen. Zukünftige Wachstumspotenziale können nicht nur durch technische Produkt- und Prozessinnovationen, sondern auch durch nicht-technische Serviceinnovationen (Stichwort produktbegleitende Dienstleistungen) und organisatorische Innovationen generiert werden. Bei Produktinnovationen sind kleinen und mittleren Unternehmen im Vergleich zu größeren Unternehmen im Mittel weniger innovationsstark. Dies belegen sowohl Input- (Innovationsaufwendungen), Throughput- (Patente) als auch Outputindikatoren (Umsatzanteil mit neuen Produkten und Marktneuheiten) für Produktinnovationen. Eine Ausnahme stellen hier jedoch die kontinuierlich forschenden Mittelständler dar, die im Mittel höhere FuE- und Innovationsaufwendungen am Gesamtumsatz aufweisen als die Unternehmen des verarbeitenden Gewerbes insgesamt.



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Auch bei technischen und organisatorischen Prozessinnovationen ist ein Rückstand von kleinen und mittleren zu Großunternehmen zu konstatieren, der bei technischen Prozessinnovationen ausgeprägter ist als bei organisatorischen. Lediglich bei Serviceinnovationen stehen kleine und mittlere Unternehmen mit Großunternehmen auf einer Stufe, sowohl bei der Innovatorenquote als auch beim Umsatzanteil mit neuen Services. Vor dem Hintergrund dieses Bildes muss es Ziel von Politik, Verbänden und Unternehmen sein, die Stärke der kleinen und mittleren Unternehmen im Bereich kundenorientierter Service-Innovationen zu sichern und auszubauen und gleichzeitig ihre technischen und nicht-technischen Innovationsaktivitäten und -fähigkeiten zu fördern und nachhaltig zu stärken. Wie differenzierte Patentanalysen zeigen, sind deutsche kleinen und mittleren Unternehmen derzeit insbesondere auf Sektoren und hochwertige Technologien mit traditionellen Stärken spezialisiert (Werkzeugmaschinen, Metallerzeugnisse, Maschinenbau sowie Produktionstechnik als Querschnittstechnologie). Diese bestehenden Stärken gilt es aufrechtzuerhalten und weiterhin zu unterstützen. Auch in der Medizintechnik, bei Energie-Maschinen, in der Mess- und Regelungstechnik, in der Biotechnologie und Nanotechnologie sowie in der Umwelttechnik sollten positive Anreize für weitere Innovationsaktivitäten gesetzt werden, da hier positive Spezialisierungen deutscher kleinen und mittleren Unternehmen mit einer hohen Dynamik bei internationalen Patentanmeldungen einhergehen. Diese Situationsanalyse legt nahe, dass eine Technologie- und Innovationspolitik, die lediglich auf „neue“ Technologien setzt, zu kurz greift. Will man eine nachhaltig positive Entwicklung des innovativen Mittelstands in Deutschland sicherstellen, so gilt es darüber hinaus, bereits bestehende Stärken systematisch zu sichern. Schließlich hat sich gezeigt, dass eigene FuE-Aufwendungen und interne Kompetenzen in Forschung und Entwicklung für erfolgreiche technische Innovationen zwar essentiell sind, aber nicht alleine Erfolg bestimmend. Zentral für technische und nicht-technische produktseitige Innovationen – also Produkt- und Serviceinnovationen – sind insbesondere interne Kompetenzen mit direktem Kundenbezug wie Marktanalyse, Vertrieb oder Kundendienst, zumal gerade kundenspezifische Innovationsprozesse im Vergleich zu kundenunspezifischen Entwicklungen für Produktprogramme höhere inländische Wertschöpfungspotenziale versprechen. Weiterhin wichtig sind Vernetzungen durch FuE-Kooperationen mit anderen Akteuren sowie Aktivitäten und ausreichende Innovationsaufwendungen jenseits von Forschung und Entwicklung, insbesondere bei kundenspezifischer Anpassentwicklung, Konstruktion und (Service-) Design.

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Diese Befunde deuten darauf hin, dass Maßnahmen der Technologie- und Innovationspolitik auch im „klassischen“ Feld technischer Produktinnovationen nicht alleine auf eine Stimulierung der betrieblichen FuE-Aktivitäten ausgerichtet sein sollten, sondern umfassendere Innovationsanreize setzen sollten. Literatur Aschoff, B.; Doherr, T.; Löhlein, H.; Peters, B.; Rammer, C.; Schmidt, T.; Schubert, T.; Schwiebacher, F. (2007): Innovationsverhalten der deutschen Wirtschaft. Indikatorenbericht zur Innovationserhebung 2006, Mannheim: Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) BCG (2006): Innovationsstandort Deutschland. Quo vadis, München: The Boston Consulting Group GmbH EFI – Expertenkommission Forschung und Innovation (2008): Gutachten zu Forschung, Innovation und technologischer Leistungsfähigkeit. Berlin Egeln, J.; Gehrke, B.; Legler, H.; Licht, G.; Rammer, C.; Schmoch, U. (2007): Bericht zur technologischen Leistungsfähigkeit Deutschlands 2007, Berlin, Bonn: Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) Frank, A.; Meyer-Guckel, V.; Schneider, C. (2007): Innovationsfaktor Kooperation: Bericht des Stifterverbandes zur Zusammenarbeit zwischen Unternehmen und Hochschulen, Essen: Stifterverband für die deutsche Wissenschaft Gehrke, B.; Legler, H. (1997): Internationale Wettbewerbsfähigkeit forschungsintensiver Industrien am Standort Deutschland, Stuttgart: Forschungsstelle Internat. Management und Innovation Kinkel, S. et al. (2008): Zukünftige Wertschöpfungs- und Innovationspotentiale des deutschen industriellen Mittelstands. Studie für die Stiftung Industrieforschung und den BDI, im Erscheinen. Rammer, C.; Zimmermann, V.; Müller, E.; Heger, D.; Aschoff, B.; Reize, F. (2006): Innovationspotentiale von kleineren und mittleren Unternehmen, Baden-Baden: Nomos



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Prof. Dr. Günter Spur Innovationsdruck auf mittelständische Betriebe

Innovationen sind kreative Reaktionen auf Veränderungen des Marktes. Sie bilden ein System zur Durchsetzung des Neuen in einer technologisch ausgerichteten Zukunftswelt und erzeugen einen permanenten Druck zum Fortschritt. Eine Welt ohne Innovationen wird es nicht geben. Sie dienen der Sicherung unserer wirtschaftlichen Existenz. Innovationen sind allerdings keine Selbstläufer, sie bedürfen der Einbindung in eine zukunftsorientierte Wirtschaftspolitik. Es geht um die strategische Ausrichtung der global operierenden Technologiepotenziale im Wettbewerb um die Ressourcen der Natur. Wir müssen uns fragen, ob unsere Technologiekultur dem zukünftigen Innovationswettbewerb gewachsen ist. Der Blick der Gesellschaft richtet sich dabei auf die heutige Generation der Wirtschaftsgestalter, die dafür Verantwortung tragen, dass unser Innovationspotenzial eine zukunftsgerechte Aufbereitung erfährt. Aus der besonderen demographischen Situation Deutschlands leitet sich ein dringender Handlungsbedarf ab. Die Wettbewerbsstärke einer Produktionswirtschaft wird durch das Innovationspotenzial ihrer Fabriken bestimmt. Dabei spielt die strategische Anpassung der Unternehmenspolitik des Mittelstands eine entscheidende Rolle. Die bloße Fähigkeit zum technologischen Wettbewerb reicht nicht mehr aus. Es geht um die Stärkung der Innovationskraft im Wettbewerb der Weltwirtschaft und damit auch um die Frage der Sicherung regionaler Produktionsstandorte in Deutschland.

Herausforderung mittelständischer Produktionsbetriebe Die Effizienz unseres Innovationssystems ist der Schlüssel zur Lösung der sich zukünftig weiter verschärfenden Probleme der Wettbewerbsfähigkeit unserer Industriegesellschaft. Mit ihrer Weiterentwicklung zur Innovationswirtschaft ist die Standortfrage der Produktionsbetriebe

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und damit eine Herausforderung des Arbeitsmarktes verbunden. Es kommt darauf an, dass das Neue auch am Standort der Innovationsträger gebaut wird. Denn von entscheidender Bedeutung für die Wettbewerbsfähigkeit ist die Innovativität der mittelständischen Produktionsbetriebe. Technologisch hoch entwickelte Fabriken können nicht ortsbeliebig errichtet werden. Sie erfordern einen hohen Anteil fachspezifischen Könnens. Die Produktion des Neuen ist prozesssensibel und auch bei hohem Automationsgrad überwachungs- und regulierungsbedürftig. Innovationstechnologien erfordern eine permanente Vorhaltung von Wissen und Entscheidungsfähigkeit, also Vertrauen auf handlungsstarkes Können in einer integrierten Leistungsgemeinschaft. Die Produktionswirtschaft erzeugt das Neue im Wettbewerb. Dabei wird eine marktorientierte Wandlungsfähigkeit der Produktionsmittel gefordert, um sich den veränderten Produktprogrammen anzupassen. Investive Maßnahmen der Produktionsplanung bewirken Prozessinnovationen, die robuste Zuverlässigkeit und hohe Flexibilität aufweisen. Die mittelständische Produktionswirtschaft unterliegt einem permanenten Innovationsdruck, der sich in arbeitsteiliger Vernetzung vollzieht. Die zunehmende gesamtwirtschaftliche Verflechtung von Leistungserzeugung und Leistungsverwendung führt zu neuen Entwicklungsmodellen mittelständischer Innovationssysteme, die durch technologische Vielgestaltigkeit gekennzeichnet sind. In der spezialisierten Höchstleistung liegt die Chance regionaler Innovationszentren. Ihre Zukunftsfähigkeit erfordert eine Produktionsstruktur, die den höchsten Ansprüchen prozesstechnischer Leistungsfähigkeit entspricht.

Typologie produktionstechnischer Prozessinnovationen Die Zukunftsorientierung produktionstechnischer Innovationsprozesse zielt auf eine permanente Erneuerung des verfügbaren Produktionspotenzials. Dabei kann der angestrebte Innovationsgrad sehr unterschiedlich sein. Dies betrifft sowohl die technologische Innovationstiefe als auch die organisatorische Innovationsbreite. Die Komplexität bestimmt das Innovationsrisiko. Der gesetzte Zeithorizont beeinflusst in starkem Maße die Intensität des Innovationsprozesses.



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Aus strategischer Sicht lassen sich folgende drei Typen von produktionstechnischen Innovationssystemen unterscheiden: 1. Der Innovationsinhalt ist eine Prozessinnovation, die ausschließlich auf ein neues

Produktionssystem zielt und weiterhin die gleichen Produkte erzeugt. 2. Der Innovationsinhalt ist ausschließlich eine Produktinnovation, die unter Nutzung



vorhandener Produktionssysteme ohne Prozessinnovation die neuen Produkte erzeugt. 3. Der Innovationsinhalt ist sowohl eine Prozessinnnovation, die auf ein neues Produk-



tionssystem zielt, als auch eine Produktinnovation, die zu neuen Produkten führt. In der Produktionswirtschaft werden diese drei Typen in reiner Abgrenzung kaum vorkommen,

sehr wohl aber in Mischformen. Die totale Innovation einer Fabrik wird schon aus Kostengründen, aber auch aus technischen Gründen nur unter besonderen Bedingungen möglich sein. Die Probleme liegen in der Mächtigkeit ihrer Innovationskomplexität.

Beherrschung der Komplexität Die Planung von Prozessinnovationen in Produktionssystemen muss sowohl ganzheitlich als auch speziell gesehen werden. Mit zunehmender Vielgestaltigkeit wird die Beherrschung von Systemfunktionen schwierig. Es ist deshalb geboten, die Innovationsinhalte genau abzugrenzen und ihre Schnittstellen zu beherrschen. Meistens wird die Prozessinnovation auf Systemkomponenten bezogen sein und damit als integrierbare Funktionseinheit zugeliefert werden. Die Problematik des Zuliefermarktes liegt im Störpotenzial der vernetzten Prozesssysteme. Die hohe Komplexität technologischer Innovationssysteme erzwingt eine systematische Vorgehensweise bei ihrer Planung. Das Risiko des Neuen muss durch detaillierte Spiegelung aller kritischen Störparameter an den Optimierungskriterien des Produktionsprozesses ermittelt werden. Hierbei ist das Erstellen von Kennwerten hilfreich, die den Funktionszustand eines Produktionssystems hinsichtlich seiner Schwachstellen beschreiben. Neuzeitliche Produktionssysteme sind dadurch gekennzeichnet, dass sie in immer kürzerer Durchlaufzeit umfangreiche und schwierige Arbeitsoperationen mit hoher Zuverlässigkeit und Genauigkeit ausführen. Die Forderung nach hoher Flexibilität ihrer Produktionsfunktionen führt zu einer erheblichen Systemkomplexität.

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Eine operative Bewertung des Innovationsrisikos von Produktionssystemen ist von zentraler Bedeutung, um eine zielsichere Optimierung des Innovationsprozesses zu gewährleisten. Das Bewertungsverfahren besteht darin, dass ein Algorithmus gefunden wird, der den Einfluss aller Innovations- und Störparameter auf die Funktionssysteme erfasst und deren Zustand in einer quantitativen Kennung ausdrückt. Diese Vorgehensweise ermöglicht eine ganzheitliche Bewertung der Innovationsmächtigkeit von Prozessinnovationen.

Das Neue treibt den Wandel der Fabrik In der Produktionswirtschaft entsteht das Neue im technologischen Wettbewerb der Spezialisten. Der Erfolg am Markt erfordert eine Unternehmensstrategie der schnellen Anpassung. Jede Produktentwicklung verändert das Qualitätsniveau des Marktes. Das Neue soll nachhaltig sowohl für den Hersteller als auch für den Anwender von Nutzen sein. Dabei ist zu beachten, dass die Zykluszeiten zur Produkterneuerung immer kürzer geworden sind, begleitet von zunehmenden Qualitätserwartungen und hohem Preiswettbewerb. Gleichzeitig führt der technologische Fortschritt durch höhere Komplexität zu schwierigeren Aufgabenstellungen in der Produktionsplanung. Insbesondere erzwingt der Zulieferermarkt die mittelständischen Unternehmen zum schnellen Handeln. Eine innovationsorientierte Wandlungsfähigkeit von Produktionsmitteln ist notwendig, um sich mit geringem Aufwand veränderten Produktprogrammen anzupassen. Die Marktfähigkeit einer Fabrik verlangt auch bei komplexer Produktvariabilität eine nachhaltige Robustheit ihrer Produktionsprozesse. Damit stellt sich die Frage nach der strategischen Aufbereitung kundenorientierter Innovationspotenziale für das einzelne Unternehmen oder auch für einen Unternehmensverbund. Man kann davon ausgehen, dass schon in der Frühphase von Innovationsprozessen gemeinsame Interessen mittelständischer Firmen an einer vernetzten Arbeitsteilung bestehen. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Produktentwicklung im Wirkfeld des ökologischen Zeitgeistes steht und damit zu einem überraschenden Wandel der Innovationsstrategien führen kann. Jeder Innovationsprozess muss eine Eigenreflexion aufbringen, sich selbst immer wieder in Frage stellen, um neuen Kriterien gerecht zu werden. Seine Planung muss deshalb mehrläufig erfolgen sowie modular und flexibel aufgebaut sein.



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Eine innovationsorientierte Profitabilität der Fabrik erfordert die notwendige Flexibilität nicht nur in ihrer Organisationsstruktur, sondern auch in der Anpassung der Produktionsmittel. Ihre Zielerfüllung muss trotz Programmvariation nachhaltig abgesichert sein, um auf Veränderungen des Marktes durch Variation des Produktionsprogramms schnell zu reagieren. Die Wandlungsfähigkeit von Produktionsmitteln zielt auf langzeitige Wirksamkeit. Sie ist deshalb auch auf eine kontinuierliche Verbesserung ihrer Produktivitäts- und Qualitätsleistung ausgerichtet. Diese kann und muss zunächst durch optimale Programmiermöglichkeiten der operativen Arbeitsabläufe angestrebt werden. Andererseits sind jeder Arbeitsplanung durch die konstruktiven Gegebenheiten der Produktionsmittel Vorgaben und Grenzen gesetzt. Insbesondere ist bei hohen Investitionskosten die Wandlungsfähigkeit der Produktionsmittel erforderlich, also ihre Anpassungsfähigkeit an wechselnde Aufgabenstellungen. Bei der Investitionsstrategie ist zwischen kurz- und langfristiger Wandlungsfähigkeit zu unterscheiden. Der globale Markt ist ein schneller Markt, der durch Anpassung der Produktprogramme eine hohe Dynamik erzeugt. Die dadurch entstehende hohe Belastung der Produktionskosten ist nicht nur durch den technologischen Umrüstaufwand gekennzeichnet, sondern wird auch durch den ökonomischen Imperativ einer maximalen Auslastung der Produktionskapazität bestimmt.

Das Neue als Herausforderung Der Innovationsprozess bis zur Markteinführung eines neuen Produkts ist mehrfach risikobehaftet. Zur Steuerung sind Spezialisten gefragt, von Erfahrung geprägt und verantwortungsbereit für das Neue, aber auch vom Bewusstsein einer Planungssicherheit bestimmt, dass Innovationen keine Selbstläufer sind. Hast und Hetze sind für das Neue verderblich. Bewährtes muss im Neuen erhalten bleiben. Zuviel Neues erhöht das Risiko der Funktionalität. Die Weisheit des Innovationsingenieurs begründet sich in der Dosierung des Neuen. Sorgfalt ist ein höchstes Gut im Innovationsprozess. Es ist richtig und unbestreitbar, dass die Durchsetzung des Neuen auch des Mutes bedarf. Fragwürdig wird allerdings der Begriff „Risikofreude“. Risiko ist für jeden, der es eingeht, besonders dann gefährlich, wenn schädliche Folgen personifizierbar sind. Risiko einzugehen ist deshalb mehr eine Frage der Vernunft und des Wissens als die einer Freude, die eher dem Leichtsinn nahe steht. Risikovorsorge und hohe Planungssicherheit sind zwingende Begleitfaktoren des Neuen.

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Die täglichen Zwänge der arbeitsteiligen Betriebsorganisation sind nicht nur sach- und ortsbezogen begründet. Sie sind zunehmend zeitbezogen in einem Ausmaß gestiegen, dass das technische Handeln oft nur noch unter kurzfristiger Terminlast erfolgt, die unaufhörlich und unerbittlich auf den Einzelnen eindringt und damit die Leistungsqualität beeinträchtigen. Das Kreativpotenzial kann sich nicht optimal entfalten, Verbesserungen werden hinausgeschoben, weil durch Druck der Tagesgeschäfte die verfügbare Zeit nicht ausreicht. Um das Neue zur Nutzung zu führen, muss der schöpferisch tätige Ingenieur auch unternehmerisch denken. Dazu muss er den Markt kennen, wobei auch der Zeitpunkt für einen Innovationsschritt richtig gewählt sein will. Die Bewertung von Innovationen erfolgt nach ihrem Nutzen. Dabei kann sich dieser sprunghaft oder allmählich entwickeln. Das Neue allein bewirkt noch keinen wirtschaftlichen Erfolg, dieser ist erst mit der Durchdringung des Markts erreicht. Das Kreativpotenzial einer Region tritt gegen die Besten der Welt an. Auch für den Mittelstand wird das verfügbare Innovationspotenzial immer wichtiger, und die Förderung junger Unternehmen erhält dabei eine Schlüsselfunktion im deutschen Innovationssystem. Der Mittelstand muss aber auch bereit sein, persönliche Verantwortung für sein Handeln zu übernehmen und sich aktiv in die Gemeinschaft einzubringen. Seine Arbeitsleistung wird am persönlichen Engagement gemessen. Die Bedeutung der Qualifikation von Mitarbeitern steigt. Sie bestimmen den Innovationswert des Unternehmens. Vertrauen, Motivation und Anerkennung sind wichtige Kriterien für eine innovative Zusammenarbeit. Erfolg und Können sind letztlich ein Ergebnis kreativer Gemeinschaftsarbeit. Erfinder haben in unserer Industriegesellschaft noch immer einen hervorragenden Ruf. Sie sind ein Spiegelbild menschlicher Leistungsfähigkeit. Durch Gemeinschaftsarbeit wird das Handeln von Einzelpersonen auf gemeinsame Ziele gerichtet. Darin ist ein Interessenausgleich eingebunden, aber auch die Verteilung von Aufgaben, die Nutzung von Kompetenzen sowie die Bereitschaft zur gemeinsamen Verantwortung für getroffene Entscheidungen und erzielte Arbeitsergebnisse. Gemeinschaftsarbeit ist als Prozess eigendynamischer Selbstentfaltung auch als individuelle Herausforderung unverzichtbar.



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Die mittelständische Industrie ist zukunftsorientiert, sie verarbeitet das Neue, das sie entdeckt, aber auch das, was durch sie als Neues erfunden wird. Ihre Schlüsselfunktion im Innovationssystem sichert die Zukunft des Industriestandorts Deutschland.

Literatur Spur, G.: Wettbewerbsfähigkeit durch Prozessinnovationen. ZWF 103 (2008) 1/2, S. 6-7

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Prof. Dr. Wolfgang Maßberg Innovation eröffnet mittelständischen Unternehmen den Zugang zum globalen Marktplatz

Das von Bundespräsident Horst Köhler im April 2005 anlässlich des Forums „Wirtschaft und Gesellschaft“ in Berlin für den Wirtschaftsstandort Deutschland abgegebene Statement, wonach wir um soviel besser sein müssen, wie wir teurer sind, gilt nicht nur für Großunternehmen, sondern insbesondere auch für Klein- und Mittelunternehmen, die 70 Prozent der Arbeitnehmer beschäftigen und 80 Prozent aller Auszubildenden in Deutschland ausbilden. Die rund 3,3 Mio. kleine und mittlere Unternehmen repräsentieren ungefähr 40 Prozent der Bruttoinvestitionen in Deutschland und erzielen etwa 50 Prozent der Umsätze. Im Sektor kleiner und mittlerer Unternehmen entstehen die meisten neuen Arbeitsplätze. Er trägt in besonderem Maße zu Innovation und Entwicklung neuer Techniken bei. Die zunehmende Liberalisierung und Vernetzung der Güter-, Kapital und Dienstleistungsmärkte führen zu einer zunehmenden Internationalisierung und verlangen von den Unternehmen Strategien und Marktanpassungen, die immer häufiger die Grenzen regionaler Märkte überschreiten. Für mittelständische Unternehmen kann, unter den veränderten weltwirtschaftlichen Rahmenbedingungen, die erfolgreiche Erschließung von Auslandsmärkten zu einem existenziellen Faktor werden. Der Erfolgsfaktor Innovation ist gerade für die weit überwiegend in Deutschland fertigenden Mittelständler für das Überleben auf dem globalen Marktplatz noch wichtiger als für Großunternehmen, die, um ihre Situation im internationalen Wettbewerb zu verbessern, als Global Player die Produktion dorthin verlagern können, wo der Produktionsfaktor Arbeit am günstigsten ist. Den Mangel an Verlagerungsmobilität müssen kleine und mittlere Unternehmen durch eine Steigerung ihres Innovationspotenzials ausgleichen, um auch am teureren heimischen Produktionsstandort für



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ausländische Kunden attraktiv zu bleiben. Sie müssen ihre Kreativität, ihre neuen Ideen innerhalb sich immer weiter verkürzender Zeiträume in marktreife Produkte umsetzen. Der Begriff Innovation lässt sich in knapper Form durch die Formel beschreiben: Innovation =

Kreativität in Bezug auf Produkte und Prozesse

Zeit bis zur Marktreife

Oder, mit anderen Worten, innovativ sind Unternehmen erst dann, wenn bei ihnen geborene Produkt- oder Prozessideen auf dem Markt realisiert werden und sie damit wirtschaftlichen Erfolg erzielen. Schumpeter hatte einst die These vertreten, dass ganz überwiegend Großunternehmen die Treiber des technischen Fortschritts seien – nur sie seien in der Lage, die entsprechenden Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten zu finanzieren, aus denen Produkt- und Prozessinnovationen hervorgehen. Er begründete diese These damit, dass das Vorhalten von Forschungs- und Entwicklungspotenzial eine hohe Fixkostenlast verursache, die nur Großunternehmen zu tragen in der Lage seien. Die großen Unternehmen mögliche Diversifikation von Entwicklungsprozessen mindere das Innovationsrisiko, kleineren Unternehmen sei eine solche Forschungs- und Entwicklungsdiversifikation nur in seltenen Fällen möglich. Bei der Herstellung von Produkten in Großserien sei zudem die Motivation für Prozessinnovationen wegen des raschen Returns of Investment höher als bei Klein- und Mittelunternehmen. Etliche Studien haben die Schumpeterschen Annahmen bestätigt, wonach die prozentualen Ausgaben für Forschung und Entwicklung mit der Firmengröße ansteigen.

Mittelständische Unternehmen im globalen Markt Die rasch fortschreitende Globalisierung hat die Rolle mittelständischer Unternehmen im Forschungs- und Entwicklungsbereich erheblich verändert. Die Tätigkeit der Großunternehmen auf immer neuen Märkten geht einher mit dem Zwang, sich sehr rasch unterschiedlichen Kundenwünschen anpassen zu müssen. Damit sind auch bislang in Großserie gefertigte Produkte zunehmend Adaptionsprozessen zu unterwerfen. Entsprechende Anpassungsentwicklungen sind erforderlich, zu denen kleinere Unternehmen flexibler und schneller in der Lage sind als große.

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Die von den unterschiedlichen Kundenwünschen betroffenen Produktbaugruppen und Produktionsprozesse werden deshalb immer häufiger auf mittelständische Zulieferer verlagert, denen man auch die entsprechenden Forschungs- und Entwicklungskompetenzen abverlangt. Generell haben der dramatisch zugenommene internationale Wettbewerb und die eine immer höhere Geschwindigkeit aufnehmende technologische Entwicklung die Herausforderungen an die kleinen und mittleren Unternehmen als Träger von Innovationsaktivitäten gegenüber den Schumpeterschen Annahmen erheblich vergrößert. Zudem verlangen innovative Produkte und Prozesse eine immer größere Kompetenzvielfalt, die Großunternehmen nicht allein aufbringen können. Sie konzentrieren sich auf ihre Kernkompetenzen und verlagern einen wachsenden Anteil ihrer Produkte und Prozesse auf spezialisierte und flexibel agierende Zulieferer, die ihrerseits den Nachweis dafür erbringen müssen, dass die entsprechenden Produktkomponenten in den Bereich ihrer Kernkompetenz fallen – und zwar nicht nur hinsichtlich der Herstellung, sondern auch hinsichtlich der ständigen Weiterentwicklung und Anpassung an unterschiedliche Kundenwünsche. Von der Fähigkeit, ihre großindustriellen Partner auch bei Produktionsverlagerungen in neue Märkte zu begleiten, kann ebenfalls das Überleben mittelständischer Unternehmen am Standort Deutschland abhängen. Dies gilt sowohl für Produktions- als auch für Dienstleistungspartner. Sie müssen das Innovationspotenzial besitzen, die großen Global Player bei ihren Bemühungen, sich an neuen Standorten erfolgreich zu behaupten, effizient unterstützen. Schließlich sind mittelständische Unternehmen, die an den Heimatstandorten an die Grenze der Marktaufnahmefähigkeit für ihre Produkte stoßen, gezwungen, auf Märkten mit Wachstumspotenzial aktiv zu werden. In aller Regel ist dies verbunden mit erheblichen kundenorientierten Anpassungsentwicklungen. Das Initialinvestment hierfür kann das betreffende Unternehmen unter Umständen in ein erhebliches Risiko stürzen, vor allem dann, wenn man dem Product Customizing zu wenig Aufmerksamkeit schenkt. Eine treffsichere Adaption der Produkte und/oder Prozesse an die Gegebenheiten neuer Marktregionen kann hingegen die Einbußen auf dem heimischen Markt mehr als kompensieren. Zur Illustration sei auf das Beispiel eines OEM-Lieferanten von Kochfeldern für Küchenherde verwiesen, der nicht aus Kostengründen einen Standort in China suchte, sondern sich aus Markt- und Vertriebsmotiven zu diesem Schritt entschloss. Der europäische Markt versprach kaum noch Wachstumschancen. Neue Impulse erwartete das Unternehmen hingegen von einem Eintritt



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in den chinesischen Markt. Das Unternehmen untersuchte vor der Entscheidung über ein Engagement in China unter Einbeziehung chinesischer Marketing-Fachleute die Erwartungen seiner potenziellen chinesischen Kunden. Es stellte sich rasch heraus, dass eine Übertragung der Produktvorstellungen westlicher Kunden auf die chinesische Klientel nicht zum Erfolg führen würde. Für chinesische Küchen mussten die Kochfelder anders gestaltet und auch mit anderen technischen Merkmalen ausgestattet werden. Vor allem verlangt die chinesische Kochkultur nach elektrisch beheizten Kochstellen, deren Temperatur sich so schnell ändern lässt wie bei einer Gasflamme. Eine der Kochstellen muss zudem für die Speisezubereitung im Wok geeignet sein. Das Unternehmen betrieb daraufhin eine Anpassungsentwicklung, die neben einer geänderten Flächenaufteilung des Kochfeldes induktiv erhitzte Kochstellen sowie eine konkav gewölbte Kochstelle für den Wok vorsieht. Der durch diese Produktadaption an die regionalen Kundenbedürfnisse eingetretene große Markterfolg in China ermöglicht dem Unternehmen nicht nur das Agieren als vollwertiger „Local Player“ vor Ort, sondern stärkt auch das Unternehmenspotenzial am Standort in Deutschland. Das Beispiel zeigt, dass die Annahme, den mit einer in der eigenen Region erzielten Erfolg einer Produktpalette ohne Produktveränderungen auf Märkte in ganz anderen Regionen übertragen zu können, zu sehr riskanten Fehlschlägen führen kann. Eine eingehende Analyse der Kundenerwartungen und der gesetzlichen Regelwerke in angestrebten neuen Marktregionen ist unverzichtbar, wenn unkalkulierbare Fehlschläge vermieden werden sollen. Probleme und Chancen mittelständischer Unternehmen vor dem Hintergrund der Herausforderungen der Globalisierung Auch zukünftig wird sich die Unternehmenspolitik der meisten kleinen und mittleren Unternehmen primär an ihrem jeweiligen regionalen und nationalen Umfeld orientieren. Andererseits wird die Geschäftspolitik in wachsendem Maße durch die Globalisierung mit ihren Chancen und Risiken beeinflusst werden. Eine stärkere Orientierung des Mittelstandes auf internationale Märkte wird die Folge sein. Große Global Player beeinflussen zunehmend auch regionale Märkte. Die mittelständische Zulieferindustrie großer Unternehmen stößt deshalb auf einen wachsenden internationalen Wettbewerbsdruck auch innerhalb ihrer heimischen Regionen. Mittelständische Unternehmen werden daher nicht umhin können, ihrerseits auf anderen regionalen Märkten aktiv zu werden und grenzüberschreitende Unternehmensfusionen oder Kooperationen einzugehen. Mehr oder weniger aufwendige Adaptionen ihrer Produktpalette an veränderte Kundenerwartungen werden die zwingende Folge sein.

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Mittelständische Unternehmen sehen sich angesichts dieses Wandels mit vielen Problemen konfrontiert. Ihnen fehlt es im Vergleich zu Großunternehmen häufig an vielseitig kompetenten Experten, an Finanzmitteln und Anlagen, um komplexe Projekte allein aufbauen und zur Marktreife bringen zu können. Viele der kleinen und mittleren Unternehmen verfügen nicht oder nur in sehr beschränktem Umfang über eine eigene Forschungs- und Entwicklungsabteilung. Für eine systematische und methodenorientierte Durchführung von Innovationsprozessen fehlen damit nicht nur die personellen, sondern auch die organisatorischen Strukturen. Der nicht zu befriedigende Bedarf an qualifizierten Mitarbeitern, die Lücke zwischen der Qualifikation der Arbeitnehmer und den Ansprüchen, die seitens der Unternehmen an die Bewerberinnen und Bewerber gestellt werden, gehören derzeit zu den größten Problemen der kleinen und mittleren Unternehmen. Sie hemmen in hohem Maße die Unternehmen, die eingangs geschilderten Herausforderungen des globalen Marktes anzunehmen und die darin liegenden Chancen zu nutzen. Deshalb ist die Entwicklung und Qualifizierung von Arbeitskräften gerade für den Mittelstand von außerordentlicher Bedeutung. Dabei reicht nicht allein die Vertiefung von Fachwissen – unternehmerisches Grundlagenwissen, Managementfähigkeiten, volks- und betriebswirtschaftliche Kenntnisse und vor allem interkulturelle Kompetenzen spielen eine immer bedeutsamere Rolle.

Rahmenbedingungen für eine Stärkung der Innovationsfähigkeit Aus der zukunftsorientierten Stärkung der Innovationsfähigkeit mittelständischer Unternehmen erwachsen neue Herausforderungen an die weiterführenden Schulen und die Universitäten. Das höchste Innovationspotenzial bietet sich in den Grenzbereichen zwischen den klassischen Disziplinen. Deshalb gewinnt das Angebot modular aufgebauter Studiengänge eine wachsende Bedeutung. Sie ermöglichen den Studierenden, je nach Neigung und Kompetenz, eine größere Flexibilität bei der Gestaltung ihres Studiums durch die Kombination von Modulen aus benachbarten Disziplinen. Weil Innovation mehr ist als Invention und ein berufliches Tätigkeitsgebiet in einem grenzüberschreitenden Unternehmen weitergehende Qualifikationen erfordert als in einem regional agierenden Unternehmen, müssen den Studierenden Möglichkeiten geboten werden, neben den fachlichen auch die interkulturellen und fremdsprachlichen Kompetenzen zu stärken. Präsentationstraining der Studierenden im Rahmen interaktiver Lehrveranstaltungen, motivierende Unternehmensplanspiele, an denen Teams aus Ingenieur- und Wirtschaftsstudenten im Wettbewerb gegeneinander antreten und Marktdurchsetzungskompetenzen stärken können, sowie „Business Angels“, die Jungunternehmern beratend und finanziell zur Seite stehen, spielen



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eine immer wichtigere Rolle. Angesichts des wachsenden Mangels an Ingenieuren und technischen Fachkräften muss in unserer Gesellschaft noch viel stärker das Bewusstsein gefördert werden, dass die Anforderungen in technischen Berufen und leitenden Funktionen mittelständischer Unternehmen keinen geschlechtsspezifischen Merkmalen mehr unterliegen. Es gilt immer noch, die eigentlich längst überholten Sorgen von Eltern abzubauen, dass technische Berufe nichts für ihre Töchter seien. Insbesondere der Mittelstand wird in weitaus größerem Maße als in der Vergangenheit auf die Arbeitskraft qualifiziert ausgebildeter Frauen angewiesen sein. Mittelständische Unternehmen bilden das Rückgrat des Wirtschaftspotenzials in unserem Land. Es war schon immer ein Merkmal der kleinen und mittleren Unternehmen, über flache Hierarchien und kurze Entscheidungswege Innovationsprozesse schnell und flexibel an veränderte Gegebenheiten anzupassen. Teamgeist und Entscheidungsfreudigkeit kennzeichnen in der Regel die Einzel- und Personengesellschaften. Bei den Unternehmern selbst – und nicht bei Aktionären oder Gesellschaftern – liegt die unmittelbare Verantwortung dafür, dass Kreativität in Form von Innovationen auf dem Markt durchgesetzt wird, dass neue Chancen ergriffen werden, aber auch dass die finanziellen Folgen unternehmerischer Risiken von ihnen selbst zu tragen sind. Das Handeln der Politik muss darauf abzielen, dass mittelständische Unternehmen, auch unter den Bedingungen einer globalisierten Wirtschaft, Motoren für die Entwicklung regionaler Wirtschaftsstandorte bleiben, Ausbildungs- und Arbeitsplätze schaffen und ein hohes Maß sozialer Verantwortung übernehmen können. Das Überwinden regionaler und nationaler Grenzen für ihre Unternehmensaktivitäten stellt die kleinen und mittleren Unternehmen vor große Herausforderungen. Die Anpassung des Produktportfolios an die Kundenbedürfnisse anderer Regionen, aber auch an abweichende gesetzliche Rahmenbedingungen und bürokratische Abläufe, verlangt häufig erhebliche Mehranstrengungen im Forschungs-, Entwicklungs- und Marketingbereich mit entsprechenden finanziellen Risiken. Die Beratungskompetenz der deutschen Handelskammern in den betreffenden Ländern muss dem zunehmenden Agieren mittelständischer Unternehmen auf dem globalen Markt verstärkt Rechnung tragen. Die Politik muss im Interesse einer Entlastung von kleinen und mittleren Unternehmen dafür sorgen, dass die Regelwerke, in die die Unternehmen eingebunden sind, weit möglichst entbürokratisiert werden. In seiner eingangs genannten Rede vom März 2005 prangerte Bundespräsident

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Horst Köhler an, dass die Bürokratie unsere Unternehmen ungezählte Arbeitsplätze kostet. Er bezog sich dabei auf eine Erhebung, wonach ein Mittelständler rund 230 Stunden im Jahr nur für Behörden und Statistiken arbeitet und ihm, betriebswirtschaftlich betrachtet, dadurch jedes Jahr ein ganzer Monat verloren geht. Seither sind drei Jahre vergangen, ohne dass sich diese Situation merklich verbessert hat. Weitere Maßnahmen sollten auf eine Risikominderung für Innovations- und Adaptionsprozesse durch gebündelte Fördermaßnahmen hinauslaufen. Kleine und mittelgroße Unternehmen werden im Rahmen von Innovationsanstrengungen häufig darauf angewiesen sein, in Ergänzung ihrer eigenen Kapazitäten Forschungs- und Entwicklungsaufgaben in Hochschulen und Forschungszentren auszulagern. Deshalb kommt entsprechenden Fördermaßnahmen, insbesondere im Rahmen von Zusammenschlüssen, eine besondere Bedeutung zu. Das siebte Europäische Forschungsrahmenprogramm weist – als wichtiges Beispiel – unter dem Programm „Kapazitäten“ einen besonderen Forschungsschwerpunkt zugunsten mittelständischer Unternehmen aus. Um die sich aus diesem Programm ergebenden Chancen wahrnehmen zu können, kommt es darauf an, dass mittelständische Unternehmen und Forschungsinstitute verstärkt aufeinander zugehen. Qualifizierte Beratung und Hilfestellung für befristete Kooperationen und Joint Ventures mit lokalen Partnern, vor allem auch in Schwellen- und Entwicklungsländern, sind darüber hinaus häufig erforderlich. Die Bildung von Netzwerken im Interesse besserer Vermarktungschancen von Produkten und Dienstleistungen, sowie die Ausschöpfung von Synergieeffekten, gilt es ebenfalls zu unterstützen.



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Prof. Dr. Günter Rinsche Mittelstand – Dynamische Kraft im deutschen Innovationssystem

Globalisierung im 21. Jahrhundert verursacht und erfordert Strukturwandlungen in Deutschland und Europa. Da diese Veränderungen weder durch Verbote noch durch Deklarationen und Demonstrationen zu verhindern sind, werden neue Denkansätze, Problemlösungen, Techniken, Produkte und Verfahrensweisen zur existentiellen Notwendigkeit. Innovationen, d.h. Neuerungen und Verbesserungen, sind Schlüsselworte optimaler Zukunftsvorsorge. Dies gilt für alle Tätigkeitsfelder verantwortungsbewusster und verantwortungsfähiger Staatsbürger, insbesondere aber in den wissenschaftlichen, technischen und sozialökonomischen Arbeitsgebieten. Im Zusammenhang mit den Erfordernissen der globalen Wettbewerbsfähigkeit sind technologische Innovationen als Wirkkräfte für quantitatives und qualitatives Wachstum, Effizienzverbesserung, Produktivitätssteigerung und internationale Wettbewerbsfähigkeit unverzichtbar. Der Innovationsforscher Horst Geschke beschreibt die betriebliche Bedeutung von Innovationen mit folgenden Worten: „Das einzelne Unternehmen kann durch Innovationen die Ertragssituation verbessern und damit die Existenz und die Arbeitsplätze sichern. Innovationen sind ein Mittel zur Stärkung der Position im Markt und gegenüber dem Wettbewerb; sie sind ein entscheidendes Mittel zum Ausgleich von Umsatzeinbußen und zur Kostenreduzierung.“ Da die hier genannten positiven Möglichkeiten, insbesondere die Existenzsicherung und Ertragssteigerung, lebenswichtige Zielsetzungen mittelständischer Betriebsführung sind, ergibt sich eine positive Motivation der Unternehmer und mittelständischer Betriebsleiter für permanente Innovationsaktivität. Es stellt sich aber die Frage, ob eine positive Einstellung ausreicht, wenn andere Voraussetzungen für erfolgversprechende Innovationsaktivität, zum Beispiel verfügbare Zeit, Finanzierungsmöglichkeiten, naturwissenschaftliche Kenntnisse nicht vorhanden sind. Ein Blick in die Wirtschaftsgeschichte kann einige Schwierigkeiten und Möglichkeiten des Mittelstandes verdeutlichen.

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Das Innovationspotenzial des Mittelstandes Der Beitrag des Mittelstandes zum technischen Fortschritt wird schon sichtbar in den technischen Leistungen des mittelalterlichen Handwerks. Eine Reihe bedeutsamer Erfindungen, wie der Trittwebstuhl, die Drehbank zum Gewindeschneiden und der Eisenguss, zeugen von der Findigkeit dieser mittelständischen Gruppe. Nicht zu übersehen ist aber andererseits die Tatsache, dass Zunftschranken, ängstliche Geheimhaltung des beruflichen Wissens sowie die statische Genügsamkeit einer standesgemäßen Lebensweise große Hemmnisse für die volle Entfaltung des erfinderischen Potenzials des mittelalterlichen Handwerks darstellten. So ist es nicht verwunderlich, wenn große Erfindungen wie der Buchdruck mit beweglichen Lettern oder später die Luftpumpe von solchen Männern gemacht wurden, die wie Gutenberg über die technische Begrenztheit einzelner Handwerkszweige hinausstrebten oder wie Otto von Guericke in der Lage waren, theoretische Erkenntnisse mit handwerklicher Praxis zu verbinden. Wenn im Verlauf der industriellen Revolution die Mehrzahl der Handwerker eine spürbare und für sie selbst sehr schädliche Zurückhaltung gegenüber den technischen Neuerungen übte, so lag das nicht nur an ihrer traditionsverhafteten Einstellung und Mentalität, sondern auch an einem Gefühl der Bedrohung durch die neuen Manufakturen, die unter Verwendung arbeitssparender Maschinen den Betätigungsraum des Handwerks einzuengen begannen. Trotz dieser retardierenden Momente ist der technische Fortschritt des 19. Jahrhunderts im wesentlichen solchen Persönlichkeiten zu verdanken, die aus dem mittelständischen Handwerk und Unternehmertum hervorgingen. In diesem Zusammenhang nennt W. Wernet in seinem Buch „Geschichte des Handwerks in Deutschland“ die bekannten Namen Alfred Krupp, August Borsig und Johann Schuckert. Weniger bekannt sind einige Namen die Professor Wernet ebenfalls hervorhebt: „Josef Madersperger aus Tirol hat als Schneidermeister die Nähmaschine erfunden, sein Landsmann Peter Mitterhofer kam als Zimmermann auf die Idee der Schreibmaschine, die dann in Amerika entwickelt und praktisch ausgewertet wurde. Ähnlich erging es dem Optiker Goebel mit der Erfindung der Glühbirne, die später durch Edison in Amerika aufgegriffen worden ist.“ Wenn im 21. Jahrhundert die globale Bedeutung der deutschen Automobilindustrie erwähnt wird, so sollte daran erinnert werden, dass ihre Schöpfer fast sämtlich aus dem deutschen Handwerk hervorgingen: Karl Benz, Gottlieb Daimler, Adam Opel, August Horch und Robert Bosch.



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Ist dieser historische Beitrag des Mittelstands zum technischen Fortschritt auch unbestritten, so findet man heute schon öfter Zweifel an der gegenwärtigen und zukünftigen Bedeutung des mittelständischen Unternehmers für den Fortschritt der Technik. So heißt es beispielsweise bei Heintz: „Mit zunehmender Bürokratisierung der Wirtschaft und mit der durch die Verwissenschaftlichung der Technik ermöglichten Institutionalisierung des technischen Fortschritts tritt allerdings die Bedeutung des selbständigen Mittelstandes als Träger des technischen Fortschritts etwas in den Hintergrund.“ Wenngleich die Bedeutung großer Laboratorien und Forschungsabteilungen für den technischen Fortschritt hier in keiner Weise bestritten werden soll, so wäre es andererseits aber völlig falsch, den überragenden Anteil einzelner, oft freiberuflich tätiger Forscher sowie kleinerer selbständiger Unternehmen an neuen Erfindungen zu übersehen. Nach Lewis ist technische Begabung und gesunder Menschenverstand noch immer das beste Rüstzeug für den Erfinder. Jüngere wissenschaftliche Untersuchungen haben die überraschend große Erfindertätigkeit freier Forscher und mittelständischer Unternehmer anhand umfangreichen empirischen Materials bewiesen. Im Hinblick auf die sogenannte „Institutionalisierung des technischen Fortschritts“ hat man die These aufgestellt, dass die „Wiege der Erfindungen“ heute in den Konzernen zu finden sei. Nur diese großen Unternehmungen, heißt es, besäßen die nötigen Ressourcen, große Teams von Wissenschaftlern und Ingenieuren in entsprechend ausgestatteten Laboratorien arbeiten zu lassen, die heute Produktionsstätten neuer Verfahren und Produkte seien. Im Gegensatz zu diesen zweckbestimmten Behauptungen hat sich eine positive Korrelation zwischen der Größe der Forschungsorganisation und der Qualität und Quantität von Erfindungen bisher nirgendwo beweisen lassen. Zwar steht außer Frage, dass in einigen Industriezweigen, so vor allem in der chemischen, elektrotechnischen und in der Stahlindustrie, die Großformen der Forschungsarbeit dominieren; eine Ausschließlichkeit der Erfindungen und Entwicklungen durch Großlaboratorien ist damit aber in keiner Weise gegeben. Nach den Untersuchungsergebnissen von D. Hamberg sind weniger als 30 Prozent der von ihm untersuchten neuen Erfindungen auf die Arbeit der Forschungsabteilungen von Großbetrieben zurückzuführen. Hamberg kommt aufgrund empirischen Materials zu dem Schluss, dass Großunternehmen weniger auf dem Gebiet der Erfindungen und grundlegenden Neuerungen dominieren; ihre Stärke liegt vielmehr im Ausbau von Erfindungen und im Bereich der Entwicklung.

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Hamberg erklärt den überraschend kleinen Beitrag der Großunternehmen an neuen Erfindungen unter anderem damit, dass der schöpferische und oft eigenwillige Wissenschaftler und Erfinder nicht die für eine gute Teamarbeit erforderlichen persönlichen Eigenschaften mitbringt und zudem sich nur unter großen Schwierigkeiten in eine bürokratische Forschungsorganisation einspannen lässt. In seinem europaskeptischen Buch „Das Ende der Zivilisation“ beschreibt Manfred Wöhlcke die „kollektive Selbstzerstörung“ zum Beispeil durch Überbürokratisierung und „soziale Entropie“. Wöhlcke zitiert die Publikationen über das „Peter-Prinzip“ und das „Parkinsonsche Gesetz“. Das „Peter-Prinzip“ beschreibt die Gefahr, „dass Personen entsprechend ihrer Fähigkeiten aufsteigen, bis sie schließlich in eine Position geraten, in der sie überfordert sind“. Das „Parkinsonsche Gesetz“ karikiert das eigendynamische Wachstum von Bürokratien und die damit verbundene Problematik, dass ein zunehmender Teil der verfügbaren Mittel und Ressourcen für Selbstzweck und Selbstverwaltung ausgegeben wird. Ob diese und andere Gründe für das – gemessen an ihrem Aufwand – relativ geringe Erfindungspotenzial großer Konzerne bestimmend sind, sei hier dahingestellt. Wesentlich ist aber die Tatsache, dass der kleine und mittlere selbständige Betrieb sowie der freiberuflich tätige Wissenschaftler und Techniker auch heute noch die starken Quellen technischer Erfindungen sind und damit einen erheblichen Beitrag zum technischen Fortschritt leisten. Wie in den Vereinigten Staaten, so ist auch in der Bundesrepublik Deutschland die verbrauchsorientierte Auswertung neuer Erfindungen und Entwicklungen nicht zuletzt in „markthungrigen“ Klein- und Mittelbetrieben erfolgt. Wirtschaftsgeschichtliche und empirische Untersuchungen beweisen somit, dass die Feststellung des Amerikaners Garvy, der das Small-Business-Unternehmen als „Saatbeet“ für den „technologischen Fortschritt“ ansieht, in mehr als einer Hinsicht gerechtfertigt ist. Der Beitrag des Mittelstandes zum technischen Fortschritt ist größer als sein psychologischer Kredit in der öffentlichen Meinung.



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Aktivierung der Talente Im Volksmund heißt es: „Talente schaffen Patente!“ Im deutschen Innovationssystem sind die großen Forschungs- und Entwicklungseinrichtungen des Staates und der Großunternehmen unverzichtbar. Aber diese – zum Teil weltberühmten – „Leuchttürme des Fortschritts“ reichen nicht aus, um die sozialökonomische Selbstbehauptung der Deutschen im 21. Jahrhundert zu sichern. Erforderlich zur Aktivierung der Talente und innovativen Begabungen ist ein flächendeckendes Innovationssystem, das in Deutschland auf einer mittelständischen Struktur der Volkswirtschaft aufgebaut ist beziehungsweise errichtet werden muss. Unter den 39 Millionen Erwerbstätigen in Deutschland sind 4,4 Millionen Selbständige (Freie Berufe und mittelständische Unternehmer). Die Statistik zählt 46.000 Industrie-Unternehmen und 947.381 Gesamthandwerksbetriebe (Stichtag: 31.12.2006). Im rasanten Strukturwandel der Globalisierung ist die Existenzsicherung dieser Selbständigen nicht durch staatliche Subventionen, sondern nur durch Produktivität fördernde Innovationen zu erreichen. In dieser Hinsicht sind die Interessen des Staates und des Mittelstandes gleichgerichtet. Aufschlussreich in diesem Zusammenhang ist auch die Tatsache, dass die mittelständisch strukturierten Länder Baden-Württemberg und Bayern im Jahre 2005 mit 11.963 und 10.936 Patentanmeldungen „deutsche Innovationsmeister“ sind. Beide Länder hatten 2006 mit 6,3 und 6,8 Prozent die geringste Arbeitslosigkeit in Deutschland. (Quelle: Fischer Weltalmanach 2008, S. 128) Das häufig zu hörende Vorurteil, dass technische Innovationen Arbeitsplätze vernichten, wird damit relativiert. Im Hinblick auf die Nachhaltigkeit und Zukunftsaussichten der deutschen Innovationskraft sind aber die Behinderungen und Belastungen durch Steuern und Regulierungen des innovativen Mittelstandes zu beachten.

Wesen und Wirkung der Technik Technik ist die Nutzung der Naturgesetze durch den Menschen. Technik ist aber auch – so lehren die Anthropologen – Organersatz, Organentlastung und Organübertragung. Da der Mensch ein Mängelwesen sei, brauche er die Technik, um zu überleben und menschenwürdig leben zu

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können. In diesem Sinne kann man – in Anlehnung an Hans Sachsse – Technik definieren als „eine Weiterentwicklung und Vervollkommnung unserer natürlichen Organe, um die Bereiche der Wahrnehmung und des Handelns zu erweitern.“ So haben zum Beispiel die Schaffung der Schrift, die Techniken der Schriftproduktion und die elektronische Datenverarbeitung nicht nur eine Entlastung der geistigen Arbeit, sondern auch eine bessere Nutzung und ungeheuer große Erweiterung der quantitativen und qualitativen Möglichkeiten des menschlichen Gehirns erreicht. Der Philosoph Karl Jaspers beschreibt die Zusammenhänge mit diesen Worten: „Technik ist das Verfahren der Naturbeherrschung durch den wissenschaftlichen Menschen für den Zweck, sein Dasein zu gestalten, um sich von Not zu entlasten.“ Technik ist die Nutzung von Mitteln zur Erreichung von Zielen. Nach Jaspers beruht Technik auf „Verstandesarbeit, auf Berechnen in Verbindung mit einem vorgreifenden Fühlen und Erraten von Möglichkeiten.“ Einen anderen Aspekt der Technik zeigt Ulrich Lohmar auf: „Technik ist die permanente Konfrontation von gegenwärtig Realisiertem mit neuem Möglichen, sie ist der Übergang des Gewussten in das Gestaltete. Die Tradition von Technik besteht also darin, eben diese Tradition in Frage zu stellen.“ Der mit diesem Satz indirekt angesprochene „Prozess der schöpferischen Zerstörung“ (im Sinne von Schumpeter) erklärt manche Animositäten und Widerstände gegen technischen Fortschritt, der nach den Worten eines Bankiers „etwas ist, das meine Sicherheit unsicher macht“. Für den Funktionär der zentralen Planwirtschaft ist die technische Innovation eine – in der Praxis unerwünschte – Störung des Plans, die bis zur Planzerstörung ausarten kann. Da technischer Fortschritt aber auch in freien Gesellschaften Wandel herbeiführt, Wissen entwertet und Besitzstände angreift, muss auch hier mit verständlichem Widerstand gerechnet werden. Das Beharrungsvermögen und die Gewöhnung an Gegebenheiten lassen das Neue selbst dann als suspekt erscheinen, wenn es in Wirklichkeit eine erhebliche Verbesserung der Situation aller Betroffenen mit sich bringt. Im Zusammenhang mit diesen Begleiterscheinungen des technischen Fortschritts hat man sarkastisch vom „Aufstand der Galeerensklaven gegen die Dampfschifffahrt“ gesprochen. Manch eine negative und ablehnende Beurteilung des technischen Fortschritts ist aus diesen Zusammenhängen zu erklären. Der Nationalökonom Joseph A. Schumpeter sieht den – in der Marktwirtschaft durch Techniker und dynamische Unternehmer herbeigeführten – technische Fortschritt positiv: Technische Innovation regeneriert die Ökonomie. Das Überholte wird abgestoßen und die Gefahr der Erstarrung beseitigt. Die Erkenntnisse und Aphorismen der Denker und Dichter über die Aspekte des



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Lebens können auch in diesem Zusammenhang zitiert werden. So sagt Aristoteles: „Das Leben besteht in der Bewegung“, und der Dichter Novalis definiert: „Alles Leben ist ein Erneuerungsprozess“. Der russische Kulturphilosoph Nikolai Berdjajew (1874 – 1948) schreibt: „Das Leben ist Veränderung, und ohne Erneuerung ist es unbegreiflich.“ Der Innovationsforscher Rudolf Scheid warnt vor dem Bestreben, den technischen Fortschritt zu bremsen, um dadurch die durch „Rationalisierung“ gefährdeten Arbeitsplätze zu retten: „Die soziale Herausforderung liegt nicht in der Erhaltung verlustbringender Arbeitsplätze, sondern in der Förderung alles dessen, was den von Arbeitslosigkeit Bedrohten neue Beschäftigungsmöglichkeiten verschafft. Dazu gehört auch, sie frühzeitig zu motivieren und ihre fachliche Qualifikation der erkennbaren Entwicklung anzupassen.

Die Bedeutung politischer Rahmenbedingungen für die Innovationsaktivität des Mittelstandes Bei einer Betrachtung der Bedingungen für Innovationen und technischen Fortschritts dürfen Hemmungen und Widerstände nicht übersehen werden. Als Beispiel für diese Bremsen können genannt werden: 1. unzureichende Kommunikation und Kooperation 2. beharrende Tendenzen in Rechtsordnung und Rechtsprechung 3. mangelnde Technikakzeptanz Der steigende Wettbewerbsdruck im Binnenmarkt und in der Weltwirtschaft sowie die zunehmende Kommunikation in der europäischen Technologiegemeinschaft lassen hier einen dringenden Handlungsbedarf für die Politik entstehen. Daher muss auch der folgende Zusammenhang beachtet werden: Forscher, Techniker und Unternehmer brauchen nicht nur Geld, sondern auch Geltung, um erfolgreich wirken und arbeiten zu können. Ihre Leistungen sollten honoriert, nicht diffamiert werden. Ein Defizit der Anerkennung ihrer unverzichtbaren Funktionen verursacht mittelfristig jene sozialökonomischen Krankheiten des Brain Drain und des Capital Drain, d.h. Abwanderung hoch qualifizierter Fachleute und Abfluss von Kapital, die dann wiederum Stagnation und Schrumpfung verursachen können.

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Wenngleich die Ursachen des wirtschaftlichen Wachstums vielfältiger Natur sind – Motivation und Image der „Neuerer“, Rechts- und Wirtschaftsordnung, natürliche Ressourcen, usw. – so ist heute aber unbestritten, dass der technische Fortschritt als Wirkkraft des Wachstums eine entscheidende Bedeutung erlangt hat. Wirtschaftliches Wachstum erfolgt durch Mengenausweitung oder durch Qualitätsverbesserung der eingesetzten Produktionsfaktoren, d.h. durch technischen Fortschritt im weiteren Sinn. Empirische Untersuchungen, zum Beispiel von Robert Solow, über die Wirkungen des technischen Fortschritts haben gezeigt, dass heute fast zwei Drittel der Wachstumsraten auf diese Wirkkraft zurückzuführen sind. „Nicht Menschenmassen und schiere Kapitalkumulation entscheiden also über den Wohlstand, sondern Forschung, Entwicklung und unternehmerische Pfiffigkeit. Der technische Fortschritt wird zur strategischen Größe im Wohlstandswettlauf der Systeme.“ (FAZ, 22.10.1987) Diese Feststellung gilt übrigens nicht nur für den „Wohlstand der Nationen“ (im Sinne von Adam Smith), sondern auch für das Wohlbefinden der Menschen. Die Verbesserung der Ressourceneffizienz durch entsprechende Innovationen hat nicht nur den sozialökonomischen Nutzen zu mehren, sondern – in zunehmendem Maße – auch den ökologischen Erfordernissen unserer Zeit zu dienen. Auch unter diesen Aspekten verdient der Mittelstand die Aufmerksamkeit und Anerkennung durch die Verantwortlichen in Staat und Gesellschaft. Zu den Aufgaben einer rationalen Mittelstandspolitik gehört dann nicht zuletzt die Stärkung der Risikotragfähigkeit. Grundlegende Veränderungen der technischen Gegebenheiten führen oft zu Entwertungen der betrieblichen Einrichtungen in bestimmten Branchen und zu plötzlichen Verminderungen des Vermögens der betroffenen Unternehmen. Schon vor 28 Jahren hatte die deutsche Bundesbank auf die Notwendigkeit der Risikotragfähigkeit mit folgenden Worten hingewiesen: „Die bevorstehenden großen Umstellungs- und Anpassungsprobleme der Wirtschaft im Gefolge der Energieverteuerung und der härter gewordenen Konkurrenz aus dem Ausland, erfordern auch weiterhin hohe Investitionsanstrengungen und dementsprechend eine ausreichend gesicherte Selbstfinanzierung.“ (Monatsberichte Nr. 10. Oktober 1980, S. 14)



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Von einer anderen Überlegung ausgehend kam das Prognos-Institut, Basel, zu einer gleichen Schlussfolgerung. In einer Untersuchung über die Auswirkungen des technischen Fortschritts auf Wirtschaft und Arbeitsmarkt heißt es: „Auf der Unternehmensebene machen die Innovationserfordernisse eine breitere Ausstattung mit Risikokapital erforderlich.“ (Quelle: Technischer Fortschritt, Düsseldorf 1980, S. 173) Diese Erfordernisse der Zukunftssicherung sind im 21. Jahrhundert noch wichtiger als in der Vergangenheit. In einem Bericht unter dem Titel „Deutschland ist der innovativste Standort in Europa“ zitiert Carsten Dierig den deutschen Unternehmensberater Peter Englisch mit den Worten: „Wir haben zwar Erfinder, aber zu wenige Unternehmer.“ In diesem Zusammenhang verweist Carsten Dierig auf eine Untersuchung des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), nach der nur fünf Prozent aller Erfindungen auch wirtschaftlich verwertet werden. (Quelle: „Die Welt“, 5. 6. 2008, S.12) Da die sozialökonomische Nutzung der Erfindungen eine originale Aufgabe mittelständischer Unternehmen ist, deren flächendeckende sozialen und ökonomischen Funktionen oft unterbewertet werden, führt ein Mangel an dynamischen Unternehmern zur Schrumpfung von Innovationsaktivitäten. Wenn der Mangel an fortschrittsfördernden Unternehmern nicht auf unbeeinflussbare Naturkatastrophen, sondern auf die – teilweise staatlich verursachten – zunehmenden Belastungen, Belästigungen und Risiken selbständiger Tätigkeiten, zurückzuführen ist, dann müssen die Ursachen dieser Probleme untersucht und – soweit möglich – beseitigt werden. Der am 29. Mai 2008 von Bundesforschungsministerin Annette Schavan im Bundestag eingebrachte Bundesbericht „Forschung und Entwicklung 2008“ (16/9260) bezieht sich auf das Gutachten von Wissenschaftlern einer von der Bundesregierung eingesetzten unabhängigen Kommission. Im Bericht der Zeitschrift „Das Parlament“ (2. Juni 2008, S. 7) heißt es unter anderem: „Innovation hemmend sind nach Meinung der Sachverständigen das deutsche Steuersystem, die niedrige Eigenkapitalquote der Unternehmen und der Mangel an Fachkräften. Deshalb empfiehlt die Kommission auch, Unternehmen und ihre Kapitalgeber steuerlich zu entlasten, die Rahmenbedingungen für Wagniskapitalfinanzierung zu verbessern sowie Forschung und Entwicklung gerade in kleinen und mittleren Unternehmen durch steuerliche Vorteile zu fördern.“

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Im März 2006 hatte der Europäische Rat die Bedeutung des Mittelstands für Fortschritt fördernde ökonomische und ökologische Innovationen und damit für eine erfolgversprechende Umsetzung der Lissabonstrategie ausführlich diskutiert und die Europäische Kommission sowie die nationalen Regierungen aufgefordert, die innovativen Kapazitäten und komparativen Vorteile des Mittelstandes zu fördern und zu nutzen. Feierliche Deklarationen, impotente Beschlüsse und gut gemeinte Absichtserklärungen reichen aber nicht aus, um die genannten Ziele und Maßnahmen zu realisieren. In diesem Zusammenhang darf Winston Churchill zitiert werden: „In der Politik ist es wie in der Kunst: Gut gemeint ist oft das Gegenteil von gut!“ Erforderlich sind konkrete, nachprüfbare und gut durchdachte Maßnahmen und gesetzliche Grundlagen, um die Voraussetzungen der Innovationskraft des deutschen Mittelstandes, zum Beispiel Risikotragfähigkeit, Finanzierungsmöglichkeit, Schaffensfreude, Unternehmungslust und Verantwortungsbereitschaft, zu ermöglichen und zu stabilisieren. Im Zeitalter der Globalisierung ist und bleibt die dynamische Kraft des Mittelstands im deutschen Innovationssystem eine Voraussetzung der sozialökonomischen Zukunftssicherung.



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Prof. Dr. Werner Meißner Private Hochschulen – „Mittelstand“ im deutschen Bildungssystem

In der Bundesrepublik Deutschland gab es – die Angaben finden sich in dem Hochschulkompass der Hochschulrektorenkonferenz – im Juli 2007 insgesamt 120 nichtstaatliche, aber staatlich anerkannte Hochschulen. Damit stellen sie mehr als ein Drittel aller 353 deutschen Hochschulen. Rechnet man die 40 kirchlichen Hochschulen heraus, weil man ihre Träger nicht als Mittelstand ansehen kann, so bleibt immer noch ein Fünftel für die privaten Hochschulen. Dies sind durchweg kleine und mittlere Unternehmen. Das wird sofort klar, wenn man sich die Zahlen der Studierenden ansieht: Der Anteil der Studierenden an privaten Hochschulen liegt, gemessen an der Studierenden-Gesamtzahl, bei gut zwei Prozent. Der größte Teil der privaten Hochschulen zeigt Studierenden-Zahlen unter 600. Die Bedeutung dieses mittelständischen Sektors ist je nach Bundesland unterschiedlich. An der Spitze liegt Nordrhein-Westfalen, gefolgt von Baden-Württemberg, Berlin, Hessen und Hamburg. Das Ministerium für Innovation, Wissenschaft, Forschung und Technologie des Landes Nordrhein-Westfalen hat im Juni 2008 einen Bericht über die private Hochschullandschaft in diesem Bundesland vorgelegt. Darin wird diesem Bereich der tertiären Bildung eine gute Prognose gestellt: „Die Geschwindigkeit beim Aufbau attraktiver, von Beginn an nachgefragter privater Studiengänge wird weiter zunehmen. Dies ist darauf zurückzuführen, dass die Nachfrage- und Abnehmerseite unmittelbar und interaktiv mit privaten Hochschulen zusammenarbeitet und zunehmend auf die Ausbildung von qualifiziertem Führungsnachwuchs drängt. Private Anbieter setzen mehr denn je auf berufs- und ausbildungsbegleitende sowie Praktika integrierende Studiengänge. Die Notwendigkeit zur Errichtung privater Berufsakademien tritt daher in den Hintergrund.“ (S. 15). Dieser private mittelständische Sektor ist in hohem Maße reglementiert – und muss es auch sein, wenn hohe Qualitätsstandards eingehalten werden sollen. Es geht um die Sicherung einer dem

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staatlichen Bereich vergleichbaren – nicht gleichen – Qualität. Entsprechend sind die Gründungsverfahren, die in den Hochschulgesetzen und entsprechenden Leitfäden der einzelnen Bundesländer geregelt sind, zwar im Detail etwas unterschiedlich, im Kern aber sind die Schritte beim Aufbau einer privaten Hochschule überall gleich. Die zukünftigen Betreiber einer privaten Hochschule werden in einer Konzeptphase die Mindestvoraussetzung mit dem zuständigen Ministerium klären. Die dafür erforderlichen Angaben beziehen sich auf Konzept, Leitbild und Profil des geplanten Vorhabens, auf die Leitungs- und Organisationsstrukturen, auf das Studienangebot, auf die Forschungs- und Entwicklungsperspektiven, auf die Finanzierung und auf Instrumente für die Qualitätssicherung. Die zweite Phase, die Akkreditierungsphase, betrifft die Studiengänge. Hier wird geprüft, wie sich das beabsichtige Studienangebot mit staatlichen Studiengängen vergleicht und wie der dazu notwendige Personalbedarf gedeckt werden soll. Diese Prüfung ist nun nicht mehr die Aufgabe von Ministerien, sondern von privaten Akkreditierungsagenturen, welche vom Akkreditierungsrat zugelassen sind. Diese Verfahren beginnen mit einem umfangreichen Selbstbericht und enden in einer Begutachtung am Ort der – geplanten – Hochschule durch eine Gruppe unabhängiger Gutachter (Professoren, Vertreter der Berufspraxis und der Studierendenschaft), die sich in der Regel zwei Tage Zeit dafür nehmen. In der dritten Phase kommt nun wieder das Ministerium ins Spiel. Ist die – zeitlich begrenzte – Akkreditierung der Studiengänge erfolgreich abgeschlossen, so beginnt die Antrags- und Anerkennungsphase. Jetzt geht es um die staatliche Anerkennung der privaten Bildungseinrichtung. Sie wird befristet. Sie beinhaltet keinen Anspruch auf finanzielle Förderung durch das Land. Vor Ablauf der Befristung hat sich die Hochschule einem institutionellen Akkreditierungsverfahren durch den Wissenschaftsrat zu unterziehen. Alle Akkreditierungsverfahren – sowohl für die Studiengänge als auch für die Institution – sind ziemlich teuer. Hinzu kommt, dass für die Anerkennung die finanzielle Solidität nachgewiesen werden muss, gleichfalls eine Bürgschaft eines öffentlichen Kreditinstituts oder einer Großbank (selbstschuldnerisch, unbedingt und unbefristet und unter Verzicht auf die Einrede der Anfechtung, der Aufrechnung und der Vorausklage nach §§ 770, 771 BGB). Die Bürgschaftshöhe muss so bemessen sein, dass im Falle der Insolvenz der Trägergesellschaft der Studienbetrieb drei Jahre lang aufrecht erhalten bleiben kann. Den eingeschriebenen Studierenden muss also ein ordnungsgemäßer Abschluss ihres Studiums möglich sein.



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Diese Voraussetzungen für die Gründung und den Betrieb einer privaten Hochschule sind hier deswegen so ausführlich beschrieben worden, weil damit deutlich wird, dass der Staat seinen über lange Zeit fast monopolartig betriebenen Bereich der tertiären Bildung nur unter strikten Bedingungen öffnet, die für Qualitätssicherung und Vergleichbarkeit mit den staatlichen Hochschulen unerlässlich sind. Der politische Wille zur Öffnung dieses Feldes für „kleine und mittelständische Unternehmen“ findet seinen Ausdruck in den jeweiligen Hochschulgesetzen. Bekenntnisse zu dieser Öffnung liest man in anderen Dokumenten, wie etwa in der Koalitionsvereinbarung von CDU und FDP zur Bildung einer Landesregierung in Nordrhein-Westfalen vom 16. Mai 2005: „Private Hochschulen werden wir fördern. Sie ergänzen und bereichern das Spektrum der Hochschulen in Nordrhein-Westfalen.“ (S. 36). Es ist der Gedanke des Wettbewerbs und die Erwartung von Innovationen im Bereich tertiärer Bildung, welche die positive politische Haltung zur Gründung und zum Betrieb von privaten Hochschulen bestimmen. Das Risiko der Finanzierung bleibt dabei im privaten Sektor, in allen Hochschulgesetzen wird ein Anspruch auf staatliche Mitfinanzierung nicht eingeräumt. Diese Erwartungshaltung gründet sich auf die bisherigen Unterschiede in Profil und Ausrichtung des staatlichen und des privaten Hochschulsektors. Diese Unterschiede, wie sie hier skizziert werden, sind heute bei weitem nicht mehr so groß wie noch vor zehn oder zwanzig Jahren. Die Beweglichkeit, die Möglichkeit zur Begrenzung und Profilbildung im privaten Sektor stand die gewachsene, etablierte und forschungsorientierte Struktur im staatlichen Sektor gegenüber, welcher mit gesicherter (wenn auch nicht ausreichender) Finanzierung, eben auch des größtenteils verbeamteten Lehrpersonals, rechnen konnte. Der staatliche Sektor konnte mit universalem Angebot und gewachsener Bildungskultur, großer Tradition und internationalem Ansehen lange auf den Gebrauch von Autonomie, Studentenauswahl und Studiengebühren verzichten. Private Hochschulen müssen Studiengebühren erheben, zum Teil in beträchtlicher Höhe. Sie dürfen sich ihre Studenten aussuchen. Und sie können sich Organisations- und Leitungsstrukturen (Governance) zurechtschneiden, welche schneller auf Markterfordernisse eingehen können. Studentenorientierung und Absolventenerfolg am Arbeitsmarkt sind bestimmende Kriterien ihrer Arbeit. Sie zahlen dafür auch einen Preis, denn die langfristige Ausrichtung an Forschungs- und Entwicklungsaufgaben tritt dahinter zurück, diese verbleiben im staatlichen Sektor.

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Private Hochschulen sind in erster Linie an guter Ausbildung interessiert. So wird das auch vom Arbeitsmarkt her gesehen. Das spricht überhaupt nicht dagegen, dass auch im Unterricht das Lernen an Forschungsprojekten möglich ist. Das können Projekte der Professoren und Dozenten sein, es sind aber häufig auch praxisbezogene Projekte, welche die Studierenden in Zusammenarbeit mit Unternehmen und unter wissenschaftlicher Anleitung von Dozenten durchführen. Dieser 16. Band der RKW-Kuratoriumsmitglieder hat das Thema „Mittelstand – Schlüsselakteur im deutschen Innovationssystem“. Die privaten Hochschulen in Deutschland kann man dem Mittelstand zurechnen. Zweifellos haben sie ins tertiäre Bildungssystem innovative Impulse gegeben. In vielen wichtigen Bereichen sind die staatlichen Hochschulen „privater“ geworden: Bei dem Zuwachs von Autonomie, bei dem System von Organisation und Leitung, bei den Studiengebühren, bei der Auswahl der Studierenden, beim Kontakt und bei der Zusammenarbeit mit der Wirtschaft. Ein Vergleich der Hochschulgesetze aus den achtziger und neunziger Jahren mit den heutigen Gesetzen zeigt, welchen großen Sprung die staatlichen Hochschulen gemacht haben. Als hochschulpolitischer Akteur im staatlichen Bereich – von 1994 bis 2000 war ich Präsident der Goethe-Universität in Frankfurt am Main – kann ich bezeugen, dass der Druck für diese Reformen vor allem aus den staatlichen Hochschulen selbst kam. Hier soll man die Rolle der privaten Hochschulen gewiss nicht überschätzen. Dazu ist ihr Gewicht nicht bedeutend genug gewesen. Das hat sich nun etwas geändert. Die quantitative Bedeutung dieses privaten Bereichs hat zugenommen und wird weiter zunehmen. Vieles ist hier ausprobiert worden, was auch anderenorts beachtet und übernommen wurde. Das gesamte System der tertiären Bildung in Deutschland hat sich differenziert: Universitäten sind nicht mehr definitionsgemäß gleich, einige sind durch den Exzellenzwettbewerb „gleicher“ als andere geworden. Universitäten und Fachhochschulen sind durch die Auswirkungen des Bologna-Prozesses näher aneinander gerückt: Die Bedingungen für Bachelor und Master haben sich angeglichen. Die Berufsakademien drängen in den Bereich der tertiären Bildung: Die baden-württembergische Landesregierung wertet die Berufsakademien zu einer Dualen Hochschule auf. Bei der Vorstellung des Gesetzesentwurfs sagte Ministerpräsident Günther Oettinger Anfang Juli 2007, dass die Studenten der Berufsakademie dann in Zukunft akademische Grade erwerben könnten.



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Private Hochschulen werden weiterhin eine wichtige Neben- und Nischenrolle spielen. Sie werden innovative Anregungen für Hochschulen im staatlichen Sektor geben. Das ist der Platz für kleine und mittlere Unternehmen im Bereich der tertiären Bildung. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.

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Dr. Helga Steeg Innovationen müssen sich aus eigener Kraft durchsetzen

I Im internationalen Wettbewerb ist die deutsche Wirtschaft seit „eh und je“ erfolgreich aufgestellt. Das hängt nicht zuletzt mit der geringen eigenen Rohstoffbasis sowie der begrenzten Größe des deutschen Marktes zusammen. Nicht umsonst ist die deutsche Exportwirtschaft so genannter Exportweltmeister. Allerdings galt dies historisch vor allem für den deutschen Industriesektor, weniger für den Dienstleistungsbereich. Die gegenwärtige internationale Finanzmarktkrise und die Probleme der KfW sind sicherlich kein Motor für Kreditfinanzierungen des Mittelstands. Jedoch wird diese Situation überwunden werden. Innovationen, welche heute entwickelt werden, brauchen erst morgen an den Markt gebracht zu werden. Unternehmen sollten sich daher nicht entmutigen lassen. Das gilt auch für die mittelständischen Unternehmen, die sich im Ausland engagieren wollen.

II. Mit der Globalisierung seit der zweiten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts hat der internationale Wettbewerb unter den westlichen Industrieländern, aber vor allem im Verhältnis zu den aufsteigenden Schwellenländern stark zugenommen. Hier sind vor allem zwei Faktoren von besonderer Bedeutung: 1. das Lohn- und Preisniveau der Schwellenländer und ihre zumeist bewusst niedrig

gehaltenen Wechselkursrelation im Verhältnis zu den wichtigsten anderen Welt-



währungen – Dollar, Euro, Yen

2. Die staatliche Eigentumsstruktur vieler Unternehmen oder Monopole in den Handels-

partnern der OECD-Länder nähren die Furcht vor außenpolitischen Pressionen oder

führen zu Beunruhigungen vor Verteilungskämpfen durch massive Bemühungen



der Schwellenländer um Rohstoffbasen in den Produktionsländern.



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Das ist deutlich im Energiesektor – Öl und Gas – sowie neuerdings auch durch Vorratskäufe in der Landwirtschaft. Dem Wettlauf um den Handel mit Rohstoffen und Dienstleitungen kann derjenige um die neuesten Technologien folgen. Die OPEC hat dies schon begriffen. Sie fordert kürzlich auf einer Produzenten- /Verbraucher-Konferenz in Rom die westlichen Industrieländer auf, die für die weltweite Energiesicherheit und den Umweltschutz notwendigen neuen Technologien zu entwickeln und den Produzentenländern freien Zugang einzuräumen. Hier könnte sich also eine neue Kooperationsmöglichkeit entwickeln, sofern internationale Bedingungen vergleichbar gemacht werden. Die deutsche Wirtschaft hat die Herausforderungen auf den internationalen Märkten begriffen. Sie setzt darauf, dass ihre bisherigen Erfolge im internationalen Handel durch fortlaufende Innovationen, Verlässlichkeit gegenüber ihren Kunden, Marktöffnung bei uns und in den Partnerländern für Ex- und Importe sowie Eigentum- und Patentschutz auch in Zukunft nicht geschmälert werden.

III. Es versteht sich, dass die Unternehmen ihre Erfolge international nur dann durchsetzen können, wenn adäquate deutsche und internationale Rahmenbedingungen den zunehmenden Wettbewerb bestimmen und kein Rückfall in neuen, nationalen Protektionismus Einzug hält. Es bedarf also neuer internationaler Verständigungen. Dazu gehören zwei Bereiche: 1. Die Verbesserung der internationalen Handelsregime im Rahmen der Welthandelsorganisation (WTO). Über den beklagenswerten gegenwärtigen Verhandlungsstand kann hier nicht im Einzelnen berichtet werden. Vielleicht gibt die gegenwärtige Welternährungskrise EU und USA Anlass, ihre jeweiligen jahrzehntelangen, protektionistischen Politiken auf den Prüfstand zu stellen. Auch hier gilt: Die Hoffnung stirbt zuletzt. 2. Es ist dringend erforderlich, die geltenden bilateralen und multilateralen Investitionsregime zu überprüfen. Es mangelt entscheidend an internationaler Vergleichbarkeit der Bedingungen für die Behandlung von Auslandinvestitionen in den jeweiligen Niederlassungsstaaten.

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Die Situation verschlechtert sich im Vergleich zu der jüngeren Vergangenheit. Nationale Abschottungsmaßnahmen sind höchst kurzsichtig. Es gibt solche Tendenzen in mehreren OECD-Ländern wie USA, Frankreich, Spanien und auch in Deutschland. So ist meines Erachtens die Initiative, das deutsche Außenwirtschaftsgesetz zu nutzen, um Beteiligungen ausländischer Staatsunternehmen verbieten zu können, eine falsche Antwort. Es ist ein Bumerang, welcher auf die Auslandstätigkeiten gerade von mittelständischen Unternehmen zurückschlagen kann. Allerdings müssen die neuen Herausforderungen durch Beteiligungen von fremden Staatsunternehmen hier bedacht werden. Das Außenwirtschaftsgesetz bietet genügend Schutz gegen Beeinträchtigung durch spezielle Sicherheitsgefährdungen. Es bedarf keiner allgemeinen Ermächtigungsklausel. Stattdessen sollte zunächst bilateral und dann multilateral an einem Regime für vergleichbare Investitionsbedingungen gearbeitet werden. Das gilt auch für Beteiligungen im Energiesektor zwischen Produzenten, Verarbeitern und Verbrauchern. Eine Beteiligung von Gazprom zum Beispiel ist nicht zu beanstanden, sofern auch deutschen Unternehmen in Russland mehr Beteiligungsmöglichkeiten eingeräumt werden. Wenn sich eine Besserung mit dem neuen Präsidenten zeigt, hilft sie auch mittelständischen Unternehmen gerade für ihre Angebote an Innovationen, auf die Russland dringend angewiesen ist.

IV. Die deutschen Innovationen finden sich in vielen Bereichen. Die deutschen mittelständischen Unternehmen tragen hierzu in erheblichem Umfang bei. So sind es nicht nur die großen Unternehmen, welche im Energiebereich Innovationen aufzuweisen haben. Man findet sie in der Seismic, bei den erneuerbaren Energien, aber auch bei den Effizienzverbesserungen im Elektround Stromsektor sowie bei Zulieferungen im Automobilsektor. Nicht zu vergessen ist der Bereich des deutschen Maschinenbaus. Von beachtlicher Bedeutung ist eine erhebliche Anzahl mutiger Handwerksbetriebe – zum Beispiel Bäckereibetriebe, die den Sprung ins Ausland wagen und dort erfolgreich sind. Wenn also die Palette der Innovationen im deutschen Mittelstand groß ist, muss doch fortwährend für Neuerungen Sorge getragen werden. Eine entscheidende Rolle spielt die Risikobereitschaft des einzelnen Unternehmers. Hier besteht Bedarf für ausreichende und Kreditfinanzierungen,



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V. Es fragt sich nun, welche Aufgaben von den Unternehmen zu bewältigen sind und welche staatlichen Fördermöglichkeiten der Staat zur Begleitung anbieten sollte. Es sind die mittelständischen Unternehmen, die die Innovationen entwickeln müssen und wollen, und nicht der Staat. Versuche vieler OECD-Länder in der Vergangenheit so genannte Zukunftsinvestitionen zu identifizieren und speziell zu fördern, haben oft die Hoffnungen nicht erfüllt, weil die Märkte nicht entsprechend geplant werden konnten und daher nicht aufnahmebereit waren. Also kommt es darauf an, dass die Innovationen den Markt und Kunden finden. Das fällt im Inland leichter als im Ausland. Jedoch können hier die Selbsthilfe-Einrichtungen der deutschen Wirtschaft behilflich sein. Auch stellt sich je nach Einzelfall die Frage, ob sich ein mittelständisches Unternehmen mehr vom Alleingang oder vom Zusammenspiel mit Partnern verspricht. Das ist Sache des Unternehmers. Wichtig ist stets, dass mittelständische Unternehmen ihren Mitarbeitern Ausbildung, zum Beispiel Sprachen und Fortbildung anbieten, um die Innovationen auch an ausländischen Standorten vertreten zu können. Ist eine Innovation reif für den Markt, muss sich der Unternehmer um Recht- und Patentschutz kümmern. Die internationale Absicherung ist dann von den Regierungen zu vereinbaren.

Was sind nun die Fördermöglichkeiten des Staates? Vorab ist zu unterscheiden zwischen Förderung im Bereich Forschung und Entwicklung sowie Subventionen oder anderen finanziellen Anreizen. Grundlagenforschung ist, soweit der Staat handelt, im wesentlichen Aufgabe der Universitäten und der wissenschaftlichen Institute. Immer häufiger bieten sich Kooperationen bezogen auf Entwicklung einzelner Produkte oder Verfahren mit einem mittelständischen Unternehmen an. Im Bereich der staatlichen finanziellen Hilfen für einzelne Projekte oder Bereiche stellt sich immer wieder die Frage nach der Grenze zwischen Unterförderung oder Überförderung. Ein Gesichtpunkt darf dabei nicht klein geschrieben werden, nämlich derjenige, dass sich Innovationen auf Dauer aus eigener Kraft durchsetzen müssen. Förderung sollte grundsätzlich nicht über den Zeitpunkt der kommerziellen Marktreife hinaus gewährt werden, Hier wird national und international noch viel herumexperimentiert. Solarenergien und Biofuels sind Beispiele. Wünschenswert wäre mit Bedacht vorzugehen. Zum Beispiel muss etwa bei Übertragung von Innovationen im Ausland berücksichtigt werden, dass vor Ort keine Subventionen gewährt werden.

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VI. Zusammenfassung Die deutschen mittelständischen Unternehmen haben erhebliche Beiträge zur Entwicklung und Anwendung von Innovationen geleistet. Im Lichte der Globalisierung und des zunehmenden internationalen Wettbewerbs müssen die Anstrengungen fortgesetzt und verstärkt werden. Dabei ist auf die richtige Rollenverteilung zwischen Regierung und Wirtschaft zu achten. Die Innovationen werden von den Unternehmen entwickelt und am Markt abgesetzt. Hilfestellung des Staates sollte die Verbesserung der internationalen Rahmenbedingungen beinhalten, bei der finanziellen Förderung das richtige Augenmaß anwenden und keinen Subventionsaufbau anstreben.



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Dr. Annette Schavan MdB Nationale Strategien der Innovationspolitik

Klimawandel und Globalisierung, Migration und demographischer Wandel – das sind die globalen Herausforderungen unserer Zeit. Die Aufgaben, die sich daraus ergeben, sind vielfältig. Eines haben sie jedoch gemeinsam: Wir werden sie nur mit mehr Bildung und mehr Forschung meistern. Mit der Hightech-Strategie für Deutschland und der Qualifizierungsinitiative „Aufstieg durch Bildung“ hat die Bundesregierung die Weichen auf Zukunft gestellt. Denn Politik, Wissenschaft und Wirtschaft dürfen sich mit dem Status quo nicht zufrieden geben. Der weltweite Standortwettbewerb wird weiter zunehmen; den Wettlauf um niedrige Produktionskosten können wir nicht gewinnen. Deshalb müssen unsere Ideen besser sein als die Lösungen anderer. Nur mit guten Ideen werden wir im globalen Wettbewerb um die besten Produkte, Verfahren und Dienstleistungen bestehen können. Deutschlands Innovationskraft ist gefordert. Neue Ideen sollen in Deutschland aber nicht nur entwickelt, sie sollen hier auch erfolgreich umgesetzt werden. Dazu brauchen Wissenschaft und Wirtschaft neue Impulse. Dem Mittelstand kommt dabei als Partner in den Wertschöpfungsketten eine zentrale Rolle zu: Kleine und mittlere Unternehmen sind Katalysatoren für technologische Entwicklungen und bilden eine wichtige Grundlage für die hohe Innovationskraft unserer Wirtschaft.

Die Hightech-Strategie der Bundesregierung Mit der Hightech-Strategie hat die Bundesregierung eine nationale Strategie zur Innovationspolitik auf den Weg gebracht. Die Ziele der Strategie: Neue Leitmärkte zu erschließen, Wirtschaft und Wissenschaft stärker zu vernetzen und Freiräume für Forscher, Innovatoren und Unternehmer zu schaffen, damit sie rascher neue Produkte, Verfahren und Dienstleistungen auf den Markt bringen können. Bis 2009 stehen dafür insgesamt rund 15 Milliarden Euro bereit. Darüber hinaus erzielt die Hightech-Strategie bei privaten Investitionen einen bedeutenden Mobilisierungseffekt. Auf einen Euro staatliche Förderung kommen rund fünf Euro aus der Wirtschaft.

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Die Hightech-Strategie stärkt die Kooperation von Wissenschaft und Unternehmen. Vor allem kleine und mittlere Unternehmen suchen noch zu selten die Zusammenarbeit mit Forschungseinrichtungen oder anderen Unternehmen. Der Mittelstand braucht daher eine Forschungspolitik, die durch gezielte Unterstützungsangebote auf die innovative Vielfalt von kleinen und mittleren Unternehmen setzt, um deutlich mehr Unternehmen zum Einstieg in eigene Forschung und Entwicklung zu verhelfen. Wir haben deshalb die Förderung von Forschung und Innovation zugunsten von kleinen und mittleren Unternehmen zwischen 2005 und 2007 um 20 Prozent auf rund 750 Millionen Euro ausgebaut. Im Fokus der Hightech-Strategie stehen Forschung und Entwicklung zum Klima- und Ressourcenschutz, zu Gesundheit, Mobilität und Sicherheit. Um Technologiefelder mit hohem Potenzial zu erschließen, initiieren wir strategische Partnerschaften von Wirtschaft, Wissenschaft und Staat – zum Beispiel bei bildgebenden Verfahren zur Beobachtung lebender Zellen auf molekularer Ebene. Und wir verbessern die Rahmenbedingungen für Forschung und Innovation. So erweitert die Anfang 2008 in Kraft getretene Unternehmenssteuerreform die finanziellen Spielräume für Innovationen. Kleine und mittlere Unternehmen profitieren insbesondere durch neue Freibeträge und Freigrenzen. Deutschland muss seine FuE-Förderung breiter aufstellen, um so dem Rückgang der Innovationsbeiträge von kleinen und mittleren Unternehmen entgegenzuwirken. Eine indirekte FuE-Förderung verbreitert den Sockel der FuE-treibenden Unternehmen und bindet so vor allem Mittelständler wieder stärker in Forschung und Entwicklung ein. Der internationale Vergleich und die Erfahrungen in 21 Staaten der OECD und 15 EU-Mitgliedstaaten zeigen, dass Instrumente der steuerlichen FuE-Förderung in hohem Umfang private Forschung – vor allem im Mittelstand – mobilisieren können. Deshalb prüfen wir entsprechende Modelle einer steuerlichen FuE-Förderung für Deutschland.

Transparenz in der Förderung kleiner und mittlerer Unternehmen Schnelligkeit und einfache Informationswege sind entscheidende Faktoren im Innovationswettbewerb. Die Bundesregierung konzentriert deshalb ihr Beratungsangebot zur Forschungsund Innovationsförderung. Die zentrale Förderberatung „Forschung und Innovation“ des Bundes beschleunigt den Zugang von Hochschulen, Forschungseinrichtungen und Unternehmen zu den Förderprogrammen. Bei der zentralen Förderberatung erhalten sie schnell umfassende und voll-



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ständige Antworten zu Verfahrenswegen und Konditionen aller relevanten Programme von Bund, Ländern und der Europäischen Kommission, werden an die richtigen Anlaufstellen weitergeleitet und bei der Antragstellung unterstützt. Die kleinen und mittleren Unternehmen können sich über das Servicetelefon zügig informieren. Die Förderberatung wendet sich dabei vor allem an „Förderneulinge“. Als Erstanlaufstelle für alle Fragen zu den für kleine und mittlere Unternehmen geeigneten Innovationsförderinstrumenten des Bundes schafft die zentrale Förderberatung mehr Transparenz und einen deutlichen Zeitgewinn.

Vorfahrt für Spitzenforschung im Mittelstand In der Hightech-Strategie spielen kleine und mittlere Unternehmen eine zentrale Rolle als Schrittmacher der Spitzenforschung. Bei der Erschließung neuer Märkte sind sie besonders flexibel und schnell. Dies gilt gerade für neue Forschungsfelder, in denen Geschwindigkeit im Innovationsprozess über den Erfolg entscheidet. Beispielsweise in den Bio- und Nanotechnologien kommen die wichtigsten Impulse überwiegend aus mittelständischen Unternehmen. Auch in den Dienstleistungsbereichen investieren vor allem sie in Forschung und Entwicklung. Öffentliche Förderung kann Investitionsrisiken im Innovationsprozess senken. Daher sind Mittelständler in der Forschungsförderung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) fest verankert. Unser Ziel ist es, die Zahl der FuE-treibenden mittelständischen Unternehmen weiter zu erhöhen und ihre Innovationsfähigkeit zu stärken. Mit der im September 2007 gestarteten Förderinitiative „KMU-innovativ“ ermöglicht das BMBF forschenden Unternehmen einen unbürokratischen und beschleunigten Einstieg in seine Förderung. Unter dem Motto „Vorfahrt für Spitzenforschung im Mittelstand“ wird ihnen der Zugang zu anspruchsvollen Forschungsverbünden der Fachprogramme erleichtert. Ein Lotsendienst bei der Förderberatung des BMBF berät die Unternehmen und vermittelt schnell und verlässlich zur richtigen Antragstelle. Zwei regelmäßige Stichtage im Frühjahr und Herbst und verbindliche Bearbeitungszeiten für Anträge geben Planungssicherheit. Viele forschende Unternehmen befinden sich noch in der Aufbauphase. Deshalb gelten im Rahmen von KMU-innovativ besonders einfache Regeln für den Nachweis des erforderlichen Eigenkapitals. Eine vereinfachte Bonitätsprüfung und die Möglichkeit, bei knappem Eigenkapital

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Meilensteine in der Projektlaufzeit zu setzen, tragen dazu bei, dass auch kleine und mittlere Unternehmen ihre Innovationsideen verwirklichen können. KMU-innovativ wurde in Technologiefeldern gestartet, die für Wachstum und Wohlstand in Deutschland besonders wichtig sind: in der Biotechnologie, der Nanotechnologie, den Informations- und Kommunikationstechnologien, der Produktionsforschung, den Technologien für Ressourcen- und Energieeffizienz sowie – seit Anfang 2008 – den Optischen Technologien. Die Förderung der kleinen und mittleren Unternehmen erfolgt in den Technologiefeldern jeweils themenoffen. Wichtiger als die exakte Einordnung in ein spezifisches Themengebiet jedoch sind Exzellenz und Innovationsgrad des geförderten Projektes sowie hohe Verwertungschancen. Bereits die beiden ersten Ausschreibungsrunden sind auf außerordentlich positive Resonanz gestoßen: Jeweils rund 600 Mittelständler haben sich mit ihren Partnern beteiligt. Etwa die Hälfte dieser Unternehmen hat sich erstmals beworben.

Attraktive Partnerschaften von Wissenschaft und Unternehmen Eine weitere zentrale Maßnahme der Hightech-Strategie ist der Spitzencluster-Wettbewerb. Unter dem Motto „Deutschlands Spitzencluster – Mehr Innovation. Mehr Wachstum. Mehr Beschäftigung“ wird die Förderung dazu beitragen, dass die Cluster ihre Ideen schneller umsetzen und die Partner die Potenziale ihrer Zusammenarbeit durch verstärkte Interaktion und Kooperation künftig noch besser nutzen. In drei Wettbewerbsrunden sollen jeweils bis zu fünf Spitzencluster ausgewählt werden, die über einen Zeitraum von maximal fünf Jahren mit insgesamt bis zu 200 Millionen Euro gefördert werden können. Thematische Vorgaben gibt es dabei nicht: Ausgewählt werden die Bewerber mit den besten Strategien für Zukunftsmärkte – in ihren jeweiligen Branchen. Grundlage der Förderung ist eine gemeinsame Strategie, die auf den Stärken der Cluster aufsetzt und die gesamten Innovationskette einbezieht – von der Idee bis zur wirtschaftlichen Verwertung. Bei der Auswahl zählen der Entwicklungsstand des Clusters, die Entwicklungspotenziale, die Entwicklungsdynamik sowie die Kreativität und Innovativität des strategischen Ansatzes. Die Mobilisierung der Entwicklungspotenziale bedarf der Mitwirkung aller Clusterakteure. Bei den Unternehmen sind dabei vor allem die kreativen und innovativen, oft hoch spezialisierten kleinen und mittleren Unternehmen gefordert.



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Fachkräfte für morgen Deutschland steht vor großen bildungspolitischen Herausforderungen. Wir haben einen wachsenden Fachkräftebedarf, gleichzeitig schwindet das Fachkräfteangebot. Das zeigt sich insbesondere beim enormen Bedarf an Ingenieuren und Naturwissenschaftlern. Auch kleine und mittlere Unternehmen haben zunehmend Mühe, geeignete Bewerber zu finden. Wir brauchen deshalb mehr Studierende und Hochschulabsolventen, vor allem in den naturwissenschaftlich-technischen Fächern. Und wir müssen jedem in Deutschland lebenden Menschen durch Bildungsangebote die Chance auf zukunftsträchtige Berufe und entsprechende berufliche Perspektiven eröffnen. Deshalb setzt die Bundesregierung ein klares Signal für die Stärkung von Bildungschancen auf allen Ebenen. Die Qualifizierungsinitiative, die im Januar 2008 vom Kabinett beschlossen wurde, umfasst weitgehend alle Bildungsbereiche – von der frühkindlichen Bildung über Schule und Hochschule bis hin zur Weiterbildung. Jugendliche und junge Erwachsene mit besonderem Förderbedarf, die keinen Berufsabschluss haben, sollen unterstützt werden. Auch die Durchlässigkeit der Bildungssysteme muss erhöht werden. Daher schlägt die Bundesregierung den Ländern und Hochschulen vor, den Hochschulzugang für beruflich Qualifizierte zu erleichtern. Besondere Aufmerksamkeit verdienen die Fächer Mathematik und Informatik sowie die Natur- und Technikwissenschaften (MINT). Denn diese haben für die wissensintensiven Branchen und Dienstleistungen eine besondere Bedeutung. Mit dem Jahr der Mathematik 2008 haben wir hier ein deutliches Zeichen gesetzt. Um auch mehr junge Frauen für natur- und ingenieurwissenschaftliche Berufe zu gewinnen, hat die Bundesregierung gemeinsam mit Verbänden, Unternehmen, der Bundesagentur für Arbeit, Hochschulen, den Ländern und den Medien einen „Nationalen Pakt für Frauen in MINT-Berufen“ geschlossen. Hier ergeben sich besonders für mittelständische Unternehmen neue Chancen. Bund und Länder sind gemeinsam gefordert, die zentralen Aufgaben im Bildungssystem anzupacken. Eine wichtige Verantwortung haben aber auch die Wirtschaft, Stiftungen, Verbände und Vereine. Hier gibt es vielfältige, exzellente Beispiele für Aktivitäten, von denen wir weitere brauchen. Die Bundesregierung hat wichtige Weichenstellungen vorgenommen. Gemeinsam mit der Wissenschaft und der Wirtschaft wollen wir zeigen, dass in Deutschland ein starkes Potenzial steckt. Es lohnt sich, in dieses Land und seine Menschen zu investieren!

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Dieter Althaus Vernetzung zwischen Wissenschaft und Politik – Nährboden für Innovationen in Thüringen

„Innovationen sind die Pfeiler, die die Zukunft tragen“, heißt es in Unternehmerkreisen. Ein weiser Satz, der von Erfahrung zeugt. Von Erfahrung, die alle deutschen Unternehmen täglich aufs Neue teilen: Denn die Unternehmerinnen und Unternehmer des Landes sind es, die das solide Fundament bilden, auf das sich diese zukunftsweisenden Pfeiler stützen. Innovationsfähigkeit prägt den Geist insbesondere deutscher Unternehmen seit jeher. Und das aus gutem Grund: Wo natürliche Ressourcen rar sind, entscheiden innovative Gedanken und deren Umsetzung über ein erfolgreiches Bestehen im globalen Wettbewerb. Die Innovationskraft ist das Erfolgsgeheimnis unserer Nation: Sie hat die internationale Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands begründet – und so steht „Made in Germany“ traditionell nicht nur für Qualität und Wertbeständigkeit, sondern gleichermaßen für Erfindungen und Zukunftstechnologien. Besonders der deutsche Mittelstand zeichnet sich durch ein hohes Maß an Innovationskraft aus. Rund drei Viertel aller jährlich eingereichten Patente stammen von mittelständischen Unternehmen. Tausende gehören auf ihrem Gebiet zu den Weltmarktführern: so genannte „Hidden Champions“, die sich im Schatten der Öffentlichkeit mit innovativen Produkten und Prozessen an die Spitze gearbeitet haben. Konrad Adenauer hat in seiner Regierungserklärung anlässlich seines Amtsantritts am 20. September 1949 gesagt: „Wir sind durchdrungen von der Überzeugung, dass dasjenige Volk das sicherste, ruhigste und beste Leben führen wird, das möglichst viele mittlere und kleinere unabhängige Existenzen in sich birgt.“ Sein Glaubensbekenntnis war, ist und bleibt unumstößlich: Der Mittelstand bildet das Rückgrat der deutschen Wirtschaft. Ihm verdanken wir unseren Wohlstand. Er macht die deutsche Wirtschaft stark.



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An der Leistungsfähigkeit des Mittelstands macht sich das Vermögen unseres Wirtschaftssystems fest: 99,7 Prozent aller Unternehmen in Deutschland sind kleine und mittelständische Betriebe. Sie erwirtschaften knapp die Hälfte des Bruttosozialproduktes. Und: Der Mittelstand ist Deutschlands Arbeitgeber Nummer eins: Mehr als drei Viertel aller Beschäftigten arbeiten hier. Jüngst titelte das Institut der deutschen Wirtschaft aus Köln „Jobs, Jobs, Jobs“ – und stellte damit auf den zwar leisen, aber dafür enormen Beschäftigungsaufbau der Mittelständler ab: Die Zahl der geschaffenen Stellen ist weitaus größer als die des Stellenabbaus bei großen Konzernen. Und wohlgemerkt 83 Prozent aller Schulabgänger werden vom Mittelstand ausgebildet. Die Gründe für den Erfolg des deutschen Mittelstands liegen zweifelsohne zum großen Teil darin begründet, dass Unternehmer die Messlatte für ihre Produkte, Erfindungen und Ziele sehr hoch legen. Nicht hadern, sondern handeln – so lautet die Devise und zwar von Anfang an und in alle Richtungen. Denn nicht ohne Grund ist Deutschland Export-Weltmeister und schickt sich an, diesen Titel auch in 2008 zu verteidigen. Rund 98 Prozent aller Exporteure sind mittelständische Unternehmen, die dem Satz des Bundespräsidenten Horst Köhler entsprechen: „Entweder man verändert sich selber und versucht Globalisierung aktiv als Chance zu nutzen. Oder der Markt verändert einen, ohne dass man etwas dazu tut. Und diese zweite Alternative werden wir nicht realisiert haben wollen von außen.“ Die Weltmarktführerschaft gibt es allerdings nicht zum Nulltarif. Auf die mittelständischen Unternehmen entfällt fast ein Drittel der 100 Milliarden Euro, die die deutsche Wirtschaft jährlich für Innovationen ausgibt. Das zeugt von der verinnerlichten Erkenntnis: In einer globalisierten Wirtschaft kommt es heute und in Zukunft mehr denn je auf Innovationsbereitschaft und die Fähigkeit an, Innovationen zu vermarkten. Dabei sieht man in der Regel einer Innovation nicht an, wie klein sie einmal angefangen hat. Denn am Anfang steht die wissenschaftliche Entdeckung. Die Summen, die in Unternehmen für Forschung und Entwicklung ausgegeben werden, sind hoch – gemessen an anderen Ausgaben, macht dieser Teil mit den höchsten Prozentsatz aus, frei nach einem Spruch, den der Verband der chemischen Industrie geprägt hat: „Forschung ist die Umwandlung von Geld in Wissen. Und Innovation ist die Umwandlung von Wissen in Geld – und zwar durch Markterfolg“.

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Besonders erfreulich: Einem im Jahr 2007 veröffentlichten Bericht des Stifterverbandes für die deutsche Wissenschaft zufolge macht in den neuen Ländern der Anteil der FuE-Beschäftigten in kleinen und mittelständischen, forschungsorientierten Unternehmen insgesamt 76 Prozent aus. Es bedarf ausdrücklich großen Respekts und Anerkennung, dass insbesondere die Unternehmen in den neuen Ländern trotz ihrer ungleich schwierigen Ausgangslage vor gut 15 Jahren erkannt haben: Wettbewerbsvorsprünge lassen sich nur durch kontinuierliche Innovationen und ihre erfolgreiche Umsetzung erreichen. Dies macht ein hohes Maß an Forschungs- und Entwicklungsaufwand notwendig. Innovationen sorgen für Wachstumsimpulse und sind Voraussetzung dafür, dass die Wirtschaft im internationalen Wettbewerb bestehen kann. Die Förderung von Forschung, Technologie und Innovation ist ein Schlüssel für die nachhaltige Marktteilnahme und Voraussetzung, der Abwanderung von Leistungsträgern und Fachkräften entgegenzuwirken. Der Freistaat Thüringen steht hierfür exemplarisch: Laut einem Forschungsbericht der EuroNorm GmbH rangiert das Land mit mehr als 4.500 FuE-Beschäftigten in kontinuierlich FuE betreibenden Unternehmen auf Platz zwei der neuen Länder hinter Sachsen. Hier gibt es aber noch Potenzial, das genutzt werden will. Die Basis ist vielversprechend: In Thüringen ist die kleinteilige Struktur der Wirtschaft besonders stark ausgeprägt: Von den etwa 80.000 hiesigen Unternehmen beschäftigen 99,7 Prozent weniger als 250 Mitarbeiter. 99,9 Prozent davon erwirtschaften einen Jahresumsatz um die 50 Millionen Euro. Jedoch: Die dünne Eigenkapitalausstattung und mangelnde Kapazitäten sind Argumente, die häufig gegen den Aufbau kostenträchtiger eigener Forschung- und Entwicklungsabteilungen sprechen. Die Optimierung betrieblicher Systeme und Prozesse zur Stärkung der FuE-Tätigkeit in mittelständischen Betrieben ist die eine Seite, die die Unternehmen allein realisieren müssen. Doch der Mittelstand kann auch mit der Unterstützung durch die Politik rechnen, gleichwohl die Einschränkung von Oswald Nell-Breuning gelten muss, der in einem Aufsatz geschrieben hat: „Mittelständische Existenzen nur deswegen zu erhalten, weil sie mittelständisch sind, kann niemals Aufgabe der Politik sein.“ Erfolgreiche Wirtschaftspolitik zeichnet sich vielmehr durch eine enge Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft, Wirtschaft und Politik aus. Ein vernetzter Prozess zwischen diesen Partnern kann Grundlage, kann „Nährboden“ für Innovationen und da-



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mit für die eingangs genannten „Zukunft stützenden Pfeiler“ sein. Europaweit betrachtet sei als wirkungsvolles Beispiel das 7. EU-Forschungsrahmenprogramm für die interregionale Vernetzung von Wissenschaft und Wirtschaft genannt. Doch auch oder gerade Politik auf kleiner Ebene schafft hervorragende Rahmenbedingungen, damit gute Ideen in konkurrenzfähige Produkte umgesetzt werden können. Thüringen geht hier mit gutem Beispiel voran, denn: „Ideen halten sich nicht. Es muss etwas mit ihnen getan werden“ (Alfred North Whitehead). Aus einer guten Idee allein heraus entstehen noch keine wettbewerbsfähigen Produkte und keine neuen Arbeitsplätze. Vielmehr müssen die Unternehmen ihre Ideen in die Tat umsetzen. Thüringen führt gute Ideen zum Erfolg. Hier erfahren Gründungsinteressierte bestmögliche Unterstützung und Beratung. Unter Federführung der Wirtschaftskammern wurde ein effizientes Netzwerk zur Beratungsförderung geschaffen, in das der RKW Rationalisierungs- und Innovationszentrum der Deutschen Wirtschaft als Qualitätssicherer eingebunden ist. Die breit gefächerte Beratungsrichtlinie umfasst bis zum Jahr 2013 ein Fördervolumen von mehr als 50 Millionen Euro. Für die verstärkte Vernetzung von Hochschulen, Forschung und Mittelstand steht bis 2011 ein Finanzvolumen von knapp 2,9 Milliarden Euro zur Verfügung. Das Landesprogramm „ProExzellenz“ für Forschung, Innovation, Nachwuchs und Lehre ist ebenfalls ein wesentlicher Bestandteil. Darüber hinaus stellt das Land Fördergelder von insgesamt 180 Millionen Euro bereit, damit Unternehmer ihre Entwicklungsabteilungen auch eigenständig ausbauen können. Thüringen ist ein dynamischer Standort in der Mitte Deutschlands und Europas mit Tradition und mit guten Ausgangsbedingungen für die Entwicklung erfolgreicher Unternehmen. Seine qualifizierten Fachkräfte und sein hohes Innovationspotenzial sind Garanten für vielversprechende technologische Leistungsfähigkeit und wirtschaftliche Entwicklung. Damit fügt sich der Freistaat hervorragend in das gesamtdeutsche Wirtschaftsbild ein. Innovationen geben der Zukunft eine Zukunft. Sie sind Herausforderung, Wagnis, Abenteuer, manchmal Frustration, oft Kampf. Doch Innovationen sind das Ziel, das es unbeirrt zu verfolgen gilt. Denn: „Innovationen sind die Pfeiler, die die Zukunft tragen.“

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Matthias Platzeck Life Sciences führen zu einem dynamischen Mittelstand in der Hauptstadtregion

1. Beschleunigter Wandel ist die Chance für neue Technologien Unser globales Wirtschaftssystem verändert sein Gesicht fast wöchentlich: Neue Akteure und Unternehmen feiern ihren Aufstieg, bringen bislang unbekannte Produkte auf die Weltmärkte. Traditionelle Branchen kämpfen in den Industriestaaten Europas hingegen mit Ertragschwäche und Stagnation. Oftmals werden Letztere von neuen Entwicklungen überholt und stehen am Ende als Verlierer des Strukturwandels da. Charakteristisch an diesen Prozessen der vergangenen Jahre ist die weltweite Dynamik des verschärften Wettbewerbs um Märkte, des allumfassenden Strukturwandels unserer Volkswirtschaften. Hierbei sind die aufstrebenden Unternehmen der Emerging Markets vor allem in Asien und Südamerika, aber auch die innovationsfreudigen und transnational operierenden Unternehmen aus Nordamerika ernst zu nehmende Wettbewerber. Sie, ob nun aus Asien oder Amerika stammend, drücken der globalisierten Wirtschaft ihren Stempel auf, denn zweifelsohne nutzen sie ihren jeweiligen Technologievorsprung weltweit aus. Sie sind stets daran interessiert, neue Produkte noch schneller auf noch mehr Märkten zu verbreiten. Die permanente Innovationstätigkeit sichert global operierenden Unternehmen, seien sie groß oder mittelständisch, langfristig Erträge, aus denen wiederum neue Produkte entwickelt werden. Produktneuheiten und eine sich permanent ändernde Produktpalette von Unternehmen treiben generell die Erneuerung verschiedenster Branchen voran und sind ein Charakteristikum unserer Ökonomien.

Der Ökonom Joseph Alois Schumpeter hat dieses Phänomen bereits 1942 analysiert. Er schrieb: „Der fundamentale Antrieb, der die kapitalistische Maschine in Bewegung setzt und hält, kommt von den neuen Konsumgütern, den neuen Produktions- oder Transportmethoden, den neuen Märkten, den neuen Formen der industriellen Organisation, welche die kapitalistische Unternehmung schafft... Die Eröffnung neuer, fremder oder einheimischer Märkte und die organisatorische Entwicklung vom Handwerksbetrieb und der Fabrik zu solchen Konzernen wie dem U.S.-Steel illustrieren den gleichen Prozess einer industriellen Mutation – wenn ich diesen biolo-



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gischen Ausdruck verwenden darf – der unaufhörlich die Wirtschaftsstruktur von innen heraus revolutioniert, unaufhörlich alte Struktur zerstört und unaufhörlich eine neue schafft. Dieser Prozess der ‚schöpferischen Zerstörung‘ ist das für den Kapitalismus wesentliche Faktum.“ In der Tat kann man anhand der jüngeren Wirtschaftsgeschichte Deutschlands beweisen, dass irreversible Prozesse unsere Wirtschaftsstruktur verändert haben: Sei das der Niedergang eines Großteils der Schwerindustrie seit den 1970er Jahren in Westdeutschland oder sei es der Niedergang eines maßgeblichen Teils der ostdeutschen Industrie, die die Transformation vom sozialistischen in das kapitalistische Wirtschaftssystem nicht überlebte. Und doch hat dieser Wandel erstaunlich schöpferische Kraft entfaltet – in verhältnismäßig kurzer Zeit. Mit Beginn der jetzigen, als postindustriell bezeichneten Epoche hat nicht nur der Dienstleistungssektor deutlich an Gewicht gewonnen, sondern auch der intersektorale Wandel in den einschlägig erfolgreichen Industrien des Maschinenbaus oder der Investitionsgüter ist mehr als offensichtlich. Auch mittelständisch geprägte Betriebe weisen enorme Exporterfolge dank ihrer innovativen Verfahren und hochwertigen Produkte auf. Das erzeugte langfristig – und gesamtwirtschaftlich gesehen – positive Impulse für den Arbeitsmarkt.

2. Wo Großes existiert, können kleine und mittlere Unternehmen gut gedeihen Mit Blick auf die Hauptstadtregion Berlin-Brandenburg entwickelt und verändert sich die Wirtschaftsstruktur seit Jahren rapide auf besonders zukunftsweisenden Feldern. In BerlinBrandenburg hat sich einer der leistungsfähigsten und bedeutendsten Standorte Europas für Life Sciences entfaltet. Damit ist Berlin-Brandenburg auf dem Gebiet der Medizintechnik, der Pharmazie und Biotechnologie führend in Deutschland. Erfreulicherweise profitiert vom Aufschwung dieser Branche eine neue Generation von kleinen und mittleren Unternehmen, die nach Exzellenz strebt sowie Nischenprodukte herstellt. Rund 450 Unternehmen mit insgesamt etwa 15.000 Arbeitsplätzen, darunter etwa 170 kleine und mittlere Biotechnologie-Unternehmen, haben sich in eine Forschungslandschaft eingebettet, die etwa 100 außeruniversitäre Forschungseinrichtungen, sieben Universitäten und 21 Fachhochschulen in Berlin-Brandenburg aufweisen kann. Das alles kommt nicht von ungefähr: Im Bereich der Life Sciences in der Hauptstadtregion existiert eine Tradition exzellenter medizinischer und pharmazeutischer Forschung. Solche Orte der Wissenschaft und Wissensproduktion schaffen Anziehungskräfte und sie gebären Ideen, die sich unternehmerisch vermarkten lassen und spezifizierte Nachfrage befriedigen. Mit der Berliner Charité, einer der größten Universitätskliniken Europas, sowie zahlreichen weiteren Kranken-

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häusern und großen Pharma-Unternehmen ist ein Gravitationszentrum der Life Sciences-Branche entstanden, in deren Bannkreis sich eine intensive Interaktion zwischen den unterschiedlichsten Unternehmen, Forschungseinrichtungen und Kliniken geradezu aufzwingt. Netzwerke sind das A und O, um Produktideen zu generieren. Innovationen entstehen nicht in Isolation, im Verborgenen des eigenen Unternehmens: In einem engmaschigen Netzwerk treten kleine und mittlere Unternehmen, Konzerne, Hochschulen und außeruniversitäre Einrichtungen wechselseitig in Kontakt und schaffen die Voraussetzung für marktfähige Produkte. Komplexe Branchencluster erzeugen unablässig neue Nachfrage nach speziellen Produkten und Know-how. Die positive Vergangenheit eines Wirtschaftszweiges ist gleichwohl nicht zwangsläufiger Garant für eine vielversprechende Zukunft einer Branche, die stets vom Forschungsdrang beseelt war und ist. Know-how in jedweder Form, Unternehmertum und die Einbindung ins globale Wirtschaftsgeflecht müssen zuallererst gut organisiert werden, damit eine Branche erstklassig gedeiht. Die Life Sciences mit ihrer enormen Bandbreite an Produkten und Verfahren zeigen beispielhaft, wie insbesondere kleine und mittlere Unternehmen in der Regel eine positive Entwicklung neben den Konzernen und Forschungseinrichtungen aufweisen. Ein Blick auf die BiotechnologieBranche in der Hauptstadtregion – sie ist ein Teil der Life Sciences – zeigt, wie gut dieser Wirtschaftszweig sich selbst organisiert. Die Netzwerk-Initiative BioTOP Berlin-Brandenburg ist die entscheidende Plattform, die die notwendige Expertise bündelt, um im Austausch zwischen den Akteuren in vornehmlich mittelständischen Unternehmen, Forschungseinrichtungen und Hochschulen zu einem beschleunigten Technologietransfer zu animieren. BioTOP ist die zentrale Anlaufstelle für alle Belange der Biotechnologie und dient als Branchentransferstelle. Das ist genau der Ansatz, den wir mit unserer neu ausgerichteten Wirtschaftsförderpolitik in Brandenburg seit einigen Jahren verfolgen. Der Vorteil liegt auf der Hand: Wir können das exzellente Wissen unserer Forschungseinrichtungen zielgenau in Produktideen übersetzen und mit Hilfe von Ausgründungen oder Unternehmensneuausrichtungen in marktgängige Waren ummünzen. Zwei Beispiele, wie so etwas in der Hauptstadtregion gut funktioniert: 1. In Fragen der Immunologie, Infektiologie und der Erforschung von Entzündungsprozessen sind die renommierten Institutionen wie das Max-Planck-Institut für Infektionsbiologie, das Deutsche Rheumaforschungszentrum, das Robert-Koch-Institut und die Charité in der Hauptstadtregion vertreten. Die Erkenntnisse aus dieser Grundlagenforschung werden vor allem auch



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mit den Entwicklungsabteilungen ansässiger Pharmazie- und Medizintechnik-Unternehmen frühzeitig ausgetauscht. Hinsichtlich späterer Behandlungsmöglichkeiten von Patienten entwickeln Firmen entsprechende Medikamente und Diagnoseverfahren. So hat zum Beispiel die Brahms AG aus Hennigsdorf in Brandenburg weltweit als erstes Unternehmen überhaupt einen Schnelltest zur Marktreife gebracht, mit dem sich eine Sepsis erkennen lässt. Darüber hinaus meldet Brahms auf dem Gebiet der Biomarker monatlich ein bis zwei neue Patente an. Seit Jahren expandiert das im Zuge eines Management-Buy-Outs Mitte der neunziger Jahre entstandene Unternehmen und beschäftigt nunmehr 320 Mitarbeiter im In- und Ausland. 2. Mitte der siebziger Jahre siedelte sich der damals kleine und erste deutsche Hersteller für Herzschrittmacher Biotronik in Berlin-Neukölln an. Bereits seit den 1960er Jahren genießt die heutige Hauptstadt einen Weltruf in der Behandlung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen. In der Nachbarschaft des Deutschen Herzzentrums Berlin und der Charité fand Biotronik ein ideales Umfeld vor: Forschung, Entwicklung und Anwendung von erstklassigen Implantaten mit führender Technologie ließen sich schnell vorantreiben. Dieser Technologievorsprung ermöglichte es Biotronik, weltweit neue Marktsegmente zu erobern. Die langfristigen Folgen für Biotronik und die Region: Binnen 25 Jahren gelang eine beeindruckende Expansion. Heute arbeiten etwa 3.000 Menschen bei Biotronik rund um den Globus, allein 1.200 in Berlin. Auch wenn man bei Biotronik heute nicht mehr von einem mittelständischen Unternehmen sprechen kann, offenbart die Entwicklungsgeschichte von Biotronik, dass gerade der flexible, forschungsorientierte Ansatz eines kleinen Unternehmens die Grundlagen für eine enorme Expansion legt.

3. Durchdachte Strukturpolitik dient der wirtschaftlichen Erneuerung aus eigener Kraft Wenn die Rahmenbedingungen stimmen, wenn eine Branche gut vernetzt ist, haben kleine und mittlere Unternehmen besonders gute Chancen, erfolgreich zu sein – in der Region, aber auch international. Aus diesem Grund hat die Landesregierung Brandenburg ihre Wirtschaftsförderpolitik neu ausgerichtet. Besonders unterstützt werden starke Branchen sowie kleine und mittlere Unternehmen. Wir helfen, Branchenprofile zu schärfen und Unternehmen zu mehr Forschung und Entwicklung anzuregen. Gleichermaßen fördert die Regierung den Aufbau von Netzwerken. Die zentralen Ziele sind klar: Unternehmen erlangen eine höhere Wettbewerbsfähigkeit und generieren mehr Wachstum und Beschäftigung. Der Landesregierung gelingt es zunehmend, innovative

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Unternehmen von außerhalb in der Mark anzusiedeln und mehr technologieorientierte Unternehmensgründungen zu ermöglichen. Und die entstehenden Branchen-Konglomerate locken weitere Unternehmen nach Brandenburg. Im Unterschied zu Konzernen, die üppige Ressourcen für eigene Forschung und Entwicklung aufbringen können und zugleich leichten Zugang zu den etablierten, internationalen Forschungsnetzwerken finden, müssen kleinere Firmen aus ähnlichen Wirtschaftszweigen intensiver miteinander kooperieren. Passende Finanzierungsinstrumente, eine belastbare Forschungsinfrastruktur sowie der gute Draht zu den in der Region verwurzelten Hochschulen und Forschungseinrichtungen versetzen kleine und mittlere Unternehmen in die Lage, agiler und aus eigener Kraft an den Markt zu gehen – in welcher Form auch immer. Dazu gehört auch der Zugang zu hervorragenden Fachkräften und Kapital. Mit dem Landesinnovationskonzept kann die Landesregierung diese Prozesse besser strukturieren und optimieren. Konkret heißt das für den Bereich der Life Sciences in Brandenburg: Hier stehen insgesamt 22 Technologiegründerzentren in allen Landkreisen bereit. Ebenso existieren bereits acht sogenannte BioParks in der gesamten Hauptstadtregion. Dank der dichten Hochschullandschaft stehen den Unternehmen dieser Branche jährlich rund 3.000 Absolventen im Bereich Life Sciences zur Verfügung. Und es gibt auch neuartige Anreize, um den Technologietransfer im Bereich der Lebenswissenschaften zu intensiveren: BioTOP und die großen Universitäten in Berlin-Brandenburg schreiben den Wettbewerb TOP 50 aus, damit Wissenschaftler ein Gespür dafür entwickeln, dass aussichtsreiche Entwicklungsprojekte der Grundlagenforschung gleichermaßen ökonomischen Erfolg haben könnten. Denn entscheidender Transmissionsriemen zwischen Forschung und Entwicklung und der Massenfertigung eines Produkts ist und bleibt ein gut funktionierender Technologietransfer. Daher ist es mit Blick auf ganz Deutschland wünschenswert, dass wir den Technologietransfer noch stärker in den Fokus der bundesdeutschen Mittelstandspolitik rücken, aber auch die Gründung neuer Unternehmen. Auf der einen Seite existieren Firmen, die mit neu entwickelten Produkten ihr Geschäftsleben beleben könnten. Auf der anderen Seite betreiben viele Wissenschaftler intensiv Forschung, ohne sich mit einer pfiffigen Applikation auf den Pfad der Selbstständigkeit zu begeben. In der Tat müssen Unternehmen, Hochschulen und Verbände bereits frühzeitig dafür werben, dass mit dem erworbenen Wissen oft Firmengründungen sinnvoll und aussichtsreich sind. Sollte das gelingen, dann könnten wir auch den Technologietransfer beschleunigen, der im Vergleich zu der einen oder anderen Region in der Welt deutschlandweit mitunter noch zu schleppend ist. Sicher-



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lich ist es richtig einzuwenden: Ohne die Faktoren Kapital und Arbeit kommt die beste Idee nicht zum Tragen. Aber ohne die Produkt-Idee, ihren Urheber und leidenschaftlichen Verfechter, ohne Idealismus, wird sie niemals Realität. Unternehmer – gerade in kleinen und mittleren Unternehmen – sind die treibenden Kräfte, die eine Innovation in gesellschaftlichen Mehrwert verwandeln. Schumpeter hatte übrigens einen ähnlichen Standpunkt als er sagte, “it is leadership rather than ownership that matters.”

4. Innovationen katapultieren Mittelständler erfolgreich auf die Weltmärkte Weil mittelständische Unternehmen oftmals von einem erstaunlichen Idealismus ihrer Gründer beseelt sind, können sie den Ehrgeiz aufbringen, auf internationalen Märkten zu operieren. Idealismus reicht natürlich bei weitem nicht aus, wenngleich Ehrgeiz und Gewinnaussichten entscheidende Triebfedern sind. Spezialisierte, kleinere Firmen erkennen schnell die technologischen Nischenmärkte und können sich flexibel auf sie einstellen. Dank intensiver Forschungsund Entwicklungsanstrengungen – gerade auch im Verbund mit anderen Unternehmen oder Foschungseinrichtungen – sind sie letztendlich in der Lage, sich über den regionalen und nationalen Horizont hinaus an internationalen Märkten zu etablieren und zu halten. Entscheidend ist dabei die Qualität des Produkts. Sogenannte weiche Faktoren wie kulturelle und sprachliche Kompetenzen lassen sich nicht selten im Zuge des erfolgreichen Auftritts auf ausländischen Märkten schnell erlernen. Gleichwohl gilt: Wer als mittelständisches Unternehmen bereits ein internationales „mindset“ und Fremdsprachenkenntnisse mitbringt, kann selbstverständlich viel schneller Erfolge feiern als Wettbewerber. Interessanterweise beobachten wir in Brandenburg einen erstaunlichen Bewusstseinswandel in mittelständischen Betrieben: Seit der Erweiterung der Europäischen Union 2004 sehen die Unternehmen im Land viel weiter über den Horizont hinaus, sie sind neugierig auf die Märkte in Mittelosteuropa. Sie erkennen, dass fortschrittliche Produkte in einem Binnenmarkt mit rund 450 Millionen Menschen ganz andere Absatzerfolge erzielen können, als wenn kleinere Betriebe lediglich das Umfeld ihres Stammsitzes im Blick haben. Viele Branchen in Brandenburg entdecken seit einigen Jahren die Kraft der Innovation. Das ermöglicht, unsere mittelständisch geprägte Wirtschaft stärker in die weltwirtschaftlichen Strukturen einzubinden.

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Prof. Dr. Andreas Pinkwart Zukunft durch Innovation

Wissen und Innovationen sind der Stoff, aus dem heute Wachstum, Wohlstand, Arbeitsplätze und neue Lösungen für drängende gesellschaftliche Aufgaben gemacht sind. Dank der Arbeiten von Robert Solow wissen wir schon seit Mitte der 50er Jahre, dass die Einführung neuer Technologien ganz wesentlich für das Wachstum moderner Volkswirtschaften verantwortlich ist und sogar bis zu 80 Prozent zum Wachstum des Bruttoinlandsprodukts beitragen kann. Verändert hat sich in den letzten Jahrzehnten das Tempo. Wer kann wie viel Fortschritt in welcher Zeit generieren und auf den globalen Märkten platzieren? Darum konkurrieren wir heute mit Standorten rund um den Globus, und dieser Wettbewerb wird noch intensiver werden. Für uns ist klar, diese Herausforderung nehmen wir an: Nordrhein-Westfalen soll Innovationsland Nummer 1 in Deutschland werden. Denn: Nur mit Qualität, nicht mit Löhnen können wir weltweit konkurrieren. Neue Arbeitsplätze entstehen hauptsächlich in den wissensintensiven Bereichen. Und die globalen gesellschaftlichen Herausforderungen wie Klimaschutz und Energieversorgung werden wir nicht mit Rezepten von gestern, sondern nur mit Innovationen erfolgreich angehen können. Nordrhein-Westfalen hat sehr gute Voraussetzungen, um sich als Innovationsland an die Spitze zu arbeiten. Wir besitzen die dichteste Hochschul- und Forschungslandschaft in Europa: mit 59 Hochschulen, 13 Max-Planck-Instituten, 13 Fraunhofer-Instituten und fast 100 weiteren Forschungsinstituten an unseren Hochschulen. Jahrelang wurde es zwar versäumt, für die Hochschulen in Nordrhein-Westfalen die notwendigen Ressourcen bereitzustellen. Aber wir arbeiten dafür, dass die jungen Menschen bei uns ein erstklassiges Studium absolvieren können. Mehr Geld, mehr Wettbewerb und mehr Freiheit: Das sind die Prinzipien, mit denen wir unsere Hochschulen wieder attraktiv machen. Und genau dies erzeugt auch die Wettbewerbsstärke und Dynamik, die nötig ist, um in der Konkurrenz mit



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anderen Standorten neue Forschungseinrichtungen für das Land zu gewinnen, wie es zuletzt mit dem Max-Planck-Institut für die Biologie des Alterns in Köln und dem nationalen Demenzforschungszentrum in Bonn gelungen ist. Hinzu kommt: Wir haben die stärkste Wirtschaft deutschlandweit. Sogar im weltweiten Vergleich der Staaten würde sie Platz 16 belegen. Wesentlichen Anteil an der ökonomischen Entwicklung im Land haben die kleinen und mittleren Unternehmen. 723.000 kleine und mittlere Unternehmen in NRW beschäftigen 70 Prozent der Arbeitnehmer, 80 Prozent der Auszubildenden und schaffen die meisten neuen Arbeitsplätze. Sie erwirtschaften fast die Hälfte der Bruttowertschöpfung des Landes. Das Handwerk ist mit rund 165.000 mittelständischen Betrieben und mit einer Million Beschäftigten zugleich der größte Arbeitgeber im Land. Wissenschaft und Wirtschaft sind Schlüsselakteure im Innovationsprozess. Der Staat macht keine Innovationen. Fortschritt resultiert aus der Kompetenz und Kreativität der Menschen in Wissenschaft und Wirtschaft und auf ihrer erfolgreichen Zusammenarbeit. Der Staat muss allerdings die richtigen Rahmenbedingungen schaffen. Dazu gehört es, für den Mittelstand die Voraussetzungen zu schaffen, sich noch stärker am Innovationsprozess zu beteiligen. Laut Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft hat die deutsche Wirtschaft im Jahr 2006 52 Milliarden Euro in Forschung und Entwicklung investiert, ein Plus von 7,4 Prozent gegenüber 2005 und die höchste Wachstumsrate seit 1999. Allerdings: Der Anteil der kleinen und mittleren Unternehmen lag bei lediglich 12,7 Prozent und ist damit seit 1995 um neun Punkte gesunken. Die Aufgabe ist also, diese Unternehmen für mehr Innovationstätigkeit zu gewinnen. Zumal gerade sie ein starker Transmissionsriemen sind, der grundlegende Innovationen in die breite Anwendung übersetzt und zum Verbraucher übermittelt. Die Ausgangssituation ist gut. Der Mittelstand blickt derzeit optimistisch nach vorne. Die Jahresumfrage für 2008 bei 2.400 deutschen Mittelständlern hat unter anderem ergeben, dass sich die Geschäftslage im Vergleich zum Vorjahr weiter verbessert und einen Spitzenwert erreicht hat. Der Mittelstand schätzt das Konjunkturklima weiterhin positiv ein. Fast 39 Prozent der Mittelständler wollen 2008 neue Beschäftigte einstellen, fast 56 Prozent ihren Mitarbeiterbestand mindestens halten. Und fast keiner denkt an die Verlagerung von Arbeitsplätzen ins Ausland (nur 1,5 Prozent).

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Was tun wir, um in dieser Situation, den Mittelstand für Forschung und Entwicklung zu gewinnen? Die Landesregierung hat inzwischen fünf Mittelstandspakete auf den Weg gebracht; Pakete, die gesetzgeberische Maßnahmen und Verbesserungen des Verwaltungsvollzugs aus allen Ressorts der Landesregierung bündeln und auf diese Weise dem Mittelstand wieder mehr Gestaltungsspielraum und Aktionsfreiheit verschaffen. Ein ganz zentraler Punkt, der vom Mittelstand auch immer wieder angesprochen wird, ist der Fachkräftemangel. Wir brauchen hervorragende Fach- und Führungskräfte. Und vor allem: Wir brauchen mehr davon. Die Landesregierung folgt dabei der Devise: Investition in die Köpfe lohnt sich, weil Qualifikation der Menschen ein wichtiger Standortfaktor im internationalen Wettbewerb ist. Investition in Köpfe lohnt sich auch deshalb, weil wissensintensive Unternehmen eher interessiert sind, sich langfristig an eine Region zu binden. Leider hat Deutschland seit 1995 bei der Sicherung des Nachwuchses für Forschung und Entwicklung in fast allen technischen Bereichen gegenüber anderen Industrienationen klar an Boden verloren. 30 Prozent der deutschen Unternehmen konnten im vergangenen Jahr ihren Bedarf an Ingenieuren nicht decken. Laut Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln können die deutschen Unternehmen im Jahr 2008 90.000 Ingenieurstellen nicht besetzen. Davon entfallen allein auf Nordrhein-Westfalen rund 20.000. Der durch den Ingenieurmangel bedingte Wertschöpfungsverlust betrug 2007 mindestens 7,2 Milliarden Euro. Diese Situation wird sich in den kommenden Jahren noch verschärfen. Gleichzeitig ist die Nachfrage nach Ingenieurinnen und Ingenieuren enorm gestiegen. Nach Angaben des Vereins Deutscher Ingenieure (VDI) ist die Zahl der Stellenangebote für technische Fach- und Führungskräfte von 2005 bis 2006 bundesweit um knapp 30 Prozent gestiegen, in Nordrhein-Westfalen sogar um 47 Prozent. Insbesondere werden Absolventinnen und Absolventen der Studienrichtungen Maschinenbau, Elektrotechnik, Informatik, Bauingenieurwesen, Verfahrenstechnik und Fahrzeugtechnik gesucht. Diese Entwicklung lässt sich nicht mit den früher üblichen periodischen Schwankungen auf dem Arbeitsmarkt für Ingenieure erklären. Die jetzige Situation hat eine neue Qualität, weil der Anteil der Ingenieurinnen und Ingenieure unter den Beschäftigten in den genannten



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Branchen in den letzten Jahren kontinuierlich gestiegen ist. So hat sich beispielsweise der Anteil der Ingenieure an den Beschäftigten im Maschinen- und Anlagenbau in den letzten 25 Jahren mehr als verdoppelt. Wirklich nachhaltig können wir nur gegen den Ingenieurmangel angehen, wenn wir schon sehr früh ansetzen – bei den Schülerinnen und Schülern. Genau dies tun wir in Nordrhein-Westfalen mit der Landesinitiative „Zukunft durch Innovation. NRW“ (ZdI). Schulen, Hochschulen, Unternehmen und Verbände haben sich hier zusammengeschlossen, um Jugendlichen zu ermöglichen, High-Tech-Forschung und -Produktion hautnah zu erleben. Sie wollen junge Leute über das vielfältige Studienangebot in den Natur- und Ingenieurwissenschaften in NRW und über die guten Zukunftsaussichten für Absolventen informieren und ihnen zeigen, was der Technologie-Standort NRW zu bieten hat. In den kommenden drei Jahren wird die Landesinitiative ihr Engagement noch ausbauen und in enger Kooperation von Schulen, Hochschulen, Kommunen und Wirtschaft 25 neue Zentren einrichten, wo junge Menschen ihr Interesse an Technik und Naturwissenschaften entdecken können. Im Wintersemester 2007/2008 haben sich deutlich mehr Studienanfänger in NordrheinWestfalen für ein technisch- oder ingenieurwissenschaftliches Studium entschieden als noch vor einem Jahr. Der Anstieg in Maschinenbau/Verfahrenstechnik lag bei 15,2 Prozent, bei den angehenden Bauingenieuren bei 19,8 Prozent. Die Zahl der Studienanfänger im Bereich Informatik stieg um 11,1 Prozent. Diese positive Entwicklung wollen wir weiter stärken. Die nordrhein-westfälischen Hochschulen werden mit Mitteln aus dem Hochschulpakt von Bund und Ländern bis 2010 insgesamt 26.000 zusätzliche Studienplätze schaffen. Der Anteil der MINT-Fächer (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik) wird am Zuwachs fast 50 Prozent betragen; ein deutlich höherer Wert im Vergleich zu heute (rund 42 Prozent). Wir denken allerdings schon weiter und planen bereits für das kommende Jahrzehnt. Wir erwarten dann eine enorm steigende Nachfrage nach akademischer Ausbildung. Allein in Nordrhein-Westfalen werden wir zwischen 2010 und 2020 insgesamt etwa 160.000 zusätzliche

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Studienanfänger haben. Das erfordert gewaltige Anstrengungen, um allen jungen Leuten eine gute Ausbildung anzubieten. Das ist aber auch eine große Chance, unser System nachhaltig auszubauen, damit es künftig mehr Hochqualifizierte hervorbringen kann. Nordrhein-Westfalen hat als erstes Land den grundlegenden Fahrplan für den langfristigen Hochschulausbau und das entsprechende milliardenschwere Investitionsprogramm beschlossen. Die jetzt schon von den Studierenden besonders stark nachgefragte Ausbildung in den Natur-, Ingenieur- und Technikwissenschaften an den Fachhochschulen werden wir in den kommenden Jahren massiv ausbauen. Konkret bedeutet dies, dass wir vier neue Fachhochschulen gründen werden, um auf Dauer zusätzlich 11.000 FH-Studienplätze zu schaffen und den Fachhochschulen langfristig ein größeres Gewicht in unserer Hochschullandschaft zu geben. Drei der neuen Fachhochschulen werden ihren Schwerpunkt in den Bereichen Mathematik/Ingenieurwissenschaften/Naturwissenschaften und Technik haben. Eine wird ihren Schwerpunkt im Gesundheitswesen haben. Außerdem werden fünf der bereits vorhandenen Fachhochschulen ihr Angebot erheblich ausweiten können. In den Regionen werden die Fachhochschulen von der Wirtschaft nicht allein als Ausbilder hoch qualifizierter Fachkräfte geschätzt. Vielerorts sind sie auch der FuE-Partner erster Wahl für die Wirtschaft – insbesondere für die kleinen und mittleren Unternehmen. Mit insgesamt rund 28 Millionen Euro bis 2013 wird die Landesregierung die Forschung an Fachhochschulen fördern. Das wettbewerblich organisierte Programm soll dazu beitragen, dass sich die Fachhochschulen als anwendungsorientierte Forschungszentren mit enger Anbindung an die regionale Wirtschaft noch stärker profilieren. Davon profitiert besonders der Mittelstand in den Regionen. Thematisch fokussiert die Landesregierung ihre Forschungs- und Technologieförderung auf Zukunftsbereiche mit besonders großem Innovationspotenzial. In die Felder Nano/Mikro/Innovative Werkstoffe, Biotechnologie, Energieforschung und Medizinforschung/Medizintechnik investiert das Land in den kommenden Jahren zusammen mehr als 400 Millionen Euro. Auch hier vergibt Nordrhein-Westfalen einen Großteil der Anschubförderung nach wettbewerblichen Verfahren. Denn statt überall Mittelmaß wollen wir in einigen Bereichen wirklich Spitze sein. Dazu müssen wir unsere Kräfte dort bündeln, wo wir echte Forschungsstärken und die Chance auf den Durchbruch an die Spitze haben. Die staatlichen Mittel sollen eine möglichst große Hebelwirkung entfalten und gezielt Innovation und Wachstum stimulieren.



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Nachwuchspflege, gute Ausbildung, Spitzenforschung, Technologieentwicklung auf Zukunftsfeldern – all dies kann seine Schubkraft für den Innovationsprozess nur dann optimal entfalten, wenn Wissenschaft und Wirtschaft auch kooperieren. Wir wollen insbesondere unsere Stärken in Wissenschaft und Mittelstand noch enger miteinander verzahnen, damit keine Idee verloren geht. Das Land stellt in den kommenden fünf Jahren 50 Millionen Euro bereit, um den Wissenstransfer zu verbessern. Alle Instrumente dieser Science to Business-Strategie der Landesregierung zielen darauf, die PS besser und schneller auf die Straße zu bringen. Um die Ergebnisse von deutschen oder ausländischen Hochschulen und Forschungseinrichtungen besser nutzen zu können, stellt das Land Innovationsgutscheine zur Verfügung. Außerdem fördert das Land bei kleinen und mittelständischen Unternehmen die Einstellung von Innovationsassistenten, die Wissen direkt von den Hochschulen in die Praxis bringen. Nordrhein-Westfalen weiß um die wachsende Bedeutung des Mittelstands für die Innovationsfähigkeit des Landes. Mittelständler sind bereit, sich dem Markt zu stellen, weil sie Verantwortung für ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter tragen. Solche Menschen brauchen wir in Nordrhein-Westfalen. Wir vertrauen in ihre Kompetenz, ihre Verantwortungsbereitschaft und ihren unternehmerischen Mut. Wir setzen darauf, dass sie auf dem Weg zum Innovationsland Nummer eins entscheidende Partner und Schrittmacher sind.

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Dr. Silvana Koch-Mehrin MdEP Die Europäische Union und der deutsche Mittelstand

1. Einleitung Der Mittelstand in Deutschland ist nicht einfach nur eine statistische Einheit, eine betriebswirtschaftliche Größe oder ein Begriff unter dem verschiedene Typen von Unternehmen in einer Kategorie zusammengefasst werden. Mit Fug und Recht kann man sagen: Mittelstand ist eine Geisteshaltung. Mit Pioniersinn und Patriotismus, Mut und Verantwortungsgefühl hat der Mittelstand unser Land einst wieder aufgebaut und das deutsche Wirtschaftswunder möglich gemacht. Die Unternehmen des Mittelstands waren schon früher und sind heute noch Schlüsselakteure im deutschen Innovationssystem. Und trotzdem haben es die mittelständischen Unternehmer hierzulande nicht leicht: Von Steuern stark belastet, von Bürokratie gebeutelt werden ihnen die Kapazitäten für ihre eigentlich Arbeit geraubt.

2. Welche Rolle spielt Mittelstand in Deutschland und in der Europäischen Union? Zunächst zu den Fakten. Der Mittelstand in der Bundesrepublik Deutschland umfasst rund 99,7 Prozent aller umsatzsteuerpflichtigen Unternehmen. Knapp 65,8 Prozent aller sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten arbeiten in mittelständischen Unternehmen. 38,3 Prozent aller Umsätze werden dort erwirtschaftet und 82,7 Prozent aller Auszubildenden ausgebildet. Diese Daten, die auf Angaben des Instituts für Mittelstandsforschung Bonn beruhen, verdeutlichen drei zentrale Aspekte. Erstens: Der Mittelstand in Deutschland stellt die deutliche Mehrzahl der Arbeitsplätze und bildet den deutschen Nachwuchs aus. Zweitens: Der Mittelstand in Deutschland ist einer der Steuerzahler schlechthin. 44 Prozent des Steueraufkommens aus Unternehmen und Kapitaleinkommen leistet der Mittelstand. Und Drittens: Der Mittelstand in Deutschland ist die treibende Wirtschaftskraft. Mehr als 40 Prozent aller Umsätze der Unternehmen erwirtschaftet der Mittelstand in Deutschland. Etwa 3,5 Millionen mittelständische Betriebe und zahlreiche Freiberufler – vom selbständigen Architekten bis zum pharmazeutischen Unternehmen, vom selbständigen Tierarzt bis zum Ingenieur für Maschinenbau – sorgen mit ihren Dienstleistungen und Produkten für funktionierenden Wettbewerb, für eine breite Angebotsvielfalt und für faire Preise.



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Auch in ganz Europa ist der Mittelstand eine starke Kraft. Von rund 20 Millionen europäischen Unternehmen im nichtfinanziellen Sektor waren 99,8 Prozent kleine und mittelständische Unternehmen mit weniger als 250 Beschäftigten. Aus internationaler Perspektive ist Deutschland mit Abstand der attraktivste Standort, laut einer Studie von Ernst & Young (2007): Attraktiv wirken die Infrastruktur, die exzellent ausgebildeten Mitarbeiter und die innovative Forschungs- und Entwicklungstätigkeit. Die hohen Arbeitskosten und das deutsche Steuerrecht sind aber die großen Minuspunkte im Vergleich zu anderen Ländern. Hier hat Deutschland eindeutig Nachholbedarf. Aber das sind nicht die einzigen Punkte, die den Mittelstand in Deutschland belasten.

3. Was belastet den Mittelstand in Deutschland? Unternehmer dürfen hierzulande zu oft keine Unternehmer sein, denn sie haben das Problem: Ihre unternehmerische Freiheit wird ständig verringert. Stück für Stück erarbeitet sich der Staat neue Ansprüche. Er möchte mehr und mehr die wirtschaftliche Entwicklung durch die Regelung von Einzelfällen beeinflussen. Dies äußert sich nicht in einem großen Gesetz, sondern Schritt für Schritt in differenzierten Angriffen auf verschiedene Bereiche. Es gibt lautstarke Forderungen nach einem Mindestlohn. Damit soll die Einkommenssituation von Beschäftigten im Niedriglohnsektor verbessert werden. Ob über das Entsendegesetz oder das Gesetz über Mindestarbeitsbedingungen – hier mischt sich der Staat massiv in eine zentrale Aufgabe des Unternehmers ein, nämlich in die Bezahlung von Arbeitskraft. Das belastet insbesondere kleinere Unternehmen. Unternehmer sind von starken bürokratischen Bürden belastet. Pro Jahr entstehen der deutschen Wirtschaft aufgrund zu starker Regulierung und unsinniger Regeln Kosten von 46 Milliarden Euro. 84 Prozent hiervon entfallen auf kleinere und mittlere Unternehmen, so die Erhebungen des Instituts für Mittelstandsforschung Bonn. Ein Beispiel dafür ist das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz, kurz AGG, das seit August 2006 in Kraft ist. Daraus ergeben sich neue Pflichten für Unternehmer. Kommen sie diesen nicht nach, drohen Schadensersatzansprüche seitens der Arbeitnehmer. Arbeitgeber müssen aktiv Maßnahmen ergreifen, um ihre Arbeitnehmer vor Benachteiligungen zu schützen. Das bedeutet beispielsweise, dass Arbeitgeber ihre Mitarbeiter auf die Unzulässigkeit der Benachteiligungen laut AGG hinweisen müssen. Oder aber folgendes Beispiel: Entscheidet sich ein Unternehmer, eine Person nicht einzustellen oder einen Mitarbeiter zu entlassen, muss der Arbeitgeber nachweisen, dass diese Entscheidung keine Diskriminierung bedeutet.

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Die aktuelle Lage der Besteuerung ist für den Mittelstand ein großes Problem. Die Unternehmenssteuerreform der großen Koalition senkt zwar den Steuersatz für einbehaltene Gewinne seit Beginn 2008 von 39,5 auf 31 Prozent. Das bedeutet aber keine tatsächliche Erleichterung, denn viele Mittelständler unterliegen gar nicht der Körperschaftssteuer wie es größere Unternehmen tun. Sie zahlen als Personengesellschaften Einkommensteuer. Sie profitieren also nicht von den Steuersenkungen, werden aber durch die Gegenfinanzierung der Unternehmensteuerreform belastet. Zudem: Mehr als 95 Prozent der mittelständischen Unternehmen sind in Familienhand, so das Institut für Mittelstandsforschung Bonn. Die geplanten Neuregelungen zur Erbschaftssteuer sind ein wichtiges Thema. Unternehmensnachfolgern sollen zwar bis zu 85 Prozent dieser Steuer erlassen werden, aber dies ist an einen Wust von Bedingungen geknüpft. 15 Jahre muss das Unternehmen dann noch weitergeführt werden – doch wer kann heute schon absehen, ob ein Unternehmen 2023 noch erfolgreich ist. Also wird es teuer. In der Summe sind die Unternehmer des Mittelstands von zu viel Staat belastet – sei es in Form von Bürokratie, die ihre tägliche Arbeitszeit raubt, sei es in Form von zu hohen Steuern oder dem Korsett von Mindestlöhnen. Damit der Mittelstand auch in Zukunft starker Arbeitgeber und Schlüsselakteur des deutschen Innovationssystems bleibt, muss einiges geschehen.

4. Was muss in Deutschland für den Mittelstand geschehen? Auf diese Frage gibt es klare und einfache Antworten. Erstens: Der Mittelstand muss von Steuern entlastet werden. Der Mittelstand wartet auf Steuersenkungen und niedrigere Lohnzusatzkosten, damit er investieren und Arbeitsplätze schaffen kann. Die Gewerbesteuer gehört nicht ausgeweitet, sondern abgeschafft. Die Unternehmensteuerreform hat den Mittelstand zu wenig entlastet. Deshalb muss auch die Einkommensteuer gesenkt werden. Der Mittelstand braucht ein nachvollziehbares, einfaches Steuersystem. Mit einem einheitlichen Steuertarif für alle Einkommensarten wäre dies gewährleistet. Insbesondere der Mittelstand würde profitieren, der nur selten über Möglichkeiten und Kapazitäten für Steueroptimierungsstrategien verfügt. Der Betriebsübergang von einer Generation in die nächste muss erleichtert werden. Dies kann durch die Streichung der Erbschaftsteuer geschehen, wenn das Unternehmen zehn Jahre weitergeführt wird.



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Zweitens: Weniger Bürokratie in Deutschland für Unternehmen. Die zwei so genannten „Mittelstandsentlastungsgesetze“ haben die Bürokratiekosten für die Unternehmen in Deutschland gerade einmal im Promillebereich gesenkt. Statt zusätzliche bürokratische Lasten wie das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz oder Gebäudesanierungsauflagen zu schaffen, müssen die bestehenden reduziert werden. Die zahlreichen statistischen Doppelerhebungen müssen abgeschafft werden. Drittens: Es darf in Deutschland keinen Mindestlohn geben. Löhne sind keine Frage von ideologisch geführten Debatten, und Mindestlöhne sind sozialpolitisch ineffizient. Ein Arbeitgeber zahlt einen Lohn und erhält dafür eine Arbeitsleistung. Das Unternehmen muss aber ökonomisch handeln, sprich Löhne müssen sich an der Produktivität ausrichten. Ein Mindestlohn aber verteuert die Arbeitskraft künstlich. Vor allem Jugendliche und weniger qualifizierte Arbeitnehmer können so ihre Leistung, nämlich ihre Arbeitskraft, nicht mehr anbieten. Das zeigt das Beispiel der Baubranche: Eine willkürliche Lohnfortsetzung zeigt hier bereits heute schädigende Wirkungen. Seit der Einführung des Mindestlohns sind in diesem Sektor mehr als eine halbe Million Arbeitsplätze verloren gegangen, gleichzeitig wird ein rapider Anstieg der Schwarzarbeit gemeldet. Die Folgen des Mindestlohns sind also klar zu erkennen: Die Arbeitslosigkeit wächst anstatt zu schrumpfen, die Schattenwirtschaft blüht und vernichtet zusätzliche Arbeitsplätze. Damit der Mittelstand in Deutschland weiterhin seine tragende Rolle spielen kann, muss es heißen: Kein Mindestlohn für Deutschland. Insgesamt wäre es für den Mittelstand gut, wenn der Staat sich weniger einmischen und dem Unternehmer mehr Freiheit zurückgeben würde. Ein Großteil der Gesetze, die die Bundesregierung verabschiedet, basiert aber auf der Gesetzgebung der Europäischen Union. Auch hier kann etwas für den Mittelstand in Deutschland und Europa getan werden – und hier wird auch etwas getan.

5. Was tut die Europäische Union für den Mittelstand? Im Juni 2008 hat die Europäische Kommission den so genannten „Small Business Act“ vorgestellt. Die Europäischen Mittelständler verdienen eine bessere Unterstützung, damit sie ihr Potenzial, langfristig nachhaltiges Wachstum und mehr Arbeitsplätze zu schaffen, voll ausschöpfen können. Der „Small Business Act“ basiert auf zehn Grundsätzen. Beispielsweise soll es eine Europäische Privatgesellschaft geben können, Unternehmensgründungen sollen attraktiver werden,

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die Verwaltungskosten sollen reduziert werden. Die Europäische Union bekennt mit dem „Small Business Act“ den politischen Willen zur Anerkennung der Schlüsselrolle des Mittelstands für die EU-Wirtschaft. Vor allem der seit 1993 bestehende europäische Binnenmarkt ist ein weiteres glanzvolles Positivbeispiel für die Aktivitäten der Europäischen Union. Dadurch wird der freie Verkehr von Kapital, Gütern und Dienstleistungen innerhalb der Mitgliedsstaaten der Europäischen Union gesichert. Es gibt quasi keine nationalen Märkte mehr, sondern nur einen gemeinsamen europäischen Markt. Es gibt Wettbewerb, der sich über ganz Europa erstreckt. Die größere Konkurrenz bringt Firmen dazu, Produkte oder Dienstleistungen preislich und qualitativ dem Wettbewerb anzupassen. Ein Erfolg für die Wirtschaft!

6. Zukunft Die Voraussetzungen für den Mittelstand in Deutschland sind trotz aller Schwierigkeiten dennoch gut – denn die Stimmung ist gut: Die deutschen Mittelständler blicken mit 67 von 100 Punkten optimistischer in die Zukunft als der europäische Durchschnitt (25 Punkte). Dies war zu Beginn des Jahres 2008 einer Studie zu entnehmen, die Grand Thornten International in 34 Ländern durchgeführt hat. Auch bei ihren Umsatzerwartungen belegen die Deutschen laut IBR-Indikator im Jahr 2008 den ersten Platz in Europa. Die Bundesregierung sollte sich von dieser positiven Stimmung anstecken lassen und handeln. Denn bessere Gesetzgebung ist oft vor allem weniger Gesetzgebung. So könnte sie beispielsweise die neue Antidiskriminierungsrichtlinie der Europäischen Union aufhalten. Weil bei dem jetzt beginnendem Gesetzgebungsprozess auf EU-Ebene die nationalen Minister im Rat das letzte Wort haben, und sie müssen hier einstimmig entscheiden. Das Nein eines Mitgliedslandes genügt. Damit könnte die Regierung ein Signal setzen und zeigen, dass sie den Mittelstand ernst nimmt.



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Dr. Angelika Niebler MdEP Maßnahmen der EU zur Verbesserung der Innovationsfähigkeit kleinerer und mittlerer Unternehmen

Die zunehmende Bedeutung des Mittelstands als Akteur im deutschen und europäischen Innovationssystem Technischer Fortschritt und Innovationen werden in unserer wissenbestimmten Welt zu Recht als Schlüsselfaktoren für wirtschaftliches Wachstum und gesellschaftlichen Wohlstand angesehen. Bei Technologie und Innovation zählt Deutschland zur Weltspitze. Das von der Europäischen Kommission veröffentlichte European Innovation Scoreboard ermittelte für Deutschland im internationalen Vergleich den sechsten Rang dicht hinter Japan und vor Großbritannien sowie den USA. In der öffentlichen Wahrnehmung sind Forschung und Innovation gedanklich jedoch noch immer mit Universitäten und Hochschulen verknüpft. Dies ist ein Trugschluss. Wichtigster Forschungsakteur in Deutschland und Europa ist die private Wirtschaft. Nach Zahlen des Bundesforschungsministeriums stammen allein in Deutschland 67 Prozent der jährlich über 55 Milliarden Euro für Forschung und Entwicklung ausgegebenen Mittel von privaten Unternehmen. Ein zweiter Trugschluss ist, dass in diesem Rahmen nur Großunternehmen forschen und Innovationen anstoßen. Der Mittelstand ist ein unerlässlicher Schlüsselakteur in dem vielfältigen deutschen und europäischen Innovationssystem. Gerade in Bereichen wie IT-Entwicklung, Maschinenbau, Medizintechnik, Energie und Automobilzulieferung sind es insbesondere mittelständische Unternehmen, die das Rückrat für die wirtschaftliche Weiterentwicklung unseres Landes bilden. Das Bundeswirtschaftsministerium geht davon aus, dass rund 30.000 mittelständische Unternehmen kontinuierlich in Forschung und Entwicklung investieren. Mehr als 100.000 mittelständische Unternehmen bringen jährlich innovative Produkte oder technologische Neuheiten auf den Markt. Diese Firmen vermarkten ihre Produkte längst nicht mehr nur am heimischen Markt, sondern international. Unter den 100 innovativsten Unternehmen in Deutschland sind 17 in ihrem Bereich sogar Weltmarktführer. Der Mittelstand ist zunehmend zur Stütze des Exportweltmeisters

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geworden. Hauptausfuhrregion der mittelständischen Betriebe bilden die EU-Staaten, allen voran die Länder der Eurozone. Der Mittelstand ist damit der Beschäftigungs- und Wachstumsmotor schlechthin. Von den mehr als sechs Millionen Arbeitsplätzen, die von 1998 bis 2004 in Europa geschaffen wurden, gingen fünf Millionen auf das Konto von kleinen und mittleren Unternehmen. Diese Entwicklung kommt nicht von ungefähr. Kleine und mittlere Unternehmen haben Großkonzernen gegenüber Vorteile, die sich angesichts heute veränderter Rahmenbedingungen verstärkt bemerkbar machen. Zunehmende Globalisierung bei einem gleichzeitig intensivierten internationalen Wettbewerb machen rasches Handeln und rasche Problemlösungen unabdingbar. Hier sind kleine und mittlere Unternehmen klar im Vorteil, da sie auf neue Herausforderungen wesentlich flexibler reagieren können als große Unternehmen. Dies zeigt sich gerade bei der Forschung und Entwicklung neuer Produkte und Dienstleistungen. So legen Innovationen beim Mittelstand beständig zu, wobei die deutlichsten Zunahmen in den wissensintensiven Dienstleistungen zu verzeichnen sind.

Rahmenbedingungen formulieren und Innovationsfähigkeit des Mittelstandes stärken Diese Entwicklung muss sich fortsetzen. Anreize müssen gesetzt und das vorhandene Potenzial weiter ausgeschöpft werden. Dies kann jedoch nur gelingen, wenn wir auf politischer Ebene die richtigen Rahmenbedingungen formulieren. Auf europäischer Ebene ist dies notwendiger denn je, da hier in zunehmenden Maß die entscheidenden Weichen gestellt werden. Gegenwärtig laufen mehrere europäische Initiativen, die es sich zum Ziel gesetzt haben, den Mittelstand zu stärken. Europa hat den Mittelstand längst in den politischen Fokus gerückt.

„Think Small First“ - ein (un)verbindliches Prinzip Ein aus Sicht kleiner und mittlerer Unternehmen wichtiger Meilenstein soll der so genannte Small Business Act (Gesetz für Kleinbetriebe) werden. Der Name lehnt an das Mittelstandsgesetz an, mit dem der US-Kongress 1953 eine eigene Mittelstandsbehörde ins Leben rief, die mit der Verwaltung der Förderung für kleine und mittlere Unternehmen und der Überwachung der Einhaltung von verbindlichen Quoten für sie betraut ist. Doch im Gegensatz zu dem rechtsverbindlichen US-Modell ist der europäische Small Business Act eine Art Grundsatzdokument. Kernaspekt ist das so genannte „Think Small First“-Prinzip: Gesetze sind so zu gestalten, dass sie vor allem von kleinen Betrieben umgesetzt werden können. Dieses Prinzip sei „politisch verbindlich“, beteuert



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die Europäische Kommission. Doch die Schwierigkeiten bei der Umsetzung einer besseren Rechtsetzung fangen oft schon bei der Kommission selbst an. Anstatt weniger Gesetze legt die Behörde immer neue legislative Vorschläge vor.

25 Prozent weniger Verwaltungslasten bis 2012 Untersuchungen zufolge verwenden die Geschäftsführer der innovativsten deutschen Unternehmen rund ein Drittel ihrer Arbeitszeit mit dem Verfolgen von Innovationsprozessen. Übermäßige Bürokratie hemmt den Innovationsprozess. Kann sich ein Unternehmen voll und ganz auf sein Innovationsziel konzentrieren oder geht zu viel Zeit für die Erfüllung bürokratischer Pflichten verloren? Die Europäische Kommission geht davon aus, dass ein kleines oder mittleres Unternehmen durchschnittlich bis zu zehn Euro pro Mitarbeiter für Bürokratiepflichten aufwendet, während diese Lasten bei Großunternehmen nur rund einen Euro ausmachen. Die EU hat sich daher das Ziel gesetzt, bis 2012 die Verwaltungslasten für Unternehmen um 25 Prozent zu reduzieren. Das Ansinnen ist gut, der Erfolg aber oft schwer zu überprüfen. Oft liegt das Problem weniger auf europäischer als vielmehr auf nationaler Ebene, wenn Mitgliedstaaten bei der Umsetzung von EU-Recht „draufsatteln“. Die Kommission hat 41 europäische Rechtsakte untersucht, die insgesamt 340 verschiedene Informationspflichten beinhalten. Die Mitgliedstaaten haben diese Rechtsakte durch 6.000 nationale, regionale und lokale Informationspflichten umgesetzt. In vielen Fällen gehen die nationalen Pflichten über die europäischen Anforderungen hinaus. In manchen Mitgliedstaaten müssen Unternehmen, die gefährliche Substanzen verwenden, diese bei bis zu sechs verschiedenen Behörden melden. Einem Unternehmer, der einen Großteil seiner Arbeitszeit mit Berichtspflichten zubringt, fehlen Kapazitäten für das eigentliche Geschäftsziel. Deutschland hat das Ziel aufgegriffen und will alle Informationspflichten für Unternehmen bereits bis 2011 um ein Viertel reduzieren.

Innovative Finanzierungsformen fördern Ein weiteres Innovationshemmnis des Mittelstands ist der Mangel an geeigneten Finanzierungsinstrumenten. Besonders deutsche Mittelständler verfügen im internationalen Vergleich über eine geringe Eigenkapitalquote. Im Frühjahr dies Jahres 2008 verfügte weniger als ein Drittel der deutschen Mittelständler über weniger als zehn Prozent haftendes Eigenkapital. Die geringe Eigenkapitaldeckung hat Auswirkungen auf die Qualität des Bank-Ratings und erschwert die Fremdkapitalbeschaffung. Auch die Kredit- und Finanzmarktkrise schlägt auf den Mittelstand durch.

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Einer Untersuchung von Creditreform zufolge ist es in jüngster Zeit schwieriger geworden, an Finanzmittel zu kommen. Innovative Unternehmen sind aber besonders in ihrer Start- und Wachstumsphase auf externe Finanzierungsformen angewiesen. Wenn Banken in der Gründungsphase häufig zurückhaltend agieren, bedarf es kompetenter privater Investoren. Diese sind allerdings Mangelware in Europa. Die Investitionen von Business Angels in Europa beispielsweise werden auf weniger als zehn Prozent derer in den Vereinigten Staaten geschätzt. Die zehnjährige Rendite auf Wagniskapitalinvestitionen ist in den USA mehr als viermal so hoch. Die Europäische Union wird zur Verbesserung des Zugangs des Mittelstands zu Finanzmitteln in den kommenden Jahren mehrere Milliarden Euro aufwenden. Für das Rahmenprogramm für Wettbewerbsfähigkeit und Innovation sind bis 2013 insgesamt 3,6 Milliarden Euro vorgesehen. Mit diesem Geld soll unter anderem in private Risikokapitalfonds investiert und Kreditgarantien unterstützt werden. 40 Millionen Euro sind für einen so genannten Microfund vorgesehen, der die Schaffung eines europäischen Marktes für Kleinstkredite für kleine und mittlere Unternehmen unterstützen soll.

Europäische Kooperationen fördern Wer Innovationen auf den Markt bringen will, benötigt gute Netzwerke. Für viele Mittelständler gehören daher Kooperationen mit Wettbewerbern, Universitäten und Forschungseinrichtungen längst zur Praxis. Die EU-Kommission fördert diese Kooperationen im Binnenmarkt. Mit dem Enterprise Europe Network steht den Unternehmen in jedem Mitgliedstaat eine Anlaufstelle zur Verfügung, die bei der Suche nach geeigneten Kooperationspartnern – gegebenenfalls für Kooperationen im Zusammenhang mit dem Forschungsrahmenprogramm – hilft. Eine Chance bietet auch das neue Europäische Technologieinstitut in Budapest. Ziel des Instituts ist die Vernetzung und ein Ausbau der Kooperationen von exzellenten europäischen Universitäten mit der Wirtschaft. Als die rechtlichen Grundlagen für dieses neu zu schaffende Institut gelegt wurden, hat das Europäische Parlament stets eine angemessene Einbindung des Mittelstands gefordert. Im Fokus des Instituts soll vor allem die angewandte Forschung in Zusammenarbeit mit der Industrie und dem Mittelstand stehen. Schließlich setzt die EU im Rahmen bestehender und neuer Förderprogramme darauf, die Innovationskraft von kleinen und mittleren Unternehmen weiter auszubauen. Hier ist in erster Linie an das Rahmenprogramm für Wettbewerbsfähigkeit und Innovation (CIP) und das 7. Forschungs-



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rahmenprogramm zu denken. Nicht zuletzt auf Initiative des Europäischen Parlaments sollen beim Forschungsrahmenprogramm 15 Prozent der Mittel im Bereich der anwendungsorientierten Forschung an kleine und mittlere Unternehmen gehen. Dies entspricht bis 2013 mindestens 4,8 Milliarden Euro. Die Ergebnisse nach der ersten Auswahlrunde sind viel versprechend, die Teilnahme von kleinen und mittleren Unternehmen hat die Erwartungen deutlich übertroffen. Darüber hinaus werden bis 2013 gezielt 1,3 Milliarden Euro für Unternehmen bereitgestellt, die bisher keine oder nur sporadische Forschungsaktivitäten aufweisen konnten. Dieser Programmteil bietet den großen Vorteil, dass auch die kleinen und mittleren Unternehmen, die bislang wenig aktiv im Bereich Forschung und Innovation sind, die Zusammenarbeit mit der Wissenschaft suchen können, um bestehende Produktideen besser fortzuentwickeln.

Geistiges Eigentum schützen Viele mittelständische Unternehmen meiden Kooperationen aus Sorge um den angemessenen Schutz ihres geistigen Eigentums – insbesondere bei grenzüberschreitender Zusammenarbeit. Das Institut für Mittelstandsforschung Bonn fand heraus, dass sich lediglich jedes fünfte neu gegründete High-Tech-Unternehmen um eine Patentierung der eigenen Innovation bemüht. Begründet wird dies sowohl mit der rasanten Technologieentwicklung, aber auch mit den hohen Kosten einer Patentanmeldung. Ein europäisches Patent, dessen Schutzrechte in sechs Ländern gelten, kostete bislang durchschnittlich 32.000 Euro. Ein Großteil dieser Kosten entsteht durch die erforderlichen Übersetzungen des Patents. Viele Klein- und Mittelbetriebe verzichten aus diesem Grund auf einen Patentschutz. Seit Mai dieses Jahres gilt das Londoner Protokoll zum Europäischen Patentübereinkommen. Durch das Londoner Protokoll werden Patentanmeldungen einfacher, weil Patente nicht mehr in jede Landessprache übersetzt werden müssen. In den zwölf Staaten, die das Londoner Abkommen ratifiziert haben, genügt es in Zukunft, wenn die Patentschrift in einer der offiziellen Amtssprachen (Deutsch, Englisch, Französisch) vorliegt. Für innovative Firmen bedeutet dies eine enorme Kostenentlastung. Für Europa könnte dies ein Anreiz sein, einen neuen Anlauf für ein kosteneffizientes, vernünftiges Gemeinschaftspatent zu unternehmen. Die französische EU-Ratspräsidentschaft hat bereits angekündigt, sich um Fortschritte beim Gemeinschaftspatent zu bemühen.

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Ausblick Angesichts des enormen volkswirtschaftlichen Potenzials muss ein Kernanliegen europäischer wie deutscher Politik sein, die Innovationsfähigkeit kleiner und mittlerer Unternehmen weiter zu verbessern. Die skizzierten Maßnahmen der Europäischen Union können dazu einen wichtigen Beitrag leisten, die Rolle des Mittelstands als Schlüsselakteur des Innovationssystems auszubauen. Bereits heute ist in Europa ein Innovationssystem ohne den Mittelstand undenkbar!



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Edelgard Bulmahn MdB Förderung von Innovationen – eine politische Querschnittsaufgabe

In den entwickelten Industriestaaten wie Deutschland beschäftigt uns derzeit eine Frage mehr als alle anderen. Wie und womit wollen wir in Zukunft Arbeit Wohlstand und den sozialen Ausgleich sichern? Neben dieser Frage stehen wir vor zusätzlichen Herausforderungen wie dem dramatischen Klimawandel, dem weltweit steigendem Bevölkerungswachstum und dem sich verschärfenden globalen Wettbewerb. Im Sinne der Menschen – nicht nur in unserem Land – werden wir diese Herausforderungen nur durch Innovationen bewältigen können. Herausragende Leistungen in Wissenschaft und Forschung entscheiden über die Zukunft moderner Industriegesellschaften. Innovationen sind das Lebenselixier unserer Gesellschaft und die entscheidenden Wirtschaftsmotoren in unserem Land. Die Erfahrungen der letzten Jahre zeigen, dass neue Arbeitsplätze vor allem in wissensintensiven und damit innovativen Unternehmen und Wirtschaftsbereichen entstanden sind. Sie zeigen auch, dass es ohne Innovationen zum Stillstand und damit zum Rückschritt kommt. Für Joseph A. Schumpeter, den Vater der Innovationsforschung, setzen gelungene Innovationen immer die Zerstörung des Alten und Bekannten voraus. Nur so kann sich das Neue behaupten. Genau diese Erfahrungen machen viele Unternehmen mit ihren Produkten, Verfahren und Dienstleistungen. Sie müssen sich im Wettbewerb gegen etablierte Mitbewerber am Markt durchsetzen. Innovationen sind dabei nicht nur technischer, sondern auch sozialer Natur und stellen immer auch einen sozialen Prozess dar. So lassen sich als Innovationen nicht nur Technologien, Produkte und technische Verfahren beschreiben, sondern auch neue und veränderte Arbeitsorganisationen und Dienstleistungen, mit denen neue Märkte erschlossen und zukunftssichere Arbeitsplätze geschaffen werden. Grundlegende Innovationen gehen so oft mit einer Debatte um Qualitätsziele und ethische Normen und Werte einher.

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Schlüsselfaktoren Wissen und Kreativität Bei der Gestaltung von Produktion, Warenverkehr und Dienstleistung sind Wissen und Kreativität die entscheidenden Schlüsselfaktoren. Wissen wird in einem wachsenden Maß zu einem konstitutiven Moment moderner Volkswirtschaften und Gesellschaften. Entscheidend dabei ist nicht ein abstraktes oder formelles Wissen, sondern dessen innovative Einbeziehung in Produktions- und Organisationsprozesse. Dies führt letztlich nicht zu einer Ablösung der Industriegesellschaft durch die Dienstleistungsgesellschaft, sondern zu einer immer stärkeren wechselseitigen Durchdringung der beiden Bereiche. Angesichts des rasch anwachsenden, weltweit verfügbaren Wissens und der sich ungeheuer beschleunigenden Erneuerung des Wissens, wachsen die Anforderungen an die Steuerungsfähigkeit von Politik und Gesellschaft ebenso wie an die individuelle Bereitschaft und Fähigkeit zu Veränderung und Weiterbildung. Wenn wir auf die Situation in Deutschland blicken, so können wir nicht ohne Stolz feststellen, dass die technologische Leistungsfähigkeit in unserem Land hoch ist. Deutsche Unternehmen zählen weltweit zu den innovativsten und tragen neben den Hochschulen und Forschungseinrichtungen dazu bei, dass Wissenschaft und Forschung in unserem Land zur Weltspitze gehören. Gerade die Produktion in den forschungsintensiven Wirtschaftszweigen wächst deutlich schneller als in anderen Sektoren. Der Anteil unserer Exporte am Bruttoinlandsprodukt ist mit 34,8 Prozent weit höher als in jedem anderen Industriestaat. Deutschland ist seit Jahren sowohl insgesamt als auch bei den forschungsintensiven Gütern Exportweltmeister. Im Jahr 2005 erzielte die deutsche Wirtschaft einen Außenhandelsüberschuss bei FuE-intensiven Waren von 164 Milliarden Euro und ist damit hinter Japan der zweitgrößte Nettotechnologieexporteur. Dies entspricht einem Anteil von acht Prozent am Bruttoinlandsprodukt. In keinem anderen der hoch entwickelten Industrieländer stammt ein so hoher Beitrag des Volkseinkommens aus dem Exportüberschuss im Handel mit FuE-intensiven Waren. Mit 288 weltmarktrelevanten Patenten je einer Million Erwerbstätiger liegen wir unter den großen Industrieländern nach Japan auf Platz sechs und damit noch vor den USA und deutlich über dem OECD-Durchschnitt.

Besser sein als die anderen Angesichts des wachsenden internationalen Konkurrenzdrucks können wir uns jedoch nicht selbstzufrieden zurücklegen. Mit Ländern wie China und Indien haben sich erfolgreiche Konkurrenten positioniert, die über den Bereich der Standardwaren hinaus die Märkte mit ihren Produkten erobern. Gerade die Volksrepublik China verstärkt ihre finanziellen Aufwendungen für Forschung



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und Entwicklung dauerhaft. Im Jahr 2005 lag deren Anteil am Bruttoinlandsprodukt zwar nur bei 1,5 Prozent. Mit 115,2 Milliarden US-Dollar gab China dafür jedoch doppelt so viel aus wie die Bundesrepublik. Wir werden auf diesem Hintergrund ein höheres Wohlstandsniveau nicht über die Konkurrenz auf dem Lohnsektor erreichen können. Wir müssen vielmehr besser sein als die anderen und im Innovationswettlauf die wichtigen Zukunftsmärkte erschließen. Nur so wird es uns gelingen, das Einkommensniveau zu halten und auszubauen, die Beschäftigung zu sichern und die Lebensbedingungen insgesamt zu verbessern. In Deutschland trägt insbesondere der Mittelstand mit seinen innovativen Zukunftstechnologien zu einer nachhaltigen wirtschaftlichen Entwicklung bei. Die 3,5 Millionen kleinen und mittelständischen Unternehmen in Handwerk, industriellem Gewerbe, Handel, Tourismus, Dienstleistungen und den Freien Berufen prägen die deutsche Wirtschaft. Fast 30.000 mittelständische Unternehmen betreiben kontinuierliche Anstrengungen im Bereich von Forschung und Entwicklung. Rund 110.000 Unternehmen bringen regelmäßig innovative Produkte und Dienstleistungen auf den Markt. Diese Ideen und der Erfindungsreichtum des Mittelstandes tragen in besonderem Maße zur internationalen Spitzenposition Deutschlands bei. Durch eine deutliche Erhöhung der mittelstandsorientierten und technologieoffenen Fördermittel stärkt die Bundesregierung die Innovationsfähigkeit des Mittelstandes. Für das Jahr 2009 werden durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie nochmals mehr Mittel in den Programmen für den innovativen Mittelstand zur Verfügung gestellt. Um diese Unternehmen optimal zu unterstützen und gleichzeitig den Kreis der Förderungsempfänger zu verbreitern, ist mit dem „Zentralen Innovationsprogramm Mittelstand“ (ZIM) ein transparentes, zielgenaues und leicht zugängliches Förderangebot geschaffen worden. In einem ersten Schritt wurden zum 1. Juli 2008 die Programme zur Kooperations- und Netzwerkförderung (Pro Inno II, InnoNet und NEMO) unter einem Dach zusammengefasst. Insbesondere das Programm „NEMO – Netzwerkmanagement-Ost“ hat bereits in Ostdeutschland die Netzwerkaktivitäten der kleinen und mittelständischen Unternehmen erfolgreich unterstützt und wird nun für Unternehmen in ganz Deutschland geöffnet. In einem zweiten Schritte wird ab Januar 2009 die bisher ebenfalls auf Ostdeutschland beschränkte einzelbetriebliche Förderung dazukommen und auch für das gesamte Bundesgebiet geöffnet werden. Es ist insgesamt notwendig, dass wir in Innovationen und deren Entstehung investieren und die bereits bestehenden Ressourcen intelligent nutzen. Deshalb muss gerade in der Forschungs-

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förderung an einer strategischen und zielgerichteten Ausrichtung festgehalten werden. Der Staat kann und will nicht festlegen, was sich auf den Märkten der Zukunft verkauft. Wir können nur gemeinsam mit Wirtschaft und Wissenschaft Felder ermitteln, die eine hohe Chance haben, die Innovationen von morgen zu liefern. Dies bedeutet konsequenterweise eine Konzentration der Projektförderung auf Bereiche, die neue Wachstumsfelder erschließen und auf Basistechnologien, die als Wachstumstreiber in vielen Branchen und insbesondere im Mittelstand wirken. Gerade junge und forschungsintensive Unternehmen sind der Motor des wirtschaftlichen Strukturwandels und des Transfers neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse in die ökonomische Wertschöpfung. Für diese Unternehmen sind die interne Kapitalbindung und externes Wachstumskapital überlebenswichtig. Von Seiten des Bundes haben wir in der vergangenen Legislaturperiode mit dem High-Tech-Gründerfonds der Kreditanstalt für Wiederaufbau sowie dem ERP-Innovationsprogramm wichtige Beiträge zur Mobilisierung von privatem Wagniskapital geschaffen.

Querschnittsaufgabe Bund, Länder und Gemeinden geben in Deutschland jährlich rund 260 Milliarden Euro, und damit zwölf Prozent des Bruttoinlandsproduktes, für öffentliche Aufträge aus. Dieses gewaltige Potenzial sollte besser als in der Vergangenheit für innovationsgerechte Beschaffungen und die Erschießung neuer Märkte eingesetzt werden. Erfolgreiche Wachstumszentren und neue Arbeitsplätze entstehen vor allem im Verbund von Weltmarktführern, kleinen innovativen Unternehmen und Forschungseinrichtungen. Gleichzeitig wird die Innovationskraft unseres Landes maßgeblich von leistungsstarken Regionen bestimmt. Dort laufen die Fäden von Wissenschaft und Wirtschaft zusammen, dort bündeln sich Kreativität und Kompetenz zu einer Kraft für neue Lösungen. Gerade regional müssen wir uns deshalb in ausgewählten Technologiefeldern stärker auf Clusterstrategien konzentrieren. Erfolgreiche Cluster sind zugleich attraktive Standorte für die Zuwanderung von hochqualifizierten Arbeitskräften und die Ansiedlung von neuen Unternehmen. Die Förderung von Innovationen darf sich nicht in der Forschungspolitik oder Wirtschaftsförderung erschöpfen. Sie muss als eine politische Querschnittsaufgabe verstanden werden, die auch die Gestaltung innovationsfreundlicher Rahmenbedingungen im gesamten Bereich der Gesetzgebung einschließt.



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Wesentliches Element der Mittelstandspolitik der Großen Koalition ist der Abbau bürokratischer Vorgaben. Dieser Bürokratieabbau schafft gerade für mittelständische Unternehmen neue Handlungsspielräume und erleichtert Investitionen und Innovationen. Mit bereits zwei sogenannten Mittelstandsentlastungsgesetzen konnten in den vergangenen Jahren unzählige Informations-, Berichts- und Erlaubnispflichten abgeschafft werden. Ein weiteres Gesetzesvorhaben soll noch in dieser Legislaturperiode folgen. Darüber hinaus führt die Einrichtung des Nationalen Normenkontrollrates zu einer deutlichen Entlastung der Wirtschaft von bürokratischen Vorschriften. Das Gremium überprüft Gesetzesvorhaben und geltende Rechtsvorschriften des Bundes auf ihre kostenrelevanten und bürokratischen Auswirkungen und legt bei Bedarf entsprechende Verbesserungsvorschläge vor.

Mehr Investition in Bildung Träger jedes Innovationsprozesses sind Menschen, ohne deren Kreativität, Wissen und Fertigkeiten gäbe es keine Innovationen. Verstärkte Forschungs- und Entwicklungsanstrengungen laufen ins Leere, wenn wir nicht über einen entsprechend ausgebildeten und hoch qualifizierten Nachwuchs verfügen. Wir müssen deshalb nicht nur die Qualität unseres Bildungssystems deulich steigern, sondern wir brauchen zugleich einen wesentlich höheren Anteil an Hochschulabsolventen, insbesondere in den natur- und ingenieurwissenschaftlichen Fächern. Um zu den erfolgreichen skandinavischen Ländern aufschließen zu können, ist es erforderlich, die Bildungsausgaben um rund 20 Milliarden Euro jährlich zu erhöhen. Gleichzeitig müssen Krippenplätze, Ganztagsschulen und Studienplätze ausgebaut sowie grundlegende Reformen im Schulwesen umgesetzt werden. Das innovative Deutschland entsteht überall dort, wo Menschen kreativ zusammenarbeiten, sich gemeinsam Ziele setzen und den notwendigen Elan entwickeln, diese Ziele mit Tatkraft und Engagement zu verwirklichen. Dies geschieht in besonderer Weise in kleinen und mittelständischen Unternehmen, die wir nicht zu unrecht als Schlüsselakteur in unserem Innovationssystem bezeichnen können. Wir haben es in der Hand, die direkten und indirekten Rahmenbedingungen für diese Unternehmen zu sichern und zu verbessern, um so durch Innovationen mehr Wachstum, mehr Beschäftigung und eine höhere Lebensqualität zu erreichen.

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Christine Scheel MdB Finanzpolitik für mehr Innovationen

Klimawandel als Innovationsmotor Der Klimawandel ist da. Die internationale Klimaforschung sagt übereinstimmend, dass die Erderwärmung auf höchstens zwei Grad begrenzt werden muss, um dramatische Folgen abzuwenden. Konkret bedeutet dies, dass bis 2050 die CO2-Produktion in den Industriestaaten um 80 Prozent reduziert werden muss. In Deutschland steht deshalb ein drastischer Umbau an. Bis 2020 muss der CO2-Ausstoß um mindestens 40 Prozent gegenüber 1990 reduziert werden, um den deutschen Beitrag zu leisten. Die hierzulande bereits eingeleitete Energiewende wird deshalb in allen Branchen Platz greifen. Energieeinsparung, mehr Energieeffizienz und Ausbau der erneuerbaren Energien werden alle Lebens- und Wirtschaftsbereiche durchdringen. In diesem Umbau liegt eine große Chance für mittelständische Unternehmen aller Branchen, durch Innovationen am zukünftigen Wachstum teilzuhaben. Innovationen sind die Triebfedern für nachhaltiges Wachstum und damit für Wertschöpfung und zukunftsfähige Arbeitsplätze. Claudia Kemfert, Professorin an der Humboldt-Universität, schätzt, dass allein im Bereich alternative Energien langfristig rund eine Million Arbeitsplätze entstehen werden. Diese Chancen müssen genutzt werden! Der Standort braucht mehr Unternehmen, die hierzulande forschen und in die Entwicklung und Vermarktung ihrer Produkte investieren.

Attraktives Umfeld für Innovationen schaffen Auf mehr Innovation zielt auch die Lissabon-Strategie der Europäischen Kommission. Bis zum Jahr 2010 soll sich die Union zum wettbewerbsfähigsten und dynamischsten wissensbasierten Wirtschaftsstandort der Welt entwickeln. Auch wenn die im Jahr 2005 neuformulierte und stärker auf Wachstum und Arbeitsplätze zugespitzte Lissabon-Strategie dieses Ziel nicht mehr explizit enthält, bleiben zentrale Entwicklungsfaktoren wie verstärkte Investitionen in Forschung und Entwicklung (FuE) weiter auf der europäischen Agenda. Diese Investitionen sollen bis zum Jahr 2010 auf drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) ansteigen, sogenanntes „Barcelona-Ziel“. Der Löwenanteil – nämlich zwei Prozent des BIP – soll dabei aus der Privatwirtschaft kommen. Ein Drittel finanzieren Bund und Länder.



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Deutschland hat vor allem mit der Hightech-Strategie Maßnahmen beschlossen, die zu einer Erhöhung der FuE-Ausgaben von Staat und Wirtschaft führen sollen. Während die EU mit einer FuE-Intensität von 1,85 Prozent für das Jahr 2006 noch relativ weit vom Barcelona-Ziel entfernt ist, liegt der Wert für Deutschland mit 2,51 Prozent verhältnismäßig nahe an der Drei-ProzentZielvorgabe. Auch die FuE-Ausgaben der Wirtschaft liegen mit 1,76 Prozent des BIP für das Jahr 2005 nur relativ knapp unterhalb des Zielwerts von zwei Prozent. Dies bedeutet aber trotzdem für die deutschen Unternehmen 12 Mrd. Euro Zusatzinvestitionen in FuE . An diesem Punkt setzen politische Überlegungen ein, wie der Innovationsprozess in der Wirtschaft gestärkt werden könnte, beziehungsweise welche Hindernisse beseitigt werden müssen. Auch die EU-Kommission sieht, dass Forschung und Entwicklung über mehr Wachstum und höhere Produktivität einen breiteren gesellschaftlichen Ertrag erbringen als er sich in der betriebswirtschaftlichen Rendite des einzelnen Unternehmens widerspiegelt, und schlägt deshalb eine Kombination von öffentlichen Fördermaßnahmen wie Zuschüssen, steuerlichen Anreizen und verschiedenen Mechanismen der Risikoteilung vor. Insbesondere die Verbesserung der Finanzierungsbedingungen für innovative Unternehmen hatte sich die deutsche Politik in die Agenda geschrieben. Und mit Grund, denn entgegen manchem Unkenruf ist Forschung hierzulande durchaus attraktiv: Nach den USA und Japan belegen die Deutschen einen Spitzenplatz bei der Anmeldung von Patenten. Auch die Infrastruktur für den Technologietransfer schneidet international gut ab. Wenn es allerdings um die Finanzierung geht, um diese Forschungsergebnisse zu marktfähigen Produkten und Verfahren weiter zu entwickeln, haben innovative Unternehmen hierzulande häufig Schwierigkeiten. In Kalifornien, in Silicon Valley, wird im Laufe eines Monats mehr Risikokapital in neue Ideen investiert als in der ganzen Bundesrepublik in zwei Jahren. Sogar im europäischen Vergleich schneidet Deutschland schlecht ab. Gemessen am Bruttoinlandsprodukt werden nur etwa halb so viele Wagniskapitalfinanzierungen getätigt wie im europäischen Durchschnitt. Hier liegt wertvolles Potenzial brach. Forschung ist ein Prozess mit offenem Ausgang. Nicht jede „geniale“ Erfindung erobert die Welt und zahlt sich in barer Münze für den Erfinder aus. Das damit einhergehende hohe Risiko macht es besonders wichtig, dass Innovationen auf gute Realisierungsbedingungen am Standort stoßen. Das bedeutet, qualifiziertes Fachpersonal, eine überschaubare Bürokratie und nicht zuletzt gute Finanzierungsbedingungen für Innovationen.

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Gefahren für den Innovationsstandort gehen auch vom stagnierenden Bildungsniveau und geringer Weiterbildung aus. Das hat die Expertenkommission Forschung und Innovation (EFI) in ihrem Gutachten zu Forschung, Innovation und technologischer Leistungsfähigkeit 2008 eindeutig festgestellt. In Deutschland herrscht mancherorts ein regelrechter Ingenieur- und Fachkräftemangel. Dies wird zunehmend zu einer Gefahr für die wirtschaftliche Entwicklung. Um mehr und bessere Bildung zu finanzieren, fordern die Grünen den Solidaritätszuschlag in einen „Bildungssoli“ umwandeln. In den Jahren ab 2010 sollen die Solidarpakt-Zahlungen an die neuen Länder nach bisheriger Planung des Bundes nach und nach abgeschmolzen und Ende 2019 abgeschafft werden. Die dadurch freiwerdenden Solidaritätszuschlag-Einnahmen sollen zum Teil zur Entschuldung armer Bundesländer und Gemeinden und zu einem anderen Teil für Bildungsinvestitionen ausgegeben werden. Zwischen 2010 und 2019 stünden für beides zusammen insgesamt etwa 55 Milliarden Euro zur Verfügung. Angesichts des Fachkräftemangels und der demographischen Entwicklung war es geradezu fahrlässig, dass die Bundesregierung die Bedeutung weiterer Forderungen, wie den Zuzug ausländischer Fachkräfte zu erleichtern, lange Zeit schlicht ignoriert hat. Mit dem erst im Sommer 2008 eingebrachten Arbeitsmigrationssteuerungsgesetz werden einige der Versäumnisse repariert, beispielsweise wird die Einkommensschwelle für einen erleichterten Zuzug von Hochqualifizierten von 85.000 auf 63.600 Euro pro Jahr abgesenkt, und einige Hürden für den Zugang qualifizierter Zuwanderer und ausländischer Absolventen deutscher Hochschulen werden gesenkt. Dies ist aber nur ein Tropfen auf den heißen Stein, denn bisher verlassen 80 bis 95 Prozent der ausländischen Hochschulabsolventen Deutschland unmittelbar oder kurz nach Studienabschluss, weil ihre Aufenthaltsgenehmigungen auslaufen. Allerdings, auch dass neue Arbeitsmigrationssteuerungsgesetz ist nur Flickschusterei und keine adäquate Lösung für das Fachkräfteproblem. Statt die volle Arbeitnehmerfreizügigkeit so schnell wie möglich herzustellen, beschränkt sich die Bundesregierung wieder nur auf stückweise Erleichterungen für Hochqualifizierte. Die Bundesregierung verpasst erneut die Chance, ein wirklich modernes Zuwanderungsrecht zu schaffen. Die Grünen fordern hier die Einführung eines Punktesystems nach amerikanischem beziehungsweise kanadischem Vorbild, das breiter greift, also den Menschen mehr Handlungsspielraum lässt und gleichzeitig eine gewisse Passgenauigkeit der Zuwanderung mit den qualifikationsseitigen Erfordernissen des Arbeitsmarktes sichert.



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Gute Finanzierungsbedingungen für Innovationen – Bestandaufnahme und grüne Vorschläge

1. Mittelstandslücke bei der Unternehmensteuerreform 2008 Zu den Unternehmen, die regelmäßig FuE betreiben, gehört neben forschenden Großunternehmen der innovative Mittelstand, insbesondere in den forschungsintensiven Branchen des verarbeitenden Gewerbes (etwa im Maschinenbau, aber genauso in anderen Branchen wie dem Elektroniksektor oder der chemischen und pharmazeutischen Industrie). Die forschenden Unternehmen haben einen zwar gemessen an der Gesamtheit der Unternehmen relativ kleinen, aber für die Dynamik der Gesamtwirtschaft bedeutsamen Anteil. Beim Innovationsverhalten kleinerer und mittelständischer Unternehmen spielt die Eigenkapitalausstattung eine wesentliche Rolle. Vor diesem Hintergrund lohnt ein Blick auf die Auswirkungen der ab dem Jahr 2008 in Kraft getretenen Unternehmenssteuerreform und ihrer Wirkungen auf investierende und innovative Unternehmen. Schon im Verlauf der parlamentarischen Beratungen zur Unternehmensteuerreform zeichnete sich deren Mittelstandslücke deutlich ab. So kritisierten die Sachverständigen bereits bei der öffentlichen Expertenanhörung, dass die begünstigte Besteuerung einbehaltener Gewinne und der neue Investitionsabzugsbetrag nur für einen Teil der kleinen und mittelständischen Unternehmen attraktiv sind. Der Zentralverband des Deutschen Handwerks schätzte diesen Anteil auf etwa zwölf Prozent. Schon zum damaligen Zeitpunkt war klar, dass die Gegenfinanzierung der Reform aber zu 100 Prozent inländische mittelständische Unternehmen belastet; unter anderem mit der Abschaffung der degressiven Abschreibung und der rabiaten Kürzung der Sofortabschreibungen. Zwischen diesen Ent- und Belastungen des Mittelstandes klafft eine große Lücke. Hoch problematisch ist auch und gerade für die mittelständischen Unternehmen ohne große Steuerabteilung, dass Rechtssicherheit, Vereinfachung und Planungssicherheit auf der Strecke geblieben sind. Dazu kam es, weil die Bemessungsgrundlage der Unternehmenssteuern durch ein Sammelsurium verschiedener Maßnahmen völlig unsystematisch verbreitert wurde, zum Beispiel durch die hoch umstrittene so genannte Zinsschranke. Durch diese unsystematischen Maßnahmen zur Sicherung der Gegenfinanzierung der Reform wird das Steuerrecht deutlich komplizierter. Bürokratische Lasten für Unternehmen und Finanzverwaltung steigen stark an. Die

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neuen Regeln halten zahlreiche Fußangeln für die Steuerpflichtigen bereit. Darüber hinaus wird die deutliche Privilegierung der Fremdfinanzierung die Eigenkapital-Basis des Mittelstands dramatisch verschlechtern. Ein Experte bezeichnete die Reform im Verlauf der öffentlichen Sachverständigenanhörung dann auch folgerichtig als „High-Tax-Initiative“ für im Inland forschende und investierende Unternehmen.

1.1 Steuersätze für Kapitalgesellschaften runter – für Personenunternehmen rauf Für Kapitalgesellschaften, vor allem Aktiengesellschaften und GmbH, sinken die Unternehmenssteuersätze um gute neun Prozentpunkte auf rund 30 Prozent. Mit Blick auf den internationalen Standortwettbewerb ein sehr begrüßenswerter Schritt. Der Standort Deutschland ist mit dem gesenkten Steuersatz gut im westeuropäischen Mittelfeld positioniert. Für den Mittelstand geht es allerdings aufwärts mit den Steuersätzen. Von knapp 46 Prozent Steuern für Personenunternehmen, inklusive Gewerbesteuer und Solidaritätszuschlag, auf etwa 47½ Prozent. Falls die neue GewinnRücklage genutzt wurde, werden im Endeffekt sogar über 48 Prozent des Gewinnes zukünftig an den Fiskus fließen. Es ist schon erstaunlich, dass die Union, die in Oppositionszeiten immer für eine weitere Entlastung des Mittelstandes gestritten hat, ein Gesetz mitgetragen hat, das den Mittelstand höher belastet.

1.2 Mittelstandskomponente kompensiert Mehrbelastung nicht Um den höheren Steuersätzen für Personenunternehmen auszuweichen, gibt es eine neue, mit knapp 30 Prozent besteuerte Gewinn-Rücklage. Derzeit zahlen aber 90 Prozent der Personengesellschaften effektiv weniger als 30 Prozent Steuern, wie Daten des Deutschen Industrie- und Handelskammertages zeigen. Das heißt, neun von zehn Unternehmen profitieren nicht von der Gewinn-Rücklage. Für die kleineren Unternehmen blieb unter dem neuen Namen „Investitionsabzugsbetrag“ die altbewährte Ansparrücklage plus Abschreibungen bestehen. Bisher wurde die alte Ansparrücklage von ca. 150.000 Unternehmen genutzt, das entspricht etwa fünf Prozent der Unternehmen. Der Investitionsabzugsbetrag ist jetzt grundsätzlich einem etwas größeren Kreis von Unternehmen zugänglich, was ein richtiger Schritt ist. Es ist dennoch nicht wahrscheinlich, dass deutlich mehr Unternehmen als bisher den Investitionsabzugsbetrag nutzen werden, denn die Inanspruchnahme wurde unter dem Vorzeichen der Missbrauchsbekämpfung zum Teil restriktiver gestaltet. Insgesamt lässt sich sagen, dass die große Mehrheit der Personenunternehmen von diesen beiden Maßnahmen nicht profitieren wird.



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Die Mittelstandskomponente kann damit die Abschaffung der degressiven Abschreibungen und die drastische Reduzierung der Sofortabschreibungsmöglichkeiten auf magere 150 Euro bei weitem nicht kompensieren. Auch wirtschaftspolitisch ist die Kürzung der Abschreibungen nicht sinnvoll, denn diejenigen werden bestraft, die hierzulande in Maschinen und Ausrüstungen investieren und Arbeitsplätze schaffen. Außerdem lösen die zusammengeschrumpften Sofortabschreibungen erheblichen bürokratischen Mehraufwand für die betroffenen Unternehmen aus. Auch hier fand eine 180-Grad-Wendung der Unions-Politik statt, die in Oppositionszeiten sogar eine Verdopplung der Grenze für die Sofortabschreibung geringwertiger Wirtschaftsgüter auf 800 Euro gefordert hatte.

1.3 Desaster für innovative Unternehmen Der beschleunigte Wegfall von Verlustvorträgen, neue Bürokratie, steuerliche Belastungen von Forschung und Entwicklung und die massive steuerliche Diskriminierung von Eigenkapitalfinanzierungen schädigen den Innovationsstandort. 1.3.1 Verschärfung beim Mantelkauf Ebenfalls Teil der Gegenfinanzierung der Unternehmenssteuerreform ist die deutlich striktere Behandlung von Verlustvorträgen beim Eigentümerwechsel. Die aufgelaufenen Verlustvorträge gehen nun komplett verloren, wenn mehr als die Hälfte der Unternehmensanteile innerhalb von fünf Jahren von einem Erwerber übernommen werden. Das gilt auch für Kapitalerhöhungen. Bei einer Beteiligung von mehr als 25 Prozent und weniger als 50 Prozent am Unternehmen gehen die aufgelaufenen Verlustvorträge anteilig verloren. Was zur Missbrauchsbekämpfung durchaus sinnvoll sein kann, ist für innovative Start-up ein Desaster. Denn diese haben häufig hohe Verlustvorträge und einen sich schnell ändernden Investorenkreis. Die Unternehmen brauchen Liquidität, um sich schnell entwickeln zu können. Gerade junge innovative Unternehmen müssen atmen können. Die Gefahr einer Besteuerung ihrer Substanz sollte deshalb absolut ausgeschlossen werden. 1.3.2 Besteuerung des Gewinnpotenzials, wenn „Funktionen“ ins Ausland verlagert werden Die Probleme mit Funktionsverlagerungen sind zweifellos vorhanden, werden aber mit der Besteuerung falsch angegangen. Der Gedanke hinter der Regelung ist klar: Bei der Verlagerung von „Funktionen“ (also Abteilungen) ins Ausland wird das „Gewinnpotenzial“ errechnet und dann in Deutschland vor der Verlagerung versteuert, um zu verhindern, dass Forschungskosten in Deutsch-

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land steuermindernd geltend gemacht werden können, die Forschungsergebnisse aber im Ausland gewinnbringend und weit weg vom Steuerstandort Deutschland an den Märkten umgesetzt werden. Allerdings ist die Umsetzung dieser Neuregelung sehr kompliziert und verwaltungsaufwändig. Hinzu kommt, dass die Verlagerung der Forschung und Entwicklung ins Ausland angereizt wurde. Denn vor allem flexible international agierende Unternehmen könnten dieser Versteuerung entgehen, indem sie von vorneherein die gesamte Forschungsabteilung mit ihrem „Gewinnpotenzial“ ins Ausland verlegen. Das ist der falsche Weg. Wir dürfen unsere Innovationspotenziale nicht verlieren, sondern sollten alles tun, diese zu aktivieren und ihnen genug Entfaltungsmöglichkeiten bieten. Bislang wird hier in Deutschland geforscht und oft im Ausland produziert. Die Entwicklung des Fax-Geräts, des MP3-Players oder des Hybrid-Antriebs sind eingängige Beispiele dafür. Hier muss etwas geschehen. In Zukunft sollten wir es uns nicht mehr leisten, Innovationen und damit Märkte, Wachstumsdynamik und Arbeitsplätze abzugeben. 1.3.3 Abgeltungssteuer benachteiligt Eigenkapitalfinanzierung: Wer investiert, wird bestraft Nicht die Idee, sondern die Art und Weise der Ausgestaltung der Abgeltungssteuer wird dem Innovationsstandort schweren Schaden zufügen. Die für risikoreiche Innovationen typische Eigenkapitalfinanzierung wird gegenüber Fremdkapitalfinanzierungen steuerlich massiv benachteiligt. Auf Zinsen müssen nur 25 Prozent Steuern gezahlt werden, auf Dividenden fast 50 Prozent. Die inländischen Finanzierungsquellen von Wagnis- und Beteiligungskapital werden systematisch ausgetrocknet. Durch die schlechte Verzahnung von Abgeltungssteuer und Unternehmensbesteuerung werden Beteiligungsfinanzierungen ab 2009 der steuerlich unattraktivste Finanzierungsweg sein. Der Sachverständigenrat sieht eine „massive steuerliche Diskriminierung“ und befürchtet, dass „Investitionen speziell in junge Unternehmen eingeschränkt werden“. So wie sie jetzt ist, kann die Abgeltungsteuer also nicht bleiben. Ein erneuter grundlegender Systemwechsel würde allerdings mehr Schaden anrichten als nutzen, denn Gesetzesänderungen in immer kürzeren Abständen verunsichern und erschweren längerfristige Planungen. Die Bürgerinnen und Bürger erwarten eine verlässliche Steuerpolitik. Lässt das Vertrauen in die Politik nach und nimmt die Transparenz des Steuersystems durch häufige Kurswechsel weiter ab, kann dies negative Auswirkungen auf Investitionsklima und Steuermoral haben. Deshalb wollen die Grünen die Abgeltungsteuer reformieren, indem sie sie einfacher, unbürokratischer und in ihrer Wirkung gleichmäßiger ausgestalten. Die negativen Wirkungen der Abgeltungssteuer könnten beispielsweise gemildert werden, indem auf Dividenden und Veräußerungsgewinne nur der halbe Steuersatz angewendet wird.



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2. Gesetz zur Modernisierung der Rahmenbedingungen für Kapitalbeteiligungen bleibt ein halbherziger Reparaturversuch Angesichts der mit der Unternehmenssteuerreform selbstgeschaffenen Probleme für innovative Unternehmen versuchte die große Koalition mit dem Gesetz zur Modernisierung der Rahmenbedingungen für Kapitalbeteiligungen die gröbsten Fehler wieder rückgängig zu machen – dies gelang allerdings nur teilweise. Unverständlich und völlig willkürlich sind schon die Abgrenzungskriterien für die Förderung gewählt: Eingrenzungen sind zwar verständlich, aber warum ist ein Unternehmen innovativ und damit förderwürdig, nur weil es unter zehn Jahre alt ist und weniger als 20 Mio. Euro Eigenkapital besitzt, zumal ca. 50 Prozent der wagniskapitalfinanzierten Unternehmen mehr als diese vorgeschriebenen maximal 20 Millionen Euro Eigenkapital haben? Auch der Bundesverband Deutscher Kapitalbeteiligungsgesellschaften (BVK) sprach von nur sieben Mitgliedern, die Interesse geäußert hätten, eine Wagnisgesellschaft nach dem neuen Gesetz zu gründen. Die Bundesrepublik wird so kein attraktiver Standort für Wagniskapitalgesellschaften werden. Es besteht die Gefahr, dass sich die Fonds weiterhin im Ausland ansiedeln. Entscheidend für die Förderung sollte deshalb sein, wie viel Forschung und Entwicklung ein Unternehmen tatsächlich betreibt. So könnte beispielsweise die Innovativität als Verhältnis der Forschungsausgaben zum Umsatz gemessen werden. Das wäre viel zielgenauer. Auch die Übertragbarkeit von Verlustvorträgen als Kern des Gesetzes ist unzureichend. Die Streckung auf fünf Jahre, bis der volle Verlustvortrag zur Verfügung steht, kann für kapitalintensive Unternehmen, zum Beispiel in der Biotechnologie problematisch werden. Notwendig wäre es, dass Verlustvorträge bei innovativen Unternehmen voll erhalten bleiben, auch wenn neue Investoren einsteigen. Die Nachteile für junge innovative Unternehmen aus der Unternehmenssteuerreform werden also nicht im vollen Umfang rückgängig gemacht. In diesem Zusammenhang muss auch berücksichtigt werden, dass bei den Verlustvorträgen die Mindestbesteuerung greift, wonach nicht ausgeglichene negative Einkünfte in den folgenden Veranlagungszeiträumen nur jeweils bis zu einem Gesamtbetrag der Einkünfte von 1 Mio. Euro unbeschränkt und darüber hinaus bis zu 60 Prozent des 1 Mio. Euro übersteigenden Betrags abgezogen werden können. Deshalb fordern die Grünen darüber hinaus, dass auch die Mindestbesteuerung für mit Wagniskapital finanzierte Unternehmen nicht greifen soll. Gerade im Hochtechnologiebereich muss viele Jahre verlustreich investiert werden, bevor ein innovatives Unternehmen Gewinne macht. Verluste dieser Unternehmen

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sollen deshalb zeitlich und in der Höhe unbeschränkt vorgetragen und mit Gewinnen verrechnet werden können. Ein Fehler ist es auch, dass mit dem Gesetz die Besteuerung des Carried-Interest der Fondsinitiatoren verschärft wird. Diese steuerlichen Rahmenbedingungen sind von großer Bedeutung, denn hier geht es darum, den Standort für Wagniskapitalgeber attraktiver zu machen. Denn ob ein innovatives Unternehmen in der Frühphase Kapital bekommt, hängt ganz entscheidend davon ab, ob im Umfeld Wagniskapitalfirmen angesiedelt sind. Erfolgreiche Wirtschaftsregionen brauchen ein regionales Kapitalangebot, das die Risiken junger Unternehmen mit trägt. Trotz Internet, Globalisierung und weltweit vernetzten Kapitalmärkten ist die simple Standortnähe ein Schlüssel zum Erfolg. Gerade für mittelständische Unternehmen, denn die in den letzten Jahren deutlich gewordene Internationalisierung der FuE-Aktivitäten ist sehr stark auf wenige sehr große internationale Konzerne begrenzt. Die Politik hat das grundsätzlich schon seit längerem erkannt. So haben die Grünen in der Schröder-Koalition 2004 maßgeblich dafür gesorgt, dass die Initiatoren von Wagnisfonds international wettbewerbsfähig besteuert werden. Die Grünen fordern deshalb die nur hälftige Besteuerung der Fondsinitiatoren beizubehalten. Wichtiger noch wäre es aber, Venture Capital Fonds, die in die High-Tech-Unternehmen investieren, bei der Besteuerung generell als Vermögen verwaltend einzustufen. Dies bedeutet, dass auf der Fondsebene keine Besteuerung stattfindet.

Verschlechterung für Private Equity Gesellschaften im parlamentarischen Verfahren verhindert Was die Behandlung von Private-Equity-Gesellschaften angeht, so trifft das Gesetz zur Modernisierung der Rahmenbedingungen von Kapitalbeteiligungen Regularien, die eher schaden als nutzen. Die Beteiligungsbranche schätzte deshalb bei der öffentlichen Expertenanhörung im Oktober 2007 im Finanzausschuss, dass es besser wäre kein Gesetz zu verabschieden als dieses. Die Signale aus dem Mittelstand, aber auch von Wirtschaftsforschungsinstituten sind eindeutig: Private Equity wird gebraucht! Untersuchungen bestätigen außerdem: Die generelle Angst vor Finanzinvestoren ist unbegründet: Investitionen von Private-Equity-Unternehmen haben sich überwiegend positiv für mittelständische Unternehmen ausgewirkt. Es ist deshalb ein Fortschritt, dass das Bundesfinanzministerium ein Einsehen hatte und klar zugesichert hat, dass der sogenannte Fonds-Erlass von 2003 weiter gilt, es also zumindest nicht zu Verschlechterungen für die Branche kommt.



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Ideal wäre natürlich ein einheitliches Private-Equity-Gesetz, das den Finanzplatz Deutschland wirklich voran bringt. Schon allein das Nebeneinander von unterschiedlichen Aufsichtssystemen ist unproduktiv. Wagniskapitalbeteiligungsgesellschaften werden zukünftig von der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) und Unternehmensbeteiligungsgesellschaften weiter von den Wirtschaftsministerien der Länder beaufsichtigt. Die Intransparenz auf dem Markt für Wagniskapitalfinanzierungen wird weiter verfestigt. Das bringt den Finanzplatz Deutschland nicht voran. Die Gesamtbilanz der steuerpolitischen Maßnahmen für mehr Innovationen am Standort Deutschland, die von der großen Koalition in den Jahren 2005 bis 2008 getroffen wurden, ist negativ. Union und SPD hatten in ihrem Koalitionsvertrag vorgesehen, die steuerlichen Bedingungen für Wagniskapital international attraktiver zu machen. Praktisch passiert ist allerdings das Gegenteil! Das muss sich in der nächsten Wahlperiode ändern! Wenn Deutschland zu einem der attraktiven Standorte für innovative Unternehmen werden soll, dann muss der Anteil von privatem Wagniskapital an der Wirtschaftsleistung drastisch erhöht werden. Diese Dynamik kann nur mit deutlich besseren steuerlichen Bedingungen entstehen, damit die Geldströme privater Investoren in innovative Unternehmen gelenkt werden und in Unternehmen, die an der Schnittstelle Forschung/ Markt agieren und in der Frühphase Finanzierungen brauchen. Damit wir nicht ins Abseits geraten, brauchen wir Gesetze, die den neuen Unternehmen keine Steine in den Weg legen, sondern ihnen den Weg ebnen und Rechtssicherheit geben.

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Friedhelm Ost Gute Innovationspolitik fördert Kreativität und Eigenständigkeit

Deutschland steht wie andere Industriestaaten auch vor der großen Herausforderung, den globalen Wandel zur Wissens- und Technologiegesellschaft erfolgreich zu bewältigen. Technischer Fortschritt und Innovationen sind heute die Schlüsselfaktoren für Wirtschaftswachstum und gesellschaftlichen Wohlstand. Gerade für ein rohstoffarmes und exportorientiertes Land wie Deutschland kommt es entscheidend darauf an, sich durch erfolgreiche Innovationen neue Märkte und Zukunftspotenziale zu erschließen. Volkswirtschaftlich betrachtet treibt technischer Fortschritt den Wandel zu neuen zukunftsfähigen Produkten und Dienstleistungen voran, die im weltweiten Wettbewerb bestehen können. Zahlreiche Förderprogramme und Innovationsstrategien belegen, dass Politik, Wirtschaft und Wissenschaft heute gleichermaßen die Steigerung der deutschen Innovationskraft als wesentlich für den Erfolg unserer Wirtschaft im internationalen Wettbewerb ansehen. Forscher, Tüftler und Erfinder stellen die Hoffnungsträger Deutschlands im internationalen Wettbewerb dar. Im globalen Vergleich schneidet unser Land hier nach wie vor gut ab. Es ist nicht schlecht bestellt um die Innovationskraft und technologische Leistungsfähigkeit der deutschen Wirtschaft. Vergleicht man die wichtigsten Indikatoren für die Innovationskraft einer Volkswirtschaft mit unseren internationalen Wettbewerbern, so zeigt sich, dass Deutschland bei der FuE-Intensität, der Zahl von Patentanmeldungen oder dem Anteil innovativer Unternehmen zwar hinter den USA, Japan oder den skandinavischen Ländern rangiert. Gleichzeitig stehen wir aber in der Regel besser da als vergleichbare Länder wie etwa Großbritannien und Frankreich und lassen andere große europäische Volkswirtschaften wie Italien und Spanien weit hinter uns. Pro Kopf der Beschäftigten entfallen auf mittelständische Firmen wesentlich mehr Erfindungen und Patente als auf Großbetriebe. Dennoch muss festgestellt werden, dass die Zahl forschender kleiner und mittlerer Industriebetriebe nach Untersuchungen des Stifterverbandes für die deutsche Wissenschaft von 21 Prozent im Jahre 1995 auf inzwischen nur noch rund zwölf Prozent zurückgegangen ist.



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Bei schärferer Betrachtung offenbaren sich also Schwächen, welche die Innovationsfähigkeit der deutschen Volkswirtschaft trotz ihres derzeit vergleichsweise guten Abschneidens im internationalen Vergleich mittel- bis langfristig erheblich gefährden könnten. So ist beispielsweise der Anteil der betrieblichen Ausgaben für Forschung und Entwicklung am Bruttoinlandsprodukt in den vergangenen dreißig Jahren deutlich gesunken. Insgesamt hat die deutsche Wirtschaft etwa 55 Mrd. Euro für Forschung und Entwicklung im letzten Jahr ausgegeben; auf mittelständische Firmen mit weniger als 500 Beschäftigten entfielen davon gerade einmal 13 Prozent. Deutsche Unternehmen verdienen oft ihr Geld mit Produkten, die im Kern schon über ein Jahrhundert alt sind. Gerade bei der hochwertigen Technik, einer traditionellen Stärke der deutschen Wirtschaft, sieht Deutschland sich einer immer stärkeren internationalen Konkurrenz gegenüber. Deutsche Unternehmen verlieren zunehmend Weltmarktanteile beim Handel mit FuE-intensiven Gütern – also im HighTech-Bereich. Das FuE-Personal in nahezu der gesamten Industrie ist rückläufig; vor allem bei den kleinen und mittleren Unternehmen ist dieser Einbruch besonders stark. Innerhalb kurzer Zeit haben mittelständische Unternehmen nahezu zehn Prozent ihrer Forschungskapazität abgebaut. Deshalb hat die Große Koalition aus CDU, CSU und SPD seit 2006 eine Initiative gestartet, um diesen negativen Trend umzukehren. So enthält der Bundeshaushalt 2008 den erforderlichen Bundesanteil für eine FuE-Quote von 2,7 Prozent (2006: 2,5 Prozent); bis 2010 soll das Ziel von drei Prozent des Bruttoinlandsproduktes erreicht werden. Zudem hat die Bundesregierung im Jahre 2007 eine High-TechStrategie beschlossen. Damit sollen vor allem Wissenschaft und Wirtschaft besser als bisher miteinander vernetzt werden, um Brücken von der Forschung in die Märkte zu bauen. Unter anderem sollen Hochschulen Prämien erhalten, wenn sie Forschungsprojekte mit mittelständischen Unternehmen realisieren. Das deutsche Bildungssystem, lange Zeit eine solide Basis des deutschen Innovationssystems, weist seit langem erhebliche Defizite auf. Nur wenige Abiturienten entscheiden sich heute für ein Studium in den Natur- und Ingenieurwissenschaften. Das ist der Grund für eine zunehmende Knappheit an qualifizierten Fachkräften, die inzwischen bedrohliche Dimensionen aufweist. Nach jüngsten Umfragen fehlen der deutschen Wirtschaft schon heute ca. 100.000 Ingenieure! Allein dadurch geht im Jahre 2008 ein Wachstum von fast einem Prozent des Bruttoinlandsproduktes verloren. Die Abwanderung wissens- und technologieintensiver Produktions- und Dienstleistungsprozesse an andere Standorte ist bereits im Gange und könnte sich noch verstärken, wenn hier nicht rechtzeitig gegengesteuert wird.

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Wenn wir im immer schärfer werdenden internationalen Wettbewerb auch in Zukunft bestehen wollen, müssen wir unsere Innovationsanstrengungen noch erheblich verstärken. Wir brauchen ein leistungsstarkes Bildungssystem, eine neue „Gründerzeit“ in Zukunftsbranchen der Spitzentechnologie und wissensintensiven Dienstleistungen sowie eine deutliche Stärkung der Innovationskraft unserer Unternehmen. Insbesondere für diesen letzten Punkt ist es wichtig, Innovationsmechanismen der Wirtschaft zu kennen und bestehende Hemmnisse bei der Innovationstätigkeit von Unternehmen zu identifizieren und zu beseitigen. Wir können es uns nicht leisten, Innovationspotenzial ungenutzt zu lassen.

Innovationsrolle des Mittelstandes Die große Bedeutung kleiner und mittlerer Firmen ist ein besonderes Merkmal der deutschen Volkswirtschaft. Aus diesem Grunde kommt den Innovationsaktivitäten mittelständischer Unternehmen eine wichtige Rolle für die Leistungsfähigkeit der deutschen Wirtschaft zu. Lange Zeit war man der Auffassung, dass vor allem Großunternehmen den technischen Fortschritt initiieren und vorantreiben. Die Gründe dafür sind, dass man Innovationen vor allem auf Forschung und Entwicklung zurückführte und glaubte, nur große Unternehmen und Konzerne seien in der Lage, die erheblichen Forschungs- und Entwicklungskosten zu tragen, die neue Produkte und Prozesse erfordern. Insbesondere aufgrund besserer Finanzierungsmöglichkeiten und der in produzierenden Großunternehmen ausgeprägten Skaleneffekte bescheinigten zahlreiche empirische Studien den großen Firmen eine stärkere Innovationstätigkeit als kleinen und mittleren Unternehmen. Mittelständische Betriebe wurden früher vor allem als Adapteure angesehen, deren Stellung im Innovationssystem sich auf die Diffusion beschränkte, also die Verbreitung neuer Technologien und Prozesse. Erst mit einem zunehmenden Bewusstsein der besonderen Bedeutung des Mittelstands vor allem bei der Schaffung von Arbeitsplätzen wurde auch die Rolle des Mittelstandes bei neuen Technologien sowie innovativen Produkten und Dienstleistungen überdacht. Hierbei kommt dem Mittelstand zugute, dass bei zunehmender Globalisierung mit vermehrtem internationalen Wettbewerb und einer stark beschleunigten technologischen Entwicklung die Märkte sich zugunsten kleiner Unternehmen verändern. Diese können nämlich weitaus flexibler reagieren als



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große. So greifen inzwischen junge innovative Unternehmen neue Technologien häufig als erste auf und entwickeln daraus marktfähige Produkte. Kleine und mittlere Unternehmen sorgen also längst nicht nur für die Diffusion von Innovationen in die Breite, sie sorgen mehr und mehr auch für Basisinnovationen. Neuere Studien belegen, dass kleine Unternehmen weitaus mehr Bedeutung für den technologischen Fortschritt haben als früher angenommen. Ihr Innovationsvorteil ist in solchen Branchen am größten, in denen hochqualifizierte Arbeit ein wichtiger Produktionsfaktor ist. Große Firmen hingegen haben einen Innovationsvorteil dort, wo sehr kapitalintensiv produziert wird und die Diversifikation hoch ist. Dabei ist zu beachten, dass technischer Fortschritt kein linearer Prozess ist, der von den Abteilungen für Forschung und Entwicklung in großen Unternehmen und Konzernen bestimmt wird. Innovationen entstehen nicht am Fließband, sie werden interaktiv entwickelt und sind das Resultat eines sehr komplexen Beziehungsgeflechts zwischen einer Reihe von Akteuren, die verschiedene Arten von Wissen „produzieren“, verbreiten und anwenden. Bei diesen Akteuren kann es sich um private Unternehmen handeln, um staatliche oder private Forschungseinrichtungen, aber auch um die einzelnen Menschen, die in den Institutionen arbeiten. Alle diese Akteure sind durch eine Vielzahl von Aktivitäten miteinander verbunden – etwa durch gemeinsame Forschungsaktivitäten, Investitionen oder einfach nur persönliche Kontakte. Innerhalb von Netzwerken entstehen Innovationen durch Interaktionen und Feedbacks zwischen den Akteuren. Hierbei ist für das Verständnis von Innovationen wichtig, dass es sich dabei nicht nur um neue Produkte oder neue Produktionsprozesse handelt. Es geht auch um Verbesserungen existierender Produkte, Adaptionen und neue Organisationsstrukturen. Die auf Innovationen ausgerichteten Aktivitäten sind vielschichtig, und nur ein kleiner Teil davon entfällt auf Forschung und Entwicklung im klassischen Sinn. Ebenso wichtig sind Investitionen in neue Technologien und ihre Nutzung, Design, Marktforschung sowie die Beobachtung von Wettbewerbern und Endabnehmern. Wissens- und Informationsflüsse bestimmen die Leistungsfähigkeit eines solchen Innovationssystems. Mittelständische Firmen forschen insbesondere im Dienstleistungs- und Softwarebereich, in der Medizin- und Messtechnik. Diese Analyse zeigt, dass kleine und mittlere Unternehmen ebenso Teil dieses Systems sind wie Großunternehmen. Allerdings nehmen mittelständische Betriebe andere Funktionen innerhalb des Systems wahr als große Firmen. Diese Funktionen dürfen aber nicht gering geschätzt werden; insbesondere darf die Rolle des Mittelstands nicht allein auf die Anwendung und Verbreitung neuer

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Technologien reduziert werden, obwohl die strategische, also langfristige Forschung bei Mittelständlern eher rückläufig ist, während sich der Schwerpunkt mehr und mehr auf die marktgetriebene Forschung und Innovation verlagert. Vor allem junge Firmen – Unternehmen, die in den letzten fünf Jahren gegründet wurden – weisen überdurchschnittlich hohe Innovationsquoten auf.

Innovationsverhalten mittelständischer Betriebe Kleine und mittlere Betriebe haben für die Hervorbringung von Innovationen eine besondere Bedeutung. Aufgrund ihrer schlanken Organisationsstruktur und ihrer großen Flexibilität können sie meist schneller auf neue technologische Entwicklungen reagieren als große Unternehmen und Konzerne. Sie besetzen Marktnischen, in die es sich für größere Unternehmen aufgrund geringerer Absatzmöglichkeiten oft nicht zu investieren lohnt. Mittelständische Unternehmen sind häufig eher in der Lage, ihre neuen Produkte und Dienstleistungen individuellen Kundenbedürfnissen anzupassen. Diese Vorteile gelten gerade für junge Unternehmen in besonderem Maße. Radikale technologische Veränderungen – beispielsweise die Entwicklung des Internets – werden wesentlich durch kleine und mittlere Unternehmen kommerzialisiert und dadurch weiter beschleunigt und vorangetrieben. Warum dies so ist, liegt auf der Hand. Zum einen beflügeln neue Produkte und Technologien die Phantasien von Unternehmern und geben damit häufig den Ausschlag, sich für den Schritt in die Selbständigkeit zu entscheiden. Zum anderen müssen sich junge Unternehmen mit schlanken Entscheidungsstrukturen bei der Einführung neuer Produkte, Technologien oder Prozesse nicht mit internen Widerständen auseinandersetzen, wie es im Abteilungsgeflecht großer Konzerne oft der Fall ist. Damit erklärt sich der besondere Stellenwert neuer Unternehmen bei der Durchsetzung und Verbreitung neuer Produkte und Technologien. Um strukturelle Anpassungsprozesse und den technologischen Wandel innerhalb unserer Volkswirtschaft beurteilen zu können, ist deshalb die Entwicklung des Innovationsverhaltens mittelständischer Betriebe ein wichtiger Gradmesser. Rund 70 Prozent der deutschen Mittelständler haben Innovationsziele im Unternehmensleitbild verankert. 85 Prozent bezeichnen sich als innovationsfähig und rechnen aufgrund ihrer Innovationstätigkeit mit Umsatzzuwächsen aus neuen Entwicklungen. Hingegen verfügen weniger als 50 Prozent über einen definierten Prozess zur Hervor-



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bringung von Innovationen, 60 Prozent haben Probleme mit der Einführung und Umsetzung von Innovationen. Im Ergebnis beruhen laut einer Selbsteinschätzung mittelständischer Unternehmer über 80 Prozent der Innovationen im Mittelstand auf dem Zufallsprinzip. Dennoch: Grundsätzlich entwickelt sich ein Trend dahin, dass der Anteil innovativer Unternehmen, die technologisch veränderte Produkte oder Prozesse eingeführt haben, im Mittelstand leicht steigt. Hingegen sinkt der Anteil originärer Innovatoren – also von Unternehmen, die eine Welt- bzw. Marktneuheit eingeführt haben. Offenbar setzen innovierende Unternehmen verstärkt auf Produktadaptionen oder -imitationen, um auf diese Weise ihr Marktrisiko zu reduzieren. Alarmierend ist hierbei, dass gerade bei jungen mittelständischen Betrieben zuletzt ein erheblicher Rückgang originärer Innovationstätigkeit zu verzeichnen ist. Eine Studie der Kreditanstalt für Wiederaufbau hat ergeben, dass sich innerhalb von zwei Jahren der Anteil junger Mittelständler, die echte Marktneuheiten hervorbrachten, von elf auf sechs Prozent halbiert hat! Wenn man berücksichtigt, dass die Entscheidung eines Unternehmens, Innovationen hervorzubringen oder eben nicht, Bestandteil langfristiger strategischer Festlegungen ist, dann droht hier ein eher negativer Trend. Ein solcher Befund stellt uns vor die Frage, welche Auswirkungen dieser Rückgang originärer Innovatoren bei den für das Innovationssystem sehr wichtigen jungen Unternehmen haben wird. Zwar ist der leicht ansteigende, insbesondere von den wissensintensiven Dienstleistungen getragene Trend bei der Entwicklung der Innovatorenquote mittelständischer Unternehmen insgesamt erfreulich. Er zeigt, dass der deutsche Mittelstand sich hinsichtlich der internationalen Wettbewerbsfähigkeit grundsätzlich auf dem richtigen Weg befindet. Jedoch droht aufgrund des Rückgangs originärer Innovatoren langfristig ein Verlust technologischer Leistungsfähigkeit. Deshalb ist insbesondere die Wirtschaftspolitik gefordert, einer Abwärtsspirale entschlossen entgegenzuwirken. Die Innovationstätigkeit mittelständischer Unternehmen wird nämlich in erster Linie durch finanzielle Faktoren behindert. Dies gilt für kleine und größere Unternehmen gleichermaßen. Ein zweiter wesentlicher Hinderungsfaktor ist die fehlende betriebsinterne Kompetenz, die aus einer zu geringen Kapazität für Forschung und Entwicklung sowie dem Mangel an qualifiziertem Personal resultiert. Dieses Hemmnis wird künftig für Unternehmen noch schwerer zu überwinden sein, wenn dem zu erwartenden Fachkräftemangel auf dem deutschen Arbeitsmarkt nicht abgeholfen werden

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kann. Davon unabhängig kann man davon ausgehen, dass bei kleinen und mittleren Unternehmen noch viel intellektuelles Potenzial brach liegt, das bei gezieltem Ressourceneinsatz und gutem Innovationsmanagement nicht nur den langfristigen Erfolg der einzelnen Unternehmen sichern könnte.

Auswirkungen von Innovationen auf den Arbeitsmarkt In manchen öffentlichen Diskussionen wird oft behauptet, neue Technologien und Innovationen hätten vor allem negative Auswirkungen auf die Beschäftigung. Vernichtet der Fortschritt also Arbeitsplätze? Auch hier lässt sich am Beispiel des Mittelstandes nachweisen, dass sich Innovationstätigkeit eher positiv auf das Beschäftigungswachstum in den Unternehmen auswirkt. Deshalb gilt es alles zu tun, um die Innovationskraft des Mittelstandes gerade mit Blick auf die Beschäftigungssituation zu stärken. Empirische Studien zeigen, dass das Beschäftigungswachstum in innovierenden Unternehmen um rund das Dreifache höher ist als in nicht innovierenden Firmen. Dieser Befund gilt für Unternehmen aller Größenklassen sowie Wirtschaftszweige, wobei der Unterschied im verarbeitenden Gewerbe am stärksten ausgeprägt ist. In Zahlen ausgedrückt: Für ein Unternehmen, das innerhalb eines Zeitraums von zwei Jahren eine Produktinnovation eingeführt hat, ist ein Beschäftigtenanstieg von durchschnittlich 1,7 Prozent nachzuweisen. Hingegen beträgt die Beschäftigungssteigerung in einem Unternehmen, das nicht innovativ, aber ansonsten vergleichbar ist, lediglich 0,4 Prozent. Wenn ein Unternehmen Produktinnovationen einführt, die zugleich Marktneuheiten sind, liegt der durchschnittliche Beschäftigungszuwachs sogar bei 3,3 Prozent und damit gut siebenmal höher als in nicht innovativen Unternehmen. Übrigens lässt sich dieser Nachweis nicht nur für Produktinnovationen, sondern auch für Prozessinnovationen nachweisen. Selbst hier liegt die Beschäftigtenzunahme in einem Unternehmen, das Prozessinnovationen durchführt, mit 2,3 Prozent bei mehr als dem Fünffachen eines nicht innovativen Vergleichsunternehmens. Auch Forschung und Entwicklung wirken sich positiv auf die Beschäftigungssituation aus. Unternehmen, die gelegentlich eigene FuE-Arbeiten durchgeführt haben, weisen mit 1,7 Prozent einen rund dreimal so hohen Beschäftigungszuwachs auf wie Unternehmen ohne eigene FuE. Bei kontinuierlicher eigener Forschung und Entwicklung sind sogar noch höhere Beschäftigungswirkungen nachweisbar.



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Beim Vergleich mit anderen Bestimmungsfaktoren der Beschäftigungsentwicklung von Unternehmen zeigt sich, dass von Innovationen besonders starke Effekte ausgehen. So sind ähnlich hohe Beschäftigungssteigerungen, wie sie bei innovativen Unternehmen festzustellen sind, ansonsten lediglich bei sehr jungen und sehr kleinen Unternehmen zu beobachten. Hierbei ist zu beachten, dass sich aufgrund des niedrigen Ausgangsniveaus von Kleinstunternehmen ein hohes prozentuales Wachstums natürlich leichter erreichen lässt. Auch der Vergleich mit der Branchenkonjunktur oder einer Veränderung der Lohnstückkosten als Bestimmungsfaktor von Beschäftigung zeigt, dass Innovationen eine erheblich höhere Arbeitsplatzwirkung zukommt. Ein mit Innovationen vergleichbarer Effekt ist für Unternehmen nur dann zu erreichen, wenn die Konjunktur äußerst positiv verläuft und gleichzeitig die Arbeitskosten erheblich sinken. Es zeigt sich also, dass insbesondere von solchen wirtschaftspolitischen Maßnahmen, die auf eine Stärkung der Innovationskraft der deutschen Wirtschaft abzielen, die gewünschten Wirkungen auf dem Arbeitsmarkt zu erwarten sind. Gerade kleine und mittlere Unternehmen sind folglich zu einer kontinuierlichen Innovationstätigkeit anzuregen.

Die Finanzierung von Innovationen Hohe Kosten von Innovationsprojekten, eine zu schmale Finanzbasis und der fehlende Zugang zu Finanzierungsquellen sind die von Unternehmen am häufigsten genannte Innovationshemmnisse. Oft verfügen Unternehmen über mehr Ideen beziehungsweise Innovationen, als sich mit den vorhandenen Mitteln finanzieren lassen. Der Umfang von Innovationsaktivitäten wird folglich durch Finanzierungsengpässe erheblich verringert. Überwiegend werden Innovationen aus den eigenen Mitteln der Unternehmen wie Gewinn oder Rücklagen finanziert. Wegen der höheren Kosten werden Fremdmittel wie Kredite tendenziell gemieden. Im Durchschnitt finanzieren knapp 60 Prozent der Unternehmen Innovationsaktivitäten vollständig aus eigenen Mitteln, hingegen greifen lediglich fünf Prozent ausschließlich auf Fremdmittel zurück. Wagniskapital spielt bislang eine sehr geringe Rolle für die Finanzierung von Innovationen in Deutschland. Kaum ein Prozent der gesamten Innovationsaufwendungen der deutschen Wirtschaft wird heute über Wagniskapitalinvestitionen finanziert. Das ist knapp ein Fünftel des Rekordstands, der im Boomjahr 2000 erreicht wurde. Lediglich wenige Branchen, wie etwa die Biotechnologie, finanzieren sich zu einem höheren Anteil aus Wagniskapital.

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Der Beitrag staatlicher Innovationsförderung liegt bei etwa fünf Prozent. Nahezu die Hälfte der Großunternehmen in Deutschland erhalten entsprechende Mittel; dagegen liegt dieser Anteil bei kleinen und mittleren Unternehmen lediglich bei einem Viertel. Für die Förderungsempfänger macht hierbei die staatliche Förderung in der Regel nur einen sehr kleinen Teil ihrer gesamten Innovationsaufwendungen aus. Befragt man nicht innovative Unternehmen nach den Gründen für das Unterlassen von Innovationsaktivitäten, so geben rund ein Viertel einen Mangel an Finanzierungsquellen an; bei Großunternehmen beträgt dieser Anteil lediglich drei Prozent. Grundsätzlich gilt, dass der Abbau von Finanzierungshemmnissen beziehungsweise eine Verbesserung der Finanzierungsbedingungen vor allem bei kleinen und mittleren Unternehmen zu einer Ausweitung der Innovationsaktivitäten führt. Insbesondere die Finanzierungsbedingungen sind deshalb mit Unterstützung staatlicher Förderbanken weiter zu verbessern, um große brachliegende Innovationspotenziale zu mobilisieren. In den letzten Jahren wurden bereits eine Reihe richtiger Schritte unternommen. Die staatliche Wagniskapitalförderung wurde reformiert, einzelne Programme wurden geändert, die direkte Projektförderung wurde ausgeweitet, um verstärkt mittelständische und junge Unternehmen zu erreichen. Seit 2007 sind die ERP- und KfW-Förderprogramme verbessert und die Mobilisierung von Wagniskapital für Innovationen intensiviert worden. Ebenso wird versucht die Finanzierungssituation des Mittelstandes unter anderem durch den KfW-Unternehmer-Kredit, das ERP-Effizienzprogramm und das KfW-Startgeld für kleine Unternehmen zu verbessern. Dennoch bleibt die Verbesserung der Finanzierungssituation für Innovationen eine der dringendsten innovationspolitischen Herausforderungen für Deutschland.

Forderungen an die Wirtschaftspolitik Wenn Deutschland auch in Zukunft einen Spitzenplatz bei Wertschöpfung und Pro-KopfEinkommen behalten will, wenn es weiterhin Hochlohnland sein will, dann gilt die Mahnung von Bundespräsident Horst Köhler: „Wir müssen so viel besser sein, wie wir teurer sind.“ Den Kampf um die Märkte der Zukunft kann nur der für sich entscheiden, der Innovationen vorantreibt und schnell in marktreife Produkte umsetzen kann. Insbesondere kleine und mittlere Unternehmen sind aufgefordert, ihre Innovationsstrategien zu forcieren. Gleichzeitig muss es ihnen durch die vom Staat gesetzten Rahmenbedingungen ermöglicht werden, dieser Herausforderung erfolgreich zu begegnen.



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Innovationen sind der Schlüssel zur Zukunft. Der Staat kann Innovationen nicht selbst schaffen. Im Gegenteil: Überregulierung und Bürokratismus entmündigen und lähmen Unternehmer und Unternehmen. Innovationen brauchen Freiraum: Innovationspolitik ist deshalb Ordnungspolitik. Sie muss den Rahmen schaffen, der mehr Spielraum für die Wirtschaft öffnet und der Wissenschaft mehr Eigenverantwortung gibt. Gute Innovationspolitik fördert die Kreativität und Eigeninitiative, die Innovations- und Risikobereitschaft von Menschen und Unternehmen. Innovationen erfordern Investitionen. Um Investitions- und Innovationsdynamik zu entwickeln, müssen vor allem die steuerlichen Rahmenbedingungen verändert werden. Bei Innovationsprojekten mit einer langen Investitionsphase muss der volle Verlustausgleich möglich sein. Es darf nicht sein, dass vor allem kleinere Unternehmen den Aufwand für Innovationen fürchten, weil sie am Ende verhältnismäßig weniger davon profitieren als der nachahmende Wettbewerber. Die geltenden Abschreibungsregeln müssen auf ihre Innovationsfreundlichkeit hin überprüft und verbessert werden. Es sollte auf jeden Fall weitere Verbesserungen der Abschreibungen für Forschungsausgaben sowie Steuererleichterungen für Beteiligungskapital geben; das zahlt sich aus für Wachstum und Beschäftigung. Eine nachhaltige Innovationspolitik muss zudem dafür sorgen, dass bürokratische Hemmnisse des Innovationsprozesses abgeschafft oder zumindest gemildert werden. Deutschland sollte auch offensiv darauf reagieren, dass der Anteil staatlicher Mittel an den Ausgaben für Forschung und Entwicklung signifikant niedriger liegt als bei konkurrierenden Industrienationen wie den USA, Frankreich, Großbritannien, den Niederlanden oder Kanada. Die Mittel insbesondere für die industrielle Gemeinschaftsforschung sollten kurzfristig deutlich erhöht werden, denn sie ermöglicht vielen kleinen und mittleren Unternehmen erst Forschung und Entwicklung und leistet darüber hinaus einen wichtigen Beitrag zur Ingenieurausbildung. Förderinstrumente für Forschung und Entwicklung gehören ebenfalls auf den Prüfstand. Viele Instrumente sind in der Handhabung zu langsam und zu kompliziert und zu bürokratisch; sie erfordern in der Regel einen hohen Antrags- und Abrechnungsaufwand und sind zu wenig zeitlich planbar. Damit gehen sie oft genug vor allem am Bedarf innovativer Unternehmen des Mittelstands vorbei.

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In Schule und Hochschule muss der Stellenwert von Natur- und Ingenieurwissenschaften deutlich steigen, um dem steigenden Bedarf an Fachkräften gerecht zu werden. Impulse und Anforderungen der Arbeitsmärkte müssen schneller vom Bildungssystem aufgenommen werden. Hier reagieren die politischen Gremien mit viel zu großer zeitlicher Verzögerung. Die Berufsausbildung muss sich an den Märkten von morgen orientieren und dem Strukturwandel Rechnung tragen. Auch die Weiterqualifizierung muss einen höheren Stellenwert erhalten, denn die Halbwertzeit des Wissens verkürzt sich immer stärker. Nach wie vor benötigt Deutschland mehr bestandsfeste Unternehmensgründungen, um Innovationen und Strukturwandel voranzutreiben. Ohne ein entsprechendes steuerliches und rechtliches Umfeld und zukunftsfähige Modelle der Risikokapitalfinanzierung wird die Erschließung neuer Märkte zum Erliegen kommen. Hier sind gemeinsame Initiativen von Staat und Wirtschaft gefragt. Insbesondere müssen unsere Hochschulen vermehrt zu Ausgründungen angeregt werden, hierfür ist auch der Wettbewerb der Hochschulen untereinander zu verstärken. Mit dem EXIST-Gründerstipendium wird es für Gründungswillige an Hochschulen und Forschungseinrichtungen leichter, den Schritt in die Selbständigkeit zu wagen und Forschungsideen der Wissenschaft marktfähig zu machen. Auch die 2007 eingeführte Forschungsprämie kann Anreize für eine intensivere Zusammenarbeit von Hochschulen und Forschungseinrichtungen mit kleinen und mittleren Unternehmen geben. Der innovative Mittelstand braucht eine starke Stimme innerhalb der Politik. Der Mittelstandsbeauftragte der Bundesregierung sollte noch mehr Kompetenzen erhalten. Gerade wenn es darum geht, eine Forschungs- und Innovationspolitik aus einem Guss zu entwickeln, muss die Abstimmung zwischen dem Wirtschaftsministerium und anderen Ressorts, insbesondere dem Bundesministerium für Bildung und Forschung, intensiviert werden. Alle relevanten politischen Gremien müssen die wichtigen Fragen der Mittelstandsförderung angemessen einbeziehen. Ein wichtiger Schritt der Politik der Innovationsförderung für den Mittelstand ist das „Zentrale Innovationsprogramm Mittelstand“ (ZIM). Ebenso erhalten kleine und mittlere Unternehmen, die Spitzenforschung betreiben, mit der Förderinitiative „KMU-innovativ“ bereits seit dem Jahre 2007 einen einfacheren und schnelleren Zugang zur Forschungsförderung in zukunftsweisenden Technologiefeldern. Gleichzeitig wird eine ressortübergreifende zentrale Beratungsstelle zur Forschungs- und Innovationsförderung des Bundes geschaffen.



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Für Deutschland und Europa bietet die Innovationsgesellschaft von morgen großen Chancen. Wir müssen diese Chancen ergreifen, müssen alle Anstrengungen unternehmen, gemeinsam die Märkte der Zukunft zu erobern. Wir haben das Zeug, eine führende Rolle bei der Lösung zentraler Fragen zu übernehmen, die Menschen und Unternehmen überall bewegen. Und nur mit solcher Entschlossenheit werden wir die Herausforderungen, vor denen wir stehen, auch bewältigen. Die Nobelpreisträgerin Marie Curie hat einmal festgestellt: „Ich habe gelernt, dass der Weg des Fortschritts weder kurz noch unbeschwerlich ist“. Aber es lohnt sich, ihn zu gehen.

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Harald Schartau MdL Schaffung mittelstandsgerechter Rahmenbedingungen

I. Einleitung Der globale Wettbewerb stellt eine enorme Herausforderung für jedes Unternehmen dar – unabhängig von der Unternehmensgröße. Mittelständische Unternehmen, die in Summe das Rückgrat der deutschen Wirtschaft bilden, sind dieser Herausforderung gewachsen. Ihr spezifischer Vorteil ist der direkte Markt- bzw. Kundenkontakt und damit die Chance, anwendungsorientierte Produktentwicklung zu betreiben. Der unmittelbare Kontakt wird zu einem Wettbewerbsvorteil, wenn sich Schnelligkeit, Flexibilität und Innovationsfähigkeit bei der Umsetzung dazugesellen. Und wenn die Rahmenbedingungen mittelstandsadäquat ausgerichtet sind. Die Vielzahl sogenannter „Hidden Champions“ zeigt, dass es mittelständischen Unternehmen häufig gelingt, mit Innovationen auf dem Weltmarkt die Nase vorn zu haben. Sie bewachen nicht die Asche, sondern sie hüten das Feuer der Innovation. Ein innovatives Klima, eine Einstellung, die ein Verständnis von Veränderungen als Chance beinhaltet, fällt jedoch nicht vom Himmel.

II. Unternehmensinterne Strukturen Zunächst gilt der Blick den Unternehmensstrukturen. Der kontinuierlichen Qualifizierung kommt bei den immer komplexeren Anforderungsprofilen eine Schlüsselaufgabe zu. Die Erstausbildung junger Menschen ist das A, die danach erforderliche arbeitsbegleitende Qualifizierung das O. Innovative Firmen können sich Qualifikationsverluste nicht leisten! Unternehmen müssen verstärkt in den Aufbau von Kompetenz und Wissen junger wie älterer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter investieren. Die Jüngeren werden das Know-how der hoch qualifizierten geburtenstarken Jahrgänge, die jetzt im Alter zwischen 45 und 60 sind, in absehbarer Zeit ersetzen müssen. Hier gilt es auch, passende Qualifikationskonzepte für junge Erwachsene mit Migrationshintergrund vorzuhalten.



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Die Entwicklung der Kompetenz von Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ist eine langfristige und strategische Aufgabe des Personalwesens und muss über die – bisher überwiegend noch vorherrschende – Nutzung von externer Weiterbildung für Fach- und Führungskräfte hinausgehen. Wissenstransfer innerhalb des Unternehmens – ob als Erfahrungsaustausch in altersgemischten Teams oder durch alternierende Aufgabenübernahme – ist notwendig. Zum Kompetenzerwerb gehören nicht nur formelle Lernprozesse, sondern auch Herausforderungen bei der täglichen Arbeit. Kompetenzerwerb sollte daher nicht in externe Bereiche ausgelagert werden, sondern Hand in Hand mit den Arbeits- und Produktionsprozessen erfolgen. Eine Ergänzung über die Nutzung von Online-Tools wird zunehmend arbeitsbegleitend möglich. Dafür ist eine Unternehmenskultur erforderlich, in der einerseits das Annehmen von neuen Herausforderungen und Risiken und andererseits Flexibilität und Veränderungsbereitschaft zum Standard gehören. Innovationsbremse schlechthin ist das Beibehalten von Strukturen und das Anklammern an Arbeitsweisen, weil das „doch immer so gemacht wurde“ und das Verneinen von möglicherweise förderlichen Anregungen, weil das „nicht zum Bereich der Zuständigkeit gehört“. Ein generelles Honorieren von Ideen-Input zahlt sich für Unternehmen auf lange Sicht aus. Gutes Personal zu halten wird unter diesen Gesichtpunkten unabdingbar. Kompetente Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu motivieren, ihre Verantwortung herauszufordern, geht kaum in Top-Down-Strukturen. Partizipative Unternehmensführung und Beteiligung am Unternehmenserfolg, respektive am Unternehmen selbst, können wichtige Beiträge zur Identifikation mit dem Unternehmen liefern. Eine Verabredung von und Festlegung auf Unternehmenswerte ist gleichermaßen von Bedeutung. Auch wenn in inhabergeführten Familienunternehmen Werte teils über Generationen „gelebt“ werden, kommt dem Prozess der Kommunikation über die Unternehmenswerte eine erhebliche, sinnstiftende Bedeutung zu. Bei schärferem Wettbewerb, zumal auf globalem Terrain, ist das Zugehörigkeitsgefühl zu einem Wertegeflecht zusätzliche Motivationsstifterin.

III. Innovationsbereiche Die Markt- bzw. Kundennähe deckt Schwächen in einzelnen Bereichen schonungslos auf oder – positiv ausgedrückt – ist der Schrittmacher für die jeweilige Innovation. Dabei ist der Innovationsbegriff weder starr noch auf eine Richtung fixiert. Es gibt keine Schonbereiche für Innovationen.

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Technische Innovationen, veränderte, andere oder anders kombinierte Werkstoffe, Design, Umweltverträglichkeit, geringerer Energieverbrauch, Wieder- und Weiterverwertbarkeit von Material und Energie, gesteigerte Schnelligkeit und bessere Verfügbarkeit sind dabei als ein Aspektekonglomerat zu sehen. Ein zweites, an Bedeutung zunehmendes Innovationspaket stellen Dienstleistungen dar. Wie sieht das Finanzierungsangebot aus? Was bietet der Service bei Wartung und Reparatur? Wie ist die Verfügbarkeit gewährleistet? Gibt es Betreiberangebote? Können logistische Angebote übernommen werden? Wie wird neue, notwendige Qualifikation implementiert? Hier mit neuen, kundenorientierten Lösungen aufzuwarten, verbessert die Wettbewerbssituation deutlich. Ein drittes Innovationspaket beinhaltet Aspekte der Kooperation zwischen mittelständischen Unternehmen. Bei zunehmenden Kosten und Anforderungen der Ausbildung, bei der Zusammenarbeit mit Forschungs- und Entwicklungseinrichtungen bietet es sich an, neue Wege der Zusammenarbeit auf regionaler oder Branchenebene zu finden. Auch bei der Erschließung neuer Märkte, der Lösung logistischer Probleme, dem Einkauf oder dem Marketing sind Kooperationen denkbar und nützlich. Ein klassisches Beispiel dafür sind Kooperationen, die in Nordrhein-Westfalen aus politisch angestoßenen, dann aber von den Unternehmen fortgeführten Brancheninitiativen entstanden sind: VIA - Verbundinitiative Automobilzulieferer, Zitex - Zukunftsinitiative Textil, Zimit - Zukunftsinitiative Möbelindustrie, Bergbauzuliefererinitiative.

IV. Forschung und Entwicklung Nur wenige mittelständische Unternehmen sind in der Lage, eigene Forschungs- und Entwicklungsabteilungen vorzuhalten Bei der Weiterentwicklung der Produkte bzw. der Produktpalette ist dies auch nicht immer erforderlich. Das wesentliche „Labor“ ist der unmittelbare Kontakt zum Kunden, sind die Informationen des Anwenders. Im Interesse einer zügigen Umsetzung von Anregungen, von Weiterentwicklungsnotwendigkeiten ist ein kurzer, direkter Draht zu Universitäten, Fachhochschulen und Forschungs-



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einrichtungen unabdingbar. Eine auf Dauer angelegte Kooperation ist einer sporadischen Aktion vorzuziehen. Es geht darum, ein – im besten Sinne des Wortes – Geschäft auf Gegenseitigkeit zu verabreden. Das Unternehmen präsentiert sich dem jeweiligen Kooperationspartner. Es bietet Praktikumsplätze für Studenten an und schlägt Themen für Doktorarbeiten vor. Kooperative Berufsausbildung gibt jungen Leuten früh die Möglichkeit, betriebliche Abläufe kennenzulernen; das Unternehmen wird mit akademischen Aufgabenstellungen vertraut. Hochschulabsolventen eine Einstiegsbeschäftigung zu ermöglichen und denjenigen, die den Weg in die Selbstständigkeit gehen, dabei behilflich zu sein, kann eine nachhaltige Zusammenarbeit vertiefen. Die alte Form des Tranfers zwischen Universitäten und Unternehmen über Transferstellen ist überholt. Neue Organisationsformen wie „Science goes to business“, bei denen interessierte Unternehmen und Hochschulen auf Zeit unter einem Dach an der Lösung eines Problems arbeiten, erobern das Feld.

V. Rahmenbedingungen für den innovativen Mittelstand Mittelständische Unternehmen melden sich zu Recht laut zu Wort, wenn es um die Gestaltung von Gesetzen und Verordnungen, Steuern und Bürokratie geht. Zu Recht, weil es in der Politik zum guten Ton gehört, Erfolg, Engagement und Verantwortung der Mittelständler hervorzuheben. Dem muss bei der Gestaltung des Rahmens mit entsprechender Sensibilität entsprochen werden. Vor allem ist es wichtig, dass in der operativen Bürokratie das Verständnis für spezifische Probleme insbesondere kleiner mittelständischer Unternehmen vorhanden ist. Was nützt die schönste Rede in einem Parlament, wenn sich vor Ort ein Genehmigungsverfahren zum Spießrutenlaufen entwickelt. Innovation und Bürokratie passen da zusammen, wo das Interesse an Rechts- und Planungssicherheit, an Genehmigungstempo und -aufwand auf eine sich als Dienstleister verstehende Bürokratie treffen.

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Bei der Rahmensetzung ist es fast zwingend, vorher zu überprüfen, wie die durchweg kleinen mittelständischen Unternehmen mit dem Aufwand klarkommen. Die Bemühungen auf Bundes- und Länderebene zum Bürokratieabbau sind deshalb keine einmalige, sondern eine auf Dauer anzugehende Arbeit, die auch und gerade die europäische Ebene einbezieht. Der Politik kommt gleichermaßen die Aufgabe zu, auf den Zugang innovativer, mittelständischer Unternehmen zu Finanzierungsmöglichkeiten zu achten. Ein stabiles Drei-Säulen-Modell in Deutschland aus Geschäftsbanken, Genossenschaftsbanken und Sparkassen bietet dafür die Voraussetzung.

VI. Fazit Die Innovationskraft des Mittelstands ist ein leistungsstarker Motor der deutschen Wirtschaft. Das daraus resultierende Selbstbewusstsein darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass es sich um eine störanfällige Kraft handelt. In den Unternehmen bleibt keine Zeit, sich auf Lorbeeren auszuruhen. Die Politik ist gut beraten, mit wachem Auge auf mittelstandsgerechte Rahmenbedingungen zu achten. Bewegung ist die Voraussetzung für ein auf Dauer gesundes Rückgrat.



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Petra Roth Innovationen in der Wissensregion Frankfurt Rhein/Main

Geht man von dem in Deutschland üblichen Verständnis des Mittelstandes als kleine und mittlere Unternehmen aus, dann sind dies Unternehmen mit weniger als 500 Beschäftigten. Im Bezirk der Industrie- und Handelskammer Frankfurt am Main, der neben Frankfurt auch die Landkreise Main-Taunus und Hochtaunus umfasst, sind demnach 99 Prozent der Firmen „mittelständisch“. Das verdeutlicht, von welcher zentralen Bedeutung der Mittelstand für die wirtschaftliche Entwicklung der Region ist. In Frankfurt selbst werden vom Mittelstand 65 Prozent der Arbeitnehmer beschäftigt, 80 Prozent der Lehrlinge ausgebildet und 44 Prozent der Investitionen getätigt. Eine aktuelle bundesweite Studie über die 100 innovativsten Unternehmen im Mittelstand belegt eindrücklich die Rolle des Mittelstandes. Schon aufgrund der oben genannten Zahlen, aber auch im Rückblick auf die Wirtschaftsentwicklung, muss man den Mittelstand als einen entscheidenden Motor für Innovationen in Deutschland bezeichnen. In seinem Buch „Hidden Champions des 21. Jahrhunderts – die Erfolgsstrategien unbekannter Weltmarktführer“ vertritt Hermann Simon, Geschäftsführer einer weltweit führenden Unternehmensberatung, die Meinung, dass kein Land der Welt über bessere Unternehmen als Deutschland verfügt und kein Land auch nur annähernd so viele Weltmarktführer besitzt. Deshalb gilt auch, dass vermutlich kein Land der Welt auf breiter Front so innovativ ist. Fakt ist: In Deutschland gibt es ca. 1.300 mittelständische Weltmarktführer, die man in der wirtschaftlichen Berichterstattung als „Hidden Champions“ oder „heimliche Gewinner“ bezeichnet. Ihre Verborgenheit steht im krassen Gegensatz zu ihren herausragenden Erfolgen. Das Handelsblatt titelte vor einiger Zeit: „Mittelstand schlägt Konzerne“ und belegte eindrücklich, dass mittelständische Innovationskraft ebenfalls zu hohen Renditen führen kann, die sich durchaus mit denen der Großunternehmen messen können. Natürlich darf trotz der großen Bedeutung des Mittelstandes nicht in Abrede gestellt werden, dass für die gesamtwirtschaftliche Entwicklung auch die „Flaggschiffe“ einer Branche von zentraler Bedeutung sind. Denn bestimmte Forschungs- und Entwicklungsinvestitionen können nun

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einmal nur von Unternehmen in der Größenordnung von Großkonzernen „gestemmt“ werden. Man denke dabei an die Pharma-, die Automobilindustrie oder die Groß-Chemie. Etliche große Erfolgsunternehmen entstammen allerdings kleinsten Verhältnissen und haben ein geradezu schwindelerregendes Wachstum erfahren. Wie oft sind aus „Waschküchen“, garagenähnlichen Räumen oder einfachen „Werkstätten“ später große Unternehmen und Weltkonzerne entstanden! Tatsache ist auch, dass die Industrie ihren Ausgangspunkt einst aus dem traditionellen Handwerk nahm. Die industrielle Serienproduktion ist nur eine Fortentwicklung der einfachen handwerklichen Fertigung mit Hilfe des technischen Fortschritts. Viele Neuerungen der Industrie entstanden auch nicht durch akademisch ausgebildete Ingenieure, sondern oft durch Basteleien von begabten Handwerkern. Ich bin mir sicher, dass Deutschland niemals zu dieser heutigen industriellen Spitzenposition gelangt wäre, wenn nicht das starke Fundament von Deutschlands vielfältigstem Wirtschaftszweig, dem Handwerk, hierfür die Grundlage gelegt hätte.

Erfolgsgeschichten aus Frankfurt Innovationen sind grundsätzlich in allen Wirtschaftszweigen möglich, de facto gibt es aber eine weite Spanne in der Innovationskraft von Selbständigen und mittelständischen Unternehmen in unserem Land. Zudem gibt es große Unterschiede in der Art der Innovation: Sie kann sich auf das Produkt selbst, also auf die Schaffung neuer oder verbesserter Kundenlösungen beziehen oder auf das Verfahren zur Herstellung dieser Produkte. Dabei ist es wichtig, zwischen Innovation und bloßen Erfindungen zu unterscheiden. Lediglich die Ideen oder Erfindungen, die einen ökonomischen Vorteil bringen, sind Innovationen. Eine Innovation kann klein sein oder aber so bedeutend, dass sie den Keim für die Entstehung eines Großunternehmens legt. All dies ist möglich, und wir haben immer wieder das Glück, bedeutende Erfolgsgeschichten hier am Standort Frankfurt zu erfahren. Darum zwei Beispiele von jungen und innovativen Unternehmen aus Frankfurt am Main. Die Firma Geohumus International GmbH wurde 2004 gegründet und beschäftigt derzeit 15 Mitarbeiter. Geohumus beschäftigt sich mit der Entwicklung, Produktion und dem Vertrieb eines gleichnamigen Bodenhilfsstoffes. Aufgrund der immensen Wasserspeicherungsfähigkeit ist dieser



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Stoff insbesondere für Länder außerordentlich interessant, in denen Wasserknappheit herrscht. So gesehen kann das Unternehmen einen wesentlichen Beitrag zur Bewältigung der weltweiten Wasserprobleme leisten und hat glänzende Zukunftsaussichten. Auch das Unternehmen BioSpring Biotechnologie GmbH kann auf eine beeindruckende Bilanz verweisen. Die junge Firma, 1997 an der Goethe-Universität gegründet, ist ein forschendes und produzierendes Unternehmen der Biotechnologie und Chemie und beschäftigt derzeit 26 Mitarbeiter. Durch die Fokussierung auf zwei Geschäftsbereiche, die Enzymoptimierung und Nukleinsäuretechnologien, hat es sich bereits in diesen Spezialgebieten eine Führungsposition erworben. Solche High-Tech-Gründungen und wissenschaftliche Ausgründungen spielen in modernen und wissensbasierten Volkswirtschaften wie Deutschland eine zunehmend wichtige Rolle. Besonders die enge Vernetzung zwischen Forschung und Wirtschaft ist ein zukunftsweisender Mechanismus, wie neues Wissen, neue Erkenntnisse und neue Theorien in neue Produkte und neue Produktionsverfahren umgesetzt werden können. Dieser Transfermechanismus gewinnt auch in den Forschungs- und Entwicklungsabteilungen der Unternehmen immer mehr Bedeutung. An die Politik in Deutschland – und auch in Frankfurt am Main – wird daher häufig die Forderung gerichtet, dafür zu sorgen, dass die Ideen, die in den Wissenschaftszentren entstehen, praxisrelevant und wirtschaftlich produktiv vor Ort ausgeschöpft werden können. Denn was nützt es Deutschland, dass beispielsweise das Telefax einst bei uns erfunden wurde, aber andere damit heute sehr gute Geschäfte machen können?

Von der „Apotheke der Welt“ zu einem der größten Pharma-Standorte Es ist leider schon lange her, dass Deutschland und insbesondere der Frankfurter Raum als die „Apotheke der Welt“ bezeichnet wurde. Heute kommen die größten Pharmaunternehmen aus den USA, Großbritannien, Frankreich und der Schweiz. Erst auf Rang 14 folgt das erste deutsche Pharmaunternehmen mit gerade 15 Prozent des Jahresumsatzes des Weltmarktführers Pfizer (USA). Pfizer wurde wie die ehemalige Frankfurter Hoechst AG in der Mitte des 19. Jahrhunderts gegründet. An den unterschiedlichen Unternehmenshistorien sieht man sehr deutlich, dass Wirtschaft stets ein dynamischer Prozess ist, dem man sich als positive Herausforderung stellen muss. Ganz im Sinne einer „schöpferischen Zerstörung“ zeigt gerade das Beispiel Hoechst AG, dass Innovation und Fortschritt mehrere Ausprägungen erfahren kann. Auf dem ehemaligen Gelände der Hoechst AG ist nach deren Aufgliederung im Jahre 1998 der „Industriepark Höchst“ mit über

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90 Unternehmen entstanden – heute einer der größten Chemie- und Pharmastandorte Europas. Im Industriepark Höchst wurden seit 2000 jährlich mehr als 300 Mio. Euro investiert, das ist mehr als in den besten Jahren der Hoechst AG. Motivation zur Spitzenleistung Geht man wirtschaftsgeschichtlich zurück, stellt man fest, dass einst einzelne begnadete Apotheker in Zusammenarbeit mit örtlichen Medizinern für die Menschheit segensreiche Medikamente entwickelten. Daraus ist letztendlich die Pharma-Industrie entstanden. So gesehen kommt es bei Neuentwicklungen oft auf Einzelne an, die Spitzenleistungen erbringen. Viele der wegweisenden Erfindungen wurden oft auch von Menschen bewirkt, die in einem Unternehmen beschäftigt waren, sich dort aber eingeengt oder gehemmt fühlten. Ihr Ausweg war meist der, dem Unternehmen den Rücken zu kehren und sich auf „eigene Füße“ zu stellen. Sicher sind sehr viele dieser risikofreudigen Unternehmer, die heute keiner mehr kennt, damit gescheitert. Aber Namen wie Gottlieb Daimler oder Werner von Siemens, die heute für die größten deutschen Industriekonzerne stehen, zeugen von den Möglichkeiten eines solchen Handelns. Ich weiß nicht, was einst Gottlieb Daimler oder Werner von Siemens motiviert haben mag, derart Großes zu vollbringen. In der Wirtschaftswissenschaft sieht man in dem Bedürfnis nach besonderer Spitzenleistung und Hervortreten aus der Masse das Hauptmotiv unternehmerischer Tätigkeit. Diese Überlegungen wurden ganz ähnlich auch bei Max Weber, Joseph A. Schumpeter u.a. angestellt. Experimentell konnte nachgewiesen werden, dass Personen mit einem hohen Bedürfnis nach Leistung bestimmte Aufgaben intensiver angingen und bessere Resultate erzielten, wenn sie ihre Leistung an einem Vergleichsmaßstab (Standard of Excellence) messen konnten. Im Gegenzug zeichneten sie sich nicht besonders aus, wenn nur eine Aufgabenbewältigung mit Routinecharakter verlangt wurde. Werner von Siemens sah sich 1847 vor die Wahl zwischen einer gesicherten Beamtenkarriere im preußischen Staatsdienst und einem riskanten Unternehmertum gestellt und entschied sich für Letzteres, um die Zukunft aktiv mit gestalten zu können: „Die Telegrafie wird eine eigene, wichtige Branche der wissenschaftlichen Technik werden, und ich fühle mich einigermaßen berufen, organisierend in ihr aufzutreten, da sie, meiner Überzeugung nach, noch in ihrer ersten Kindheit liegt.“ So Werner von Siemens damals – und er hat Recht behalten. Vielleicht werden einige der bereits erwähnten 1.300 „Hidden Champions“ in Deutschland eines Tages genauso weltweiten Ruhm erlangen. Die Zeichen dafür stehen sehr gut, denn diese Weltmarktführer wachsen mit rasanter Geschwindigkeit. Hermann Simon hat in seinem Buch die



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Erfolgskriterien solcher Unternehmen entschlüsselt. Diese „Champions“ sind zwar überdurchschnittlich erfolgreich, aber keine Wunderunternehmen. Ihre Strategie ist solide, einvernehmlich und nachhaltig. Es geht unter anderem um einen Führungsstil, der die Mitarbeiter fördert und inspiriert. Die Chefs amtieren in der Regel für längere Zeit. Damit spielen Stetigkeit und Verlässlichkeit eine wesentliche Rolle. Da Existenzgründer bei Firmengründung meist noch relativ jung sind, ist auch die Unternehmenskultur flexibel, lebendig und für Neues offen. So werden in diesen Unternehmen eher Querdenker gefördert und nicht, wie anderswo allzu oft, unterdrückt und demotiviert. Die Mitarbeiter haben größere Spielräume und tragen mehr Eigenverantwortung. Was zählt ist der Erfolg. Gemessen und bilanziert werden die konkreten Ergebnisse. Die Mitarbeiter bekommen stets Feedback und können ihre Arbeit und ihren Mehrwert im Unternehmen einordnen. Dabei wirkt Teamdenken und gegenseitige soziale Kontrolle und Verantwortung motivierend und ertragsfördernd. In den meisten dieser Unternehmen werden die Beschäftigten zum Teil deutlich über dem Durchschnitt bezahlt und zudem über Gewinnbeteiligungsmodelle am Erfolg beteiligt, was zusätzlich motiviert. Besonders verbindet die Beschäftigten der Stolz, zu einem solch erfolgreichen Unternehmen zu gehören. In der kürzlich erschienenen Studie „Economic Effects of Intellectual Property-Intensive Manufacturing in the United States“ haben Robert J. Shapiro und Nam Pham beispielhaft für die USA untersucht, welche wirtschaftlichen Auswirkungen das geistige Eigentum in der Fertigung hat. Demnach erzielen „Intellectual Property“-intensive Industrien pro Beschäftigten eine um 72 Prozent höhere Wertschöpfung und generieren um 140 Prozent mehr Arbeitsplätze als herkömmliche Industrien, die geistiges Eigentum nicht als strategischen Vorteil nutzen. Auch diese Ergebnisse zeigen deutlich, dass sich die aktive Beschäftigung mit dem Führungsstil, der Unternehmenskultur sowie dem Ideenpotenzial der Mitarbeiter auszahlt. Zudem wird überdeutlich, dass sich Forschung und Entwicklung und damit auch ein professioneller Patentschutz sehr lohnen! Für viele kleine und mittlere Unternehmen stellen aber die Besonderheiten eines erfolgreichen „Intellectual Property“-Systems eine starke Herausforderung dar. So sind Informationen zu wichtigen Aspekten des geistigen Eigentums, die auf die spezifischen Bedürfnisse der kleinen und mittleren Unternehmen in zeitlicher und finanzieller Hinsicht, ihren vorhandenen Kenntnisstand und die Notwendigkeit einer verständlichen Fachsprache zugeschnitten sind, bislang nur in begrenztem Maße zugänglich. Deshalb ist es für mittelständische Unternehmen äußerst wichtig,

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eine ausgefeilte und zur Entwicklungsphase des Unternehmens passende Patentstrategie zu entwickeln. Hierbei kann ich zur Inanspruchnahme professioneller Hilfe nur ermuntern, denn der richtige Patentanwalt dürfte sein Geld immer wert sein. Wir können voller Stolz sagen, dass Deutschland noch immer das Land der „Denker“ ist: Mit einem Anteil von 17,9 Prozent am Gesamtaufkommen lag Deutschland 2007 innerhalb der EU erneut an der Spitze, gefolgt von Frankreich mit 5,9 und den Niederlanden mit fünf Prozent. Leider wird innerhalb der EU nicht erfasst, welchen Anteil die mittelständischen Unternehmen am Patentaufkommen halten. Anders in den USA. Dort gibt es für kleine und mittlere Unternehmen eine spezielle, günstigere Gebührenstruktur (Small Entity Fee) und daher auch die statistische Möglichkeit, diesen Anteil auszuweisen. Ich halte eine Regelung, ähnlich wie in den Vereinigten Staaten, auch in Europa für äußerst wünschenswert. Dies wäre ein wichtiger Baustein einer effizienten Mittelstandsförderung.

Engagement für Bildung und Wissenschaft Für Erfindungen, wie auch für besondere Leistungen oder sehr hohe Durchsetzungsfähigkeit, braucht man Menschen mit Visionen, Menschen mit exzellenter Ausbildung und ein Umfeld, das Innovationen und Leistung begünstigt. Mit dieser Motivation hat die Politik zunehmend Voraussetzungen dafür geschaffen, die berufliche mit der akademischen Ausbildung gleichzustellen. Insbesondere der Erfolg unseres dualen Berufsausbildungssystems, das heißt die parallele Ausbildung in Betrieb und Berufsschule, wird weltweit anerkannt. Demgegenüber stehen unsere Universitäten in einem harten weltweiten Wettbewerb. Die Förderung beider Ausbildungswege, sowohl der beruflichen als auch der akademischen Bildung, ist für die Zukunftsfähigkeit Deutschlands essentiell. Von Bundespräsident Horst Köhler stammt der Satz: „Ich wünsche mir, dass […] die Förderung von Wissenschaft und Forschung in Deutschland gleichsam zur Ehrensache der Bürger wird“. In diesem Sinne ist der derzeitige Weg der Johann Wolfgang Goethe-Universität zu mehr Autonomie und Exzellenz auch aus Sicht des Magistrats der Stadt Frankfurt am Main eine ausgesprochen positive Entwicklung. Das Leitbild der Stiftungsuniversität steht für die Öffnung der Universität hin zum Bürger, wie umgekehrt die Bürgerschaft sich für die Goethe-Universität engagiert. Voraussetzung für die Glaubwürdigkeit einer solchen Entwicklung ist, dass die Ziele der Universität in eigener Verantwortung festgelegt werden können. Der Einfluss der Ministerialbürokratie sollte



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auf ein Mindestmaß reduziert und eine bessere Profilierung im nationalen und internationalen Wettbewerb um Forscher und Studierende angestrebt werden. Die künftige Finanzierung erfolgt folgerichtig in einem Mix aus staatlichen und privaten Mitteln. Wichtig ist auch, dass das unerlässliche Qualitätsmanagement in eigener Regie durchgeführt wird. Offensichtlich glauben die Bürger und Unternehmen an die Zukunftsfähigkeit und den Erfolg dieses Universitätsmodells. Renommierte Unternehmen wie UBS, Aventis, Merz, die Helaba, AstaMedical und die Hertie-Stiftung richten vermehrt sogenannte„Stiftungs-Professuren“ ein. An der Johann Wolfgang Goethe-Universität gibt es inzwischen mehr als 30 dieser gestifteten Professorenstellen. Auch das Engagement der Bürger lässt vieles erhoffen. Das Beispiel einer älteren Dame, die der Goethe-Universität die stolze Summe von 30 Mio. Euro stiftete, wird hoffentlich Nachahmung finden.

Wissensregion Rhein-Main In einer solchen Vernetzung wissenschaftlicher Einrichtungen mit den Unternehmen besteht eine der wichtigen Zukunftsaufgaben Deutschlands, denn solche „Kompetenznetze“ werden zum entscheidenden Wettbewerbs- und Wachstumsfaktor im 21. Jahrhundert und zu einer eigenständigen Wertschöpfungsquelle. Die Region Frankfurt-Rhein/Main hat dies frühzeitig erkannt und die Weichen dafür gestellt, die Region zur Wissensregion auszubauen, in der durch den Aufbau von Netzwerken für den Wissensaustausch und die Umsetzung des Wissens in Produkte und Dienstleistungen ein nachhaltiger Wettbewerbsvorsprung erzielt wird. Zwischen Gießen und Darmstadt, Bingen und Fulda findet sich eine der stärksten und vielfältigsten Wirtschafts- und Wissensregionen Europas mit einer gut ausgebildeten Bevölkerung, innovativen Unternehmen, zahlreichen Hochschulen und bedeutenden Forschungseinrichtungen. Durch das Aufbrechen der Wertschöpfungskette in vielen Branchen gewinnt die Clusterentwicklung immer mehr an Bedeutung, denn beispielsweise kann die Kette aus industriellem oder handwerklichen Zulieferer, Dienstleistern und Kernunternehmen ebenfalls als wichtiges Wertschöpfungsnetzwerk angesehen werden.

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Im „Wissensatlas FrankfurtRheinMain – Die Wissensregion stellt sich vor“ sind viele Adressen, Hinweise und Links angegeben, die Mittelständlern, die Innovationen schaffen wollen, mit Rat und Tat zur Seite stehen. Eine besonders empfehlenswerte Adresse ist die Beratungsstelle des Technologie-Transfer-Netzwerks Hessen (TTN Hessen), www.ttn-hessen.de. Es gibt in der Wissensregion Frankfurt-Rhein/Main darüber hinaus zahlreiche Stellen, an die sich mittelständische Unternehmen bei Fragen zum „Stand der Technik“, zum Technologieund Wissenstransfer, zu erneuerbaren Energien oder anderen technologisch-wissenschaftlichen Problemen wenden können. Besonders erwähnen möchte ich dabei die Angebote der Hochschulen, der öffentlichen Forschungsinstitute, der IHK Frankfurt am Main, der Handwerkskammer RheinMain und der Wirtschaftsförderung Frankfurt GmbH.

Förderung für Schlüsselbranchen und Gründer Auch die Stadt Frankfurt am Main engagiert sich stark in Schlüsselbranchen, die für den Standort zukunftsweisend sind. So ist sie zum Beispiel einer der Träger des „FIZ-Frankfurter Innovationszentrums Biotechnologie GmbH“, eines 2004 eröffneten industrienahen Forschungsclusters. Das FIZ bietet jungen Unternehmen und Firmengründern ebenso wie etablierten Unternehmen aus dem Bereich Life Science eine optimale Infrastruktur mit maßgeschneiderten Büround Laborflächen zur wirtschaftlichen Umsetzung ihrer Produkt- bzw. Dienstleistungsideen. Das Richtfest zur zweiten Ausbaustufe Ende April 2008 zeigte deutlich den Erfolg dieses Projekts. Denn es ist weit mehr als ein reines Immobilienprojekt; es ist ein strukturpolitisches Entwicklungsinstrument. Daneben liegt ein Fokus der Frankfurter Wirtschaftspolitik in der Förderung von Existenzgründungen. Die Wirtschaftsförderung Frankfurt GmbH ist Träger des Existenzgründungszentrums „Kompass“. Dieses ist heute ein wesentlicher Bestandteil der aktiven Arbeits- und Wirtschaftspolitik der Mainmetropole und ein Motor für das Frankfurter Gründungsgeschehen. Seit der Entstehung im Jahr 2000 haben 15.294 Personen die Angebote des Zentrums wahrgenommen und sich 3.880 daraufhin selbständig gemacht. Rund 80 Prozent davon haben sich am Markt behauptet. Demzufolge nimmt Frankfurt nach dem Gründungsranking des Instituts für Mittelstandsforschung Bonn innerhalb von 439 Kreisen und kreisfreien Städten den zweiten Rang ein. Dies ist ein exzellentes Ergebnis!



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Ich könnte noch viele positive Beispiele und richtungsweisende Einzelfälle nennen. Tatsache ist, dass die Wirtschaftsförderung Frankfurt GmbH nach Kräften ihre Möglichkeiten ausschöpft, neue Initiativen anzuregen und zu unterstützen, bestehenden Unternehmen Wege zu ebnen und dabei auch die bestehende Förderkulisse „EU – Bund – Land“ berücksichtigt. Da Wirtschaft ein dynamischer Prozess ist, können wir nicht auf unseren Lorbeeren ausruhen. Wir versuchen deshalb stets, Neues zu probieren und Besseres zu erreichen. Wir wissen aber auch: Wenn es stimmt, dass die Wirtschaft unser Schicksal ist, dann entscheidet sich dieses Schicksal im Mittelstand – und damit auch die Zukunftsfähigkeit unseres besonderen Modells der sozialen Marktwirtschaft. Angesichts der Innovationskraft des Mittelstands ist mir um die Zukunftsfähigkeit der sozialen Marktwirtschaft nicht bange. Und angesichts der Erneuerungsfähigkeit der sozialen Marktwirtschaft als einer Wettbewerbsordnung bin ich zuversichtlich, dass auch die Innovationskraft des Mittelstandes gut gefördert ist.

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Dr. Clemens Börsig If I could solve all the problems myself, I would

Deutschlands Wirtschaft hat sich nach einer mehrjährigen Durststrecke seit 2006 gut entwickelt. Zum einen hat Deutschland von der weltwirtschaftlichen Dynamik profitiert. Zum anderen haben die deutschen Unternehmen ihre Wettbewerbsfähigkeit gesteigert: Hierzulande stagnieren die Lohnstückkosten seit 2000, während sie im Rest Eurolands um über zehn Prozent gestiegen sind. Deutschland konnte so zum vierten Mal in Folge den Titel des Exportweltmeisters erringen. Sein Handelsbilanzüberschuss lag zuletzt bei beachtlichen sieben Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Zudem ist endlich auch die deutsche Binnenkonjunktur wieder angesprungen. Die Ausrüstungsinvestitionen der Unternehmen sind seit 2006 gestiegen. Die Arbeitslosenzahl ist wesentlich gefallen. Zu den wirtschaftlichen Erfolgen hat der traditionell starke deutsche Mittelstand einen erheblichen Beitrag geleistet. Das zeigt das rasant gestiegene Geschäftsklima-Barometer von KfW und Ifo-Institut. Und der Mittelstand hat in Deutschland Gewicht. Zum Vergleich lohnt ein Blick zum Nachbarn Frankreich: Dort stellt der Mittelstand mit zehn bis 249 Mitarbeitern mit 97 Prozent praktisch denselben Anteil der Unternehmen in Deutschland. Sie erwirtschaften aber mit einem kleineren Anteil der Gesamtbeschäftigten (41 Prozent) nur 31 Prozent der Umsätze. Schon dieser kurze Vergleich verdeutlicht die besondere Rolle des Mittelstands für Deutschlands Wirtschaft. Dies wird noch deutlicher, wenn wir auf die hierzulande übliche Definition des Mittelstands zurückgreifen, bei der Unternehmen mit bis zu 500 Beschäftigten berücksichtigt oder sogar auf Qualitätsmerkmale wie eignergeführte Unternehmen abgestellt wird. Wie auch immer definiert, in keinem vergleichbaren Industrieland gibt es einen so großen und wettbewerbsfähigen Mittelstand wie in Deutschland.



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Wachstumsreiber Innovation Wachstum wird heute mehr denn je von einem Faktor getrieben, dem wir uns hier und heute ganz besonders widmen wollen: Der Innovation. Und tatsächlich sind kleine und mittelgroße Unternehmen eine zentrale Triebfeder von Innovation und Fortschritt in Deutschland – stärker noch als in anderen Ländern. Eine Gegenüberstellung der innovativen mittelständischen Unternehmen Frankreichs und Deutschlands unterstreicht dies nur zu gut. Mit „innovativen“ Unternehmen sind dabei solche gemeint, die neue oder signifikant verbesserte Produkte auf den Markt bringen bzw. neue oder signifikant verbesserte Prozesse einführen. Dafür wird nicht zwangsläufig unternehmensinterne, kontinuierliche Forschung und Entwicklung benötigt. Gemäß der „Community Innovation Survey“ von Eurostat sind in Deutschland 60 Prozent aller Kleinunternehmen (also solche mit 10 bis 49 Mitarbeitern) innovativ tätig, in Frankreich nur 27 Prozent. Ähnlich ist das Bild bei den mittelgroßen Unternehmen (mit 50 bis 249 Mitarbeitern): Hier sind in Deutschland 74 Prozent innovativ, in Frankreich lediglich 51 Prozent. Auch für die Beschäftigung spielen innovative Mittelständler in Deutschland eine weit wichtigere Rolle als in Frankreich. In den innovativen Unternehmen mit zehn bis 249 Mitarbeitern arbeiten laut Eurostat hierzulande 2,8 Mio. Beschäftigte, in Frankreich lediglich 1,2 Mio. Es verwundert also nicht, dass unter den deutschen Mittelständlern viele so genannte „Hidden Champions“ zu finden sind: innovative und wachstumsstarke Weltmarktführer in ihrer Nische. Diese und andere Mittelständler tragen nicht zuletzt auch zur starken Position Deutschlands bei Patentanmeldungen bei. Zwar sind die Großunternehmen hier traditionell für den Löwenanteil verantwortlich. Der deutsche Mittelstand jedoch meldet immerhin circa 20 Prozent aller inländischen Patente an – obwohl nur acht Prozent der deutschen Mittelständler angeben, überhaupt kontinuierlich Forschung und Entwicklung zu betreiben. Insgesamt hatte Deutschland 2005 bei den international relevanten „Triadepatenten“ einen Anteil am Weltmarkt von stolzen zwölf Prozent, weit vor allen anderen europäischen Ländern.

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Kooperative Innovationsprozesse Ich denke, nach meinen bisherigen Ausführungen kann ich mit Fug und Recht behaupten: Der Mittelstand ist ein wichtiger Innovationstreiber in Deutschland. Das gilt insbesondere für den international aufgestellten Teil des Mittelstands. Einige Mittelständler mögen ihre Innovationsleistungen dabei heute noch im Alleingang hervorbringen. Aber schon Thomas Alva Edison, der 1880 sein Patent für die Glühbirne anmeldete, sagte vieldeutig: „If I could solve all the problems myself, I would.“ Edison deutete also an, dass er es eben nicht immer allein schaffen konnte. Das gilt auch heute noch und ist die Kernthese meines Beitrags: Häufig entstehen erfolgreiche Innovationen gerade im Zusammenspiel von Mittelständlern mit Großunternehmen, mit anderen mittelständischen Unternehmen sowie mit der Wissenschaft. Lassen Sie mich eins gleich vorwegnehmen: Mittelstand und Großunternehmen stehen sich nicht konkurrierend gegenüber. Das Zusammenspiel zeichnet sich vielmehr durch effiziente Arbeitsteilung aus, und gerade dies ist die Stärke der deutschen Wirtschaft. Das Verhältnis von Mittelstand und Großunternehmen hat sich dabei in den letzten Jahren enorm gewandelt. Viele Großunternehmen haben ihre Fertigungstiefe deutlich verringert. Ein besonders gutes Beispiel ist die Automobilindustrie. Die Autohersteller erwarten heute von ihren Zulieferern oft, dass sie ihnen Komplettsysteme anbieten. Nicht das einzelne Instrument, sondern komplette Dash-Board-Module werden verlangt. Damit wird der Zulieferer zum Ko-Innovator: Bei ihm sind zunehmend die nötigen Kompetenzen und das Fachwissen der Instrumententechnik gebündelt. Die werden allerdings erst dann zu wahrer Innovationskraft, wenn sie mit dem Wissen des Autoherstellers über den Rest des Fahrzeuginnenraums und die Bedürfnisse der Autokäufer verzahnt werden. Hier funktioniert Innovation also nur gemeinsam. Da Mittelständler meist stark spezialisiert sind, müssen sie zudem häufig mit anderen Mittelständlern kooperieren. Oft können sie nur so konkurrenzfähige, innovative Güter oder Dienstleistungen entwickeln. Außerdem setzen viele Mittelständler auch selbst auf eine Verringerung ihrer Fertigungstiefe. Und schließlich arbeiten einige Mittelständler auch mit Forschungsinstituten zusammen, um die nötige Schlagkraft in Forschung und Entwicklung aufzubringen. Kooperationen mit der



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Wissenschaft sind aber für viele kleinere Unternehmen heute leider noch unbekanntes Terrain. Zu hoch erscheint oft der Aufwand, zu unsicher das Ergebnis. Daher freut es mich besonders, dass sich das Bundesministerium für Bildung und Forschung hier schon seit Jahren intensiv engagiert und die Kooperation kleinerer Unternehmen mit der Wissenschaft fördert. Überhaupt ist das Ministerium sehr aktiv in der Weiterentwicklung – ja, tief greifenden Reformierung – eines wesentlichen Fundaments von Innovation: der Strukturen der Bildungsund Forschungslandschaft. Beispielhaft möchte ich hier nur zwei neue wettbewerbliche Elemente herausgreifen, mit denen meines Erachtens die internationale Konkurrenzfähigkeit des Innovationsstandorts Deutschland nachhaltig gestärkt wurde. Ich denke da an die variable Vergütung von Professoren ebenso wie an die beachtliche Dynamik, die mit dem Ausloben der Exzellenzinitiative geschaffen wurde. Als Absolvent und bis zuletzt Vorsitzender des Universitätsrats der Universität Mannheim habe ich mich besonders gefreut, dass meine Alma Mater hier ebenfalls bedacht wurde.

Drei Trends Aber zurück zu meiner These der kooperativen Innovationsprozesse. Ich bin der Überzeugung, dass diese Art der gemeinsamen Innovation in den kommenden Jahren zunehmend an Bedeutung gewinnen wird. Insbesondere drei Trends treiben diese Entwicklung. Trend Nr. 1: Wir erwarten, dass am Markt erfolgreiche Produkte immer häufiger aus der Kombination verschiedener wissenschaftlicher oder technischer Bereiche entstehen werden. Bleiben wir bei meinem Beispiel aus dem Automobilsektor und hier beim Fahrzeuginnenraum. Den Kunden werden die Möglichkeiten der dort integrierten Informations- und Unterhaltungssysteme immer wichtiger. Um sie für den Fahrer aber einfach und sicher nutzbar zu machen, müssen die Ingenieure eng mit Kognitionswissenschaftlern kooperieren. Zudem wächst – und veraltet – das Spezialwissen in jedem einzelnen Themenbereich immer schneller. Ihre Kombination und das schnelle Wachstum jedes einzelnen Bereiches erhöhen daher ständig die „Wissenshürde“ zu erfolgreichen Innovationen. Diese Hürde werden Unternehmen nur gemeinsam überspringen können: Sie müssen sich immer stärker auf einige wenige Themengebiete spezialisieren und mit anderen Spezialisten kooperieren.

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Trend Nr. 2: Die Produktlebenszyklen werden immer kürzer. Man betrachte nur die Entwicklungszyklen in der Automobilbranche. Das erhöht weiter den Druck auf die Mittelständler, bei Innovationen zusammenzuarbeiten. Trend Nr. 3: In vielen Bereichen steigen die Entwicklungskosten rapide an. Da liegt es nahe, solche Lasten auf mehrere Schultern zu verteilen. Diese drei Trends werden Mittelständler – wie auch größere Unternehmen – daher künftig zu mehr Kooperationen zwingen, wenn sie erfolgreiche Innovationen auf den Markt bringen wollen. Meine Ausführungen verdeutlichen, dass ich den Titel dieses Kuratoriumsbandes voll und ganz unterschreibe: Ja, der Mittelstand ist ein „Schlüsselfaktor im deutschen Innovationssystem“. Er wird sich allerdings, soll das auch künftig so bleiben, buchstäblich für neue Innovationsprozesse öffnen müssen. Um dabei erfolgreich zu sein, werden viele Mittelständler neue Kompetenzen brauchen. Sie werden in der Lage sein müssen, Kooperationen effizient einzufädeln und zu steuern. Eine entscheidende Rolle spielt dabei die Bewertung des Wissens, dass die Kooperationspartner einbringen, und die Verteilung der Rechte an den gemeinsamen Entwicklungen und Patenten. Hier sind nicht nur neue Bewertungskompentenzen, sondern auch ein behänder Umgang mit der rechtlichen Absicherung der verschiedenen Kooperationsaspekte gefragt. Zudem werden Mittelständler ihre Forscher und Entwickler weiterbilden müssen: Statt nur Vertiefung im Labor sind exzellente externe Vernetzung und ein breiter Überblick über Nachbarthemen gefragt. Auch soziale Kompetenzen werden für FuE-Mitarbeiter wichtiger. Mein Fazit lautet: Innovative, lernbereite Mittelständler, die sich mit Unternehmenspartnern, Wissenschaft und ihren Kunden eng vernetzen – davon bin ich überzeugt – haben in Deutschland auch in Zukunft beste Chancen. Schließen möchte ich daher mit Ken Blanchard, dem US-amerikanischen Unternehmer, Management-Vordenker und Autor, der den Mehrwert von Vernetzung besonders elegant auf den Punkt gebracht hat: „None of us is as smart as all of us.“



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Dr. Eberhard Heinke Forschungsstrategien von mittelständischen Unternehmen und die Förderung von Forschung und Innovationen

Im politischen wie im wissenschaftlichen Diskurs herrscht weitgehendes Einvernehmen darüber, dass der Mittelstand eine zentrale Rolle im volkswirtschaftlichen Innovationsprozess spielt. Mittelständische Unternehmen leisten sowohl entscheidende Beiträge zur Entstehung neuen technologischen Wissens als auch zu dessen Verbreitung in der Wirtschaft. Allerdings stellt sich die Rolle des Mittelstandes beziehungsweise der kleinen und mittleren Unternehmen im Innovationsgeschehen ebenso differenziert dar wie die mittelständische Wirtschaft selbst. Hunderttausende Handwerksunternehmen, kleingewerbliche oder technologieorientierte Gründungen, kleine und mittlere Dienstleistungs- und Industrieunternehmen wie auch die auf den Weltmärkten aktiven Unternehmen des „gehobenen“ Mittelstandes tragen – als Erzeuger, Verbreiter und Nutzer technischer Neuerungen – jeweils auf unterschiedliche Weise zum technologischen Fortschritt bei, auf dem unser heutiger und künftiger Wohlstand wesentlich basiert. Nicht Einheitlichkeit, sondern Vielfalt charakterisiert die Bedeutung mittelständischer Unternehmen auch im Innovationsgeschehen. Dies zeigt sich, wenn im Folgenden der Rolle des Mittelstandes näher nachgegangen wird. Die Ausführungen stützen sich im Wesentlichen auf die Ergebnisse von zwei Studien, die das RWI Essen (Rheinisch-Westfälisches Institut für Wirtschaftsforschung) gemeinsam mit dem Stifterverband Wissenschaftsstatistik beziehungsweise mit der WSF Wirtschafts- und Sozialforschung Kerpen jüngst durchgeführt hat. Dabei wurden die Forschungsstrategien von Unternehmen sowie eine Maßnahme der Technologiepolitik für mittelständische Unternehmen – die Förderung der industriellen Gemeinschaftsforschung (IGF) – untersucht.

Das deutsche Innovationssystem und die mittelständische Wirtschaft Die neuere Innovationsforschung geht davon aus, dass sich Innovationsprozesse stets im Rahmen von Innovationssystemen vollziehen, welche die Entstehung und Verbreitung neuen technischen Wissens maßgeblich auf eine spezifische, dem untersuchten „System“ entsprechende

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Weise prägen. Dabei werden „Innovationssysteme“ sehr unterschiedlich abgegrenzt: Nationalen oder supranationalen (etwa EU-weiten) werden regionale und sektorale Systeme gegenübergestellt. Gemeinsam ist allen diesen Untersuchungen, dass das Zusammenwirken verschiedener Akteure (Unternehmen, Staat), die Rolle institutioneller Rahmenbedingungen sowie technologische Aspekte beachtet werden. Mit Blick auf die mittelständische Wirtschaft als Akteursgruppe liegt es nahe, folgende Aspekte zu untersuchen: • Wie ist die Arbeitsteilung zwischen mittelständischen und großen Unternehmen bei der

Genierung und Verarbeitung technischer Neuerungen beschaffen? • Kann man in Hinblick auf Innovationsprozesse überhaupt von „dem Mittelstand“ reden



oder sollte man nicht von vornherein zwischen verschiedenen Gruppen mittelständischer



Unternehmen unterscheiden? In diesem Zusammenhang ist auch zu fragen: Gibt es ähnliche



Innovationsmuster in mittelständischen Unternehmen, die auf unterschiedlichen Märkten



agieren? • Welche Rolle spielen dabei gesamtwirtschaftliche und institutionelle Rahmenbedingungen



und staatliche Politiken, zum Beispiel die Technologieförderung? Daneben ist generell die Frage zu stellen, ob und wieweit eine überwiegend nationale

Sichtweise auf Innovationsprozesse heute überhaupt noch gerechtfertigt ist. Vielfach wird dies bezweifelt, insbesondere mit Blick auf die europäische Integration und die Globalisierung der Unternehmensaktivitäten, an der erhebliche Teile der mittelständischen Wirtschaft partizipieren. Schließlich stellt sich auch die Frage nach der Bedeutung räumlicher Nähe der Unternehmen zueinander sowie zu Forschungseinrichtungen – der Bildung von so genannten „Clustern“. Nicht zuletzt prägen aber auch nationale Charakteristika den Mittelstand. So existiert in Deutschland, dessen Binnenmarkt größer ist als der aller anderen Mitgliedsländer der EU, neben mehr als 3,5 Millionen kleineren Unternehmen ein ansehnlicher Bestand an großen mittelständischen Unternehmen, der in dieser Form in den meisten anderen europäischen Volkswirtschaften nicht zu finden ist. Dieser „gehobene“ Mittelstand ist insbesondere im verarbeitenden Gewerbe angesiedelt.



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Entstehung und Verbreitung von Neuerungen in der Wirtschaft Wachstum und Strukturwandel resultieren maßgeblich aus der Entstehung und Verbreitung von Neuerungen in der Wirtschaft. Neuerungen, ob neue Produkte oder neue Produktionsverfahren, sind nicht ohne systematische Anstrengungen möglich. Diese systematische Suche nach und das Entstehen von Neuerungen finden im Rahmen der Forschung und Entwicklung (FuE) von Unternehmen statt. Die Forschung und Entwicklung verteilt sich nicht gleichmäßig auf die Branchen; ein Großteil der FuE-Ausgaben der Wirtschaft und des Forschungspersonals entfallen auf das verarbeitende Gewerbe und hierunter auf einige wenige Industriezweige. Von den 37,7 Milliarden Euro, die Unternehmen in Deutschland im Jahr 2003 für eigene FuE oder im Auftrag für andere aufgewendet haben (interne FuE-Aufwendungen), entfielen 91 Prozent auf das verarbeitende Gewerbe. Allein 84 Prozent der gesamten internen FuE-Ausgaben der Wirtschaft konzentrieren sich auf die vier forschungsintensiven Branchen Fahrzeugbau, Elektrotechnik, Maschinenbau und chemische (inklusive pharmazeutische) Industrie (hier und im Folgenden Angaben aus dem FuE-Datenreport 2005/06 des Stifterverbandes für die Deutsche Wirtschaft). Natürlich findet auch in vielen anderen Branchen, darunter allen des verarbeitenden Gewerbes, in gewissem Maße Forschung und Entwicklung statt. Bestimmte unternehmensnahe Dienstleistungen, etwa die Softwareentwicklung oder FuE-Dienstleistungen, leben sogar fast ausschließlich davon. Dennoch gilt: Technische Neuerungen werden in der deutschen Wirtschaft wie in allen anderen entwickelten Volkswirtschaften zum Großteil in speziellen Segmenten der Wirtschaft entwickelt. Andere Teile der Wirtschaft wenden hingegen stärker die andernorts entwickelten Neuerungen an und entwickeln nur in geringerem Maße Neues selbst. Nicht unterschätzt werden sollte in diesem Zusammenhang der große Beitrag des Mittelstands zur Verbreitung der Innovationen. Millionen von kleinen und mittleren Unternehmen treten nicht nur als Nutzer neuer technischer Produkte – zum Beispiel von Computern und Software – in Erscheinung, sondern verbreiten diese aktiv im Wirtschaftsleben. Diese Unterscheidung zwischen Neuerungen und deren Verbreitung spielt für die Bewertung von Innovationsprozessen und der Bedeutung von kleinen und mittleren Unternehmen eine zentrale Rolle. Genauso wie in der Wirtschaft insgesamt gilt auch für die überwiegende Mehrheit der mittelständischen Untenehmen, dass sie keine originären Neuerungen hervorbringen, sondern von solchen profitieren, die in anderen Teilen der Wirtschaft entstanden sind. Lässt man Abgrenzungs-

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probleme einmal außer acht, taxierte die Kostenstrukturerhebung der amtlichen Statistik die Zahl der im Jahr 2004 forschenden Unternehmen im Verarbeitenden Gewerbe auf 8.773. Dies waren 23,5 Prozent aller damals 37.349 Industrieunternehmen mit 20 und mehr Beschäftigten. Festzuhalten bleibt daher zunächst, dass die überwiegende Mehrheit aller mittelständischen Unternehmen die (keinesfalls zu unterschätzende) Rolle als Nutzer neuer Technologien hat. Diese Einschätzung wird unter anderem auch von der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) geteilt. Dem gegenüber steht eine relativ kleine Zahl von kleinen und mittleren Unternehmen, welche für die gesamtwirtschaftlich überaus bedeutsame Entwicklung von Neuerungen eine zentrale Rolle besitzen. Dies sind insbesondere High-Tech-Unternehmen und die so genannten Hidden Champions, meist größere Mittelständler, die sich durch Innovativität in häufig engen Marktsegmenten im Wettbewerb eine europa- und weltweit dominierende Stellung erworben haben.

Die Rolle des Mittelstands bei der Entwicklung neuen technischen Wissens in einzelnen Wirtschaftszweigen Der Rolle des Mittelstands bei der Entwicklung neuen technischen Wissens kann man sich von unterschiedlichen Seiten nähern. Zunächst einmal bietet es sich an, große und mittelständische Unternehmen in Hinblick auf ihre Beiträge zur Forschung und Entwicklung auf gesamtwirtschaftlicher Ebene gegenüberzustellen. In einem nächsten Schritt ist dann nach der Rolle des Mittelstandes in unterschiedlichen Branchenkontexten zu fragen. Über die Bedeutung von Großunternehmen und kleinen und mittleren Unternehmen für die Innovationsgenese in der deutschen Wirtschaft wie auch in anderen Ländern lässt sich trefflich streiten. Und tatsächlich haben sich in der Vergangenheit Wirtschaftswissenschaftler unter verschiedenen Blickwinkeln mit dieser Frage befasst. Zu einem einheitlichen Urteil über die Rolle von mittelständischen Unternehmen ist man dabei, um es kurz zu fassen, nicht gelangt. Ein Überblick hierzu findet sich im DIW-Wochenbericht aus dem Jahr 2003 sowie aus einer etwas anderen Perspektive in einem Beitrag in der Festschrift zum 65. Geburtstag von Paul Klemmer. Eindeutig stellen sich die Dinge dar, wenn man die FuE-Statistik betrachtet. 88 Prozent der 37,7 Milliarden Euro interner Forschungsausgaben in der deutschen Wirtschaft im Jahr 2003 entfielen auf Unternehmen mit mehr als 500 Beschäftigten, bezogen auf solche mit mehr als 250 Beschäftigten waren es sogar 92,2 Prozent. Zwar bestehen sicherlich Erfassungsprobleme



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in mittelständischen Unternehmen, die häufig über keine formelle FuE-Abteilung verfügen. Dies ändert jedoch nichts an der Beobachtung, dass der überwiegende Anteil der FuE-Ausgaben in den Großunternehmen getätigt wird, wo entsprechend auch der Großteil des FuE-Personals arbeitet. So eindeutig dieses Verhältnis auch ist, so wenig sagt diese gesamtwirtschaftliche Betrachtung über die Bedeutung mittelständischer Unternehmen für die Innovationsaktivitäten in einzelnen Branchen aus. Die im Folgenden etwas ausführlicher dargestellten Wirtschaftszweige Maschinenbau, Elektrotechnik, pharmazeutische Industrie und Automobilbau dienen dazu, die sektoralen Innovationssysteme zu verdeutlichen. Aber auch in anderen Branchen wird viel in Forschung und Entwicklung investiert. Das Beispiel etwa der Stahlindustrie verdeutlicht, wie aus einer vor wenigen Jahrzehnten vor dem Niedergang stehenden Industrie eine auf dem Weltmarkt hervorragend aufgestellte Branche wurde, die diesen Wandel ohne dauerhafte Subventionen geschafft hat. Die technologisch weltweit führende Stellung zeigt sich nicht nur in den innovativen Produkten und Produktionsverfahren, sondern zum Beispiel auch daran, dass weiterhin in die Forschung nach zukunftsträchtigen Werkstoffen investiert wird. So hat die Ruhr-Universität Bochum gemeinsam mit ThyssenKrupp ein Forschungsinstitut zur Entwicklung neuer Werkstoffe gegründet, dem sich inzwischen auch andere Unternehmen angeschlossen haben. Dieses Musterbeispiel für gelungene Zusammenarbeit in der Forschung und Entwicklung, in das ohne Weiteres auch mittelständische Unternehmen einbezogen werden könnten, zeigt, wie sinnvolle Forschungsförderung aussehen sollte. In zahlreichen innovativen Teilbranchen des Maschinenbaus wird die Entwicklung von Neuerungen durch mittelständische Unternehmen getragen, die in vielen Fällen mit technischen hochwertigen und ausgereiften Produkten auf den Weltmärkten sehr wettbewerbsfähig sind. Gerade weil sich im Maschinenbau zahlreiche relativ kleine Marktsegmente finden, in denen globaler Wettbewerb über Neuerungen stattfindet, gibt es hier eine Vielzahl der bereits erwähnten Hidden Champions des gehobenen Mittelstands. In den High-Tech-Branchen der Elektroindustrie wiederum konkurrieren sehr innovative mittelständische Unternehmen mit den etablierten Großunternehmen und bestimmen die technologische Entwicklung in diesen Marktsegmenten maßgeblich mit. Dabei handelt es sich häufig um sehr spezialisierte Märkte, während bei den großen Märkten eher die sehr großen Unternehmen das Feld beherrschen. Viele dieser mittelständischen High-Tech-Unternehmen finden sich im Umkreis erstklassiger Universitäten und sind oft aus Ausgründungen aus der Universitätsforschung hervorgegangen.

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Die pharmazeutische Industrie wiederum hat seit den achtziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts weltweit einen wichtigen Innovationsschub durch die neu gegründeten Biotechnologieunternehmen bekommen. Diese Unternehmen, die sich häufig leichter als sie großen bei der Generierung neuer Ideen und bei der Umsetzung in Richtung neuer Wirkstoffe und Medikamente tun, sind mittlerweile eine enge Symbiose mit den großen forschenden Pharmakonzernen eingegangen. Zugleich sind aber auch die Universitäten als Quellen für neue Ideen und als Nährboden für Ausgründungen eng mit dem Innovationsgeschehen mittelständischer Unternehmen verbunden. Im Automobilbau wiederum als der Vorzeigebranche des deutschen Innovationssystems entstehen Neuerungen im engen Austausch zwischen den Unternehmen der automobilen Wertschöpfungskette. Dabei kommt gerade mittelständischen Unternehmen, die auf den weiter hinten gelagerten Stufen des Wertschöpfungssystems als Zulieferer angesiedelt sind, im gesamten Innovationsgeschehen und damit im laufenden Prozess der Verbesserung der automobilen Wertschöpfungskette eine wichtige Rolle zu. Sie sind maßgeblich an zahlreichen kleinen, inkrementellen Verbesserungen beteiligt. Neben den genannten, insgesamt sehr forschungsaktiven Branchen besitzen kleine und mittlere Unternehmen auch in zahlreichen anderen Branchen des verarbeitenden Gewerbes und in speziellen Segmenten des Dienstleistungssektors eine hohe Bedeutung im Innovationssystem. So haben sich mittelständische Unternehmen der Textilindustrie auf spezielle Marktsegmente wie technische Textilien (für Anwendungen etwa in der Medizin oder Spezialanwendungen wie Reinraumkleidung) konzentriert, in denen sie sich mit innovativen Lösungen im Wettbewerb gegen Anbieter aus Niedriglohnländern behaupten. Die Beispiele zeigen: Es gibt nicht „die Rolle mittelständischer Unternehmen im Innovationssystem in Deutschland“, sondern ganz unterschiedliche Beiträge. Zwischen Großunternehmen und Mittelstand haben sich dabei – wie in anderen Bereichen des Wirtschaftens – spezifische Formen der Arbeitsteilung entwickelt, wobei vielfach eine enge Symbiose zwischen Großunternehmen und Mittelstand zu beobachten ist. Ohne die Einbindung von Großunternehmen, also allein durch mittelständische und große mittelständische Unternehmen, findet die technologische Weiterentwicklung nur in relativ kleinen Marktsegmenten statt. In großen Marktsegmenten finden sich dagegen in der Regel immer Großunternehmen, die im Wettbewerb die Möglichkeit von Economies of Scale für sich nutzen.



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Förderung von Forschung und Innovationen im Mittelstand Durch den so genannten Lissabon-Prozess will die Europäische Kommission Europa zur dynamischsten Wirtschaftsregion der Welt machen. Dazu hat sie das Barcelona-Ziel definiert, das bis 2010 eine Steigerung der FuE-Ausgaben auf drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts vorsieht. Damit gelangt die Förderung von Forschung und Innovationen in der Wirtschaft insgesamt, aber auch in den mittelständischen Unternehmen, in den Mittelpunkt des politischen Interesses. Die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen wie der deutschen Wirtschaft soll durch die Verbesserung von Rahmenbedingungen für Forschung und Entwicklung, aber auch durch deren finanzielle Förderung gesteigert werden. Die jüngst aufgelegte High-Tech-Strategie der Bundesregierung zielt in diesem Zusammenhang besonders auch auf die Förderung von Innovationsaktivitäten im Mittelstand. Zahlreiche wissenschaftliche Untersuchungen beschäftigen sich mit der Frage, welche gesamtwirtschaftlichen Effekte aus dieser Förderung resultieren. Leider lässt sich auf diese Frage keine einfache Antwort geben. Natürlich gibt es zahlreiche Beispiele für erfolgreiche Innovationen, die zu mehr Beschäftigung und Wachstum geführt haben. Gleichzeitig existieren aber Gegenbeispiele für Neuerungen, die nicht den erwünschten Markterfolg hatten. Aussagen wie die, dass eine zusätzliche Förderung in einer bestimmten Höhe zu einer gegebenen Zahl zusätzlicher Arbeitsplätze oder zu einem bestimmten Zuwachs des Bruttoinlandsprodukts führte, sind vor dem Hintergrund der Komplexität des Innovationsgeschehens letztlich nicht auf fundierter Basis möglich, so eingängig sie auf den ersten Blick auch erscheinen mögen. Die Wirkungen von Innovations- und Forschungsförderung hängen vielmehr maßgeblich von den individuellen Maßnahmen und deren Zusammenhängen ab. Deswegen ist es so wichtig, einzelne Fördermaßnahmen einer wissenschaftlich fundierten Evaluation zu unterziehen. Nur durch die wissenschaftliche Untersuchung der Wirkungen und der Gründe, warum in bestimmten Fällen die Wirkungen ausbleiben, kann die Politik lernen, an welchen Stellen das Geld des Steuerzahlers gut angelegt ist. Ein Beispiel dafür, wie schwierig es in einem konkreten Förderprogramm sein kann, dessen Wirkungen zu erfassen, stellt die Evaluation der industriellen Gemeinschaftsforschung dar. Diese Evaluation wird gegenwärtig durch das RWI Essen gemeinsam mit dem WSF Kerpen durchgeführt. Dieses Förderprogramm des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie zielt auf die Unterstützung von anwendungsorientierter Grundlagenforschung in Forschungsinstitutionen

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für mittelständische Unternehmen in technologieorientierten Branchen. Die Forschungsprojekte sind im vorwettbewerblichen Raum angesiedelt und dürfen nach den Regeln des Programms keine fertigen Produkt- und Prozesslösungen entwickeln. In der Regel sind die geförderten Projekte denn auch noch weit von einer konkreten Anwendung in Unternehmen entfernt. Dort müssen also noch zusätzliche Forschungsanstrengungen unternommen werden, um die Ergebnisse der IGF nutzen zu können. Dieser Prozess kann sich über Jahre hin ziehen. Bei der Evaluation des Programms besteht die Herausforderung darin, den Nutzen, der später aus einem konkreten Produkt resultiert, auf eben dieses ursprüngliche Projekt zurückzuführen. Nur in einigen Fällen lässt sich aber eine Entwicklung hin zu einem Produkt verfolgen. Darüber hinaus kann der Nutzen für die Unternehmen ganz unterschiedlicher Art sein. Beispielsweise ist es möglich, dass die Verantwortlichen eines Unternehmens aus einem geförderten Projekt etwas über Materialeigenschaften in der Produktion lernt. Der Nutzen kann dann darin bestehen, dass spätere Unternehmensentscheidungen über den Zukauf von Teilen durch dieses Wissen beeinflusst werden. Kurz gesagt: Der Nutzen staatlicher Förderung von Forschung und Entwicklung ist vielfach nur schwer zu identifizieren. Allerdings bedeutet dies im Umkehrschluss nicht, dass man auf die Förderung von Forschung für den Mittelstand verzichten sollte. Tatsache ist, dass in allen Industrienationen staatlich finanzierte Forschung an Universitäten und Forschungsinstituten und Unternehmensforschung immer näher zusammengerückt sind. Staatliche Förderprogramme nehmen dabei – unter anderem – eine wichtige Brückenfunktion ein. Bleibt das Erfordernis, durch eine kritische wissenschaftliche Begleitung mehr über die Effekte der Förderung zu lernen, um die Wirksamkeit der Programme für den Mittelstand zu verbessern.



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Michael Sommer Bessere Ausschöpfung der Innovationspotenziale

Der Mittelstand ist und bleibt das Rückgrat der deutschen Wirtschaft. Seine Exporterfolge hängen entscheidend ab von innovativen Produkten – und die wiederum vom Erfindergeist und den Ausgaben für Forschung und Entwicklung (FuE). Deutschland verzeichnete im Jahr 2006 die meisten Patentanmeldungen in Europa mit 60.585 Eintragungen. Die FuE-Intensität (Prozentuale Ausgaben für Forschung und Entwicklung am Bruttoinlandsprodukt) liegt in Deutschland mit 2,53 Prozent über dem EU-Durchschnitt von 1,74 Prozent. Allerdings rangiert Deutschland noch hinter den USA, Japan und Schweden. Aber eigenständige Innovationen sind in Deutschland sehr stark von der Unternehmensgröße abhängig. Die kleinen und mittleren Unternehmen hatten an den FuE-Ausgaben von 52 Mrd. Euro im Jahr 2006 nur einen Anteil von 12,7 Prozent. Daran wird die chronische FuE-Unterfinanzierung in mittelständischen Betrieben deutlich, die immerhin 79 Prozent aller Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen in Deutschland beschäftigen. Der Mittelstand ist nach wie vor finanziell und personell stark von der Innovationspolitik der großen Konzerne abhängig. Das gefährdet die Zukunftsfähigkeit der kleinen und mittleren Unternehmen. Deshalb ist es dringend erforderlich, die Innovationskraft und die Innovationspotenziale gezielt zu verbessern. Ziel muss es sein, dass sich die FuE-Kennzahlen des Mittelstands dem Beschäftigungs- und Umsatzanteil in der deutschen Wirtschaft annähern. Ein bedauerliches Resultat der FuE-Unterfinanzierung und der Abhängigkeit des Mittelstands von Großkonzernen ist die steigende Abwanderung von Akademikern ins Ausland. Eine aktuelle PROGNOS-Befragung unter ausgewanderten Fachkräften hat belegt, dass bessere Einkommensund Aufstiegschancen Hauptgründe für die Auswanderung waren. Die Einkommenssituation trifft dabei besonders stark auf Beschäftigte aus Mittelstandsbetrieben zu, während die Aufstiegschancen in kleinen und mittleren Unternehmen für Akademiker eigentlich meist besser sind als in Großunternehmen.

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Der Mittelstand darf seine innovative Rolle in den Wertschöpfungsketten nicht vernachlässigen. Die Abhängigkeit von den großen Unternehmen beschränkt auch die eigene Kreativität. Einen Ausweg können Forschungsverbünde mehrerer Mittelständler sein, in die auch das Know-how der Beschäftigten eingebunden werden muss. Stiftungen und öffentliche Institutionen könnten angemessene finanzielle Förderungen sicherstellen. Innovationspotenziale sollten allerdings nicht allein auf die Höhe der FuE-Ausgaben reduziert werden. Sie sagt nur bedingt etwas aus über die Innovationsfähigkeit der Firmen. Viele Studien haben diese These belegt. Deshalb plädieren Gewerkschaften für einen „erweiterten Innovationsbegriff“, der gezielter die Potenziale der Beschäftigten im Betrieb berücksichtigt. Eine aktuelle Studie des Vereins deutscher Ingenieure (VDI) und des Fraunhofer Instituts zur Innovationsfähigkeit im Mittelstand hat ergeben, dass nur 30 Prozent aller Unternehmen ihren Beschäftigten die notwendige Zeit einräumen, um neue Ideen zu entwickeln. Der klassische Technikbezug des Innovationsbegriffs sollte deshalb um die Faktoren Bildung, Qualifikation und Mitbestimmung auf die gesamte Belegschaft erweitert werden. Gerade in mittelständischen Unternehmen ist es wichtig, die Ideen aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu fördern und zu fordern. Nur so können die Innovationspotenziale besser ausgeschöpft werden. Das Fraunhofer Institut für System- und Innovationsforschung hat es in einer Erhebung aus dem Jahr 2005 auf den Punkt gebracht: „Die Fähigkeit von Betrieben, neue Produkte auf den Markt zu bringen und ihre Wertschöpfungsprozesse technisch und organisatorisch auf neuestem Stand zu halten, hängt entscheidend von den Mitarbeitern, ihren Kompetenzen und ihrem Wissen ab.“ Vor diesem Hintergrund gibt es die folgenden Ansatzpunkte für einen „erweiterten“ Innovationsprozess.

Bildung und Qualifizierung Die Qualifikation der Beschäftigten ist eine grundlegende Voraussetzung für ein gutes Innovationsklima und für die Fachkräftesicherung in mittelständischen Betrieben. Ausbildung und Weiterbildung sind fundamentale Ansätze, um dieses Ziel zu erreichen. Die Verbesserung von Produkten, die Optimierung von Arbeitsprozessen und selbst Erfindergeist können nur gewährleistet werden, wenn ein umfassendes ganzheitliches Verständnis der Beschäftigten von den Produkten und Produktionsprozessen vorhanden ist. Hierzu zählen auch Marktkenntnisse, damit die eigenen



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Ideen umsetzbar und marktfähig werden. Das Bildungsniveau in Betrieben fördert das Engagement und die Initiative der Beschäftigten. Das sind grundlegende Voraussetzungen für erfolgreiche Innovationsprozesse. Aber auch vorhandenes Wissen sollte innerbetrieblich besser vermittelt und kommuniziert werden. Das betrifft insbesondere die Einbindung und Förderung älterer Beschäftigter. Viele von ihnen nehmen gegenwärtig ihr innovatives Wissen mit in die Rente. Es muss jedoch kommuniziert werden, denn dadurch erweitern die jüngeren Beschäftigten ihre praktischen Kenntnisse.

Innovationsdialoge Innovationen resultieren häufig aus der Kombination von praktischer Erfahrung mit technisch-theoretischem Wissen. Es ist für mittelständische Unternehmen billig und effizient die Beschäftigten in Forschungsverbünde und in die Arbeit der Forschung und Entwicklung einzubeziehen. Die Gewerkschaften haben interessante Erfahrungen gemacht mit Branchendialogen zwischen Betriebsräten und Studierenden technischer Hochschulen. Dabei profitierten sowohl die angehenden Akademiker von den langjährigen praktischen Erfahrungen, als auch die Beschäftigten von den methodischen und analytischen Kenntnissen der Studierenden. Zudem wurden Hemmnisse abgebaut, die bislang einen konstruktiven Innovationsdialog behinderten.

Mitbestimmung Viele Unternehmer des Mittelstandes stehen der gewerkschaftlichen Organisation ihrer Beschäftigten beziehungsweise der Einrichtung eines Betriebsrats skeptisch bis äußerst kritisch gegenüber. Gleichwohl haben Erhebungen des Instituts für Mittelstandsforschung Bonn verdeutlicht, dass häufig die irrationale Angst der Unternehmer vor Mitbestimmungsrechten in der Unkenntnis über deren Gestalt und Wirkung begründet liegt. Denn gerade mittelständische Betriebe profitieren nicht unerheblich von der Einrichtung eines Betriebsrats. Die demokratische Einbindung der Beschäftigten in betriebliche Belange erhöht die Motivation der Belegschaft und setzt darüber hinaus innovative Potenziale von erheblichem Ausmaß frei. Schließlich forciert die Übertragung von Verantwortung auf die Belegschaft auch das Interesse am Unternehmen. Innerbetriebliche Demokratie steigert das Engagement und die Initiative der Belegschaft und senkt damit die Transaktionskosten der betrieblichen Hierarchie. Andernfalls verweisen die Beschäftigten komplexere Probleme an die Geschäftsführung, obwohl sie selbst zu deren Lösung etwas beizutragen hätten.

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In diesem Zusammenhang können auch Formen der Mitarbeiterbeteiligung Anreize geben, innovative Prozesse zusätzlich zu befördern. Prämien für Verbesserungen der Produkte und Produktionsprozesse sind eine solche Möglichkeit. Für Gewerkschaften misst sich jede Innovation vor allem an der Beschäftigungswirkung. Die Eigeninitiative der abhängig Beschäftigten wird weniger über das bloße Propagieren eines Unternehmergeists gefördert. Sie resultiert vielmehr aus demokratischen Beteiligungsprozessen im Betrieb und ist damit eine Grundvoraussetzung für ein innovationsfreudiges Klima in der Gesellschaft, das Beschäftigung sichert und Wachstum fördert.



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Dr. Ludolf von Wartenberg und Dr. Hans-Joachim Haß Der deutsche Mittelstand im internationalen Innovationswettbewerb

Erneuerung – nichts anderes bedeutet Innovation – ist der Schlüssel zur Lösung nahezu aller Probleme, mit denen sich die deutsche Wirtschaft und Gesellschaft heute konfrontiert sieht. Nur mit innovativen Produkten und Dienstleistungen werden unsere Unternehmen auf den Weltmärkten Marktchancen ausschöpfen können, nur mit modernsten, Ressourcen sparenden Produktionsverfahren werden die Betriebe im internationalen Kostenwettbewerb bestehen können. Rentable, wettbewerbsfähige Arbeitsplätze werden vor allem in innovativen Bereichen angesiedelt sein, bei denen die hohen Produktionskosten durch hohe Produktivität, Qualität und Innovationsgehalt gedeckt sind. Auf einen nachhaltig höheren Wachstumspfad kommt Deutschland nur mit Erfolgen im Innovationswettbewerb, nicht mit Mini-Jobs für Geringqualifizierte. In der Rangliste der weltweit führenden Volkswirtschaften kann Deutschland nur durch Reaktivierung seiner eigentlichen Stärken wieder aufsteigen, und die sind untrennbar verbunden mit Begriffen wie Bildung, Forschung, Entwicklung, Technologie, Qualität und Innovation. Entscheidend für unsere Wettbewerbsfähigkeit ist, dass wir mehr an anspruchsvollen Produkten nachlegen als wir an einfachen abgeben. Der industrielle Mittelstand mit seinem hohen Anteil innovationsintensiver Familienunternehmen spielt dabei eine entscheidende Schlüsselrolle. Mittelständische Unternehmen vom Klein- und Kleinstunternehmen bis zum größeren Unternehmen mit mehreren hundert Beschäftigten sorgen durch ihre Branchendiversifizierung und Wachstumsdynamik für den deutschen Wohlstand. Vor allem durch Investitionen in Forschung und Entwicklung und auf dem Markt erfolgreiche Innovationen entstehen internationale Wettbewerbsfähigkeit, nachhaltiges Wachstum und dauerhafte Arbeitsplätze. Aufgabe der Politik zur Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit und Stärkung der Wachstumsmärkte ist es daher, die Rahmenbedingungen sowohl für junge als auch für etablierte Unternehmen und im besonderen für innovative Mittelständler und Gründer weiter zu verbessern.

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Licht und Schatten Wo steht Deutschland heute im internationalen Innovationswettbewerb? Auf diese Kernfrage gibt es keine einfache Antwort. Alle, die einen glauben machen wollen, Deutschland sei nach wie vor Weltspitze, irren sich genauso wie diejenigen, die den Innovationsstandort Deutschland bereits abgeschrieben haben. Es gibt keinen Indikator, der die aufgeworfene Frage vollständig beantworten könnte. Es gibt zahlreiche Indikatoren, die auf die eine oder andere Weise mit dem Innovationsgeschehen verknüpft sind, und die – wenn man sie in einer Gesamtschau betrachtet – ein differenziertes Bild liefern. Im Innovationswettbewerb, einst unbestrittene Stärke deutscher Unternehmen und des Standortes Deutschland insgesamt, gibt es heute nach wie vor beeindruckende Stärken, aber auch eklatante Schwächen. War Deutschland bei den früheren technologiegetriebenen langen Wachstumszyklen stets an führender Stelle positioniert, gilt dies seit zwanzig Jahren nicht mehr so uneingeschränkt. Der internationale Innovationswettbewerb ist intensiver, schneller und auch breiter geworden in dem Sinne, dass heute selbst ehemalige Entwicklungs- und Schwellenländer mit innovativen Produkten und Leistungen an diesem Wettbewerb teilnehmen. Der Innovationsdruck hat deutlich zugenommen. Hier soll und kann nicht die ganze Indikatorenvielfalt zur Bestimmung der Leistungsfähigkeit Deutschlands auf dem Feld der Innovation nachvollzogen werden. Aber die markantesten Fakten und Entwicklungen sollen kurz skizziert werden, um den Handlungsbedarf aufzuzeigen und Ansatzpunkte für eine Innovationsstrategie zu entwickeln, die einen besonderen Fokus auf die innovationsstarken kleinen und mittleren Unternehmen legt. Stärken und Schwächen Deutschlands im Innovationswettbewerb, in der technologischen Leistungsfähigkeit liegen dabei eng beisammen: • Forschung und Lehre an den deutschen technischen und ingenieurwissenschaftlichen

Hochschulen gelten nach wie vor als exzellent. Die Absolventen sind national wie interna-



tional höchst gefragt. Gleichzeitig nimmt die Studierneigung in diesen Fachbereichen



kontinuierlich ab, gut ausgebildete Ingenieure und Naturwissenschaftler werden zur



Mangelware. • Deutsche Forscher sammeln in naturwissenschaftlichen Disziplinen nach wie vor Nobel-



preise ein. Ein Großteil dieser Wissenschaftler forscht jedoch mittlerweile im Ausland.



Überhaupt gibt es eine markante und wachsende Abwanderung deutscher Spitzenforscher



in innovationsfreundlichere Länder, allen voran die USA.



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• Das deutsche Forschungsbudget ist nach wie vor das drittgrößte der Welt hinter den USA

und Japan. Bezogen auf das Bruttoinlandsprodukt jedoch ist Forschung und Entwicklung



in Deutschland im Zeitvergleich und auch im Vergleich zu Konkurrenzländern auf dem



Rückzug. Insbesondere der Staat hat seinen FuE-Anteil nicht halten können und ist als



FuE-Finanzier zurückgefallen. • Im Handel mit FuE-intensiven Waren liegt Deutschland zwar auf Rang zwei hinter den



USA und vor Japan, bei Spitzentechnologien spielt Deutschland als Exporteur jedoch nur



eine untergeordnete Rolle. Und bei den gehobenen Technologien dominiert der Automobil-



sektor, die technologische Breite fehlt auch hier. • In einigen technologieintensiven Industriezweigen bekleiden deutsche Unternehmen nach



wie vor Spitzenstellungen auf den Weltmärkten, etwa im Maschinenbau oder im Automo-



bilsektor, in anderen Bereichen, etwa in der Informationstechnik oder der Pharmazie, sind



jedoch eklatante, kaum aufholbare Rückstände zu verzeichnen. • Bei den weltweiten Patentanmeldungen, insbesondere bei den so genannten Triadepatenten,



liegt Deutschland mit an der Spitze. Die Firma Siemens hält weltweit die meisten Patente.



Aber Deutschland macht zu wenig marktfähige Produkte aus diesen Schutzrechten. Der



Umsatzanteil neuer und verbesserter Produkte in deutschen Unternehmen ist nicht hoch



genug. Dieser nur grobe und ausschnittartige Befund zeigt, dass Deutschland im internationalen

Innovationswettbewerb zwar nach wie vor zu den führenden Volkswirtschaften zählt, die Wettbewerbsposition jedoch zunehmend unter Druck gerät und in wesentlichen Bereichen Vorsprünge eingebüßt wurden beziehungsweise gar nicht erst erlangt werden konnten. In der High-TechKonkurrenz hat Deutschland trotz mehrjähriger Exportweltmeisterschaft Boden verloren, was als ein Alarmsignal gewertet werden muss. Denn auf Massenmärkten mit technologisch einfachen Standardgütern wird Deutschland in der internationalen Arbeitsteilung zwangsläufig Marktanteile abgeben müssen, wenn andere, weniger entwickelte Länder im Wettbewerb nachstoßen. Im Innovationswettbewerb jedoch liegen die komparativen Wettbewerbsvorteile Deutschlands, hier entscheidet sich das zukünftige Wohlstandsniveau unserer Volkswirtschaft.

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Fördern – nicht lenken Gerade der Mittelstand in Deutschland steht auch für Spitzenleistung und Innovation. Allein 35.000 deutsche Klein- und Mittelbetriebe betreiben kontinuierlich Forschung und Entwicklung, damit „Made in Germany“ ein klangvolles Label bleibt. Die erfolgreichen mittelständischen Technologieunternehmen sind in der Öffentlichkeit allerdings häufig wenig bekannt. Doch sind es gerade diese „Hidden Champions“ aus dem Maschinenbau und der Elektro- und Medizintechnik oder der Autozuliefererindustrie, die auf den Weltmärkten eine führende Rolle spielen. Von den erfolgreichen Nischenchampions und dynamischen Kleinunternehmen brauchen wir mehr in Deutschland, denn: Neue Arbeitsplätze werden zu 70 Prozent von neu gegründeten Unternehmen und Kleinbetrieben mit weniger als 50 Mitarbeitern geschaffen. Neben einer Verbesserung der allgemeinen Rahmenbedingungen müssen vor allem die Wachstums- und Investitionschancen des innovativen Mittelstandes besonders gefördert werden. Drei Punkte stehen im Vordergrund: 1. Standortsicherung, 2. Innovations- und Gründerfinanzierung und 3. Intensivierung der Zusammenarbeit mit der Wissenschaft. Vor diesem Hintergrund ist es im Grundsatz Ziel führend, dass die Bundesregierung eine High-Tech-Strategie verfolgt. Diese Prioritätensetzung ist bitter nötig. Komparative Kostennachteile müssen abgebaut werden – hierauf zielte die Agenda 2010 – und komparative Kostenvorteile müssen ausgebaut werden – hierauf muss eine Innovationsoffensive, die ihren Namen verdient, abzielen. Wichtig ist, in einer High-Tech-Strategie eine effiziente Arbeitsteilung zwischen staatlicher Forschung und der Wirtschaft zu etablieren und die Verantwortlichkeiten nicht zu verwischen. Auch eine High-Tech-Strategie muss auf dem Fundament der sozialen Marktwirtschaft stehen. Forschungslenkung ist nicht der richtige Weg zur Bewältigung der vor uns liegenden Zukunftsaufgaben. Kritisch ist stets die Auswahl zu fördernder Technologiebereiche. Jeder von der Zielsetzung her noch so gut gemeinte Versuch des Staates kann das Hayek`sche Dilemma der Anmaßung des Wissens nicht lösen. Wo sind denn die Erfolgsbeispiele, in denen die staatliche Forschungsbürokratie zuverlässig die Technologien und Märkte der Zukunft erkannt hätte? Wenn man ehrlich ist, gibt es nicht viele solcher Beispiele, und wenn man noch ehrlicher ist, wundert man sich auch gar nicht darüber. Die Identifikation von Zukunftstechnologien und Zukunftsmärkten muss dezentral in den Forschungslabors und in den umsetzenden Unternehmen geleistet werden. Hier ist das meiste Wissen darüber vorhanden, welches Potenzial in neuen Technologieentwicklungen steckt und was



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die Märkte verlangen. Gerade der innovative Mittelstand hat hier häufig die Nase vorn aufgrund seiner ausgeprägten Markt- und Kundennähe. Aber auch auf dieser dezentralen Ebene gibt es kein gesichertes Zukunftswissen. Fehleinschätzungen und Flops sind hier genauso möglich und wahrscheinlich wie auf der Ebene des Staates. Aber es gibt einen fundamentalen Unterschied: Wenn der einzelne Forscher oder das einzelne Unternehmen mit einer neuen Idee scheitert, wird dies kompensiert durch die vielen Forscher und Unternehmen, deren Ideen Erfolg haben. Der Saldo von Scheitern und Erfolg ist positiv. Anders, wenn der Staat seine Ressourcen auf bestimmte Technologielinien, die vermeintlich zukunftsträchtig sind, konzentriert. Hat der Staat auf die falschen Pferde gesetzt, sind die Forschungsressourcen vergeudet, eine Kompensation gibt es in der Regel nicht. Dezentrale Suchprozesse nach erfolgreichen Innovationen bergen die Gefahr lokaler Flops, zentrale Suchprozesse dagegen bergen die Gefahr globaler Flops. Als Beispiel sei hier die Nanotechnologie angeführt. Nanotechnologie-Entwicklung gibt es seit zwanzig Jahren, aber erst seit kurzen darf diese in keinem Innovationskonzept und in keiner Forschungspolitikerrede fehlen. Ist dies wirklich eine neue Schlüsseltechnologie? Und wenn ja, woher weiß der Staat dies? Unbestritten ist die Nanotechnologie ein hochinteressantes Forschungsfeld mit ebenso interessanten Anwendungsmöglichkeiten. Und in vielen Fällen sind diese Anwendungen auch bereits realisiert und tragen zur gesamtwirtschaftlichen Wertschöpfung bei. Den Nachweis einer breit wirksamen Schlüsseltechnologie ist die Nanotechnik bislang jedoch schuldig geblieben. Damit soll gesagt werden: Das Wissen des Staates über die Zukunft ist ebenso eng limitiert wie die Fähigkeit von Innovationsräten jedweder Coleur, dem Staat dieses Wissen zu vermitteln. Der Suchprozess des Marktes ist in der Identifikation von Zukunftschancen eindeutig überlegen.

Mehr Ressourcen effizient einsetzen Deutschland muss im internationalen Innovationswettbewerb zulegen. Dies ist zunächst einmal auch eine Frage der Ressourcen. Es müssen mehr Mittel für Forschung und Innovation eingesetzt werden und aus den eingesetzten Mitteln muss mehr an Forschung und Innovation generiert werden. Das Ziel, wieder drei Prozent des Bruttoinlandprodukts für Forschung und Entwicklung auszugeben, muss mit höchster Priorität in einem nicht zu weiten Zeitfenster realisiert werden. Insbesondere der Staat, dessen Finanzierungsanteil am FuE-Budget in der jüngsten Vergangenheit rückläufig war, muss hier wider aufschließen. Aber auch privates Kapital muss noch stärker für

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FuE und Innovationen mobilisiert werden. Damit ist vor allem die Frage der Ertragskraft der Unternehmen angesprochen. Diese durch eine nachhaltige Senkung der Steuer- und Abgabenbelastung zu stärken, ist der wirksamste Anreiz für Unternehmen, mehr in FuE und deren Umsetzung in Produkt- und Verfahrensinnovationen zu investieren. Neben dem Einsatz von mehr Ressourcen kommt es vor allem auch darauf an, mehr aus den Ressourcen herauszuholen. Die Produktivität des Forschungs- und Innovationssystems muss erhöht werden. Dies gilt zuallererst für den Bereich der staatlichen Forschungsinfrastruktur, die vor allem noch stärker wettbewerblich organisiert werden muss. So wie Wettbewerb im Bereich der Wirtschaft für eine effiziente Ressourcenallokation sorgt und Innovationen vorantreibt, so ist auch im Wissenschafts- und Forschungsbetrieb Wettbewerb ein wichtiger Schlüssel zum Erfolg. Die amerikanischen Spitzenuniversitäten verdanken ihre Qualität vor allem dem Wettbewerb. Weniger Grundfinanzierung, mehr im Wettbewerb ausgeschriebene Projektmittel und Forschungsaufträge weisen den Weg zu mehr Spitzenleistungen.

Schneller in den Markt Nach verbreiteter Auffassung steckt Deutschland in einer Umsetzungsfalle. Aus vorhandenen Forschungsergebnissen wird zu wenig Innovation am Markt erzeugt. Hinzu kommt, dass die Umsetzung häufig nicht schnell genug erfolgt. Dabei spielt der Faktor Zeit heute im Innovationsprozess eine ganz entscheidende Rolle. Die Produktzyklen haben sich rasant verkürzt. Häufig besteht ein Innovationsvorsprung nur wenige Jahre, in denen der Innovationsaufwand verdient werden muss. Danach hat der nachstoßende Wettbewerb die Vorsprünge aufgeholt. Die Ursachen für die deutsche Umsetzungsschwäche bei Innovationen sind äußerst vielschichtig. Einige wichtige Faktoren, die gleichzeitig Anknüpfungspunkte für die Forschungs- und Innovationspolitik markieren, seien hier genannt: • mangelnde Verlinkung des öffentlich-rechtlichen Wissenschafts- und Forschungssystems

mit dem marktorientierten Unternehmenssektor • vielfältige rechtlich-administrative Innovationshemmnisse, angefangen bei Genehmigungs



verfahren über das öffentliche Haushalts- und Dienstrecht bis hin zu restriktiven Umwelt-



und Verbraucherschutzvorschriften • unzureichende Finanzierungsbedingungen für Innovationen, angefangen bei überzogenen



Steuer- und Abgabenbelastungen, die die Unternehmenserträge zusammenpressen, bis hin



zu einem unterentwickelten Venture-Kapital-Angebot für junge Technologieunternehmen



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• Einschränkungen beim Schutz geistigen Eigentums, insbesondere in der Biotechnologie

und in der Pharmazie Entscheidend für die Performance einer Volkswirtschaft im internationalen Innovations-

wettbewerb ist auch das Innovationsklima, das heißt die Einstellung der Gesellschaft zu Neuerungen jedweder Art. Innovationen müssen von einer Gesellschaft auch gewollt sein, anderenfalls können sie nicht gedeihen. Zwar kann man in Deutschland, wie bereits erwähnt, nicht von einer allgemeinen Technik- und Innovationsfeindlichkeit sprechen, spezifische Technologien stoßen jedoch auf breite Ablehnung. Deutschland nimmt in diesen Feldern nicht oder nur unterproportional am Innovationsgeschehen teil. Allen voran zu nennen ist hier die Kernenergie, deren zum Teil militante Gegner es bis in den Deutschen Bundestag und sogar bis in die Regierungsverantwortung gebracht und den politischen Ausstieg aus dieser Zukunftstechnologie organisiert haben – eine angesichts der wachsenden Knappheiten und der zum teil drastischen Preissteigerungen bei wichtigen Energieträgern geradezu absurde Entscheidung. Dabei geht die Entwicklung der Kernenergie weltweit weiter, allerdings ohne Deutschland. Vergleichbare Militanz schlägt der grünen Gentechnik entgegen, die zwar gigantische Chancen für die Agrarwirtschaft in sich birgt, die in Deutschland jedoch zu einem Schattendasein verurteilt zu sein scheint. Warum sollten Firmen am Standort Deutschland in diese Technologie investieren, wenn Versuchsfelder zerstört und Produkte boykottiert werden? Und beim Transrapid haben zahllose Gegner und Bedenkenträger sich das verbürokratisierte deutsche Planungs- und Genehmigungsrecht zu Nutze gemacht und eine Anwendung dieser zukunftsweisenden Verkehrstechnik in Deutschland verhindert. Wen wundert es da, wenn Forschung und Entwicklung ins technikfreundlichere Ausland abwandern und die Innovation anderswo stattfindet. Innovation, die als Schlüssel zur Sicherung der Zukunftsfähigkeit Deutschlands begriffen wird, muss umfassend verstanden werden. Innovation in diesem Sinne muss viel mehr beinhalten als technologisch neue oder erneuerte Produkte und Produktionsverfahren – so wichtig diese vor allem für die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft sein mögen. Neben technologischen Innovationen geht es um soziale, gesellschaftliche und auch politische Innovationen. Überall herrscht großer Erneuerungsbedarf. Es müssen innovative Konzepte und Ansätze entwickelt werden für das Handling einer schrumpfenden und alternden Bevölkerung, für die Gestaltung einer Dienstleistungsgesellschaft, die sich in Vielem signifikant unterscheidet von einer industriell geprägten Gesellschaft, für das Management politischer Prozesse in Zeiten beschleunigten Wandels und für

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weitere Fragestellungen, die mehr als nur Technikeinsatz erfordern. Deutschland muss wieder zu einem Land der Ideen und auch der Umsetzung von Ideen werden. Wenn dies mit einer breit angelegten Innovationsstrategie gelingt, wird man vielleicht auch wieder in einem positiven Sinne vom „Modell Deutschland“ sprechen. Der Mittelstand ist innovationsfähig genug, um in Deutschland für mehr Dynamik zu sorgen, wenn er • sich flexibel an die Nachfrage anpasst • seine Wertschöpfungsketten intelligent organisiert • den Markt durch Innovationen begeistert • am technologischen „Puls der Zeit“ bleibt, weil er in ein intelligentes Netzwerk aus For-

schungsinstituten, Unternehmen und Hochschulen eingebunden ist • ein intelligentes Innovationsmanagement besitzt, das Risiken streut, FuE-Investitionen in



Vorlaufforschung, Anwendungserprobung und Markteinführung die richtigen Ressourcen



und Time-to-Market zuordnet • durch seine Personalpolitik in der Lage ist, Mitarbeiter kontinuierlich zu qualifizieren und



die klügsten Köpfe für sich zu gewinnen Ohne wettbewerbsfähige Standortbedingungen wird es aber nicht gehen. An dieser Stelle

kommt die Politik ins Spiel. Wenn wir einen innovationsstarken Mittelstand und neue Arbeitsplätze in Deutschland wollen, müssen wir gute Standortbedingungen für die mittelständische Produktion mit innovationspolitischen Instrumenten kombinieren, die dem Mittelstand entgegenkommen. Eine steuerliche Forschungsförderung, wie sie in den meisten OECD-Ländern üblich ist, wäre hierfür äußerst Ziel führend.



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Roland Issen Mittelständische Unternehmen als stabiler ökonomischer Faktor im marktwirtschaftlichen Bildungssystem

Über die Bedeutung des Mittelstandes für unsere Gesellschaft hat eine breite Diskussion eingesetzt. Die Auslöser für diesen Prozess sind zum einen die Wirkungen der zunehmenden Bedeutung der Globalisierung des wirtschaftlichen Geschehens und zum anderen die Verschlechterung politischer Rahmenbedingungen für die mittelständische Bevölkerung. Bei der Betrachtung der Rolle des Mittelstandes als eines stabilisierenden Elements unserer Gesellschaft gilt es allerdings, zwischen dem wirtschaftlich selbständigen und dem nichtselbständigen Mittelstand zu unterscheiden. Die selbständigen mittelständischen Unternehmen haben sich in den letzten 20 Jahren zunehmend als stabiler ökonomischer Faktor in unserem marktwirtschaftlichen Wirtschaftssystem erwiesen. Nicht nur, dass sie bessere Garanten für den Erhalt von Arbeitsplätzen im Vergleich zu Großunternehmen waren, sowohl in der Industrie als auch im Dienstleistungsbereich. Auf sie entfiel auch der wesentliche Anteil der zur Verfügung gestellten Ausbildungsplätze im dualen Ausbildungssystem. Insbesondere das Handwerk hat einen entscheidenden Beitrag zur Ausbildung von Facharbeitern geleistet. Deutschlands Dax-Konzerne und die M-Dax-Unternehmen schufen in den vergangenen Jahren Jobs vornehmlich im Ausland und strichen Arbeitsplätze im Inland. Allein bei den DaxUnternehmen gingen von 2002 bis 2006 einer Studie der Unternehmensberatung Accenture zur Folge 156.000 Jobs im Inland verloren. Der Trend, dass Konzerne Beschäftigung im Ausland aufbauen, dürfte anhalten. Der Grund dafür ist die Globalisierungsstrategie der Großen. Sie rücken näher an die Wachstumsmärkte und stellen dort, wo ihre Kunden sind, auch vermehrt Mitarbeiter ein. Dabei haben sie besonders die BRIC-Staaten (Brasilien, Russland, Indien, China) im Visier. Dax- und M-Dax-Unternehmen schufen im Ausland von 2002 bis 2006 insgesamt fast 170.000 Stellen.

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Eine Absage an den Standort Deutschland ist diese Entwicklung Accenture zufolge nicht. Es findet ein Strukturwandel statt. So fangen die deutschen Mittelständler den Jobabbau der Großen auf. Sie profitieren davon, dass sich die Großen auf das Kerngeschäft konzentrieren und Aufgaben auch im Inland verlagern. Die Zuliefererindustrie, oft Familienunternehmen, wird wichtiger. Neue Wachstumskerne entstehen und damit auch neue Arbeitsplätze. Es sind in erster Linie die Mittelständler, die in Deutschland neue Arbeitsplätze schaffen. Das Mittelstandspanel des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI) deutet in die gleiche Richtung. Einer Online-Umfrage von 2.100 Unternehmen zufolge erhöhte 2007 etwa jedes zweite Unternehmen mit einer Personalstärke zwischen 100 und 499 die Mitarbeiterzahl. Nur jedes vierte baute hingegen Personal ab. Nach Angaben des Instituts für Mittelstandsforschung Bonn (IfM), das die Umfrage für den BDI durchgeführt hat, schaffen die mittelständischen Unternehmen das Gros der neuen Jobs in Deutschland. Die Bundesagentur für Arbeit zählte 2007 unter dem Strich 640.000 neue sozialpflichtige Arbeitsplätze. Davon sollen gut 500.000 dieser Jobs in den kleinen und mittleren Unternehmen entstanden sein. Bereits 2006 waren ca. 80 Prozent der neuen Jobs laut IfM-Berechnungen den kleineren und mittleren Firmen zuzuschreiben. Die gegenläufige Entwicklung der Anzahl von Arbeitsplätzen in den Großunternehmen einerseits und den kleinen und mittleren Firmen andererseits spiegelt neben dieser arbeitsmarktpolitischen Seite aber noch etwas anderes wider. Wie schon ausgeführt, verlagern Großunternehmen auch bedeutende Entwicklungsarbeiten auf die mittelständische Wirtschaft. Als Beispiel sei die Autoindustrie angezeigt. Hersteller wie Audi, BMW, Mercedes oder VW haben ihre Fertigungstiefe reduziert und Innovations- und auch Designaufgaben aus dem Haus gegeben. Zulieferer wie Bosch, Knorrbremse, Recaro oder Hella nehmen heute Aufgaben wahr, die früher die Autobauer selbst geleistet haben. Diese neue Form der Arbeitsteilung sorgt für einen neuen Innovationsschub. Beschäftigungswachstum in Deutschland wird eher bei den Zulieferern als bei den ganz großen Unternehmen generiert. Vieles deutet darauf hin, dass der Mittelstand in Fragen des Vordenkens, des Design, der technologischen Innovation Maßstäbe setzen wird. Eine Verbesserung unseres Bildungssystems muss dafür sorgen, dass eine hinreichende Zahl von sehr gut Ausgebildeten in das Berufsleben geschickt wird. Wichtige Impulse erhält die mittelständische Wirtschaft gerade von einer Generation so ausgebildeter junger Menschen. Allerdings



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müssen die gesetzlichen Rahmenbedingungen auch so gestaltet werden, dass Leistung sich lohnt. Hier gibt es Handlungsbedarf, zum Beispiel in der Steuergesetzgebung. Aber auch von der Kreditwirtschaft sollte der Sprung ins Wagnis der Selbständigkeit erleichtert werden. Immer mehr junge, gut ausgebildete Menschen wagen diesen Schritt in die Selbständigkeit. Sie entwickeln den Pioniergeist, auf den ein dynamisches Wirtschaftssystem nicht verzichten kann. Ein Land wie Deutschland, das über keine nennenswerten Rohstoffreserven verfügt, kann im internationalen Wettbewerb auf Dauer nur bestehen, wenn es in Forschung, Entwicklung, Produktion und Vermarktung mit den etablierten und aufstrebenden Wirtschaftsnationen Schritt halten kann. Die Leistungsfähigkeit auch mittelständischer Unternehmen wird entscheidend von der Qualität ihrer Mitarbeiter/innen bestimmt. So sind es in vielen Fällen die Ingenieure, Chemiker, Mediziner, Betriebswirte, EDV-Spezialisten und Marketingfachleute, um nur einige Beispiele zu nennen, die die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen gewährleisten. Angesichts der demographischen Entwicklung in unserem Land muss davon ausgegangen werden, dass sich der Wettbewerb um gut ausgebildete Mitarbeiter in den kommenden Jahren deutlich verschärfen wird. Von einem Anbietermarkt wird die künftige Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt zu einem Nachfragemarkt werden. Deshalb sollten die Unternehmen mehr als bisher in die Fortbildung ihrer Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen investieren. Es wäre eine Vergeudung, wenn vorhandene Personalressourcen nicht optimal genutzt würden. Hierfür geeignete Rahmenbedingungen zu schaffen, ist eine der großen Herausforderungen für das kommende Jahrzehnt. Lebenslanges Lernen ist zur Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit eine unverzichtbare Notwendigkeit in einer sich immer schneller verändernden Welt. Gerade in dem Maße, in dem mittelständische Unternehmen zu einem wesentlichen Faktor für innovative Prozesse in unserer Volkswirtschaft werden und teilweise schon geworden sind, kommt der Qualität ihrer Belegschaften eine immer größere Bedeutung zu. Neben dieser arbeitsmarktpolitischen Komponente ist für die wirtschaftliche Zukunft der mittelständischen Wirtschaft aber auch deren Investitionsfähigkeit von großer Bedeutung. Es gilt deshalb, ökonomische Rahmenbedingungen zu schaffen, die den mittelständischen Unternehmen auch die ausreichende Luft zum Investieren geben. Über eine gezielte Struktur-, Wettbewerbs- und Steuergesetzgebung kann der Staat dafür Vorsorge treffen, dass das persönliche Unternehmensrisiko vieler Familienunternehmer auf ein vertretbares Maß beschränkt wird. Ein Beispiel für eine solche Ausrichtung der Politik ist die anstehende Erbschaftssteuerreform. Sie darf den Firmenüber-

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gang von einer auf die nächste Generation nicht erschweren und damit gefährden. Auch staatliche Bürokratie muss weiter abgebaut werden, weil sie häufig mit vermeidbaren Kosten für den Mittelstand verbunden ist. Eine fortschrittliche Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik kann so Rahmenbedingungen schaffen, die unserem Lande insgesamt nutzen. Der Mittelstand wird seinen unverzichtbaren Beitrag zur Stabilisierung unserer Gesellschaft und auch für innovative Entwicklungen dann weiterhin leisten.



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Joachim Dirschka Handwerk und Innovationen

„Im Strukturwandel ist nie die Verteidigung, sondern immer die Anpassung die wirkungsvollste Waffe des Handwerks“. So schreibt es W. Reichling 1992 in seinem Aufsatz über Wirtschaftliche Entwicklung und Perspektiven des Handwerks. Die Rolle des Mittelstands im Allgemeinen, des Handwerks im Speziellen für Innovation und technischen Fortschritt wird und wurde in Expertenkreisen kontrovers diskutiert. Dabei hat meist die Ansicht dominiert, dass Innovation eher die Domäne größerer und finanzstarker Akteure und Unternehmen sei. In seinem Klassiker „Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung“ von 1911 beschreibt Joseph A. Schumpeter den Innovationsprozess als „Erfindung“ sowie als „technische und organisatorische Durchsetzung dieser Erfindung“. Dies könne meist nur ein größeres Unternehmen leisten, welches sich aus den oft teuren Innovationsinvestitionen hohe Erträge und Pionierrenten erhoffe. Darüber hinaus wird Innovation meist als komplexes Verfahren beschrieben, in welchen der Innovator drei Phasen zu bewältigen hat: eine Impulsphase, in der Trends systematisch beobachtet werden, eine Bewertungsphase, in der Innovationen auf Tauglichkeit geprüft werden sowie der schlussendliche Innovationstransfer, welcher die Innovation „serientauglich“ macht. All dies sind aufwendige Schritte, die nach klassischer Meinung nur von größeren Akteuren geleistet werden können. Hier spielen meist auch Skalen- und Größeneffekte eine Rolle, die dann eintreten, wenn ein Unternehmen eine bestimmte Größe erreicht hat und durch hohe Produktionsmengen Kostenvorteile erzielt – sowohl bei Produktion als auch in Forschung und Entwicklung. Ich möchte eine allgemeine These in den Vordergrund stellen: Nur ein starker und erfolgreicher Mittelstand ermöglicht Wachstum und Fortschritt, schafft Ausbildungs- und Arbeitsplätze und gibt soziale Sicherheit und Wohlstand. Kleine und mittlere Unternehmen bilden den zentralen Kern unseres Wirtschaftssystems, der ohne großflächige, umfassende und kontinuierliche Innovationsleistungen in dieser Form nicht vorstellbar wäre. Die ganze deutsche Wirtschaft befindet sich seit einigen Jahren zwischen Stagnation, Rezession und leichten Aufschwüngen. Trotz teilweise sinkender Arbeitslosenzahlen sind nicht alle Kennzahlen positiv. In vielen Ranglisten fällt die deutsche Volkswirtschaft ab. Gemäß Angaben des Internationalen Instituts für Management

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Development (IMD) in Lausanne ist Deutschland auf einer Rangliste der Wettbewerbsfähigkeit von Rang vier auf fünf abgerutscht. Erfreulich ist nun, dass rein statistisch insbesondere das Handwerk „gegensteuert“ und mit immer stärkeren Innovationsleistungen aufwartet. Umfragen und Meinungsstudien der Prognos AG (2006) haben ergeben, dass bei den befragten Unternehmen aus diversen Kammerbezirken Deutschlands die realisierten Innovationen 16 bis 18 Prozent des Umsatzes ausmachen. Der Löwenanteil (36,7 Prozent) kommt dabei Produktinnovationen zu, 32,3 Prozent fallen auf Dienstleistungs- und 20 Prozent auf Verfahrensinnovationen. All dies zeigt rein statistisch die Bedeutung des Handwerks für Wirtschaft und Innovation. Ein wichtiger Schlüssel zur weiteren Erkenntnis ist, dass „Innovation“ kein homogener Begriff ist. Es gibt verschiedene Innovationen und verschiedene Innovatoren. Vorweg greifend kann man erahnen, dass der Innovationsprozess in Mittelstand und Handwerk anders gestaltet ist als in der Großindustrie oder in Forschungsinstituten. Die spezifischen Charakteristika dieser Innovationsträger sind für den speziellen Charakter von Innovation von Bedeutung. Welches sind nun die Charakteristika mittelständischer und handwerklicher Unternehmen? • Da wäre zum einen eine meist inhabergeführte Struktur, in welcher der Betriebsinhaber

von der Produktidee über die Klärung von Finanzierungsfragen bis hin zur tatsächlichen



Entwicklungsarbeit und Markteinführung die strategische, finanzielle und operative



Verantwortung trägt. • Meist fehlen klar voneinander getrennte Abteilungen für Forschung, Produktion und



Marketing. Vielmehr gestaltet sich Arbeits- und Betriebsorganisation meist „ad hoc“,



direkt aus dem Geschäftsprozess heraus. • Das heißt, es gibt meist keine institutionalisierten Unternehmenseinheiten, die sich



konkret mit Forschungsaufgaben befassen. • Die Finanzierung wird meist durch Eigenkapital geleistet, zumal es selbst im Bereich



öffentlicher Förderungen ein „Handwerksloch“ gibt: auf Bundes- oder Landesebene existie



ren nur in Einzelfällen Projektförderungen mit einem speziellen Fokus auf das Handwerk. • Schließlich zeichnen sich Produktion und Marktorientierung durch ein hohes Maß an



Individualität und Prototypisierung aus. Stückzahlen sind eher gering, Einzellösungen



dominieren meist.



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Der Innovationsbegriff im Handwerk ist – so kann man sagen – spezifischer, differenzierter. Innovation im Handwerk ist unmittelbar praxisorientiert, stärker kundenorientiert. Schließlich ist Innovation Anpassung an sich stetig wechselnde Umstände und Nachfragestrukturen. Wie unser Eingangszitat schon andeutet: Anders als in der traditionellen Sichtweise begegnet das Handwerk dem Strukturwandel nicht mit „Verteidigung“, sondern mit „Anpassung“. Wenn man nun die These aufstellt, dass Mittelstand und Handwerk Schlüsselakteure, ja zentrale Elemente im deutschen Innovationssystem sind, so scheint dies auf den ersten Blick widersprüchlich. Es fehlen meist große Forschungsabteilungen, finanzielle Mittel sind eher begrenzt, die Zugangsschwellen zu existierenden Förderprogrammen sind sehr hoch und meist steht und fällt das ganze mit dem Betriebsinhaber. Aufgrund knapper finanzieller und personeller Ressourcen sind langfristig ausgerichtete Innovationsstrategien eher selten. Der Großteil der Aktivitäten konzentriert sich auf das unmittelbare Kundengeschäft beziehungsweise die Auftragsbearbeitung und Neuakquisition. Und genau hierin liegt eine zentrale Stärke kleinerer und mittlerer Unternehmen: Es besteht eine unmittelbare „Schnittstelle“ zum Kunden. Das Verhältnis ist persönlicher, stärker durch Zweiseitigkeit geprägt, womit das Handwerk eine Dienstleistungs- und Beratungsfunktion erfüllt, die wiederum neuen technischen Lösungen zum Durchbruch verhelfen kann. Und genau in diesem Bereich treten zahlreiche Innovationsleistungen auf. Ausgangspunkt einer „kundenorientierten Innovation“ ist stets das konkrete, praktische Problem, welches aus der Interaktion mit dem Kunden entsteht, weniger aus systematischer Marktbeobachtung. Diese Problemidentifizierung kann nun zu spezifischen Produkt- und Verfahrensinnovationen führen. Man stelle sich hier beispielsweise das Interaktionsverhältnis zwischen einer Bäckerei und deren Kunden dar: Eventuelles negatives Feedback bezüglich der Qualität der Backwaren erzeugt die Notwendigkeit einer Qualitätsverbesserung, die dann meist durch eine Änderung der Fertigungsmethoden erreicht werden kann. Innovation kann hier durchaus auch rückwärtsgerichtet, traditionell sein: Im Bäckerhandwerk besteht seit längerer Zeit ein Trend zur handwerklichen Produktion mit eigenen Rezepturen, nachdem über lange Jahre das Kostensenkungsmotiv zu einer stärkeren Mechanisierung und Industrialisierung der Abläufe geführt hat. Da nun verschiedene Kunden und kleine Kundensegmente unterschiedliche Bedürfnisse haben und Veränderungen anregen, kommt es hier zu einer Vielzahl kleinerer, oftmals punktueller Innovationen, die sich in der Gesamtbetrachtung zu einem gewaltigen Innovationsbeitrag verdichten.

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Individuelle Einzellösungen anstatt standardisierter Massenprodukte – das ist das Motto im Handwerk. Der Entwicklungsprozess der neuen Produkte im Kundenauftrag verläuft von der Ideenfindung über die Prototypenfertigung bis zur Inbetriebnahme in engem Kontakt zum Kunden. Dies funktioniert jedoch nur, wenn sich die „Problemlöser“ permanent an neue technische Entwicklungen anpassen und ihr Know-how auf den neuesten Stand bringen. Der Vorwurf, die Innovationsleistung im Handwerk sei geringer oder bescheidener als beispielsweise in der Industrie lässt sich auch in diesem Punkt widerlegen: Denn wer für die Lösung von Kundenproblemen nicht auf Standardlösungen zurückgreifen kann, muss stets über den aktuellen technischen Stand hinaus denken und permanent neue Produkte und Verfahren entwickeln. Ein landläufiger Irrtum besteht in der Gleichsetzung von Innovation und Invention, also Erfindung. Der Begriff der Innovation ist wesentlich breiter gefasst und umfasst nicht nur die ursprüngliche Erfindung eines Sachverhaltes. Es ist unbestreitbar, dass Handwerksbetriebe nach oben beschriebenem Muster zahlreiche praxisnahe, kundenorientierte „Erfindungen“ hervorbringen, Produkte und Verfahren optimieren und Patente anmelden. Ein weiterer, wichtiger Innovationsaspekt bezieht sich jedoch auf die Diffusions- und Multiplikationsfunktion des Handwerks. Ein Multiplikator ermöglicht es dem Endkunden, auf eine bestimmte Technologie zurückzugreifen und macht diese universell nutzbar. Die Verbreitung bereits erprobter Produkte und Verfahren in einem größeren Markt sowie die Nutzbarmachung neu entwickelter Verfahren für die erstmalige Anwendung in der Praxis sind zentrale Inhalte dieser Diffusionsfunktion. Das Handwerk bringt neue technische, prozessuale und organisatorische Lösungen, die andernorts entwickelt worden sind, auf den Markt. Als klassisches Paradebeispiel, welches in der Literatur sehr oft Erwähnung findet, sei das Laserschweißen genannt. Es handelt sich dabei um eine Technologie, die einige Zeit lang „auf dem Reißbrett“ existierte, auf Messen und Ausstellungen präsentiert wurde, aber letztlich erst mit Hilfe kleinerer und mittlerer Unternehmen den Durchbruch erzielte – durch eine Anpassungsentwicklung zum Beispiel in der Goldschmiede- oder der Zahntechnik. Innovation ist also hier nicht originäre Erfindung, sondern praxistaugliche Anpassung. Dazu kommt meist noch eine Rückkopplungsfunktion. In dem der Mittelstand innovative Ideen verbreitet, gewinnt er gleichzeitig eine Vorstellung darüber, inwiefern diese beim Kunden ankommen. Dieses Wissen kann als Grundlage für Verbesserungen sowohl von Produkten als auch von Verfahren dienen. Die Zahl derjenigen Aspekte, die die Bedeutung des Mittelstands im deutschen Innovationssystem unterstreichen, ließe sich gewiss noch weiter fortführen. Allerdings benötigen selbst die besten Innovationsanstrengungen Grundlagen und Rahmenbedingungen politischer und wirt-



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schaftlicher Natur. Wir müssten heute nicht über die Rolle des Mittelstandes als Schlüsselakteur im Innovationssystem sprechen, wenn es der Politik gelingen würde, die Stärken des Mittelstands zu fördern. „Innovationen schaffen Wachstum“, das gilt nicht nur in den Betrieben, die Umsetzung dieser Erkenntnis würde auch der Politik gut tun. Denn Tatsache ist, dass entsprechende politische Rahmenbedingungen für die erfolgreiche Umsetzung der Qualitäten und Erkennungsmerkmale von Handwerk und Mittelstand von hoher Bedeutung sind. Die oben aufgezählten Charakteristika – Kundennähe als Innovationsfaktor, Diffusion und Multiplikation von Ideen, das ständige Suchen kleinteiliger, praxisnaher Innovationslösungen – all dies gedeiht in einem unternehmensfreundlichen Umfeld wesentlich günstiger. Oder anders formuliert: auch die Politik hat eine „Multiplikator-Funktion“, denn sie entscheidet – über das Steuersystem, die Abgabenlast und vieles mehr – darüber, wie stark Handwerk und Mittelstand in ihren „Kernkompetenzen“ tatsächlich sind. Wenn ein Betrieb eine hohe Erbschaftsteuer zahlen muss oder sich die Lohnnebenkosten durch höhere Krankenkassenbeiträge ebenfalls erhöhen, dann versickert Geld – und damit Potenzial – in unproduktiven und mithin uninnovativen Bereichen. Statt innovativ zu denken, hat die Politik viel zu lange die Kräfte des Mittelstandes eingedämmt und mit einem unübersichtlichen Arbeitsrecht zubetoniert. Sind die entsprechenden Rahmenbedingungen nicht gegeben, können auch die phantasievollsten Maßnahmen zur Kundenbindung und die besten Produkte des Mittelstandes ins Leere laufen. Gezielte Innovationspolitik ist sinnvoll, eine gezielte Wirtschafts-, Steuer- und Abgabenpolitik jedoch ungleich wichtiger.

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Dr. Ludwig Baumgarten Mittelständische Unternehmen in der deutschen Raumfahrt – Motor für technologische Innovationen und Wettbewerb

1. Einleitung 1.1 Raumfahrt ist technologische Innovation per se Der Mittelstand gilt als Motor der deutschen Wirtschaft, als Schlüsselakteur für Innovationen und als Garant für unternehmerischen Wettbewerb. Auch die Raumfahrtindustrie ist durch einen hohen Anteil kleiner und mittlerer Unternehmen gekennzeichnet. Die Industriestruktur entspricht damit vielen anderen Hochtechnologie-Branchen in Deutschland. Neben wenigen großen Unternehmen existiert eine Vielzahl kleinerer und mittlerer Unternehmen, die als Subsystem- und Komponentenlieferanten an wissenschaftlichen Raumfahrtmissionen oder kommerziellen Raumfahrtaktivitäten beteiligt sind. Spielen diese kleinen und mittleren Raumfahrt-Unternehmen tatsächlich eine entscheidende Rolle für technologische Innovationen und Wettbewerb in der Raumfahrt? Ohne die Bedeutung der großen nationalen und europäischen Raumfahrtunternehmen schmälern zu wollen – die Antwort lautet: Ja. Die bekannten Vorteile geringer Unternehmensgrößen – Flexibilität, Bereitschaft zur Risikoübernahme und Spezialisierung – tragen zu einem hohen Innovationspotential der kleinen und mittleren Raumfahrt-Unternehmen bei. Allerdings weisen Raumfahrtprojekte und ebenso der Raumfahrtmarkt eine Reihe von Besonderheiten auf, die Grundlage für ein hohes Ausmaß technologischer Innovationen sind. Raumfahrt ist technologische und wissenschaftliche Innovation per se. Wissenschaftliche Missionen und Satelliten sind bis auf wenige Ausnahmen Einzelfertigungen. Um im Wettbewerb zu bestehen, sind Unternehmen gefordert, in einem Zusammenspiel aus Erfahrung und technologischen Innovationen ihre Beiträge den Herausforderungen einer neuen Mission anzupassen. Bedingt durch hohe Kosten, extreme Umweltbedingungen und sehr lange Projektlaufzeiten sind



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Weltraummissionen auf erprobte und sichere Technologien zwingend angewiesen. Raumfahrt ist somit auf der einen Seite ein auf absolute Verlässlichkeit ausgelegtes Geschäft. Auf der anderen Seite lotet jede Mission die Grenzen des technisch Machbaren neu aus. Strukturen, Instrumente und Komponenten werden neu entwickelt, um leistungsfähigere Satellitenmissionen zu ermöglichen. Ebenso unterliegt der Aufbau weltraumgestützter Infrastrukturen höchsten technologischen Herausforderungen. Bestes Beispiel sind Telekommunikationssatelliten, die im kommerziellen Raumfahrtsegment entwickelt, gebaut und betrieben werden. Bei einer nominellen Nutzungsdauer von bis zu 15 Jahren vergehen von Planungsbeginn bis zum Missionsende häufig 20 Jahre. Jede neue Generation von Kommunikationssatelliten muss daher bereits beim Entwurf so ausgelegt sein, dass sie vorhersehbare terrestrische Neuerungen mit trägt. Es geht somit nicht nur um graduelle Verbesserungen im Sinne eines „Face-Liftings“, sondern um Technologiesprünge, die nur mittels innovativer Produkte und Ideen umgesetzt werden können.

1.2 Besonderheiten des Raumfahrtmarktes Die Raumfahrt ist bis heute überwiegend institutionell geprägt. Etwa 70 Prozent des Umsatzes deutscher oder europäischer Raumfahrtunternehmen erfolgt im Zuge staatlicher Beauftragungen. Mittels institutioneller Aufträge werden staatliche Aufgaben, wie etwa Wissenschaft und Forschung und Sicherheitsaufgaben, erfüllt oder sie helfen, politische Ziele wie Souveränität, Autonomie und Partnerschaftsfähigkeit umzusetzen. Gleichzeitig unterstützt die deutsche Raumfahrtpolitik wirtschaftspolitische Ziele. Sie erhält die Wettbewerbsfähigkeit gegenüber militärisch subventionierter Konkurrenz und baut weltraumgestützte Infrastrukturen auf, die eine Wertschöpfung in nachgelagerten Märkten erst ermöglichen. Der rein kommerzielle Raumfahrtmarkt beschränkt sich im Wesentlichen auf Telekommunikationssatelliten, Trägerdienste und den Betrieb von Satellitenkonstellationen. Diese „kommerzielle Raumfahrt im eigentlichen Sinne“ wird ergänzt um nachgelagerte Industrie- und Dienstleistungen. Dazu zählen insbesondere Dienste im Bereich der TV-Übertragung, Telekommunikation, Geoinformationen, Logistik, Navigation sowie der dazugehörige Endgerätemarkt. Generell liegen in den nachgelagerten Wertschöpfungsketten die größten Wachstumsfelder, da die Absatzmärkte größer und die Kundenbasis breiter sind. So bedienen TV- und Nachrichtenübertragung oder Galileo-GPSEndgeräte einen Massenmarkt, während Satelliten und wissenschaftliche Anlagen nur in kleinen Stückzahlen beauftragt werden.

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Der eigentliche Raumfahrtmarkt ist ein kleiner und dabei extrem internationaler Markt. Der relativ begrenzten Anbieteranzahl steht eine noch geringere Anzahl von Bedarfsträgern gegenüber. Die Marktnachfrage wird von staatlichen Agenturen und Beschaffungsämtern – mithin von der Forschungs- und Sicherheitspolitik dominiert. Insofern beeinflussen und beschränken übergeordnete politische Aspekte den internationalen Raumfahrtmarkt. Zum Beispiel werden häufig sicherheitsrelevante Bereiche vor ausländischer Konkurrenz abgeschottet. Auch behalten sich die USA für den Export zahlreicher Bauteile eine Einzelfallprüfung vor (ITAR-Regime). Sofern US-Unternehmen eine Monopolposition für diese Bauteile inne haben, nehmen sie damit maßgeblichen Einfluss auch auf europäische Raumfahrtunternehmen und ihre Angebote auf dem internationalen Raumfahrtmarkt. Der Raumfahrtmarkt ist zudem durch extrem hohe Eintrittsbarrieren geprägt. Aufwändige Vorlaufforschung, hohe Kosten für eine Weltraumqualifizierung der Produkte, der notwendige Aufbau einer Reputation sowie Erfahrungen im Umgang mit überwiegend institutionellen Nachfragern begrenzen den Markteintritt neuer Akteure. Häufig sind es denn auch Ausgründungen aus den großen Raumfahrtunternehmen, die ein Standbein der Landschaft deutscher kleiner und mittleren Raumfahrt-Unternehmen bilden. Gleichzeitig findet man im Raumfahrtmarkt relativ wenige Unternehmen, die das Raumfahrtgeschäft neben anderen Hauptgeschäftsfeldern betreiben. Hohe Qualifizierungskosten machen solch eine ergänzende Geschäftsfeldstrategie insbesondere für kleinen und mittleren Unternehmen meist unattraktiv. Insofern agiert der überwiegende Teil der deutschen und europäischen Raumfahrtunternehmen hauptsächlich oder sogar ausschließlich auf dem Raumfahrtmarkt. Insgesamt ist der Raumfahrtmarkt somit durch starke politische Einflüsse und Besonderheiten gekennzeichnet. Große wie kleine Raumfahrtunternehmen müssen sich in diesem Markt bewegen und bewähren. Für kleine und mittlere Unternehmen ohne entsprechende Unterstützung ist dies eine schwierige Aufgabe. Daher obliegt auch den staatlichen Raumfahrtagenturen, die die nationalen Raumfahrtaktivitäten planen und koordinieren, eine hohe Verantwortung. Sie müssen ein innovationsfreudiges Klima schaffen, durch das sich technologische Entwicklungen gezielt am Bedarf orientieren.



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Die Raumfahrt-Agentur des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt setzt durch eine programmatische Kontinuität langfristig wirksame Rahmenbedingungen. Sie sind gerade für hoch spezialisierte kleinen und mittleren Unternehmen ohne Ausweichmöglichkeiten ein wesentlicher Überlebensfaktor. Zusätzlich fördert die Raumfahrt-Agentur Ausgründungen aus Großunternehmen und Forschungseinrichtungen durch gezielte Programme.

2. Bedeutung des deutschen Raumfahrt-Mittelstands 2.1 Kennzeichen innovativer Raumfahrt-Mittelständler In Deutschland existieren neben zwei großen Systemanbietern etwa achtzig kleine und mittelständische Raumfahrtunternehmen. Das Bild wird ergänzt durch raumfahrtspezifische Forschungseinrichtungen, Institute und Universitätslehrstühle. Zwischen den Raumfahrtunternehmen und der Raumfahrtforschung erfolgt ein intensiver fachlicher und personeller Austausch. Kleine und mittlere Raumfahrt-Unternehmen zeichnen sich durch Flexibilität, rasche Marktreaktionen und flache Hierarchien aus. Die Unternehmensgröße typischer Raumfahrtmittelständler liegt bei zehn bis 50 Mitarbeitern. Meist handelt es sich um rechtlich eigenständige und vom Eigentümer geführte Firmen oder um Raumfahrtunternehmen, die durch Aufkauf einem größeren Mischkonzern angehören. Dabei bilden häufig Patente oder einzigartiges Know-how zentraler Mitarbeiter die Basis eines eigenständigen unternehmerischen Engagements. Im Gegensatz zu den großen Systemanbietern sind die kleinen und mittleren RaumfahrtUnternehmen meist auf die Fertigung weniger Produkte spezialisiert. Häufig ist die Spezialisierung Grund für eine dominante Marktstellung oder gar eine Monopolposition. Hierin liegt ein Schlüssel für das langfristige Bestehen kleiner und mittlerer Unternehmen im Raumfahrtmarkt. Während Monopole oder eine führende Weltmarktstellung in herkömmlichen Branchen häufig nicht zu weiteren Innovationen motivieren, sind Raumfahrtunternehmen zwingend auf technologische Fortentwicklungen angewiesen. Einerseits geben neue Missionen Technologieentwicklungen vor. Wenn Unternehmen im Wettbewerb berücksichtigt werden wollen, müssen sie die neuen Anforderungen erfüllen. Andererseits sind führende Weltmarktstellungen in diesem kleinen aber hoch dynamischen Markt permanent gefährdet, so dass nur technologische Weiterentwicklungen die Marktposition sichern können. Insofern bestehen für Eigentümerunternehmer ständige Anreize, durch technologische Innovationen einen langfristigen Markterfolg zu sichern.

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Limitierender Faktor kleiner und mittlerer Raumfahrtunternehmen ist das Kapital für Neuinvestitionen. Dies wird durch die Bereitschaft zur Risikoübernahme sowie durch langfristige Partnerschaften mit den Systemanbietern ausgeglichen. Ergänzend unterstützt die deutsche Raumfahrt-Agentur über gezielte Zuwendungen Technologieentwicklungen in kleinen und mittleren Raumfahrt-Unternehmen. Darüber hinaus bietet sie mit einer klaren und verlässlichen programmatischen Ausrichtung des Nationalen Programms sowie der deutschen Beiträge zu ESAProgrammen eine langfristige Perspektive für das Engagement von kleinen und mittleren Unternehmen im Raumfahrtmarkt. Bezogen auf den Umsatz weisen deutsche kleinen und mittleren Raumfahrt-Unternehmen einen deutlich höheren FuE-Anteil als die großen Systemanbieter auf. Zahlen aus dem europäischen Raumfahrtmarkt belegen, dass Systemanbieter lediglich zwei bis drei Prozent der Umsatzerlöse in neue FuE-Aktivitäten investieren, während diese Quote für die kleinen und mittleren Unternehmen im Schnitt neun Prozent beträgt. Dabei fallen die FuE-Investitionen umso höher aus, je stärker die Unternehmen auf den internationalen kommerziellen Markt ausgerichtet sind. Dies trifft im Besonderen auf die kleinen und mittleren Raumfahrt-Unternehmen zu. Sie sichern mittels einer diversifizierten Strategie ihren Markterfolg mit einem starken Standbein im kommerziellen Raumfahrtsektor ab. Dagegen erwirtschaften die großen Systemanbieter das Gros ihres Umsatzes im institutionellen nationalen und europäischen Markt. Insgesamt belegen diese Zahlen, dass Innovationen der Schlüssel für einen langfristigen Markterfolg der kleinen und mittleren Raumfahrt-Unternehmen darstellen. Während große Unternehmen in Krisenzeiten teilweise von ihrer Substanz zehren können und mit institutionellen Aufträgen Umsatzeinbußen begrenzen können, sind kleine und mittlere Unternehmen in der deutschen Raumfahrt zwingend auf dauerhafte Vorsprünge gegenüber den Wettbewerbern angewiesen. Vergleichsweise hohe FuE-Investitionen und entsprechende Innovationen sind für kleinen und mittleren Raumfahrt-Unternehmen der Kern einer erfolgreichen Marktstrategie.

2.2 Innovationskraft mittelständischer Raumfahrtunternehmen für den Standort Deutschland Den Standort Deutschland kennzeichnen die hohe Qualität seiner Produkte und Dienstleistungen, ein ausgeprägter Wettbewerb in den meisten Branchen sowie eine hohe Innovationskraft basierend auf exzellenter Bildung und Ausbildung. Genau dafür steht auch die deutsche Raumfahrt.



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Die Struktur der europäischen Raumfahrt ist geprägt durch wenige international operierende Konzerne aus der Luft- und Raumfahrt- sowie Verteidigungsbranche und eine je nach Land unterschiedlich hohe Anzahl kleiner und mittlerer Raumfahrt-Unternehmen. Die großen Raumfahrt-Unternehmen verbuchen die überwiegenden Umsatz- und Mitarbeiteranteile auf sich. Wettbewerb auf Ebene der Systemanbieter findet in Europa zum Beispiel für große Wissenschaftsmissionen oder Telekommunikationssatelliten nur noch zwischen EADS-Astrium und Thales Alenia Space statt. Rein unternehmerisch oder teils auch politisch motiviert, haben Zusammenschlüsse und Rationalisierungen in den letzten drei Dekaden zu einem Verschmelzen der wichtigsten industriellen Raumfahrtkapazitäten auf wenige Unternehmen geführt. Dagegen existiert auf Ebene der Komponenten- und Subsystemzulieferer ein noch relativ intensiver Wettbewerb. Dies sowohl untereinander als auch teils in Konkurrenz zu Systemanbietern mit hoher vertikaler Fertigungstiefe. Je nach Technologiebereich konkurrieren aber auch hier häufig nur eine Handvoll spezialisierter Unternehmen um die Weltmarktanteile. Kleine und mittlere Raumfahrt-Unternehmen sind damit der Schlüssel zum Erhalt des Wettbewerbs in einem relativ kleinen und institutionell geprägten Markt. Dies gilt für den internationalen Wettbewerb in einem strategischen Hochtechnologiefeld. Und dies gilt für den Wettbewerb zwischen Kleinen und Großen um das Finden bester technologischer Lösungen und effizienter Unternehmensführung. Dabei stellt der zunehmende Wettbewerb aus Asien und Russland eine weitere Herausforderung für die etablierten europäischen Raumfahrt-Unternehmen dar. Nur mit qualitativ herausragenden Innovationen können deutsche und europäische Unternehmen ihre jetzige Position behaupten. Eine gesunde Basis hoch innovativer kleiner und mittlerer Unternehmen wird dabei ein wesentlicher Faktor zum Bestehen gegen staatlich subventionierte Großunternehmen aus Fernost sein. Die großen Raumfahrt-Unternehmen in Europa stützen sich über Forschungskooperationen mit kleinen und mittleren Unternehmen aber auch strategisch ab. Mittels langfristiger Partnerschaften sichern sie sich Innovationsfortschritte und steigern ihre Systemfähigkeiten. Für kleine Raumfahrt-Unternehmen sind solche Kooperationen ebenfalls vorteilhaft. Denn kleine Unternehmen brauchen ein hohes Maß an Planungssicherheit und Umsatzkontinuität. Auf technologischer Ebene sind zudem innovative Entwicklungen aus kleinen und mittleren Raumfahrt-Unternehmen häufig Voraussetzung für eine bessere Leistungsfähigkeit ganzer Raumfahrtsysteme. Zum Beispiel ermöglichen verbesserte Leistungsparameter eines Bauteils ganz neue Konfigurationen bei der Satellitenleistung. Damit sind speziell kleine und mittlere Unternehmen Triebfeder für technolo-

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gische Weiterentwicklungen in anderen Bereichen und auf Systemebene. Die Raumfahrt-Agentur unterstützt solche Spill-Over-Effekte durch den gezielten Einsatz institutioneller Mittel. Besonders bei den Ausrüsterunternehmen für die Satellitenkommunikation entfalten sie einen erheblichen Hebel-effekt. Je nach Projekt und Komponente generiert die Industrie durch eine gezielte Förderung aus dem Nationalen Programm einen zehn- bis zwanzigfachen Umsatz am Markt. Es existiert mithin ein hohes staatliches aber auch unternehmerisches Interesse an einem innovationsfreudigen und wettbewerbsfähigen Umfeld. Ein guter Mix von einigen großen Systemanbietern und einer ausreichend großen Anzahl von kleinen und mittleren RaumfahrtUnternehmen ist dazu notwendige Voraussetzung. Es ist daher erfreulich, dass sich in der Raumfahrt auch neue Akteure etablieren, die durch generisches Wachstum und teils ergänzt durch Zukäufe zu einer diversifizierten Industriestruktur beitragen. Strukturpolitisch verhindern sie zudem die durchgängige Europäisierung und Konzentration aller Kapazitäten in wenigen Großunternehmen. Dies trägt auch zu einer verbesserten nationalen Interessendurchsetzung in einem politisch dominierten europäischen Raumfahrtmarkt bei. Um die Vorteile eines gesunden Industriemixes mit relativ vielen Mittelständlern zu erhalten, unterstützen die Raumfahrt-Agentur und die ESA die Positionierung der kleinen und mittleren Raumfahrt-Unternehmen mit einer Reihe von Maßnahmen. Im internationalen Wettbewerb um strategische Spitzentechnologie ist aber auch die Politik aufgefordert, die langfristigen Konsequenzen industriepolitischer Entscheidungen speziell auf europäischer Ebene für den deutschen Raumfahrtstandort mit zu bedenken.

2.3 Vorteilhaftes Zusammenspiel zwischen großen Systemanbietern, Mittelstand und Forschungseinrichtungen Die Raumfahrt ist durch ein hohes Maß an Konkurrenz, aber auch durch intensive Zusammenarbeit gekennzeichnet. Die technischen und organisatorischen Anforderungen bei Raumfahrtmissionen sind derart komplex, dass nur ein enges und abgestimmtes Zusammenspiel zwischen großen Hauptauftragnehmern, kleinen und mittleren Raumfahrt-Unternehmen und Forschungseinrichtungen den Erfolg garantiert. Dies trifft insbesondere für institutionelle Aufträge zu, bei denen die staatliche Beauftragung eine hoheitliche Aufgabenerfüllung bedingt. Die Raumfahrt-Agentur flankiert die Zusammenarbeit zwischen den Raumfahrtakteuren. Dies erfolgt zum Beispiel im Zuge spezieller Programmförderungen, bei denen Industrie und Forschung gemeinsam eine Technolo-



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gieentwicklung oder -anwendung angehen. Ebenso managt die Raumfahrt-Agentur Missionen im nationalen oder in europäischen Raumfahrtprogrammen. Sie stellt damit sicher, dass kleine und mittlere Raumfahrt-Unternehmen substantielle Anteile eines Systemauftrags zu angemessenen Bedingungen erhalten. Unabhängig vom Engagement der Raumfahrt-Agentur gibt es speziell in der Vorlaufforschung eine enge Zusammenarbeit zwischen Systemanbietern, Mittelständlern und Forschungseinrichtungen. Nur mit vorausschauenden Technologieplanungen lassen sich innovative Entwicklungen und Vorsprungsgewinne für alle Raumfahrtakteure erzielen. Kleine und mittlere RaumfahrtUnternehmen mit ihren engen technologischen und personellen Anbindungen an die Forschung und an die Großunternehmen spielen hier eine Schlüsselrolle. Dies belegen auch die Unternehmenshistorien vieler Unternehmen. Sie beruhen häufig auf Gründungen aus einem Großunternehmen oder einer Forschungseinrichtung heraus. Mitarbeiter, deren unternehmerischer Gestaltungswille in einem relativ starren Umfeld nicht voll zur Geltung kommt oder deren Ideen nicht in die strategische Ausrichtung passen, wagen den Schritt und gründen ein kleines spezialisiertes Unternehmen. Eine Zusammen-arbeit mit den ehemaligen Arbeitgebern ist dabei eher die Regel.

3. Ausblick Kleine und mittlere Unternehmen in der deutschen und europäischen Raumfahrt spielen eine maßgebliche Rolle für ein ausgewogenes und gesundes Marktgeschehen. Trotz eines insgesamt geringen Umsatz- und Mitarbeiteranteils erfüllen sie wesentliche Aufgaben in der europäischen Raumfahrt. Sie gelten zu Recht als Motor für technologische Innovationen und Wettbewerb. Kleine und mittlere Raumfahrt-Unternehmen fordern die großen Anbieter und erhöhen die FuE-Anreize und die Systemfähigkeit großer Raumfahrtunternehmen. Sie investieren mehr in Forschung und Entwicklung und erzielen für sich und für die Großunternehmen strategische Vorteile in der Zusammenarbeit. Erfreulich ist, dass entgegen dem Trend zu Aufkäufen und Zusammenschlüssen, neue Anbieter den Raumfahrtmarkt betreten, sich etablieren und den Wettbewerb auch auf Systemebene verstärken. Solche Entwicklungen gilt es auch in Zukunft seitens der Politik zu flankieren – belegen sie doch die durchaus positiven Geschäftsaussichten in einem recht kleinen und mit vielen Besonderheiten behafteten Markt.

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Einer weiteren Europäisierung, begleitet von Rationalisierungen, Standortschließungen und der Gefahr einer Monopolisierung in wichtigen Technologiebereichen muss entgegengetreten werden. Zwar werden weitere Unternehmenszusammenschlüsse auch in Zukunft erfolgen und Raumfahrtsparten großer Mischkonzerne werden den Besitzer wechseln, aber ein LaissezFaire darf in diesem strategischen Technologiemarkt nicht zur Maxime werden. Speziell die Politik auf europäischer Ebene muss die Besonderheiten der Raumfahrt berücksichtigen. Ein falsch verstandener Wettbewerbsansatz wird auf mittlere Sicht genau zum Gegenteil führen: Arbeitsplätze, Standorte und technologische Innovationskraft gehen verloren, wenn wesentliche Mechanismen in der institutionellen europäischen Raumfahrt außer Kraft gesetzt würden. Bei aller Innovationskraft kleiner und mittlerer Raumfahrt-Unternehmen bedürfen sie doch einer staatlichen Unterstützung und Förderung. Dies erfolgt gemeinhin im Rahmen der langfristigen Technologieplanung und der programmatischen Ausrichtung der Raumfahrtaktivitäten. Dadurch erzielen Unternehmen Sicherheit in der Ausrichtung ihrer Geschäftsfeldplanung. Bei der Auftragsvergabe und im Zusammenspiel von kleinen und mittleren Unternehmen mit den großen Hauptauftragnehmern muss die Raumfahrt-Agentur auf ein ausgewogenes Maß und faire Bedingungen achten. Erklärtes Ziel der Agentur ist, die sie als Motor für technologische Innovationen und Wettbewerb zu erhalten.



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Dr. Alexander Tesche Innovationen in der Baubranche

Einleitung Innovationen in der Baubranche haben das Bauen stets verändert und ermöglichen heute die Erstellung von äußerst komplexen Bauwerken. Innovationen sind in den Bauprozess von außen, durch universitäre Forschung, Ingenieurbüros und Maschinenhersteller, aber auch von innen durch eigene Entwicklungsabteilungen eingeflossen. Zu den besonders innovativen Bauunternehmen in Deutschland gehört bei der Bewältigung solcher Bauaufgaben das Unternehmen Ed. Züblin AG. Entstanden aus einem mittelständischen Betrieb ist Züblin heute eines der führenden Bauunternehmen in Europa. Die Entwicklung und der Einsatz neuer Technologien hat bei Züblin seit mehr als 100 Jahren Tradition. Züblin wird von seinen Kunden als Spezialist für schwierige und herausfordernde Technologieaufgaben geschätzt. Täglich lösen Ingenieure schwierigste Bauaufgaben, erarbeiten Sondervorschläge oder treiben die Entwicklung von Technologien weiter. Der technische Know-how-Träger des Konzerns, die Zentrale Technik, arbeitet dabei eng mit den ausführenden Bereichen zusammen. Ein zentraler Erfolgsfaktor ist dabei die Entwicklung von zukunftsweisenden Innovationen.

Die Zentrale Technik – technischer Know-how-Träger In der Zentralen Technik werden die wichtigen technischen Kompetenzen des Konzerns gebündelt. Die Ingenieurleistungen erstrecken sich vom Tief- und Tunnelbau über den konstruktiven Ingenieurbau bis hin zum Schlüsselfertigbau. Das Leistungsspektrum zur Unterstützung der operativen Einheiten des Konzerns deckt den gesamten Bauprozess ab von der frühen Akquisitionsphase über die Angebotsbearbeitung, die Ausführungsplanung und die Fachbauleitung. Um die Wettbewerbsfähigkeit bei Züblin für die Zukunft sicherzustellen, gehören zu den Tätigkeitsfeldern der Zentralen Technik insbesondere die interdisziplinäre und fachspezifische Forschung, Entwicklung und Innovation. Die Anmeldung und Verwaltung von Patenten für den

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gesamten Konzern wird ebenfalls in der Zentralen Technik abgewickelt. Weiterhin gehören die Pflege und die Weiterentwicklung von Arbeitsmitteln wie technische Mustervorlagen und Software-Werkzeuge für Planung, Kalkulation und Baustellenmanagement zu den Aufgaben. Viele Ingenieure beginnen ihre Karriere in der Zentralen Technik, um später operative Verantwortung übernehmen zu können. Gerade dieser Austausch hat sich für den Innovationsprozess im Bau als besonders erfolgreich erwiesen. In der Zentralen Technik erhalten Hochschulabsolventen einen Überblick über das gesamte Spektrum der Tätigkeitsfelder und können das Gelernte schnell umsetzen. Außer der Ausbildung für junge Ingenieure werden innerbetriebliche Fortbildungen in den einzelnen Fachdisziplinen für alle Konzernmitarbeiter angeboten. In der Zentralen Technik sind über 500 Mitarbeiter beschäftigt, das sind über zehn Prozent aller Angestellten des Konzerns, die sich auf die drei Hauptbereiche Tief- und Tunnelbau, konstruktiver Ingenieurbau und Schlüsselfertigbau verteilen. Etwa die Hälfte der Mitarbeiter arbeitet am Hauptsitz in Stuttgart. Die übrigen Mitarbeiter verteilen sich auf zehn europaweite Standorte und zahl-reiche Baustellen. In der Relation Zentrale Technik zu den anderen Angestellten des Konzerns wird deutlich, welche Rolle der Innovationsgedanke im Bau spielen kann. Um zukünftig auf dem Markt bestehen zu können, ist kontinuierliche Forschungs- und Entwicklungsarbeit nötig. Um alle Geschäftsfelder abdecken zu können, wird abteilungsübergreifend nach Themengebieten gearbeitet. Auf diese Weise lassen sich zahlreiche Themen bewältigen, da unterschiedliche Expertisen für die komplexen Aufgabenstellungen herangezogen werden müssen. Außerdem können Synergien genutzt werden. Aktuell konzentrieren sich die Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten bei Züblin, aber auch bei vielen anderen führenden Bauunternehmen im Wesentlichen auf sechs Themenfelder.

Schwerpunktthema Energie Das Thema Energie und der effiziente Umgang mit ihr rückt zunehmend in den Mittelpunkt vieler Überlegungen und Aktivitäten. Bei dem Klimaforschungsgipfel der Bundesregierung, bei dem die FuE-Strategie des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) vorgestellt wurde, hat Züblin zum Beispiel im Bereich Energieeffizienz für Gebäude mitgewirkt.



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Ein weiters Forschungsprojekt beschäftigt sich derzeit mit der baupraktischen Umsetzung von innovativen Technologien. Hierbei liegt die Innovation nicht in einer einzelnen Entwicklung, sondern in der gesamtheitlichen Betrachtung des Bauprozesses und der Untersuchung der Einsetzbarkeit von innovativen Produkten. Das Ziel des Projekts ist es, Ressourcen in Zukunft effizient mit den vorhandenen Technologien bei schlüsselfertigen Gebäuden einsetzen zu können. Schwerpunkt der Betrachtung liegt auf den Themen Energie, CO2-Emmissionen und Kosten. Der finanzielle Rahmen des Projekts liegt deutlich über allen bisher geförderten Forschungsvorhaben. Die Einzigartigkeit des Projekts wird aber vor allem durch die erstmalige Zusammenarbeit bei einem Forschungsprojekt von zwei führenden Bauunternehmen, der Bilfinger Berger AG und der Ed. Züblin AG, unterstrichen. Ein weiterer Schwerpunkt der Forschungs- und Entwicklungsarbeit ist es, den Bauablauf beim Bauen im Bestand, das heißt die Revitalisierung und den Umbau bestehender Immobilien, zu optimieren. Dabei wird der Simulation des thermischen Verhaltens von Gebäuden besonderes Augenmerk gegeben. Des Weiteren wurden eigene Systemkonzepte zur Belüftung und Entrauchung von Fluchttreppenhäusern für den Brandschutz in Hochhäusern erarbeitet und weiterentwickelt. Nicht nur die Reduktion und die Optimierung des Energieverbrauches werden bearbeitet, sondern auch das Thema Erneuerbare Energien – wie zum Beispiel Offshore-Windenergie – stehen im Fokus der Aktivitäten. Unter den harten Offshore-Bedingungen ist es besonders wichtig, Zuverlässigkeit sowohl beim Bau als auch im Betrieb sicherzustellen. Die von Züblin entwickelten Gründungssysteme für Offshore-Windenergieanlagen, die mit Rotordurchmessern von über 120 Metern gewaltige Dimensionen annehmen, sind anspruchsvolle Ingenieurbauwerke. Mit der schlüsselfertigen Erstellung und Übergabe eines 120 Meter hohen Messmastes in der Ostsee sowie mit einer neuen Forschungsplattform in der Nordsee wurde Zukunftstechnologie in einem Bauunternehmen entwickelt. Aufgrund tages- und jahreszeitlicher Unstetigkeiten der Sonneneinstrahlung und der Windenergie ist die wirtschaftliche Nutzung im Rahmen der bestehenden Energieversorgungssysteme oft nur eingeschränkt möglich. Um die Nutzbarkeit der erneuerbaren Energien zu verbessern, kommt der temporären, möglichst verlustfreien Energiespeicherung ein hoher Stellenwert zu. Seit mehreren Jahren forschen Bauunternehmen deshalb an der Entwicklung von Technologien zur wirtschaftlichen Speicherung von Energie. Mit Verbundpartnern auf nationaler und internationaler

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Ebene wird die Abwärmespeicherung und -wiederverwendung bei adiabatischen Druckluftspeicherkraftwerken untersucht. Die Grundlagenforschung im Auftrag der Europäischen Union ist in diesem Bereich weitgehend abgeschlossen, derzeit wird die Technologie bis zur Ausführungsreife in Baubetrieben weiterentwickelt. Betriebswirtschaftliche Untersuchungen haben ergeben, dass die Stromgestehungskosten eines solarthermischen Kraftwerks mit integrierter Speichertechnologie geringer sind als beim Betrieb ohne Speicher. Im Auftrag des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU) werden in diesem Zusammenhang im Rahmen verschiedener Verbundvorhaben Entwicklungen betrieben, die sich mit der temporären Wärmespeicherung in Festbettspeichern, insbesondere für Solarkraftwerke, beschäftigen.

Weitere Forschungs- und Entwicklungsthemen Auf dem Gebiet des Tunnelbaus werden bei Züblin verschiedenste Entwicklungsaktivitäten vorangetrieben. Anspruchsvolle Software-Tools, mit denen einschalige, gekoppelte Tübbingringe für verschiedene Bauphasen und Szenarien sehr schnell berechnet werden können, wurden entwickelt und werden bereits angewendet. Der Aufbau einer zentralen Datenbank und die Entwicklung einer webbasierten Anwendung zur Analyse und Visualisierung großer Datenmengen aus Tunnelbohrmaschinen-Vortrieben gehören ebenfalls zum Schwerpunkt der Innovationen im Tunnelbau. Parallel dazu wird ein ebenfalls webbasierter Konfigurator entwickelt, der bei der Bemessung von Separieranlagen unterstützend mitwirkt. Neuartige Tübbingtypen wurden entwickelt und zu Test- und Demonstrationszwecken eingebaut. In der Baustofftechnologie steht die Anwendung von numerischen Verfahren im Fokus, z.B. zur Berechnung von Temperaturspannungen in massigen Bauteilen und zu probabilistischen Lebensdauerberechnungen von Stahlbetonkonstruktionen. Weitere aktuell erreichte Ziele in der Baustofftechnologie sind das Erwirken einer allgemeinen bauaufsichtlichen Zulassung für Massenbeton sowie die Weiterentwicklung verschiedener Spezialbetone für Kühltürme und Abwasserkanäle. Die auf den Hochgeschwindigkeitsstrecken der Deutschen Bahn AG installierte Feste Fahrbahn mit dem von Züblin entwickelten System ermöglicht täglich Tausenden ICE-Passagieren eine schnelle, ruhige und vor allem sichere Fahrt. Das kontinuierlich weiterentwickelte Hightech-



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Produktionssystem steht für Innovation und wirtschaftliche Bauweise. Das System von Züblin wurde bereits erfolgreich nach China exportiert. Dort werden über 400 km Fahrstrecke von Xi’an nach Nanjing unter maßgeblicher technologischer Führerschaft aus Deutschland erstellt.

Gesamtheitliche Verbesserung des Bauprozesses Eine virtuelle Fabrik- und Logistikplanung ist heute in vielen Wirtschaftsunternehmen Standard. So werden nach wie vor 2D-Zeichnungen sicherlich auch in Zukunft als maßgebliche Unterlage für die Ausführung ihre Berechtigung haben – jedoch als Endprodukt einer Planung in 3D, die dem Bauherrn und allen Projektbeteiligten einen realistischen Eindruck von der Planung bietet. Eine dreidimensionale Darstellung erlaubt es auf schnellstem Wege, Visionen aufzuzeigen und auf ihre geometrische Durchgängigkeit zu überprüfen. Die Optimierung bestehender Lösungen zur Bauablaufplanung ist zentrales Thema; sie wird durch eine virtuelle Bauablaufplanung ergänzt, in der die Massenermittlung inklusive Vollständigkeitsprüfung mit dem Ziel der Kostensicherheit integriert ist. Doch nicht nur auf technischer Ebene sind in der Bauwirtschaft Innovationen gefragt. Durch den Preiswettbewerb, dem die gesamte Branche ausgesetzt ist, werden innovative Partnerschaftmodelle notwendig. Das „Teamconcept“ wurde entwickelt, um eine sinnvolle Alternative für den Kunden zu ermöglichen. Das frühe Einbinden des Bauunternehmens in den Planungsprozess ermöglicht es, Kosten einzusparen und Baumängel zu verhindern. Durch das „Teamconcept“ gelingt es, noch früher den komplexen Anforderungen des Marktes gerecht zu werden und einen hohen Qualitätsstandard der Bauwerke sicherzustellen.

Ausblick Die gezeigten Beispiele verdeutlichen das Spektrum der Tätigkeitsfelder bei Züblin, aber auch der gesamten Baubranche. Der Antrieb zu industriellen Entwicklungen wird durch die Bedürfnisse des Marktes geweckt, zum Beispiel durch das Thema Energieeffizienz. Der Antrieb zur Entwicklung der Festen Fahrbahn hingegen kommt aus dem Unternehmen selbst, um ein Alleinstellungsmerkmal in diesem Marktsegment zu generieren. Das Partnerschaftsmodell wurde entwickelt, um dem Preiswettbewerb zu entgehen. Ohne Innovationen wäre eine Weiterentwicklung von Züblin nur schwer möglich. Der Zusammenhang von zukunftsfähigen Innovationen und dem Erfolg eines Unternehmens ist offensichtlich.

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Somit können auch Bauunternehmen, die oftmals als reine Dienstleister angesehen werden, Motor der Innovation sein. Sie müssen diese Rolle sogar wahrnehmen, um sich in dem intensiven Wettbewerb eines Marktes ohne große Eintrittsbarrieren ein Alleinstellungsmerkmal zu verschaffen. Dies gilt für mittelständische und große Unternehmen gleichermaßen. Die Teilnahme am Innovationsprozess ist möglich, wenn systematisch eine ausreichend große eigene Entwicklungsabteilung aufgebaut und als Chance begriffen wird. Der vermeintlich preiswertere, weil keine Fixkosten verursachende Rückgriff auf externe technische Büros ist ein Weg, den zukunftsorientierte Unternehmen nicht einschlagen sollten. Mit der aktiven Teilnahme am Innovationsprozess können sich Bauunternehmen den nationalen und internationalen Herausforderungen des Marktes erfolgreich stellen. Wichtig sind der Mut und die Konsequenz, eigene Innovationskapazität aufzubauen und auch in schwierigen Zeiten beizubehalten.



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Mittelstand — Schlüsselakteur im deutschen Innovationssystem

Hans-Christoph Noack Auch von Madonna lernen. Innovative KMU verdienen mehr

Ein Klick bei Google mit der Kennung „Innovation und KMU“ führt in 0,26 Sekunden zu 636.000 Treffern. Der weiter gefasster Suchbegriff „Innovation und Mittelstand“ kommt in nur 0,24 Sekunden auf mehr als 1,4 Millionen Treffer. Indizien dafür, dass die Begriffspaarungen nahezu Allgemeingut und alles andere als exotische sind. Dennoch, wenn ergründet werden soll, wie innovativ mittelständische Unternehmen tatsächlich sind, werden die Treffer spärlicher. Das bedeutet nicht, dass es sie nicht gibt, sondern eine empirische Erhebung findet nur in Zeitabständen statt. Hermann Simon hat vor einigen Jahren einmal den Begriff der „Hidden Champions“ geprägt – der Weltmarktführer in der Nische. Ob Konzern oder auch nicht, eint sie eines: Sie sind innovativ – das heißt, sie sind technologisch führend in ihrer Branche – und sie sind wendig in den Entscheidungsprozessen, was zu einer höheren Veränderungsgeschwindigkeit führen kann – einem von vielen Kennzeichen von mittelständischen Unternehmen. Denn die bekannten Größendefinitionen der Europäischen Gemeinschaft beschreiben eher nur grob den mittelständischen Impetus eines Unternehmenstypus, der sich eher durch Verhalten statt durch Umsatz- oder Beschäftigungsgrößen auszeichnet. Dass Mittelstand seit vielen Jahren ein wichtiger Jobmotor ist, ist beinahe Allgemeingut. Während große Konzerne in Deutschland oft ihre Organisationsstrukturen verschlanken und zugleich ihre internationale Präsenz kontinuierlich verstärken, haben Mittelständler mit ihrer häufig auf lokale Kunden ausgerichteten Geschäftsphilosophie zusätzliche Arbeitsplätze geschaffen und an der Globalisierung erfolgreich teilgenommen. Aber auch der Mittelstand wächst durch vermehrte internationale Geschäfte. Seine größten Herausforderungen liegen einer Umfrage zufolge daher in der fortschreitenden Globalisierung, stärkeren individuellen Kundenbedürfnissen und kontinuierlich hohem Innovationsdruck. Wie sich Mittelständler diesen Aufgaben erfolgreich stellen können, zeigt eine Untersuchung von Roland Berger, dem Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) und der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule (RWTH) Aachen am Beispiel des Maschinenbaus, deren Kernergebnisse sich auf andere Branchen übertragen lassen.

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Die besten Unternehmen schaffen es, viele althergebrachte Gegensätze aufzulösen: Sie erreichen Technologie- und Kostenführerschaft, hohe Wertschöpfung in Deutschland und globale Expansion, individuelle Produkte und Leistungen und standardisierte Prozesse, extreme Innovation und Bodenständigkeit. Damit erzielen sie eine dreimal höhere Rentabilität als ihre Wettbewerber und wachsen um gut zehn Prozent pro Jahr. Würden alle Unternehmen die Tricks der oft unbekannten „Stars“ anwenden, würden allein im Maschinenbau jährlich rund 40.000 bis 60.000 neue Arbeitsplätze in Deutschland geschaffen werden. Welches sind nun die Lehren, die sich Mittelständler von den besonders erfolgreichen mittelständischen Maschinenbauern abschauen können? Erfolgreiche Unternehmen, die in allen Marktsegmenten und Branchen zu finden sind, nutzen vor allem drei Hebel geschickter als ihre Wettbewerber: Sie erreichen eine bessere Marktposition, haben das richtige Produkt- und Leistungsportfolio und stimmen ihre Wertschöpfungsstrategie intelligent auf Positionierung und Portfolio ab. Erstens positionieren sich erfolgreiche Unternehmen als Problemlöser für ihre Kunden. Das heißt, sie antizipieren als „Trendscouts“ künftige Kundenwünsche, die sie mit ausgeklügelten Analysemethoden identifizieren. Dieses Wissen fließt dann nicht nur in aktuelle Produkte und Leistungen, sondern bestimmt auch maßgeblich die mittelfristige Planung der Angebotspalette. Indem Erfolgreiche alle Leistungen anbieten, um das Kundenproblem zu lösen, schaffen sie es zudem, die Zahl der Wettbewerber zu reduzieren. Somit wird der Preiskampf um einen konkreten Auftrag oft weniger intensiv. Erfolgreiche Unternehmen verfolgen zweitens eine gezielte und konsequente Innovationsstrategie. Zum einen erwirtschaften sie über 40 Prozent ihres Umsatzes mit Produkten und Leistungen, die vor weniger als drei Jahren auf den Markt gekommen sind, während weniger erfolgreiche Anbieter auf nur rund 25 Prozent kommen. Zum anderen nutzen die Erfolgreichen verstärkt neue Techniken, um ihre Produktkosten zu reduzieren sowie ihre Wertschöpfungsprozesse standardisieren und verstetigen zu können. Daneben wollen sie ihre Kunden mit Produktinnovationen begeistern: Sie setzen auf Produkt- und Leistungsmerkmale, die dem Kunden einen Mehrwert bringen. Dafür ist der Kunde oft bereit, einen höheren Preis zu zahlen. Drittens setzen die erfolgreichen Unternehmen eine Wertschöpfungsstrategie um, mit dem Ziel, einen Auftrag schnell, flexibel und pünktlich abzuwickeln. Kern der Strategie ist es, nicht einfach die Eigenleistung zu reduzieren, wie es derzeit häufig zu beobachten ist, oder blind Niedrig-



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lohnstandorte aufzubauen. Vielmehr entscheiden Unternehmen im Rahmen ihrer Strategie, welche Produkte und Leistungen sie selbst herstellen oder fremd vergeben.

Risiko gezielt managen Diese drei im Maschinenbau empirisch nachgewiesenen Erfolgshebel könnten die meisten deutschen Mittelständler anwenden. Der wirtschaftliche Erfolg ist fast sicher, wenn sie zudem Marktzyklen und -risiken gezielt managen. Dazu zählen beispielsweise ein ausgeglichenes Kundenportfolio, das weder wenigen Kunden noch einzelnen Abnehmerbranchen einen zu großen Anteil am eigenen Umsatz zugesteht, sowie flexible Produktionsprozesse, wobei gezielt Fremdkapazitäten in Aufschwungphasen genutzt werden. Um die beschriebenen Erfolgsmuster umzusetzen, sind eine klare Vision, ein hoher Anspruch an Organisation und Mitarbeiter sowie ausgeprägte Führungsstärke erforderlich. Denn das gesamte Unternehmen muss mit einem umfassenden Change-Management-Prozess neu ausgerichtet werden. Dies dauert in der Regel rund zwei Jahre und bindet viele Ressourcen im Unternehmen. Aber die Anstrengung lohnt sich, da Wachstum und Rendite entscheidend gesteigert werden, wie das Beispiel der erfolgreichen Maschinenbauer zeigt. Eine weitere Studie, die im Frühjahr 2008 erschienen ist, zeigt, dass das Innovationsmanagement auch gerade kleiner und mittlerer Unternehmungen das Wachstum in Europa treibt. Die Quintessenz der Studie lautet: Überdurchschnittliches Innovationsmanagement führt zu profitablem Wachstum. Dies ist das zentrale Ergebnis der aktuellen europaweiten Studie, die im April 2008 vorgestellt wurde, zum Innovationsmanagement kleiner und mittlerer Unternehmen (KMU), die im Rahmen von IMP3prove, einem Projekt der Europäischen Union, durchgeführt wurde. Die Wachstums-Champions, also Unternehmen mit dem nachhaltigsten Wertwachstum, erreichen eine operative Marge von rund zwölf Prozent. Unternehmen im Mittelfeld erreichen eine operative Marge von durchschnittlich fünf Prozent. Die Wachstums-Champions weisen zudem ein höheres Wachstumstempo auf: Gemessen am durchschnittlichen Ertrag der letzten vier Jahre erzielten sie im Durchschnitt ein Wachstum von jährlich rund fünf Prozent. Die operative Marge anderer kleiner und mittlerer Unternehmen ist hingegen in Summe nicht gewachsen. Das Projekt IMP3prove wurde im Jahr 2006 von der Europäischen Kommission initiiert und wird von einem europäischen Konsortium unter Leitung der Managementberatung A.T. Kearney

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und der Fraunhofer-Gesellschaft durchgeführt. IMP3prore verfügt über die aktuellste und die umfassendste europäische Benchmarking-Datenbank zum Innovationsmanagement und den Erfolgsfaktoren bei kleinen und mittleren Unternehmen. Rund 3.000 kleine und mittlere Unternehmen aus ganz Europa sind bereits in der IMP3prove-Online-Plattform registriert, die Zahl wächst stetig. Die IMP3prove Benchmarking-Datenbank zeigt, dass überdurchschnittliches Innovationsmanagement und profitables Wachstum eng miteinander verbunden sind. Unternehmen mit einem erfolgreichen Innovationsmanagement-Ansatz erzielen höhere Wachstumsraten beim Umsatz, ihrer operativen Marge sowie bei der Anzahl ihrer Mitarbeiter. Zudem wachsen sie nachhaltiger. Insbesondere die Unternehmen, die auf tiefgreifende Veränderungen abzielen, erreichen höhere Wachstumsraten bei Umsatz und Ertrag. Insbesondere höhere Erträge aus neuen Produkten und Services, die jünger als drei Jahre sind, treiben die überdurchschnittliche Leistungsfähigkeit der Wachstums-Champions. Der durchschnittliche Anteil liegt bei den Wachstums-Champions bei mehr als 15 Prozent, bei den anderen Mittelständlern unter neun Prozent. Die Studie zeigt zudem, dass Wachstums-Champions in allen Industrien langfristige Innovationsperspektiven und -strategien verfolgen. Diese basieren auf einer systematischen Analyse zukünftiger Suchfelder. Diese Suchfelder ermöglichen eine Fokussierung der weiteren Innovationsaktivitäten. Zusätzlich setzten Wachstums-Champions einen größeren Teil ihres Budgets für langfristige Innovationsprojekte ein – über 15 Prozent bei den Wachstums-Champions im Vergleich zu knapp acht Prozent bei den anderen untersuchten Unternehmen. Wachstums-Champions erreichen meist eine kürzere „Time-to-Market“ und „Time-to-Profit“ als ihre Wettbewerber. Eine gefüllte „Ideen-Pipeline“, in der eine Vielzahl bahnbrechender Innovationen stecken, kombiniert mit einer höheren Erfolgsrate bei Innovationsprojekten steigern den gesamten Wert ihrer Innovations-Pipeline. Im Durchschnitt initiieren und implementieren Wachstums-Champions mehr Innovationsprojekte. Besonders bei „radikalen“ Innovationsprojekten übertreffen sie die anderen Unternehmen deutlich.



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Offenes Innovationsklima entscheidend Zur Entwicklung von bahnbrechenden Innovationen ist ein „offeneres” Innovationsmanagement entscheidend. „Echte“ Innovatoren binden Innovationspartner während des gesamten „Innovationslebenszyklus“ intensiver ein und steigern so ihre Innovationsfähigkeit – von der Entwicklung der ersten Idee bis zu kontinuierlichen Verbesserungen. Besonders Netzwerkpartner, Universitäten, Forschungseinrichtungen und Kunden sind intensiver involviert, um bahnbrechende Ideen zu entwickeln und auch umzusetzen. Kleine und mittlere Unternehmen, die das IMP³prove-Assessment durchführen, erhalten einen Überblick darüber, in welchen Bereichen sie ihr Innovationsmanagement verbessern müssen, um profitabel zu wachsen und auch in Zukunft ihre Marktposition zu sichern. Unternehmen, die professionelle Unterstützung bei der Verbesserung ihres Innovationsmanagements suchen, steht ein weites internationales Netzwerk aus erfahrenen Beratern zur Verfügung. Mit ihrer Hilfe können sie den Abstand zu den Wettbewerbern aufholen. IMP³prove liefert so einen europäischen Standard in der Beratung für Innovationsmanagement. Um im Wettbewerb mit den besten Mittelständler zu bestehen, bietet das Programm ein klar strukturiertes Vorgehen: Benchmarking auf der Basis des ausgefüllten Programm-Assessments – und wer es genau wissen möchte, auch des Fragebogens zur Ursachenanalyse. Bei der Analyse der Benchmarking-Ergebnisse stehen erfahrene IMP³prove-Berater zur Verfügung. Sie zeigen auf, wie das unternehmensinterne Innovationsmanagement verbessert werden kann und unterstützen bei der Umsetzung der notwendigen Maßnahmen. Das Projekt ermöglicht es den kleinen und mittleren Unternehmen, regelmäßig ihr Innovationsmanagement zu überprüfen. Der Zugang zur Online-Plattform ist kostenlos. Durch eine dynamische Benchmarking-Datenbank wird gewährleistet, dass sie sich immer mit den aktuellsten Benchmarking-Daten vergleichen können. Dadurch erhalten sie jederzeit ein genaues Bild ihrer eigenen Wettbewerbsposition im Industrievergleich. „IMP³prove verfolgt mehrere Ziele: Das Projekt soll den Standard von effektivem Innovationsmanagement für profitables Wachstum bei kleinen und mittleren Unternehmen heben, ebenso sollen jene Mittelständler professionell beraten werden, deren Fähigkeiten im Innovationsmanagement noch weiter entwickelt werden müssen. IMP³prove trägt dazu bei, dass es einen verbesserten Wettbewerb in Europa gibt“, sagt Kai Engel, Vice President und Leiter der europäischen Practice Innovation Management bei A.T. Kearney in einer Veröffentlichung. „Innovation ist eine der

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entscheidenden Kräfte für das organische Wachstum von Unternehmen. Dieses Wachstum muss gesichert werden, da es zugleich neue Arbeitsplätze schafft und zum Wohlstand der Bevölkerung in Europa maßgeblich beiträgt.“ „Das Wachstum kann nur gesichert werden, wenn kleine und mittlere Unternehmen gut vernetzt sind. Innovationsnetzwerke sind ein zentraler Schlüssel für Innovationsmanagement. Probleme können viel schneller gelöst werden, wenn führende Unternehmen kooperieren, anstatt individuell nach Lösungen zu suchen. Die Mischung von unterschiedlichen Kompetenzen und Wissen kann zu völlig neue Ideen und Lösungen führen. Deshalb sollten sich kleine und mittlere Unternehmen in ein Innovationsnetzwerk integrieren. Durch IMP³prove können sie dieses Innovationsnetzwerk besser nutzen“, wird Professor Dr. Bullinger, Präsident der Fraunhofer-Gesellschaft, in einer Mitteilung zitiert.

Aus dem Bauch heraus Aber es gibt die typischen Eigenheiten im Innovationsprozess bei mittelständischen Unternehmen, auch wenn sie nicht ein besonderes Kennzeichen dieser Größenklasse sind. Da aber viele von ihnen auch familiengeführte Unternehmen sind, ist ein zweites von der European Business School gemeinsam mit der Stiftung Industrieforschung durchgeführtes Forschungsprojekt zum Thema „Innovation, Markenführung und Design“ interessant. Tom A. Rüsen, geschäftsführender Direktor des Wittener Institutes für Familienunternehmen (WIFU) an der Universität Witten/Herdecke, und Christoph Herrmann, Managing Partner der Unternehmensberatung Herrmann, Moeller + Partner in München mit einem Lehrauftrag für Innovationsmanagement an der European Business School, beschreiben dies in einem Aufsatz ( „Innovationen in Familienunternehmen“) in der F.A.Z. vom 11. August 2008. Sie zeigen auf, dass es weit häufiger Einstellungs- und Haltungsfragen denn instrumentelle Aspekte sind, die den Erfolg beziehungsweise Misserfolg von Innovationsprojekten bei mittelständischen Unternehmen bestimmen. „Kleinere und mittlere Unternehmen sind keineswegs weniger innovativ als größere, haben aber häufiger Probleme, ihre Innovationen erfolgreich umzusetzen. Schuld daran ist nicht selten eine fehlende Systematik im Umgang mit dem Neuen“, schreiben sie. Beide zitieren einen Geschäftsführer eines Familienunternehmens mit den Worten: „Bei uns wird, wenn es um Innovationen geht, häufig noch aus dem Bauch heraus operiert“.



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Dennoch stellen sie fest, dass ein solches „aus dem Bauch heraus operieren“ den Erfolg vieler Familienunternehmen in der Vergangenheit überhaupt erst möglich gemacht hat. „Die Fähigkeit, Marktopportunitäten frühzeitig zu erkennen und schnell und flexibel darauf zu reagieren, ist eine wesentliche Voraussetzung für die Stärke, die der deutsche Mittelstand heute immer noch besitzt. Die eigentliche Herausforderung für die meisten Familienunternehmen kann daher auch nicht darin bestehen, evidente Flexibilitätsvorteile durch ein starres, an Großunternehmen ausgerichtetes Methodendenken zu ersetzen. Vielmehr geht es darum, die eigenen Stärken zu systematisieren und von Einzelpersonen loszulösen, um sie so erfolgreich in die nächste Generation zu führen. Aber wie macht man dies? Welche Maßnahmen sind notwendig, um Familienunternehmen einen erfolgreichen Wandel in stürmischen Zeiten zu ermöglichen?“, schreiben sie in dem Beitrag. Und sie kommen zu dem Schluss: „Die Unternehmen, die im Mittelstand mit Innovationen erfolgreich sind, tun dies in der Regel nicht, weil sie über komplexe Mechanismen oder umfangreiche Methodenbaukästen verfügen, sondern ganz einfach, weil in diesen – von der Unternehmerfamilie, aber auch über diese hinaus – eine innovationsfreudige Haltung gepflegt wird, für jeden verständliche Innovationsprozesse existieren und die im Vergleich zu börsennotierten Unternehmen eher begrenzten Ressourcen intelligent genutzt und gezielt durch externe Kompetenzen ergänzt werden. Ein Beispiel hierfür liefert unter anderem die Wittenstein AG. Die Ausrichtung des Unternehmens auf Innovation sowohl beim Produkt als auch im Prozess ist dort in den Unternehmensleitlinien festgelegt. Darüber hinaus verfügt das Unternehmen über einen klaren, nicht zu viele Stufen umfassenden Innovationsprozess, ist in verschiedenste Entwicklernetzwerke integriert und nutzt Ausgründungsstrategien zur Erschließung neuer Geschäftsfelder. Die Ausführungen zeigen, dass der richtige Weg für Familienunternehmen nicht in einer unnötigen Verkomplizierung der eigenen Unternehmensführung zu sehen ist sondern vielmehr in einer angemessenen Systematisierung. Diese darf dabei klassische mittelständische Tugenden wie Schnelligkeit, Flexibilität und Nachhaltigkeit nicht beschneiden, sondern sollte diesen im Gegenteil neue Freiräume verschaffen. Darüber hinaus müssen Familienunternehmen jedoch auch neue Tugenden entwickeln, zum Beispiel die Fähigkeit, sich kritisch mit dem eigenen Tun auch innerhalb der eigenen Unternehmerfamilie auseinanderzusetzen und sich gegenüber innovativen Management- und Organisationsformen zu öffnen.“

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Dem ist grundsätzlich nichts mehr hinzuzufügen. Allerdings sei in diesem Zusammenhang noch ein Buch des Bremer Lehrstuhlinhabers für Mittelstand, Existenzgründung und Entrepreneurship, Jörg Freiling, hingewiesen. „Entrepreneurship“ heißt das Werk und beschäftigt sich mit der Unternehmerin Madonna, die seit 25 Jahren mit ihren Songs und Inszenierungen quasi ein erfolgreiches kleines Unternehmen darstellt. Freiling machte sich auf die Suche nach den besonderen „Kompetenzen“ des Unternehmens und der Person Madonna. Dabei fiel ihm auf, dass Madonna in den vier Unternehmerfunktionen Innovation, Arbitrage, Koordination und Risikomanagement ganz hoch punktet. Madonna ist gleichsam ein Naturtalent in Sachen Entrepreneurship. Und durch ihre Findigkeit erzielt sie Gewinne (geschätzte 50 Millionen Dollar im Jahr) aus Möglichkeiten, die andere noch nicht entdeckt haben. Eben diese Tugend – die permanente Erneuerung der Person der Sängerin, ihres Stils und ihrer Vermarktung – verbindet Madonna mit erfolgreichen Innovatoren in allen unternehmerischen Größenklassen.



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Dr. Ingrid Voigt Innovationen als besondere Herausforderung für kleine und mittlere Unternehmen

Der Nutzen von Innovationen ist unbestritten. Sie als Wachstumsmotor zu begreifen und entsprechend in Unternehmen zu managen, stellt kleine und mittlere Unternehmen jedoch vor besondere Herausforderungen. Aus ihren Besonderheiten können die Unternehmen Vorteile für ihr Innovationsmanagement ziehen, wenn sie ganz individuell auf ihre Stärken setzen. Deutsche Unternehmen steigerten im Jahr 2006 nach der „ZEW Innovationserhebung 2007“ ihre Ausgaben für Innovationen kräftig um sechs Prozent. Auch 2007 haben Innovationen in der Wirtschaft an Bedeutung gewonnen. Die Innovationsaktivitäten steigen jedoch mit der Unternehmensgröße. Ist Innovation eine Aufgabe auch für kleine und mittlere Unternehmen? Auf diese Frage ist häufig noch zu hören, Innovation sei ein Thema nur für Industrie- und größere Betriebe oder nur ein schillernder, modischer und nicht greifbarer Begriff.

1. Innovationen umfassend definieren Innovationen sind auf jeden Fall eine Aufgabe für kleine und mittlere Unternehmen. Vor allem dann, wenn darunter nicht nur technologiegetriebene Produktinnovationen verstanden werden. Unter „Innovationen“ versteht das RKW alle Produkte (Sachgüter und Dienstleistungen) und Verfahren, die innerhalb eines Wirtschaftsunternehmens erstmalig eingeführt und wirtschaftlich genutzt werden. Innovationen sind qualitativ neuartig, d.h. sie unterscheiden sich grundsätzlich oder zumindest signifikant vom zeitlich vorhergehenden Vergleichszustand. Je nach Innovationsgrad wird unterschieden zwischen radikalen oder Basisinnovationen, die durch völlig neue Produkte oder Verfahren Märkte definieren und Unternehmen strategisch neu positionieren, und inkrementellen Innovationen, die existierende Produkte und Verfahren schrittweise und stetig verbessern. Während radikale Innovation in seltenen Quantensprüngen völlig neue Produkte und Marktgleichgewichte hervorbringt, findet inkrementelle Innovation permanent statt.

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Dabei kann es sich um technische Innovationen (vor allem Produkt- und Prozessinnovationen), organisationale Innovationen (z.B. Neuerungen in der Aufbau- und Ablauforganisation, Unternehmenskultur) und geschäftsbezogene Innovationen handeln (neue Geschäftsmodelle, Marketinginnovationen). Innovationen in der einen Dimension ziehen in der Regel Anpassungen oder Innovationen in einer oder in beiden anderen Dimensionen nach sich. Eine Voraussetzung für erfolgreiche Innovationen ist eine innovationsfreundliche, nach innen und außen offene Unternehmenskultur, die Selbstverantwortung, innerbetriebliche Kooperation, Informationsaustausch, Motivation und Qualifikation der Beschäftigten fördert und das Kreativitätspotenzial von Konflikten nutzt.

2. Schwieriger Prozess Kleine und mittlere Unternehmen stehen vor besonderen Herausforderungen. Ihre im Vergleich mit größeren Unternehmen insgesamt schlechtere Ausgangslage bei Innovationen verdeutlichen beispielhaft folgende Fakten: • Knappe personelle Kapazitäten und geringere finanzielle Ressourcen ermöglichen nur

selten den Aufbau einer eigenen Forschungs- und Entwicklungs-Abteilung. • Forschung und Entwicklung (FuE) gehören somit nicht zum Tagesgeschäft der meisten



kleineren Betriebe. • Ihnen fehlen häufig Fachleute mit FuE-Erfahrung und damit interne Promotoren auf



der Arbeitsebene. • Arbeiten sie mit Externen zusammen, entstehen oft Kommunikationsprobleme mit



Forschungseinrichtungen und anderen Kooperationspartnern: Dabei werden Probleme



aus unterschiedlichen Sichtweisen beschrieben, man „spricht eine andere Sprache“ als



die Forschungseinrichtungen. Auch haben kleine und mittlere Unternehmen häufig eine



andere Erwartungshaltung an die Zusammenarbeit als die Forscher. Hinzu kommt, dass im vergangenen Jahr 20 Prozent der deutschen Unternehmen freie Stellen

im Bereich Forschung und Entwicklung sowie für Innovation nicht besetzen konnten. Der Ingenieurund Fachkräftemangel trifft besonders die Mittelständler, und es ist zu befürchten, dass die aufgeführten Probleme dadurch weiter verstärkt werden.



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Ihre überschaubare Größe bietet den kleinen und mittleren Unternehmen jedoch auch Chancen, die ihnen Vorteile im Wettbewerb mit größeren Unternehmen eröffnen und die von sogenannten „Leuchtturm-Unternehmen“ exzellent genutzt werden. Dies zeigt beispielhaft ihre Beteiligung an Innovations-Wettbewerben wie TOP 100 „Die 100 innovativsten Unternehmen im Mittelstand“. Unter den Ausgezeichneten 2008 sind 49 Unternehmen mit weniger als 100 Beschäftigten und insgesamt 63 mit bis zu 200 Beschäftigten. Die TOP 100-Unternehmen erzielten mit Innovationen und innovativen Verbesserungen einen durchschnittlichen Umsatzanteil von 65 Prozent. Sie erreichen damit fast das Fünffache des Durchschnitts aller deutschen Mittelständler, der bei nur 14 Prozent liegt. DieserWettbewerb beweist wie andere Innovationspreise auch, dass Mittelständler sehr wohl ihre strukturellen Nachteile auch zum Vorteil nutzen können: • Ihre flache Organisation ermöglicht kurze und unbürokratische Entscheidungswege.

Dadurch werden sie in die Lage versetzt, schneller auf neue technologische



Entwicklungen und Kundenforderungen zu reagieren als Großunternehmen. • Der enge Kundenkontakt und die Marktnähe sind an vielen Arbeitsplätzen spürbar. • Das Unternehmen ist überschaubar und Zusammenhänge sind leichter erkennbar. • Die Persönlichkeit der Inhaberin oder des Inhabers prägen die Arbeitsweise im



Unternehmen. Innovative Mittelständler gleichen Startnachteile durch Schnelligkeit, Marktnähe und

Unternehmerpersönlichkeit aus. Sie verfügen über ein Innovationsmanagement, das diese Vorteile im Wettbewerb zur Geltung bringt.

3. Innovationsmanagement - anspruchsvoll und komplex Der Innovationsbegriff wird aus verschiedenen Perspektiven definiert, ebenso Innovationsmanagement aus unterschiedlichen Sichten beschrieben. Generell bedeutet Innovationsmanagement die dispositive Gestaltung von Innovationsprozessen, d.h. Innovationsprozesse sind systematisch zu planen, durchzuführen und zu kontrollieren. Solche einzelnen Innovationsprozesse können sich auf neue Produkte und Dienstleistungen, neue technologische Prozesse, verbesserte Abläufe, eine neue

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interne Organisation und Formen der Markterschließung oder -bearbeitung beziehen. Elemente des Innovationsmanagements eines Produkts sind beispielsweise Machbarkeitsstudie, Realisierungskonzept und das Projektmanagement bis zur Markteinführung. Das RKW setzt den Fokus auf die Umsetzung und eine integrierende Perspektive: Unter diesem Aspekt ist Innovationsmanagement die Gestaltung des Innovationssystems im Unternehmen, vor allem und zunehmend mit Menschen, aber auch mit Materialien und Maschinen. Innovationsmanagement ist aus verschiedenen Gründen anspruchsvoll. Es stellt eine komplexe Aufgabe dar mit Ungewissheit zu Technologie und Markt, mit vielen Beteiligten innerhalb und auch außerhalb des Unternehmens und mit ihrer notwendigen Kreativität. Innovationen sind zudem meistens mit hohem finanziellem Einsatz verbunden. Und: Innovationsmanagement ist nur dann erfolgreich, wenn es vom Top-Management vorgelebt und integriert wird. Bei ihrem Innovationsmanagement werden Unternehmen täglich mit folgende Erscheinungen konfrontiert.

3.1 FuE und Innovation sind risikobehaftet. Die technische Zielstellung kann nicht immer wie geplant gelöst werden. Auch kann es schwierig werden, Prototypen rentabel in eine Serienproduktion zu überführen oder eine einmalige Dienstleistung dauerhaft anzubieten. Geplante Markterfolge können ausbleiben, weil potenzielle Kunden nicht von dem neuen Produkt überzeugt sind oder weil neue Gesetze und Normen Überarbeitungen nach sich ziehen. Zudem stellen sich der wirtschaftliche Erfolg und der finanzielle Rückfluss erst zeitversetzt ein mit der Konsequenz, dass die Aufwendungen über einen längeren Zeitraum finanziert werden müssen.

3.2 Technologien verändern sich rasant und Märkte wandeln sich. Die steigenden Innovationsaufwendungen belegen zwar, dass deutsche Unternehmen nicht weniger innovativ geworden sind. Die ZEW-Innovationserhebung verdeutlicht aber mit dem sinkenden Umsatzanteil von Marktneuheiten aus kleinen und mittleren Unternehmen, dass die Wettbewerber im Ausland schneller geworden sind.



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Auch die veränderte Altersstruktur von Kunden in Folge des demographischen Wandels wird viele Betriebe vor die Herausforderung stellen, neue Leistungsangebote für die Bedürfnisse Älterer zu entwickeln. 3.3 Innovationsprozesse werden komplexer. Erfolgreiche Innovationen lassen sich nicht mehr nur von Spezialisten und Einzelkämpfern bewältigen. Die Beteiligung mehrerer Unternehmensbereiche erweitert Innovationsprozesse zu einer Aufgabe des gesamten Unternehmens. Die Integration des Kunden in die Entwicklung neuer Angebote und elektronische Kommunikationsplattformen kennzeichnen den „Open Innovation“-Prozess, der zwischen Akteuren im und außerhalb des Unternehmens abläuft. Dieser „Open Innovation“-Ansatz ergänzt das herkömmliche Innovationsmanagement. Aus wettbewerbsstrategischer Sicht liegen in dieser Vernetzung von Leistungen (Leistungsbündelung) und von Akteuren (Kompetenzbündelung) Innovationspotenziale, die auch Mittelständlern neue Wachstumschancen bieten. Die Automobilindustrie lebt es vor, in der Kooperation mit ihren Zulieferbetrieben. Aber auch Mittelständler können Marktvorteile aus dem „Open Innovation“-Ansatz schöpfen. Einen ersten Schritt von Open Innovation ist zum Beispiel der bezahlbare „individuelle“ Schuh der kleinen Münchner Firma selve AG. Aus höchstindividuellen Kundenwünschen und -maßen bekommt der Kunde Schuhe zwischen Maßanfertigung und „Schuh von der Stange“. Ein weiteres Beispiel für die Kundenintegration liefert die Anton Uhlenbrock GmbH. Sie begleitet mit ihrem Dienstleistungssystem „Transparente sichere Anlagenverfügbarkeit“ den Lebenszyklus von Maschinen und optimiert ihre Instandhaltung so, dass sich der Kunde auf seine Kernkompetenzen konzentrieren kann.

3.4 Der Einfluss von Menschen als Wissensträger und die Bedeutung einer Innovationskultur im Unternehmen steigen. Die individuellen Kompetenzen, das Wissen, die Fähigkeiten und die Einstellungen der Mitarbeiter bringen außergewöhnliche Ideen und kreative Lösungen hervor. Sie ermöglichen erfolgreiche Innovationen. Entstehen beispielsweise „Reibungsverluste“ zwischen dem Vertrieb und den für Entwicklung Verantwortlichen, können Kundenwünsche nicht so schnell in ein neues Leistungsangebot einfließen. Die Folge sind Zeitverzüge im innerbetrieblichen Innovationsprozess.

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Die Unternehmenskultur sollte motivierende Regelungen bereithalten, um einerseits ein innovationsförderliches Klima zu schaffen, das Ideen sprudeln lässt. Andererseits muss die Innovationskultur auch verdeutlichen, warum welche Ideen ausgewählt und andere zurückgestellt werden.

3.5 Im Innovationsmanagement liegen noch viele Reserven Das Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Innovation hat ermittelt, dass 70 Prozent der Unternehmen zum Beispiel wegen unklarer Entwicklungsziele ihre Zeitplanung bei Innovationsprojekten nicht einhalten können. Die Ursache ist selten die technologische Umsetzung. Häufigste Mängel liegen sowohl im strategischen und als auch im operativen Innovationsmanagement. Mit einem professionellen Innovationsmanagement könnten ca. 40 Prozent der Zeit eingespart werden. Auf Defizite bei der Umsetzung von Innovationsaufwand in wirtschaftlichen Erfolg weist auch die ZEW-Erhebung hin: Der Umsatzanteil mit neuen Produkten ist danach mit einem Prozent nur gering gestiegen, während der Anteil der Marktneuheiten sogar leicht fiel. Vor allem ostdeutsche Unternehmen investieren bezogen auf den Umsatz einen hohen Anteil in Innovation, jedoch bei geringeren Innovationserfolgen als in westdeutschen Unternehmen. Das RKW Kompetenzzentrum hat abgeschlossene Innovationsprojekte untersucht, die vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (BMWi) im Programm PRO INNO gefördert wurden. Die Untersuchung bestätigt erneut den finanziellen Anreiz der Förderung auch für das eigene finanzielle Engagement der Unternehmen: Über 80 Prozent der Projekte wären ohne Förderung nicht realisiert worden. Die ansteigende finanzielle Förderung von Innovation durch die Hightech-Strategie und vor allem das Zentrale Innovationsprogramm Mittelstand des BMWi werden höhere FuE- und Innovationsanstrengungen von kleinen und mittleren Unternehmen anregen. Damit diese zum geplanten Wachstum bei Umsatz, Ergebnis und Beschäftigung führen, steigt auch der Druck, die Innovationsprozesse schnell, effizient und konsequent zu gestalten.



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4. Maßgeschneidertes Innovationsmanagement Wenn das betriebliche Innovationsmanagement an Informations- und KommunikationsTechnologien anknüpft, kann es zugleich eine neuartige Zusammenarbeit mit Kunden eröffnen und damit neue Geschäftsfelder erschließen. Zugleich können Produkteund Dienstleistungen schneller und kostengünstiger entwickelt und vermarktet werden. Innovationsmanagement zahlt sich für den Mittelstand aus • in früherer Marktwirksamkeit, • kürzeren und effizienteren Prozessen und • im schnelleren Rückfluss der Investition. Ein professionelles Innovationsmanagement, das in kleinen und mittleren Unternehmen auch „gelebt“ wird, sollte beim Unternehmensalltag ansetzen. Da jede Innovation ein einmaliger Prozess ist, kann sie nicht über Routineabläufe bewältigt werden. Das ist eine höchst anspruchsvolle Aufgabe, gerade für die Unternehmen, bei denen Forschung und Entwicklung kein Tagesgeschäft sind. Neuere Erkenntnisse der Innovationsforschung, wie die Interaktionen und die frühzeitige begleitende Kundenintegration in den Innovationsprozess, bieten neue Ansätze für das Innovationsmanagement. Die Methoden sind oft mit mittleren und großen Unternehmen entwickelt worden. Sie treffen daher in kleinen und mittleren Unternehmen häufig auf Widerstände. Wenn sie unkritisch übernommen werden, besteht die Gefahr, dass die Integration in das gelebte Managementsystem scheitert. Die Unternehmen sollten also prüfen, welche Modelle und Instrumente zu ihnen passen. Folgende Anforderungen sollten hinterfragt werden: • schneller und robuster Aufbau von Wissen und dessen Repräsentation durch ein Team • nachgewiesene Stärke im Erarbeiten von Kundeneinsichten, in der Zusammenarbeit mit

Schlüsselkunden sowie intelligenten Anwendern eigener Produkte • sicheres Beherrschen des kreativen Prozesses: Information, Inkubation, Inspiration und



Implementierung • klares Konzept zum Markteintritt

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• eindeutige Strategie, Schlüsselkunde der Zulieferer zu werden • definierte Schnittstellen zu den Innovationssystemen der Kunden • Möglichkeiten zur Integration in regionale, fachübergreifende Initiativen sowie fachlich

orientierten Netzwerken

5. Fazit In den Besonderheiten der kleinen und mittleren Unternehmen liegen zugleich Chancen für erfolgreiches Innovieren und Innovationsfähigkeit: Schnelligkeit, Marktnähe und Unternehmerpersönlichkeit. Diese Innovationsfähigkeit und das Innovationsmanagement bieten Wachstumschancen. Die Herausforderung besteht darin, zunächst eigene Schwächen und Stärken zu erkennen. Vorhandene Modelle und Methoden sollten geprüft und unternehmensindividuell angewendet werden. Auch wenn sich Unternehmen für ein neues eigenes Instrument entscheiden, sollte dieses unbedingt in das vorhandene Managementsystem integriert werden. Das Innovationspotenzial aller Mitarbeiter ist vollständig zu erschließen - von den Akademikern bis zu den gewerblich Tätigen. Zum „Wettbewerb um fähige Köpfe“ zählt auch die Ausbildung eigener Fachkräfte. Eine unternehmenseigene Innovationskultur fördert die Innovationsfähigkeit. Und zuletzt: Eine Beteiligung an Innovationswettbewerben gibt nicht nur ein Benchmarking. Sie ist für Siegreiche ein hervorragendes Instrument der Werbung, auch um neues qualifiziertes Personal zu gewinnen.

Literatur: Aschoff, B.; et al. (2008): Innovationsverhalten der deutschen Wirtschaft Indikatorenbericht zur Innovationserhebung 2007, Mannheim: ZEW Indikatorenbericht Rammer, C.; Peters, B.; Licht, G. (2007): Entwicklung der FuE-Ausgaben 2007, Einstellung zusätzlichen FuE-Personals und die Rolle der Hightech-Strategie Schnellbericht zur Zusatzbefragung im Rahmen der Innovationserhebung 2007, Mannheim: ZEW Späth, L. (2008): TOP 100 - Die 100 innovativsten Unternehmen im Mittelstand, Frankfurt/M. Hauschildt, J.; Salomo, S. (2007): Innovationsmanagement, München



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Reichwald, R.; Piller,F. (2006): Interaktive Wertschöpfung. Open Innovation, Individualisierung und neue Formen der Arbeitsteilung. Wiesbaden: Gabler Möslein, K.; Kölling, M. (2007): Interaktive hybride Wertschöpfung als Innovationsstrategie, Leipzig Reichwald, R.; et al. (2008): Services Made in Germany - ein Reiseführer, Leipzig Bullinger, H.-J. (2007): Schneller zu mehr Innovationen: Kräfte bündeln - Prozesse beschleunigen; Statement der FhG zur Pressekonferenz Berlinvom 28. März 2007 Braßler, A.; Möller, W.; Voigt, I. (2008): Wirtschaftliche Wirksamkeit der Förderinitiative ProInno, Eschborn: RKW Kompetenzzentrum Nikula, R. (2008): Innovationsmanagementsysteme für den Mittelstand; in: Wirtschaftsmagazin der IHK Erfurt, März 2008

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Veröffentlichungen des RKW-Kuratoriums In bisher 15 Bänden sind die Beiträge der Mitglieder des RKW-Kuratoriums aus Politik, Wirtschaft, Gewerkschaften und Wissenschaft zu den Jahressitzungen des Kuratoriums veröffentlicht worden. Der Aufbau der neuen Bundesländer Herausgegeben von Dr. Otmar Franz, Eschborn 1993 Die neuen Bundesländer und ihre Partner im Osten Herausgegeben von Dr. Otmar Franz, Eschborn 1994 Die neuen Bundesländer und Japan Herausgegeben von Dr. Otmar Franz, Eschborn 1995 Privatisierung öffentlicher Aufgaben Herausgegeben von Dr. Otmar Franz, Eschborn 1996 Innovationen in Deutschland Herausgegeben von Dr. Otmar Franz, Eschborn 1997 Maßnahmen zur Verminderung der Arbeitslosigkeit Herausgegeben von Dr. Otmar Franz, Eschborn 1998 Globalisierung -Herausforderung und Chance für den deutschen Mittelstand Herausgegeben von Dr. Otmar Franz, Eschborn 1999 Aus-und Weiterbildung für den deutschen Mittelstand Herausgegeben von Dr. Otmar Franz, Eschborn 2000 Der Generationenvertrag - Seine Bedeutung für den deutschen Mittelstand Herausgegeben von Dr. Otmar Franz, Eschborn 2001



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Zuwanderung, Arbeitsmarkt und der deutsche Mittelstand Herausgegeben von Dr. Otmar Franz, Eschborn 2002 Chancen und Risiken der EU-Osterweiterung für den deutschen Mittelstand Herausgegeben von Dr. Otmar Franz, Eschborn 2003 Finanzierung des deutschen Mittelstands im Zeitalter der Globalisierung Beiträge von: Clemens Börsig, Wolfgang Clement, Joachim Dirschka, Friedrich Homann, Wolfgang Maßberg, Angela Merkel, Matthias Platzeck, Michael Sommer, Helga Steeg Herausgegeben von Dr. Otmar Franz, Eschborn 2004 Qualifizierung im deutschen Mittelstand im Zeitalter der Globalisierung Beiträge von: Ann-Kristin Achleitner, Edelgard Bulmahn, Bernhard Dorn, Eckhard Franz, Eberhard Heinke, Bruno Köbele, Friedrich Merz, Friedhelm Ost, Matthias Platzeck, Petra Roth, Harald Schartau, Hubertus Schmoldt, Michael Sommer, Helga Steeg, Ludolf von Wartenberg Herausgegeben von Dr. Otmar Franz, Eschborn 2005 Rationalisierung und Beschäftigung im deutschen Mittelstand im Zeitalter der Globalisierung Beiträge von: Ann-Kristin Achleitner, Joachim Dirschka, Reinhard Dombre, Bernhard Dorn, Eckhard Franz, Jürgen Großmann, Friedhelm Ost, Günter Rinsche, Petra Roth, Harald Schartau, Peter M. Schmidhuber, Helga Steeg, Christa Thoben, Ludolf von Wartenberg Herausgegeben von Dr. Otmar Franz, Eschborn 2006 Herausforderung der demographischen Entwicklung für den deutschen Mittelstand Beiträge von: Anton Börner, Hans-Jörg Bullinger, Joachim Dirschka, Bernhard Dorn, Michael Glos, Jürgen Großmann, Eberhard Heinke, Hans-Joachim Metternich, Angelika Niebler, Friedhelm Ost, Harald Schartau, Annette Schavan, Hubertus Schmoldt, Christa Thoben, Ludolf von Wartenberg Herausgegeben von Dr. Otmar Franz, Eschborn 2007

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Mittelstand — Schlüsselakteur im deutschen Innovationssystem

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Mitglieder des RKW-Kuratoriums Vorsitzender: Dr. Otmar Franz, Vorsitzender des Vorstands des RKW e.V.

Dieter Althaus Ministerpräsident des Freistaats Thüringen Dr. Ludwig Baumgarten Mitglied des Vorstands des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt e.V. Anton F. Börner Präsident des Bundesverbands des Deutschen Groß- und Außenhandels e.V. Prof. Dr. Clemens Börsig Vorsitzender des Aufsichtsrats der Deutschen Bank AG Prof. Dr. Werner Breitschwerdt Daimler AG Prof. Dr.-Ing. habil. Hans-Jörg Bullinger Präsident der Fraunhofer-Gesellschaft zur Förderung der angewandten Forschung e.V. Edelgard Bulmahn MdB Bundesministerin für Bildung und Forschung a. D. Joachim Dirschka Präsident der Handwerkskammer zu Leipzig Prof. Dr. Gerhard Fels Direktor und Mitglied des Präsidiums des Instituts der deutschen Wirtschaft a. D.



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Mittelstand — Schlüsselakteur im deutschen Innovationssystem

Michael Glos MdB Bundesminister für Wirtschaft und Technologie Prof. Dr. Jürgen Gramke Vorstandsvorsitzender des Institute for European Affairs Dr. Jürgen Großmann Vorstandsvorsitzender der RWE AG Dr. Eberhard Heinke Vorsitzender des Verwaltungsrats des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung Dr. Friedrich Homann Generalbevollmächtigter der Interessengemeinschaft Mittelständischer Mineralölverbände e.V. Roland Issen Vorsitzender der Deutschen Angestellten-Gewerkschaft a. D. Senator e.h. Bruno Köbele Vize-Präsident des Internationalen Bundes Dr. Silvana Koch-Mehrin MdEP Vorsitzende der FDP-Fraktion im Europaparlament Christiane Krajewski Ministerin und Senatorin a.D. Prof. Dr. Bernd Kriegesmann Präsident der Fachhochschule Gelsenkirchen Dr. Heinz Kriwet Mitglied des Aufsichtsrats der ThyssenKrupp AG

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Prof. Dr. Wolfgang Maßberg Ruhr-Universität Bochum Prof. Dr. Werner Meißner Präsident der accadis Hochschule Bad Homburg Dr. Angela Merkel MdB Bundeskanzlerin Friedrich Merz MdB Mitglied des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestags Hans-Joachim Metternich Sprecher der Geschäftsführung der Investitions- und Strukturbank Rheinland-Pfalz GmbH Dr. Werner Müller Vorstandsvorsitzender der Evonik Industries AG Dr. Klaus Murmann Vorsitzender des Vorstands der Sauer-Danfoss GmbH & Co. OHG Dr. Angelika Niebler MdEP Vorsitzende des Ausschusses Industrie, Forschung und Energie des Europaparlaments Hans-Christoph Noack Frankfurter Allgemeine Zeitung Friedhelm Ost Staatssekretär a. D. Prof. Dr. Andreas Pinkwart Minister für Innovation, Wissenschaft, Forschung und Technologie des Landes Nordrhein-Westfalen



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Matthias Platzeck Ministerpräsident des Landes Brandenburg Prof. Dr. Günter Rinsche Mitglied des Vorstands der Konrad-Adenauer-Stiftung Dr. Gunnar Rogwalder Chairman of the Board der Hansa Luftbild Arabia Petra Roth Oberbürgermeisterin der Stadt Frankfurt am Main Dr. Peter M. Rudhart Member of Executive Committee EMA - The European Management Association Harald Schartau MdL Minister für Wirtschaft und Arbeit des Landes Nordrhein-Westfalen a. D. Dr. Annette Schavan MdB Bundesministerin für Bildung und Forschung Christine Scheel MdB Stellvertretende Vorsitzende der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen RA Peter M. Schmidhuber Mitglied der EU-Kommission a. D. Hubertus Schmoldt Vorsitzender der IG Bergbau Chemie Energie Michael Sommer Vorsitzender des Deutschen Gewerkschaftsbundes

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Prof. Dr.-Ing. Günter Spur Technische Universität Berlin Prof. Dr. Joachim Starbatty Vorsitzender des Vorstands der Aktionsgemeinschaft Soziale Marktwirtschaft e.V. Dr. Helga Steeg Exekutivdirektorin der Internationalen Energie-Agentur IEA a. D. Dr. Alexander Tesche Mitglied des Vorstands der Ed. Züblin AG Christa Thoben Ministerin für Wirtschaft, Mittelstand und Energie des Landes Nordrhein-Westfalen Peter von Siemens Mitglied des Aufsichtsrats der Siemens AG Dr. Ludolf von Wartenberg Mitglied des Präsidiums des Bundesverbands der Deutschen Industrie Stand: September 2008



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