Kultur- und Kreativwirtschaft im deutschen Mittelstand: RKW-Kuratorium [1 ed.] 9783896446121, 9783896736123

Die Kultur- und Kreativwirtschaft ist in Deutschland ein lange wenig beachteter Wirtschaftssektor – und das, obwohl die

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Kultur- und Kreativwirtschaft im deutschen Mittelstand: RKW-Kuratorium [1 ed.]
 9783896446121, 9783896736123

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RKW-Kuratorium

RKW Edition

Otmar Franz (Hrsg.)

Kultur- und Kreativwirtschaft im deutschen Mittelstand RKW-Kuratorium

Verlag Wissenschaft & Praxis

Kultur- und Kreativwirtschaft im deutschen Mittelstand

RKW-Edition

RKW Rationalisierungs- und Innovationszentrum der Deutschen Wirtschaft e.V. RKW Kompetenzzentrum Düsseldorfer Straße 40, 65760 Eschborn www.rkw-kompetenzzentrum.de

Otmar Franz (Hrsg.)

Kultur- und Kreativwirtschaft im deutschen Mittelstand

RKW-Kuratorium

Verlag Wissenschaft & Praxis

Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

ISBN 978-3-89673-612-3 © Verlag Wissenschaft & Praxis Dr. Brauner GmbH 2012 D-75447 Sternenfels, Nußbaumweg 6 Tel. +49 7045 93 00 93 Fax +49 7045 93 00 94 [email protected] www.verlagwp.de Druck und Bindung: Esser-Druck GmbH, Bretten

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Otmar Franz (Hrsg.) Kultur- und Kreativwirtschaft im deutschen Mittelstand

Otmar Franz (Hrsg.) Kultur- und Kreativwirtschaft im deutschen Mittelstand

Verlag Wissenschaft & Praxis

Herausgeber: RKW Rationalisierungs- und Innovationszentrum der Deutschen Wirtschaft e.V. RKW Kompetenzzentrum Düsseldorfer Straße 40, 65760 Eschborn, www.rkw-kompetenzzentrum.de 2011

INHALTSVERZEICHNIS Vorwort 1. Dr. Otmar Franz ◼◼

Vorsitzender des Kuratoriums des RKW – Rationalisierungs- und Innovationszentrum der Deutschen Wirtschaft e.V.



Kultur- und Kreativwirtschaft im deutschen Mittelstand .............................................................13

I. Kultur- und Kreativwirtschaft aus Sicht der Politik 2. Dr. Philipp Rösler ◼◼

Bundesminister für Wirtschaft und Technologie



Die Kultur- und Kreativwirtschaft als wichtige Wachstumsbranche ....................................... 19

3. Bernd Neumann MdB ◼◼

Staatsminister für Kultur und Medien Kultur- und Kreativwirtschaft als großes Innovationspotenzial für unsere Gesellschaft ................................................................................................................................ 25

4. Michael Glos MdB ◼◼

Bundesminister für Wirtschaft und Technologie a.D. Eine Idee setzt sich durch: Die Initiative Kultur- und Kreativwirtschaft der Bundesregierung .................................................30

5. Matthias Platzeck ◼◼

Ministerpräsident des Landes Brandenburg Kultur- und Kreativwirtschaft in Brandenburg .................................................................................. 37

6. Christine Scheel MdB ◼◼

Mittelstandsbeauftragte der Fraktion Bündnis 90 / Die Grünen Frauen in der Kultur- und Kreativwirtschaft .......................................................................................41

7. Friedhelm Ost ◼◼

Staatssekretär a.D.



Mittelstand: Motor der Kultur- und Kreativwirtschaft ..................................................................48

II. Kultur- und Kreativwirtschaft im deutschen Mittelstand aus Sicht der Wissenschaft 8. Prof. Dr.-Ing. habil. Hans-Jörg Bullinger ◼◼

Präsident der Fraunhofer-Gesellschaft zur Förderung der angewandten Forschung e.V. und Simone Kimpeler



Kreativwirtschaft als Standortfaktor – Innovationspotenziale der Kreativwirtschaft richtig nutzen ...................................................................................................... 55

9. Prof. Dr.-Ing. Wolfgang Maßberg ◼◼

Ruhr-Universität Bochum



Zukunftsweisend: Enge Vernetzung zwischen der Kultur- und Kreativwirtschaft und öffentlich geförderten Kulturinstitutionen ................................................................................71

10. Prof. Dr.-Ing. Günter Spur ◼◼

Technische Universität Berlin



Innovationswirtschaft braucht Kreativität .........................................................................................79

III. Kultur- und Kreativwirtschaft aus Sicht der Wirtschaft 11. Anton F. Börner ◼◼

Präsident des Bundesverbands Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen e.V.



Kultur- und Kreativwirtschaft – ein großes Plus des Wirtschaftsstandorts Deutschland ................................................................87

12. Michael Sommer ◼◼

Vorsitzender des Deutschen Gewerkschaftsbundes



„Gute Arbeit“ für die Kultur- und Kreativwirtschaft .......................................................................92

13. Dr. Alexander Tesche ◼◼

Mitglied des Vorstands der Ed. Züblin AG



Kultur- und Kreativwirtschaft – Chance oder Irrweg für den deutschen Mittelstand? .............................................................................................................97

14. Michael Vassiliadis ◼◼

Vorsitzender der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie



Die Kreativwirtschaft ist existenziell für den Erfolg des europäischen Wirtschafts- und Gesellschaftsmodells ................................................................103

15. Dr. Ludolf von Wartenberg ◼◼

Mitglied des Präsidiums des BDI



Kunst- und Kulturförderung im deutschen Mittelstand ..............................................................108

16. Eva Plankenhorn, Dr. Ingrid Voigt, Harm Wurthmann

Kreativ arbeiten – mit Erfolg! Über die Arbeit des Kompetenzzentrums Kultur- und Kreativwirtschaft des Bundes beim RKW ................................................................... 115

Anhang

Veröffentlichungen des RKW-Kuratoriums .........................................................................................127



Mitglieder des RKW-Kuratoriums .........................................................................................................130

Kultur- und Kreativwirtschaft im deutschen Mittelstand

VORWORT

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RKW-Kuratorium, Dr. Otmar Franz (Hrsg.)

RKW-Kuratorium, Dr. Otmar Franz (Hrsg.)

Kultur- und Kreativwirtschaft im deutschen Mittelstand

Dr. Otmar Franz Kultur- und Kreativwirtschaft im deutschen Mittelstand In ihrer Sitzung im November 2010 haben sich die Politiker, Wissenschaftler, Unternehmer und Gewerkschaftler des RKW-Kuratoriums mit der Kultur- und Kreativwirtschaft im deutschen Mittelstand auseinandergesetzt. Ihre Beiträge werden in diesem 19. Jahresband des RKW-Kuratoriums vorgelegt. Der Bundesminister für Wirtschaft und Technologie Dr. Philipp Rösler weist einleitend darauf hin, dass die Kultur- und Kreativwirtschaft mit einem Umsatz von 131 Milliarden Euro, 237.000 Unternehmen und einer Million Erwerbstätigen eine wichtige Wachstumsbranche ist. Kreativität ist für unsere wirtschaftliche Entwicklung eine wichtige Schlüsselkompetenz. Philipp Rösler fasst seine Ausführungen mit folgenden Sätzen zusammen: „Wir tun viel, um die Rahmenbedingungen für Kultur- und Kreativschaffende in Deutschland zu verbessern. Dieses Engagement werden wir fortsetzen – denn davon profitiert unser ganzes Land. Wir wollen neue kreative Talente entdecken, neue Geschäftsmodelle entwickeln und umsetzen und für mehr Unternehmergeist werben. Wir brauchen in Deutschland mehr Menschen, die mit Mut und kreativen Ideen den Schritt in die Selbstständigkeit wagen.“ Der Staatsminister für Kultur und Medien Bernd Neumann MdB betont das große Innovationspotential der Kultur- und Kreativwirtschaft für unsere Gesellschaft. Bernd Neumann weist darauf hin, dass wir eine lebendige, aktive und expansionsfreudige Kultur- und Kreativwirtschaft nicht nur als Job-Motor, sondern vor allem auch wegen ihres großen Innovationspotentials für unsere Gesellschaft brauchen – gerade in Zeiten, in denen die Globalisierung den internationalen Wettbewerb verschärft. Für die kräftige Entwicklung sind Bildung und Ausbildung, die öffentliche Kulturförderung und die Verbesserung der sozialen und wirtschaftlichen Bedingungen, unter denen Künstler, Kreative und Kulturschaffende arbeiten, notwendig. Der ehemalige Bundesminister für Wirtschaft und Technologie Michael Glos MdB beschreibt im Einzelnen die im Jahre 2007 gemeinsam mit dem Staatsminister für Kultur und Medien Bernd Neumann konzipierte Initiative Kultur- und Kreativwirtschaft der Bundesregierung,



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die am 7. Mai 2008 startete. Seit drei Jahren steht diese bereits von Philipp Rösler und Bernd Neumann erwähnte wichtige Initiative im Dienste der Kulturschaffenden. Nicht ohne Stolz wünscht Michael Glos „seinem Kind“ auch für die Zukunft eine erfolgreiche Weiterentwicklung sowie den großen Zuspruch und die Akzeptanz, die es bisher erfahren durfte. Matthias Platzeck, Ministerpräsident des Landes Brandenburg, konzentriert sich auf die Kulturund Kreativwirtschaft des von ihm regierten Landes. Eine ausgeprägte und vielfältige Kulturund Kreativwirt-schaft trägt – wie Matthias Platzeck ausführt – zur Imageaufwertung des Landes Brandenburg bei und fördert die Wirtschaft, indem sie bei Investoren beziehungsweise Unternehmensansiedlungen als Entscheidungsfaktor herangezogen wird. Sie ist eine wachsende Querschnittsbranche mit einer kleinst- und kleinteiligen Unternehmensstruktur, die erst in ihrer Gesamtheit jene bedeutende Rolle als Auslöser und Träger von innovativen Leistungen spielt, die für die gesamte Wirtschaft in Brandenburg zukunftsweisend ist. In Brandenburg sind insbesondere die lange Tradition als Medienstandort, die gut entwickelte Wissenslandschaft und die zentrale Erreichbarkeit der kreativen Szene in der Mitte der Metropolregion als positive Kräfte zu nennen. Die Mittelstandsbeauftragte der Fraktion Bündnis 90 / Die Grünen Christine Scheel MdB führt aus, dass in der Kultur- und Kreativwirtschaft ein überdurchschnittlicher Anteil von weiblichen Erwerbspersonen tätig ist. In fast allen Teilmärkten der Kultur- und Kreativwirtschaft sind sie stärker vertreten als Männer. Nur in der Software- und Games-Industrie ist dies mit 25 Prozent der Arbeitsplätze nicht der Fall. Unter den Selbstständigen liegt der Frauenanteil, wie Christine Scheel unter Bezugnahme auf den Forschungsbericht Nr. 577 des BMWi 2009 feststellt, zwischen 40 und 44 Prozent. Der langjährige Staatssekretär Friedhelm Ost betont, dass man Kreativität nicht planen kann, dass aber gute Rahmenbedingungen helfen, das schöpferische und innovative Reservoir der Kultur- und Kreativwirtschaft für unsere Volkswirtschaft zu nutzen. Friedhelm Ost begrüßt daher, dass der Haushalt des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie für das Jahr 2012 Förderschwerpunkte unter anderem für die Bereiche innovative Unternehmensgründungen und den neu geschaffenen Titel „Potenziale in der Dienstleistungswirtschaft mit dem Schwerpunkt Kultur- und Kreativwirtschaft“ vorsieht.

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Der Vorsitzende des Verwaltungsrats des RKW Kompetenzzentrums und Präsident der Fraunhofer Gesellschaft zur Förderung der angewandten Forschung Prof. Dr. Hans-Jörg Bullinger schreibt mit Simone Kimpeler über das Thema „Kreativwirtschaft als Standortfaktor – Innovationspotenziale der Kreativwirtschaft richtig nutzen“. Hans-Jörg Bullinger untersucht die Kreativwirtschaft als Vorreiter des Strukturwandels und als heimliche Innovatoren sowie das Co-Working als Arbeitsform der Kreativwirtschaft. Mit ihren spezifischen Stärken der Kooperationsneigung, kundenorientierten und projektbasierten Arbeitsweisen und ihrer hohen IT-Affinität sind Kreativunternehmen nicht nur selbst hochinnovativ, sondern stärken auch erheblich die Innovationsfähigkeit und damit Wettbewerbsfähigkeit ihrer Kooperationspartner und Kunden. Prof. Dr.-Ing. Wolfgang Maßberg, langjähriger Rektor der Bochumer Universität, beschäftigt sich intensiv mit der zukunftsweisenden engen Vernetzung zwischen Kultur- und Kreativwirtschaft und öffentlich geförderten Kulturinstitutionen. Schlussfolgerung von Wolfgang Maßberg ist, dass die Kultur- und Wirtschaftspolitik die Wechselwirkungen zwischen den verschiedenen Akteuren im öffentlich geförderten kulturellen Bereich und im Sektor der zukunftsorientierten, erwerbswirtschaftlich orientierten Kultur- und Kreativwirtschaft nicht ignorieren dürfen. Ein Gelingen des Dialogs zwischen allen Akteuren und entsprechend abgestimmte Förderinstrumente sind entscheidend. Prof. Dr.-Ing. Günter Spur, Technische Universität Berlin, erläutert in seinem Beitrag, warum Innovationswirtschaft Kreativität braucht. Mittelständische Zulieferbetriebe prägen als Netzwerk die Entwicklung der Innovationspotenziale. Sie haben – wie Günter Spur ausführt – für den Fortbestand der Industriegesellschaft eine Schlüsselfunktion. Sie bieten Gestaltungsfreiheit und Eigenverantwortlichkeit, verschaffen Selbstbestimmung und Anerkennung. Die Innovationswirtschaft der Welt entwickelt sich eigendynamisch aus kulturell unterschiedlich geprägten Kreativpotenzialen.



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Für den Präsidenten des Bundesverbands Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen e.V., Anton F. Börner, ist die Kultur- und Kreativwirtschaft ein großes Plus des Wirtschaftsstandorts Deutschland. Sie muss aber stärker in den Fokus der öffentlichen Debatte gestellt werden. Unsere weltweit marktführenden Mittelständler sind – so Anton F. Börner – „Subsystemoptimierer“ im besten Sinne des Wortes und dadurch Effizienzweltmeister. Gleichzeitig ist die Kultur- und Kreativwirtschaft prädestiniert, die Binnenkonjunktur zu stärken, unter anderem weil die Branche wenig exportiert. Der Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes Michael Sommer weist auf den überdurchschnittlich hohen Anteil an prekären beziehungsweise unsicheren Beschäftigungsverhältnissen in der Kultur- und Kreativwirtschaft hin. Es ist – wie Michael Sommer ausführt – Zeit, Arbeitsbedingungen in der Kultur- und Kreativwirtschaft zu schaffen, die den gewerkschaftlichen Kriterien „guter Arbeit“ entsprechen. Dazu gehören Anpassung des Arbeitsrechts an die wechselnden Beschäftigungsverhältnisse der Branche, effektiver Schutz vor geistigem Diebstahl, Stopp der Privatisierung öffentlicher Kultureinrichtungen, Verbot von Honorardumping bei kreativen Freiberuflern und Verbundgemeinschaften zur Ausbildung. Für Dr. Alexander Tesche, Mitglied des Vorstands der Ed. Züblin AG, ist das Fazit seines Beitrags über Kultur- und Kreativwirtschaft – Chance oder Irrweg für den deutschen Mittelstand, dass die Kultur- und Kreativwirtschaft nicht unbesehen und kritiklos eine Chance für den Mittelstand ist, da ihre Ausprägung zu differenziert ist. Politik, Förderinstitutionen und die Vereinigungen des deutschen Mittelstands sollten sehr genau prüfen, wo und in welcher Dosierung Mittel zur Förderung der Branchen der Kultur- und Kreativwirtschaft bereitgestellt werden, um einen Irrweg bei Förderprogrammen zu vermeiden. Der Vorsitzende der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie Michael Vassiliadis betont, dass die Kreativwirtschaft existenziell für den künftigen Erfolg des europäischen Gesellschafts- und Wirtschaftsmodells ist. Die Rolle als technischer und kreativer Vorreiter ist die Voraussetzung für Deutschlands Marktposition. Dort, wo Wirtschaft und Industrie, Ingenieure und Kreative zusammenkommen und miteinander arbeiten, entsteht – wie Michael Vassiliadis ausführt – etwas Neues, etwas Inspirierendes, etwas, das uns als Menschen weiterentwickelt und uns prägt, aber niemals den Menschen aus den Augen verlieren darf.

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Dr. Ludolf von Wartenberg, Mitglied des Präsidiums des BDI, schildert in seinem Beitrag Kunst- und Kulturförderung im deutschen Mittelstand die bemerkenswerte gesellschaftliche Verantwortung, die der deutsche Mittelstand über die direkte Finanzierung öffentlicher Institutionen und privater Kulturschaffender, über die Vergabe von Preisen und Stipendien, durch innovative eigene Kulturprojekte und durch Sponsoringaktivitäten wahrnimmt. Gerade kleine Betriebe erbringen – wie Ludolf von Wartenberg ausführt – häufig großartige kulturfördernde Leistungen und tragen oft abseits der klassischen Kulturzentren dazu bei, die jeweils eigene Region attraktiv und lebendig zu gestalten. Abschließend geben Eva Plankenhorn, Dr. Ingrid Voigt und Harm Wurthmann einen Bericht über die Arbeit des Kompetenzzentrums Kultur- und Kreativwirtschaft des Bundes beim RKW, das bereits in den Beiträgen des Bundesministers für Wirtschaft und Technologie Dr. Philipp Rösler und des Staatsministers für Kultur und Medien Bernd Neumann MdB gewürdigt wurde. Man erkennt, wie wichtig aktuell ein gezieltes Angebot für die vielen Kultur- und Kreativunternehmer in Deutschland ist und wie ein abgestimmtes Angebot vielen Akteuren gezielt hilft, sich wirtschaftlich weiterzuentwickeln. Zentrale Elemente jeder Unterstützung bleiben aber immer das Verständnis für die Besonderheit der künstlerischen und kreativen Tätigkeit und eine Sensibilität im Umgang mit dem Thema. Die vorgelegten Stellungnahmen zeigen die wachsende Bedeutung der Kultur- und Kreativwirtschaft. Zu danken ist den Mitgliedern des RKW-Kuratoriums aus Politik, Wissenschaft, Unternehmen und Gewerkschaften für ihre Beiträge zur Kultur- und Kreativwirtschaft im deutschen Mittelstand. Die Ergebnisse und Anregungen fließen in die Arbeit des RKW Rationalisierungs- und Innovationszentrums der Deutschen Wirtschaft und vor allem des Kompetenzzentrums Kultur- und Kreativwirtschaft des Bundes beim RKW ein.



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I. KULTUR- UND KREATIV- WIRTSCHAFT AUS SICHT DER POLITIK

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Kultur- und Kreativwirtschaft im deutschen Mittelstand

Dr. Philipp Rösler Bundesminister für Wirtschaft und Technologie Die Kultur­- und Kreativwirtschaft als wichtige Wachstumsbranche Nach der weltweiten Wirtschaftskrise spielt Deutschland heute wieder in der Champions­-League der Volkswirtschaften. Der Aufschwung hat an Breite und Stabilität gewonnen. Die Beschäftigung ist auf dem höchsten Stand seit der Wiedervereinigung. Das ist nicht zuletzt der Erfolg und das Verdienst des deutschen Mittelstandes. Er ist eine wichtige Triebfeder bei Forschung, Entwicklung und Innovationen. Diese Garanten für mehr Beschäftigung und künftiges Wachstum sind nötig, um die Herausforderungen zu bewältigen, die demografischer Wandel, Energieversorgung und Klimawandel mit sich bringen. Sie sind sozusagen das Lebenselixier für den Standort Deutschland. Einen wesentlichen Beitrag hierzu leistet auch die Kultur­- und Kreativwirtschaft. Eine Branche, die in den vergangenen Jahren regional, national und international zu Recht stark in das Blickfeld der Wirtschaftspolitik geraten ist. Die Enquete­-Kommission „Kultur in Deutschland“ hat mit ihrer umfassendsten Untersuchung der Kulturlandschaft Deutschlands seit mehr als 30 Jahren nicht nur eindrucksvoll belegt, über welche herausragende und in dieser Form einmalige kulturelle Vielfalt wir verfügen. Sie hat zugleich verdeutlicht, dass es mit der Kultur­und Kreativwirtschaft neben der öffentlichen und der zivilgesellschaftlich finanzierten Kultur auch einen sehr beachtlichen privatwirtschaftlichen Bereich gibt. Zwischen diesen drei Sektoren gibt es zahlreiche wechselseitige Beziehungen. So stehen etwa Galerien in engem Bezug zu Kunstvereinen und Kunstmuseen. Ebenso gibt es enge Berührungen zwischen öffentlich finanzierten Orchestern und der Tonträgerindustrie. Auch die Kultur­- und Kreativschaffenden selbst bewegen sich häufig zwischen den Sektoren. Wirtschaftliche Bedeutung Für unsere Volkswirtschaft ist die Kultur-­und Kreativwirtschaft relevant. Ihr Umsatz liegt bei rund 131 Milliarden Euro. Die Bruttowertschöpfung der Branche ist von ihrer Größenordnung mit den großen Industriesektoren Automobil, Maschinenbau und IKT vergleichbar. Die Kultur­und Kreativwirtschaft zählt rund 237.000 Unternehmen mit mehr als 1 Million Erwerbstätigen. Der Anteil der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten liegt bei 79 Prozent.



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Der deutliche Beschäftigungszuwachs im Krisenjahr 2009 hat sehr deutlich gezeigt, dass die Kultur­- und Kreativwirtschaft flexibel und mit innovativen Konzepten auf die veränderte Nachfrage reagiert hat. Die Branche ist aber nicht nur ein wesentlicher Jobmotor. Auch im internationalen Vergleich erbringt unsere Volkswirtschaft im Bereich der Kultur­- und Kreativwirtschaft Spitzenleistungen. Sie zeichnet sich außerdem durch eine Vielzahl selbstständiger und kreativer Unternehmer aus. Die Quote der Selbstständigen ist mit 25 Prozent außergewöhnlich hoch. Kreativität ist eine wichtige Schlüsselkompetenz Die Branche ist ein Wirtschaftsfeld mit sehr vielen kreativen Menschen – mit agilen Akteuren, zu deren Berufsethos gehört, immer wieder etwas Neues zu wagen. Gerade die vielen Freiberufler und Kleinstunternehmen haben zur positiven Entwicklung der Kultur­- und Kreativwirtschaft in den vergangenen Jahren ganz erheblich beigetragen. Sie bilden den Humus für neue Produkte, Dienstleistungen und Geschäftsmodelle. Sie sind ein wesentlicher Treiber für die wirtschaftliche Dynamik der Branche. Kreativität ist für unsere wirtschaftliche Entwicklung eine wichtige Schlüsselkompetenz. Denn ohne Kreativität gäbe es keine Innovationen, und ohne Innovationen keinen wirtschaftlichen Fortschritt. Das gilt besonders für ein rohstoffarmes Land wie Deutschland. Auch andere Wirtschaftsbereiche sollten deshalb das kreative Potenzial der Kultur-­und Kreativwirtschaft noch viel stärker nutzen. Ein gutes Beispiel hierfür ist der Bereich des Designs. Viele mittelständische Unternehmen binden noch immer viel zu selten Designerinnen und Designer von Anfang an in den Entwicklungsprozess ein. Wettbewerbsfähigkeit der Branche weiter verbessern Mit ihrer Initiative Kultur­- und Kreativwirtschaft zielt die Bundesregierung darauf ab, die Wettbewerbsfähigkeit der Branche weiter zu erhöhen. Dabei arbeitet das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie eng mit dem Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien zusammen. Gemeinsam haben wir elf Hearings mit den Teilmärkten der Kultur-­und Kreativwirtschaft durchgeführt. Dieser Dialog ist sehr positiv aufgenommen worden. Wir verfügen nunmehr über einen guten Überblick über die Strukturen, Herausforderungen, Entwicklungslinien und Anforderungen der Teilmärkte sowie der Kultur-­und Kreativwirtschaft insgesamt.

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Die Fortführung und der Ausbau der Initiative sind für uns in der laufenden Legislaturperiode ein wichtiger Schwerpunkt. Wir wollen die Akteure der Branche noch stärker auch an die Instrumente der Wirtschaftsförderung heranführen. Dabei liegen mir als Wirtschaftsminister gerade die Belange der Selbstständigen und Kleinunternehmen besonders am Herzen. Kompetenzzentrum Kultur­- und Kreativwirtschaft Mit dem Kompetenzzentrum Kultur­ und Kreativwirtschaft, das wir beim Rationalisierungs- und Innovationszentrum der deutschen Wirtschaft (RKW) in Eschborn angesiedelt haben, gibt es für den Wirtschaftszweig erstmals auf Bundesebene eine eigene Plattform für Information, Beratung und Vernetzung. Das RKW verfügt über vielfältige Kompetenzen und Erfahrungen im Bereich des Mittelstandes. Diese wollen wir auch für die Kultur­- und Kreativwirtschaft nutzbar machen. Das Kompetenzzentrum hilft dabei, die Kultur-­ und Kreativwirtschaft als Wirtschaftszweig und als wichtige Säule der zunehmend wissensbasierten Volkswirtschaft zu stärken. Auch wirkt es als Mittler zwischen den kreativ Tätigen mit ihren besonderen Bedürfnissen und den wirtschaftspolitischen Entscheidungsträgern. Der Aufgabenbereich des Kompetenzzentrums umfasst insgesamt fünf Aktionsfelder: die Verankerung der Kultur­und Kreativwirtschaft als eigenständiges Wirtschaftsfeld in der Öffentlichkeit, die Verbesserung des Zugangs zu bestehenden Fördermaßnahmen, die Fortentwicklung von Professionalisierung und Weiterbildung, die Optimierung der Marktchancen für Kulturschaffende und Kreative sowie die Erschließung des Zugangs zu den internationalen Märkten. Beratung auf regionaler Ebene Ergänzend zum Kompetenzzentrum haben wir außerdem in enger Abstimmung mit den Ländern acht Regionalbüros eingerichtet. Ihre vorrangige Aufgabe ist es, Unternehmern, Selbstständigen und Freiberuflern der Branche zu helfen. Schwerpunkthemen sind dabei die Klärung erster unternehmerischer Ideen und deren erfolgsorientierte Weiterentwicklung, die Vermittlung an und in bestehende Unterstützungsangebote – insbesondere der Wirtschaftsförderung – sowie der Erfahrungsaustausch und die Vernetzung mit anderen Wirtschaftsakteuren. Die regionalen Ansprechpartner führen ihre Orientierungsberatungen und Sprechtage an mehr als 70 Orten quer durch die gesamte Republik durch. Unser erstes Fazit zu unseren Regionalbüros nach einem Jahr fällt durchweg positiv aus: Das regionale



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Angebot des Kompetenzzentrums wird bundesweit aktiv angenommen – und dies sowohl in kleineren Städten als auch in Ballungsräumen. So haben die regionalen Ansprechpartner innerhalb eines Jahres rund 2.700 Einzelberatungen und zusätzlich 74 eigene Netzwerkveranstaltungen durchgeführt. Rund die Hälfte der Anfragen nach Orientierungsberatungen kommt von bestehenden Unternehmen oder Freiberuflern. Die andere Hälfte sind Gründerinnen, Gründer oder junge Unternehmen in der Aufbauphase. Gründungspotenziale aktivieren Die Gründerinnen und Gründer im Bereich der Kultur-­und Kreativwirtschaft sind uns bei all unseren Aktivitäten besonders wichtig. Mit unserem Internetauftritt www.kultur­ kreativ-­wirtschaft.de bieten wir ihnen praxisorientierte Hilfe. Erstmalig haben wir im vergangenen Jahr außerdem ein neues Format der Gründer­und Beratungsförderung für junge Kreative durchgeführt, den Wettbewerb „Kultur­- und Kreativpiloten Deutschland“. Mit ihm wollen wir die erheblichen Gründungs­- und Wachstumspotenziale der Kultur­- und Kreativwirtschaft noch besser aktivieren. Bereits beim ersten Wettbewerb haben sich schon mehr als 750 Selbstständige, Freiberufler und Kleinunternehmer aus ganz Deutschland beworben. Das ist ein großer Erfolg. Er zeigt, dass wir mit unserem Ansatz richtigliegen. Die eingereichten Konzeptideen haben eindrucksvoll verdeutlicht, über welch großes kreatives Potenzial wir in Deutschland verfügen. Rund 100 Bewerber konnten ihre Ideen auf den Präsentationsterminen näher vorstellen. Die von den Expertenjurys ausgewählten 32 Preisträger präsentieren stellvertretend die große Bandbreite der Kultur- und Kreativwirtschaft mit ihren elf Teilmärkten. Sie zeigen außerdem, dass die Branche in ganz unterschiedlichen Regionen Deutschlands zu Hause ist. Den 32 Preisträgern helfen wir nun dabei, ihre Vorhaben in erfolgreiche Geschäftsmodelle zu überführen. So werden sie ein Jahr lang von Branchenfachleuten mit Workshops und bedarfsorientierten Coachings begleitet. Außerdem erhalten sie Zugang zu geschäftlichen Netzwerken.

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Innovationskraft nutzen Die Kultur­- und Kreativwirtschaft ist ein sehr innovativer Wirtschaftsbereich. Schon heute wird in der Branche an und mit zukunftsorientierten Arbeits­- und Geschäftsmodellen, wie zum Beispiel hybriden Arbeitsformen, gearbeitet. Fast alle Unternehmen der Kultur­- und Kreativwirtschaft nutzen dabei moderne Technologien, allen voran Informations­- und Kommunikationstechnologien (IKT). Sie sind dabei nicht nur passive Technologienutzer, sondern geben den Technologieherstellern und -­entwicklern immer wieder auch bedeutsame Anstöße für neue Technologieentwicklungen. Der Einsatz der neuen Technologien spielt bei der Produktion der Produkte und Dienstleistungen der Kultur­- und Kreativwirtschaft eine gewichtige Rolle. Auch bei der Vermarktung von Leistungen der Kultur­- und Kreativschaffenden haben webbasierte Strategien und Lösungen eine herausragende Bedeutung. Für viele Startups im Bereich der Kultur­- und Kreativwirtschaft bietet daher auch unser „Gründerwettbewerb IKT innovativ“ eine gute Chance. Der Wettbewerb ist offen für alle innovativen Geschäftsideen, die auf den Einsatz und die Anwendung von modernen Informations­- und Kommunikationstechnologien ausgerichtet sind und zu neuartigen Produkten und Dienstleistungen führen. Wie beim Wettbewerb „Kultur­und Kreativpiloten Deutschland“ zeigt sich auch hier, dass der Mut für den Weg in die Selbstständigkeit zunimmt und nicht nur etablierte Unternehmen vom wirtschaftlichen Aufschwung profitieren können. Wir müssen uns nun anstrengen, damit die Gründungsdynamik dauerhaft auf hohem Niveau verbleibt und Deutschland im internationalen Vergleich weiter zulegen kann. Junge kreative Unternehmen sind besonders wichtig, um Innovationen und die wirtschaftliche Erneuerung weiter voranzubringen. Mit der Initiative Gründerland Deutschland trägt die Bundesregierung dazu bei, Menschen für die Themen „Unternehmergeist“ und „Selbstständigkeit“ zu sensibilisieren. Der Wettbewerb „Kultur-­und Kreativpiloten Deutschland“ und der „Gründerwettbewerb IKT innovativ“ sind wichtige Elemente dieser Initiative, um die Zahl der Unternehmensgründungen in den zukunftsträchtigen Bereichen Kultur­- und Kreativwirtschaft und IKT weiter zu steigern.



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Potenziale im Ausland noch besser bekanntmachen Schließlich bildet die Kultur-­und Kreativwirtschaft einen wichtigen Schwerpunkt unserer Außenwirtschaftsoffensive. Wir wollen den Export kultureller und kreativer Produkte und Dienstleistungen weiter steigern. Wir wollen die Potenziale der deutschen Kultur-­und Kreativwirtschaft im Ausland noch besser bekanntmachen. Und zwar nicht nur theoretisch, sondern auch ganz praktisch. So werden wir bei Auslandsreisen von Wirtschaftsdelegationen stärker als bislang auch Unternehmen der Kultur­- und Kreativwirtschaft berücksichtigen. Außerdem fördern wir Messeauftritte der Branche im Ausland. So haben wir beispielsweise in diesem Jahr zum zweiten Mal den Auftritt deutscher Musikunternehmen und Musikförderer auf dem internationalen Branchentreff South by Southwest in Austin/Texas unterstützt. Das Musikfestival zählt mit jährlich 16.400 Fachbesuchern zu den wichtigsten Plattformen für Newcomer. Außerdem präsentiert sich Deutschland im Jahr 2011 als Land des innovativen Designs und der attraktiven Marken auf der „Business of Design Week“ in Hongkong unter dem Motto „Brand New Germany“. Für deutsche designorientierte Unternehmen bietet die „Business of Design Week“ eine ausgezeichnete Chance, ihre Produkte und Dienstleistungen im asiatischen Raum zu präsentieren – einem wichtigen Wachstumsmarkt für die deutsche Exportwirtschaft. Kurzum: Wir tun viel, um die Rahmenbedingungen für Kultur-­und Kreativschaffende in Deutschland zu verbessern. Dieses Engagement werden wir fortsetzen – denn davon profitiert unser ganzes Land. Wir wollen neue kreative Talente entdecken, neue Geschäftsmodelle entwickeln und umsetzen und für mehr Unternehmergeist werben. Wir brauchen in Deutschland mehr Menschen, die mit Mut und kreativen Ideen den Schritt in die Selbstständigkeit wagen.

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Bernd Neumann MdB Kultur- und Kreativwirtschaft als großes Innovationspotenzial für unsere Gesellschaft Der unkundige Thebaner könnte fragen, warum nur gerade der Kulturstaatsminister Mitglied des Kuratoriums des Rationalisierungs- und Innovationszentrums der Deutschen Wirtschaft geworden ist. Und in der Tat: Vor zehn und mehr Jahren waren sich die Bereiche Kultur und Wirtschaft einigermaßen fremd. Das eine waren mehr die schönen Künste, die nur Geld kosten, und das andere war die Wirtschaft, die für Steuereinnahmen und Arbeitsplätze sorgte. Für Künstler war es größtenteils verpönt, mit Wirtschaft und Kommerzialisierung in Verbindung gebracht zu werden. Das hat sich mittlerweile gründlich geändert. Hierzu hat die Initiative Kultur- und Kreativwirtschaft, die wir gemeinsam – das heißt das Bundeswirtschaftsministerium und mein Haus – 2007 initiiert haben, entscheidend beigetragen. Es ist mittlerweile unstrittig, dass die Kultur- und Kreativwirtschaft eine bedeutende Wachstumsbranche ist. Wir brauchen eine lebendige, aktive und expansionsfreudige Kulturund Kreativwirtschaft jedoch nicht nur als Job-Motor. Wir brauchen sie vor allem auch wegen ihres großen Innovationspotenzials für unsere Gesellschaft – gerade in Zeiten, in denen die Globalisierung den internationalen Wettbewerb verschärft! Wenn wir einen Wirtschaftszweig in seiner Entwicklung unterstützen wollen – was wir ja mit der Initiative Kultur- und Kreativwirtschaft tun –, dann müssen wir uns allerdings zuerst fragen, woher seine Stärke rührt. Um bildlich zu sprechen: Es hat keinen Sinn, einen Baum an den Zweigen zu gießen, wenn man ihn stark und gesund wachsen lassen will. Dafür muss man an die Wurzeln gehen. Was also sind die Wurzeln der Kultur- und Kreativwirtschaft, die dafür sorgen, dass diese Branche gedeiht?



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Zu oft wird Innovationspolitik noch als Trias von Wissenschafts-, Technologie- und Industriepolitik verstanden. Das Innovationspotential moderner Wissensgesellschaften ist von einem weit komplexeren Bedingungsgefüge abhängig. Aus meiner Sicht sind es vor allem drei Bereiche, die dafür sorgen, dass sich die Kultur- und Kreativwirtschaft in Deutschland kräftig entwickelt: 1.

Bildung und Ausbildung

2. Die öffentliche Kulturförderung 3.

Die Verbesserung der sozialen und wirtschaftlichen Bedingungen, unter denen Künstler, Kreative und Kulturschaffende arbeiten.

Lassen Sie mich zuerst auf Bildung und Ausbildung eingehen – meines Erachtens das Fundament jedes gesellschaftlichen Fortschritts. Die Fähigkeit, innovative Produkte, Dienstleistungen und Geschäftsideen im Sektor Kulturund Kreativwirtschaft zu entwickeln, speist sich vor allem aus der Art und Weise, wie wir unsere Schüler und Studenten ausbilden. Die Begegnung mit und die Einbettung in Kunst und Kultur sind die Voraussetzung für die Entwicklung einer kreativen und selbstbestimmten Persönlichkeit. Aus diesem Grunde sind gerade auch die musischen Fächer im Schulunterricht von hoher Bedeutung. Kulturelle Bildung ist eine wesentliche Stimulanz für Kreativität. Die Förderung von Modellvorhaben der kulturellen Bildung gehört daher zu den Arbeitsschwerpunkten meines Hauses. So haben wir die Stiftung Genshagen zu einer europäischen Plattform für den Austausch über kulturelle Bildung ausgebaut. Die Kultur- und Kreativwirtschaft ist zuerst einmal auf gut ausgebildete Künstler, Designer, Architekten oder Musiker angewiesen. Menschen, die einen künstlerischen oder kulturellen Beruf ergreifen wollen, brauchen allerdings auch einen Grundstock unternehmerischen Wissens. Die Zusammenarbeit von Hochschulen mit Unternehmen der Kultur- und Kreativwirtschaft ist von hoher Bedeutung für diese Branche.

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In diesem Zusammenhang denke ich auch an meine Heimatstadt Bremen, wo die Kultur- und Kreativwirtschaft erfolgreich genutzt wird, um gezielte stadtentwicklungspolitische Impulse zu geben. Dies kann man beispielhaft in der Bremer Überseestadt sehen, wo sich kreative Unternehmen ansiedeln und einen wichtigen Beitrag zur Entwicklung dieses alten Hafengebietes leisten. Auch in dieser kulturwirtschaftlichen Erfolgsgeschichte spielt die Nähe zur Bremer Kunsthochschule eine entscheidende Rolle. Ich bin aber überzeugt, dass die Verbindung zwischen dem Kulturbereich, den Hochschulen und der Wirtschaft weiter steigerungsfähig ist. Dabei geht es nicht nur um die unmittelbare Verwertung von Kenntnissen und Ideen. Künstlerisch-kulturelle Inspiration fördert auch in sogenannten „kulturfernen“ Berufen die Kreativität, aus der zum Beispiel der Ingenieur die Kraft für neue Ideen schöpfen kann. Und hier setzt mein zweiter Punkt an: die öffentliche Förderung von Kultur. Natürlich sind Kunst und Kultur in erster Linie Selbstzweck. Unsere Gesellschaft kann auf ihre Anstöße nicht verzichten, will sie lebendig und innovativ bleiben. Und deshalb ist die öffentliche Förderung von Kultur unverzichtbar. 8,1 Milliarden Euro jährlich geben Bund, Länder und Gemeinden insgesamt aus. Das Verhältnis von öffentlicher zu privater Förderung von Kunst und Kultur beträgt in Deutschland 90 zu 10. In den USA ist dieses Zahlenverhältnis umgekehrt. Einrichtungen wie Museen, Theater, Opern- und Konzerthäuser sind ohne öffentliche Förderung – mit wenigen Ausnahmen – nicht existenzfähig. Aber nur durch diese öffentlich geförderten Angebote genießen unsere Städte und Regionen hohe Attraktivität. Nehmen wir als Beispiel nur Berlin. Täglich kann man in der Presse neue Meldungen zu Verlagen, Produktionsfirmen, Galerien und anderen Kreativbranchen lesen, die sich in Berlin ansiedeln. Go east – das scheint das Motto zu sein. Das liegt am stimulierenden kulturellen Klima der Stadt. Der Bund ist daran in hohem Maß beteiligt. Hier in Berlin gibt mein Haus für die Förderung von Kunst und Kultur so viel Geld aus wie der Berliner Senat selbst. Von der Museumsinsel bis zu den Berliner Festspielen, vom Erhalt des baulichen Erbes Preußens bis zu zeitgenössischem Tanz- und Musiktheater reicht das Förderspektrum. Es ist dieses großartige Kulturangebot, das Berlin in Deutschland so lebendig und attraktiv macht. Hier in Berlin und dem Umland spüren wir zudem massiv die Erfolge der – im engeren Sinne – kulturwirtschaftlichen Förderung meines Hauses. Der Deutsche Film Förderfonds (DFFF)



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beispielsweise ist ein unbestrittenes, national wie international anerkanntes Erfolgsmodell. Er hat dafür gesorgt, dass Berlin und Potsdam-Babelsberg zu einer der produktivsten Filmregionen Deutschlands geworden sind – und das innerhalb kürzester Zeit. Darüber hinaus hat „Film made in Germany“ wieder einen hervorragenden Ruf, auch was die Bereiche Produktion und Technik angeht. Das Beispiel des DFFF zeigt, dass gezielte Förderung einer kulturwirtschaftlichen Branche einen immensen Mehrwert erbringt, und das nicht nur im wirtschaftlichen Sinn, sondern auch in Hinblick auf das Ansehen unseres Landes! Kultur ist mittlerweile kein weicher, sondern ein harter Standortfaktor. Ganz augenfällig ist das beim Tourismus, dessen Florieren mittlerweile ganz unmittelbar mit dem kulturellen Angebot zusammenhängt. Das kulturelle Umfeld ist aber vor allem auch ein wesentliches Argument bei der Unternehmensansiedlung. Kultur ist kein „nice to have“ mehr, sondern entscheidet heute ganz zentral über das Gedeihen von ganzen Regionen. Insbesondere Unternehmen der Kultur- und Kreativwirtschaft zieht es an Orte mit inspirierendem „Flair“, die ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern eine besondere kulturelle Infrastruktur bieten. In einer kürzlich erschienenen Studie des Jenaer Max-Planck-Instituts für Ökonomik wurde erneut nachgewiesen, wie wichtig kulturelle Angebote für die wirtschaftliche Entwicklung von Städten und Regionen sind. Kurzfristig orientiertes Sparen an der Kultur kann langfristig wichtige Wachstumspotenziale zerstören. Das dürfen wir nicht zulassen! Meine Damen und Herren, das Tandem aus Kultur- und Wirtschaftspolitik sorgt für eine nachhaltige Stärkung der Kulturwirtschaft. Es ist ein Tandem, in dem beide kräftig mittreten müssen, will man schnell und sicher ans Ziel gelangen. Dabei dürfen Kunst und Kultur jedoch nicht auf eine dienende Funktion reduziert werden. Nur wenn wir den Eigensinn von Kunst und Kultur respektieren, wenn wir Künstlern und Kulturschaffenden die Freiheit lassen, die sie für ihre kreative Arbeit brauchen, nur dann können Kunst und Kultur ihre innovative Kraft voll entfalten. Und damit bin ich beim dritten und letzen Punkt angelangt: den Arbeitsbedingungen von Künstlern und Kreativen.

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Bei der Förderung der Kultur- und Kreativwirtschaft darf sich die Politik nicht nur an eindrucksvollen wirtschaftlichen Kennzahlen orientieren. Will sie erfolgreich sein, muss sie darauf achten, die Bedingungen für Künstler und Kulturschaffende, für kreatives Arbeiten in Deutschland generell zu verbessern. Denn den künstlerischen und kulturellen Kern der Kultur- und Kreativwirtschaft bilden Musiker und Filmemacher, Medienleute, kreative Programmierer und Schauspieler, Künstler und Autoren. Diese Menschen schaffen kulturelle Vielfalt, und sie stehen zugleich für die Innovationskraft einer modernen Volkswirtschaft. Daher setze ich mich immer wieder vehement für deren Rechte und deren soziale Sicherung ein – sei es beim Urheberrecht, beim Arbeitslosegeld I oder bei der Stärkung der Künstlersozialkasse. Ich bin davon überzeugt, dass eine angemessene Bezahlung kultureller Leistungen, Urheberrecht, soziale Absicherung und vernünftige Arbeitsbedingungen wichtige Voraussetzungen für künstlerische Qualität und Kreativität sind. Ende 2007 hatte ich mich gemeinsam mit dem Bundeswirtschaftsminister Glos dazu entschlossen, die Initiative Kultur- und Kreativwirtschaft zu starten. Eine nachhaltige Politik für diese Branche ist nur möglich, wenn Kultur und Wirtschaft auch in der Politik an einem Strang ziehen. Und dafür steht das in Eschborn ansässige Kompetenzzentrum Kultur- und Kreativwirtschaft des Bundes, das vom RKW betrieben wird. Das Kompetenzzentrum ist mit seinen acht Regionalbüros, welche mit ihren Beraterinnen und Beratern alle Bundesländer abdecken, ein wichtiger Baustein. Hier wird Künstlern und Kulturschaffenden vor Ort, individuell und konkret geholfen, sich erfolgreich am Markt zu platzieren. Dazu gehört es zum Beispiel, ihnen den Zugang zu öffentlichen Fördermitteln zu ermöglichen. Mit dem Kompetenzzentrum bauen wir keine Doppelstrukturen zu den vorhandenen Einrichtungen in den Ländern auf, sondern ergänzen und unterstützen diese. Die Kooperation mit den Industrieund Handelskammern läuft inzwischen ebenso ausgezeichnet wie die Zusammenarbeit mit den für Kulturwirtschaft zuständigen Ministerien und kommunalen Einrichtungen vor Ort. Garant des Erfolges ist vor allem auch das Know-how des RKW. Hier wirken Wirtschaft, Politik und Gewerkschaften als Träger in einer guten Tradition zusammen. Wir brauchen einen solchen Schulterschluss, wenn wir Deutschland auch in Zukunft weiter voranbringen wollen.



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Michael Glos MdB Eine Idee setzt sich durch: Die Initiative Kultur- und Kreativwirtschaft der Bundesregierung – seit Mai 2008 im Dienste der Kulturschaffenden Die Kultur- und Kreativwirtschaft ist eine vielfältige Branche. Danach gefragt, fallen jedem Interessierten spontan die verschiedensten Berufe ein: Maler, Bildhauer, Musiker, Filmemacher, Architekt, Publizist, Autor, Designer und viele mehr. Sie arbeiten als abhängig beschäftigte oder freiberuflich tätige Künstler und Kulturschaffende, nicht wenige sind kleinste und kleine Unternehmer wie Galeristen und Agenten, oder sie führen mittelständische Unternehmen wie Musik- oder Filmproduzenten, stehen Verlagen vor oder sind beispielsweise Hersteller von Computerspielen. Sie alle sind verantwortlich für viele bedeutende kulturelle und kreative Produkte in großer Vielfalt. Und dies alles führte letztendlich auch dazu, dass die Kultur- und Kreativwirtschaft in Deutschland zu einem Wirtschaftsbereich wurde, der maßgeblich zur deutschen Bruttowertschöpfung beiträgt. Eindrucksvoll wurde dies im Jahr 2007 durch den Abschlussbericht der Enquete-Kommission des Bundestages „Kultur in Deutschland“ dokumentiert.¹ Experten gehen von einer weiterhin positiven Wirtschaftsentwicklung für die Kultur- und Kreativwirtschaft aus. Insbesondere der Einsatz der neuen digitalen Technologien dürfte dabei als wesentlicher Treiber für weiteres Wachstum und Innovationen wirken. Die Kulturund Kreativwirtschaft wird daher auch weiterhin zu den wichtigen deutschen Wirtschaftsbranchen Deutschlands zählen. Trotz der insgesamt erfolgreichen Entwicklung steht aber auch die Kultur- und Kreativwirtschaft vor besonderen Herausforderungen: Man denke nur an die Digitalisierung und die Globalisierung. Um aber gerade die Wettbewerbsfähigkeit dieser Branche zu stärken und zu steigern, hat das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie im Jahr 2007 erkannt, dass hier politische Unterstützung sinnvoll und förderlich ist, und daher 2008 eine Initiative entwickelt, die im Mai 2008 an den Start ging.

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Koordiniert wird die Initiative Kultur- und Kreativwirtschaft vom Bundeswirtschaftsministerium und vom Beauftragten für Kultur und Medien. Beteiligt sind außerdem unter anderem das Auswärtige Amt, das Bundesministerium für Justiz, das Bundesministerium der Finanzen, das Bundesministerium für Arbeit und Soziales sowie das Bundesministerium für Bildung und Forschung. Die Zusammenarbeit der Ministerien soll gewährleisten, dass sich die Zuständigkeiten einzelner Ressorts – zum Beispiel für Urheberrecht, Steuern oder soziale Sicherung – im Sinne der gemeinsamen Sache verbinden. Die Umsetzung der Initiative wird von den Bundesländern, den Verbänden und zahlreichen einzelnen Akteuren unterstützt. „Ohne Geld ist die Kultur nichts, ohne Kultur ist das Geld nichts.“² Und die Dichterin Bettina von Arnim hat einst formuliert: „Kunst ist ein schönes Spielwerk, um den unruhigen, ewig begehrenden Menschengeist auf sich selbst zurückzuführen, um ihn denken zu lehren und zu sehen.“³ Diese Worte haben auch heute nichts von ihrer Gültigkeit eingebüßt. Heute gilt genauso wie zu den Zeiten der Romantik, dass unser Leben ohne Kunst und Kultur viel ärmer wäre. Doch Kunst und Kultur sind mehr: Mit ihnen lassen sich auch neue Markt- und Wachstumschancen erschließen. Und es wäre deshalb mehr als fahrlässig gewesen, wenn die deutsche Wirtschaftspolitik diesen für die Zukunftsfähigkeit des Landes so wichtigen Bereich außer Acht gelassen hätte. Dieser Ansatz darf aber nicht mit einer Kommerzialisierung allen kulturellen Schaffens verwechselt werden. Im Gegenteil, es geht vielmehr nur um eine Ergänzung. Die Kulturpolitik hat eine wichtige Aufgabe im Bereich der öffentlich geförderten Kultur. Diese steht vielfach in einer engen Beziehung zur erwerbswirtschaftlich geprägten Kultur. Und dass die Kultur- und Kreativwirtschaft volkswirtschaftlich maßgeblich zur Bruttowertschöpfung beiträgt, hat der bereits erwähnte Abschlussbericht der Enquete-Kommission eindrucksvoll dargelegt. Wegen dieser großen Bedeutung der Kultur- und Kreativwirtschaft und ihrer Teilbranchen haben Bundesregierungen gezielt gehandelt und sich bereits in der Vergangenheit mit vielfältigen Aktivitäten und Maßnahmen engagiert. Erfolgreiche Beispiele sind hierfür der Deutsche Wirtschaftsfilmpreis, der Deutsche Filmförderfonds, die Initiative Musik und der Designpreis.



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Mit der im Oktober 2007 angekündigten Initiative Kultur- und Kreativwirtschaft, die ich zusammen mit Staatsminister Neumann angestoßen habe⁴, zielte die damalige Bundesregierung in Anlehnung an die Arbeiten der Enquete-Kommission darauf ab, die wirtschaftliche Bedeutung der Branche noch stärker als bisher in die Öffentlichkeit zu tragen und ihr wirtschafts- und beschäftigungspolitisch die gleiche Anerkennung zu geben, wie sie den etablierten Wirtschaftszweigen zuteilwird. Aufgabe der von Staatsminister Neumann und mir angeregten Initiative sollte es daher sein, zum einen in dieser sich sehr dynamisch entwickelnden Branche marktaktuelle Kenntnisse über die wirtschaftlichen Potenziale, Herausforderungen und Entwicklungslinien des Bereichs insgesamt sowie ihrer Teilbranchen zu sammeln. Als ihre wichtigste Aufgabe wurde von Beginn der Überlegungen an jedoch festgelegt, dass sie der Kultur- und Kreativwirtschaft konkrete Hilfestellungen dort zu geben habe, wo es notwendig und sinnvoll ist. Doch uns war klar, der öffentlich geförderte Kulturbereich dürfe dabei nicht außer Acht gelassen werden. Im Mittelpunkt der neuen Initiative sollten daher jene kreativen und innovativen Unternehmen stehen, die mit neuen Ideen zusätzliche Arbeitsplätze schaffen. Ziel der Initiative war es folglich, künftig gemeinsam mit allen Teilen der Branche bestehende Hindernisse zu identifizieren und Lösungen zur weiteren Optimierung der Rahmenbedingungen zu entwickeln. 2008 war es so weit. Vor dem Hintergrund intensiver Diskussionen auf Ebene der Länder, im Deutschen Bundestag sowie auf europäischer Ebene startete die Bundesregierung am 7. Mai 2008 die Initiative Kultur- und Kreativwirtschaft. Bei der Auftaktveranstaltung kamen rund 80 hochrangige Vertreter aus allen elf Teilmärkten der Kultur- und Kreativwirtschaft zusammen: Vertreter der Werbewirtschaft, der Rundfunkwirtschaft, der Games-Industrie , der Designwirtschaft, des Marktes für darstellende Künste, der Architektur-, des Buchmarktes, der Filmwirtschaft sowie der Presse, des Kunstmarktes und der Musikwirtschaft trafen mit Spitzenverbänden der Wirtschaft und übergreifenden Kulturinstitutionen zusammen, um einen nachhaltigen Dialog zur wirtschaftlichen Entwicklung dieses wichtigen Wirtschaftssektors zu beginnen. Ein Dialog, der bis heute anhält.

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Als Leitsätze beziehungsweise Leitlinien der Initiative Kultur- und Kreativwirtschaft galten dabei von Anfang an folgende:⁵ 1.

Die Kultur- und Kreativwirtschaft gehört in den Gesamtfokus moderner Wirtschaftspolitik. Sie ist ein eigenständiges Wirtschaftsfeld, welches dauerhaft als Wachstumsbranche zu etablieren ist.

2. Das volkswirtschaftliche Monitoring ist zu verstetigen. Auch zukünftig soll jährlich überprüft werden, wie sich die Kultur- und Kreativwirtschaft inklusive ihrer elf Teilmärkte entwickelt. 3.

Der begonnene Dialog ist fortzusetzen, insbesondere hinsichtlich der Themen, die die Branche besonders bewegen, wie beispielsweise die Themen Qualifizierung und Professionalisierung, Nachhaltigkeit und die Auswirkung der demografischen Entwicklung.

4. Die Vernetzung – auch mit den traditionellen Wirtschaftsbereichen – ist zu verbessern. 5. Die bestehenden Fördermöglichkeiten müssen besser vermittelt werden. Ein Ziel hierbei: der Aufbau eines Netzwerkes für die Akteure der Kultur- und Kreativwirtschaft; eine zu errichtende Leitstelle des Bundes soll dies unterstützen. 6. Die Förderprogramme auf Bundesebene sollen stärker für Unternehmen der Kultur- und Kreativwirtschaft geöffnet werden. 7.

Die Finanzierung der Unternehmen ist zu sichern.

8. „Created in Germany“ muss international noch besser vermarktet werden. Die Programme der Außenwirtschaftsförderung sollen noch besser für Unternehmen aus dieser Branchen nutzbar gemacht werden, so dass das Potenzial der inländischen Kultur- und Kreativwirtschaft im Ausland noch stärker als bisher wahrgenommen wird. 9. Die Künstlersozialversicherung ist zu sichern. 10. Der Schutz des geistigen Eigentums ist im digitalen Zeitalter zu wahren und fortzuentwickeln. Diese Leitsätze besitzen auch noch heute ihre Gültigkeit. Auf den Seiten des Internetauftrittes der Initiative Kultur- und Kreativwirtschaft sind sie bis heute – wenn auch etwas anders formuliert – aufgeführt.⁶ Sie haben ihre Gültigkeit nicht verloren.



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Verschiedene Veranstaltungen wurden in den vergangenen Jahren initiiert – nur eine von vielen sei beispielshaft genannt: „Design stärkt den Mittelstand“. Hier wurden anhand praktischer Beispiele 200 mittelständische Unternehmen mit den wirtschaftlichen Chancen des Einsatzes von Design vertraut gemacht. Unterschiedlichste Workshops wurden ebenso durchgeführt wie auch Branchenhearings, so etwa bei den Hearings Design- und Musikwirtschaft sowie der Märkte für darstellende und bildende Kunst. Urheberrechtskonferenzen als auch Dialoge zur Bekämpfung der Internetpiraterie ergänzten die Arbeit der Initiative. Heute kann die Initiative Kultur- und Kreativwirtschaft bereits auf über drei Jahre erfolgreicher Arbeit zurückblicken. Inzwischen konnte ein Netzwerk für die Akteure der Kultur- und Kreativwirtschaft aufgebaut werden. Ein vorläufiger Höhepunkt waren im vergangenen Jahr die Etablierung des – von Anfang der Überlegungen an gewünschten – Kompetenzzentrums sowie die Einrichtung von acht Regionalbüros. Zwei der wichtigsten Tätigkeiten aus ihren vielfältigen Aufgaben sind nun, über die Fördermöglichkeiten zu informieren und insbesondere die Gründerinnen und Gründer in der Gründungsphase zu qualifizieren. Die Aufgabe des neu geschaffenen Kompetenzzentrums des Bundes ist es ferner, zwischen den kreativ Tätigen mit ihren besonderen Bedürfnissen und den wirtschaftspolitischen Entscheidungsträgern zu vermitteln. Als Kompetenzzentrum des Bundes arbeitet es dabei deutschlandweit an fachübergreifenden Inhalten. In den Regionalbüros steht die Information und Beratung der Kulturschaffenden vor Ort im Mittelpunkt. Für Unternehmerinnen, Unternehmer und Freiberufler organisieren die Regionalbüros individuelle Angebote wie Orientierungsberatungen, Sprechtage und die regionale Vernetzung der Akteure. Dabei werden in persönlichen Einzelgesprächen und in Veranstaltungen Informationen zu passenden Förderprogrammen, Markt und Arbeitsbedingungen sowie zu kaufmännischer Professionalisierung vermittelt. Dabei wird auf eine enge Zusammenarbeit mit regionalen Dienstleistern und Wirtschaftsförderern großen Wert gelegt.⁷

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Aber auch die bereits gestarteten Aktivitäten, wie Branchenhearings und Branchengespräche, Forschungsgutachten, Wirtschaftsdialoge, wurden bis heute fortgesetzt, und sie werden in den nächsten Jahren auch weiter fortgeführt werden. Die Tatsache, dass sich in den vergangenen drei Jahren die Initiative Kultur und Kreativwirtschaft so erfolgreich entwickeln konnte, also die von Seiten des Bundes entwickelten Angebote so zahlreich und erfolgreich von vielen Kulturschaffenden angenommen werden, diese Tatsache zeigt deutlich, dass die im Jahr 2007 entwickelte und im Jahr 2008 umgesetzte Initiative die richtigen Analysen angefertigt hat und dass daraus die richtigen Zielsetzungen und Konsequenzen getroffen wurden. Ich wünsche „meinem Kind“ auch für die Zukunft ein solch erfolgreiches Weiterentwickeln und auch weiterhin den großen Zuspruch und die Akzeptanz, die es bisher erfahren durfte. Möge die Initiative Kultur- und Kreativwirtschaft weiterhin so erfolgreich wirken.



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¹

Deutscher Bundestag, 16. Wahlperiode, Drucksache 16/7000 vom 11.12.2007.

² ³

s. Rede Bundesminister Karl-Theodor Freiherr von und zu Guttenberg, Perspektive Kultur und Kreativ- wirtschaft, gehalten anlässlich der Jahreskonferenz Kultur-und Kreativwirtschaft am 16.6.2009. Bettina von Arnim, Goethes Briefwechsel mit einem Kinde, Seinem Denkmal, 3 Bde, Berlin 1835, Bd. 1, S. 68.



s. Michael Glos, Die Kultur- und Kreativwirtschaft, in: politik und kultur, Zeitung des Deutschen Kulturrates, Nr. 03/08 Mai–Juni 2008.



s. Rede Parl. Staatssekretärin BMWi Dagmar G. Wöhrl, Ein Jahr Initiative Kultur- und Kreativwirtschaft, gehalten anlässlich der Jahreskonferenz Kultur-und Kreativwirtschaft am 16.6.2009.





Sie lauten heute: www.kultur-kreativ-wirtschaft.de: ◼◼

die Kultur- und Kreativwirtschaft als eigenständiges Wirtschaftsfeld und als Wachstumsbranche zu etablieren und deren Wettbewerbsfähigkeit zu stärken.

◼◼

das volkswirtschaftliche Monitoring fortzuführen und einen jährlichen Überblick darüber zu gewinnen, wie sich die Kultur- und Kreativwirtschaft entwickelt.

◼◼

den begonnenen Dialog hinsichtlich der Strukturen, Herausforderungen, Entwicklungslinien und Bedarfe der einzelnen Teilmärkte fortzusetzen.

◼◼

die wirtschaftliche Vernetzung innerhalb der Kultur- und Kreativwirtschaft zu verbessern.

◼◼

ein Netzwerk für die Akteure der Kultur- und Kreativwirtschaft aufzubauen, um u.a. über Fördermöglichkeiten zu informieren und insbesondere die Gründerinnen und Gründer in der Gründungsphase zu qualifizieren.

◼◼

die wirtschafts- und technologiepolitischen Programme zu überprüfen und ggf. anzupassen, um vermehrt Unternehmen aus der Kultur- und Kreativwirtschaft in ihrer Entwicklung fördern zu können.

◼◼

den Zugang zu Fremdkapital insbesondere für Freiberufler sowie kleine Kulturwirtschaftsunternehmen zu erleichtern.

◼◼

den Zugang zu Programmen der Außenwirtschaftsförderung zu verbessern, um das Potenzial der inländischen Kultur- und Kreativwirtschaft im Ausland noch stärker als bisher zu präsentieren.

◼◼

die Künstlersozialversicherung zu erhalten und weiter zu stabilisieren.

◼◼

den Rahmen für digitalen Urheberschutz fortzuentwickeln, um die Balance zwischen Urhebern und Nutzern wiederherzustellen.

hierzu und zu weiteren Informationen s.: www.kultur-kreativ-wirtschaft.de

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Matthias Platzeck Kultur- und Kreativwirtschaft in Brandenburg Kreativität und Wirtschaft haben mehr nachhaltige Schnittstellen, als viele annehmen: Wer kann nicht die ein oder andere Automarke einem ganz bestimmten Sound zuordnen? Dieser wird „komponiert“ von Sounddesignern. In Potsdam beispielsweise befindet sich das Design Center einer bekannten deutschen Automarke, das sich nur mit der Frage der Ästhetik und Authentizität im Einklang mit der Funktionalität und dem Material beschäftigt. Das Logo der Landesregierung – von einem Künstler entworfen – wurde ebenso wie das Logo zu 20 Jahre Land Brandenburg von einem Berliner Kreativunternehmen konzipiert und umgesetzt. Der international renommierte Filmstandort Babelsberg mit Studio Babelsberg lebt durch Drehbuchautoren, Filmproduzenten, Schauspieler, Filmmusikkomponisten und vielen weiteren Gewerken von Kreativen. Und was wären Spielekonsolenhersteller ohne Inhaltproduzenten von Games oder ohne Softwareentwickler? Beim Designpreis des Landes Brandenburg 2010 war einer der Preisträger ein Potsdamer Gestaltungsbüro. Es hatte im Auftrag eines Brandenburgischen Medizintechnikunternehmens ein Konzept zur automatischen Unterstützung bei der Tagebuchführung für Diabetiker gestaltet. Erstmalig wurde im vergangenen Jahr ein Sonderpreis verliehen, der auch der zunehmenden Bedeutung von Design für das Handwerk in Brandenburg Rechnung trug. Es gibt noch zahlreiche andere Beispiele, die die Leistungen der Kreativen in Wirtschafts- oder Industriebereichen belegen, um Produkte marktfähig zu gestalten oder deren Nutz- und Marktwert durch ihren Input zu erhöhen. Kreativität ist auch ein wichtiger Standortfaktor. Eine ausgeprägte und vielfältige Kultur- und Kreativwirtschaft trägt zur Imageaufwertung des Landes Brandenburg bei und fördert die Wirtschaft, indem sie bei Investoren beziehungsweise Unternehmensansiedlungen als Entscheidungsfaktor herangezogen wird. Die Kultur- und Kreativwirtschaft ist eine wachsende Querschnittsbranche mit einer ausgeprägten kleinst- und kleinteiligen Unternehmensstruktur, die erst in ihrer Gesamtheit jene bedeutende Rolle als Auslöser und Träger von innovativen Leistungen spielt, die für die gesamte Wirtschaft eines Landes zukunftsweisend ist.



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Unter Kultur- und Kreativwirtschaft werden auch in Brandenburg diejenigen Kultur- und Kreativunternehmen erfasst, welche überwiegend erwerbswirtschaftlich orientiert sind und sich mit der Schaffung, Produktion, Verteilung und / oder medialen Verbreitung von kulturellen / kreativen Gütern und Dienstleistungen befassen. In der Querschnittsbranche sind sowohl selbstständige Künstler, Freiberufler oder Kleinstunternehmer aktiv als auch kleine und mittlere Unternehmen, wie beispielsweise Filmproduzenten, Games-Entwickler, aber auch Kunst- und Buchhändler, Werbeagenturen, Verlage oder Musikproduzenten. Sowohl auf Bundesebene als auch im Land Brandenburg rückte in den vergangenen Jahren diese Querschnittsbranche dank ihrem Wachstumskurs immer mehr in den Fokus der Wirtschaftspolitik. Für die Landesregierung war zunächst eine Standortbestimmung wichtig, auf deren Grundlage die Chancen und Potenziale der Kultur- und Kreativwirtschaft für Brandenburg ausgelotet werden und Rückschlüsse für die künftige Wirtschaftspolitik gezogen werden können. Mit dem ersten Bericht „Kultur- und Kreativwirtschaft in Brandenburg – Standortbestimmung und Ausblick 2008/2009“ wird der Status quo, was Märkte und Branchen, Strukturen und Wertschöpfungsketten der Kultur- und Kreativwirtschaft betrifft, wiedergegeben und zugleich werden Handlungsempfehlungen für die Politik aufgezeigt. Obwohl Brandenburg als Flächenland zwangsläufig zu den kleineren regionalen Kulturmärkten in Deutschland zählt, verfügt es mit einem Umsatz von über vier Milliarden Euro im Jahr 2008¹, rund 5.000 Unternehmen sowie knapp 23.000 sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten über beachtliche kulturwirtschaftliche Potenziale. Hier sind insbesondere die lange Tradition als Medienstandort, die gut entwickelte Wissenslandschaft und die zentrale Erreichbarkeit der kreativen Szene in der Mitte der Metropolregion als positive Kräfte zu nennen. Rechnet man zu den Erwerbstätigen neben den sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten auch die Selbstständigen, Freiberufler, die geringfügig Beschäftigten und Beschäftigten in temporären oder Nebenjobs hinzu, sind immerhin fast 50.000 Beschäftigte im Kulturund Kreativwirtschaftsbereich tätig. Als Umsatz- und Beschäftigungstreiber steht die Software- / Games-Branche an der Spitze der gesamten Kultur- und Kreativwirtschaft im Land Brandenburg.

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Auch das Verlagsgewerbe kann sich in der Hauptstadtregion sehen lassen, denn im Blickfeld mit Berlin zusammen handelt es sich um den zweitgrößten Verlagsstandort nach Hamburg bundesweit. Für die Hauptstadtregion Berlin-Brandenburg ist die Medienwirtschaft im Zusammenspiel mit der IKT-Branche aufgrund der dynamischen Entwicklung und deren zukunftsorientierten Wachstumspotentiale als Branchenkompetenzfeld definiert. Gerade während der internationalen Wirtschaftskrise hat sich gezeigt, dass diese Teilmärkte besonders wirtschaftsrelevant sind, da sie durch ihre kleinteiligen Strukturen meist nicht vom internationalen Finanzmarkt abhängig sind. Mit dem Monitoringbericht 2010 der Bundesregierung konnte diese These untermauert werden. Trotz des Umsatzrückgangs von 3,5 Prozent im Jahr 2009 ist die Kreativwirtschaft noch vergleichsweise moderat durch die Wirtschaftskrise gekommen. Im gleichen Zeitraum musste die Gesamtwirtschaft mehr als einen doppelt so starken Umsatzrückgang hinnehmen (circa 8,5 Prozent).² Die Erwerbstätigenzahlen konnten sogar einen leichten Anstieg verzeichnen. Für das Land Brandenburg existiert für diesen Zeitraum bisher noch keine statistische Auswertung. Es ist aber davon auszugehen, dass sich auch hier im Land diese Entwicklung abzeichnet. Mit kreativem Input sind sie es, die den klassischen Wirtschaftsbranchen positive Impulse geben und zu einer positiven Dynamik beitragen können. Kultur- und Kreativwirtschaft spielt eine bedeutsame Rolle als Auslöser und Träger von innovativen gesamtwirtschaftlichen Leistungen. Sowohl in der klassischen Kulturwirtschaft, wie Verlagswesen, Film, Rundfunk, Design, Musik, Kunst und Architektur, als auch in den Kreativbranchen Werbung, Software- und Games-Industrie bestehen wachsende Markterfordernisse, sind neue Geschäftsmodelle und branchenübergreifende Kooperationsformen zu entwickeln. Dafür müssen bestehende Rahmenbedingungen optimiert und neu entwickelt werden. Durch die divergierenden Strukturen dieser facettenreichen Branche werden bei der Entwicklung von Rahmenbedingungen für eine weitere Stärkung alle Beteiligten – vor allem in einem Flächenland wie Brandenburg – vor große Herausforderungen gestellt. Neben den verschiedenen materiellen Förder- und Unterstützungsinstrumentarien sind auch Infrastrukturmaßnahmen, Marktzugangshilfen, die Stabilisierung des peripheren Raumes, das Angebot



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von Kultur- und Kreativwirtschaftszentren sowie den Zugang zu Kapital zielgerichtet zu optimieren. Für die weitere Identifizierung, Bündelung und Entwicklung der Potenziale, zum Aufbau schlagkräftiger Strukturen sowie für die Einrichtung eines Kommunikationsknotenpunktes zwischen den Kreativen untereinander sowie zur Politik, zu Multiplikatoren und zur Wissenschaft soll der Ausbau von Netzwerkstrukturen befördert werden. Im Fokus dabei steht die Verknüpfung der Kreativbranchen mit anderen Wirtschaftsbranchen. Die Landesregierung hat das Ziel der Stärkung der Kultur- und Kreativwirtschaft durch den Koalitionsvertrag zum Ausdruck gebracht. Das Ministerium für Wirtschaft und Europaangelegenheiten sieht sich dabei als Hauptansprechpartner für den gewerblich orientierten Bereich der Kultur- und Kreativwirtschaft. Eine enge und abgestimmte Zusammenarbeit zu schnittstellenübergreifenden Ressorts ist dabei von Bedeutung. Ebenso betrifft dies die Zusammenarbeit mit den Teilbranchen selbst wie mit den fachlich betroffenen Institutionen des Landes – ob ILB, ZAB, LASA oder IHK. Unabdingbar ist auch eine verstärkte Zusammenarbeit mit Berlin, wie sie bereits im Medienbereich beispielhaft praktiziert wird. Anfang 2010 wurde durch die Bundesinitiative Kulturwirtschaft das Kompetenzzentrum mit acht Regionalbüros eingerichtet. Ein Regionalbüro ist für die Region Berlin und Brandenburg zuständig. Durch die enge Zusammenarbeit mit dem regionalen Ansprechpartner des Bundes, mit dem Ministerium für Wirtschaft und Europaangelegenheiten ergeben sich effektive Synergien, die für eine Weiterentwicklung der Rahmenbedingungen der Brandenburger Kreativwirtschaft genutzt werden. Eine künftige Unterstützung aller Akteure muss vor allem dazu beitragen, die Wertschöpfung und die Kooperationsbereitschaft zu erhöhen beziehungsweise die Innovationsdynamik der Branche stärker entfalten zu können.

¹

Auswertung der Berliner Senatsverwaltung für Wirtschaft, Technologie und Frauen im Jahr 2010 auf der Datenbasis 2008.

²

Monitoring zu ausgewählten wirtschaftlichen Eckdaten der Kultur- und Kreativwirtschaft 2009, BMWi (Hrsg) 2010.

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Christine Scheel MdB Frauen in der Kultur- und Kreativwirtschaft Die Kultur- und Kreativwirtschaft lebt von ihrer Vielfalt. Bund und Länder orientieren sich bei der Definition dieser Branche an den Ergebnissen der Enquete-Kommission „Kultur in Deutschland“. Danach gibt es in der Branche elf Teilmärkte. Bedeutung der Kultur- und Kreativwirtschaft Die Kultur- und Kreativwirtschaft ist in der Größenordnung vergleichbar mit der Automobilindustrie, dem Maschinenbau und der Informations- und Kommunikationstechnologie. Die Kultur- und Kreativwirtschaft überholt mit rund 3 Prozent den Anteil der Beschäftigten in der Finanzwirtschaft und ist nach der Automobilindustrie der zweitstärkste Beschäftigungssektor geworden.¹ Die Kultur- und Kreativwirtschaft ist eine rasch wachsende Branche, die Beschäftigungsund Einkommenszuwächse verspricht. Einige großstädtische Standortregionen wie zum Beispiel Berlin, München, Köln oder Hamburg haben bereits große Wachstumspotenziale im Bereich der Kultur- und Kreativwirtschaft gehoben. „Die Nachfrage nach Kultur und nach kreativen Produkten nimmt weltweit schneller zu als die Gesamtnachfrage. Bei den Produkten handelt es sich um kulturelle Güter und Darbietung im engeren Sinn (Bücher, Musik, Architektur, Presse, Design etc.), aber auch um Werbung und Software.“² Vieles hat sich aus der Informatikrevolution heraus entwickelt (zum Beispiel Entwerfen von Computerspielen, Klingeltöne, Nutzung digitaler Vertriebsnetzwerke). Selbstständige Künstler und Künstlerinnen „Ohne die Werke und Leistungen der Schriftsteller, Komponisten, Musiker, Bühnenkünstler, Filmemacher, bildenden Künstler gäbe es keine Kultur- und Kreativwirtschaft. Sie sind Urheber, Originärproduzenten oder Dienstleister, ohne die keine Filmfirma, kein Musikkonzern, kein Buchverlag und ebenso kein Galerist etwas zu verwerten und zu verbreiten hätte.“³



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Die selbstständigen Künstler und Künstlerinnen sind die eigentlichen Kreativkräfte, die die vielfältigen Produkte hervorbringen, die auch unter Nutzung neuer Technologien, durch Digitalisierung und durch das Internet entstehen und vertrieben werden. Viele Künstler schließen sich zu Netzwerken zusammen, um ein gemeinsames Produkt hervorzubringen (auf die Bühne, in die Kinos zu bringen). Produktionsfirmen müssen schwierige Finanzierungsfragen lösen. Beispielsweise ist für die Filmproduktion die Einsammlung von Risikokapital erforderlich. Zu den Teilmärkten mit einer starken wirtschaftlichen Stellung der Großunternehmen zählen die Rundfunk- und Fernsehwirtschaft sowie der Buch- und der Pressemarkt. Für viele Medienberufe wie Journalisten, Schauspieler, Künstler, Kameraleute ist der Zugang zu diesen Großunternehmen oder der Auftrag von diesen Großunternehmen der Schlüssel für den eigenen wirtschaftlichen Erfolg oder Misserfolg. Hohe Gagen und kleine Verdienste können sich im Bereich der Kultur- und Kreativwirtschaft schnell abwechseln. Von Kleinstunternehmen bestimmt sind die Märkte für darstellende Künste, die Designwirtschaft, sowie der Architekturmarkt. Viele arbeiten als Einpersonenunternehmen oder Freiberufler und haben im Schnitt einen Jahresumsatz zwischen 100.000 und 200.000 Euro.

Frauen in der Kultur – und Kreativwirtschaft In der Kultur- und Kreativwirtschaft ist ein überdurchschnittlicher Anteil von weiblichen Erwerbspersonen tätig. Die Frauen sind in fast allen Teilmärkten der Kultur- und Kreativwirtschaft stärker vertreten als Männer. Nur in der Software- und Gamesindustrie ist dies nicht der Fall. Hier ist nur ein Viertel der Arbeitsplätze mit Frauen besetzt. Unter der Gruppe der Selbstständigen liegt der Frauenanteil zwischen 40 und 44 Prozent.⁴ Dies ist ein hoher Frauenanteil im Vergleich zur Gesamtwirtschaft.

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Tabelle: Kennzahlen zur Kultur- und Kreativwirtschaft 2008⁵:

Absolut in 2008

Anteil an Gesamtwirtschaft 2008

Veränderung gegenüber Vorjahr in 2008

Unternehmen in Tsd.

238,3

7,4%

4,3%

Umsatz in Mrd. Euro

131,7

2,5%

1,8%

Erwerbstätige in Tsd.

1.001,7

3,3%

3,4%

Sozialversicherungspfl. Beschäftigte in Tsd.

763,4

2,8%

3,1%

Bruttowertschöpfung in Mrd. Euro

238,3

238,3

238,3

Die Kultur- und Kreativwirtschaft ist sehr heterogen strukturiert. Sie gliedert sich in viele Teilmärkte, und die Unternehmen – betrachtet nach ihrer Größenklasse – sind sehr unterschiedlich auf dem jeweiligen Markt präsent. Die Förderkulisse von Bund, Ländern und Kommunen wird bisher diesen heterogenen Strukturen in der Kultur- und Kreativwirtschaft nicht gerecht. Im Forschungsbericht des BMWi zur Kultur- und Kreativwirtschaft heißt es: „Trotz zahlreicher finanzieller Förderangebote ist festzuhalten, dass der spezifische Finanzierungsbedarf für Unternehmen der Kultur- und Kreativwirtschaft durch die Bundesprogramme nicht vollständig gedeckt wird. So existieren bislang auf Bundesebene keine Fördermodelle, die eine an die Kultur- und Kreativwirtschaft angepasste projektorientierte Finanzierung oder Zwischenfinanzierung ermöglichen. Die Entwicklung des volkwirtschaftlichen Potenzials der Kultur- und Kreativwirtschaft wird daher oftmals durch fehlende Innovations- und Wachstumsfinanzierung beeinträchtigt.“⁶



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Vielen Banken, aber auch der Wirtschaftsförderung von Bund, Ländern und Kommunen, fällt es schwer, die Geschäftsideen, die geplanten Investitionen von Unternehmen der Kultur- und Kreativwirtschaft realistisch zu bewerten. Diese Tatsache behindert beziehungsweise verhindert eine mögliche effektive Förderung mit an sich vorhandenen Förderinstrumenten. Häufig ist es aber auch so, dass die Vorstellung von Innovationen in etablierten Förderrichtlinien der Programme mit den Projektvorstellungen der kreativen Unternehmen nicht in Übereinstimmung zu bringen sind. Deswegen müssen spezifische, auf die Kultur- und Kreativwirtschaft bezogene Unterstützungsmöglichkeiten entwickelt werden. Es muss eine Vermittlung zwischen den kreativen Unternehmen und den verschiedenen fördernden Institutionen erfolgen, um eine besser abgestimmte Förderung der Kultur- und Kreativwirtschaft zu erreichen. Die vorhandenen Förderprogramme müssen ihre Förderrichtlinien für die Kultur- und Kreativwirtschaft öffnen. Für Banken und Wirtschaftsförderer müssen Bewertungsmaßstäbe in der Kommunikation mit der Kultur- und Kreativwirtschaft entwickelt und bereitgestellt werden. Mikrokreditfonds und KfW-Gründerkredit Viele Kleinstunternehmen in der Kultur- und Kreativwirtschaft benötigen überschaubares Startkapital. Es ist deshalb gut, dass es in Deutschland bereits einen Mikrokreditfonds gibt. Der Mikrokreditfonds Deutschland ist mit einem Volumen von 100 Millionen Euro ausgestattet. Knapp 60 Millionen Euro stammen aus dem Europäischen Sozialfonds, etwas mehr als 40 Millionen Euro kommen aus dem Haushalt des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS).⁷ Kleinkredite aus dem Mikrokreditfonds Deutschland werden von der GLS Bank vergeben. Wer einen solchen Kredit erhalten möchte, muss sich dafür an eines der derzeit zwölf Mikrofinanzinstitute wenden. Dabei handelt es sich um Partnerorganisationen des Fonds: zum Beispiel Gründungszentren oder Unternehmensberatungen wie etwa die Gründungs- und Unternehmensberatung IQ Consult aus Berlin, die auf Gründungen der Kultur- und Kreativwirtschaft spezialisiert ist (weitere Infos unter www. mikrokreditfonds.de). Grundsätzlich kann sich jeder Gründer an die KfW-Bank wenden und um einen KfW-Gründerkredit bemühen. Antragsberechtigt sind Existenzgründer, Freiberufler sowie kleine und mittlere Unternehmen in den ersten drei Jahren nach Geschäftsaufnahme.⁸

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Gründungszuschuss durch Bundesagentur für Arbeit gefährdet Bislang haben Arbeitslosengeld-I-Bezieher, die ein geprüftes Gründungskonzept vorweisen, Anspruch auf finanzielle Förderung durch die Bundesagentur für Arbeit in der ersten Phase ihrer Selbstständigkeit. Sie erhalten neun Monate lang monatlich eine Unterstützung in Höhe ihres Arbeitslosengeldanspruchs sowie 300 Euro als Sozialversicherungspauschale. Zukünftig soll dieser Zuschuss nur noch im Ermessen der Bundesagentur für Arbeit gewährt werden. Außerdem sollen sowohl die Förderdauer als auch Förderhöhe sinken. 2010 gab die Bundesagentur für Arbeit dafür rund 1,8 Milliarden Euro aus. Nächstes Jahr soll er nur noch ein Viertel dieser Summe kosten.⁹ Dabei hat sich gerade dieser Existenzgründerzuschuss laut einer IAB-Studie bewährt. 2010 haben sich 146.500 Gründer mit Hilfe dieses Anspruchs gegenüber der Bundesagentur für Arbeit selbst eine Existenzgrundlage geschaffen.¹⁰ Viele Unternehmensgründungen davon entfallen sicherlich auf die Branche der Kultur- und Kreativwirtschaft. Es ist geradezu absurd, dieses kreative Förderinstrument unattraktiv auszugestalten und damit so gut wie abzuschaffen. Soziale Sicherheit für Solo-Selbstständige in der Kultur- und Kreativwirtschaft Viele Menschen, die in der Kultur- und Kreativwirtschaft erwerbstätig sind, arbeiten als Selbstständige. Ihre Einkommen haben relativ häufig ein prekäres Niveau. Deshalb ist es für viele Selbstständige mit geringen Einkünften schwierig, Beiträge für ihre soziale Absicherung zu finanzieren. Es ist deshalb fatal, dass die Bundesregierung die Mindestbeiträge für Selbstständige in der gesetzlichen Krankenversicherung erhöht hat. Ich halte es deshalb für notwendig, die meines Erachtens überhöhten Mindestbeiträge für Selbstständige in der gesetzlichen Krankenversicherung im Rahmen einer Bürgerversicherung wieder abzuschaffen. Außerdem halte ich es für erstrebenswert, Selbstständige besser vor Altersarmut zu schützen. Hierzu setzen wir uns dafür ein, eine Garantierente für langjährig Versicherte einzuführen. Dadurch sollen geringere Rentenansprüche auf ein Mindestniveau aufgestockt werden, das über dem durchschnittlichen Grundsicherungsniveau liegt.



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Kulturförderung durch Stiftungen nimmt zu Laut Bundesverband Deutscher Stiftungen werden 90 Prozent der Kulturförderung aus Haushalten der öffentlichen Hand finanziert und etwa 10 Prozent kommen von privater Seite. Etwa 15 Prozent der Stiftungen setzen ihre finanziellen Ressourcen für die Kulturförderung ein. Das bürgerschaftliche Engagement nimmt in diesem Bereich überproportional im Vergleich zu anderen Bereichen zu.¹¹ Die Kreativwirtschaft kann von diesem Trend profitieren. Kulturverbände, Stiftungen und Politik sollten sich verständigen, welche Entwicklungen die Kulturlandschaft nehmen soll. Welche Aufgaben sollen Stiftungen übernehmen? Olaf Zimmermann, Geschäftsführer des Deutschen Kulturrats, empfiehlt, dass Stiftungen sich der freien Szene annehmen und sie institutionell fördern.¹² Stiftungszwecke können so vielseitig bestimmt werden wie ihre Gründer und deren Motive. Prekäre Einkommensverhältnisse in der Kreativwirtschaft können mit Hilfe von Stiftungen zum Teil überwunden werden. Fazit Der Kultur- und Kreativwirtschaft kommt eine große Bedeutung zu, weil sie unsere Kulturlandschaft stark prägt. Kleine und mittlere Unternehmen bestimmen die heterogene Unternehmenslandschaft in den Teilmärkten der Kreativwirtschaft. Bund, Länder und Kommunen sowie die Stiftungslandschaft müssen zusammenarbeiten, um der Vielfalt der Aufgaben gerecht werden zu können. Überförderung muss gemeinsam vermieden werden, Existenzsicherung für viele kleine kreative Unternehmen muss angestrebt werden. Die praktische Absicherung von Kontinuität für künstlerische und kulturelle Lebensentwürfe bedeutet in der Regel einen großen Gewinn für die gesamte Gesellschaft.

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¹

vgl. Zeit-Online Kulturförderung „Musik für Millionen“.

²

vgl. WISO direkt, Friedrich Ebert Stiftung, Juli 2010.

³

vgl. Gesamtwirtschaftliche Perspektiven der Kultur- und Kreativwirtschaft in Deutschland in Forschungsbericht Nr. 577, Hrsg. Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie 2009.



vgl. Forschungsbericht Nr. 577, S. 5, BMWI 2009.

⁵ Ebd. ⁶

Tabelle entnommen Forschungsbericht 577 BMWI S. 5, 2009.



vgl. Forschungsbericht Nr. 577 BMWI S. 6, 2009.



vgl. kultur-kreativ-wirtschaft.de, der neue Mikrokreditfonds Deutschland 29.3.2010.

⁹ http://www.kfw.de/kfw/de/I/II/Download_Center/Foerderprogramme/versteckter_Ordner_fuer_ PDF/6000001791_M_066_KfW-Gruenderkredit_Universell.pdf. ¹⁰

vgl. Artikel in FAZ vom 24.5.11, Weniger Förderinstrumente für Arbeitslose.

¹¹

vgl. Artikel in FAZ vom 14.6.11 „Unternehmen kämpfen um Gründungszuschuss“.

¹²

vgl. Artikel in Tagesspiegel „Sinnsuche zwischen Wahrem und Waren“, 15.06.11, Seite 20.

¹³

dto. TSP, 15.6.11.



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Friedhelm Ost Mittelstand: Motor der Kultur- und Kreativwirtschaft Im Jahr 2010 gab es zum ersten Mal einen bundesweiten Wettbewerb „Kultur- und Kreativpiloten in Deutschland“. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie und der Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien suchten gemeinsam mit dem RKW „Menschen, die mit einer innovativen oder kulturellen Idee unternehmerisch durchstarten wollen“.¹ Es gab 32 Preisträger – von Multimedia-Designern bis hin zu Betreibern eines Online-Laboratoriums. Neuorientierung der BMWi-Förderung Der Weg von der Idee bis zur marktfähigen Innovation ist zumeist nicht leicht, oft genug auch sehr lang. Ohne Innovation gibt es keinen Fortschritt. Gewiss, Kreativität kann man nicht planen, doch helfen gute Rahmenbedingungen, das schöpferische und innovative Reservoir der Kultur- und Kreativwirtschaft für unsere Volkswirtschaft zu nutzen. Daher ist es sehr zu begrüßen, dass der Haushalt des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie für das Jahr 2012 Förderschwerpunkte für folgende Politikbereiche vorsieht²: 1.

Mit 71 Millionen Euro werden innovative Unternehmensgründungen gefördert. Das Programm EXIST will eine Kultur der unternehmerischen Selbstständigkeit an Hochschulen und Forschungsinstituten etablieren.

2. Fünf Millionen Euro sind für weitere Projekte der Kampagne „Gründerland Deutschland“ vorgesehen. 3.

Neun Millionen Euro stehen für das wichtige Feld „Fachkräftesicherung“ zur Verfügung. Mit insgesamt 74 Millionen Euro wird das Programm „Berufliche Bildung“ gefördert.

4. Finanziell ist weiterhin mit 558 Millionen Euro die regionale Wirtschaftsförderung der stärkste Politikbereich. Zusammen mit der Kofinanzierung der Bundesländer können 2012 neue Investionsvorhaben der gewerblichen Wirtschaft in strukturschwachen Regionen und Maßnahmen zur Verbesserung der kommunalen wirtschaftsnahen Infrastruktur von über 1,3 Milliarden Euro realisiert werden.

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5. 35,6 Millionen Euro stehen für das neu gebündelte Programm „Förderung unternehmerischen Know-hows“ zur Verfügung. 6. In einem neu geschaffenen Titel „Potenziale in der Dienstleistungswirtschaft“ werden Schwerpunkte wie die Kultur- und Kreativwirtschaft sowie die Gesundheits- und Tourismuswirtschaft zusammengefasst. Über 7 Millionen Euro sind für diesen Bereich vorgesehen. Auch dies signalisiert die wachsende Bedeutung der Kultur- und Kreativwirtschaft, in der viele mittlere und kleine Mittelständler bereits aktiv sind, aber auch gute Zukunftschancen haben können. Breites Spektrum der Kultur- und Kreativwirtschaft Deutschland verfügt über eine große kulturelle Vielfalt und eine breite Kulturszene. Dieser Reichtum erstreckt sich nicht nur auf die klassische, zivilgesellschaftlich organisierte und finanzierte Kultur. Beachtlich ist vor allem der privatwirtschaftliche Aspekt unserer Kultur, eben die deutsche Kultur- und Kreativwirtschaft. Nimmt man die Kennziffern der deutschen Kultur- und Kreativwirtschaft zum Maßstab, rangiert die volkswirtschaftliche Bedeutung der unterschiedlichen Branchen dieses Sektors gleich nach der Automobilindustrie und der chemischen Industrie. Diese Größenordnung überrascht nur auf den ersten Blick. Schließlich erstreckt sich der Bereich über so vielfältige Teilmärkte wie die Musikwirtschaft, den Buchund Kunstmarkt, die Film- und Rundfunkwirtschaft, den Markt für darstellende Künste, die Designwirtschaft, den Architekturmarkt, den Presse- und Werbemarkt sowie die immer bedeutender werdende Software- und Games-Industrie. Verbindendes Element dieser weitreichenden Definition ist der sogenannte schöpferische Akt als wirtschaftlich relevanter Kern der in diesem Wirtschaftsbereich stattfindenden Wertschöpfung. Gemeint sind damit die kreativen Inhalte, Werke, Produkte oder Dienstleistungen, mit deren Schaffung, Produktion, Verteilung beziehungsweise Verbreitung sich die Kultur- und Kreativunternehmen befassen.



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Stabilisierende Elemente Selbst unter den schwierigen Bedingungen der Finanzmarkt- und Wirtschaftskrise der vergangenen Jahre hat sich die Kultur- und Kreativwirtschaft als volkswirtschaftlich stabilisierendes Element erwiesen. Trotz der vor allem im Krisenjahr 2009 gesamtwirtschaftlich schwierigen Lage konnten die Kreativunternehmen hinsichtlich ihrer Gesamtzahl und bei der Beschäftigung positive Zuwächse verzeichnen. Und das trotz eines Umsatzrückgangs, der sich mit einem Minus von 3,5 Prozent im Vergleich zum gesamtwirtschaftlichen Umsatzrückgang von mehr als 8 Prozent allerdings noch moderat ausnahm. Es zeichnet die Kultur- und Kreativwirtschaft wohl aus, dass sie ihr Potenzial an Erwerbstätigen sogar in einer schweren wirtschaftlichen Krise halten beziehungsweise ausbauen kann. Die relative Bedeutung des Sektors für die Gesamtwirtschaft nimmt damit seit Jahren ungebrochen zu. Überraschend ist die Entwicklung der Kultur- und Kreativwirtschaft vor allem in Hinblick auf die Zahl der abhängig Beschäftigten, deren Zuwachs jede Prognose übertroffen hat. So galt noch bis vor kurzem die These, dass es sich bei Unternehmen des Sektors zunehmend um „One-Man-Shows“ handeln würde. Erwartet wurde ein struktureller Wandel hin zu mehr Selbstständigen und Freiberuflern und eine Abnahme der Zahl sozialversicherungspflichtiger Arbeitsplätze. Eingetreten ist jedoch eine positive Entwicklung der Beschäftigtenzahl, die deutlich über dem Trend in der Gesamtwirtschaft liegt. So gibt es heute in den unterschiedlichen Branchen der Kultur- und Kreativwirtschaft rund zehn Prozent mehr sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse als noch 2003, während dieser Anteil in der Gesamtwirtschaft nur leicht über dem damaligen Stand liegt. Im Vergleich zu klassischen Industriebranchen ist der Anteil der Großunternehmen am Gesamtumsatz des Sektors mit 41 Prozent eher gering. Zum Vergleich: In der Automobilindustrie werden 97 Prozent des Gesamtumsatzes von wenigen Großunternehmen erwirtschaftet. In der Kultur- und Kreativwirtschaft liegen 43 Prozent des Gesamtumsatzes allein bei Klein- und Kleinstunternehmen, hinzu kommen noch 16 Prozent Umsatz bei mittleren Unternehmen. Diese Zahlen zeigen, dass es sich um einen sehr stark mittelständisch geprägten Sektor handelt.

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Innovationstreiber: Kreativität und Kultur Aufgrund der innovativen Ausprägung der Kultur- und Kreativwirtschaft war die Branche immer besonders erfolgreich darin, gesellschaftliche und technische Trends anzustoßen beziehungsweise sie frühzeitig aufzugreifen und zu verstärken. So haben sich beispielsweise die neuen digitalen Technologien bereits sehr früh als eine wichtige Antriebskraft für Wachstum und Innovationen in diesem Wirtschaftsbereich erwiesen. Ganz neue Wertschöpfungsprozesse wurden möglich, neue Geschäftsmodelle wurden erfunden und alte gerieten unter Druck. So betrifft beispielsweise die Diskussion um den Schutz geistigen Eigentums in der digitalen Welt vor allem die Kultur- und Kreativwirtschaft; die technische Entwicklung hat das Geschäft der Musikwirtschaft und im Pressemarkt zuerst „auf den Kopf gestellt“ und dann revolutioniert. Die ökonomische Basis stärken! Es erstaunt angesichts dieser dynamischen Entwicklung des Branchenkomplexes umso mehr, dass die politischen Diskussionen über Maßnahmen der Wirtschaftsförderung und Entwicklungslinien kommender Jahrzehnte sich so viel stärker auf klassische Industrien konzentrieren als auf die wachstumsstarken Zukunftsmärkte der Kultur- und Kreativwirtschaft. Entscheidend wird es dabei sein, diesem Wirtschaftszweig die gleiche Wertschätzung zuteilwerden zu lassen wie anderen, eher traditionellen Wirtschaftsbereichen. Die kleinteilige Struktur der Branche bedeutet dabei eine besondere Herausforderung, bietet aber auch große Chancen. Deutschland tut gut daran, die besten Rahmenbedingungen für seine Kultur- und Kreativwirtschaft zu schaffen. Dieses Engagement ist kein Selbstzweck – ganz im Gegenteil. Wie man den Kennziffern entnehmen kann, hat der Wirtschaftsbereich für unsere Volkswirtschaft eine sehr große, geradezu grundlegende Bedeutung. Denn Kreativität, der schöpferische Akt an sich, ist für die wirtschaftliche Entwicklung unseres Landes eine der wichtigsten Voraussetzungen. Ohne diese Kreativität gäbe es keine neuen Entwicklungen, keine Innovationen. Und ohne Innovationen gäbe es keinen technischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Fortschritt.



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Eine innovative Wirtschaft ist die Existenzgrundlage eines rohstoffarmen Landes wie Deutschland. Die Kultur- und Kreativwirtschaft entfaltet damit eine Bedeutung weit über die eigene Branche hinaus; ihr Beitrag zur Innovationskraft Deutschlands nutzt allen Wirtschaftssektoren. So ist Deutschland in manchen Bereichen durchaus auch deshalb Exportweltmeister, weil deutsche Designs Weltspitze sind. Das wird sich auch im Jahr 2011 erweisen, wenn Deutschland Partnerland der Business of Design Week in Hongkong sein wird. Der Beitrag aus der Kultur- und Kreativwirtschaft kann unter den Bedingungen eines scharfen internationalen Wettbewerbs der entscheidende Wettbewerbsvorteil sein. Der deutsche Mittelstand wird seine wirtschaftliche Stellung in der Welt nicht durch Billigoder Einheitsprodukte behaupten können. Nur mit Kreativität, Innovationen und Qualität bei Produkten, Dienstleistungen und Service werden mittlere und kleine Firmen eine starke Position im globalen Wettbewerb weiterhin einnehmen. Die gesamte deutsche Wirtschaft kann deshalb auf die Impulse der Kultur- und Kreativwirtschaft nicht verzichten. Deshalb müssen vor allem die Lebens- und Arbeitsbedingungen für die Kreativen und Kulturschaffenden in unserem Land weiter verbessert werden. Dafür gibt es noch viel zu tun. Die hohe Quote an Selbstständigen in der Kultur- und Kreativwirtschaft geht nicht selten einher mit niedrigen Einkünften und fehlender sozialer Absicherung. Der „Arme Poet“ hat zwar als romantisches Ideal der Literatur seinen Reiz, aber als Lebensmodell für Kreative in unserer Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung kann er nicht das Vorbild sein. Probleme gibt es oft genug auch in der breiten Akzeptanz mancher Berufsbilder. Noch immer gilt beispielsweise der ‚Game-Designer‘ dem einen oder anderen nicht als handfester Brotberuf – etwa im Gegensatz zum Anwalt, Arzt oder Mechaniker. Dieses Spannungsverhältnis zwischen den enormen Potenzialen für Wachstum und Beschäftigung und den zugleich oft schwierigen finanziellen Verhältnissen in der Kultur- und Kreativwirtschaft beschreibt den Handlungsrahmen für eine Politik, die auf die Stärkung dieser Wachstumsbranche abzielt. Impulse zu setzen, dazu braucht es weniger, als man denkt. Dennoch muss man in Wirtschaft, Politik und Gesellschaft weiter denken als bisher: Gleiche Entwicklungschancen für das weite Feld der Kultur- und Kreativwirtschaft zu schaffen bedeutet, ihr zunächst gleiche Anerkennung zu schaffen – rechtlich und real.

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Kultur- und Kreativwirtschaft im deutschen Mittelstand

Erste richtige Veränderungen gibt es jetzt in der Förderlandschaft; insbesondere sollten angesichts der kleinteiligen Struktur der Branche die Mittelstands- und Innovationsprogramme des Bundes für die Kultur- und Kreativwirtschaft passgenau geöffnet werden. Auch die Förderung innovativer Projekte und Geschäftsmodelle sollte möglich werden. Der richtige Weg, den die Bundesregierung mit der Initiative Kultur- und Kreativwirtschaft bei der Schaffung von Unterstützungsangeboten zur Professionalisierung von Künstlern und Kreativen eingeschlagen hat, muss deshalb konsequent fortgesetzt werden, die Angebote müssen vor allem noch viel bekannter werden. Noch immer steht hervorragenden Produktoder Geschäftsideen ein unzureichendes betriebswirtschaftliches Wissen und Handeln gegenüber. Hier liegen vor allem die Gründe für die oft unzureichenden Einkommensverhältnisse selbstständiger Künstler und Kreativer sowie dafür, dass nicht wenige Neugründungen nach kurzer Zeit scheitern. Wirtschaftliches Denken und Kreativität schließen sich nicht aus – ganz im Gegenteil: Kultur und Kreativität brauchen auch in Zukunft einen größtmöglichen Entfaltungs- und Entwicklungsraum sowie insbesondere auch ein Mindestmaß an ökonomischer Sicherheit.

¹Siehe dazu RKWMagazin 2/2011, S. 34ff. ² Siehe dazu BMWi-Haushalt 2012.



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II. KULTUR- UND KREATIV WIRTSCHAFT IM DEUTSCHEN MITTELSTAND AUS SICHT DER WISSENSCHAFT

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Prof. Dr.-Ing. habil. Hans-Jörg Bullinger, Simone Kimpeler Kreativwirtschaft als Standortfaktor – Innovationspotenziale der Kreativwirtschaft richtig nutzen Kreativwirtschaft als Vorreiter des Strukturwandels Zentrale Merkmale der wissensbasierten Wirtschaft sind die Digitalisierung der Produktions- und Geschäftsprozesse, die Öffnung firmeninterner Innovationsprozesse für neue Verwertungsmöglichkeiten (Open Innovation) und einhergehend neue Formen der Vernetzung der Akteure entlang der Wertschöpfungsketten. Die Bedeutung immaterieller Güter und Dienstleistungen in der Wertschöpfung steigt. Und der Einsatz mobiler Informationstechnologie (IT) und Medien ermöglicht neue Formen des Managements, der Arbeitsgestaltung, Kollaboration und Beschäftigung.¹ Damit ergeben sich neue Wettbewerbsfaktoren für Standorte, die ihre strukturellen und kulturellen Rahmenbedingungen an neue soziale und wirtschaftliche Vernetzungen über Branchengrenzen hinweg ausrichten. Dieser wissensbasierte Strukturwandel ist in einem Wirtschaftsektor besonders deutlich zu beobachten: in der Kultur- und Kreativwirtschaft. Denn Branchen wie Medien-, Design-, Games- und Werbewirtschaft gelten als Vorreiter auf dem Weg in die Wissensökonomie. Die innovationspolitische Aufmerksamkeit für diesen Sektor und seine ökonomische Bedeutung ist weltweit gestiegen. In zahlreichen Kreativwirtschaftsberichten² wird ihr Beitrag zu Wachstum und Beschäftigung belegt und ihre Schlüsselposition im lokalen Wissenstransfer verdeutlicht.³ Auch die Popularität der These von Richard Florida (2002), dass die kreativen Köpfe einer Gesellschaft – die „Creative Class“ – entscheidend für ihr ökonomisches Wachstum sind, trägt zur Anerkennung der ökonomischen Relevanz Kreativbeschäftigter in der Standortentwicklung bei.⁴ Immer mehr Kommunen und Regionen möchten die hohe Innovationsdynamik der Kreativindustrien⁵ für ihre Wirtschaft vor Ort nutzen, seit die Komplementäreffekte kreativwirtschaftlicher Cluster auf die Innovationsfähigkeit benachbarter Unternehmen belegt sind.⁶ Denn auch traditionelle Branchen wie die Automobilindustrie oder der Maschinenbau können durch die Kooperation mit Kreativunternehmen im Produktdesign, Marketing oder der Kundenkommunikation ihre Wettbewerbsfähigkeit stärken.⁷



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Auch für die Bundesregierung gehört die Förderung der Kultur- und Kreativwirtschaft zur Sicherung der Zukunftsfähigkeit des Landes. Im Jahr 2007 wurde die Initiative zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der Kultur- und Kreativwirtschaft und zur Ausschöpfung ihrer Beschäftigungspotenziale gegründet.⁸ Zu den Aktivitäten gehören neben der Förderung der Branchen und des Dialogs auch die Erforschung der Rahmenbedingungen und die Etablierung eines Kompetenzzentrums Kultur- und Kreativwirtschaft⁹ sowie die Förderung angeschlossener Regionalbüros. Um diesen Sektor bedarfsgerecht zu unterstützen und die Innovationsfähigkeit und wirtschaftliche Dynamik zu fördern, bedarf es verlässlicher Eckdaten zur Struktur der Kreativbranchen und ihrer Innovationswirkungen am Standort. Welche Rolle spielen diese Branchen für die gesamtwirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit, Beschäftigung, den Innovations- und Wissenstransfer und die Standortentwicklung? Wie können diese vielschichtigen und heterogenen Teilbranchen unterstützt werden, ohne dass ihre individuelle Funktionalität, ihre Autonomie und der gesellschaftliche und kulturpolitische Mehrwert gestört wird? In den Kreativwirtschaftsberichten auf Bundesebene, wie auch für einzelne Standorte beziehungsweise Metropolen und Regionen, wird anhand ausgewählter wirtschaftlicher Kennzahlen die wirtschaftliche Bedeutung der Kreativunternehmen hervorgehoben.

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Definition der Kreativwirtschaft In den meisten Studien zum Kreativsektor wird das Drei-Sektoren-Modell zugrunde gelegt, das den Sektor in einen öffentlichen, einen intermediären und einen privaten Bereich unterteilt. Abbildung 1: Das Drei-Sektoren-Modell der Kultur- und Kreativbranchen

Privater Sektor

Öffentlicher Sektor ■ Öffentlicher Kulturbetrieb ■ Oper, Theater, Museen

■ i.e.S. 11 Branchen ■ i.w.S. + Medien ■ + Information, Kommunikation

Intermediärer Sektor ■ Vereine, Stiftungen etc.

Quelle: Fraunhofer ISI 2010



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Alle Einrichtungen und Aktivitäten, die nicht auf kommerzielle Ziele ausgerichtet sind, sondern primär gesellschaftliche Zielsetzungen verfolgen und dem Auftrag zur kulturellen Bildung und Partizipation nachkommen, gehören zu den öffentlichen und intermediären Teilsektoren. Der private Sektor umfasst hingegen alle Unternehmen und Aktivitäten, die erwerbswirtschaftliche Ziele verfolgen und sich mit der Schaffung, Produktion, Verteilung und / oder medialen Verbreitung von kulturellen beziehungsweise kreativen Gütern und Dienstleistungen beschäftigen. In Anlehnung an die im Forschungsgutachten zur Kulturund Kreativwirtschaft für die Bundesregierung festgelegte Branchendefinition des privaten Teilsektors werden folgende elf Teilmärkte der Kreativwirtschaft unterschieden¹⁰ (Tab. 1): Architektur, Buchmarkt, Designwirtschaft (inkl. Ingenieurbüros), Filmwirtschaft, Kunstmarkt, Softwareindustrie / Games, Markt für darstellende Künste, Musikwirtschaft, Pressemarkt, Rundfunkwirtschaft und Werbemarkt. Zur Kreativwirtschaft zählen damit alle Unternehmen in diesen Teilbranchen, die überwiegend erwerbswirtschaftlich orientiert sind und sich mit der Vorbereitung, Schaffung, Produktion, Verteilung oder (medialen) Verbreitung von kulturellen beziehungsweise kreativen Gütern und Dienstleistungen befassen.¹¹ Die Aufteilung der elf Teilmärkte basiert auf der Betrachtung des „schöpferischen Akts“ als Kern des Branchenkomplexes Kultur- und Kreativwirtschaft, wie ihn die Enquete-Kommission vorgeschlagen hat. In der Vielzahl der Kreativwirtschaftsberichte ist die ökonomische Bedeutung der Kultur- und Kreativwirtschaft als Summe dieser Teilmärkte belegt. So tragen sie rund 2,6 Prozent zum EUBIP bei und bieten rund fünf Millionen Menschen in der gesamten EU einen Arbeitsplatz.¹² In Deutschland gehören rund 238.000 privatwirtschaftliche Unternehmen mit etwa 1.002.000 Erwerbstätigen zur Kultur- und Kreativwirtschaft (Basisjahr 2008).¹³ Im Vergleich zu 2006 ist ein Anstieg der Unternehmenszahl um sieben Prozent und Zahl der Erwerbstätigen um rund sechs Prozent zu verzeichnen. Die Bruttowertschöpfung 2008 bei 63,4 Milliarden Euro ist gegenüber 2006 um nominelle 4,3 Prozent gestiegen. Und der Anteil der Bruttowertschöpfung am Bruttoinlandsprodukt 2008 lag bei 2,5 Prozent. Damit liegt die Kreativwirtschaft in Deutschland noch vor der chemischen Industrie (2,1 Prozent) und nur knapp hinter der Automobilindustrie (3,1 Prozent).

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Tabelle 1: Abgrenzung des Kreativsektors nach Teilsektoren Teilsektoren

Öffentlicher und intermediärer Kulturbetrieb (Non-Profit-Bereich)

Künstler- und Kulturberufe (Non-Profit- und ProfitBereich)

Privatwirtschaftlicher Bereich

Musiksektor

Opernhaus, Orchester, Musikschule, Festival, Chor, Laienmusik, Musikszene

Komponist, Musiker, Musiklehrer, Toningenieur, Interpret, Ensemble

Instrumentenherstellung, Agentur, Musikverlag, Tonträgerproduktion, Musikfachgeschäft, Veranstalter, Club, Musical, Festival, Szene, Musikschule, Online-Musikvertrieb

Literatur-, Buch-, Pressesektor

Literaturhaus, Bücherei, Bibliothek, Archiv, Wettbewerb, Literaturszene

Literaturhaus, Bücherei, Bibliothek, Archiv, Wettbewerb, Literaturszene

Buchverlag, Zwischenbuchhandel, Buchhandel, Agentur, Presseverlag, Pressehandel, Pressearchiv, Online-Publizieren

Bildende Kunst

Kunstmuseen, -ausstellungen, Wettbewerbe, Künstlerszene

Bildende Künstler, Restaurator, Kunstlehrer

Galerie, Kunsthandel, Museumsshop, kommerzielle Ausstellung, Künstlerszene

Darstellende Kunst

Theater, Theaterpädagogik, Kulturhaus, Kleinkunst, Tanzszene

Darstellende Künstler, Artist, Kabarettist

Kommerzielles Theater, Musical, Agentur, Variete, Kleinkunstszene, Tanschule, Comedy, Kabarett, Boulevard-Theater, Tourneetheater

Film-/Videosektor

Filmarchiv, Filmmuseum, Wettbewerb, Filmszene

Darstellende Künstler, Artist, Kabarettist

Filmproduktion, Kino, Filmverleih, Vertrieb, Wettbewerb, Online-Video, Digitale Filmproduktion

Designsektor

Designmuseum, Designausstellung, Museum für angewandte Kunst

Designer, Künstler, Gestalter

Industriedesign, Produktdesign, Modedesign, Grafikdesign, Webdesign, Ingenieurbüros, Designszene

Architektursektor

Architekturmuseum, Wettbewerb

Architekt, Landschaftsplaner

Architekturbüro, Landschaftsarchitektur, Innenarchitektur, Planungsbüros, Wettbewerb

Kulturelles Erbe

Denkmalschutz und -pflege, Museum, Museumspädagogik

Museums-, Denkmalpflegeberufe, Archivare

Museumsshop, kommerzielle Ausstellungen, Kulturgüterhandel

Rundfunksektor

Öffentlich-rechtliche Radio-/TV-Sender

Moderatoren, Sprecher, Produzenten, Redakteure

Kommerzielle Radio-/TV-Unternehmen, Online Radio/TV

Werbetexter, Werbeagenturen

Agenturen für Werbegestaltung, -vermittlung, -verbreitung, auch Online

Software-Entwickler, Game-Designer

Software-Verlag, -Beratung, -entwicklung, Online-Games Verlag

Werbewirtschaft

Software-Sektor

Computer, Kunst- und Medientechnologiemuseum

Quelle: Leitfaden der Branchenabgrenzung, Söndermann et al. (2009: 20)



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Kreativwirtschaft als „heimliche Innovatoren“ Ein zentrales Ergebnis der Forschung zur Innovationskraft der Kreativwirtschaft ist, dass der Anteil der „heimlichen“ Innovationen (,Hidden Innovations‘) in der Kreativwirtschaft besonders hoch sein muss.¹⁴ Zwar liegt dies auch an einer bislang unzureichenden Indikatorik, um die Innovationsaktivitäten und -effekte in diesen wissensbasierten Branchen zu messen und abzubilden. Die geringe Formalisierung der Innovationsprozesse in diesen Branchen, die Dynamik in der Entwicklung ihrer Teilbranchen und deren Abgrenzung, der sehr hohe Anteil Kleinstunternehmen und die Immaterialität der Produkte und Dienste erschweren die Erfassung der Innovationsaktivitäten in der Kreativwirtschaft. Dennoch lassen sich auf Basis der wenigen Strukturdaten in Kombination mit einer Analyse der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen Aussagen über direkte und indirekte Innovationswirkungen der Kreativwirtschaft auf den Standort und die Industrie vor Ort ableiten.¹⁵ Die kreative Wertschöpfungskette Die Wertschöpfung in der Kreativwirtschaft ist aufgrund zunehmender Digitalisierung, kleinteiliger Produktionsstrukturen und arbeitsteiliger Produktionsprozesse nicht linear darstellbar. Die durch die Digitalisierung der Geschäftsprozesse ausgelöste zunehmende Entgrenzung zwischen Produktion, Vertrieb und Konsum wirkt besonders stark. Dennoch lassen sich vier idealtypische Phasen der Wertschöpfungskette unterscheiden: (1) die Entwicklung und Schöpfung von kulturellen / kreativen Produkten, Inhalten und Dienstleistungen, (2) deren Produktion (3) und Vermittlung und (medialer) Vertrieb sowie (4) der Konsum kultureller / kreativer Produkte, Inhalte und Dienstleistungen durch den Kunden. In allen Phasen erfolgen unterstützende Dienstleistungen und häufig finden branchenübergreifende Kooperationen statt (Abb. 2). Abbildung 2: Kernphasen der Wertschöpfung im Kreativsektor

Schöpferischer Akt

Quelle: Fraunhofer ISI 2011

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Produktion, Bearbeitung

Vermittlung/ Vertrieb

Konsum

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Die in der Realität anzutreffende Komplexität der Wertschöpfungsketten resultiert aus dem hohen Grad der Selbstorganisation der Kreativbranchen sowie ihrer vielfältigen Verflechtung mit Wertschöpfungsketten ihrer Kunden und Zulieferer aus anderen Branchen und damit anderen Wissens- und Technologiebereichen. Wissens- und Technologiebasis Die branchenspezifische Wissens- und Technologiebasis der Kreativunternehmen wird stark von der Informations- und Medientechnologie geprägt, da die Kernkompetenz der Kreativwirtschaft die Erstellung und Vermittlung (Mediatisierung) von Inhalten ist. Dadurch sind Beschäftigte der Kreativwirtschaft häufig technikaffine Lead-User von IT und Medien und somit Treiber für IT- und Medieninnovationen ihrer Zulieferer.¹⁶ Insbesondere die GamesIndustrie ist Vorreiter im Bereich der Entwicklung von multimodalen Benutzerschnittstellen und entwickelt selbst Software für virtuelle Welten, die wiederum für die industrielle Entwicklung und Produktion interessant sind. Kreativunternehmer und -beschäftigte sind häufig auch aufgrund ihrer vernetzten, mobilen und projektbasierten Arbeitsweise im beruflichen und privaten Bereich Lead-User von Informationstechnik und neuen Medien, unabhängig davon, welcher Teilbranche sie angehören. Ihnen wird eine grundsätzlich eher hohe Technikaffinität und damit auch Offenheit für neue Technologien und Anwendungen bescheinigt.¹⁷ Die Kopplung der Kreativwirtschaft zum einen an Zulieferer aus der IT- und Medienindustrie und zum anderen an Kunden aus allen Branchen macht sie zu einer typischen QuerschnittsIndustrie, die mit ihren spezifischen Leistungen als Partner für Unternehmen aus allen Branchen agiert, und zwar entlang der gesamten Wertschöpfungskette: von der Ideenfindung über Design bis hin zur Vermarktung. Die daraus resultierende hohe Kooperationsneigung der Kreativunternehmen führt wiederum zu einer vorwiegend projektbasierten Abwicklung der Aufträge und Geschäftsprozesse. Kreativunternehmen sind aufgrund der hohen Arbeitsteilung in der Wertschöpfung und projektbasierten Arbeitsweise stark vernetzt. Dabei profitiert die Kreativwirtschaft insbesondere von lokalen Netzwerken und Fachkräften. Die für die wissensbasierte Wirtschaft typische kulturelle, soziale und geografische Nähe zu Kunden und Zulieferern ist demnach auch für die Unternehmen der Kreativwirtschaft ein wichtiger Erfolgsfaktor für ihren Wissenstransfer. Des Weiteren verstärkt die



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in vielen Kreativwirtschaftsstudien festgestellte hohe Mobilität der Fachkräfte den Wissenstransfer zwischen der Kreativwirtschaft und ihren Zulieferern und Kunden. Erst durch branchenübergreifende Kooperation, gemeinsame Akquisition und Marktkoordination werden Wissensvorsprung und Innovationsfähigkeit der Kreativunternehmen ausgebaut. Innovationsaktivitäten Ebenso diversifiziert wie die Produkte und Dienste der Creative Industries sind auch die Innovationsaktivitäten, insbesondere in der Entwicklung, Kommerzialisierung und Distribution. Knapp ein Drittel der Kreativwirtschaft ist selbst in Forschung und Entwicklung aktiv.¹⁸ Allerdings werden die Unternehmen der Kreativwirtschaft von gängigen, branchenunspezifischen Innovationsfördermaßnahmen nur schwer erreicht. Das liegt auch an der kleinteiligen Unternehmensstruktur. So sind typische Kennzeichen der Unternehmen der Kreativwirtschaft ihre geringe Betriebsgröße sowie die hohe Selbstständigenquote und ein relativ hoher Anteil an Neugründungen, das heißt einer hohen Gründungsdynamik. Damit sind Unternehmen der Kreativwirtschaft weniger formal organisiert. Entwicklungsprozesse laufen selten unter den klassischen Begriffen der FuE und werden auch in amtlicher Statistik kaum erfasst.¹⁹ Stattdessen finden sich Innovationen auf vielen Stufen der Wertschöpfung, und diese Ausweitung wird durch den Einsatz innovativer IKT noch verstärkt. Neue Märkte werden durch „hybride Innovationen“ erschlossen, das heißt in Kooperation mit Unternehmen und Akteuren anderer (Teil-)Branchen und Wissensbereiche. Digitale Technologien durchbrechen herkömmliche Vertriebsstrukturen. Zudem fördern neue Möglichkeiten der internetbasierten Marktanalyse neue Kenntnisse über Präferenzen der Kunden und Nutzer. Die geringeren Vertriebskosten durch Internet-Downloads erlauben die Konzentration auf Nischenmärkte. Zugleich entstehen neue Erlösmodelle und damit neue Geschäftsmodelle. Ein Beispiel ist die verstärkte Kollaboration mit Kunden mithilfe von Social Software, so dass Erfahrungen und Wissen der Nutzer beziehungsweise Kunden schon in frühe Phasen des Innovationsprozesses integriert werden können. Die digitale Produktionstechnik fördert beziehungsweise erleichtert auch die Rekombination und kundenspezifische Anpassung existierender Produkte und Prozesse, ohne dass das Ergebnis explizit als Innovation bezeichnet wird. Viele dieser „heimlichen“ Innovationen finden nur eine einmalige Anwendung in einem individuellen Leistungserstellungsprozess. Die hohe Dienstleistungsorientierung und Kundennähe der Unternehmen der Kreativwirt-

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schaft, beides Kernelemente des Open-Innovation-Ansatzes, tragen zur Öffnung des firmeninternen Innovationsprozesses für das Wissen der Zulieferer und Kunden bei. Damit sind Unternehmen der Kultur- und Kreativwirtschaft in Bezug auf ihre Innovationsprozesse und -aktivitäten mit der High-Tech-Industrie vergleichbar. Die Kreativwirtschaft erbringt nicht nur selbst besondere Innovationsleistungen, sondern leistet durch ihre vielseitigen Kooperationsbeziehungen auch einen erheblichen indirekten Beitrag zur Innovationsfähigkeit und damit zu Wissenstransfer, Wachstum und Beschäftigung anderer Branchen am Standort bei. Co-Working als Arbeitsform der Kreativwirtschaft Trotz ihrer Vorreiterrolle als wissensbasierte Industrie hat die Kreativwirtschaft auch mit Problemen zu kämpfen. Hierzu zählen die abnehmende Halbwertszeit des marktrelevanten Wissens, ein extrem hoher Innovationsdruck, die kurzfristig orientierte Projektkultur, die Virtualisierung der Unternehmensstrukturen sowie neue Beschäftigungsstrukturen. Dadurch ergeben sich neue Anforderungen an Kommunikations- und Kooperationsformen, Infrastrukturen, Arbeitsorte und letztlich auch Lebens- und Wohnformen. Die Arbeitsweise der Kreativwirtschaft ist durch eine hohe Kooperationsneigung und Arbeitsteilung sowie zeitliche und räumliche Flexibilität gekennzeichnet. Hierfür hat sich der Begriff des „Co-Working“ etabliert. Es entstehen momentan in vielen Städten Projekte und Orte, die unter Begriffen wie Creative Labs, Co-Working Places etc. spezifische Orte, Räumlichkeiten und Infrastrukturen speziell für Kreativschaffende anbieten. Um sie herum entstehen Netzwerke, die ihre Arbeitsteilung, Ressourcenallokation und Kompetenzentwicklung informell organisieren. Dabei gilt es zu beachten, dass diese Co-Working Places nicht nur auf den Kreativsektor beschränkt bleiben, sondern zunehmend auch für Zulieferer und Kunden der Kreativunternehmen aus anderen Branchen attraktiv werden, so dass die gesamtwirtschaftliche Relevanz dieser Communitys beziehungsweise Netzwerke für den Standort steigt. Hier lässt sich entsprechend ein zentraler Ansatzpunkt der Wirtschaftsförderung verorten, der den Netzwerken und Communitys den nötigen Raum und die Infrastruktur bieten sollte, um ihre Innovationskraft zu entfalten.



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Wie der Hype um die Creative Class in der Standortpolitik verdeutlicht, wird hochqualifizierten Fachkräften heute eine besondere Kompetenz zugeschrieben: Kreativität. Sprach man in den 1970er Jahren noch von der besonderen Fähigkeit der Fachkräfte, neue Ideen zu entwickeln und damit Städte im Standortwettbewerb konkurrenzfähig zu halten²⁰, so wird der Erfolg von Standorten heute auch am Anteil ihrer „Kreativklasse“ gemessen.²¹ Die Creative Class wird charakterisiert als Gruppe von Fachkräften, die am Arbeitsplatz in einem hohen Maße kreativ und schöpferisch tätig sind. Die „kreativen Wissensarbeiter“ stehen für den Teil der Bevölkerung, für den auch eine neue, entgrenzte Lebensform charakteristisch ist, in der neue Wege der Work-Life-Balance gesucht werden. Normalformen der Beschäftigung und Normalarbeitszeiten verlieren an Bedeutung, die Grenze zwischen Arbeitszeit und Freizeit wird durchlässiger. Es entsteht der „Arbeitskraftunternehmer“, der einen zukünftigen Leittypus der beruflichen Selbstständigkeit darstellen soll.²² Herausforderungen und innovationspolitische Empfehlungen Der Einblick in den Forschungsstand zur Kreativwirtschaft zeigt, dass diese nicht nur selbst besondere Innovationsleistungen erbringt, sondern auch einen erheblichen Beitrag zur Innovationsfähigkeit anderer Branchen leistet. Indirekt trägt sie damit zum Wirtschaftswachstum, zur Beschäftigung und zum Wissenstransfer an ihrem Standort bei. Aus den Strukturmerkmalen und Rahmenbedingungen ergeben sich konkrete Probleme und Herausforderungen für Kreativunternehmen. So besteht ein hoher Bedarf an langfristigen lokalen Kooperationsbeziehungen. Unternehmen der Kreativwirtschaft weisen spezifische Probleme von Kleinstunternehmen auf. Hierzu gehören Probleme der Finanzierung, des Vorhaltens von Kapazitäten und Kompetenzen, der Marktbearbeitung sowie Investitionen in FuE. Die zeitkritische Arbeitsorganisation und Gewinnung qualifizierter Mitarbeiter / -innen auf Zeit stellt zudem eine wichtige Hürde in der Wachstumsphase von Kreativunternehmen dar. Des Weiteren sind Urheber- und Kopierschutz digitaler Produkte und Dienste für die Kulturund Kreativwirtschaft von großer Bedeutung. Einerseits profitieren einige Teilbranchen wie die Software- / Games-Industrie maßgeblich von der Öffnung der Innovationsprozesse und Beteiligung der Nutzer an Entwicklungsprozessen, andererseits ist für viele Kleinstunternehmen die Wahrung der Urheberrechte von zentraler Bedeutung für ihre Positionierung am Markt.

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Aus diesen Herausforderungen ergibt sich ein hoher Bedarf an starken regionalen Netzwerken, in denen Aufgaben arbeitsteilig erledigt werden können. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Netzwerke in der Kreativwirtschaft zu einem hohen Grad selbstorganisiert agieren und sich die Unterstützung auf die Bereitstellung von Freiräumen für die Selbstorganisation konzentrieren sollte. Der Strukturwandel fordert die Teilbranchen unterschiedlich stark heraus. Branchen wie die Musikindustrie und das Verlagswesen haben durchaus Schwierigkeiten, ihre Prozesse und Strukturen an neue, digitale Märkte anzupassen oder diese mitzugestalten. Neue hochdynamische, standortungebundene Märkte wie Software-Games hingegen profitieren gerade von der Digitalisierung und Virtualisierung der Wertschöpfungsprozesse. Und sie erproben bereits heute Arbeits- und Kooperationsformen, die zunehmend auch für andere Branchen relevant und überlebenswichtig werden. Auch für die Kreativwirtschaft ist das Vorhandensein einer kritischen Masse von qualifizierten, kreativen Arbeitskräften ein wesentlicher Standortfaktor. Daher ist die direkte, zu einem hohen Grad auch informelle Zusammenarbeit mit kreativaffinen Hochschulen und Studiengängen vor Ort eine wichtige Basis zur Entwicklung und Ausbildung des Kreativpotenzials einerseits und zur Rekrutierung von Nachwuchs sowie zur Aktivierung von Existenzgründungen andererseits. Bisherige innovationspolitische Maßnahmen haben nur unzureichend die Kleinteiligkeit, Akteurstypologien, Kurzfristigkeit der Aktivitäten, hohe Dynamik sowie Produkt- und Leistungspalette der für den Standort wichtigen Teilbranchen im Blick. Eine Verbesserung der Rahmenbedingungen für die Selbstorganisation und Kooperation ist damit eine wichtige Möglichkeit, Kreativunternehmen und ihre Beschäftigten zu unterstützen. Die Kompetenzen, Lernprozesse, Organisationsstrukturen, Zielvorgaben und das unternehmerische Verhalten in der Kultur- und Kreativwirtschaft sind sektorspezifisch, aber ihre hohe Kooperationsneigung am Standort, die hohe intersektorale Fachkräftemobilität und der Bedarf an institutionellen Rahmenbedingungen zur Förderung neuer Arbeitsformen gilt zunehmend auch für andere Branchen. Die Nutzung des hohen innovativen Potenzials der Kultur- und Kreativwirtschaft steht vor einigen Herausforderungen, die sich aus den strukturellen Merkmalen der Branche ergeben. Die hohe Innovationsorientierung geht mit einem hohen Wachstum einher. Dies stellt sehr kleine Kreativunternehmen vor Herausforderun-



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gen der zeitkritischen Arbeitsorganisation und Gewinnung qualifizierter Mitarbeiter / -innen. Ebenso ist die Anpassung des Urheber- und Kopierschutzes digitaler Produkte und Dienste für die Kultur- und Kreativwirtschaft von großer Bedeutung, da sie maßgeblich von der Öffnung der Innovationsprozesse und Beteiligung der Nutzer an Entwicklungsprozessen profitiert und zugleich ihre Urheberrechte wahren muss. Diese Übersicht zeigt, dass Kreativunternehmen mit ihren spezifischen Stärken der starken Kooperationsneigung, kundenorientierten und projektbasierten Arbeitsweise und hohen IT-Affinität nicht nur selbst hochinnovativ sind, sondern auch zu einem erheblichen Maße die Innovationsfähigkeit und damit Wettbewerbsfähigkeit ihrer Kooperationspartner und Kunden stärken. Damit ist ein starker Kreativsektor ein wichtiger Faktor für die Sicherung der Innovationsfähigkeit eines Standorts. Das haben viele Metropolen, Kommunen und Regionen erkannt und stärken ihre Kreativunternehmen mit Netzwerkaktivitäten und spezifischer Gründerberatung an der Schnittstelle von Kultur- und Innovationsförderung. Unterstützung erhalten Sie durch die von der Bundesregierung initiierten Maßnahmen zur Stärkung der Kreativwirtschaft im Rahmen des bundesweiten Kompetenzzentrums Kultur- und Kreativwirtschaft und seiner Regionalbüros.

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¹

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Bullinger 2010a.

² Eine gute Übersicht bietet http://www.kultur-kreativ-wirtschaft.de/KuK/Navigation/Mediathek/externe-publikationen.html. ³

Kimpeler/Georgieff 2009.



Jedoch beschreibt der Begriff der Creative Class eine ganze Gesellschaftsschicht und beschränkt sich nicht nur auf die Beschäftigten der Kreativwirtschaft im engeren Sinn.



Bspw. in Müller/Rammer/Trüby 2008; Miles/Green 2008.



Chapain et al. 2010.



Bullinger 2010b.



Mehr Information unter: www.kultur-kreativ-wirtschaft.de.



http://www.kultur-kreativ-wirtschaft.de/KuK/Navigation/Initiative/kompetenzzentrum.html.

¹⁰

Söndermann et al. 2009.

¹¹

Vgl. Söndermann 2007: 9.

¹²

Europäische Kommission, KOM(2010) 183/3.

¹³

Söndermann et al. 2009: 45ff.; Basisjahr 2008.

¹⁴

Miles/Green 2008.

¹⁵

Vgl. Kimpeler/Georgieff 2009; Müller/Rammer/Trüby 2008.

¹⁶

Georgieff et al. 2008b; Mateos-Garcia et al. 2007.

¹⁷

Georgieff et al. 2008b.

¹⁸

Müller/Rammer/Trüby 2008:18ff.

¹⁹

Vgl. Georgieff et al. 2008a.

²⁰

Jacobs 1969.

²¹

Florida 2002.

²²

Pongratz/Voß 2003.



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Söndermann, M. (2007): Kulturwirtschaft und Creative Industries in Deutschland 2007. In: Kultur- und Kreativwirtschaft in Europa 2007 – Jahrbuch Kulturwirtschaft 2007. Berlin: Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit, S. 21–35. Söndermann, M. (2009): Leitfaden zur Erstellung einer statistischen Datengrundlage für die Kulturwirtschaft und eine länderübergreifende Auswertung kulturwirtschaftlicher Daten. Auftraggeber Ad-hoc-Arbeitsgruppe Kulturwirtschaft der Wirtschaftsministerkonferenz vertreten durch die Länder: Baden-Württemberg, Berlin, Brandenburg, MecklenburgVorpommern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein. Online: http://w w w.bundesrat.de/DE/gremien-konf/fachministerkonf/wmk / Sitzungen/09-12-14-15-WMK/09-12-14-15-leitfaden-9,templateId=raw,property=publication File.pdf/09-12-14-15-leitfaden-9.pdf. Söndermann, M.; Backes, C.; Arndt, O.; Brünink, D. (2009): Endbericht Kultur- und Kreativwirtschaft: Ermittlung der gemeinsamen charakteristischen Definitionselemente der heterogenen Teilbereiche der „Kulturwirtschaft“ zur Bestimmung ihrer Perspektiven aus volkswirtschaftlicher Sicht. Online: http://www.kulturwirtschaft.de/wp-content/uploads/2009/02/2-kkw-de_lang­ fsg_090219.pdf.

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Prof. Dr.-Ing. Wolfgang Maßberg Zukunftsweisend: Enge Vernetzung zwischen der Kultur- und Kreativwirtschaft und öffentlich geförderten Kulturinstitutionen Der Sektor der Kultur- und Kreativwirtschaft umfasst, gemäß der Empfehlung der Enquete-Kommission „Kultur in Deutschland“ vom Dezember 2007, ausschließlich Kulturund Kreativunternehmen – Unternehmen, die sich erwerbswirtschaftlich mit der Schaffung, Produktion und Verteilung von kulturellen und kreativen Gütern und Dienstleistungen befassen (Drucksache 16 / 7000 Deutscher Bundestag, Seiten 340 ff). Öffentlich finanzierte Kultureinrichtungen, wie beispielsweise Schulen, Theater, Orchester und Museen, sollen nach dieser Interpretation nicht dazu zählen. Der vorliegende Beitrag erhebt Bedenken gegen eine solche Abgrenzung vor dem Hintergrund, dass die Human Resources, aus denen erwerbswirtschaftlich tätige Unternehmen der Kultur- und Kreativwirtschaft ihre Mitarbeiter rekrutieren, weitgehend durch von der öffentlichen Hand getragene Einrichtungen geprägt werden. Werden die genannten öffentlich geförderten Institutionen notleidend, so werden, mit einer gewissen Zeitverzögerung, auch die erwerbswirtschaftlichen Unternehmen der Kultur- und Kreativwirtschaft notleidend. Zwischen den öffentlich geförderten Bildungs- und Kultureinrichtungen und dem erwerbswirtschaftlichen Kultur- und Kreativitätswirtschaftsbereich bestehen insofern gravierende Wechselwirkungen. Kultur – Kreativität – Wirtschaft Vor dem Hintergrund der Verknüpfung der Begriffe „Kultur“ und „Kreativität“ mit dem Begriff „Wirtschaft“ erscheint auf den ersten Blick die im Bericht der Enquete-Kommission vorgeschlagene Abgrenzung zwischen öffentlich gefördertem Kulturbetrieb und erwerbswirtschaftlich orientierter Kultur- und Kreativwirtschaft verständlich: Unter „Kultur“ ist im weitesten Sinne alles zu verstehen, was nicht die Natur, sondern der Mensch gestaltend hervorbringt. Alle formenden Umgestaltungen eines gegebenen Materials sind Kulturleistungen. Sie entstehen in den Bereichen der bildenden Kunst und der



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Technik genauso wie in geistigen Feldern, in Moral, Religion, Wissenschaft und Recht (UNESCO-Konferenzberichte, Nr. 5, 1983). Der Begriff „Kreativität“ beschreibt die Fähigkeit eines Individuums oder einer Gruppe von Individuen, phantasievoll und mit zuvor noch nicht gedachten Ideen Problemlösungen zu entwickeln (Joy P. Guiford, Creativiy, American Psychologist, Vol. 5, 1950). Unter „Wirtschaft“ ist – auf den kürzesten Nenner gebracht – das Bemühen zu verstehen, die materielle Erhaltung und Sicherung der physischen Existenz des einzelnen oder einer Vielheit von Menschen zu gewährleisten, indem mit begrenzten Ressourcen auf Märkten Handel betrieben wird. Wirtschaft verfolgt das Ziel, das Spannungsfeld zwischen Bedarf und Bedarfsdeckung zu minimieren – oder, mit anderen Worten, die naturgegebene Knappheit von Gütern auf der Grundlage des Vergleichs von Kosten und Nutzen beziehungsweise von Aufwand und Ertrag zu verringern. Weder Kultur noch Kreativität allein können die materielle Erhaltung und Sicherung des Lebens eines Menschen oder einer Gruppe von Menschen gewährleisten, solange sich daraus nicht eine Nachfrage nach materiellen oder geistigen Produkten entwickelt, auf die mit entsprechenden Angeboten zu reagieren ist. Ideen und Inventionen als Produkte der Kreativität führen nur dann zu Innovationen, wenn für sie auf dem Markt eine Nachfrage entsteht, sie also praktisch umgesetzt werden können. Das gilt gleichermaßen für technische Produkte, Dienstleistungen, Prozesse, Systeme, aber auch für soziale und wissenschaftliche Interaktionen. Die Kulturwirtschaft dient somit der materiellen Erhaltung und Sicherung des Lebens der Menschen, die künstlerische und kulturelle Güter schaffen. Die Kreativwirtschaft verbindet künstlerische Ideen mit wissenschaftlicher, technologischer und innovativer Kreativität, um auf ein neues Nachfragepotenzial gewinnorientiert mit entsprechenden Angeboten reagieren zu können. Kultur dient gleichsam als Mittel zur Wertschöpfung für die Herstellung nichtkultureller Produkte.

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Öffentlich geförderte Kultureinrichtungen als Nährboden für die Kultur- und Kreativwirtschaft Die Begriffe Kultur- und Kreativwirtschaft beschreiben also einen neuen Wirtschaftssektor, dessen Wertschöpfung auf dem schöpferischen Akt künstlerisch kreativ tätiger Menschen basiert. Von daher ist nicht einzusehen, dass öffentlich geförderte Kultureinrichtungen nicht zu diesem Wirtschaftssektor zählen sollen. Es ist eine originäre Aufgabe der Schulen und Universitäten, Kreativität, künstlerische und kulturelle Kompetenz junger Menschen zu fördern. Theater, Museen und Orchester sollen Neugier auf Neues wecken. Wenn diese Nährböden für Kultur und Kreativität nicht mehr funktionieren können, weil die finanziellen Ressourcen nicht mehr ausreichen, würden der mittelständisch orientierten Kultur- und Kreativwirtschaft die Leistungsträger und die kulturellen und kreativen Produkte ausgehen, mit denen sie erfolgreich erwerbswirtschaftlich agieren kann. Darüber hinaus – wenn die Kreativität erlahmt, werden auch Innovationen und damit wissenschaftlicher und wirtschaftlicher Fortschritt erlahmen. Eine erfolgreiche Entwicklung des Sektors Kultur- und Kreativwirtschaft ist somit weithin abhängig von einer effizienten Vernetzung mit den öffentlich geförderten Kultureinrichtungen. Die Begriffserläuterung dieses neuen Wirtschaftssektors im Abschlussbericht der Enquete-Kommission „Kultur in Deutschland“ darf deshalb nicht für eine Abgrenzung zwischen öffentlich geförderten und erwerbswirtschaftlichen Unternehmen in Bezug auf die Förderungspolitik herhalten. Ein weiterer wichtiger Aspekt spricht noch für eine enge Vernetzung der öffentlich geförderten Kultureinrichtungen und der erwerbswirtschaftlich orientierten Kultur- und Kreativitätswirtschaft: Beide schaffen eine attraktive Farbigkeit und Lebendigkeit der kulturellen Szene einer Region und damit ein stimulierendes Klima für deren wirtschaftliche Entwicklung und Arbeitsmarktsituation. Eine kulturell verödende Region wird auch wirtschaftlich veröden. Sie wird wenig Chancen haben, einen erforderlichen strukturellen Wandel zu realisieren und nachhaltig Arbeitsplätze zu erhalten oder neu zu schaffen. Die Branche Kultur- und Kreativwirtschaft, die mit künstlerischen und kulturellen Gütern und mit künstlerischen Ideen – in Verbindung mit technologischer, innovativer und wissenschaftlicher Kreativität – Gewinne erzielen will, braucht ein lebendiges kulturelles Umfeld, gerade auch in Form attraktiver öffentlich geförderter Institutionen. Kulturinvestitionen sind somit immer zugleich Wirtschaftsinvestitionen.



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Im Übrigen sind auch öffentlich finanzierte Kultureinrichtungen in zunehmendem Maße darauf angewiesen, phantasievoll erwerbswirtschaftliche Aktivitäten zu entfalten, um die wachsenden Finanzierungslücken als Folge gekürzter öffentlicher Zuschüsse zu mildern. Das vielfältige Know-how eines Theaterbetriebs zum Beispiel kann sich durch entsprechenden Transfer auch für mittelständische Unternehmen, insbesondere Handwerksbetriebe, als sehr nutzbringend erweisen. In den Theaterwerkstätten haben sich traditionelle Berufe erhalten, die im Bereich der Wirtschaft schon lange ausgestorben sind. Die über solche Berufe, wie zum Beispiel den des Rüstmeisters, des Gewandmeisters oder des Plastikers, tradierten speziellen Fähigkeiten können heute für manchen Handwerksbetrieb dazu beitragen, seine Wettbewerbsposition zu stärken. Die bühnentechnische Ausstattung einer Theaterproduktion verlangt gerade unter dem zunehmenden Kosteneinsparungsdruck ein Höchstmaß an interdisziplinärer künstlerischer und technischer Kreativität. Die dabei zustande kommenden Lösungen beeindrucken immer wieder an der Realisierung beteiligte Firmen, die aus diesen Erfahrungen Vorteile für ihre eigenen Produktionsprozesse schöpfen können. Das gilt nicht nur für technisch orientierte Betriebe, sondern auch für Textil- und Modeunternehmen. Hinter den Wänden der Theaterwerkstätten verbirgt sich also ein Pool wertvollen Fachwissens, das über einen Transfer vor allem kleinen und mittleren Unternehmen des Umfeldes Auftrieb vermitteln kann. Über eine effiziente Vernetzung – und nicht eine Grenzziehung – zwischen öffentlich geförderten Kultureinrichtungen und den erwerbswirtschaftlichen Unternehmen einer Region muss sich, im Interesse einer positiven Entwicklung der regionalen Infrastruktur, eine Kultur des wechselseitigen Gebens und Nehmens entwickeln. Synergiepotentiale ausschöpfen – Ein Beispiel An einem Beispiel sei erläutert, wie erfolgreich sich Synergieeffekte für die Kreativitätsentwicklung junger Menschen aus einer engen Verzahnung von öffentlichen Bildungs- und Kultureinrichtungen mit privatwirtschaftlichem Engagement ableiten lassen: Im Rahmen eines Kooperationsprojekts „schoolmotions“ haben sich das Ballett des Theaters Dortmund, Schulen, Produktionsbetriebe und kleine Unternehmen der Kultur- und

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Kreativwirtschaft zusammengefunden. Bislang annähernd 900 Kinder und Jugendliche unterschiedlichen Alters, aus ganz unterschiedlichen Schularten der Region – die meisten davon sogenannte Brennpunktschulen mit hohem Migrationsanteil –, setzen sich im Rahmen des 2009 angelaufenen Pilotprojekts gemeinsam mit den Profitänzern des Ballett Dortmund mit vorgegebenen, vor allem aus der Sicht der Jugendlichen besonders aktuellen Themen auseinander und präsentieren die Ergebnisse ihrer kreativen Umsetzung öffentlich auf der Bühne des Opernhauses Dortmund. Das Projekt, das zu Beginn des Jahres 2011 in seine zweite Phase ging, verfolgt vielfältige Zielsetzungen: Die Schüler bearbeiten vorgegebene Themen im Rahmen zielorientierter Teamarbeit und setzen die Arbeitsergebnisse mit professioneller Begleitung in tänzerische Ausdrucksformen um. Den Schülern eröffnen sich dabei für sie ganz neue Sichtweisen auf die darstellende Kunstform Tanz. Bei der thematischen Auseinandersetzung werden Streitkultur und Toleranzfähigkeit, Selbstwertgefühl, Kreativität und Phantasie der jungen Menschen gefördert und Talente freigelegt. Für die Pädagogen der beteiligten Schulen ergeben sich neue Ansätze, die Themen der Tanz-Arbeitsgruppen fächerübergreifend zu vertiefen. Ein besonderes Ziel ist es, dabei die Integration von Schülern mit Migrationshintergrund zu unterstützen. Durch das Erlebbarmachen von Kultur wird den Schülern die Scheu vor dem institutionalisierten Kulturbetrieb genommen und die Auseinandersetzung mit den darstellenden Künsten nachhaltig gefördert. Schon bei der erstmaligen Durchführung des Projektes und dessen öffentlicher Abschlussvorstellung im Juni 2010 wurde eindrucksvoll der Nachweis für die Realisierung aller Zielsetzungen erbracht. Auch die Abschlussveranstaltung der zweiten Projektphase im Juni 2011, mit wiederum 150 jugendlichen Tänzerinnen und Tänzern, die gemeinsam mit den Profis der Ballettcompagnie auf der Opernbühne auftraten, hat das Publikum des ausverkauften Hauses begeistert. Mehrere hundert weitere Schülerinnen und Schüler, die nicht auf der Bühne präsent waren, haben in den Foyers des Opernhauses mit Ausstellungen, Dokumentationen, Kurzfilmen und Impulstheater die Besucher fasziniert und mit ihrer Kreativität und Phantasie überrascht. Viele der beteiligten Jugendlichen waren zum ersten Mal im Theater, hatten erstmalig Kontakt mit Ballett und zeitgenössischem Tanz und hatten sich



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auch erstmalig der Herausforderung gestellt, im Rahmen eines anspruchsvollen mehrmonatigen Projekts ein Ergebnis zu produzieren, das Kreativität, Teamarbeit, Einsatzbereitschaft, Verbindlichkeit und den Mut erforderte, das Ergebnis ihrer Anstrengungen auf einer großen Theaterbühne vor 1.200 Zuschauern zu präsentieren. Auch das individuelle Scheitern einzelner Schüler während des Projekts hat konstruktive Denkprozesse ausgelöst. Viele derer, die vorzeitig ihre Mitarbeit in den Tanzworkshops aufgaben, haben im Nachhinein bedauert, nicht durchgehalten zu haben, und würden zukünftig bei anderer Gelegenheit eine derartige Herausforderung annehmen. An die durch das Projekt schoolmotions gegebene Plattform lassen sich die unterschiedlichsten tanzorientierten Initiativen der Region anbinden. Ein Beispiel dafür ist die beabsichtigte Anbindung des Elevenprojekts des Ballett Dortmund, das Nachwuchstänzern eine Chance bietet, Bühnenerfahrungen zu sammeln. Der Gedanken- und Erfahrungsaustausch zwischen Schülern und Eleven aus unterschiedlichen Kulturkreisen bietet attraktive Ansätze, vorurteilsbehaftete Denkmuster zu durchbrechen und voneinander zu lernen. Tanz kann junge Menschen nicht nur begeistern, sondern auch verändern. Viele Mädchen bringen zwar eine große Affinität zum Tanz mit, oft fehlt ihnen aber der letzte Anstoß, sich jenseits bekannter Tanzrhythmen zu bewegen. Bei den männlichen Jugendlichen ist traditionell die Scheu ausgeprägter, Emotionen in tänzerischen Formen auszudrücken. Während in den Grundschulen bis zur zweiten Klasse auch Jungen noch unbefangen tanzen, setzen mit zunehmendem Alter Hemmungen ein, die bis zu einer Verweigerung von Tanz als unmännliche Bewegung führen. Wenn aber erst einmal eigene Erfahrungen ermöglicht werden, bröckeln derartige Vorurteile schnell. Umso wichtiger erscheint es, Tanz als akzeptierten künstlerischen Ausdruck des Menschen in den Schulen zu etablieren, um überholte Denkmuster zu durchbrechen. Schüler mit Migrationshintergrund erkennen, dass ihre Sprachschwierigkeiten im Tanz keine Rolle spielen, sondern dass die Sprache des Tanzes für alle gleichermaßen Neuland ist. Sie erfahren im Kontakt mit der Ballettcompagnie, dass auch dort die unterschiedlichsten Sprachen gesprochen werden, ohne dass daraus Probleme erwachsen, solange eine gemeinsame Verständigungsbasis da ist – unterstützt durch die Choreografie.

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Die Choreografie hilft auch den Schülern, sich in einer Gruppe von Akteuren zurechtzufinden. An den ihnen von der Choreografie zugewiesenen Plätzen haben sie Verantwortung für das Gelingen des Ganzen zu tragen und erfahren ihre individuelle Wichtigkeit. Die Akteure lernen auch, den Satz „das kann ich nicht“ zu ersetzen durch „das kann ich noch nicht“. Sie lernen im spielerisch-künstlerischen Prozess, dass man angesichts von Schwierigkeiten nicht zu schnell aufgeben darf, dass es sich lohnt, Probleme mehrfach anzugehen und sich nicht vorschnell zufriedenzugeben. Sie machen die wertvolle Erfahrung, dass man über die zunächst gesehenen Grenzen der eigenen Möglichkeiten hinaus wachsen kann. Wichtig ist schließlich auch die Erfahrung, dass eine künstlerische Produktion keine Nachlässigkeit erlaubt. Jeder einzelne Akteur hat sich an die Verabredungen zu halten, um dem gesamten Projekt zum Erfolg zu verhelfen. Verstößt jemand gegen die getroffene Verabredung, so wird für alle Mitakteure und viele Zuschauer sichtbar, dass er damit die Choreografie verletzt und den Gesamterfolg der Aufführung gefährdet. Deshalb bemüht sich jeder der am schoolmotions-Projekt Beteiligten um das bestmögliche Ergebnis. Der Dank ist dann der Applaus der Zuschauer. Das Wichtigste aber ist, dass die jungen Menschen nachhaltige Erfahrungen für ihr zukünftiges Berufsleben sammeln und der Kunst mit erheblich gesteigerter Aufmerksamkeit gegenübertreten. Bei allen am Projekt beteiligten Institutionen war die Überraschung groß über das hohe Maß an Kreativität, das bei den beteiligten Jugendlichen zutage gefördert wurde. Das Projekt hat zudem wichtige Brücken aufgebaut zwischen unterschiedlichen Schultypen, zwischen jungen Menschen unterschiedlicher Herkunft, zwischen Schülern, Tanzpädagogen und Profitänzern, aber auch zwischen öffentlich geförderten Kulturinstitutionen und mittelständischen Unternehmen der Region. Beispielgebend liefert es ein überzeugendes Argument für ein enges Miteinander von öffentlich geförderten Kultureinrichtungen und der Kultur- und Kreativwirtschaft (www.ballett-meets-business.de).



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Schlussfolgerung Kultur- und Wirtschaftspolitik dürfen die Wechselwirkungen zwischen den verschiedenen Akteuren im öffentlich finanzierten oder geförderten kulturellen Bereich einerseits und im Sektor der zukunftsorientierten, erwerbswirtschaftlich orientierten Kultur- und Kreativwirtschaft andererseits nicht ignorieren. Ein Gelingen des Dialogs zwischen allen Akteuren und entsprechend abgestimmte Förderinstrumente sind von entscheidender Bedeutung sowohl für ein anhaltendes Wachstum des heute bereits über eine Million Erwerbstätige beschäftigenden Sektors Kultur- und Kreativwirtschaft als auch für eine nachhaltige Stadtund Regionalentwicklungspolitik.

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Prof. Dr.-Ing. Günter Spur Innovationswirtschaft braucht Kreativität Kreativität treibt den Wettbewerb Produktionsunternehmen können ihre Wettbewerbsfähigkeit durch kreative Erschließung neuer Märkte steigern. Wachstum ist mit verstärkten Anstrengungen zur Innovation verbunden. Dabei richtet sich das strategische Kreativitätsmanagement auf alle Bereiche technologischen Wirkens und schließt nicht nur wirtschaftliche und organisatorische, sondern auch markt- und sozialbezogene Innovationsprozesse ein.¹ Marktwirtschaftlich heißt dies, dass die bloße Fähigkeit zum technologischen Wettbewerb nicht genügt. Es geht um strategische Führungsperspektiven zur Zukunftssicherung. Markterfolge werden zwar in erster Ordnung durch zielgerichtete Orientierung auf den Kunden erreicht, sind aber andererseits vom technisch-wissenschaftlichen Fortschritt abhängig. Innovationsstrategien zielen auf eine nachhaltige Stabilisierung der Produktionswirtschaft. Sie beruhen auf effizienter Nutzung der Innovationspotenziale, getrieben vom Erfindungsreichtum im praktischen Gestalten, aber zunehmend verknüpft mit den Ergebnissen wissenschaftlicher Forschung. Dabei bestimmt der technische Fortschritt durch seine komplexe Wirkung nicht nur das Sachpotenzial unserer Wirtschaftswelt, sondern er durchdringt zunehmend unsere Umwelt als Teil unserer Lebenskultur. Die mittelständische Industriegesellschaft kann mit ihren innovationsfähigen Kreativitätspotenzialen viele Probleme mit vereinten Kräften erfolgversprechend angehen, insbesondere dann, wenn eine vernetzte Infrastruktur existiert. Um die strategischen Marktziele zu erreichen, ist ein interdisziplinärer Forschungsverbund von Wissenschaft und Wirtschaft hilfreich. Ein solches nationales Innovationsprogramm müsste allerdings auch wettbewerbsfähig von einer breiten gesellschaftlichen Akzeptanz begleitet sein.



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Wandel der Produktionskultur Unsere zukünftige Innovationskultur muss eine effektivere Kooperation von Politik, Wissenschaft und Wirtschaft bewirken, um im Spitzenwettbewerb bestehen zu können. Dies bedeutet Förderung innovationsorientierter Infrastrukturen sowohl für Grundlagenforschung als auch für angewandte Forschung. Insgesamt geht es um die Intensivierung einer leistungskreativen Technologiekultur, die eine innovative und zugleich auch produktive Unruhe am Markt bewirkt.² Die Brücke zwischen wissenschaftlicher Forschung und produktionstechnischer Innovation wird durch Wissenstransfer geschlagen. Die Organisation solcher Prozesse muss letztlich auf eine Steigerung der Unternehmensproduktivität gerichtet sein. Hierzu werden kreative Führungskräfte benötigt, die vorgegebene Leitbilder motivierend umsetzen können. Dies erfordert Risikobereitschaft und gleichzeitig Verantwortungsbewusstsein, aber auch Eigenkreativität und Engagement, Durchsetzungsvermögen und Gemeinschaftsgeist. Die Entfaltung schöpferischer Kräfte lässt sich qualitativ wie quantitativ von der jeweiligen Unternehmenskultur beeinflussen. Eine auf Innovation gerichtete Unternehmensführung wird unermüdlich versuchen, Hemmnisse zur Kreativität zu beseitigen und neue Ziele zu setzen. Alles Gegenwärtige ist im Altern begriffen. Wettbewerbsfähigkeit ist zukunftsorientiert. Die Unternehmensleitung muss erkennen, welche Einflüsse dem Ziel der permanenten Innovation kontraproduktiv gegenüberstehen. Die Bedeutung von Innovationen, das problemorientierte Innovationsbewusstsein, muss als zentraler Wirkfaktor in der Technologiekultur von Unternehmen verankert sein. Die Entwicklung innovationsfördernder Organisationen beginnt mit einem zielgerichteten, vom Gedanken der Vereinfachung geleiteten Ändern vorhandener Arbeitsformen und Hierarchietiefen. Ansätze zur Optimierung finden sich nicht erst im Leistungserstellungsprozess, sondern bereits in der Aufbereitungsphase von Innovationen.

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Aufbereitung einer Kreativwirtschaft Die zunehmend vernetzte Produktionswirtschaft bleibt auf mittelständische Ideengeber angewiesen. Ohne deren innovative Kreativität ist ihre Weiterentwicklung nicht möglich. Sie bildet die Grundlage für die Innovationskultur der einzelnen Wirtschaftsbereiche. Wir müssen diese Realität noch deutlicher verarbeiten. Durch verstärkte Individualisierung der Bildungsprozesse in den einzelnen Firmen werden die schöpferische Phantasie der Begabten und damit die Fähigkeit zur freien Selbstentfaltung gefördert. In unserer fortgeschrittenen Industriegesellschaft hat sich die Einstellung zur Arbeit stark zugunsten subjektiver Kriterien verändert. Leistungsanreize, Leistungsbewertung und Förderung der Verantwortungsbereitschaft haben eine wichtige führungsstrategische Bedeutung erlangt. Fachliches Können wird eine Aufwertung in der Gesellschaft erfahren. Auch die Weiterentwicklung der Wissenschaft hängt zunehmend von der individuellen Entfaltungsmöglichkeit ab. Gefordert wird nicht nur Kompetenz, sondern auch kreatives Denkvermögen und Überzeugungskraft zur Durchsetzung innovativer Prozesse. Es kommt auf das Können an, was noch mehr ist als Wissen. Die Leistungsfähigkeit von Wissenschaft und Wirtschaft lebt vom kreativen Gestaltungsvermögen der Menschen. Die Eliten sind die Gewinner dieser Entwicklung.³ Obwohl individuell geprägt, ist das soziale Umfeld kreativer Wechselwirkungen unverzichtbar. Die Technikgeschichte lehrt uns, dass die Entfaltung des schöpferischen Geistes vom kulturellen Reifegrad der Gesellschaft, also auch von ihrem Zeitgeist, gefördert oder gehemmt werden kann. Die technologisch vernetzte Produktionswirtschaft verkörpert durch Erzeugen, Formen und Verteilen von Energie, Material und Information die nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten eingeleitete und ausgeführte Wandlung unseres Lebensraums und damit auch des Lebens in ihm. Technologische Kreativität ist im Wesen des menschlichen Seins verwurzelt. Sie gibt die Möglichkeit, Ideen zur Veränderung der Lebenswelt umzusetzen. Ihre Anschlusswirkung hat das Sachpotenzial der Arbeit verändert, hat eine eigenständige Arbeitswelt entwickelt. Das steigende Interesse der Öffentlichkeit an der Gestaltung einer neuen Arbeitswelt führt zu einem Erwartungsdruck gegenüber technologischen Innovationen und damit auch der Forschung. Allen daran Beteiligten wird zunehmend die gesellschaftliche Verantwortung der Folgen ihres Handelns bewusst. Das betrifft besonders die mittelständische Produktionswirtschaft, deren technische, wirtschaftliche und soziale Bedingungen künftig noch mehr an Bedeutung gewinnen werden.



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In dem Maße, wie kreative Anschlusswirkungen sowohl unsere Arbeitswelt als auch unsere Umwelt zweckbestimmend beeinflussen, ist es für die Akzeptanz neuer Technologien notwendig, den gesellschaftlichen Diskussionsprozessen zur Neuorientierung der Produktionswirtschaft große Aufmerksamkeit zu widmen. Mittelständische Zulieferbetriebe prägen als Netzwerk die Entwicklung der Innovationspotenziale. Innovationen sind kein Luxus, sondern haben für den Fortbestand der Industriegesellschaft eine Schlüsselfunktion. Sie bieten Gestaltungsfreiheit und Eigenverantwortlichkeit, verschaffen Selbstbestimmung und Anerkennung. Sie entwickeln sich dort, wo fachliches Können und menschliche Qualität des Einzelnen gleichermaßen Achtung finden. Es ist die Motivation, die den Menschen ermutigt und antreibt, sein Bestes zu geben. Die strategische Innovationsforschung zielt auf eine schnelle Erschließung von Innovationspotenzialen durch kooperatives und simultanes Entwickeln, Produzieren und Vermarkten mit dem Ziel, die Umsetzungszeit für Innovationen weiter zu verkürzen. Dazu ist auch eine verstärkte Kooperation zwischen Unternehmen, Instituten und Forschungseinrichtungen erforderlich. Der Wissenstransfer ist sowohl Bringschuld der Wissenschaft als auch Holschuld der Wirtschaft. Es gilt, den Prozess der Innovationsaufbereitung zu beschleunigen und den Druck zur Umsetzung des Neuen zu erhöhen. Erfolgreiches Innovationsmanagement muss sich neben dem Aufbau von Innovationspotenzialen auch mit Innovationsbarrieren als Ursache des Misserfolgs auseinandersetzen. Es muss der Frage nachgehen, was die Innovationsfähigkeit behindert. Gesellschaftliche Herausforderungen Die tiefgreifende Wirkung neuer Innovationskulturen wirft auch kritische Fragen auf. Können wir den technologischen Entwicklungsprozess in seiner steigenden Komplexität noch beherrschen, verändert sich das geltende gesellschaftliche Wertesystem gegen die Interessen des Individuums? Lassen sich die Wertesysteme und Vorstellungen über Lebensformen in den verschiedenen Kulturkreisen der Welt harmonisieren?

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Rational entwickelte Innovationssysteme werden von der Gesellschaft emotional erlebt. In ihrer globalen Wirkung stellen sie einen dynamischen Potenzialgradienten dar, der die Märkte beeinflusst. Bei hoher Marktbeherrschung entwickelt sich ein Weltgefühl von technologischer Macht, aber auch von Angst vor Missbrauch. Technologische Innovationen basieren auf den Lebensgesetzen der Natur. Offen bleibt die Frage, an welchem Gesellschaftsbild sich eine technologische Innovationskultur orientieren soll. Können die globalisierten Märkte mit unterschiedlichen Industriekulturen auf Dauer mit unterschiedlichen Innovationstechnologien bedient werden? Die Innovationswirtschaft der Welt entwickelt sich eigendynamisch aus kulturell unterschiedlich geprägten Kreativitätspotenzialen. Die informationstechnisch verknüpften Wissenspotenziale der Welt öffnen neue Möglichkeiten zur kreativen Entfaltung des Individuums in einer Weise, die das bisher Vorstellbare übertrifft. Das Innovationspotenzial der Welt erzwingt einen Wandel der Welt. Die Zukunft gehört all denen, die über vernetztes Wissen und Können verfügen, um im Wettbewerb der innovationsstarken Wirtschaftssysteme zu bestehen. Die Menschen haben als evolutionäres Produkt kreativer Kunstfertigkeit über Jahrhunderte eine lebensgestaltende Innovationskultur entwickelt. Die Technik der Zukunft wird über das Objekthafte mehr und mehr hinausgehen. Ihr Selbstverständnis will mehr als Berechenbarkeit und Instrumentalität sein. Ihre Forschung darf kritischen Fragestellungen nicht ausweichen. Die Entwicklung der Innovationskultur ist sowohl inhaltlich als auch methodisch Forschungsgegenstand der Technikwissenschaften, wobei ihre multidisziplinäre Komplexität zu beachten ist. Durch die sozio-technische Vernetzung sind technologische Innovationen auch Träger gesellschaftlicher Wandlungsprozesse, die Handlungspotenziale in Wirtschaft und Politik beeinflussen.



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Die globale Dynamik des Wettbewerbs der Produktionswirtschaft führt zu einem Paradigmenwechsel der Produktionstechnik. Die „Neue Fabrik“ ist ein Produkt des globalen Wettbewerbs. Sie kombiniert Wertschöpfung mit Beschäftigung. Sie bewirkt eine bewusst eingeleitete Veränderung der produktionswirtschaftlichen Arbeitswelt. Ein solcher Wandel verändert die gesellschaftliche Position der Produktionswissenschaften und fordert zu Fragen nach einem neuen Selbstverständnis heraus. Digitalisierung der Innovationsplanung Produktionsinnovationen werden immer mehr das Produkt wissenschaftlich-technisch vernetzter Kreativpotenziale. Deren schöpferische Dynamik bewirkt im Wechselspiel mit praktischem Wissen und Können einen globalen Innovationsdruck auf die Entwicklung der Produktionswirtschaft. Die Kreativität des Erfindens ist heute zunehmend in eine durch schnell verfügbares Wissen bestimmte technologische Gesamtentwicklung eingebettet. Durch das komplexe Eindringen der Informationstechnik in alle Wissensgebiete hat der schöpferische Geist des Menschen Entwicklungsmöglichkeiten erhalten, die alle bisherigen Vorstellungen übertreffen. Als Folge dieser Kreativität entstehen virtuelle Systeme, die über digitale Modelle in einer Hilfswelt zur Natur betrieben werden können. Die Geschwindigkeit des technischen Fortschritts ist vom Kreativitätsdruck der jeweiligen Wissenskapazität abhängig. Die Digitalisierung realer Welten basiert in hohem Maße auf schöpferischen Fähigkeiten. Sie ist auch das Ergebnis einer sich dynamisch entwickelnden mentalen Kunstfertigkeit des Menschen. Es handelt sich dabei um eine überwiegend rationalsystematisch geprägte Kreativität gepaart mit einem unverzichtbaren realen Bezug. Die zukünftigen Entfaltungsmöglichkeiten virtueller Gestaltungsmittel sind immens und schwerlich voraussehbar. Die Ingenieurkunst bedient sich zunehmend einer hochqualifizierten Modellierungstechnik, um durch Simulation die Realität des Zukünftigen mit möglichst geringem Risiko gegenwärtig zu erfahren. Eine solche Virtualisierung des Geplanten erfordert allerdings einen großen Aufwand und macht auf Dauer nur dann Sinn, wenn sie an ihrer wirtschaftlichen Wirkung gemessen werden kann. Die Digitalisierung der Innovationsplanung treibt zu digitalen Investitionen und schiebt die zielgerichtete Kreativitätspotenziale als Innovationskeil in den Markt.

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Man muss davon ausgehen, dass die Medien mehr und mehr in die Abgeschlossenheit der Wissenschaftswelt eindringen. Voraussetzung ist sicherlich mehr Grundverständnis für Wissenschaft und Technik sowie ein offener Dialog mit den Medien. Die Sprache der Ingenieure muss aus dem Dunstkreis der engen Fachterminologie heraustreten. Sicherlich gibt es weiterhin das Bedürfnis nach Schutz für eine individuelle Kreativitätskultur, jedoch ist bei der Schnelligkeit des technologischen Wandels auch in dieser Hinsicht ein Wandel zum Kollektiv eingetreten. Innovationskulturen entstehen heute nicht nur aus dem Kreativitätspotenzial einzelner Unternehmen, sie sind auch das Ergebnis einer neuen Qualität von digital vernetzten Handlungssystemen global agierender Konzerne.⁴ Literatur 1

Spur, G.: Aufbruch zu neuer Technologiekultur. ZWF 95 (2000) 1–2, S. 6–7.

2

Spur, G.; Eßer, G.: Innovation, Produktion und Management. Carl Hanser Verlag, München Wien 2008.

3

Spur, G. (Hrsg.): Wachstum durch technologische Innovationen. Beiträge aus Wissenschaft und Wirtschaft (acatech diskutiert). IRB-Verlag, Stuttgart 2006.

4

Jaworski, J.; Zurlino, F.: Innovationskultur: Vom Leidensdruck zur Leidenschaft. Campus Verlag, Frankfurt a.M. 2009, S. 51.



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III. KULTUR- UND KREATIV WIRTSCHAFT AUS SICHT DER WIRTSCHAFT

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Anton F. Börner Kultur- und Kreativwirtschaft – ein großes Plus des Wirtschaftsstandorts Deutschland Die Kultur- und Kreativwirtschaft ist derzeit in aller Munde. Überall wird man mit dem Begriff Kultur- und Kreativwirtschaft konfrontiert, der auf den ersten Blick etwas verwirrend wirken kann. Unter den Begriffen Kultur und Kreativität kann sich schnell ein jeder etwas vorstellen und noch schneller assoziieren, doch die Verbindung zur Wirtschaft fällt vielen sehr viel schwerer. Hier sind wir sogleich an der Krux des Problems angelangt: Solange es schwerfällt, die selbstverständliche Verbindung zwischen Kreativität und der wirtschaftlichen Bedeutung für den einzelnen Künstler, aber auch den Wertschöpfungsbeitrag für unsere Wirtschaft herzustellen, so lange wird dieser Branche die ihr zustehende Aufmerksamkeit nicht zuteilwerden. Der folgende Beitrag soll dazu dienen aufzuzeigen, was diese junge Branche ist und wie ihr geholfen werden kann, damit ihr zukünftig die gesellschaftliche, aber auch politische Aufmerksamkeit zukommt. Was ist Kultur und Kreativwirtschaft? Es existieren verschiedene Definitionen zu dem Begriff Kultur- und Kreativwirtschaft, die allgemein herangezogen werden. Vorliegend wird auf die Definition abgestellt, die im Forschungsbericht des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie (BMWi) aus dem Jahre 2009 und im Schlussbericht der Enquete-Kommission „Kultur in Deutschland“ aus dem Jahr 2007 verwendet wird. Hier heißt es, dass unter Kultur- und Kreativwirtschaft diejenigen Kultur- und Kreativunternehmen erfasst werden, welche überwiegend erwerbswirtschaftlich orientiert sind und sich mit der Schaffung, Produktion, Verteilung und / oder medialen Verbreitung von kulturellen / kreativen Gütern und Dienstleistungen befassen. Ich plädiere dafür, eine einheitliche Definition zu verwenden. Gerade in der öffentlichen Diskussion ist es wichtig, eine genaue Vorstellung über die Teilmärkte der Branche zu erlangen. Eine klare Bezeichnung der Branche ist zum Beispiel notwendig, um über Kennzahlen die wirtschaftliche Entwicklung abzulesen und hieraus auch Schlussfolgerungen und Handlungsempfehlungen geben zu können. Dies ist für jede Branche wichtig, für eine Branche, deren Schwerpunkt kulturelle und kreative Güter und Dienstleistungen bilden und



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daher kraft Natur der Sache bunte und schillernde Assoziationen hervorrufen, umso mehr. Auch damit insbesondere kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) profitieren – zum Beispiel bei Kreditverhandlungen –, bedarf es einer Einheitlichkeit. Zugleich fällt auf, dass die Branche wegen der Heterogenität der elf Teilmärkte und der großen Spannbreite zwischen Kleinstbetrieben und Großunternehmen schwer zu fassen ist. Dies stellt eine Herausforderung bei möglichen Handlungsempfehlungen für die Branche dar. Vorliegend wird versucht, insbesondere auf die KMU abzuzielen. Gesamtwirtschaftliche Bedeutung 2009 betrug der Beitrag der Kultur- und Kreativwirtschaft zur gesamtwirtschaftlichen Wertschöpfung rund 63 Milliarden Euro, das heißt einen Anteil von 2,6 Prozent am Bruttoinlandsprodukt. Einen Vergleich mit der Automobilindustrie oder chemischen Industrie muss die Branche daher nicht scheuen. Vergleiche zeigen den bereits jetzt hohen Stellenwert der Branche und deren gesamtwirtschaftliche Bedeutung. Rund eine Million Erwerbstätige sind in Deutschland in der Kultur- und Kreativwirtschaft tätig. Diese Fakten sind in der öffentlichen Meinung noch nicht hinreichend bekannt. Der Grund hierfür kann in der schon angesprochenen Struktur der tragenden Unternehmen liegen. Die Klein- und Kleinstunternehmen erzielten 2008 circa 43 Prozent des Umsatzteils am Branchenumsatz gegenüber den Großunternehmen, die 41 Prozent erzielten. Die mittelständischen Unternehmen erreichten einen Wert von 16 Prozent. In den vergangenen Jahren waren die Kleinunternehmen mit einem Umsatzplus von circa elf Prozent der wichtigste Wachstumsträger der Branche. Eine positive Prognose unterstellend wird in den kommenden Jahren der Anteil der mittelständischen Unternehmen daher zunehmen. Dies ist in meinen Augen für die „positive“ Vermarktung der Branche erfreulich. Der Mittelstand ist der Motor für Wachstum und Beschäftigung und letztlich auch den Wohlstand in Deutschland. Die Zugehörigkeit zum Rückgrat der deutschen Wirtschaft ist etwas, womit die Branche Kultur- und Kreativwirtschaft werben muss.

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Handlungsempfehlungen Aus dem Dargestellten lassen sich einige allgemeine Handlungsempfehlungen für die sehr heterogene Branche ableiten. Diese beziehen sich insbesondere auf die KMU. Fokus Gesamtwirtschaftliche Bedeutung Die gesamtwirtschaftliche Bedeutung der Branche muss stärker in den Fokus der öffentlichen Debatte gestellt werden. Deutschland ist als Land der Subsystemoptimierer bekannt und prädestiniert für Problemlösungen. Gerade bei der Lösung von Schnittstellenproblemen sind wir gut aufgestellt und hochgradig spezialisiert. Unsere weltweit marktführenden Mittelständler sind „Subsystemoptimierer“ im besten Sinne des Wortes und dadurch Effizienzweltmeister. Hier gibt es genügend Anknüpfungspunkte für eine Branche, die z. B. auch die Sparte Software beinhaltet. Zukünftig wird es weltweit ein Mehr an Effizienz, Ressourceneffizienz und Klimaeffizienz bedürfen. Jede Branche ist daher gefragt, den Effizienzweltmeister Deutschland unter Beweis zu stellen. Stärkung in Politik und Gesellschaft Neben der verstärkten gesamtwirtschaftlichen Wahrnehmung der Branche bedarf es einer weiteren Stärkung der bereits vorhandenen Instrumentarien durch die Politik. Die Initiative der Kultur- und Kreativwirtschaft der Bundesregierung mit dem zugehörigen Internetportal ist ein gelungener Schritt in die richtige Richtung. Das Kompetenzzentrum des RKW mit den Regionalbüros als Teilbereich dieser Initiative ist geeignet, um gerade die Klein- und Kleinstunternehmer anzusprechen und „Best-Practice“-Beispiele zu entwickeln. Der ehemalige Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle hat die Kultur- und Kreativwirtschaft zu einem der Schwerpunkte der Außenwirtschaftsoffensive gemacht. Ziel ist es, den Export kultureller und kreativer Produkte und Dienstleistungen zu steigern und die Potenziale der deutschen Kultur- und Kreativwirtschaft im Ausland noch besser bekanntmachen. Dazu wird u. a. das bestehende Instrumentarium der Außenwirtschaftsförderung stärker für die Unternehmen der Branche geöffnet und das Kompetenzzentrum Kultur- und Kreativ-



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wirtschaft des Bundes eng eingebunden. Es bleibt zu wünschen, dass der neue Wirtschaftsminister Dr. Philipp Rösler die Außenwirtschaftsoffensive weiterverfolgt und die beteiligte Wirtschaft und die Verbände stärker in die Prozesse integriert. Weiterhin ist die Branche prädestiniert, die Binnenkonjunktur zu stärken. Dies liegt u.a. daran, dass die Branche wenig exportiert. Die Stärkung der Binnenkonjuktur ist kein Widerspruch zur außenwirtschaftlichen Leistungsfähigkeit. Beide Sachverhalte können sich ergänzen, dies wird sich auch an dieser Branche zeigen. Wichtig ist es aber auch, die Kultur- und Kreativwirtschaft als ein großes Plus des Wirtschaftsstandortes Deutschland zu betrachten. Deutschland ist ein Land mit enormer Innovationskraft. Wir liegen bei der Zahl der Patentanmeldungen international mit an der Weltspitze. Innovative Produkte entstehen zum Beispiel im Bereich der Umwelttechnik. Zukunftsweisend ist auch die Entwicklung neuer Technologien. Rahmenbedingungen schaffen, insbesondere Finanzierung sicherstellen Für die Branche müssen geeignete Rahmenbedingungen geschaffen werden. Dies ist vor dem Hintergrund der dargestellten Heterogenität nicht pauschal zu beantworten. Die Deutsche Bank Research hat jedoch in ihrem Bericht „Kultur- und Kreativwirtschaft“ im Frühjahr dieses Jahres die latente Unterfinanzierung in weiten Teilen der Branche als eines der größten Wachstumshemmnisse ausgemacht. Aus der Branche ist zu vernehmen, dass oftmals insbesondere Hausbanken davor zurückschrecken, Kredite an Kreative zu vergeben. Viele Banken haben Schwierigkeiten, kreative Geschäftsideen zu bewerten. Es gibt jedoch, gerade über die KfW Bankengruppe, zahlreiche speziell zugeschnittene Förderprodukte, die in der Branche offensichtlich noch nicht ausreichend bekannt sind. Ein erleichterter Zugang zu Fördermitteln muss zukünftig möglich sein.

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Eine weitere Forderung, die die gesamte Branche betrifft, ist es, diese von bürokratischen Bürden zu befreien. Der Vorstoß Enquete-Kommission „Kultur in Deutschland" über eine Strukturreform der Künstlersozialkasse zu diskutieren, war ein richtiger Schritt. Selbstverständlich müssen Künstler renten-, kranken-, und pflegeversichert sein. Dennoch ist zum Beispiel das komplizierte Abgabeverfahren sowohl aus Sicht der Künstler als auch aus Sicht der Unternehmen dringend einer Reform zu unterziehen. Für den Wirtschaftsstandort Deutschland Um Deutschlands Wettbewerbsfähigkeit auch in Zukunft zu sichern, müssen wir auf zukunftsfähige Innovationen setzen. Deutschland darf nicht als Land der „hidden innovations“ gelten, sondern muss den Ruf als Land der Ideen in Europa und der Welt sichern. Es müssen daher die Rahmenbedingungen geschaffen werden, dass Innnovationen gefördert werden und schneller auf den Markt kommen.



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Michael Sommer „Gute Arbeit“ für die Kultur- und Kreativwirtschaft Es gibt kein einheitliches Verständnis davon, was unter Kultur- und Kreativwirtschaft zu fassen ist. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie zählt, ebenso wie die statistischen Ämter, folgende Branchen zur Kulturwirtschaft: Musikindustrie, Buchhandel, Kunstmarkt, Filmwirtschaft, Rundfunk, Presse, darstellende / bildende Künste, Modemarkt, Designwirtschaft, Architektur, Werbung, Softwareindustrie, IT-Dienstleistungen. Welche Kriterien erfüllt sein müssen, um unter die Zuschreibung einer kreativen oder kulturellen Tätigkeit zu fallen, bleibt hierbei offen. Zum Beispiel ist es nur schwer nachzuvollziehen, warum Architekten und Programmierer unter die statistische Definition fallen, aber keine Ingenieure aus der Automobilindustrie, die ebenso gestalterisch tätig sind. Neben der uneindeutigen Bewertung einer kreativen Tätigkeit wird an diesem Beispiel aber noch eine Besonderheit der statistischen Erhebung deutlich: Sie konzentriert sich in einigen Teilbranchen zur Berechnung der Beschäftigten auf das kulturelle Profil des Unternehmens. Demnach würde der erwähnte Ingenieur unter die Definition fallen, wenn er in einer „Beratungs“-Agentur mit gestalterischem Profil arbeiten würde. Viele dieser kreativen Tätigkeiten waren vor einigen Jahren noch in die klassische Arbeitsorganisation der Unternehmen eingebunden, wie die des Ingenieurs. In den vergangenen drei Jahrzehnten sind die beratenden und gestaltenden Dienstleistungsarbeitsplätze in Agenturen verlagert oder einfach „freien“ Honorarkräften übertragen worden. Diese Entwicklung verstärkte die „Sichtbarkeit“ der Branche und somit auch die Aufmerksamkeit der Politik. Potenziale und Besonderheiten der Misch-Branche Die Kultur- und Kreativwirtschaft ist von kleinen und mittleren Unternehmen dominiert, was daran deutlich wird, dass sie 7 Prozent aller Unternehmen in Deutschland stellt, aber nur 3 Prozent aller Arbeitsplätze. Seit 2004 sind in Deutschland jährlich zwischen 10.000 und 30.000 neue Arbeitsplätze in der Kultur- und Kreativwirtschaft entstanden. Die hohen Wachstumsraten der Branche sorgen trotz gesamtwirtschaftlicher Krisen seit circa zehn Jahren füreinbemerkenswertesInteressederPolitikanderKultur-undKreativwirtschaft.Kommissionen, Initiativen, Programme und Berichte werden inzwischen von Bund, Ländern und der europäischen Union eingesetzt und erstellt.

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Die Kultur- und Kreativwirtschaft besitzt aber auch Synergieeffekte für das Wachstum anderer Wirtschaftszweige. Gerade in den von der Kulturwirtschaft sehr geprägten Metropolen wie Berlin ist die kreative Szene und ihre Dienstleistungen ein Magnet für den Tourismus. Auch die Wissenschaft profitiert von den praktischen Innovationspotentialen der Kulturwirtschaft, was an zahlreichen Kooperationen zwischen Lehrstühlen und Agenturen für Produktdesign und Softwareentwicklung zu erkennen ist. Die Bedeutung kreativer Arbeit ist nicht nur für Produkte und Dienstleistungen gestiegen, sondern auch für regionale Räume, weil Stifter, Sponsoren und häufig auch andere Industrien den Kreativen nachziehen. Auch deshalb bemüht sich die Politik um die Beachtung und Förderung dieser Mischbranche und schätzt ihre zukünftigen Wachstumspotenziale auf noch weitere 500.000 Arbeitsplätze in Deutschland. Die Wachstumseffekte sind aber zwischen den Teilbranchen sehr unterschiedlich. Ein Drittel der kulturwirtschaftlichen Arbeitsplätze ist in der IT-Industrie angesiedelt. Diese neue Branche wächst seit Jahren mit zweistelligen Raten. Sie verdrängt herkömmliche Medien, Industrien (z.B. Druck) und Dienstleistungen und schafft dafür die neuen flexiblen Arbeitsstrukturen, die für die Kulturwirtschaft typisch sind. Andere Teilbranchen, wie Filmwirtschaft, Buchmarkt und Architektur, stagnieren, nehmen ab oder sind Schwankungen entsprechend der konjunkturellen Lage (Architektur) ausgesetzt. Insofern vernachlässigt eine Gesamtbeurteilung der Kultur- und Kreativwirtschaft immer die Potenziale und Besonderheiten der Teilbranchen. Zum Beispiel hat der Kunstmarkt zwar die geringste Beschäftigungsintensität, aber die am stärksten gestiegenen Produktrenditen. Er boomte in den vergangenen Jahren parallel zu den Finanzmärkten, weil er ähnlich lukrative Anlageobjekte bereithielt. Doch hier kamen die Gewinne für die Kunstwerke weniger bei den Künstlern selbst an als bei Auktionären, Zwischenhändlern und Galeristen. Die Arbeitsbedingungen in der Kultur- und Kreativwirtschaft Die Unterschiedlichkeit der einzelnen Teilbranchen macht eine politische Gesamtbewertung und Regulierung der Branche schwierig. Nicht nur die Unternehmensformen, auch der Beschäftigtenstatus unterscheidet sich sehr stark zwischen den Teilbranchen. Ein Viertel aller Beschäftigten zählt zu den Freiberuflern und ein weiteres Viertel zu den Minijobbern. Der Anteil der beschäftigten Praktikanten ist im gesamtwirtschaftlichen Vergleich überdurchschnittlich hoch. Selbstständige bildende Künstler besitzen die prekärsten



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Arbeitsplätze in der Kulturwirtschaft. Ihr Durchschnittseinkommen in Deutschland liegt bei 11.000 Euro im Jahr und 15 bis 20 Prozent von ihnen verzichten aus Kostengründen auf eine Krankenversicherung. Somit ist das einigende Merkmal der Branche ihr überdurchschnittlich hoher Anteil an prekären beziehungsweise unsicheren Beschäftigungsverhältnissen. Diese Arbeitsbedingungen werden nicht nur von den Gewerkschaften als Hauptproblem gesehen. Eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung aus dem Jahr 2009 belegte, dass ein Drittel der Solo-Selbstständigen in der Kultur- und Kreativwirtschaft kein existenzsicherndes Einkommen erzielt. Selbst in der noch vergleichsweise profitablen Teilbranche der Softwareentwicklung bekommt immer noch ein Viertel der Beschäftigten kein existenzsicherndes Einkommen. Hier greift der Staat mit aufstockenden Hartz-IV-Bezügen ein und subventioniert damit indirekt die Unternehmen der Branche. Eine Lebensplanung ist in diesen radikal flexibilisierten Arbeitsverhältnissen kaum möglich, und für die sozialen Folgekosten der Altersarmut und Arbeitslosigkeit muss letztlich die gesamte Gesellschaft aufkommen. Es mag für viele Unternehmen der Branche äußerst lukrativ sein, derartig vereinzelte und flexible Arbeitskräfte zu beschäftigen, aber unsozial ist es allemal. Es wird nun Zeit, dass die von dieser Arbeitsorganisation profitierenden Unternehmen ihren Beitrag zur Sicherung der Sozialsysteme leisten. Die Reform der Künstlersozialkasse (KSK) im Jahr 2007 war ein erster Schritt, um die Unternehmen wieder stärker in die Pflicht ihrer sozialen Verantwortung zu nehmen. Die freischaffenden Kreativarbeiter besitzen eine hohe Mobilität und Unabhängigkeit vom Wohn- und Arbeitsort, denn sie brauchen für ihre Tätigkeit häufig nur einen Laptop. In Berlin treibt es sie schon aus dieser Einsamkeit an mietbare Schreibtische zum Co-Working. Kreative Arbeit wird heute fast ausschließlich nur noch als Projektarbeit, als temporär befristete Auftragsarbeit betrieben. Das hat massive Auswirkungen auf die gesamten Arbeitsbedingungen der Branche, zum Beispiel der Verwaltungskräfte. Die fehlende betriebliche Integration macht viele Freiberufler auch angreifbarer. Sie sind dem willkürlichen Kostendruck ihrer Auftraggeber ausgesetzt, arbeiten oft als „Tagelöhner“ nach Auftragslage für ein völlig ungeregeltes Honorar, das selten Raum für Leistungen zur sozialen Absicherung lässt – von Urlaubsansprüchen oder sonstigen Zusatzleistungen wie Weihnachtsgeld etc. ganz zu schweigen. Die prekäre Situation der Kreativarbeiter beruht auf diesem informellen Arbeitsstatus, aus dem aber trotzdem rechtliche Ansprüche abgeleitet werden können.

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Eine gemeinsame Arbeitnehmerinteressenvertretung ist unter diesen Voraussetzungen schwer zu organisieren, aber nicht ausgeschlossen, wie man an den Erfolgen des Beratungsnetzes Mediafon (http://www.mediafon.net) sieht. Die Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di hat dieses Angebot extra für Solo-Selbstständige eingerichtet und die Nachfrage ist groß. Dass Selbstständige der Kreativwirtschaft eine schlagfertige Interessenvertretung gründen können, hat uns auch der Drehbuchautorenstreik in Hollywood Ende 2007 vor Augen geführt. Die Autoren streikten für gerechte Tantiemen bei der Wiederverwertung ihrer Produkte. Sie haben damit nicht nur eine Oscar-Verleihung gefährdet, sondern auch immense Einnahmeverluste der Studios verursacht und Teile der Filmindustrie bis nach Europa lahmgelegt. Ihr Arbeitskampf war erfolgreich. Natürlich sind die Voraussetzungen in Hollywood keinesfalls mit europäischen oder deutschen Verhältnissen vergleichbar. Aber nach Jahren des Verzichts verschwindet auch hierzulande in der Kulturwirtschaft der Glanz des freien, „hippen“ Kreativarbeiters vor der sozialen und wirtschaftlichen Realität seiner Tätigkeit. Gute Arbeit für die Kreativen Es ist Zeit, Arbeitsbedingungen in der Kultur- und Kreativwirtschaft zu schaffen, die den gewerkschaftlichen Kriterien „Guter Arbeit“ entsprechen. Ausufernde Flexibilität, Selbstausbeutung und fehlende soziale Absicherung sind keine schillernden Phänomene moderner Zeiten – ganz im Gegenteil, es sind Relikte des frühen Kapitalismus. Zur Schaffung von „Guter Arbeit“ in der Kultur- und Kreativwirtschaft sind primär folgende Schritte vonnöten: ◼◼

Das Arbeitsrecht muss stärker an die wechselnden Beschäftigungsverhältnisse in der Branche angepasst werden.

◼◼

Das Urheberrecht muss effektiv vor geistigem Diebstahl schützen – nicht nur in Hinblick auf die fortschreitende Digitalisierung. Vielmehr müssen kreative Ideen und Produkte angemessen in Wertschöpfung verwandelt werden können, damit die Produzenten auch nachhaltig von ihrer Arbeit leben können. Der Schutz des geistigen Eigentums ist gerade in der Kultur- und Kreativwirtschaft von elementarer Bedeutung.

◼◼

Die Privatisierung öffentlicher Kultureinrichtungen (Musikschulen, Bibliotheken, Orchester, Theater) muss gestoppt werden und teilweise rückgängig gemacht werden, denn sie forciert den Lohndruck zu Lasten der Beschäftigten.

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Ausstellungshonorare müssen im Kunstmarkt eingeführt werden. Schließlich sind sie



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im Literaturbetrieb, bei Konzerten und anderen künstlerischen Darbietungen die Regel. ◼◼

Dem Honorardumping bei kreativen Freiberuflern muss mit geschützten (Mindest-) Honorarsätzen Einhalt geboten werden.

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Solange die Sozialsysteme die Kreativarbeiter nicht vollständig abdecken, wäre es sinnvoll, einen Sozialfonds einzurichten, der von denjenigen gespeist wird, die Aufträge an kreative Freiberufler vergeben, damit nicht später die sozialen Folgekosten von der Allgemeinheit bezahlt werden müssen.

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Der vermehrten Einstellung von Praktikanten als Niedriglohnkräfte in der Branche muss mit gesetzlichen Regelungen begegnet werden, die Dauer des Praktikums und Höhe der Vergütung regeln.

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Verbundgemeinschaften zur Ausbildung müssen in der Branche stärker gefördert werden, da die durchschnittlich kleine Betriebsgröße eine höhere Ausbildungsquote verhindert.

Die Produkte und Dienstleistungen der Kultur- und Kreativbranche sind gegenwärtig gefragter denn je. Sie bilden ein großes Innovationspotential und zugleich gelten sie und ihre Produzenten als Aushängeschilder für das kulturelle und geistige Niveau der gesamten Gesellschaft. Es ist nun an der Zeit, Bedingungen für die Branche zu schaffen, die den Beschäftigten Sicherheit bieten. Kreative Arbeit entsteht nicht aus der Not, ganz im Gegenteil. Sie muss gut honoriert sein und darf nicht Freiheit mit Flexibilität verwechseln. Schließlich prägt die Kultur- und Kreativwirtschaft wie kaum eine andere Branche die gesellschaftliche Öffentlichkeit.

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Dr. Alexander Tesche Kultur- und Kreativwirtschaft – Chance oder Irrweg für den deutschen Mittelstand? Nach Angaben der Bundesregierung hat sich die Kultur- und Kreativwirtschaft entgegen dem Trend der anderen Wirtschaftszweige in den vergangenen Jahren stets positiv entwickelt. Die Wirtschafts- und Finanzkrise der Jahre 2008 und 2009 ist an ihr nahezu spurlos vorbeigegangen. Die Bundesregierung führt in ihrer Pressemitteilung zur Jahrestagung 2009 der Initiative Kultur- und Kreativwirtschaft aus, dass diese Dynamik vor allem auf das Konto der Klein- und Kleinstunternehmen dieser Branche gehe. Es wird deshalb empfohlen, Förderprogramme für den Mittelstand für diese Einheiten zu öffnen. Entgehen dem Mittelstand damit Chancen oder wird ihm sogar geschadet, wenn Klein- und Kleinstunternehmen, Selbstständige und freischaffende Künstler ins Visier der Förderer rücken? Oder hat der Mittelstand überhaupt eine Chance in der Kultur- und Kreativwirtschaft, und wie könnte er die Chancen nutzen? Im Folgenden soll versucht werden, hierauf einige Antworten zu finden. Zunächst ist der Begriff Kultur- und Kreativwirtschaft zu klären. Während jedes erfolgreiche und dynamische Unternehmen kreativ sein muss, um am Markt zu bestehen, ist es nicht zwingend im kulturellen Sektor tätig. Unverändert gibt es keine Eindeutigkeit, welche Branchen zur Kultur- und Kreativwirtschaft zählen. Bundesländer, Bundesregierung und Europäische Union verwenden teils ähnliche, aber nicht gleiche Definitionen. Für Zwecke dieses Beitrages soll die von der höchsten Stufe, der Europäischen Union, verwendete Definition zugrunde gelegt werden. Mit Verordnung vom Dezember 2001 wurde zuletzt die „Nomenclature Statistique des Activités Économiques dans la Communauté Européenne“, kurz NACE, geändert und definiert. Nach ihr gehören zur Kultur- und Kreativwirtschaft die folgenden Branchen:



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das Verlagsgewerbe mit Buch- und Musikverlagen

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die Filmwirtschaft

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die Rundfunkwirtschaft

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die Musik, die visuelle und die darstellende Kunst

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Journalisten und Nachrichtenbüros

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Museumsshops und Kunstausstellungen

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Einzelhandel mit Kulturgütern, insbesondere Musik, Bücher, Galerien und Kunsthandel

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Architekturbüros

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die Designwirtschaft, einschließlich des Fotografiegewerbes

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die Werbung und

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alle Unternehmen, die Software und Games produzieren bzw. entwickeln.

Diese breite Palette gilt es, mit der typischen Struktur des Mittelstandes in Deutschland abzugleichen. Das deutsche Verlagsgewerbe ist nach einer Untersuchung von Eric Heymann von der Deutsche Bank Research vom Dezember 2004 klar mittelständisch geprägt. Dies gilt für allgemeine und für Fachverlage. In den vergangenen sechs Jahren hat kein ausgeprägter Konsolidierungsprozess stattgefunden. Die Filmwirtschaft bietet ein uneinheitliches Bild. Zunehmend entstehen größere, aber noch mittelständische Produktionsfirmen. Dominierend sind jedoch weiterhin Einzelunternehmen oder Klein- und Kleinstbetriebe. In diesem Wirtschaftszweig sind die Chancen des Mittelstandes deshalb eher als gering zu bewerten. Die Rundfunkwirtschaft, das heißt der private Hörfunk und das private Fernsehen, ist keine Domäne des Mittelstandes. Die zum Betrieb eines Fernsehsenders notwendigen Eigen- und Fremdkapitalmittel sind für den Mittelstand nicht aufzubringen. Deswegen dominieren den deutschen Medienmarkt auch Großunternehmen wie zum Beispiel die Bertelsmann-Gruppe.

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Die Musik, die visuelle und die darstellende Kunst werden von freiberuflichen Künstlern, der Kleinkunstszene und Theater- sowie Konzertdirektionen produziert. Hier von einer mittelständischen Struktur zu sprechen wäre falsch. Aufgrund der spezifischen Kreativität dieser Dienstleistung ist auch nicht damit zu rechnen, dass sich mittelständische Strukturen herausbilden werden. Bereits der Mittelstand ist zu „schwerfällig“, um die für diese Aktivitäten zwingend notwendige Dynamik zu erzeugen. Journalisten und Nachrichtenbüros sind ebenfalls den Klein- und Kleinstunternehmen zuzuordnen. Nachrichtenbüros haben in der Vergangenheit an der Schwelle zum Mittelstand gestanden, als Folge des Internet, der Blogs und von Twitter ist ihre Bedeutung, ja ihre Existenz gefährdet oder schon beendet. Journalisten sind entweder freiberuflich tätig oder Angestellte von Rundfunk- und Fernsehsendern sowie Zeitungsverlagen. Ein mittelständisches Journalistenbüro hat es nicht gegeben und wird es wohl auch nicht geben. Museumsshops und Kunstausstellungen sind differenziert zu betrachten. Erstere sind nahezu ausschließlich Teile staatlicher Museen, private Museen sind in Deutschland selten und mit Sicherheit nicht mittelständisch geprägt. Kunstausstellungen werden zunehmend von privater Hand organisiert. Für den Mittelstand könnte sich eine Perspektive eröffnen, wenn die Flexibilität und das Organisationsvermögen des Mittelstandes genutzt wird, eine Agentur aufzubauen, die Kunstausstellungen in größerem Rahmen durchführt. Das Interesse des Publikums an hochwertigen Ausstellungen – viele Ausstellungen haben in der Vergangenheit Öffnungszeiten nahezu rund um die Uhr gehabt – muss sich in kommerziellen Erfolg umsetzen lassen.



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Galerien, Buch-, Musikfach- und Kunsthandel sind ebenfalls differenziert zu betrachten. Obwohl Galerien in Deutschland aktuell eher den Klein- und Kleinstunternehmen zuzurechnen sind, sollte sich doch theoretisch die Möglichkeit ergeben, hier mittelständische Unternehmen aufzubauen. Eine gewisse Einkaufsmacht, verbunden mit den für den Mittelstand charakteristischen schlanken Strukturen, sollte es ermöglichen, überschaubar große „Galerieketten" entstehen zu lassen. Demgegenüber ist der Buchhandel in Deutschland einem deutlichen Konzentrationsprozess unterzogen. Neben Klein- und Kleinstunternehmen, die Nischenmärkte wie Antiquariate oder Dorfbuchhandlungen ausfüllen, dominieren eindeutig Großunternehmen wie die Verlagsgruppe Weltbild, die Douglas-Holding (Thalia) und die Mayersche Buchhandlung. Für den Mittelstand ist aufgrund der hohen Kapitalbindung in diesem Gewerbe sowie dem für 1-A-Lagen typischen hohen Mietzins in den Innenstädten und Shopping-Centern kein Raum. Musikfach- und Kunsthandel werden wieder eher von Klein- und Kleinstunternehmen bestimmt. Beide Aktivitäten erfordern ein außerordentlich hohes Maß an Fachkenntnis und Individualität. Personen, die diese Eigenschaften aufweisen, scheuen die Einordnung in ein hierarchisches System, wie es selbst mittelständische Unternehmen aufweisen (müssen). Gleichwohl ist die Grenze zur mittelständischen Struktur fließend. Architekturbüros sind nahezu ausschließlich deutlich unterhalb des Mittelstandes angesiedelt. Der klassische Freiberufler, der diese Tätigkeiten ausübt, benötigt keine „economies of scale" für seinen wirtschaftlichen Erfolg. Wenige Ausnahmen, wie z.B. Murphy und Jahn aus Chicago, fallen zahlenmäßig nicht ins Gewicht. Es dürfte für den deutschen Mittelstand weiterhin nicht zielführend sein, zu versuchen, in diesem Segment zu wachsen. Erfolgreiche Mitarbeiter werden sich immer wieder in die Selbstständigkeit verabschieden, geschützt und gesichert auch durch die Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI). Anders sieht es in der Designwirtschaft und gleichzeitig auch in der Werbewirtschaft aus. Design und Werbung werden schon heute von mittelständischen Agenturen gemacht. Kreativität ist notwendig, aber ebenfalls finanzielle Stärke und bundesweite, wenn nicht sogar europaweite Vernetzung. Regionale Märkte wären für Design und Werbung zu eng, um zu überleben. Die entscheidende Größe für ein erfolgreiches Geschäft hat der Mittelstand, ohne dass die für Großunternehmen notwendigen bürokratischen Strukturen Kreativität, Flexibilität und Individualität ersticken.

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Wieder völlig unterschiedlich stellt sich die letzte NACE-Kategorie, die Software- und GamesBranche, dar. In der Softwareindustrie sind sehr große Unternehmen wie beispielsweise SAP, Oracle, IBM und Software AG vertreten. Andererseits gehören über 85 Prozent der in Deutschland gegründeten High-Tech-Firmen dieser Branche an. Alleine diese Zahl doku-mentiert, dass ein erheblicher Anteil sowohl zu den Klein- und Kleinstunternehmen als auch zum Mittelstand zu rechnen ist. Die geringe Kapitalintensität und damit die niedrige Markteintrittsbarriere bietet eine ideale Voraussetzung für die Schaffung mittelständischer Strukturen. Häufig von Softwareentwicklern gegründet, können diese Unternehmen schnell in die notwendigen Dimensionen wachsen. Kreativität der Unternehmensleitung und ein kreatives Klima unter den Mitarbeitern werden der Schlüssel zum Erfolg. Diese Unternehmen sind ein Musterbeispiel für Kreativwirtschaft und Mittelstand. Die nähere Betrachtung der einzelnen Zweige der Kultur- und Kreativwirtschaft zeigt somit, dass sie nicht undifferenziert eine Chance für den Mittelstand bieten. Der Mittelstand – und damit auch die zahlreichen staatlichen und halbstaatlichen Förderprogramme – sollten sich auf wenige ausgesuchte Zweige der Kultur- und Kreativwirtschaft konzentrieren. Nur so kann ein wirklicher wirtschaftlicher Fortschritt erreicht werden. Ganz oben sollten die Software- und Games-Industrie sowie Design und Werbung stehen. Auch wenn in diesen Zweigen das Kreative über das Kulturelle dominiert, was manchen Intellektuellen und manche staatlichen Förderer stören mag, sind doch die wirtschaftlichen Perspektiven für den deutschen Mittelstand ungleich besser. In diesen Branchen besteht die Möglichkeit, dauerhaft ertragsstarke Unternehmen zu entwickeln. Im Verlagsgewerbe sind die Strukturen heute bereits stark mittelständisch geprägt, ein weiterer Ausbau wird nicht mehr möglich sein. In dieser Branche ist der kulturelle Aspekt augenscheinlich. Dennoch wäre es verfehlt, diesen Zweig durch Förderprogramme der Kultur- und Kreativwirtschaft weiter zu stärken. Wirtschaftlich kann der Mittelstand hier nichts mehr gewinnen – von abzulehnenden Mitnahmeeffekten abgesehen! Eingewandt werden könnte, dass ohne Förderung der Mittelstand im Verlagsgewerbe durch Großunternehmen abgelöst werden könnte. Diese Gefahr besteht nicht. Verlage sind hochspezialisierte, jeweils auf bestimmte Fächer ausgerichtete Betriebe, deren Zusammenlegung zu Großunternehmen kontraproduktiv wäre. Der notwendige kreative Prozess ginge verloren. Deswegen haben auch in der Vergangenheit Unternehmen nicht versucht, einen Konzentrationsprozess herbeizuführen.



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Aus der oben durchgeführten Analyse haben sich die Kunstausstellungen als denkbares Betätigungsfeld für den Mittelstand herauskristallisiert. Sie erfüllen die Kriterien Kreativität und Kultur gleichermaßen. Auch der staatliche Förderzweck kann angenommen werden, da ein breitangelegter Markt, wie zum Beispiel in der Games-Industrie, nicht existiert und auf absehbare Zeit nicht entstehen wird. Gleichwohl handelt es sich nicht um einen Nischenmarkt wie bei so vielen Kulturmärkten. Als Fazit lässt sich festhalten, dass die Kultur- und Kreativwirtschaft nicht unbesehen und kritiklos eine Chance für den Mittelstand ist. Zu differenziert ist ihre Ausprägung. Politik, Förderinstitutionen und die Vereinigungen des deutschen Mittelstandes sollten sehr genau prüfen, wo und in welcher Dosierung Mittel zur Förderung der Branchen der Kultur- und Kreativwirtschaft bereitgestellt werden. Einige Teilbranchen sind aufgrund ihrer Struktur völlig ungeeignet für den Mittelstand. Umgekehrt sind sie aber auch keine Bedrohung. Die vorgelegte Analyse kann dazu verwendet werden, dass kein Irrweg bei Förderprogrammen eingeschlagen wird.

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Michael Vassiliadis Die Kreativwirtschaft ist existenziell für den Erfolg des europäischen Wirtschafts- und Gesellschaftsmodells Aluminium und Papier, Pigmente und Glas, Kleber und Plastik, das sind einige von unzähligen Stoffen, denen im Alltag ein nüchterner Nutzen zugewiesen ist. Ihre Herstellung folgt in aller Regel einem Produktionsplan, der auf Rationalität gründet und auf Effizienz ausgerichtet ist. Nach sachlichen Kriterien, keinesfalls emotional, ordnet der Mensch Maschinen und Material, um zu möglichst guten Arbeitsergebnissen zu kommen. Um erfolgreich zu sein, reicht allerdings ein rein funktionales Verständnis von wirtschaftlichen Prozessen immer weniger aus. Kreative Gestaltung und künstlerische Inspiration sind gerade in modernen Industriegesellschaften unverzichtbarer Bestandteil einer entwickelten Ökonomie, die mehr leistet als die Grundversorgung mit nur notwendigen Gütern. Aufgeladen mit neuen Ideen, offenbaren selbst einfache Stoffe ein Potenzial, von dem man vorher nicht ahnte, dass sie es in sich tragen. Ein Beispiel für diese Transformation liefert ein achtlos weggeworfenes Stückchen Alufolie, auf das irgendwann in den 50er Jahren zufällig der Blick von Heinz Mack fällt. Auf einmal nimmt der Maler und Bildhauer nicht nur das Relief des Materials wahr, sondern die Struktur des Lichts – nach eigenen Worten ein Schlüsselerlebnis. Seither gilt Mack als „Lichtfänger“, ständig und überall ist er dem Leuchten auf der Spur, selbst in der Sahara. Dort trägt er einen silbrig glänzenden Anzug, stellt riesige Spiegel und reflektierende Skulpturen auf und trägt Alufolien wie Flaggen durch die Wüste. Darauf muss man kommen. Vorstellungskraft und Kreativität bilden – auch jenseits dieses Beispiels – tatsächlich den Motor für Innovationen, die wiederum als Nukleus für neue Märkte und damit für neues Wachstum dienen. Die Befähigung zur Entwicklung, aber auch die Umsetzungs- und Anwendungschance von Innovationen sind ein Wesensmerkmal leistungsfähiger Volkswirtschaften der Neuzeit.



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Thüringens Wirtschaftsminister Matthias Machnig beschreibt die Wechselwirkung von Industrie und Innovation mit den Worten: „Eine starke Kreativbranche macht ein Land zu einem Magneten für innovative Unternehmen und kluge Köpfe.“ Damit hat er sicherlich recht. Richtig ist allerdings auch, dass ein starker industrieller Kern die Entwicklung von Unternehmen der Kreativwirtschaft befördert. Die Bedeutung der Kreativwirtschaft im internationalen Maßstab zeigen die Wachstumsraten dieses ökonomischen Segments. Zwischen 2002 und 2008 ist der Welthandel mit kreativen Dienstleistungen von 267 auf 592 Milliarden US-Dollar gestiegen. Das entspricht einem jährlichen Zuwachs um 14 Prozent. Die Effizienz der Industrie schafft einerseits den Freiraum, das gesellschaftlich Notwendige um den Fortschritt der Kreativität zu ergänzen. Andererseits benötigte eine entwickelte Industrie ein stetig an Bedeutung gewinnendes Maß an speziellen Dienstleistungen, die in vielen Fällen auf Einfallsreichtum und Gestaltungskraft beruhen. Dazu zählen zum Beispiel Architekten, Softwareentwickler, Werbe- und Design-Studios, aber auch die Medienwirtschaft. „Kreative machen einen Wirtschaftsstandort attraktiv – für Unternehmen, für Fachkräfte, für Studenten“, folgert Machnig zu Recht. „Wo sich Kreative sammeln, ist Bewegung und Entwicklung.“ Professor Dieter Gorny, der an der Fachhochschule Düsseldorf Kultur- und Medienwissenschaft unterrichtet, dem Bundesverband der Musikindustrie vorsteht und künstlerischer Direktor der Ruhr.2010 ist, sieht das ähnlich. In dem Buch „Werte. Wissen. Wachstum. Was Deutschland tun muss“, das ich 2010 gemeinsam mit Dr. Klaus Engel, dem Vorstandsvorsitzenden der Evonik Industries AG, herausgegeben habe, nennt Gorny eine gesunde Kreativwirtschaft „existenziell“ für den künftigen Erfolg des europäischen Wirtschafts- und Gesellschaftsmodells. „Eine künstliche Trennung von Wirtschaft, Wissenschaft und Kultur ist obsolet geworden“, meint Gorny. Und weiter: „Wurde kreative Arbeit in der Vergangenheit als etwas Exklusives angesehen, so wird sie in Zukunft der Normalzustand sein.“

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Dieser neue „Normalzustand“ ist allerdings nur dann erstrebenswert, wenn in den Unternehmen auch faire Voraussetzungen geschaffen werden. Denn die neuen Herausforderungen bringen einen erhöhten Grad an Eigenverantwortlichkeit mit sich. Wer mehr Verantwortung trägt, auf dem lastet ein stärkerer Leistungsdruck. Der Mensch ist keine Maschine. So banal diese Erkenntnis auch erscheinen mag – sie darf auf keinen Fall aus den Augen verloren werden. Denn viele berufliche Verdichtungen stellen keine kreativen Lösungen dar, sondern sind oftmals lediglich von ökonomischer Natur, führen also zu Mehrarbeit, für die wiederum oftmals keine adäquate finanzielle Aufwendung vorgesehen ist. Die Industrie muss also noch stärker als bisher die Leistung Kreativer anerkennen. Denn auch wenn die Erzeugnisse der Industrie wie eingangs beschrieben auf den ersten Blick nicht besonderes künstlerisches Potenzial innezuhaben scheinen – auch wenn sich in ihnen anhand stetiger Verbesserungen Innovationswille und der Mut, neue Wege zu beschreiten, manifestiert –, so werden sie in den Händen von Kreativen zu etwas Neuem, zu einem Leitbild. Ein Beispiel ist die deutsche Automobilindustrie: Hier kommen sehr hohe technische Leistungsfähigkeit und gestalterische Exzellenz zusammen. Denn auch wenn makellose Verarbeitung und durchdachte Funktionalität unverzichtbare Voraussetzungen sind, um am Markt bestehen zu können, so ist es der emotionale Mehrwert der Kreationen aus Deutschland, der zum Schlüssel für den Markterfolg wird. Andererseits kann die Industrie durchaus mit breiter Brust danach fragen, was Kreative, Kulturschaffende und Künstler ohne die Industrie wären. Ohne Papier und Farbe kein Roman, kein Plakat, kein Theaterprogramm. Ohne Glas keine Objektive, keine Scheinwerfer, keine modernen Fensterscheiben, keine hocheffizienten Solarmodule. Ohne Aluminium keine Spiegelbeschichtung für Fotokameras, keine Scanner und letztlich kein Feuerwerk, das nach einem gelungenen Festival abgebrannt werden könnte.



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Damit das auch so bleibt, muss auch die junge Branche Kultur- und Kreativwirtschaft Antworten auf Fragen finden, die in anderen Branchen ebenfalls bekannt sind. So wie es auch in der Kultur- und Kreativwirtschaft Strukturen gibt, die schlechte Arbeitsbedingungen zulassen, so gibt es diese Strukturen etwa auch bei der alternativen Energieerzeugung. Der Druck des Wettbewerbs wird oftmals an die in den Branchen Beschäftigten weitergegeben. Kreative müssen daher wie die Beschäftigten anderer Branche unsere Unterstützung erfahren, da für alle Menschen gelten muss: gute Arbeit, guter Lohn. In Europa geht es immerhin um 5 Millionen Arbeitsplätze, die direkt oder indirekt mit der Kultur- und Kreativwirtschaft zusammenhängen. Daher müssen auch europaweit – und eben auch in Deutschland – die Rahmenbedingungen dahingehend gestaltet werden, dass Innovation und Kreativität unterstützt werden, auch und vor allen Dingen auf regionaler Ebene. Nur so kann sich ein regionaler Charakter herausbilden, der industriell wie kreativ geprägt ist. Ein gutes Beispiel für eine solche Partnerschaft ist die Entstehungsgeschichte der Ruhrfestspiele, eines der ältesten und zugleich eines der größten und renommiertesten Theaterfestivals in Europa. Während des Winters 1946/47 standen die Hamburger Theater vor der Schließung. Ihnen fehlte Kohle für die Beheizung und den Betrieb der Bühnentechnik. Otto Burmeister, Verwaltungsdirektor des Deutschen Schauspielhauses, und Karl Rosengart, Betriebsratsvorsitzender der Hamburgischen Staatsoper, fuhren daraufhin mit zwei Lkw ins Ruhrgebiet, um auf den Kohlezechen um Hilfe zu bitten. Recklinghäuser Kumpel halfen den Theaterleuten und luden die Lkw mit Kohle voll. Zum Dank für die Kohlehilfen gastierten im Sommer 1947 rund 150 Schauspieler der drei Hamburger Staatsbühnen unter dem Motto „Kunst gegen Kohle“ im Städtischen Saalbau Recklinghausen. Die Eintrittskarten kosteten fünf Reichsmark, und die Erlöse gingen an die Unterstützungskasse für Berginvalide der Zeche König Ludwig. Der Hamburger Bürgermeister Max Brauer sagte vor der Belegschaft der Zeche: „Ich kann mir eine andere und neue Art der Festspiele vorstellen. Festspiele nicht nur für Literaten und Auserwählte, sondern Festspiele inmitten der Stätten harter Arbeit. Ja, Festspiele im Kohlenpott vor den Kumpels. Ja, Festspiele statt in Salzburg in Recklinghausen.“

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Eines dürfen wir nicht vergessen: Der Rohstoff der Kreativen ist ihre Fähigkeit, sich etwas vorzustellen, etwas völlig Neues zu erschaffen und neue Wege aufzuzeigen. Die Rohstoffe für deren Umsetzung liefert die Industrie. Kreative können aber nur dann querdenken und entwickeln, wenn sie sich nicht mit existenziellen Sorgen konfrontiert sehen. Daher müssen wir sie darin bekräftigen und eben auch unterstützen, abseits der ausgetretenen Pfade zu denken und zu entwickeln. Die Ergebnisse ihrer kreativen und innovativen Prozesse wirken sich nämlich nicht nur auf die Industrie und die Wirtschaft, sondern im besten Falle auch auf die Politik und die Gesellschaft aus. Die Gesellschaft wächst an denen, die sie in Frage stellen, denn auf diese Weise bleibt soziale Gerechtigkeit ein gelebter Wert. Zudem kann bewahrt werden, was im Zuge der Globalisierung den Unterschied zwischen Klasse und Masse ausmacht. Masse können viele – Klasse dagegen nur wenige. Der altbekannte Claim „Made in Germany“ war ein Qualitätssiegel, das für die hohe Qualität der in Deutschland gefertigten Produkte stand. Mittlerweile werden ähnliche Claims von Unternehmen verwendet, die über die Produktionsstätte hinaus auf den Ort der Kreation, des Erdenkens und Entwickelns verweisen. Daher finden sich auf heutigen Produkten oftmals Vermerke wie „Designed in Germany“, „Designed and developed in Germany“ oder etwa „Engineered in Germany“. Diese Rolle als technischer und kreativer Vorreiter ist die Voraussetzung für Deutschlands Marktposition, für die zu Recht höheren Preise der in diesem Land erdachten und hergestellten Produkte – und nicht zuletzt die Voraussetzung für unseren Lebensstil. Dort, wo Wirtschaft und Industrie, Ingenieure und Kreative zusammenkommen und miteinander arbeiten, entsteht etwas Neues, etwas Inspirierendes, etwas, das uns als Menschen weiterentwickelt und uns prägt, aber niemals den Menschen aus den Augen verlieren darf. Denn wie sagte Heinz Mack angesichts seiner manchmal monströs wirkenden Stelen und Skulpturen so richtig? „Alles muss ein Verhältnis finden zur Proportion, zur Größe des Menschen.“ Denn der Mensch ist – und muss dies auch bleiben – der Maßstab und die Richtschnur für unser Handeln und damit für den Fortschritt und unser aller Zukunft.



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Dr. Ludolf von Wartenberg Kunst- und Kulturförderung im deutschen Mittelstand Qualität „Made in Germany“ genießt einen besonderen Ruf. Grund genug, den jüngsten, deutlich von den Schultern des deutschen Mittelstandes mitgetragenen wirtschaftlichen Aufschwung zum Teil auch auf die Wirkkraft dieses Images zurückzuführen. Daneben aber, und dies ist nicht minder wichtig, gilt Deutschland aus internationaler Sicht als eine Kulturnation. Ein Etikett, das nicht zu Unrecht vergeben wurde und das auch heute noch Bestand hat, wie die verschiedensten Indikatoren belegen. Neben dem bemerkenswerten Boom in der Kultur- und Kreativwirtschaft, den Kulturtouristen, die sich beispielsweise in den Besucherschlangen vor dem Pergamonmuseum oder dem Neuen Museum in Berlin sammeln (Berlin hatte im vergangenen Jahr erstmals mehr Touristen als Rom zu verzeichnen), und der großen Zahl privater und öffentlicher Ausstellungshäuser wäre hier beispielsweise auch Deutschlands weltweit vollkommen einzigartige Theater- und Orchesterdichte zu nennen. Von dem lebendigen kulturellen Angebot in Deutschland und den davon angelockten Touristenströmen profitieren nicht nur die Gesellschaft auf einer kulturellen und ideellen Ebene, sondern auch – ganz profan von einem monetären Gesichtspunkt aus betrachtet – die unmittelbar und mittelbar davon abhängigen Gewerbe. Das Argument der Umwegrentabilität ist als Wirtschaftsfaktor keineswegs von der Hand zu weisen. Kultur gibt selbst noch neben ihrer grundlegenden gesamtgesellschaftlichen Bedeutung weit mehr zurück, als man auf den ersten Blick meinen könnte. Es sollte deshalb, und man kann dies gar nicht oft genug betonen, unbedingt unser Anliegen sein, das kulturelle Angebot zu fördern, zu sichern und, wo es möglich ist, auszubauen: durch Investitionen in und Engagement für die Kultur.

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Kunst- und Kulturförderung – staatlich vs. unternehmerisch Ohne eine Beteiligung von privater und unternehmerischer Seite wäre bereits die heutige kulturelle Situation nicht denkbar. Diese Erkenntnis ist schon im Bewusstsein vieler verankert. Weit weniger bekannt ist jedoch die zentrale Rolle, die der deutsche Mittelstand (KMU) im Bereich der zeitgenössischen Kunst- und Kulturförderung einnimmt.¹ Die grundlegende wirtschaftliche Bedeutung des deutschen Mittelstands, der unter anderem knapp 66 Prozent aller sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätze stellt und über vier Fünftel aller Ausbildungsplätze bietet, muss im Rahmen einer Publikation wie der vorliegenden nicht weiter hervorgehoben werden. Es soll im Folgenden deshalb ausschließlich um die bemerkenswerte gesellschaftliche Verantwortung gehen, die der deutsche Mittelstand über die direkte Finanzierung öffentlicher Institutionen und privater Kulturschaffender, über die Vergabe von Preisen und Stipendien, durch innovative eigene Kulturprojekte und durch Sponsoringaktivitäten wahrnimmt. Von staatlicher Seite beliefen sich die Kulturausgaben 2010 auf etwa 9,6 Milliarden Euro, wie das Statistische Bundesamt im Dezember 2010 mitteilte.² Den bei weitem größten Teil hiervon stellen die Länder und Kommunen; auch ist die Zuständigkeit der Kulturförderung in den meisten Landesverfassungen verankert. Doch da die Frage, wie eine kulturelle Grundversorgung im Einzelfall zu interpretieren ist, sich sehr unterschiedlich beantworten lässt, werden gerade in Zeiten knapper Kassen bevorzugt im Bereich der Kultur Streichungen auch an unerwarteten Stellen vorgenommen. Kulturschaffende und Kulturinstitutionen können so schnell in eine äußerst prekäre Lage geraten, wie kürzlich am Beispiel der drastischen Sparmaßnahmen in Hamburg zu sehen war. Die drohende Schließung des Altonaer Museums und die massiven Einschnitte bei der Subventionierung des Schauspielhauses waren nicht nur ein schlechtes Aushängeschild für die Stadt Hamburg, sondern zugleich Zeichen einer deutlichen Kurzsichtigkeit. „Wenn unsere Gesellschaft innovativ, kreativ und aufgeschlossen bleiben will, können wir auf Anregungen und Denkanstöße durch die Kultur und die Künste nicht verzichten. Hier werden die Grundlagen und Orientierungen mitgeprägt für das, was eine Gesellschaft lebenswert macht“, so Staatsminister Bernd Neumann.³ Dem ließe sich vielleicht noch hinzufügen: In Kultur und Künsten werden die Grundlagen geprägt, die unsere Gesellschaft nicht nur lebenswert, sondern (auch wirtschaftlich) zukunftsfähig machen. Es sollte somit im Interesse und auch Aufgabe des Staates, von Unternehmen



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und Privatpersonen sein, diese identitätsstiftenden und das Innovationspotential einer Gesellschaft vorantreibenden Bereiche ganz besonders zu fördern. An die von staatlicher Seite für Kultur bereitgestellte Summe schließt die private und unternehmerische Kulturförderung finanziell an. Die Ergebnisse einer Studie zur Unternehmerischen Kulturförderung in Deutschland, die vom Kulturkreis der deutschen Wirtschaft im BDI e.V. initiiert wurde, haben ergeben, dass 2008 durchschnittlich rund 308.000 Euro von unternehmerischer Seite gespendet wurden. Eine Summe von etwa der gleichen Höhe wurde zudem für Sponsoringaktivitäten ausgegeben.⁴ Allein 17 Prozent der kleinen Unternehmen, die sich an dieser Studie beteiligten (hier: kleine Unternehmen = bis 200 Mitarbeiter) gaben zwischen 1 und 5 Millionen Euro für Kultur aus. Ein auffälliges und unerwartetes Ergebnis der Studie war, dass sowohl die kleinen als auch die großen Unternehmen im Verhältnis mehr finanzielles Engagement für Kultur an den Tag legten als die mittleren (hier: mittlere Unternehmen = 201–2.000 Mitarbeiter). Auf der anderen Seite waren die mittleren Unternehmen den kleinen Unternehmen voraus, was die aktive Einbindung von Mitarbeitern in ihr Kulturengagement betrifft. 70 Prozent der mittleren Unternehmen banden 2008 der Studie zufolge ihre Mitarbeiter ein, bei den kleinen Unternehmen waren es hingegen nur 48 Prozent. Dennoch ergibt sich auf die Gesamtheit der Stichprobe der Studie ein wirklich erfreulicher Wert von 71 Prozent der Unternehmen in Deutschland, die nicht nur finanziell, sondern auch personell engagiert Kultur fördern. Neben dem unglaublich wichtigen finanziellen Beitrag, den unternehmerische Förderung neben den staatlichen Leistungen für Kulturinstitutionen und Kulturschaffende darstellt, ist sie auch von inhaltlicher und konzeptueller Relevanz für Kulturprojekte, da sie eine thematische Erweiterung der Kulturförderung erlaubt. Im Gegensatz zur staatlichen Förderung, die zumeist wegen fest verplanter Gelder deutlich weniger flexibel ist, kann durch private und unternehmerische Kulturförderung auch kurzfristig auf Einzelvorhaben eingegangen werden. So können Projekte realisiert werden, die sonst nicht möglich wären, und es wird zum Erhalt der kulturellen Vielfalt in Deutschland beitragen.

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Ein Begriff, der in dem Zusammenhang mit kulturellem Engagement eigentlich nicht fehlen darf und der bisher noch keine Erwähnung fand, ist der Werte-Begriff. Die Pflege der Unternehmenskultur und die Übernahme gesellschaftlicher Verantwortung, somit das Einstehen für Werte, hat in den vergangenen paar Jahrzehnten eine deutliche Konjunktur erfahren. Die Investition in Kunst und Kultur wird heute nahezu selbstverständlich als Teil der unternehmerischen Verantwortung wahrgenommen, explizit als Teil der Unternehmenskultur betrachtet und auch so kommuniziert. Gerade in den klassischen Familienunternehmen, in denen Unternehmenskultur seit jeher eine zentrale Rolle spielt, kann oft auf eine lange Tradition der Kulturförderung zurückgeblickt werden. So ist es wenig verwunderlich, dass besonders im von Familienunternehmen geprägten deutschen Mittelstand, in dem diese Wertekultur besonders gelebt wird, auch ein bemerkenswerter Einsatz für die Kultur zu finden ist. „Zahlreiche deutsche Unternehmen, insbesondere der Mittelstand, sind inzwischen der Überzeugung, dass durch Kunst und Kultur langfristig Werte geschaffen und gefestigt werden können“, so Dr. Hans-Jörg Clement, Leiter Kultur der Konrad-Adenauer-Stiftung. „Die Berücksichtigung von Kunst wird als Teil der unternehmerischen Verantwortung und Unternehmenskultur begriffen. Eine solche engagierte Bürgergesellschaft kann nur dann nachhaltig agieren, wenn sie den Kulturstaat eng an ihrer Seite weiß.“⁵ Der Einfluss staatlicher Rahmenbedingungen auf die unternehmerische Kulturförderung sollte nicht außer Acht gelassen werden, und die Politik muss sich dieser Verantwortung auch bewusst sein. Unternehmerische Kulturförderung darf nicht dazu dienen, staatliche Defizite aufzufangen, sondern sollte, ganz im Gegenteil, weitere Projekte ermöglichen und Institutionen zusätzlich unterstützen, so dass, im Idealfall, öffentliche und private Förderung ineinandergreifen. Ein gelungenes Beispiel hierfür stellt etwa die Möglichkeit einer Public Private Partnership dar. Es ist zudem wichtig, dass von staatlicher Seite nicht nur selbst gefördert wird, sondern auch Anreiz zum Fördern geboten wird, um Deutschlands lebendige und vielseitige Kulturlandschaft zu erhalten.



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Formen der Kunst- und Kulturförderung im deutschen Mittelstand Die Formen der Förderung sind so unterschiedlich wie die fördernden Unternehmen selbst. Knapp die Hälfte der Kunst- und Kulturförderung von Unternehmen findet in Form verschiedenster Sponsoringaktivitäten statt. Dass ein gutes Sponsoring, das sowohl für das Unternehmen wie auch für die geförderte Institution einen deutlichen Mehrwert bringen soll, wesentlich mehr ist als das Platzieren eines Logos im Gegenzug für finanzielle Unterstützung, ist als Erkenntnis bereits im Bewusstsein der meisten kulturfördernden Unternehmen verankert. ⁶ Besonders innovative und beispielhafte Projekte werden seit einigen Jahren über die Vergabe des Deutschen Kulturförderpreises gewürdigt, für den sich jedes Jahr knapp 90 Unternehmen beim Kulturkreis der deutschen Wirtschaft im BDI e.V. bewerben. Anhand der Bewerber und der ausgezeichneten Projekte lässt sich wunderbar nachvollziehen, dass die Zahl der Mitarbeiter oder die Höhe des Umsatzes keinesfalls die Qualität des Sponsorings bestimmt. In kleinen Betrieben wird häufig großartige kulturfördernde Leistung erbracht, und gerade sie tragen oft abseits der „klassischen“ Kulturzentren dazu bei, die jeweils eigene Region attraktiv und lebendig zu gestalten. Da Kunst und Kultur als sogenannte „weiche“ Standortfaktoren eine relevante Größe darstellen und zudem nicht messbare, ideelle und auch imageträchtige Gewinne durch das Engagement im kulturellen Bereich zu erreichen sind, entschließen sich viele mittelständische, regional angesiedelte Unternehmen, auch speziell in diese Regionen zu investieren. Neben der Sponsoringaktivität fördern Unternehmen Kunst und Kultur im Schnitt in fast genau dem gleichen Umfang über Spenden und Mäzenatentum. Dies erfolgt sowohl direkt über Zuwendungen an einzelne Institutionen als auch über die Mitgliedschaft in Vereinen, die diese Gelder in Form von Preisen und Stipendien gezielt an förderungswürdige Kulturschaffende weiterleiten. Viele mittelständische und auch die meisten großen Unternehmen in Deutschland sind beispielsweise Mitglied im Kulturkreis der deutschen Wirtschaft im BDI e.V. und tragen so zur konstanten Förderung vor allem junger, noch relativ unbekannter Talente bei und sichern auf diese Weise den Kulturschaffenden und den Kulturinstitutionen die notwendige Unabhängigkeit.

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Nutzen ziehen aus Kunst- und Kulturförderung Im deutschen Mittelstand wird im Bereich der Kunst- und Kulturförderung bereits viel geleistet – was jedoch nicht heißt, dass hier nicht noch Potential wäre. Wie bereits erwähnt, investieren mittlere Unternehmen im Verhältnis zur Unternehmensgröße weniger als kleine Unternehmen in Kunst und Kultur, kleine Unternehmen wiederum binden zu einem deutlich geringeren Prozentsatz ihre Mitarbeiter in ihr kulturelles Engagement ein. Gemeinsam haben jedoch die meisten mittelständischen Unternehmen, dass sie aus ihrer Förderungsaktivität noch stärkeren direkten Nutzen ziehen könnten. Eine aktuelle Untersuchung der KfW Bankengruppe zum Thema Corporate Social Responsibility (CSR) im deutschen Mittelstand hat ergeben, „dass CSR-Aktivitäten des Mittelstands häufig nur als Einzelmaßnahmen umgesetzt werden und nicht immer aus einer fest im Unternehmen implementierten Nachhaltigkeitsstrategie erfolgen. Genauso wenig wird das Engagement systematisch gegenüber den Stakeholdern kommuniziert.“⁷ Die Kommunikation von Kulturförderung wird häufig vernachlässigt und so nicht die maximale Strahlkraft des gesellschaftlichen Engagements für das eigene Unternehmen genutzt. Auch mangelnde Konsequenz bei Förderaktivitäten beeinträchtigt diesen Mehrwert. Nur langfristiges kulturelles Engagement bietet die erwünschte Glaubwürdigkeit, verankert sich fest in der Unternehmenskultur und funktioniert imagebildend. Obwohl zwischen 2006 und 2008 rund 2,1 Millionen Mittelständler, das heißt 58 Prozent der mittelständischen Unternehmen in Deutschland, CSR-Aktivitäten unterhalten (davon lediglich 18 Prozent im Bereich der Kulturförderung) und hier rund 6 Milliarden Euro ausgegeben haben⁸ – somit fast das Sechsfache dessen, was der Bund leistet –, wurde die Kommunikation dieses Engagements noch nicht immer professionell betrieben. Gerade kleine Unternehmen mit weniger als fünf Beschäftigten, die mit etwa 2 Milliarden Euro pro Jahr einen bemerkenswert großen Teil der mittelständischen CSR-Aufwendungen erbringen, ziehen oft noch nicht den optimalen Nutzen aus ihren Förderaktivitäten. Ein weiteres zentrales Ergebnis der KfW-Studie entspricht der Beobachtung, die sich bereits bei Betrachtung der Unternehmen, die sich für den Deutschen Kulturförderpreis bewerben, machen ließ: Ein großer Etat ist nicht gleichzusetzen mit großem kulturellem Engagement. Die persönliche Einstellung des Unternehmers, sein Wertebewusstsein, seine Bereitschaft



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zur Übernahme gesellschaftlicher Verantwortung und sein Bewusstsein für die Notwendigkeit eines freiwilligen kulturellen und sozialen Engagements sind nach wie vor maßgebliche Bestimmungsfaktoren. Im vorherigen Kuratoriumsband haben sich viele Fachleute der Frage gestellt, wo die Zukunft des deutschen Mittelstandes zu sehen ist, was für Maßnahmen ergriffen werden sollten und müssten, damit seine Zukunftsfähigkeit gewährleistet ist. Der deutsche Mittelstand wurde in dem Zusammenhang als Rückgrat der deutschen Wirtschaft bezeichnet. Wenn man bei dem Bild bleiben will, so könnte man sagen, dass die Kulturförderung hierbei auch einen Wirbel darstellt. Die Zukunft des Mittelstandes ist selbstredend dabei untrennbar verknüpft mit der gesamtgesellschaftlichen Zukunft. Und da Innovationen getragen werden von einem lebendigen, anregenden und inspirierenden Umfeld, ist die Investition in Kunst und Kultur immer eine richtige Entscheidung.

¹

Wenn hier und im Folgenden vom deutschen Mittelstand die Rede ist, werden im Sinne der Definition des vorigen RKW-Kuratoriumsbands kleine und mittlere Unternehmen gemeint (wobei die Grenze nach oben hin zu den großen Unternehmen natürlich eine relative Grauzone bildet – häufig nur geringe Distinktionsmerkmale, siehe Beispielsweise: 18. RKW-Kuratoriumsband „Die Zukunft des deutschen Mittelstands“, S.17ff.

²

Pressemitteilung vom 15.12.2010, siehe http://www.destatis.de/jetspeed/portal/cms/Sites/destatis/Internet/DE/ Presse/ pm/2010/12/PD10_469_216,templateId=renderPrint.psml, Zugriff am 03.05.2011.

³

Quelle: Regierung Online, siehe http://www.bundesregierung.de/Webs/Breg/DE/Bundesregierung/Beauftragter fuer Kultur und Medien/ StaatsministerBerndNeumann/staatsminister-bernd-neumann.html, Zugriff am 03.05. 2011.

⁴ Die Studie, an der sich 315 Unternehmen verschiedener Größe beteiligten, ist online abrufbar unter http://www. kulturkreis.eu/images/stories/downloads/pb_csr_und_ccr/studie_unternehmerische_kulturfrderung.pdf. ⁵

Zitat siehe http://www.kas.de/wf/de/71.7682/, Zugriff am 06.05.2011.



Der Arbeitskreis Kultursponsoring (AKS) des Kulturkreises der deutschen Wirtschaft hat hierzu einen wichtigen Beitrag geleistet, indem er unter anderem professionellen Austausch und Weiterbildung zu dem Thema ermöglicht.

⁷ Standpunkt Nr. 7, Januar 2011. Auch die folgenden Daten sind dieser Studie entnommen. Sie lässt sich unter http://www.kfw.de/kfw/de/KfW-Konzern/Research/Reihen/Standpunkt/index.jsp herunterladen. ⁸

Im Verhältnis zum Umsatz betrifft diese Summe lauf KfW-Bericht etwa 0,2 Prozent.

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Eva Plankenhorn, Dr. Ingrid Voigt, Harm Wurthmann Kreativ arbeiten – mit Erfolg! Über die Arbeit des Kompetenzzentrums Kultur- und Kreativwirtschaft des Bundes beim RKW Schulgebäude farblich und räumlich auf die individuellen Bedürfnisse der Schüler anpassen; Multimediaprodukte erstellen, die sowohl auf dem Kunstmarkt bestehen, als auch für innovative Standortmarketingtools von Großfirmen eingesetzt werden; als Band selbstvermarktend eine große Fangemeinde an sich binden; hochwertige Designobjekte aus Altpapier entwerfen und selbst produzieren; den Audio-Workflow in der Postproduktion optimieren. Diese Tätigkeiten haben trotz aller Unterschiede eines gemeinsam: Sie sind Beispiele für die Vielfalt einer relativ jungen und hochinteressanten Branche – der Kulturund Kreativwirtschaft. Im Spannungsfeld Die Kultur- und Kreativwirtschaft ist eine sehr heterogene Branche, die aus insgesamt elf Teilbranchen zusammengesetzt ist. Hierzu zählen: 1.

Musikwirtschaft

2. Buchmarkt 3.

Kunstmarkt

4. Filmwirtschaft 5. Rundfunkwirtschaft 6. Markt für Darstellende Künste 7.

Designwirtschaft

8. Architekturmarkt 9. Pressemarkt 10. Werbemarkt 11. Software- / Games-Industrie



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Verbindender Kern der Teilmärkte ist der schöpferische Akt. Umschrieben werden damit sowohl künstlerische und kreative als auch literarische, musische und architektonische Werke, Produkte, Dienstleistungen, Inhalte oder Produktionen. Diese definitorische Festlegung bedeutet, dass nur jene kreativen Tätigkeiten zur Branche gezählt werden, die eine ästhetische Bindung vorweisen können. Zentrale Größe für die Definition der Kultur- und Kreativwirtschaft ist neben dem schöpferisch-ästhetischen Element ebenso der erwerbswirtschaftliche Charakter einer Tätigkeit. Entscheidend für die Einordnung ist demnach, dass die künstlerische oder kreative Unternehmung überwiegend marktwirtschaftlich orientiert ist. Ausgeschlossen sind darum all jene Aktivitäten, welche beispielsweise durch öffentliche Finanzierungen, durch gemeinnützige oder auch private Gelder gefördert werden. Die beiden für die Definition der Kultur- und Kreativwirtschaft maßgeblichen Größen – Erwerbswirtschaftlichkeit und schöpferischer Akt – führen mitten in einen der wichtigsten Aspekte, die sich bei der Beschäftigung mit diesem Themenfeld eröffnen: dem Spannungsfeld zwischen Kultur beziehungsweise Kreativität und Wirtschaft. Immer wieder stößt man hier auf Gegensätze, die unvereinbar scheinen. Die Kreativität und Einzigartigkeit zum Beispiel der Designer oder Musikproduzenten unterscheidet sie sehr wohl von einer Serienproduktion des Automobilbaus. Beispiele erfolgreicher Kreativer beweisen, wie groß etwa besonders mit dem Einzug der Informations- und Kommunikationstechnologie, der Internetnutzung und der Apps auf den Smartphones das wirtschaftliche Potenzial der Kultur- und Kreativwirtschaft ist. In der Kurzfassung des vom Bundeswirtschaftsministerium initiierten Forschungsgutachtens zur Kultur- und Kreativwirtschaft heißt es dazu beispielsweise: „Die Kultur- und Kreativwirtschaft ist Teil einer wissens- und contentorientierten Gesellschaft und übernimmt eine Vorreiterrolle auf dem Weg in eine wissensbasierte Ökonomie in Deutschland.

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In der Kultur- und Kreativwirtschaft wird schon heute in zukunftsorientierten Arbeits- und Geschäftsmodellen, wie z. B. in hybriden Arbeitsformen, gearbeitet. Darüber hinaus ist die Branche außerordentlich innovativ. Sie erweist sich als wichtige Quelle für originäre Innovationsideen. Die Produktion besteht im Wesentlichen aus Prototypen, Einzelanfertigungen, Kleinstserien sowie immateriellen Produkten. Es wird häufig projektspezifisch produziert und entwickelt. Fast alle Unternehmen der Kultur- und Kreativwirtschaft nutzen moderne Technologien, allen voran Informations- und Kommunikationstechnologien. Sie sind dabei nicht nur passive Technologienutzer, sondern geben den Technologieherstellern und -entwicklern immer wieder wichtige Impulse für neue Technologievarianten.“¹ Vielfach wird das Potenzial der Kultur- und Kreativwirtschaft jedoch noch unterschätzt. Dabei nahm dieser Wirtschaftszweig vor den Krisenjahren einen mittleren Platz unter den führenden Branchen ein: Mit ihrem Beitrag von 63 Milliarden Euro zur gesamtwirtschaftlichen Wertschöpfung rangiert sie in 2007 gleich nach der Automobilindustrie und noch vor der chemischen Industrie.² Mit über einer Million Beschäftigten in 237.000 Unternehmen, welche rund 131 Milliarden Euro Umsatz erwirtschaften, ist sie eine nicht zu vernachlässigende Größe in Deutschland. Und während 2009 der Umsatz der Gesamtwirtschaft um circa 8 Prozent sank, blieb der Umsatz der Kreativwirtschaft lediglich um 3,5 Prozent unter dem Vorjahreswert. Ihre volkswirtschaftliche Bedeutung gründet sich jedoch nicht nur auf ihr Wachstums-, sondern auch auf ihr Kreativpotenzial. Als Hort der Ideen, des Entdeckens, der Überraschung bereichert die Kultur- und Kreativwirtschaft unser Leben. Kreative schaffen zudem einen Ideenvorrat, der nicht nur die eigene Branche inspiriert, sondern andere Wirtschaftszweige anregen kann.



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Das Kompetenzzentrum Kultur- und Kreativwirtschaft Das wirtschaftliche Potenzial einer Wachstumsbranche wie der Kultur- und Kreativwirtschaft zu fördern, die Kreativunternehmer fit für die Wirtschaft zu machen, wobei zugleich auf ihr Selbstverständnis als Künstler eingegangen wird, ist eine wichtige und anspruchsvolle Aufgabe. Aus diesem Grund wurde die Initiative Kultur- und Kreativwirtschaft der Bundesregierung gegründet. Die gemeinsame Zuständigkeit für die Initiative liegt beim Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie und beim Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien. Die Initiative unterstützt die heterogene Branche mit spezifischen Aktivitäten dabei, dass sich die Kultur- und Kreativwirtschaft als eigene Wirtschaftsbranche etablieren kann und Kreative ihre wirtschaftlichen Kompetenzen entfalten können. Wegen ihrer interdisziplinären Bedeutung und ihrer Besonderheiten, wie der hohe Anteil Selbstständiger und Kleinstunternehmen, bedarf diese Wachstumsbranche u. a. einer anderen, spezifischen Ansprache sowie der Förderung und Professionalisierung, um ihre innovativen Quellen sprudeln zu lassen. Als eines der wichtigsten Instrumente wurde mit Mitteln der Bundesregierung Ende 2009 zur Unterstützung der Brancheninitiative das „Kompetenzzentrum Kultur- und Kreativwirtschaft des Bundes“ aufgebaut, das in das RKW eingebettet ist. Das Team des Kompetenzzentrums ist so bunt zusammengesetzt wie die heterogene Branche selbst: Fast alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben selbst in unterschiedlichen Bereichen der „Szene“ erfolgreich gearbeitet, beispielsweise in der Musikwirtschaft oder im Theater. Ebenso verfügen sie über ein fundiertes Wirtschafts-Know-how. Bei seiner Arbeit schöpft das Team darum aus eigener Anschauung und kann somit auf die Anliegen der Branchenakteure gerade in Bezug auf das Wechselverhältnis von künstlerischer Tätigkeit und erwerbswirtschaftlichem Unternehmertum individuell eingehen. Gepaart mit den Erfahrungen und der Plattform des RKW, ist es möglich, die Kreativen in ihrem Milieu „abzuholen“, sie für die wirtschaftliche Seite ihrer Arbeit zu sensibilisieren und sie zu vernetzen – nicht nur mit anderen Kreativen, sondern auch mit Unternehmen eher traditionell geprägter Wirtschaftszweige.

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Zusätzlich integriert das Kompetenzzentrum das spezialisierte Wissen externer Experten, mit denen Projektkooperationen vereinbart werden oder die im Projektbeirat die Aktivitäten des Kompetenzzentrums begleiten. Es agiert damit nicht nur in einem gemeinsamen Feld mit den Unternehmen der Kultur- und Kreativwirtschaft selbst, sondern auch beispielsweise mit Vertretern aus Politik und Verwaltung, mit Verbänden und Kammern, ebenso wie mit Repräsentanten aus Ländern, Kommunen und Städten. Durch diesen Netzwerkansatz sollen sowohl Kompetenzen gebündelt als auch Akteure unterschiedlichster Bereiche zusammengebracht werden, die alleine vielleicht nicht zusammengefunden hätten. Gemeinsam mit seinen Partnern ist das Kompetenzzentrum Kultur- und Kreativwirtschaft des Bundes auf verschiedenen Aktionsfeldern tätig. Dazu gehören in erster Linie folgende Aufgaben: ◼◼

Die Kulturunternehmer und Kreativen erreichen und ihre wirtschaftliche Weiterentwicklung fördern.

◼◼

Die bestehenden Instrumente und Strukturen auf Bundesebene und in den Regionen nutzen, Förderprogramme öffnen und ergänzen und sie mit den Aktivitäten Dritter vernetzen.

◼◼

Partner zu sein beim Know-how-Transfer zur Entfaltung wirtschaftlicher Potenziale.

◼◼

Eine Plattform zu bilden für Vernetzung und Dialog zur Entfaltung der wirtschaftlichen Potenziale.

◼◼

Partner zu sein, um der heterogenen Branche Kultur- und Kreativwirtschaft ein Gesicht zu geben.



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AKTIONSFELDER DES KOMPETENZZENTRUMS KULTUR- UND KREATIVWIRTSCHAFT Kompetenz Kooperation

Initiative der Bundesregierung

Länder, Kommunen, Städte

Kompetenzzentrum mit Regionalbüros

Experten, Verbände, Kammern

Gründer, Freiberufler und Unternehmen in der KKW Kommunikation Koordination

Die genannten Aktionsfelder finden ihre Umsetzung in verschiedensten Aktivitäten. Um die Akteure der heterogen strukturierten Branche Kultur- und Kreativwirtschaft auf ihren verschiedenen Ebenen möglichst gezielt ansprechen und auf deren Bedürfnisse adäquat eingehen zu können, agiert das Kompetenzzentrum mit seinen Mitarbeitern sowohl regional als auch überregional. Regionale Aktivitäten Zu den zentralen regionalen Maßnahmen zählt die Orientierungsberatung. Bundesweit unterstützen acht regionale Ansprechpartner die kreativen Gründer, Freiberufler und Kleinstunternehmen mit Orientierungsberatungen und Vernetzung. Die Regionalbüros kooperieren dabei eng mit örtlichen Beratungs- und Förderanbietern. Als maßgebliche Inhalte stehen in den kostenfreien Beratungsgesprächen die Klärung erster unternehmerischer Ideen, die wirtschaftliche Weiterentwicklung einer konkreten Geschäftsidee und die Verknüpfung mit spezifischen Angeboten für die Kultur- und Kreativwirtschaft vor Ort im Mittelpunkt. Ebenso werden passende Angebote der bestehenden Wirtschafts-

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förderung diskutiert und Gelegenheit zu Networking und Erfahrungsaustausch gegeben. Mit diesem Ansatz trägt das Kompetenzzentrum sowohl dazu bei, den Zugang zu Förderungen und Märkten zu verbessern, als auch die Weiterbildung und den Know-how-Transfer in der Branche zu festigen. Über regionale Netzwerkarbeit soll zudem die Verankerung der Aktivitäten in den Regionen angestoßen und bereichert werden. Dank der Unterstützung der RKW-Landesorganisationen konnten die Regionalbüros nach ihrer Eröffnung schnell innerhalb der Bundesländer in die regionalen Strukturen eingebettet werden. Einen großen Beitrag zur Bekanntmachung der Angebote vor Ort leistete zudem eine Reihe von Regionalkonferenzen, die die Initiative Kultur- und Kreativwirtschaft ausrichtete. Hier hatten die jeweiligen Akteure der Kultur- und Kreativwirtschaft sowie Wirtschaftsförderer, Kammern und Politik die Gelegenheit, sich kennenzulernen und auszutauschen. Die Erfahrungen aus der Aufbauphase zeigen, dass das Angebot vor Ort auf großes Interesse stößt. Das Konzept, Sprechtage nicht nur in den großen Metropolen, sondern auch in kleineren, aktiven Städten anzubieten, ging auf. Insgesamt konnten bis Ende 2010 deutschlandweit über 70 Sprechtagsorte eingerichtet werden. Von den regionalen Mit-



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arbeitern wurden bis zu diesem Zeitpunkt rund 2.000 Orientierungsgespräche und darüber hinaus etwa 1.300 Netzwerkgespräche geführt. Ebenso erreichen die Ansprechpartner in den Regionen durch zahlreiche eigene Veranstaltungen oder mit aktiven Beteiligungen bei Veranstaltungen anderer Anbieter eine Vielzahl von Kreativunternehmerinnen und -unternehmern mit ihrem Angebot. In den Orientierungs- und Netzwerkgesprächen kristallisiert sich heraus, wie wichtig ein Angebot wie das des Kompetenzzentrums ist – nicht nur für junge Gründer, sondern für Kreative auf allen Stufen des Unternehmertums und aller Altersklassen. Verstärkt tritt hier die Frage nach weiterführenden Informationsstrukturen auf, die an diese Gespräche gezielt anschließen. Der Bedarf, einzelne Themen genauer zu beleuchten und hierzu eine kompetente Beratung zu erhalten, besteht über alle Regionen hinweg in ähnlichem Maße. Bereits jetzt zeichnet sich ab, dass gerade ein Coaching-Angebot vor Ort wünschenswert ist, das die Inhalte der Orientierungsberatungen aufgreift und diese vertiefend fortführt. Überregionale Aktivitäten Die überregionalen Aktivitäten des Kompetenzzentrums Kultur- und Kreativwirtschaft ergänzen die regionalen Beratungen. Das Team arbeitet deutschlandweit an fachübergreifenden Inhalten, die für die gesamte Branche Brisanz haben. So werden beispielsweise neue Trends, die sich in den Szenen vor Ort entwickeln, aufgegriffen. Zusammen mit Experten aus Politik, Wirtschaft und Verwaltung findet zu diesen Themen etwa bei Tagungen oder Workshops ein zukunftsweisender Austausch statt. Schwerpunkte wurden so bislang beispielsweise auf die Querschnittsthemen Innovation und Nachhaltigkeit gelegt. Auf die Innovationskraft der Kultur- und Kreativwirtschaft wurde bereits eingangs verwiesen. In vielen Bereichen nimmt die Branche eine Vorreiterrolle ein. Ihr kommt damit der Stellenwert eines Impulsgebers gerade auch für andere Wirtschaftsbereiche zu. Aus der Verbindung der Kultur- der Kreativbranche mit anderen Wirtschaftszweigen über das Thema Innovation stellen sich Leitfragen wie etwa die, ob bei unterschiedlichen Herangehensweisen an Innovationsprozesse voneinander gelernt werden kann. Ebenso lässt sich fragen, in welchen Phasen die Kreativunternehmen und andere Branchen kooperieren beziehungs-

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weise sich gegenseitig als Dienstleister nutzen können. Aktuelle Stichworte wie „Open Innovation“ oder „Design Thinking“ treten in diesem Zusammenhang auf und lassen den spannenden Diskussionsrahmen erkennen, in dem sich das Kompetenzzentrum unter anderem bewegt. Aus der bisherigen Arbeit des Kompetenzzentrums lässt sich feststellen, dass neben der Innovation auch die Nachhaltigkeit innerhalb der Kultur- und Kreativwirtschaft einen immer größeren Stellenwert einnimmt. Alle drei definierten Dimensionen von Nachhaltigkeit – ökologisch, ökonomisch und sozial – werden dabei in gleichem Maße berührt. Nicht nur die Branchen Design und Architektur setzen dieses Thema aktiv um. Mittlerweile zeigen sich in allen elf Teilbranchen kreative Ansätze zu nachhaltigem Wirtschaften. Neue, profitable Geschäftsmodelle entstehen und innovative Märkte werden erschlossen. Interessante Praxisbeispiele und wichtige Erkenntnis auf diesem Gebiet lieferte ein Praxisforum des Kompetenzzentrums, das bei der RKW-Jahrestagung 2010 den Verbindungen zwischen Nachhaltigkeit und Kultur- und Kreativwirtschaft nachspürte. Für eine Diskussion darüber, wie gerade auch kleine Kreativunternehmen nachhaltig wirtschaften und inwiefern aus kreativen Ansätzen nachhaltige Impulse für die gesamte Gesellschaft entstehen können, wird das Kompetenzzentrum auch weiterhin eine Plattform bieten. Über die Beschäftigung mit aktuellen Themen hinaus übernimmt das Kompetenzzentrum Kultur- und Kreativwirtschaft beratende Funktion für die Politik: Es prüft beispielsweise die Förderprogramme des Bundes daraufhin, wie gut sie für die spezifischen Belange von Kreativunternehmern geeignet sind. So nahm es zum Beispiel das Zentrale Innovationsprogramm Mittelstand (ZIM) „unter die Lupe“, das allerdings nur für technologisch anspruchsvolle Projekte der Kultur- und Kreativunternehmen eine Förderung ermöglicht.



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Kultur- und Kreativpiloten Deutschland Das Kompetenzzentrum Kultur- und Kreativwirtschaft ist auch in bundesweiten Projekten engagiert. Mit dem u-institut für unternehmerisches Denken und Handeln e.V. organisiert es beispielweise das vom Bundeswirtschaftsministerium geförderte Programm „Kulturund Kreativpiloten Deutschland“. Das Bundeswirtschaftsministerium hat erstmals im Mai 2010 den Auftrag vergeben, eine neue bundesweite und branchenübergreifende Auszeichnung für die Kultur- und Kreativwirtschaft auszugestalten und durchzuführen. Gesucht werden Unternehmen der Kulturund Kreativwirtschaft mit außergewöhnlichen Geschäftsideen, aber auch Unternehmen, die als beispielhaft für die spezifische Ökonomie der Branche Kultur- und Kreativwirtschaft anzusehen sind. Eine branchenerfahrene Jury wählt diejenigen Bewerber aus, die sich im Bereich Innovation und Markttauglichkeit mit den interessantesten und stärksten Ideen präsentiert. Bei der Auswahl zählen nicht nur wirtschaftlicher Erfolg, sondern auch und vor allem die unternehmerische Persönlichkeit und das Vermögen, eine Idee auch wirtschaftlich umzusetzen. Diese Potenziale und den besonderen Charakter der Kultur- und Kreativwirtschaft sichtbar zu machen und die Bekanntheit, Anerkennung und Identifikation für Akteure der Querschnittsbranche zu steigern ist ein Ziel. Der Wettbewerb verbindet Professionalisierung und strategische Unternehmensentwicklung im Bereich der Kultur- und Kreativwirtschaft mit praxisrelevanter Exzellenzförderung. Er gibt dabei relevante Kenntnisse, Ansätze und Methoden durch Experten aus der Praxis an die Unternehmen der Kultur- und Kreativwirtschaft weiter und erarbeitet an der Schnittstelle von Wissenschaft und Praxis Professionalisierungsinhalte für Gründer. Die ausgewählten Unternehmen illustrieren die heterogene Branche der Kultur- und Kreativwirtschaft und tragen dazu bei, dieser in der öffentlichen Wahrnehmung mehr Gewicht zu geben. Ein weiteres Ziel ist die moderierte Vernetzung der Akteure untereinander, so dass ein deutschlandweites Netzwerk des Bildungs- und Erfahrungsaustausches von erfolgreichen Gründern und Akteuren der Kultur- und Kreativwirtschaft und potenziellen Neugründern entstehen kann.

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Aufgrund dieser Zielsetzungen wird den Ausgezeichneten auch kein Preisgeld verliehen. Vielmehr erhalten die Gewinner – neben dem Titel „Kultur- und Kreativpilot Deutschland“ für ein Jahr – eine individuelle Begleitung durch anerkannte Branchenexperten sowie die Möglichkeit, an Experten-Workshops zu marktrelevanten Themen teilzunehmen, die auf ihre Bedürfnisse abgestimmt und nicht in Lehrbüchern nachzulesen sind. Der Erfolg des ersten Durchgangs der „Kultur- und Kreativpiloten“ mit etwa 750 eingegangenen Bewerbungen und die positiven Rückmeldungen der 32 Preisträger haben gezeigt, dass ein solcher Ansatz auf große Zustimmung bei den Kreativunternehmen stößt. Aus diesem Grund wird die Auszeichnung auch in eine zweite Runde gehen. Resümee Aus der Arbeit des Kompetenzzentrums Kultur- und Kreativwirtschaft des Bundes, den Erfahrungen aus den Orientierungsberatungen und aus dem Austausch mit den „Kulturund Kreativpiloten Deutschland“ lässt sich erkennen, wie wichtig aktuell ein gezieltes Angebot für die vielen Kultur- und Kreativunternehmer in Deutschland ist. Die hohe Nachfrage zeigt, dass ein abgestimmtes Angebot vielen Akteuren gezielt hilft, sich wirtschaftlich weiterzuentwickeln. Als zentrales Element einer solchen Unterstützungsleistung bleibt jedoch immer das Verständnis für die Besonderheit der künstlerischen und kreativen Tätigkeit und eine Sensibilität im Umgang mit dem Thema. Nur so kann es gelingen, das große Potenzial der Kultur- und Kreativwirtschaft zu nutzen und für die Unternehmen, Freiberufler und Selbstständigen dieser Branche bessere erwerbswirtschaftliche Bedingungen zu erwirken.

¹

Gesamtwirtschaftliche Perspektiven der Kultur- und Kreativwirtschaft in Deutschland, Forschungsbericht Nr. 577, Kurzfassung des Forschungsgutachtens im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie, S. 3.

²

Quelle: Monitoring zu ausgewählten wirtschaftlichen Eckdaten der Kultur- und Kreativwirtschaft 2009. BMWi (Hrsg.) 2010.



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Veröffentlichungen des RKW-Kuratoriums In bisher 18 Bänden sind die Beiträge der Mitglieder des RKW-Kuratoriums aus Politik, Wirtschaft, Gewerkschaften und Wissenschaft zu den Jahressitzungen des Kuratoriums veröffentlicht worden. Der Aufbau der neuen Bundesländer Herausgegeben von Dr. Otmar Franz, Eschborn 1993 Die neuen Bundesländer und ihre Partner im Osten Herausgegeben von Dr. Otmar Franz, Eschborn 1994 Die neuen Bundesländer und Japan Herausgegeben von Dr. Otmar Franz, Eschborn 1995 Privatisierung öffentlicher Aufgaben Herausgegeben von Dr. Otmar Franz, Eschborn 1996 Innovationen in Deutschland Herausgegeben von Dr. Otmar Franz, Eschborn 1997 Maßnahmen zur Verminderung der Arbeitslosigkeit Herausgegeben von Dr. Otmar Franz, Eschborn 1998 Globalisierung – Herausforderung und Chance für den deutschen Mittelstand Herausgegeben von Dr. Otmar Franz, Eschborn 1999 Aus- und Weiterbildung für den deutschen Mittelstand Herausgegeben von Dr. Otmar Franz, Eschborn 2000 Der Generationenvertrag – Seine Bedeutung für den deutschen Mittelstand Herausgegeben von Dr. Otmar Franz, Eschborn 2001



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Zuwanderung, Arbeitsmarkt und der deutsche Mittelstand Herausgegeben von Dr. Otmar Franz, Eschborn 2002 Chancen und Risiken der EU-Osterweiterung für den deutschen Mittelstand Herausgegeben von Dr. Otmar Franz, Eschborn 2003 Finanzierung des deutschen Mittelstands im Zeitalter der Globalisierung Beiträge von: Clemens Börsig, Wolfgang Clement, Joachim Dirschka, Friedrich Homann, Wolfgang Maßberg, Angela Merkel, Matthias Platzeck, Michael Sommer, Helga Steeg Herausgegeben von Dr. Otmar Franz, Eschborn 2004 Qualifizierung im deutschen Mittelstand im Zeitalter der Globalisierung Beiträge von: Ann-Kristin Achleitner, Edelgard Bulmahn, Bernhard Dorn, Eckhard Franz, Eberhard Heinke, Bruno Köbele, Friedrich Merz, Friedhelm Ost, Matthias Platzeck, Petra Roth, Harald Schartau, Hubertus Schmoldt, Michael Sommer, Helga Steeg, Ludolf von Wartenberg Herausgegeben von Dr. Otmar Franz, Eschborn 2005 Rationalisierung und Beschäftigung im deutschen Mittelstand im Zeitalter der Globalisierung Beiträge von: Ann-Kristin Achleitner, Joachim Dirschka, Reinhard Dombre, Bernhard Dorn, Eckhard Franz, Jürgen Großmann, Friedhelm Ost, Günter Rinsche, Petra Roth, Harald Schartau, Peter M. Schmidhuber, Helga Steeg, Christa Thoben, Ludolf von Wartenberg Herausgegeben von Dr. Otmar Franz, Eschborn 2006 Herausforderung der demographischen Entwicklung für den deutschen Mittelstand Beiträge von: Anton Börner, Hans-Jörg Bullinger, Joachim Dirschka, Bernhard Dorn, Michael Glos, Jürgen Großmann, Eberhard Heinke, Hans-Joachim Metternich, Angelika Niebler, Friedhelm Ost, Harald Schartau, Annette Schavan, Hubertus Schmoldt, Christa Thoben, Ludolf von Wartenberg Herausgegeben von Dr. Otmar Franz, Eschborn 2007

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Mittelstand – Schlüsselfaktor im deutschen Innovationssystem Beiträge von: Dieter Althaus, Ludwig Baumgarten, Clemens Börsig, Hans-Jörg Bullinger, Edelgard Bulmahn, Joachim Dirschka, Eberhard Heinke, Roland Issen, Silvana Koch-Mehrin, Wolfgang Maßberg, Werner Meißner, Angelika Niebler, Hans-Christoph Noack, Friedhelm Ost, Andreas Pinkwart, Matthias Platzek, Günter Rinsche, Petra Roth, Harald Schartau, Annette Schavan, Christine Scheel, Michael Sommer, Helga Steeg, Günter Spur, Alexander Tesche, Ingrid Voigt, Ludolf von Wartenberg Herausgegeben von Dr. Otmar Franz, Sternenfels 2008 Mittelstand und Osteuropa Beiträge von: Dieter Althaus, Ludwig Baumgarten, Anton F. Börner, Edelgard Bulmahn, Hans-Jörg Bullinger, Joachim Dirschka, Roland Issen, Silvana Koch-Mehrin, Bernd Kriegesmann, Klaus Murmann, Friedhelm Ost, Matthias Platzeck, Thorsten Posselt, Günter Rinsche, Petra Roth, Anette Schavan, Hubertus Schmoldt, Günter Spur, Helga Steeg, Ludolf von Wartenberg Herausgegeben von Dr. Otmar Franz, Sternenfels 2009 Die Zukunft des deutschen Mittelstands Beiträge von: Anton F. Börner, Edelgard Bulmahn, Joachim Dirschka, Otmar Franz, Hans-Jörg Bullinger, Eberhard Heinke, Roland Issen, Silvana Koch-Mehrin, Bruno W. Köbele, Bernd Kriegesmann, Angelika Niebler, Friedhelm Ost, Andreas Pinkwart, Matthias Platzeck, Petra Roth, Harald Schartau, Christine Scheel, Peter M. Schmidhuber, Günter Spur, Alexander Tesche Herausgegeben von Dr. Otmar Franz, Sternenfels 2010



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Mitglieder des RKW-Kuratoriums Dr. Ludwig Baumgarten ehem. Mitglied des Vorstands des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt e.V. Anton F. Börner Präsident des Bundesverbands Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen e.V. Prof. Dr. Clemens Börsig Vorsitzender des Aufsichtsrats der Deutschen Bank AG Prof. Dr. Werner Breitschwerdt Daimler AG Rainer Brüderle MdB Vorsitzender der FPD-Fraktion im Deutschen Bundestag Prof. Dr.-Ing. habil. Hans-Jörg Bullinger Präsident der Fraunhofer Gesellschaft zur Förderung der angewandten Forschung e.V. Edelgard Bulmahn MdB Mitglied des Auswärtigen Ausschusses des Deutschen Bundestages Joachim Dirschka Präsident der Handwerkskammer zu Leipzig Prof. Dr. Gerhard Fels ehem. Direktor und Mitglied des Präsidiums des Instituts der deutschen Wirtschaft Dr. Otmar Franz Ehrenvorsitzender des Vorstands des RKW e.V., Ehrenmitglied des Europäischen Parlaments Michael Glos MdB Bundesminister für Wirtschaft und Technologie a.D.

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Prof. Dr. Jürgen Gramke Vorstandsvorsitzender des Institute for European Affairs Dr. Jürgen Großmann Vorstandsvorsitzender der RWE AG Dr. Eberhard Heinke Vorsitzender des Verwaltungsrats des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung Roland Issen ehem. Vorsitzender der Deutschen Angestellten-Gewerkschaft Senator e.h. Bruno Köbele Präsident des Internationalen Bundes Christiane Krajewski Ministerin und Senatorin a.D. Prof. Dr. Bernd Kriegesmann Präsident der Fachhochschule Gelsenkirchen Dr. Heinz Kriwet ehem. Vorsitzender des Aufsichtsrats der Thyssen Krupp AG Prof. Dr.-Ing. Wolfgang Maßberg Ruhr-Universität Bochum Prof. Dr. Werner Meißner Präsident der accadis Hochschule Bad Homburg Friedrich Merz Vorsitzender der Atlantik-Brücke e.V.



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Dr. Werner Müller Bundesminister a. D. Dr. Klaus Murmann Gründer der Sauer-Danfoss Inc. Bernd Neumann MdB Staatsminister für Kultur und Medien Dr. Angelika Niebler MdEP Friedhelm Ost Staatssekretär a.D. Prof. Dr. Andreas Pinkwart Rektor der Handelshochschule Leipzig Matthias Platzeck MdL Ministerpräsident des Landes Brandenburg Prof. Dr. Günter Rinsche Mitglied des Vorstands der Konrad-Adenauer-Stiftung Dr. Gunnar Rogwalder Chairman of the Board Hansa Luftbild Arabia EC Petra Roth Oberbürgermeisterin der Stadt Frankfurt am Main Dr. Peter M. Rudhart Vorstandsvorsitzender RKW e.V., Honorary Vice President of the European Management Association

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Harald Schartau Arbeitsdirektor und Mitglied der Geschäftsführung der Georgsmarienhütte Holding GmbH Prof. Dr. Annette Schavan MdB Bundesministerin für Bildung und Forschung Christine Scheel MdB Mittelstandsbeauftragte der Fraktion Bündnis 90 / Die Grünen im Deutschen Bundestag RA Peter M. Schmidhuber ehem. Mitglied der EU-Kommission Hubertus Schmoldt ehemaliger Vorsitzender der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie Peter von Siemens Siemens AG Michael Sommer Vorsitzender des Deutschen Gewerkschaftsbundes Prof. Dr.-Ing. Günter Spur Technische Universität Berlin Prof. Dr. Joachim Starbatty Vorsitzender des Vorstands der Aktionsgemeinschaft Soziale Marktwirtschaft e.V. Dr. Helga Steeg ehem. Exekutivdirektorin der Internationalen Energie-Agentur IEA Dr. Alexander Tesche Mitglied des Vorstands der Ed. Züblin AG



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Christa Thoben Ministerin für Wirtschaft, Mittelstand und Energie des Landes Nordrhein-Westfalen a.D. Michael Vassiliadis Vorsitzender der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie Dr. Ludolf von Wartenberg Präsident der Gesellschaft zur Förderung von Auslandsinvestitionen

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