Konnexität im EuGVÜ: Rechtsvergleichende Studie mit einem Vorschlag zur Weiterentwicklung des deutschen Rechts [1 ed.] 9783428488971, 9783428088973

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Konnexität im EuGVÜ: Rechtsvergleichende Studie mit einem Vorschlag zur Weiterentwicklung des deutschen Rechts [1 ed.]
 9783428488971, 9783428088973

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Johanna Adelheid LüpfeTt . Konnexität im EuGVÜ

Schriften zum Prozessrecht Band 131

••

Konnexität im EuGVU Rechtsvergleichende Studie mit einem Vorschlag zur Weiterentwicklung des deutschen Rechts

Von Johanna Adelheid Lüpfert

Duncker & Humblot · Berlin

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Lüpfert, Johanna Adelheid: Konnexität im EuGVÜ : rechts vergleichende Studie mit einem Vorschlag zur Weiterentwicklung des deutschen Rechts / von Johanna Adelheid Lüpfert. - Berlin : Duncker und Humblot, 1997 (Schriften zum Prozessrecht ; Bd. 131) Zugl.: Freiburg (Breisgau), Univ., Diss., 1995/96 ISBN 3-428-08897-2 NE:GT

Alle Rechte vorbehalten © 1997 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fotoprint: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0582-0219 ISBN 3-428-08897-2 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

9

Meinen Eltern und Christoph

Vorwort Die Arbeit hat der Juristischen Fakultät der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg im Breisgau im Wintersemester 1995/96 als Dissertation vorgelegen. Das Manuskript wurde im November 1995 abgeschlossen. Herzlich danken möchte ich an dieser Stelle vor allem Herrn Professor Dr. Dieter Leipold, der mich stets unterstützt und die Arbeit mit großer Anteilnahme betreut hat. Er gab mir wertvolle Anregungen. Danken möchte ich insbesondere auch Herrn Professor Dr. Rolf Stürner für das freundliche Interesse an meiner Arbeit und die rasche Erstellung des Zweitgutachtens. Außerdem bin ich der Deutschen Forschungsgemeinschaft zu Dank verpflichtet, die mir im Rahmen des Graduiertenkollegs "Internationalisierung des Privatrechts" für die Zeit der Anfertigung der Dissertation ein Stipendium gewährt hat. Die Veranstaltungen des Graduiertenkollegs haben mir für meine Arbeit und weit darüber hinausgehend Denkanstöße gegeben. Der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg danke ich für die Verleihung des von der Nomos Verlagsgesellschaft gestifteten Europa-Preises 1996 und der Wissenschaftlichen Gesellschaft in Freiburg für den Zuschuß zu den Druckkosten dieses Buches. Mein ganz besonderer Dank gilt meinen Freunden, die durch Gespräche und Kritik zum Gelingen des Werkes beigetragen haben. Beim Korrekturlesen nach Abschluß des Manuskripts waren mir vor allem meine Mutter, Francesca, Anita und Christoph eine große Hilfe. Meine Freundin Anke war immer für mich da und hat mich in schwierigen Phasen aufgemuntert. Ganz herzlich möchte ich meinen Eltern danken, die mich stets in jeder Hinsicht gefördert haben.

Berlin, im Februar 1997

Johanna Adelheid Lüpfert

Inhaltsverzeichnis Einleitung

23

Erster Teil

Der Begriff der Konnexität in Art. 22 EuGVÜ § 1 Grundlagen

27

I. Das Europäische Gerichtsstands- und Vollstreckungsübereinkommen vom 27.09.1968 (EuGVÜ) .........................................................

27

11. Die Wirkung der Konnexität im EuGVÜ ........................................

29

ill. Anwendungsbereich des Art. 22 ..................................................

31

1.

Sachlicher Anwendungsbereich .............................................

31

2.

Räumlich-persönlicher Anwendungsbereich ..............................

32

3.

Drittstaatenproblematik ........................................................

33

IV. Berücksichtigung der internationalen Konnexität außerhalb des EuGVÜ

35

1.

Berücksichtigung der internationalen Konnexität im autonomen Recht der Vertragsstaaten .............. .............. ............ ......... ....

35

Konnexitätsregeln im bilateralen Staatsverträgen ........................

40

§ 2 Die Auslegung des Begriffs "Zusammenhang" in Art. 22 ........................

41

I. Auslegungsmethode ..................................................................

41

1.

Die Auslegung des EuGVÜ im allgemeinen..............................

41

2.

Auslegungsmethode im Fall des Konnexitätsbegriffs .......... .........

42

11. Die Auslegung des Konnexitätsbegriffs im einzelnen ........................

43

2.

1.

Grammatikalische Auslegung ................................................

43

2.

Historische Auslegung.........................................................

44

3.

Teleologische Auslegung .....................................................

45

a)

45

Sinn und Zweck des Art. 22 ...........................................

10

Inhaltsverzeichnis

b)

aa) Entscheidungsharmonie ........................... ................

45

bb) Prozeßökonomie ....................................................

46

Sinn und Zweck des EuGVÜ insgesamt ........................ .....

47

aa) Titelfreizügigkeit ....................................................

48

bb) Effektiver Rechtsschutz ...... .......... ...........................

48

Zusammenfassung ........................................................

49

Systematische Auslegung .....................................................

50

a)

Regelungszusammenhang mit Art. 6 Nr. 3 .........................

50

b)

Regelungszusammenhang mit Art. 27 Nr. 3 ........................

50

aa) "Unvereinbare" Entscheidungen i.S.d. Art. 27 Nr. 3 ......

51

bb) Folgerungen für den Konnexitätsbegriff .......................

52

Regelungszusammenhang mit Art. 21 ................................

54

Rechtsvergleichende Auslegung .............................................

54

a)

Rechtsvergleichung als Aspekt vertragsautonomer Auslegung

54

b)

Rechtsvergleichung und Konnexitätsbegriff ........................

56

Zwischenergebnis zum Begriff der Konnexität ................................

56

§ 3 Rechtsvergleichende Untersuchung des Begriffs der Konnexität ................

57

I. Der Begriff der Konnexität im nationalen Recht ausgewählter Vertragsstaaten ...................................................................................

57

c) 4.

c) 5.

m.

I.

2.

Frankreich........................................................................

57

a)

Wirkung der Konnexität im französischen Zivilprozeßrecht ....

57

b)

Der Begriff der Konnexität .............................................

58

aa) Die gesetzliche Begriffsbestimmung ............................

58

bb) Historische Entwicklung des Konnexitätsbegriffs ...........

59

cc) Aktuelles Verständnis der Konnexität ..........................

60

dd) Insbesondere: Das Kriterium der gemeinsamen Frage .....

62

c)

Kontrollbefugnis der Cour de cassation .............................

63

d)

Zusammenfassung........................................................

65

Belgien.. .. .. .. . .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. . .. .. .. .. . . . . . .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .

65

a)

Wirkung der Konnexität im belgischen Zivilprozeßrecht ........

65

b)

Der Begriff der Konnexität .............................................

65

Inhaltsverzeichnis

c) 3.

11

aa) Die gesetzliche Regelung .........................................

65

bb) Einschränkendes Kriterium: "liaison objective" ... ..........

67

Zusammenfassung ........................................................

68

Italien. . . . . . . . . .. . .. .. . . . . . . . . ... . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ... .. . . . .. . . . . . . . . . . . .

68

a)

Wirkung der Konnexität im italienischen Zivilprozeßrecht ......

68

b)

Der Begriff der Konnexität .............................................

69

aa) Die Konnexität im eigentlichen Sinne ..........................

69

bb) Die Konnexität im weiteren Sinne . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . .

71

cc) Bestimmung der für Art. 22 relevanten Konnexitätsform..

71

Spanien ........................................................ :...................

73

a)

Wirkung der Konnexität im spanischen Zivilprozeßrecht ........

73

b)

Der Begriff der Konnexität .............................................

73

5.

Englisches Recht .............. .............................. ..... ...............

75

6.

Deutsches Recht ................................................................

77

11. Rechtsprechung der vertragsstaatlichen Gerichte zum Begriff des Zusammenhangs in Art. 22 ............................................................

80

lli. Rechtsvergleichende Zusammenfassung und Folgerungen für den Konnexitätsbegriff in Art. 22 ............................................................

85

IV. Der Konnexitätsbegriff in der Entscheidung Maciej Rataj ..................

86

4.

1.

Die Entscheidung ...............................................................

86

2.

Bewertung der Entscheidung aus rechtsvergleichender Sicht .........

86

V. Das Problem der Parteiverschiedenheit ..........................................

89

VI. Ergebnis zum Begriff der Konnexität ............................................

90

§ 4 Abgrenzung der Konnexität zur Rechtshängigkeit gemäß Art. 21 ..............

91

I. Der Begriff der Anspruchsidentität in Art. 21 ................... .... ..........

91

1.

Wortlaut des Art. 21 ...........................................................

91

2.

Die Auslegungsmethode ......................................................

92

11. Die Entscheidungen des EuGH zur Abgrenzung zwischen Art. 21 und 22 ........................................................................................

93

Die Entscheidung Gubisch/Palumbo .. . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

93

a)

93

1.

Sachverhalt.................................................................

12

Inhaltsverzeichnis b)

Die Entscheidung des EuGH .... .......................................

93

c)

Kritik..... .... ....... ........ ......... .......... .................. ...........

94

Die Entscheidung Maciej Rataj ..............................................

95

a)

Sachverhalt.................................................................

95

b)

Die Entscheidung des EuGH ...........................................

96

ill. Abgrenzung zwischen Rechtshängigkeit und Konnexität nach nationalem Recht ausgewählter Vertragsstaaten ... . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . .

97

2.

1.

Die Einrede der Rechtshängigkeit im deutschen Recht ................

97

2.

Abgrenzung zwischen Rechtshängigkeit und Konnexität nach französischem Recht ................................................................

98

3.

Belgisches Recht ................................................................ 101

4.

Italienisches Recht .............................................................. 102

5.

Englisches Recht ................................................................ 104

6.

Ergebnis der Rechtsvergleichung und Folgerungen für Art. 21 ..... 105

IV. Der Inhalt der Klageelemente ..................................... ,................ 107 1.

Parteien ......... .......... ....... ..... ....... ... ...................... ............ 107

2.

Causa.............................................................................. 109

3.

Petitum ............................................................................ 112 a)

Begriff des Petitums ...................................................... 112

b)

Identität und Teilidentität ................................................ 113 aa) Der Begriff der Identität ........................................... 113 bb) Das Problem der Teilidentität . ................... .... ............ 114

c)

Die Rechtsschutzform als Element des Begehrens ..... ........... 116 aa) Rechtshängigkeit und Rechtsschutzform in nationalen Rechtsordnungen .................................................... 117 bb) Die Aussage der Entscheidung Gubisch/Palumbo ........... 119 cc) Die Entscheidung des EuGH im Fall Maciej Rataj .......... 121

V. Entwicklung eines Abgrenzungskriteriums anhand der Struktur von Art. 21 und 22 .......................................................................... 121 1.

Der Regelungszweck als Abgrenzungskriterium ... ......... ............ 122

2.

Die Struktur der Rechtsfolgen ............................................... 123

3.

Konsequenzen für die Abgrenzung ......................................... 124

Inhaltsverzeichnis

13

VI. Ergebnis zur Abgrenzung zwischen Art. 21 und Art. 22 ... .......... .... ... 128

Zweiter Teil Ausgestaltung der europäischen Konnexitätsregel § 5 Einschränkende Voraussetzungen des Art. 22 .......................... .......... ... 129

I. Anhängigkeit beider Verfahren im ersten Rechtszug ............... ....... ... 130 1.

Geltungsbereich der Voraussetzung .. .............. ..... ......... .......... 130

2.

Kritik an der Voraussetzung der Anhängigkeit in erster Instanz ..... 131

3.

Ergebnis ...................................................... : ................... 134

11. Grundsatz der Priorität .............................................................. 134 1.

Bestimmung des relevanten Zeitpunkts ........................ ......... ... 135

2.

Bedeutung der Prioritäts regel ................................................ 137 a)

Einschränkung des Anwendungsbereichs des Art. 22 Abs. 2 .. 137

b)

Priorität und Aussetzung gemäß Art. 22 Abs. 1 ................... 141

ill. Anerkennungsfähigkeit und Zuständigkeit ......... ................. ......... ... 141 1.

Anerkennungsprognose ....................................................... 141

2.

Zuständigkeit. ................ .................... ................... ......... ... 142 a)

Zuständigkeit des zuerst angerufenen Gerichts für das bei ihm anhängige Verfahren .......... ..... .................... .................. 143

b)

Zuständigkeit des später angerufenen Gerichts .......... .......... 145

IV. Zusätzliche Einschränkungen für die Unzuständigerklärung nach Abs. 2 146 1.

Antrag einer Partei ................ ....... ................... ........... ........ 147 a)

Sinn des Antragserfordernisses ......... .......... .... ......... ........ 147

b)

Zeitpunkt der GeItendmachung .. ..................... ......... ........ 148

2.

Zuständigkeit des ersten Gerichts für beide Verfahren ...... ........ ... 149

3.

Zuiässigkeit der Verbindung nach nationalem Recht ....... ............ 152 a)

Inhalt der Voraussetzung ..... ..................... .............. ........ 152 aa) Maßgeblichkeit des Rechts des später angerufenen Gerichts .......... ....... .... .......... .......... ........... ... ......... ... 152 . bb) Qualität der Verbindungsmöglichkeit ................ ....... ... 153

14

Inhaltsverzeichnis cc) Verbindungs möglichkeit nach nationalem Recht im konkreten Fall oder generell .......................................... 154 b)

Kritik an dieser Einschränkung ........................................ 155 aa) Sinn des Abstellens auf die zweitgerichtliche Rechtsordnung .................................................................... 155 bb) Sinn der Abhängigkeit vom Bestehen entsprechender nationaler Regelungen ................................................ 157

c)

Zulässigkeit der Verbindung zusammenhängender Verfahren in den Rechtsordnungen der Vertragsstaaten .. .... .......... ....... 158 aa) Deutsches Recht .... ............ ........... ..... ..... ........ ....... 158 bb) Italienisches Recht .................................................. 159 cc) Rechtslage in den übrigen Vertragsstaaten .................... 160

d)

Ergebnis. . . . . . . . . . . . . .. . .. .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162

V. Zusammenfassung zu den einschränkenden Voraussetzungen . .. . . . . . . .. .. 162 § 6 Die Rechtsfolgen der Konnexität ... ...... ........... ... ......... ........................ 163 I. Die Rechtsfolge der Aussetzung in Art. 22 Abs. 1 ........................... 163

1.

Das Verfahren der Aussetzung und die Wirkungen während ihrer Dauer .............................................................................. 163

2.

Dauer der Aussetzung ......................................................... 165

3.

Wirkungen auf das weitere Verfahren nach Ende der Aussetzung .. 167

4.

Zweckmäßigkeit der Aussetzung als Rechtsfolge der Konnexität .... 169

11. Die Rechtsfolge der Unzuständigerklärung in Art. 22 Abs. 2 ........... ... 170 1.

Mögliche Wirkungen des Art. 22 Abs. 2 ................................. 170

2.

Der Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171

3.

Der "renvoi" im französischen bzw. belgischen Recht ................ 173 a)

Anlehnung der Regelung im EuGVÜ an den "renvoi" ........... 173

b)

Begriffsklärung ............................................................ 173

c)

Die Wirkung des "renvoi" im französischen Recht ............... 174 aa) Die grundsätzliche Bedeutung des "renvoi" ............. ..... 174 bb) Ausgestaltung des "renvoi" im einzelnen ....... .... ........... 175 cc) Der" renvoi" im zwischenstaatlichen Bereich ................ 177

d)

Der "renvoi" im belgischen Recht .................................... 178

Inhaltsverzeichnis 4.

15

Die Rechtsfolge der Konnexität im italienischen Recht ................ 180 a)

Ausgestaltung der Rechtsfolge der Konnexität ..................... 180

b)

Vergleich mit der französischen bzw. belgischen Lösung ....... 182

5.

Verbindung konnexer Verfahren nach spanischem Recht ............. 182

6.

Verbindung konnexer Verfahren im deutschen Recht ................. 184

7.

Übertragbarkeit der nationalen Lösungen auf die europäische Ebene ..............................................................'...................... 186 a)

Argumente gegen die Möglichkeit einer Verweisung über die Staatsgrenzen .............................................................. 186 aa) Souveränitätsverletzung ........................................... 186 bb) Verfahrenseinheit über die Grenzen ............................ 187 cc) Prozeßkosten ......................................................... 189 dd) Eingriff in die Prozeßleitungsbefugnis eines fremden Gerichts ..... ....................................... ............... ........ 191 ee) Praktische Schwierigkeiten ....................................... 191 ff)

b)

Zwischenergebnis ................................................... 191

Interessen an einer Verweisung wegen Konnexität .. .. .. .. .. .. .. . 192 aa) Interessen an direkter Transferierung des Verfahrens ...... 192 bb) Interessen an Verbindungswirkung ............................. 192 cc) Interessen an bindender Wirkung der Verweisung .......... 193

8.

Verweisungslösung de conventione lata ................................... 194 a)

Wortlaut des Art. 22 Abs. 2 ............................................ 194

b)

lenard-Bericht. .................................... .............. .......... 195

c)

Materialien zum Lugano-Übereinkommen .......................... 196

d)

Systematische Auslegung ............................................... 197

e)

Rechtsvergleichung ....................................................... 197 aa) Schlußfolgerungen aus der Untersuchung der Rechtsfolgen der Konnexität in den nationalen Rechtsordnungen . . . 197 bb) Handhabung des Art. 22 Abs. 2 durch die vertragsstaatlichen Gerichte . . . . . . . . .. . . . . . .. . . . ..... ... .. . . . . . . . . . ..... . . . . . .... . 198

f)

9.

Zwischenergebnis ......................................................... 200

Bindungswirkung der Verweisung de conventione lata ................ 200

10. Zusammenfassung .............................................................. 201

16

Inhaltsverzeichnis

§ 7 Die Ermessensentscheidung über die Rechtsfolgen ................................. 203 I. Grenzen der Ermessensausübung ................................................. 203

11. Mögliche Ermessensgesichtspunkte und deren Berechtigung .............. 205 1.

Grad des Zusammenhangs und der Gefahr widersprechender Entscheidungen ...................................................................... 205

2.

Arbeits- und Kostenaufwand ................................................. 206

3.

Stand und Dauer der Verfahren ............................................. 206

4.

Sachnähe der Gerichte ......................................................... 208

5.

Umfassende Zuständigkeit des Erstgerichts .... .. ...... ... ............... 210

6.

Anerkennungsprognose ....................................................... 211

7.

Interessen der Parteien ........................................................ 212

8.

Vermutung zugunsten einer Aussetzung bzw. Unzuständigerklärung ................................................................................ 214

9.

Zusammenfassung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 216

lli. Zweckmäßigkeit der Ausgestaltung des Art. 22 als Ermessensnorm ..... 216 1.

Nachteile der Einräumung eines Ermessensspielraums ................ 216

2.

Gründe für einen Ermessensspielraum .................................... 217

3.

Bewertung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 220

§ 8 Effektivität des Art. 22 .................................................................... 221

I. Die These der mangelnden Effektivität .......................................... 221

11. Koordinierungsregel und Gerichtsstand des Sachzusammenhangs ........ 221

lli. Ergebnis ................................................................................ 223

Dritter Teil Konnexität im deutschen Recht § 9 Koordinierung konnexer Verfahren nach geltendem deutschem Recht

224

I. Koordinierung konnexer Verfahren im innerstaatlichen Bereich .......... 225 1.

Verbindung zusammenhängender Klagen (§ 147 ZPO) ................ 225

2.

Aussetzung bei Vorgreitlichkeit (§ 148 ZPO) ............................ 226

3.

Analoge Anwendung des § 148 ZPO über Präjudizialität hinaus .... 227

Inhaltsverzeichnis

17

4.

Entsprechende Anwendung des § 36 ZPO ................................ 229

5.

Verneinung des Rechtsschutzbedürfnisses ................................ 230

6.

Spezielle Koordinierungsmöglichkeiten in Drittbeteiligungsfällen ... 231

11. lBerücksichtigung konnexer Verfahren vor ausländischen Gerichten ..... 233

m.

1.

Aussetzung gemäß § 148 ZPO analog zugunsten eines ausländischen Verfahrens ............................................................... 233

2.

Forum non conveniens ........................................................ 235

Ergebnis zur Situation de lege lata ................................................ 236

§ 10 Angleichung des deutschen Rechts an Art. 22 EuGVÜ ........................... 239

I. Vorüberlegung: Koordinierungsregel und Gerichtsstand des Sachzusammenhangs .................................................................. ,. ...... 239

11. Einführung einer Konnexitätsregelung für den nationalen Bereich ........ 242 I.

Grundsätzliche Gestaltungsmöglichkeiten ................................. 242

2.

Vereinbarkeit einer innerstaatlichen Konnexitätsregel mit dem deutschen Recht ...................................................................... 243

3.

a)

Recht auf den gesetzlichen Richter ................................... 243

b)

Verfahrensgrundsätze der ZPO ........................................ 245

c)

Eingriff in die Kompetenz des anderen Gerichts .................. 247

d)

Chancengleichheit der Parteien ... ..................................... 249

e)

Zweiparteiengrundsatz ........... .. ............................. .. ....... 250

t)

Rechtliches Gehör ........................................................ 252

g)

Beweisunmittelbarkeit ................................................... 254

Abwägung der beteiligten Interessen ....................................... 255 a)

Interessen des Beklagten ................................................ 256

b)

Interessen des Klägers ................................................... 256

c)

Entscheidungsharmonie und Verfahrensökonomie ................ 258

d)

Abwägung.................................................................. 259

4.

Parteiherrschaft und Richtermacht ......................... ; ................ 261

5.

Ausgestaltung der Konnexitätsregel ........................................ 263 a)

Rechtsfolge ............................... .................................. 263 aa) Verweisung und Aussetzung ..................................... 263

2 Lüpl'ert

18

Inhaltsverzeichnis bb) Wirkungs richtung der Konnexität ............................... 263 cc) Gebundene Entscheidung oder Ermessen ..................... 264

6.

b)

Anhängigkeit in erster Instanz ......................................... 265

c)

Antragserfordernis ........................................................ 265

d)

Kostenentscheidung ....... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266

Regelungsvorschlag ............................................................ 267

III. Schaffung einer Konnexitätsregel für den Anwendungsbereich des EuGVÜ .................................................................................. 267 1.

Erforderlichkeit einer Angleichung des deutschen Rechts an Art. 22 267

2.

Einwände gegen eine Verweisungsbefugnis deutscher Gerichte ..... 268

3.

Behandlung der Prozeßkosten ............................................... 268

4.

Regelungsvorschlag ............................................................ 269

IV. Regelung der Konnexität im internationalen Bereich außerhalb des EuGVÜ ................................................................................. 269 § 11 Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse ...................................... 272 Schrifttumsverzeichnis

276

Entscheidungsregister

293

Sachregister

303

Abkürzungsverzeichnis AB!. EG

Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften

Abs. A.C. AcP a!. All E.R. Anm.

Absatz Law Reports, Appeal Cases Archiv für die civilistische Praxis alinea All England Law Reports Anmerkung

Art. BB!.

Artikel Bundesblatt der Schweizerischen Eidgenossenschaft

BGB!.

Bundesgesetzblatt

BT-Drucks.

Bundestags-Drucksache

Bull. civ.

Bulletin des arrets de la Cour de cassation (Chambres civiles)

C.A. cah. Cass. (belg.) Cass. (fr.)

Court of Appeal

Cass. (it.)

Corte di cassazione Code civil County Court Rules

C.c. C.C.R. ch.

cahier Cour de cassation beige Cour de cassation fran~aise

Clunet

chambre chronique Code judiciaire Journal du droit international, Clunet

Com.

Tribunal de commerce

Cons. prud. C.p.c.

Conseil de prud 'hommes Code de procedure civile

c.p.c.

codice di procedura civile

D.

Recueil Dalloz

ders.

derselbe

doctr.

doctrine

chron. C.j.

2"

20 Ein!.

Enc. Dalloz dr. int. Enc. Dalloz proc. EuGH EuGVÜ EuR Eur. Transp. Law

Abkürzungsverzeichnis Einleitung Encyclopedie Dalloz de droit international Encyclopedie Dalloz de procedure civile Europäischer Gerichtshof Europäisches Gerichtsstands- und Vollstreckungsübereinkommen Europarecht European Transport Law

EuZW

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FamRZ

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11 Foro italiano

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NILR

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NJ.

Nederlandse Jurisprudentie

NJW

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Nr./n°

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Q.B.

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Rechtbank

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Rechtssache

R.S.C.

Rules of the Supreme Court

R.W.

Rechtskundig Weekblad

22

S.

Abkürzungsverzeichnis

WM ZfRV ZVglRWiss.

Seite Recueil Sirey siehe Schweizerische Juristen-Zeitung Amtliche Sammlung der Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs sommaires Tribunal civil Tribunal de grande instance vergleiche verbo (französisch) bzw. voce (italienisch); Bezeichnung für ein Stichwort in einem Nachschlagewerk Weekly Law Reports Wertpapier-Mitteilungen Zeitschrift für Rechtsvergleichung Zeitschrift für vergleichende Rechtswissenschaft

ZZP

Zeitschrift für Zivilprozeß

s. Schweiz. JurZ Slg. somm. Trib. civ. Trib. gr. inst. vgl. VO

W.L.R.

Siehe im übrigen Hildebert Kirchner, Abkürzungsverzeichnis der Rechtssprache, 4. Aufl., Berlin 1993.

Einleitung Miteinander zusammenhängende Klagen werden häufig vor verschiedenen Gerichten erhoben, auch wenn die Ansprüche in einem Verfahren verfolgt werden könnten. Dahinter können die unterschiedlichsten Interessen stehen. So kann bei verschiedenen Klägern jeder ein Interesse haben, an dem ihm jeweils nächsten Gericht zu klagen. Klagt dieselbe Person mehrere Ansprüche ein, kann sie eine nur für eine der Klagen bestehende besondere Zuständigkeit ausnutzen wollen. Die Aufspaltung eines Sachverhaltskomplexes in einzelne, getrennt voneinander eingeleitete Klagen kann dazu führen, daß die Ergebnisse der einzelnen Verfahren nicht zusammenpassen oder sogar einander unmittelbar widersprechende Entscheidungen ergehen. Die getrennte Verhandlung von sachlich eng zusammenhängenden Streitsachen verursacht zudem überflüssigen Verfahrensaufwand, weil derselbe Sachverhalt mehrmals ermittelt und dieselben Fragen mehrmals beantwortet werden müssen. Es besteht daher ein erhebliches Interesse an der Koordinierung von Verfahren über miteinander zusammenhängende Ansprüche. Thema dieser Arbeit ist die Behandlung des Sachzusammenhangs zwischen mehreren, bei verschiedenen Gerichten anhängigen Klagen im europäischen Zivilprozeßrecht. Im Zentrum der Untersuchung steht die Regelung in Art. 22 des Brüsseler Übereinkommens über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung gerichtlicher Entscheidungen von 1968 (EuGVÜ). Diese Norm ermöglicht die Koordinierung von konnexen Zivilprozessen, die in verschiedenen EU-Staaten gleichzeitig anhängig sind. Sie begründet dagegen keinen allgemeinen Gerichtsstand des Sachzusammenhangs. Der Problemkreis der Zuständigkeitsverschiebung kraft Sachzusammenhangs bleibt daher in der vorliegenden Arbeit weitgehend ausgeklammert. Grundlegend für die Untersuchung ist die Klärung des Begriffs der Konnexität, weil dadurch der Anwendungsbereich der Regelung in Art. 22 1 abgesteckt wird. Der Begriffsbestimmung ist der erste Teil der Arbeit gewidmet. Da der europäische Konnexitätsbegriff in Anlehnung ari entsprechende Begriffe in den nationalen Rechtsordnungen der Vertrags staaten entstanden ist, bedarf es einer rechtsvergleichenden Studie. Hierbei werden die Rechtsordnungen derjenigen Vertrags staaten berücksichtigt, die Wesentliches zur Artikel ohne Gesetzesangabe sind solche des EuGVÜ.

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Einleitung

Begriffsklärung beitragen können. Das sind in erster Linie die romanischen Rechtsordnungen, weil die Konnexität dort ein grundlegendes Institut des Zivilprozeßrechts darstellt und der Begriff deutlich ausgeprägt ist. Im deutschen Zivilprozeßrecht spielt die Konnexität im Vergleich dazu eine geringe Rolle. Die ablehnende Haltung gegenüber dem Gerichtsstand der Konnexität, der "wegen seiner vagen Allgemeinheit ganz untauglich zu einer wissenschaftlichen Entwicklung" sei2 , reicht zurück bis ins 19. Jahrhundert und hat eine Auseinandersetzung mit dem Begriff bis heute weitgehend verhindert. Die europäische Konnexitätsregel führt bislang ein Schattendasein. Die geringe Bedeutung der Regelung in der bisherigen Gerichtspraxis steht im Gegensatz zur großen praktischen Relevanz der entprechenden Normen in den romanischen Rechtsordnungen. Das liegt nicht etwa daran, daß es auf europäischer Ebene weniger Parallelverfahren gäbe. Ein Grund für die relativ geringe praktische Bedeutung des Art. 22 könnte die verdrängende Wirkung der Nachbarvorschrift des Art. 21 über die Rechtshängigkeit sein. Um den Regelungsbereich des Art. 22 abzuklären, ist es daher nötig, den Anwendungsbereich der beiden Normen voneinander abzugrenzen. Für die Lösung der Abgrenzungsfrage ist zum einen die Grenzziehung zwischen Rechtshängigkeit und Konnexität in den nationalen Rechtsordnungen der Vertragsstaatenheranzuziehen. Zum anderen soll auf die Unterschiede in der Zielrichtung und der Struktur der beiden benachbarten Normen abgestellt werden. Die geringe praktische Relevanz der Konnexitätsregel könnte weiterhin darauf beruhen, daß die Regelung in Art. 22 nicht effektiv genug ausgestaltet ist. Im zweiten Teil der Arbeit werden daher die zusätzlichen Voraussetzungen für die Berücksichtigung der Konnexität sowie die in Art. 22 vorgesehenen Rechtsfolgen untersucht. Die unterschiedlichen Auffassungen über die Behandlung der Konnexität in den verschiedenen Vertragsstaaten des EuGVÜ haben zu erheblichen Kompromissen bei der Ausgestaltung des Art. 22 geführt. Die dadurch entstandenen Unklarheiten und Widersprüche gilt es aufzulösen. Art. 22 setzt zunächst voraus, daß beide Verfahren in erster Instanz anhängig sind. Ferner verlangt er für die Rechtsfolge der Unzuständigerklärung einen Parteiantrag, die Zuständigkeit des Erstgerichts für beide Klagen sowie die Zulässigkeit der Verbindung konnexer Verfahren nach nationalem Recht. Durch eine zweckgerechte Auslegung dieser Voraussetzungen vor dem Hintergrund der Analyse entsprechender nationaler Regelungen könnte die Effektivität von Art. 22 verbessert werden. Soweit dies nicht genügen sollte, sind änderungsvorschläge zu entwickeln.

Planck. Mehrheit der Rechtsstreitigkeiten (1844). S. 531.

Einleitung

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Besonders problematisch sind die in Art. 22 angeordneten Rechtsfolgen. Das später angerufene Gericht kann das Verfahren entweder aussetzen oder sich für unzuständig erklären. Infolge der engeren Voraussetzungen für eine Unzuständigerklärung ist die Aussetzung in der Praxis die relevantere Rechtsfolge. Sie erscheint allerdings nur in begrenztem Maße geeignet, die Zwecke der Konnexitätsregel zu erreichen. Die Rechtsfolge der Unzuständigerklärung wird bislang überwiegend als einfache Prozeßabweisung verstanden. Man geht davon aus, daß eine Verweisung über die Staats grenzen hinweg nicht möglich sei. Da die Rechtsfolge in Art. 22 Abs. 2 dem "renvoi" des französischen bzw. belgisehen Rechts nachgebildet ist, gilt es zu klären, was darunter in den genannten Rechtsordnungen im einzelnen verstanden wird und ob sich diese Ausgestaltung auf die europäische Ebene übertragen läßt. Fest steht jedenfalls, daß Ziel der Unzuständigerklärung die gemeinsame Verhandlung über die zusammenhängenden Klagen vor demselben Gericht ist. Offen ist jedoch, ob und auf welche Weise dieses Ziel durch die geltende Regelung erreicht wird. Die Wirksamkeit der europäischen Konnexitätsregel wird weiter dadurch eingeschränkt, daß - im Gegensatz zur Ausgestaltung der Rechtshängigkeitsregel - die Entscheidung über die Rechtsfolgen der Konnexität ins Ermessen des darüber entscheidenden Gerichts gestellt ist. Zu untersuchen ist, welche Gesichtspunkte im Rahmen der Entscheidung über die Rechtsfolgen der Konnexität zu berücksichtigen sind und welche demgegenüber nicht einfließen dürfen. Darüber Klarheit zu schaffen, ist dringend nötig, um zu einer einheitlichen Anwendung des Art. 22 durch die nationalen Gerichte und zu einer größeren Effektivität der Norm beizutragen. Angesichts der erheblichen Beeinträchtigung der Wirksamkeit der Konnexitätsregel durch die Einräumung eines Ermessensspielraums stellt sich darüber hinaus die grundSätzliche Frage nach der Zweckmäßigkeit einer solchen Ausgestaltung. Nach der vergleichenden Analyse der Konnexitätsregeln im EuGVÜ und in einigen nationalen Rechtsordnungen geht es im dritten Teil der Arbeit um die Behandlung konnexer Verfahren im deutschen Recht. Anders als in den nationalen Rechtsordnungen des romanischen Rechtskreises ist eine Koordinierung der Entscheidung über miteinander zusammenhängende Klagen im deutschen Zivilprozeßrecht nur sehr eingeschränkt möglich. § 147 ZPO ermöglicht lediglich die Verbindung von Klagen, die bereits bei demselben Gericht anhängig sind. Es ist daher zu erörtern, ob es empfehlenswert ist, eine dem Art. 22 entsprechende Regelung in das innerstaatliche deutsche Recht zu übernehmen und ob eine solche Norm mit dem deutschen Recht vereinbar wäre. Für den Bereich des EuGVÜ ist eine Angleichung des deutschen Rechts schon aus dem Grunde angezeigt, weil Art. 22 Abs. 2 für die Unzuständigerklärung wegen Konnexität eine entsprechende Möglichkeit im nationalen Recht des Gerichtsstaates voraussetzt. Da es daran im deutschen Recht fehlt,

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Einleitung

ist vor deutschen Gerichten zur Zeit nur der erste Absatz des Art. 22 anwendbar. Schließlich stellt sich die Frage, ob eine Konnexitätsregel auch für den internationalen Bereich außerhalb des EuGVÜ eingeführt werden sollte. Bei der Entwicklung von Regelungsvorschlägen für die verschiedenen Bereiche werden die Ergebnisse der Rechtsvergleichung einbezogen und die zu Art. 22 gewonnenen Erkenntnisse verwertet. Am Beispiel der europäischen Konnexitätsregel sollen die Wechselbeziehungen zwischen dem EuGVÜ und dem nationalen Recht der Vertragsstaaten deutlich gemacht werden: Einerseits sind die Regelungen des EuGVÜ durch nationales Recht der Vertragsstaaten geprägt und in ihrer Wirksamkeit davon abhängig. Andererseits übt das EuGVÜ Einfluß auf die nationalen Rechtsordnungen der Vertragsstaaten aus. Positive Impulse, die von der Vereinheitlichung des Zivilprozeßrechts auf europäischer Ebene ausgehen, sollen für die Weiterentwicklung des deutschen Rechts fruchtbar gemacht werden.

Erster Teil

Der Begriff der Konnexität in Art. 22 EuGVÜ § 1 Grundlagen I. Das Europäische Gerichtsstands- und VoUstreckungsübereinkommen vom 27.09.1968 (EuGVÜ)

Bereits bei der Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft wurde erkannt, daß ein einheitlicher Lebens- und Wirtschaftsraum, den zu verwirklichen die Gemeinschaft auf lange Sicht anstrebt, auch einer Harmonisierung der Zivilrechtspflege bedarf. Den Gründern der EWG erschien es für die Schaffung des Binnenmarktes erforderlich, die Freizügigkeit der in den Mitgliedsstaaten getroffenen gerichtlichen Entscheidungen innerhalb der Gemeinschaft zu verbessern. Ein auf das Gebiet des jeweiligen Gerichtsstaates begrenzter Rechtsschutz wird den Bedürfnissen der Gemeinschaftsbürger nicht gerecht.! Die Mitgliedsstaaten der Gemeinschaft verpflichteten sich daher, "die Vereinfachung der Förmlichkeiten für die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen sicherzustellen" (Art. 220 EWGVertrag). Um dieser Verpflichtung nachzukommen und darüber hinaus den Rechtsschutz der Gemeinschaftsbürger über die Grenzen hinweg zu verstärken2 , wurde am 27.09.1968 in Brüssel das EWG-Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVÜ)3 durch die sechs Gründungsmitglieder der EG unterzeichnet. Das Übereinkommen erleichtert nicht nur die Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen, sondern begründet auch ein einheitliches System direkter Entscheidungszuständigkeiten. Das EuGVÜ gilt inzwischen in fast allen Vertragsstaaten in der Fassung des 3. Beitrittsübereinkommens vom 26.05. 1989. 4 !

Vgl. die Note der Kommission der EWG vom 22.10.1959, abgedruckt bei

Kropholler, EZPR, Einl. Rdnr. 2.

Vgl. die Präambel des EuGVÜ. 3 BGBI. 1972 11, S. 774 ff.; Jayme/Hausmann, Nr. 72. Das Übereinkommen ist am 01.02.1973 in Kraft getreten. 4 ABI. EG Nr. L 285 vom 03.10.1989, S. 1 ff. Für Deutschland ist es durch Gesetz vom 20.04.1994 (BGBI. 199411, S. 518) am 01.12.1994 in Kraft getreten. 2

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§ 1 Grundlagen

Das Übereinkommen ist internationales Einheitsrecht5 , das in seinem Anwendungsbereich die unterschiedlichen nationalen Regelungen der einzelnen Staaten verdrängt. 6 Dieser Vorrang vor nationalem Recht ist unabhängig davon, ob das EuGVÜ als Bestandteil des Gemeinschaftsrechts7 oder als lediglich durch seine Entstehung in besonderer Weise mit dem EU-Recht verknüpfter völkerrechtlicher Vertrag8 eingeordnet wird. Zusammen mit dem Luganer Parallel-Übereinkommen9 regelt das EuGVÜ die internationale Zuständigkeit sowie Anerkennung und Vollstreckung von Urteilen in Zivil- und Handelssachen einheitlich für fast alle Staaten Westeuropas. Es ist daher gerechtfertigt, vom "Beginn eines europäischen Zivilprozeßrechts" zu sprechen. 10 Dabei darf jedoch nicht übersehen werden, daß es sich - nicht nur hinsichtlich der Beschränkung auf Zivil- und Handelssachen (Art. 1) - lediglich um eine Teilkodifikation handelt. Nationales Prozeßrecht bleibt in vielen Bereichen daneben anwendbar. Da das EuGVÜ als Prozeßrecht zudem in vielfältiger Weise auf die nationalen materiellen Rechte bezogen ist, kann es seine Zwecke nur im Zusammenwirken mit den innerstaatlichen Rechtsordnungen erreichen. Daraus ergeben sich erhebliche Wechselwirkungen zwischen dem EuGVÜ und den nationalen Rechten. I I Nationales Recht wirkt sich auf die Auslegung des EuGVÜ aus und umgekehrt wirkt die Auslegung von im EuGVÜ verwendeten Begriffen auf das Verständnis der entsprechenden Begriffe im nationalen Recht zurück. Weiterhin trägt das EuGVÜ über seinen Anwendungsbereich hinaus zu einer Vereinheitlichung der Verfahrensrechte in Europa bei, indem seine Normen ein Vorbild für nationale Gesetzgebung darstellen. 12

5 Zum Begriff des "internationalen Einheitsrechts" vgl. eieslik, S. 30 f. 6 EuGH 13.11.1979, Sanicentral/Collin, Sig. 1979,3423,3429 (Rdnr. 5). 7 So Schlosser, NJW 1975, 2132 f.; Stein/Jonas/Schumann, Einl. Rdnr. 781; der Vorrang gegenüber deutschem Prozeßrecht ergibt sich dann aus Art. 24 GG. 8 So die überwiegende Meinung, vgl. Schwartz, FS Grewe (1981), S. 551 ff.; Ipsen, Europäisches Gemeinschaftsrecht, S. 698; Bülow, RabelsZ 29 (1965), 473, 474; Schack, IZVR, Rdnr. 78; Kropholler, EZPR, Einl. Rdnr. 10; der Vorrang gegenüber nationalem Prozeßrecht folgt dann aus der Eigenschaft des EuGVÜ als lex posterior bzw. lex specialis. 9 Das Übereinkommen von Lugano wurde am 16.09.1988 zwischen den EGStaaten und den (damaligen) EFTA-Staaten geschlossen; Text im ABI. EG Nr. L 319 vom 25.11.1988, S. 9 ff.; JaymelHausmann, Nr. 77. 10 Habscheid, ZtRV 14 (1973), 262: so auch SpeIlenberg, EuR 1980, 329, 347, 352; Schack, ZZP 107 (1994), 279, 280. 11 Schack, ZZP 107 (1994), 279 ff. 12 Beispiele bei Kropholler, EZPR, Einl. Rdnr. 15 und Schack, ZZP 107 (1994), 279,290.

11. Die Wirkung der Konnexität im EuGVÜ

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11. Die Wirkung der Konnexität im EuGVÜ

Art. 22 ermöglicht den Gerichten der Vertragsstaaten, einen Sachzusammenhang zwischen Klagen zu berücksichtigen. Hängen mehrere, bereits vor verschiedenen Gerichten anhängige Zivilprozesse eng miteinander zusammen (Abs. 3), so kann das später begonnene Verfahren bis zum Abschluß des ersten Verfahrens ausgesetzt (Abs. 1) oder die Klage wegen Unzuständigkeit abgewiesen werden (Abs. 2). Auf diese Weise können Verfahren über zusammenhängende Klagen koordiniert werden. Es liegt nahe anzunehmen, daß der Konnexität im Rahmen des EuGVÜ neben dieser Koordinierungswirkung auch eine zuständigkeitsbegründende Wirkung zukommt, wie es in den meisten vertragsstaatlichen Rechtsordnungen der Fall ist. 13 Danach kann ein Gericht grundsätzlich über alle Ansprüche entscheiden, die mit einer Klage im Zusammenhang stehen, für die es nach allgemeinen Regeln zuständig und mit der es befaßt ist, auch wenn es ansonsten für die anderen Ansprüche nicht zuständig wäre. Das EuGVÜ normiert keine allgemeine Zuständigkeit des Sachzusammenhangs, sondern nur einzelne Spezialfälle, in denen Konnexitätsgesichtspunkte eine Zuständigkeit begründen. Es handelt sich um den Gerichtsstand der Streitgenossenschaft (Art. 6 Nr. 1), den Gerichtsstand der Garantieklage (Art. 6 Nr.2), den Gerichtsstand der Widerklage (Art. 6 Nr. 3), den Gerichtsstand für vertragliche Ansprüche am Belegenheitsort einer unbeweglichen Sache (Art. 6 Nr. 4 von 1989) und den Gerichtsstand für Klagen auf Beschränkung der Haftung aus dem Betrieb eines Schiffes (Art. 6 a von 1978). Aus diesem Katalog von speziellen Zuständigkeiten des Sachzusammenhangs kann ein allgemeines Prinzip jedoch nicht abgeleitet werden. 14 Früher wurde teilweise aus Art. 22 eine Zuständigkeit kraft Sachzusammenhangs entnommen. 15 Wenn nach getrennter Erhebung der Klagen vor Gerichten verschiedener Staaten eine Verbindung möglich ist, müßten die konnexen Klagen erst recht direkt vor einem der Gerichte erhoben werden können. Jedoch ist eine Unzuständigerklärung zugunsten des zuerst angerufenen Gerichts nur unter der zusätzlichen Voraussetzung möglich, daß dieses Gericht für beide Klagen zuständig ist. Aus dieser Voraussetzung wird deutlich, daß die Zuständigkeit des Erstgerichts auch für die zweite Klage nicht aus dem Tatbestand der Konnexität selbst folgt. Daher hat auch der EuGH 13 Siehe unten § 3 I; vgl. näher J. Schröder, S. 556 ff.; SpeIlenberg, ZVgIRWiss 79 (1980), 89 ff. 14 Kropholler, Hdb. IZVR I, Kap. III Rdnr. 717. 15 So insbesondere von belgischen Gerichten, vgl. Mons 03.05.1977, Journ. trib. 1977, 637; Liege 12.05.1977, Journ. trib. 1977, 710; zutreffend jedoch Bruxelles 26.03.1991, Jur. Liege 1992, 1389.

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§ 1 Grundlagen

entschieden, daß Art. 22 keine Zuständigkeit des Sachzusammenhangs schafft. 16 Im Zusammenhang stehende Klagen, die für sich betrachtet bei Gerichten verschiedener Vertrags staaten zu erheben wären, können nicht aufgrund von Art. 22 von vornherein gemeinsam vor einem dieser Gerichte anhängig gemacht werden. 17 Art. 22 könnte jedoch eine negative Zuständigkeitsregelung enthalten, d.h. eine an sich bestehende Zuständigkeit ausschließen. Aus dem Wortlaut des Art. 22 Abs. 2, wonach sich das Gericht "für unzuständig erklären" kann, und aus der Stellung der Vorschrift im Titel II des Übereinkommens, der die internationale Zuständigkeit der vertragsstaatlichen Gerichte regelt, könnte man entnehmen, daß die frühere Anhängigkeit eines konnexen Verfahrens in einem anderen Vertrags staat dem zweiten Gericht die Zuständigkeit nimmt. 18 Es steht jedoch im Ermessen des zweiten Gerichts, das Verfahren auszusetzen, sich für unzuständig zu erklären oder das Verfahren einfach weiterzuführen. 19 Allein die Tatsache, daß eine konnexe Klage vor einem vertragsstaatlichen Gericht anhängig ist, schließt also die Zuständigkeit nicht aus. 20 Die Regelung in Art. 22 kann sich allerdings im Ergebnis einschränkend auf die Zuständigkeit auswirken, indem sie zur Folge hat, daß eine bestehende Zuständigkeit nicht ausgeübt wird. 21 Die Formulierung der Rechtsfolge in Abs. 2 beruht darauf, daß in den romanischen Rechtsordnungen die Rechtsfolgen der Konnexität in Anlehnung an die der Unzuständigkeit geregelt sind. 22 Art. 22 ist demnach weder eine positive noch eine negative Gerichtsstandsregel , sondern nur eine "Koordinationsregel " .23 Sie dient wie auch die Rechtshängigkeitsregel in Art. 21 der Lösung von Zuständigkeitskonflikten. 24 Während die Rechtshängigkeitsregel geschaffen wurde, um zu verhindern, daß mehrere Verfahren in verschiedenen Vertragsstaaten über denselben 16 EuGH 24.06.1981, Elefantenschuh/Jacqmain, Sgl. 1981, 1671, 1687 (Rdnr. 19); zustimmend Huet, Clunet 1981, 903, 911. 17 Ebenso Leipold, IPRax 1982, 222, 225; kritisch zum Fehlen eines allgemeinen Gerichtsstands des Sachzusammenhangs im EuGVÜ Gaudemet-Tallon, Les conventions, Nr. 297; Huet, CIunet 1981, 903, 912; entsprechend auch Geimer, IPRax 1986, 80,81, für den Fall der Anspruchsgrundlagenkonkurrenz. 18 Davon geht W. Lüke, GS Arens (1993), S. 273, 276 f., für die Rechtshängigkeitsregel in Art. 21 aus. 19 Siehe unten § 7 I. 20 So auch OLGFrankfurtMDR 1981, 61. 21 Droz, Nr. 287; Di Blase, Nr. 38, S. 179; Wittibschlager, S. 27. 22 Siehe unten § 6113 a. 23 Botschaft des Schweiz. Bundesrates zum Lugano-Übereinkommen, BBI. 1990 II, 1, S. 265, 316 (Nr. 229.2). 24 Kropholler, EZPR, vor Art. 21 Rdnr. 1.

III. Anwendungsbereich des Art. 22

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Gegenstand geführt werden25 , sind im Fall der Konnexität Klagen mit verschiedenen Streitgegenständen anhängig. Konflikte hinsichtlich der Entscheidungszuständigkeit betreffen bei der Konnexität also nicht das Verfahren insgesamt, sondern nur einzelne, sich überschneidende Aspekte.

III. Anwendungsbereich des Art. 22

1. Sachlicher Anwendungsbereich

Da das EuGVÜ insgesamt auf Zivil- und Handelssachen (Art. 1 Abs. 1) unter Ausschluß der in Art. 1 Abs. 2 genannten Materien beschränkt ist, greift auch Art. 22 nur in diesem Bereich ein. Nach einer Entscheidung des EuGH findet Art. 22 keine Anwendung in Verfahren, die die Vollstreckung von Urteilen betreffen, die in einem Drittstaat erlassen wurden. 26 Es genügt allerdings, daß das später eingeleitete Verfahren, also das, in dem die Anwendung des Art. 22 in Frage steht, dem sachlichen Anwendungsbereich des Übereinkommens unterfällt.27 Wird z.B. ein vererbter Anspruch eingeklagt, nachdem in einem anderen Vertragsstaat eine Klage auf Unwirksamkeit des Testaments, durch das der Kläger zum Erben eingesetzt wurde, erhoben worden ist, kann Art. 22 in dem Leistungsverfahren angewendet werden. Daß das Testamentsverfahren gemäß Art. 1 Abs. 2 Nr. 1 vom sachlichen Anwendungsbereich des Übereinkommens ausgenommen ist, steht dem nicht entgegen. Wäre Art. 22 unanwendbar, wenn das erste Verfahren außerhalb des sachlichen Anwendungsbereichs des Übereinkommens liegt, bestünde die Gefahr, daß die Anerkennung der Entscheidung über die zweite Klage in dem Staat, in dem das Erstverfahren durchgeführt worden ist, an Art. 27 Nr. 3 scheitert. Das Anerkennungshindernis des Art. 27 Nr. 3 greift nämlich auch dann ein, wenn das inländische Verfahren, zu dem der Widerspruch besteht, nicht in den Anwendungsbereich des Übereinkommens fällt. 28 In dem Beispiels fall könnte also, wenn das Testament für unwirksam erklärt wird, in 25 Jenard-Bericht zu Art. 21 EuGVÜ. 26 EuGH 20.01.1994, Owens Bank/Bracco, Slg. 1994 1-117; zustimmend Gaudemet-Tallon, Rev. crit. 1994, 382, 385; Karl, EuZW 1994, 278; im Ergebnis zustimmend auch Kaye, IPRax 1995, 214 ff.; kritisch Malatesta, Riv. dir. int. priv. proc. 1994,511 ff. 27 So auch Gaudemet-Tallon, Les conventions, Nr. 298; Di Blase, Nr. 40; ebenso Stein/Jonas/Schumann, § 148 ZPO Rdnr. 166, für die Aussetzung gemäß Abs. 1. 28 Das ergibt sich aus der Entscheidung des EuGH vom 04.02.1988, Hoffmann/Krieg, Slg. 1988, 645, 669 (Rdnr. 25). Die inländische Entscheidung war hier ein Scheidungsurteil und fiel daher gemäß Art. 1 Abs. 2 Nr. 1 nicht in den Anwendungsbereich des EuGVÜ.

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§ 1 Grundlagen

dem Urteilsstaat eine Entscheidung, die dem testamentarischen Erben einen auf der Erbenstellung beruhenden Anspruch zuspricht, nicht anerkannt werden. 2. Räumlich-persönlicher Anwendungsbereich

Nach dem Wortlaut der Konnexitätsregel müssen die Verfahren in verschiedenen Vertrags staaten anhängig sein. Daraus ergibt sich, daß die Vorschrift nur im internationalen Bereich gilt, d.h. nicht im Verhältnis zwischen Gerichten desselben Staates, und außerdem nur im Verhältnis der Vertragsstaaten untereinander. Da die Zuständigkeitsregeln des EuGVÜ im allgemeinen nur anwendbar sind, wenn der Beklagte seinen Wohnsitz in einem Vertragsstaat hat (Art. 3 Abs. 1), könnte es hierauf auch bei Art. 22 ankommen. Für die benachbarte Rechtshängigkeitsregel (Art. 21) hat der EuGH aber entschieden, daß die Norm auch dann Anwendung findet, wenn der Beklagte in einem Drittstaat wohnt und sich die Zuständigkeit somit nicht unmittelbar aus dem Übereinkommen, sondern gemäß Art. 4 nach autonomem Recht bestimmt. 29 Hierfür spricht, daß Art. 21 zum Ziel hat, unvereinbare Entscheidungen, deren Anerkennung gemäß Art. 27 Nr. 3 zu versagen wäre, so weit wie möglich auszuschließen, die Anerkennungsregeln des EuGVÜ aber unabhängig davon gelten, auf welche Zuständigkeitsregeln sich das Gericht des Urteilsstaates gestützt hat. 30 Im Vordergrund der Zielsetzung des Art. 21 stehen außerdem nicht die Parteien des Verfahrens, sondern die mit der Sache befaßten Gerichte. 31 Für den Anwendungsbereich des Art. 22 hat wegen der übereinstimmenden Zielrichtung der beiden Normen dasselbe zu gelten. Auch bei Art. 22 geht es vor allem um das Verhältnis zwischen den Gerichten der Vertragsstaaten und nicht um bestimmte Parteien. Art. 22 findet somit immer dann Anwendung, wenn sich die beiden konkurrierenden Gerichte in verschiedenen Vertragsstaaten befinden; wo die Parteien ihren Wohnsitz haben, ist unerheblich.

29 EuGH 27.06.1991, Overseas Union, Sgl. 1991, 1-3317; zustimmend Huet, Clunet 1992, 493 ff.; Gaudemet-Tallon, Rev. crit. 1991, 769, 774; Rauscherl Gutknecht, IPRax 1993,21 ff. 30 JaymelKohler, IPRax 1991,361,364. 31 RauscherlGutknecht, IPRax 1993,21,23.

III. Anwendungsbereich des Art. 22

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3. Drittstaatenproblematik Art. 22 regelt das Verhältnis zwischen konnexen Klagen, die vor Gerichten verschiedener Vertragsstaaten anhängig sind. Der Fall, daß ein konnexes Verfahren in einem sog. Drittstaat, also einem nicht an dem Übereinkommen beteiligten Staat, anhängig ist, wird vom Regelungsbereich des Art. 22 nach seinem Wortlaut nicht erfaßt. 32 Für eine analoge Anwendung der Norm auf die Anhängigkeit konnexer Verfahren in Drittstaaten ergeben sich keine Anhaltspunkte. Daraus, daß die Konnexität im Verhältnis zu Drittstaaten im EuGVÜ nicht geregelt ist, folgt jedoch nicht automatisch eine Pflicht, diese unbeachtet zu lassen. Zwar sind die Zuständigkeitsvorschriften des EuGVÜ grundSätzlich zwingend 33 : Ein Vertragsstaat, dessen Gerichten das EuGVÜ eine internationale Zuständigkeit für eine bestimmte Streitsache eröffnet, ist nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet, ein Gericht hierfür zur Verfügung zu stellen und diese Zuständigkeit wahrzunehmen. Unklar ist jedoch, ob dies nur im Verhältnis zu einem anderen Vertragsstaat gilt oder auch gegenüber Drittstaaten. Besonders relevant ist diese Frage in Großbritannien, da es im englischen Recht nach der Doktrin vom "forum non conveniens" in das freie Ermessen eines zuständigen englischen Gerichts gestellt ist, auf die Ausübung seiner Zuständigkeit zugunsten eines ebenfalls zuständigen ausländischen Gerichts zu verzichten, wenn dieses besser zur Sachentscheidung geeignet ist. 34 Der neben dem EuGVÜ verbleibende Anwendungsbereich der Doktrin, die erst kurz vor Inkrafttreten des EuGVÜ im Vereinigten Königreich ins autonome englische Recht übernommen worden war, ist heftig umstritten. 35 Die Anwendung der Doktrin ist bei Zuständigkeit aufgrund des EuGVÜ jedenfalls im Verhält-

32 Offenbleiben kann hier daher die kontrovers diskutierte Frage, ob das EuGVÜ allgemein als ungeschriebene Anwendungsvoraussetzung einen Bezug zu mindestens zwei Vertragsstaaten fordert, vgl. dazu im einzelnen Benecke, Die teleologische Reduktion des räumlich-persönlichen Anwendungsbereichs von Art. 2 ff. und Art. 17, 1993. 33 Kropholler, Hdb. IZVR I, Kap. III Rdnr. 642; Droz, Nr. 329; Cheshire/ North, S. 333; O'Malley/Layton, Nr. 1.37; Kohler, FS Matscher (1993), S. 251, 257. 34 Näher dazu unten IV 1 c. 35 Vgl. Dicey/Morris, S. 400 ff.; Huber, RIW 1993, 977 ff.; Niegiseh, S. 206 ff. Das englische Ausführungsgesetz zum EuGVÜ läßt dies offen: "Nothing in this Act shall prevent any court in the UK from staying, striking out or dismissing any proceedings before it on the ground of forum non conveniens or otherwise, where to do so is not inconsistent with the 1968 Convention" (section 49 des Civil jurisdiction and Judgements Act 1982). 3 Lüpfert

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§ 1 Grundlagen

nis zu anderen Vertragsstaaten ausgeschlossen. 36 Der Court of Appeal 37 hat ihre Anwendung im Verhältnis zu Drittstaaten dagegen für zulässig erachtet. 38 Meines Erachtens ist zu unterscheiden zwischen der Anwendung der Ermessensbefugnis in Fällen von Anhängigkeit eines identischen oder konnexen Verfahrens in einem Drittstaat (lis alibi pendens) und der Ablehnung der Zuständigkeitsausübung bei bloßem Bestehen einer konkurrierenden Zuständigkeit drittstaatlicher Gerichte nach ihrem Recht. Nur in den erstgenannten Fällen dürfen englische Gerichte sich trotz eigener Zuständigkeit aus dem EuGVÜ aufgrund einer "systemverträglichen Reflexwirkung"39 von Art. 21 und 22 in Anwendung der Doktrin vom "forum non conveniens" für unzuständig erklären. 40 Hierbei handelt es sich um eine logische Fortentwicklung der im Abkommen selbst angelegten Wertentscheidung. Wenn die Beachtung der Anhängigkeit konnexer Verfahren zwischen den EG-Staaten vorgesehen ist, weil dies als sinnvoll für die Koordinierung der internationalen Rechtspflege erachtet wird, sollte eine entsprechende Handhabung gegenüber Drittstaaten nicht ausgeschlossen werden. In bezug auf andere forum non conveniens-Fälle kann dem Übereinkommen eine entsprechende Wertentscheidung gerade nicht entnommen werden. Gegen diese Unterscheidung kann nicht eingewendet werden, daß nach englischem Recht das Institut der lis alibi pendens ein bloßer Unterfall der Theorie vom "forum non conveniens" ist. 41 Beide Situationen unterscheiden sich nämlich wesentlich dadurch, daß nur im Fall von lis alibi pendens bereits ein Verfahren anderweitig anhängig ist, so daß die Gefahr besteht, daß in den beiden Verfahren einander widersprechende Urteile ergehen. Aus der Betrachtung des englischen Rechts ergibt sich, daß der zwingende Charakter der Zuständigkeitsnormen des EuGVÜ einer Anwendung autonomen Rechts insofern nicht entgegensteht, als dieses gegenüber Drittstaaten zu einer der Konnexitätsregel in Art. 22 entsprechenden Rechtslage führt. Soweit 36 Hierüber besteht Einigkeit, vgl. Dicey/Morris, S.401; Kaye, S. 1244; O'MalleylLayton, Nr. 15.02,44.42; Kropholler, EZPR, vor Art. 2 Rdnr. 19. 37 Harrods (Buenos Aires) Ldt. [1991) 3 W.L.R. 397 (C.A.); zustimmend Kaye, The Journal ofBusiness Law, 1992,47,75; Collins, L.Q.R. 106 (1990),535,538 f.; ebenso die Entscheidung The Po [1991) 2 L1oyd's Rep. 206 (C.A.), mit sehr weiter Auslegung des Kriteriums des Drittstaatenbezugs. 38 Anders noch der High Court in zwei früheren Entscheidungen: S. & W. Berisford PIc./New Hampshire Insurance Co. [1990) 2 All E.R. 321; Arkwright Mutual Insurance Co./Bryanston Insurance Co. Ltd. [1990) 2 All E.R. 335 (in einem Fall von lis alibi pendens); vgl. dazu Kaye, The Journal of Business Law 1992, 47 ff. 39 Kohler, FS Matscher (1993), S. 251, 259. 40 Ebenso unterscheiden O'Malley/Layton, Nr. 1.39 f.; Huber, S. 218 ff.; ders., RIW 1993, 977 ff.; Bernasconi/Gerber, IPRax 1994, 3, 9; Niegiseh, S. 228 ff.; Kohler, FS Matscher (1993), S. 251, 259 f. 41 O'Malley/Layton, Nr. 1.43.

IV. Berücksichtigung der internationalen Konnexität

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Art. 22 nicht eingreift, ist die Respektierung konnexer ausländischer Verfahren weder geboten noch untersagt. Jeder Vertrags staat kann selbst darüber entscheiden, inwieweit er konnexen Verfahren auch Nichtvertragsstaaten gegenüber Beachtung schenken will. Besteht eine staatsvertragliche Verpflichtung zur Beachtung der Anhängigkeit eines konnexen Verfahrens in dem Drittstaat42 , so steht dem Art. 22 nicht entgegen. 43 Auch außerhalb völkerrechtlicher Verträge sind die Vertragsstaaten nicht verpflichtet, die Anhängigkeit konnexer Verfahren in Drittstaaten zu ignorieren, wenn deren Respektierung nach autonomem Recht vorgesehen ist. 44

IV. Berücksichtigung der internationalen Konnexität außerhalb des EuGVÜ

Die praktische Bedeutung des Art. 22 hängt davon ab, inwieweit die Vertragsstaaten bereits in ihrem autonomen Recht bzw. in Staatsverträgen die Konnexität im Verhältnis zu ausländischen Verfahren berücksichtigen.

1. Berücksichtigung der internationalen Konnexität im autonomen Recht der Vertragsstaaten Da die Staaten nach allgemeinem Völkergewohnheitsrecht im Grundsatz nicht verpflichtet sind, Entscheidungen anderer Staaten anzuerkennen, und daher auch eine ausländische Rechtshängigkeit nicht zu beachten haben45 , besteht erst recht keine völkerrechtliche Verpflichtung, die Anhängigkeit konnexer Verfahren vor ausländischen Gerichten zu respektieren. Während sich die Beachtung der Rechtshängigkeit identischer Verfahren im Ausland in den Rechtsordnungen europäischer Staaten immer weiter durchsetzt, ist die Beachtung der internationalen Konnexität bislang die Ausnahme. a) Im autonomen deutschen Recht wird die internationale Rechtshängigkeit entsprechend § 261 Abs. 3 Nr. 1 ZPO als Verfahrenshindernis gegenüber inländischen Verfahren unter der Voraussetzung berücksichtigt, daß mit der Anerkennung der künftigen ausländischen Entscheidung zu rechnen ist (sog. 42 Dazu unten IV 2. 43 BülowlBöckstiegellMüller I, S.606.174; Droz, Nr. 329; MünchKommGottwald, Art. 22 EuGVÜ Rdnr. 1; GeimerlSchütze 111, § 44 11 3; Kropholler, EZPR, vor Art. 21 Rdnr. 2. 44 Droz, Nr. 329; Geimer, FS Kralik (1986), S. 179, 182 f.; MünchKommGottwald, Art. 22 EuGVÜ Rdnr. 1; GeimerlSchütze 1/1, § 44 11 3; BülowlBöckstiegeli Müller I, S. 606.174; Kropholler, EZPR, vor Art. 21 Rdnr. 2. 45 GeimerlSchütze 112, § 175 I m.w.N. 3"

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§ 1 Grundlagen

positive Anerkennungsprognose).46 Dagegen wird die Konnexität nicht einmal bei Verfahren vor verschiedenen nationalen Gerichten beachtet (vgl. § 147 ZPO) und erst recht nicht im Verhältnis zu Verfahren im Ausland. b) In einigen Vertragsstaaten des EuGVÜ findet die Konnexität zwar im

innerstaatlichen Bereich Beachtung, nicht aber auch im Verhältnis zu ausländischen Gerichten, weil ausländischen Verfahren nicht ohne weiteres Wirkungen im Inland beigelegt werden. So ist im autonomen italienischen Zivilpro-

zeßrecht die Berücksichtigung von konnexen wie auch identischen Verfahren, die vor ausländischen Gerichten anhängig sind, durch Art. 3 Codice di procedura civile47 ausdrücklich ausgeschlossen. 48 Die Regelung wird damit begründet, daß einem ausländischen Urteil vor Abschluß des italienischen Anerkennungsverfahrens keinerlei Wirkung zukomme und dies erst recht für ein laufendes ausländisches Verfahren zu gelten habe. 49 Umgekehrt begründet die Konnexität mit einem laufenden italienischen Verfahren eine Zuständigkeit italienischer Gerichte, die ansonsten nicht bestünde (Art. 4 Nr. 3 ital. c.p.c. 50). Die italienische Justiz wird insofern "privilegiert", als die internationale Konnexität nur in einer Richtung wirkt: Die italienische Zuständigkeit wird erweitert, nicht aber auch im umgekehrten Fall beschränkt. 51 In anderen Staaten, wie z.B. Frankreich52 , ist die Berücksichtigung der internationalen Konnexität zwar nicht ausdrücklich ausgeschlossen. Jedoch 46 Ganz h.M., RGZ 49, 340, 344; 158, 145, 147; BGB NJW 1986, 2195; BGB FamRZ 1992, 1058; Geimer, IZPR, Rdnr.2688; Riezler, IZPR, S. 451 ff.; Babscheid, RabelsZ 31 (1967), 254 ff.; Nagel, IZPR, Rdnr. 721; Schumann, FS Kralik (1986), S. 301 ff.; Stein/Jonas/Schumannn, § 261 ZPO Rdnr. 11 ff.; Thomas/ Putzo, § 261 ZPO Rdnr.2; Baumbach/Lauterbach/Bartmann, § 261 ZPO Rdnr. 9; Geimer/Schütze 112, § 215 I 2. Gegen die Beachtung ausländischer Rechtshängigkeit nur Schütze, RabelsZ 31 (1967), 233 ff.; anders inzwischen jedoch für Fälle rechtsmißbräuchlicher Doppelprozeßführung ders., ZZP 104 (1991), 136, 149. 47 Art. 3 ital. c.p.c. lautet: "La giurisdizione italiana non e escIusa dalla pendenza davanti ad un giudice straniero della medesima causa 0 di altra con questa connessa". 48 Nach Art. 7 des Reformprojekts internationales Privat- und Prozeßrecht (Entwurf des Justizministeriums zum IPR, abgedruckt in Riv. dir. int. 1990, 741, 746) soll die Rechtshängigkeit im Ausland zur Unzulässigkeit derselben Klage in Italien führen, sofern die ausländische Entscheidung anerkennungsfahig ist. 49 Morelli, S. 167 f.; CampeislDe Pauli, Nr. 45, S. 145 f.; Malatesta, Riv. dir. int.J'riv. proc. 1994,511,515. 5 Art. 4 Nr. 3 ital. c.p.c. lautet: "Lo straniero pub essere convenuto davanti ai giudici della Repubblica, se la domanda e connessa con altra pendente davanti al giudice italiano [... ]". 51 Vgl. dazu La China, Riv. dir. proc. 43 (1988),344,356; Luzzato, Riv. dir. int. priv. proc. 1966,296 ff. 52 Entsprechend auch in Belgien, Luxemburg, den Niederlanden (vgl. Ekelmans, Rev. dr. comm. beige 1993, 1089 ff.) und Spanien (Cortes Domfnguez, S. 253).

IV. Berücksichtigung der internationalen Konnexität

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wurde lange Zeit angenommen, daß Rechtshängigkeit und Konnexität - im Gegensatz zur Rechtslage im innerstaatlichen Bereich - unbeachtlich seien, wenn das andere Verfahren vor einem ausländischen Gericht schwebt. 53 Wie im italienischen Recht wirkte sich die Konnexität nur einseitig zur Erweiterung der französischen Zuständigkeit aus. 54 Seit 1974 wird in Frankreich55 allerdings der internationalen Rechtshängigkeit Bedeutung zuerkannt, soweit die ausländische Entscheidung anerkennungsfähig ist. 56 Da an das Vorliegen der Voraussetzungen der internationalen Rechtshängigkeit hohe Anforderungen gestellt werden (insbesondere an die Klageidentität57 und an die indirekte Zuständigkeit des ausländischen Gerichts58) und die Rechtsfolge im Ermessen des Gerichts steht59 , ist jedoch eine Unzuständigerklärung wegen anderweitiger Rechtshängigkeit im Ausland bislang nur selten erfolgt. 60 Für die internationale Konnexität zeichnet sich eine entsprechende Entwicklung ab. Bisher ist die Konnexitätseinrede im internationalen Bereich von den französischen Gerichten zwar noch nicht ausdrücklich anerkannt worden. 61 Aus einigen Entscheidungen ergibt sich jedoch, daß die Konnexitätseinrede auch im internationalen Bereich anwendbar ist, die Gerichte aber nicht verpflichtet sind, 53 Cass. ifr.) 01.12.1969, Bull. civ. 1969, 1,295; SoluslPerrot 11, Nr. 818; Huet, J.-cl. dr. int., Fasc. 518-0, 2. cah., Nr. 75; BatijfollLagarde, Nr. 676. 54 Huet, J.-cl. dr. int., Fasc. 581-0, 1. cah., Nr. 85. 55 Nicht jedoch auch in Belgien, Luxemburg und den Niederlanden, siehe Ekelmans, Rev. dr. comm. beige 1993, 1089 ff. (anders zum Teil die Lehre). 56 Cass. ifr.) 26.11.1974, Bull. civ. 1974, I, Nr. 312. Die Entwicklung hin zur Beachtung ausländischer Rechtshängigkeit deutete sich bereits 1962 an, vgl. Cass. ifr.) 05.05.1962, Rev. crit. 1963,99, mit Anm. Batijfol. 57 BatijfollLagarde, Nr.676; Gaudemet-Tallon, Melanges Holleaux (1990), S. 121, 132 ff., siehe dazu unten § 4 m 2. 58 Die internationale Zuständigkeit der französischen Gerichte wird weitgehend als ausschließliche angesehen (insbesondere Art. 14, 15 C.c.: wenn Kläger oder Beklagter Franzose ist), so daß die Beachtung der Rechtshängigkeit ausgeschlossen ist; anders neuerdings Paris 16.11.1989, Clunet 1990, 127 mit Anm. Huet; vgl. dazu Gaudemet-Tallon, Melanges Holleaux (1990), S. 121, 129 ff. 59 Huet, J.-cl. dr. int., Fasc. 581-0,2. cah., Nr. 91; Mayer, Nr. 446. 60 Vgl. Huet, J.-cl. dr. int., Fasc. 581-0, 2. cah., Nr. 94; Gaudemet-Tallon, Melanges Holleaux (1990), S. 121, 132 f. In den folgenden Entscheidungen ist die internationale Rechtshängigkeit berücksichtigt worden: Trib. gr. inst. Paris 12.02.1980, Clunet 1980, 653; Paris 24.05.1983, Clunet 1983, 827; Trib. gr. inst. Paris 23.11.1983, Rev. crit. 1984,510; Paris 16.11.1989, Clunet 1990,127. 61 Ablehnend Alger 15.10.1902, Clunet 1904, 895; Besanron 13.08.1906, Clunet 1907,710; Paris 05.05.1960, Clunet 1961,450. Die Cour de cass. hat in einer Entscheidung vom 10.03.1969, Clunet 1969, 659, die Anwendung der Konnexitätseinrede zugunsten eines italienischen Gerichts gebilligt, was allerdings auch damit zu erklären ist, daß die Einrede der Konnexität in Art. 19 des französisch-italienischen Übereinkommens geregelt ist und das französische Gericht außerdem international unzuständig war, vgl. Bredin, Clunet 1969, 660 ff.; Huet, Clunet 1988,448,449.

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§ 1 Grundlagen

sich für unzuständig zu erklären. 62 In der Praxis sind die Gerichte bisher kaum bereit, Verfahren aufgrund von Konnexität an ausländische Gerichte abzugeben. 63 c) Englischen Gerichten steht bei der Berücksichtigung von konnexen Verfahren, die im Ausland anhängig sind, ein weiter Ermessensspielraum zu. 64 Im englischen Recht werden internationale Rechtshängigkeit und Konnexität als Unterfall der Theorie vom "forum non conveniens" betrachtet65 , nach der die Gerichte die Möglichkeit haben, eine an sich eröffnete internationale Zuständigkeit nicht in Anspruch zu nehmen, wenn sie der Auffassung sind, daß ein ebenfalls zuständiges Gericht eines anderen Staates auf Grund der Umstände des Einzelfalls besser geeignet ist, in der Sache ein Urteil zu erlassen. 66 Ist ein identisches oder ähnliches Verfahren im Ausland rechtshängig (lis alibi pendens), können englische Gerichte einen "stay"67 erlassen. Auf die zeitliche Reihenfolge der Klageerhebung kommt es hierfür nicht an 68 , ebensowenig auf eine positive Anerkennungsprognose. 69 Das englische Gericht hat aber auch die Möglichkeit, den ausländischen Kläger zu verpflichten, -das dortige Verfahren nicht fortzusetzen ("antisuit injunction "), 62 Cass. (jr.) 20.10.1987, Clunet 1988,446 mit Anm. Huet; Trib. gr. inst. Paris 11.07.1990, Clunet 1991,722 mit Anm. Revillard. So auch überwiegend die französische Lehre, BatijfoL/Lagarde, Nr. 676; Holleaux/Foyer/Geoujfre de la Pradelle, Nr. 781; Huet, J.-cl. dr. int., Fasc. 581-D, 2. cah., Nr. 95 ff.; Mayer, Nr.442 Fn. 136; Gaudemet-Tallon, Rev. int. dr. comp. 1994, 423, 429; Cadiet, Nr. 634; a.A. Niboyet, VI, I, Nr. 1843. Anders nach wie vor in BeLgien, vgl. Rigaux/Fallon, Nr.826. 63 Vgl. Gaudemet-Tallon, Rev. int. dr. comp. 1994, 423, 429; Mayer, Nr. 442 Fn. 136; Cadiet, Nr. 634 f. 64 Kaye, S. 1217. 65 O'Malley/Layton, Nr. 1.43. 66 Spiliada Maritime [1987] A.C. 460, 476 (H.L.): " [... ] if the court is satisfied that there is so me other available forum, having competent jurisdiction wh ich is the appropriate forum for the trial of the action, that is in which the ca se may be tried more suitably for the interests of all the parties and the ends of justice". Diese Doktrin wurde in einer Serie von Entscheidungen zwischen 1973 und 1987 aus dem schottischen in das englische Recht übernommen (vgl. die Entscheidungen des House of Lords The Atlantic Star [1974] A.C. 436; Mac Shannon/Rockware Glass Ltd. [1978] A.C. 795; The Abidin Daver [1984] A.C. 398; Spiliada Maritime [1987] A.C. 460. 67 "Stay" ist eine vorläufige Einstellung des Verfahrens, eine Aussetzung auf unbestimmte Zeit, so Kohler, FS Matscher (1993), S. 251, 253; das Verfahren bleibt rechtshängig, Briggs, L.Q.R. 107 (1991),180,181, und kann auf Antrag des Klägers fortgeführt werden, wenn besondere Gründe dafür vorliegen, so Huber, S. 90. 68 The Volvox Hollandia [1987] 2 L1oyd's Rep. 520, 528 (Q.B.); The Coral Isis [1986] 1 L1oyd's Rep. 413, 417 (Q.B.); Kaye, S. 1217; O'Malley/Layton, Nr. 1.43; WoLoniecki, S. 157, 159; Huber, S. 100; Beaumont, S. 207,215. 69 Huber, S. 103.

IV. Berücksichtigung der internationalen Konnexität

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oder es kann das Verfahren trotz der doppelten Rechtshängigkeit ohne Rücksicht auf das andere weiterführen.10 Im Fall identischer "cause of action" und identischer Parteirollen wird die internationale Rechtshängigkeit in aller Regel beachtet. 71 Das bedeutet jedoch nicht unbedingt die Beendigung des englischen Verfahrens. Dem Kläger wird die Entscheidung überlassen, welches der beiden Verfahren er fortführen will. 72 Zurückhaltender sind die Gerichte bereits bei vertauschten Parteirollen73, da in dieser Konstellation im Ergebnis eine Partei auf die Rolle des Beklagten beschränkt würde. Zwar ist ein zweites Verfahren über denselben Gegenstand grundSätzlich überflüssig und wird wegen der Gefahr widersprechender Entscheidungen auch als unerwünscht betrachtet. 74 Dem Parteiinteresse an einer Rechtsschutzgewährung im Inland wird aber nicht unerhebliche Bedeutung beigemessen. Noch größer ist die Zurückhaltung der Gerichte gegenüber der Verweigerung der Rechtsschutzgewährung in England, wenn im Ausland nicht eine identische, sondern nur eine konnexe Klage schwebt, insbesondere wenn die in England klagende Partei an dem ausländischen Verfahren nicht beteiligt ist. 75 Die Bereitschaft der Gerichte zur Respektierung ausländischer konnexer Verfahren ist demgemäß in der Praxis gering. d) Zusammenfassend kann festgestellt werden, daß die Respektierung der internationalen Konnexität im autonomen Prozeßrecht der EG-Mitgliedsstaaten wenig verbreitet ist. Die fehlende Berücksichtigung der Anhängigkeit konnexer Verfahren im Ausland hat in den einzelnen nationalen Prozeßrechten der Vertragsstaaten unterschiedliche Gründe. Soweit die Konnexität im innerstaatlichen Bereich Beachtung findet, ist der Grund für die Nichtbeachtung der internationalen Konnexität das mangelnde Vertrauen in die Rechtspflege anderer Staaten. 76 Dahinter steht der (nachvollziehbare) Gedanke, daß die eigene Rechtspflege zuverlässiger und besser sei als die anderer Staaten und daher dem Kläger im Inland Rechtsschutz zu gewähren sei. Ein Verfah-

70 Schlosser-Bericht, Nr. 77; O'MalleyILayton, Nr. 1.43. 71 Vgl. The Abidin Daver [1984] A.C. 398 (H.L.); Australian Commercial Research and Development Ltd.lANZ McCaughan Merchant Bank Ltd. [1989] 3 All E.R. 65 (H.L.); CheshirelNorth, S. 231 f.; Huber, S. 98. 72 CheshirelNorth, S. 233. 73 CheshirelNorth, S. 233; Kaye, S. 1217. 74 Vgl. First National Bank of BostonlUnion Bank of Switzerland and Others [1990] I Lloyd's Rep. 32, 35 (C.A.). 75 The Vishva Abha [1990] 2 Lloyd's Rep. 312, 315 (Q.B.): "[ ... ] the plaintiffs prima facie should not be deprived of litigating in the forum of their choice merely because others have chosen to litigate in South Africa. " 76 So bzgl. der Nichtbeachtung der Rechtshängigkeit auch Schumann, FS Kralik (1986), S. 301, 304: Dies wurzele in einem "überholten prozessualen Nationalismus".

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§ 1 Grundlagen

ren, für das an sich eine inländische Zuständigkeit besteht, einem ausländischen Gericht zu überlassen, fällt verständlicherweise schwer.

2. Konnexitätsregeln in bilateralen Staatsverträgen

Während die internationale Rechtshängigkeit in der überwiegenden Zahl der bilateralen Anerkennungs- und Vollstreckungsverträge zwischen europäischen Staaten Berücksichtigung findet1 7 , gibt es in diesen Verträgen nur vereinzelt Regelungen über die internationale Konnexität. In keinem der von der Bundesrepublik Deutschland geschlossenen bilateralen Anerkennungs- und Vollstreckungsverträge ist die Respektierung konnexer Verfahren vorgesehen. Konnexitätsregeln gibt es jedoch in einzelnen Abkommen, die von Staaten des französischen Rechtskreises abgeschlossen wurden78 , insbesondere im Verhältnis zwischen Staaten, die beide in ihrem innerstaatlichen Recht die Einrede der Konnexität kennen und deren Rechtssysteme sich außerdem sehr nahe stehen. Die Bedeutung dieser Regeln wurde früher dadurch erheblich geschmälert, daß sie zum Teil nur als Vorschriften über die indirekte Zuständigkeit angesehen, also erst im Anerkennungsstadium beachtet wurden. 79 Da somit auch bilaterale Staatsverträge zwischen den EU-Staaten die Beachtung der internationalen Konnexität nur in geringem Umfang ermöglichen, kommt der Regelung in Art. 22 ein erheblicher Innovationswert zu. Die Konnexitätsregel beruht auf dem grundSätzlichen Vertrauen in die Justiz der anderen Vertragsstaaten, welches dem EuGVÜ insgesamt zugrundeliegt.

77 Vgl. GeimerlSchütze 112, § 215 I I. 78 Art. 4 Abs. I des französisch-belgischen Vollstreckungsvertrages vom 28.07.1899; Art. 6 Abs. 1 des belgisch-niederländischen Vertrages vom 08.03.1925; Art. 19 des französisch-italienischen Vertrages vom 03.06.1930; Art. 6 BeneluxÜbereinkommen vom 24.11.1961 (nicht in Kraft getreten). Für den französischschweizerischen Vertrag vom 15.06.1869 ist die analoge Anwendung der nationalen Konnexitätsregel anerkannt, Paris 27.12.1923, Clunet 1925, 111; Trib. civ. de Lilie 11.01.1926, Clunet 1926, 932; Cass. (fr.) 18.04.1972, Rev. crit. 1972, 672, mit Anm. Lagarde; Arminjon, Nr. 59; BatijfoilFranceskakis, Enc. Dalloz dr. int., V O Competence, Nr. 196. 79 So die ältere französische Rechtsprechung zu Art. 19 des französisch-italienischen Vertrages, vgl. Ponsard, Clunet 1975, 110, 111; Holleaux, Rev. crit. 1975, 495,497 ff.

§ 2 Die Auslegung des Begriffs "Zusammenhang" in Art. 22

Art. 22 ist seinem Wortlaut nach auf Klagen anwendbar, die "in Zusammenhang stehen" bzw. konnex ("connexe"/ "connesso"/ "conexo") sind. Konnexität (lat.: co-nexus) bedeutet allgemein eine Verknüpfung zwischen mehreren Gegenständen. Worin aber diese Beziehung genau besteht, hängt von dem Kontext ab, in dem der Begriff verwendet wird.! Da Art. 22 die Konnexität zwischen Zivilprozessen behandelt, ist zu bestimmen, unter welchen Voraussetzungen eine Beziehung zwischen mehreren Klagen eng genug ist, um Konnexität zu begründen. Dies ist durch Auslegung zu ermitteln.

I. Auslegungsmethode

1. Die Auslegung des EuGVÜ im allgemeinen Über die bei der Auslegung von EuGVÜ-Normen anzuwendende Methode besteht keine Einigkeit. Bei prozeßrechtlichen Begriffen wurde früher überwiegend von einer Qualifikation nach der lex fori des Erstrichters ausgegangen. 2 Für diese Methode spricht zwar, daß feststehende Inhalte aus den einzelnen nationalen Rechtsordnungen übernommen werden können, was die Rechtsanwendung vereinfacht. Sie führt jedoch dazu, daß den Begriffen eine je nach Fallkonstellation unterschiedliche Bedeutung beigemessen wird, wodurch die einheitliche Anwendung der Konvention in Frage gestellt wird. Um divergierende Auslegungsergebnisse zu vermeiden, wurde die Lehre von der Doppelqualifikation entwickelt, nach der die Begriffsbestimmung kumulativ nach dem Recht beider am Sachverhalt beteiligter Rechtsordnungen vorgenommen wird. 3 Zu einer einheitlichen Auslegung führt diese Methode aber nur bei bilateralen Konventionen; außerdem hat sie den Nachteil einer Reduzierung auf den kleinsten gemeinsamen Nenner. 4

So auch Fourcade, S. 7: "Connexite" hat in den verschiedenen Rechtsgebieten eine unterschiedliche Bedeutung. 2 Bülow, RabelsZ 29 (1965), 473, 476 f. Fn. 10; Weser, Nr. 193; weitere Nachweise bei Linke, RIW 1977,43,45 Fn. 51 und Geimer, NJW 1977, 492. 3 Schütze, RIW 1975, 78, 79. 4 Martiny, RabelsZ 45 (1981),427,432.

42

§ 2 Die Auslegung des Begriffs "Zusammenhang" in Art. 22

Heute ist fast allgemein anerkannt, daß Begriffe des EuGVÜ grundsätzlich

autonom, d.h. eigenständig für das Übereinkommen, auszulegen sind. Zwar

hat der EuGH den generellen Vorrang einer bestimmten Auslegungsmethode ausdrücklich abgelehnt 5 , er bedient sich aber ganz überwiegend der autonomen Auslegung. 6 Dies ist auf breite Zustimmung gestoßen.? Der Zweck des EuGVÜ, die internationale Zuständigkeit zu vereinheitlichen sowie die Freizügigkeit gerichtlicher Entscheidungen in den EG-Staaten sicherzustellen, spricht für einen Vorrang der von den einzelnen nationalen Rechten losgelösten autonomen Auslegung. Dennoch kommt ein Rückgriff auf nationales Recht in Betracht, insbesondere um eine materielle oder prozessuale Rechtslage zu beurteilen, auf die eine Bestimmung des Übereinkommens abstellt. Ein scharfer Gegensatz zwischen autonomer und verweisungsrechtlicher Auslegung existiert somit nicht8 , es wird vielmehr zumeist eine Kombination von beiden angewendet: Die maßgeblichen Kriterien für die Begriffsbestimmung werden aus dem Übereinkommen selbst heraus entwickelt, ausgefüllt werden sie aber unter Umständen durch Rechtsfolgen, die sich nach nationalem Recht richten.

2. Auslegungsmethode im Fall des Konnexitätsbegriffs Art. 22 Abs. 3 enthält eine Legaldefinition des Begriffs der Konnexität. Daraus ersieht man, daß eine einheitliche Begriffsbestimmung beabsichtigt war. 9 Als Alternative zu einer EuGVÜ-immanenten Begriffsbestimmung käme eine Anlehnung an das belgische Recht in Betracht, da die Legaldefinition in Art. 22 Abs. 3 dem belgischen Code judiciaire von 1967 entnommen wurde 5 EuGH 06.10.1976, TessililDunlop, Slg. 1976, 1473, 1485 (Rdnr. 11); EuGH 08.12.1987, Gubisch/Palumbo, Slg. 1987,4861,4873 (Rdnr. 7). 6 Vg!. die Analyse von CiesLik, S. 126: Bis Ende 1989 nahm der EuGH in 48 von 53 Auslegungsentscheidungen an, das EuGVÜ müsse autonom ausgelegt werden; siehe auch GeimerlSchütze 111, § 11 7 Fn. 10. ? Kropholler, EZPR, Ein!. Rdnr.43; BüLow/BöckstiegeL I, S.606.16; MünchKomm-Gottwald, Art. 1 EuGVÜ Rdnr. 22; GeimerlSchütze 111, § 11 1; Schack, IZVR, Rdnr. 93; pteijfer, Jahrbuch 1991, S. 71, 76; Martiny, RabelsZ 45 (1981),427 ff.; SpeLLenberg, EuR 1980, 329, 342; skeptisch SchLosser, NJW 1977, 457 ff., da sich eine autonome Auslegung leichter fordern als verwirklichen lasse; ders., RIW 1988, 987, 988. 8 Basedow, Hdb. IZVR I, Kap. n Rdnr. 46; pteijfer, Jahrbuch 1991, S. 71, 81 f.; SpeLLenberg, EuR 1980, 329, 341 f.; CiesLik, S. 131. 9 Martiny, RabelsZ 45 (1981), 427, 428; Basedow, Hdb. IZVR I, Kap. 11, Rdnr. 24; SpeLLenberg, EuR 1980, 329, 340; so nun auch der EuGH in seiner Entscheidung vom 06.12.1994, Maciej Rataj, Slg. 1994,1-5439,5478 (Rdnr. 52).

11. Die Auslegung des Konnexitätsbegriffs im einzelnen

43

und fast wörtlich mit dessen Art. 30 10 übereinstimmt. Diese Auffassung wird von Schütze vertreten 11 , der annimmt, daß sich die Begriffsbestimmung an das Recht anlehnen müsse, dem das Rechtsinstitut entlehnt ist. Wenngleich es sich bei der Übernahme nationaler Begriffe in das EuGVÜ nicht um einen echten Fall der Rezeption handele, seien doch die allgemeinen Rezeptionsgrundsätze anzuwenden. 12 Jedoch kann angesichts der Gleichwertigkeit der beteiligten Rechtsordnungen nicht angenommen werden, daß der belgische Begriff uneingeschränkt übernommen werden und die Berücksichtigung der Rechtslage in anderen Rechtsordnungen, die den Begriff der Konnexität ebenfalls kennen, ausgeschlossen werden sollte. 13 In Art. 22 Abs. 3 ist also ein selbständiger europäischer Konnexitätsbegriff gebildet worden, in dessen Auslegung alle entsprechenden nationalen Begriffsverständnisse einfließen.

11. Die Auslegung des Konnexitätsbegriffs im einzelnen

Bei der autonomen Auslegung ist von den vier klassischen Auslegungsmethoden - grammatikalische, historische, teleologische und systematische Auslegung - auszugehen. Diese werden ergänzt durch die Prozeßrechtsvergleichung 14 als zusätzliche Beurteilungsgrundlage. In welchem Verhältnis die einzelnen Kriterien zueinander stehen, kann nicht allgemein bestimmt werden. Eine übergeordnete Rolle kommt jedenfalls dem teleologischen Aspekt zu 15; denn vertragsautonome Auslegung bedeutet vor allem eine eigenständige, übereinkommensspezifische Wertung. "Die Zielsetzung und die Systematik des Übereinkommens sowie die allgemeinen Rechtsgrundsätze, die sich aus der Gesamtheit der innerstaatlichen Rechtsordnungen ergeben", bilden nach Auffassung des EuGH die wesentlichen Auslegungsmaßstäbe. 16

1. Grammatikalische Auslegung

Wie jede Interpretation geht auch die des EuGVÜ vom Wonlaut der Vorschrift aus. Im Gegensatz zu anderen Staatsverträgen kommt im Rahmen des EuGVÜ der sprachlichen Fassung allerdings eine eher geringe Bedeutung zu, 10 Siehe unten § 3 12 b. 11 Schütze, RIW 1975, 543, 544. 12 Schütze, RIW 1975, 543, 544. 13 Spellenberg, EuR 1980, 329, 341; Bü[owlBöckstiegellMüller I, S. 606.174. 14 Näher dazu unten 11 5. 15 Schack, IZVR, Rdnr. 91; Martiny, RabelsZ 45 (1981), 427, 438; Kropholler, EZPR, Einl. Rdnr. 31; vgl. auch Cieslik, S. 37,132. 16 EuGH 14.10.1976, LTUlEurocontrol, Sig. 1976, 1541, 1551 (Rdnr. 5).

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§ 2 Die Auslegung des Begriffs "Zusammenhang" in Art. 22

da der Text in jeder der Landessprachen der Vertragsstaaten gleichermaßen verbindlich ist (Art. 68 Abs. 1)17 und die einzelnen Fassungen nicht immer deckungsgleich sind. Außerdem kann ein Ausdruck in den verschiedenen Sprachen einen durchaus unterschiedlichen Sinn haben. Wenn die Formulierungen oder deren Bedeutung in den einzelnen Sprachen voneinander abweichen, ist eine den Zielen und der Systematik des EuGVÜ entsprechende einheitliche Interpretation der Norm im Lichte der verschiedenen Fassungen zu ermitteln. 18 Die im Völkervertragsrecht entwickelten Grundsätze des sprachlichen Minimums und der führenden Sprache l9 finden keine Anwendung. 20 Nach der Legaldefinition in Art. 22 Abs. 3 liegt ein Zusammenhang vor, wenn zwischen den Klagen "eine so enge Beziehung gegeben ist, daß eine gemeinsame Verhandlung und Entscheidung geboten erscheint, um zu vermeiden, daß in getrennten Verfahren widersprechende Entscheidungen ergehen könnten". Zur Bestimmung, wie eng die Beziehung zwischen Klagen sein muß, um Konnexität zu begründen, wird auf die Zweckmäßigkeit der einheitlichen Behandlung der Klagen abgestellt. Als Kriterium wird nur das Ziel der Vermeidung widersprechender Entscheidungen angeführt. Aus dem Wortlaut des Art. 22 Abs. 3 läßt sich also nur entnehmen, daß die Konnexitätsregel der Entscheidungsharmonie dienen soll. Die Legaldefinition stellt aber keine konkreten Voraussetzungen für das Vorliegen von Konnexität auf.

2. Historische Auslegung Der Wille der Verfasser bei der Schaffung des EuGVÜ ist vor allem dem erläuternden Bericht des belgisehen Sachverständigen Jenard von 196721 sowie den weiteren, anläßlich des Beitritts der neuen Mitgliedsstaaten entstandenen Berichten22 zu entnehmen. Die Rechtsnatur dieser Sachverständigenberichte, die die mit der Abfassung der Normen des EuGVÜ verfolgten Intentionen erläutern, ist ungeklärt. Ihre Autorität ergibt sich jedenfalls aus der amtlichen Veröffentlichung im Amtsblatt der EG23 und ist auch allgemein

17 Dagegen besitzen sonstige völkerrechtliche Verträge zumeist maximal zwei authentische Fassungen. 18 EuGH 27.10.1977, Strafverfahren gegen Boucherau, Sig. 1977, 1999, 2010 (Rdnr. 13, 14); Ciestik, S. 134. 19 Vgl. dazu Dölle, RabelsZ 26 (1961), 4, 21 ff. 20 Kropholler, EZPR, Einl. Rdnr. 32. 21 ABI. EG Nr. C 59 vom 05.03.1979, S. I ff.; BT-Drucks. VI/1973, S. 52 tf. 22 Der Bericht Schlossers von 1978, der von Evrigenis/Kerameus aus dem Jahr 1982 und der von Almeida Cruz/Desantes ReallJenard von 1989. 23 Basedow, Hdb. IZVR I, Kap. 11 Rdnr. 49.

II. Die Auslegung des Konnexitätsbegriffs im einzelnen

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anerkannt. 24 Der Inhalt der Sachverständigenberichte ist dennoch letztlich nicht bindend; vielmehr ist das EuGVÜ im Zweifel dynamisch zu interpretieren und weiterzuentwickeln. 25 Demgemäß kommt der historischen Methode in der Rechtsprechung des EuGH auch nur selten ausschlaggebende Bedeutung für die Entscheidung einer Vorlagefrage zu. 26 Zum Begriff der Konnexität ergibt sich aus den Berichten nichts Wesentliches. Im lenard-Bericht wird lediglich angemerkt, daß Art. 22 eine eigene Begriffsbestimmung enthalte und diese sich an den Entwurf der neuen belgischen Gerichtsordnung anlehne.

3. Teleologische Auslegung Die teleologische Methode hat bei der Auslegung von EuGVÜ-Normen zwei verschiedene Ansatzpunkte: zum einen den Zweck der konkreten Vorschrift, zum anderen die in der Präambel ausdrücklich für das EuGVÜ insgesamt angegebenen Ziele.

a) Sinn und Zweck des Art. 22 aa) Entscheidungsharmonie Ziel des Art. 22 ist, wie sich aus der Legaldefinition der Konnexität in Abs. 3 ergibt27 , die Vermeidung von einander widersprechenden Entscheidungen. Widersprüche zwischen Gerichtsentscheidungen erschüttern das Vertrauen in die Rechtspflege und stören das Rechtsleben in den Vertragsstaaten. Daher besteht ein Interesse jedes der beteiligten Staaten am internationalen Entscheidungseinklang .28 Neben der Rechtshängigkeitssperre des Art. 21 wurde eine Konnexitätsregel für sinnvoll gehalten, weil widersprechende Urteile nicht nur bei identischen 24 Dagegen sind die Dokumente des Sachverständigenausschusses nicht zur Auslegung des Übereinkommens heranzuziehen, da sie nicht veröffentlicht, sondern im Gegenteil als "vertraulich" behandelt wurden, so Droz, Nr. 2; zustimmend Bülow, RabelsZ 38 (1974), 262 ff. Gegen die Berücksichtigung unzugänglicher Materialien bei der Auslegung multilateraler Verträge auch Bernhardt, Die Auslegung völkerrechtlicher Verträge, S. 120. 25 Kropholler, EZPR, Ein\. Rdnr. 36; Ciestik, S. 37 f. 26 Ciestik, S. 138 f. 27 Siehe oben 1. 28 Wittibschlager, S. 23.

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§ 2 Die Auslegung des Begriffs "Zusammenhang" in Art. 22

Streitgegenständen entstehen können, sondern auch bei Verfahren, die lediglich in der Sache zusammenhängen. Die drohenden Entscheidungskonflikte sind zwar im Falle bloßer Konnexität nicht so gravierend wie bei doppelter Rechtshängigkeit desselben Anspruchs. Sie führen im allgemeinen nicht zu sich gegenseitig ausschließenden Urteilsaussprüchen29 , sondern lediglich zu widersprechenden Feststellungen und Begründungen. Auch solche Widersprüche gilt es jedoch im Interesse einer geordneten Rechtspflege zu vermeiden. Wenn in miteinander zusammenhängenden Verfahren von Gerichten verschiedener Vertragsstaaten Entscheidungen erlassen werden, die nicht zusammenpassen, kann dies bereits zu einem Ansehensverlust der europäischen Justiz bei der Bevölkerung führen. 30 Darunter können außerdem die Rechtsschutzinteressen der betroffenen Parteien leiden. 31 Es ergibt sich aber aus dem Ziel der Entscheidungsharmonie nicht, wann im einzelnen "widersprechende Entscheidungen" vorliegen, die durch Art. 22 vermieden werden sollen.

bb) Prozeßökonomie Neben der Entscheidungsharmonie dient die Regelung in Art. 22 der Prozeßökonomie. Allerdings ist das Ziel der prozeßökonomischen Verfahrensgestaltung gegenüber dem Ziel der Vermeidung widersprechender Entscheidungen nachrangig. Der geringere Aufwand eines Verfahrens kann nur ein untergeordnetes Kriterium für eine Verfahrensordnung darstellen. 32 Der Grundsatz der Verfahrensökonomie33 ist als allgemeines Prinzip des Verfahrensrechts weitgehend anerkannt. Er besagt im wesentlichen, daß die Kapazitäten der Gerichte bestmöglich genutzt und alle Prozeßbeteiligten so wenig wie möglich belastet werden sollen. Prozeßökonomisch ist ein Verfahren, das "die Zielrichtung des Prozesses mit einem Minimum an Aufwand maximal verwirklicht"34. Im Rahmen des EuGVÜ bezieht sich der Grundsatz der Verfahrensökonomie auf die Justiz aller Vertragsstaaten insgesamt. Entscheidend ist, daß nicht nur auf das jeweilige einzelne Verfahren abzustellen ist, sondern auf die Rechtspflege als Ganzes. Insofern ist die mehrfache Inan29 Domenig, S. 89. 30 Schack, ZZP 107 (1994), 279, 296. 31 M. Koch, S. 11; Schack, ZZP 107 (1994), 279, 296, weist auf den auf internationaler Ebene drohenden "Vollstreckungskreisel" hin; nach Ansicht von Wittibschlager, S. 24 f., haben die Parteien dagegen nicht schlechthin ein Interesse an der Vermeidung widersprechender Entscheidungen; ähnlich Eickhoff, S. 112 ff. 32 So auch Eickhoff, S. 111. 33 Siehe dazu Noske, Prozeßäkonomie, 1989; Schumann, FS LaTenz (1973), S. 271 ff. 34 Schumann, FS Larenz (1973), S. 271, 277.

11. Die Auslegung des Konnexitätsbegriffs im einzelnen

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spruchnahme des gerichtlichen Rechtsschutzes wegen desselben Anspruchs zu verhindern. Darüber hinaus ist es unerwünscht, daß mehrere Gerichte dieselben Rechts- oder Sachfragen prüfen müssen, auch wenn diese für verschiedene Ansprüche relevant sind. Wenn mehrere Klagen, in denen sich zumindest teilweise dieselbe Problematik stellt, bei einem Gericht konzentriert werden, können die Mittel der Rechtspflege effektiver eingesetzt werden. Auch wenn dadurch eines der Verfahren eventuell aufwendiger wird, ist insgesamt gesehen eine Koordinierung dennoch prozeßwirtschaftlich, wenn dadurch ein anderes Verfahren vereinfacht oder ein weiteres sogar vermieden wird. Die aufeinander abgestimmte Entscheidung von Klagen, die zumindest eine gemeinsame Frage enthalten, bedeutet regelmäßig eine Entlastung der Justiz. Dies steht nicht nur im öffentlichen Interesse, sondern kommt auch den Parteien zugute, die grundsätzlich ein Interesse an einem effizienten Verfahren mit möglichst geringen Kosten und kurzer Dauer haben. Wenn für mehrere Klagen über dieselbe tatsächliche Frage Beweis zu erheben ist, so bewirkt eine Koordinierung, daß dies nur einmal zu erfolgen hat. Dadurch werden die Gerichte und eventuell auch Zeugen entlastet sowie die Kostenlast der Parteien verringert. Das Ziel der Verfahrensökonomie spricht somit dafür, Konnexität immer schon dann anzunehmen, wenn in Verfahren über unterschiedliche Klagen mindestens eine gemeinsame Rechtsfrage oder eine für beide erhebliche, streitige Tatsachenfrage zur Beurteilung steht; denn dann bedeutet eine getrennte Verhandlung regelmäßig eine unnötige Doppelbelastung der europäischen Justiz.

b) Sinn und Zweck des EuGVÜ insgesamt Nach der Rechtsprechung des EuGH ist in jedem Einzelfall diejenige Auslegung des EuGVÜ vorzuziehen, die die "volle Wirksamkeit des Übereinkommens bei der Erreichung der mit ihm angestrebten Ziele" sicherstellt35 . Explizite Ziel richtung des Übereinkommens ist nach der Präambel die Vereinfachung der Förmlichkeiten für die gegenseitige Anerkennung und Vollstrekkung gerichtlicher Entscheidungen und die Verstärkung des Rechtsschutzes der in der Gemeinschaft ansässigen Personen. Es ist zu untersuchen, welche Gesichtspunkte sich für den Begriff der Konnexität aus diesen Zielen der Titelfreizügigkeit und des effektiven Rechtsschutzes ergeben.

35 EuGH22.11.l978, Somafer/Saar-Ferngas, Sig. 1978,2183,2191 (Rdnr. 5).

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§ 2 Die Auslegung des Begriffs "Zusammenhang" in Art. 22

aa) Titelfreizügigkeit Durch das EuGVÜ soll erreicht werden, daß Entscheidungen aus einem Vertragsstaat möglichst ohne Hindernisse ihre Wirkung auch in allen übrigen Vertragsstaaten entfalten können. Für die Auslegung von Art. 22 bedeutet das, daß die Regelung möglichst effektiv dazu beitragen soll, Anerkennungshindernisse schon im Vorfeld zu vermeiden. Da gemäß Art. 27 Nr. 3 bei Unvereinbarkeit mit einer Entscheidung des Anerkennungsstaates die Anerkennung scheitert, muß Art. 22 durch die Koordinierung der laufenden Verfahren schon die Entstehung unvereinbarer Entscheidungen verhindern. Bei der Auslegung des Konnexitätsbegriffs ist also der Regelungszusammenhang mit Art. 27 Nr. 3 zu berücksichtigen. Wie sich dieser Zusammenhang im einzelnen auswirkt, ist eine Frage der systematischen Auslegung. 36

bb) Effektiver Rechtsschutz Art. 22 bewirkt, daß der grundsätzlich im Rahmen des EuGVÜ bestehende Justizgewährungsanspruch des Klägers 37 zurückstehen muß. Durch eine Aussetzung gemäß Art. 22 Abs. 1 wird die Gewährung von Rechtsschutz durch das angerufene Gericht lediglich verzögert. Der Justizgewährungsanspruch ist nur berührt, wenn die durch die Aussetzung bewirkte Verzögerung unzumutbar lang ist, also wenn das Verfahren in dem anderen Staat nicht in absehbarer Zeit zu Ende geführt wird, oder wenn besondere, schutzwürdige Interessen an einer schnellen Entscheidung durch das angerufene Gericht bestehen. Eine stärkere Einschränkung erfährt der Justizgewährungsanspruch durch die Unzuständigerklärung gemäß Art. 22 Abs. 2, da dem Kläger hierdurch ein an sich eröffneter Gerichtsstand genommen wird. Dies kann zwar nicht zu einer Rechtsschutzverweigerung führen, da in jedem Fall die Möglichkeit der Erlangung von Rechtsschutz durch das mit dem konnexen Verfahren befaßte Gericht besteht - dieses muß nämlich gemäß Abs. 2 für beide Klagen zuständig sein. Jedoch berührt die Unzuständigerklärung wegen Konnexität das Interesse des Klägers daran, das Verfahren vor einem von ihm gewählten, an sich international zuständigen Gericht durchzuführen. Der Kläger kann ein besonderes Interesse daran haben, im Inland zu prozessieren, da dem Zugang zu ausländischen Gerichten höhere Barrieren entgegenstehen als dem Zugang 36 Siehe dazu unten 4 b. 37 Geimer, FS Kralik (1986), S. 179, 180; ders., in: Internationale Zuständigkeit und Urteilsanerkennung in Europa, S. 35; Geimer/Schütze 111, § 42 I; Pfeiffer, Internationale Zuständigkeit, S. 348.

11. Die Auslegung des Konnexitätsbegriffs im einzelnen

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zu inländischen Gerichten, so z.B. Sprachprobleme, Unkenntnis des Verfahrensrechts sowie Unsicherheit über Prozeßdauer und -ausgang. Weiterhin bestimmt die internationale Zuständigkeit das anwendbare Verfahrensrecht praktisch relevant ist vor allem das Beweisrecht - und über das anwendbare IPR des Urteilsstaats auch das einschlägige Sachrecht. So kann der Kläger z.B. wegen unterschiedlicher Bemessungsgrundsätze für Schadensersatz und Schmerzensgeld vor den Gerichten des einen Staates ein erheblich günstigeres Ergebnis erzielen als vor den ebenfalls zuständigen Gerichten eines anderen Staates. An sich ist das Ausnutzen der Wahlmöglichkeit zwischen verschiedenen international zuständigen Gerichten, das sog. forum shopping, nach h.M. nicht unzulässig und auch nicht illegitim. 38 Da aber die weitgehenden Wahlmöglichkeiten im Rahmen des EuGVÜ den Kläger erheblich begünstigen, können sie grundsätzlich wegen übergeordneter Interessen eingeschränkt werden. Die Justizgewährung durch die verschiedenen Vertragsstaaten des EuGVÜ ist als grundSätzlich gleichwertig zu betrachten. 39 Daher muß der durch die Vorschriften des EuGVÜ begründete Anspruch auf mehrere Gerichtsstände dort zurücktreten, wo er die Gefahr mit sich bringt, daß unvereinbare Entscheidungen entstehen und damit die Rechtssicherheit in der Gemeinschaft beeinträchtigt wird. Ist die Verweisung des Rechtsschutzsuchenden auf das ausländische Gericht im Einzelfall aus besonderen Gründen nicht zumutbar, so ist dies in der Ermessensentscheidung über die Rechtsfolgen40 zu berücksichtigen. Es besteht daher kein Anlaß, wegen des Gesichtspunktes der Justizgewährungspflicht den Begriff der Konnexität einschränkend auszulegen.

c) Zusammenfassung Entscheidende Gesichtspunkte für die Auslegung des Begriffs der Konnexität aus teleologischer Sicht sind die Vermeidung von inhaltlichen Entscheidungskonflikten und der Schutz der Gerichte sowie der Parteien vor doppeltem Aufwand (Prozeßökonomie). Daraus ergibt sich, daß Kriterien für das Vorliegen eines Zusammenhangs i.S.d. Art. 22 die Möglichkeit der Entstehung unvereinbarer Entscheidungen und die Erheblichkeit gleicher Rechtsoder Tatsachenfragen für beide Klagen sind. 38 Schack, IZVR, Rdnr. 221 ff.; Linke, IZPR, Rdnr. 196: außer bei nur schwachem Anknüpfungsbezug zum gewählten Gerichtsstaat. 39 Das gegenseitige Vertrauen in die Rechtspflege der anderen Vertragsstaaten liegt dem EuGVÜ insgesamt zugrunde, vgl. Martiny, RabelsZ 45 (1981), 427, 438; Basedow, Hdb. IZVR I, Kap. n Rdnr. 13; dieser Grundsatz setzt sich auch im alIgemeinen IZVR durch, dazu Leipold, Lex fori, Souveränität, Discovery, S. 30 f. 40 Siehe unten § 7. 4 LUpfert

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§ 2 Die Auslegung des Begriffs "Zusammenhang" in Art. 22

4. Systematische Auslegung Der Gesichtspunkt des Bedeutungszusammenhangs , in dem eine Norm steht, spielt bei der Auslegung des EuGVÜ durch den Gerichtshof neben der teleologischen Auslegung die wichtigste Rolle. 41 Für den Konnexitätsbegriff in Art. 22 hat der Regelungszusammenhang mit Art. 6 Nr. 3, Art. 27 Nr. 3 und Art. 21 Bedeutung.

a) Regelungszusammenhang mit Art. 6 Nr. 3 Gemäß Art. 6 Nr. 3 ist das mit einer Klage befaßte Gericht auch für eine Widerklage zuständig, wenn diese "auf denselben Vertrag oder Sachverhalt wie die Klage selbst gestützt wird". Auch in dieser Vorschrift wird also - wie in Art. 22 - auf einen Sachzusammenhang zwischen Klagen abgestellt. Es wird jedoch nicht der Begriff "Zusammenhang" verwendet, sondern ein eigenes Konnexitätserfordernis aufgestellt. Dieses ist, wie sich aus dem Vergleich der Umschreibung in Art. 6 Nr. 3 mit der Legaldefinition der Konnexität in Art. 22 Abs. 3 ergibt, enger als der in Art. 22 zugrundegelegte Konnexitätsbegriff. 42 Aus Art. 6 Nr. 3 läßt sich für den Konnexitätsbegriff in Art. 22 somit nur entnehmen, daß dieser die Identität des zugrundeliegenden Vertrags bzw. Sachverhalts nicht zwingend voraussetzt.

b) Regelungszusammenhang mit Art. 27 Nr. 3 Wesentliches Kriterium für die Auslegung des Konnexitätsbegriffs ist, wie sich sowohl aus dem Wortlaut der Legaldefinition als auch aus teleologischen Erwägungen ergeben hat, die Vermeidung einander widersprechender Entscheidungen. Das Kriterium des inhaltlichen Konflikts zwischen mehreren Gerichtsentscheidungen kommt neben Art. 22 Abs. 3 auch in Art. 27 Nr. 3 und Nr. 5 vor, die die Nichtanerkennung im Fall "unvereinbarer" Entscheidungen regeln. Während Art. 27 Nr. 3 die Situation regelt, daß eine Entscheidung aus einem anderen Vertragsstaat mit einer Entscheidung des Anerkennungsstaates kollidiert, betrifft Nr. 5 den Konflikt zwischen einer vertragsstaatlichen und einer nichtvertragsstaatlichen Entscheidung. Aus dem Regelungszusammenhang mit diesen Vorschriften könnten sich Interpretationshilfen für Art. 22 Abs. 3 ergeben. 41 Vgl. Cies/ik, S. 132; Martiny, RabelsZ 45 (1981), 427, 439.

42 So auch Kropholler, Hdb. IZVR I, Kap. III Rdnr. 729; Stein/Jonas/Schumann, § 33 ZPO Rdnr. 42.

11. Die Auslegung des Konnexitätsbegriffs im einzelnen

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aa) "Unvereinbare" Entscheidungen LS.d. Art. 27 Nr. 3 Der Begriff der Unvereinbarkeit43 ist im Übereinkommen nicht definiert. Aus dem Wortlaut des Art. 27 Nr. 3 läßt sich nur entnehmen, daß die Parteien in beiden Verfahren identisch sein müssen. Daraus, daß Nr. 5 im Gegensatz zu Nr. 3 ausdrücklich Anspruchsidentität verlangt, wird überwiegend geschlossen, daß es für Art. 27 Nr. 3 auf die Identität der Streitgegenstände nicht ankomme. 44 Nach Auffassung des EuGH sind Entscheidungen dann miteinander unvereinbar i.S.d. Art. 27 Nr. 3, wenn ihre Ergebnisse einander widersprechen, wenn sie "Rechtsfolgen haben, die sich gegenseitig ausschließen "45. Diese Formulierung versteht der EuGH aber weiter, als man vermuten würde. So hat er entschieden, daß eine deutsche Entscheidung, die zur Zahlung von Trennungsunterhalt verurteilte, und ein niederländisches Urteil, das die Ehe inzwischen geschieden hatte, miteinander unvereinbar seien. 46 Hierin wird insbesondere aus deutschem Blickwinkel eine unzulässige Erstreckung des Begriffs der Unvereinbarkeit auf die Urteilsgründe gesehen47 , da in dem Unterhaltsurteil über das Bestehen der Ehe nicht entschieden wurde. Der EuGH stellte darauf ab, daß das Unterhaltsurteil notwendigerweise das Bestehen des ehelichen Bandes voraussetzt48 . Es geht dem Gerichtshof also in einem weiteren Sinne um die "innere Stimmigkeit der Prozeßergebnisse" .49 Das vom EuGH verwendete Kriterium der sich gegenseitig ausschließenden "Rechtsfolgen" macht nicht deutlich, ob Gegensätze im Entscheidungstenor verlangt werden oder ob bereits sich gegenseitig ausschließende Wirkungen der Entscheidungsgründe genügen. 50 Insbesondere in der deutschen Literatur wird eine möglichst enge Interpretation des Art. 27 Nr. 3 befürwortet, da die Regelung dazu führt, daß die 43 Eingehend dazu M. Koch, Unvereinbare Entscheidungen i.S.d. Art. 27 Nr. 3 und 5 EuGVÜ und ihre Vermeidung, Diss. 1993, sowie Lenenbach, Die Behandlung von Unvereinbarkeiten nach deutschem und europäischem Zivilprozeßrecht, Diss. 1995. 44 lenard-Bericht zu Art. 27 Nr. 3 EuGVÜ; Schack, IPRax 1989, 139, 141; Kropholler, EZPR, Art.27 Rdnr.41; BülowlBöckstiegellLinke I, S.606.214; MünchKomm-Gottwald, Art. 27 EuGVÜ Rdnr. 30; Schockweiler, S. 149, 152; Kaye, S. 1483; GothotlHolleaux, Nr. 277. 45 EuGH04.02.1988, HoffmannlKrieg, Sig. 1988,645,668 (Rdnr. 22). 46 EuGH04.02.1988, HoffmannlKrieg, Sgl. 1988,645,669 (Rdnr. 24). 47 M. Wolf, FS Schwab (1990), S. 561,563; Schack, IPRax 1989, 139, 141; kritisch zu der Entscheidung auch Lenenbach, Teil 2 B I I e aa (I). 48 EuGH04.02.1988, HoffmannlKrieg, Sgl. 1988,645,669 (Rdnr. 24). 49 Kritisch dazu Schack, IPRax 1989, 139, 141. 50 M. Koch, S. 20. 4'

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§ 2 Die Auslegung des Begriffs "Zusammenhang" in Art. 22

Anerkennung einer Entscheidung aus einem anderen Vertrags staat verweigert wird. 51 Die Nichtanerkennung läuft dem Prinzip der Titelfreizügigkeit zuwider und muß daher so weit wie möglich vermieden werden. Maßstab für die Unvereinbarkeit i.S.d. Art. 27 Nr. 3 ist danach der Umfang der Rechtskrajtwirkung nach nationalem Recht. 52 Von einem Teil der Lehre wird dagegen eine von der Rechtskraftwirkung der Urteile nach nationalem Recht unabhängige Interpretation der Unvereinbarkeit für richtig gehalten. 53 Danach soll genügen, daß die Ergebnisse der Entscheidungen nicht zueinander passen, weil die Richter Tat- oder Rechtsfragen in erheblichem Maße unterschiedlich gewürdigt haben. 54 Der Streit muß hier nur entschieden werden, wenn sich daraus Konsequenzen für die Auslegung des Konnexitätsbegriffs ergeben.

bb) Folgerungen für den Konnexitätsbegriff Es stellt sich die Frage, ob Art. 22 Abs. 3 genauso auszulegen ist wie Art. 27 Nr. 3. Der Wortlaut der beiden Normen in den verschiedenen Sprachen spricht eher dagegen. In der deutschen Fassung ist in Art. 22 von "widersprechenden" Entscheidungen die Rede, in Art. 27 Nr. 3 und Nr. 5 dagegen von "unvereinbaren" .55 Die französische Fassung verwendet zwar in beiden Normen das Adjektiv "inconciliables", jedoch heißt es in Art. 22 Abs. 3 "solutions inconciliables", in Art. 27 Nr. 3 dagegen "decisions inconciliables"56, wobei die erste Formulierung auf eine weitere Auslegung hindeutet. Zwar stimmen Art. 27 Nr. 3 und Art. 22 in ihrer Ziel richtung jedenfalls zum Teil überein, die Regelungen beziehen sich jedoch auf unterschiedliche prozessuale Situationen. Während Art. 27 Nr. 3 einer bereits ergangenen 51 BülowlBöckstiegellLinke I, S. 606.214; Kropholler, EZPR, Art. 27 Rdnr.41; M. Wolf, FS Schwab (1990), S. 561,567 f.; Grunsky, JZ 1973, 641, 646; Schack, IPRax 1989,139,141 und ZZP 107 (1994), 279, 296 Fn. 117. 52 Grunsky, JZ 1973,641,646; Kropholler, EZPR, Art. 27 Rdnr. 41: Dies richte sich sich nach dem Recht des Entscheidungsstaates; so auch Lenenbach, Teil 2 B I 1 f. Nach Meinung von M. Wolf, FS Schwab (1990), S.561, 567, soll sich die Unvereinbarkeit dagegen nach der Rechtsordnung desjenigen der beteiligten Urteilsstaaten richten, der seinen Entscheidungen die geringste Rechtskraftwirkung gibt. 53 GothotlHolleaux, Nr. 278; Gottwald, in: Ein internationales Zivilverfahrensrecht, S. 155, 165; Martiny, Hdb. IZVR III/2, Kap. 11 Rdnr. 139; M. Koch, S. 27 ff.; Kal,e, S. 1483 ff.; O'MalleylLayton, Nr. 27.45. 4 Mauro, Gaz. Pal. 1980, I, doctr. 144, 145. 55 Ähnlich die italienische Fassung, die in Art. 22 den Begriff "soluzioni incompatibili" verwendet, in Art. 27 Nr. 3 dagegen von "decisioni in contrasto" spricht. 56 Entsprechend auch die spanische, portugiesische, niederländische und griechische Fassung. Die englische Fassung verwendet den Ausdruck "irreconcilable judgements" in beiden Normen.

11. Die Auslegung des Konnexitätsbegriffs im einzelnen

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Entscheidung ihre Wirkung über die Grenzen abspricht, führt die Regelung des Art. 22 dazu, daß eine solche Situation gar nicht erst entsteht. Das für eine enge Auslegung des Art. 27 Nr. 3 angeführte Argument der Titelfreizügigkeit trifft daher nicht auch für Art. 22 zu. Art. 22 soll die Verfahren im Vorfeld (bereits im Erkenntnisverfahren) so koordinieren, daß die unerwünschte Situation des Vorliegens mehrerer Entscheidungen, die zueinander in Widerspruch stehen, von vornherein vennieden wird. Das spricht dafür, daß Art. 22 nicht nur die Fälle erfassen soll, in denen der Konflikt so stark ist, daß die regelmäßig erfolgende Anerkennung verweigert werden muß, sondern schon die Fälle, in denen absehbar ist, daß die Entscheidungen inhaltlich nicht zusammenpassen könnten. Bereits eine innere Unstimmigkeit zwischen Gerichtsentscheidungen (z.B. abweichende Beweiswürdigungen) kann nämlich zur Verunsicherung der Rechtsunterworfenen und zu einer Minderung der Autorität von Richtersprüchen in der Öffentlichkeit führen 57 und sollte daher möglichst vermieden werden. Der Anwendungsbereich des Art. 22 ist auch schon insofern weiter als der des Art. 27 Nr. 3, als nur letzterer die Identität der Parteien voraussetzt. 58 Gegen eine Orientierung des Konnexitätsbegriffs am Rechtskraftumfang spricht weiterhin, daß Art. 22 nicht nur einen weitgehenden Entscheidungseinklang erreichen soll, sondern darüber hinaus auch der Prozeßökonomie dient. Die Regelung soll eine Verfahrenskonzentration ermöglichen, wo dies zweckmäßig ist, um die Belastung der Gerichte und der übrigen Beteiligten zu verringern. Die engere, am Rechtskraftumfang orientierte Ansicht zu Art. 27 Nr. 3 kann daher jedenfalls nicht auf Art. 22 übertragen werden. Die Begriffe "widersprechende Entscheidungen" in Art. 22 Abs. 3 und "unvereinbare Entscheidungen" in Art. 27 Nr. 3 sind nicht gleichbedeutend. 59 Das hat auch der EuGH im Fall Maciej Rataj entschieden. 60 Für Art. 22 genügt nach Auffassung des EuGH, daß widersprechende Entscheidungen der Gerichte über einzelne Punkte möglich sind, ohne daß sich die Verfahrensergebnisse im engen Sinne gegenseitig ausschließen müßten und eine gleichzeitige Vollstreckung daher unmöglich wäre. 61 Auch mögliche Widersprüche in den Urteilsgründen reichen somit aus. 62

57 So auch W. Lüke, Beteiligung Dritter, S. 248. 58 GothotlHolleaux, Nr. 277; so auch der englische High Court in der Entscheidun De PinalM.S. Birka leG [1994] Int. Lit. Proc. 694. 5 So auch Vi Blase, Nr. 39, S. 186; entsprechend Lenenbach, Teil 2 B lId, für die umgekehrte Frage der Heranziehung von Art. 22 für die Auslegung des Art. 27

ff

Nr.3.

60 EuGH 06.12.1994, Maciej Rataj, Sgl. 1994, 1-5439, 5479 (Rdnr. 54 ff.); zustimmend Huber, JZ 1995, 603, 611. 61 EuGH06.12.1994, Maciej Rataj, Sgl. 1994,1-5439,5479 (Rdnr. 57). 62 So auch Schlosser, RIW 1988, 987, 988.

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§ 2 Die Auslegung des Begriffs "Zusammenhang" in Art. 22

c) Regelungszusammenhang mit Art. 21 Da das EuGVÜ neben der Konnexität auch die Rechtshängigkeit regelt, ist das Verhältnis zwischen den beiden benachbarten Instituten zu klären. Die Rechtshängigkeit i.S.d. Art. 21 setzt Identität zwischen den Ansprüchen voraus. Dies kann man als besonders engen Zusammenhang zwischen mehreren Verfahren bezeichnen. Wenn Klageidentität vorliegt, wird die Regelung des Art. 22 durch die speziellere des Art. 21 verdrängt. Der Begriff der Konnexität ist also in zwei Richtungen abzugrenzen: Zum einen ist zu klären, wann mehrere Klagen eng genug miteinander verbunden sind, um Konnexität zu begründen, zum anderen, wo die Grenze zwischen bloßem Zusammenhang und Klageidentität zu ziehen ist. Letzteres ist aus dem Regelungszusammenhang mit Art. 21 zu beantworten. Die Abgrenzung zu Art. 21 verlangt eine eingehende Untersuchung (dazu unten § 4).

5. Rechtsvergleichende Auslegung Abschließend stellt sich die Frage, inwieweit Ergebnisse einer rechtsvergleichenden Betrachtung der Rechtslage in den einzelnen Vertrags staaten in die autonome Auslegung des Begriffs der Konnexität einzubeziehen sind.

a) Rechtsvergleichung als Aspekt vertragsautonomer Auslegung Einigkeit besteht darüber, daß die Rechtsvergleichung im Rahmen der autonomen Auslegung des EuGVÜ eine wesentliche Rolle spielt. 63 Der rechtsvergleichenden Komponente kommt die wichtige Funktion zu, eine möglichst weitgehende Harmonie zwischen den nationalen Verfahrensordnungen und dem Resultat der autonomen Auslegung herzustellen. 64 In der Rechtsprechung des EuGH scheinen Auslegungsergebnisse allerdings manchmal unabhängig von einem rechtsvergleichenden Befund zustandezukommen. Es kann jedoch davon ausgegangen werden, daß die rechtsvergleichende Methode häufiger angewendet wird, als es in den Entscheidungen des EuGH zum Ausdruck kommt. 65

63 64 S. 1, 65

Vgl. Cieslik, S. 38 f.; skeptisch aber Schlosser, GS Bruns (1988), S. 45, 52. Linke, RabelsZ 58 (1994), 129, 132; ders., RIW 1991, Beilage 5 zu Heft 12, 12. Spellenberg, EuR 1980, 329, 346; Cieslik, S. 136, spricht von "stillschweigend

angestellten rechtsvergleichenden Überlegungen".

11. Die Auslegung des Konnexitätsbegriffs im einzelnen

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Die Einbeziehung rechtsvergleichender Befunde bei der Auslegung des EuGVÜ kann folgendennaßen charakterisiert werden: Eine übereinstimmende Lösung in den Rechtsordnungen der Mitgliedsstaaten spricht ohne weiteres dafür, das Übereinkommen ebenso auszulegen. 66 Ist ein Begriff nicht in allen Rechtsordnungen bekannt oder bestehen graduelle Unterschiede, so nimmt der EuGH eine "ordnende Zusammenfassung von in den meisten beteiligten Staaten bereits im Grundsatz anerkannten Lösungen" vor67 . Wenn ein Ausdruck mit verschiedenen Inhalten belegt wird, ergibt sich gerade die Notwendigkeit, ihm "einen einheitlichen materiellen, an die Gemeinschaftsrechtsordnung anknüpfenden Gehalt zu geben "68. Auf der Grundlage der Rechtsvergleichung ist eine autonome Wertung vorzunehmen, die sich auf Gemeinsamkeiten der nationalen Rechte und dem Übereinkommen zugrundeliegende Leitprinzipien stützt. Im Rahmen der vertragsautonomen Auslegung wird also weder auf einen allen nationalen Rechten gemeinsamen Minimumstandard, noch auf einen Durchschnittsgehalt, noch auf eine mehrheitliche Lösung 69 abgestellt. Berücksichtigt werden vielmehr sog. allgemeine Rechtsgrundsätze, die sich aus der Gesamtheit der innerstaatlichen Rechtsordnungen der Vertragsstaaten ergeben, also gemeinsame Grundgedanken der unterschiedlichen nationalen Regelungen sind. Bei deren Bestimmung fließen Wertungen mit ein, die an den Zielen des EuGVÜ ausgerichtet sind. Die nationalen Konzeptionen bilden einen Vorrat an Lösungsmöglichkeiten, aus denen die zu den Zielen und dem System des Übereinkommens am besten passende ausgewählt werden kann. 70 Es kommt aber auch eine Lösung in Betracht, die in keiner nationalen Rechtsordnung existiert, wenn sie dem EuGVÜ zur besten Geltung verhilft und mit den nationalen Systemen harmoniert. 71 Gegenstand der Rechtsvergleichung sind zum einen die nationalen Rechtsordnungen der Mitgliedsstaaten, zum anderen die nationale Rechtsprechung und Doktrin zum Übereinkommen. 72

66 Kropholler, EZPR, Einl. Rdnr. 40; Martiny, RabelsZ 45 (1981),427,442. 67 EuGH 30.1 1.1976, BierIMines de Potasse, Sig. 1976, 1735, 1747 (Rdnr. 23). 68 EuGH21.06.1978, Bertrand/On, Sig. 1978, 1431, 1445 (Rdnr. 12/16). 69 Basedow, Hdb. IZVR I, Kap. 11, Rdnr. 52; Kropholler, EZPR, Einl. Rdnr. 40; Martiny, RabelsZ 45 (1981),427,443; Spellenberg, EuR 1980. 329, 346. 70 Basedow, Hdb. IZVR I, Kap. 11 Rdnr. 52; Kropholler, EZPR, Einl. Rdnr. 40; Cieslik, S. 137; SpeIlenberg, EuR 1980, 329, 346. 71 Martiny, RabelsZ 45 (1981), 427, 444. 72 Kropholler. EZPR, Einl. Rdnr. 37.

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§ 2 Die Auslegung des Begriffs "Zusammenhang" in Art. 22

b) Rechtsvergleichung und Konnexitätsbegriff Zur Konkretisierung der Legaldefinition in Art. 22 Abs. 3 kann das Verständnis der Konnexität in den nationalen Rechtsordnungen beitragen. Dabei dürfen nur solche Begriffe einbezogen werden, die mit Rechtsfolgen versehen sind, die denen des Art. 22 zumindest vom Grundsatz her entsprechen, da der Begriff in anderen Regelungszusammenhängen unter Umständen in abweichender Bedeutung verwendet wird. Im Rahmen dieser Arbeit werden die rechtsvergleichenden Untersuchungen auf einige nationale Rechtsordnungen begrenzt, da eine Einbeziehung aller Vertragsstaaten zu Oberflächlichkeit zwänge. Die Auswahl wurde im wesentlichen bestimmt durch das Maß der Ausgeprägtheit des Konnexitätsbegriffes in den einzelnen vertragsstaatlichen Rechtsordnungen und den Grad der Übereinstimmung der jeweiligen Konnexitätsregeln mit der Regelung in Art. 22. Der Schwerpunkt der rechts vergleichenden Betrachtungen wird aus diesem Grunde auf dem französischen, dem belgisehen und dem italienischen Recht liegen.

III. Zwischenergebnis zum Begriff der Konnexität

Als entscheidender Gesichtspunkt für das Vorliegen von Konnexität hat sich die Existenz einer beiden Prozessen gemeinsamen, jeweils entscheidungserheblichen Frage herausgestellt. Denn unter dieser Voraussetzung besteht die Möglichkeit, daß bei isolierter Behandlung der Klagen widersprüchliche Entscheidungen entstehen. Auch können dann durch eine Koordinierung der Verfahren Arbeit, Zeit und Kosten gespart werden. Es bleibt jedoch zu überprüfen, ob das Kriterium der gemeinsamen Frage auch mit den nationalen Begriffsbestimmungen - insbesondere in den Staaten des romanischen Rechtskreises, in denen das Institut der Konnexität stark ausgeprägt ist - übereinstimmt und wann eine solche "gemeinsame Frage" vorliegt. Die Voraussetzungen für den Begriff des Zusammenhangs in Art. 22 sollen aufgrund rechtsvergleichender Studien weiter konkretisiert und - falls nötig - korrigiert werden (dazu sogleich unter § 3). Weiterhin bleibt zu klären, wo die Grenze zwischen Konnexität und Rechtshängigkeit zu ziehen ist (dazu unten § 4).

§ 3 Rechtsvergleichende Untersuchung des Begriffs der Konnexität I. Der Begriff der Konnexität im nationalen Recht ausgewählter Vertragsstaaten

Für die Auslegung des Konnexitätsbegriffs in Art. 22 ist von Bedeutung, wie der Begriff "Konnexität" in den Rechtsordnungen der Vertragsstaaten verstanden wird. Dabei haben jene nationalen Konnexitätsbegriffe das größte Gewicht, die in ihrer Funktion mit der europäischen Konnexitätsregel am weitesten übereinstimmen. Zu berücksichtigen ist daher, inwieweit die Wirkung, die der Konnexität in den nationalen Rechtsordnungen jeweils beigelegt wird, der des Art. 22 entspricht.

1. Frankreich a) Wirkung der Konnexität im französischen Zivilprozeßrecht Dem Zusammenhang zwischen Klagen kommt im französischen Zivilprozeßrecht eine erhebliche Bedeutung zu. Je nach der prozessualen Situation unterscheiden sich die Rechtsfolgen, die an die Konnexität geknüpft werden. Der Sachzusammenhang zwischen mehreren Klagen stellt einen allgemeinen Zuständigkeitsgrund dar ("prorogation legale de competence").l Er ermöglicht eine Verbindung von Klagen, die vor demselben Gericht anhängig sind ("jonction d'instances").2 Art. 101 des Nouveau Code de procedure civile (NCPC) enthält eine der Regelung in Art. 22 ähnelnde Einrede der Konnexität. Die "exception de connexite" ist wie folgt geregelt: "S'il existe entre des affaires portees devant deux juridictions distinctes un lien tel qu' il soit de l'interet d'une bonne justice de les faire instruire et juger ensembles, il peut etre demande a l'une de ces juridictions de se dessaisir et de renvoyer en l'etat la connaissance de l' affaire a I' autre juridiction." Als Rechtsfolge des Zusammenhangs zwischen vor verschiedenen Gerichten anhängigen Klagen ist Zwar sind nur einzelne spezielle Gerichtsstände des Sachzusammenhangs geregelt, es ist jedoch allgemein anerkannt, daß der Zusammenhang zwischen verschiedenen Klagen generelI eine Verschiebung der örtlichen und teilweise auch der sachlichen Zuständigkeit bewirkt, vgl. SoluslPerrot 11, NT. 536 ff.; Genin-Meric, J.cl. proc. civ., Fasc. 212-2 NT. 14. 2 Art. 367 NCPC.

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§ 3 Rechtsvergleichende Untersuchung des Begriffs der Konnexität

in dieser Nonn eine Unzuständigerklärung bzw. Verweisung vorgesehen, die grundsätzlich der Rechtsfolge in Art. 22 Abs. 2 entspricht. 3 Bei Anhängigkeit konnexer Klagen vor verschiedenen Gerichten kommt daneben auch eine Verfahrensaussetzung nach allgemeinen Regeln (" sursis a statuer")4 in Betracht. 5

b) Der Begriff der Konnexität Für die verschiedenen Wirkungen des Zusammenhangs zwischen Zivilprozessen wird grundsätzlich von einem einheitlichen Konnexitätsbegriff ausgegangen. 6

aa) Die gesetzliche Begriffsbestimmung Art. 101 NCPC verwendet den Begriff "connexite" nicht. Es besteht aber Einigkeit darüber, daß die Vorschrift diesen Begriff umschreibt. 7 Es handelt sich beim ersten Teil der Nonn ("un lien tel qu'il soit de l'interet d'une bonne justice de les faire instruire et juger ensembles") um eine indirekte Legaldefinition des Konnexitätsbegriffs. Diese Definition wurde mit der Refonn von 1972 eingeführt8 . Bis dahin existierte keine gesetzliche Definition der Konnexität, so daß lange Zeit Streit darüber geführt wurde, wie der Begriff zu fassen sei. Die Rechtsprechung der Cour de cassation ließ mangels einer gesetzlichen Begriffsbestimmung den unteren Gerichten bei der Beurteilung des Vorliegens von Konnexität im konkreten Fall großen Spielraum. 9 Die Aufnahme einer Legaldefinition der Konnexität in den Code de procedure civile bei der Neufassung von 1972 hat die bestehenden Unsicherheiten über den Begriff nicht beseitigt, da in Art. 101 NCPC kein wirkliches Krite3 Siehe dazu unten § 6 11. 4 Art. 378 ff. NCPC. 5 Japiot, Rev. trirn. dr. civ. 1930, 1140, 1143. 6 Lediglich die für die "jonction d'instances" erforderliche Konnexität wird z.T. etwas weiter gefaßt, vg!. Fournier, Enc. Dalloz proc. (1955), VO Connexite, Nr. 6; so auch SoluslPerrot II, Nr. 544. 7 BlanclViatte, zu Art. 101 NCPC; SoluslPerrot II, Nr. 543. 8 Decret n° 72-684 du 20.07.1972, Art. 40; heute Art. 101 NCPC. 9 Ständige Rechtsprechung, vg!. Cass. (jr.) 14.01.1890, D. 1891, I, 433; 07.03.1904, S. 1905, 1, 287; 10.07.1929, D. 1929, 425; 08.12.1938, Gaz. Pa!. 1939, 260; 29.11.1951, Bull. civ. 1951, m, Nr. 772; 12.03.1953, D. 1953, 322; 10.07.1969, Bull. civ. 1969, m, Nr. 572; 18.04.1972, D. 1972, sornrn. 192. Kritisch dazu De Paepe I, S. 260 ff., da die Konnexität eine Zuständigkeits frage sei und somit nicht dem Ermessen des Tatrichters überlassen werden könne.

I. Der Begriff der Konnexität im nationalen Recht

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rium aufgestellt, sondern - ähnlich wie in Art. 22 Abs. 3 -lediglich die Zielrichtung des Instituts umschrieben wird, nämlich die, dem Interesse einer geordneten Rechtspflege zu dienen. 10

bb) Historische Entwicklung des Konnexitätsbegriffs Der Begriff der Konnexität wurde in Frankreich lange Zeit in Anlehnung an den der Litispendenz, also der anderweitigen Rechtshängigkeit einer identischen Klage definiert. 11 Dies hängt damit zusammen, daß die Rechtshängigkeits- und die Konnexitätseinrede ursprünglich in einer Vorschrift 12 gemeinsam geregelt waren. So gingen die Konkretisierungsversuche der französischen Lehre vor allem dahin, die Klageelemente (Parteien, Causa und Petitum 13) auch auf den Konnexitätsbegriff anzuwenden: Während Litispendenz die Identität aller drei Klageelemente voraussetzt, sollte Konnexität vorliegen, wenn zumindest eines davon nicht übereinstimmt. Für Konnexität wurde verlangt, daß entweder Klagegrund ("cause") oder Begehren ("objet") beider Klagen identisch ist. 14 In diesem Sinne wurde die Konnexität im französischbelgischen Vollstreckungsvertrag definiert. 15 Auch in der französischen Rechtsprechung wurde das Vorliegen von Konnexität häufig mit der Identität des Klagegrundes 16 oder des Klageziels 17 begründet oder aufgrund des Fehlens solcher Identität abgelehnt. 18 Allmählich wurde jedoch die Anlehnung des Konnexitätsbegriffs an den der Rechtshängigkeit abgeschwächt. Es wurde festgestellt, daß das Erfordernis 10 SoluslPerrot 11, Nr. 543; Spellenberg, ZVgIRWiss 79 (1980), 89, 91. Fourcade, Nr. 13. Art. 171 des C.p.c. von 1806, ab 1958 in Art. 172 (decret n° 58-1289 du 22.12.1958). 13 Zu den Klageelementen im einzelnen unten § 4 IV. 14 De Paepe I, S. 262 ff. 15 Art. 4 Abs. 1 Satz 2 französisch-belgischer Vertrag vom 08.07.1899 lautet: "Ne peuvent etre considerees comme connexes que les conte stations qui procedent de la meme cause ou portent sur le meme objet." So lauten auch Art. 6 Abs. 1 des belgisch-niederländischen Vertrages vom 08.03.1925 und Art. 19 Abs. 2 des französisch-italienischen Vertrages vom 03.06.1930. 16 So z.B. Cass. (fr.) 30.03.1966, BuH. civ. 1966, 11, Nr. 445. Es genügt die Identität des tatsächlichen Grundes, vgl. Cass. (fr.) 17.03.1925, D. 1925,286: 'Tune et l'autre dependent d'un fait unique". 17 So z.B. Cass. (fr.) 23.03.1864, S. 1864, I, 224; 02.06.1885, S. 1885, I, 375; 19.12.1893, S. 1896, I, 87; 17.07.1911, S. 1915, I, 145; 10.07.1929, D. 1929,425; 07.04.1936, S. 1936, I, 250. 18 So z.B. Cass. (fr.) 02.08.1933, S.1933, I, 347; Trib. gr. inst. Seine 18.10.1963, Gaz. Pal. 1964, I, 325. 11 12

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§ 3 Rechtsvergleichende Untersuchung des Begriffs der Konnexität

der Identität von Causa oder Petitum im Einzelfall zu eng sein kann, und bisweilen Konnexität bejaht, obwohl keines der drei Klageelemente identisch war .19 Die Ausführungen der Gerichte tragen insgesamt nicht viel zur Klärung der Kriterien bei, da zur Begründung des Vorliegens von Konnexität häufig alles, was den Verfahren gemeinsam ist, aufgezählt wird, ohne daß unterschieden würde, was davon notwendige Voraussetzung für das Vorliegen von Konnexität ist und was nicht. 20

ce) Aktuelles Verständnis der Konnexität Heute besteht im französischen Recht weitgehend Einigkeit darüber, daß die Übereinstimmung von Klageelementen weder notwendige noch hinreichende Bedingung für das Vorliegen von Konnexität ist. 21 Als entscheidender Gesichtspunkt hat sich die Gefahr der Entstehung widersprechender Entscheidungen ("decisions inconciliables") bei getrennter Beurteilung herausgebildet. Konnexität wird bejaht, wenn die Entscheidung der einen Klage die der anderen beeinflußt. 22 Die Rechtsprechung stellt zumeist auf ein gegenseitiges Abhängigkeitsverhältnis ("lien de dependance et de subordination")23 ab. Die in der französischen Literatur vorgeschlagenen Definitionen sind zumeist nicht konkreter. 24 Manche Autoren sind der Ansicht, es gebe keine genauen Kriterien für den Konnexitätsbegriff. 25 Die Gerichte nehmen letztlich immer dann Konnexität an, wenn es im konkreten Fall opportun erscheint, beide Klagen in einem Prozeß zu prüfen. 26 Nicht erforderlich ist jedenfalls, daß voneinander abweichende Entscheidungen nicht gleichzeitig vollstreckt werden könnten.27 Dies wird nur für das Vorliegen von "indivisibilite", einer verstärkten Konnexität mit weitergehenden Wirkungen, verlangt. 28 19 20 21 22

Vgl. die Nachweise bei SoluslPerrot 11, NT. 541 a.E. Ebenso Fourcade, NT. 37. SoluslPerrot 11, NT. 541. Vgl. SoluslPerrot 11, NT. 542; Fournier, Enc. Dalloz proc.,

VO Connexite, NT. I. 23 Cass. (fr.) 10.07.1929, S.1930, I, 102; 29.11.1951, Bull. civ. 1951, III, NT. 772; 12.03.1953, D. 1953,322; 25.05.1972, J.C.P. 1972, IV, 177. 24 Vgl. z.B. VincentlGuinchard, Nr.464: demandes "distinctes quant au fond, mais concernant la meme affaire". 25 Morel, Nr. 302; vgl. auch Gabet-Sabatier, Re\!. trim. dT. civ. 1980,39,65 (zur Konnexität im Schuldrecht): "La connexite est un concept juridique, general, diffus et soupie . Elle se ressent plus qu' elle se definit. " 26 SoluslPerrot 11, Nr. 542: "pragmatisches Kriterium". 27 GlassonlTissier, Nr. 278, S. 723. 28 Vgl. SoluslPerrot 11, Nr. 552 ff.: "Indivisibilite" führt zwingend zur Klagenverbindung und ermöglicht eine weiterreichende Zuständigkeitsverschiebung.

1. Der Begriff der Konnexität im nationalen Recht

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Nicht ganz deutlich wird, ob hinsichtlich der an den verschiedenen Klagen beteiligten Personen Beschränkungen gelten. Vollständige Identität der Parteien ist jedenfalls nicht erforderlich. 29 In der älteren Rechtsprechung und Literatur wurde zum Teil eine Identität entweder der Kläger oder der Beklagten bzw. die Beteiligung zumindest einer Partei in beiden Verfahren verlangt. 30 Nach anderer Ansicht ist zwar in der Regel eine Partei identisch, dies sei aber keine notwendige Voraussetzung für das Vorliegen von Konnexität. 31 Heute wird in der Partei verschiedenheit soweit ersichtlich kein Problem gesehen, dem Konnexitätsbegriff werden insofern keine Grenzen gesetzt. Nach dem Kriterium des Einflusses der einen Entscheidung auf die Entscheidung im anderen Verfahren liegt Konnexität eindeutig dann vor, wenn der eine Anspruch vom Ergebnis des anderen Verfahrens rechtlich abhängig ist32 oder wenn beide Klagen auf demselben Rechtsverhältnis beruhen33 bzw., allgemeiner gesprochen, von der Entscheidung über eine gemeinsame Vorfrage abhängig sind. Neben einer rechtlichen Abhängigkeit genügt auch eine bloß faktische Einwirkung der einen Entscheidung auf das andere Verfahren. 34 Ausreichend ist darüber hinaus die Verfolgung desselben Ziels mit beiden Klagen. 35 29 GlassonlTissier I, Nr. 278, S. 725; Morel, Nr. 283; Cass. (j'r.) 18.08.1840, S. 1840, I, 836; 23.03.1864, D. 1864, I, 479; 29.11.1951, Bull. civ. 1951, m, Nr.772. 30 Vgl. Fourcade, Nr. 24 ff. 31 So GlassonlTissier, Nr. 278, S. 725; De Paepe I, S. 275. 32 So z.B. im Verhältnis zwischen einer Klage auf Durchführung eines Vertrages und einer Klage auf Feststellung der Unwirksamkeit oder auf Aufhebung desselben Vertrages, Cass. (j'r.) 27.02.1888, D. 1889, I, 24; 03.12.1890, S. 1891, I, 255; 30.11.1891, S.1892, I, 77; vgl. auch Cass. (j'r.) 29.11.1951, Bull. civ. 1951, III, Nr. 772 (Klage des Vermieters gegen den Mieter auf Feststellung der Wirksamkeit der Kündigung und Klage des Untermieters auf Feststellung seines fortdauernden Besitzrechts ). 33 So im Verhältnis zwischen wechselseitigen Klagen auf Erfüllung eines gegenseitigen Vertrages, GlassonlTissier, Nr. 278, S. 724; zwischen der Klage auf Kaufpreiszahlung und der Klage des Käufers auf Schadensersatz wegen verspäteter Lieferung, Cass. (j'r.) 06.12.1875, S. 1876, I, 165; vgl. auch Paris 17.02.1965, J.C.P. 1965, H, 14250. 34 So wurde Konnexität bejaht im Verhältnis zwischen einem Verfahren auf Liquidation und Teilung des Nachlasses eines Ehemannes sowie der Gütergemeinschaft mit seiner Frau und einem Verfahren auf Auseinandersetzung des Nachlasses der inzwischen wiederverheirateten und verstorbenen Ehefrau, weil die Teilungsmasse im zweiten Verfahren vön der Teilung im ersten Verfahren faktisch abhängig ist, Cass. (j'r.) 27.10.1964, Gaz. Pal. 1965,27. 35 Es genügt die Verfolgung desselben wirtschaftlichen Interesses, vgl. Cass. (j'r.) 18.07.1963, Bull. civ. 1963, I, Nr. 409 (Klage auf Erbauseinandersetzung und Klage auf Anerkennung einer einverständlichen Teilung).

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§ 3 Rechtsvergleichende Untersuchung des Begriffs der Konnexität

Im internationalen Bereich wird zum Teil ein engerer Konnexitätsbegriff zugrundegelegt. So wurde das Vorliegen von Konnexität im Verhältnis zwischen einer inländischen und einer ausländischen Schadensersatzklage mit der Begründung verneint, daß der jeweils geltend gemachte Schaden nicht in demselben Land erlitten worden war. 36 Diese restriktive Handhabung beruht auf der Zurückhaltung bei der Anwendung der Konnexitätseinrede zugunsten eines ausländischen Gerichts. 37

dd) Insbesondere: Das Kriterium der gemeinsamen Frage Für den Konnexitätsbegriff wird häufig auf das Vorliegen gemeinsamer, in beiden Verfahren entscheidungserheblicher Fragen abgestellt. 38 In der Literatur besteht keine Einigkeit darüber, ob für das Vorliegen von Konnexität schon die Relevanz gleicher Rechts- oder Tatsachenfragen genügt. Nach Ansicht von Fourcade setzt Konnexität voraus, daß beiden Verfahren eine Partei sowie eine Rechtsfrage gemeinsam ist, die sich jeweils auf denselben Gegenstand bezieht; hingegen reiche es nicht aus, wenn sich in beiden Klagen identische Rechtsfragen in bezug auf nur ähnliche Tatsachen stellen. 39 Solus und Perrot meinen dagegen, mehrere Klagen seien schon dann konnex, wenn sie nur Fragen aufwerfen, die in enger Beziehung zueinander stehen. 40 Auch die Rechtsprechung bietet in diesem Punkt kein einheitliches Bild. Bejaht wurde das Vorliegen von Konnexität z.B. zwischen gegenseitigen Schadensersatzklagen mehrerer Autofahrer nach einer Massenkarambolage41 , obwohl nur gemeinsame Tatfragen relevant waren, nicht jedoch eine rechtliche Abhängigkeit vorlag. Weiterhin wurde Konnexität angenommen zwischen der Klage eines Verfrachters gegen die Versicherung, bei der er die auf See zu transportierenden Waren versichert hatte, und der Klage gegen den Transporteur auf Schadensersatz wegen Verlust der Ware, wobei sich Transporteur und Versicherung auf gleichlautende Haftungsausschlußklauseln in den jeweiligen Verträgen beriefen. 42 Konnexität wurde hier bejaht, weil derselbe Vorfall, der Verlust der Ware, zugrundelag. Ähnlich liegt auch der Fall von verschiedenen Klagen eines Vertreters mehrerer eng zusammengehörender, aber selbständiger Versicherungsfirmen auf Entschädigung wegen Kündigung 36 Trib. gr. inst. Paris 04.04.1990, Gaz. Pal. 1991, I, somm. 52 f. 37 Siehe dazu oben § 1 IV 1 b. ' 38 SoluslPerrotll, Nr. 541 und 801; BlanclViatte, vor Art. 100 NCPC; Fourcade, Nr. 30 f.; mit Nachweisen aus der älteren Rechtsprechung. 39 Fourcade, Nr. 32; so auch Glasson/Tissier, Nr. 278, S. 723 f. 40 SoluslPerrot 11, Nr. 809. 41 Cass. ifr.) 12.03.1953, D. 1953,322. 42 Cass. ifr.) 10.07.1929, S. 1930, 1,102.

I. Der Begriff der Konnexität im nationalen Recht

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der jeweiligen Vertreterverträge, wobei diese inhaltlich gleichlautend waren und die Kündigungen in demselben Brief ausgesprochen wurden43 . Als konnex angesehen wurden weiterhin die Klagen mehrerer Arbeitnehmer gegen ihren gemeinsamen Arbeitgeber auf bezahlten Urlaub, weil den Ansprüchen ein gemeinsamer kollektiver Arbeitsvertrag zugrundelag 44 . Verneint haben französische Gerichte das Vorliegen von Konnexität dagegen z.B. zwischen einer Klage wegen Patentverletzung und einer Klage wegen unlauteren Wettbewerbs, obwohl der unlautere Wettbewerb mit Produkten betrieben wurde, bei deren Herstellung das Patent verletzt worden war. 45 Weiterhin wurde Konnexität im Verhältnis zwischen einer Klage des Mieters auf Rückzahlung zu Unrecht gezahlten Mietzinses und einer Klage des Vermieters auf Ersatz des Schadens, den der Mieter bei seinem Auszug verursacht hat, abgelehnt46 , obwohl in beiden Verfahren z.B. die Tatsache eine Rolle spielte, ob sich der Mieter überhaupt in der Wohnung aufgehalten hatte. Die Zusammenstellung der französischen Rechtsprechung zeigt, daß das Vorliegen einer gemeinsamen Rechts- oder Tatfrage nicht ohne weiteres dafür ausreicht, Konnexität zwischen Klagen zu begründen, zwischen denen keine rechtliche Abhängigkeit besteht. Liegt beiden Klagen derselbe Tatsachenkomplex zugrunde, so ist Konnexität ohne weiteres anzunehmen. Problematisch ist dagegen insbesondere das Verhältnis zwischen Verfahren, in denen nur einzelne Tatumstände jeweils eine Rolle spielen, und zwischen Verfahren, in denen sich gleiche (insbesondere rechtliche) Fragen jeweils hinsichtlich eines anderen Bezugspunktes (z.B. bei mehreren selbständigen Verträgen) stellen. In diesen Konstellationen wird nur unter bestimmten zusätzlichen Voraussetzungen Konnexität bejaht, über deren Inhalt jedoch keine volle Klarheit herrscht. Der Abgrenzung liegt die Vorstellung von einer gewissen Einheit tatsächlicher oder rechtlicher Art zugrunde. 47 Es genügt ein einheitlicher Tathergang, aber auch eine enge wirtschaftliche Verflechtung oder eine rechtliche Zusammengehörigkeit.

c) Kontrollbefugnis der Cour de cassation Trotz der nunmehr vorhandenen Legaldefinition in Art. 101 NCPC ist die Cour de cassation wegen der Weite dieser Begriffsbestimmung bei der Auffas43 Cass. (fr.) 03.12.1945, D. 1944,30.

44 45 46 47

Cass. (fr.) 08.12.1938, Gaz. Pa!. 1939, I, 260. Trib. gr. inst. Seine 18.10.1963, Gaz. Pa!. 1964, I, 325. DijonOl.03.1974, D. 1974, somm. 66. Spellenberg, ZVglRWiss 79 (1980),89,95.

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§ 3 Rechtsvergleichende Untersuchung des Begriffs der Konnexität

sung geblieben, daß die Untergerichte das Vorliegen von Konnexität frei beurteilen ("c'est aux juges du fond qu'il appartient d'apprecier les circonstances qui doivent contribuer a etablir la connexite").48 Dies wird häufig auch als "pouvoir souverain" bezeichnet. 49 Über den Umfang der richterlichen Freiheit bei der Beurteilung der Konnexität im konkreten Fall besteht jedoch keine Einigkeit. Von manchen wird angenommen, bei der Frage des Vorliegens von Konnexität handele es sich um eine tatsächliche Frage, deren tatrichterliche Beurteilung von der Cour de cassation somit nicht überprüft werden könne. 50 Andere meinen, es handele sich um eine Rechtsfrage, die der rechtlichen Kontrolle durch den Kassationshof unterliege; wegen der Unbestimmtheit des Begriffs sei der Spielraum der Untergerichte allerdings recht groß. 51 In manchen Fällen hat die Cour de cassation jedoch nachgeprüft, ob Konnexität im konkreten Fall zu Recht ("a bon droit") angenommen worden war. So wurde eine Entscheidung, in der die Existenz von Konnexität mit der Begründung abgelehnt wurde, keines der drei Klageelemente sei identisch, aufgehoben, da das Gericht nicht untersucht hatte, ob eine geordnete Rechtspflege nicht trotzdem eine gemeinsame Verhandlung und Entscheidung verlangte. 52 Die dogmatische Frage, ob die Konnexitätsfeststellung eine Rechts- oder eine Tatsachenfrage ist, kann in diesem Zusammenhang offenbleiben. Es handelt sich bei der freien Beurteilung durch den Tatrichter jedenfalls nicht um eine unbegrenzte Freiheit (kein "pouvoir arbitraire ")53. Im Ergebnis steht fest, daß sich die Überprüfung von tatrichterlichen Entscheidungen über das Vorliegen von Konnexität durch die Cour de cassation auf das Fehlen einer ausreichenden Begründung und eine offensichtliche Unrichtigkeit des Ergebnisses (Willkür) beschränkt. 54

48 Siehe oben b aa. 49 So z.B. Cass. (jr.) 19.04.1983, BuH. civ. 1983, I, Nr. 123; 13.10.1988, Bull.

civ. 1988, V, Nr. 514. 50 Cadiet, Nr. 632. 51 Heron, Nr. 93; Fourcade, Nr. 16; SoluslPerrot II, Nr. 544: Nur die Beurteilung der zugrundeliegenden Tatsachen sei frei, nicht dagegen die rechtlichen Folgerun~en daraus. 5 Cass. (jr.) 26.05.1982, Bull. civ. 1982, I, Nr. 199. 53 SoluslPerrot II, Nr. 544. 54 Vgl. die Entscheidung der Cour de cass. (jr.) 27.10.1992, D. 1992, inf. rap. 262, zu Art. 22 EuGVÜ, in der diese Handhabung im nationalen Recht auch auf den Konnexitätsbegriff im EuGVÜ übertragen wird.

I. Der Begriff der Konnexität im nationalen Recht

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d) Zusammenfassung Im französischen Recht wird für das Vorliegen von Konnexität auf den Einfluß des einen Verfahrens auf die im anderen Verfahren zu treffende Entscheidung und auf die Gefahr der Entstehung widersprüchlicher Entscheidungen bei getrennter Verhandlung abgestellt. Bei konkreter rechtlicher oder zumindest faktischer Abhängigkeit der Entscheidungen voneinander oder von demselben Rechtsverhältnis sowie bei Verfolgung übereinstimmender Ziele liegt daher Konnexität ohne weiteres vor. Sind beiden Verfahren nur einzelne Tatumstände gemeinsam oder sind die den Klagen zugrundeliegenden Rechtsfragen lediglich gleichartig, so wird in der französischen Praxis Konnexität nur angenommen, wenn darüber hinaus eine gewisse tatsächliche bzw. rechtliche Einheit besteht. Bei der Beurteilung, ob die Verknüpfung eng genug ist, um Konnexität anzunehmen, hat der Richter einen erheblichen Spielraum.

2. Belgien a) Wirkung der Konnexität im belgisehen Zivilprozeßrecht Das belgisehe Zivilprozeßrecht enthält eine dem französischen Recht und Art. 22 im wesentlichen entsprechende Einrede der Konnexität. Diese ist in Art. 566 Code judiciaire geregelt. 55 Ähnlich wie in Frankreich bewirkt die Konnexität zwischen Klagen auch in Belgien allgemein eine Verschiebung der örtlichen und teilweise auch der sachlichen Zuständigkeit (Art. 701 i. V .m. 30, 566 C.j.56) und ermöglicht die Verbindung von Klagen, die vor demselben Gericht anhängig sind (Art. 865 Abs. 2 C.j.).

b) Der Begriff der Konnexität

aa) Die gesetzliche Regelung Der belgische Code judiciaire enthält im Unterschied zum französischen NCPC eine explizite Legaldefinition des Begriffs der Konnexität in Art. 30: 55 Art. 566 C.j. lautet: "Diverses demandes en justice ou divers chefs de demande entre deux ou plusieurs parties, qui presentes isolement devraient etre portes devant des tribunaux differents, peuvent s'ils sont connexes, etre reunis devant le meme tribunal en observant I'ordre de preference indique aux 2" a 5° de I'art. 565." 56 Art. 701 C.j. lautet: "Diverses demandes entre deux ou plusieurs parties peuvent, si elles sont connexes, eire introduites par le me me acte." 5 LUpfert

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§ 3 Rechtsvergleichende Untersuchung des Begriffs der Konnexität

"Des demandes en justice peuvent etre traitees comme connexes lorsqu' elles sont Iiees entre elles par un rapport si etroit qu' iI y a interet ales instruire et juger en meme temps afin d'eviter des solutions qui seraient susceptibles d'etre inconciliables si les causes etaient jugees separement".

Diese Definition ist seit 1967 im Code judiciaire enthalten57 und bildete das Vorbild für die Definition der Konnexität in Art. 22 Abs. 3. Die Ausformung des Konnexitätsbegriffs in Belgien ist daher besonders aufschlußreich für das EuGVÜ. Die Definition in Art. 30 C.j. stellt auf die Vermeidung widersprechender Entscheidungen ab und entspricht somit im Grundsatz dem Konnexitätsbegriff, der in Frankreich zwar von Rechtsprechung und Lehre herausgebildet, aber nicht auch in dieser Form in das Gesetz aufgenommen worden ist. 58 Es wird nicht vorausgesetzt, daß Causa oder Petitum übereinstimmen59 oder daß bei abweichender Beurteilung in getrennten Verfahren Urteile ergehen könnten, deren gleichzeitige Vollstreckung unmöglich oder zumindest schwierig würde. 60 Das Bestehen einer Gefahr widersprechender Entscheidungen genügt, ist aber zugleich notwendige Voraussetzung für das Vorliegen von Konnexität. 61 Die Parteien müssen nicht identisch sein. 62 Der Richter verfügt über einen weiten Beurteilungsspielraum für die Entscheidung, ob es günstig erscheint, die Verfahren zu verbinden 63 . Obwohl der Begriff der Konnexität heute ausdrücklich gesetzlich definiert ist, wird die Beurteilung ihres Vorliegens im konkreten Fall als tatsächliche Frage behandelt und kann daher vom Tatrichter frei entschieden werden. 64 Dennoch findet teilweise eine Überprüfung in höherer Instanz statt. 65

57 Zur Rechtslage bis 1967 vgl. Fettweis, in: Etude du projet de Code judiciaire, S. 21, 49 f. 58 So auch SpeIlenberg, ZVglRWiss 79 (1980),89, 107. 59 Fettweis 11, Nr. 184; Rouard I, Nr. 252; Braas, Nr. 727; Cambier 11, S. 117; Berten, Jur. comm. Belg. 1958, 103, 107; anders die ältere Rechtsprechung, vgl. De Paege I, S. 262 ff. 6 So nur für die "indivisibilite". 61 Braas, Nr. 726. 62 Cambier 11, S. 117; Rouard I, Nr. 252; Fettweis 11, Nr. 184; J.P. Dison 13.02.1970, Jur. Liege, 1970-71,79; Bruxelles 30.05.1956, Journ. trib. 72 (1957), 25. 63 Rouard I, Nr.244, 252; FettweislKohllLeval I, Nr.65; Cambier 11, S. 116; GuttIStranart-Thilly, Rev. crit. jur. beige 1973,91, 126. 64 Fettweis 11, Nr. 185; Cass. (belg.) 02.01.1913, Pas. 1931, 1,46; 02.01.1917, Pas. 1917, I, 364; 13.05.1937, Pas. 1937, I, 145; 06.06.1961, Pas. 1961, I, 1082; 04.09.1987, Pas. 1988, I, Nr. 304; Bruxelles 30.05.1956, Journ. trib. 1957, 25; Li~e 24.05.1988, Pas. 1988,11,224. Vgl. Bruxelles 30.05.1956, Journ. trib. 1957,25, mit Anm. van Reepinghen.

I. Der Begriff der Konnexität im nationalen Recht

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bb) Einschränkendes Kriterium: "liaison objective" Um den weiten Begriff etwas einzuschränken, wird im belgischen Recht für das Vorliegen von Konnexität zusätzlich eine "liaison objective" zwischen den Klagen verlangt. 66 Danach genügt es nicht ohne weiteres, daß beide Verfahren entscheidungserhebliche Fragen enthalten, die nur gleichartig sind. Es muß darüber hinaus zu befürchten sein, daß eine getrennte Verhandlung und Entscheidung zu bruchstückhaften und divergierenden Lösungen führen könnte. 67 Das ist nicht der Fall, wenn zwar beiden Klagen ähnliche Tatsachen zugrundeliegen und für deren Entscheidung gleiche Fragen erheblich sind, die Interessen der Parteien aber völlig verschieden sind. 68 Dann liegen bloß ähnliche Klagen ("causes similaires") vor, nicht aber konnexe. Verneint wurde die Konnexität daher z.B. im Verhältnis zwischen der Klage eines Mieters gegen seinen Vermieter, in der es um eine Klausel des Mietvertrags ging, und der Klage desselben Vermieters gegen den Mieter der Nachbarwohnung um dieselbe Klausel in dessen inhaltsgleichem Mietvertrag. 69 Zwar seien in beiden Verfahren identische Fragen maßgeblich, die Klagen seien aber ansonsten unabhängig voneinander, so daß es an einer "liaison objective" fehle. Aus demselben Grund wurde Konnexität zwischen einzelnen Klagen einer Straßenbaugesellschaft gegen mehrere Grundstückseigentümer auf Schadensersatz wegen Verletzung ihres Bepflanzungsrechts an einer Straße verneint70. Auch wenn gleichartige Tatsachen zugrundelagen und sich entsprechende Fragen stellten, handele es sich doch um selbständige Klagen, die jeweils eine eigene Grundlage und ein eigenes Begehren hätten. Hingegen wurden die Klagen dreier Arbeitnehmer gegen ihren gemeinsamen Arbeitgeber auf Schadensersatz wegen Auflösung des Arbeitsvertrags ohne rechtzeitige Ankündigung während eines Streiks als konnex angesehen71 . Diese Entscheidung wird aber in der Literatur kritisiert: Es fehle an einer "liaison objective" zwischen den Klagen, da ihnen nur die rechtliche Frage gemeinsam sei, ob die Ankündigungsfrist während des Streiks läuft. 72 66 Fettweis I1, Nr. 184; FettweislKohllLeval I, Nr. 66; Rouard I, Nr. 252; Cambier 11, S. 116. 67 Com. Courtrai 05.01.1971, R.W. 1971-72,817; FettweislKohllLeval I, Nr. 66: "Une liaison objective entre les demandes qui permet de craindre qu'un ensemble de questions litigieuses aboutisse ades solutions partielles et divergentes" . 68 Rouard I, Nr. 252; Gand 04.11.1882, Pas. 1883, 11, 78. 69 J.P. Liege 10.02.1938, Jur. Liege 1938, 109. 70 Gand 04.1 1.1882, Pas. 1883,11,78. 71 Cons. prud. Jemeppe-sur-Meuse 30.10.1969, Jur. Liege, 1970-71,5. 72 GuttlStranart-Thilly, Rev. crit. jur. beige 1973,91,126 f.; Cambier 11, S. 116 Fn. 75; ebenso ReUn, Jur. Liege 1970-71,6 f.: die Klagen seien nur "ähnlich".

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§ 3 Rechtsvergleichende Untersuchung des Begriffs der Konnexität

In einem Fall, in dem auf Zahlung mehrerer Wechsel geklagt wurde, ist Konnexität mit der Begründung bejaht worden, daß die Wechsel auf denselben Betrag lauteten, zwischen denselben Parteien begeben worden waren und dasselbe rechtliche Problem aufwarfen73 . Hier hätte wohl richtigerweise wegen fehlender "liaison objective" Konnexität verneint werden müssen. 74 Daß die Parteien übereinstimmen und sich entsprechende Rechtsfragen stellen, kann nicht genügen, um Konnexität zu begründen. Auch die Entsprechung des Betrages ändert daran nichts. Im Verhältnis zwischen zwei Klagen auf Schadensersatz wegen Verletzung derselben Person durch zwei Arbeitsunfälle an verschiedenen Tagen wurde Konnexität verneint.15 Dagegen wurde eingewandt, daß die Folgen beider Unfälle nicht sicher voneinander getrennt werden könnten76 .

c) Zusammenfassung Trotz der Aufstellung der zusätzlichen Voraussetzung einer "liaison objective" entspricht der belgische Konnexitätsbegriff im Ergebnis weitgehend dem französischen. Das einschränkende Kriterium ist wiederum wenig konkret. Es wird eingesetzt, um die Fälle auszufiltern, in denen trotz der Relevanz gleicher Fragen in beiden Verfahren eine gemeinsame Verhandlung nicht als zweckmäßig erscheint. Dem Begriff der "liaison objective" liegt die Vorstellung eines tatsächlich einheitlichen Geschehens zugrunde. 3. Italien a) Wirkung der Konnexität im italienischen Zivilprozeßrecht Im italienischen Recht ist die Einrede der Konnexität in Art. 40 Abs. 1 c.p.c. wie folgt geregelt: "Se sono proposte davanti a giudici diversi piu cause le quali, per ragione di connessione, possono essere decise in un solo processo, il giudice fissa con sentenza alle parti un termine perentorio per la riassunzione della causa accessoria

73 Com. Liege 27.04.1968, Jur. comm. Belg. 1969, I, 35.

74 Die Entscheidung wird daher auch kritisiert von Gutt und Stranart-Thilly, Rev. crit. jur. beige 1974, 89, 92, die jedenfalls die angegebene Begründung für nicht ausreichend halten. 75 ].P. Beringen 14.02.1969, Jur. Liege, 1969-70, Nr. 99, S. 303. 76 Rouard I, Nr. 257.

I. Der Begriff der Konnexität im nationalen Recht

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davanti al giudice della causa principale, e negli altri casi davanti a quello preventivamente adito ...77

Die Vorschrift regelt als Rechtsfolge der Konnexität die nachträgliche Verbindung von Klagen, die vor verschiedenen Gerichten anhängig gemacht worden sind, zu einem Verfahren vor einem der betreffenden Gerichte. Das später angerufene Gericht (bzw. das mit einer akzessorischen Klage befaßte) ordnet die Verbindung der konnexen Klagen bei dem jeweils anderen Gericht an, wenn die Voraussetzungen für eine Zuständigkeitsverschiebung kraft Konnexität vorliegen. Art. 31-36 c.p.c. ermöglichen in den dort geregelten Konnexitätssituationen die gemeinsame Erhebung mehrerer Klagen vor einem Gericht, das ansonsten nur für eine davon zuständig wäre. Es handelt sich um einen Katalog von speziellen Zuständigkeiten des Sachzusanunenhangs (Art. 31: akzessorische Klagen, Art. 32: Garantieklagen, Art. 33: Streitgenossenschaft, Art. 34: präjudizielle Klagen, Art. 35: Aufrechnung und Art. 36: Widerklagen), der aber allgemein als nicht abschließend angesehen wird. Für Klagen, die aufgrund ihrer Konnexität von vornherein vor einem Gericht hätten erhoben werden können, regelt Art. 40 c.p.c. die nachträgliche Koordinierung durch die angerufenen Gerichte für den Fall, daß die Parteien die Klagen trotz des Zusanunenhangs getrennt erhoben haben.

b) Der Begriff der Konnexität aa) Die Konnexität im eigentlichen Sinne Art. 40 c.p.c. enthält keine Definition der Konnexität, sondern bezieht sich diesbezüglich nach ganz herrschender Meinung auf die Regelung in Art. 31 ff. c.p.c,?8 Der Tatbestand der Konnexität ergibt sich im italienischen Recht aus Sondervorschriften. Eine allgemeine Bestimmung des Konnexitätsbegriffs ist über die Spezialfälle der Art. 31 ff. hinaus jedoch aus Art. 33 c.p.c. entwickelt worden. Nach dieser Vorschrift liegt Konnexität im Fall der Streitgenossenschaft auf Beklagtenseite vor, wenn Klageziel ("oggetto") oder 77 Deutsche Übersetzung nach BaurlKönigfZanon, Italienische Zivilprozeßordnung, Zweisprachige Ausgabe, Bozen 1982: "Wenn vor verschiedenen Gerichten mehrere Klagen erhoben worden sind, die wegen ihres Zusammenhangs in einem einzigen Verfahren entschieden werden können, setzt das Gericht mit Urteil den Parteien eine Ausschlußfrist zur Aufnahme der Nebenstreitigkeit vor dem Gericht der Hauptsache und in den übrigen Fällen zur Aufnahme vor dem zuerst angerufenen Gericht fest ... 78 CarpilColesantilTaruffo, Art. 40 c.p.c. Anm. I 2; Cass. (it.) 08.09.1986, Nr. 5494; 05.06.1984, Nr. 3397.

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§ 3 Rechtsvergleichende Untersuchung des Begriffs der Konnexität

Klagegrund ("titolo") übereinstimmen. Nach allgemeiner Meinung in Italien ist diese Regelung auszudehnen auf mehrere Klagen zwischen denselben Parteien, da die Anforderungen hierfür nicht höher angesetzt werden können, als im Verhältnis zwischen verschiedenen Parteien.19 Diese Art der Konnexität, die "connessione per I' oggetto 0 per il titolo", wird "connessione propria" (Konnexität im eigentlichen Sinne) genannt. Da alle Fälle der Art. 31-36 c.p.c. als Minimum eine Übereinstimmung von Klagebegehren oder Klagegrund voraussetzen, handelt es sich nicht um selbständige Konnexitätstatbestände, sondern um eine Reihe von Spezialfällen der connessione propria. 80 Die Orientierung des Konnexitätsbegriffs an den Klageelementen geht auf Pescatore81 zurück, nach dessen Auffassung die Konnexität nicht frei vom Richter beurteilt werden darf, sondern das Vorliegen fest bestimmter Kriterien voraussetzt. Der aus Art. 33 c.p.c. entwickelte allgemeine Konnexitätsbegriff geht von der Identität des Klagebegehrens oder der tatsächlichen82 Grundlage aus. Die Identität wird aber großzügig beurteilt. So wird Identität der Klagebegehren auch angenommen, wenn einzelne Randelemente verschieden sind,s3 Für die "connessione causale" genügt bereits die Identität eines der wesentlichen tatsächlichen Elemente, die zusammen die Grundlage des Anspruchs bilden. 84. Dagegen genügt nicht, daß die Entscheidung beider Klagen von der Lösung derselben Frage abhängt85 , ebensowenig wie die bloße Opportunität der Verbindung. Eine auf die Parteien der verschiedenen Verfahren bezogene Voraussetzung wird in Italien für das Vorliegen von Konnexität zumeist nicht aufgestellt. Franchi ist allerdings der Ansicht, daß "connessione propria" die Gemeinsamkeit zumindest einer Partei voraussetze. Allerdings seien hiervon Aus79 Conforti, Riv. dir. int. 1958, 262, 263; Gionfrida, Riv. trim. dir. proc. civ. 1960,130,132 f.; ders., La competenza, Nr. 71, S. 384 f.; Morelli, S. 124 ff. 80 La China, Riv. dir. proc. 43 (1988), 344, 352. Sie werden als Fälle qualifizierter Konnexität eingeordnet, Gionfrida, Riv. trim. dir. proc. civ. 1960, 130. 81 Pescatore, Sposizione compendiosa della procedura civile e criminale, I, 1, Procedura civile, Torino 1864, S. 168 ff.; ihm ist ein großer Teil der italienischen Lehre gefolgt, vgl. Tarzia, Riv. trim. dir. proc. civ. 1988,397,399. 82 Gionfrida, La competenza, S. 413; Conforti, Riv. dir. int. 1958, 262, 266 ff.; Carnelutti, Istituzioni I, S. 15. 83 Cass. (it.) 14.11.1981, Riv. dir. int. priv. proc. 1982,821,828; nach Ansicht von Gionfrida, Riv. trim. dir. proc. civ. 1960, 130, 133, genügt, daß entweder das unmittelbare oder das mittelbare Begehren übereinstimmt; a.A. Conforti, Riv. dir. int. 1958,262, 264: beide Aspekte müßten sich decken. Satta/Punzi, Nr. 22, meinen, es reiche die teilweise Übereinstimmung des begehrten Gutes ("oggetto mediato"). Zu den Begriffen des unmittelbaren und des mittelbaren Petitums siehe unten § 4 IV 3 c aa. 84 Gionfrida, Riv. trim. dir. proc. civ. 1960, 130, 133. 85 Cass. (it.) 13.12.1951, Nr. 2819.

I. Der Begriff der Konnexität im nationalen Recht

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nahmen möglich, so z.B. bei gemeinsamer Berechtigung und Verpflichtung mehrerer Personen, von denen jeweils verschiedene gegeneinander klagen. 86 Es ist daher davon auszugehen, daß es nur auf die objektive Voraussetzung der Übereinstimmung von Causa oder Petitum ankommt. Dann liegt zwar in der Regel auch Identität einer Partei vor, jedoch ist dies keine zwingende Voraussetzung der Konnexität.

bb) Die Konnexität im weiteren Sinne Neben der "connessione propria" gibt es im italienischen Codice di procedura civile schwächere Konnexitätsformen. So läßt Art. 103 Abs. 1, 2. Alt. für die Zulässigkeit der einfachen Streitgenossenschaft bereits genügen, daß beide Entscheidungen von identischen Fragen abhängen 87 . Diese sog. "connessione impropria" genügt weiterhin für die Verbindung von Klagen, die vor demselben Gericht schweben (Art. 274 ital. c.p.c. 88 ). Für die "Konnexität im weiteren Sinne" reicht aus, daß die Entscheidung beider Klagen ganz oder zum Teil von derselben rechtlichen oder tatsächlichen Frage abhängt. 89 Identität von Causa oder Petitum ist nicht erforderlich. Es genügt sogar, daß sich dieselbe Frage in bezug auf nur ähnliche Rechtsverhältnisse bzw. Tatsachen stellt, z.B. auf mehrere inhaltlich identische Verträge ("ex similibus").90

cc) Bestimmung der für Art. 22 relevanten Konnexitätsform Da das italienische Zivilprozeßrecht verschiedene Grade des Zusammenhangs zwischen Klagen verwendet, muß geklärt werden, welcher davon im Rahmen der rechtsvergleichenden Auslegung des Art. 22 heranzuziehen ist. Hierfür ist von der jeweiligen Wirkung der Konnexität auszugehen: Es muß 86 Allorio/Franchi, Art. 40 c.p.c. Nr. I, S. 420. 87 Art. 103 Abs. 1, 2. Alt. c.p.c.: " ... quando la decisione dipende, totalmente 0 parzialmente, dalla risoluzione di identiche questioni". 88 Art. 274 Abs. 1 c.p.c. lautet: "Se piu procedimenti relativ i a cause connesse pendono davanti allo stesso giudice, questi, anche d'ufficio,puo disporne la riunione." Daß hier "connessione impropria" genügt, ergibt sich zwar nicht unmittelbar aus dem Wortlaut der Vorschrift, ist aber allgemein anerkannt, vgl. Carpil Colesantiffarujfo, Art. 274 c.p.c. Anm. 2; Balbi, S. 465. 89 Gionjrida, Riv. trim. dir. proc. civ. 1960, 130, 131; Mandrioli I, § 30, S. 159

Fn.5. 90 Allorio/Franchi, Art. 40 c.p.c. Nr. 1, S. 420 f.

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§ 3 Rechtsvergleichende Untersuchung des Begriffs der Konnexität

bestimmt werden, welcher der italienischen Konnexitätsbegriffe von seinen Wirkungen der Regelung in Art. 22 am nächsten kommt. Art. 40 c.p.c. regelt ähnlich wie Art. 22 die Möglichkeit der nachträglichen Prozeßverbindung für den Fall, daß konnexe Klagen vor verschiedenen Gerichten erhoben worden sind. Es besteht Einigkeit darüber, daß sich Art. 40 c.p.c. hinsichtlich des Konnexitätsbegriffes auf die Art. 31 ff. c.p.c. bezieht, nicht auch auf Art. 103 Abs. 1,2. Alt. und 274 c.p.c. 91 Die Verbindung von Klagen, die vor verschiedenen Gerichten anhängig sind, setzt also "connessione propria" voraus. Die "connessione impropria" ermöglicht dagegen die nachträgliche Verbindung von Klagen lediglich für den Fall, daß diese bereits vor demselben Gericht anhängig sind. Es liegt daher nahe anzunehmen, der dem Art.22 entsprechende Konnexitätsbegriff des italienischen Rechts sei die "connessione propria". Bei näherer Betrachtung ergibt sich allerdings ein bedeutsamer Unterschied zwischen der Regelung des Art. 22 und der des Art. 40 c.p.c.: Für eine Unzuständigerklärung setzt Art. 22 Abs. 2 zusätzlich die Zuständigkeit des einen Gerichts für beide Klagen voraus, während dies für eine Verbindung nach Art. 40 c.p.c. nicht erforderlich ist. Gemäß Art. 40 c.p.c. kann eine Klage auch an ein Gericht abgegeben werden, das für diese Klage keine originäre Zuständigkeit besitzt, sondern nur dafür zuständig ist, weil es bereits mit einer konnexen Klage befaßt ist. Art. 40 c.p.c. wirkt sich somit, in Verbindung mit Art. 31 ff., auf die örtliche92 Zuständigkeit für eine der Klagen aus. 93 Aus diesem Grunde werden recht strenge Anforderungen an die hier erforderliche Konnexität gestellt. Die "connessione impropria" hat im Gegensatz zur "connessione propria" keine Auswirkung auf die Zuständigkeit. 94 Auch sie stimmt aber in ihren Wirkungen mit denen des Art. 22 nicht überein. Denn nach wohl überwiegender Meinung im italienischen Recht ist eine nachträgliche Klagenverbindung gemäß Art. 40 c.p.c. bei bloßer "connessione impropria" nicht möglich, selbst wenn dies keine Auswirkung auf die Zuständigkeit der Gerichte hätte, etwa weil das Gericht, bei dem die Verbindung stattfinden sollte, schon nach allgemeinen Regeln für beide Klagen zuständig ist. 95 Dies ist dagegen bei Art. 22 möglich. 91 Vgl. CarpilColesantirrarujfo, Art. 40 c.p.c. Anm. 12. 92 Zum Teil auch die sachliche Zuständigkeit. 93 SattalPunzi, Nr. 26; De Petris, va Connessione, Nr. 1; Gionfrida, Riv. trim. dir. proc. civ. 1960, 130, 134; Balbi, S. 458 und 464. 94 SattalPunzi, Nr. 26; De Petris, va Connessione, Nr. I; Gionfrida, Riv. trim. dir. proc. civ. 1960, 130, 131 f.; Balbi, S. 458. 95" Franchi, in: Allorio, Art. 40 c.p.c. Nr. I, S. 420, geht allerdings davon aus, daß die Einrede der Konnexität auch durch bloße connessione impropria begründet werden kann, wenn das Gericht für beide Verfahren zuständig ist.

I. Der Begriff der Konnexität im nationalen Recht

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Die Konnexität des Art. 22 deckt sich also in ihren Wirkungen mit keiner der beiden italienischen Konnexitätsformen, steht jedoch der in Art. 40 c.p.c. verwendeten näher. 96 Für die Auslegung des europäischen Konnexitätsbegriffs ist daher von dem italienischen Begriff der "connessione propria" auszugehen. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, daß die besonders enge Auslegung dieses Begriffs auf der zuständigkeits beeinflussenden Wirkung des Instituts beruht.

4. Spanien a) Wirkung der Konnexität im spanischen Zivilprozeßrecht Auch im spanischen Recht ermöglicht das Vorliegen von Konnexität ("conexion" bzw. "conexidad") zwischen mehreren Zivilprozessen deren Verbindung in einem Verfahren ("acumulacion"). Miteinander zusammenhängende Klagen können sowohl von vornherein entgegen der allgemeinen örtlichen Zuständigkeit für eine davon gemeinsam vor einem Gericht erhoben werden ("acumulacion de acciones", Art. 153 ff. Ley de Enjuiciamiento Civil) als auch nachträglich miteinander verbunden werden ("acumulacion de autos", Art. 160 ff. LEC). Auch wenn es nicht ausdrücklich geregelt ist, besteht doch Einigkeit darüber, daß die Konnexität einen allgemeinen Zuständigkeitsgrund darstellt. 97

b) Der Begriff der Konnexität Das spanische Zivilprozeßrecht enthält in Art. 161 und 162 LEC eine abschließende Aufzählung der Konstellationen, in denen Konnexität anzunehmen ist und infolgedessen eine Verbindung von getrennt erhobenen Klagen auf Antrag einer Partei (Art. 160 LEC) erfolgen muß.98 In Art. 161 LEC sind die Fälle sog. qualifizierter Konnexität99 aufgezählt, nämlich Präjudizialität (Nr. 1), Litispendenz (Nr. 2) und sog. universelle Verfahren, das sind Konkurs- und Erbauseinandersetzungsverfahren (Nr. 3

96 Der Pretore di Parma kam in der Entscheidung vom 17.06.1980, Riv. dir. int.

proc. 1982, 86, dagegen zu dem Ergebnis, für Art. 22 sei, jedenfalls für dessen 1, auf "connessione impropria" abzustellen. Tribunal supremo 25.0l.1982; Guasp, S. 136. Manresa y Navarro, Art. 161 und 162 LEe Anm. I. 99 Vgl. Guasp, S. 254.

priv. Abs. 97 98

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§ 3 Rechtsvergleichende Untersuchung des Begriffs der Konnexität

und 4) .100 Darüber hinaus ist für das Vorliegen von Konnexität gemäß Art. 161 Nr. 5 i. V .m. Art. 162 LEC IOI die Gemeinsamkeit einzelner Klage100 Art. 161 LEC: "Las causas por que [Ja acumulaci6n] debera decretarse son: 1 Cuando la sentencia que haya de dictarse en uno de los pleitos cuya acumulaci6n se pida, produzca excepci6n de cosa juzgada en el otro. 2 Cuando en Juzgado competente haya pendiente pleito sobre 10 mismo que sea objeto dei que despues se haya promovido. 3 0 Cuando haya un juicio de concurso 0 de quiebra, al que se halle sujeto el caudal contra el que se haya formulado 0 formule cualquier demanda. 4 Cuando haya un juicio de testamentarfa 0 de ab-intestato al que se halle sujeto el caudal contra el que se haya formulado 0 se formule una acci6n de las decIaradas acumulables a estos juicios. 50 Cuando de seguirse separadamente los pleitos, se divida la continencia de la causa." Art. 161 lautet (in Übersetzung der Verfasserin): "Sie [die Prozeßverbindung] ist bei Vorliegen eines der folgenden Gründe anzuordnen: 1. wenn die Entscheidung einer der Streitsachen, deren Verbindung beantragt wird, Rechtskraft im anderen Verfahren wirkt, 2. wenn bereits vor einem zuständigen Gericht ein Verfahren über denselben Gegenstand anhängig ist, 3. wenn ein Konkursverfahren über eine Vermögensmasse anhängig ist, gegen die irgendeine andere Klage bereits anhängig ist oder später erhoben wird, 4. wenn ein Erbauseinandersetzungsverfahren über eine Vermögensmasse anhängig ist, gegen die eine Klage bereits anhängig ist oder später erhoben wird, die damit verbunden werden kann, 5. wenn bei getrennter Verhandlung der Streitsachen die Einheit des Verfahrens gespalten würde." 101 Art. 162 LEC: " Se entiende dividirse la continencia de la causa, para los efectos de la disposici6n que contiene el parrafo ultimo dei articulo anterior: 1 0 Cuando haya entre los dos pleitos identidad de personas, cosas y acci6n. 2 0 Cuando haya identidad de personas y cosas, aun cuando la acci6n sea diversa. 3 Cuando haya identidad de personas y acciones, aun cuando las cosas sean distintas. 4 Cuando las acciones provengan de una misma causa, aunque se den contra muchos y haya, por consiguiente, diversidad de personas. 50 Cuando las acciones provengan de una misma causa, aunque sean diversas las personas y las cosas. 6 0 Cuando haya identidad de acciones y de cosas, aunque las personas sean distintas. " Auf deutsch lautet Art. 162: "Eine Spaltung der Einheit des Verfahrens i.S.d. letzten Nummer der vorhergehenden Vorschrift liegt vor: 1. wenn Personen, Gegenstand und Anspruchsgrund beider Verfahren identisch sind, 2. wenn Personen und Gegenstand identisch sind, auch wenn die Anspruchsgründe verschieden sind, 3. wenn Personen und Anspruchsgründe identisch sind, auch wenn die Gegenstände verschieden sind, 4. wenn die Ansprüche dieselbe Grundlage haben, auch wenn sie gegen verschiedene Personen gerichtet sind, 5. wenn die Ansprüche dieselbe Grundlage haben, auch wenn die Personen und die Gegenstände nicht übereinstimmen, 6. wenn Anspruchsgrund und Gegenstand übereinstimmen, auch wenn die Personen verschieden sind." 0

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elemente ausreichend ("conexi6n simple")102. Sind alle drei ("personas" , "cosas" und "causa" bzw. "acci6n"103) identisch (Art. 162 Nr. 1)104 oder auch nur zwei davon (Art. 162 Nr. 2, 3 und 6), so ist Konnexität immer gegeben. Weiterhin genügt die bloße Übereinstimmung der jeweiligen Causa petendi (Art. 162 Nr. 4 und 5). Aus der detaillierten gesetzlichen Aufzählung läßt sich entnehmen, daß Konnexität die Übereinstimmung mindestens eines der drei Klageelemente in den verschiedenen Klagen voraussetzt, wobei die Identität nur der Parteien oder nur des Petitum nicht ohne weiteres ausreicht. "La misma causa" liegt vor, wenn die tatsächliche Grundlage der Klagen übereinstimmtlOS, "eI mismo objeto (=cosa)" bei Einheit des Klagebegehrens.1°6 Der Konnexitätsbegriff im spanischen Recht ist damit noch enger an der Übereinstimmung von Klageelementen orientiert als der italienische und demnach deutlich restriktiver als der französische und belgische Begriff. Es handelt sich bei der Verbindung konnexer Klagen um eine Zuständigkeitsfrage, die in ihren Voraussetzungen genau umschrieben und der freien Beurteilung durch den Richter entzogen ist. Jedoch tendiert auch die spanische Rechtsprechung zu einer erweiternden Auslegung der Klageelemente, um möglichst alle Fälle zu erfassen, in denen widersprechende Entscheidungen drohen. 107

5. Englisches Recht Das englische Recht kennt den Begriff der Konnexität ("related actions") als Voraussetzung für eine Verbindung von Klagen nicht. Dennoch ist die Verbindung zusammenhängender Klagen in vielen Fällen möglich. Mehrere Klagen, die vor derselben Kammer des High Court oder vor demselben 102 Vgl. Guasp, S. 253. 103 Überwiegend werden die Begriffe "causa" und "acci6n" in diesem Zusammenhang als Synomyme angesehen, vgl. Ramos Mendez, S.414; Guasp, S. 253; dagegen bezeichnet nach Ansicht von Manresa y Navarro, zu Art. 161 und 162 LEe, Anm. 11, der Begriff "acci6n" - wie im Aktionensystem des römischen Rechts - eine bestimmte KJagegruppe, so z.B. actio in rem, actio negatoria. Kritisch zu der verwirrenden Begrifflichkeit Prieto-Castro Ferrandiz I, S. 358. 104 Hierin liegt eine überflüssige Verdoppelung, da dies der Situation der Litispendenz entspricht, die bereits in Art. 161 Nr. 2 enthalten ist, vgl. Sdnchez-Sdnchez, zu Art. 162 LEe. 105 Vdzquez Iruzubieta, zu Art. 156 LEe; Sdnchez-Sdnchez, zu Art. 162 LEe: "fundamento de hecho"; Ramos Mendez I, S. 413 ff. Dies ist in der spanischen Lehre nach wie vor umstritten, vgl. Ramos Mendez, S. 415. 106 Ramos Mendez I, S. 435 f.: "la exigencia juridica de la parte". 107 Tribunal supremo 12.06.1985.

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§ 3 Rechtsvergleichende Untersuchung des Begriffs der Konnexität

County Court anhängig sind, können verbunden werden, wenn (a) "there is some common question of law or fact in each of them", (b) "the rights to relief claimed in each arose out of the same trans action or series of transactions" oder (c) "consolidation ist desirable for some other reason" (R.S.C. order 4, r. 9 bzw. C.C.R. order 13, r. 9, 1108). Auch miteinander zusammenhängende Klagen, die vor verschiedenen Gerichten anhängig gemacht worden sind, können koordiniert werden. Dies geschieht aber nicht aufgrund eines Rechtsinstituts der Konnexität, sondern aufgrund allgemeiner Ennessensbefugnisse der Gerichte zur Verweisung von Klagen an ein besser zur Sachentscheidung geeignetes Gericht. 109 Nach der Doktrin vom "forum non conveniens" 110 kann ein englisches Gericht eine Sachentscheidung ablehnen, wenn das Gericht eines anderen Gerichtsgebietes oder Staates mit einer identischen oder ähnlichen Klage ("the same or similar cause of action") befaßt ist. Für den Erlaß eines "stay" ist dann aber nicht ein bestimmter Grad von Interdependenz zwischen den Klagen erforderlich, entscheidend ist vielmehr die Eignung des einen und des anderen Gerichts, über die konkrete Klage zu entscheiden. 111 Die Eignung der in Betracht kommenden Gerichte richtet sich zum einen nach dem Grad der Beziehung des Rechtsstreits zu dem jeweiligen Gerichtsgebiet; hierbei kommt der Sach- und Beweisnähe der in Betracht kommenden Gerichte ein besonders hoher Stellenwert zu 112, weiterhin dem Wohnsitz der Parteien und dem anwendbaren Recht. 113 Zum anderen wird eine umfassende Interessenabwägung vorgenommen. 114 Neben dem Grad der Beziehung der Klagen zueinander werden insbesondere die Parteirollen berücksichtigt. Einbezogen werden weiterhin die Interessen der Parteien an mehrfacher Prozeßführung, das Stadium, bis zu dem die Verfahren jeweils fortgeschritten sind 115 , die Kosten, Verzögerungen und Unannehmlichkeiten, die eine Aussetzung des jeweiligen Verfahrens nach sich ziehen würde 116 , die

108 Vgl. O'Hare/Hill, S. 120 f. 109 Vgl. z.B. (für das Verhältnis zwischen verschiedenen County courts) C.C.R. order 16, r. I, siehe unten § 5 IV 3 c ce. 110 Siehe oben § 1 IV 1 c. 111 Sind beide Gerichte gleich geeignet ("balance of convenience"), wird das englische Verfahren weitergeführt, vgl. The Coral Isis [1986] 1 Lloyd's Rep. 413, 417 (Q.B.). 112 Schack, IZVR, Rdnr. 497. 113 Vgl. Huber, S. 91 ff. 114 Huber, RIW 1993, 977, 978. 115 Cleveland Museum of Art/Capricorn Art Int. S.A. [1990] 2 Lloyd's Rep. 166, 173 (Q.B.); vgl. auch Huber, S. 100; Beaumont, S. 207, 215. 116The Coral Isis [1986] 1 Lloyd's Rep. 413, 417 (Q.B.); Cleveland Museum of Art/Capricorn Art Int. S.A. [1990] 2 Lloyd's Rep. 166, 173 (Q.B.); vgl. auch Huber, S. 101.

1. Der Begriff der Konnexität im nationalen Recht

77

Erreichbarkeit von Beweisen 117 sowie die Vollstreckungsmöglichkeiten. 118 Im autonomen englischen Recht bestand daher kein Anlaß einen Begriff der "related actions" herauszubilden oder Fallgruppen hierzu zu entwickeln. Eine Auseinandersetzung mit diesem Begriff hat erst mit der Geltung des Art. 22 in Großbritannien begonnen.

6. Deutsches Recht Da das deutsche Recht ein dem Art. 22 entsprechendes Rechtsinstitut nicht kennt, ist für die rechtsvergleichende Auslegung des Art. 22 dem Begriff der Konnexität, wie er im deutschen Recht in bezug auf andere Institute entwickelt worden ist, keine so große Relevanz beizumessen wie den Konnexitätsbegriffen der romanischen Rechtsordnungen. Das Kriterium des Zusammenhangs wird explizit in den §§ 33, 147 ZPO, 2 Abs. 3 ArbGG und 88 GWB als Voraussetzung für eine Zuständigkeits verschiebung bzw. Klagenverbindung verwendet. § 147 ZPO ermöglicht die Verbindung zusammenhängender Klagen, die vor demselben Gericht schweben. Die anderen Normen stellen spezielle Zuständigkeiten kraft Sachzusammenhangs dar.l 19 Anhand dieser Vorschriften sind in der deutschen Rechtsprechung und Lehre Kriterien für einen Zusammenhangsbegriff entwickelt worden, dessen Funktion der des Art. 22 immerhin ähnelt. In den genannten Normen werden zwei verschiedene Konnexitätsbegriffe verwendet. Während die in der ZPO enthaltenen Normen einen rechtlichen Zusammenhang voraussetzen 120 , wird in § 2 Abs. 3 ArbGG und § 88 GWB auf einen rechtlichen oder unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang abgestellt.

117 The Coral Isis [1986] 1 L1oyd's Rep. 413, 417 (Q.B.): Relevant ist insbesondere, welche Sprache die Zeugen sprechen. 118 Vgl. näher zu den abwägungserheblichen Faktoren und den diesbezüglich bestehenden Unklarheiten Huber, S. 91 ff. 119 Die Rspr. sieht in § 33 auch eine besondere Zulässigkeitsvoraussetzung für die Widerklage, vgl. BGHZ 40, 185, 187; im Schrifttum wird die Norm dagegen überwiegend nur als Regelung für eine etwa fehlende örtliche Zuständigkeit betrachtet, Jauernig, § 4611; ZöllerlVollkommer, § 33 ZPO Rdnr. 1; SteinlJonaslSchumann, § 33 ZPO Rdnr. 6; Baumbach/LauterbachIHartmann, § 33 ZPO Rdnr. l. 120 Ausdrücklich in §§ 147, 145 Abs. 2 und 3,302 ZPO; entsprechend die h.M. zu § 33 ZPO, RGZ 11, 423; ZöllerlVollkommer, § 33 ZPO Rdnr. 15; Baumbachl LauterbachlHartmann, § 33 ZPO Rdnr. 8; SteinlJonaslSchumann, § 33 ZPO Rdnr. 17; Jauernig, § 46 11; a.A. ArenslW. Lüke, Rdnr. 237; Heinsheimer, ZZP 38 (1909), 1, 25 ff.; RosenberglSchwablGottwald, § 98 11 2 c.

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§ 3 Rechtsvergleichende Untersuchung des Begriffs der Konnexität

Ein rechtlicher Zusammenhang ist nach h.M. gegeben, wenn die Ansprüche als Rechtsfolge aus demselben Tatbestand abgeleitet werden oder demselben Rechtsverhältnis entspringen. Ausreichend ist auch, wenn ein Bedingungsverhältnis zwischen Rechtsfolgen aus verschiedenen Tatbeständen besteht oder die jeweiligen Rechtsfolgen sich gegenseitig ausschließen. l2l Obwohl nach wie vor ganz überwiegend der Begriff des rechtlichen Zusammenhangs verwendet wird, besteht heute Einigkeit darüber, daß es auf die rechtliche Einordnung der Ansprüche nicht ankommt. Identität des Tatbestandes liegt nämlich bereits vor, wenn beiden Klagen derselbe Sachverhalt zugrundeliegt. 122 Es genügt sogar, wenn die Ansprüche zwar verschiedenen Rechtsverhältnissen oder verschiedenen Sachverhalten entspringen, diese aber nach ihrem Zweck und nach der Verkehrsanschauung wirtschaftlich als ein Ganzes, als ein innerlich zusammengehörendes Lebensverhältnis erscheinen. 123 Ein nur tatsächlicher Zusammenhang im Sinne eines zufalligen Zusammentreffens bzw. der Identität irgendwelcher Bestandteile des rechtsbegründenden Tatbestands reicht dagegen nicht aus. 124 Inwiefern der Begriff des unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhangs über den des rechtlichen Zusammenhangs hinausgeht, ist nicht geklärt. Die Einbeziehung des wirtschaftlichen Zusammenhangs neben dem rechtlichen Zusammenhang bedeutet zunächst, daß der Begriff weiter gefaßt werden so11. 125 Durch das Unmittelbarkeitserfordernis wird er jedoch wieder eingeschränkt. Wann ein wirtschaftlicher Zusammenhang "unmittelbar" ist, entzieht sich einer allgemeingültigen Umschreibung. 126 Manche nehmen an, die Ausdehnung auf den unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang sei überflüssig, da die Rechtsprechung schon beim Begriff des rechtlichen Zusammenhangs die wirtschaftliche Zusammengehörigkeit berücksichtige. 127 Nach anderer Auffassung kann auf das für den rechtlichen Zusammenhang verwendete einschränkende Kriterium des "innerlich zusammengehörigen Lebensverhältnisses" verzichtet werden; es genüge, daß verschiedene Sachverhalte bzw. Rechtsverhältnisse wirtschaftlich als ein Ganzes erscheinen. 128 Jedenfalls

121 BGH LM § 302 ZPO Nr. 1; Stein/Jonas/Schumann, § 33 ZPO Rdnr. 18. 122 Fischer, ZZP 49 (1925), 345 ff., lehnt daher den Begriff des rechtlichen Zusammenhangs ab. 123 BGHLM § 302 ZPO Nr. l. 124 Stein/Jonas/Schumann, § 33 ZPO Rdnr. 17. 125 Für eine großzügige Handhabung im Interesse einer gemeinsamen Entscheidung von zusammengehörenden Komplexen Grunsky, § 2 ArbGG Rdnr. 143; Germelmann/Matthes/Prütting, § 2 ArbGG Rdnr. 119; Kissel, § 13 GVG Rdnr. 17l. 126 Grunsky, § 2 ArbGG Rdnr. 143; Kissel, § 13 GVG Rdnr. 17l. 127 Immenga/Mestmäcker/K. Schmidt, § 88 GWB Rdnr. 8. 128 V. Renthe gen. Fink, GemKomm, § 88 GWB Rdnr. 15.

I. Der Begriff der Konnexität im nationalen Recht

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reicht ein rein zeitlicher, nur zufälliger Zusammenhang nicht aus. 129 Kriterium für die zuständigkeitsbegründende Konnexität im deutschen Zivilprozeßrecht ist demnach eine als Einheit erscheinende tatsächliche Grundlage beider Klagen. Der Begriff des "rechtlichen" in Abgrenzung zum bloß "tatsächlichen" Zusammenhang (i.S.e. bloß zufälligen Zusammentreffens), der nicht ausreiche, ist eher irreführend als klärend. Ursprünglich sollte damit wohl auf eine bestimmte rechtliche Beurteilung abgestellt werden 130 , was in der von der h.M. verwendeten Definition noch erkennbar ist ("dasselbe Rechtsverhältnis" , "Bedingungsverhältnis zwischen Tatbeständen"). Versteht man unter einem tatsächlichen Zusammenhang einen solchen, der rein zufällig ist bzw. auf der Identität irgendwelcher tatsächlicher Elemente beruht, so impliziert diese Definition, daß dies nicht genügt, ohne jedoch Klarheit darüber zu verschaffen, wann von einer einheitlichen Tatsachengrundlage ausgegangen werden kann. Eine vollständige Übereinstimmung kann jedenfalls nicht verlangt werden. Es muß wohl eine wesentliche tatsächliche Überschneidung zwischen den Klagen genügen. 131 Identität der Parteien ist nicht erforderlich, entscheidend ist allein der (objektive) Zusammenhang. 132 Jedoch verlangen manche, daß die Parteien zumindest teilweise übereinstimmen. 133 Klagen, die vor demselben Gericht anhängig sind, können gemäß § 147 ZPO nicht nur dann zu einem Verfahren verbunden werden, wenn ein rechtlicher Zusammenhang zwischen ihnen besteht, sondern darüber hinaus auch, wenn die Voraussetzungen für die Geltendmachung mehrerer Ansprüche in einer Klage vorliegen (§§ 59 ff., 260 ZPO). Es genügt also bereits die Identität des Beklagten (§ 260 ZPO) oder das Vorliegen der Voraussetzungen einfacher Streitgenossenschaft (§§ 59, 60 ZP0134). Eine Verbindung von bei demselben Gericht anhängigen Klagen ist also nach deutschem Recht - ähnlich wie in Italien (vgl. den Begriff der "connessione impropria") - auch dann möglich, wenn die Ansprüche nicht auf identischen, sondern auf nur im we129 Grunsky, § 2 ArbGG Rdnr. 143; Germelmann/Matthes/Prütting, § 2 ArbGG

Rdnr.119.

130 Fischer, ZZP 49 (1925), 345 ff.; dies hing mit dem System der "actio" zusammen. 131 So auch W. Lüke, Beteiligung Dritter, S. 290; Heinsheimer, ZZP 38 (1909), I, 35. 132 Grunsky, § 2 ArbGG Rdnr. 137; Kissel, § 13 GVG Rdnr. 170. 133 Germelmann/Matthes/Prütting, § 2 ArbGG Rdnr. 128: Identität einer Partei erforderlich; ebenso Kissel, § 13 GVG Rdnr. 170; a.A. Grunsky, § 2 ArbGG Rdnr.137. 134 Die in den §§ 59 und 60 ZPO enthaltene Unterscheidung zwischen einzelnen Fallgruppen der einfachen Streitgenossenschaft ist ohne praktische Bedeutung, Stein/Jonas/Bork, § 59 ZPO Rdnr. 2; W. Lüke, Beteiligung Dritter, S. 254.

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§ 3 Rechtsvergleichende Untersuchung des Begriffs der Konnexität

sentlichen gleichartigen (tatsächlichen und rechtlichen 135) Gründen beruhen (§ 60 ZPO), z.B. Ansprüche aus inhaltsgleichen Verträgen oder Ansprüche mehrerer durch dieselbe unerlaubte Handlung Verletzter. Dieser für § 147 ZPO vorausgesetzte Zusammenhang ist an sich etwas enger gefaßt als der italienische Begriff der "connessione impropria", für den die Übereinstimmung irgendeiner Rechts- oder Sachfrage genügt. Die Voraussetzungen der Streitgenossenschaft und der Klagenverbindung werden aber im deutschen Recht überwiegend weit ausgelegt und hierbei das Ziel der Prozeßökonomie einbezogen. 136 Eine Verbindung von Klagen, die vor demselben Gericht anhängig sind, ist danach praktisch immer möglich, wenn eine gemeinsame Verhandlung aus prozeßökonomischen Gründen zweckmäßig erscheint. Dies ist der Fall, wenn sich Sachverhaltsermittlung und rechtliche Problematik in bei den Verfahren überschneiden, aber auch schon dann, wenn derselbe Sachverhalt für beide Prozesse ganz oder teilweise entscheidungserheblich ist. 137 Parteiidentität ist nicht erforderlich; es können sogar alle Parteien verschieden sein. 138 Der Konnexitätsbegriff des § 147 ZPO ist demnach erheblich weiter als der in den Zuständigkeitsregeln verwendete Begriff.

11. Rechtsprechung der vertragsstaatlichen Gerichte zum Begriff des Zusammenhangs in Art. 22

In der bisherigen Praxis der vertragsstaatlichen Gerichte gibt es nur wenige Entscheidungen, die zur Klärung des Begriffs der Konnexität beitragen. Einige Entscheidungen betreffen Konstellationen, in denen das Vorliegen bzw. Nichtvorliegen von Konnexität klar auf der Hand liegt. So wurde Konnexität bejaht in Fällen, in denen verschiedene Klagen auf demselben Vertrag 135 MünchKomm-Schilken, § 60 ZPO Rdnr.2; SteinllonaslBork, § 60 ZPO Rdnr. 4. Zum Teil wird falschlich auf die Gleichartigkeit der rechtlichen oder tatsächlichen Grundlage abgestellt, so z.B. ThomaslPutzo, §§ 59, 60 ZPO Rdnr. 4; Spellenberg, ZVglRWiss 79 (1980), 89, 126; Wieczorek, § 147 ZPO Anm. B III a. 136 W. Lüke, Beteiligung Dritter, S. 255; nach h.M. genügt bloße Zweckmäßigkeit der Streitgenossenschaft, SteinllonaslBork, § 59 ZPO Rdnr. 2; ThomaslPutzo, §§ 59, 60 ZPO Rdnr. 1; a.A. MünchKomm-Schilken, § 60 ZPO Rdnr. 3, jedoch nur in bezu-f auf die Streitgenossenschaft, nicht auch für § 147 ZPO. 13 SteinlJonaslLeipold, § 147 ZPO Rdnr. 1; MünchKomm-Peters, § 147 ZPO Rdnr. 1; AK-ZPO-Göring, § 147 ZPO Rdnr. 1. 138 W. Lüke, Beteiligung Dritter, S. 400; a.A. Wieczorek, § 147 ZPO Anm. B II a. Für die Streitgenossenschaft verlangt die Rechtsprechung allerdings zumindest einen gemeinsamen Gegner, BGB NJW 1992,981.

n. Rechtsprechung der vertragsstaatlichen Gerichte zu Art. 22

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beruhten. 139 Demgegenüber wurde mehrfach entschieden, daß keine Konnexität i.S.d. Art. 22 zwischen einem Eilverfahren und dem Hauptsacheverfahren vorliege, da zwischen den beiden keine widersprechenden Entscheidungen möglich seien. 140 Das erscheint ohne weiteres zutreffend; denn die Eilentscheidung wirkt sich auf die Entscheidung der Hauptsache nicht aus. Die französischen und belgisehen Gerichte haben bei der Anwendung des Art. 22 weitgehend ihren nationalen Konnexitätsbegriff zugrundegelegt. So ist auch für den europäischen Konnexitätsbegriff angenommen worden, daß die Entscheidung über das Vorliegen von Konnexität der freien Beurteilung durch den Tatrichter überlassen bleibe. 141 In manchen Entscheidungen wurde der Konnexitätsbegriff in Art. 22 jedoch enger gefaßt als im innerstaatlichen Bereich. So hat die Cour d'appel de Bastia Konnexität i.S.d. Art. 22 zwischen der bei ihr anhängigen Klage auf Schadensersatz gegen eine Gesellschaft wegen Verunreinigung des Meerwassers und einem Antrag in einem in Italien laufenden Strafverfahren gegen die geschäftsführenden Gesellschafter der Gesellschaft auf Ausgleich desselben Schadens abgelehnt, weil die Beklagten in den Verfahren nicht identisch seien. 142 Diese Entscheidung kann nicht überzeugen. Vollständige Identität der Parteien beider Verfahren ist für das Vorliegen von Konnexität nach keiner der nationalen Rechtsordnungen erforderlich. Zudem beruhte die BeklagtensteIlung der Gesellschafter in dem italienischen Strafverfahren allein darauf, daß die juristische Person strafrechtlich selbst nicht verantwortlich ist. 143 Auf die an den Verfahren beteiligten Parteien hat auch eine Entscheidung des obersten luxemburgischen Gerichts abgestellt. Das Gericht nahm an, daß zwischen der Zahlungsklage einer deutschen Gesellschaft gegen eine luxemburgische in Luxemburg auf Kaufpreiszahlung und der Klage einer anderen 139 Cass. (jr.) 27.10.1992, D. 1992, info rap. 262: Klage gegen eine französische Gesellschaft in den Niederlanden auf Kaufpreiszahlung und Klage der französischen Gesellschaft in Frankreich auf Ersatz des aufgrund der Mangelhaftigkeit der Kaufsache erlittenen Schadens. LG Frankfurt IPRax 1992, 389: Klage eines Handelsvertreters vor einem italienischen Gericht auf Entschädigung wegen Vertragsbeendigung und auf ausstehende Provisionen und Klage der deutschen Firma gegen den Handelsvertreter in Deutschland auf Zahlung des Preises für im Rahmen des Vertretervertrages ~elieferte Waren. 14 Antwerpen 18.10.1979, Jur. comm. Belg. 1980, I, 181; Arrondissementsrechtbank 's-Hertogenbosch 10.02.1978, NJ. 1980, Nr. 14; Rank Film Distributors/Lanterna Editrice Srl [1992] Int. Lit. Proc. 58 (Q.B.). 141 Cass (jr.) 27.10.1992, D. 1992, info rap. 262. 142 Bastia 28.02.1977, Riv. dir. int. priv. proc. 1978, 189. Die Cour de cass. (jr.) 03.04.1978, D. 1978, info rap. 367, hat nur das Nichtvorliegen von Litispendenz bestätigt, zum Vorliegen von Konnexität aber nicht Stellung genommen. 143 Audit, D. 1978, info rap. 367, 368. 6 LUpfert

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§ 3 Rechtsvergleichende Untersuchung des Begriffs der Konnexität

luxemburg ischen Gesellschaft aus derselben Geschäftsbeziehung gegen eine andere deutsche Gesellschaft in Deutschland keine Konnexität i.S.d. Art. 22 vorliege. 144 Daß zwischen den beteiligten Gesellschaften enge Interessenverflechtungen bestanden - sie gehörten zu derselben Unternehmensgruppe -, wurde als nicht ausreichend betrachtet, da es sich um selbständige juristische Personen handelte und die Klagen verschiedene Geschäfte betrafen. Die Verschiedenheit der Parteien als solche kann nicht zur Ablehnung von Konnexität führen. Richtig ist jedoch, daß eine noch so enge Beziehung zwischen den beteiligten Parteien nicht ausreicht, wenn es an einer objektiven Verknüpfung der Streitgegenstände fehlt. 145 Die Cour d'appel de Paris hat Konnexität i.S.d. Art. 22 im Verhältnis zwischen zwei Klagen auf Maklerprovision aus demselben Grundstücksverkauf verneint. In dem zugrundeliegenden Fall hatte eine belgische Gesellschaft in Belgien auf Maklerprovision gegen den Verkäufer geklagt, danach klagte in Frankreich eine französische Gesellschaft, mit der die belgische einen Unter-Maklervertrag abgeschlossen hatte, gegen die belgische auf ihren Provisionsanteil. 146 Das französische Gericht ging davon aus, daß es sich um zwei rechtlich unabhängige Verträge handele, da die Parteien nicht einmal einen Direktanspruch der französischen Gesellschaft gegen den Verkäufer vorgesehen hatten. Das bloße wirtschaftliche Interesse der belgischen Gesellschaft, ihre Zahlung an die französische von der Provisionszahlung des Verkäufers an sie abhängig zu machen, begründe keine Konnexität zwischen den Ansprüchen. Die tatsächliche Einheit, die darauf beruhte, daß die Verträge den Verkauf desselben Grundstücks betrafen, wurde als nicht ausreichend betrachtet, da es an einer rechtlichen Verknüpfung der Verträge fehlte. Eine enge Begriffsbestimmung liegt auch einer Entscheidung der italienischen Corte di cassazione zugrunde, in der Konnexität im Verhältnis zwischen Klagen verschiedener Parteien auf Schadensersatz wegen Verlust von verschiedenen Teilen einer in demselben Fahrzeug transportierten Warenladung verneint wurde. 147 Der gemeinsame tatsächliche Umstand der Entwendung des Fahrzeugs genüge nicht, um den von Art. 22 Abs. 3 geforderten engen Zusammenhang ("stretta connessione") zu begründen. Dieses Argument wurde allerdings im Rahmen der Ermessensentscheidung verwendet, so daß die Entscheidung dahingehend zu verstehen ist, daß Konnexität an sich bejaht wurde. Die Entscheidung ist insofern unklar, als sie nicht zwischen der Frage

144 Cour superieure de justice de Luxembourg 14.12.1977, Nachschlagewerk D 122 - B 1. 145 So auch Kaye, S. 1235. 146 Paris 16.05.1991, D. 1992, somm. 167. 147 Cass. (it.) 26.11.1990, Riv. dir. int. priv. proc. 1992, 107.

II. Rechtsprechung der vertrags staatlichen Gerichte zu Art. 22

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des Vorliegens von Konnexität und der Frage der Angemessenheit der Anwendung der Rechtsfolgen des Art. 22 im konkreten Fall trennt. 148 Deutsche Gerichte haben bislang den Begriff der Konnexität in Art. 22 sehr eng ausgelegt. Das OLG Karlsruhe 149 hat das Vorliegen von Konnexität in einem Fall verneint, in dem ein Mi1chproduzent gegen die Filiale eines österreichischen Chemiekonzerns wegen schädlicher Immissionen auf ein in Deutschland belegenes Grundstück klagte, während eine entsprechende Klage bereits in Frankreich anhängig war, die sich auf ein in der Schweiz belegenes Grundstück desselben Klägers bezog. Begründet wurde das Nichtvorliegen von Konnexität damit, daß es durchaus möglich sei, daß für das ausländische Verfahren teilweise andere sachliche Gesichtspunkte von Bedeutung wären. Diese Entscheidung vermag nicht zu überzeugen. Da es sich um Auswirkungen desselben schädigenden Ereignisses handelt, genügt die Lage der geschädigten Grundstücke in verschiedenen Staaten nicht, um Konnexität abzulehnen. Das OLG Hamm hat in einem Fall 150 die Ansicht vertreten, für Konnexität i.S.d. Art. 22 sei - wie für § 148 ZPO - Vorgreiflichkeit der einen Entscheidung für die andere erforderlich. Daran fehlte es im zugrundeliegenden Fall, da der von der Beklagten zur Aufrechnung gestellte Gegenanspruch, der in Belgien selbständig eingeklagt worden war, in dem deutschen Verfahren wegen eines wirksamen Aufrechnungsausschlusses in den AGB unberücksichtigt bleiben mußte. Vom Bestehen der Gegenforderung hing die Entscheidung also nicht ab. Daß sich dies durch Ergehen einer rechtskräftigen Entscheidung im anderen Verfahren ändern könnte l51 , da die Klausel bei zutreffender Auslegung die Aufrechnung mit rechtskräftig festgestellten Gegenforderungen nicht ausschließe, genügte nach Ansicht des Gerichts nicht. Der Entscheidung liegt die Fehlvorstellung zugrunde, daß Art. 22 in seinen Voraussetzungen denen des § 148 ZPO entspreche. 152 Der englische High Court 153 hat in einem Fall Konnexität verneint, in dem ein deutscher Seemann zuerst in Deutschland gegen die See-Berufsgenossen148 So auch Bastia 28.02.1977, Riv. dir. int. priv. proc. 1978, 189; näher dazu unten § 7 m. 149 OLG Karlsruhe RIW 1977,718. 150 OLG Ramm NJW 1983, 523. 151 Das OLG Ramm spricht etwas mißverständlich davon, daß der an sich entscheidungsreife Rechtsstreit durch die Entscheidung im anderen Prozeß "gegenstandslos" werden könnte. 152 Auch C. Wolf, EuZW 1995, 365, 367, verlangt für Art. 22 Abs. 1 (anders als für Abs. 2) eine Bindungswirkung des ausländischen Verfahrens auf das auszusetzende Verfahren. 153 De Pina/M.S. Birka leG [1994] Int. Lit. Proc. 694 (Q.B.). 6*

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§ 3 Rechtsvergleichende Untersuchung des Begriffs der Konnexität

schaft auf Schadensersatz wegen eines Unfalls geklagt hatte und dann in England seinen Arbeitgeber auf Ersatz desselben Schadens verklagte. Zwar liege derselbe Sachverhalt zugrunde und es seien in beiden Verfahren dieselben Fragen zu beantworten, beide Klagen könnten aber vor dem zuerst angerufenen deutschen Gericht (Sozialgericht Hamburg) nicht gemeinsam verhandelt werden; dort sei nämlich eine Klage gegen den Arbeitgeber ausgeschlossen. Gemäß Art. 22 Abs. 3 liege Konnexität vor, wenn eine gemeinsame Verhandlung und Entscheidung geboten ist, um widersprechende Entscheidungen zu vermeiden. Geboten könne eine gemeinsame Verhandlung aber nur sein, wenn eine solche auch möglich sei. Daher setze der Begriff der Konnexität die Möglichkeit der gemeinsamen Verhandlung beider Klagen vor dem Erstgericht voraus. Diese Auslegung ist eindeutig unzutreffend. Die Möglichkeit der gemeinsamen Verhandlung ist nur für die Rechtsfolge der Unzuständigerklärung in Art. 22 Abs.2 vorausgesetzt l54 , nicht für den Konnexitätsbegriff selbst. Es ist auch nicht ersichtlich, warum eine Verfahrens aussetzung dieser Bedingung unterworfen werden sollte. Der englische Richter hat sich aus der Überzeugung heraus, daß dem Kläger der Vorteil nicht entzogen werden sollte, in England einen höheren Schadensersatzbetrag erlangen zu können als im deutschen Verfahren, bewußt über den Wortlaut des Art. 22 hinweggesetzt. Dem liegt - auch wenn sich der Richter hiergegen ausdrücklich verwahrt hat - das Prinzip des "juridical advantage" zugrunde, nach dem einem Kläger ein legitimer rechtlicher oder persönlicher Vorteil nicht entzogen werden darf, den er bei einer Durchführung des Verfahrens in England im Vergleich zu der in einem anderen Staat hätte. 155 Betrachtet man die Entscheidungen der nationalen Gerichte zum Konnexitätsbegriff in Art. 22 Abs. 3, so ergibt sich kein einheitliches Bild. Die Gerichte haben häufig ihre nationalen Konnexitätsbegriffe auch auf Art. 22 angewendet, sich aber bei der Annahme von Konnexität im konkreten Fall eher zurückgehalten. In manchen Entscheidungen wurden eindeutig unzutreffende Kriterien angewendet (z.B. Parteiidentität, Vorgreiflichkeit). Bisweilen haben die Gerichte die Beurteilung des Vorliegens von Konnexität mit der Ausübung des Ermessens über die Rechtsfolgen vermischt und eine Beurteilung der Zweckmäßigkeit einer Aussetzung bzw. Unzuständigerklärung im konkreten Fall an die Stelle einer genauen Begriffsbestimmung gesetzt.

154 Dazu unten § 5 IV 2. 155 Dazu unten § 7 11 7.

ill. Rechtsvergleichende Zusammenfassung

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III. Rechtsvergleichende Zusammenfassung und Folgerungen für den Konnexitätsbegriff in Art. 22

Die rechtsvergleichende Untersuchung zum Konnexitätsbegriff hat ergeben, daß in allen betrachteten Rechtsordnungen für das Vorliegen von Konnexität jedenfalls genügt, wenn die tatsächliche Grundlage beider Klagen dieselbe ist. Eine gemeinsame materiell-rechtliche Grundlage wird daneben ganz überwiegend nicht verlangt. Während früher die rechtliche Einordnung zumeist in die Definition des Klagegrundes einbezogen wurde, besteht heute weitgehend Einigkeit darüber, daß es darauf nicht ankommt, weil die rechtliche Beurteilung den Gerichten obliegt und eine andere rechtliche Würdigung den Gegenstand der Klage daher nicht verändern kann. Nach französischem, belgischem und italienischem Recht liegt Konnexität auch dann vor, wenn zwar die Klagegrunde unterschiedlich sind, aber die Klageziele übereinstimmen bzw. das eine in dem anderen enthalten ist. Die Voraussetzung der Übereinstimmung von entweder Causa petendi oder Petitum hat sich jedoch als zu eng erwiesen. Die Reaktion hierauf ist in den

einzelnen nationalen Rechtsordnungen verschieden ausgefallen. Zum Teil hat man die Orientierung an den Klageelementen beibehalten, die Übereinstimmung aber großzügiger beurteilt (so insbesondere im italienischen Recht). In Frankreich und Belgien wurde die Begriffsbestimmung hingegen von dem formalen Kriterium der Übereinstimmung von Causa oder Petitum abgekoppelt und flexibler gestaltet. Die Beurteilung des Vorliegens von Konnexität im konkreten Fall wird weitgehend dem Richter überlassen. Wichtigstes Kriterium ist der Einfluß der einen Entscheidung auf die andere und die daraus folgende Gefahr widersprechender Entscheidungen bei getrennter Verhandlung. Demgemäß wird als ausreichend angesehen, daß beide Klagen von mindestens einer gemeinsamen Frage abhängen.

Es lassen sich in den Rechtsordnungen, die eine dem Art. 22 grundSätzlich entsprechende Konnexitätsregel enthalten, somit zwei Arten von Konnexitätsbegriffen unterscheiden: der offene Begriff des heutigen französischen und belgischen Rechts und der an festen Kriterien orientierte Begriff des italienischen und spanischen Rechts. Der Konnexitätsbegriff in Art. 22 Abs. 3 hat wie aus der Legaldefinition deutlich wird - das weite, informelle Konzept aus dem belgischen und französischen Recht übernommen, anstatt sich (wie im italienischen und spanischen Recht) an formalen Kriterien wie der Identität von Klageelementen zu orientieren. 156 Es wäre daher falsch, beim kleinsten gemeinsamen Nenner der nationalen Begriffsverständnisse stehenzubleiben. 156 Tarzia, Riv. trirn. dir. proc. civ. 1988, 397, 404, der die einseitige Rezeption der französischen bzw. be1gischen Konzeption bedauert.

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§ 3 Rechtsvergleichende Untersuchung des Begriffs der Konnexität

Konnexität LS.d. Art. 22 liegt also bei Abhängigkeit der Entscheidung beider Klagen von mindestens einer gemeinsamen Frage vor. 157 Zu klären bleibt, wann genau eine "gemeinsame Frage" gegeben ist. Zur Lösung dieses Problems kann die Entscheidung des EuGH im Fall Maciej Rataj beitragen.

IV. Der Konnexitätsbegriff in der Entscheidung Maciej Rataj

1. Die Entscheidung Der englische Court of Appeal 158 hatte im Fall Maciej Rataj159 darüber zu entscheiden, ob Konnexität im Sinne des Art. 22 Abs. 3 vorliegt, wenn verschiedene Eigentümer einer Schiffsladung wegen der Beschädigung ihres jeweiligen Teils der Bulkladung l60 gegen den Schiffseigner klagen. Es bestanden getrennte Beförderungsverträge, die aber die gleichen Bedingungen enthielten. Der Court of Appeal legte dem EuGH die Frage 161 vor, ob für Konnexität i.S.d. Art. 22 Abs. 3 erforderlich ist, daß bei getrennter Entscheidung der Klagen Ergebnisse möglich sind, die sich gegenseitig ausschließen. Der EuGH hat dies in seiner Entscheidung vom 06.12.1994 verneint: 162 Der Begriff der Konnexität sei im Interesse einer geordneten Rechtspflege weit auszulegen. Es genüge die Gefahr widersprechender Entscheidungen. Daß eine gleichzeitige Vollstreckung abweichender Entscheidungen ausgeschlossen wäre, sei nicht erforderlich. Im konkreten Fall liege daher Konnexität vor, obwohl den Klagen verschiedene Verträge zugrundelagen.

2. Bewenung der Entscheidung aus rechtsvergleichender Sicht Auch nach französischem und belgischem Recht wäre im Fall Maciej Rataj Konnexität anzunehmen, da zwar keine Abhängigkeit der einen Entscheidung 157 So auch Schütze, RIW 1975,543,544; Bü[owlBöckstiegellMüller I, S. 606.174; Vi Blase, Nr. 39, S. 185 (aber nur in bezug auf Art. 22 Abs. 1). 158 Vorlagebeschluß vom 05.06.1992, ABi. EG Nr. C 24 vom 28.01.1993, S. 6. 159 Näher zum Sachverhalt unten § 4 11 2 a.

160 Bei einem "Bulktransport" werden vertretbare Sachen verschiedener Eigentümer mit getrennten Konnossementen, aber ungetrennt in einem Transportraum verfrachtet. Durch die Vermischung entsteht Miteigentum, §§ 948, 947 BGB. Jeder Miteigentümer ist aber berechtigt, wegen Beschädigung der Ware pro rata Schadensersatz vom Verfrachter zu verlangen, vgi. C. Wolf, EuZW 1995, 365; Schapsl Abraham, Seerecht, 4. Autl. 1978, § 648 HGB Rdnr. 3 f. 161 4. Vorlagefrage; die anderen 4 Fragen bezogen sie auf Art. 21 und 57 EuGVÜ. 162 EuGH06.12.1994, Sgl. 1994,1-5439,5478 f. (Rdnr. 52 ff.).

IV. Der Konnexitätsbegriff in der Entscheidung Maciej Rataj

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vom Ergebnis im anderen Verfahren bestand, sich aber entsprechende Fragen stellten und beiden Klagen dasselbe schädigende Ereignis zugrundelag. Daß die Haftung auf verschiedenen selbständigen Verträgen beruhte, schadet nicht. Denn für das Vorliegen von Konnexität wird nicht verlangt, daß eine gleichzeitige Vollstreckung gegensätzlicher Entscheidungen ausgeschlossen wäre (so nur für die "indivisibilite")163. Die Entscheidung des EuGH erscheint somit aus rechtsvergleichender Sicht insofern zutreffend, als der EuGH für den Begriff der Konnexität nicht verlangt hat, daß bei getrennter Entscheidung sich gegenseitig ausschließende Ergebnisse drohen müßten. Andererseits wird aus der Entscheidung deutlich, daß die Relevanz gleichartiger Fragen in beiden Verfahren, insbesondere die Konstellation, daß sich eine abstrakte Rechtsfrage in bezug auf verschiedene Sachverhalte oder Rechtsverhältnisse stellt, nicht ohne weiteres genügt. Im belgisehen und französischen Recht wird unter diesen Voraussetzungen zusätzlich eine "liaison objective" 164 bzw. eine gewisse tatsächliche Einheit verlangt. Eine solche lag im Fall Maciej Rataj vor, da die Beschädigung der Ladung auf einem einheitlichen Vorgang beruhte. Auch nach deutschem Recht ist für den rechtlichen oder unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang bei Zugrundeliegen verschiedener Sachverhalte bzw. Rechtsverhältnisse eine tatsächliche bzw. wirtschaftliche Einheit erforderlich. Für den italienischen Begriff der "connessione impropria" wird zwar als ausreichend angesehen, daß sich dieselbe Frage in beiden Prozessen auf nur ähnliche Rechtsverhältnisse bzw. ähnliche Tatsachen bezieht. Diese Konnexitätsart entspricht aber von ihrer Funktion her der des Art. 22 nicht, da sie - im Gegensatz zu der sich zuständigkeitsrechtlich auswirkenden "connessione propria" - nur eine gemeinsame Verhandlung von Klagen ermöglicht, die bei demselben Gericht anhängig sind. Aus diesem Grunde werden hier keine hohen Anforderungen an den Zusammenhang gestellt. 165 Das weite Begriffsverständnis der "connessione impropria" und auch des für § 147 ZPO ausreichenden Zusammenhangs ist für den europäischen Konnexitätsbegriff nicht ausschlaggebend. Aus rechtsvergleichender Sicht erscheint es somit zutreffend, für Konnexität i.S.d. Art. 22 neben einer gemeinsamen abstrakten Rechtsfrage eine tatsächliche Einheit zu verlangen. Für eine solche Einschränkung spricht weiterhin, daß der Hauptgesichtspunkt des Konnexitätsbegriffs in Art. 22 Abs. 3 nach grammatikalischer und teleologischer Auslegung die Gefahr widersprechender Entscheidungen ist. 166 Zwar ist hierfür nicht zu verlangen, daß die möglichen Widerspruche 163 Siehe 164 Siehe 165 Siehe 166 Siehe

oben I 1 b cc; ebenso im belgischen Recht. oben I 2 b bb. oben I 3 b bb. oben § 2 11 1 und 3.

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§ 3 Rechtsvergleichende Untersuchung des Begriffs der Konnexität

zwischen den rechtskraftfähigen Teilen der in getrennten Verfahren ergehenden Urteile bestehen, sondern es genügen auch Widersprüche in den Entscheidungsgründen. 167 Jedoch entsteht ein Widerspruch, der geeignet ist, das Vertrauen in eine geordnete Rechtspflege zu erschüttern, nicht schon dadurch, daß eine abstrakte Frage in verschiedenem Kontext unterschiedlich beantwortet wird (z.B. wenn mehrere Personen aus ähnlichen Verträgen oder zeitgleichen delikt ischen Handlungen in Anspruch genommen werden), sondern nur dann, wenn sich die gleiche Rechtsfrage in beiden Verfahren hinsichtlich desselben tatsächlichen Bezugspunktes stellt oder ansonsten eine objektive Verknüpfung zwischen den Klagen besteht. Nicht zugestimmt werden kann daher der Ansicht von Geimer, der für den Zusammenhangsbegriff in Art. 6 Nr. 1 und ebenso auch für Art. 22 Abs. 3 schon die Gleichartigkeit des tatsächlichen oder rechtlichen Grundes ausreichen läßt. 168 Zwar kann unter diesen Umständen durch eine Koordinierung der Klagen eine Einsparung von Verfahrensaufwand erreicht werden. Daß eine Verbindung im Interesse der Prozeßökonomie läge, genügt aber nicht für das Vorliegen von Konnexität. Ist den Klagen nur eine Tatfrage gemeinsam in dem Sinne, daß in beiden Verfahren ein Tatumstand eine Rolle spielt, der zwischen den Parteien umstritten ist, so genügt dies auch nicht ohne weiteres. Zwar ist eine vollständige Übereinstimmung der tatsächlichen Grundlage der Klagen nicht erforderlich, es muß aber eine wesentliche, d.h. rechtlich relevante l69 Überschneidung im Tatsächlichen vorliegenYo Ein rein äußerliches, zufälliges Zusammentreffen genügt jedenfalls nicht. Wann das tatsächliche Moment, das den Klagen gemeinsam ist, in diesem Sinne "wesentlich" ist, kann nicht abschließend umschrieben werden. Dies ist Gegenstand einer rechtlichen Wertung durch den Richter im konkreten Fall. Hierbei müssen nicht alle beteiligten Interessen einbezogen werden; denn die Angemessenheit einer Aussetzung oder Unzuständigerklärung wegen Konnexität wird im Rahmen der Ermessensentscheidung über die Rechtsfolgen unter Berücksichtigung aller Umstände beurteilt. Aus der Ausgestaltung als Ermessensnorm folgt also, daß in Grenzfällen im Zweifel der Anwendungsbereich des Art. 22 eröffnet ist. l7l 167 Siehe oben § 2 11 4 b. 168 Geimer, WM 1979,350,359. Das ginge sogar weiter als bei § 60 ZPO, wo im wesentlichen gleichartige tatsächliche und rechtliche Gründe verlangt werden. 169 Nach Ansicht von Heinsheimer, ZZP 38 (1909), 1,35, genügt für von Konnexität i.S.d. § 33 ZPO die Identität eines tatsächlichen Moments, wenn dieses für beide An~rüche "wesentlich und in verwandtem Sinne rechtlich von Bedeutung" ist. 1 0 So auch Kropholler, Hdb. IZVR I, Kap. III Rdnr. 722: Die Klagen müßten "im wesentlichen denselben tatsächlichen oder rechtlichen Grund" haben, wobei "rechtlicher Grund" nicht eine abstrakte rechtliche Einordnung, sondern eine unter einem bestimmten rechtlichen Gesichtspunkt betrachtete tatsächliche Situation meint. 171 So auch Kaye, S. 1235.

V. Das Problem der Parteiverschiedenheit

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V. Das Problem der Parteiverschiedenheit

Hinsichtlich der Übereinstimmung der an den verschiedenen Verfahren beteiligten Parteien werden in den vertrags staatlichen Rechtsordnungen an den Konnexitätsbegriff zumeist keine speziellen Anforderungen gestellt. Darüber, daß jedenfalls eine vollständige Übereinstimmung der Parteien nicht zu verlangen ist, besteht implizit Einigkeit. Im belgisehen Recht ergibt sich dies schon aus Art. 566 Abs. 2 C.j., der für den Fall der Beteiligung verschiedener Parteien eine zusätzliche Voraussetzung für die Verbindung wegen Konnexität aufstellt. I72 Im französischen und italienischen Recht wird von Rechtsprechung und Lehre nicht auf die Parteiidentität abgestellt. Auch für Art. 22 wird jedenfalls eine vollständige Übereinstimmung der Parteien nicht für erforderlich gehalten. I73 In Betracht kommt jedoch, daß wenigstens eine Partei übereinstimmen muß.174 Beschränkungen dieser Art werden soweit ersichtlich für Art. 22 nicht erwogen. Im nationalen französischen und italienischen Recht werden von einzelnen Autoren, die sich mit diesem Problem beschäftigen, Beispiele angeführt, in denen trotz Verschiedenheit aller Parteien Konnexität vorliegt. Hierbei handelt es sich um Fälle gemeinsamer Berechtigung und Verpflichtung, wenn jeweils unterschiedliche Personen miteinander streiten. 175 Ansonsten sind Konstellationen, in denen beiden Verfahren nicht einmal eine Partei gemeinsam ist und dennoch die "objektiven" Voraussetzungen der Konnexität vorliegen, kaum denkbar. Daher ist die Frage praktisch kaum relevant. Meines Erachtens hat es keinen Sinn, eine "subjektive", auf die Parteien bezogene Anforderung an den Konnexitätsbegriff zu stellen. Es genügt ein objektiver Zusammenhang. Daß die Parteien zumindest teilweise übereinstimmen, ist jedenfalls nicht zwingend erforderlich. Allerdings kann bei Beteiligung verschiedener Parteien eine Aussetzung das Verfahren unzumutbar verzögern und eine Verbindung dieses unüberschaubar machen. Ob eine Aussetzung oder Unzuständigerklärung im Einzelfall zweckmäßig und für alle Beteiligten zumutbar ist, wird jedoch erst in der Ermessensentscheidung über die Rechtsfolgen der Konnexität relevant. Durch eine allgemeine Beschränkung hinsichtlich der Parteien kann das Problem nicht gelöst werden, da die Zweckmäßigkeit einer Koordinierung auch von zahlreichen anderen Umständen abhängt. 172 Vgl. unten § 1011 2 f. 173 Schütze, RIW 1975, 543, 544; Kropholler, EZPR, Art. 22 Rdnr.3: SteinlJonaslSchumann, § 148 ZPO Rdnr. 151. Manche meinen, daß infolge der Ausdehnung des Anwendungsbereichs von Art. 21 durch den EuGH für Art. 22 überhaupt nur noch die Fälle der Parteiverschiedenheit übrigblieben, so Woloniecki, S. 157, 181; Ekelmans, Rev. dr. comm. beige 1989, 358, 362. 174 So zum Teil früher im französischen Recht, siehe oben 11 b ce. 175 Vgl. AlioriolFranchi, Art. 40 c.p.c. NT. 1, S. 420.

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§ 3 Rechtsvergleichende Untersuchung des Begriffs der Konnexität

VI. Ergebnis zum Begriff der Konnexität

Ein Zusammenhang i.S.d. Art. 22 Abs. 3 ist ohne weiteres gegeben, wenn entweder der tatsächliche Klagegrund oder das Klageziel übereinstimmt. Weiterhin genügt es, daß die Entscheidung beider Verfahren von derselben Frage abhängt. Eine gemeinsame Frage in diesem Sinne liegt ohne weiteres vor, wenn beide Ansprüche auf demselben Rechtsverhältnis beruhen. Auch andere Aspekte, die in beiden Verfahren eine Rolle spielen, können Konnexität begründen. Für das Vorliegen einer gemeinsamen Frage ist aber immer eine Kombination aus einem rechtlichen und einem tatsächlichen Moment erforderlich: Ist den Verfahren eine abstrakte Rechtsfrage gemeinsam, so genügt dies nur, wenn sie sich entweder in beiden Verfahren hinsichtlich desselben Bezugspunktes stellt oder ansonsten eine tatsächliche Einheit zwischen den Klagen besteht. Andernfalls liegen nur "gleichartige" Fragen vor. Eine gemeinsame Frage liegt weiterhin nicht schon dann vor, wenn irgendeine Tatsache in beiden Prozessen überhaupt eine Rolle spielt. Konnexität ist jedoch dann gegeben, wenn ein für beide Ansprüche wesentliches, d.h. rechtlich relevantes, tatsächliches Moment übereinstimmt. Wann eine ausreichende tatsächliche Einheit gegeben ist, kann insbesondere der französischen und belgischen Rechtsprechung zum Konnexitätsbegriff entnommen werden. Hierfür genügt jedenfalls ein einheitlicher Tathergang. Der Richter ist bei der Beurteilung, ob die Übereinstimmung zwischen den Klagen für die Annahme von Konnexität ausreicht, recht frei. Im Zweifel ist Konnexität zu bejahen. Die an den Verfahren beteiligten Parteien müssen nicht einmal teilweise übereinstimmen. Dieser weite Konnexitätsbegriff gilt nicht nur für Abs. 1, sondern auch für Abs. 2. Für beide Absätze hat - trotz der unterschiedlichen Wirkungen - ein einheitlicher Konnexitätsbegriff zu gelten, wie sich aus der Systematik des Art. 22 ergibt. 176

176 Dagegen wird in Italien zum Teil für Art. 22 Abs. 2 ein engerer Begriff verwendet, so Pretore di Parma 17.06.1980, Riv. dir. int. priv. proc. 1982, 86; Di Blase, Nr. 39, S. 185: Für Art. 22 Abs. 2 sei erforderlich, daß über den Gegenstand des zweiten Verfahrens im ersten rechtskräftig entschieden wird. C. Wolf, EuZW 1995, 365, 367, meint demgegenüber, lediglich der Konnexitätsbegriff in Abs. 2 sei an Abs. 3 zu orientieren; Abs. 1 könne nur eingreifen, wenn die Ergebnisse des ersten Verfahrens eine bindende Wirkung auf das zweite Verfahren hätten.

§ 4 Abgrenzung der Konnexität zur Rechtshängigkeit gemäß Art. 21

Ist eine Klage mit einer bereits in einem anderen Vertragsstaat anhängigen identisch, so greift nicht Art. 22 ein, sondern der für diesen Fall speziellere Art. 21. 1 Das Fehlen von Rechtshängigkeit LS.d. Art. 21 ist also Voraussetzung für das Vorliegen von Konnexität LS.d. Art. 22. Die Rechtshängigkeit stellt gewissermaßen die "Obergrenze" des Begriffs der Konnexität dar. Eine Abgrenzung des Anwendungsbereichs der beiden Vorschriften ist nicht nur von theoretischem Interesse, sondern auch für die Praxis notwendig, da sich die Rechtsfolgen der Normen voneinander unterscheiden: Die Berücksichtigung der Rechtshängigkeit ist zwingend, während die der Konnexität im Ermessen des Gerichts steht. 2 Weiterhin setzt Art. 22 im Gegensatz zu Art. 21 die Anhängigkeit beider Klagen in erster Instanz voraus. Für die Unzuständigerklärung wegen Konnexität gemäß Art. 22 Abs. 2 gelten zusätzliche Voraussetzungen. 3

I. Der Begriff der Anspruchsidentität in Art. 21

1. Wortlaut des Art. 21 Zur Klärung der Abgrenzungsfrage ist vom Wortlaut des Art. 21 auszugehen. Nach der deutschen Fassung ist Voraussetzung für das Vorliegen von Rechtshängigkeit, daß "Klagen wegen desselben Anspruchs zwischen denselben Parteien anhängig gemacht" worden sind. Mit dem deutschen Begriff "Anspruch" wird auf den Gegenstand des Verfahrens, den Streitgegenstand, abgestellt. Auch die ZPO spricht zumeist von "Anspruch", wenn der Gegenstand des Rechtsstreits gemeint ist4 , insbesondere auch bei der Regelung der Rechtshängigkeit in § 261 Abs. 2 ZPO. Die Fassungen der romanischen Sprachen nennen neben den Parteien jeweils zwei Elemente: "objet" und "cause", "oggeuo" und "titolo" bzw. "objeto" und "causa". Die englische Fassung erwähnt außer den Parteien nur ein weiteres Element, die "cause of 1 Busl, IPRax 1986,270,271. 2 Dazu unten § 7. 3 Dazu unten § 5 IV. 4 Rosenberg/Schwab/Gottwald, § 95 I.

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§ 4 Abgrenzung der Konnexität zur Rechtshängigkeit

action" . Durch die Verwendung des Wortes "derselbe" bzw. "merne" I "medesimo"l "rnismo" in Art. 21 wird deutlich, daß die genannten Elemente identisch sein müssen, damit Rechtshängigkeit angenommen werden kann. Vom Wortlaut der Vorschrift ausgehend stellt sich also zum einen die Frage nach dem Vergleichsgegenstand, d.h. den die Klage individualisierenden Elementen, und zum anderen die nach dem Vergleichs~stab, d.h. dem erforderlichen Grad der Übereinstimmung.

2. Die Auslegungsmethode

Vor der Entscheidung des EuGH im Fall Gubisch/Palumbo wurde allgemein angenommen, der Begriff der Anspruchsidentität in Art. 21 sei durch Verweisung auf nationales Prozeßrecht zu bestimmen. So wurde entweder jeder Streitgegenstand nach dem nationalen Recht des jeweiligen Gerichtsstaates beurteilt5 oder Anspruchsidentität nur angenommen, wenn sie nach beiden beteiligten Rechtsordnungen zu bejahen war (Doppelqualifikation)6. Der EuGH hat sich im Fall Gubisch/Palumbo für eine vertragsautonome Auslegung ausgesprochenJ Zur Begründung hat er angeführt, daß Art. 21 selbst (jedenfalls in der französischen, italienischen und niederländischen Fassung) mehrere Voraussetzungen definitions artig aufstelle und das Interesse an einer geordneten Rechtspflege in der Gemeinschaft eine einheitliche Auslegung verlange. Wesentliche Kriterien für die autonome Auslegung des Art. 21 sollen nach Ansicht des EuGH der Regelungszweck sowie der Regelungszusammenhang mit Art. 27 Nr. 3 sein. Die Entscheidung für eine autonome Auslegung schließt einen ergänzenden Rückgriff auf nationales Recht nicht aus.s

5 So Droz, Nr. 304, S. 189; BülowlBöckstiegellMüLler I, S.606.170; OLG München IPRspr. 1985 Nr. 133 A; BGH NJW 1986; 662. 6 So Schütze, RIW 1975, 78,79; Schumann, FS Kralik (1986), S. 301, 312; OLG Hamm RIW 1986, 383; OLG München IPRspr. 1987 Nr. 142. 7 EuGH 08.12.1987, Sgl. 1987, 4861, 4874 (Rdnr. 11); bestätigt in der Entscheidung Maciej Rataj, Sgl. 1994,1-5439,5473 (Rdnr. 30). 8 Siehe oben § 2 I 1. Gegen einen solchen Rückgriff in bezug auf die Auslegung des Art. 21 Huber, JZ 1995, 603, 604.

11. Die Entscheidungen des EuGH zur Abgrenzung

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11. Die Entscheidungen des EuGH zur Abgrenzung zwischen Art. 21 und 22

1. Die Entscheidung GubischiPalumbo9 In der Entscheidung Gubisch/Palumbo hat sich der EuGH zum ersten Mal zu der Frage der Abgrenzung zwischen den beiden Normen geäußert.

a) Sachverhalt Der Italiener Palumbo verklagte die deutsche Firma Gubisch Maschinenfabrik KG vor dem Tribunale di Roma auf Feststellung der Unwirksamkeit seines Vertragsangebotes hinsichtlich des Kaufs einer von der Firma Gubisch hergestellten Werkzeugmaschine, nachdem die Firma Gubisch beim Landgericht Flensburg ihrerseits bereits gegen Palumbo Klage auf Verurteilung zur Zahlung des vereinbarten Kaufpreises erhoben hatte. Vor dem Tribunale di Roma erhob die Firma Gubisch daher den Einwand der Rechtshängigkeit gemäß Art. 21 Abs. 1. Gegen die Zurückweisung der Einrede rief die Firma Gubisch die Corte suprema di cassazione an, die dem EuGH die Frage zur Vorabentscheidung vorlegte, ob Art. 21 diesen Fall erfasse.

b) Die Entscheidung des EuGH Der EuGH hat entschieden, daß Art. 21 auf diese Konstellation anwendbar sei. Beide Klagen hätten dieselbe "Grundlage", da sie sich auf dasselbe Vertragsverhältnis bezögen. lO Hinsichtlich des "Gegenstandes" dürfe keine Beschränkung auf die formale Identität erfolgen. ll Die auf Vertragserfüllung gerichtete Klage habe den Zweck, den Vertrag wirksam werden zu lassen, die Klage auf Feststellung der Unwirksamkeit, ihm gerade jede Wirksamkeit zu nehmen. "Kernpunkt beider Rechtsstreitigkeiten" sei somit "die Wirksamkeit dieses Vertrages "12. Sei die Klage auf Feststellung der Unwirksamkeit die zuletzt eingereichte, so könne in ihr außerdem ein bloßes Verteidigungsmittel gegen die erste Klage gesehen werden, das in Form einer selbständigen Klage vor dem Gericht eines anderen Staates geltend gemacht wird. 13 Eine weite Auslegung des Art. 21 sei insbesondere aufgrund des Regelungszusarnmen9 EuGH08.12.1987, Rs 144/86, Slg. 1987,4861. 10 Rdnr. 14 der Entscheidung. 11 Rdnr. 17 der Entscheidung. 12 Rdnr. 16 der Entscheidung. 13 Rdnr. 16 der Entscheidung.

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§ 4 Abgrenzung der Konnexität zur Rechtshängigkeit

hangs mit Art. 27 Nr.3 geboten, da schon im Vorfeld die unerwünschte Verweigerung der Anerkennung wegen Unvereinbarkeit möglichst effektiv verhindert werden müsse. 14 Der EuGH hat im konkreten Fall also - orientiert insbesondere arn Unvereinbarkeitsbegriff des Art. 27 Nr. 3 - einen weiten Begriff von Anspruchsidentität zugrundegelegt, ohne aber die Problematik der Abgrenzung zu Art. 22 grundsätzlich zu klären.

c) Kritik

In der Literatur ist die Entscheidung des EuGH überwiegend auf Ablehnung gestoßen l5 , die sich zum Teil nur auf die Argumentationsweise, häufig aber auch auf das Ergebnis als solches bezieht. Hinsichtlich der Methodik wurde bemängelt, der EuGH habe sich bei der Entwicklung eines autonomen Begriffs der Anspruchsidentität nicht genügend mit den prozessualen Grundlagen in den Vertragsstaaten auseinandergesetzt, also die rechtsvergleichende Methode bei der Auslegung nicht ausreichend herangezogen. 16 In bezug auf die Systematik des EuGVÜ selbst wurde die Entscheidung kritisiert, weil sie die Unterscheidung zwischen Rechtshängigkeit und Konnexität verwische. 17 Aus übertriebener Sorge um die Entstehung unvereinbarer Entscheidungen gemäß Art. 27 Nr. 3 habe der EuGH die vom Generalanwalt zu Recht bejahte Frage, ob es sich nicht vielmehr um einen klassischen Fall der Konnexität i.S.v. Art. 22 handele l8 , "bewußt vernachlässigt" .19 Vom Ergebnis her wurde insbesondere von deutscher Seite die "undifferenzierte Einbeziehung der Entscheidungsgründe in die Feststellung 14 Rdnr. 18 der Entscheidung. 15 Zustimmend aber Schack, IPRax 1989, 139 ff.; M. Koch, S. 75 f.; Campeis/ De Pauli, S. 187; Heron, Nr. 888; Mauro, Gaz. Pal. 1988, I, somm. 265; im Ergebnis auch Leipold, GS Arens (1993), S. 227, 244 ff. 16 M. Wolf, FS Schwab (1990), S. 561,563; Pfeiffer, Jahrbuch 1991, S. 71, 84; Linke, in: Internationale Zuständigkeit und Urteilsanerkennung in Europa, S. 157, 159. Dagegen hält es Schack, ZZP 107 (1994), 279, 295 f., für richtig, daß der EuGH sich nicht "auf die manchmal haarspalterischen Differenzierungen nationaler Streitgegenstandslehren" eingelassen habe; ders., IPRax 1989, 139, 140. 17 Huet, Clunet 1988, 537, 543; Gaudemet-Tallon, Rev. crit. 1988, 374, 376 f.; Ekelmans, Rev. dr. comm. beige 1989, 358, 361 f.; Verheul, NILR 1988, 81 f.; CheshireiNorth, S.327; Isenburg-Epple, S.212; Droz, Rev. crit. 1989, I, 32; BrOjgi, Giust. civ. 1988, I, 2166. 1 GA Mancini, Schlußanträge in der Rs Gubisch/Palumbo, Slg. 1987, 4861, 4870. 19 Linke, RIW 1991, Beilage 5 zu Heft 12, S. 1,9; ders., RIW 1988,822,823.

11. Die Entscheidungen des EuGH zur Abgrenzung

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der Rechtshängigkeit nach Art. 21 "20 kritisiert, da es in der Regel zu einer rechtskräftigen Entscheidung darüber nicht komrne2 1 und der Kläger dann seine Klage unter Umständen erneut erheben müßte. Der "exorbitante Streitgegenstandsbegriff des EuGH" verhindere das Zustandekomrnen von Urteilen, an denen die Parteien ein berechtigtes Interesse haben. 22 Eine so weite, einseitig am Maßstab des Art. 27 Nr. 3 orientierte Auslegung des Art. 21 höhle den europäischen Justizgewährungsanspruch aus. 23 Die Kritik an der Entscheidung des EuGH im Fall Gubisch/Palumbo beruht zum Teil auch darauf, daß aus ihr auch Folgerungen für andere als die konkret entschiedene Konstellation abgeleitet werden24 , die sich nicht unmittelbar und zwingend daraus ergeben. 25 2. Die Entscheidung Maciej Rataj26

a) Sachverhalt Im September 1988 wurde eine Ladung Soja-Öl an Bord des Schiffes Tatry von Brasilien nach Rotterdam und Hamburg transportiert. Nach der Ankunft machten die Eigentümer der Ware geltend, das Soja-Öl sei unterwegs mit Diesel-Öl verseucht worden. Gegen einige der Wareneigentümer klagten die polnischen Schiffseigner in Rotterdam auf Feststellung, daß sie nicht oder jedenfalls nicht voll für den Schaden verantwortlich seien. Später erhob ein Teil der Eigentümer der Ware (einige der Beklagten des ersten Verfahrens und ein weiterer, der erst danach von den Schiffseigentümern verklagt wurde) vor dem High Court eine dingliche Klage in rem auf Schadensersatz gegen das Schiff Tatry und das Schwesterschiff derselben Eigner, die Maciej Rataj. 27 20 M. Wolf, FS Schwab (1990), S. 561, 566. 21 So auch MünchKomm-Gottwald, Art. 21 EuGVÜ Rdnr. 4. 22 Pjeijfer, Jahrbuch 1991, S. 71,85. 23 Isenburg-EppLe, S. 207; Linke, RIW 1988, 822, 824; Verheul, NILR 1988, 80,

81.

24 Insbesondere für das Verhältnis zwischen früherer negativer Feststellungsklage und späterer Leistungsklage (vgl. dazu unten IV 3 c); zwischen Kaufpreisklage und Klage auf Rückzahlung einer Anzahlung wegen Wandelung oder Minderung oder auf Schadensersatz wegen Schlechtlieferung, vgl. MünchKomm-Gottwald, Art. 21 EuGVÜ Rdnr. 5; zwischen einer im Wege der Aufrechnung und später mit einer Leistungsklage geltend gemachten Forderung, OLG KobLenz RIW 1991,63. 25 Vgl. Leipold, GS Arens (1993), S. 227, 231 f. 26 EuGH06.12.1994, Rs C-402/92, Sgl. 1994,1-5439. 27 Zum Verhältnis der Schadensersatzklagen der verschiedenen Gruppen von Wareneigentümern siehe oben § 3 IV.

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§ 4 Abgrenzung der Konnexität zur Rechtshängigkeit

Die Maciej Rataj wurde mit Arrest belegt, nach Sicherheitsleistung durch die Eigentümer wurde der Arrest wieder aufgehoben. In dem Verfahren, das nunmehr gegen die Schiffseigner fortgeführt wurde, beantragten diese, der High Court solle sich zugunsten der Arrondissementsrechtbank Rotterdam gemäß Art. 21 bzw. 22 für unzuständig erklären. Der High Court28 lehnte die Anwendbarkeit von Art. 21 ab. Begründet wurde dies damit, daß die Parteien zum Teil nicht mit denen des früher in Rotterdam begonnenen Verfahrens identisch seien und im übrigen Gegenstand des englischen Verfahrens die Schadensersatzleistung sei, während im niederländischen Verfahren nur die Feststellung begehrt werde, daß die Schiffseigner nicht ersatzpflichtig seien. Die Klagen seien daher nicht identisch i.S.d. Art. 21, sondern konnex i.S.d. Art. 22. Gegen die Anwendung der Konnexitätsregel wurde angeführt, daß dem niederländischen Verfahren ein unzulässiges forum shopping zugrundeliege. 29 Im Berufungsverfahren legte der Court of Appeal 30 dem EuGH fünf Fragen zur Auslegung von Art. 21, 22 und 57 vor. In bezug auf Art. 21 wollte er wissen, ob und inwieweit eine Übereinstimmung der Parteien nur zu einem Teil für das Vorliegen von Rechtshängigkeit genügt (1. Vorlagefrage), ob Identität zwischen einer Klage in rem und einer Klage in personam bestehen kann, wenn die in rem begonnene Klage nach Sicherheitsleistung zumindest auch in personam weitergeführt wird 3 ! (2. Frage), und ob Art. 21 anwendbar ist, wenn zuerst eine Klage gegen den Geschädigten auf Feststellung des Nichtbestehens der Verantwortlichkeit für einen Schaden und erst danach eine Klage des Geschädigten auf Schadensersatz erhoben worden ist (5. Frage).

b) Die Entscheidung des EuGH Die erste Frage hat der EuGH dahingehend beantwortet, daß für Art. 21 keine vollständige Identität der Parteien erforderlich sei. Im Fall von nur partieller Identität der Parteien des zweiten Verfahrens mit denen des ersten müsse sich das Zweitgericht insoweit gemäß Art. 21 für unzuständig erklären, als die Parteien übereinstimmen. 32 Zur zweiten Frage hat der EuGH entschieden, die Unterscheidung zwischen Klagen in personam und Klagen in rem 28 The Maciej Rataj [1991] 2 L1oyd's Rep., 458 (Q.B.). 29 Dazu näher unten IV 3 c aa. 30 The Maciej Rataj [1995] Int. Lit. Proc. 114 (C.A.). 3! Im englischen Recht ist umstritten, ob die in rem begonnene Klage nach Sicherheitsleistung nur in personam oder in rem und in personam fortgeführt wird, vgl. The Maciej Rataj, [1995] Im. Lit. Proc. 114, Nr. 34 (C.A.). 32 Rdnr. 34 der Emscheidung.

Ill. Abgrenzung nach nationalem Recht von Vertragsstaaten

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nach dem nationalen englischen Recht sei für Art. 21 unbeachtlich. 33 Schließlich sei, so zur 5. Frage, eine spätere Klage auf Schadensersatzleistung identisch i.S.d. Art. 21 mit einer früheren Klage gegen den Geschädigten auf Feststellung des Nichtbestehens der Ersatzpflicht. Denn hinsichtlich der Frage des Bestehens der Ersatzpflicht stimmten beide Klagen überein. Daß mit der späteren Klage darüber hinaus noch die Verurteilung zur Zahlung von Schadensersatz begehrt wurde, ändere an der Identität nichts, da dies nur die "natürliche Folge" aus der Feststellung der Ersatzpflicht darstelle. 34 Auch in dieser Entscheidung tendiert der EuGH also zu einer weiten Auslegung des Begriffs der Anspruchsidentität.

III. Abgrenzung zwischen Rechtshängigkeit und Konnexität nach nationalem Recht ausgewählter Vertragsstaaten

1. Die Einrede der Rechtshängigkeit im deutschen Recht Gemäß § 261 Abs.3 Nr. 1 ZPO kann während der Anhängigkeit einer Klage dieselbe Streitsache nicht noch einmal anhängig gemacht werden. Zwei Verfahren betreffen dieselbe "Streitsache", wenn deren Streitgegenstände sowie die beteiligten Parteien identisch sind. 35 Der Streitgegenstand ist das, worüber in einem Verfahren prozessiert wird und über das entschieden werden soll. Einigkeit bestand bislang darüber, daß der Sachantrag, das Verlangen nach einem bestimmten Urteil, wesentliches Element des Streitgegenstandes ist. Antragsverschiedenheit führt danach in jedem Fall zu mehreren Streitgegenständen. Umstritten ist allerdings seit langem, inwieweit der zugrundeliegende Sachverhalt daneben Bedeutung erlangt. Nach der herrschenden zweigliedrigen Theorie ist der Sachverhalt als gleichwertiger Bestandteil des Streitgegenstandes anzusehen36 , während er nach der eingliedrigen Theorie nur - soweit wegen Unklarheit des Antrags erforderlich - zu seiner Auslegung heranzuziehen ist. 37 Praktisch wirkt sich der Theorienstreit 33 Rdnr. 47 der Entscheidung. 34 Rdnr. 44 der Entscheidung. 35 Ganz h.M., vgl. stellvertretend Jauernig, § 40 II; Zöller/Greger, § 261 ZPO Rdnr.8. 36 RGZ 104, 155,156; 160,344; BGHZ 7,268,271; BGH NJW 1983,388; MDR 1986, 312; Habscheid, Streitgegenstand, S. 221 f.; Thomas/Putzo, Einl. Rdnr. 24 f.; Zöller/Vollkommer, Einl. Rdnr. 82; Rosenberg/Schwab/Gottwald, § 95 III 2; Arens/W. Lüke, Rdnr. 162; MünchKomm-G. Lüke, § 261 ZPO Rdnr. 57. 37 Schwab, S. 183 ff.; Rosenberg/Schwab (14. Autl.), § 96 III 3; für die Rechtshängigkeit ebenso Stein/Jonas/Schumann, Einl. Rdnr. 290 ff., anders aber insbes. für die Rechtskraft. 7 Lüpfert

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§ 4 Abgrenzung der Konnexität zur Rechtshängigkeit

kaum aus. 38 Nach h.M. greift die Rechtshängigkeitseinrede (§ 261 Abs. 3 Nr. 1 ZPO) ein, wenn in der zweiten Klage aus demselben konkreten Lebenssachverhalt dieselbe Rechtsfolge abgeleitet wird, auch wenn die rechtliche Begründung anders ist als bei der ersten Klage. 39 Ausreichend ist auch, daß der Streitgegenstand des zweiten Verfahrens in dem des ersten nach Rechtskraftgesichtspunkten enthalten ist. 40 Wird dagegen eine Vorfrage des ersten Verfahrens zum Gegenstand eines zweiten gemacht, so greift die Rechtshängigkeitseinrede nicht ein, da Entscheidungen über Vorfragen gemäß § 322 I ZPO nicht in Rechtskraft erwachsen. Nach deutschem Rechtshängigkeitsverständnis schließt daher die Anhängigkeit der Kaufpreisklage eine spätere Klage auf Feststellung der Unwirksamkeit des Kaufvertrags nicht aus. Im Fall Gubisch/Palumbo läge nach deutschem Recht somit eindeutig keine Rechtshängigkeit vor. Das deutsche Recht kennt allerdings, anders als das EuGVÜ, keine Regelung für konnexe Verfahren neben der Einrede der Rechtshängigkeit. Es kann daher nur begrenzt als Vorbild für eine Abgrenzung zwischen Rechtshängigkeit und Konnexität auf EuGVÜ-Ebene dienen. Aufschlußreicher für die Abgrenzung sind solche nationalen Rechtsordnungen, die - wie das EuGVÜ - nicht nur die anderweitige Rechtshängigkeit, sondern auch die Konnexität zwischen Zivilprozessen berücksichtigen, also insbesondere die romanischen Rechtsordnungen.

2. Abgrenzung zwischen Rechtshängigkeit und Konnexität nach französischem Recht Nach französischem Recht hat sich bei Vorliegen von Rechtshängigkeit das später angegangene Gericht gemäß Art. 100 NCPC auf Antrag für unzuständig zu erklären; es kann dies aber auch von Amts wegen tun. 41 Rechtshängigkeit setzt voraus, daß "le meme litige" vor verschiedenen Gerichten anhängig ist. Um "denselben Streit" handelt es sich, wenn sowohl die Parteien ("sujets") als auch das Begehren ("objet") als auch die Grundlage ("cause") 38 Nach Ansicht von Rosenberg/Schwab/Gottwald, § 95 III 3, und Schlosser, ZPR, Rdnr. 420, kommt dem Streit auch theoretisch keine wesentliche Bedeutung zu. 39 8GH NJW 1983,388. 40 Stein/Jonas/Schumann, § 261 ZPO Rdnr. 59; Rosenberg/Schwab/Gottwald, § 100 III 1 c; Leipold, GS Arens (1993), S. 227, 229. 41 Art. 100 NCPC: "Si le meme htige est pendant devant deux juridictions de meme degre egalement competentes pour en connaitre, la juridiction saisie en second heu doit se dessaisir au profit de l'autre si l'une des parties le demande. A defaut, elle peut le faire d'office."

rn. Abgrenzung nach nationalem Recht von Vertragsstaaten

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beider Verfahren jeweils identisch sind. 42 Diese dreifache Identität wird nach denselben Grundsätzen bestimmt wie hinsichtlich der Rechtskraft. 43 Die beiden "objektiven" Elemente "objet" und "cause" bestimmen das Ausmaß des Rechtsstreits ("matiere litigieuse")44. Dies entspricht im Grundsatz dem, was im deutschen Recht als Streitgegenstand bezeichnet wird. "La cause" ist nach der französischen Rechtsprechung die rechtliche Grundlage des Anspruchs. 45 "Le meme objet" liegt nach Rechtskraftgrundsätzen vor, wenn das Begehren ("la chose demandee"), das mit beiden Klagen geltend gemacht wird, das jeweils Verlangte, dasselbe ist. 46 Dies wird gemäß Art. 4 Abs. 1 NCPC durch die Anträge ("pretentions respectives") der Parteien bestimmt. Trotz der Einigkeit über den Ausgangspunkt scheint es den Entscheidungen der französischen Gerichte bezüglich der Identität des "objet" manchmal an Kohärenz zu fehlen. 47 Vollständige Übereinstimmung der Anträge in ihrer Formulierung ist jedenfalls nicht erforderlich. So schließt z.B. die unterschiedliche Höhe der verlangten Schadensersatzbeträge bei gegenseitigen Klagen wegen eines Unfalls die Rechtshängigkeit nicht aus. 48 Keine Einigkeit besteht darüber, ob für das Vorliegen von Rechtshängigkeit genügt, wenn der eine Antrag im anderen enthalten ist. 49 Das Verhältnis zwischen einer Kaufpreisklage und einer Klage auf Feststellung der Unwirksamkeit bzw. auf Auflösung des Kaufvertrages wird in der französischen Rechtsprechung überwiegend als Fall der Konnexität 50 und nicht der Litispendenz eingeordnet. 51 Die Klarheit der Abgrenzung zwischen 42 SoluslPerrot 11, Nr. 808; lulien, Enc. Dalloz proc., VO Litispendance, Nr. 4. So ist auch der Umfang der Rechtskraft in Art. 1351 C.c. umschrieben. 43 SoluslPerrot II, Nr. 808; lulien, Enc. Dalloz proc., VO Litispendance, Nr.5; Heron, Nr. 887. 44 SoluslPerrot rn, Nr. 62. 45 Anders die herrschende Meinung in der Lehre, dazu unten IV 2. 46 Perrot, Enc. Dalloz proc., VO Chose jugee, Nr. 148; lulien, Enc. Dalloz proc., VO Litispendance, Nr. 5; SoluslPerrot rn, Nr. 64. 47 SoluslPerrot II, Nr. 808. 48 Paris 15.11.1900, D. 1901, II, 123 ff. 49 Dafür Heron, Nr. 888; Viatte, Gaz. Pal. 1976, doctr. 354; Glassonfl'issier, Nr. 273, S. 715. Dagegen die wohl h.M., vgl. SoluslPerrot 11, Nr. 808; Cass. (fr.) 05.07.1978, Gaz. Pal. 1978, II, 624 mit Anm. Viatte. 50 Cass. (fr.) 09.01.1821, S. 1821, chron.; 27.02.1888, S.1891, I, 263; 29.11.1951, Bull. civ. 1951, rn, Nr. 772; Paris 17.02.1965, J.c.P. 1965, II, 14250; zu Art. 21122 EuGVÜ: Dijon 29.01.1975, Clunet 1976, 147. So auch GaudemetTalion, Rev. crit. 1988,374,377; Huet, Clunet 1988, 537, 543; lauffret, Nr. 165. 51 In manchen Entscheidungen wurde dagegen Litispendenz bejaht, so Cass. (fr.) 23.02.1837, S. 1837, I, 162; 12.12.1864, S. 1865, I, 127; 04.01.1875, S. 1875, I, 291; 24.05.1880, S. 1882, I, 114; Au 02.03.1929, Gaz. Pal. 1929, I, 703; Paris 05.03.1929, J.C.P. 1929, 1375, wobei allerdings meist nur von "Ie meme differend" oder "Ie meme proces" die Rede ist, nicht ausdrücklich von Litispendenz. 7*

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§ 4 Abgrenzung der Konnexität zur Rechtshängigkeit

Litispendenz und Konnexität leidet darunter, daß die französischen Gerichte sich z.T. nicht festlegen, was im konkreten Fall vorliegt. Der Ausdruck "le meme litige" bzw. "le meme differend" wird in der französischen Rechtsprechung nicht nur für Litispendenz, sondern auch für Konnexitätsfälle verwendet. Diese terminologische Ungenauigkeit52 hängt damit zusammen, daß bis zur Reform von 1972 beide Institute in einer Norm gemeinsam geregelt und mit gleicher Rechtsfolge versehen waren (Art. 171 des C.p.c. von 1806). Nach allem ergibt das französische Recht hinsichtlich der Abgrenzung zwischen Rechtshängigkeit und Konnexität kein klares Bild. Grundsätzlich wird an der formalen Übereinstimmung der drei Klageelemente festgehalten und insbesondere auch Identität der Klageanträge verlangt. Es genügt nicht, daß sich verschiedene Ansprüche zwischen denselben Parteien aus demselben Vertrag ergeben. 53 Daß der EuGH die weite Auslegung des Art. 21 in der Entscheidung Gubisch/Palumbo unter anderem auf den Wortlaut der französischen Fassung ("le meme objet et la meme cause") stützt54 , kann nicht überzeugen, da diese Begriffe im französischen Recht nicht besonders weit ausgelegt werden. 55 Ein strengerer Maßstab wird an das Vorliegen von Klageidentität in Fällen angelegt, die im zwischenstaatlichen Bereich angesiedelt sind. 56 Die französische Fassung des Art. 21 erfaßt zwar im Gegensatz zu der z.B. im französisch-spanischen Abkommen57 verwendeten Formulierung "la meme demande" auch den Fall vertauschter Parteirollen. 58 Ein Argument für eine prinzipiell weite Auslegung ergibt sich hieraus jedoch nicht.

52 GlassonlTissier, Nr. 275, S. 720: "11 y a souvent en cette matiere quelque confusion dans les formules des arrets." 53 Anders nur im Arbeitsrecht, wo gemäß Art. R. 516-1 Code du travail ein erweiterter Begriff der Litispendenz gilt, der alle sich aus einem Arbeitsvertrag ergebenden Ansprüche zwischen denselben Parteien umfaßt. 54 Rdnr. 14 der Entscheidung. 55 So auch lsenburg-Epple, S. 203 f. 56 So wurde Rechtshängigkeit nicht nur in Fällen verneint, in denen zwei Scheidungsklagen auf unterschiedliche Gründe gestützt wurden (Colmar 19.02.1974, D. 1974, somm. 134), sondern auch dann, wenn in dem einen Verfahren französisches Recht angewendet wurde und in dem anderen tunesisches (Lyon 08.10.1980); kritisch dazu Gaudemet-Tallon, Melanges Holleaux (1990), S. 121, 132 f.; vgl. auch oben § 1 IV 1 b. 57 Art. 10 französisch-spanisches Anerkennungs- und Vollstreckungsübereinkommen vom 28.05.1969, Journal officiel, 25.03.1970, S. 2845. 58 Droz, Nr. 304.

m. Abgrenzung nach nationalem Recht von Vertragsstaaten

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3. Belgisches Recht Im belgisehen Recht ist die für die Rechtshängigkeit erforderliche Identität zwischen Klagen gesetzlich in Art. 29 C.j.59 definiert. Wie im französischen Recht wird die Übereinstimmung der drei Klageelemente "objet" , "cause" und "parties agissant en meme qualite" verlangt. Liegt diese dreifache Identität vor, so werden die Klagen nach der Präferenzordnung des Art. 565 C.j. miteinander verbunden. 6O Litispendenz scheidet (anders als im heutigen französischen Recht61 ) aus, wenn eine Klage bereits in zweiter Instanz anhängig ist. 62 Dann greift stattdessen die Einrede der (vorläufigen) Rechtskraft, der "autorite de la chose jugee", ein. 63 Unter Causa wird die tatsächliche Grundlage der Klage verstanden64 , unter Petitum ("objet") das Begehren des Klägers ("la pretention du plaideur, le

resultat qu 'il souhaite obtenir").65 Für die Beurteilung der Identität der Begehren ist nicht deren Wortlaut entscheidend, sondern deren Inhalt. 66 Es ist ausreichend, wenn der Gegenstand des zweiten Verfahrens in dem des ersten Verfahrens enthalten ist. 67 Im belgisehen Recht gibt es ein weiteres Institut neben Litispendenz und Konnexität, das zur Klärung des Grenzbereichs zwischen den beiden Instituten beitragen könnte. Es handelt sich um die in Art. 31 C.j. gesetzlich definierte

59 Art. 29 C.j. lautet: "11 y a litispendance toutes les fois que des demandes sont formees sur le meme objet pour la meme cause, entre les memes parties agissant en meme qualite, devant plusieurs tribunaux differents competents pour en connaitre et ap~eles a statuer au premier degre de juridiction. " o Zum Wortlaut des Art. 565 C.j. siehe unten § 5 Fn. 50. 61 Gemäß Art. 102 NCPC hat sich bei Anhängigkeit der Verfahren in verschiedenen Instanzen das Gericht der niedrigeren Instanz zugunsten des höherinstanzlichen für unzuständig zu erklären, vgl. SoluslPerrot rr, Nr. 819. 62 Rouard I, Nr. 245; Cambier rr, S. 107; Fettweis rr, Nr. 166; Bruxelles 25.11.1970, Pas. 1971, rr, 72. 63 Fettweis rr, Nr. 166. Die "autorite de la chose jugee" greift im Gegensatz zur "force de la chose jugee" gemäß Art. 24 C.j. bereits mit Erlaß jeder eine Instanz abschließenden Entscheidung ein und hindert eine Wiederholung der Klage, auch wenn die Entscheidung inzwischen mit einem Rechtsmittel angegriffen wurde (Art. 25 C.j.), vgl. Rouard I, Nr. 242. 64 Siehe unten IV 2. 65 FettweislKohllLeval I, Nr. 185, 2; vgl. Art. 23 C.j. (in bezug auf die Rechtskraft): "la chose demandee". 66 Repertoire pratique du droit beige, VO Competence, Nr. 1726; De Paepe I, S.259. 67 Fettweis rr, Nr. 162 Fn. 2; Repertoire pratique du droit beige, VO Competence, Nr. 1727; De Paepe I, S. 258.

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§ 4 Abgrenzung der Konnexität zur Rechtshängigkeit

"indivisibilite" (Unteilbarkeit).68 Mehrere Klagen sind "unteilbar", wenn die Beziehung zwischen ihnen so eng ist, daß die bei getrennter Behandlung möglicherweise ergehenden abweichenden Entscheidungen nicht gleichzeitig vollstreckt werden könnten. 69 Die "indivisibilite" wird aber nicht als Institut zwischen Litispendenz und Konnexität angesehen, sondern als verstärkte Konnexität .70 In Grenzfällen zwischen Litispendenz und Konnexität wird auf das Institut der "indivisibilite" nicht eingegangen; diese wird vielmehr nur dort erörtert, wo von verschiedenen, lediglich miteinander zusammenhängenden Klagen ausgegangen wird. Die Funktion dieses Instituts ist es, eine gemeinsame Zuständigkeit für mehrere Klagen herzustellen, wenn diese für erforderlich gehalten wird, aber nach allgemeinen Regeln nicht gegeben wäre. Zur Klärung der Abgrenzung zwischen Litispendenz und Konnexität auf europäischer Ebene kann die "indivisibilite" daher nicht beitragen.

4. Italienisches Recht Im italienischen Recht führt die Rechtshängigkeit zur Abweisung der zweiten Klage (Art. 39 Abs. 1 c.p.c.1 1). Voraussetzung ist, daß "una stessa causa" vor verschiedenen Gerichten anhängig ist. Hierfür kommt es nach einhelliger Auffassung wiederum auf die drei Elemente "soggetti " (Parteien), "oggetto" (Petitum) und "titolo" (Causa petendi) an.1 2 "Una stessa causa" liegt nur vor, wenn die Klagen hinsichtlich aller drei Elemente übereinstimmen. 73 Insbesondere wird formelle Identität des Petitums74 verlangt, so daß es nicht genügt, wenn mehrere Begehren auf demselben RechtsverhäItnis beruhen.1 5 68 Art. 31 C.j. lautet: "Le litige n'est indivisible [... ] que lorsque l'execution conjointe des decisions distinctes auxquelles il donnerait lieu, serait materiellement impossible. " 69 Ebenso im französischen Recht, vgl. SoluslPerrot 11, Nr. 555; Heron, Nr. 879. 70 Fettweis 11, Nr. 203; SoluslPerrot 11, Nr. 553; die Bezeichnung als "connexite renforcee" stammt von Glasson/Tissier I, Nr. 288 b, S. 758. 71 Art. 39 Abs. 1 c.p.c. lautet: "Se una stessa causa e proposta davanti a giudici diversi, quello successivamente adito, in qualunque stato e grado dei processo, anche d'ufficio, dichiara con sentenza la litispendenza e dispone con ordinanza la cancellazione della causa dal ruolo." 72 Vgl. stellvertretend Carpi/Colesanti/Taruffo, Art. 39 C.p.c. Anm. 12 ff. 73 Entsprechend auch im spanischen Recht (Art. 533, 5° LEC), vgl. Ramos Mendez I, S. 492. 74 Das Petitum ist das mit der Klage Begehrte, Mandrioli I, § 29, S. 142: "cib che si chiede con la domanda" . 75 So CampeislDe Pauli, Nr. 56, die dennoch der Entscheidung Gubisch/Palumbo beipflichten, da der europäische Begriff weiter sei als der italienische.

lli. Abgrenzung nach nationalem Recht von Vertragsstaaten

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Neben Rechtshängigkeit und Konnexität gibt es im italienischen Recht ein weiteres Rechtsinstitut, das zwischen den beiden angesiedelt ist, die sog. "continenza" (Art. 39 11 c.p.c.16). Diese greift ein, wenn Parteien und Klagegrund identisch sind und die Begehren nur quantitativ voneinander abweichen. 77 Teilweise wird in der italienischen Literatur angenommen, für "continenza" genüge auch, daß eine Klage in der Rechtskraftwirkung der anderen enthalten ist.1 8 Die Rechtsprechung hat das Institut inzwischen auf Fälle ausgedehnt, in denen die Ansprüche in einem logischen Präjudizialitätsverhältnis stehen79 , sowie auf wechselseitige Klagen, die auf demselben Vertragsverhältnis beruhen und die entgegengesetzte Beantwortung derselben Frage voraussetzen80 (z.B. Klage auf Kaufpreiszahlung und Klage auf Vertragsauthebung81 ). Grund für die Ausdehnung der "continenza" zu Lasten der Konnexität ist, daß die Regelung in Art. 39 Abs. 2 c.p.c. die Vereinigung der Verfahren in weiterem Umfang ermöglicht als Art. 40 c.p.c.82 Im Fall der Identität nur eines von mehreren, kumulativ geltend gemachten Ansprüchen mit einer anderen Klage wird überwiegend Litispendenz angenommen, nicht "continenza" .83 Auch die Konstellation, daß die zweite Klage ein in der ersten vollständig enthaltenes Begehren zum Gegenstand hat, wird von manchen der Litispendenz zugeschlagen. 84 Für die Abgrenzung zwischen Rechtshängigkeit und Konnexität auf europäischer Ebene, wo es nur diese beiden Institute gibt, ist aufschlußreich, welchem der beiden Regelungsbereiche die "continenza" zuzuordnen ist. In 76 Art. 39 Abs. 2 ita!. c.p.c. lautet: "Nel caso di continenza di cause, se il giudice preventivamente adito e competente anche per la causa proposta successivamente, il giudice di questa dichiara con sentenza la continenza e fissa un termine perentorio entro il quale le parti debbono riassumere la causa davanti al prima giudice. Se questi non e competente anche per la causa successivamente proposta, la dichiarazione della continenza e la fissazione dei termine saro da lui pronunciate." 77 Cass. (it.) 08.03.1967, NT. 544; CarpilColesantirrarujfo, Art.39 c.p.c. Anm. 11 2; Allorio/Franchi, Art. 39 c.p.c. Nr. 10; Calamandrei 11, S. 134; Liebman, Manuale I, S. 123; Mandrioli I, § 40 S. 236; Garbagnati, S. 404. 78 Gionfrida, Riv. trim. dir. proc. civ. 1960, 130, 147; Fabi, S. 650. 79 Cass. (it.) 13.10.1980, Nr. 5483; 25.11.1983, Nr. 7083; 25.07.1983, Nr. 5119; 14.06.1983, Nr. 4074; Carpi/Colesantirrarujfo, Art. 39 c.p.c. Anm. 11 3. 80 Cass. (it.) 12.04.1990, Nr. 3146; 02.03.1989, Nr. 1178. 81 Cass. (it.) 28.04.1981, Nr. 2588. Die Konstellation des Falles Gubischl Palumbo wird von manchen allerdings als Konnexitätsfall eingeordnet, so Broggi, Giust. civ. 1988, I, 2166; ebenso Isenburg-Epple, S. 175 f. 82 Balbi, S. 459. 83 Allorio/Franchi, Art. 39 c.p.c. Nr. 10; Fabi, S. 650; a.A. Garbagnati, S. 404: continenza. 84 Gionfrida, Riv. trim. dir. proc. civ. 1960, 130, 148; Massari, Giur. it. 1954, I, 429,431; a.A. Ba/bi, S. 466.

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§ 4 Abgrenzung der Konnexität zur Rechtshängigkeit

Italien wird überwiegend angenommen, bei der "continenza" handele es sich um einen Unterfall der Rechtshängigkeit (partielle Litispendenz).85 Hierfür spricht, daß Rechtshängigkeit und "continenza" heute in derselben Norm geregelt sind (Art. 39 Abs. 1 und 2 c.p.c.).86 Jedoch unterscheidet sich die Rechtsfolge der "continenza" von der der Litispendenz und entspricht der der Konnexität: Während bei Vorliegen von Rechtshängigkeit das zweite Verfahren nicht durchgeführt wird ("cancellazione della causa dal ruolo"), werden im Fall von "continenza" bzw. Konnexität beide Klagen vor einem der beiden Gerichte87 verbunden. Daher nehmen manche an, die "continenza" stehe der Konnexität näher.8 8 Dementsprechend hat die italienische Regierung in ihrer Stellungnahme im Fall Gubisch/Palumbo den Fall der quantitativen Abweichung nur des Petitums als Fall von Konnexität bezeichnet89 und damit implizit die "continenza" dem europäischen Begriff der Konnexität zugeschlagen. Auch nach einer Entscheidung des Tribunale di Livorno90 ist in einem Fall, in dem nach italienischem Recht "continenza" vorliege, nicht Art. 21 einschlägig, sondern Art. 22. 91 Auch das italienische Recht spricht somit für eine Orientierung der Anspruchsidentität i.S.d. Art. 21 an der Übereinstimmung der Klageelemente.

5. Englisches Recht Im englischen Recht wird die doppelte Rechtshängigkeit erheblich flexibler gehandhabt als in den bisher betrachteten Rechtsordnungen. 92 Im Verhältnis zwischen verschiedenen englischen Gerichten kann eine Klage abgewiesen werden ("striking out"), wenn eine entsprechende Klage bereits anderweitig rechtshängig ist, weil dies als Mißbrauch des Verfahrens betrachtet wird 85 Carpi/ColesantilTarujfo, Art. 39 c.p.c. Anm.II 1; Fabi, S.650; Garbagnati, S. 403; Liebman, Manuale I, S. 123. 86 Dagegen war die "continenza" im c.p.c. von 1865 mit der Konnexität zusammen in einem Abschnitt geregelt (Art. 98 ff.), und beide Institute wurden nicht deutlich voneinander unterschieden, vgl. Gionfrida, La competenza, Nr. 66, S. 325; Balbi, S. 458. 87 Bei dem früher angerufenen Gericht, sofern es für beide Klagen zuständig ist. 88 Gionjrida, Riv. trim. dir. proc. civ. 1960, 130, 146; Andrioli, Lezioni I, NT. 30, S. 153. 89 EuGH08.12.1987, Slg. 1987,4861,4865. 90 Tribunale di Livorno 24.11.1989, Vorinstanz zu Corte di cassazione 15.10.1992, Riv. dir. int. priv. proc. 1994,93, die das Vorliegen von "continenza" verneint und daher zu der Frage nicht Position bezogen hat. 91 Anders wohl LG FrankfUrt IPRax 1990,234,235. 92 Vgl. auch die in Kürze erscheinende Dissertation von Norbert Schulte zur Rechtshängigkeit im US-amerikanischen Recht.

III. Abgrenzung nach nationalem Recht von Vertragsstaaten

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("abuse of the process").93 Nach der Doktrin vom "forum non conveniens"94 können die englischen Gerichte die Durchführung eines Verfahrens ablehnen ("stay"), wenn "the same or similar issue" auch vor einem Gericht eines anderen Staates oder Gerichtsgebietes des V .K. anhängig und das andere Gericht insgesamt besser zur Durchführung des Verfahrens geeignet ist. 95 Eine Abgrenzung zwischen "lis alibi pendens" im engeren Sinne (Identität der "cause of action") und "related actions" erfolgt im englischen Recht nicht, da für beide Fallgruppen dieselben Regeln gelten96 , insbesondere auch dieselben Rechtsfolgen eingreifen. Bei der Anwendung der Jorum-non-conveniens-Doktrin wird allerdings ein ausländisches Parallelverfahren desto stärker gewichtet, je enger sein Zusammenhang mit dem englischen Verfahren ist. 97 Der in der englischen Fassung des Art. 21 verwendete Begriff "cause of action" spielt also im autonomen englischen Recht für die Abgrenzung der Rechtshängigkeit keine Rolle. Bei der Bestimmung des Umfangs der Rechtskraft ("res judicata") bezeichnet der Begriff einen als einheitlich empfundenen Problemkomplex, der unter Umständen verschiedene Rechtsfolgen umschließen kann. 98 Die "cause of action" wird nicht wie der Streitgegenstand nach deutschem, französischem, belgischem und italienischem Recht durch den Antrag begrenzt.

6. Ergebnis der Rechtsvergleichung und Folgerungen für Art. 21 In allen untersuchten Rechtsordnungen bis auf das englische Recht werden zur Bestimmung des Umfangs des Rechtshängigkeitseinwandes die drei Klageelemente Parteien, Petitum und Causa petendi verwendet und Rechtshängigkeit nur bei Identität aller drei Elemente bejaht. Dasselbe gilt für den zwischenstaatlichen Bereich aufgrund des autonomen Rechts der Vertragsstaaten sowie gemäß bilateralen Übereinkommen zwischen ihnen. 99 Auch in den vor der Entscheidung Gubisch/Palumbo ergangenen Entscheidungen der vertrags staatlichen Gerichte zu Art. 21 haben die Gerichte - ausgehend von ihren nationalen Rechtshängigkeitsverständnissen - zumeist auf die formale 93 R.S.C. Order 18, r. 19 (d); C.C.R. Order 13, r. 5 (d); vgl. O'HarelHill, S. 202 ff. 94 Siehe oben § 1 IV 1 c. 95 O'MalleylLayton, Nr. 1.43. 96 Kaye, S. 1233 f.; CheshirelNorth, S. 232; Huber, S. 103. 97 Huber, S. 103. 98 Zeuner, FS Zweigert (1981), S. 603, 604; vgl. im einzelnen Spencer Bowerl Turner, Nr. 452 ff. ("the same facts and substantially one and the same ground of complaint"). 99 Siehe oben § 1 IV.

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§ 4 Abgrenzung der Konnexität zur Rechtshängigkeit

Übereinstimmung der drei Klageelemente abgestellt. Allerdings wurde die Identität der Anträge zum Teil großzügig gehandhabt. 100 Das englische Recht liefert hingegen ein Argument für eine Auslegung des Art. 21, die sich nicht an der formalen Übereinstimmung der Anträge orientiert. So meint auch Kaye, es müsse für "the same cause of action" LS.d. Art. 21 genügen, daß die wesentliche tatsächliche und rechtliche Grundlage der Klagen übereinstimmt, auch wenn sich das jeweils Begehrte ("the legal remedies sought") unterscheidet. 101 Überwiegend wird jedoch in der englischen Literatur zum EuGVÜ die Ansicht vertreten, daß aufgrund der anderslautenden Fassungen in den anderen Sprachen "the same cause of action" in Art. 21 insofern enger zu verstehen sei als im nationalen Recht, als neben der "cause" im eigentlichen Sinne auch "the subject-matter" übereinstimmen müsse. 102 Auf den ersten Blick könnte man meinen, der EuGH habe sich in der Entscheidung Gubisch/Palumbo, in der er eine formale Beschränkung des Streitgegenstandsbegriffs abgelehnt hat l03 , dem Begriff der "cause of action" des englischen Rechts angenähert. Jedoch bezieht sich der Gerichtshof ausdrücklich auf die Definitionselemente Causa und Petitum und meint, auch die englische Fassung sei wie die der anderen Sprachen zu verstehen. 104 Dem ist zuzustimmen, da der Begriff "cause of action" im autonomen englischen Recht keine Bedeutung für die Abgrenzung der Rechtshängigkeit hatlOS und insofern auch für die Auslegung des Art. 21 nicht ausschlaggebend sein kann. Aus der Fassung des Art. 21 in den verschiedenen Sprachen LV.m. der Rechtslage in den Vertragsstaaten ergibt sich demnach, daß für den europäischen Begriff der Anspruchsidentität an die Übereinstimmung der drei Klageelemente anzuknüpfen ist. Der Inhalt der Klageelemente wird aber - zum Teil schon innerhalb der nationalen Rechtsordnungen - unterschiedlich gefaßt. Daher ist nun zu untersuchen, was unter den drei Elementen "Parteien", "Grundlage" und "Gegenstand" des Anspruchs im Rahmen des Art. 21 im einzelnen zu verstehen ist.

100 So hat z.B. ein niederländisches Gericht Art. 21 in einem Fall angewendet. in dem sich eine Klage auf Schadensersatz wegen Veruntreuung einer Briefmarkensammlung sowie wegen unrechtmäßiger Beschlagnahme von Vermögensbestandteilen und eine Klage auf Rückgabe der Briefmarkensammlung und Aufhebung der Beschlagnahme gegenüberstanden, Arrondissementsrechtbank 's-Gravenhage 15.03.1978, Nachschlagewerk D 1-21 - B 5. 101 Kaye, S. 1226. 102 CheshireiNorth, S. 327. 103 Rdnr. 17 der Entscheidung.

104 EuGH06.12.1994, Maciej Rataj, Sgl. 1994,1-5439,5475 (Rdnr. 38). 105 Siehe oben 5.

IV. Der Inhalt der Klageelemente

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IV. Der Inhalt der Klageelemente

1. Parteien Art. 21 verlangt Übereinstimmung der an beiden Verfahren beteiligten Parteien. Hierfür wird in den vertragsstaatlichen Rechtsordnungen überwiegend nicht auf die Parteirollen abgestellt. 106 Dementsprechend liegt Parteiidentität gemäß Art. 21 auch vor, wenn die Partei, die in dem einen Verfahren als Kläger auftritt, in dem anderen Beklagter ist. 107 Dieses Verständnis beruht darauf, daß das Institut der Rechtshängigkeit nicht nur vor mehrfacher Klageerhebung wegen derselben Sache schützen, sondern auch Entscheidungsharmonie und Prozeßökonomie fördern soll. 108 Für die Beurteilung der Parteieigenschaft kann zum einen auf die formale Stellung im Prozeß, zum anderen auf die materielle Rechtsposition abgestellt werden. Nachjranzösischem Recht müssen für das Vorliegen von Rechtshängigkeit die Parteien in beiden Verfahren nicht unbedingt nominell identisch sein; erforderlich ist aber, daß sie in derselben Funktion auftreten ("la meme qualite").109 Daran fehlt es z.B., wenn dieselbe Person in einem Verfahren als Vormund, als Konkursverwalter oder als Beauftragter tätig ist, in dem anderen dagegen für sich selbst. llo Dasselbe gilt für das italienische Recht: Die Parteien müssen "nella stessa qualita " auftreten, also nicht in dem einen Verfahren für sich selbst und in dem anderen als Vertreter oder Organ eines anderen. 111 Abgestellt wird auf die materielle Rechtsposition, auf die Rechts-

106 Für das autonome französische Recht Huet, J-cl. dr. int.. Fasc. 581-D, 2. cah .. Nr. 61; dagegen liegt nach Ansicht von Mayer, Nr. 446 Fn. 143, im Falle vertauschter Parteirollen "eher Konnexität als Litispendenz" vor; für das italienische Recht CarpilColesanti/Taruffo, Art. 39 c.p.c. Anm. I 5; für das deutsche Recht SteinlJonaslSchumann, § 261 ZPO Rdnr. 55. Im autonomen englischen Recht wird den Parteirollen dagegen im Rahmen der Ermessensentscheidung bei lis alibi pendens Bedeutung zuerkannt (siehe oben § 1 IV 1 c); übereinstimmende ParteirolIen verlangt z.B. auch das französisch-spanische Anerkennungs- und VolIstreckungsabkommen vom 28.05.1969, siehe oben m 2. 107 BülowlBöckstiegellMüller I, S. 606.169 f.; Schütze, RIW 1975, 78, 79; Kropholler, EZPR, Art. 21 Rdnr.3; Kaye, S. 1228; Droz, Nr. 304; Huet, Clunet 1988,537,540; GothotlHolieaux, Nr. 218; Bernheim, Schweiz. JurZ 1994,133,138; so auch der EuGH in der Entscheidung Maciej Rataj, Rdnr. 31. 108 So auch Kerameus, FS Schwab (1990), S. 257, 261. 109 SoluslPerrot 11, Nr.808 a; Sohm-Bourgeois, J.-cl. proc. civ., Fasc. 213-2 Nr. 8; Julien, Enc. Dalloz proc., VO Litispendance, Nr. 12. 110 SoluslPerrot 11, Nr. 808 a; Julien, Enc. Dalloz proc., VO Litispendance, Nr. 12. 111 Calamandrei, S. 153; Gionfrida, La competenza, S. 322; CarpilColesantii Taruffo, Art. 39 c.p.c. Anm. 14; Andrioli, Lezioni I, Nr. 49, S. 251.

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§ 4 Abgrenzung der Konnexität zur Rechtshängigkeit

trägerschaft, nicht hingegen auf die formale Stellung im Verfahren. 112 . Dies steht im Gegensatz zum formellen Parteibegriff des deutschen Rechts, nach dem die Parteieigenschaft unabhängig von der materiell-rechtlichen Beziehung zwischen den Parteien bestimmt wird. 113 Danach ist selbst Partei, wer über ein fremdes Recht kraft eigenen Rechts (im eigenen Namen) einen Rechtsstreit führt, so z.B. nach h.M. der Konkursverwalter. 1l4 Für die Beurteilung der Parteiidentität kommt es jedoch letztlich nicht auf die (nach formalen Kriterien zu bestimmende) Parteieigenschaft, sondern auf die Reichweite der Urteilswirkungen an. 1l5 Auch wenn der Rechtsträger nicht selbst Partei ist, erstreckt sich die Ausschlußwirkung der Rechtshängigkeit regelmäßig auf ihn. Trotz der Geltung unterschiedlicher Parteibegriffe in den nationalen Rechtsordnungen ergeben sich folglich bei der Beurteilung der Parteiidentität im Ergebnis keine wesentlichen Unterschiede. Auch für die Parteiidentität gemäß Art. 21 ist demnach auf die materielle Position, auf die Rechtsträgerschaft, abzustellen. 116 Bei tatsächlicher Identität der beteiligten Personen ist weiterhin erforderlich, daß sie in derselben "Funktion" auftreten, also nicht im einen Verfahren ein fremdes Recht geltend machen und im anderen ein eigenes. Parteiidentität LS.d. Art. 21 wurde zu Recht verneint in einem Fall, in dem in einem deutschen Verfahren das Kind, vertreten durch seine Mutter, seinen Unterhaltsanspruch einklagte, während in einem italienischen Verfahren die Mutter für das Kind klagte, da nach italienischem Recht nicht das Kind Gläubiger des Unterhaltsanspruchs ist, sondern der andere Ehegaue. 1l7 In England stellt sich das spezielle Problem, ob Parteiidentität LS.d. Art. 21 im Verhältnis zwischen einer Klage (dinglichen) "in rem" und einer (persönlichen) Klage "in personam" anzunehmen ist. 118 Unklar ist, ob es sich hierbei überhaupt um eine Frage der Parteiidentität handelt; man könnte es 112 Mandrioli I, § 28, S. 136 ff. 113 H.M., vgl. Rosenberg/Schwab/Gottwald, § 40 I 1. 114 So die Amtstheorie, RGZ 29,29; BGHZ 88,335. 115 Identität der Parteien besteht, so weit die subjektive Rechtskraft reicht, Zöller/ Greger, § 261 ZPO Rdnr. 8; Stein/Jonas/Schumann, § 261 ZPO Rdnr. 55; Rosenberg/Schwab/Gottwald, § 100 m 1 b; Jauernig, § 40 II. 116So auch MünchKomm-Gottwald, Art. 21 EuGVÜ Rdnr. 6. 117 BGH NJW 1986,662. Zu eng wohl Cass. (fr.) 03.04.1978, D. 1978, info rap. 367: keine Parteiidentität im Verhältnis zwischen einer Klage gegen eine Gesellschaft und einem Schadensersatzantrag in einem Strafverfahren gegen die geschäftsführenden Gesellschafter der Gesellschaft; siehe oben § 3 II. 118 Dagegen The Nordglimt [1987] 2 L1oyd's Report 470 (Q.B.); dafür The Linda [1988] 1 L1oyd's Rep. 175 (Q.B.), da sich die Klage gegen das Schiff nach Sicherheitsleitung durch den Eigentümer in eine Klage in personam umgewandelt hatte; vgl. zu beiden Entscheidungen Woloniecki, 157, 168 ff.

IV. Der Inhalt der Klageelemente

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etwa auch als Frage der Rechtsschutzfonn ansehen. Der EuGH hat auf die Frage des englischen Court of Appeal im Fall Maciej Rataj, ohne das Problem unter eines der Klageelemente einzuordnen, entschieden, daß die im nationalen englischen Recht vorgenommene Unterscheidung zwischen den verschiedenen Klagefonnen im Rahmen von Art. 21 unbeachtlich sei. 119

2. Causa Die Causa ist die Grundlage der Klage. Zu klären ist, ob für Klageidentität i.S.d. Art. 21 nur die tatsächliche oder auch die rechtliche Grundlage der Klagen übereinstimmen muß. Identität des Streitgegenstandes setzt nach überwiegender Meinung im deutschen Recht eine übereinstimmende tatsächliche Grundlage voraus. 120 Der materielle Streitgegenstandsbegriff, von dem der Gesetzgeber der ZPO ausgegangen war 121 , wurde durch ein prozessuales Verständnis abgelöst, nach dem die rechtliche Begründung der Klage mit Anspruchsgrundlagen und Rechtsbegriffen belanglos ist. Im französischen Recht besteht keine Einigkeit über den Begriff der "cause" .122 Während die Rechtsprechung annimmt, daß die rechtliche Grundlage ("le fondement juridique de la demande") übereinstimmen muß123, stellt die Lehre heute überwiegend auf die tatsächliche Grundlage, die Gesamtheit der klagebegTÜndenden Tatsachen ("complexe des faits allegues") ab. 124 Da 119 EuGH06.12.1994, Sgl. 1994,1-5439,5477 (Rdnr. 47); zustimmend Huber, JZ 1995,603,610; so bereits Hogan, European Law Review 1990, 81, 83 f. 120 So die herrschende zweigliedrige Streitgegenstandstheorie, siehe oben m 1. 121 Vgl. Habscheid, Streitgegenstand, S. 20 ff. 122 Julien, Enc. Dalloz proc., V O Litispendance, Nr. 5; Martin, D. 1988, chron. 312; SoluslPerrot m, Nr. 69: "une des notions les plus controversees". 123 Danach stellt grundsätzlich jede gesetzliche Vorschrift eine eigene Causa dar; so besteht keine Identität zwischen einer Klage auf Schadensersatz aus Verschuldenshaftung (Art. 1382 C.c.) und einer Klage aus Gefährdungshaftung (Art. 1384 Abs. 1 C.c.), auch wenn beiden dasselbe schädigende Ereignis zugrundeliegt, Cass. (fr.) 03.01.1940, D. 1940, 61; 14.11.1934, S. 1935, I, 136; Colmar 27.06.1935, Rev. Als.-Lorr. 1936, 47, 48. 124 Begründet von Motulsky, D. 1964, chron. 235 ff.; ebenso SoluslPerrot m, Nr. 71; Perrot, Enc. Dalloz proc., V O Chose jugee, Nr. 170 ff.; Viatte, Gaz. Pal. 1976, doctr. 354. Eine vermittelnde Meinung stellt auf die Gesamtheit der in einer bestimmten Weise rechtlich qualifizierten Tatsachen ("ensemble des faits juridiquement qualifies") ab, da man tatsächliche und rechtliche Elemente nicht streng voneinander trennen könne, so insbesondere Hebraud, Rev. trim. dr. civ. 1966, 123, 125 ff. Vgl. zu den verschiedenen Theorien im einzelnen SoluslPerrot m, Nr. 70; Kössinger, S. 75 ff.

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der Richter eine andere juristische Begründung zugrundelegen kann 125 , könne die Identität nicht von den geltend gemachten Anspruchsgrundlagen abhängen.1 26 Unabhängig von diesem Streit muß jedenfalls nur die sog. "causa proxima" übereinstimmen ("le fondement direct et immediat de la pretention"127), nicht auch die "moyens"128. In Belgien war früher der Begriff des Klagegrundes wie in Frankreich umstritten. Seit der Reform von 1967 ist jedoch in Art. 807 C.j.129 festgelegt, daß der Klagegrund die Gesamtheit der zur Klagebegründung vorgetragenen Tatsachen ist, während die zur Begründung genannten rechtlichen Grundlagen als "exterieurs a la cause" anzusehen sind. 130 Im italienischen Recht ist die Causa petendi nach überwiegender Meinung die Gesamtheit der tatsächlichen Umstände, die zusammen mit den vom Kläger dargestellten rechtlichen Gründen das Klagebegehren rechtfertigen. 131 Insgesamt überwiegt in den hier untersuchten nationalen Rechtsordnungen demnach deutlich die Auffassung, daß der Vergleichsgegenstand, der durch den Begriff Klagegrund bzw. Causa petendi bezeichnet wird, die tatsächliche Grundlage der Klage, also der zugrundeliegende Lebenssachverhalt ist. Hierbei ergibt sich allerdings die Schwierigkeit, daß sich nicht eindeutig abgrenzen läßt, was noch einen anderen Aspekt desselben Sachverhalts und was demgegenüber bereits einen eigenen Sachverhalt darstellt. 132 In der Praxis ist die Abgrenzung trotz allem meist unproblematisch. So ist z.B. ein Verkehrsunfall ein einheitliches Geschehen, ebenso ein Vertrag. Hingegen ist beispielsweise eine Wechsel- oder Scheckvereinbarung im Verhältnis zum

125 Art. 12 NCPC enthält den Grundsatz "iura novit curia".

126 Viatte, Gaz. Pa!. 1976, doctr. 354 f. 127 SoluslPerrotm, Nr. 73; Perrot, Enc. Dalloz proc., VO Chosejuge, Nr. 171. 128 Auch "causae remotae" genannt; das sind "Ies arguments de fait ou de droit qu'un plaideur apporte a la barre pour justifier sa pretention", Perrot, Enc. Dalloz proc., VO Chosejuge, Nr. 173. Zur im einzelnen umstrittenen Abgrenzung zwischen "cause" und "moyen" vg!. Fourcade, Nr. 22; SoluslPerrot m, Nr. 73; Kössinger, S. 79 ff. 129 Art. 807 C.j. lautet: "La demande dont le juge est saisie peut etre etendue ou modifiee, si les conclusions nouvelles, contradictoirement prises, sont fondees sur un fait ou un acte invoque dans la citation, meme si leur qualification juridique est differente. " 130 FettweislKohllLeval I, Nr. 185-3. 131 AlioriolProto Pisani, Art. 99 c.p.c. Nr. 6, S. 1061 f.; Mandrioli I, § 29, S. 145 ff.; dies wird damit begründet, daß die rechtliche Begründung des Anspruchs vom Gericht geändert werden kann. 132 Der BGH, NJW 1981,2306, hat formuliert, die Sachverhalte müßten ihrem "Wesen" nach identisch sein.

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zugrundeliegenden Vertrag nach h.M. im deutschen Recht ein selbständiger Sachverhalt. 133 Der EuGH stellt im Fall Gubisch/Palumbo hinsichtlich der Causa darauf ab, Grundlage beider Rechtsstreitigkeiten sei dasselbe Vertragsverhältnis. 134 Hieraus könnte man schließen, daß der EuGH die Rechtshängigkeit - entsprechend der französischen Rechtsprechung - auf Ansprüche aus Kaufvertrag beschränken und z.B. solche aus Bereicherung, Delikt oder culpa in contrahendo ausschließen wolle.1 35 Das Abstellen auf das Vertragsverhältnis bedeutet jedoch kein eindeutiges Bekenntnis zur Relevanz der materiell-rechtlichen Anspruchsgrundlage. In der Entscheidung Maciej Rataj formuliert der EuGH, der Begriff der "Causa" in Art. 21 enthalte den Sachverhalt und die RechtsvorschriJt, auf die die Klage gestützt wird. 136 Dies könnte bedeuten, daß sowohl tatsächliche als auch rechtliche Grundlage der Klagen übereinstimmen müssen. Es wird aber nicht deutlich, wann dieselbe "Rechtsvorschrift" zugrundeliegt. Der EuGH scheint insofern keine hohen Ansprüche zu stellen, denn er hebt im konkreten Fall darauf ab, daß es in beiden Verfahren um die Haftung für Schäden an derselben Ladung gehe, die unter denselben Umständen beschädigt wurden, ohne zu konkretisieren, ob es sich um vertragliche oder um deliktische Ansprüche handelt. Gegen die Einbeziehung der rechtlichen Grundlage spricht neben der rechtsvergleichenden Analyse auch, daß im Falle der Anwendbarkeit unterschiedlichen Sachrechts die verschiedenen rechtlichen Einordnungen verglichen werden müßten. Dies würde zu erheblichen Schwierigkeiten führen. Außerdem entstünden durch eine Einbeziehung der materiell-rechtlichen Grundlage Ungereimtheiten mit den nationalen Rechtskraftverständnissen . Meines Erachtens ist es daher zutreffend, für die "Causa" in Art. 21 nur auf die tatsächliche Grundlage abzustellen. Mehrere Klagen haben dieselbe Grundlage, wenn ihnen derselbe Tatsachenkomplex zugrundeliegt, insbesondere wenn sie sich auf dasselbe Vertragsverhältnis oder auf dasselbe schädigende Ereignis beziehen. 137

133 RGZ 160, 338, 347; Jauernig, § 37 m 2 a.E.; Thomas/Putzo, § 261 ZPO Rdnr. 14; anders hier die eingliedrige Theorie, vgl. Schwab, S. 127. 134 EuGH08.12.1987, Gubisch/Palumbo, Sgl. 1987,4861,4875 (Rdnr. 15). 135 So pteijJer, Jahrbuch 1991, S. 71, 84. 136 Rdnr. 39 der Entscheidung. 137 Gemäß Art. 20 des Haager Übereinkommens vom 01.02.1971 (abgedruckt in Rev. crit. 1966, 328 ff.) liegt Rechtshängigkeit vor, wenn eine andere Klage "entre les memes parties, lomtees sur [es memes laits et ayants le meme objet" bereits in einem anderen Vertrags staat anhängig ist.

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3. Petitum

a) Begriff des Petitums Über den Begriff des Petitums besteht in den nationalen Rechtsordnungen der Vertragsstaaten Einigkeit: Das Petitum ist das mit der Klage geäußerte Begehren, das sich im Klageantrag ausdrückt. 138 Der EuGH weicht hiervon in der Entscheidung Gubisch/Palumbo ab, indem er auf den "Kernpunkt" der Streitigkeiten abstellt, der in beiden Klagen die Wirksamkeit des Vertrages sei. 139 Was allgemein unter dem "Kernpunkt" einer Klage zu verstehen ist, wird in der Entscheidung jedoch nicht deutlich. 140 Genügte hierfür bereits, daß sich verschiedene Ansprüche auf denselben Vertrag gründen, so ginge dies erheblich über die nationalen Rechtshängigkeitsverständnisse hinaus. 141 Vor der Entscheidung Gubisch/Palumbo haben die vertragsstaatlichen Gerichte für Rechtshängigkeit i.S.d. Art. 21 im allgemeinen nicht genügen lassen, daß unterschiedliche Ansprüche auf demselben Vertrag beruhen. So wurde Z.B. im Verhältnis zwischen einer Klage auf Zahlung des Restkaufpreises und einer Klage auf Minderung des Kaufpreises bzw. auf Schadensersatz wegen Mängel der Kaufsache die Anwendung des Art. 21 mangels Anspruchsidentität verneint. 142 Nach der Entscheidung Gubisch/Palumbo hat die italienische Corte di cassazione 143 Rechtshängigkeit LS.d. Art. 21 zwischen gegenseitigen Klagen auf Aufhebung eines Agenturvertrags bejaht, obwohl mit der späteren italienischen Klage zusätzlich ein Anspruch auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung geltend gemacht wurde. Die Schadensersatzklage sei nur akzessorisch im Verhältnis zur Klage auf Vertragsaufhebung und ändere daher gemäß der weiten Auslegung durch den EuGH nichts an der Identität des Petitums. 144 Der Begriff der Anspruchsidentität wurde jedoch von den nationalen Gerichten nicht generell auf verschiedene Klagen um die Wirksamkeit desselben Vertra138 Siehe oben ml bis 4. 139 Rdnr. 16 der Entscheidung, zustimmend M. Koch, S. 75 f.: Beide Verfahren

hätten den gleichen "Gegenstand", nämlich die Wirksamkeit desselben Vertrages. 140 Pfeiffer, Jahrbuch 1991, S. 71, 84, kritisiert daher auch die "Schwammigkeit" des Begriffs. 141 Siehe oben m. 142 Tribunale di Bassano del Grappa 13.02.1976, Riv. dir. int. priv. proc. 1978, 74; OLG Hamm RIW 1986, 383. Dagegen hat die Corte d'appello di Milano 26.09.1978, Nachschlagewerk D 1-21 - B 4, in einem entsprechenden Fall Klageidentität bejaht. 143 Cass. (it.) 15.10.1992, Nr. 11262. 144 Die Vorinstanz hatte dagegen angenommen, es liege "continenza" vor, was zur Anwendbarkeit von Art. 22 EuGVÜ führe, vgl. oben m4.

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ges ausgedehnt. So hat das LG Frankfurt 145 Konnexität LS.d. Art. 22 und nicht Rechtshängigkeit angenommen zwischen der Klage eines Handelsvertreters in Italien auf Entschädigung wegen Vertragsbeendigung sowie auf Provisionszahlungen und der nachfolgenden Klage gegen den Handelsvertreter auf Zahlung des Preises für Waren, die im Rahmen desselben Handelsvertretervertrags geliefert worden waren. Ebenso hat die französische Cour de cassation 146 Rechtshängigkeit i.S.d. Art. 21 verneint im Verhältnis zwischen einer Kaufpreisklage und einer späteren Klage des Käufers auf Schadensersatz wegen Mängeln der Kaufsache. Aus der Entscheidung des EuGH im Fall Gubisch/Palumbo haben die Gerichte der Vertragsstaaten demnach nicht so weitgehende Folgerungen gezogen, wie man aus dem Kriterium des gemeinsamen Kernpunktes hätte entnehmen können. Es wurde im wesentlichen, anders allerdings zum Teil hinsichtlich der Klageart 147 , an der Übereinstimmung der Klageanträge festgehalten. Da in Art. 21 Abs. 1 eindeutig auf das Begehren abgestellt wird, kann mit dem "Kernpunkt"-Argument nur gemeint sein, daß die Übereinstimmung der Klageanträge großzügig beurteilt werden soll. In der Entscheidung Maciej Rataj bezieht sich der EuGH selbst nicht mehr in erster Linie auf den Kernpunkt, sondern geht davon aus, daß "Gegenstand" einer Klage deren Zweck sei. Das eigentliche Problem stellt sich also nicht hinsichtlich des Begriffs des Petitums, sondern bei der Beurteilung, wann mehrere nicht genau gleichlautende Begehren identisch sind.

b) Identität und Teilidentität aa) Der Begriff der Identität Nach logisch-mathematischem Verständnis liegt Identität jedenfalls zwischen einem Gegenstand und sich selbst vor. 148 Darüber, ob zwei verschiedene Gegenstände, die in sämtlichen Eigenschaften übereinstimmen, auch als im logischen Sinne identisch bezeichnet werden können (Identität als Universalgleichheit)149, besteht schon keine Einigkeit mehr. 150 Im Rahmen 145 LG Frankfurt IPRax 1992, 389; dazu bereits oben § 3 11. 146 Cass. (fr.) 27.10.1992, D. 1992, info rap. 262. 147 Siehe unten c bb. 148 Weinberger, Rechtslogik, S. 192: "Die Aussageform 'x ist identisch mit y' wird nur dann erfüllt, wenn die an Stelle von 'x' und 'y' stehenden Namen denselben Gegenstand bezeichnen. " 149 So die von Leibniz stammende Lehre der Identität der ununterscheidbaren Dinge (identitas indiscernibilium). 150 Vgl. Weinberger, Rechtslogik, S. 192. 8 Lüpfen

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§ 4 Abgrenzung der Konnexität zur Rechtshängigkeit

der Voraussetzungen der Rechtshängigkeit kann Identität zwischen Klagen nur im Sinne einer Übereinstimmung ihrer Eigenschaften verstanden werden. Im Gegensatz zum logischen Identitätsbegriff ist der juristische ein normativer Begriff. 151 Im Hinblick auf den Bezugspunkt der Identitätsbeurteilung bedeutet dies, daß nicht alle, sondern nur bestimmte, wesentliche Eigenschaften übereinstimmen müssen. Klageidentität wird z.B. nicht schon dadurch ausgeschlossen, daß die Klagen vor verschiedenen Gerichten und zu verschiedener Zeit erhoben worden sind. Die eine Klage individualisierenden Eigenschaften sind im Rahmen des Art. 21 Parteien, Petitum und Causa petendi. 152 Andere Eigenschaften können differieren, ohne daß sich dies auf die Identität der Klagen auswirkt. Der juristische Begriff der Identität wird als Bezeichnung für einen bestimmten Grad an Übereinstimmung verwendet. Wann die Übereinstimmung weit genug geht, um Identität bejahen zu können, ist keine reine Erkenntnisfrage, sondern Ergebnis einer Wertung. Zu untersuchen ist daher, welcher Grad an Übereinstimmung für die Rechtshängigkeit gemäß Art. 21 erforderlich ist. Unproblematisch ist zunächst die Identität von Klagen mit unmittelbar entgegengesetzten Begehren. Wird in der zweiten Klage das kontradiktorische Gegenteil von dem verlangt, was in der ersten begehrt wird (z.B. positive und negative Feststellungsklage hinsichtlich desselben Rechtsverhältnisses), ist nach allgemeiner Auffassung Identität zu bejahen. 153 Obwohl in diesen Fällen die Anträge ihrer Formulierung nach nicht identisch sind, wird allgemein davon ausgegangen, daß beide letztlich in ihrem Ziel übereinstimmen, weil die Bejahung der einen Rechtsfolge notwendig auch die Verneinung der anderen (und umgekehrt) bedeutet. 154 Weiterhin könnte man annehmen, es genüge eine Teilidentität in dem Sinne, daß das eine Begehren in dem anderen enthalten ist.

bb) Das Problem der Teilidentität Teilidentität von Klagen bedeutet, daß die eine Klage einen geringeren Umfang als die andere hat und darin vollständig enthalten ist. Gegen die Einbeziehung der Teilidentität in den Anwendungsbereich der Rechtshängigkeit könnte man einwenden, daß es in diesen Fällen an der Umkehrbarkeit fehle, die der Begriff der Identität aus logischer Sicht gerade zwingend voraus151 Domenig, S. 70.

152 Siehe oben III 6. 153 So auch EuGH 06.12.1994, Maciej Rataj, Sgl. 1994, 1-5439, 5475 (Rdnr. 43).

154 BGH NJW 1986, 2508, 2509; Rosenberg/Schwab/Gottwald, § 154 H; Jauernig

§ 63 H.

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setzt. 155 Dieser Einwand trifft aber bei richtigem Verständnis des Begriffes "Teilidentität" nicht zu. Dieser meint nämlich nicht Identität zu einem Teil, sondern Identität eines Teils der ersten Klage mit der (gesamten) zweiten Klage. Diese Aussage ist auch umkehrbar, denn die zweite Klage ist ihrerseits mit einem Teil der ersten identisch. Zwingende logische Gründe stehen der Einbeziehung der Teilidentität daher nicht entgegen. Stimmen mehrere Klagen nicht vollständig überein, so liegt es an sich nahe, nicht die Rechtshängigkeitsregel, sondern die über zusammenhängende Verfahren anzuwenden. Es kommt aber auch in Betracht, Identität nur hinsichtlich des sich deckenden Teils anzunehmen: Wenn in einem Verfahren zwei selbständige Begehren geltend gemacht werden und in einem zweiten Verfahren nur eines davon, hat das erste Verfahren in Wirklichkeit zwei Gegenstände, von denen einer mit dem Gegenstand des anderen Verfahrens identisch ist. Entsprechendes gilt für den Fall, daß zwei Begehren, die auf Leistung eines Geldbetrages oder einer Menge aus einer Gattung gerichtet sind, sich lediglich in der Höhe unterscheiden, so daß das eine Begehren vollständig in dem anderen enthalten ist. In diesen beiden Fallgruppen ergibt sich aus den Anträgen selbst, daß der Gegenstand des einen Verfahrens ganz von dem des anderen umfaßt wird. Hier kann Art. 21 ohne weiteres angewendet werden, wenn die weitergehende Klage zuerst und die darin enthaltene später erhoben worden ist. 156 Im umgekehrten Fall - wenn die umfassendere Klage die später erhobene ist - kann die zweite Klage nicht insgesamt abgewiesen werden, weil sie über die erste hinausgeht, und die erste kann nicht gemäß Art. 21 für unzulässig erklärt werden, weil nach dieser Vorschrift immer das zuerst eingeleitete Verfahren durchgeführt werden muß. Ist das Begehren teilbar I57 , kommt allerdings in Betracht, die zweite Klage nur zu dem mit der ersten übereinstimmenden Teil abzuweisen, während der darüber hinausgehende Teil anhängig bleibt. 158 Hierfür hat sich der EuGH im Fall Maciej Rataj im Hinblick auf eine partielle Identität der Parteien ausgesprochen. Wenn an dem späteren Verfahren außer den Parteien des früheren Verfahrens weitere Personen beteiligt sind, habe sich das später angerufene Gericht gemäß Art. 21 für unzuständig zu erklären, soweit die Parteien übereinstimmen; in bezug auf die

155So Larsson, Scandinavian Studies in Law 1977,159,172: "unusual asymmetrical use of the term identical". 156 So auch im nationalen deutschen und belgischen Recht, siehe oben III 1 und 3. 157 Ob ein Klageantrag teilbar ist, richtet sich nach der lex fori. 158 So wird es im deutschen Recht gehandhabt und wohl auch im belgischen, vgl. Repertoire pratique du droit beige, VO Competence, Nr. 1726; nicht dagegen im französischen Recht, siehe oben III 2. 8"

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anderen Parteien sei das Verfahren weiterzuführen bzw. Art. 22 anzuwenden. 159 Problematischer sind die Fälle, in denen das Begehren nicht teilbar ist, aber in dem weitergehenden Verfahren auch über das in dem anderen Verfahren geltend gemachte Begehren entschieden wird, wenn z.B. die zweite Klage eine Vorfrage des mit der ersten Klage geltend gemachten Anspruchs zum Gegenstand hat. Hier könnte Art. 21 eingreifen, wenn die in der anderen enthaltene Klage die spätere ist. In diesem Sinne könnte man die Entscheidung Gubisch/Palumbo verstehen. 160 Der EuGH hat jedoch nicht darauf abgestellt, daß die Feststellungsklage mit der Kaufpreisklage teilweise identisch sei, sondern die Annahme von Identität damit begründet, daß beide Klagen denselben Kernpunkt hätten. Insbesondere hat sich der Gerichtshof nicht damit auseinandergesetzt, ob in dem Kaufpreisurteil rechtskräftig auch über die Wirksamkeit des Kaufvertrages entschieden würde. Dies wäre nach den nationalen Rechtsordnungen der Vertragsstaaten überwiegend nicht der FalP61 Ein eigenes europäisches Rechtskraftverständnis ist bisher nicht geschaffen worden und kann auch der Entscheidung Gubisch/Palumbo nicht entnommen werden. 162 Ob es genügt, wenn eine Klage in der anderen enthalten ist und wonach sich dies richtet, kann an dieser Stelle noch nicht abschließend beurteilt werden.

c) Die Rechtsschutzform als Element des Begehrens In der Praxis stellt sich häufig die Frage, ob Art. 21 Anwendung findet, wenn mit zwei Klagen zwar derselbe Anspruch verfolgt wird, aber die Rechtsschutzform nicht übereinstimmt. Besonders relevant ist das Verhältnis zwischen Leistungs- und Feststellungsklage.

159 EuGH 06.12.1994, Maciej Rataj, Sgl. 1994, 1-5439, 5474 (Rdnr. 34); so auch Kloeckner/Gatoil [1990] 1 Lloyd's Rep. 177 (Q.B.), die Frage war dort allerdings nicht entscheidungserheblich, da der High Court das zuerst angerufene Gericht war. 160 So Heron, Nr. 888. 161 Insbesondere nach deutschem und italienischem Recht nicht; wohl aber unter Umständen nach französischem Recht, nach dem sich die Rechtskraft auf sog. "motifs (decisoires) soutien necessaire du dispositif" erstreckt, soweit darüber gestritten wurde, vgl. Kössinger, S. 96 ff.; Perrot, Enc. Dalloz proc., VO Chose jugee, Nr. 82 ff.; Zeuner, FS Zweigert (1981), S. 603, 610. 162 Leipold, GS Arens (1993), S. 227, 240 f.

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aa) Rechtshängigkeit und Rechtsschutzform in nationalen Rechtsordnungen In den vertragsstaatlichen Rechtsordnungen wird für das Vorliegen von Rechtshängigkeit überwiegend die Übereinstimmung der Rechtsschutzform verlangt. Rechtshängigkeit wird daher insbesondere im Verhältnis zwischen einem Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz und der Hauptsacheklage abgelehnt. 163 Im italienischen Recht wird das Problem der Rechtsschutzform dogmatisch erfaßt, indem im Hinblick auf das Petitum unterschieden wird zwischen dem sog. "oggetto immediato" und dem sog. "oggetto mediato". Das "unmittelbare Begehren" meint die Beantragung eines bestimmten prozessualen Vorgehens ("provvedimento") des Gerichts (z.B. eine Verurteilung, eine Feststellung oder eine Sicherungsmaßnahme), das "mittelbare" Begehren die Leistung eines bestimmten Rechtsguts von der Gegenpartei 164. Beides muß für das Vorliegen von Rechtshängigkeit identisch sein. 165 Auch im deutschen Recht geht die herrschende Meinung davon aus, daß zu dem materiellen Begehren ein prozessuales hinzukommt bzw. die Rechtsschutzform im Element des Begehrens enthalten ist. 166 Bei unterschiedlichen Klagearten liegt danach keine Klageidentität vor. Dies gilt insbesondere im Verhältnis zwischen positiver oder negativer Feststellungsklage und Leistungsklage, auch wenn die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens desselben Anspruchs begehrt wird, der auch mit der Leistungsklage geltend gemacht wird. 167 Der Streitgegenstand der Leistungsklage schließt allerdings den der Feststellungsklage ein. 168 Er geht insofern darüber hinaus, als er zusätzlich zur Feststellung der Leistungspflicht die Verurteilung zur Leistung enthält. Daher hängt das Vorliegen von Rechtshängigkeit zwischen Feststellungs- und Leistungsklage von der Reihenfolge ihrer Erhebung ab 169 : Wird zuerst Leistungsklage erhoben und danach eine positive oder negative Fest163 Für dasjranzösische Recht: Cass. (fr.) 17.05.1982, BuH. civ. 1982,11, Nr. 75; Rouen 08.03.1949, D. 1949, somm. 52. Für das belgische Recht: Bruxelles 10.06.1988, Pas. 1988,11,230; Bruxelles 24.04.1959, Pas. 1960,11,75; Rouard I, Nr.245; Fettweis 11, Nr. 163. Für das italienische Recht: Cass. (it.) 30.03.1979, Nr. 1862. Ebenso in bezug auf Art. 21 EuGVÜ: Arrondissementsrechtbank 's-Hertogenbosch 10.02.1978, NJ. 1980, Nr. 14. 164 Gionjrida, La competenza, S. 322; Calamandrei I, S. 154; Andrioli, Lezioni I, Nr. 49; Mandrioli I, § 29, S. 143. 165 Calamandrei, S. 154; Mandrioli I, § 29, S. 143. 166 Rosenberg/Schwab/Gottwald, § 95 IV 1; Jauernig, § 40112; a.A. nur Baltzer, S.149. 167 BGHZ7, 268, 271. 168 Rosenberg/Schwab/Gottwald, § 100 III I c. 169 Neumann-Duesberg, NJW 1955, 1214, 1215, hält dies für widersprüchlich.

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stellungsklage hinsichtlich desselben Anspruchs, so greift Rechtshängigkeit ein. 170 Dagegen ist eine Leistungsklage nach einer positiven oder negativen Feststellungsklage zulässig, da ihr Streitgegenstand umfassender ist.17 1 Eine Abweisung der (späteren) Leistungsklage nur zu dem mit der Feststellungsklage übereinstimmenden Teil kommt nicht in Betracht, da dann nur das Verlangen nach einem Leistungsbefehl übrigbliebe, was allein nicht Streitgegenstand sein kann. Beide Verfahren parallel laufen zu lassen, ist aber nicht befriedigend. Insbesondere für das praktisch relevante Verhältnis zwischen negativer Feststellungsklage und darauffolgender Leistungsklage l72 werden daher verschiedene Lösungen des Konkurrenzproblems vorgeschlagen. Die herrschende Meinung nimmt an, die Erhebung der Leistungsklage lasse das zunächst vorhandene Interesse an der Feststellung des Nichtbestehens desselben Anspruchs entfallen und mache somit die frühere negative Feststellungsklage nachträglich unzulässig, sobald die Leistungsklage nicht mehr einseitig zurückgenommen werden kann. 173 Der generelle Vorrang der Leistungsklage gegenüber der negativen Feststellungsklage unabhängig von der Reihenfolge ihrer Erhebung stellt jedoch eine einseitige Bevorzugung des Feststellungsbeklagten dar, da er der gegen ihn erhobenen Klage durch Erhebung einer Leistungsklage den Erfolg nehmen kann. Die Benachteiligung des Feststellungsklägers würde noch verstärkt, wenn er unabhängig von der Begründetheit seiner Klage die Kosten tragen müßte. Außerdem ist der Wegfall des Feststellungsinteresses durch nachfolgende Erhebung einer Leistungsklage prozeßökonomisch unvertretbar, da der bisherige Aufwand des Feststellungspro170 BGB NJW 1989,2064 f.; MünchKomm-G. Lüke, § 261 ZPO Rdnr. 63 und 65; Zöller/Greger, § 256 ZPO Rdnr.16; Battzer, S. 154; Mittenzwei, S. 101; anders Stein/Jonas/Schumann, § 261 ZPO Rdnr. 60 in bezug auf die positive Feststellungsklage, da diese auch bei Abweisung der Leistungsklage - etwa wegen mangelnder Fälligkeit - begründet sein kann. 171 BGHZ 7, 268, 271; BGB NJW 1983, 2032; BGB NJW 1989, 2064; Stein/Jonas/Schumann, § 261 ZPO Rdnr. 62; Schwab, S. 129; Rosenberg/Schwab/ Gottwald, § 100 III 1 c; Zöller/Greger, § 256 ZPO Rdnr. 16; Thomas/Putzo, § 261 ZPO Rdnr. 14; Jauernig, § 40 11 2; ebenso für Art. 21 EuGVÜ OLG Bamm IPRax 1986, 233. Für Rechtshängigkeit auch bei dieser Reihenfolge jedoch Baltzer, S. 154; Bettermann, S. 26 ff.; Neumann-Duesberg, NJW 1955, 1214, 1216. Nach Ansicht von MünchKomm-G. Lüke, § 261 ZPO Rdnr. 64, ist nach einer negativen Feststellungsklage nur eine Leistungswiderklage zulässig; ders., JuS 1969, 301; so auch Blomeyer § 49 III 2. 172 Das Verhältnis zwischen positiver Feststellungsklage und Leistungsklage ist praktisch weniger bedeutsam, da bei identischen Parteirollen der Kläger seine Klage einfach erweitern kann (§ 264 Nr. 2 ZPO) und der Fall vertauschter Parteirollen in dieser Konstellation kaum vorkommt (denkbar ist er allerdings bei einer Unterlassungsklage). Daher wird das Problem im folgenden nur in bezug auf die negative Feststellungsklage erörtert. 173 BGBZ 18, 22; BGHNJW 1973,1500; Zöller/Greger, § 256 ZPO Rdnr. 7.

IV. Der Inhalt der Klageelemente

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zesses sich nicht auswirken würde. Zweckmäßig erscheint es daher, das (selbständige)174 Leistungsverfahren zugunsten des früher begonnenen negativen Feststellungsprozesses gemäß § 148 ZPO auszusetzen. 175 Im englischen Recht wird bei Parallelverfahren in verschiedenen Staaten der Leistungsklage gegenüber einer negativen Feststellungsklage grundsätzlich Vorrang eingeräumt, und zwar unabhängig von der zeitlichen Reihenfolge und davon, welche der Klagen in England geführt wird. 176 Da mit einer negativen Feststellungsklage eigentlich gar kein Anspruch geltend gemacht werde, liege einer solchen Klage in der Regel ein unzulässiges forum shopping zugrunde. 177

bb) Die Aussage der Entscheidung Gubisch/Palumbo Im Fall Gubisch/Palumbo war zuerst eine Klage auf Kaufpreiszahlung erhoben worden und danach eine Klage auf Feststellung der Unwirksamkeit des Kaufangebotes. Der EuGH hat Klageidentität in dieser Konstellation bejaht. Daß die frühere Leistungsklage die spätere Feststellungsklage hinsichtlich desselben Anspruchs gemäß Art. 21 ausschließt, erscheint überzeugend und stimmt auch mit der Rechtslage in den nationalen Rechtsordnungen überein. 178 Der umgekehrte Fall, der erheblich problematischer ist, stand im Fall Gubisch/Palumbo nicht zur Entscheidung. Unklar ist jedoch, inwieweit die Entscheidung verallgemeinert werden kann. Der Entscheidungsbegründung wurde vielfach entnommen, der EuGH habe sich ganz allgemein zum Ver174 Anders bei Leistungswiderklage: dann enfallt das Feststellungsinteresse,

Stein/Jonas/Schumann, § 256 ZPO Rdnr. 125, § 261 ZPO Rdnr. 62. 175 So auch Stein/Jonas/Schumann, § 256 ZPO Rdnr. 126; Mittenzwei, S. 101.

Dies nimmt auch die Rechtsprechung an, wenn der Feststellungsstreit fast entscheidunftsreif ist, BGH NJW 1973, 1500; BGHZ 18,22,41. 1 6 Dicey/Morris, S. 407; Collins, L.Q.R. 108 (1992), 545 ff.; Beaumont, S. 207, 216; vgl. auch Huber, S. 107 f. Auch im nationalen englischen Recht beeintlußt eine negative Feststellungsklage nicht die Entscheidung darüber, welches das forum conveniens ist, Collins, L.Q.R. 108 (1992), 545 ff. 177 The Volvox Hollandia [1988] 2 L1oyd's Rep. 361, 371 (C.A.): "Claims of declarations, and in particular negative declarations, must be viewed with great caution in all situations involving possible contlicts of jurisdictions, since they obviously lend themselves to improper attempts at forum shopping." So auch der englische High Court in der erstinstanzlichen Entscheidung im Fall Maciej Rataj [1991] 2 L1oyd's Rep., 458 (Q.B.): Das Feststellungsverfahren in Rotterdam habe keine Klage zum Gegenstand, da ihr kein Anspruch zugrundeliege, sondern "solely a pre-emptive strike designed to give the shipowners the choice of forum by a misuse of the Convention and contrary to the spirit of the Convention" . 178 Kritisch dazu allerdings Huet, Clunet 1992,493,494.

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§ 4 Abgrenzung der Konnexität zur Rechtshängigkeit

hältnis zwischen Leistungs- und Feststellungsklage geäußert und die Anwendbarkeit des Art. 21 unabhängig von der zeitlichen Reihenfolge bejaht. 179 Dafür, daß die Rechtsschutzform überhaupt keine Rolle spielen solle, spricht das Argument des EuGH, es komme nicht auf die formale Identität der Anträge an. Dieses Ergebnis wird von manchen begrüßt 180 , da hierdurch die prozessuale Chancengleichheit von Anspruchsgegner und Prätendent insofern erreicht werde, als sich auch der Anspruchsgegner das streitentscheidende Gericht aussuchen könne, ohne Gefahr zu laufen, durch eine spätere Leistungsklage des Gegners um einen in dem Feststellungsverfahren erzielten Erfolg gebracht zu werden. 181 Von manchen Autoren wird diese Konsequenz dagegen bedauert, da die Abweisung der Leistungsklage wegen einer früheren Feststellungsklage mit dem Justizgewährungsanspruch nicht vereinbar sei. 182 Manche nehmen demgegenüber an, die Entscheidung im Fall Gubischl Palumbo bejahe das Vorliegen von Rechtshängigkeit zwischen Leistungs- und Feststellungsklage nur für den Fall, daß zuerst Leistungsklage erhoben wird, nicht aber auch für den umgekehrten Fall. 183 Hierfür spricht, daß der EuGH ausdrücklich auf die zeitliche Reihenfolge Bezug genommen hat: In der später eingereichten Feststellungsklage könne auch ein bloßes Verteidigungsvorbringen gegen die früher erhobene Leistungsklage gesehen werden. 184 Die Übertragbarkeit der Entscheidung auf die umgekehrte Reihenfolge der Klagearten hängt davon ab, welchem der vom Gerichtshof angeführten Argumente größeres Gewicht beigemessen wird. Die vertragsstaatlichen Gerichte haben nach der Entscheidung Gubischl Palumbo in einigen Fällen185 Art. 21 auch im Verhältnis zwischen früherer 179 Kropholler, EZPR, Art. 21 Rdnr. 7; Schack, IPRax 1989, 139, 140; /senburgEpple, S. 206; pteijfer, Jahrbuch 1991, S. 71, 84 f.; MünchKomm-Gottwald Art. 21 EuGVÜ Rdnr. 4; H. Roth, IPRax 1992, 67; Mansei, IPRax 1990, 214, 216; Linke, RIW 1988, 822, 824; Gaudemet-Tallon, Rev. crit. 1988, 374, 376; M. Koch, S. 76; Wittibschlager, S. 87 f.; Bernheim, Schweiz. JurZ 1994, 133, 139. 180 Kropholler, EZPR, Art. 21 Rdnr. 7; Schack, IPRax 1989, 139, 140; ders., IPRax 1991,270,272; ebenso G. Roth, IPRax 1984, 183, 185. 181 Im deutschen Prozeßrecht durch Wegfall des Feststellungsinteresses, ansonsten im Ergebnis durch Nichtanerkennung des Feststellungsurteils im Staat des Leistungsurteils gemäß Art. 27 Nr. 3. 182/senburg-Epple, S. 207 f.; pteijfer, Jahrbuch 1991, S.71, 85 f.; GaudemetTalion, Rev. crit. 1988, 374, 376. 183 Leipold, GS Arens (1993), S. 227, 246; Rüßmann, IPRax 1995,76,78. 184 Rdnr. 16 der Entscheidung. 185 Klöckner & Co. AG/Gatoil Overseas Inc. [1990] Int. Lit. Proc. 53 (Q.B.); zustimmend Schack, IPRax 1991, 270, 272; OLG München IPRax 1994, 308; zustimmend Jayme, IPRax 1994, 308; OLG Hamm IPRax 1995, 104, 107 f.; OLG Köln NJW 1991, 1427. Anders vor der Entscheidung Gubisch/Palumbo OLG München IPRspr. 1985 Nr. 133 A; OLG Hamm IPRspr. 1985 Nr. 165.

V. Abgrenzung anband der Struktur von Art. 21 und 22

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negativer Feststellungsklage und späterer Leistungsklage angewendet. Die Ausdehnung der Entscheidung Gubisch/Palumbo auf das umgekehrte Verhältnis der Klagearten wurde von den Gerichten nicht einmal problematisiert. Der englische Court of Appeal hat die Frage jedoch dem EuGH zur Vorabentscheidung vorgelegt. 186

ce) Die Entscheidung des EuGH im Fall Maciej Rataj Im Fall Maciej Rataj hat der EuGH die Anwendbarkeit des Art. 21 auf die nach einer negativen Feststellungsklage erhobene Leistungsklage bejaht. Zwar werde mit der späteren Klage nicht nur die Feststellung des Bestehens der Schadensersatzpflicht begehrt, sondern darüber hinaus die Verurteilung zur Schadensersatzleistung. Dies verändere jedoch den Hauptgegenstand der Klage nicht, weil der Antrag auf Schadensersatzleistung die "natürliche Folge" des Antrags auf Feststellung der Haftung sei. 187 Die Argumentation mit dem vagen Begriff der "natürlichen Folge" dient dazu, die Unterschiede zwischen einem Leistungs- und einem Feststellungsbegehren zuzudecken. Auch wenn durch die Abweisung der negativen Feststellungsklage rechtskräftig festgestellt wird, daß der Anspruch besteht, hat der Prätendent noch ein berechtigtes Interesse an einem Leistungsurteil , da nur dieses vollstreckbar ist. 188 Darin liegt ein wesentlicher Unterschied zwischen den Klagearten. Die Begründung der Entscheidung kann somit nicht überzeugen. 189 Ob trotz des wesentlichen Unterschieds zwischen den Klagearten auch im Verhältnis zwischen früherer Feststellungsklage und späterer Leistungsklage Rechtshängigkeit gemäß Art. 21 anzunehmen ist, bleibt noch zu klären.

V. Entwicklung eines Abgrenzungskriteriums anband der Struktur von Art. 21 und 22

Bisher konnten einige Grenzfälle zwischen Art. 21 und 22 noch nicht eindeutig zugeordnet werden. Hierbei handelt es sich um Fälle der Teilidentität sowie das Verhältnis zwischen früherer negativer Feststellungsklage und nachfolgender Leistungsklage wegen desselben Anspruchs. 186 Pali Maciej Rataj, Rs C-406/92 , ABI. EG C 24/6 vom 28.01.1993, 5. Vorlagefrage. 187 Rdnr. 44 der Entscheidung. 188 So auch Larsson, Scandinavian Studies in Law 1977, 159, 172. 189 Ablehnend auch C. Wolf, EuZW 1995, 365, 366.

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§ 4 Abgrenzung der Konnexität zur Rechtshängigkeit

1. Der Regelungszweck als Abgrenzungskriterium Um Klarheit über die Abgrenzung zwischen Art. 21 und 22 zu gewinnen, ist auf den Regelungszweck der beiden Normen abzustellen. Zweck des Art. 21 ist die Vermeidung widersprechender Entscheidungen, deren Anerkennung an Art. 27 Nr. 3 scheitern würde. Dieses Argument hat der EuGH als Begründung für die von ihm vorgenommene weite Auslegung des Begriffs der Anspruchsidentität verwendet. 190 In bezug auf die Abgrenzung zu Art. 22 geht diese Argumentation jedoch insofern fehl, als Art. 22 demselben Zweck dient 191, wie sich eindeutig aus dem Wortlaut des Art. 22 Abs. 3 ergibt 192 . Auch in der Lehre wird teilweise mit dem Ziel der Vermeidung widersprechender Entscheidungen eine weite Auslegung des Art. 21 begründet: Zwar diene auch Art. 22 diesem Zweck, dieser sei jedoch als bloße Ermessensnorm nicht geeignet, die Entstehung widersprechender Entscheidungen wirksam zu verhindern. 193 Daher müsse Art. 21 alle Fälle erfassen, die zu einer Verweigerung der Anerkennung gemäß Art. 27 Nr. 3 führen könnten.1 94 Daß die Wirksamkeit des Art. 22 hinter der des Art. 21 zurückbleibt, ist jedoch kein ausreichender Grund für eine extensive Auslegung der Rechtshängigkeitsregel zu Lasten der Konnexitätsregel. 195 Auch wenn die Anwendung des Art. 22 im Ermessen des Gerichts steht, ist die Norm nicht wirkungslos 196; denn ein Gericht, das die Voraussetzungen des Art. 22 bejaht, muß sein Ermessen ausüben und in seine Entscheidung die Vermeidung der Gefahr widersprechender Entscheidungen als wesentlichen Gesichtspunkt einbeziehen.1 97 Es ist dem190 EuGH 08.12.1987, GubischlPalumbo, Sgl. 1987, 4861, 4874 (Rdnr.8); zustimmend CampeislDe Pauli, S. 187. 191 Ebenso lsenburg-Epple, S. 197; Huet, Clunet 1988, 537, 543; Leipold, GS Arens (1993), S. 227, 235. 192 Vgl. oben § 2 II 1. 193 Schack, IPRax 1989, 139, 140, bezeichnet Art. 22 als eine "stumpfe Waffe"; Wittibschlager, S. 108; M. Koch, S. 88; Bernheim, Schweiz. JurZ 1994, 133, 139; Huber, JZ 1995,603,608; ähnlich auch die Stellungnahme der Kommission in der Rs Gubisch/Palumbo, Slg. 1987,4861,4866. 194 M. Koch, S. 75 f.; Wittibschlager, S. 108; auch Schack, IPRax 1989, 139, 140, befürwortet eine "denkbar weite Auslegung" des Art. 21, aber eine enge Auslegung der Unvereinbarkeit i.S.d. Art. 27 Nr. 3 (siehe oben § 2 II 4 b aa), so daß aus diesem Grund eine weite Auslegung des Art. 21 nicht erforderlich ist, vgl. Leipold, GS Arens (1993), S. 227, 235. 195 Ebenso Huet, Clunet 1988,537,544; lsenburg-Epple, S. 198 f. 196 GA Mancini, Stellungnahme in der Rs Gubisch/Palumbo, Sgl. 1987, 4861, 4870; Gaudemet-Tallon, Rev. crit. 1988,374, 377; Ekelmans, Rev. dr. comm. beige 1989, 358, 362: Ein Mißtrauen gegenüber den nationalen Gerichten sei nicht angebracht. 197 Vgl. zur Ermessensausübung im einzelnen unten § 7.

V. Abgrenzung anband der Struktur von Art. 21 und 22

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nach unzutreffend, Grenzfalle zwischen Rechtshängigkeit und Konnexität mit der Begründung, Art. 21 diene der Venneidung widersprüchlicher Entscheidungen, pauschal der Rechtshängigkeitsregel zuzuschlagen. Eine gemeinsame Zielrichtung beider Nonnen kann nichts Entscheidendes zur Lösung der Abgrenzungsfrage beitragen. 198 Bei konsequenter Anwendung dieser Abgrenzungsmethode würde außerdem für Art. 22 kaum ein Anwendungsbereich übrigbleiben. Dieser würde verengt auf Fälle, in denen die Parteien nicht dieselben sind. 199 Um die Abgrenzungsfrage zu lösen, ist auf die Unterschiede in der Zielrichtung von Art. 21 und Art. 22 abzustellen. Inwiefern sich die Zielrichtung der Nonnen unterscheidet, läßt sich den jeweiligen Rechtsfolgen entnehmen.

2. Die Struktur der Rechtsfolgen

Sowohl Art. 21 als auch Art. 22 sehen als Rechtsfolgen die Aussetzung des Verfahrens sowie die Unzuständigerklärung durch das zweite Gericht vor. Trotz der auf den ersten Blick vorhandenen Entsprechung sind die Rechtsfolgen der beiden Nonnen strukturell verschieden. Zunächst unterscheidet sich das Verhältnis der beiden Rechtsfolgen zueinander. Bei Art. 21 ist die Unzuständigerklärung die eigentliche Rechtsfolge. Zwar ist durch die Neufassung des Art. 21 von 1989 der Schwerpunkt zugunsten der Aussetzung verschoben worden - die Unzuständigerklärung greift nach dem neuen Abs. 2 nur ein, wenn die Zuständigkeit des anderen Gerichts feststeht -, jedoch dient die Verfahrensaussetzung nur zur Überbrückung der Ungewißheit hinsichtlich der Zuständigkeit des ersten Gerichts. Sobald diese ausgeräumt ist, muß sich das zweite Gericht für unzuständig erklären. Die Berücksichtigung der Rechtshängigkeit ist zwingend. 2OO Demgegenüber besteht bei Vorliegen von Konnexität keine Verpflichtung, eine der beiden Rechtsfolgen auszusprechen. Das Gericht darf sein Verfahren, wenn es dies für zweckmäßig hält, trotz Konnexität auch weiterführen. 201 Hier stellt die Aussetzung den Grundsatz dar202 , während die Unzuständigerklärung nur unter zusätzlichen Voraussetzungen203 daneben in Betracht kommt. 198 So auch Leipold, GS Arens (1993), S. 227, 236; Linke, RIW 1988, 822, 823. 199 Woloniecki, S. 157, 181; Ekelmans, Rev. dr. comm. beige 1989,358,362. 200 OLG Köln NJW 1991, 1427; zustimmend Rizor, RIW 1991, 330; ebenso Isenburg-Epple, IPRax 1992, 69, 70. 201Isenburg-Epple, IPRax 1992, 69 f. 202 Vgl. Bülow, RabelsZ 38 (1974), 262, 269: Die Reihenfolge der Absätze wurde noch während der Beratungen umgestellt, um dies deutlich zu machen. 203 Dazu unten § 5 IV.

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§ 4 Abgrenzung der Konnexität zur Rechtshängigkeit

Weiterhin haben die Rechtsfolgen bei Art. 21 und 22 unterschiedliche Bedeutung. Während bei Art. 21 durch die Aussetzung nur die Entscheidung des anderen Gerichts über die eigene Zuständigkeit abgewartet wird, dient diese Rechtsfolge im Fall der Konnexität dazu, die Sachentscheidung im anderen Verfahren abzuwarten und die Ergebnisse in das zweite Verfahren einzubeziehen. Die Unzuständigerklärung bewirkt bei Art. 21 die Eliminierung des später begonnenen Verfahrens und die Durchführung allein des ersten. Bei der Konnexität hingegen bezweckt diese Rechtsfolge die Zusammenführung beider Verfahren vor einem der beteiligten Gerichte. Diese Deutung ergibt sich aus der in Art. 22 Abs. 2 aufgestellten Voraussetzung der Zuständigkeit des ersten Gerichts für beide Klagen. 204 Bei Art. 21 kann eine Übertragung an das Erstgericht nicht gemeint sein, obwohl von Unzuständigerklärung "zugunsten" des anderen Gerichts die Rede ist, da dies im Falle identischer Klagen überflüssig ist und bei nicht genau übereinstimmenden Klagen die Zuständigkeit des Erstgerichts für die zweite Klage nicht gewährleistet wäre. 205

3. Konsequenzen für die Abgrenzung Aus der unterschiedlichen Struktur der beiden Vorschriften ergibt sich, daß Art. 21 anzuwenden ist, wenn die Durchführung eines der beiden Verfahren ausreicht, das zweite also als solches überflüssig ist. Identität i.S.d. Art. 21 kann nur dann bejaht werden, wenn der Anspruch der Parteien auf Rechtsschutz durch die Durchführung nur eines der beiden Prozesse vollständig und erschöpfend befriedigt wird. Art. 22 greift dagegen dann ein, wenn das zweite Verfahren neben dem ersten einen eigenen Sinn hat. Das ist der Fall, wenn im zweiten Verfahren ein Rechtsschutzinteresse verfolgt wird, das nicht mit dem im ersten Verfahren angestrebten identisch und auch nicht vollständig darin enthalten ist; denn dann haben die Parteien ein rechtlich schutzwürdiges Interesse an der Durchführung des weiteren Verfahrens. 206 Art. 22 erfaßt also die Konstellationen, in denen zwar über beide Klagen entschieden werden muß, dies aber aus Gründen der Entscheidungsharmonie und der Prozeßökonomie nicht unabhängig voneinander geschehen sollte. Dann ist eine Vereinigung der Verfahren vor einem der angerufenen Gerichte oder jedenfalls die Einbeziehung des Ergebnisses des einen Verfahrens in das andere sinnvoll.

204 Vgl. dazu im einzelnen unten § 6 II. 205 Verheul, NILR 1988, 81, 82. 206 Vgl. Domenig, S. 77.

V. Abgrenzung anband der Struktur von Art. 21 und 22

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Sollte demgegenüber für Art. 21 bereits genügen, daß eine Gefahr widersprechender Entscheidungen besteht bzw. mehrere Klagen denselben Kernpunkt haben, müßte dies zu einer Abkopplung der Anspruchsidentität i.S.d. Art. 21 von der Rechtskraft führen. Verhindert werden kann nämlich höchstens, daß sich zwei Gerichte gleichzeitig mit Rechtsstreitigkeiten beschäftigen, die einen identischen Kernpunkt haben, nicht aber auch, daß dies nacheinander geschieht, soweit über das Rechtsschutzbegehren der zweiten Klage im Erststaat nicht mit Rechtskraftwirkung entschieden wird. 207 Endgültig ausgeschlossen von nochmaliger Entscheidung kann nur ein Begehren sein, dessen Rechtsschutzbedürfnis bereits anderweitig befriedigt wird. Würde eine Klage gemäß Art. 21 abgewiesen, ohne daß das damit verfolgte Rechtsschutzbedürfnis bereits durch die erste Klage befriedigt wird, müßte der Kläger die Klage später eventuell noch einmal erheben. Die Rechtsschutzgewährung würde auf diese Weise verzögert und verteuert. Außerdem besteht die Gefahr von Fristversäurnnissen. 208 Ein solches Ergebnis widerspricht den Zielen des EuGVÜ, den Rechtsschutz zu verstärken und zu erleichtern. Um diese Nachteile zu vermeiden, wären die Parteien gezwungen, alle Klagen, die denselben "Kernpunkt" haben, vor dem mit der ersten Klage befaßten Gericht geltend zu machen. Soweit das Erstgericht nicht für alle Klagen zuständig ist - dies ist möglich, da das EuGVÜ keine allgemeinen Gerichtsstand des Sachzusammenhangs kennt - oder eine Erweiterung des Prozeßgegenstandes aus anderen Gründen unmöglich ist, müßte immer erst der Abschluß des Erstverfahrens abgewartet werden, um vor einem anderen Gericht einen anderen Anspruch einzuklagen. Eine solche Lösung wird dem Gebot des effektiven Rechtsschutzes nicht gerecht. 209 In Betracht kommt aber, Art. 21 dahingehend zu verstehen, daß eine Partei immer dann keinen Anspruch auf einen zweiten Prozeß hätte, wenn sie ihr Begehren schon im ersten hätte anhängig machen können. Das ist bei Klagen um denselben Kernpunkt häufig der Fall, bei vertauschten Parteirollen insbesondere aufgrund der Widerklagezuständigkeit gemäß Art. 6 Nr. 3. Infolgedessen kann etwa eine Leistungsklage bei dem Gericht erhoben werden, bei dem bereits eine negative Feststellungsklage hinsichtlich desselben Anspruchs anhängig ist. 210 Es stellt sich die Frage, ob ein Verständnis des Art. 21 im Sinne einer solchen Konzentrationslast mit dem System des EuGVÜ in Einklang gebracht werden kann. Dadurch würde einem späteren Kläger die Wahl zwischen verschiedenen, für seine Klage nach den Zuständigkeitsnormen des 207 So auch Kössinger, S. 169, die diese Diskrepanz aber hinnimmt. 208 Vgl. M. Wolf, FS Schwab (1990), S. 561, 566. 209 So auch C. Wolf, EuZW 1995, 365, 366. 210 Für eine Konzentrationsptlicht in diesem Fall Schack, IPRax 1989, 139, 140; ebenso Huber, JZ 1995, 603, 606 ff.

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§ 4 Abgrenzung der Konnexität zur Rechtshängigkeit

EuGVÜ wahlweise zuständigen Gerichten genommen. Es gibt im EuGVÜ keinen Anhaltspunkt dafür, daß das Recht, zwischen mehreren dem Kläger zur Verfügung gestellten Gerichtsständen zu wählen, dadurch eingeschränkt werden sollte, daß eine Klage aus einem bestimmten Streitkomplex vor einem Gericht erhoben wird. 211 Hierdurch würde die Austarierung der Zuständigkeitsinteressen des differenzierten Systems allgemeiner und besonderer Zuständigkeiten zerstört. 212 Der Erstkläger hat in der Regel auch kein schutzwürdiges Interesse daran, das zuständige Gericht für weitere Klagen festzulegen, da er auf der Grundlage der Zuständigkeitsordnung des EuGVÜ den Streit meist nur in einem anderen als seinem Wohnsitzstaat fixieren könnte. 213 Gegen ein Verständnis des Art. 21 im Sinne einer Konzentrationslast spricht schließlich auch, daß die Konnexitätsregel dann weitgehend überflüssig wäre. Art. 22 stellt für diese Fälle - insbesondere auch für das Verhältnis zwischen negativer Feststellungsklage und späterer Leistungsklage hinsichtlich desselben Anspruchs - die geeignetere Regelung dar. Denn die Konnexitätsregel kann zwar unter Umständen auch zur Einschränkung der Wahlmöglichkeit zwischen verschiedenen zuständigen Gerichten führen, der hier bestehende Ermessensspielraum ermöglicht aber die Einbeziehung der den Zuständigkeitsregeln zugrundeliegenden Wertungen und der Parteiinteressen im konkreten Fall. Art. 21 greift demnach nur ein, wenn das Rechtsschutzbedürfnis auch der zweiten Klage durch die Entscheidung über die erste vollständig befriedigt wird. Eine Befriedigung des Rechtsschutzbedürfnisses ist generell gegeben, wenn über das Begehren des zweiten Prozesses schon im ersten rechtskräftig entschieden wird. Darüber hinaus könnte auch genügen, daß das Rechtsschutzinteresse des zweiten Verfahrens lediglich nach den konkreten Umständen durch das erste befriedigt wird. 214 Mit einem solchen Verständnis der Rechtshängigkeit ließe sich die Entscheidung des EuGH im Fall Gubischl Palumbo erklären: Zwar wird in dem Kaufpreisurteil nicht rechtskräftig über die Wirksamkeit des Kaufvertrages entschieden; da aber aus diesem im konkreten Fall keine anderen Rechtsfolgen als der mit der ersten Klage geltend gemachte Kaufpreisanspruch abgeleitet wurden, wird das konkrete Rechtsschutzbedürfnis der Feststellungsklage durch die Durchführung des Kaufpreisverfahrens vollständig befriedigt. 211 Leipold, GS Arens (1993), S. 227, 242. 212 Zu den sich dabei ergebenden Widersprüchen vgl. Huber, JZ 1995, 603, 606 ff. 213 Leipold, GS Arens (1993), S. 227, 242 ff.; a.A. Schack, IPRax 1989, 139, 140, wegen Chancengleichheit der Parteien. 214 So Leipold, GS Arens (1993), S. 227, 244 ff.: "Rechtshängigkeit kraft tatsächlicher Interessenbefriedigung" .

V. Abgrenzung anhand der Struktur von Art. 21 und 22

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Für ein solches Verständnis kann der Urteilsbegründung im Fall Gubischl Palumbo das Argument entnommen werden, die Zweitklage stelle ein bloßes Verteidigungsmittel gegen die Erstklage dar. Geht es nämlich dem Kläger des zweiten Verfahrens nur darum, die mit der ersten Klage geltend gemachte Verpflichtung abzuwehren, so ist sein Rechtsschutzinteresse durch die Abweisung der gegen ihn gerichteten Klage bereits vollständig befriedigt. Für die Einbeziehung des konkreten Rechtsschutzbedürfnisses in die Beurteilung der Rechtshängigkeit kann außerdem angeführt werden, daß im System des EuGVÜ das Rechtsschutzbedürfnis als allgemeines Prinzip (bisher) nicht anerkannt ist. 215 Problematisch erscheint allerdings die Unsicherheit der Feststellung des konkreten Rechtsschutzbedürfnisses. Es ergibt sich nicht ohne weiteres aus dem Inhalt der Klagen, ob der zweiten Klage aufgrund der Umstände des Einzelfalls das Rechtsschutzbedürfnis fehlt, das abstrakt an sich gegeben wäre. Fälle, in denen die Beurteilung des Rechtsschutzbedürfnisses von der konkreten Interessenlage der Parteien abhängt, können besser mit der flexibleren Konnexitätsregel gelöst werden. 216 Denn bei der Anwendung des Art. 22 kann das Bestehen des Justizgewährungsanspruchs in die Ermessensausübung einbezogen werden. Demgegenüber wäre gemäß Art. 21 die später erhobene Klage - sobald die Zuständigkeit des Erstgerichts feststeht - zwingend abzuweisen, ohne daß feststeht, ob sie wirklich überflüssig ist. Die Abweisung wegen Rechtshängigkeit hat sogar dann zu erfolgen, wenn die künftige Entscheidung des Erstgerichts ausnahmsweise im Staat des Zweitgerichts nicht anerkennungsfähig ist217 . Die Anwendung des Art. 21 in Fällen, in denen das Begehren der zweiten Klage nicht in der Rechtskraft des ersten Verfahrens enthalten ist, kann den Kläger unangemessen benachteiligen. Werden die Klagen stattdessen gemäß Art. 22 koordiniert, wird eine erneute Erhebung der zweiten Klage vermieden. Es ist somit für die Rechtshängigkeit gemäß Art. 21 darauf abzustellen, ob das Rechtsschutzinteresse auch der zweiten Klage abstrakt durch das erste Verfahren befriedigt wird. Dies richtet sich nach der Rechtskraftwirkung der Entscheidung im Erstverfahren. Der Umfang der Rechtskraftwirkung bestimmt sich, solange ein eigener europäischer Rechtskraftbegriff nicht existiert, nach dem nationalen Recht des Urteilsstaates 218 , eventuell eingeschränkt aus der Sicht des Zweitstaates219 . 215 So auch Huber, JZ 1995,603,608. 216 So auch Link.~, in: Internationale Zuständigkeit und Urteilsanerkennung in Europa, S. 157, 159, der Art. 22 wegen seiner größeren Flexibilität als Auffangtatbestand zu Art. 21 verstanden wissen will. 217 Siehe unten § 5 III 1. 218 MünchKomm-Gottwald, Art. 21 EuGVÜ Rdnr. 4; Leipold, GS Arens (1993), S. 227, 247; a.A. M. Wolf, FS Schwab (1990), S. 561, 571: es sei auf die unter den beteiligten Rechtsordnungen mit der umfassendsten Rechtskraftwirkung abzustellen. 219 So die Kumulationstheorie, vgl. Droz, Nr. 448; Schack, IZVR, Rdnr. 795 f.

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§ 4 Abgrenzung der Konnexität zur Rechtshängigkeit

VI. Ergebnis zur Abgrenzung zwischen Art. 21 und Art. 22

Die Rechtshängigkeitsregel des Art. 21 greift ein, wenn Parteien, Klagebegehren und Klagegrund beider Klagen identisch sind oder wenn das mit der zweiten Klage Begehrte in der Rechtskraft der Entscheidung über die erste Klage enthalten ist. Der Umfang der Rechtskraftwirkung richtet sich nach dem nationalen Prozeßrecht des Entscheidungsstaates. Ist dagegen die erste Klage in der zweiten enthalten, greift die Konnexitätsregel des Art. 22 ein. Ist der mit der ersten Klage identische Teil der zweiten Klage abtrennbar, so kann Art. 21 hinsichtlich dieses Teils eingreifen und Art. 22 für den noch verbleibenden Teil. Um eine Aufspaltung des umfassenderen Verfahrens zu verhindern, sollte aber besser - sofern möglich - Art. 22 auf das gesamte Verfahren angewendet werden. 220 Entgegen der Ansicht des EuGH scheidet Art. 21 auch in dem Fall aus, daß zuerst eine negative Feststellungsklage und danach eine Leistungsklage über denselben Anspruch erhoben worden ist; denn das mit der Leistungsklage verfolgte Rechtsschutzbedürfnis wird durch eine Feststellung des Bestehens des Anspruchs nicht vollständig befriedigt und Art. 22 wird der Interessenlage besser gerecht.

220 Ebenso Linke, in: Internationale Zuständigkeit und Urteilsanerkennung in Europa, S. 157, 160.

Zweiter Teil

Ausgestaltung der europäischen Konnexitätsregel Nachdem im ersten Teil der Begriff der Konnexität geklärt und die Grenze zur Rechtshängigkeit gezogen wurde, soll nun die Ausgestaltung der europäischen Konnexitätsregel untersucht werden. Da Art. 22 in der europäischen Gerichtspraxis bisher nur wenig Bedeutung erlangt hat, bestehen Zweifel an der Wirksamkeit der Regelung. Von manchen Autoren wird ihr ausdrücklich mangelnde Effektivität vorgeworfen: Thre Voraussetzungen seien zu eng und die Rechtsfolgen zu schwach ausgestaltet. 1 Der geringe Wirksamkeitsgrad des Art. 22 wird häufig als Argument für eine Ausdehnung des Anwendungsbereichs von Art. 21 verwendet. Es steht zu vermuten, daß entsprechende Überlegungen auch der Entscheidung des EuGH im Fall Gubisch/Palumbo zugrundeliegen. 2 Es ist daher im folgenden zu untersuchen, ob die europäische Konnexitätsregel in ihrer geltenden Fassung so ausgestaltet ist, daß sie die ihr zukommende Funktion, widersprechende Entscheidungen zu vermeiden, erfüllen kann.

§ 5 Einschränkende Voraussetzungen des Art. 22

Für die Anwendbarkeit des Art. 22 genügt das Vorliegen von Konnexität nicht. Die Vorschrift enthält weitere, ihren Anwendungsbereich einschränkende Voraussetzungen. Beide Verfahren müssen sich in erster Instanz befinden und das die Konnexitätsregel anwendende Gericht muß später angerufen worden sein als das mit der konnexen Klage befaßte Gericht. Über den Wortlaut der Norm hinaus könnte eine positive Anerkennungsprognose oder jedenfalls die Zuständigkeit des anderen Gerichts zu verlangen sein. Für die Unzuständigerklärung gemäß Abs. 2 ist zusätzlich ein Parteiantrag, die Zuständigkeit des ersten Gerichts auch für das zweite Verfahren und die Verbindungsmöglichkeit nach nationalem Recht erforderlich.

1

2

So z.B. Schack, IPRax 1989, 139, 140. So auch Huet, Clunet 1988, 537, 544.

9 Lüpfert

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§ 5 Einschränkende Voraussetzungen des Art. 22

I. Anhängigkeit beider Verfahren im ersten Rechtszug

Nach dem Wortlaut des Art. 22 Abs. 1 ist eine Aussetzung des zweiten Verfahrens bei Vorliegen von Konnexität nur möglich, "solange beide Klagen im ersten Rechtszug anhängig sind". Über Tragweite und Sinn dieser Einschränkung bestehen Zweifel. Der lenard-Bericht spricht von Klagen, "die in dem gleichen Rechtszug anhängig sind"3, und begründet diese Voraussetzung damit, daß "andernfalls der Gegenstand des Rechtsstreits nicht derselbe und zu befürchten wäre, daß eine Partei eines Rechtszuges verlustig ginge" .

1. Geltungsbereich der Voraussetzung Die Voraussetzung der Anhängigkeit beider Klagen in erster Instanz ist nur im ersten Absatz des Art. 22 enthalten, also nur als Voraussetzung für die Aussetzung, nicht auch für die Unzuständigerklärung aufgestellt. Ihrem Zweck entsprechend muß sie aber erst recht auch für die Unzuständigerklärung in Abs. 2 gelten4 , da hier die Gefahr eines Instanzverlustes gravierender ist als bei der Aussetzung (argumentum a fortiori). Die Geltung der Voraussetzung (zumindest hinsichtlich des Zweitverfahrens) auch für die Unzuständigerklärung ergibt sich weiterhin aus der impliziten Bezugnahme des Abs. 2 auf das in Abs. 1 genannte Gericht5 . Diese Auslegung läßt sich schließlich mit historischen Argumenten stützen: Ursprünglich sollten Aussetzung und Unzuständigerklärung in einem Absatz geregelt und für beide gemeinsam die Anhängigkeit der Klagen in erster Instanz verlangt werden. Durch die spätere Aufteilung in zwei Absätze war keine sachliche Änderung beabsichtigt. 6 Droz meint sogar, die Anhängigkeit in erster Instanz sei eigentlich nur für die Unzuständigerklärung vorgesehen gewesen. 7

3 So auch OLG München IPRspr. 1985 Nr. 133 A; Beraudo, J.-cl. proc. civ., Fasc. 52-4 Nr. 28. 4 KrophoLler, EZPR, Art. 22 Rdnr. 4; BülowlBöckstiegellMüLler I, S. 606.175; Beraudo, J-cl. proc. civ., Fasc. 52-4 Nr. 28; GothotlHoLleaux, Clunet 1971, 747, 772 Fn. 56; Schockweiler, S. 145, 148; Huet, Clunet 1994, 171, 172. 5 Schockweiler, S. 145, 148; Audit, Nr. 560. 6 Vgl. Art. 22 des Vorentwurfs zum EuGVÜ in der deutschen Fassung von Bülow, RabelsZ 29 (1965), 594, 599 f.; Bülow, RabelsZ 38 (1974), 262, 268 f. 7 Droz, Nr. 324, meint, es handele sich um ein Redaktionsversehen, das bei der Umstellung der beiden Absätze entstanden sei.

I. Anhängigkeit beider Verfahren im ersten Rechtszug

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2. Kritik an der Voraussetzung der Anhängigkeit in erster Instanz a) Der Sinn der Voraussetzung der Anhängigkeit in erster Instanz wird im Hinblick auf ihre Geltung für die Aussetzung gemäß Art. 22 Abs. 1 von vielen Autoren in Frage gestellt. Es sei nicht ersichtlich, wie durch die bloße Aussetzung eines Verfahrens überhaupt eine Instanz verloren gehen könne. 8 Ein Instanzverlust kann nicht entstehen, wenn ein Berufungsverfahren zugunsten eines erstinstanzlichen Verfahrens ausgesetzt wird. Für deutsche Gerichte käme für den Fall, daß die Aussetzungsmöglichkeit gemäß Art. 22 Abs. 1 erst in der Berufungsinstanz entdeckt wird oder das Ermessen in der ersten Instanz rechtsfehlerhaft ausgeübt worden ist, jedenfalls auch eine Zurückverweisung des Verfahrens gemäß § 539 ZPO in die erste Instanz in Betracht. 9 Befindet sich dagegen das erste Verfahren bereits in zweiter Instanz, könnte auch die bloße Aussetzung des zweiten Verfahrens dazu führen, daß hinsichtlich der Frage, die damit dem ersten Gericht zur Entscheidung überlassen wird, eine Instanz verlorenginge. Da über die gemeinsame Frage im anderen Staat in erster Instanz in der Regel schon entschieden worden ist bzw. die Parteien jedenfalls die Möglichkeit hatten, die Frage bereits in erster Instanz einzubringen, trifft dies aber nicht zu. Die Aussetzung zugunsten eines konnexen Verfahrens führt folglich unter keinen Umständen zu einem Instanzverlust. Eine Einschränkung der Aussetzungsmöglichkeit ist insofern nicht nötig. Manche meinen daher, man müsse sich in diesem Punkt vom Wortlaut des Übereinkommens lösen und die Anhängigkeit in erster Instanz nur für die Unzuständigerklärungverlangen. 10 Dieses Ergebnis steht auch im Einklang mit der Rechtslage in den romanischen Rechtsordnungen, die bei Anhängigkeit konnexer Verfahren in verschiedenen Instanzen, soweit aus diesem Grund eine Verbindung ausgeschlossen ist, eine Aussetzung zugunsten des konnexen Verfahrens zulassen. 11 8 Droz, Nr. 323; Schack, IZVR, Rdnr.766; BülowlBöckstiegellMüller I, S. 606.175; Kaye, S. 1238; Beraudo, L-cl. proc. civ., Fase. 52-4 Nr.28; Gothotl Holleaux, Nr. 225; HolleauxlFoyerlGeoujfre de La Pradelle, Nr. 840; Audit, Nr. 560; Huet, Clunet 1994, 171, 172. Anders (ohne nähere Begründung) MünchKommGottwald, An. 22 EuGVÜ Rdnr. 3: Auch durch eine bloße Aussetzung könne eine Instanz verlorengehen, wenn eines der Verfahren bereits in höherer Instanz schwebt. 9 Die fehlende Anwendung des An. 22 stellt einen wesentlichen Verfahrensmangel dar, Geimer, IPRax 1986, 208, 216; BaumbachlLauterbachlAlbers, Art. 22 EuGVÜ Rdnr. 1; a.A. MünchKomm-Gottwald, An. 22 EuGVÜ Rdnr. 3. 10 GothotlHolleaux, Nr. 225; Gaudemet-Tallon, Les conventions, Nr. 300. Dagegen meint Droz, Nr. 324, obwohl er annimmt, daß die Erwähnung der Voraussetzung im ersten Absatz auf einem Redaktionsversehen beruhe, die Voraussetzung solle auch auf die Aussetzung angewendet werden. 11 Siehe unten b. 9'

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§ 5 Einschränkende Voraussetzungen des Art. 22

b) Einleuchtend erscheint die Gefahr eines Instanzverlustes durch Unzuständigerklärung eines erstinstanzlichen zugunsten eines zweitinstanzlichen Gerichts 12 , jedenfalls dann, wenn man die Unzuständigerklärung als Verweisung an das mit dem konnexen Verfahren befaßte Gericht versteht. 13 Eine Unzuständigerklärung gemäß Art. 22 Abs.2 scheidet daher aus, wenn das früher begonnene Verfahren bereits in höherer Instanz schwebt, das spätere Verfahren, in dem sich die Frage der Konnexität stellt, dagegen noch in der ersten Instanz.

Nicht so eindeutig liegt der umgekehrte Fall, daß sich das zweite Verfahren bereits in zweiter Instanz befindet (z.B. weil die Konnexität erst vom Berufungsgericht bemerkt wurde). Diese Konstellation ist allerdings seltener, da das früher begonnene Verfahren zwar regelmäßig, doch nicht generell, bereits weiter vorgedrungen ist. Nach dem Wortlaut des Art. 22 scheidet eine Anwendung auch in dieser Konstellation aus. 14 Die französische Cour de cassation hat sich jedoch in einer neueren Entscheidung 15 dahingehend geäußert, daß die Voraussetzung der Anhängigkeit der Klagen in erster Instanz eine Unzuständigerklärung des zweiten Gerichts nur ausschließe, soweit einer Partei auch wirklich eine Instanz verlorengeht. Das Gericht billigte aus diesem Grund eine Unzuständigerklärung gemäß Art. 22 Abs. 2, obwohl diese erst in der Berufungsinstanz erklärt wurde, weil das früher begonnene Verfahren noch in erster Instanz schwebte und somit ein Instanzverlust nicht in Betracht kam. Legt man den im lenard-Bericht genannten Zweck zugrunde, so erscheint es zutreffend, eine Unzuständigerklärung nur dann auszuschließen, wenn sich das erste Verfahren bereits in höherer Instanz befindet. Auch wenn beide Verfahren bereits in zweiter Instanz anhängig sind, kommt ein Instanzverlust nicht in Betracht. Es ist also eine Diskrepanz festzustellen zwischen dem Geltungsbereich der Voraussetzung nach dem Wortlaut der Norm und der für die Erreichung des damit verfolgten Zwecks erforderlichen Tragweite. Um eine Grundlage für die Lösung dieses Konflikts zu schaffen, soll ein Blick auf die Behandlung des Problems in den nationalen Rechten geworfen werden. Im französischen Recht wurde unter der Geltung des alten C.p.c. 12 So auch Droz, Nr.325; Beraudo, J.-cl. proc. civ., Fase. 52-4 Nr.28; Gaudemet-Tallon, Les conventions, Nr.301; Alexandre, Enc. Dalloz proc., VO Convention de Bruxelles, Competence, Nr. 330. 13 Vgl. dazu unten § 6 11. Müßte die Klage dagegen in dem anderen Vertragsstaat erneut erhoben werden, käme ein Instanzverlust nicht in Betracht. Allerdings wäre dann eine gemeinsame Verhandlung der konnexen Klagen nur möglich, wenn das nationale Recht des Erstgerichts eine Verbindung von Verfahren auch bei Anhängigkeit in verschiedenen Instanzen zuläßt, so etwa das französische Recht (dazu sogleich unten). 14 So OLG Hamm IPRax 1986,233,234. 15 Cass. 27.10.1992, Clunet 1994,171, mit zustimmender Anm. Huet.

I. Anhängigkeit beider Verfahren im ersten Rechtszug

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überwiegend angenommen, daß die Anhängigkeit der konnexen Verfahren in verschiedenen Instanzen die Konnexitätseinrede ausschließt. 16 Stattdessen war aber eine Aussetzung zugunsten des konnexen Verfahrens möglich.l7 Mit der Reform von 1960 wurde eine Regelung eingefügt, nach der bei Anhängigkeit konnexer Verfahren in verschiedenen Instanzen das zuständige Gericht im Einzelfall durch die Cour de cassation bestimmt wurde. 18 Dieses Verfahren wurde jedoch als zu schwerfaIlig angesehen. 19 Seit 1972 kann eine Verweisung wegen Konnexität ohne weiteres auch bei Anhängigkeit in unterschiedlicher Instanz erfolgen. Die Konnexitätseinrede ist dann vor dem erstinstanzlichen Gericht zu erheben und wirkt zugunsten des zweitinstanzlichen20 , nicht jedoch umgekehrt, wie es die Cour de cassation in der erwähnten Entscheidung zu Art. 22 angenommen hat. Die Anhängigkeit in unterschiedlicher Instanz steht der Anwendung der Konnexitätsregel in Frankreich heute also nicht mehr entgegen. Dahinter steht die Wertung, daß die Koordinierung konnexer Verfahren wichtiger ist als die Gewährleistung des Instanzenzuges . Ein Instanzverlust wird im Interesse eines beschleunigten Prozeßfortgangs in Kauf genommen. 21 Im belgisehen Recht ist noch heute die Anhängigkeit beider Verfahren in derselben Instanz Voraussetzung für die Konnexitätseinrede;22 ansonsten kommt nur eine Aussetzung in Betracht. 23 Dasselbe gilt im italienischen24 und spanischen25 Recht. Die Einhaltung des Instanzenzuges wird somit in den nationalen Rechtsordnungen mit Ausnahme des heutigen französischen Rechts höher bewertet als die Möglichkeit der Verbindung konnexer Verfahren. Fraglich ist, ob eine entsprechende Wertung auch der Regelung in Art. 22 zugrundeliegt. Außer dem Anliegen, die Parteien vor einem Instanzverlust zu schützen, ist kein allgemeines Interesse an einer absoluten Wahrung des Instanzenzuges erkennbar. Zwar ist die Verweisung eines bereits in zweiter Instanz anhängigen Verfahrens an ein mit einem konnexen Verfahren in erster 16 Vgl. SoluslPerrot 11, Nr. 819; GlassonlTissier, Nr.279, S. 730 f.; Fournier, Enc. Dalloz proc. (1955), VO Connexite, Nr. 33. 17 GlassonlTissier, Nr. 279, S. 731. 18 Art. 172 al. 4 C.p.c. in der Neufassung durch das decret n° 60-802 du 02.08.1960, D. 1960, leg. 287 ff. 19 SoluslPerrot 11, Nr. 822 c. 20 Art. 41 decret du 20.07.1972, heute Art. 102 NCPC. 21 SoluslPerrot 11, Nr. 822 c; BlancNiatte, zu Art. 102 NCPC. 22 Rouard I, Nr. 252, S. 287. 23 Repertoire pratique du droit beige, VO Competence, Nr. 1747. 24 CarpilColesantilTarujfo, Art. 40 c.p.c. Anm. 11 2; AlloriolFranchi, Art. 40 c.I'.c. Nr. 2. 25 Art. 165 LEC: "No son acumulables los autos que estuvieren en diferentes instancias, ni los ordinarios que estan conclusos para sentencia."

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§ 5 Einschränkende Voraussetzungen des Art. 22

Instanz befaßtes Gericht häufig prozeßökonomisch nicht sinnvoll, da hierdurch das Verfahren wieder in die erste Instanz zurückgeführt wird. Dennoch können im Einzelfall die für eine Koordinierung sprechenden Gründe überwiegen. Dies ist im konkreten Fall im Rahmen der Ermessensausübung über die Rechtsfolgen zu entscheiden.

3. Ergebnis Durch die Voraussetzung der Anhängigkeit beider Verfahren in erster Instanz wird der Anwendungsbereich des Art. 22 über das erforderliche Maß hinaus eingeschränkt. Meines Erachtens ist diese Voraussetzung dahingehend auszulegen, daß sie - ihrem im lenard-Bericht angeführten Zweck entsprechend - nur eingreift, wenn ein Instanzverlust für eine Partei tatsächlich droht. 26 Es genügt daher für die Anwendung von Art. 22 Abs. 2, daß die Unzuständigerklärung zugunsten eines erstinstanzlichen Gerichts erfolgt. 27 Auch wenn sich beide Verfahren bereits in zweiter Instanz befinden, ist eine Unzuständigerklärung möglich. 28 Ausgeschlossen ist nur die Unzuständigerklärung eines erstinstanzlichen Gerichts zugunsten eines zweitinstanzlichen. Eine Aussetzung dagegen ist immer ohne Instanzverlust möglich, auch wenn eines der Verfahren bereits in höherer Instanz schwebt. Um den Geltungsbereich der Voraussetzung im Wortlaut klarer zum Ausdruck zu bringen wäre es sinnvoll, die Voraussetzung der Anhängigkeit in erster Instanz aus dem ersten Absatz des Art. 22 zu streichen und sie stattdessen in den zweiten Absatz aufzunehmen.

11. Grundsatz der Priorität

Art. 22 wird weiter dadurch eingeschränkt, daß nur das später angerufene Gericht von den durch die Regelung eingeräumten Möglichkeiten Gebrauch machen kann. Aussetzung und Unzuständigerklärung greifen immer zugunsten des zuerst angerufenen Gerichts durch. Ausschlaggebend für die Prioritätsbeurteilung ist der Zeitpunkt der Klageerhebung. 26 So auch Huet, Clunet 1994, 171, 173: "L'esprit de l'Art. 22 doit pn!valoir sur sa lettre"; ebenso Beraudo, J.-cl. proc. civ., Fasc. 52-4 Nr.28. Dagegen ist nach Ansicht von Bülow, RabelsZ 38 (1974), 262, 269, am Wortlaut der Norm festzuhalten, nur die Begründung müsse anders lauten. 27 So im Ergebnis auch Hartley, S. 77: "Art. 22 applies only if the joreign proceedings are pending at first instance" . 28 lenard-Bericht zu Art. 22 EuGVÜ; so auch Gaudemet-Tallon, Les conventions, Nr. 301.

11. Grundsatz der Priorität

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1. Bestimmung des relevanten Zeitpunkts Die Frage, zu welchem Zeitpunkt angenommen werden kann, daß eine Klage i.S.d. Art. 22 "erhoben" bzw. ein Gericht "angerufen" ist, stellt sich ebenso im Rahmen des Art. 21 und ist in diesem Zusammenhang behandelt worden. 29 Da sich im Hinblick auf den für die Priorität relevanten Zeitpunkt keine Unterschiede zwischen Art. 21 und 22 erkennen lassen30 , kann weitgehend auf die Erörterung dieses Problems in bezug auf Art. 21 verwiesen werden. Für Art. 21 hat der EuGH entschieden, daß als "zuerst angerufenes" Gericht dasjenige anzusehen ist, bei dem die Voraussetzungen für die Annahme einer "endgültigen Rechtshängigkeit" zuerst vorliegen; wann dies der Fall ist, bestimme sich jedoch für jedes Gericht nach seinem nationalen Recht. 31 Eine autonome Bestimmung dieses Zeitpunkts hat der EuGH abgelehnt, weil die Frage, von welchem Zeitpunkt an ein Gericht mit einem Rechtsstreit befaßt ist, in den Rechtsordnungen der einzelnen Vertragsstaaten unterschiedlich beantwortet wird. 32 Der Gerichtshof hat sich nicht einmal auf bestimmte Mindestanforderungen für die Endgültigkeit der Verfahrenseinleitung festgelegt, sondern ausdrücklich offengelassen, ob dafür schon der bloße Eingang der Klageschrift bei Gericht genügen könne oder in jedem Fall die Zustellung der Klageschrift an den Beklagten zu verlangen sei. Für in Deutschland erhobene Klagen ist gemäß §§ 261 Abs. I, 253 ZPO der Zeitpunkt der Zustellung der Klageschrift an den Beklagten maßgeblich. Dem entspricht die Rechtslage in den anderen ursprünglichen Vertragsstaaten. 33 In Frankreich wird allerdings in neuerer Zeit34 Rechtshängigkeit erst mit der Eintragung in das Generalregister des Gerichts ("mise au röle") ange29 Vgl. z.B. Rauscher, IPRax 1985,317 ff.; Isenburg-Epple, S. 103 ff. 30 So auch der englische Court 0/ Appeal im Fall Dresser/Falcongate [1992] 2 W.L.R. 319; Leipold, Osaka-Band, S. 67,71. 31 EuGR07.06.1984, Zelger/Salinitri, Sig. 1984,2397,2408 (Rdnr. 14, 15). 32 Kritisch dazu Schack, IPRax 1991,270,271; Rauscher, IPRax 1985,317,319; vgl. dazu auch Leipold, Osaka-Band, S. 67, 69 ff. 33 In Frankreich (vgl. Cass. Ur.] 24.04.1981, Bull. civ. 1981,11, Nr. 104), Italien (vgl. Art. 39 Abs. 3 c.p.c.), Belgien (vgl. Ekelmans, Rev. dr. comm. beige 1993, 1089, 1093: Entscheidend ist der "exploit de I'assignation", also die Zustellung der Ladung), Luxemburg (Art.61 und 171 C.p.c.) und den Niederlanden (Art. 158 Abs. 1 Wetboek van Burgerlijke Rechtsvordering) gilt ein Rechtsstreit ab dem Zeitpunkt der Zustellung der Klageschrift an den Beklagten als rechtshängig. 34 Cass. (fr.) 29.02.1984, Bull. civ. 1984,11, Nr. 43; 18.12.1984, BuH. civ. 1984, IV, Nr. 356; 10.12.1985, BuH. civ. 1985, 1lI, Nr. 167; SoluslPerrot III, Nr. 164; VincentlGuinchard, Nr. 463 Fn. 3; vgl. auch OLG Ramm IPRax 1995, 104, 107 f. (Gutachten von Claude Witz).

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§ 5 Einschränkende Voraussetzungen des Art. 22

nonunen, die nach Übergabe der mit einem Zustellungsnachweis versehenen Klageschrift an die Geschäftsstelle des Gerichts ("placement de l' affaire") erfolgt. Auch dieser Zeitpunkt liegt nach der Zustellung der Klage an den Beklagten. Im Gegensatz dazu wurde im englischen Recht 35 zunächst davon ausgegangen, daß eine Zustellung an den Beklagten nicht erforderlich sei, sondern für das Rechtshängigwerden das Einreichen der Klageschrift bei Gericht bzw. deren Ausstellung ("issue of the writ"36) ausreiche. 37 Die Frage des Zeitpunkts der Rechtshängigkeit stellt sich im englischen Recht in dieser Art allerdings erst seit Inkrafttreten des EuGVÜ, da nach autonomem Recht die Reihenfolge der Klageerhebung für die Berücksichtigung der anderweitigen Rechtshängigkeit nicht entscheidend ist. 38 Die Zustellung an den Beklagten kann insbesondere wenn sie in das Ausland erfolgt, einige Zeit in Anspruch nehmen, weshalb das Abstellen auf den Einreichungszeitpunkt die in England klagende Partei erheblich bevorzugt. Das Problem hat sich jedoch durch eine Umkehr in der englischen Rechtsprechung gelöst. Der englische Court of Appeal hat in einer neueren Entscheidung zu Art. 2239 auf die Zustellung beim Beklagten abgestellt ("service of the writ"). Da sich die Mitwirkung des Gerichts bei der Ausstellung der Klage auf einen rein verwaltungstechnischen Akt beschränke, der Kläger danach inuner noch die freie Wahl habe, ob er die Klageschrift dem Beklagten zustellen lasse oder nicht, und der Beklagte zu dieser Zeit noch keine Kenntnis von dem beabsichtigten Verfahren habe, sei eine Klage daher in der Regel erst dann "definitively pending", wenn die Klageschrift dem Beklagten zugestellt worden ist. Der Court of Appeal hat diese "date of service rule" in der Sargasso-Entscheidung40 bestätigt und festgestellt, daß es hiervon keine Ausnahmen gibt. 41 Damit hat sich die englische Praxis der Rechtslage in den meisten anderen Vertragsstaaten angenähert, in denen die Zustellung der Klageschrift an den Beklagten Voraussetzung für die Rechtshängigkeit ist. Es scheint sich also - auch ohne autonome Auslegung in den Vertragsstaaten eine einheitliche Auffassung über den Zeitpunkt des Eintritts der Rechtshängigkeit herauszubilden. I

35 Nicht jedoch in Schottland und Irland, vgl. Schlosser-Bericht, Nr. 182; Nachweise bei Linke, RIW 1984,739. 36 Die Klageschrift (writ) wird bei Vorlage durch den Kläger mit dem Siegel des Gerichts versehen; damit gilt sie als "issued", vgl. Huber, IPRax 1993, 114. 37 Kloeckner & Co. AG/Gatoil Overseas Inc. [1990]1 Lloyd's Rep. 177 (Q.B.). 38 Siehe oben § 3 15. 39 Dresser/Falcongate [1992] 2 W.L.R. 319 (C.A.); dazu Huber, IPRax 1993, 114, und Leipold, Osaka-Band, S. 67, 71 f. 40 Neste Chemicals SA and otherslDK Line SA and another (The Sargasso) [1994] 3 All E.R. 180, 187 ff. 41 Huber, IPRax 1995,332,333, begrüßt diese Entscheidung.

ll. Grundsatz der Priorität

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2. Bedeutung der Prioritätsregel a) Einschränkung des Anwendungsbereichs des Art. 22 Abs. 2 Das Prioritätsprinzip bewirkt im Zusammenspiel mit der zusätzlichen Voraussetzung der Zuständigkeit des Erstgerichts auch für die zweite Klage42 , daß die Unzuständigerklärung wegen Konnexität gemäß Art. 22 Abs. 2 nur dann eingreifen kann, wenn das zuerst angegangene Gericht für beide Klagen zuständig ist. Ist dagegen lediglich das als zweites angerufene Gericht für beide Klagen zuständig, kann eine Unzuständigerklärung nicht erfolgen; denn dem zuerst angerufenen Gericht wird nach der eindeutigen Fassung der Norm die Befugnis, sich für unzuständig zu erklären, nicht erteilt. Die Zugrundelegung des Prioritätsprinzips führt daher zu einer Einschränkung des Anwendungsbereichs des Art. 22 Abs.2: Eine Zusammenfassung von konnexen Klagen, für die eine gemeinsame Zuständigkeit besteht, ist ausgeschlossen, wenn das für beide Klagen zuständige Gericht erst nach einem anderen Gericht angerufen worden ist, das nur für eine der Klagen zuständig ist. Die Reihenfolge der Klageerhebung über die Anwendbarkeit des Art. 22 Abs. 2 entscheiden zu lassen, ist nur sinnvoll, wenn überzeugende Gründe für die Anwendung des Prioritätsprinzips im Rahmen der Konnexitätsregel sprechen. Für die Rechtshängigkeitsregel erscheint die Geltung des Prioritätsgrundsatzes zweckmäßig. Im Gegensatz zur Situation bei Konnexität liegt hier in der gemeinsamen Zuständigkeit kein Problem, da es sich um identische Klagen handelt. Da beide Gerichte als gleichermaßen zur Sachentscheidung geeignet anzusehen sind, bietet sich der Prioritätsgrundsatz als Ordnungsprinzip an. Denn die zeitliche Priorität der Verfahrenseinleitungen ist zum einen ein einfaches, klares Kriterium43 , zum anderen kann grundsätzlich davon ausgegangen werden, daß sich die Sache beim zuerst angerufenen Gericht bereits näher an der Entscheidungsreife befindet. Der Prioritätsgrundsatz entspricht also einer prozeßökonomischen Sichtweise. Problematisch ist dieses Prinzip allerdings insofern, als es diejenige Partei privilegiert, die schneller zur Beschreitung des Prozeßweges bereit ist. 44 Handelt es sich nicht um identische, sondern um verschiedene, lediglich in der Sache zusammenhängende Klagen, drängt sich der formale Prioritätsgrundsatz nicht als einziges Ordnungsprinzip auf. Hier spielen weitere Gesichtspunkte eine Rolle für die Entscheidung, bei welchem der Gerichte die Zusammenführung der Klagen sinnvollerweise stattfindet. In den nationalen 42 Dazu unten IV 2.

43 Wittibschlager, S. 11l. 44 G. Roth, IPRax 1984, 183, 184.

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§ 5 Einschränkende Voraussetzungen des Art. 22

Rechtsordnungen wird daher nicht allein auf die zeitliche Priorität abgestellt. Im französischen Recht wurde früher jedoch angenommen, daß sowohl Litispendenz als auch Konnexität nur vor dem später angerufenen Gericht geltend gemacht werden konnten und somit nur zugunsten des früher angerufenen Gerichts wirkten (Art. 171 bzw. 172 C.p.c.). Heute gilt das Prioritätsprinzip nur noch für die Rechtshängigkeit (Art. 100 NCPC). In bezug auf die Konnexität hat es sich als ungeeignet herausgestellt, weil eine Verbindung von lediglich miteinander zusammenhängenden Klagen bei dem früher angerufenen Gericht unzweckmäßig oder sogar unmöglich sein kann. Dies stellte unter der Geltung des alten C.p.c. kein praktisches Problem dar, da eine Verbindung konnexer Klagen bei dem später angerufenen Gericht durch das selbständige Verfahren des "reglement de juges" erreicht werden konnte. 4S Nach dessen Abschaffung durch die Reform von 1958 entstand eine Lücke für die Fälle, in denen eine gemeinsame Verhandlung durch das erste Gericht nicht möglich war, etwa wegen einer ausschließlichen Zuständigkeit des zweiten Gerichts für das dort anhängige Verfahren. 46 Die französische Rechtsprechung ließ in Ausnahmeflillen die Erhebung der Konnexitätseinrede vor dem früher angerufenen Gericht zu, und zwar nicht nur bei entgegenstehender ausschließlicher Zuständigkeit, sondern auch wenn das später angerufene Gericht eindeutig besser geeignet war, über beide Klagen zu entscheiden (so z.B., wenn die frühere Klage im Verhältnis zur späteren akzessorisch oder das spätere Verfahren bereits weiter fortgeschritten war).47 Seit der Reform von 1972 kann die Einrede der Konnexität unabhängig von der Reihenfolge der Klageerhebungen vor jedem der beteiligten Gerichte geltend gemacht werden. 48 Jedes der beteiligten Gerichte ist befugt, die Konnexitätsregel anzuwenden, wenn nicht eine zwingende Zuständigkeit49 entgegensteht. Der Gefahr eines negativen Kompetenzkonfliktes bei Verweisung durch beide Gerichte wurde durch die Regelung in Art. 105 NCPC begegnet: Die spätere der beiden Verweisungsentscheidungen gilt als nicht erfolgt. Im belgischen Recht existiert eine feste gesetzliche Rangordnung, die bestimmt, welches der beteiligten Gerichte bevorzugt wird (Art. 565, 566 4S Dieses allgemeine Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Gerichts stand selbständig neben der "exception de connexite". 46 Vgl. SoluslPerrot 11, Nr. 822 b. 47 Fournier, Enc. Dalloz proc., V O Connexite, Nr. 42; GlassonlTissier, Nr.279, S. 729; Giverdon, D. 1973, chron. 155, 171. 48 Heute Art. 101 NCPC: "... il peut etre demande a rune de ces juridictions ... " 49 Zwingend sind ausschließliche örtliche Zuständigkeiten; bei verschiedenen sachlichen Zuständigkeiten können die Klagen nur beim TGI (dem allgemeinen Zivilgericht) zusammengefaßt werden. Sind beide Gerichte ausschließlich zuständig, so scheidet eine Verbindung aus, SoluslPerrot 11, Nr. 546 ff.; Genin-Meric, J.-cl. proc. civ., Fasc. 212-2 Nr. 35 ff.; Heron, Nr. 878; anders jedoch bei "indivisibilite".

11. Grundsatz der Priorität

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C.j.)50. Die zeitliche Priorität entscheidet nur subsidiär, wenn kein vorrangiges Kriterium eingreift. Bei verschiedenen Arten von Zivilgerichten hat das "tribunal de premiere instance" als allgemeines Zivilgericht Vorrang vor allen besonderen Zivilgerichten, danach folgt das Arbeitsgericht, dann das Handelsgericht, dann der "juge de paix" (Art. 566 LV.m. 565 Abs. 2 Nr. 2-4). Haben die beteiligten Gerichte dieselbe sachliche Zuständigkeit, so hat das früher angerufene Vorrang (Art. 566 LV.m. 565 Abs. 2 Nr. 5). Nach italienischem Recht hat grundsätzlich das später angerufene Gericht die Klage zugunsten des früher angerufenen abzuweisen. Eine Ausnahme gilt jedoch für akzessorische Klagen; diese sind immer an das mit der Hauptklage befaßte Gericht abzugeben (Art. 40 Abs. 1 ital. c.p.c.). Im spanischen Recht richtet sich die Präferenz grundsätzlich nach der zeitlichen Priorität, außer bei den sog. universellen Verfahren (Konkurs- und Erbschaftsverfahren), die alle Verfahren gegen den Gemeinschuldner bzw. Erblasser an sich ziehen, Art. 171 LEC.51 Für die Verbindung konnexer Verfahren im englischen Recht ist die zeitliche Reihenfolge der Klageerhebung dagegen ohne Relevanz. 52 In den nationalen Rechtsordnungen wird die Priorität der Verfahrenseinleitung somit zwar häufig als Kriterium für den Vorrang eines der mit den konnexen Verfahren befaßten Gerichte verwendet, das früher angerufene Gericht wird aber - im Gegensatz zur Regelung in Art. 22 - nicht generell bevorzugt. Es gibt in den nationalen Konnexitätsregelungen unterschiedliche inhaltliche Kriterien, die gegenüber dem formalen Aspekt der zeitlichen Priorität vorrangig sind. Zu berücksichtigen ist weiterhin das Umfeld, in dem die ver50 Art. 566 C.j. lautet: "Diverses demandes en justice ou divers chefs de demande entre deux ou plusieurs parties, qui prt!sentes isolement devraient etre portes devant des tribunaux differents, peuvent s'ils sont connexes, etre reunis devant le meme tribunal en observant I'ordre de preference indique aux 2 0 a 50 de I'art. 565." Art. 565 C.j.: "En cas de litispendance les demandes en justice sont jointes, soit d'office, soit a la demande de I'une des deux parties. Le renvoi a lieu suivant I'ordre de preference ci-apres: 10 Le tribunal qui a rendu sur I'affaire un jugement autre qu'une disposition d'ordre interieur est toujours prefere; 2 0 le tribunal de premiere instance est prefere aux autres tribunaux; 3 0 le tribunal du travail est prefere au tr.ibunal de commerce; 4 0 le tribunal du travail et le tribunal de commerce sont preferes au juge de paix; 50 le tribunalle premier saisi est prefere a celui qui a ete saisi ulterieurement. " 51 Art. 171 LEC lautet: "Si los pleitos si siguieren en Juzgados diferentes, se pretendera la acumulaci6n ante el Juez a quien corresponda conocer de ellos. Correspondera este conocimiento al Juez 0 Tribunal en que radique el pleito mas antiguo, al que se acumularan los mas modernos. ExceptUanse de esta regla los juicios de testamentarfa, abintestato, concurso de acreedores y quiebra, a los cuales debera hacerse siempre la acumulaci6n de los demas autos, cuando proceda." 52 Siehe oben § 3 15.

140

§ 5 Einschränkende Voraussetzungen des Art. 22

schiedenen Konnexitätsregeln stehen. So kennen die nationalen Rechtsordnungen des romanischen Rechtskreises alle einen mehr oder weniger weit gehenden allgemeinen Zuständigkeitsgrund des Sachzusammenhangs. Wird unter dieser Voraussetzung der Vorrang eines der mit konnexen Verfahren befaßten Gerichte an der Priorität orientiert, so führt dies kaum zu einer Einschränkung des Wirkungsbereichs der Konnexitätsregel, da jedes der beteiligten Gerichte grundsätzlich für beide konnexen Verfahren zuständig ist, es sei denn eine absolute Zuständigkeit stünde entgegen. Im Rahmen des EuGVÜ ist die Situation anders, da die Konnexität nicht allgemein zuständigkeitsbegründend wirkt. Um den Anwendungsbereich der europäischen Konnexitätsregel nicht unnötig einzuschränken, sollte hier die Zuständigkeit der beteiligten Gerichte für die konnexen Klagen berücksichtigt werden. Wenn beide Gerichte für beide Klagen zuständig sind, ist die Reihenfolge der Klageerhebung ein sinnvolles Kriterium für die Bevorzugung eines der Gerichte. Ist jedoch nur eines der beiden Gerichte für beide konnexen Verfahren zuständig, gibt es keinen zwingenden Grund dafür, den formalen Gesichtspunkt der zeitlichen Reihenfolge über die Möglichkeit der Unzuständigerklärung entscheiden zu lassen. Die Annahme, daß das früher eingeleitete Verfahren regelmäßig bereits weiter fortgeschritten sei, kann nicht ausschlaggebend sein. Zum einen trifft dies nicht ausnahmslos zu, zum anderen kann eine Unzuständigerklärung auch zugunsten eines Verfahrens sinnvoll sein, das weniger weit fortgeschritten ist. Die schematische Anwendung des Prioritätsprinzips schränkt die Effektivität des Art. 22 Abs. 2 ohne ausreichenden Grund ein. 53 Da an dem Erfordernis der Zuständigkeit des einen Gerichts für beide Klagen festgehalten werden muß54, sollte Art. 22 Abs. 2 dahingehend geändert werden, daß die Prioritätsregel nur subsidiär eingreift, wenn jedes der angerufenen Gerichte für die Entscheidung beider Klagen zuständig ist. Ist dies nur für eines der Gerichte der Fall, sollte - unabhängig von der zeitlichen Reihenfolge der Verfahrenseinleitungen - eine Unzuständigerklärung des nur für eine der Klagen zuständigen Gerichts zugunsten des Gerichts mit der umfassenden Zuständigkeit möglich sein.

53 Kritisch gegenüber der Anwendung des Prioritätsprinzips bei der Konnexität auch Domenig, S. 83,113; Verheul, NILR 1987, 99,110. 54 Siehe unten IV 2.

ill. Anerkennungsfähigkeit und Zuständigkeit

141

b) Priorität und Aussetzung gemäß Art. 22 Abs. 1 Auch zur Aussetzung nach Art. 22 Abs. 1 ist nur das später angerufene Gericht befugt. Dies ist nicht so problematisch wie bei der Unzuständigerklärung, weil für die Aussetzung die Zuständigkeit des ersten Gerichts auch für das zweite Verfahren nicht erforderlich ist. Die Anwendung des Prioritätsprinzips führt bei Art. 22 Abs. 1 somit nicht zu einer Einschränkung des Anwendungsbereichs der Norm. Für die Zugrundelegung des Prioritätsprinzips bei der Aussetzung spricht, daß grundsätzlich davon ausgegangen werden kann, daß das früher begonnene Verfahren auch früher beendet sein wird. Dies berechtigt zu der Annahme, daß die durch die Aussetzung bewirkte Verzögerung in der Regel geringer ist, wenn das später begonnene Verfahren zugunsten des früheren ausgesetzt wird. Es gibt jedoch Konstellationen, in denen andere Aspekte eindeutig wichtiger sind als die zeitliche Reihenfolge der Klageerhebung. So ist es insbesondere bei einem Präjudizialitätsverhältnis zwischen zwei Klagen zweckmäßig, daß zugunsten des mit dem präjudiziellen Rechtsverhältnis befaßten Gerichts ausgesetzt wird und nicht umgekehrt. 55 Dementsprechend ist z.B. im deutschen und im italienischen Recht eine Aussetzung nur zugunsten eines präjudiziellen Verfahrens zulässig (§ 148 ZPO, Art. 295 ital. c.p.c.). Für Fallgruppen, in denen eindeutig das eine Verfahren sinnvollerweise zuerst durchgeführt werden sollte, wäre es daher wünschenswert, das Prioritätsprinzip auch hinsichtlich der Aussetzung zu durchbrechen.

III. Anerkennungsfahigkeit und Zuständigkeit

Obwohl Art. 22 dies nicht ausdrücklich voraussetzt, liegt es nahe, die Anerkennungsfähigkeit der künftigen ausländischen Entscheidung bzw. - als einen wesentlichen Teilbereich davon - die internationale Zuständigkeit des mit der konnexen Klage befaßten Gerichts zu verlangen.

1. Anerkennungsprognose Die Beachtung internationaler Rechtshängigkeit bzw. Konnexität kommt der Anerkennung eines laufenden ausländischen Verfahrens gleich. Entscheidungen von Gerichten anderer Staaten erlangen regelmäßig erst infolge ihrer 55 Kritisch zur absoluten Geltung des Prioritätsprinzips für Art. 22 Abs. 1 daher auch Zucconi Galli Fonseca, Enc. giur. Treccani, V O Competenza: VII, Nr. 5.3.

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§ 5 Einschränkende Voraussetzungen des Art. 22

Anerkennung Wirksamkeit im Inland. Einem laufenden ausländischen Verfahren im Inland eine Wirkung zukommen zu lassen, die eine spätere Entscheidung nicht erlangen kann, wäre unökonomisch und liefe berechtigten Parteie interessen zuwider. Daher wird in den nation!llen europäischen Rechtsordnungen, in denen die internationale Rechtshängigkeit Beachtung findet, regelmäßig vorausgesetzt, daß mit der Anerkennungsfähigkeit des künftigen ausländischen Urteils im Inland zu rechnen ist. 56 Ebenso verlangen die bilateralen Anerkennungsverträge zwischen europäischen Staaten für die Respektierung der Rechtshängigkeit bzw. Konnexität die Anerkennungsfähigkeit der ausländischen Entscheidung57 oder zumindest die internationale Zuständigkeit58 des ausländischen Gerichts. Für die Berücksichtigung der Konnexität gemäß Art. 22 wird dagegen nach zutreffender Auffassung eine positive Anerkennungsprognose nicht voraus gesetzt. 59 Hierfür spricht zunächst, daß diese Voraussetzung in den beiden Vorschriften anders als in den entsprechenden Regelungen in anderen Übereinkommen nicht genannt wird. Der Verzicht auf eine Anerkennungsprognose im Rahmen der Art. 21 und 22 erscheint auch möglich, weil das EuGVÜ ein geschlossenes System von Zuständigkeiten enthält. Zudem wäre eine hypothetische Anerkennungsprüfung mit dem System des Übereinkommens, das die automatische Urteilsanerkennung zur Regel macht (Art. 26 Abs. 1), nicht vereinbar. 6O Dies schließt jedoch nicht aus, im Rahmen der Ermessensentscheidung über die Rechtsfolgen eine bereits erkennbare Anerkennungsunfähigkeit der künftigen ausländischen Entscheidung zu berücksichtigen. 61

2. Zuständigkeit Da eine Gefahr widersprechender Entscheidungen an sich nur besteht, wenn beide befaßten Gerichte zur Sachentscheidung befugt sind62 , könnte für das 56 Siehe oben § 1 IV 1. 57 Siehe oben § 1 IV 2. 58 Damit begnügt sich Art. 11 des deutsch-italienischen Übereinkommens, siehe GeimerlSchütze I/2, § 215 I 1. 59 Schack, IZVR, Rdnr.766; Kropholler, EZPR, Art. 22 Rdnr.5; Bülowl BöckstiegellMüller I, S. 606.176; MünchKomm-Gottwald, Art. 22 EuGVÜ Rdnr. 3. Anders Schütze, RIW 1975, 543, 545, weil kollidierende Urteilswirkungen nur möglich seien, wenn eine Anerkennung erfolge; so auch Carbone, Riv. dir. int. priv. proc. 1969,7,15. 60 So auch OLG Köln NJW 1991, 1427; zustimmend Isenburg-Epple, IPRax 1992, 69, 70; Rauscher, IPRax 1986,274,276. 61 So auch BülowlBöckstiegellMüller I, S. 606.176; dazu unten § 7 II 6. 62 MünchKomm-Gottwald, Art. 22 EuGVÜ Rdnr. 2.

m. Anerkennungsfahigkeit und Zuständigkeit

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Eingreifen von Art. 22 die Zuständigkeit der beteiligten Gerichte für die bei ihnen anhängig gemachten Verfahren zu verlangen sein. In den romanischen Rechtsordnungen wird dementsprechend für das Eingreifen der Konnexitätsregel verlangt, daß beide beteiligten Gerichte für die dort jeweils anhängigen Verfahren zuständig sind. 63

a) Zuständigkeit des zuerst angerufenen Gerichts für das bei ihm anhängige Verfahren Wie in den romanischen Rechtsordnungen könnte auch für Art. 22 zu verlangen sein, daß das zuerst angerufene Gericht für das bei ihm anhängige Verfahren zuständig ist. Für Art. 21 hat der EuGH jedoch entschieden, daß das später angerufene Gericht die Zuständigkeit des zuerst angerufenen nicht zu prüfen hat. 64 Dies erscheint ebenso für Art. 22 zutreffend. Denn in bezug auf die im Übereinkommen selbst geregelten Zuständigkeiten vertraut das EuGVÜ darauf, daß diese in den Vertragsstaaten zutreffend angewendet werden. 65 Das Zweitgericht ist dann zumindest nicht besser in der Lage, die Zuständigkeit des Erstgerichts zu beurteilen, als dieses selbst. Richtet sich die Zuständigkeit gemäß Art. 4 nach autonomem Recht, ist das Erstgericht hierzu sogar eindeutig besser geeignet. 66 Für die Anerkennung ist das grundsätzliche Verbot der Zuständigkeitsnachprüfung ausdrücklich in Art. 28 Abs. 3 enthalten. Allerdings findet gemäß Art. 28 Abs. 1 eine eingeschränkte Überprüfung der Zuständigkeit des Erstgerichts statt. Hiernach kann eine Anerkennung nicht erfolgen, wenn gegen die Vorschriften über besondere Zuständigkeiten für Versicherungssachen (Art. 7 ff.) und für Verbrauchersachen (Art. 13 ff.) oder gegen die ausschließlichen Zuständigkeiten gemäß Art. 16 verstoßen wurde. Eine solche eingeschränkte Nachprüfung der erstgerichtlichen Zuständigkeit wird von Schütze auch im Rahmen des Art. 22 verlangt, weil bei einem Verstoß gegen diese Zuständigkeiten kollidierende Urteilswirkungen 63 Für das französische Recht: SoluslPerrot 11, Nr. 814 b; BlancIViatte, zu Art. 101 NCPC; VincentlGuinchard, Nr. 465; Heron, Nr. 874. Für das belgisehe Recht: Cambier 11, S. 151 f.; Repertoire pratique du droit beIge, VO Competence, Nr. 1718. Für das italienische Recht: De Petris, Nr. 8. Ebenso für die internationale Konnexität: Huet, J.-cl. dr. int., Fase. 581-D, 2. cah., Nr. 101. 64 EuGH 27.06.1991, Overseas Union, Sgl. 1991, 1-3317, 3350 (Rdnr.24); zustimmend RauscherlGutknecht, IPRax 1993,21,24. 65 GothotlHolleaux, Clunet 1971, 747, 770; BülowlBöckstiegellMüller I, S. 606.171; OLG Köln NJW 1991, 1427; Botschaft des Schweiz. Bundesrates, BBl. 199011,1, S. 265, 325 (Nr. 236.1): "Vertrauensprinzip". 66 So der EuGH 27.06.1991, Overseas Union, Sgl. 1991, 1-3317, 3350 (Rdnr. 23).

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§ 5 Einschränkende Voraussetzungen des Art. 22

ausgeschlossen seien. 67 Gegen diese Auffassung spricht jedoch, daß eine Zuständigkeitsprüfung durch das Gericht eines anderen Vertragsstaates nach der Systematik des Übereinkommens die Ausnahme darstellt und nur im Rahmen der Artikel 28 und 34 zulässig ist. 68 Etwas anderes könnte allerdings gelten, wenn das zweite Gericht gemäß Art. 16 ausschließlich zuständig ist. Für die Rechtshängigkeit gemäß Art. 21 ergibt sich eine Prüfungsbefugnis in diesem Fall mittelbar aus Art. 23; denn hiernach hat sich das Zweitgericht bei eigener ausschließlicher Zuständigkeit nur dann für unzuständig zu erklären, wenn auch zugunsten des ersten Gerichts eine ausschließliche Zuständigkeit eingreift. 69 Dasselbe könnte auch für Art. 22 gelten. Es besteht aber keine Einigkeit darüber, ob Art. 23 nur für identische Klagen gemäß Art. 21 oder auch für konnexe Klagen LS.d. Art. 22 gilt. Aus dem Wortlaut ("die Klagen") ergibt sich nicht eindeutig, ob nur identische Klagen gemeint sind oder auch solche, die lediglich miteinander zusammenhängen. Aus seiner Stellung nach Art. 21 und 22 könnte man schließen, daß er sich auf beide vorangehenden Normen bezieht. Da Art. 23 als Rechtsfolge eine zwingende Unzuständigerklärung vorsieht, würde eine Anwendung auf Fälle bloßen Zusammenhangs jedoch nicht in Einklang mit Art. 22 Abs. 2 stehen, der eine Unzuständigerklärung nur unter besonderen Voraussetzungen zuläßt und sie in das Ermessen des Gerichts stellt. 70 Im Fall von Konnexität macht es zudem keinen Unterschied, ob bei ausschließlicher Zuständigkeit des Zweitgerichts das Erstgericht ebenfalls eine ausschließliche Zuständigkeit besitzt oder nicht. Denn es handelt sich um verschiedene 67 Schütze, RIW 1975, 543, 544. 68 EuGH27.06.1991, Overseas Union, Sgl. 1991,1-3317,3350 (Rdnr. 24). 69 Der EuGH hat diese Frage in seiner Entscheidung zu Art. 21 vom 27.06.1991, Sgl. 1991, 1-3317, 3349 (Rdnr.20), ausdrücklich offengelassen. Für eine Prüfungsbefugnis Droz, Nr. 311 ff.; BülowlBöckstiegellMüller I, S.606.171; Kropholler, EZPR, Art. 21 Rdnr. 12; Linke, in: Internationale Zuständigkeit und Urteilsanerkennung in Europa, S. 157, 162; OLG Köln NJW 1991, 1427; a.A. (keine Prüfungsbefugnis): GothotlHolleaux, Nr. 220; dies., Clunet 1971,747,771; Geimerl Schütze 1/1, § 44 I 1 c; BatijfollLagarde, Nr. 676-8. Nach Ansicht von W. Lüke, GS Arens (1993), S. 273, 278 f., ergibt sich eine Prüfungsbefugnis des später angerufenen Gerichts zwar nicht aus Art. 23, aber aus Art. 28 und 34 Abs. 2. 70 Gegen eine Anwendung des Art. 23 auf Art. 22 auch BülowlBöckstiegell Müller I, S. 606.178; Kropholler, EZPR, Art. 23 Rdnr. 1; MünchKomm-Gottwald, Art. 23 EuGVÜ Rdnr.2; W. Lüke, GS Arens (1993), S.273, 278 Fn. 17; GA Lenz, Schlußanträge in der Rs C-129/92, Owens BanklBracco, Slg. 1994 1-117, 140 f. (Nr.65); Botschaft des Schweiz. Bundesrates, BBI. 1990 11, 1, S.265, 316 (Nr. 229.1). Dagegen nimmt der lenard-Bericht zu Art. 23 EuGVÜ auch auf Art. 22 Bezug; ebenso Audit, Nr.560 a.E; Beraudo, J.-cl. proc. civ., Fase. 52-4 Nr. 33; Gaudement-Tallon, Les conventions, Nr. 293; Alexandre, Enc. Dalloz proc., VO Convention des Bruxelles, Competence, Nr. 332; Andrioli, Foro it. 1966, V, 38,42.

ill. Anerkennungsfähigkeit und Zuständigkeit

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Klagen, so daß die Anerkennungsfahigkeit der Entscheidung des Erstgerichts nicht durch die ausschließliche Zuständigkeit des Zweitgerichts für die Zweitklage ausgeschlossen wird. Zwar scheitert bei ausschließlicher Zuständigkeit des Zweitgerichts eine Unzuständigerklärung gemäß Art. 22 Abs. 2 regelmäßig an der Voraussetzung der Zuständigkeit des Erstgerichts für beide Klagen, eine Aussetzung bleibt jedoch möglich. Im Fall der Aussetzung gemäß Art. 22 Abs. 1 ist eine Zuständigkeitsprüfung auch nicht zum Schutz der Parteien erforderlich, weil das Verfahren vor dem Zweitgericht anhängig bleibt, so daß es, falls das Urteil des Erstgerichts gemäß Art. 28 Abs. 1 nicht anerkannt wird, ohne weiteres fortgesetzt werden kann. Demnach erfolgt auch bei ausschließlicher Zuständigkeit des später angerufenen Gerichts für das eigene Verfahren im Rahmen des Art. 22 Abs. 1 keine Prüfung der Zuständigkeit des Erstgerichts für das bei ihm anhängige Verfahren. Aus dem Wortlaut des Art. 22 Abs. 2 scheint sich zu ergeben, daß die Zuständigkeit des Erstgerichts für das bei ihm anhängige Verfahren Voraussetzung für die Unzuständigerklärung ist. Danach muß "das zuerst angerufene Gericht für beide Verfahren zuständig" sein. Diese Voraussetzung zielt aber nicht auf eine Überprüfung des ausländischen Verfahrens ab, sondern will lediglich der Gefahr vorbeugen, daß das ausländische Gericht die zweite Klage später wegen Unzuständigkeit abweist. Hiermit ist nur gemeint, daß die Zuständigkeit des Erstgerichts für das zweite Verfahren zu prüfen ist71 , nicht dagegen auch dessen Zuständigkeit für das dort bereits anhängige Erstverfahren. 72 Einer solchen Prüfung steht Art. 28 bzw. das grundsätzliche Verbot der Zuständigkeitsnachprüfung im EuGVÜ entgegen. Die Zuständigkeit des ersten Gerichts für das bei ihm anhängige Verfahren ist also keine Voraussetzung für die Anwendung des Art. 22. 73 Das zuerst angerufene Gericht hat die alleinige Befugnis, seine internationale Zuständigkeit zu beurteilen.

b) Zuständigkeit des später angerufenen Gerichts Fehlt die Zuständigkeit des später angerufenen Gerichts (vor dem sich die Frage der Konnexität stellt) für das eigene Verfahren, so ist die Klage, gleich ob Konnexität vorliegt oder nicht, als unzulässig abzuweisen. Nicht eindeutig ist jedoch, ob die Zuständigkeitsprüfung im Verhältnis zu den Tatbestandsvoraussetzungen des Art. 22 vorrangig ist. Relevant ist die Frage der 71

Dazu unten IV 2.

72 Kaye, S. 1240; Vi Blase, Nr. 43, S. 198. 73 Droz, S. 189, Nr. 305; GothotlHolleaux, Nr. 219; Franchi, Riv. dir. int. priv. proc. 1976, 712, 728 f.; MünchKomm-Gottwald, Art. 22 EuGVÜ Rdnr. 2; Bülowl BöckstiegellMüller I, S. 606.176; Carbone, Riv. dir. int. priv. proc. 1969,7, 15 f. 10 Lüpfert

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§ 5 Einschränkende Voraussetzungen des Art. 22

Prüfungsreihenf01ge nur für die Rechtsfolge der Aussetzung, nicht auch für die Unzuständigerklärung. Denn das Gericht kann die Klage entweder wegen mangelnder Zuständigkeit aufgrund allgemeiner Regeln oder gemäß Art. 22 Abs. 2 abweisen, je nachdem, welche Begründung leichter fallt. Eine logische Rangfolge zwischen internationaler Zuständigkeit und dem Einwand der Rechtshängigkeit bzw. Konnexität besteht wohl nicht. 74 Die Prüfungsreihenfolge kann daher an Praktikabilitätsgesichtspunkten ausgerichtet werden. Für die Rechtshängigkeit gemäß Art. 21 hat das OLG Köln75 die Ansicht geäußert, daß das später angerufene Gericht bei Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 21 das Verfahren aussetzen solle, ohne vorab.die eigene Zuständigkeit zu prüfen. Kommt eine Aussetzung gemäß Art. 21 Abs. 1 in Betracht, erscheint es in der Tat zweckmäßig, zunächst auf eine Prüfung der eigenen Zuständigkeit zu verzichten. Diese erübrigt sich nämlich, sofern das zuerst angerufene Gericht seine Zuständigkeit bejaht und das zweite Gericht somit die Klage gemäß Art. 21 Abs. 2 abweisen muß.?6 Für Art. 22 trifft diese prozeßökonomische Begründung aber nicht ebenso zu, da hier durch die Aussetzung nicht nur die Unsicherheit über die Zuständigkeit des anderen Gerichts überbrückt, sondern dessen Entscheidung über die für beide Verfahren relevante Frage abgewartet und anschließend unter Einbeziehung des Ergebnisses weiterverhandelt werden soll. Spätestens dann muß das Gericht in jedem Fall über die eigene Zuständigkeit entscheiden. Den Prozeß in der Schwebe zu halten, ist in dieser Situation nur dann zweckmäßig, wenn die eigene Entscheidungszuständigkeit wirklich besteht. Es ist somit im Fall der Aussetzung gemäß Art. 22 Abs. 1 nicht sinnvoll, die Entscheidung über seine Anwendbarkeit der Zuständigkeitsprüfung vorzuziehen. Voraussetzung für das Eingreifen des Art. 22 ist demnach - wie im nationalen französischen und belgisehen Recht - das Vorliegen der eigenen Zuständigkeit desjenigen Gerichts, bei dem sich die Frage der Konnexität stellt.?7

IV. Zusätzliche Einschränkungen für die Unzuständigerklärung nach Abs. 2

Neben der Rechtsfolge der Verfahrensaussetzung sieht Art. 22 in seinem zweiten Absatz die Möglichkeit vor, daß sich das zweite Gericht für unzuständig erklärt. Dies ist jedoch nur unter drei weiteren einschränkenden Vor74 H. Roth, IPRax 1992,67. 75 OLGKöln NJW 1991, 1427. 76 So Rizor, RIW 1991, 330, 331, der daher der Entscheidung des OLG Köln zustimmt. 77 So auch Bü/ow/Böckstiege//Müller I, S.606.175 f.; O'MalleylLayton, Nr. 23.15.

IV. Zusätzliche Einschränkungen für die Unzuständigerklärung

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aussetzungen möglich: Eine Partei muß die Unzuständigerklärung beantragt haben (dazu unter 1.), das zuerst angerufene Gericht muß für beide Klagen zuständig (dazu unter 2.) und die Verbindung zusammenhängender Verfahren nach nationalem Recht zulässig sein (dazu unter 3.).

1. Antrag einer Partei Während die Aussetzung zugunsten eines konnexen Verfahrens gemäß Art. 22 Abs. 1 auch von Amts wegen erfolgen kann, erfordert die Unzuständigerklärung gemäß Abs. 2 einen Parteiantrag.

a) Sinn des Antragserfordernisses Die Rechtsfolge der Unzuständigerklärung bei Konnexität wird der Parteidisposition überlassen. Dies erscheint befremdlich, da die Koordinierung zusammenhängender Verfahren zumindest auch im öffentlichen Interesse steht, und zwar nicht nur die Aussetzung, sondern auch die Unzuständigerklärung wegen Konnexität. Bei bloß konnexen Verfahren überwiegt aber - im Gegensatz zur Situation bei identischen Klagen - das Interesse an der Vermeidung widersprechender Entscheidungen und der Ersparnis von Verfahrensaufwand nicht unbedingt die Interessen der Parteien an getrennter Verhandlung. Die Abweisung der Klage gemäß Art. 22 Abs. 2 stellt im Vergleich zur bloßen Verfahrensaussetzung einen weitergehenden Eingriff in die Rechte des Klägers dar, der von den Verfassern des Übereinkommens nur unter der Voraussetzung als gerechtfertigt angesehen wurde, daß eine der Parteien ein besonderes Interesse daran bekundet. In der Regel wird der Beklagte den Antrag stellen, nicht der Kläger, da dieser sich gerade für das angerufene Gericht entschieden hat. Der Beklagte kann etwa ein Interesse daran haben, nicht vor zwei verschiedenen Gerichten prozessieren zu müssen. Wegen der gravierenden Folgen sollte (liese Rechtsfolge wenigstens nicht gegen den Willen beider Parteien angeordnet werden können. Diese Ausgestaltung beruht auf der entsprechenden Rechtslage in einem Teil der vertragsstaatlichen Rechtsordnungen. Nach nationalem französischem78, belgischem79 und spanischem80 Recht ist für die Verweisung wegen Konnexität (im Gegensatz zur Situation bei Rechtshängigkeit und bei "indivisibilite") ein Partei antrag erfor78 SoluslPerrot 11, NT. 827 f. 79 Art. 856 i.V.m. 854 C.j., vgl. Fettweis 11, NT. 200; Rouard, I, NT. 252. 80 Art. 160 Abs. 1 LEC: "La acumulaci6n de autos s610 podra decretaTse a instancia de parte legftima ... 10*

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§ 5 Einschränkende Voraussetzungen des Art. 22

derlich. 81 Eine Berücksichtigung von Amts wegen ist nur bei Anhängigkeit der Klagen vor demselben Gericht möglich. Im italienischen Recht ist ein Antrag dagegen nicht zwingend vorausgesetzt. 82 Letztlich hat das Antragserfordemis keine große praktische Relevanz, weil die Gerichte ohne Geltendmachung der Konnexität seitens der Parteien kaum Kenntnis von der Anhängigkeit eines konnexen Verfahrens im Ausland erhalten. Eine praktische Bedeutung des Antragserfordernisses könnte sich nur daraus ergeben, daß ein Antrag nicht in jedem Verfahrensstadium gestellt werden kann.

b) Zeitpunkt der Geltendmachung Aus Art. 22 Abs. 2 ergibt sich nicht, ob es eine zeitliche Grenze für die Stellung des Antrags auf Unzuständigerklärung gibt. In den nationalen Rechtsordnungen wird dies unterschiedlich gelöst. Nach italienischem83 und belgischem84 Recht muß die Konnexitätseinrede zu Beginn des Verfahrens geltend gemacht werden. Nach heutigem französischem 85 sowie nach spanischem86 Recht ist die Geltendmachung dagegen grundsätzlich in jedem Verfahrensstadium möglich. Da das EuGVÜ keine Regelung über die zeitlichen Grenzen des Vorbringens von Anträgen enthält, stellt sich die Frage, ob sich der Zeitpunkt, bis zu dem der Antrag auf Unzuständigerklärung gemäß Art. 22 Abs.2 gestellt werden kann, nach dem nationalen Prozeßrecht des jeweiligen Gerichtsstaates richtet. Ein italienisches Gericht hat dazu entschieden, daß der Antrag auf Unzuständigerklärung gemäß Art. 22 Abs. 2 in dem italienischen Verfahren in der ersten mündlichen Verhandlung hätte gestellt werden müssen. 87 Da dies nicht geschehen sei, könne die Norm nicht eingreifen. In der italieni81 Dies beruht darauf, daß angenommen wird, die Einrede der Konnexität sei "d'interet prive", vg!. SoluslPerrot TI, Nr. 828; Fettweis 11, Nr. 200. 82 CarpilColesantifTarujJo, Art. 40 c.p.c. Anm. 14. 83 In der ersten mündlichen Verhandlung, Art.40 Abs.2 ita!. c.p.c.: "La connessione non pub essere eccepita dalle parti ne rilevata d'ufficio dopo la prima udienza ... " 84 "In limine litis", Art. 856 i.V.m. 854 C.j. 85 Art. 103 NCPC: "L'exception de connexite peut etre proposee en tout etat de cause, sauf a etre ecartee si elle a ete soulevee tardivement dans une intention dilatoire. " 86 Art. 163 LEC: "La acumulaci6n puede pedirse en cualquier estado dei pleito antes de la citaci6n para sentencia definitiva." 87 Tribunale di Bassano dei Grappa 13.02.1976, Riv. dir. int. priv. proc. 1978, 74.

IV. Zusätzliche Einschränkungen für die Unzuständigerklärung

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schen Lehre wurde diese Entscheidung jedoch kritisiert88 , da Art. 22 Abs. 2 diese Voraussetzung nicht aufstelle. Dieser Kritik ist beizupflichten. Es würde der Regelung des Art. 22 nicht gerecht, wenn vor den Gerichten einzelner Vertragsstaaten die Anwendbarkeit der Regelung daran scheiterte, daß für die Geltendmachung der jeweiligen nationalen Konnexitätseinrede besonders enge zeitliche Grenzen gelten. Die Frage der zeitlichen Grenze für die Geltendmachung ist einheitlich für das EuGVÜ zu beantworten. 89 Überzeugend erscheint die Lösung des heutigen französischen Rechts, das eine Geltendmachung der Konnexitätseinrede in jedem Verfahrensstadium zuläßt, sofern dies nicht verspätet und in Verzögerungsabsicht geschieht. Es wurde als ungerechtfertigt angesehen, eine Geltendmachung zu Beginn des Verfahrens zu verlangen (so dagegen bei Litispendenz und Unzuständigkeit, früher auch bei Konnexität90), da sich das Vorliegen von Konnexität unter Umständen erst im Verlauf des Verfahrens herausstellen kann. Diese flexible Lösung, die nicht auf einen festen Zeitpunkt, sondern auf eine Beurteilung der Rechtzeitigkeit im konkreten Fall abstellt, ist auch im Rahmen des Art. 22 Abs.2 anzuwenden. Zwar sollte die Konnexität in einem möglichst frühen Stadium berücksichtigt werden, damit sie ihren Zweck, Verfahrensaufwand zu sparen, noch erreichen kann. Dies bedeutet aber nicht, daß eine Unzuständigerklärung in einem späteren Stadium in jedem Fall unzweckmäßig sein muß. Auch wenn das nationale Recht des Gerichtsstaates eine Geltendrnachung der Konnexität zu Beginn des Verfahrens vorschreibt, ist für die Rechtzeitigkeit des Antrags gemäß Art. 22 Abs. 2 auf die allgemeinen Regeln über die Rechtzeitigkeit des Vorbringens von Verteidigungsmitteln (z.B. §§ 282, 296 ZPO) abzustellen. Die Konnexitätsregel in Art. 22 darf nicht durch die Übertragung von zusätzlichen Voraussetzungen entsprechender nationaler Regeln aus dem Recht des Gerichtsstaates eingeschränkt werden.

2. Zuständigkeit des ersten Gerichts für beide Verfahren

Bevor sich das später angerufene Gericht für unzuständig erklärt, muß es gemäß Art. 22 Abs. 2 überprüfen, ob das erste Gericht für beide Klagen nach seinem Recht zuständig ist. Nach einhelliger Meinung hat diese zusätzliche Voraussetzung die Funktion, der Gefahr vorzubeugen, daß das ausländische 88 Pocar, Riv. dir. proc. 1978,655,668 f. 89 A.A. Di Blase, Nr. 7, S. 35. 90 Vgl. Cass. (jr.) 23.06.1971, Bull. civ. 1971, II, Nr. 227; Fournier, Enc. Dalloz proc. (1955), VO Connexite, Nr. 27: in /imine /itis; dies wurde geändert durch Art. 42 decret du 20.07.1972.

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§ 5 Einschränkende Voraussetzungen des Art. 22

Erstgericht die zweite Klage später wegen Unzuständigkeit abweist. 91 Zu prüfen ist also nur die Zuständigkeit des Erstgerichts für die wegen Konnexität abzuweisende Klage, nicht auch dessen Zuständigkeit für die dort anhängige Klage. 92 Grund für diese Voraussetzung ist, daß es bei konnexen Verfahren (im Gegensatz zur Situation bei Rechtshängigkeit) nicht genügt, wenn eines der Verfahren durchgeführt wird. Zur Befriedigung des Rechtsschutzinteresses der Parteien sind beide Verfahren erforderlich, sie sollen lediglich nicht getrennt durchgeführt werden. Eine Klageabweisung ist daher für die Parteien nur dann zumutbar, wenn das Verfahren vor dem mit der konnexen Klage befaßten Gericht durchgeführt werden kann. Andernfalls entsteht ein negativer Kompetenzkonflikt, indem beide in Frage kommenden Gerichte die Klage wegen Unzuständigkeit abweisen, das eine wegen Konnexität, das andere aufgrund allgemeiner Zuständigkeitsregeln. Die Zuständigkeit des ersten Gerichts auch für die zweite Klage ist somit erforderlich, um eine Rechtsschutzverweigerung zu vermeiden. Weiterhin ist es notwendig, diese Voraussetzung in Art. 22 Abs. 2 festzuschreiben, weil es nicht selbstverständlich ist, daß die Zuständigkeit des ersten Gerichts auch für die zweite Klage besteht. 93 Es handelt sich nämlich im Gegensatz zu den Fällen des Art. 21 um zwei verschiedene Klagen, für die unterschiedliche Zuständigkeiten durchaus bestehen können. Auch das Vorliegen von Konnexität selbst führt nicht zu einer gemeinsamen Zuständigkeit für beide Klagen; denn Art. 22 schafft keinen Gerichtsstand des Sachzusarnmenhangs, und das Übereinkommen enthält einen solchen auch an anderer Stelle nicht. 94 Hinsichtlich der Zuständigkeitsprüfung stellt sich die Frage, ob es genügt, daß das Erstgericht für die zweite Klage international zuständig ist, oder ob darüber hinaus auch dessen örtliche Zuständigkeit vorliegen muß. Auf dieses Problem wird zumeist nicht näher eingegangen. Der Wortlaut des Art. 22 ("das zuerst angerufene Gericht") legt nahe, daß das konkrete Gericht für die zweite Klage zuständig sein muß. An einigen Stellen des Übereinkommens ist von den "Gerichten des (Vertrags-)staates" die Rede (z.B. in Art. 2 und 16) und somit eindeutig nur die internationale Zuständigkeit geregelt. Andere Normen (z.B. Art. 5) beziehen auch die örtliche Zuständigkeit mit ein ("das Gericht des Ortes"). Dafür, auf die Zuständigkeit des konkreten, mit der konnexen Klage befaßten Gerichts abzustellen, spricht auch das Ziel des Art. 22 Abs.2, die gemeinsame Verhandlung beider Klagen vor einem Gericht zu erreichen. In diesem Sinne hat der englische High Court die Voraussetzung in 91 BülowlBöckstiegellMüller I, S.606.177; GothotlHolieaux, Clunet 1971, 747, 772. 92 Siehe oben m 2 a. 93 Droz, Nr. 319. 94 Siehe oben § 1 II.

IV. Zusätzliche Einschränkungen für die Unzuständigerklärung

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Art. 22 Abs. 2 in einer neueren Entscheidung verstanden. 95 Jedoch wird der Zweck der Voraussetzung, negative Kompetenzkonflikte zu vermeiden, bereits erreicht, wenn die internationale Zuständigkeit der Gerichte des Staates, in dem das frühere Verfahren anhängig ist, auch für das Zweitverfahren gegeben ist. Es kann auch nicht gemeint sein, daß das Zweitgericht die nationalen Zuständigkeitsregeln des Erstgerichts anzuwenden hat. Das EuGVÜ hat nicht zum Ziel, die Verteilung der Zuständigkeiten innerhalb der Vertragsstaaten zu regeln. Eine gemeinsame örtliche Zuständigkeit ist unter den Voraussetzungen des Art. 22 Abs. 2 zudem regelmäßig gegeben, da internationale und örtliche Zuständigkeit weitgehend parallel laufen. Einige Zuständigkeitsregeln des EuGVÜ gelten auch für die örtliche Zuständigkeit, im übrigen finden sich die meisten Zuständigkeitsnormen des EuGVÜ entsprechend in den nationalen Rechtsordnungen. Außerdem kennen fast alle nationalen europäischen Rechtsordnungen eine allgemeine Zuständigkeit kraft Sachzusammenhangs. Auch wenn das Erstgericht für die spätere Klage ausnahmsweise einmal örtlich unzuständig ist, so ist es doch ein Fortschritt, wenn mit Art. 22 Abs. 2 erreicht wird, daß die konnexen Klagen durch verschiedene Gerichte desselben Vertragsstaates entschieden werden96 , die dann immerhin dasselbe Sachrecht anwenden. Dadurch kann jedenfalls eine größere Einheitlichkeit erreicht werden als durch eine Entscheidung in verschiedenen Staaten. Folglich ist die internationale Zuständigkeit des Vertragsstaates, in dem das erste Verfahren anhängig ist, für die Anwendbarkeit des Art. 22 Abs. 2 ausreichend. 97 In diesem Sinne hat auch die französische Cour de cassation in einem Fall entschieden. 98 Die Frage der Zuständigkeit des mit der konnexen Klage befaßten konkreten Gerichts kann allerdings in die Ermessensentscheidung über die Rechtsfolgen mit einbezogen werden. 99 Eine Zuständigkeit der erststaatlichen Gerichte für die zweite Klage muß sich aus den allgemeinen Zuständigkeitsregeln des EuGVÜ ergeben (Art. 2 ff.)lOO bzw. bei Wohnsitz des Beklagten in einem Drittstaat gemäß Art. 4 aus nationalem Recht. Eine Anwendung des Art. 22 Abs. 2 scheidet jedenfalls dann aus, wenn sich das erste Gericht für die zweite Klage für international

95 De PinalM.S. Birka ICG [1994] Int. Lit. Proc. 694 (Q.B.), unter alleiniger Berufung auf den Wortlaut von Art. 22 Abs. 2: "the court first seised", dies sei "a particular court in a country" . 96 Kaye, S. 1241. 97 Kaye, S. 1240, ebenso Schütze, RIW 1975, 543, 545. Nach Ansicht von GeimerlSchütze I/I, § 44 11 2, muß das zuerst angerufene Gericht dagegen auch örtlich zuständig sein; so auch Di Blase, Nr. 45. 98 Cass. (fr.) 27.10.1992, Clunet 1994,171, mit kritischer Anmerkung von Huet. 99 Dazu unten § 7 11 5. 100 So auch Droz, Nr. 327.

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§ 5 Einschränkende Voraussetzungen des Art. 22

unzuständig erklärt hat. 101 Es ist jedoch zweifelhaft, ob negative internationale Kompetenzkonflikte durch diese Regelung wirklich zuverlässig verhindert werden. Dies wäre nur dann der Fall, wenn das erste Gericht über seine Zuständigkeit für die zweite Klage nicht anders entscheiden könnte, als es das zweite Gericht getan hat. Ist das erste Gericht nicht an die Beurteilung seiner internationalen Zuständigkeit durch das zweite Gericht gebunden, so ist es möglich, daß es seine eigene Zuständigkeit verneint, nachdem das später angerufene Gericht sie bejaht und die bei ihm anhängige Klage daraufhin abgewiesen hat. Auf die Frage, ob Art. 22 Abs. 2 in der geltenden Fassung eine bindende Verweisung ermöglicht, ist später im einzelnen einzugehen. 102

3. Zulässigkeit der Verbindung nach nationalem Recht Die Unzuständigerklärung des Gerichts nach Art. 22 Abs. 2 hat schließlich zur Voraussetzung, daß "die Verbindung im Zusammenhang stehender Verfahren nach seinem Recht zulässig ist". Diese Rechtsfolge wird also von entsprechenden Möglichkeiten im nationalen Recht abhängig gemacht.

a) Inhalt der Voraussetzung aa) Maßgeblichkeit des Rechts des später angerufenen Gerichts In der deutschen Fassung heißt es, "das später angerufene Gericht kann sich für unzuständig erklären, wenn die Verbindung im Zusammenhang stehender Verfahren nach seinem Recht zulässig ist". Es wird auf die eigene nationale Rechtsordnung des zweiten Gerichts abgestellt, also des Gerichts, das Art. 22 anwendet. 103 Nicht so eindeutig ist dagegen die englische Fassung von Art. 22 Abs. 2: "A court other than the court first seised may also, on the application of one of the parties, decline jurisdiction if the law of that court permits the consolidation of related actions and the court first seised has jurisdiction over both actions." Diese Formulierung wird von manchen Kommentatoren dahin101 lenard-Bericht zu Art. 22 EuGVÜ. 102 Siehe unten § 6 11. 103 BülowlBöckstiegellMüller I, S.606.177; GeimerlSchütze I/I, § 44 Il 2 b; Kropholler, EZPR, Art. 22 Rdnr.6; MünchKomm-Gottwald, Art. 22 EuGVÜ Rdnr.5; Schütze, RIW 1975, 543, 545. Entsprechendes gilt für die französische (Droz, Nr. 326; Weser, Nr.463) und die italienische Fassung (Di Blase, Nr.44, S.204).

IV. Zusätzliche Einschränkungen für die Unzuständigerklärung

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gehend verstanden, daß sich "that court" auf "the court first seised" beziehe. 104 Die grammatikalische Konstruktion legt jedoch näher, daß der Bezug zu "the court other than the court first seised" gemeint ist. Hierfür spricht auch, daß später die Formulierung "the court first seised" verwendet wird, was nicht stimmig wäre, wenn schon mit "that court" das zuerst angerufene Gericht gemeint wäre. 105 Auch wenn man anhand der englischen Fassung zu dem Schluß kommt, es werde auf das Recht des ersten Gerichts abgestellt, ergibt sich jedenfalls aus dem Vergleich mit den anderssprachigen Fassungen, daß dies nicht zutreffend ist. 106

bb) Qualität der Verbindungsmöglichkeit Nicht deutlich wird aus der Formulierung des Art. 22 Abs. 2, wie die Verbindungsmöglichkeit im nationalen Recht des Zweitgerichts aussehen muß. Der Wortlaut legt nahe, daß es überhaupt eine Möglichkeit, konnexe Verfahren miteinander zu verbinden, geben müsse. Hierauf scheint Kaye abzustellen, wenn er das Vorliegen dieser Voraussetzung in Großbritannien damit begründet, daß das englische Recht bei Konnexität die Verbindung mehrerer Klagen zuläßt, die vor derselben Division des High Court (R.S.C. Order 4, r. 9) oder vor demselben County court schweben (C.C.R. Order 13, r. 9).107 Zumeist wird jedoch verlangt, das nationale Recht müsse eine Verbindung von vor verschiedenen Gerichten anhängigen konnexen Klagen zulassen. 108 Für diese Auslegung spricht, daß Art. 22 Abs. 2 selbst Klagen betrifft, die vor verschiedenen Gerichten schweben. Außerdem wurde diese zusätzliche Voraussetzung vor allem auf Anregung der deutschen Delegation aufgenommen mit dem Hinweis auf die fehlende Möglichkeit im nationalen deutschen Recht, konnexe Klagen miteinander zu verbinden, die vor verschiedenen Gerichten schweben. 109 Droz meint, es komme darauf an, ob das nationale Recht der Konnexität überhaupt Bedeutung beimißt, insbesondere als Zuständigkeitsgrund. Unanwendbar sei Art. 22 Abs. 2 für Gerichte jener Staaten, in deren nationalem 104 Collins, S. 98; Hartley, S. 77; Black, Nr. 8.04.

105 Kaye, S. 1241.

106S o auch O'MalleylLayton, Nr.23.20, 23.21, der die Formulierung als "somewhat ambiguous" bezeichnet. 107 Kaye, S. 1241. 1081enard-Bericht zu Art. 22 EuGVÜ; Kropholler, EZPR, Art. 22 Rdnr.6; GothotlHolleaux, C1unet 1971,747,772. 109 Der lenard-Bericht enthält die Bemerkung, diese Bedingung berücksichtige Besonderheiten u.a. des deutschen Rechts.

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§ 5 Einschränkende Voraussetzungen des Art. 22

Recht der Sachzusammenhang nicht als Zuständigkeitsgrund anerkannt ist. 110 Da Art. 22 aber die Zuständigkeit des Erstgerichts auch für das zweite Verfahren voraussetzt und somit keine zuständigkeitsverändernde Wirkung hat, kann es für die Entsprechung im nationalen Recht nicht auf die Bedeutung der Konnexität als Zuständigkeitskriterium ankommen. Entscheidend ist folglich für die Anwendbarkeit des Art. 22 Abs. 2, ob das nationale Recht des später angerufenen Gerichts eine Möglichkeit der Verbindung konnexer Verfahren kennt, die vor verschiedenen Gerichten schweben.

cc) Verbindungsmöglichkeit nach nationalem Recht im konkreten Fall oder generell Das Erfordernis der Verbindungsmöglichkeit nach nationalem Recht könnte weiterhin bedeuten, daß die Voraussetzungen des jeweiligen nationalen Rechts für eine Verfahrensverbindung im konkreten Fall vorliegen müssen. Davon ist wohl das Tribunale Bassano dei Grappa ausgegangen, als es feststellte, Art. 22 greife nicht ein, da die Konnexität nicht in der ersten mündlichen Verhandlung geltend gemacht worden sei. II 1 Noch deutlicher in diese Richtung geht eine Entscheidung des Pretore di Parma aus dem Jahre 1980. 112 Der Pretore untersuchte, ob das italienische Recht die Verbindung "der" Klagen zuließ.ll3 Die Voraussetzungen des in Art. 40 c.p.c. verwendeten engen Konnexitätsbegriffs ll4 waren im vorliegenden Fall nicht gegeben. Der hier vorliegende schwächere Grad von Konnexität, die sog. "connessione impropria", reichte nur für eine Verbindung von vor demselben Richter anhängigen Klagen aus. Aus diesem Grund hat der Pretore die Voraussetzung der Verbindungsmöglichkeit nach nationalem Recht abgelehnt und das Verfahren lediglich gemäß Art. 22 Abs. 1 ausgesetzt. Im Leitsatz der Entscheidung wird dies dahingehend zusammengefaßt, daß Konnexität i.S.d. Art. 22 Abs. 2 nur in den Fällen der "connessione propria" vorliege. Für die Unzuständigerklärung gemäß Art. 22 Abs. 2 soll also vor italienischen Gerichten ein engerer Konnexitätsbegriff gelten als für 110 Droz, Nr. 326. III Tribunale di Bassano del Grappa

13.02.1976, Riv. dir. int. priv. proc. 1978, 74 ff.; siehe oben 1 b. ll2 Pretore di Parma 17.06.1980, Riv. dir. int. priv. proc. 1982,86 ff. 113 Der Pretore di Parma zitiert die hier untersuchte Voraussetzung des Art. 22 Abs. 2 in seiner Urteilsbegründung wie folgt: "... che la propria legge consenta la riunione dei procedimenti ... ". Es heißt jedoch in der italienischen Fassung "la riunione di procedimenti" . ll4Für Art. 40 c.p.c. wird "connessione propria" verlangt, vgl. oben § 3 13.

IV. Zusätzliche Einschränkungen für die Unzuständigerklärung

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die Aussetzung gemäß Art. 22 Abs. 1. 115 Dieser Entscheidung kann nicht zugestimmt werden. Das Abstellen auf die Voraussetzungen einer auch nach nationalem Recht bestehenden Verbindungsmöglichkeit im konkreten Fall würde zu einer Kumulation der Voraussetzungen des Art. 22 Abs.2 und denen des jeweiligen nationalen Rechts führen und eine völlig uneinheitliche Anwendung der europäischen Konnexitätsregel in den einzelnen Vertragsstaaten nach sich ziehen. Statt einer einheitlichen Konnexitätsregel für das Verhältnis der Vertragsstaaten untereinander wäre damit lediglich eine Ausdehnung der jeweiligen nationalen Regeln für die Verbindung konnexer Verfahren auf den zwischenstaatlichen Bereich erreicht. Außerdem spricht die Verwendung des unbestimmten bzw. keines Artikels in den verschiedensprachigen Fassungen ("Verbindung im Zusammenhang stehender Verfahren", nicht "Verbindung der im Zusammenhang stehenden Verfahren") deutlich gegen das Abstellen auf eine Verbindungsmöglichkeit im konkreten Fall. Es genügt somit, wenn das jeweilige nationale Prozeßrecht eine Verbindung konnexer Verfahren generell zuläßt.

b) Kritik an dieser Einschränkung Es ist nicht ohne weiteres zu erkennen, warum die Unzuständigerklärung in Art. 22 Abs. 2 von entsprechenden Möglichkeiten im nationalem Recht abhängig gemacht worden ist. Häufig wird kritisiert, daß auf das nationale Recht des zweiten Gerichts und nicht auf das des ersten abgestellt wird. Darüber hinaus ist prinzipiell zweifelhaft, ob es sinnvoll ist, die Wirksamkeit der EuGVÜ-Regelung von der Existenz entsprechender Regelungen in den Rechtsordnungen der Vertragsstaaten abhängig zu machen.

aa) Sinn des Abstellens auf die zweitgerichtliche Rechtsordnung Von manchen Autoren wird insbesondere unter Heranziehung der insofern nicht ganz eindeutigen englischen Fassung 11 6 angenommen, die Vorschrift müsse so verstanden werden, daß sie auf das Recht des ersten Gerichts abstelle, da dieser Voraussetzung andernfalls gar kein Sinn beizumessen sei. 117 115 Gegen die Geltung verschiedener Konnexitätsbegriffe für Abs. 1 und 2 oben § 3 VI. 116 Vgl. oben unter a aa. 1170'MalleylLayton, Nr. 23.21; Schockweiler, S. 145, 148, spricht (ohne nähere Begründung) von einem "Redaktionsversehen", da "logischerweise" auf das Recht des zuerst angerufenen Gerichts abgestellt werden müsse.

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Teilweise wird auch die Ansicht vertreten, es müsse auf beide nationalen Rechtsordnungen abgestellt werden: Die Rechtsordnung des zweiten Gerichts müsse diesem ermöglichen, sich für unzuständig zu erklären, und die des ersten, beide Klagen bei sich zu verbinden. 118 Der Sinn dieser Voraussetzung hängt von der Bedeutung der Rechtsfolge der Unzuständigerklärung ab. Ziel der Unzuständigerklärung gemäß Art. 22 Abs.2 ist die Verbindung beider Klagen vor einem Gericht. 119 Unklar ist jedoch, auf welchem Wege eine solche Zusammenführung vor sich gehen soll. Muß das zweite Verfahren nach der Unzuständigerklärung durch das zweite Gericht erneut vor dem ersten Gericht erhoben werden, wird eine Vereinigung beider Klagen in einem Verfahren nur möglich, wenn das erste Gericht die beiden Verfahren miteinander verbinden kann. Dann kann der Voraussetzung ein Sinn nur zukommen, wenn auf eine Verbindungsmöglichkeit im erstgerichtlichen Recht abgestellt wird. 120 Mit der Unzuständigerklärung in Art. 22 Abs. 2 könnte jedoch auch gemeint sein, daß das zweite Gericht, indem es die Klage abweist, das vor ihm anhängige Verfahren an das mit dem konnexen Verfahren befaßte Gericht überträgt und somit selbst die Verfahrensverbindung herstellt. 121 Bei einem solchen Verständnis der Rechtsfolge wird das Abstellen auf das Recht des zweiten Gerichts sinnvoll. Auch Kaye, der die Rechtsfolge des Art. 22 Abs. 2 nicht als Verweisung mit Verbindungswirkung ansieht, hält das Abstellen auf das zweitstaatliche Recht nicht für ganz sinnlos. 122 Das später angerufene Gericht soll nach seiner Meinung allerdings in die Ermessensausübung einbeziehen, ob das Recht des zuerst angerufenen Gerichts eine Verbindung der Verfahren erlaubt. Sei dies nicht der Fall, so könne eine Unzuständigerklärung dennoch unter Umständen erfolgen, da durch getrennte Entscheidung in ein und demselben Staat immerhin mehr Einheitlichkeit erreicht werde als bei Entscheidung in verschiedenen Vertragsstaaten. 123

118 Beraudo, J .-cl. proc. civ., Fasc. 52-4 Nr. 31; GothotlHolleaux, Nr. 226.

119 MünchKomm-Gottwald, Art. 22 EuGVÜ Rdnr. 4; Kropholler, EZPR, Art. 22 Rdnr. l. 120 Kritisch gegenüber dem Abstellen auf die zweitgerichtliche Rechtsordnung daher MünchKomm-Gottwald, Art. 22 EuGVÜ Rdnr. 5. 121 Siehe unten § 6 11. 122 Kaye, S. 1241: Das Abstellen auf das Recht des später angerufenen Gerichts sei "not totally devoid of all practica1 sense". 123 Siehe oben 2.

IV. Zusätzliche Einschränkungen für die Unzuständigerklärung

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bb) Sinn der Abhängigkeit vom Bestehen entsprechender nationaler Regelungen Es stellt sich weiterhin die grundsätzliche Frage, warum Art. 22 Abs. 2 die Rechtsfolge der Unzuständigerklärung überhaupt vom Bestehen einer entsprechenden nationalen Regelung abhängig macht. Eine solche Einschränkung paßt nicht gut in das System des EuGVÜ, das internationales Einheitsrecht schaffen soll. Eine ähnliche Voraussetzung enthält der neue Art. 6 Nr. 4 (EuGVÜ 1989). Dieser ermöglicht eine Zuständigkeitskonzentration für dingliche und schuldrechtliche Klagen nur unter der Voraussetzung, daß eine Verbindung derartiger Klagen nach dem Recht des Vertragsstaates zulässig ist, in dem die unbewegliche Sache belegen ist. Die nationalen Bestimmungen über die Verbindung solcher Klagen sollten unberührt bleiben. 124 Man scheute sich also, in die Rechtssysteme der Vertragsstaaten einzugreifen. 125 Entsprechende Erwägungen liegen wohl auch der Einschränkung in Art. 22 Abs. 2 zugrunde. Das Abstellen auf die nationale Rechtsordnung des zweiten Gerichts sollte eine Lösung verhindern, die den Prozeßauffassungen des später angerufenen Gerichts zuwiderlaufen würde. 126 So meint auch Kaye, es gebe ein verständliches Interesse der Vertrags staaten daran, daß eine Unzuständigerklärung ihrer Gerichte zugunsten ausländischer Gerichte nur dann erfolgen könne, wenn eine Verbindungsmöglichkeit auch im eigenen nationalen Recht bekannt sei. 127 Es wäre jedoch durchaus denkbar, in einem System internationaler Normen wie dem EuGVÜ eine Unzuständigerklärung wegen Konnexität zugunsten eines ausländischen Gerichts auch für solche Gerichte vorzusehen, deren internes Recht eine solche Möglichkeit nicht kennt. 128 Die zusätzliche Bedingung der Verbindungsmöglichkeit im nationalen Recht des zweiten Gerichts beruht also - im Gegensatz zu der Voraussetzung der Zuständigkeit des ersten Gerichts für beide Klagen - nicht auf der Struktur des Art. 22, sondern auf der Zurückhaltung der Vertragsstaaten gegenüber der Anwendung von Rechtsinstituten auf zwischenstaatlicher Ebene, die ihrem eigenen nationalen Recht unbekannt sind. Die Bedenken, die sich aus deutscher Sicht daraus ergeben könnten, daß die Konnexität im nationalen Recht grundsätzlich nicht als zuständigkeitsbegründendes bzw. -modifizierendes Kriterium anerkannt ist, greifen gegenüber der 124 Jenard/Möller-Bericht zum Lugano-Übereinkommen, Nr. 47. 125 Schack, ZZP 107 (1994), 279, 283. 126 Kerameus, FS Baumgärtel (1990), S. 215, 226. 127 Kaye, S. 1241. 128 So auch Gothot/Holleaux, Nr. 226; Tarzia, Riv. dir. int. priv. proc. 1969, 156, 166; Gaudemet-Tallon, Les conventions, Nr. 301.

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§ 5 Einschränkende Voraussetzungen des Art. 22

Vorschrift des Art. 22 Abs. 2 nicht durch; denn diese Regelung setzt die Zuständigkeit des Erstgerichts auch für das zweite Verfahren gerade voraus und hat somit keine zuständigkeitsbegründende Wirkung. Der Gedanke; zusammenhängende Klagen aus Zweckmäßigkeitsgründen gemeinsam zu verhandeln, wenn eine gemeinsame Zuständigkeit besteht, ist dem deutschen Recht nicht fremd (§§ 59, 60, 147 ZPO). Weder aus deutscher Sicht, noch allgemein für das EuGVÜ gibt es somit überzeugende Argumente dafür, die Unzuständigerklärung zugunsten eines mit einem konnexen Verfahren befaßten Gerichts eines anderen Vertragsstaates von einer Verbindungsmöglichkeit im nationalen Recht abhängig zu machen.

c) Zulässigkeit der Verbindung zusammenhängender Verfahren in den Rechtsordnungen der Vertragsstaaten Da Art. 22 Abs. 2 in seiner geltenden Fassung die Verbindungsmöglichkeit im nationalen Recht verlangt, ist festzustellen, in welchen Vertragsstaaten die Anwendbarkeit der Norm daran scheitert. Nach dem lenard-Bericht trifft dies für das deutsche und das italienische Recht zu.

aa) Deutsches Recht Die einzige Norm im autonomen deutschen Zivilprozeßrecht, die eine Verbindung zusammenhängender Klagen nach ihrer Erhebung ermöglicht, ist § 147 ZPO. Von Verbindung zusammenhängender Klagen ist zwar auch in § 88 GWB die Rede, dort ist aber nur die gemeinsame Klageerhebung gemeint, nicht auch die nachträgliche Zusammenführung von vor verschiedenen Gerichten erhobenen Klagen. § 147 ZPO läßt die nachträgliche Verbindung zusammenhängender Klagen nur für den Fall zu, daß diese bereits vor demselben Gericht anhängig sind. Die Anwendung des Art. 22 Abs. 2 ist vor deutschen Gerichten folglich ausgeschlossen, es kommt nur eine Aussetzung in Betracht. 129 Dieses Ergebnis wurde mit der Einführung dieser zusätzlichen Bedingung gerade bezweckt.

1291enard-Bericht zu Art. 22 EuGVÜ; allg. Meinung in der deutschen Lehre, siehe etwa Kropholler, EZPR, Art. 22 Rdnr. 6; ebenso LG Köln, Nachschlagewerk D 1-21 - B 3.

IV. Zusätzliche Einschränkungen für die Unzuständigerklärung

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bb) Italienisches Recht Nach dem lenard-Bericht ist die Voraussetzung der Verbindungsmöglichkeit im nationalen Recht nicht nur mit Rücksicht auf das deutsche Recht in die Regelung des Art. 22 Abs. 2 aufgenommen worden, sondern daneben auch aufgrund von Besonderheiten im italienischen Recht. Im italienischen Recht "verbiete die Verfassung dem Richter zu entscheiden, ob er selbst über den Rechtsstreit zu befinden oder ihn an ein anderes Gericht zu verweisen hat" .130 Dementsprechend vertreten auch zahlreiche Kommentatoren des EuGVÜ die Ansicht, die italienischen Gerichte könnten Art. 22 Abs. 2 nicht anwenden. 131 In der italienischen Literatur zum EuGVÜ wird die Frage, ob die Voraussetzung der Verbindungsmöglichkeit im italienischen Recht vorliegt, häufig nicht erörtert oder lediglich die Position des lenard-Berichts ohne Kommentar übernommen. 132 Da das nationale italienische Recht die Verbindung konnexer Verfahren zuläßt, auch wenn diese vor verschiedenen Gerichten anhängig sind (Art. 40 c.p.c.)133, sind die Vorbehalte gegen die Anwendbarkeit von Art. 22 Abs. 2 vor italienischen Gerichten auf den ersten Blick nicht begreiflich. 134 Aus dem lenard-Bericht ergibt sich nicht, welche Verfassungsnorm gegen die Anwendbarkeit der Vorschrift angeführt wurde. In Betracht kommt, daß Art. 25 Abs. 1 der italienischen Verfassung, der das Recht auf den gesetzlichen Richter begründet (" giudice naturale ") 135, dem italienischen Richter verbietet zu entscheiden, ob er das Verfahren selbst entscheiden oder an ein anderes Gericht abgeben will. Das Verfassungsgebot des gesetzlichen Richters hat - ähnlich wie im deutschen Verfassungsrecht (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) - zum Inhalt, daß die Zuständigkeit eines bestimmten Gerichts nach allgemeinen Kriterien im voraus festgelegt sein muß .136 Daher ist ausgeschlossen, daß der Richter selbst nach seinem Ermessen Tatbestände für eine Kompetenzverschiebung schafft. Umstritten ist jedoch in der italienischen Literatur bereits, ob Art. 25, der jedenfalls für das Strafverfahren gilt, auch das Zivilverfahren 1301enard-Bericht zu Art. 22 EuGVÜ. 131 BülowlBöckstiegellMüller I, S.606.177; GeimerlSchütze 1/1, § 44 11 2 b; Schütze, RIW 1975,543,545; Beraudo, J.-cl. proc. civ., Fase. 52-4 Nr. 31; Kaye, S. 1241. 132 So z.B. CarpilColesantilTaruffo, Art. 22 EuGVÜ Anm. 5. 133 Siehe oben § 3 I 3 a. 134 So auch Tarzia, Riv. dir. int. priv. proc. 1969, 156, 166; Forlati, Riv. dir. int. priv. proc. 1976,50,68 Fn. 45. 135 Art. 25 Abs. 1 costituzione: "Nessuno pub essere distolto dal giudice naturale precostituito per legge. " 136 AgrolLavagnalScocalVitucci, Art. 25 NT. 15 ff.

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betrifft. 137 Art. 40 c.p.c., der die Einrede der Konnexität regelt, ist nicht ausdrücklich als Ermessensnorm formuliert. Es ist aber nicht eindeutig, ob die Rechtsfolge zwingend eingreift. Jedenfalls ermöglicht Art. 40 Abs. 2 c.p.c., nach dem eine Verbindung nur erfolgen kann, wenn der Stand der Verfahren dies zuläßt, die Einbeziehung von Zweckmäßigkeitserwägungen. 138 Nach Ansicht des italienischen Verfassungsgerichts ist es unschädlich, daß den Gerichten bei der Beurteilung des Vorliegens der Voraussetzungen für eine Zuständigkeitsverschiebung aufgrund von Konnexität ein gewisser Spielraum bleibt, da dies untrennbar mit der Auslegung von Rechtsnormen verbunden und der Richter bei der Ausfüllung dieses Spielraumes rechtlich gebunden sei. 139 Auch eine Norm, die den Strafgerichten ein echtes Rechtsfolgeermessen bzgl. der Entscheidung einräumt, ob eine für eine strafrechtliche Entscheidung präjudizielle Frage dem Zivilrichter überlassen werden soll (Art. 20 Codice di procedura penale), verstößt nach h.M. in Italien nicht gegen das Recht auf den gesetzlichen Richter, da es sich nur um ein "relatives Ermessen" handele und nicht um ein freies Belieben: Das Gericht habe die Parteien anzuhören, seine Entscheidung an bestimmten prozessualen Gesichtspunkten auszurichten und im einzelnen zu begründen. 140 Daraus ergibt sich, daß die Vorbehalte von italienischer Seite gegen die Einräumung eines Ermessensspielraums in Art. 22 Abs. 2 letztlich nicht durchgreifen. Auch hier handelt es sich nicht um ein ungebundenes Ermessen, sondern die Entscheidung ist an konkreten prozessualen Kriterien orientiert. 141 Art. 25 der italienischen Verfassung begründet somit keine Unvereinbarkeit des Art. 22 Abs. 2 mit italienischem Recht. Meines Erachtens liegt in Italien die Voraussetzung der Verbindungsmöglichkeit im nationalen Recht vor. 142

cc) Rechtslage in den übrigen Vertragsstaaten In den anderen ursprünglichen Vertragsstaaten (Belgien, Frankreich, Luxemburg und den Niederlanden) wurden keine Vorbehalte gegen die Möglichkeit der Unzuständigerklärung ihrer Gerichte zugunsten eines mit einem konnexen Verfahren befaßten Gerichts eines anderen Vertragsstaates erhoben. Cappelletti, RabelsZ 30 (1966), 254, 256; dafür Liebman, Riv. dir. proc. 331, 335; dagegen Andrioli, Riv. dir. proc. 19 (1964), 325, 329 f. 1 8 Siehe unten § 7 m 2. 139 Corte costituzionale, sentenza 117 dei 1972. 140 Corte costituzionale, sentenza 274 dei 1974. 141 Siehe dazu näher unten § 7. 142 So auch Vi Blase, Nr. 44 Fn. 38. 137 Vgl.

19

~1964),

IV. Zusätzliche Einschränkungen für die Unzuständigerklärung

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Man ging daher wohl davon aus, daß ihr nationales Recht die Anforderungen des Art. 22 Abs. 2 erfülle. 143 In Frankreich besteht Einigkeit darüber, daß das nationale Recht die von Art. 22 Abs. 2 vorausgesetzte Verbindungsmöglichkeit bei Konnexität enthält. 144 Gemäß Art. 101 NCPC kann ein Verfahren grundsätzlich an ein anderes französisches Gericht verwiesen werden, das mit einer konnexen Klage befaßt ist. 145 Dasselbe gilt für das belgische (Art. 566 C.j.) und das luxemburgische Recht (Art. 171,2. Alt. C.p.c.). Auch die später hinzugekommenen Staaten haben keine Vorbehalte gegen die Anwendbarkeit des Art. 22 Abs. 2 vor ihren Gerichten geltend gemacht. 146 Im spanischen Recht ist die Möglichkeit der Verbindung von konnexen Zivilprozessen, die vor verschiedenen Gerichten schweben, ausdrücklich geregelt (Art. 160 ff. LEC).147 Das englische Recht enthält die Möglichkeit, zwei oder mehr konnexe Klagen miteinander zu verbinden, die vor derselben Kammer des High Court (R.S.C. Order 4, r. 9) oder vor demselben County court (C.C.R. Order 13, r. 9) anhängig sind. 148 Wäre eine Verbindung nur in diesen Fällen möglich, nicht aber auch, wenn zusammenhängende Klagen vor verschiedenen Gerichten schweben, müßte die Anwendbarkeit des Art. 22 Abs. 2 für englische Gerichte mit derselben Begründung verneint werden wie für deutsche Gerichte. Englische Gerichte haben jedoch darüber hinaus die generelle Befugnis, ein Verfahren an ein anderes, ebenfalls zuständiges Gericht zu verweisen, wenn sie davon überzeugt sind, daß das Verfahren dort insgesamt besser verhandelt und entschieden werden kann. 149 Diese allgemeine, im Ermessen des Richters stehende Verweisungsmöglichkeit kann auch in Fällen des Zusammenhangs zwischen mehreren Klagen eingreifen. Im englischen Recht ist die Verbindung konnexer Verfahren, die vor verschiedenen Gerichten anhängig sind, somit möglich. Das griechische Recht läßt die Verbindung von Verfahren nur zu, sofern diese vor dem gleichen Gericht anhängig sind (Art. 246 griechische ZPO).150 Eine Anwendung des 143 Nach Ansicht von Droz, Nr. 326, ist Deutschland der einzige der ursprünglichen Vertragsstaaten, für den die Ausnahme eingreift. 144Vgl. Beraudo, J.-cl. proc. civ., Fasc. 524 Nr. 3l. 145 Siehe oben § 3 I 1 a. 146 Hierzu ergibt sich jedenfalls nichts aus den Sachverständigenberichten zu den jeweiligen Beitrittsübereinkommen. 147 Siehe oben § 3 I 4; für die Anwendbarkeit des Art. 22 Abs. 2 vor spanischen Gerichten Espinar Vicente, S. 148. 148 Vgl. Kaye, S. 1241; siehe oben § 3 15. 149 Siehe C.C.R. Order 16, r. 1: "The court has general power to order transfer from one county court to another if satisfied that the proceedings could be more conveniently or fairly heard and determined in that other county court", vgl. 0 'Harel Hill, S. 401; siehe auch Schlosser-Bericht, Nr. 80. 150 Kerameus, FS Baumgärtel (1990), S. 215, 226. 11 Lüpfen

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§ 5 Einschränkende Voraussetzungen des Art. 22

Art. 22 Abs. 2 scheidet für griechische Gerichte daher aus demselben Grund wie für die deutschen Gerichte generell aus. 151

d) Ergebnis Art. 22 Abs. 2 ist aufgrund der Voraussetzung der Verbindungsmöglichkeit im nationalen Recht vor deutschen und griechischen Gerichten zur Zeit nicht anwendbar. Um dieses Hindernis zu beseitigen, kommt zum einen eine Angleichung des nationalen Rechts und zum anderen eine Änderung des Wortlauts von Art. 22 Abs. 2 in Betracht. Die Streichung dieser Voraussetzung ist nachdrücklich zu befürworten l52 , in nächster Zeit aber wohl nicht zu erwarten. Eine Änderung des deutschen Rechts dahingehend, daß die Verbindung auch von konnexen Klagen möglich wird, die vor verschiedenen Gerichten anhängig sind, wird im dritten Teil der Arbeit diskutiert.

V. Zusammenfassung zu den einschränkenden Voraussetzungen

Der Anwendungsbereich des Art. 22 wird durch die neben dem Vorliegen von Konnexität zusätzlich aufgestellten Voraussetzungen teilweise zu weitgehend eingeschränkt. Die Voraussetzung der Anhängigkeit in erster Instanz wirkt sich bei der hier befürworteten einschränkenden Auslegung nicht nachteilig aus. Die strenge Orientierung der Wirkungsrichtung der Konnexität an der zeitlichen Priorität und die zusätzliche Voraussetzung der Existenz einer Verbindungsmöglichkeit im nationalen Recht des Zweitgerichts führen jedoch dazu, daß die europäische Konnexitätsregel weniger wirksam ist, als es im Kontext des EuGVÜ möglich und zweckmäßig wäre. Diese Einschränkungen, für die - wie dargelegt - überzeugende Gründe nicht vorhanden sind, sollten bei einer Überarbeitung des Übereinkommens aus Anlaß des EU-Beitritts weiterer Staaten (Art. 62) oder auf einer EuGVÜ-Revisionskonferenz (Art. 67) erneut überdacht werden.

151 Der Bericht von Evrigenis/Kerameus, Nr. 68, führt gegen die Anwendung des Art. 22 Abs. 2 in Griechenland zusätzlich an, daß das Übereinkommen einen weiteren Begriff der Konnexität enthalte als das interne griechische Recht in Art. 31 Abs. 1 ZPO. 152 Siehe oben b bb.

§ 6 Die Rechtsfolgen der Konnexität

Als Rechtsfolgen der Konnexität sieht Art. 22 zwei Möglichkeiten vor: Das später begonnene Verfahren kann entweder ausgesetzt (Abs. 1) oder wegen Unzuständigkeit abgewiesen werden (Abs. 2). Näher ist die Ausgestaltung der Rechtsfolgen im Übereinkommen jedoch nicht geregelt. Einigkeit besteht darüber, daß das auf die Entscheidung über Aussetzung und Unzuständigerklärung anzuwendende Verfahren dem jeweiligen nationalen Prozeßrecht des Gerichtsstaates überlassen ist. I Dasselbe gilt für die unmittelbaren Wirkungen dieser Entscheidungen sowie für die eventuellen Rechtsbehelfe dagegen. 2

I. Die Rechtsfolge der Aussetzung in Art. 22 Abs. 1

1. Das Veifahren der Aussetzung und die Wirkungen während ihrer Dauer Wie die Aussetzungsentscheidung gemäß Art. 22 Abs. 1 getroffen wird, richtet sich vor deutschen Gerichten nach § 148 ZPO.3 Diese Norm, die an sich die Aussetzung zugunsten eines vorgreiflichen Verfahrens vor einem anderen deutschen Gericht regelt, kann im internationalen Bereich analog angewendet werden. 4 Die entsprechende Anwendung des § 148 ZPO im Rahmen von Art. 22 Abs. 1 bezieht sich allerdings nur auf das Verfahren und die Wirkungen der Aussetzung, nicht auch auf deren Voraussetzungen. 5 Die Entscheidung über die Aussetzung gemäß § 148 ZPO ergeht als Beschluß, der in jedem Fall einer Begründung bedarf. 6 Das Gericht muß darlegen, daß es lenard-Bericht zu Art. 22 EuGVÜ; Schütze, RIW 1975,543,545; Kropholler, EZPR, Art. 22 Rdnr. 5; BülowlBöckstiegellMüller I, S. 606.176; Di Blase, Nr. 42, S.194.

2 Di Blase, Nr. 42, S. 195. 3 Kropholler, EZPR, Art. 22 Rdnr. 5 und Art. 21 Rdnr. 17; BülowlBöckstiegell Müller I, S. 606.176; GeimerlSchütze 1/1, § 44 11 1. 4 Habscheid, FS Zweigert (1981), S. 109, 112; SteinllonaslRoth, § 148 ZPO Rdnr. 140. 5 Anders anscheinend BaumbachlLauterbachlAlbers, Art. 21-23 EuGVÜ Rdnr. 1; auch das OLG Hamm hat in seiner Entscheidung vom 18.10 .1982 Vorgreiflichkeit für Art. 22 verlangt, vgl. dazu oben § 3 11. 6 MünchKomm-Peters, § 148 ZPO Rdnr. 15, kritisiert die Praxis der Gerichte, die häufig eine Begründung der Aussetzungsentscheidung versäumen. 11*

164

§ 6 Die Rechtsfolgen der Konnexität

die Voraussetzungen für eine Aussetzung erkannt und sein Ermessen in sinnvoller Weise ausgeübt hat. Ob eine mündliche Verhandlung erforderlich ist, wird unterschiedlich beurteilt?, jedenfalls sind aber die Parteien vor der Entscheidung anzuhören8 . Die Aussetzung führt zu einem vorübergehenden Stillstand des betroffenen Verfahrens. Durch das 3. Beitrittsübereinkommen von 1989 ist der deutsche Wortlaut des Art. 22 Abs. 1 redaktionell angepaßt worden: Anstatt Aussetzung der "Entscheidung" heißt es nunmehr Aussetzung des "Verfahrens". Dadurch ist, ohne eine inhaltliche Änderung zu bewirken, Einklang mit den in der ZPO verwendeten Formulierungen hergestellt worden. 9 Der neue Wortlaut bringt die Wirkung der Rechtsfolge besser zum Ausdruck; denn es wird nicht nur die Sachentscheidung selbst aufgeschoben, sondern der Prozeß als solcher angehalten. Die Wirkungen der Aussetzung auf das ausgesetzte Verfahren während ihrer Dauer ergeben sich aus § 249 ZPO: Prozeßhandlungen können nicht wirksam vorgenommen werden, alle Fristen werden unterbrochen. Entsprechend sind die Wirkungen der "sospensione deI processo" in Art. 298 ital. c.p.c. lO geregelt. Vor französischen Gerichten gelten die Verfahrensregeln des "sursis a statuer" (Art. 378-380 NCPC)l1. Die Anordnung eines "sursis" bewirkt den Stillstand des Verfahrens für eine bestimmte Frist oder bis zum Eintritt eines bestimmten Ereignisses (Art. 378 NCPC).12 Während der Dauer der Aussetzung bleibt das Verfahren bei dem aussetzenden Gericht anhängig. Im Gegensatz zum deutschen und italienischen Recht können Prozeßhandlungen wirk7 Dagegen OLG München NJW 1968, 2150, 2151; ThomaslPutzo, § 148 ZPO Rdnr. 2; BaumbachlLauterbachlHartmann, § 148 ZPO Rdnr. 35; BülowlBöckstiegel/ Müller I, S. 606.176. Dafür RGZ 40,373,374 f.; RosenberglSchwablGottwald, § 127 I 1; SteinlJonaslRoth, § 148 ZPO Rdnr.39; MünchKomm-Peters, § 148 ZPO Rdnr. 13; AK-ZPO-Göring, § 148 ZPO Rdnr. 6. 8 OLG München NJW 1968, 2150, 2151; BaumbachlLauterbachlHartmann, § 148 ZPO Rdnr. 36; SteinlJonaslRoth, § 148 ZPO Rdnr. 40; MünchKomm-Peters, § 148 ZPO Rdnr. 13; AK-ZPO-Göring, § 148 ZPO Rdnr. 6. 9 In den §§ 148, 149 und 156 ZPO ist von Aussetzung der "Verhandlung", in den §§ 151, 152, 154, 155 und in den §§ 246 ff., 614 ZPO von Aussetzung des "Verfahrens" die Rede. Beide Formulierungen werden allgemein als gleichbedeutend anfesehen, SteinlJonaslRoth, § 148 ZPO Rdnr. 1. o Art. 298 ital. c.p.c. lautet: "Durante la sospensione non possono essere compiuti atti dei procedimento. La sospensione interrompe i termini in corso, i quali ricominciano a decorrere dal giorno della nuova udienza fissata nel provvedimento di sospensione 0 nel decreto di cui all'art. precedente." 11 Bis 1975 existierte keine gesetzliche Regelung des "sursis". 12 Vgl. näher Fricero, J.-cl. proc. civ., Fase. 679, Nr. 51 ff.; Heron, Nr. 986 ff.

I. Die Rechtsfolge der Aussetzung in Art. 22 Abs. 1

165

sam vorgenommen werden, ihre Wirkungen entfalten sie allerdings erst nach Ende der Aussetzung. 13 Gemeinsam sind den nationalen Regelungen die grundlegenden Wirkungen der Aussetzung: Das Verfahren bleibt rechtshängig, wird aber vorübergehend nicht weitergeführt.

2. Dauer der Aussetzung Die Dauer der Aussetzung richtet sich nicht nach dem jeweiligen nationalen Prozeßrecht, sondern ist einheitlich für Art. 22 Abs. 1 zu beurteilen. 14 Es handelt sich hierbei nämlich nicht um eine bloße Verfahrensfrage, sondern um die inhaltliche Ausgestaltung der Rechtsfolge. Nach nationalem Recht ist lediglich die Frage zu beantworten, welche Formalitäten für die Weiterführung des Verfahrens nach Ende der Aussetzung erfüllt werden müssen. Nach deutschem Recht ist zur Fortsetzung des Verfahrens keine Aufnahme durch die Parteien gemäß § 250 ZPO erforderlich. 15 Ziel der Rechtsfolge in Art. 22 Abs. 1 ist es, die Ergebnisse aus dem einen Verfahren in die Entscheidung des anderen einzubeziehen. Demgemäß muß die Aussetzung zumindest solange andauern, bis in dem konnexen Verfahren eine Sachentscheidung ergangen ist. 16 Im deutschen Recht wird allgemein angenommen, daß die Aussetzung nach § 148 ZPO mit der endgültigen Entscheidung im anderen Verfahren endet 17 , also nicht ohne weiteres mit einer erstinstanzlichen Entscheidung, sondern erst mit Eintritt der formellen Rechtskraft. Dasselbe gilt für die Aussetzung zugunsten präjudizieller Verfahren gemäß Art. 295 ital. c.p.c. 18 Im französischen Recht bestimmt das Gericht, das die Aussetzung anordnet, bis zu welchem Ereignis diese andau-

13 Fricero, J .-cl. proc. civ., Fase. 679 Nr. 88. 14 Dagegen ist Di Blase, Nr. 42, S. 195, der Ansicht, italienische Gerichte müßten gemäß Art. 40 c.p.c. eine Frist setzen, nach deren Ablauf die Aussetzung gemäß Art. 22 Abs. I EuGVÜ in jedem Fall ende. 15 SteinlJonaslRoth, § 148 ZPO Rdnr.49; MünchKomm-Peters, § 148 ZPO Rdnr. 19. 16 Bü[owIBöckstiege[IMüller I, S. 606.176; nach der Botschaft des Schweiz. Bundesrates betreffend das Lugano-Übereinkommen, BBI. 1990, 11, I, S.265, 316 (Nr. 229.2), dauert die Aussetzung an, bis das Ergebnis des ersten Prozesses bekannt ist. 17 MünchKomm-Peters, § 148 ZPO Rdnr. 19; SteinlJonaslRoth, § 148 ZPO Rdnr. 49; RosenberglSchwablGottwald, § 12711 3. 18 So Art. 297 Abs. 1 ital. c.p.c.: U[ ... ] dal passagio in giudicato della sentenza ehe definisce la controversia [... ]".

166

§ 6 Die Rechtsfolgen der Konnexität

ern soll (Art. 378 NCPC)I9. Häufig wird die Aussetzung nur bis zum Ergehen einer Sachentscheidung im anderen Verfahren angeordnet. 20 Für die Annahme, daß die Aussetzung gemäß Art. 22 Abs. 1 unabhängig von der Einlegung von Rechtsmitteln mit der die jeweilige Instanz abschließenden Entscheidung endet, spricht, daß das Abwarten einer letztinstanzlichen Entscheidung die Rechtsschutzgewährung zu stark verzögern könnte. Zudem ist im Rahmen des EuGVÜ für die Wirksamkeit einer Entscheidung aus einem Vertragsstaat in einem anderen generell nicht deren Eintritt in formelle Rechtskraft nötig. 21 Schließlich setzt Art. 22 Abs. 1 voraus, daß beide Verfahren in erster Instanz anhängig sind. Aus dem Wortlaut ergibt sich allerdings nicht eindeutig, ob die Aussetzung nur während der Anhängigkeit der Verfahren in erster Instanz angeordnet werden kann22 , oder ob die Aussetzung darüber hinaus auch nur solange andauern soll, wie sich das andere Verfahren in erster Instanz befindet 23 . Letztlich kann der Voraussetzung der Anhängigkeit in erster Instanz nichts Entscheidendes für das Verständnis der Aussetzung entnommen werden; denn diese Voraussetzung war nach der Entstehungsgeschichte von Art. 22 in erster Linie für die Unzuständigerklärung konzipiert. 24 Dafür, die Aussetzung andauern zu lassen, bis im anderen Verfahren eine

endgültige Entscheidung ergangen ist, spricht der Zweck des Art. 22, wider-

sprechende Entscheidungen zu verhindern. 25 Dieses Ziel wird nur unvollkommen erreicht, wenn eine Entscheidung in das andere Verfahren einbezogen wird, die später eventuell revidiert wird. Ein weiteres Argument für die Fortdauer der Aussetzung während eines eventuell sich anschließenden erststaatlichen Berufungsverfahrens kann der Regelung in Art. 30 entnommen werden. Diese Vorschrift ermöglicht die Aussetzung eines Anerkennungsverfahrens für den Fall, daß gegen die anzuerkennende Entscheidung ein Rechtsmittel eingelegt worden ist. Werden Ergebnisse aus dem konnexen Verfahren in das ausgesetzte Verfahren nach Ende der Aussetzung einbezogen, so wird in diesem Rahmen die vertragsstaatliche Entscheidung zumeist inzident anerkannt. Aus Art. 30 ergibt sich also die Möglichkeit, eine gemäß Art. 22 Abs. 1 angeordnete Aussetzung zu verlängern, wenn in dem Verfahren, 19 Art. 378 NCPC lautet: "La decision de sursis suspend le cours de I'instance pour le temps ou jusqu 'a la survenance de I' evenement qu' elle determine. " 20 BlanclViatte, zu Art. 378 NCPC. 21 Vgl. Kropholler, EZPR, Art. 25 Rdnr. 22. 22 Nach der Ansicht von Bü[owlBöckstiegellMüller I, S. 606.177, bedeutet diese Voraussetzung, daß eine erneute Aussetzung nicht möglich ist, wenn gegen die Entscheidung des ausländischen Erstgerichts ein Rechtsmittel eingelegt wurde. 23 So Kaye, S. 1238 f. 24 Siehe oben § 5 I. 25 So auch Wittibschlager, S. 141.

I. Die Rechtsfolge der Aussetzung in Art. 22 Abs. 1

167

zugunsten dessen die Aussetzung erfolgte, ein Urteil ergangen ist, dieses aber mit einem Rechtsmittel angegriffen worden ist. 26 Das bedeutet jedoch nicht, daß die Aussetzung automatisch fortdauert, bis die Entscheidung im konnexen Verfahren rechtskräftig geworden ist. Die Aussetzung gemäß Art. 22 Abs. 1 dauert bis zum Erlaß der erstinstanzlichen Entscheidung im konnexen Verfahren. Sobald die Entscheidung vorliegt, wird das ausgesetzte Verfahren weitergeführt. Wird ein Rechtsmittel gegen die vertragsstaatliche Entscheidung eingelegt, steht die erneute Aussetzung des Verfahrens im Ermessen des Gerichts. 27 Eine Fortsetzung des ausgesetzten Verfahrens trotz der Einlegung eines Rechtsmittels kommt etwa in Betracht, wenn das Rechtsmittel keinen Bezug zu der auch für das zweite Verfahren relevanten Frage aufweist oder wenn dem inländischen Kläger eine weitere Verzögerung nicht zugemutet werden kann. Eine vorzeitige Beendigung der Aussetzung - auch vor Ergehen einer erstinstanzlichen Entscheidung im konnexen Verfahren - erscheint darüber hinaus generell bei Eintritt neuer Umstände möglich, so z.B. bei unerwarteter Verzögerung des anderen Verfahrens. Nach deutschem Recht kann das Gericht gemäß § 150 ZPO eine Aussetzungsentscheidung jederzeit wieder aufheben, wenn die Entscheidung über die Aussetzung in seinem Ermessen stand. Entsprechendes ist im französischen Recht in Art. 379 Abs. 2 NCPC geregelt. 28 Auch für Art. 22 ist eine solche Möglichkeit anzunehmen29 , da die Aussetzung wegen Konnexität im Ermessen steht und das Gericht während der Dauer der Aussetzung die Herrschaft über das Verfahren behält. Es erscheint nicht zweckmäßig, das Gericht an seiner Aussetzungsentscheidung festzuhalten, wenn aufgrund neuer Tatsachen die Fortführung des Verfahrens nunmehr erforderlich erscheint. Der Justizgewährungsanspruch des Klägers gebietet, die Aussetzung nur so lange andauern zu lassen, wie dies sinnvoll und für ihn zumutbar ist.

3. Wirkungen auf das weitere Verfahren nach Ende der Aussetzung Die Aussetzung ermöglicht es, Ergebnisse aus dem ersten Verfahren in die Entscheidung des zweiten einzubeziehen und dadurch den Verfahrensaufwand zu verringern und Widersprüche zwischen den Entscheidungen zu vermeiden. Gewährleistet ist die Berücksichtigung der Ergebnisse des ersten Verfahrens jedoch nur, wenn das Zweitgericht in seinem nach Ende der Aussetzung 26 27 28 29

Kaye, S. 1238 f.; Wittibschlager, S. 141 f. So auch Vi Blase, Nr. 42, S. 196. Vgl. dazu BlanclViatte, zu Art. 379 NCPC: Nur bei Eintritt neuer Tatsachen. So auch Bü[owIBöckstiege[IMüller I, S. 606.177.

168

§ 6 Die Rechtsfolgen der Konnexität

weitergeführten Verfahren daran gebunden ist. Eine solche Bindungswirkung ergibt sich nicht schon aus der Aussetzung selbst. Die Bindung an die Ergebnisse des Erstverfahrens richtet sich vielmehr nach den Entscheidungswirkungen im allgemeinen. 30 Im Fall der (gemäß Art. 26 Abs. 1 regelmäßig und automatisch erfolgenden) Anerkennung der erstgerichtlichen Entscheidung hat das Zweitgericht diese wie eine entsprechende inländische Entscheidung zu berücksichtigen. 31 Eine Bindungswirkung gegenüber dem zweiten Verfahren besteht danach zumindest bei Präjudizialität, wenn also eine Vorfrage der zweiten Klage den unmittelbaren Gegenstand des anderen Verfahrens bildet. Hat die Entscheidung des Erstgerichts über die gemeinsame Frage keine Rechtskraft- bzw. Gestaltungswirkung für das Zweitverfahren, so ist das zweite Gericht daran nicht gebunden. Es kann die Frage selbständig beurteilen. Inwiefern das Zweitgericht Ergebnisse aus dem konnexen Verfahren ungeprüft übernehmen kann, ist zweifelhaft. 32 Die Frage, wie Ergebnisse des anderen Prozesses in das ausgesetzte Verfahren einbezogen werden können, wenn die Rechtskraft nicht wirkt, stellt sich auch im deutschen Recht in bezug auf die Aussetzung gemäß § 148 ZPO, sofern man den Anwendungsbereich der Norm über die Fälle der Präjudizialität Le.S. hinaus ausdehnt. 33 Unproblematisch ist der Fall, daß die im anderen Prozeß erfolgte Klärung des Sachverhaltes im laufenden Verfahren die Behauptungen unstreitig macht. Die Übernahme des Ergebnisses von Beweisaufnahmen (insbesondere Zeugenbeweisprotokolle und Sachverständigengutachten) sowie Beweiswürdigungen aus dem anderen Verfahren ist nicht gegen den Willen auch nur einer der Parteien möglich. 34 Entgegenstehende, ja sogar sich wiederholende Beweisantritte der Parteien dürfen nicht übergangen werden. 35 Dies gilt insbesondere dann, wenn eine Partei im anderen Verfahren nicht beteiligt war. 36 In den Fällen, in denen die Entscheidung über die gemeinsame Frage im früheren Prozeß das zweite Gericht nach allgemeinen Regeln nicht bindet, hängt es also vom jeweiligen Gericht bzw. auch von den Parteien ab, inwieweit sie 30 Ebenso für die Aussetzung nach § 148 ZPO BaumbachlLauterbachl Hartmann, § 148 ZPO Rdnr. 11; SteinlJonaslRoth, § 148 ZPO Rdnr.43; AK-ZPO-Göring, § 148 ZPO Rdnr. 10. 31 Bü[owlBöckstiegellMüller I, S. 606.177; Droz, Nr. 322. 32 Nach Auffassung des LG Frankfurt, IPRax 1992, 389, liegt es nahe, sich der

ausländischen Entscheidung anzuschließen. 33 Dazu näher unten § 9 I 2. 34 So MünchKomm-Peters, § 148 ZPO Rdnr. 10; nach Ansicht von Wieczorek, § 148 ZPO Anm. B n a 1, darf das Gericht die Vorentscheidung seiner eigenen Entscheidung nicht ungeprüft zugrundelegen; die Vorentscheidung könne aber urkundenbeweislieh verwertet werden. 35 Wieczorek, § 148 ZPO Anm. B n a 1. 36 Siehe unten § 10 n 2 f.

I. Die Rechtsfolge der Aussetzung in Art. 22 Abs. 1

169

sich die Ergebnisse des ersten Prozesses zunutze machen wollen. 37 In diesen Fällen sind die Widerspruchsfreiheit der Entscheidungen und die Einsparung von Verfahrensaufwand keineswegs gewährleistet.

4. Zweckmäßigkeit der Aussetzung als Rechts/olge der Konne:xität Wie soeben deutlich wurde, ist die Verfahrensaussetzung nur in einem begrenzten Bereich von Konnexitätsfällen dazu geeignet, die mit der Regelung verfolgten Ziele vollständig zu erreichen. Ein weiterer Nachteil der Aussetzung ist, daß der dadurch verursachte vorübergehende Verfahrens stillstand regelmäßig eine Verzögerung der Rechtsschutzgewährung mit sich bringt und daher dem Kläger nicht ohne weiteres zugemutet werden kann. Im nationalen französischen und belgischen Recht, deren Konnexitätsregeln der des Art. 22 weitgehend entsprechen, ist daher auch als Rechtsfolge keine Verfahrensaussetzung vorgesehen, sondern allein der sog. "renvoi"38. Eine Verfahrens aussetzung nach allgemeinen Regeln 39 kommt allerdings subsidiär in Betracht, wenn ein "renvoi" (z.B. wegen ausschließlicher Zuständigkeit des betreffenden Gerichts) ausscheidet. Auch im italienischen Recht ist Rechtsfolge der Konnexität grundsätzlich nicht die Aussetzung des einen Verfahrens, sondern dessen Abweisung. 40 Zwar hat gemäß Art. 295 c.p.c. 41 eine Verfahrensaussetzung zu erfolgen, wenn einanderes Gericht über eine zivil- oder verwaltungsrechtliche Vorfrage zu entscheiden hat. Weil die Aussetzung wegen der dadurch bewirkten Verzögerung als unerwünschte Rechtsfolge angesehen wird42 , soll aber sie nur eingreifen, wenn eine Verbindung der Verfahren gemäß Art. 40 bzw. Art. 274 c.p.c. unmöglich ist. 43 Wie sich auch aus den romanischen Rechtsordnungen ergeben hat, ist zweckmäßige Rechtsfolge der Konnexität die gemeinsame Verhandlung und 37 Mittenzwei, S. 117, bezeichnet die Hoffnung, daß sich der Richter den Ergebnissen des anderen Prozesses freiwillig anschließe, als "trügerisch". 38 Siehe dazu im einzelnen unten II 3. 39 Art. 378 ff. NCPC, siehe oben § 3 I 1 a. 40 Siehe dazu unten 11 4. 41 Art. 295 ita!. c.p.c. lautet: "11 giudice dispone che il processo sia sospeso in ogni caso in cui egli stesso altro giudice deve risolvere una controversia, daIla cui definizione dipende la decisione deIla causa." 42 Carpi/Colesantifl'aruffo (1993), Art. 40 c.p.c. Anm. 12. 43 Giallongo, Riv. trim. dir. proc. civ. 1985,616, 666 ff.; Balbi, S. 462. Wie im einzelnen der Anwendungsbereich des Art. 295 c.p.c. einzuschränken ist, ist heftig umstritten, vgl. Cipriani, Riv. dir. proc. 1984,239 ff.; ders., Enc. giur. Treccani, VO Sospensione dei processo, Nr. 4; CarpilColesantifl'aruffo, Art. 295 c.p.c. Anm. II1; Attardi, ltaIian Yearbook of Civil Procedure 1 (1991), S. 335 ff.

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170

§ 6 Die Rechtsfolgen der Konnexität

Entscheidung über beide Klagen durch dasselbe Gericht. Nur auf diese Weise können widersprechende Entscheidungen wirksam vennieden und Verzögerungen in Grenzen gehalten werden. In Art. 22 wurde die Rechtsfolge der Verfahrensaussetzung nur deswegen als zusätzliche Möglichkeit aufgenommen, weil Bedenken gegen die weitreichenden Wirkungen einer Unzuständigerklärung bei Konnexität bestanden. 44 Bei der Aussetzung handelt es sich um eine Kompromiß-Rechtsfolge, die wahlweise neben der Möglichkeit der Unzuständigerklärung stehend die Wirksamkeit der europäischen Konnexitätsregel abschwächt. 45 Andererseits erweist sie sich aber auch als notwendig zur Ausfüllung der Lücken, die dadurch entstanden sind, daß die Voraussetzungen für die Unzuständigerklärung sehr eng gefaßt wurden. Insofern ist die zusätzliche Möglichkeit der Aussetzung zu begrüßen.

11. Die Rechtsfolge der Unzuständigerklärung in Art. 22 Abs. 2

Gemäß Art. 22 Abs. 2 kann sich das später angerufene Gericht bei Konnexität auch für unzuständig erklären. Für das Verständnis dieser Rechtsfolge ergibt sich aus der Formulierung der Norm lediglich, daß das zweite Gericht seine Befassung mit der Klage nicht nur - wie im Fall der Aussetzung - vorübergehend unterbricht, sondern endgültig aufgibt. Die Klage wird nicht mehr weiter verhandelt und durch das angegangene Gericht nicht in der Sache entschieden. Was jedoch mit dem Verfahren geschieht, wird aus der Vorschrift selbst nicht deutlich.

1. Mögliche Wirkungen des Art. 22 Abs. 2 Einen Anhaltspunkt für die Bedeutung der Unzuständigerklärung liefert die Voraussetzung der Zuständigkeit des mit dem konnexen Verfahren befaßten Gerichts auch für die später erhobene Klage. 46 Bevor das zweite Gericht die bei ihm erhobene Klage gemäß Art. 22 Abs. 2 abweist, muß es sich vergewissern, daß das erste Gericht befugt ist, darüber zu entscheiden. Das läßt darauf schließen, daß mit der Unzuständigerklärung nicht etwa auf die Rechtsschutzgewährung für das Zweitbegehren verzichtet47 , sondern im Ergebnis die Zusammenführung beider Verfahren vor dem zuerst angerufenen Gericht erreicht 44 Bülow, RabelsZ 38 (1974), 262, 269, bezieht sich auf Bedenken der deutschen und italienischen Experten. 45 So auch Bülow, RabelsZ 38 (1974), 262, 269. 46 Dazu oben § 5 IV 2. 47 Leipold, GS Arens (1993), S. 227, 237.

11. Die Rechtsfolge der Unzuständigerklärung in Art. 22 Abs. 2

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werden soll.48 Es läßt sich aber nicht unmittelbar erschließen, auf welchem Wege dies geschehen soll. Versteht man die Rechtsfolge des Art. 22 Abs. 2 als einfache Abweisung der Klage, so müßte der Kläger des Zweitprozesses den Rechtsstreit erneut bei dem mit dem konnexen Verfahren befaßten (Erst-)Gericht anhängig machen. Ein solches Verständnis legt der deutsche Wortlaut ("sich für unzuständig erklären") nahe. 49 In Betracht kommt jedoch auch, die Rechtsfolge als unmittelbare Verweisung des Verfahrens durch das Zweitgericht an das Erstgericht zu verstehen. Hierauf deutet der Wortlaut der niederländischen Fassung ("verwijzing") hin. Für eine solche Interpretation spricht weiterhin, daß die Unzuständigerklärung "zugunsten des ersten Gerichts" erfolgt. Zwar wird dies ausdrücklich lediglich in Art. 21 Abs. 2 und in Art. 23 so formuliert. Jedoch handelt es sich in Art. 22 Abs. 1 (ebenso früher in Art. 21 Abs. 2) lediglich um eine abgekürzte Formulierung, die - wie sich aus dem engen Regelungszusammenhang zwischen den Vorschriften ergibt - auf die Umschreibung der Rechtsfolge in Art. 21 Abs. 2 Bezug nimmt. Nimmt man an, es handele sich um eine direkte Übertragung des Rechtsstreits von dem einen Gericht an das andere, stellt sich die weitere Frage, ob diese Verweisung eine Verbindungswirkung hat, ob diese also unmittelbar bewirkt, daß beide Verfahren vor dem Empfangsgericht gemeinsam verhandelt und entschieden werden. Bei beiden Deutungsmöglichkeiten stellt sich die Frage, ob das erste Gericht an die Beurteilung seiner Zuständigkeit auch für die zweite Klage gebunden ist.

2. Der Meinungsstand In den während bzw. kurz nach der Entstehung des EuGVÜ entstandenen Stellungnahmen wurde überwiegend davon ausgegangen, daß Art. 22 Abs. 2 eine Verweisung an das mit dem konnexen Verfahren befaßte Gericht ermögliche. So versteht Schütze50 die Rechtsfolge des Art. 22 Abs. 2 als 48 Darüber, daß Ziel des Art. 22 Abs. 2 die Verbindung der konnexen Verfahren ist, besteht Einigkeit, vgl. Bülow, RabelsZ 29 (1965), 473, 502; MünchKommGottwald, Art. 22 EuGVÜ Rdnr. 4; Kropholler, EZPR, Art. 22 Rdnr. 1; Huet, Clunet 1988,537,543; Beraudo, J.-cl. proc. civ., Fasc. 52-4 Nr. 30: "11 est donc c1air que le dessaisissement a pour but de rassembler devant une juridiction qui aurait ete competente pour connaitre de chacune d'elles. des causes connexes que les peripeties de la procedure ont dispersees devant des juridictions d 'Etats differents. " 49 Ebenso die französische und die englische Fassung: "se dessaisir" bzw. "decline jurisdiction" . 50 Schütze, RIW 1975, 543, 545.

172

§ 6 Die Rechtsfolgen der Konnexität

"Verweisung über die Grenze" und meint, die dadurch entstehenden Schwierigkeiten seien durch Ausführungsbestimmungen in den einzelnen Vertragsstaaten zu lösen. Bülow51 äußerte zur Zeit der Entstehung des EuGVÜ die Auffassung, in Art. 22 Abs. 2 sei nach französischem Vorbild eine Verbindung von Prozessen vorgesehen, die eng miteinander zusammenhängen und vor verschiedenen Gerichten schweben. Wegen der Bedenken gegen eine Übertragung der nationalen Regelung auf den internationalen Verkehr sei der Ausschuß bei der Ausgestaltung allerdings sehr vorsichtig zu Werke gegangen, wie man an den engen Voraussetzungen des Art. 22 Abs. 2 sehe. Zu der Frage, ob eine Verweisung auch im Verhältnis zwischen Gerichten verschiedener Vertragsstaaten möglich ist, wollte Bülow Stellungnahmen insbesondere aus dem französischen Rechtskreis abwarten. 52 Später führte der Autor aus, daß man den Schritt, die Verweisung von dem Gericht eines Vertrags staates an das Gericht eines anderen zu ermöglichen, noch nicht hatte wagen wollen. Die Voraussetzungen des Art. 22 zeigten aber, daß man bei der Schaffung der Vorschrift die Hoffnung gehegt hatte, es könne in späterer Zeit noch zu einem "renvoi" kommen. 53 Im neueren Schrifttum wird demgegenüber ganz überwiegend angenommen, Art. 22 Abs. 2 verleihe den Gerichten nur eine Prozeßabweisungsbefugnis, eröffne aber keine Möglichkeit, den Rechtsstreit an das zuerst angerufene Gericht zu verweisen. 54 Manche Autoren befürworten allerdings eine Verweisung mit Bindungswirkung de conventione jerenda. 55 Im folgenden soll die Ausgestaltung derjenigen nationalen Konnexitätsregeln herangezogen werden, die der in Art. 22 als Vorbild gedient haben, um so dem Verständnis der "Unzuständigerklärung" in Art. 22 Abs. 2 näherzukommen.

51 Bülow, RabelsZ 29 (1965), 473,502. 52 Bülow, RabelsZ 29 (1965), 473, 502; solche Stellungnahmen sind allerdings bisher ausgeblieben. 53 Bülow, RabelsZ 38 (1974), 262, 269. 54 Kropholler, EZPR, Art. 22 Rdnr.7; Geimer; FS Kralik (1986), S. 179, 183; MünchKomm-Gottwald, Art. 22 EuGVÜ Rdnr.5; Tarzia, Riv. dir. int. priv. proc. 1969, 156, 166; CampeislDe Pauli, Nr.57, S. 192 f.; Di Blase, Nr. 44, S.207; Wittibschlager, S. 142; a.A. Leipold, GS Arens (1993), S.227, 237 ff.; Espinar Vicente, S. 148. 55 GeimerlSchütze 1/1, § 44 11 2 g; Schack, IZVR, Rdnr. 767; W. Lüke, GS Arens (1993), S. 273, 287; Kropholler, Hdb. IZVR I, Kap. m Rdnr. 241.

II. Die Reehtsfolge der Unzuständigerklärung in Art. 22 Abs. 2

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3. Der "renvoi" imjranzösischen bzw. belgischen Recht a) Anlehnung der Regelung im EuGVÜ an den "renvoi" Einigkeit besteht darüber, daß sich die Rechtsfolge in Art. 22 Abs. 2 an den "renvoi" im französischen und belgischen Recht anlehnt. 56 Dem steht nicht entgegen, daß die französische Fassung des Art. 22 Abs. 2 stattdessen den Begriff "dessaisissement" enthält; denn im französischen Recht werden die Fonnulierungen "se dessaisir en faveur de l'autre juridiction" und "renvoyer" häufig synonym verwendet. 57 So meint auch Droz58 , in Art. 21 und 22 sei zwar nicht der Begriff "renvoi" verwendet worden, die Unzuständigerklärung zugunsten des zuerst angerufenen Gerichts komme dem aber theoretisch und praktisch gleich. Es ist daher zu untersuchen, was der "renvoi" im französischen und belgischen Recht im einzelnen bedeutet und ob diese Wirkung auf die Ebene des EuGVÜ übertragen werden kann.

b) Begriffsklärung Der französische Begriff des "renvoi" darf nicht mit dem Renvoi im Internationalen Privatrecht (IPR) verwechselt werden. Es handelt sich um zwei völlig verschiedene Verwendungen desselben Wortes. Im IPR bedeutet der Begriff des Renvoi Rückverweisung bzw. Weiterverweisung . Ist nach deutschem IPR ausländisches Recht anzuwenden, nach dem ausländischen IPR aber deutsches Recht, so spricht man von einer Rückverweisung. Wenn nach deutschem IPR ausländisches Recht anzuwenden ist und nach dem ausländischen IPR das Recht eines dritten Staates entscheiden soll, so liegt eine Weiterverweisung vor. 59 Während der IPR-Renvoi also die Verweisung einer Rechtsordnung auf eine andere meint, bedeutet der "renvoi" des französischen Prozeßrechts die Verweisung eines Prozesses von einem Gericht an ein anderes.

56 Bülow, RabelsZ 29 (1965), 473, 502; ders., RabelsZ 38 (1974), 262, 268; Krffholler, EZPR, Art. 2: Rdnr. 1; Bülow(BöckstiegellMüller I, S. ~06.172. Vgl. Sohm-Bourgeols, J.-el. proe. eIV., Fase. 213-2 Nr. 3 f., Huet, J.-el. dT. int., Fase. 581-D, 2. eah., Nr. 96 und 97; Heran, Nr. 877; Morel, NT. 302. 58 Draz, Nr. 307 (zu Art. 21). 59 Kegel, IPR, § 10 I.

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§ 6 Die Rechtsfolgen der Konnexität

c) Die Wirkung des "renvoi" im französischen Recht aa) Die grundsätzliche Bedeutung des "renvoi" Der "renvoi" stellt im französischen Recht den Mechanismus für die Lösung von Zuständigkeitskonflikten dar. Er wird als Rechtsfolge bei Unzuständigkeit, Litispendenz sowie Konnexität verwendet60 und bedeutet allgemein die Zuweisung eines Verfahrens an ein anderes Gericht. Das angerufene Gericht beendet seine Befassung mit der Klage ("dessaisissement") zugunsten eines anderen Gerichts. Die Wirkungen des renvoi unterscheiden sich aber je nach der prozessualen Situation, in der er Anwendung findet. Rechtshängigkeit und Konnexität waren im alten C.p.c. zunächst gleichermaßen mit der Rechtsfolge des renvoi versehen (Art. 171 bzw. 172 des alten C.p.c. 61 ), jedoch bestand Einigkeit darüber, daß sich die jeweiligen Wirkungen unterschieden. Seit 197262 sind die beiden Institute getrennt geregelt (heute Art. 100 und 101 NCPC) und deren Rechtsfolgen unterschiedlich formuliert. In seiner Funktion als Rechtsfolge der Rechtshängigkeit wird der renvoi im Gesetz umschrieben als "dessaisissement au profit de I' autre juridiction"63. Da im Fall von Rechtshängigkeit dieselbe Klage bereits vor dem anderen Gericht anhängig ist, wäre es überflüssig, das Verfahren zu übertragen. Das über den renvoi entscheidende Gericht weist die Klage ab, damit über sie nur das andere Gericht entscheidet. Wenn sich die Rechtsfolge hier im Ergebnis auf eine Abweisung der Klage beschränkt64 , beruht dies nicht auf dem Wesen des renvoi, sondern auf der besonderen Situation der Litispendenz . Im Fall der Konnexität wird die Wirkung dagegen als "dessaisissement et renvoi en I' etat de la connaissance de l' affaire I' autre juridiction" 65 bezeichnet. Bei Konnexität ist das Verfahren, in dem die Einrede erhoben wird, wie auch bei Unzuständigkeit, noch nicht vor dem anderen Gericht anhängig. Hier

a

60 Außerdem ist der "renvoi" die Rechtsfolge bei Befangenheit des Gerichts.

61 Art. 171 des C.p.c. von 1806. Seit dem decret n° 58-1289 du 22.12.1958 (D. 1959, leg. 45 ff.) waren Litispendenz und Konnexität in Art. 172 Abs. 1 wie folgt

geregelt: "S'il a ete forme precedemment, devant un autre tribunal, une demande ayant le meme objet, ou si la contestation est connexe a une cause deja pendante devant un autre tribunal, le renvoi peut etre ordonne, d'office ou a la demande d'une partie, par la juridiction saisie en seconde lieu." 62 Art. 39 und 40 decret n° 72-684 du 20.07.1972. 63 So die Formulierung der Rechtsfolge der Litispendenz seit dem decret du 20.07.1972 (heute Art. 100 NCPC). 64 Fourcade, Nr. 37: "Elle tend a faire disparaitre une instance sur deux." 65 So die Formulierung der Rechtsfolge der Konnexität in Frankreich seit 1972 (heute Art. 101 NCPC).

II. Die Rechtsfolge der Unzuständigerklärung in Art. 22 Abs. 2

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ist eine Übertragung des Verfahrens zur Weiterverhandlung sinnvoll. In seiner Funktion als Rechtsfolge der Konnexität sowie der Unzuständigkeit wird der renvoi daher im Sinne einer Verweisung des Verfahrens an das andere Gericht verstanden.

bb) Ausgestaltung des "renvoi" im einzelnen Unter der Geltung des alten C.p.c. konnte im Fall von Konnexität ein Gericht durch einen renvoi einem anderen Gericht ein Verfahren zur Entscheidung zuweisen. 66 Für die Weiterführung des Verfahrens wurde ein erneutes Anhängigmachen der Klage ("assignation"67) bei dem mit dem anderen Verfahren befaßten Gericht verlangt. 68 Diese neue "assignation" eröffnete zwar formell ein neues Verfahren, es bestand jedoch Einigkeit darüber, daß materiell dasselbe Verfahren fortgeführt wurde. 69 Die ursprüngliche Klageerhebung behielt ihre verjährungsunterbrechende Wirkung. Das Verfahren wurde nicht von vom begonnen, sondern von dem Stand aus weitergeführt, den es vor dem verweisenden Gericht erreicht hatte. 70 Bisherige Prozeßhandlungen behielten ihre Wirkung. Mit der Reform von 1972 wurde die Regelung des renvoi in einem wesentlichen Punkt geändert71: Die Bestimmung des zuständigen Gerichts hat jetzt bindende (zuständigkeitsbegründende) Wirkung für das benannte Gericht72, 66 Ebenso bei Rechtshängigkeit; bei Unzuständigkeit konnte ein erstinstanzliches Gericht die Klage dagegen lediglich abweisen ("dessaisissement"), nicht auch das zuständige Gericht bestimmen. 67 "Assignation" bedeutet Ladung des Beklagten, verbunden mit der Zustellung der geltend gemachten Ansprüche; mit der Zustellung der Klageschrift an den Beklagten auf Betreiben des Klägers wird die Klage rechtshängig. 68 Vgl. SoluslPerrot II, Nr. 834 b; nicht dagegen bei Litispendenz, da die Parteien und der Verfahrensgegenstand dieselben sind. 69 SoluslPerrot I1, Nr. 783. 70 CornulFoyer, S. 506: "La procedure sera meme reprise sur les derniers errements. " 71 In den Reformen von 1958 (decret n° 58-1289 du 22.12.1958, D. 1959, leg. 45 ff.) und 1960 (decret n° 60-802 du 02.08.1960, D. 1960, leg. 287 ff.) wurden lediglich einzelne Verfahrensaspekte des renvoi geändert, die hier vernachlässigt werden können. 72 Art. 44 decret du 20.07.1972 (heute Art. 105 NCPC): "La decision rendue sur I'exception, soit par la juridiction qui en est saisie, soit a la suite d 'un recours, s 'impose tant a la juridiction de renvoi qu ' a celle dont le dessaisissement est ordonne." Bis dahin hatte der renvoi keine bindende Wirkung, die Partei, die den renvoi an das andere Gericht beantragt hatte, konnte aber nur noch dessen sachliche (absolute) Zuständigkeit in Frage stellen, J.-cl. proc. (1938), Art. 172 Nr. 98.

176

§ 6 Die Rechtsfolgen der Konnexität

auch wenn sie fehlerhaft ist.?3 Im NCPC von 197574 ist der renvoi wegen Litispendenz und Konnexität in Art. 100 bis 107 geregelt; im übrigen können die Regelungen des renvoi wegen Unzuständigkeit in Art. 86 ff. NCPC entsprechend angewendet werden.?5 Eine entscheidende Neuerung der Reform von 1975 besteht darin, daß der renvoi nunmehr durch direkte Übermittlung der Akten von dem einen Gericht an das andere erfolgt (Art. 97 NCPC76). Eine erneute Klageerhebung vor dem Empfangsgericht ist damit überflüssig geworden. Bei dem renvoi wegen Konnexität handelt es sich also nach heutiger Rechtslage in Frankreich um eine direkte Verweisung des Verfahrens mit bindender Wirkung. In bezug auf die Auslegung des Art. 22 ist jedoch zu beachten, daß der renvoi erst seit 1972 bindende Wirkung hat und erst seit 1975 eine direkte Verweisung darstellt. Wenn das französische Recht zur Auslegung des Art. 22 Abs. 2 herangezogen wird, ist grundsätzlich von der Rechtslage zur Zeit der Entstehung des EuGVÜ auszugehen, da nur diese bei der Konzipierung der europäischen Regelung eingeflossen sein kann. Zwar stellte der renvoi wegen Konnexität zur Entstehungszeit des EuGVÜ noch keine unmittelbare Transferierung des Verfahrens an das andere Gericht dar, eine neue Klageerhebung wurde jedoch nur verlangt, um den formellen Anforderungen an eine Verfahrenseinleitung gerecht zu werden. Im Ergebnis kam dies einer direkten Übertragung des Verfahrens vom einen zum anderen Gericht gleich. Daß erst später das Verfahren technisch vereinfacht und auf die Fönnlichkeit der "assignation" verzichtet wurde, bedeutet daher keine relevante Veränderung der Rechtslage. Hinsichtlich der Bindungswirkung hingegen erfolgte durch die Reform von 1972 eine entscheidende Änderung. In die Auslegung des Art. 22 ist also diesbezüglich in erster Linie die Rechtslage vor 1972 (nur begrenzte Bindungswirkung des renvoi) einzubeziehen. 73 Cass. (fr.) 03.01.1991, Bull. civ. 1991, IV, Nr. 3. 74 Decret du 05.12.1975, in Kraft getreten am 01.01.1976. 75 SoluslPerrot 11, Nr. 830. 76 Art. 97 NCPC lautet: "En cas de renvoi devant une juridiction designee, le dossier de I' affaire lui est aussitöt transmis par le secretariat, avec une copie de la decision de renvoi. Toutefois la transmission n'est faite qU'll defaut de contredit dans le delai, lorsque cette voie etait ouverte contre la decision de renvoi. Des reception du dossier, les parties so nt invitees par lettre recommandee avec demande d'avis de reception du secretaire de la juridiction designee a poursuivre I'instance et s'il y a lieu, a constituer avocat ou avoue. Lorsque devant celle-ci, les parties sont tenues de se faire representer, I'affaire est d'office radiee si aucune d'elles n'a constitue avocat ou avoue, selon le cas, dans le mois de I'avis qui leur a ete donne. Lorsque le renvoi est fait a la juridiction qui avait ete primitivement saisie, I'instance se poursuit a la diligence du juge. "

11. Die Rechtsfolge der Unzuständigerklärung in Art. 22 Abs. 2

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Wichtig für das Verständnis der Rechtsfolge in Art. 22 Abs. 2 ist weiterhin, ob der renvoi des französischen Rechts unmittelbar eine Verbindung der konnexen Verfahren vor dem Empfangsgericht bewirkt oder ob diese dort zunächst getrennt anhängig werden. Dieses Problem stellt sich nur bei der Konnexität, nicht dagegen auch in den anderen renvoi-Fällen; denn bei Unzuständigkeit gibt es gar kein paralleles Verfahren, und bei Rechtshängigkeit sind beide Verfahren identisch, so daß diese ohne weiteres in einem aufgehen. Im Fall der Konnexität aber sind als Ergebnis des renvoi zwei verschiedene, miteinander zusammenhängende Klagen bei einem der beiden ursprünglich damit befaßten Gerichte anhängig. Verhandlung und Entscheidung durch dasselbe Gericht genügen allein nicht, um die Zwecke der Konnexitätsregel vollständig zu erreichen. Vielmehr ist - insbesondere im Interesse der Prozeßökonomie - darüber hinaus eine gemeinsame Verhandlung und Entscheidung durch eines der Gerichte von Bedeutung. Dieses Ziel ergibt sich auch aus der Definition der Konnexität in Art. 101 NCPC ("lien tel qu'il soit de l'interet d'une bonne justice de les faire instruire et juger ensemble"). Sind konnexe Klagen vor demselben Gericht anhängig, so kann jederzeit, auch von Amts wegen, deren Verbindung angeordnet werden ("j onction d' instances ") .77 Während ein renvoi erfolgt, wenn die betroffenen Verfahren zunächst vor verschiedenen Gerichten schweben, wird eine "jonction" angeordnet, wenn die Verfahren bereits vor demselben Gericht anhängig sind. Die beiden Institute unterscheiden sich nur hinsichtlich der Ausgangslage, nicht hingegen in ihrer Wirkung. Der renvoi wegen Konnexität bewirkt somit unmittelbar die Verbindung der Verfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung78 der konnexen Verfahren. 79

cc) Der "renvoi" im zwischenstaatlichen Bereich Für das Verständnis des Art. 22 Abs. 2 ist weiterhin von Bedeutung, ob der

renvoi nach französischer Auffassung auch auf internationaler Ebene Anwen-

dung finden kann. Soweit Litispendenz und Konnexität in Zuständigkeitsbzw. Anerkennungsabkommen im Verhältnis zu anderen Staaten geregelt 77 Art. 367 NCPC bzw. Art. 107 NCPC, vgl. dazu Julien/Mas, J.-cl. proc. civ., Fase. 677. Davor gab es keine ausdrückliche Regelung für die Verbindung konnexer Verfahren, die bereits vor demselben Gericht anhängig waren, diese Möglichkeit war aber allgemein anerkannt, vgl. Glasson/Tissier, Nr. 281; J.-cl. proc. (1938), Art. 171 Nr. 118. 78 Die gleichzeitige Entscheidung über beide Klagen ist allerdings nicht zwingend, Fournier, Enc. Dalloz proc., VO Connexite, Nr. 18. 79 Trib. gr. inst. Paris 04.07.1972, D. 1974, 205; Heron, Nr. 878; Fourcade, Nr.37. 12 Lüpfert

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§ 6 Die Rechtsfolgen der Konnexität

sind, wird der renvoi im Verkehr mit diesen Staaten für anwendbar gehalten. In der Übertragung dieses Instituts auf die zwischenstaatliche Ebene wird insoweit kein Problem gesehen. So wird z.B. gemäß Art. 4 des französischbelgisehen Vertrages vom 08.07.189980 und im Rahmen des französischschweizerischen Vertrages vom 15.06.186981 der renvoi wegen Konnexität wie im innerstaatlichen Recht angewendet. Zwar schließt Art. 96 Abs. 1 NCPC eine bindende Verweisung an ein ausländisches Gericht grundsätzlich aus und ermöglicht stattdessen nur, die Parteien darauf zu verweisen, die Klage anderswo zu erheben. Dies gilt aber nur für das autonome Recht, nicht auch im Rahmen völkervertraglich geregelter Beziehungen. 82 Aus der Betrachtung der Rechtslage in Frankreich ergibt sich also, daß der

renvoi wegen Konnexität nicht nur im Verhältnis zwischen verschiedenen

Gerichten desselben Staates in Betracht kommt.

d) Der "renvoi" im belgisehen Recht Das belgisehe Recht stimmt hinsichtlich der Rechtsfolgen der Konnexität weitgehend mit dem aktuellen französischen Recht überein. Das Verfahren des renvoi ist im belgisehen Code judiciaire in bezug auf die Litispendenz geregelt (Art. 661, 662 C.j.83), für die Konnexität wird hierauf verwiesen (Art. 566 Abs. 3 C.j.). Auch hier bewirkt der renvoi die Transferierung des 80 Art. 4 des Vertrages regelt Litispendenz und Konnexität und enthält nach allgemeiner Meinung eine Verweisung (les tribunaux "revoient") wie im nationalen Bereich (Anwendungsfall des "principe de I'assimilation de l'etranger au national" in Art. I), vgl. Batijfo//Franceskakis, Enc. Dalloz dr. int., VO Competence civile et commerciale, Nr. 249; so auch Trib. gr. inst. Metz 04.11.1970, Clunet 1972, 314. 81 Hier ist die Konnexität nicht geregelt, es findet aber nach h.M. die innerstaatliche Konnexitätsregel entsprechende Anwendung, siehe oben § 1 Fn. 79. 82 Nach Ansicht von Beraudo, J.-cl. proc. civ., Fasc. 52-4 Nr. 32, gilt der Ausschluß der Verweisungsmöglichkeit in Art. 96 Abs. I NCPC nur für die Unzuständigkeit, nicht auch für Litispendenz und Konnexität. 113 Art. 661 C.j. lautet: "Dans les huit jours de la prononciation de la decision, le greffier adresse le dossier de la procedure au greffier du juge auquel la cause a ete envoyee. Il y joint une copie de la decision de renvoi ou de dessaisissement en autant d'exemplaires qu'il y a de parties au proces. " Art. 662: "La cause est inscrite d'office et sans frais au röle dujuge de renvoi. A la demande de I'une d'elles, les parties sont convoquees par le greffier, sous plis judiciaire, a comparaitre aux Iieu, jour et heure de l'audience a laquelle l'affaire sera appelee. Une copie de la decision de renvoi est jointe acette convocation. Le greffier informe pareillement les avocats des parties par simple lettre missive. La procedure est continuee en son dernier etat. "

11. Die Rechtsfolge der Unzuständigerklärung in Art. 22 Abs. 2

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einen Verfahrens an das mit dem anderen Verfahren befaßte Gericht. Die ursprüngliche Klageerhebung behält ihre Wirkungen, insbesondere bleibt die durch sie bewirkte Verjährungsunterbrechung bestehen. Das Verfahren wird vom aktuellen Stand aus weitergeführt (Art. 661 Abs. 3 C.j.). Technisch erfolgt die Verweisung - wie heute im französischen Recht - durch amtsweise Versendung der Akten an das Empfangsgericht. 84 Das Verfahren wird ohne weitere Parteihandlung beim Empfangsgericht anhängig85 . Die Ladung zur Weiterverhandlung erfolgt allerdings nur auf Antrag einer Partei. Im Unterschied zum heutigen französischen Recht hat im belgischen Recht die Verweisung wegen Konnexität allerdings (anders als die Verweisung wegen Unzuständigkeit) keine bindende Wirkung,86 Die Zuständigkeit des Empfangsgerichts kann durch die Parteien oder auch von Amts wegen wieder in Frage gestellt werden. Jedoch wird eine begrenzte Bindungswirkung angenommen: Die Partei, die den renvoi an das andere Gericht beantragt hat, kann später nur noch dessen sachliche Zuständigkeit in Frage stellen87 . Dies entspricht der Rechtslage in Frankreich vor 1972. 88 In der belgischen Literatur wird anstelle des Begriffs "renvoi pour cause de connexite" gleichwertig der Begriff "jonction pour connexite"89 verwendet. Es wird also davon ausgegangen, daß der renvoi wegen Konnexität eine Verbindung der beiden konnexen Verfahren bewirkt, die dann vor dem Empfangsgericht gemeinsam verhandelt und entschieden werden. 9O Gegen ein solches Verständnis könnte allerdings sprechen, daß das Gesetz den Begriff "jonction" auch zur Umschreibung der Rechtsfolge der Litispendenz verwendet91 , dort aber eine Verbindungswirkung nicht einleuchtend wäre, weil die betreffenden Verfahren ja identisch sind. Jedoch ist die parallele gesetzliche Umschreibung der Rechtsfolgen von Litispendenz und Konnexität nicht entscheidend (vgl. die Rechtslage in Frankreich vor 197292 ). "Jonction" bedeutet die Vereinigung mehrerer Klagen in einem Verfahren, was bei Identität der Klagen letztlich zur Verdrängung einer davon führt, während die Klagen bei 84 Art. 566 Abs. 3 i.V.m. Art. 661 C.j.; die Versendung der Akten muß binnen acht Tagen nach der Verweisungsentscheidung erfolgen. 85 Art. 566 Abs. 3 i.V.m. Art. 662 C.j. 86 Art. 640, 644 C.j., vgl. dazu Cambier, 11, S. 114; FettweislKohllLeval I, Nr.69. 87 Liege 29.02.1964, Pas. 1964,11,219. 88 Vgl. oben § 6 Fn. 72. 89 Fettweis 11, Nr. 187; Rouard, Nr. 248. 90 FettweislKohl/Leval I, Nr. 70: "La connexite justifie la jonction de plusieurs demandes en une seule procedure" . 91 Art. 565 C.j.: "En cas de litispendance les demandes en justice sont jointes [ ... )".

92 Siehe oben c aa.

12'

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§ 6 Die Rechtsfolgen der Konnexität

Konnexität zu gemeinsamer Verhandlung und Entscheidung verbunden werden. Der renvoi wegen Konnexität hat also im belgisehen Recht die Verbindung der Verfahren vor einem der angegangenen Gerichte zur Folge. 93 Zusammenfassend kann festgestellt werden, daß sowohl im französischen als auch im belgisehen Recht durch den renvoi wegen Konnexität das eine Verfahren an das mit dem anderen Verfahren befaßte Gericht unter Erhaltung der Wirkungen der Klageerhebung und der bisherigen Prozeßhandlungen transferiert und die beiden Klagen zu gemeinsamer Verhandlung und Entscheidung verbunden werden. Unterschiede bestehen hinsichtlich des Umfangs der Bindungswirkung, die nach heutigem französischem Recht weiter reicht als nach belgischem Recht.

4. Die Rechtsfolge der Konnexität im italienischen Recht a) Ausgestaltung der Rechtsfolge der Konnexität Nach Art. 40 des italienischen c.p.c. 94 stellt das Gericht die Konnexität durch Urteil fest und setzt den Parteien eine Frist für die "riassunzione" (Art. 50 c.p.c. 95 ) der Klage vor dem mit der konnexen Klage befaßten Gericht. Bei fehlender bzw. nicht rechtzeitiger Aufnahme erlischt der Prozeß (Art. 50 Abs. 2 c.p.c.). Der Übergang des Verfahrens an das andere Gericht erfolgt also nicht automatisch. Es scheint sich um eine Abweisung der ursprünglichen Klage und deren Neuerhebung vor dem anderen Gericht zu handeln. Jedoch herrscht Einigkeit darüber, daß die "riassunzione" nicht den Beginn eines neuen Prozesses darstellt, sondern die Fortsetzung des alten. Die Entscheidung, mit der die Unzuständigkeit festgestellt wird, bewirkt zusammen mit der (fristgerechten) Aufnahme vor dem anderen Gericht eine sog. "translatio judicii"96: Das Verfahren vor dem mit der Klage ursprünglich 93 Cambier, I1, S. 117: Les affaires sont "traitees ensembles par une des juridictions a qui, sur renvoi, des causes connexes, sepan!ment engagees, sont soumises." 94 Art. 40 Abs. 1 c.p.c. lautet: "Se sono proposte davanti a giudici diversi phI cause le quali, per ragione di connessione, possono essere decise in un solo processo, il giudice fissa con sentenza alle parti un termine perentorio per la riassunzione della causa accessoria davanti al giudice della causa principale, e negli altri casi davanti a quello preventivamente adito. " 95 Art. 50 C.p.c.: "Se la riassunzione della causa davanti al giudice dichiarato competente avviene nel termine fissato nella sentenza dal giudice e in mancanza di quello di sei mesi dalla comunicazione della sentenza di regolamento 0 della sentenza che dichiara I'incompetenza dei giudice adito, il processo continua davanti al nuovo giudice. Se la riassunzione non avviene nei termini su indicati, il processo si estingue. " 96 Allorio/Massari, Art. 50 C.p.c. Nr. 1, S. 607.

11. Die Rechtsfolge der Unzuständigerklärung in Art. 22 Abs. 2

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befaßten Gericht und das Verfahren nach der Aufnahme werden als Einheit behandelt. Derselbe Prozeß wird vor einem anderen Gericht fortgesetzt. Die durch die ursprüngliche Klageerhebung begründete Rechtshängigkeit bleibt bestehen, sie behält all ihre prozessualen und materiellen Wirkungen. 97 Prozeßhandlungen, die vor dem ersten Gericht vorgenommen wurden, sowie Beweisaufnahmen98 behalten ihre Wirksamkeit. Die Bestimmung des Empfangs gerichts in der Entscheidung über die Konnexität begründet zwar nicht dessen Zuständigkeit99 , wie es im französischen Recht der Fall ist, jedoch kann diese, soweit kein Rechtsbehelf gegen die Entscheidung eingelegt worden ist, gemäß Art. 44 c.p.c. 1OO nur noch in engen Grenzen in Frage gestellt werden, nämlich nur hinsichtlich der sachlichen und der ausschließlichen örtlichen Zuständigkeit. Begründet wird die weitgehende Bindung an die Zuständigkeitsentscheidung unabhängig von ihrer inhaltlichen Richtigkeit mit dem Gebot der Prozeßökonomie. 101 Die Bindung entfallt nur, wenn die Klage nicht rechtzeitig aufgenommen wird. Ziel der Regelung in Art. 40 c.p.c. ist nicht nur die Verhandlung und Entscheidung durch dasselbe Gericht, sondern darüber hinaus gerade auch die gemeinsame, gleichzeitige Verhandlung ("simultaneus processus"102). Durch die Aufnahme des Verfahrens vor dem mit dem konnexen Verfahren befaßten Gericht entsteht zwar nicht direkt die Verbindung der beiden Klagen, die Zusarnmenführung ist jedoch gemäß Art. 274 c.p.c. auch von Amts wegen anzuordnen. Diese Vorschrift stellt allgemein die Verbindung konnexer Klagen, die vor demselben Gericht schweben, in das Ennessen des Gerichts ("riunione di procedimenti"). Nach einer Verweisung gemäß Art. 40 c.p.c. besteht aber eine Verpflichtung, die konnexen Verfahren zu verbinden. 103 Trotz der Verbindung behält jede Klage ihre Selbständigkeit. 104

97 Carpi/Colesantiffarujfo, Art. 50 c.p.c. Anm.

m I.

98 So die herrschende Meinung, vgl. Carpi/Colesantiffarujfo, Art. 50 c.p.c.

m 3; a.A. Allorio/Massari, Art. 50 c.p.c. Nr. 3, S. 621 f. 99 Allorio/Massari, Art. 50 c.p.c. Nr. 2, S. 615. 100 Art. 44 c.p.c. lautet: "La sentenza che, anche a norma degli articoli 39 e 40,

Anm.

dichiara I'incompetenza deI giudice che I'ha pronunciata, se non e impugnata con I'istanza di regolamento, rende incontestabile I'incompetenza dichiarata e la competenza deI giudice in essa indicato se la causa e riassunta nei termini di cui all'Art. 50, salvo che si tratti di incompetenza per materia 0 di incompetenza per territorio nei casi previsti nell'articolo 28." 101 Allorio/Massari, Art. 44 c.p.c. Nr. 1. Als Begründung wird zusätzlich angeführt, daß die Parteien sich mit der Zuständigkeit des bezeichneten Gerichts abfinden, indem sie keinen Rechtsbehelf dagegen einlegen. 102 Vgl. z.B. Carpi/Colesantiffarujfo, Art. 40 c.p.c. Anm. II; Chiovenda, Nr. 207. 103 Franchi, Giur. it. 1962, I, 1369, 1370 f. 104 Balbi, S. 465.

182

§ 6 Die Rechtsfolgen der Konnexität

b) Vergleich mit der französischen bzw. belgischen Lösung Daß die Verfahrensverbindung im italienischen Recht nach ihrer Anordnung durch das Gericht erst noch von einer der Parteien durchgeführt werden muß, bewirkt letztlich keine fundamentalen Unterschiede zum renvoi des heutigen französischen bzw. belgischen Rechts. Die wesentlichen Vorteile des renvoi, nämlich die Erhaltung der Wirkungen der ursprünglichen Klageerhebung und der bisherigen Prozeßhandlungen, werden durch die italienische Regelung genauso erreicht. Die Ausgestaltung der Rechtsfolge der Konnexität in Italien beruht auf der Stellung des Richters, dem allgemein im italienischen Zivilprozeß große Zurückhaltung auferlegt wird. Prozeßleitungsmaßnahmen kann der Richter häufig nicht selbst vornehmen, sie werden stattdessen den Parteien zur Ausführung in einer bestimmen Frist aufgetragen. Wie im früheren französischen Recht (bis 1975)105, handelt es sich auch bei der Rechtsfolge der Konnexität im italienischen Recht um eine Verweisung, die nur insofern technisch anders ausgestaltet ist, als sie für ihr Wirksamwerden eine Mitwirkungshandlung seitens der Parteien voraussetzt.

5. Verbindung konnexer Verfahren nach spanischem Recht Sind konnexe Verfahren vor verschiedenen Gerichten anhängig, so kann nach spanischem Recht eine sog. "acumulaci6n de autos" 106 erfolgen. 107 Dies geschieht, indem der Richter, der gleichzeitig mit der bei ihm erhobenen Klage über eine damit zusammenhängende, aber vor einem anderen Gericht anhängige Klage entscheiden will, auf Antrag einer Partei die Verbindung anordnet (Art. 171 ff. LEC). Ist das mit der konnexen Klage befaßte Gericht mit der Verbindung der Verfahren bei dem anderen Gericht einverstanden, überstellt es die Akten des eigenen Verfahrens dorthin (Art. 177 LEC108). Andernfalls teilt es seine Ablehnung dem anderen Gericht mit (Art. 178 LEC), das daraufhin von der Verbindung Abstand nehmen (Art. 179 LEC109) 105 So oben 3 c bb. 106 Wörtlich: "Häufung von Prozeßakten" (= Verfahren). 107 Bei Anhängigkeit vor demselben Gericht ordnet dieses die Verbindung gemäß Art. 168-170 LEe an. 108 Art. 177 LEe lautet: "Otorgada la acumulacion, se remitiran los autos al Juez que la haya pedido, con emplazamiento de las partes para que, dentro de diez dias, com~arezcan ante el a usar de su derecho. " 10 Art. 179 LEe: "EI Juez que haya pedido la acumulacion, luego que reciba dicho oficio, desistira de su pretension, sin mas tramites, si encuentra fundados los motiv os por que le haya sido denegada, contestando sin dilacion al otro Juez para que pueda continuar procediendo. [... ]".

11. Die Rechtsfolge der Unzuständigerklärung in Art. 22 Abs. 2

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oder die Frage an das den beiden beteiligten übergeordnete Gericht zur Entscheidung abgeben (Art. 182 LECllO) kann. Das Gericht, von dem die Abgabe des Verfahrens verlangt worden ist, kann auch, wenn es der Auffassung ist, die Verbindung müsse in der umgekehrten Richtung erfolgen, selbst vom anderen die Überstellung des dortigen Verfahrens verlangen (Art. 180, 181 LEC). Ergebnis der "acumulaci6n" ist die Verbindung der Klagen zu einem Verfahren und deren gemeinsame Entscheidung durch eines der ursprünglich befaßten Gerichte (Art. 186 LEC111). Ist eines der Verfahren weiter fortgeschritten, so ist dessen Verhandlung auszusetzen, bis das andere dasselbe Stadium erreicht hat (Art. 187 LEC). Die Besonderheit bei der Verbindung konnexer Verfahren im spanischen Recht liegt darin, daß sie im Vergleich zu den bisher betrachteten Rechtsordnungen in umgekehrter Richtung stattfindet. Die Entscheidung darüber ist nicht als "Abgabe" des eigenen Verfahrens an das andere Gericht ausgestaltet, sondern als "Ansich-ziehen" der konnexen Klage zur gemeinsamen Verhandlung mit der beim entscheidenden Gericht bereits anhängigen Klage. Der Unterschied liegt aber letztlich nicht in der Wirkungsrichtung der Konnexität, sondern lediglich in der Kompetenz für die Entscheidung über die Verbindung. Die selbst in der spanischen Lehre als sehr kompliziert angesehene Ausgestaltung des Verfahrens der "acumulaci6n de autos"1l2 beruht darauf, daß nicht einem der beteiligten Gerichte allein die Entscheidung über die Verbindung überlassen wird. Während im französischen, belgischen und italienischen Recht eines der mit den konnexen Verfahren befaßten Gerichte das eigene Verfahren ohne weiteres an das andere Gericht abgeben kann, ist in Spanien erforderlich, daß sich beide beteiligten Gerichte über die Verbindung und über deren Richtung einig sind. Sind sie es nicht, muß der Konflikt durch das übergeordnete Gericht entschieden werden. Insgesamt gesehen handelt es sich jedoch - wie in den anderen Rechtsordnungen auch - um eine Übertragung des Verfahrens an das mit einem konnexen Verfahren befaßte Gericht, wodurch eine gemeinsame Verhandlung der konnexen Klagen ermöglicht wird.

110 Art. 182 LEe: "Si el Juez que hubiere pedido la acumulaci6n no creyere bastantes los fundamentos de la negativa 0 pretensi6n dei requerido, remitirä los autos al superior correspondiente, con emplazamiento de las partes, avisändolo al otro Juez para que haga igual remesa de los suyos. [... ]". 111 Art. 186 LEe: "En virtud de la acumulaci6n, los autos acumulados se seguirän en un solo juicio y seran terminados por una misma sentencia. " 112 So Guasp, S. 256; Vazquez Iruzubieta, zu Art. 171 und zu Art. 178 LEe; Ramos Mendez, S. 454 f.

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§ 6 Die Rechtsfolgen der Konnexität

6. Verbindung konnexer Verfahren im deutschen Recht Im deutschen Zivilprozeßrecht gibt es eine Verweisung eines Rechtsstreits wegen Konnexität an ein anderes Gericht zum Zwecke der Verbindung mit einem dort anhängigen Verfahren nicht. Hängen mehrere Klagen sachlich miteinander zusammen, so ist deren Verbindung nur möglich, sofern diese getrennt - vor demselben Gericht anhängig sind, § 147 ZPO. Das Gericht entscheidet nach mündlicher Verhandlung 113 durch Beschluß 11 4 über die Prozeßverbindung, die in seinem Ermessen steht. Bei Beteiligung verschiedener Spruchkörper 115 wird der Verbindungsbeschluß nach h.M. von dem das andere Verfahren an sich ziehenden Spruchkörper erlassen. 116 Insofern liegt eine Parallele zur Regelung im spanischen Recht vor, die allerdings die Zustimmung des anderen beteiligten Gerichts voraussetzt. Für § 147 ZPO wird eine Abstimmung mit dem anderen Spruchkörper nicht verlangt, jedoch eine "Fühlungnahme" empfohlen. 117 Wirkung der Verbindung gemäß § 147 ZPO ist die gleichzeitige Verhandlung und Entscheidung der Klagen. Die vorher selbständigen Prozesse werden zu einem Verfahren vereinigt, so als wären die Klagen von vornherein gehäuft gewesen oder später Widerklage erhoben worden. 118 Alle Termine, Beweisaufnahmen und dergleichen sind fortan identisch. 119 Grundsätzlich ergeht ein einheitliches Endurtei1. 120 Ist der eine Prozeß vor dem anderen spruchreif, kann dennoch darüber allein ein (End-)Urteil ergehen.1 21 Verweisungsmöglichkeiten zwischen verschiedenen Gerichten existieren im deutschen Prozeßrecht zwar nicht bei Konnexität, aber bei Unzuständigkeit des angerufenen Gerichts, und zwar bei sachlicher wie örtlicher Unzuständig113 Vorherige mündliche Verhandlung ist wegen der unter Umständen erheblichen Bedeutung für die Parteien grundSätzlich obligatorisch, Stein/Jonas/Leipold, § 147 ZPO Rdnr. 18; AK-ZPO-Döring, § 147 ZPO Rdnr. 5; a.A. RG JW 1937, 2465; Gaedeke, JW 1937, 3013, 3014; Baumbach/Lauterbach/Hartmann, § 147 ZPO Rdnr. 13. 114 MünchKomm-Peters, § 147 ZPO Rdnr. 6; Baumbach/Lauterbach/Hartmann, § 147 ZPO Rdnr. 13. 115 Zum Streit um die Anwendbarkeit des § 147 ZPO auf diese Fälle siehe unten § 9 I I und § 10 11 2 a. 116 Siehe unten § 10 11 2 c. 117 Stein/Jonas/Leipold, § 147 ZPO Rdnr. 16. 118 BGH NJW 1957, 183. 119 E. Schneider, MDR 1974, 7, 8; MünchKomm-Peters, § 147 ZPO Rdnr. 9. 120 Zöller/Greger, § 147 ZPO Rdnr. 8; MünchKomm-Peters, § 147 ZPO Rdnr. 10. 121 Es handelt sich nicht um ein Teilurteil, sondern um ein Vollendurteil gemäß § 300 Abs. 2 ZPO, in dem eine Aufhebung der Verbindung enthalten ist, BGH NJW 1957,183; Stein/Jonas/Leipold, § 147 ZPO Rdnr. 23.

n. Die Rechtsfolge der Unzuständigerklärung in Art. 22 Abs. 2

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keit (§ 281 ZPO) sowie bei Unzulässigkeit des beschrittenen Rechtswegs (§ 17 a GVG), nicht jedoch bei internationaler Unzuständigkeit 122 . Die Verweisung erfolgt durch direkte Versendung der Akten an das Empfangsgericht, das einen Termin bestimmt und die Parteien von Amts wegen lädt. Sie bewirkt für den Kläger, daß die Wirkungen der ursprünglichen Klageerhebung erhalten und die Rechtshängigkeit bestehen bleibt. 123 Das Verfahren vor dem verweisenden Gericht und das vor dem Empfangsgericht bilden eine Einheit. 124 Daraus folgt die Fortwirkung früherer richterlicher Akte, grundsätzlich auch von Beweisaufnahmen l25 , sowie von Anträgen und Erklärungen der Parteien. 126 Das neue Gericht setzt den Prozeß dort fort, wo das alte ihn abgebrochen hat. 127 Andere Gerichte sind an solche Verweisungen gebunden (§§ 281 Abs. 2 Satz 5 ZPO, 17 a Abs. 2 Satz 3 GVG), auch bei deren sachlicher Unrichtigkeit 128 . In keinem Fall ist eine Zurückverweisung möglich, Weiterverweisung nur hinsichtlich einer Zuständigkeitsart, die vom Verweisungsbeschluß nicht erfaßt ist. 129 Die Verweisung wegen Unzuständigkeit im deutschen Recht entspricht somit in der Ausgestaltung ihrer Rechtsfolgen dem renvoi des französischen und des belgisehen Rechts.

122 Stein/JonaslLeipokJ, § 281 ZPO Rdnr.2; Cohn, NJW 1966, 287, 288; Schumann, FS Nagel (1987), S. 402, 403. 123 Stein/JonaslLeipokJ, § 281 ZPO Rdnr. 36; Kissel, § 17 GVG Rdnr. 30. 124 BGH NJW 1984, 1901; Stein/JonaslLeipokJ, § 281 ZPO Rdnr.25; Zöller/ Greger, § 281 ZPO Rdnr. 15 a; Rosenberg/Schwab/GottwakJ, § 39 11 2 g; Kissel, § 17 GVG Rdnr. 29.

125 Beweisaufnahmen bedürfen der Wiederholung nur in dem Umfang, wie dies bei Richterwechsel innerhalb des anhängigen Prozesses nötig ist (§ 285 ZPO) , Stein/ JonaslLeipokJ, § 281 ZPO Rdnr. 36. 126 Stein/JonaslLeipokJ, § 281 ZPO Rdnr. 36; Zöller/Greger, § 281 ZPO Rdnr. 15 a; MünchKomm-Prütting, § 281 ZPO Rdnr.42; Kissel, § 17 GVG Rdnr.29. 127 Stein/JonaslLeipokJ, § 281 ZPO Rdnr. 35. 128 Bei der Verweisung gemäß § 281 ZPO wird allerdings eine Ausnahme von der Bindungswirkung gemacht, wenn die Verweisung offensichtlich gesetzwidrig ist, jeglicher Rechtsgrundlage entbehrt und sich als willkürlich erweist oder unter Verletzung des Anspruchs eines Verfahrensbeteiligten auf rechtliches Gehör ergangen ist, BGHZ 1,341,342; BGHZ71, 69, 72; BGHNJW-RR 1989,195; Rosenberg/Schwab/ GottwakJ, § 39 11 2 e; Stein/JonaslLeipokJ, § 281 ZPO Rdnr. 30; BaumbachI Lauterbach/Hartmann, § 281 ZPO Rdnr. 37. 129 Rosenberg/Schwab/GottwakJ, § 39 11 2 e; nach der Ansicht von Stein/Jonas/ LeipokJ, § 281 ZPO Rdnr. 27, besteht eine Bindung nur hinsichtlich der ausdrücklich bejahten Zuständigkeitsart. Im übrigen kommt eine Weiterverweisung in Betracht. Die Rechtswegverweisung bindet das Empfangsgericht vollständig hinsichtlich der Frage der Rechtswegzuständigkeit (§ 17 a Abs. 2 Satz 3 GVG).

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§ 6 Die Rechtsfolgen der Konnexität

7. Übertragbarkeit der nationalen Lösungen auf die europäische Ebene Obwohl allgemein anerkannt ist, daß die Rechtsfolge der Konnexität in Art. 22 Abs. 2 aus den romanischen Rechtsordnungen stammt, die bei Konnexität eine Verweisung an das mit dem konnexen Verfahren befaßte Gericht vorsehen 130, werden Bedenken gegen die Übertragung dieses Mechanismus auf die zwischenstaatliche Ebene geltend gemacht. 131 Im folgenden sollen daher die Argumente gegen die Möglichkeit der Verweisung von Gerichten eines Vertragsstaates des EuGVÜ an Gerichte eines anderen Vertragsstaates auf ihre StiChhaltigkeit überprüft werden.

a) Argumente gegen die Möglichkeit einer Verweisung über die Staatsgrenzen aa) Souveränitätsverletzung Gegen die Möglichkeit einer internationalen Verweisung könnte man einwenden, daß darin ein zu weit gehender Eingriff in die Souveränität desjenigen Staates liege, an dessen Gerichte das Verfahren übertragen wird. 132 Es wird argumentiert, eine bindende Verweisung an die Gerichte eines anderen Staates verletze dessen Hoheitsrechte 133 , da jeder Staat befugt sei, selbständig zu bestimmen, für welche Prozesse er seine Gerichtsbarkeit zur Verfügung stellen wolle. Häufig wird unterstellt, eine Verweisung an ein anderes Gericht habe prinzipiell bindende Wirkung. 134 Mit der Begründung, daß eine Bindungswirkung gegenüber einem ausländischen Gericht ausscheide, wird daher die Möglichkeit einer Verweisung generell ausgeschlossen. Es ist aber eine Verweisung ohne Bindung des anderen Gerichts hinsichtlich der Zuständigkeitsbeurteilung durchaus denkbar (so im belgischen und im früheren französischen Recht). Das Souveränitätsargument vermag außerdem im Verhältnis zwischen den Vertragsstaaten des EuGVÜ nicht zu überzeugen; denn diese Staaten haben ein System direkter Zuständigkeiten geschaffen, das ihre Gerichte zur Ausübung der gewährten Zuständigkeiten im konkreten Fall verpflichtet. 135 Es besteht also im Anwendungsbereich des Übereinkommens für die beteiligten Staaten bereits keine Freiheit mehr, über die internationale Zuständigkeit ihrer Gerichte zu entscheiden. Da Art. 22 Abs. 2 die Zustän130 Siehe oben 3., 4. und 5. 131 Siehe oben 2. 132 Vgl. W. Lüke, GS Arens (1993), S. 273, 274 f. 133 So Schultz, NJ. 1983, Anm. zu Nr. 753. 134 Eine solche Gleichstellung zwischen Verweisung und Bindung des anderen Gerichts findet sich z.B. bei MünchKomm-Gottwald, Art. 22 EuGVÜ Rdnr. 5. 135 Siehe oben § 1 m 3.

11. Die Rechtsfolge der Unzuständigerklärung in Art. 22 Abs. 2

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digkeit des mit dem konnexen Verfahren befaßten Gerichts auch für die abzuweisende Klage voraussetzt, würde durch eine bindende Verweisung bei Konnexität lediglich eine bereits bestehende Zuständigkeit der Gerichte eines Vertragsstaates aktualisiert. Es kann deswegen nicht davon gesprochen werden, daß ausländischen Gerichten eine Zuständigkeit gegen ihren Willen aufgedrängt würde. Die Gerichte jedes Vertragsstaates sind auch gleichermaßen kompetent, die gemeinsamen Zuständigkeitsvorschriften anzuwenden. Daß bei der Anwendung der Zuständigkeitsvorschriften des EuGVÜ Fehler unterlaufen können, kann und muß - wie auch im nationalen Bereich - in Kauf genommen werden. Problematisch ist allerdings die Konstellation, daß die Zuständigkeit des Erstgerichts nicht auf einer Vorschrift des EuGVÜ beruht, sondern gemäß Art. 4 auf dessen autonomem Prozeßrecht. 136 Denn ein Gericht kann nicht bindend über die Auslegung von nationalen Zuständigkeitsnormen eines anderen Staates entscheiden. Dies widerspräche der Souveränität des Staates, an dessen Gerichte das Verfahren verwiesen würde. Weiterhin ist eine Bindung in bezug auf die örtliche Zuständigkeit ausgeschlossen, sofern sie sich nicht aus dem EuGVÜ, sondern aus nationalem Recht ergibt. Was die Anwendung von Zuständigkeitsnormen des EuGVÜ betrifft, bedeutet eine bindende Verweisung an die Gerichte eines anderen Vertragsstaates keine Souveränitätsverletzung. Mit diesem Argument kann die Möglichkeit einer Verweisung wegen Konnexität an das Gericht eines anderen Vertragsstaates demnach nicht ausgeschlossen werden.

bb) Verfahrenseinheit über die Grenzen Gegen eine europäische Verweisung bei Konnexität könnte eingewandt werden, daß zwischen einem inländischen und einem ausländischen Verfahren keine Verfahrenseinheit begründet werden könne, wie sie durch eine Verweisung entstünde. Merkmal einer Verweisung ist in allen untersuchten Rechtsordnungen die Fortwirkung des bisherigen Verfahrensteils im weiteren Verfahren vor dem anderen Gericht: Die ursprüngliche Klageerhebung behält ihre prozessualen und materiell-rechtlichen Wirkungen, Prozeßhandlungen sowie Beweisaufnahmen und -würdigungen gelten grundSätzlich auch für das weitere Verfahren vor dem Empfangsgericht. Ob einer Verfahrenseinheit zwischen einem ausländischen und einem inländischen Verfahren im Bereich des EuGVÜ durchgreifende Bedenken entgegenstehen, hängt davon ab, wie weit die nationalen Verfahrensrechte der 136 Auch in solchen Fällen kann Art. 22 eingreifen, siehe oben § 1

m 2.

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§ 6 Die Rechtsfolgen der Konnexität

Vertragsstaaten übereinstimmen. Vereinheitlicht ist das Zivilprozeßrecht in der EU bisher nur in einzelnen Teilbereichen, insbesondere auf dem Gebiet der internationalen Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung durch das EuGVÜ. Weite Bereiche werden nach wie vor durch die verschiedenen nationalen Prozeßrechte bestimmt. Die Prozeßordnungen der EU -Staaten sind sich zwar insgesamt recht ähnlich 137 , die trotz allem bestehenden Unterschiede 138 könnten dennoch der Weiterführung eines in einem anderen Staat begonnenen Verfahrens entgegenstehen. Das Problem der Überwindung von Unterschieden in der Verfahrensgestaltung ergibt sich in ähnlicher Weise im deutschen Recht bei der Rechtswegverweisung (§ 17 a GVG), da für die verschiedenen Rechtswege unterschiedliche Verfahrensordnungen gelten. Durch die Rechtswegverweisung kann sich das anwendbare Verfahrensrecht ändern, da sich das Verfahren vor dem Empfangsgericht nach der für dieses Gericht geltenden Verfahrensordnung richtet. 139 Das Problem, daß ein Verfahren nacheinander verschiedenen Verfahrensordnungen unterliegt, wird folgendermaßen gelöst: Durch die Verweisung wird der Rechtsstreit beim Empfangsgericht anhängig, als wäre er es dort von Anfang an gewesen; alle Formvorschriften und sonstigen Voraussetzungen gelten als erfüllt. Prozeßhandlungen sowie Beweisaufnahmen und Beweiswürdigungen können allerdings nur insoweit weiterwirken, als sie mit dem Prozeßrecht des Empfangsgerichts vereinbar sind. Sie sind dann für ihre weitere Wirkung so zu behandeln, als wären sie vor dem Empfangsgericht vorgenommen worden. 140 Im französischen und belgischen Recht können konnexe Verfahren auch dann miteinander verbunden werden, wenn sie ursprünglich bei verschiedenartigen Zivilgerichten anhängig waren 141 und somit zunächst unterschiedlichen Verfahrensordnungen unterliegen. Nach der Verbindung ist dann auf beide Verfahren das Verfahrensrecht des Empfangsgerichts anwendbar. Daß das verwiesene Verfahren erst der einen und dann einer anderen Verfahrensordnung unterliegt, wird nicht problematisiert. Die italienische Konnexitätsregel wurde im Jahre 1990 geändert, um ihre Anwendbarkeit auch auf Fälle zu erstrecken, in denen die konnexen

137 Dies gilt insbesondere für Verfahrensgrundsätze wie das Verhältnis zwischen Schriftlichkeit und Mündlichkeit und zwischen Parteimacht und Richtermacht. ebenso für Maßnahmen der Beschleunigung. 138 Größere Unterschiede bestehen insbesondere im Beweisrecht. bei der Drittbeteiligung und der Urteilstenorierung. 139 Stein/JonaslLeipold. § 281 ZPO Rdnr. 35; Kissel. § 17 GVG Rdnr. 30. 140 Kissel. § 17 GVG Rdnr. 29. 141 Siehe oben § 5 TI 2 a.

11. Die Rechtsfolge der Unzuständigerklärung in Art. 22 Abs. 2

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Verfahren verschiedenen Verfahrens arten unterliegen. 142 Früher war in solchen Fällen keine Verbindung möglich; es kam nur eine Aussetzung in Betracht, die jedoch wegen der dadurch bewirkten Verzögerung als unerwünscht angesehen wurde. 143 Die Neuregelung stellt das Interesse an der Verbindung konnexer Verfahren über die durch die unterschiedlichen Verfahrens arten entstehenden Schwierigkeiten. Ausgeschlossen ist allerdings nach wie vor eine Verfahrenseinheit zwischen Verfahren vor staatlichen Gerichten und solchen vor Schiedsgerichten, da zumindest eine gewisse Einheitlichkeit der Verfahrensstruktur vorausgesetzt wird. 144 Die Überwindung von Unterschieden in der Verfahrensgestaltung ist ebenso wie innerhalb der nationalen Rechtsordnungen - auch im Rahmen des EuGVÜ möglich. Vor der Verweisung vorgenommene Prozeßhandlungen und Verfahrensakte können im weiteren Verfahren vor dem anderen Gericht fortwirken, soweit sie mit dem nationalen Prozeßrecht des Empfangsgerichts vereinbar sind. Der Schaffung einer Einheit zwischen Verfahrensteilen, die vor Gerichten verschiedener Vertragsstaaten stattfinden, stehen keine durchgreifenden Bedenken entgegen.

cc) Prozeßkosten Ein spezieller Aspekt der Verfahrenseinheit ist die Behandlung der Kosten für die Verfahrensteile vor und nach der Verweisung. Nach deutschem Recht bilden bei der Verweisung wegen Unzuständigkeit bzw. wegen Unzulässigkeit des Rechtswegs die Kosten für das gesamte Verfahren vor beiden Gerichten eine Einheit. 145 Die Kosten des Verfahrens vor dem verweisenden Gericht werden als Teil der nach der Verweisung bei dem anderen Gericht entstehenden Kosten behandelt (§§ 17 b Abs. 2 Satz 1 GVG, 281 Abs. 3 Satz 1 ZPO). Das bedeutet, daß die bereits entstandenden Gebühren auf die vor dem anderen Gericht entstehenden angerechnet werden. 146 Gerichtsgebühren fallen nur 142 Durch das Gesetz Nr. 353/1990 wurden drei neue Absätze hinzugefügt, vgl.

Merlin, Riv. dir. proc. 1993, 1021 ff.; Tarzia, Riv. trim. dir. proc. civ. 1988,397 ff.

Nach den neuen Absätzen 3 bis 5 des Art. 40 c.p.c. hat das allgemeine Verfahren Vorrang vor besonderen, mit Ausnahme des arbeitsgerichtlichen Verfahrens. Dies gilt aber nur für die qualifizierten Konnexitätsarten gemäß Art. 31, 32, 34, 35 und 36 c.p.c. 143 Siehe oben I 4; Hauptziel der Reform des Art. 40 war die Einschränkung des Anwendungsbereichs der obligatorischen Aussetzung wegen Präjudizialität gemäß Art. 295 c.p.c., vgl. Carpi/ColesantifI'aruffo (1993), Art. 40 c.p.c. Anm. I 1. 144Vgl. CampeislDe Pauli, Nr. 57, S. 192. 145 Kissel, § 17 GVG Rdnr. 31. 146 Stein/JonaslLeipold, § 281 ZPO Rdnr. 39.

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§ 6 Die Rechtsfolgen der Konnexität

einmal an (§ 9 Abs. 1 GKG), ebenso in der Regel auch die Anwaltsgebühren (§ 14 Satz 1 BRAGO). Über die Gesamtkosten entscheidet allein das Empfangsgericht. 147 Der Kläger trägt aber in jedem Fall die durch die Anrufung des unzuständigen Gerichts entstandenen Mehrkosten (§§ 17 b Abs. 2 Satz 2 GVG, 281 Abs. 3 Satz 2 ZPO). Auch nach französischem bzw. belgischem Recht entscheidet das den renvoi wegen Konnexität erlassende Gericht nicht über die Kosten. 148 Im Verhältnis zwischen Gerichten verschiedener Staaten erscheint die Behandlung der Kosten als Problem. Grundsätzlich richtet sich die Behandlung der Verfahrenskosten im Anwendungsbereich des EuGVÜ nach dem nationalen Recht des jeweiligen Gerichtes. Würden jedoch die Kosten der Verfahrensabschnitte vor den verschiedenen Gerichten bei Verweisung wegen Konnexität getrennt behandelt, könnten sich die insgesamt anfallenden Verfahrenskosten erhöhen, obwohl der Verfahrensaufwand durch die Verbindung der konnexen Verfahren in der Regel reduziert wird. Ein solches Ergebnis wäre nicht sachgerecht. Es stellt sich daher die Frage, ob im Verhältnis zwischen Gerichten verschiedener Vertragsstaaten eine einheitliche Behandlung der Kosten wie bei einer Verweisung im innerstaatlichen Bereich möglich ist. In Betracht kommt eine entsprechende Anwendung der innerstaatlichen Vorschriften, nach denen die Verfahrensabschnitte vor und nach der Verweisung kostenrechtlich so behandelt werden, als hätte das gesamte Verfahren vor einem Gericht stattgefunden. Diesen Vorschriften liegt jedoch der Gedanke zugrunde, daß es nicht darauf ankommt, vor welchem der beteiligten Gerichte die angefallenen Kosten erhoben werden, weil die staatliche Rechtspflege eine Einheit darstellt. Dieser Gedanke läßt sich nicht ohne weiteres auf die internationale Ebene übertragen. Solange eine rechtliche Grundlage für einen finanziellen Ausgleich zwischen den beteiligten Staaten fehlt, läßt sich daher eine eventuelle Kumulation der Gerichtskosten infolge der Verweisung nicht vermeiden. Hinsichtlich der Anwaltskosten scheitert eine einheitliche Behandlung zumeist daran, daß nach der Verweisung ein anderer Anwalt beauftragt werden muß. Zwar stellt die einheitliche Behandlung der Kosten einen wesentlichen Vorteil der Verweisung dar. Die zur Zeit bestehende Unmöglichkeit, die Verfahrenseinheit auch kostenrechtlich zu verwirklichen, ist dennoch kein Grund, die Verweisungsmöglichkeit als solche auszuschließen; denn die Kosteneinheit ist nicht notwendig mit der durch die Verweis~ng bewirkten Verfahrenseinheit verbunden. Die Schaffung einer Regelung zur einheitlichen Behandlung der Verfahrenskosten wäre allerdings wünschenswert. 147 Stein/JonaslLeipold, § 281 ZPO Rdnr. 39; Kissel, § 17 GVG Rdnr. 3l. 148 Vgl. J.P. Dison 13.02.1970, Jur. Liege, 1970-71,79.

11. Die Rechtsfolge der Unzuständigerklärung in Art. 22 Abs. 2

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dd) Eingriff in die Prozeßleitungsbefugnis eines fremden Gerichts Die Zusammenfassung mehrerer vor demselben Gericht anhängiger Klagen zu einem Verfahren ist nach den Rechtsordnungen der Vertragsstaaten eine Maßnahme der Prozeßleitung und steht in der Regel im Ermessen des jeweiligen Gerichts. Eine Verweisung über die Grenze mit unmittelbarer Verbindungswirkung könnte daher einen Verstoß gegen die Prozeßleitungsbefugnis des fremden Gerichts bedeuten. Jedoch ist eine gemeinsame Verhandlung der Klagen in der Regel zweckmäßig, wenn Konnexität i.S.d. Art. 22 Abs. 3 vorliegt. Erscheint es dem Empfangsgericht dennoch sinnvoller, die Klagen einzeln zu verhandeln, oder ergibt sich später eine solche Beurteilung aus veränderten Umständen, so kann jederzeit die Trennung der Verfahren nach nationalem Prozeßrecht angeordnet werden (vgl. § 145 Abs. 1 ZPO, Art. 367 Abs. 2 NCPC). Es liegt daher kein Eingriff in die Prozeßleitungsbefugnis des Empfangsgerichts vor.

ee) Praktische Schwierigkeiten Verzögerungen und Fehler können sich bei Verweisungen über die Grenze aufgrund einer großen räumlichen Entfernung zwischen den beteiligten Gerichten, aufgrund von Sprachschwierigkeiten und wegen mangelnden Verständnisses der ausländischen Verfahrenstechnik ergeben. Die Prozeßakten müssen per Post an das mit dem konnexen Verfahren befaßte Gericht übersandt werden. Alle Prozeßunterlagen des verwiesenen Verfahrens müssen in die Sprache des Empfangsgerichts übersetzt werden. Soll ein Verfahren von dem Stand aus fortgesetzt werden, den es in einem anderen Staat erreicht hat, muß das Empfangsgericht zunächst die bisherige Verfahrensführung des anderen Gerichts nachvollziehen. Die daraus resultierenden Schwierigkeiten sind jedoch zu bewältigen und können durch die Vorteile der gemeinsamen Verhandlung der konnexen Klagen aufgewogen werden. 149

ff) Zwischenergebnis Es bestehen folglich keine durchgreifenden Bedenken gegen die Möglichkeit einer Verweisung bei Konnexität im Rahmen des EuGVÜ. Eine Verweisung muß aber unter Berücksichtigung der beteiligten öffentlichen und privaten Interessen auch geboten erscheinen.

149 Dazu sogleich unter b.

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§ 6 Die Rechtsfolgen der Konnexität

b) Interessen an einer Verweisung wegen Konnexität aa) Interessen an direkter Transferierung des Verfahrens Eine Verfahrenstransferierung erspart dem Kläger eine erneute Klageerhebung und erhält ihm die Wirkungen der Rechtshängigkeit. Kraft Verweisung wahrt die ursprüngliche Klage auch weiterhin die Klagefrist und unterbricht die Verjährung. Dies ist von großer Bedeutung für den Schutz der Interessen des Klägers, der bei bloßer Klageabweisung Gefahr läuft, die Möglichkeit zur Rechtsdurchsetzung zu verlieren. Da die Verweisung somit im Interesse des Klägers liegt, könnte hierfür ein besonderer Antrag erforderlich sein. Für die Anwendbarkeit des Art. 22 Abs. 2 ist bereits ein Antrag einer der Parteien erforderlich (ansonsten kann nur eine Aussetzung gemäß Abs. 1 erfolgen), der allerdings in der Regel vom Beklagten gestellt wird und nicht vom Kläger. 150 Ein zusätzlicher Antrag des Klägers auf Verweisung statt bloßer Abweisung der Klage - wie er etwa in § 281 ZPO vorausgesetzt wird - ist jedoch nicht zu verlangen, da die Verfahrenstransferierung ganz wesentlich auch im öffentlichen Interesse steht. Wenn die Klage nicht einfach abgewiesen, sondern an das mit dem konnexen Verfahren befaßte Gericht direkt übertragen wird, muß das Verfahren nicht wieder von vom begonnen werden. Die Erhaltung der Wirkungen bisheriger Verfahrensakte hat im Fall der Konnexität besonders große Bedeutung, da der Prozeß bis zur Entscheidung über die Konnexität schon weiter fortgeschritten sein kann, als bei Unzuständigkeit. Es ist nämlich durchaus denkbar, daß sich der Sachzusammenhang mit einer anderen Klage erst im Laufe des Verfahrens herausstellt. Eine bloße Klageabweisung liefe dann dem Grundsatz der Prozeßökonomie zuwider, da sie dazu führte, daß die bisherige Tätigkeit des abweisenden Gerichts umsonst gewesen wäre. Die Fortwirkung des Verfahrensabschnitts bis zur Entscheidung über die Konnexitätseinrede im weiterem Verfahren vor dem anderen Gericht ist also von erheblicher Bedeutung für eine effektive Ausgestaltung der Konnexitätsregel.

bb) Interessen an Verbindungswirkung Vollständig erreicht wird der Zweck der Konnexitätsregel nur dann, wenn nicht nur beide Klagen vor demselben Gericht, sondern dort auch gemeinsam verhandelt und entschieden werden. Andernfalls kann zwar das Ziel der Vermeidung widersprechender Entscheidungen weitgehend verwirklicht werden, nicht jedoch auch das der Einsparung von Verfahrensaufwand. Ob eine 150 Siehe oben § 5 IV I a.

11. Die Rechtsfolge der Unzuständigerklärung in Art. 22 Abs. 2

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Zusammenfassung zu gemeinsamer Verhandlung erfolgt, sollte nicht von der Existenz entsprechender Möglichkeiten im jeweiligen nationalen Recht des Empfangsgerichts und von erneuten Zweckmäßigkeitserwägungen des Erstrichters abhängig sein. Es spricht somit viel dafür, einer Verweisung an das mit dem konnexen Verfahren befaßte Gericht auch unmittelbar Verbindungswirkung zukommen zu lassen.

cc) Interessen an bindender Wirkung der Verweisung Für den Kläger können sich erhebliche Nachteile aus einer fehlenden Bindungswirkung ergeben. Wenn die vom Zweitgericht gemäß Art. 22 Abs. 2 abgewiesene Klage auch vom Erstgericht abgewiesen wird, und zwar wegen internationaler Unzuständigkeit, ist eine erneute Klageerhebung vor dem Zweitgericht nötig. Hat das Erstgericht seine internationale Zuständigkeit für die Klage abgelehnt, so ist eine Klage vor dem Zweitgericht grundsätzlich wieder zulässig, weil die Rechtskraftwirkung der gemäß Art. 22 Abs. 2 erfolgten Unzuständigerklärung aufgrund der geänderten Umstände nicht mehr durchgreift. 151 Jedoch kann inzwischen schon die Klagefrist abgelaufen bzw. Verjährung eingetreten sein. Es besteht nämlich keine Einigkeit darüber, ob die ursprüngliche Klageerhebung trotz der Abweisung die Fristen wahrt. 152 Dasselbe Problem stellt sich auch bei der Rechtshängigkeitsregel; um die daraus resultierende Gefahr negativer Kompetenzkonflikte zu vermeiden, wurde Art. 21 dahingehend geändert, daß eine Abweisung der Klage erst erfolgt, wenn die Zuständigkeit des anderen Gerichts feststeht. 153 Zwar ist bei Art. 22 die Gefahr negativer Kompetenzkonflikte geringer als bei Art. 21, da die Zuständigkeit des Erstgerichts auch für die zweite Klage Voraussetzung für die Unzuständigerklärung ist und somit ein negativer Kompetenzkonflikt lediglich bei Fehlbeurteilung dieser Zuständigkeit durch das Zweitgericht entstehen kann. Jedoch können nur durch eine bindende Entscheidung über die Zuständigkeit des mit dem konnexen Verfahren befaßten Gerichts auch für die andere Klage negative Kompetenzkonflikte sicher vermieden werden. 154 151 Vgl. W. Lüke, GS Arens (1993), S. 273, 282 f. bzgl. Art. 21; kritisch zu einer solchen Beurteilung Milleker, S. 58. 152 So bzgl. Art. 21: Observations et propositions de la delegation suisse, in: Materialen zum Lugano-Übereinkommen, S. 26. Im deutschen Recht ist umstritten, ob die Verjährung durch Klageerhebung vor einem international unzuständigen Gericht unterbrochen wird, vgl. W. Lüke, GS Arens (1993), S. 273, 275. 153 Jenard/Möller-Bericht, ABI. EG Nr. C 189 vom 28.07.1990, S.57 ff., Rdnr. 64; Botschaft des Schweiz. Bundesrates, BBI. 1990, 11, 1, S. 265, 315 (Nr. 229.1); Droz, Rev. crit. 1989, 1,31 f. 154 So auch Geimer/Schütze 1/1, § 44 11 2 g. 13 Lüpfert

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§ 6 Die Rechtsfolgen der Konnexität

Bindet die Entscheidung gemäß Art. 22 Abs. 2 das Erstgericht nicht, kommt weiterhin in Betracht, daß es seine örtliche Zuständigkeit l55 für das Zweitverfahren verneint und das Verfahren an ein anderes Gericht desselben Staates abgibt. Diese Möglichkeit besteht insbesondere in den Vertragsstaaten, die keine aIlgemeine Zuständigkeit des Sachzusammenhangs kennen. Es entsteht dann zwar kein negativer Kompetenzkonflikt, das Ziel der gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung beider Klage durch dasselbe Gericht wird aber nicht erreicht. Immerhin werden die konnexen Klagen dann in demselben Vertragsstaat entschieden, was wegen der Anwendung desselben IPR eine einheitlichere Behandlung gewährleistet als eine Entscheidung in verschiedenen Staaten. 156 Eine Bindung hinsichtlich der örtlichen Zuständigkeit des Erstgerichts ist daher zur Erreichung der Ziele der Konnexitätsregel nicht zwingend erforderlich.

8. Verweisungslösung de conventione lata Die bisherigen Untersuchungen haben ergeben, daß einer Verweisung bei Konnexität im Rahmen des EuGVÜ keine durchgreifenden Bedenken grundsätzlicher Art entgegenstehen und eine solche Rechtsfolge unter Berücksichtigung privater und öffentlicher Interessen zweckmäßig ist. Es steIlt sich jedoch die weitere Frage, ob die geltende Fassung des Art. 22 Abs. 2 eine solche Regelung enthält oder ob das Ziel einer Verweisung über die Grenzen der Vertragsstaaten nur durch eine Änderung der Konnexitätsregel erreicht werden kann. Zwar wird nahezu einhellig festgesteIlt, eine Verweisung komme wie allgemein im Rahmen des EuGVÜ auch als Rechtsfolge der Konnexität nicht in Betracht. 157 Für das Verständnis als Verweisung mit Verbindungswirkung können jedoch Argumente aus dem Wortlaut und der Entstehungsgeschichte wie auch rechtsvergleichende Gesichtspunkte angeführt werden.

a) Wortlaut des Art. 22 Abs. 2 Die Formulierung der Rechtsfolge in Art. 22 Abs. 2 deutet eher darauf hin, sie als bloße Klageabweisung zu verstehen. Jedoch sprechen (neben dem 155 Die Unzuständigerklärung gemäß Art. 22 Abs. 2 setzt die internationale Zuständigkeit des Erstgerichts für das zweite Verfahren voraus, nicht auch die örtliche Zuständigkeit, siehe oben § 5 IV 2. 156 So auch Kaye, S. 1241; Kropholler, Hdb. IZVR I, Kap. III Rdnr. 135: Die Gefahr widersprechender Gerichtsentscheidungen ist eher in verschiedenen Jurisdiktionsbezirken gegeben als innerhalb derselben staatlichen Gerichtsorganisation. 157 Siehe oben 2.

11. Die Rechtsfolge der Unzuständigerklärung in Art. 22 Abs. 2

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Wortlaut der niederländischen Fassung l58 ) die zusätzlichen Voraussetzungen der "Unzuständigerklärung" für eine direkte Verweisung. Daraus, daß die Zuständigkeit des Erstgerichts auch für das Zweitverfahren vorausgesetzt wird, ergibt sich nichts Entscheidendes für den Inhalt der Rechtsfolge. 159 Aufschlußreich ist dagegen, daß die Unzuständigerklärung von der Möglichkeit einer Verbindung zusammenhängender Klagen im nationalen Recht des zweiten Gerichts abhängig gemacht wird. 160 Stellte die Rechtsfolge eine bloße Klageabweisung wegen Unzuständigkeit dar und müßte der Kläger des Zweitprozesses diesen somit erneut beim Erstgericht anhängig machen, so wäre, um das Ziel der gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung der konnexen Klagen zu erreichen, eine Verbindungsmöglichkeit nach dem Recht des Erstgerichts nötig. Wenn der einschränkenden Voraussetzung, die die Anwendbarkeit des Art. 22 Abs. 2 von entsprechenden Möglichkeiten im nationalen Recht abhängig macht, überhaupt ein Sinn zukommen kann 161 , dann nur bei einem Verständnis der Rechtsfolge als Verweisung des Rechtsstreits an das andere Gericht, durch die das Zweitgericht die Verbindung der konnexen Verfahren unmittelbar herstellt. Auch die zusätzliche Voraussetzung der Anhängigkeit beider Verfahren im ersten Rechtszug ist nur dann verständlich, wenn die Konnexität die Verweisung des Verfahrens ermöglicht. Andernfalls kann es nämlich zu einem Instanzverlust, den diese Einschränkung gerade verhindern soll, auch bei Anhängigkeit der konnexen Verfahren in verschiedenen Instanzen gar nicht kommen. 162 Die abgewiesene Klage müßte neu erhoben werden und begönne somit immer in erster Instanz. Der Wortlaut des Art. 22 Abs. 2 spricht demnach insgesamt für eine Auslegung der Rechtsfolge als Verweisung des Verfahrens an das mit dem konnexen Verfahren befaßte Gericht.

b) lenard-Bericht Ein Anhaltspunkt für das Verständnis der Rechtsfolge in Art. 22 Abs. 2 als Verweisung mit Verbindungswirkung ergibt sich auch aus dem lenardBericht. Dieser enthält die Feststellung, daß die Frage, wie die Verbindung der zusammenhängenden Klagen vor sich zu gehen habe, dem Recht der ein158 Siehe oben I. 159 Siehe oben I.

160 Vgl. oben § 5 IV 3. 161 Zu den grundSätzlichen Zweifeln daran vgl. oben § 5 IV 3 b bb. 162 So auch Bülow, RabelsZ 38 (1974), 262, 268 f; siehe oben § 5 12 b. 13*

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§ 6 Die Rechtsfolgen der Konnexität

zeInen Vertragsstaaten überlassen bleibe. 163 Kennt ein nationales Recht die Verweisung eines Verfahrens an das mit einem konnexen Verfahren befaßte Gericht nicht, ist die Regelung für die Gerichte dieses Staates nicht anwendbar. Der lenard-Bericht geht demnach davon aus, daß Art. 22 Abs. 2 eine Verfahrensverbindung bewirken soll, ohne jedoch festzulegen, auf welchem Weg das im einzelnen zu geschehen hat.

c) Materialen zum Lugano-Übereinkommen Anhaltspunkte für die Bedeutung der Rechtsfolge in Art. 22 Abs. 2 könnten sich noch aus den Materialien zum Übereinkommen von Lugano von 1988 164 ergeben. Dieses Übereinkommen stellt ein Parallelabkommen zum EuGVÜ dar. Bei dessen Erarbeitung verfuhr man nach dem Grundsatz, die Regelungen des EuGVÜ so weit wie möglich unverändert zu übemehmen. 165 Gegenstand der Diskussion waren daher nur die Vorschriften, gegen deren Übernahme einzelne Verhandlungspartner Bedenken vorbrachten oder die eindeutig einer Anpassung bedurften. Zu den diskutierten Vorschriften gehörte insbesondere Art. 21, dessen durch das Lugano-Übereinkommen modifizierte Fassung auch in das EuGVÜ 1989 eingegangen ist. Dagegen ist die Konnexitätsregel aus Art. 22 unverändert in das Luganer Übereinkommen übernommen worden. Soweit ersichtlich, ist die Problematik der Verweisung bei Konnexität in den Verhandlungen nicht zur Sprache gekommen. 166 So wird z.B. in der Botschaft des Schweizerischen Bundesrates lediglich der Inhalt des Art. 22 umschrieben, ohne die Bedeutung der Rechtsfolge zu problematisieren. Es wird neutral formuliert, Art. 22 eröffne einen formellen Weg zur Koordination der beiden Prozesse; "Zulässigkeit, Voraussetzungen und allenfalls auch Pflicht zum Zusammenlegen der beiden Verfahren" sei hingegen Sache der einzelstaatlichen Prozeßgesetze. 167 Daraus ergibt sich, daß Art. 22 LugÜbk nach schweizerischer Auffassung jedenfalls grundsätzlich die Möglichkeit für eine Verbindung konnexer Verfahren im Rahmen des Übereinkommens schafft. Was dies jedoch genau bedeutet, bleibt im Dunkeln. 163 lenard-Bericht zu Art. 22 EuGVÜ. 164 Vgl. dazu oben § 1 I. 165 Groupe conjointe CEE-AELE "Exequatur", 1. seance, 08.109.10.1985, in: Materialien zum Lugano-Übereinkommen, S. 10; Botschaft des Schweiz. Bundesrates, BBI. 1990, 11, 1, S. 265, 273 (Nr. 132.2). 166Vgl. Droz, Rev. crit. 1989,1 ff.; Urlesberger, Juristische Blätter 1988, 223 ff.; Bariatti, Riv. dir. int. priv. proc. 1989,529 ff. 167 Botschaft des Schweiz. Bundesrates, BBI. 1990,11,1, S. 265, 316 (Nr. 229.2).

ll. Die Rechtsfo1ge der Unzuständigerk1ärung in Art. 22 Abs. 2

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Somit kann nicht geklärt werden, ob die EFT A-Staaten von einem Verständnis des Art. 22 Abs. 2 als bloße Klageabweisung oder als Verweisung mit Verbindungswirkung ausgegangen sind.

d) Systematische Auslegung Aus systematischer Sicht läßt sich gegen das Verständnis des Art. 22 Abs. 2 als Verweisungsmöglichkeit anführen, daß das EuGVÜ eine Verweisung von einem Gericht an ein anderes bei (internationaler) Unzuständigkeit nicht kennt. 168 Dies spricht dafür, daß es eine europäische Verweisung auch bei Konnexität zur Zeit nicht gibt. Dieser Schluß ist jedoch keineswegs zwingend; denn zwischen den jeweiligen prozessualen Situationen besteht ein wesentlicher Unterschied: Im Fall der Konnexität ist ein anderes Gericht bereits mit dem in Zusammenhang stehenden Verfahren befaßt. Durch die Übertragung des Verfahrens wird lediglich der Umfang des anhängigen Streits erweitert. Demgegenüber wäre bei Unzuständigkeit ein anderes Gericht völlig neu mit der Streitsache zu befassen. Das Argument greift daher nicht durch.

e) Rechtsvergleichung aa) Schlußfolgerungen aus der Untersuchung der Rechtsfolgen der Konnexität in den nationalen Rechtsordnungen Die Konnexitätsregeln in den romanischen Rechtsordnungen ermöglichen alle eine Transferierung des einen Verfahrens an das mit dem anderen befaßte Gericht unter Wahrung der bisherigen Prozeßwirkungen. Unterschiede bestehen lediglich in der technischen Ausgestaltung. Im Gegensatz zum belgisehen und zum heutigen französischen Recht wird im italienischen Recht (ebenso bis 1975 in Frankreich) für die Weiterführung des Verfahrens vor dem anderen Gericht eine Parteihandlung vorausgesetzt. Im spanischen Recht wird die Verbindung konnexer Verfahren nicht vom abgebenden Gericht, sondern vom Empfangsgericht angeordnet. Das deutsche Recht kennt eine den anderen Rechtsordnungen entsprechende Verfahrenstransferierung zwar nicht bei Konnexität, jedoch als Rechtsfolge der Unzuständigkeit. Daß in den nationalen Rechtsordnungen eine Verfahrenstransferierung bei Konnexität weit verbreitet ist und dies (insbesondere im französischen Recht) auch nicht auf den innerstaatlichen Bereich beschränkt bleibt, spricht dafür, 168 So etwa OLG Köln RIW 1988,555,558; Schütze, RIW 1995, 630, 631.

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§ 6 Die Rechtsfolgen der Konnexität

daß auch bei Schaffung der Regelung in Art. 22 Abs. 2 nicht eine einfache Klageabweisung, sondern eine Verweisung an das andere Gericht ermöglicht werden sollte. Davon gehen implizit auch die Autoren aus, die annehmen, daß bei Unzuständigerklärung eines erstinstanzlichen zugunsten eines zweitinstanzlichen Gerichts gemäß Art. 22 Abs. 2 eine Instanz verlorenginge. 169

bb) Handhabung des Art. 22 Abs. 2 durch die vertrags staatlichen Gerichte In der europäischen Gerichtspraxis hat Art. 22 Abs. 2 bisher kaum eine Rolle gespielt. Bei Vorliegen von Konnexität zwischen Klagen in verschiedenen Vertragsstaaten wurde in den meisten Entscheidungen der nationalen Gerichte gar nicht näher auf die Möglichkeit der Unzuständigerklärung eingegangen, sondern nur auf die der Aussetzung des Verfahrens gemäß Abs. 1. 170 Aus der spärlichen Rechtsprechung zu Art. 22 Abs. 2 können kaum Schlüsse auf die Bedeutung der Rechtsfolge gezogen werden. Bislang ist Art. 22 Abs. 2 vor allem von niederländischen Gerichten angewandt worden, die teilweise ausdrücklich eine "Verweisung" an das ausländische Gericht ausgesprochen haben. So hat die Arrondissementsrechtbank Rotterdam ein bei ihr anhängiges Verfahren in dem Stand, in dem es sich befand, zur Verbindung mit einem konnexen Verfahren an das Schiffahrtsgericht Duisburg verwiesen. 171 Hieran wurde jedoch in der niederländischen Literatur Kritik geübt: Eine Verweisung an einen ausländischen Richter sei nicht möglich, da der niederländische Richter jenen nicht binden könne. In Der niederländische Wortlaut ("ook tot verwijzing overgaan") sei im Gegensatz zu dem anderer Sprachen insofern irreführend. Unklar ist, ob die niederländische Fassung so zu verstehen ist, daß das Verfahren an das andere Gericht verwiesen wird 173 oder aber die Parteien dorthin verwiesen wer-

169 So Droz, Nr. 325; Beraudo, J.-cl. proc. civ., Fasc. 52-4 Nr.28; GaudemetTalion, Les conventions, N r. 301; Alexandre, Enc. Dalloz proc., v 0 Convention de Bruxelles, Competence, Nr. 330; siehe oben § 5 12 b. 170 Dies hatte Droz bereits früh vorausgesagt, Nr. 328: "Sur le plan pratique, il est possible que certaines resistances se manifestent, au debut de la vie de la Convention du moins, et que les tribunaux evitent de se dessaisir en cas de connexite. Il est probable que ce sera plutöt le sursis a statuer qui se generalisera. " 171 Arrondissementsrechtbank Rotterdam 23.07.1982, N.J. 1983, Nr. 753: "Verwijst de procedure in de hoofdzaak en in het incident tot voeging in de stand, waarin deze zich bevindt, naar het Schiffahrtgericht te Duisburg-Ruhrort. " In Schultz, N.J. 1983, Anm. zu Nr. 753. 173 So die eben erwähnte Entscheidung der Arrondissementsrechtbank Rotterdam 23.07.1983.

II. Die Rechtsfolge der Unzuständigerklärung in Art. 22 Abs. 2

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den 174 . Letzteres käme einer bloßen Abweisung der Klage gleich. In einem Fall wurde die Sache an ein französisches Gericht gemäß Art. 22 Abs. 2 verwiesen und gleichzeitig das niederländische Verfahren ausgesetzt, um es gegebenenfalls fortzusetzen, falls das andere Gericht das Verfahren nicht annehmen sollte .175 Mit dem Wortlaut des Art. 22, der entweder eine Ausset zung oder eine Verweisung ermöglicht, ist diese Entscheidung allerdings nicht ohne weiteres in Einklang zu bringen. Gemeint sein könnte eine Verweisung an das andere Gericht unter der (aufschiebenden) Bedingung der Annahme des Verfahrens durch dieses. Negative Kompetenzkonflikte, die aufgrund des Art. 22 Abs. 2 entstehen können, falls keine Bindung an die Zuständigkeitsbeurteilung besteht, würden auf diese Weise sicher vermieden. Eine solche Handhabung des Art. 22 Abs. 2 entspräche der Neufassung des Art. 21 von 1989, nach der bei Rechtshängigkeit das zweite Verfahren zunächst ausgesetzt wird, bis die Zuständigkeit des Erstgerichts feststeht. Die geltende Fassung des Art. 22 läßt meines Erachtens eine solche Deutung nicht zu. 176 Die bisher wohl einzige 177 Anwendung von Art. 22 Abs. 2 durchfranzösische Gerichte stammt von der Cour d' appel de Douai und wurde von der

Cour de cassation bestätigt 178 . Die Cour d'appel erklärte sich zugunsten des mit einem konnexen Verfahren befaßten niederländischen Gerichts für unzuständig. Aus der Entscheidung wird aber nicht deutlich, welche Wirkung das "dessaisissement en faveur d'une juridiction d'un autre Etat contractant" haben sollte, ob es eine bloße Unzuständigerklärung oder eine Übertragung des Verfahrens an das andere Gericht darstellte.

Aus der Handhabung des Art. 22 Abs. 2 in der bisherigen Praxis der vertragsstaatlichen Gerichte läßt sich somit keine klare Linie erkennen. Die sehr seltene Anwendung des Art. 22 Abs. 2 kann u.a. dadurch bedingt sein, daß große Unsicherheit über dessen Bedeutung vorherrscht und den Gerichten eine Anwendung ohne nationale Ausführungsbestimmungen schwerfällt. 174 So Verheul, NILR 1987, 99, 109, in bezug auf Art. 21 und 22; Gerechtshoj 's-Gravenhage 28.11.1984, Nachschlagewerk D-I 21 - B 9: In 1. Instanz hatte die Rb. Rotterdam die Parteien an das belgische Gericht verwiesen, dies geschah aber aufgrund von Art. 21, der - anders als Art. 22 Abs. 2 - so formuliert ist ("de partijen verwijzen naar het gerecht ... "). Der Gerechtshof hob die Entscheidung auf, da nicht Art. 21, sondern Art. 22 einschlägig sei. Eine Verweisung gemäß Art. 22 Abs. 2 wurde mit der Begründung abgelehnt, es bestünde keine Gefahr widersprechender Entscheidungen. 175 Arrondissementsrechtbank 's-Gravenhage 01.02.1985, Nachschlagewerk D 1-22 -B 8. 176 Dafür jedoch Di Blase, Nr. 43, S. 200. 177 So auch Huet, Clunet 1994,171. 178 Cass. (jr.) 27.10.1992, D. 1992, info rap. 262.

200

§ 6 Die Rechtsfolgen der Konnexität

f) Zwischenergebnis

Aus den bisherigen Untersuchungen ergibt sich, daß Art. 22 Abs. 2 die Möglichkeit eröffnet, das Verfahren an ein Gericht eines anderen Vertragsstaates zu verweisen. Die Vorschrift bestimmt jedoch nicht näher, wie dies technisch zu bewältigen ist, sondern überläßt dies dem jeweiligen nationalen Recht des darüber entscheidenden Gerichts.

9. Bindungswirkung der Verweisung de conventione lata Das Ergebnis, daß Art. 22 Abs. 2 eine Verweisung des zweiten Verfahrens an das zuerst mit dem konnexen Verfahren befaßte Gericht ermöglicht, führt nicht automatisch dazu, auch eine Bindungswirkung anzunehmen. 179 Es ist daher zu erörtern, ob das zuerst angerufene Gericht an die im Rahmen des Art. 22 Abs. 2 durch das Zweitgericht erfolgende Beurteilung seiner Zuständigkeit für das Zweitverfahren gebunden ist. Grundsätzliche Bedenken stehen der Möglichkeit einer bindenden Entscheidung über die Zuständigkeit der Gerichte eines anderen Vertragsstaates, soweit sich diese aus Vorschriften des EuGVÜ ergibt, nicht entgegen. 180 Eine solche Bindungswirkung ist auch wünschenswert, da nur durch sie negative Kompetenzkonflikte zuverlässig verhindert werden. 181 Es fragt sich jedoch, ob schon de conventione lata von einer Bindungswirkung hinsichtlich der Zuständigkeit des Erstgerichts für das zweite Verfahren ausgegangen werden kann. In Betracht kommt zum einen eine Rechtskraftwirkung und zum anderen eine Bindungswirkung sui generis. Über die Rechtskraftwirkung von Prozeßurteilen über die internationale Zuständigkeit im Rahmen des EuGVÜ besteht keine Einigkeit. 182 Zutreffend erscheint, eine Bindung nur insoweit anzunehmen, als das Gericht negativ über die eigene Zuständigkeit entscheidet, nicht jedoch auch in bezug auf die Beurteilung der Zuständigkeit der Gerichte eines anderen Staates. 183 Die Unzuständigerklärung gemäß Art. 22 Abs. 2 unterscheidet sich allerdings 179 Vgl. z.B. das französische Recht vor 1972 und das heutige belgisehe Recht. 180 Siehe oben 7 a aa. 181 Siehe oben 7 b ce. 182 Gegen die Anerkennungsfahigkeit bzw. -ptlichtigkeit von Prozeßabweisungen

GeimerlSchütze 111, § 107 IX; Geimer, RIW 1976, 139, 143; BülowlBöckstiegel/ Linke I, S. 606.198. Dafür Kropholler, EZPR, vor Art. 26 Rdnr. 13; Martiny, Hdb. IZVR III12, Kap. II Rdnr. 47. 183 Geimer, FS Kralik (1986), S. 179, 183; Martiny, Hdb. IZVR III/2, Kap. 11 Rdnr. 47; Schlosser-Bericht, Nr. 191. W. Lüke, GS Arens (1993), S. 273, 286, bejaht eine Rechtskraftwirkung von Prozeßabweisungen bzgl. Übereinkommensfragen, soweit die entschiedene prozessuale Frage entscheidungserheblich ist.

ll. Die Rechtsfolge der Unzuständigerklärung in Art. 22 Abs. 2

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insofern von Zuständigkeitsentscheidungen im eigentlichen Sinne, als sie die Zuständigkeit des anderen Gerichts zur Voraussetzung hat. Gegenstand der Entscheidung ist dennoch lediglich die Erklärung der Unzuständigkeit des entscheidenden Gerichts. Die Rechtskraft erstreckt sich nicht ohne weiteres auf die - nur als Vorfrage zu beurteilende - Zuständigkeit des mit dem konnexen Verfahren befaßten Gerichts. Möglich wäre, daß Art. 22 Abs. 2 eine Bindungswirkung sui generis enthielte. 184 Gegen die Auslegung des Art. 22 Abs. 2 als bindende Verweisung spricht jedoch, daß in den für die Auslegung der Norm relevanten nationalen Rechtsordnungen eine Bindungswirkung mit der Verweisung jedenfalls nicht standardmäßig verbunden ist. In diesen Rechtsordnungen kommt der Verweisung wegen Konnexität zwar überwiegend eine das Empfangsgericht bindende Wirkung zu. In Frankreich und Italien bindet die Verweisung wegen Konnexität das Empfangsgericht nach ausdrücklicher gesetzlicher Regelung. 185 Dagegen entfaltet in Belgien die Verweisung wegen Konnexität prinzipiell keine bindende Wirkung I 86, was zum Zeitpunkt der Entstehung des EuGVÜ auch in Frankreich noch nicht der Fall war. 187 Bei den nationalen Verweisungsregelungen wird eine Bindungswirkung bzgl. der Zuständigkeit des Empfangsgerichts regelmäßig nur im Falle ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung einer solchen angenommen. Da eine Bindung des Erstgerichts an die Zuständigkeitsbeurteilung durch das Zweitgericht in Art. 22 Abs. 2 nicht ausdrücklich vorgeschrieben ist, kann im Verhältnis zwischen Gerichten verschiedener Vertragsstaaten erst recht keine Bindungswirkung bejaht werden.

De conventione [ata scheidet daher eine bindende Wirkung der Verweisung wegen Konnexität aus. Entsteht dadurch ein negativer Kompetenzkonflikt, muß dem Kläger, wenn andernfalls eine Rechtsschutzverweigerung drohte, mit einer sog. Notzuständigkeit geholfen werden. 10. Zusammenfassung Zusammenfassend kann festgestellt werden, daß die "Unzuständigerklärung" in Art. 22 Abs. 2 als Verweisung an das mit dem konnexen Verfahren befaßte Gericht im Sinne einer Transferierung des Verfahrens zu verstehen ist, bei der die Wirkungen der ursprünglichen Klageerhebung und - soweit möglich - der bisherigen Prozeßhandlungen erhalten bleiben. Die Wirkungen 184 Zu einer solchen Wirkung der Unzuständigerklärung im Rahmen des EuGVÜ in besonderen Fällen Geimer/Schütze 1/1, § 107 IX. 185 Siehe oben 3 c bb und 4 a. 186 Siehe oben 3 d. 187 Siehe oben 3 c bb.

202

§ 6 Die Rechtsfolgen der Konnexität

der bis zur Verweisung vorgenommenen Verfahrensakte richten sich im weiteren Verfahren vor dem Erstgericht aber nach dem Verfahrensrecht des Empfangsgerichts. Nach diesem Recht bestimmt sich auch, ob für die Fortführung des Verfahrens vor dem Empfangsgericht eine Parteihandlung erforderlich ist (z.B. Aufnahme des Verfahrens nach italienischem Recht l88 , Antrag auf Terminsbestimmung nach belgischem Recht I89). Dagegen ist das nationale Recht des Zweitgerichts dafür heranzuziehen, wie die Abgabe des Verfahrens technisch vor sich gehen soll. Sinnvoll wäre die Schaffung von Ausführungsbestimmungen in den einzelnen Vertragsstaaten, die insbesondere die direkte Übermittlung der Akten durch das verweisende Gericht an das mit dem konnexen Verfahren befaßte vorsehen, soweit dies nicht schon aufgrund bestehender nationaler Normen möglich ist. Die Verweisung gemäß Art. 22 Abs.2 hat Verbindungswirkung, d.h. sie bewirkt unmittelbar die Zusammenführung der beiden konnexen Verfahren vor dem Erstgericht zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung. Dieses Gericht kann die Verfahren jedoch nach Maßgabe seines eigenen Prozeßrechts unter Umständen wieder trennen. Das Erstgericht ist allerdings nach der geltenden Fassung des Art. 22 Abs. 2 nicht an die Beurteilung seiner Zuständigkeit durch das Zweitgericht gebunden, sondern beurteilt seine Zuständigkeit für das zweite Verfahren selbständig. Folglich ist nicht ausgeschlossen, daß die Klage vom Empfangsgericht wegen internationaler Unzuständigkeit abgewiesen wird und erneut vor dem Zweitgericht erhoben werden müßte. Diese Situation gefci.hrdet die Rechte des Klägers und widerspricht dem Grundsatz der Prozeßökonomie. l90 Es bleibt daher zu hoffen, daß der Verweisung gemäß Art. 22 Abs. 2 durch eine Änderung des Übereinkommens bindende Wirkung verliehen wird.

188 Siehe oben 4 a. 189 Siehe oben 3 d.

190 Daher ist Geimer, in: GeimerlSchütze 1/1, § 44 11 2 g, der Ansicht, man hätte entweder einen Schritt weitergehen und eine bindende Verweisung von Vertragsstaat zu Vertragsstaat zulassen oder auf eine Prozeßabweisungsbefugnis verzichten müssen.

§ 7 Die Ennessensentscheidung über die Rechtsfolgen

Im Gegensatz zur Situation bei der Rechtshängigkeitsregel in Art. 21 bleibt den Gerichten bei Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 22 ein Spielraum hinsichtlich der Wahl der Rechtsfolgen im konkreten Fall. Die daraus resultierende Schwäche der Konnexitätsregel prägt nicht nur die Handhabung der Norm, sondern auch die theoretische Auseinandersetzung damit. Angesichts der uneinheitlichen Rechtsprechung der vertragsstaatlichen Gerichte zu Art. 22 erscheint es notwendig, die für die Ermessensausübung geltenden Grundsätze zu konkretisieren. Weiterhin stellt sich die Frage nach der Zweckmäßigkeit der Ausgestaltung des Art. 22 als Ermessensnorm.

I. Grenzen der Ermessensausübung

Gerichtliches Ermessen bedeutet nicht etwa völlig freies Belieben.! Auch wenn die Gerichte bei Vorliegen der Voraussetzungen einer Ermessensnorm nicht verpflichtet sind, eine bestimmte Rechtsfolge zu ergreifen, sind sie bei der Entscheidung darüber doch rechtlich gebunden. Die Einräumung eines Ermessensspielraums enthält außer der Möglichkeit, die eine oder die andere Rechtsfolge zu ergreifen, auch die Verpflichtung, eine Entscheidung über die Auswahl zwischen den Handlungsalternativen zu treffen. 2 Werden die Voraussetzungen der Ermessensnorm bej aht, ist als zweite Stufe im konkreten Fall zu entscheiden, ob und welche Rechtsfolge ergehen soll. Zwar räumt Art. 22 nicht nur die Wahl zwischen den beiden Rechtsfolgen Aussetzung und Unzuständigerklärung ein, sondern darüber hinaus auch die Möglichkeit, keine davon anzuordnen und das Verfahren fortzusetzen. 3 Dennoch genügt es nicht, die Entscheidung gegen eine Aussetzung bzw. Unzuständigerklärung damit zu begründen, daß keine Verpflichtung dazu bestünde. In dieser Weise sind allerdings die vertrags staatlichen Gerichte So auch Schack, IPRax 1989, 139, 140: "Die Gerichte scheinen das ihnen eingeräumte Ermessen als schrankenlos mißzuverstehen." 2 So auch GA Mancini, Schlußanträge in der Rs 144/86, Gubischl Palumbo, Sig. 1988,4861,4870. 3 Isenburg-Epple, IPRax 1992, 69; Espinar Vicente, S. 147; Alexandre, Enc. Dalloz proc., VO Convention de Bruxelles, Competence, NT. 327.

204

§ 7 Die Ermessensentscheidung über die Rechtsfolgen

bei der Ermessensausübung bisher häufig vorgegangen. 4 Diese Handhabung hat dazu geführt, daß die Gerichte der Vertragsstaaten eine Aussetzung bzw. Unzuständigerklärung gemäß Art. 22 in der Regel abgelehnt haben5 , manchmal sogar ohne sich hinsichtlich der Frage des Vorliegens von Konnexität festzulegen. 6 Damit die Betätigung des Ermessens nachvollziehbar ist, muß die Entscheidung begründet werden.? Das Gericht muß darlegen, von welchen Voraussetzungen es ausgegangen ist, welche Entscheidungsmöglichkeiten in Betracht kamen, welche Gesichtspunkte in die Wahl einbezogen worden sind und warum einer bestimmten Möglichkeit der Vorzug gegeben wurde. Nur bei Offenlegung dieser Erwägungen ist es möglich nachzuprüfen, ob alle maßgeblichen Gesichtspunkte - und auch nur diese - in den Entscheidungsprozeß eingeflossen sind. Die Einräumung eines Ermessensspielraums an die Gerichte hinsichtlich der Rechtsfolgen der Konnexität bewirkt, daß die Entscheidung nicht in vollem Umfang der Nachprüfung unterliegt. Die höherinstanzlichen Gerichte der Vertragsstaaten halten sich bei der Überprüfung der Ermessensausübung durch die erstinstanzlichen Gerichte im Rahmen des Art. 22 daher auch zurück. 8 Ein Gericht höherer Instanz ist nicht befugt, seine eigene Ermessensausübung an die Stelle der erstinstanzlichen Entscheidung zu setzen. Es kann jedoch kontrollieren, ob die Grenzen des Ermessens eingehalten worden sind: Fehlerhaft ist eine Ermessensentscheidung, wenn die Voraussetzungen der Entscheidung verkannt worden sind, wenn erhebliche Umstände außer acht 4 Cass. (fr.) 02.06.1981, Bull. civ. 1981, I, Nr. 186; Bastia 28.02.1977, Riv. dir. int. priv. proc. 1978,189; Cass. (it.) 26.11.1990, Riv. int. priv. proc. 1992, 107; Tribunale di Bassano del Grappa 13.02.1976, Nachschlagewerk D-I 21 - B 1; Rechtbank van koophandel te Brussel 28.02.1975, Eur. Transp. Law 1975, 419; OLG Karlsruhe RIW 1977, 718. 5 Vgl. Kohler, ICLQ 1985, 563, 572. 6 Cass. (it.) 26.11.1990, Riv. int. priv. proc. 1992, 107; Tribunale di Bassano del Grappa 13.02.1976, Nachschlagewerk D-I 21 - B 1. 7 So für § 148 ZPO MünchKomm-Peters, § 148 ZPO Rdnr. 15. Auch im nationalen französischen Recht wird eine Begründung für die Entscheidung über den renvoi wegen Konnexität verlangt, vgl. Cass. (fr.) 29.11.1951, Bull. civ. 1951, III, Nr. 772; demgegenüber besteht bei der allgemein im Ermessen stehenden Aussetzung ("sursis facultatif") keine Begründungspflicht, SoluslPerrot III, Nr. 1119; Heron, Nr. 988; Cass. (fr.) 04.10.1983, Bull. civ. 1983, I, Nr. 216. 8 So OLG Frankfurt MDR 1981,61; Cass. (fr.) 02.06.1981, Bull. civ. 1981, I, Nr. 186. Die ital. Corte di cass. 26.11.1990, Riv. int. priv. proc. 1992, 107, stellte fest, daß die Ermessensausübung in der Revisionsinstanz nicht nachprüfbar sei, untersuchte dann aber, ob die Erwägungen des erstinstanzlichen Gerichts rechtlich korrekt waren.

II. Mögliche Ermessensgesichtspunkte und deren Berechtigung

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gelassen oder sachfremde Erwägungen einbezogen worden sind oder wenn die Entscheidung willkürlich ist. 9

11. Mögliche Ermessensgesichtspunkte und deren Berechtigung

Welche Gesichtspunkte in die Entscheidung über die Wahl einer Rechtsfolge einzubeziehen sind, ist dem Zweck der Ermessensnorm zu entnehmen. Aus der Rechtsprechung der vertragsstaatlichen Gerichte zu Art. 22 kann man nur wenig über die einschlägigen Ermessensgesichtspunkte ersehen, da lediglich in einer geringen Zahl von Entscheidungen das Ermessen überhaupt in nachvollziehbarer Weise ausgeübt wurde. Bei der Untersuchung der einzelnen Ermessensgesichtspunkte ist zu beachten, daß die Aspekte, die für oder gegen eine Aussetzung sprechen, nicht unbedingt dieselben sind wie diejenigen, die für oder gegen eine Unzuständigerklärung sprechen.

1. Grad des Zusammenhangs und der Gefahr widersprechender Entscheidungen Der Grad des Zusammenhangs zwischen den Klagen ist bei der Ausübung des Ermessens zu berücksichtigen. 10 Eine Koordinierung verschiedener Klagen ist desto eher geboten, je enger der Zusammenhang mit der anderen Klage und je größer die Gefahr ist, zu unvereinbaren Ergebnissen zu gelangen. li Es ist allerdings nicht sinnvoll, diesen Gesichtspunkt zu stark in den Bereich der Rechtsfolgen zu verlagern. Besteht keine Gefahr widersprechender Entscheidungen LS.d. Art. 22 Abs. 3, so liegt schon keine Konnexität vor, so daß sich die Frage der Entscheidung über die Rechtsfolgen nicht stellt. Kann z.B. in einem der Verfahren nur eine vorläufige Maßnahme getroffen werden, fehlt es bereits an den Voraussetzungen des Art. 22; es 9 Vgl. für das deutsche Recht Stein/Jonas/Roth, § 148 ZPO Rdnr. 48. Entsprechend wird auch im englischen Recht die Ausübung des Ermessens im Rahmen der Theorie vom "forum non conveniens" überprüft, vgl. The Abidin Daver [1984] 1 A.C. 398, 420 (H.L.). Auch in Frankreich ist die Ausübung des Ermessens der Untergerichte nur eingeschränkt überprüfbar. 10 So auch GA Lenz, Schlußanträge in der Rs 129/92, Owens Bank/Bracco, Slg. 1994, I-117, 144, Nr. 77. 11 Der Umfang des Einflusses wird auch im deutschen Recht bei der Ermessensentscheidung gemäß § 148 ZPO berücksichtigt, vgl. Stein/Jonas/Roth, § 148 ZPO Rdnr. 30.

206

§ 7 Die Ermessensentscheidung über die Rechtsfolgen

handelt sich dann nicht um ein Ennessensproblem. 12 Beide Aspekte wurden z.B. von der italienischen Corte di cassazione l3 vermischt, die im Rahmen der Überprüfung der Ennessensausübung gemäß Art. 22 feststellte, es liege zwischen den Klagen kein so enger Zusammenhang vor, wie er von Art. 22 Abs. 3 verlangt werde. Daher sei die Ausübung des Ennessens - das erstinstanzliche Gericht hatte im Ergebnis die Anwendung des Art. 22 abgelehnt rechtlich korrekt. Jedoch kann in die Ennessensausübung einfließen, wie gravierend im konkreten Fall die bei getrennter Verhandlung möglicherweise entstehenden Widersprüche sind. Auch kommt in Betracht, daß aufgrund des Verhaltens der Parteien die Entstehung widersprechender Entscheidungen trotz des Zusammenhangs zwischen den Klagen aktuell nicht droht. 14

2. Arbeits- und Kostenaufwand

Das Bestreben, den Arbeits- und Kostenaufwand zu optimIeren, spricht prinzipiell für eine Anwendung des Art. 22. Die Koordinierung konnexer Verfahren ist gerade auch zur Förderung der Prozeßökonomie vorgesehen. Im Einzelfall können dennoch Gesichtspunkte der Prozeßökonomie die Ausübung des Ennessens in die eine oder andere Richtung beeinflussen. So ist z.B. erheblich, ob die Kosten insgesamt durch eine Aussetzung bzw. Unzuständigerklärung deutlich verringert oder ausnahmsweise erhöht werden. 3. Stand und Dauer der Verfahren

Weiterhin ist in die Ennessensausübung einzubeziehen, wie weit das Erstverfahren bereits vorgedrungen ist und ob eine Entscheidung dort bald zu erwarten ist. 15 Zeichnet sich in dem ausländischen Verfahren eine besonders lange Verfahrensdauer ab und ist nicht alsbald mit einer Entscheidung zu rechnen, kann dem Kläger des inländischen Verfahrens in der Regel weder 12 Anders anscheinend Hofvan Beroep te Antwerpen 18.10.1979, Nachschlagewerk D 1-22 - B 2; zustimmend GA Lenz, Schlußanträge in der Rs 129/92, Owens BanklBracco, Slg. 1994,1-117,144 (Nr. 77). . 13 Cass. (it.) 26.11.1990, Riv. dir. int. priv. proc. 1992, 107, siehe oben § 3 H. 14 So bei Nichtweiterbetreiben des zweiten Verfahrens durch den Kläger, vgl. Gerechtshof 's-Gravenhage 28.11.1984, Nachschlagewerk D 1-21 - B 9. 15 BülowlBöckstiegellMüller I, S. 606.176; Bernheim, Schweiz. JurZ 1994, 133, 142; MünchKomm-Gottwald, Art. 22 EuGVÜ Rdnr. 3; Kropholler, EZPR, Art. 22 Rdnr.5.

ll. Mögliche Ermessensgesichtspunkte und deren Berechtigung

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eine Aussetzung noch eine Unzuständigerklärung zugemutet werden. 16 Es ist allerdings davon auszugehen, daß vor den Gerichten der Vertragsstaaten des EuGVÜ ein Urteil in angemessener Zeit zu erlangen ist, so daß für die Berücksichtigung einer übermäßig langen Verfahrensdauer konkrete Anhaltspunkte vorliegen müssen. Dafür, das Verfahren auszusetzen, spricht, daß das ausländische Verfahren bereits weit fortgeschritten ist. Da dieses Verfahren früher eingeleitet wurde, ist es in der Regel schon weiter vorgedrungen als das ZweitverfahrenP Im Hinblick auf die Unzuständigerklärung wirkt es sich dagegen nicht positiv aus, wenn das Erstverfahren schon weit fortgeschritten ist. Das kann für eine gemeinsame Verhandlung sogar gerade hinderlich sein, insbesondere wenn verschiedene Parteien beteiligt sind; denn Beweiserhebungen können dann nicht ohne weiteres für das hinzukommende Verfahren übernommen werden, so daß eine Wiederholung von Verfahrensteilen erforderlich wird. 18 Die Tatsache, daß im Erstverfahren bereits eine Beweisaufnahme erfolgt ist, schließt eine Unzuständigerklärung zwar nicht generell aus l9 , es ist unter diesen Umständen aber fraglich, ob diese Rechtsfolge dann noch prozeßökonornisch sinnvoll ist. Sowohl gegen eine Aussetzung als auch gegen eine Unzuständigerklärung spricht ferner, daß das Zweitverfahren bereits weit fortgeschritten ist;20 denn dann besteht ein Interesse sowohl des Staates als auch der Parteien an dessen Fortführung. Dieses Argument ist allerdings nicht besonders zugkräftig. Sogar eine Unzuständigerklärung kann noch in einem späteren Verfahrensstadium sinnvoll sein, sofern diese Rechtsfolge wie es hier befürwortet wird, als Verweisung verstanden wird. 21 Dann bleiben nämlich die Wirkungen bisheriger Verfahrensakte weitgehend erhalten. Eine durch wiederholte Prozeßführung eventuell zunächst entstehende Mehrarbeit kann durch eine spätere I

16 Nach deutschem Recht ist für die Entscheidung über die Aussetzung gemäß § 148 ZPO relevant, ob bald mit einer Entscheidung im anderen Verfahren gerechnet werden kann, vgl. SteinlJonaslRoth, § 148 ZPO Rdnr. 30; BaumbachlLauterbachl Hartmann, § 148 ZPO Rdnr. 34; so auch Mittenzwei, S. 81. 17 So auch GA Lenz, Schlußanträge in der Rs 129/92, Owens Bank/Bracco, Slg.

1994,1-117,145 (Nr. 78). 18 Daher ist im italienischen Recht eine Verbindung wegen Konnexität nicht zulässig, wenn der Stand des Erstverfahrens eine erschöpfende Verhandlung der konnexen Verfahren nicht ermöglicht, Art. 40 Abs. 2, 2. Alt. c.p.c. 19 Im deutschen Recht wird angenommen, daß nach erfolgter Beweisaufnahme eine Gerichtsstandsbestimmung gemäß § 36 Nr. 3 ZPO in der Regel ausscheidet, vgl. Herz, S. 94; ZöllerlVollkommer, § 36 ZPO Rdnr. 16. 20 Im belgischen und italienischen Recht kann eine Verweisung wegen Konnexität überhaupt nur in limine !itis beantragt werden, siehe oben § 5 IV 1 b. 21 Siehe oben § 6 ll.

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§ 7 Die Ermessensentscheidung über die Rechtsfolgen

Arbeitsersparnis bei der weiteren gemeinsamen Verhandlung aufgewogen werden. 22 Ist eines der Verfahren bereits entscheidungsreij, so scheidet jedenfalls eine Unzuständigerklärung aus, da dann eine weitere Verhandlung nicht nötig ist, das Ziel einer gemeinsamen Verhandlung also nicht mehr erreicht werden kann. 23 Auch die Aussetzung eines entscheidungsreifen Verfahrens ist in der Regel nicht zweckmäßig 24 , weil eine Arbeitsersparnis nicht mehr in Betracht kommt. Ausnahmsweise kann jedoch eine Aussetzung trotz Entscheidungsreife zur Vermeidung von ernsthaften Entscheidungsdivergenzen geboten sein.

4. Sachnähe der Gerichte Als ein weiterer, für die Ermessensausübung erheblicher Gesichtspunkt wird die Eignung der Gerichte zur Sachentscheidung angeführt. 25 Gesichtspunkte der Eignung sind z.B. die Beweisnähe, die Verfügbarkeit von Zeugen, die Kenntnis der Lokalität sowie der Grad der Unannehmlichkeit für Parteien und Zeugen bei Durchführung des Verfahrens am jeweiligen Forum. Ein niederländisches Gericht hat in einer Entscheidung zu Art. 22 solche Aspekte berücksichtigt und argumentiert, komplexe Situationen sollten von dem Gericht beurteilt werden, das die örtlichen Gegebenheiten am besten untersuchen kann. 26 Auch nach Ansicht von Woloniecki27 können die englischen Gerichte im Rahmen der Ermessensentscheidung gemäß Art. 22 ihre Doktrin vom "forum non conveniens" anwenden und somit die Eignung der beteiligten Gerichte einbeziehen. Gegen die Verwendung solcher Argumente könnte man einwenden, daß im Rahmen des EuGVÜ keinerlei Raum gelassen worden ist für die Überlegung, inwieweit das jeweilige Gericht zur Entscheidung über einen Rechtsstreit ge22 Speilenberg, ZVglRWiss 79 (1980), 89, 130. 23 Vgl. zu § 147 ZPO in diesem Sinne Stein/JonaslLeipold, § 147 ZPO Rdnr. 4;

MünchKomm-Peters, § 147 ZPO Rdnr. 2; AK-ZPO-Göring, § 147 ZPO Rdnr. 5. 24 Das LG Köln, Nachschlagewerk D-I 21 - B 3, machte in Anbetracht der Entscheidungsreife des eigenen Verfahrens von dem durch Art. 22 eingeräumten Ermessen keinen Gebrauch; zu § 148 ZPO ebenso Stein/Jonas/Roth, § 148 ZPO Rdnr. 15. Kritisch gegenüber der Berücksichtigung der Entscheidungsreife als Argument gegen eine Aussetzung gemäß Art. 22 Abs. 1 Schack, IPRax 1989, 139, 140. 25 GA Lenz, Schlußanträge in der Rs 129/92, Owens Bank/Bracco, Slg. 1994, 1117, 145 (Nr. 79). 26 Arrondissementsrechtbank 's-Gravenhage 01.02.1985, Nachschlagewerk D-I 22 -B 8. 27 Woloniecki, S. 157, 182.

11. Mögliche Ermessensgesichtspunkte und deren Berechtigung

209

eignet ist. 28 Ein Gericht, für das eine Zuständigkeit nach Titel 11 des Übereinkommens besteht, ist generell als zur Sachentscheidung geeignet anzusehen. In den Fällen von Art. 21 und 22 ist daher davon auszugehen, daß beide beteiligten Gerichte gleichermaßen berufen sind, in der Sache zu entscheiden. Das schließt jedoch nicht aus, bei der Entscheidung über eine Aussetzung gemäß Art. 22 Abs. 1 zu berücksichtigen, ob das Erstgericht speziell zur Klärung der gemeinsamen Frage besser geeignet ist als das später angerufene Gericht. Relevant ist ferner, ob die Richtung der Aussetzung geeignet ist, eine Koordinierung zu erreichen: Sind die Klagen in der "falschen Reihenfolge" erhoben worden (z.B. als zweite eine Klage, die einen Präjudizialpunkt der ersten zum Gegenstand hat), kann es das Zweitgericht für angemessen erachten, sein Verfahren zügig zu Ende zu führen. 29 In die Entscheidung über die Zweckmäßigkeit einer Verfahrensverbindung gemäß Abs. 2 kann einfließen, ob das früher angerufene Gericht geeignet ist, über den gesamten Streitkomplex zu entscheiden. 30 Problematisch erscheint die Einbeziehung von Eignungsgesichtspunkten jedoch insofern, als das später angerufene Gericht nur entscheiden kann, ob es selbst in der Sache entscheidet oder aber das Verfahren an das andere Gericht abgibt bzw. die dortige Sachentscheidung abwartet. Es kann dagegen nicht anordnen, daß ihm das konnexe Verfahren vom anderen Gericht zur gemeinsamen Verhandlung überstellt wird oder daß dieses sein Verfahren aussetzt. 31 Auch kann das früher angerufene Gericht nicht von sich aus die Regelung des Art. 22 anwenden. Während z.B. im nationalen französischen Recht die Konnexität vor jedem der beteiligten Gerichte geltend gemacht werden kann 32 , ist die Wirkungsrichtung der Konnexität im EuGVÜ festgelegt. 33 Hier stellt sich somit nicht die Frage, in welcher Richtung die Verfahrenskoordinierung günstigerweise erfolgen sollte, sondern es besteht nur die Wahlmöglichkeit zwischen der Berücksichtigung der Konnexität und der Weiterführung des eigenen Verfahrens ohne Rücksicht auf das konnexe Verfahren im Ausland. Abzuwägen ist demnach nicht zwischen der Eignung des einen und der des anderen Gerichts, sondern zwischen der Eignung des später angerufenen Gerichts und dem Interesse an einer einheitlichen Behandlung des gesamten Streitkomplexes. Der Eignung der beiden beteiligten Gerichte, in der Sache 28 Schlosser, IPRax 1983,285.

29 Kaye, S. 1236 und 1237 f. 30 Siehe unten 5. 31 Anders im englischen Recht: Nach der Doktrin vom "forum non conveniens"

kann dem Kläger des ausländischen Verfahrens durch "antisuit injunction" auferlegt werden, die Klage zurückzunehmen oder' zumindest nicht weiterzuverfolgen, vgl. oben § 1 IV 1 c. 32 Siehe oben § 5 11 2 a. 33 Zur Kritik daran siehe oben § 5 11 2 a. 14 LUpfert

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§ 7 Die Ermessensentscheidung über die Rechtsfolgen

zu entscheiden, kann daher nur eine begrenzte Bedeutung für die Ausübung des Ermessens zukommen.

5. Umfassende Zuständigkeit des Erstgerichts Für die Zweckmäßigkeit der Unzuständigerklärung gemäß Abs. 2 ist von Bedeutung, ob es dem Erstgericht tatsächlich möglich ist, über beide Klagen gemeinsam zu verhandeln und zu entscheiden, insbesondere ob es auch eine innerstaatliche Zuständigkeit für das Zweitverfahren besitzt. Wenn eine gemeinsame Verhandlung durch das Erstgericht nicht möglich ist, obwohl die Voraussetzungen für die Unzuständigerklärung gemäß Art. 22 Abs. 2 vorliegen, ist diese Rechtsfolge zwar nicht sinnlos, weil sie immerhin zu einer Entscheidung beider konnexer Verfahren in demselben Vertragsstaat führt 34 , ihr Ziel wird jedoch nicht vollständig erreicht. Ist ohne weiteres ersichtlich, daß eine innerstaatliche Zuständigkeit des anderen Gerichts für das zu verweisende Verfahren fehlt, spricht dies somit gegen eine Unzuständigerklärung. Eine Unzuständigerklärung gemäß Abs. 2 ist weiterhin in der Regel dann unzweckmäßig, wenn sich das ausländische Erstgericht für das bei ihm bereits anhängige Verfahren voraussichtlich für unzuständig halten wird (z.B. weil das Zweitgericht hierfür ausschließlich zuständig ist35 ); denn auch dann kann diese Rechtsfolge nicht zu einer gemeinsamen Verhandlung beider Klagen vor dem Erstgericht führen. 36 Auch eine Aussetzung des Zweitverfahrens ist unter diesen Umständen regelmäßig nicht angemessen37 , da es zu einer Sach-

34 Siehe oben § 5 IV 2. 35 Demgemäß lehnte die Rechtbank van koophandel te Brugge 26.05.1988, Nachschlagewerk D 1-22 - B 9, eine Unzuständigerklärung gemäß Art. 22 Abs. 2 ab, weil es gemäß Art. 17 selbst ausschließlich zuständig war. Ist allerdings das später angerufene Gericht für beide Klagen ausschließlich zuständig, so fehlt in der Regel bereits eine Voraussetzung der Unzuständigerklärung, nämlich die der Zuständigkeit des zuerst angerufenen Gerichts auch für die spätere Klage. 36 Für die Einbeziehung dieses Gesichtspunktes in die Ermessensausübung auch BülowlBöckstiegellMüller I, S. 606.176; MünchKomm-Gottwald, Art. 22 EuGVÜ Rdnr. 3; Kropholler, EZPR, Art. 22 Rdnr. 5; Bernheim, Schweiz. JurZ 1994, 133, 142. Ebenso in bezug auf die Wahl zwischen Aussetzung und Unzuständigerklärung gemäß Art. 21 (a.F.), wenn die Zuständigkeit des Erstgerichts in Frage gestellt worden ist, OLG Köln NJW 1991, 1427; so auch die Stellungnahme der deutschen Bundesregierung in der Rs C 351-89, Overseas Union lnsurance, Sig. 1991,1-3317, 3331; Huet, Clunet 1992, 493, 498; GothotlHolleaux, Nr. 223. 37 So auch Kaye, S. 1238 f.: "Lack of jurisdiction might be regarded as a factor to be taken into account by the second-seised court in deciding against the exercise of its discretion to stay."

II. Mögliche Ermessensgesichtspunkte und deren Berechtigung

211

entscheidung, die in das auszusetzende Verfahren einbezogen werden könnte, zunächst nicht kommt. Gegen eine Aussetzung könnte noch sprechen, daß das zweite Verfahren einen umfassenderen Gegenstand hat als das erste. Dieser Aspekt wurde in einem englischen Verfahren angeführt, das alle aufgrund eines Rahmenvertrages abgeschlossenen Verträge zum Gegenstand hatte und in dem die Aussetzung gemäß Art. 22 Abs. 1 zugunsten eines deutschen Verfahrens beantragt wurde, das sich nur auf drei der Verträge bezog. 38 Der High Court vertrat hier die Ansicht, eine Aussetzung zugunsten der enger gefaßten Klage wäre nicht sinnvoll. Umgekehrt spricht es nach Ansicht des High Court für einen stay, wenn das ausländische Gericht über den gesamten Rechtsstreit, das inländische dagegen nur über einen Teil davon entscheiden würde. 39 Hierauf kann es aber letztlich nicht ankommen, da bei der Aussetzung lediglich einem der Gerichte die Entscheidung über die gemeinsame Frage überlassen wird, jedes der Gerichte aber über die bei ihm anhängig gemachte Klage entscheidet. Die Erwägungen des High Court beruhen wohl auf einem unzutreffenden Verständnis der Rechtsfolge in Art. 22 Abs. 1. Während der "stay" im englischen Recht zwar die Rechtshängigkeit nicht beendet, doch das Verfahren auf unbestimmte Zeit unterbricht4O , bedeutet die Aussetzung einen Stillstand des Verfahrens nur bis zum Ergehen einer Entscheidung im anderen Verfahren. In dem gemäß Art. 22 Abs. 2 ausgesetzten Verfahren wird in jedem Fall später eine Sachentscheidung getroffen.

6. Anerkennungsprognose Für die Frage, ob eine Aussetzung bzw. Unzuständigerklärung bei Konnexität zweckmäßig ist, ist weiterhin relevant, ob das Verfahren, zugunsten dessen sie erfolgen soll, voraussichtlich zu einer anerkennungsfähigen Entscheidung führen wird. 41 Ist dies eindeutig nicht der Fall, kann nämlich kein Widerspruch zwischen den beiden Entscheidungen entstehen. Im autonomen deutschen Recht wird dementsprechend als Gesichtspunkt gegen eine Aussetzung gemäß § 148 ZPO zugunsten eines ausländischen Verfahrens angeführt, daß die Anerkennung der zu erwartenden Entscheidung zweifelhaft ist. 42 Da 38 Kloeckner & Co. AG/Gatoil Overseas Inc. [1990] 1 Lloyd's Rep. 177 (Q.B.). 39 Virgin Aviation [1991] Int. Lit. Proc. 79 (Q.B.). 40 Siehe oben § 1 IV 1 c. 41 BülowlBöckstiegellMüller I, S. 606.176; Kaye, S. 1239; zweifelnd O'Malleyl Layton, Nr. 23.17. Hierbei handelt es sich nicht um eine Anwendungsvoraussetzung des Art. 22, siehe oben § 5 m 1. 42 MünchKomm-Peters, § 148 ZPO Rdnr. 14. 14'

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§ 7 Die Ermessensentscheidung über die Rechtsfolgen

im Bereich des EuGVÜ von einer automatischen Anerkennung der Urteile aus anderen Vertragsstaaten ausgegangen wird, ist dieser Aspekt jedoch nur dann zu berücksichtigen, wenn die Anerkennung ausnahmsweise aus einem bereits erkennbaren Grunde ausgeschlossen ist. Auch bei fehlender Anerkennungsfahigkeit der ausländischen Entscheidung im konnexen Verfahren muß eine Aussetzung aber nicht unbedingt als bloße Zeitvergeudung angesehen werden. Eine Berücksichtigung von Ergebnissen aus dem anderen Verfahren kommt auch ohne eine durch Anerkennung ermöglichte Rechtskraftbindung in Betracht und kann im Einzelfall sinnvoll sein.

7. Interessen der Parteien Bei der Ermessensausübung sind die Interessen der Parteien nach Maßgabe der konkreten Sachlage zu berücksichtigen. 43 Die Folgen der durch die Aussetzung bewirkten Verzögerung für die Parteien sind von besonders großer Bedeutung bei der Ermessensentscheidung .44 Der Kläger hat generell ein Interesse an der zügigen Durchführung des von ihm eingeleiteten Verfahrens. Dieses Beschleunigungsinteresse steht einer Verfahrensaussetzung prinzipiell entgegen. Der Justizgewährungsanspruch verlangt, daß eine Aussetzung unterbleibt, wenn sie dem Kläger nach Abwägung aller Umstände nicht zugemutet werden kann. Es ist jeweils für den konkreten Fall zu beurteilen, wie stark dieses Interesse ist, insbesondere ob dem Kläger durch eine Verzögerung ein Rechtsverlust droht. Eine besondere Eilbedürftigkeit kann sich entweder schon aus der Verfahrensart ergeben (Eilverfahren) oder aber aus den konkreten Umständen des Falles. Gegen eine Unzuständigerklärung kann die Eilbedürftigkeit des Zweitverfahrens nicht mit derselben Berechtigung angeführt werden wie gegen eine Aussetzung; denn durch eine Verweisung an das mit dem konnexen Verfahren befaßte Gericht entsteht nicht unbedingt eine erhebliche Verzögerung. Im Hinblick auf die Unzuständigerklärung ist aber einzubeziehen, daß der Kläger ein besonderes Interesse an der Entscheidung durch das von ihm angegangene Gericht haben kann. Das ist insbesondere bei umgekehrten Parteirollen relevant. Eine Unzuständigerklärung scheidet aus, wenn das Interesse des Klägers an der Beibehaltung der von ihm getroffenen Gerichtsstandswahl im konkreten Fall schutzwürdig ist - insbesondere bei der Inanspruchnahme einer Zuständigkeit, die gerade zu seinem Schutz geschaffen wurde - und dieses Interesse die 43 Leipold, GS Arens (1993), S. 227, 239. 44 So auch für das deutsche Recht MünchKomm-Peters, § 148 ZPO Rdnr. 14.

11. Mögliche Ennessensgesichtspunkte und deren Berechtigung

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übrigen beteiligten Interessen überwiegt. Das Interesse des Beklagten, die schnelle Beendigung eines gegen ihn gerichteten Prozesses zu verhindern, ist grundsätzlich nicht schützenswert. Ein berechtigtes Interesse kann der Beklagte jedoch an einer umfassenderen Erledigung zusammen mit dem konnexen Verfahren haben. Bei Parteiverschiedenheit ist die Interessenlage komplexer. Eine am anderen Verfahren nicht beteiligte Partei kann ein starkes Interesse an einer isolierten Entscheidung haben. Zu beachten ist, daß einer lediglich an einem der Verfahren beteiligten Partei ein durch die Verfahrenskoordinierung insgesamt bewirkter Effektivitätsgewinn nicht unbedingt zugutekommt. Eine Aussetzung bzw. Unzuständigerklärung kann dann nur erfolgen, wenn diese Nachteile durch überwiegende öffentliche Interessen und Belange der übrigen Verfahrensbeteiligten aufgewogen werden. Wenn die Interessen der Parteien in die Ermessensentscheidung einfließen, kann auch deren Verhalten im Prozeß berücksichtigt werden. Demgemäß hat das OLG Hamm in einem Fall im Rahmen der Entscheidung darüber, ob dem Kläger eine Aussetzung zugemutet werden konnte, das Verhalten der Gegenpartei im Prozeß einbezogen. 45 Das Gericht hat eine Aussetzung gemäß Art. 22 Abs. 1 als nicht angemessen angesehen, weil der Beklagte des inländischen Verfahrens seine Gegenansprüche, die er in einem anderen Vertragsstaat eingeklagt hatte, im inländischen Verfahren nicht einmal hinreichend substantiiert hatte. Aufgrund der "nachlässigen Prozeßführung" der Gegenpartei sei die durch die Aussetzung verursachte Verzögerung des Verfahrens nicht zu rechtfertigen. 46 Geimer hält diese Ermessensausübung für richtig, da es bei der Anwendung des Art. 22 "nur um die Ausbalancierung der Interessen der Parteien, nicht jedoch um die Wahrung öffentlicher Interessen, etwa des abstrakten Ideals des Entscheidungseinklangs" gehe. 47 Zwar ist es richtig, dem Verhalten der Parteien Bedeutung beizumessen, jedoch dient Art. 22 nicht nur privaten, sondern zugleich auch öffentlichen Interessen, nämlich denen an Entscheidungseinklang und Prozeßökonomie. Alle öffentlichen und privaten Interessen sind sorgfältig gegeneinander abzuwägen. Unzulässig ist es, einen sog. "Rechtsvorteil " des Klägers bei der Ermessensausübung im Rahmen des Art. 22 zu berücksichtigen. Die Lehre vom Rechtsvorteil ("legitimate juridical or personal advantage of the plaintiff"), die im englischen Recht im Rahmen der Theorie vom "forum non conveniens" früher eine große Rolle gespielt hat, besagt, daß die Aussetzung des englischen Verfahrens den Kläger nicht eines berechtigten persönlichen oder 4S OLG Hamm IPRax 1986,233. 46 Zustimmend Geimer, IPRax 1986, 208, 216. 47 Geimer, IPRax 1986,208,216.

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§ 7 Die Ermessensentscheidung über die Rechtsfolgen

rechtlichen Vorteils berauben darf (z.B. eine höhere Schadensersatzsumme oder längere Verjährungsfristen), den er bei Weiterführung des Verfahrens in England genießen würde. 48 Im Rahmen des EuGVÜ kann diesem Aspekt keine Bedeutung zukommen, da die Rechtsordnungen der Vertrags staaten als gleichwertig anzusehen sind und nicht eine gegenüber einer anderen als überlegen betrachtet werden darf. 49 Auch in England wird die Theorie des Rechtsvorteils inzwischen zurückgedrängt, da der dahinterstehende chauvinistisch anmutende Gedanke heute überwiegend abgelehnt wird. 50 Aus demselben Grund darf kein Vergleich der Qualität ausländischer und inländischer Gerichte und Verfahrensregeln .angestell t werden, wie es früher in England im Rahmen der Theorie vom "forum non conveniens" geschah. 51

8. Vermutung zugunsten einer Aussetzung bzw. Unzuständigerklärung Nach dem lenard-Bericht "hat" der Richter, wenn ein Zusammenhang besteht, "in erster Linie die Entscheidung auszusetzen". 52 Diese Erläuterung wird in der Literatur als zumindest mißverständlich kritisiert53 , da sie eine Pflicht zur Aussetzung suggeriere, die sich aus dem Wortlaut der Norm gerade nicht ergebe. Die Formulierung von lenard steht jedoch im Einklang mit dem Wortlaut, wenn man sie dahingehend versteht, daß bei der Ausübung des Ermessens eine Vermutung zugunsten einer Aussetzung gelten soll, sofern alle ihre Voraussetzungen vorliegen. 54 Eine Vermutung zugunsten einer bestimmten Rechtsfolge widerspricht nicht etwa dem Charakter einer Ermessensnorm. Es handelt sich vielmehr um eine Konkretisierung der Ausübung des Ermessens. Wenn die Ermessensrichtung in der Weise vorgezeichnet ist, daß eine bestimmte Entscheidung von Gesetz als Normalfall gewollt ist und davon nur in Ausnahmefcillen abgewichen werden darf, wird dies im Verwal-

48 Mac Shannon/Rockware Glass Ltd. [1978] A.C. 795, 812 (H.L.); The Abidin Daver [1984] A.C. 398 (H.L.). 49 So auch der englische High Court im Fall Virgin Aviation [1991] Int. Lit. Proc. 79 (Q.B.). 50 Spiliada Maritime Corp.lCansulex Ltd. [1987] A.C. 460, 482 ff. (H.L.); CheshirelNorth, S. 230. 51 Dies wird heute in England abgelehnt, The Abidin Daver [1984] 1 A.C. 398, 424 f. (H.L.). 52 lenard-Bericht zu Art. 22 EuGVÜ. 53 GeimerlSchütze IIl, § 44 11 1 Fn. 23; Bü[owlBöckstiegellMüller I, S. 606.176 Fn. 14; Schütze, RIW 1975, 543, 545: "Diese Interpretation ist angesichts des klaren Wortlauts des Übereinkommens nicht haltbar". 54 So der englische High Court im Fall Virgin Aviation [1991] Int. Lit. Proc. 79: "strong presumption".

11. Mögliche Ennessensgesichtspunkte und deren Berechtigung

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tungsrecht als "intendiertes Ermessen" bezeichnet. 55 Der Zweck des Art. 22, widersprechende Entscheidungen zu vermeiden, spricht dafür, ein solches intendiertes Ermessen zugunsten der Aussetzung anzunehmen. Eine isolierte Durchführung der konnexen Verfahren kann erhebliche Nachteile für die Rechtspflege und die Parteien mit sich bringen. Daher müssen die gegen eine Aussetzung sprechenden Gründe gewichtig sein, um die Weiterführung des Verfahrens im konkreten Fall zu rechtfertigen. 56 Auch nach der Meinung von Generalanwalt Lenz wäre es "angemessen, wenn sich ein nationales Gericht im Zweifel dazu entschlösse, sein Verfahren nach Art. 22 auszusetzen"57. Das Verfahren kann nur bei Vorliegen besonderer Gründe ohne Rücksicht auf die konnexe Klage weitergeführt werden. 58 Darüber hinaus könnte eine Vermutung zugunsten einer Unzuständigerklärung - und damit gegen eine bloße Aussetzung - bestehen, sofern die zusätzlichen Voraussetzungen der Unzuständigerklärung im konkreten Fall vorliegen. 59 Entsprechendes wird im deutschen Recht für das Verhältnis zwischen § 148 und § 147 ZPO angenommen: Eine Aussetzung gemäß § 148 ZPO ist ausgeschlossen, wenn eine Verfahrensverbindung gemäß § 147 ZPO möglich ist. 60 Für eine Vermutung zugunsten der Unzuständigerklärung spricht, daß die Aussetzung regelmäßig zu einer Verzögerung des Rechtsschutzes führt und eine Widerspruchsfreiheit nicht in vollem Umfang gewährleisten kann, während die Unzuständigerklärung eine gemeinsame Verhandlung und Entscheidung beider Klagen vor einem Gericht bewirkt. Die Rechtsfolge der Unzuständigerklärung gemäß Art. 22 Abs. 2 ist der der Aussetzung gemäß Abs. 1 überlegen. 61 Soweit keine durchschlagenden Erwägungen gegen eine Unzuständigerklärung sprechen, sollte sie daher bei Vorliegen ihrer Voraussetzungen eingreifen.

55 BVerwGE 72, 1, 6; Ossenbühl, in: Allgemeines Verwaltungsrecht, hrsg. v. Hans-Uwe Erichsen, 10. Autl., § 10 Rdnr. 13; kritisch dazu allerdings Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 9. Autl., § 7 Rdnr. 12. 56 Auch Schack, IZVR, Rdnr.766, plädiert dafür, daß die Gerichte von ihrem Ennessen im Interesse kohärenter Entscheidungen großzügiger als bisher Gebrauch machen sollten. 57 Schlußanträge in der Rs 129/92, Owens BanklBracco, Sig. 1994,1-117, 144 (Nr. 75); zustimmend Bernheim, Schweiz. JurZ 1994, 133, 144. 58 So Kaye, S. 1236: ·Courts should be impressed with the desirability of staying where possible in favour of foreign related actions"; ähnlich auch Cheshire/North, S.330. 59 So For/ati, Riv. dir. int. priv. proc. 1976,50,69. 60 Stein/Jonas/Roth, § 148 ZPO Rdnr. 30; MünchKomm-Peters, § 148 ZPO Rdnr. 14. 61 Vgl. oben § 6 I 3.

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§ 7 Die Ermessensentscheidung über die Rechtsfolgen

9. Zusammenfassung Im Rahmen der Ermessensentscheidung über die Rechtsfolgen der Konnexität gemäß Art. 22 Abs. 1 und 2 sind folgende Erwägungen einzubeziehen: Es besteht in erster Linie eine Vermutung zugunsten einer Unzuständigerklärung, wenn deren Voraussetzungen vorliegen, und in zweiter Linie eine Vermutung zugunsten einer Aussetzung. Je enger die beiden Verfahren zusammenhängen und je größer die Arbeits- und Kostenersparnis durch eine Koordinierung ist, desto eher sollte eine Aussetzung oder Unzuständigerklärung erfolgen. Für eine Aussetzung - nicht dagegen auch für eine Unzuständigerklärung - spricht ein bereits weit fortgeschrittenes Stadium des Erstverfahrens, dagegen spricht dessen übermäßig lange Dauer und die Eilbedürftigkeit des eigenen Verfahrens. Die bessere Eignung eines der Gerichte zur Sachentscheidung spielt nur eine untergeordnete Rolle. Gegen Aussetzung und Unzuständigerklärung spricht das Fehlen der Zuständigkeit des Erstgerichts für dessen eigenes Verfahren oder für das Zweitverfahren sowie eine bereits ersichtliche Anerkennungsunfähigkeit der Entscheidung im Erstverfahren. Die Interessen der Parteien sind von wesentlicher Bedeutung, insbesondere das Interesse des Klägers an einer schnellen Sachentscheidung und das an dem von ihm gewählten Gerichtsstand.

III. Zweckmäßigkeit der Ausgestaltung des Art. 22 als Ermessensnorm

Da die Einräumung eines Ermessensspielraums häufig als Grund für die geringe Effektivität der Konnexitätsregel angeführt wird, stellt sich die Frage, ob eine solche Ausgestaltung zweckmäßig ist oder ob de conventione ferenda eine zwingende Rechtsfolgenanordnung zu empfehlen wäre.

1. Nachteile der Einräumung eines Ermessensspielraums Die Einräumung eines Ermessensspielraumes birgt die generelle Gefahr einer uneinheitlichen Anwendung der Norm, geringerer Rechtssicherheit62 62 Dies betont M. Koch, S. 72.

lli. Zweckmäßigkeit der Ausgestaltung des Art. 22 als Ermessensnorm

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und schlechterer Vorhersehbarkeit der Entscheidungen für die Rechtsunterworfenen. Diese Nachteile lassen sich jedoch begrenzen, indem den Gerichten möglichst exakte Kriterien für die Ausübung des Ermessens an die Hand gegeben werden. Hierzu sollen die vorangegangenen Erörterungen, in denen die relevanten Gesichtspunkte zusammengestellt wurden, einen Beitrag leisten. Besteht Klarheit darüber, was im Rahmen der Ermessensentscheidung zu berücksichtigen ist, kann der jeder Ermessensnorm innewohnende Nachteil der Uneinheitlichkeit und Unsicherheit auf ein erträgliches Maß reduziert werden. Aufgrund der beschränkten Überprüfbarkeit der Ermessensausübung besteht ferner die Gefahr, daß die Gerichte bei der Handhabung der durch Art. 22 eröffneten Möglichkeit zur Koordinierung konnexer Verfahren aus unsachgemäßen Erwägungen heraus zu große Zurückhaltung üben. Hierzu mag die Überzeugung beitragen, die eigene Rechtspflege sei von besserer Qualität als die anderer Vertragsstaaten. Eine solche Einstellung führt - wenn auch nur unbewußt - zu einer stärkeren Gewichtung der gegen eine Aussetzung bzw. Unzuständigerklärung sprechenden Argumente. Diese Behauptung läßt sich durch einen Blick auf die Praxis der vertragsstaatlichen Gerichte zu Art. 22 erhärten: Entgegen den oben ermittelten Grundsätzen63 wird bislang von den Möglichkeiten der Koordinierung konnexer Verfahren im Zweifel kein Gebrauch gemacht. Es fallt schwer, einem ausländischen Gericht eine Entscheidung - über die Streitsache insgesamt oder auch nur über eine einzelne gemeinsame Frage - zu überlassen. Stellte Art. 22 wie Art. 21 eine zwingende Norm dar, nach der die Gerichte bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen zur Verfahrensaussetzung bzw. zur Unzuständigerklärung verpflichtet wären, könnten die Ziele der Vermeidung widersprechender Entscheidungen und der Prozeßökonomie umfassender erreicht werden. Es ist daher zu untersuchen, ob zwingende Argumente für einen Ermessensspielraum bei Konnexität bestehen.

2. Gründejür einen Ermessensspielraum Es besteht ein enger Zusammenhang zwischen der Einräumung eines Ermessensspielraums hinsichtlich der Rechtsfolgen der Konnexität und der Ausgestaltung der Voraussetzungen, insbesondere dem Konnexitätsbegriff selbst. Ist eine bestimmte Rechtsfolge zwingend angeordnet, müssen in die Ausgestaltung ihrer Voraussetzungen alle berührten Interessen bereits einbezogen sein, so daß das Eingreifen der Rechtsfolge immer, wenn die Voraussetzungen vorliegen, auch geeignet und zweckmäßig ist. Dem Rechtsanwen63 Siehe oben II 8.

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§ 7 Die Ermessensentscheidung über die Rechtsfolgen

der bleibt dann nur die Subsumtion. Ist es dagegen in das Ermessen des Gerichts gestellt, ob und welche Rechtsfolgen es anordnet, wenn die Voraussetzungen einer Norm gegeben sind, können auf den konkreten Fall bezogene Zweckmäßigkeitserwägungen und Interessenabwägungen in den Rechtsfolgenbereich verlagert und die Voraussetzungen dementsprechend weiter gefaßt werden. 64 Diese Wechselbeziehung zwischen Voraussetzungen und Rechtsfolgen prägt auch die Konnexitätsregeln der romanischen Rechtsordnungen. So besteht im französischen Recht bis heute keine Klarheit darüber, ob dem Richter außer der freien Beurteilung des Vorliegens von Konnexität auch ein Ermessen hinsichtlich der Rechtsfolgen zusteht. Beides wird häufig nicht klar genug voneinander unterschieden. Überwiegend wird angenommen, daß bei Konnexität im Gegensatz zur Situation bei Litispendenz die Rechtsfolge im Ermessen des Gerichts steht. 65 Ein Ermessensspielraum kann im Umkehrschluß dem Art. 100 NCPC entnommen werden, der - für den Fall, daß ein dahingehender Antrag gestellt wurde - ausdrücklich eine Verpflichtung des Gerichts zum Erlaß eines renvoi normiert. 66 Ein gewisser Spielraum wird außerdem für nötig gehalten, da es von Nachteil sein könne, wenn ein Gericht eine Klage abzuweisen habe, das entweder besser geeignet sei als das andere, über die Klage zu entscheiden, oder mit dem Verfahren bereits weiter fortgeschritten sei. 67 Nach der Gegenansicht68 besteht auch bei Konnexität eine Verpflichtung des Gerichts, den renvoi zu erlassen, wenn alle Voraussetzungen dafür vorliegen. 69 Die entgegengesetzte Entscheidung der Cour de cassation70 beziehe sich nur auf den speziellen Fall der internationalen Konnexität. 71 Werde der renvoi im konkreten Fall für inopportun gehalten, könne das Gericht das Vorliegen von Konnexität verneinen, da diesbezüglich ein weiter 64 Tarzia, Riv. trim. dir. proc. civ. 1988, 397, 405 f., spricht von einem Gegensatz zwischen "Legalitäts-" und "Opportunitätskriterium " bei der Ausgestaltung von Konnexitätsregeln. 65 Cass. (fr.) 22.01.1862, D. 1862, I, 172; SoluslPerrot 11, Nr. 831; SohmBourgeois, J.-cl. proc. civ., Fasc. 213-2 Nr. 39; bei der "indivisibilite" muß dagegen ein renvoi ergehen, SoluslPerrot 11, Nr. 553. 66 Viatte, Gaz. Pal. 1978, 11, 624. 67 SoluslPerrot 11, Nr. 831. 68 VincentlGuinchard, Nr.465; Heron, Nr. 883; Genin-Meric, J.-cl. proc. civ., Fasc. 212-2 Nr. 85; Gaudemet-Tallon, Rev. int. dr. comp. 1994,423,428. 69 So auch Cass. (fr.) 30.03.1966, Bull. civ. 1966,11, Nr. 445; 05.07.1978, Gaz. Pal. 1978, 11, 624: "Elle ne saurait, sans se contredire et sans refuser de deduire les consequences legales de la situation par lui constatee, d'une part affirmer I'existence d'un lien de connexite entre les deux instances et, d'autre part, conserver la connaissance de I' instance portee devant elle. " 70 Cass. (fr.) 20.10.1987, Clunet 1988,447. 71 Heron, Nr. 883.

m. Zweckmäßigkeit der Ausgestaltung des Art. 22 als Ermessensnorm

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Spielraum besteht,72 Neuerdings hat die Cour de cassation ausdrücklich entschieden, daß der renvoi wegen Konnexität fakultativ sei. 73 Im Ergebnis wirkt sich der Streit kaum aus, da es im wesentlichen dieselben Erwägungen sind, die in die Beurteilung des Vorliegens von Konnexität und bei der Entscheidung über die Zweckmäßigkeit der Verfahrensverbindung im konkreten Fall einfließen. Auch im belgisehen Recht steht der renvoi wegen Konnexität im Ermessen des Gerichts. 74 In Italien und Spanien besteht demgegenüber das Bestreben, alle Fallgruppen, in denen Konnexität vorliegt, abschließend zu erfassen. 75 Dementsprechend wird der Begriff der Konnexität in diesen Rechtsordnungen deutlich enger gefaßt als in Frankreich und Belgien. Bei verschiedenen Gerichten anhängige Klagen zu verbinden, ist nach spanischem Recht bei Vorliegen der Voraussetzungen zwingend,76 Auch in Italien ist die entsprechende Regelung (Art. 40 c.p.c.) nicht als Ermessensnorm formuliert. Gemäß Art. 40 Abs. 2 c.p.c. besteht allerdings ein gewisser Spielraum: Das Gericht kann frei beurteilen, ob der Stand der Verfahren eine Verbindung zuläßt. 77 Insofern können Zweckmäßigkeitserwägungen einfließen. 78 Für Art. 22 ergibt sich aus der Betrachtung der nationalen Konnexitätsregeln, daß die Ausgestaltung als Ermessensnorm auf der Weite des Konnexitätsbegriffs in Art. 22 Abs. 3 beruht. Da dieser Begriff auch Fälle erfaßt, in denen die Verfahrenskoordinierung nicht als unbedingt notwendig erscheint79 und unter Berücksichtigung der beteiligten Interessen im Einzelfall unter Umständen nicht einmal gerechtfertigt ist, kann die Rechtsfolge nicht zwingend angeordnet werden. Hiergegen kann nicht eingewandt werden, man müsse den Konnexitätsbegriff enger fassen, um dieses Problem zu vermeiden. Der Konnexitätsbegriff ist nämlich sehr einzelfallbezogen und kann nicht allgemeingültig so definiert werden, daß er alle Fälle - und nur diese - erfaßt, in denen eine Koordinierung zweckmäßig und zumutbar ist. Die Einräumung des Ermessens in Art. 22 ermöglicht es, einerseits möglichst viele Konstellationen in den Anwendungsbereich des Art. 22 einzubeziehen, andererseits die 72 Gaudemet-Tallon, Rev. int. dr. comp. 1994,423,428.

73 Cass. (jr.) 09.10.1991, BuH. civ. 1991,11, Nr. 257. 74 Rouard I, Nr. 252; anders bei "indivisibilite", Fettweis/KohllLeval I, Nr. 73; Rouard I, Nr. 266. 75 Siehe oben § 3 I 3 und 4. 76 Manresa y Navarro, Art. 161 und 162 LEC, Anrn. I. 77 Cass. (it.) 27.09.1955, Nr. 2637; 31.01.1956, Nr. 282; Franchi, Giur. it. 1962, I, 1369, 1370: keine ÜberpTÜfbarkeit durch die Corte di cassazione; Spellenberg, ZVglRWiss 79 (1980), 89, 117: Art. 40 sei Ermessensnorm; siehe oben § 5 IV 3 c bb. 78 Vgl. Balbi, S. 465. 79 So auch Heron, Nr. 878.

220

§ 7 Die Ermessensentscheidung über die Rechtsfolgen

durch eine Koordinierung im konkreten Fall tangierten Interessen angemessen zu berücksichtigen. Weiterhin kann auf diese Weise die Eignung von Aussetzung bzw. Unzuständigerklärung einbezogen werden, unter den jeweiligen Umständen eine einheitliche und effektive Streitlösung zu erreichen. 80 Eine größere Flexibilität im Vergleich zur Rechtshängigkeitsregel ist nötig, weil die bei der Koordinierung verschiedener, lediglich miteinander zusammenhängender Verfahren berührten öffentlichen und privaten Interessen vielfältig sind. 3. Bewenung Die Bedenken gegen die Ausgestaltung der europäischen Konnexitätsregel als Ermessensnorm lassen sich ausräumen, indem die Grenzen des Ermessens zutreffend konkretisiert werden. Hier muß vor allem deutlich gemacht werden, daß Ermessen nicht gleichbedeutend ist mit freiem Belieben, daß eine Pflicht zur Ausübung des Ermessens und zur ausreichenden Begründung der Entscheidung besteht und daß die Ausübung des Ermessens in höherer Instanz in bestimmten Grenzen überprüfbar ist,sl Wenn zudem Klarheit über die in die Ausübung des Ermessens einzubeziehenden Gesichtspunkte besteht, ist eine einheitliche und berechenbare Anwendung weitgehend gewährleistet. Unter diesen Voraussetzungen kann darauf vertraut werden, daß die vertragsstaatlichen Gerichte in Zukunft ihr Ermessen verantwortungsbewußt ausüben werden. Ein rechtlich gebundenes Ermessen bei der Entscheidung über die Rechtsfolgen der Konnexität erscheint daher sinnvoll. 82

80 81 82 Rev.

Ähnlich W. Lüke, Beteiligung Dritter, S. 425. Siehe oben 1. Dagegen befürworten Droz, Rev. crit. 1987, 798, 804, und Gaudemet-TaLlon, crit. 1988,374, 378, dem Art. 22 einen zwingenden Charakter zu verleihen.

§ 8 Effektivität des Art. 22 I. Die These der mangelnden Effektivität

Das geringe Interesse an der Konnexitätsregel in Art. 22 in Theorie und Praxis wird damit begründet, daß die Regelung - insbesondere im Vergleich zu der in Art. 21 - zu wenig effektiv sei. Aufgrund dieser Beurteilung halten viele eine Ausdehnung des Regelungsbereichs des Art. 21 für erforderlich!, um die Vermeidung widersprechender Entscheidungen wirksamer zu gestalten. Zu Recht wird für die These der mangelnden Effektivität des Art. 22 auf die bisherige Gerichtspraxis verwiesen: Bislang hat sich die europäische Regelung der Konnexität - im Gegensatz zu den entsprechenden nationalen Konnexitätsregeln der romanischen Rechtsordnungen - in der Tat als nicht sehr wirksam erwiesen. Die unzureichende Wirksamkeit des Art. 22 wird mit der Ausgestaltung der Voraussetzungen sowie der Rechtsfolgen der Konnexität begründet. Angeführt werden insbesondere das Erfordernis der Anhängigkeit beider Verfahren in erster Instanz und der Ermessensspielraum. Anstatt die mangelnde Effektivität der Konnexitätsregel zu beklagen und die Anwendung der Rechtshängigkeitsvorschrift auf Konstellationen auszudehnen, für die ihre Rechtsfolgen nicht passen2 , sollte der Konnexitätsregel zu größerer Wirksamkeit verholfen werden. Durch eine am Zweck der Norm orientierte Auslegung der Voraussetzungen3 und eine nicht zu zurückhaltende Anwendung der Rechtsfolgen4 kann die geltende Konnexitätsregel in Art. 22 bereits erheblich effektiver werden.

11. Koordinierungsregel und Gerichtsstand des Sachzusammenhangs

Angesichts der Rechtslage in den romanischen Rechtsordnungen stellt sich die Frage, ob die Möglichkeit der Koordinierung zusammenhängender Verfahren sinnvoll ist, wenn der Sachzusammenhang nicht zugleich einen Zuständigkeitsgrund bildet. Betrachtet man die nationalen Rechtsordnungen,

2

3 4

Siehe Siehe Siehe Siehe

oben oben oben oben

§ 4 V 1. § 4 V 2 und 3. § 5. §§ 6 und 7.

222

§ 8 Effektivität des Art. 22

die eine Verbindung von vor verschiedenen Gerichten schwebenden konnexen Verfahren ermöglichen, kann man feststellen, daß diese alle auch einen allgemeinen Gerichtsstand des Zusammenhangs kennen. Zusammenhängende Klagen können in den romanischen Rechtsordnungen entweder unmittelbar gemeinsam vor demselben Gericht erhoben werden - auch wenn dieses an sich nur für eine davon zuständig wäre - oder aber nach getrennter Erhebung vor verschiedenen Gerichten nachträglich bei einem von ihnen zusammengeführt werden. Die (nachträgliche) Verbindung zusammenhängender Klagen ist dort auch entgegen den allgemeinen Regeln über die örtliche und teilweise auch die sachliche Zuständigkeit möglich. 5 Die Verbindung konnexer Verfahren gemäß Art. 22 Abs. 2 dagegen setzt eine nach allgemeinen Regeln bestehende Zuständigkeit des Erstgerichts für beide Klagen voraus. Fehlt es daran, kommt nur eine Verfahrensaussetzung in Betracht. Außerdem ist nicht gewährleistet, daß im Fall einer Verfahrensverbindung gemäß Art. 22 Abs. 2 das Empfangsgericht auch örtlich für die Entscheidung über das verwiesene Verfahren zuständig ist und somit wirklich eine gemeinsame Verhandlung der Klagen vor demselben Gericht stattfinden kann. Volle Wirksamkeit kann Art. 22 somit nur erreichen, wenn sowohl auf der Ebene des EuGVÜ als auch in den nationalen Rechtsordnungen der Vertragsstaaten für zusammenhängende Klagen generell eine gemeinsame Zuständigkeit besteht. Es ist allerdings, auch wenn das EuGVÜ keine allgemeine Zuständigkeit des Sachzusammenhangs enthält, in den meisten Fällen für Klagen, die eng miteinander zusammenhängen, eine gemeinsame Zuständigkeit vorhanden. So regelt das EuGVÜ in Art. 6 einige spezielle Zuständigkeiten des Sachzusammenhangs. Weiterhin ermöglicht die offene Formulierung des allgemeinen und der besonderen Gerichtsstände in der Mehrheit der Fälle eine befriedigende Konzentration zusammengehöriger Klagen. 6 Entsprechendes gilt für die nationalen Zuständigkeitssysteme, die keinen allgemeinen Gerichtsstand des Zusammenhangs enthalten.? Klagen gegen denselben Beklagten können in dessen allgemeinem Gerichtsstand erhoben werden. Problematisch sind allerdings die ausschließlichen Gerichtsstände (vor allem Art. 16 Nr. 18 ), die eine gemeinsame Zuständigkeit für miteinander zusammenhängende Klagen verhindern können. Auch insofern ist jedoch eine Tendenz innerhalb des EuGVÜ zu erkennen, zusammenhängende Klagen zuständigkeitsrechtlich nicht zu zerreißen (vgl. die Änderung des Art. 16 5 Siehe oben § 3 I. 6 So auch die Botschaft des Schweiz. Bundesrates, BBI. 1990, 11, 1, S. 265, 299 (Nr.223.73). 7 Zum deutschen Recht siehe unten § 10 I. 8 Vgl. die Botschaft des Schweiz. Bundesrates, BBI. 1990, 11, 1, S. 265, 299 (Nr.223.73).

m. Ergebnis

223

Nr. 1 von 1989 und den neuen Art. 6 Nr. 4).9 Da die gemeinsame Zuständigkeit für konnexe Klagen allerdings nicht unbedingt beim früher angerufenen Gericht liegt, erscheint es besonders wichtig, die Geltung des Prioritätsgrundsatzes für die Wirkungsrichtung der Konnexität einzuschränken und der Frage, bei welchem der beteiligten Gerichte eine Zuständigkeit für beide Klagen besteht, vorrangige Bedeutung zukommen zu lassen. 10 Auch ohne gleichzeitiges Bestehen einer allgemein zuständigkeitsbegründenden Wirkung der Konnexität kommt der Koordinierungsregel in Art. 22 somit ein Sinn zu, zumal bei Fehlen einer gemeinsamen Zuständigkeit immerhin die Möglichkeit der Aussetzung bleibt. Zur besseren Verwirklichung der durch Art. 22 verfolgten Ziele würde die Schaffung eines allgemeinen Gerichtsstands des Sachzusammenhangs für den Bereich des EuGVÜ allerdings beitragen. Die damit zusammenhängenden Fragen können jedoch hier nicht erörtert werden, dies wäre Gegenstand einer eigenen Untersuchung.

III. Ergebnis

Die Untersuchung der Konnexitätsregel in Art. 22 hat ergeben, daß der Norm bei zweckgerechter Auslegung eine zufriedenstellende Wirksamkeit zukommt. Sie ist geeignet, ihren Zweck, widersprechende Entscheidungen zu vermeiden, in ihrem Anwendungsbereich zu erfüllen. Es besteht folglich keine Notwendigkeit, die Regelung des Art. 21 extensiv auszulegen. Zur Optimierung der Effektivität der Konnexitätsregel wäre eine Änderung der Norm in einzelnen Punkten wünschenswert. Vor allem sollte die strikte Orientierung an der zeitlichen Priorität aufgegeben 11 und die Voraussetzung der Verbindungsmöglichkeit im nationalen Recht gestrichen werden. 12 Weiterhin wäre es sinnvoll, im Wortlaut deutlich zu machen, daß Anhängigkeit in erster Instanz nur insoweit verlangt wird, als dies zur Vermeidung von Instanzverlusten erforderlich ist, also insbesondere nicht in bezug auf die Aussetzung gemäß Abs. 1. 13 Schließlich sind, soweit nötig, im nationalen Recht die Voraussetzungen für eine direkte Transferierung zu schaffen, um die in Abs. 2 enthaltene Verbindungsmöglichkeit l4 zu aktivieren.

9 10 11 12 13 14

Schack, ZZP 107 (1994), 279, 282 f. Siehe oben § 5 11. V gl. oben § 5 11. Vgl. oben § 5 IV 3. Vgl. oben § 5 1. Siehe oben § 6 11.

Dritter Teil

Konnexität im deutschen Recht Gegenstand des abschließenden dritten Teils der Arbeit ist die Koordinierung sachlich zusammenhängender Zivilprozesse im nationalen deutschen Recht. Zunächst ist festzustellen, inwieweit es nach geltendem deutschem Recht möglich ist, die Entscheidung mehrerer, bereits anhängiger konnexer Verfahren aufeinander abzustimmen. Sollte diese Bestandsaufnahme im Vergleich zur Rechtslage in anderen europäischen Staaten bzw. im Bereich des EuGVÜ unbefriedigend ausfallen, ist im Anschluß daran zu erörtern, ob die Übernahme einer dem Art. 22 entsprechenden Regelung in das deutsche Recht zu empfehlen ist. Im Rahmen dieser Untersuchung geht es nur um die Berücksichtigung des Sachzusammenhangs zwischen bereits erhobenen Klagen. Davon zu unterscheiden ist die Befugnis der Parteien, zusammenhängende Klagen vor dasselbe Gericht zu bringen. Die Möglichkeit der anfänglichen oder nachträglichen Verbindung konnexer Klagen durch die Parteien hängt davon ab, ob für die Klagen eine gemeinsame Zuständigkeit existiert, insbesondere eine Zuständigkeit kraft Sachzusammenhangs, und ob eine Befugnis zur gemeinsamen Erhebung mehrerer Ansprüche in einem Verfahren bzw. zur späteren Erweiterung des Prozeßgegenstands um ein weiteres Begehren besteht. Demgegenüber sind hier die Möglichkeiten der Gerichte zur Koordinierung konnexer Klagen für den Fall zu betrachten, daß die Parteien (genauer: der Kläger der späteren Klage) sich durch eine getrennte Erhebung gerade gegen eine gemeinsame Verhandlung entschieden haben. § 9 Koordinierung konnexer Verfahren nach geltendem deutschem Recht

Im deutschen Zivilprozeßrecht existiert im Gegensatz zur Rechtslage in den romanischen Rechtsordnungen! keine Vorschrift, die entsprechend Art. 22 bei Konnexität zwischen Klagen grundSätzlich entweder eine Aussetzung des einen Verfahrens bis zur Entscheidung des anderen oder eine nachträgliche Verbindung der Klagen zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung Siehe oben § 3 I.

I. Koordinierung konnexer Verfahren im innerstaatlichen Bereich

225

zuließe. Es gibt jedoch einzelne Vorschriften, die für Teilbereiche eine Koordinierung von zunächst getrennt anhängigen konnexen Zivilverfahren ennöglichen; dies sind insbesondere § 147 und § 148 ZPO.

I. Koordinierung konnexer Verfahren im innerstaatlichen Bereich 1. Verbindung zusammenhängender Klagen (§ 147 ZPO)

Eine Koordinierung von Klagen, die zwar vor demselben Gericht, aber getrennt voneinander anhängig sind, ist gemäß § 147 ZPO in weitem Umfang möglich. Solche Klagen können zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden werden, wenn Konnexität im weitesten Sinne vorliegt, sogar bei bloßer Gleichartigkeit des tatsächlichen und rechtlichen Grundes (§ 60 ZPO). Im Interesse der Prozeßökonomie und der zügigen Erledigung des gesamten Rechtsstreits wird eine flexible Handhabung des § 147 ZPO be fürwortet. 2 Eine Verbindung ist danach praktisch immer möglich, wenn sie zweckmäßig erscheint. 3 Unklar ist aber, ob eine Verbindung auch zulässig ist, wenn die Klagen vor verschiedenen Spruchkörpern desselben Gerichts anhängig sind. 4 Der Wortlaut des § 147 ZPO steht einer Verbindung in solchen Fällen nicht entgegen, da mit "Gericht" nach der Tenninologie der ZPO nicht der einzelne Spruchkörper, sondern das Gericht als solches gemeint ist. 5 Jedoch ergeben sich Bedenken im Hinblick auf Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG, da sich die Verbindung unter diesen Umständen auf den gesetzlichen Richter auswirkt. 6 Eindeutig nicht anwendbar ist § 147 ZPO jedenfalls auf Verfahren, die vor verschiedenen Gerichten anhängig gemacht wurden. 7 Nach geltendem deutschem Recht ist somit eine Verweisung zum Zweck der Verbindung von miteinander zusammenhängenden Klagen nicht möglich. Eine Verweisung an ein anderes Gericht ist nur bei Unzuständigkeit vorgesehen.

So MünchKomm-G. Lüke, § 260 ZPO Rdnr. 3. 3 Siehe oben § 3 I 6. 4 Für die Anwendbarkeit des § 147 ZPO in diesen Fällen Baumbachl Lauterbach/Hartmann, § 147 ZPO Rdnr. 6; ThomaslPutzo, § 147 ZPO Rdnr. 1; AKZPO-Göring, § 147 ZPO Rdnr. 3; Wieczorek, § 147 ZPO Anm. B I a. 5 Vgl. W. Lüke, Beteiligung Dritter, S. 404; Wieczorek, § 147 ZPO Anm. B I a. 6 SteinlJonaslLeipold, § 147 ZPO Rdnr. 15; MünchKomm-Peters, § 147 ZPO Rdnr. 8; ZöllerlGreger, § 147 ZPO Rdnr. 2; näher dazu unten § 10 11 2 a. 7 W. Lüke, Beteiligung Dritter, S. 415. 2

15 Lüpfert

226 § 9 Koordinierung konnexer Verfahren nach geltendem deutschem Recht

2. Aussetzung bei Vorgreiflichkeit (§ 148 ZPO) Gemäß § 148 ZPO kann ein Verfahren ausgesetzt werden, wenn die Entscheidung zumindest teilweise vom Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängig ist, das Gegenstand eines anderen Prozesses ist. Zweck der Aussetzung ist es, Ergebnisse des einen Prozesses für einen anderen verwertbar zu machen und dadurch die Entscheidungsqualität zu verbessern, die Prozeßwirtschaftlichkeit zu fördern und die Gefahr widersprechender Entscheidungen zu verringern. 8 Die von § 148 ZPO vorausgesetzte Vorgreiflichkeit liegt vor, wenn im anderen Prozeß eine bindende Feststellung über eine Rechtsfolge getroffen wird, die zum Tatbestand der im auszusetzenden Prozeß begehrten Rechtsfolge gehört (Präjudizialität im engen Sinne).9 Nicht unbedingt erforderlich ist jedoch eine Rechtskraft- bzw. Bindungswirkung der Entscheidung im anderen Verfahren auf den auszusetzenden Prozeß.1O Darüber, welche Fälle über die Präjudizialität im engen Sinne hinaus von § 148 ZPO erfaßt werden, besteht keine Einigkeit. Mittenzwei will die Anwendung des § 148 ZPO auf den Bereich von Rechtskraftkonflikten beschränken, weil jenseits dieser Grenze das Beschleunigungsinteresse der Parteien überwiege. 11 Vielfach wird angenommen, es genüge ein "rechtlicher Einfluß"12 der Entscheidung im anderen Verfahren auf das auszusetzende, so z.B. wenn die rückwirkende Gestaltungskraft einer in dem anderen Rechtsstreit zu erlassenden Entscheidung für den Ausgang des Rechtsstreits erheblich ist 13 oder wenn die Aufrechnung mit einer Forderung geltend gemacht wird, die bereits anderweitig rechtshängig ist. 14 Über den Rechtskraftumfang geht man insbesondere hinsichtlich der Parteien hinaus. 15 Ausreichend ist auch, daß sich die in dem SteinlJonaslRoth, § 148 ZPO Rdnr. 4. Mittenzwei, S. 82. 10 SteinlJonaslRoth, § 148 ZPO Rdnr. 22; AK-ZPO-Göring, § 148 ZPO Rdnr. 3; ThomaslPutzo, § 148 ZPO Rdnr. 3; Wieczorek, § 148 ZPO Anm. B 11 a 3; Herrmann, S. 69. 11 Mittenzwei, S. 115. 12 SteinlJonaslRoth, § 148 ZPO Rdnr. 22; AK-ZPO-Göring, § 148 ZPO Rdnr. 3; BaumbachlLauterbachlHartmann, § 148 ZPO Rdnr. 2. 13 AK-ZPO-Göring, § 148 ZPO Rdnr. 3; K. Schmidt, NJW 1979, 409, 411; Mittenzwei, S. 121. 14 SteinlJonaslRoth, § 148 ZPO Rdnr.26; MünchKomm-Peters, § 148 ZPO Rdnr.7; AK-ZPO-Göring, § 148 ZPO Rdnr.3; BaumbachlLauterbachlHartmann, § 148 ZPO Rdnr. 3. 15 AK-ZPO-Göring, § 148 ZPO Rdnr.4; ThomaslPutzo, § 148 ZPO Rdnr. 4; BaumbachlLauterbachlHartmann, § 148 ZPO Rdnr.2. Nach Ansicht von Steinl JonaslRoth, § 148 ZPO Rdnr.28, muß bei Verschiedenheit der Parteien über das Rechtsverhältnis im anderen Verfahren jedoch rechtskräftig entschieden werden. 8

9

I. Koordinierung konnexer Verfahren im innerstaatlichen Bereich

227

anderen Verfahren zu treffende Entscheidung lediglich auf eine Tatsachenfeststellung im auszusetzenden Verfahren auswirkt. 16 Manche sind der Meinung, § 148 ZPO sei bereits dann anwendbar, wenn beide Klagen von einer gemeinsamen Vorfrage abhängig sind.17 Eine Bindungswirkung sei nicht erforderlich, vielmehr genüge eine sog. "Ausstrahlungswirkung" . Diese extensive Auslegung des § 148 ZPO wird mit dem Zweck der Norm begründet, widersprechende Entscheidungen zu vermeiden und der Prozeßökonomie zu dienen. 18 Die direkte Anwendung des § 148 ZPO auf alle Fälle, in denen widersprechende Entscheidungen möglich sind, wäre jedoch mit seinem Wortlaut nicht vereinbar .19 Der Gesetzgeber hat die Aussetzungsmöglichkeit bewußt an bestimmte Voraussetzungen gebunden, bei deren Vorliegen eine Prozeßverzögerung hinzunehmen ist, weil die möglichen Folgen einer unkoordinierten Durchführung der Verfahren in diesem Bereich besonders schwer erträglich wären. Außerdem kann eine Verfahrensaussetzung volle Wirkung nur entfalten, wenn in dem Verfahren, zu dessen Gunsten die Aussetzung erfolgt, die für das auszusetzende Verfahren relevante Frage bindend entschieden wird. Daß die Entscheidung beider Klagen von derselben Vorfrage abhängig ist, genügt somit nicht. 20 Der Anwendungsbereich des § 148 ZPO bleibt weit hinter dem des Art. 22 Abs. 3 zurück. 21

3. Analoge Anwendung des § 148 ZPO über Präjudizialität hinaus Eine erweiterte Berücksichtigung der Konnexität könnte dadurch erreicht werden, daß § 148 ZPO über die Präjudizialität hinaus auf solche Fälle entsprechend angewendet wird, in denen die Gefahr besteht, daß bei getrennter Durchführung der Verfahren widersprechende Entscheidungen entstehen. Auch wenn die Vorschrift an sich als abschließende Regelung gedacht war, 16 BaumbachlLauterbachlHartmann, § 148 ZPO Rdnr.2; ZöllerlStephan (17. Aufl.), § 148 ZPO Rdnr. 5; Hellwig I, S. 161. 17 MünchKomm-Peters, § 148 ZPO Rdnr. 10; ZöllerlStephan (17. Aufl.), § 148 ZPO Rdnr. 5. 18 So MünchKomm-Peters, § 148 ZPO Rdnr. 10. 19 Gegen eine solche Ausdehnung auch SteinlJonaslRoth, § 148 ZPO Rdnr.22; ThomaslPutzo, § 148 ZPO Rdnr. 3; Wieczorek, § 148 ZPO Anm. B 11 a 2. 20 So auch OLG Köln NJW 1958, 106; OLG Köln MDR 1983, 848; OLG Nürnberg MDR 1963, 507; SteinlJonaslRoth, § 148 ZPO Rdnr. 22; ZöllerlGreger, § 148 ZPO Rdnr. 5; Wieczorek, § 148 ZPO Anm. B 11 a 2. 21 A.A. Rohner, S. 165, der meint, es genüge für § 148 ZPO, wenn beide Ansprüche von der Entscheidung über eine gemeinsame Tatsachenfrage abhängen, so daß sein Anwendungsbereich dem des Art. 22 EuGVÜ entspreche. 15'

228 § 9 Koordinierung konnexer Verfahren nach geltendem deutschem Recht

kommt eine Analogie in Frage. 22 Allerdings sind an eine entsprechende Anwendung der Aussetzungsmöglichkeit hohe Anforderungen zu stellen; denn die Parteien haben Anspruch auf Rechtsschutzgewährung innerhalb angemessener Zeit. 23 Eine analoge Anwendung des § 148 ZPO auf weitere Konnexitätsfälle wird in der deutschen Literatur insbesondere für Massenverfahren bzw. Musterprozesse diskutiert. "Massenverfahren " sind durch eine große Anzahl paralleler Einzelverfahren charakterisiert, die jeweils einen geringfügigen Streitwert haben und erst in ihrer Gesamtheit eine Bedeutung gewinnen, die eine Rechtsverfolgung wirtschaftlich sinnvoll erscheinen läßt. Durch einen "Musterprozeß" soll eine Rechtsfrage, der die Parteien oder auch Dritte eine Bedeutung über die Entscheidung des konkreten Rechtsstreites hinaus auch für andere Verfahren zumessen, mit einer gewissen Breitenwirkung entschieden werden. 24 In solchen Fällen stellt sich die Frage, welche Möglichkeit die Gerichte zur Koordinierung der Entscheidungen haben, wenn nicht alle Parteien mit einem vorübergehenden Stillstand des einzelnen Verfahrens (§ 251 ZPO) einverstanden sind. Da solche "Parallelverfahren" nicht voneinander, sondern lediglich von derselben Vorfrage abhängig sind, scheidet eine Verfahrensaussetzung in direkter Anwendung des § 148 ZPO nach h.M. aus. 25 Für den Fall einer großen Zahl von Verfahren wird es zum Teil für sinnvoll erachtet, eine Aussetzung in analoger Anwendung des § 148 ZPO bis zum Ergehen einer höchstrichterlichen Entscheidung in einem der Verfahren zuzulassen, damit die Gerichte entlastet und widersprechende Entscheidungen vermieden werden. 26 Hierfür kann angeführt werden, daß eine analoge Anwendung des § 148 ZPO im Hinblick auf eine gesetzliche Neuregelung zugelassen wird, wenn das Bundesverfassungsgericht ein Gesetz für verfassungswidrig erklärt hat, von dessen Anwendung die Entscheidung abhängt. 27 Eine höchstrichterliche Entscheidung kann aber in ihrer tatsächlichen Auswirkung einer Gesetzesänderung gleichkommen. 28 Der Justizgewährungsan22 SteinlJonaslRoth, § 148 ZPO Rdnr. 2 und 13. 23 Vgl. Mittenzwei, S. 17; SteinlJonaslRoth, § 148 ZPO Rdnr. 14. 24 Kempj, ZZP 73 (1960), 342. 25 ZöllerlGreger, § 148 ZPO Rdnr.5; Stürner, JZ 1978, 499, 501; a.A: MünchKomm-Peters, § 148 ZPO Rdnr. 10. 26 So Stürner, JZ 1978, 499, 501; LAG DüsseldorflKö[n EzA § 148 ZPO Nr. 1; dagegen Dütz, BB 1978, 213, 215; ZöllerlGreger, § 148 ZPO Rdnr. 5; SteinlJonasl Roth, § 148 ZPO Rdnr. 16. Das BVerfG, NJW 1980, 1511, hat das Vorgehen eines Verwaltungsgerichts für verfassungsmäßig erklärt, das nur einzelne von einer großen Zahl parallel gelagerter Verfahren terminiert und die anderen zurückgestellt hatte. Kritisch dazu Stürner, JZ 1978, 499, 501. 27 Vgl. SteinlJonaslSchumann, § 148 ZPO Rdnr. 99 m.w.N. 28 Kempj, ZZP 73 (1960), 342, 344.

I. Koordinierung konnexer Verfahren im innerstaatlichen Bereich

229

spruch des Klägers würde durch eine solche Aussetzung auch nicht unzumutbar beeinträchtigt. Denn eine im Einzelverfahren relativ rasch getroffene höchstrichterliche Entscheidung ermöglicht eine einheitliche Entscheidung aller Verfahren, die für den einzelnen Kläger kaum langsamer, insgesamt aber erheblich prozeßökonomischer ist als die durch alle Instanzen parallele Durchführung sämtlicher Verfahren. 29 Diese Überlegungen lassen sich jedoch nicht ohne weiteres auf die Situation von einzelnen zusammenhängenden Klagen übertragen. 30 Durch eine Aussetzung zugunsten eines Parallel verfahrens kann kein so deutlicher Effektivitätsgewinn erzielt werden, der den in der Verzögerung der Rechtsschutzgewährung liegenden Nachteil für die Parteien eindeutig überwiegen würde. Denn eine Aussetzung kann bei fehlender Bindungswirkung der Entscheidung über die gemeinsame Frage im anderen Verfahren nur begrenzt zur Koordinierung beitragen. Der Umstand allein, daß Widersprüche zwischen Entscheidungen über verschiedene Klagen drohen, genügt somit nicht für eine entsprechende Anwendung des § 148 ZPO.

4. Entsprechende Anwendung des § 36 ZPO Man könnte für Fälle, in denen konnexe Klagen vor verschiedenen Gerichten anhängig sind, eine entsprechende Anwendung des § 36 ZPO erwägen. § 36 ZPO ermöglicht die gerichtliche Bestimmung eines zuständigen Gerichts, wenn die gesetzliche Zuständigkeitsregelung versagt. Eine analoge Anwendung auf andere als in der Norm aufgezählten Fälle erscheint in Ausnahmefällen möglich. 3 ! In Betracht kommt eine Analogie zu § 36 Nr. 3 ZPO, der die Bestimmung eines gemeinsamen Gerichtsstandes für Klagen gegen mehrere Streitgenossen zuläßt. Die Vorschrift regelt allerdings die Situation, daß der Kläger mehrere Personen gemeinsam verklagen will und ihm hierfür eine gemeinsame Zuständigkeit fehlt. Sie schafft hingegen keine Möglichkeit der Koordinierung zusammenhängender Klagen, die trotz Bestehens einer gemeinsamen Zuständigkeit bei verschiedenen Gerichten erhoben worden sind. Eine entsprechende Anwendung des § 36 Nr. 3 ZPO zur Koordinierung konnexer Verfahren scheidet daher aus.

29 Stürner, JZ 1978, 499, 501. 30 Stürner, JZ 1978,499,501. 3! Stein/Jonas/Schumann, § 36 ZPO Rdnr. 3; MünchKomm-Patzina, § 36 ZPO Rdnr. 4: Nur wenn dies zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes erforderlich ist.

230 § 9 Koordinierung konnexer Verfahren nach geltendem deutschem Recht

5. Vemeinung des Rechtsschutzbedür/nisses Werden konnexe Klagen vor verschiedenen Gerichten erhoben, könnte man das Rechtsschutzbedürfnis für die spätere von ihnen verneinen. Das Rechtsschutzbedürfnis, d.h. das berechtigte Interesse eines in seinen Rechten Beeinträchtigten daran, ein Gericht zur Erlangung von Rechtsschutz in Anspruch zu nehmen, ist Voraussetzung für die Zulässigkeit jeder Klage. Es fehlt, wenn Rechtsschutz auch ohne gerichtliche Hilfe erreichbar ist, wenn die Klage zweckwidrig ist oder das angestrebte Ziel erheblich einfacher oder billiger erreicht werden kann. 32 Es wäre demnach denkbar, eine Klage mit der Begründung abzuweisen, daß die Rechtsverfolgung ebenso vor dem bereits mit einem konnexen Verfahren befaßten Gericht möglich und dort mit weniger Aufwand verbunden wäre. 33 Diese Meinung vertritt Habscheid34 für den Fall, daß während der Anhängigkeit einer Teilklage eine zweite Teilklage hinsichtlich des Restanspruchs vor einem anderen Gericht erhoben wird. Da der Kläger die Möglichkeit habe, die erste Klage gemäß § 268 Nr. 2 ZPO zu erweitern, sei eine neue Klage eine unnötige Belastung der Justiz. Entsprechendes soll z.B. auch für eine Klage aus Wechsel, Scheck oder Anerkenntnis während der Anhängigkeit einer Klage aus Vertrag gelten. 35 Wieser36 verneint aus demselben Grund das Rechtsschutzbedürfnis für eine selbständige Leistungsklage nach einer Feststellungsklage. Zulässig sei während der Anhängigkeit der Feststellungsklage in erster Instanz nur eine Leistungswiderklage. 37 Dagegen spricht, daß dem Kläger in § 35 ZPO ein Wahlrecht zwischen mehreren zuständigen Gerichten eingeräumt ist. Das Wahlrecht könnte zwar eingeschränkt werden, im allgemeinen Rechtsschutzbedürfnis kann hierfür jedoch keine ausreichende Grundlage gesehen werden. Dieses Institut soll überflüssige und zweckwidrige Prozesse verhindern, ist aber kein geeignetes Mittel, die jeweils ökonomischste Verfahrensgestaltung durchzusetzen. G. Lüke warnt zu Recht davor, das Rechtsschutzbedürfnis zu mißbrauchen, um dogmatisch nicht hinreichend geklärte Fragen bei ihm unterzubringen. 38 32 Rosenberg/Schwab/Gottwald, § 92 IV 1; Stein/Jonas/Schumann, vor § 253 ZPO Rdnr. 10 1 ff. 33 Dies erwägt Schlosser, IPRax 1985, 16, 17. 34 Habscheid, Streitgegenstand, S. 275. 35 Habscheid, Streitgegenstand, S. 280. 36 Wieser, S. 186 ff. 37 Im Ergebnis ebenso MünchKomm-G. Lüke, § 261 ZPO Rdnr.64; Blomeyer, § 49 m 2; gegen die Pflicht zur Erhebung einer Widerklage Stein/Jonas/Schumann, § 33 ZPO Rdnr. 22. 38 MünchKomm-G. Lüke, vor § 253 ZPO Rdnr. 11; gegen eine zu weite Ausdehnung des allgemeinen Rechtsschutzbedürfnisses auch Stein/Jonas/Schumann, vor § 253 ZPO Rdnr. 101, 108.

I. Koordinierung konnexer Verfahren im innerstaatlichen Bereich

231

Der hier fragliche Aspekt der Konzentrationslast wird von dem, was im allgemeinen unter Rechtsschutzbedürfnis verstanden wird, nicht erfaßt. Somit ist eine Klageabweisung wegen fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses aufgrund der Anhängigkeit eines konnexen Verfahrens vor einem anderen Gericht im allgemeinen nicht möglich.

6. Spezielle Koordinierungsmöglichkeiten in Drittbeteiligungsfällen Anders als in den romanischen Rechtsordnungen39 können nach deutschem Recht Dritte zwar grundsätzlich nicht in das Verfahren einbezogen werden. Jedoch wurde eine gewisse Koordinierung in Drittbeteiligungsfällen für erforderlich gehalten, weil die Rechtskraftwirkung Dritte in der Regel nicht erfaßt. Aus diesem Grunde wurden insbesondere die Institute der Nebenintervention und der Streitverkündung geschaffen. Zu untersuchen ist, ob die Institute der Drittbeteiligung des deutschen Rechts in ihrer Wirkung der des Art. 22 für einen Teilbereich der Konnexität entsprechen.

Nebenintervention ist die Beteiligung eines Dritten an der Führung eines fremden Rechtsstreits zur Unterstützung einer Partei aus eigenem Interesse (§ 66 ZPO).40 Die Streitverkündung geht dagegen nicht vom Dritten aus, sondern von einer der Parteien des Hauptprozesses, die im Falle ihrer Niederlage einen Anspruch gegen den Dritten (auf Gewährleistung oder Schadloshaltung) erheben kann oder einen solchen Anspruch des Dritten zu befürchten hat (§ 72 ZPO).41 Der Dritte ist infolge von Nebenintervention und Streitverkündung, obwohl er nicht Partei des Hauptverfahrens wird, in einem nachfolgenden Rechtsstreit mit der unterstützten Partei in gewissem Umfang an die Ergebnisse des Hauptprozesses gebunden. Die Interventionswirkungen (§ 68 ZPO) schließen über den Urteilsspruch hinaus auch die tatsächlichen und rechtlichen Feststellungen in bezug auf die tragenden Gründe mit ein. 42 Verhindert wird dadurch z.B., daß in Regreßfallen eine Regreßpflicht wegen 39 Durch die sog. Interventions- bzw. Garantieklage kann ein Dritter in einem Verfahren (auch entgegen allgemeinen Zuständigkeitsregeln) in Anspruch genommen werden, so daß ein Urteil mit Wirkung gegenüber allen Beteiligten ergeht, vgl. J. Schröder, S. 572 ff.; Geimer, WM 1979, 350, 359 f.; speziell zum französischen Recht Schober, S. 95 ff. Auch das englische Recht ermöglicht eine echte Drittbeteiligung ("third party notice"), Rules of the Supreme Court, Order 16 r. 1-8, in: The SUl'Jeme Court Practice 1988 I. Stein/Jonas/Bork, § 66 ZPO Rdnr. 1; Rosenberg/Schwab/Gottwald, § 50 I; Lammenett, S. 176; vgl. auch Schuttes, S. 6,ff, 41 Ausführlich dazu Schuttes, S. 47 ff. 42 Ständige Rechtsprechung, vgl. BGHZ 8, 72; BGHZ 103, 275, 278; E. Schneider, MDR 1961, 3 f.; Rosenberg/Schwab/Gottwald, § 50 V 2.

232 § 9 Koordinierung konnexer Verfahren nach geltendem deutschem Recht

Nichtbestehens der Hauptverbindlichkeit verneint wird oder der Geschädigte in Fällen alternativer Haftung den Prozeß gegen beide mögliche Schädiger verliert. 43 Durch diese Institute kann somit zwar eine Kohärenz zwischen Entscheidungen über sachlich zusammenhängende Ansprüche erreicht werden. Die Koordinierung erfolgt jedoch nicht durch die Verbindung mehrerer Verfahren zu einem, sondern durch eine erweiterte Bindungswirkung auf das nachfolgende Verfahren und die Einbeziehung des Dritten in untergeordneter Stellung in das erste Verfahren zur Wahrung seiner Rechte. Die zusammenhängenden Verfahren werden nicht gleichzeitig, sondern nacheinander durchgeführt. Bei gleichzeitiger Anhängigkeit von Erst- und Regreßprozeß ist eine Koordinierung nur gemäß § 147 bzw. § 148 ZPO möglich. Eine Verbindung gemäß § 147 scheidet in der Regel allerdings wegen Fehlens einer gemeinsamen Zuständigkeit aus. 44 Die Hauptintervention ermöglicht es einem Dritten, gegen beide Parteien eines anhängigen Rechtsstreits vor dem damit befaßten Gericht zu klagen, wenn er das zwischen den Parteien streitige Recht ganz oder teilweise für sich in Anspruch nimmt (§ 64 ZPO). Zweck der Hauptintervention ist neben der Erleichterung der Rechtsverfolgung die Vermeidung widersprechender Entscheidungen sowie die Verfahrenskonzentration. 45 Zwar entsteht aufgrund der Hauptintervention keine Bindungswirkung zwischen Haupt- und Interventionsprozeß46, es entscheidet jedoch dasselbe Gericht, so daß Tat- und Rechtsfragen einheitlich beurteilt werden. Haupt- und Interventionsprozeß sind an sich selbständige Verfahren47 , allerdings kann gemäß § 147 ZPO eine Verbindung erfolgen, was in aller Regel auch zweckmäßig ist. 48 Weiterhin kann der Hauptprozeß gemäß §§ 65, 148 ZPO bis zur Entscheidung des Interventionsprozesses ausgesetzt werden. 49 Dies kommt insbesondere dann in Betracht, wenn sich die Verfahren in unterschiedlicher Instanz befinden und 43 Ros(/nbergISchwabIGottwald, § 51 I. 44 RosenberglSchwablGottwald, § 51 V. 45 Motive, S. 84: "zu einer Minderung der Prozesse und zur Vermeidung widersprechender Urtheile"; ZöLlerlVollkommer, § 64 ZPO Rdnr. I. 46 RosenberglSchwablGottwald, § 52 IV; SteinllonaslBork, § 64 ZPO Rdnr. 20. 47 MünchKomm-Schilken, § 64 ZPO Rdnr. 16; ZöLlerlVollkommer, § 64 ZPO Rdnr. 1; Koussoulis, ZZP 100 (1987),211,216. Daher handelt es sich nicht um eine Beteiligung Dritter im eigentlichen Sinne, MünchKomm-Schilken, § 64 ZPO Rdnr. 1; SteinllonaslBork, § 64 Rdnr. 1; Koussoulis, ZZP 100 (1987), 211, 225. Kritisch zur Selbständigkeit Picker, FS F1ume (1978) I, S. 649,707 ff. 48 RosenberglSchwablGottwald, § 52 m 4; MünchKomm-Schilken, § 64 ZPO Rdnr. 16; SteinllonaslBork, § 64 ZPO Rdnr. 17; Picker, FS F1ume (1978) I, S. 649, 707 ff. 49 Kritisch zum praktischen Wert einer solchen Aussetzung Graßhoff, ZZP 60 (1936/37), 242, 246.

11. Konnexe Verfahren vor ausländischen Gerichten

233

eine Verbindung daher ausscheidet. 50 Durch die ausschließliche Zuständigkeit des mit der Hauptsache befaßten Gerichts auch für die Interventionsklage bewirkt die Hauptintervention demnach indirekt eine erweiterte Koordinationsmöglichkeit. Jedoch kann eine Koordinierung nur unter der Voraussetzung erfolgen, daß sich der Dritte der Möglichkeit der Hauptintervention bedient. 51 Streitverkündung, Neben- und Hauptintervention stimmen somit zwar in ihrer Zielsetzung weitgehend mit Art. 22 überein, sie erlauben jedoch keine nachträgliche Koordinierung konnexer Verfahren durch verschiedene, bereits damit befaßte Gerichte. Die Einbeziehung weiterer Parteien in den Prozeß und somit die Koordinierung der Entscheidung über miteinander zusammenhängende Ansprüche zwischen verschiedenen Personen hängt in jedem Fall vom Willen der Parteien ab.

11. Berücksichtigung konnexer Verfahren vor ausländischen Gerichten

Das autonome deutsche Zivilprozeßrecht kennt den Einwand der Unzulässigkeit eines inländischen Verfahrens wegen Konnexität mit einem im Ausland anhängigen Verfahren nicht. 52 In Betracht kommt jedoch eine Ausset zung in entsprechender Anwendung des § 148 ZPO bzw. eine Klageabweisung nach den Grundsätzen des "forum non conveniens".

1. Aussetzung gemäß § 148 ZPO analog zugunsten eines ausländischen Verfahrens Es besteht weitgehend Einigkeit darüber, daß § 148 ZPO entsprechend auf internationale Fälle angewendet werden kann. 53 Eine analoge Anwendung des § 148 ZPO wird insbesondere für die internationale Rechtshängigkeit vorgeschlagen, da eine Abweisung der Klage in entsprechender Anwendung des § 261 Abs.3 Nr. 1 ZP054 vor allem wegen der Unsicherheit der Anerken50 Stein/fonas/Bork, § 64 ZPO Rdnr. 17; MünchKomm-Schilken, § 64 ZPO Rdnr. 16: Andernfalls ist eine Verbindung gemäß § 147 ZPO zumeist sachgerechter. 51 Die Tatsache, daß es sich um eine ausschließliche Zuständigkeit handelt, schließt nicht eine getrennte Klageerhebung gegen die Parteien des Hauptprozesses in deren jeweiligem allgemeinem Gerichtsstand aus, Zöller/Vollkommer, § 64 ZPO Rdnr. 4; MünchKomm-Schilken, § 64 ZPO Rdnr. 11. 52 Schlosser, IPRax 1985, 16 f. 53 Allgemeine Meinung, vgl. Stein/fonas/Roth, § 148 ZPO Rdnr. 140: Nachträglich aufgetretene planwidrige Lücke. 54 Siehe oben § 1 IV 1 a.

234 § 9 Koordinierung konnexer Verfahren nach geltendem deutschem Recht

nungsprognose hinsichtlich der künftigen ausländischen Entscheidung das Rechtsschutzinteresse des Klägers verletzen kann. 55 Wenn vor einem ausländischen Gericht eine Klage über einen Präjudizialpunkt des inländischen Streitgegenstandes anhängig ist und die dortige Entscheidung voraussichtlich anerkennungsfahig sein wird, kann das inländische Verfahren in entsprechender Anwendung des § 148 ZPO ausgesetzt werden. 56 Jedoch werden diesbezüglich vor allem für den Fall vertauschter Parteirollen Bedenken wegen des Justizgewährungsanspruchs des Klägers geäußert. 57 Es könne nicht angehen, daß eine im Inland verklagte Partei ihre Gerichtspflichtigkeit vor deutschen Gerichten unterläuft, indem sie später einen Rechtsstreit im Ausland anhängig macht, der eine Vorfrage des inländischen Prozesses betrifft. Diese Bedenken können dadurch ausgeräumt werden, daß dem Justizgewährungsanspruch des Klägers in der Ermessensentscheidung über die Aussetzung gemäß § 148 ZPO erhöhtes Gewicht beigelegt und zudem berücksichtigt wird, welches Verfahren früher eingeleitet wurde. Die Aussetzung zugunsten des ausländischen Verfahrens muß dem Kläger des deutschen Verfahrens unter den jeweiligen Umständen zugemutet werden können. Eine dem Art. 22 Abs. 1 gleichkommende Möglichkeit der Koordinierung konnexer Verfahren auch im Verhältnis zu Nichtvertragsstaaten ergäbe sich aus § 148 ZPO nur, wenn er über die Fälle der Präjudizialität hinaus entsprechend auch auf Fälle bloßer Konnexität angewendet werden könnte. In diese Richtung geht eine Entscheidung des LG Frankfurt. 58 Das Gericht hatte über einen Zahlungsanspruch aus einem Vertrag zu entscheiden, dessen Wirksamkeit Gegenstand einer negativen Feststellungsklage vor einem spanischen Gericht war. Das Gericht hat das Verfahren gemäß § 148 ZPO ausgesetzt, 55 Linke, IPRax 1994, 17; Schack, RabelsZ 58 (1994), 40, 52 f.; ders., ZZP 107 (1994), 279, 293 f.; Geimer, IZPR, Rdnr.2724; ders., NJW 1984, 527, 528; Habscheid, RabelsZ 31 (1967), 254, 267; ders., FS Zweigert (1981), S. 109, 112, 114; Rauscher, IPRax 1994, 188, 191; Rosenberg/Schwab/Gottwald, § 100 II 1 a; OLG Karlsruhe FamRZ 1970, 410, 412; a.A. Stein/Jonas/Roth, § 148 ZPO Rdnr. 142; Schumann, IPRax 1988, 13, 14. Der Entwurf eines Gesetzes über das httemationale Privat- und Verfahrens recht von Neuhaus/Krophol/er, RabelsZ 44 (1980), 326, 340, sah die Anfügung eines zweiten Absatzes an § 148 ZPO vor, der lauten soll: "Das Gericht kann das Verfahren aussetzen, wenn hinreichende Aussicht besteht, daß innerhalb angemessener Zeit eine ausländische Entscheidung über den Streitgegenstand ergehen wird, die im htland anerkannt werden kann. " 56 Schack, RabelsZ 58 (1994), 40, 55; Stein/Jonas/Roth, § 148 ZPO Rdnr. 140; Thomas/Putzo, § 148 ZPO Rdnr. 4; Zöller/Greger, § 148 ZPO Rdnr. 6; OLG FraTlkfurt NJW 1986, 1443. 57 Geimer, IZPR, Rdnr. 2713; ders., NJW 1987, 3085 f. 58 Nicht veröffentlichter Beschluß vom 26.04.1985 - 3/7 0 51/85, Auszüge bei Löber, IPRax 1986,283,284.

ll. Konnexe Verfahren vor ausländischen Gerichten

235

obwohl die künftige spanische Entscheidung keine Bindungswirkung für das deutsche Verfahren entfaltet hätte. Begründet wurde dies damit, daß das spanische Gericht viel eher als die deutsche Gerichtsbarkeit imstande sei, eine zutreffende Ennittlung der Tatsachen und eine sachkundige Würdigung der angetretenen Beweise vorzunehmen. Zudem könne, weil auf den Vertrag spanisches Zivilrecht anzuwenden sei, ein spanisches Gericht kompetenter entscheiden. Auch wenn sich die Rechtskraft der Entscheidung im spanischen Verfahren nicht auf das inländische Verfahren erstrecke, habe diese jedenfalls einen "wesentlichen rechtlichen Einfluß" auf die im deutschen Verfahren zu treffende Sachentscheidung. Dies genüge für eine Aussetzung gemäß § 148 ZPO; denn Zweck dieser Regelung sei es, widersprüchliche Entscheidungen im Hinblick auf das gleiche Rechtsverhältnis zu vermeiden. Das OLG Frankfurt59 ist dieser Rechtsauffassung in seiner Entscheidung über die Beschwerde des Klägers gegen den Aussetzungsbeschluß entgegengetreten. Die Entscheidung im ausländischen Verfahren müsse Rechtskraft im inländischen Verfahren wirken und zudem anerkennungsfähig sein. Die bloße Gefahr widersprechender Entscheidungen genüge für eine Aussetzung gemäß § 148 ZPO nicht. Dem ist zuzustimmen, da die entsprechende Anwendung des § 148 ZPO im zwischenstaatlichen Bereich nicht weiter gehen kann als im innerstaatlichen Bereich6O • Eine analoge Anwendung des § 148 ZPO auf die internationale Konnexität im allgemeinen scheidet aus. Eine solche Ausdehnung wird allerdings in der Reformdiskussion vorgeschlagen. So enthält der Entwurf von NeuhauslKropholler die Anregung, den von ihnen vorgeschlagenen § 148 Abs.2 ZPO, der die Aussetzung zugunsten eines ausländischen Verfahrens über denselben Streitgegenstand ermöglichen S01l61 , analog auch auf Fälle bloßen Zusammenhangs zwischen Klagen anzuwenden. Dies sollte jedoch dem Ermessen der Praxis überlassen bleiben. 62

2. Forum non conveniens Der Umstand, daß ein konnexes Verfahren bereits im Ausland rechtshängig ist, könnte in Anwendung der Grundsätze des "forum non conveniens" Berücksichtigung finden. 63 Von manchen Autoren64 und vereinzelt auch in 59 OLG Frankfurt NJW 1986, 1443. 60 Siehe dazu oben I 3. 61 Siehe oben § 9 Fn. 55. 62 Neuhaus/Kropholler, RabelsZ 44 (1980), 326, 340. 63 Schlosser, IPRax 1985, 16, 17, hält dies für vertretbar. 64 U. Wahl, S. 119 ff.; Jayme, IPRax 1984, 121, 124; dagegen Schack, RabelsZ 58 (1994), 40, 42 f.; Kropholler, Hdb. IZVR I, Kap. m Rdnr. 208.

236 § 9 Koordinierung konnexer Verfahren nach geltendem deutschem Recht

der Rechtsprechung 65 wird angenommen, daß die deutsche internationale Zuständigkeit entsprechend der Theorie vom "forum non conveniens" eingeschränkt werden könne. Gegen eine Übernahme dieser Theorie in das deutsche Prozeßrecht de lege lata bestehen jedoch erhebliche Bedenken. Denn § 35 ZPO räumt dem Kläger das Wahlrecht nicht nur zwischen verschiedenen deutschen Gerichten ein, die für die Klage zuständig sind, sondern auch zwischen den Gerichten verschiedener Staaten, die eine internationale Zuständigkeit für den Anspruch besitzen. 66 Der weite Spielraum der Lehre vom "forum non conveniens" paßt außerdem nicht zu dem geschlossenen Zuständigkeitssystem des deutschen Zivilprozeßrechts, das auf gesetzlich typisierten Zuständigkeits interessen beruht. 67 Durch die Interessenabwägung im Einzelfall würde die Wertentscheidung zugunsten der Rechtssicherheit aufgehoben. 68 Eine Anwendung dieser Grundsätze kann in Konflikt mit dem Justizgewährungsanspruch sowie mit dem Recht auf den gesetzlichen Richter geraten. 69 Einer Übernahme der "forum non conveniens"-Lehre in das deutsche Recht de lege ferenda stünden diese Argumente wohl dann nicht entgegen, wenn die Anwendungsvoraussetzungen hinreichend präzisiert würden. 70 Ohne gesetzliche Grundlage ist jedoch die Ablehnung der internationalen Zuständigkeit durch die deutschen Gerichte aufgrund von Eignungsgesichtspunkten nicht zulässig. Ein die Abweisung rechtfertigender Rechtsmißbrauch liegt bei bloßer Ausnutzung des Wahlrechts zwischen konkurrierenden Zuständigkeiten für einzelne miteinander zusammenhängende Klagen nicht vor.? 1

III. Ergebnis zur Situation de lege tata

De lege lata kommt im deutschen Recht die Berücksichtigung der Konnexität zwischen bereits anhängigen Zivilprozessen nur in geringem Umfang in Betracht. Voraussetzung hierfür ist, daß die Klagen entweder bei demselben 65 Insbesondere im Bereich der freiwilJigen Gerichtsbarkeit, so z.B. OLG Frankfurt IPRax 1983, 294; vgl. Pfeiffer, Internationale Zuständigkeit, S.421 ff.; Schack, RabelsZ 58 (1994), 40, 42; KrophoLler, Hdb. IZVR I, Kap. m Rdnr. 205. 66 § 35 gilt entsprechend für die internationale Zuständigkeit, Stein/Jonas/ Schumann, § 35 ZPO Rdnr. 8; MünchKomm-Patzina, § 35 ZPO Rdnr.7; Schack, IZVR, Rdnr. 197. 67 KrophoLler, Hdb. IZVR I, Kap. m Rdnr. 208;' Schack, RabelsZ 58 (1994), 40, 45 f. 68 KrophoLler, Hdb. IZVR I, Kap. m Rdnr. 209; Schack, IZVR, Rdnr.502; Pfefer, Internationale Zuständigkeit, S. 413; Geimer, FS Schwind (1993), S. 17,22. 6 Schlosser, IPRax 1983,258 f. 70 Schack, IZVR, Rdnr. 499. 71 Schack, IZVR, Rdnr. 501.

ill. Ergebnis zur Situation de lege lata

237

Gericht anhängig sind (§ 147 ZPO) oder in einem Präjudizialitätsverhältnis zueinander stehen (§ 148 ZPO). Jedoch haben die Parteien in weiten Bereichen die Möglichkeit, konnexe Klagen gemeinsam zu erheben bzw. in einen Prozeß weitere, mit dem ursprünglich geltend gemachten Anspruch zusammenhängende Ansprüche einzuführen. So können Ansprüche zwischen denselben Parteien gemäß § 260 ZPO ohne weiteres gemeinsam erhoben werden, sofern eine gemeinsame Zuständigkeit dafür existiert. Hierfür ist noch nicht einmal ein Sachzusammenhang zwischen den Ansprüchen erforderlich. Die in der Übereinstimmung der Parteien liegende Beziehung ist ausreichend. Ob der Kläger die verschiedenen Ansprüche gegen den Beklagten in getrennten Verfahren oder aber gemeinsam verfolgen will, steht in seinem Belieben.72 Die Verbindung von Klagen zwischen verschiedenen Parteien (Streitgenossenschaft) setzt neben der Zuständigkeit des Gerichts für alle Klagen aufgrund allgemeiner Regeln nur einen schwachen Zusammenhang voraus (§ 60 ZPO läßt gleichartige tatsächliche und rechtliche Gründe genügen). Jedoch ist es auch hier Sache der Parteien, ob die Ansprüche durch oder gegen mehrere Personen in einer Klage vereinigt werden bzw. ob weitere Kläger oder Beklagte später in ein Verfahren einbezogen werden. 73 Für zusammenhängende Ansprüche des Klägers gegen mehrere Streitgenossen kann· außerdem, sofern ein gemeinsamer Gerichtsstand fehlt, gemäß § 36 Nr. 3 ZPO ein solcher durch das im Instanzenzug übergeordnete, das gemeinsame nächsthöhere Gericht bestimmt werden. 74 Eine Gerichtsstandsbestimmung erfolgt allerdings nur auf Antrag des Klägers (vgl. den Wortlaut des § 37 ZPO: "Gesuch").75 Nach geltendem deutschem Recht haben die Parteien also grundsätzlich die Möglichkeit, zusammenhängende Ansprüche, für die eine gemeinsame Zuständigkeit aufgrund allgemeiner Regeln besteht, in einem Prozeß zu verfolgen. Dagegen ist, wenn sich der Kläger für die Anrufung verschiedener Gerichte entschieden hat, eine nachträgliche Verbindung zusammenhängender Klagen durch die Gerichte ausgeschlossen. Die Entscheidung einer der Par72 Zöller/Greger, § 260 ZPO Rdnr. 1; MünchKomm-G. Lüke, § 260 ZPO Rdnr. 1 und 26. 73 Vgl. Stein/Jonas/Bork, vor § 59 ZPO Rdnr. 4 und § 59 ZPO Rdnr. 1. Auch der Beklagte kann einen Dritten in das Verfahren einbeziehen, nämlich durch sog. Drittwiderklage, BGH NJW 1975, 1228. Diese ist allerdings nur zulässig, wenn sie sich zugleich gegen den Beklagten und gegen den Dritten richtet. 74 Nach h.M. gilt § 36 ZPO nicht nur für die örtliche, sondern auch für die sachliche Zuständigkeit, BGHZ 90, 155; vgl. W. Lüke, Beteiligung Dritter, S.260, nicht jedoch für die internationale Zuständigkeit, BGH NJW 1980, 2646. 75 BGHNJW-RR 1991, 767; BGHNJW 1987,439; Bornkamm, NJW 1989, 2713, 2715; a.A. Zöller/Vollkommer, § 37 ZPO Rdnr. 2, aus Gründen der Prozeßökonomie; kritisch zu dem Antragserfordernis auch W. Lüke, Beteiligung Dritter, S. 263 f.

238 § 9 Koordinierung konnexer Verfahren nach geltendem deutschem Recht

teien, die Streitsachen getrennt anhängig zu machen, ist insofern bindend. 76 Eine gerichtliche Befugnis, konnexe Klagen, die vor verschiedenen Gerichten anhängig gemacht wurden, zu gemeinsamer Verhandlung und Entscheidung zu verbinden oder zumindest ein Verfahren bis zum Abschluß des anderen auszusetzen, kann somit nur de lege ferenda erreicht werden.

76 SpeIlenberg, ZVglRWiss 79 (1980), 89, 129.

§ 10 Angleichung des deutschen Rechts an Art. 22 EuGVÜ

Da im geltenden deutschen Recht eine der Regelung in Art. 22 entsprechende Möglichkeit zur Koordinierung konnexer Verfahren fehlt, bleibt die Frage zu beantworten, ob es sinnvoll wäre, eine solche Regelung zu schaffen. Eine Angleichung des deutschen Rechts an Art. 22 ist für drei verschiedene Bereiche zu diskutieren: für den innerstaatlichen Bereich, für den Bereich des EuGVÜ sowie für den internationalen Bereich außerhalb des EuGVÜ.

I. Voruberlegung: Koordinierungsregel und Gerichtsstand des Sachzusammenhangs

Es besteht ein enger Zusammenhang zwischen der Verbindung von konnexen Klagen, die vor verschiedenen Gerichten anhängig sind, und der Zuständigkeit kraft Sachzusammenhangs. Die Beurteilung des Verhältnisses beider Problemkreise zueinander hängt davon ab, ob die für das deutsche Recht vorzuschlagende Koordinierungsregel an die bestehenden Zuständigkeiten anknüpfen oder sich über sie hinwegsetzen soll. Während die Regelung in Art. 22 Abs. 2 eine Verbindung zusammenhängender Klagen nur bei einem für beide Klagen zuständigen Gericht zuläßt, nehmen die nationalen Konnexitätsregeln der romanischen Rechtsordnungen eine Modifizierung der Zuständigkeit durch die Verweisung wegen Konnexität in Kauf. Da aber in diesen Rechtsordnungen dem Sachzusammenhang allgemein eine zuständigkeitsbegründende Wirkung beigelegt wird!, beeinflußt die Koordinierungsregel nicht selbst die Zuständigkeit, sondern baut auf dem allgemeinen Zuständigkeitsprinzip der Konnexität auf. Diese Systematik wird besonders deutlich im italienischen c.p.c., der einzelne Zuständigkeiten des Sachzusammenhangs normiert (Art. 31 ff.) und für diese Fälle im Anschluß daran auch eine nachträgliche Verbindung bereits anhängiger Verfahren seitens der Gerichte ermöglicht (Art. 40 c.p.c.). Das deutsche Zivilprozeßrecht kennt - wie auch das EuGVÜ - im Unterschied zu den meisten nationalen europäischen Rechtsordnungen keinen all-

1 Siehe oben § 3 I; vgl. näher J. Schröder, S. 556 ff.; SpeLlenberg, ZVgIRWiss 79 (1980), 89 ff.

240

§ 10 Angleichung des deutschen Rechts an Art. 22 EuGVÜ

gemeinen Gerichtsstand des Sachzusammenhangs. 2 Die Kommission zur Beratung einer allgemeinen Zivilprozeßordnung für die deutschen Bundesstaaten von 1863 lehnte den Antrag eines Abgeordneten auf Schaffung eines Gerichtsstandes des Sachzusammenhangs ab, da "Connexität", obwohl geeignet, als legislatives Motiv für besondere Normen über Gerichtszuständigkeit zu dienen, seiner Unbestimmtheit wegen doch ganz ungeeignet sei, um darauf generell einen Gerichtsstand zu gründen. 3 In der amtlichen Begründung des CPOEntwurfs von 1877 heißt es, man vermeide ein allgemeines Prinzip der Zuständigkeit kraft Sachzusammenhangs, erkenne es aber in einzelnen Anwendungen an. 4 Seither ist wiederholt vorgeschlagen worden, einen Gerichtsstand des Sachzusammenhangs in das deutsche Zivilprozeßrecht einzuführen. 5 So hat der Bericht der Kommission für das Zivilprozeßrecht 1977 generell eine zuständigkeitsrechtliche Zusammenfassung sachlich oder rechtlich zusammenhängender Klagen vorgeschlagen. 6 Dieser Vorschlag konnte sich aber nicht durchsetzen. Da die einzelnen Vorschriften, die die Konnexität in Spezialbereichen als Zuständigkeitsgrund berücksichtigen7 , nicht verallgemeinerungsfähig sind8 , ist für die weitere Erörterung davon auszugehen, daß nach deut-

2 Dagegen enthalten einige historische Verfahrensordnungen einen Sachzusammenhangsgerichtsstand: Art. 13 der bürgerlichen Prozeßordnung für das Königreich Hannover vom 08.01.1850; Art. 31 der Badischen Prozeßordnung vom 31.12.1831; Art. 33 der Bayerischen Prozeßordnung vom 01.02.1869; vgl. Hahn, S. 158. 3 Protokolle der Commission zur Beratung einer allgemeinen Civilproceßordnung für die deutschen Bundesstaaten H, S. 575. Der Vorschlag (S. 573) betraf nur die Verbindung mehrerer Verfahren zwischen denselben Personen. 4 Hahn, S. 158 f. 5 W. Fischer, ZZP 49 (1925), 345 ff.; Spellenberg, ZZP 95 (1982), 17 ff. Immer häufiger wird ein Gerichtsstand des Sachzusammenhangs zumindest für den Fall der Anspruchsgrundlagenkonkurrenz angenommen, also für die Situation der mehrfachen rechtlichen Begründung desselben Anspruchs, Gravenhorst, Die Aufspaltung der Gerichtszuständigkeit nach Anspruchsgrundlagen, S.21 ff., 59 ff.; Kollhosser, IR 1971, 265, 273; Baur, FS v. Hippel (1967), S. 1 ff.; Rosenberg/ Schwab/Gottwald, § 36 VI 2; Hojfmann, ZZP 107 (1994), 3 ff. Neuerdings begründet § 17 Abs. 2 GVG eine Rechtswegzuständigkeit kraft Sachzusammenhangs für den Fall der Häufung von Anspruchsgründen, nicht jedoch bei Klagenhäufung, siehe dazu Rosenberg/Schwab/ Gottwald, § 9 IV. 6 § 32 a ZPO: "(1) Werden mehrere Ansprüche, die in rechtlichem Zusammenhang stehen, gegen denselben Beklagten geltend gemacht, so ist jedes für einen Anspruch zuständige Gericht auch für den anderen Anspruch zuständig. Dies gilt nicht für einen Anspruch, für den ein anderes Gericht ausschließlich zuständig ist. (2) Abs. 1 gilt entsprechend bei mehrfacher Begründung eines Klageanspruchs ... 7 Vgl. §§ 25, 33, 34, 36 Nr.3, 64, 75, 603 Abs.2, 621 Abs.2 Satz I, 623 Abs. 1,644 Abs. 2 Satz 1 ZPO, § 2 Abs. 2 Nr. 4 und Abs. 3 ArbGG, § 88 GWB. 8 A.A. Spellenberg, ZZP 95 (1982), 17 ff., der eine Zusammenhangs klage in allen Fällen ausschließlicher Zuständigkeit annimmt.

I. Koordinierungsregel und Gerichtsstand des Sachzusammenhangs

241

sehern Recht der Sachzusammenhang zwischen verschiedenen Klagen allein keine gemeinsame Zuständigkeit für diese begründet. Auch für die Frage einer Angleichung des deutschen Rechts an Art. 22 ist auf der geltenden Zuständigkeitsordnung aufzubauen. Die Möglichkeit der Verbindung konnexer Klagen ist vorn Bestehen einer gemeinsamen Zuständigkeit aufgrund allgemeiner Regeln abhängig zu machen. Andernfalls führte sie zu einer Zuständigkeitsbegründung kraft Konnexität. Eine solche Regelung hat auch ohne die Existenz eines allgemeinen Gerichtsstands des Sachzusammenhangs einen Sinn9 , da nach deutschem Zivilprozeßrecht für zusammenhängende Ansprüche in der überwiegenden Zahl der Fälle eine gemeinsame Zuständigkeit existiert. So ist bei Identität des Beklagten die Erhebung verschiedener Klagen grundsätzlich an dessen allgemeinem Gerichtsstand möglich 10, soweit nicht eine ausschließliche Zuständigkeit für eine der Klagen entgegensteht. Für die StreitgenossenschaJt gibt es zwar im deutschen Recht im Gegensatz zur Rechtslage in allen anderen Vertrags staaten des EuGVÜ einen Gerichtsstand nur für einzelne Spezialfälleli. Es kann jedoch, wenn eine gemeinsame Zuständigkeit fehlt, ein für alle Streitgenossen zuständiges Gericht gemäß § 36 Nr. 3 ZPO bestimmt werden. Manchmal wird über die gesetzlich geregelten Spezialfälle der Konnexität hinaus eine gewünschte gemeinsame Zuständigkeit für zusammenhängende Klagen praeter legern erreicht, wenn z.B. der Erfüllungsort der Hauptpflicht auf Nebenpflichten ausgedehnt wird. 12 Für das deutsche Recht ist somit eine Konnexitätsregel zu untersuchen, die - wie auch Art. 22 Abs. 2 - für die Verbindung der Klagen eine gemeinsame Zuständigkeit voraussetzt.

9 So bereits oben § 8 11 für das EuGVÜ. 10 Es entwertet allerdings die besonderen Gerichtsstände, die regelmäßig sachnäher sind, erheblich, wenn sie nur für einen von mehreren konnexen Ansprüchen oder bei einem Streitgegenstand nur für bestimmte Anspruchsgrundlagen eingreifen, Schack, IZVR, Rdnr. 342; Spellenberg, ZVgIRWiss. 79 (1980), 89, 124, hält dies für bedenklich. 11 § 35 a ZPO für Unterhaltsklagen gegen beide Eltern, § 603 Abs. 2 und § 605 a ZPO im Wechsel- und Scheckprozeß, § 56 Abs. 2 Satz 2 LuftVG. 12 Kritisch dazu Schack, IZVR, Rdnr. 344, da dieser Weg unehrlich sei. Grundsätzlich ist der Erfüllungsort gemäß § 29 Abs. 1 ZPO nicht einheitlich für den gesamten Vertrag, sondern für die jeweilige streitige Verpflichtung zu bestimmen. 16 LUpfert

242

§ 10 Angleichung des deutschen Rechts an Art. 22 EuGVÜ

11. Einführung einer Konnexitätsregelung für den nationalen Bereich

1. Grundsätzliche Gestaltungsmöglichkeiten

Welche Einwände gegen eine Koordinierung konnexer Verfahren, die vor verschiedenen deutschen Gerichten anhängig sind, in Betracht kommen, hängt von der Ausgestaltung einer solchen Regelung ab. Von wesentlicher Bedeutung ist zunächst die Rechtsfolge. Hier kommt zum einen eine Verfahrensaussetzung wie in Art. 22 Abs. 1 in Betracht und zum anderen eine Verweisung mit Verbindungswirkung wie in Art. 22 Abs. 2 und den romanischen Rechtsordnungen. Eine bloße Aussetzung stellt zwar einen geringeren Eingriff in die Klägerrechte dar, weil das Verfahren bei dem von ihm angerufenen Gericht anhängig bleibt. Kongruente Entscheidungen sind dadurch aber nur so weit gewährleistet, wie die Rechtskraftwirkung der Entscheidung in dem Verfahren reicht, zugunsten dessen die Aussetzung erfolgt. Eine Verweisung bedeutet im Vergleich dazu zwar einen gravierenderen Eingriff, ermöglicht aber eine Koordinierung der Entscheidungen in weiterem Umfang. Entscheidet ein Gericht über die zusammenhängenden Klagen gemeinsam, werden widersprechende Entscheidungen auch im Bereich der Urteilsgründe vermieden. Außerdem wird die Verfahrensverbindung besser dem Zweck der Prozeßökonomie gerecht als die Aussetzung. I3 Eine Verweisung zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung der Klagen durch dasselbe Gericht ist somit die zur Erreichung der Zwecke der Konnexitätsregel am besten geeignete Rechtsfolge. Eine weitere grundsätzliche Frage ist, bei welchem der Gerichte die Konzentration erfolgen und welchem Gericht die Entscheidungsbefugnis darüber zustehen soll. Hinsichtlich der Wirkungsrichtung der Konnexität wurde bereits geklärt, daß die Verbindung nur bei einem Gericht erfolgen kann, das für beide Klagen zuständig ist. Schließlich ist für die Beurteilung der Vereinbarkeit einer Konnexitätsregel mit dem deutschen Recht relevant, ob die Rechtsfolge zwingend vorgesehen oder ins Ermessen des entscheidenden Gerichts gestellt wird. Wegen der Vielfalt der durch eine Verbindung zusammenhängender Klagen betroffenen privaten und öffentlichen Interessen ist es kaum möglich, den Konnexitätsbegriff so zu fassen, daß eine Verbindung bei Vorliegen der Voraussetzungen in jedem Fall zweckmäßig und den Betroffenen zumutbar ist. I4 Eine flexible Ausgestaltung erscheint daher angemessen. 13 Spellenberg, ZVglRWiss 79 (1980), 89, 129: Aussetzung ist "umständlicher als die jemeinsame Verhandlung und Entscheidung" . 1 Siehe oben § 7 m und unten 3.

ll. Einführung einer Konnexitätsregel für den nationalen Bereich

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Welche Bedenken gegen die Koordinierung konnexer Verfahren in die Überlegungen einzubeziehen sind, hängt außerdem davon ab, ob in den jeweiligen Verfahren Parteien und Parteirollen identisch oder vertauscht sind oder ob sogar verschiedene Parteien beteiligt sind.

2. Vereinbarkeit einer innerstaatlichen Konnexitätsregel mit dem deutschen Recht a) Recht auf den gesetzlichen Richter Wird die Entscheidung über Aussetzung bzw. Verweisung wegen Konnexität in das Ermessen des jeweiligen Gerichts gestellt, könnte darin ein Verstoß gegen das Recht auf den gesetzlichen Richter gemäß Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG liegen. Dieses Verfassungsgebot verlangt vom Gesetzgeber eine abstraktgenerelle Festlegung der gerichtlichen Zuständigkeiten im voraus für jeden Einzelfall. 15 Die Zuständigkeitsbestimmungen müssen allerdings nicht nur dem Bestimmtheitsgebot entsprechen, sondern auch dem Einzelfall gerecht werden können. 16 Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG verlangt daher nicht, daß der Gesetzgeber den gesetzlichen Richter stets endgültig bestimmen muß, sondern es genügt eine "möglichst eindeutige" Festlegung, welcher Spruchkörper und welche Richter zur Entscheidung des Einzelfalls berufen sind. 17 Auch sog. "bewegliche Zuständigkeiten" werden in gewissem Umfang für zulässig erachtet, sofern sachfremde Einflüsse auf das Verfahren ausgeschlossen sind. 18 Gegen eine im Ermessen stehende Aussetzung zugunsten eines konnexen Verfahrens, das vor einem anderen Gericht anhängig ist, bestehen keine Bedenken im Hinblick auf den gesetzlichen Richter; denn die Zuständigkeit für die Streitsache wird durch eine bloße Verfahrens aussetzung nicht verändert. Es wird lediglich die Entscheidung einzelner Fragen einem anderen Gericht überlassen, das damit ebenfalls befaßt ist, und das Ergebnis in die eigene Entscheidung einbezogen. Vorschriften, die die Aussetzung zugunsten eines anderen Verfahrens in das Ermessen der Gerichte stellen, existieren auch im deutschen Prozeßrecht (vgl. § 148 ZPO), ohne daß hiergegen Bedenken wegen des Rechts auf den gesetzlichen Richter vorgebracht würden. 15 BVerfGE 19, 52, 60. 16 BVerfGE 9, 223, 226 f.; 20, 336, 344; Pfeiffer, Internationale Zuständigkeit, S.393. 17 BVerfGE 6,45,51; 9,223,226; 17,294,299 ff.; 18,344,355; 19,52,59; 20,

336,344; 21, 139, 145; 22, 254, 258. 18 BVerfGE 9, 223 227; 20, 336, 344; 22, 254, 258 ff. 16'

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Problematisch erscheint diesbezüglich jedoch eine Verweisung. Nach verbreiteter Ansicht verstößt es gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG, wenn die Entscheidung über die Zuständigkeit im konkreten Fall in das Ermessen des Gerichtes gestellt ist. 19 Für die Frage nach der Vereinbarkeit der Verbindung konnexer Klagen mit dem Gebot des gesetzlichen Richters ist entscheidend, ob sich die Verbindung auf die Zuständigkeit auswirkt. Das Problem stellt sich in ähnlicher Weise bereits nach geltendem Recht bei der Anwendung des § 147 ZPO auf Klagen, die bei demselben Gericht, dort aber vor verschiedenen Spruchkörpern anhängig sind. Von manchen Autoren wird geltend gemacht, daß die Verbindungsentscheidung bei Beteiligung verschiedener Spruchkörper die Geschäftsverteilung im konkreten Fall beeinflusse und sich somit auf den gesetzlichen Richter auswirke. Eine Verbindung sei daher in solchen Fällen nur mit Zustimmung aller Parteien zulässig. 20 Anders als bei der Verbindung von Verfahren, die vor verschiedenen Spruchkörpern desselben Gerichts schweben, sind bei einer Konnexitätsregel, die die Zuständigkeit des Empfangsgerichts für das zu verweisende Verfahren voraussetzt, beide beteiligten Gerichte gesetzlich zur Streitentscheidung berufen. Im Gegensatz zur Situation bei § 147 ZPO wird hier also durch die Verfahrensverbindung keine Zuständigkeit begründet. Außerdem bleibt dem Gericht nur ein enger Ermessensspielraum, da eine Verbindung nur erfolgen darf, wenn dies der Prozeßökonomie dient und schutzwürdige Belange der Parteien nicht verletzt werden. Willkür ist daher ausgeschlossen. 21 Für die Vereinbarkeit einer solchen Regelung mit Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG spricht auch, daß ganz überwiegend keine Bedenken wegen des gesetzlichen Richters gegen die Vorschrift des § 36 Nr. 3 ZPO erhoben werden. 22 Diese Regelung stellt bei anfänglicher subjektiver Klagenhäufung die Bestimmung eines gemeinsamen zuständigen Gerichts für alle Klagen auf Antrag einer Partei in das Ermessen des nächsthöheren Gerichts. In dieser Gerichtsstandsbestimmung wird kein Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG gesehen, da sowohl das bestimmende als auch das bestimmte Gericht gesetzlicher 19 Maunz/Dürig/Herzog, Art. 101 GG Rdnr.27; Pfeiffer, Internationale Zuständigkeit, S. 393. Zulässig ist demgegenüber die Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe, Marx, S. 98. 20 Stein/JonaslLeipold, § 147 ZPO Rdnr. 15; MünchKomm-Peters, § 147 ZPO Rdnr. 8; ZöllerlGreger, § 147 ZPO RdnT. 2. 21 Ebenso W. Lüke, Beteiligung Dritter, S. 407, für die Verbindung gemäß § 147 ZPO. 22 MünchKomm-Patzina, § 36 ZPO Rdnr. 1; Marx, S. 99; Stein/Jonasl Schumann, § 36 ZPO Rdnr. I, der aber der Bestimmung selbst kritisch gegenübersteht, da eine Streitgenossenschaftszuständigkeit Manipulierung ermögliche. Zumeist wird die Verfassungsmäßigkeit des § 36 NT. 3 ZPO überhaupt nicht problematisiert, vgl. dazu näher Herz, S. 6 ff.

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Richter sei. 23 Auch hier wird einem Gericht die Wahl zwischen verschiedenen bestehenden Zuständigkeiten überlassen. 24 Daraus wird deutlich, daß Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG nicht generell die Bestimmung des entscheidenden Gerichts für den konkreten Fall durch ein anderes Gericht ausschließt und hierbei auch Zweckmäßigkeitserwägungen einfließen können. Zwar greift § 36 Nr. 3 ZPO nur ein, wenn es keinen gemeinsamen Gerichtsstand für die Klagen gibt, während eine Verweisung wegen Konnexität einen solchen gerade voraussetzt. Die Wirkung der Gerichtsstandsbestimmung gemäß § 36 Nr. 3 geht aber insofern über die der hier betrachteten Konnexitätsregel hinaus, als sie die Zuständigkeit des zu bestimmenden Gerichts nur für eine der Klagen voraussetzt. Für die anderen Klagen wird durch die Gerichtsstandsbestimmung eine Zuständigkeit geschaffen. Daß bei einer Verweisung wegen Konnexität ein gesetzlich zuständiges Gericht die Entscheidung nach Ermessen ablehnt, ist nicht problematischer als die Begründung einer gemeinsamen Zuständigkeit gemäß § 36 Nr. 3 ZPO, weil auch hierdurch die gesetzliche Zuständigkeit eines anderen Gerichts für mindestens eine der Klagen beseitigt wird. 25 Der Anspruch auf den gesetzlichen Richter ist durch eine Verweisungsmöglichkeit bei Konnexität, die die Zuständigkeit des Empfangsgerichts für das zu verweisende Verfahren voraussetzt, somit nicht betroffen. Von mehreren für eine Klage zuständigen Gerichten wird lediglich ein anderes als das ursprünglich damit befaßte ausgewählt.

b) Verfahrensgrundsätze der ZPO Eine Regelung zur Koordinierung konnexer Verfahren muß mit den Verfahrensgrundsätzen der ZPO vereinbar sein. Gemäß der Dispositionsmaxime haben die Parteien das Verfügungsrecht über den Prozeß als Ganzes. 26 So liegt es insbesondere in der Hand der Parteien, ob ein Verfahren überhaupt in Gang kommt. Niemand darf dazu gezwungen werden, seine Rechte bei Gericht geltend zu machen. 27 Insofern 23 SteinlJonaslSchumann, § 36 ZPO Rdnr. 1; MünchKomm-Patzina, § 36 Rdnr. 1; Bornkamm, NJW 1989,2713,2714. 24 BettermannlNipperdeylScheuner, Grundrechte, III/2, S. 568 f.; W. Lüke, Beteiligung Dritter, S. 408. 25 Allerdings entscheidet bei § 36 ZPO das den beteiligten Gerichten übergeordnete Gericht, dazu unten c. 26 Vgl. Grunsky, Grundlagen des Verfahrensrechts, S. 24. 27 Stürner, FS Baur (1981), S. 647, 651 f.; dies ergibt sich auch aus Art. 2 Abs. 1 GG.

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bestehen gegen die Konnexitätsregel keine Bedenken, weil sie nicht zur Ingangsetzung eines weiteren Verfahrens durch das Gericht gegen den Willen der Parteien führt, sondern voraussetzt, daß die zu koordinierenden Verfahren von den Parteien anhängig gemacht wurden. Die Dispositionsmaxime besagt weiterhin, daß die Parteien den Umfang richterlicher Prüfung und Entscheidung durch ihre Anträge bestimmen. 28 Auch dies spricht nicht gegen eine Koordinierung konnexer Verfahren, da durch die Zusammenfassung mehrerer Prozesse zu einem Verfahren der von den Parteien bestimmte Umfang gerichtlicher Prüfung insgesamt gesehen derselbe bleibt. Allerdings schränkt eine Möglichkeit der Verbindung konnexer Verfahren seitens der beteiligten Gerichte die Befugnis der Parteien zur Verfahrensgestaltung ein. Das Prinzip der freien Verfahrensgestaltung durch die Parteien kommt unter anderem in der Regelung des § 35 ZPO zum Ausdruck, durch die dem jeweiligen Kläger die freie Wahl zwischen verschiedenen Gerichtsständen überlassen wird. Es handelt sich jedoch nicht um ein absolut geltendes Prinzip. So wird die Wahl zwischen mehreren zuständigen Gerichten etwa durch die Ausgestaltung einzelner Zuständigkeiten als ausschließliche eingeschränkt. Der Grundsatz der Verfahrensgestaltung durch die Parteien steht der Schaffung einer gerichtlichen Verweisungsbefugnis bei Konnexität de lege ferenda somit nicht grundSätzlich entgegen. Ob und inwieweit eine Einschränkung des Wahlrechts zumutbar ist, ist eine Frage der Interessenabwägung. 29 Gegen eine Verfahrensverbindung bei Beteiligung verschiedener Parteien könnte man einwenden, es sei den Parteien nicht zumutbar, daß ihnen andere Streitgenossen gegen ihren Willen aufgedrängt werden. 30 Denn die Einbeziehung weiterer Personen in den Prozeß ist im deutschen Recht an sich nur auf Betreiben der Parteien, nicht jedoch von Amts wegen möglich. 31 Es gibt jedoch eine Ausnahme: § 147 ZPO ermöglicht auch die Verbindung von Verfahren, die nicht zwischen denselben Parteien anhängig sind. 32 Über Bedenken, die im Gesetzgebungsverfahren gegen eine solche Wirkung vorgebracht wurden, hat man sich aus Gründen der Prozeßökonomie hinweggesetzt. 33 Für die Verbindung von Klagen, die ursprünglich vor verschiedenen Gerichten anhängig gemacht wurden, greifen keine anderen Wertungen ein. Die Verbindung konnexer Verfahren seitens der beteiligten Gerichte ver" stößt somit nicht gegen Verfahrens grundsätze der ZPO. 28 Zur verfassungsrechtlichen Gewährleistung vgl. Stürner, FS Baur (1981), S. 647, 654 f. 29 Siehe unten 3 b. 30 Vgl. Abg. Wolffson in: Hahn, S. 567. 31 Siehe oben § 9 m. 32 Siehe oben § 3 I 6. 33 Von Amsberg, in: Hahn, S. 567; W. Lüke, Beteiligung Dritter, S. 402.

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c) Eingriff in die Kompetenz des anderen Gerichts Die Verbindungsentscheidung könnte in die Befugnisse des mit dem konnexen Verfahren befaßten Gerichts eingreifen. In einer bindenden Verweisung könnte ein Eingriff in die Zuständigkeit des Empfangsgerichts liegen. Wenn die Verweisung unmittelbar zu einer Verbindung der konnexen Verfahren führt, könnte dies einen Eingriff in die Verfahrensleitung des Empfangsgerichts bedeuten. Für die Beurteilung dieser Bedenken ist relevant, welches der beteiligten Gerichte über die Verbindung der konnexen Verfahren entscheidet: dasjenige, das das eigene Verfahren abgibt, dasjenige, bei dem beide Verfahren verbunden werden, oder ein beiden übergeordnetes Gericht. In den romanischen Rechtsordnungen geschieht die Verweisung bei Konnexität durch die beteiligten Gerichte selbst, ohne Zwischenschaltung des übergeordneten Gerichts, und zwar überwiegend in Form der Abgabe des einen Verfahrens durch das damit befaßte Gericht an das andere Gericht; nur in Spanien entscheidet das Gericht, welches das andere Verfahren an sich zieht, wobei die Verbindung allerdings nur mit Zustimmung des anderen Gerichts erfolgen kann. 34 Auch im deutschen Recht ist die Verweisung bei Unzuständigkeit und bei Unzulässigkeit des Rechtswegs ohne Umweg über das nächsthöhere Gericht ausgestaltet. Es entscheidet das abgebende Gericht allein. In bezug auf § 147 ZPO wird demgegenüber meist angenommen, daß bei Beteiligung verschiedener Spruchkörper derjenige über die Verbindung entscheide, bei dem beide Verfahren verhandelt werden sollen35 , ohne daß es der Zustimmung des Spruchkörpers, von dem der andere Prozeß abgezogen wird, bedürfe. 36 Dagegen ist W. Lüke der Ansicht, daß über die Verbindung nur der Spruchkörper entscheiden könne, der sein Verfahren an den anderen abgeben wolle.J7 Bei einer von ihm de lege [erenda befürworteten Verbindung von Verfahren, die vor verschiedenen Gerichten anhängig sind, hält Lüke es jedoch für erforderlich, die Entscheidung einem übergeordneten Gericht zu übertragen, das die Zuständigkeit eines der Gerichte bindend festlegt. 38 Auf diese Weise würde eine größere sachliche Unabhängigkeit gewährleistet und zudem ein Rechtsbehelf entbehrlich. Für eine solche Lösung spricht auf den 34 Siehe oben § 6 II 3 bis 5. 35 Stein/JonaslLeipold, § 147 ZPO Rdnr. 16; MünchKomm-Peters, § 147 ZPO Rdnr. 6; Wieczorek, § 147 ZPO Anm. B I a; Zöller/Greger, § 147 ZPO Rdnr. 2; AKZPO-Göring, § 147 ZPO Rdnr. 5. 36 Zöller/Greger, § 147 ZPO Rdnr.2. Nach Meinung von Stein/JonaslLeipold, § 147 ZPO Rdnr. 16, ist ein gemeinsamer Beschluß oder eine Mehrzahl von Beschlüssen aller beteiligter Spruchkörper 'nicht erforderlich, eine interne Fühlungnahme aber unentbehrlich; so auch MünchKomm-Peters, § 147 ZPO Rdnr. 6. 37 W. Lüke, Beteiligung Dritter, S. 411. 38 W. Lüke, Beteiligung Dritter, S. 449.

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ersten Blick die Parallele zu § 36 Nr. 3 ZPO. Durch eine Verweisung der vorgeschlagenen Art würde aber im Gegensatz zur Bestimmung eines Gerichtsstandes gemäß § 36 Nr. 3 ZPO nicht eine neue Zuständigkeit geschaffen, sondern lediglich ein Verfahren von einem zuständigen Gericht an ein anderes zuständiges Gericht abgegeben. Hierfür bedarf es meines Erachtens der Einschaltung eines übergeordneten Gerichtes nicht. Es kommt in Betracht, die Entscheidung über die Verbindung konnexer Verfahren dem das andere Verfahren an sich ziehenden Gericht zu überlassen. Da aber eine Befugnis, einem anderen Gericht ein Verfahren zu entziehen, wohl nicht besteht, ist eine Verbindung allein durch Entscheidung des Empfangsgerichts ohne gleichgerichteten Beschluß desjenigen Gerichts, das sein Verfahren abgeben soll, nicht denkbar. Eine Ausgestaltung, die wie in Spanien eine Abstimmung zwischen den beteiligten Gerichten voraussetzen würde, erscheint als zu schwerfällig. Gegen die Entscheidungsbefugnis eines Gerichts für die Abgabe des eigenen Verfahrens an ein anderes Gericht zur gemeinsamen Verhandlung durch dieses bestehen weniger Bedenken. Zwar wirkt auch bei dieser Ausgestaltung ein Gericht auf ein Verfahren vor einem anderen Gericht ein. Solch ein Eingriff in die Verfahrensbefugnis erscheint jedoch hinnehmbar, da das nunmehr für beide Verfahren zuständige Gericht diese wieder gemäß § 145 Abs. 1 ZPO trennen kann, falls ihm eine gemeinsame Verhandlung unzweckmäßig erscheinen sollte. 39 Die Trennung ändert aber nichts an der Entscheidungsbefugnis des Gerichts auch für das verwiesene Verfahren. Allerdings besteht die Gefahr eines Mißbrauchs der Ermessensbefugnis. Die Gerichte könnten dazu neigen, vor allem schwierige Fälle abzugeben, um sich zu entlasten. Diese Gefahr ist jedoch nicht sehr groß, da der verbleibende Spielraum recht gering ist. Außerdem ist die Ausübung des Ermessens in höherer Instanz überprüfbar. Wenn infolge zu großer Abgabefreudigkeit eines Gerichts berechtigte Parteiinteressen außer acht gelassen worden sind, können derartige sachfremde Erwägungen somit im Rechtsmittelwege gerügt werden. 40 Bedenken könnten jedoch gegen eine bindende Wirkung der Verweisung bestehen. In den romanischen Rechtsordnungen mit Ausnahme von Belgien entfaltet die Verweisung wegen Konnexität - wie im deutschen Recht die Verweisung wegen Unzuständigkeit - bindende Wirkung gegenüber dem Empfangsgericht. Es wird zugelassen, daß ein Gericht über die Zuständigkeit eines gleichgeordneten anderen Gerichts entscheidet. Eine weitgehende Bindung auch bei Unrichtigkeit der Entscheidung wird im Interesse einer Entla39 So W. Lüke, Beteiligung Dritter, S. 411, für die Verbindung von Verfahren vor verschiedenen Spruchkörpern desselben Gerichts. 40 Vgl. W. Lüke, Beteiligung Dritter, S. 412.

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stung des Verfahrens von langen Zuständigkeitsstreitigkeiten als zweckmäßig angesehen, da es letztlich nicht so bedeutend sei, welches von mehreren (örtlich) zuständigen Gerichten in der Sache entscheidet. Dem Interesse an einem wirksamen, schleunigen Rechtsschutz wird größere Bedeutung beigemessen als der inhaltlichen Richtigkeit einer Zuständigkeitsentscheidung . Diese Wertentscheidung kommt im deutschen Recht nicht nur in der Bindungswirkung der Verweisungsentscheidung gemäß § 17 a GVG und § 281 ZPO zum Ausdruck, sondern auch in der Regelung der §§ 512 a und 549 ZPO, wonach die Berufung bzw. Revision nicht auf eine Verletzung der Regeln über die örtliche Zuständigkeit gestützt werden kann. Eine Bindung an die Verweisung wegen Konnexität stellt somit keinen zu weitgehenden Eingriff in die Befugnisse des Empfangsgerichts dar.

d) Chancengleichheit der Parteien Aus Art. 3 Abs. 1 GG wird das gleiche Recht der Parteien abgeleitet, sich das streitentscheidende Gericht auszusuchen. 41 Diese Chancengleichheit der Parteien könnte durch eine Konnexitätsregel beeinträchtigt werden, durch die eine Partei die Zuständigkeit für den gesamten Streitkomplex auch in bezug auf Klagen des Gegners bestimmen könnte. Stünde der Gegenpartei nach der Erhebung einer Klage für weitere, damit zusammenhängende Ansprüche nur noch das schon befaßte Gericht zur Verfügung, so hätte diejenige Partei einen Vorteil, die zuerst den Klageweg beschreitet. Eine solche Bevorzugung ist nicht erwünscht, weil dadurch ein "Wettrennen" der Parteien zu den Gerichten provoziert und die schneller zur Beschreitung des Rechtswegs entschlossene Partei begünstigt würde. 42 Die Möglichkeit der Koordinierung konnexer Verfahren bedeutet jedoch nur dann eine Bevorzugung der Partei, die sich zuerst zur Klageerhebung entschlossen hat, wenn sich die Wirkungsrichtung der Konnexität allein nach der zeitlichen Priorität der Verfahrenseinleitungen richtet. Eine Ausrichtung allein an der Reihenfolge der Klageerhebungen ist daher nicht zu befürworten. 43 Eine Regelung aber, die nicht die Reihenfolge der Klageerhebung über die Wirkungsrichtung der Konnexität entscheiden läßt, sondern eine Berücksichtigung insbesondere der Zuständigkeitsinteressen der Parteien ermöglicht, verstößt nicht gegen den Grundsatz der Chancengleichheit der Parteien.

41 Vgl. Kropholler, FS Firsching (1985), S. 165, 166. 42 So auch Gaudemet-Tallon, Rev. crit. 1988,374,376. 43 Vgl. die Kritik an Art. 22 in diesem Punkt oben § 5 11.

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e) Zweiparteiengrundsatz Zusätzliche Bedenken ergeben sich gegen die Verbindung, wenn an den konnexen Verfahren nicht dieselben Parteien beteiligt sind. Da der Begriff der Konnexität eine vollständige Übereinstimmung der Parteien jedenfalls nicht verlangt, kann eine Koordinierung konnexer Verfahren zur Zusammenführung von mehr als zwei Parteien in einem Verfahren führen. Dies könnte mit dem "Zweiparteiengrundsatz" in Konflikt geraten. Die Geltung des Zweiparteiengrundsatzes im deutschen Zivilprozeßrecht ist weitgehend anerkannt. 44 Er hat zum Inhalt, daß jeder Zivilprozeß die Beteiligung von zwei verschiedenen Personen als Kläger und Beklagter zwingend voraussetzt (Verbot des Insichprozesses)45 und der Prozeß auf diese zwei Parteien bzw. zwei Rollen46 beschränkt ist. 47 In der Zweiparteienstruktur des Zivilprozesses setzt sich die Anspruchsstruktur des materiellen Rechts fort: Der Gegenüberstellung von Anspruchsinhaber und Anspruchsgegner entspricht die von Kläger und Beklagtem. Dem Zweiparteienprinzip entspricht ein Verständnis des Prozesses als Mittel zur Durchsetzung subjektiver Rechte, während ein Mehrparteienprozeß eher der Wiederherstellung des Rechtsfriedens und der Bewährung der Rechtsordnung zu dienen geeignet ist (Prozeß als Instrument der "Konfliktlösung " 48). Ein "Dritter" im eigentlichen Sinne, also eine Person, die nicht einer der beiden Parteirollen zuzuordnen ist, kann im deutschen Zivilprozeßrecht grundSätzlich nicht als Partei am Verfahren beteiligt sein. 49 Dem Zweiparteienprinzip wird Rechnung getragen, indem Dritte, soweit ihre Einbeziehung in das Verfahren nötig erscheint, daran nur in untergeordneter Rolle teilnehmen. Das Zweiparteienprinzip bezieht sich allerdings nicht auf den Prozeß als äußere Einheit, sondern auf ein bestimmtes Prozeßrechtsverhältnis. So können an einem Verfahren ohne weiteres auf jeder Parteiseite mehrere Personen beteiligt sein (Parteienhäufung), da sich auch unter diesen Umständen in dem einzelnen Prozeßrechtsverhältnis jeweils lediglich zwei Parteien gegenüber44 Vgl. W. Lüke, Beteiligung Dritter, S.430; kritisch Graßhoff, ZZP 60 (1936/37),242 ff.; H. Koch, KritV 1989,323 ff. 45 Rosenberg/Schwab/Gonwald, § 40 m 1; Wieczorek/Schütze/Hausmann, vor § 50 ZPO Rdnr. 1. 46 W. Lüke, Beteiligung Dritter, S. 430. 47 Stein/JonaslLeipold, vor § 50 ZPO Rdnr. 18; ZöllerlVollkommer, vor § 50 ZPO Rdnr. 1; Wieczorek/Schütze/Hausmann, vor § 50 ZPO Rdnr. 5. 48 So im altgermanischen und auch zum Teil im anglo-amerikanischen Prozeß, insbesondere im alten englischen Equity-Prozeß, vgl. H. Koch, KritV 1989, 323, 324 f. 49 Siehe oben § 9 I 6.

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treten. 50 Auch die Verbindung gemäß § 147 ZPO ermöglicht eine Zusammenführung von Klagen, die nicht zwischen denselben Parteien anhängig sind. 51 Mehrere Parteien in derselben prozessualen Stellung werden dann zu Streitgenossen. 52 Wenn die Parteirollen in den Verfahren nicht übereinstimmen, wird der Kläger des einen Prozesses auch zum Widerbeklagten bzw. der Beklagte zum Widerkläger. 53 Dadurch wird vermieden, daß dieselbe Person in einem Prozeß zugleich Kläger und Beklagter ist. Der Zweiparteiengrundsatz verlangt jedoch nicht generell, daß alle Parteien eines Verfahrens einer einheitlichen Kläger- oder Beklagtenrolle zugeordnet werden können. 54 Das ergibt sich schon daraus, daß eine Verbindung gemäß § 147 ZPO auch im Fall der Hauptintervention zugelassen wird. Werden Hauptprozeß und Interventionsprozeß miteinander verbunden, sind im Ergebnis die Parteien eines Prozesses verschiedenen Rollen zugeordnet. Kläger und Beklagter des Hauptprozesses sind im Interventionsprozeß Streitgenossen auf Beklagtenseite. Eine Partei ist dann in einem Verfahren sowohl Kläger als auch Beklagter. Folglich ergeben sich aus dem Zweiparteienprinzip keine Einwände gegen die Verbindung von zunächst vor verschiedenen Gerichten schwebenden konnexen Verfahren, deren Parteien nicht identisch sind, auch wenn nicht einmal alle Parteien jeweils einer einheitlichen Rolle als Kläger oder Beklagter zugeordnet werden können. Dem Zweiparteiengrundsatz könnte allerdings eine Verbindung von Klagen widersprechen, denen keine Partei gemeinsam ist. 55 So verlangt der BGH für das Vorliegen von Streitgenossenschaft, daß allen Streitgenossen zumindest ein gemeinsamer Gegner gegenübersteht. 56 Bei Beteiligung völlig verschiedener Parteien auf beiden Seiten kann zwar die Überschaubarkeit des Verfahrens zum Problem werden. Die Übereinstimmung mindestens einer Partei oder eine Beschränkung auf eine bestimmte Zahl von verschiedenen Parteien ist aber kein sinnvolles Kriterium zur Begrenzung der Zusammenfassung konnexer Klagen zu einem Verfahren. Dies wäre ein sehr undifferenziert wirkendes Instrument. 57 Denn auch bei Verschiedenheit aller Parteien kann aufgrund eines engen objektiven Zusammenhangs eine Verbindung zweckmäßig sein 50 RosenberglSchwablGottwald, § 40 m 3; WieczoreklSchützelHausmann, vor § 50 ZPO Rdnr. 5. 51 BGH NJW 1969, 699; SteinlJonaslLeipold, § 147 ZPO Rdnr. 6; Baumbachi LauterbachlHartmann, § 147 ZPO Rdnr. 10; Blomeyer, § 50 12. 52 SteinlJonaslLeipold, § 147 ZPO Rdnr. 24. 53 BaumbachlLauterbachlHartmann, § 147 ZPO Rdnr. 10. 54 Vgl. W. Lüke, Beteiligung Dritter, S. 432; anders wohl die h.M. 55 So Wieczorek, § 147 ZPO Anm. B 11 a; a.A. W. Lüke, Beteiligung Dritter, S.400. 56 BGH NJW 1992,981. 57 W. Lüke, Beteiligung Dritter, S. 434.

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und das Verfahren übersichtlich bleiben. Wenn die Durchführbarkeit im konkreten Fall tatsächlich leidet, besteht immer noch die Möglichkeit der Verfahrenstrennung. 58 Entsprechend der Situation bei subjektiver bzw. objektiver Klagenhäufung gemäß §§ 59,60 und 260 ZPO begründet auch die Verbindung bereits anhängiger konnexer Klagen vor einem der beteiligten Gerichte nicht etwa ein einheitliches Prozeßverhältnis zwischen allen Parteien. Es werden lediglich zwei oder mehrere Prozeßrechtsverhältnisse, an denen jeweils nur ein Kläger und ein Beklagter beteiligt ist, äußerlich zu gemeinsamer Verhandlung und Entscheidung in einem Verfahren vereint. 59 Jedes Prozeßrechtsverhältnis bleibt grundsätzlich selbständig60 , allerdings erfolgt die Beweisaufnahme und -würdigung einheitlich für die verschiedenen Klagen. 61 Eine solche äußere Verbindung verstößt nicht gegen den Zweiparteiengrundsatz.

f) Rechtliches Gehör

Bei der Koordinierung konnexer Verfahren, an denen nicht dieselben Parteien beteiligt sind, ist weiterhin darauf zu achten, daß das rechtliche Gehör gewährleistet wird. Gemäß Art. 103 Abs. 1 GG (bzw. Art. 6 Abs. 1 MRK) hat jede Partei vor Gericht einen Anspruch auf Anhörung (d.h. auf Unterrichtung und Gelegenheit zur Äußerung), bevor eine Entscheidung zu ihrem Nachteil ergeht. Es verstieße gegen Art. 103 Abs. 1 GG, wenn eine Partei Ergebnisse aus einem Verfahrensabschnitt, an dem sie nicht beteiligt war, gegen sich gelten lassen müßte. Die Aussetzung zugunsten eines konnexen Verfahrens ist insofern unbedenklich; denn eine Bindung der Entscheidung über die konnexe Klage tritt nur ein, soweit die Rechtskraft reicht. In der Regel erstrecken sich aber die Entscheidungswirkungen nur auf die Parteien des Verfahrens. Die subjektiven Grenzen der Rechtskraft beruhen gerade auf dem Gedanken der Gewährleistung des rechtlichen Gehörs. Soweit die Rechtskraft ausnahmsweise auf Dritte erstreckt wird, sind deren Interessen hierbei berücksichtigt. Besteht keine Bindungswirkung auf das ausgesetzte Verfahren, kann sich das Gericht 58 So auch W. Lüke, Beteiligung Dritter, S. 434. 59 So schon Planck, S. 548 und 550: "Die Vereihigung zeigt sich nur wirksam in

der äußerlich verschmolzenen Form" . 60 So für die Streitgenossenschaft ZöllerlVollkommer, § 61 ZPO Rdnr. 8; SteinlJonaslBork, vor § 59 ZPO Rdnr. 3; MünchKomm-Schilken, § 61 ZPO Rdnr. 2; WieczoreklSchütze, § 61 ZPO Rdnr. 1. 61 SteinlJonaslBork, § 61 ZPO Rdnr. 10; ZöllerlVollkommer, § 61 ZPO Rdnr. 5; MünchKomm-Schilken, § 61 ZPO Rdnr. 9; W. Lüke, Beteiligung Dritter, S. 277.

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zwar an Ergebnissen aus dem konnexen Verfahren orientieren. Das kann aber nicht gegen den Willen einer dort bisher nicht beteiligten Partei geschehen. Die Parteien können alle Einwände noch vorbringen und sind daher in ihrer Verteidigungsmöglichkeit nicht eingeschränkt. Eine Verfahrensverbindung kann dagegen die Rechte einer an dem 'ursprünglich vor dem Empfangsgericht anhängigen Verfahren nicht beteiligten Partei beeinträchtigen, wenn dort bereits Verfahrensakte vorgenommen worden sind, die auch das verwiesene Verfahren betreffen. Ein Verstoß gegen das rechtliche Gehör läge vor, wenn eine Partei des verwiesenen Prozesses an Zwischenergebnisse (insbesondere Beweisaufnahmen und -würdigungen) aus dem anderen Verfahren gebunden wäre, ohne die Möglichkeit gehabt zu haben, sich dazu zu äußern. Das Problem der Verletzung des rechtlichen Gehörs kann sich sogar bei Beteiligung derselben Parteien stellen, nämlich wenn über Zwischenfragen nur im Hinblick auf den einen Streitgegenstand gestritten wurde. Im nationalen belgischen Recht wird das Problem dadurch gelöst, daß ein renvoi wegen Konnexität an ein Gericht, das bereits eine Zwischenentschei-

dung getroffen hat, nur mit Zustimmung der dort bisher nicht beteiligten Parteien ergehen kann (Art. 566 Abs.2 C.j.62). Wird die Zustimmung nicht erteilt, können die Verfahren unter Umständen bei dem anderen Gericht verbunden werden. Während bei Rechtshängigkeit gerade dasjenige Gericht bevorzugt wird, das bereits irgendeine Verfahrensmaßnahme getroffen hat63 , ist dieses Kriterium bei der Konnexität (auch bei Parteiidentität) nicht anwendbar. 64 Das Beschleunigungsinteresse muß im Falle verschiedener Klagen zugunsten der Achtung der Verteidigungsrechte zurücktreten. 65 Nach italienischem Recht scheidet eine Verbindung konnexer Verfahren, die vor verschiedenen Gerichten schweben, aus, wenn der Stand des Verfahrens vor dem Gericht, bei dem diese vereinigt werden sollen, eine erschöpfende Verhandlung und Entscheidung der konnexen Verfahren nicht ermöglicht (Art. 40 Abs. 2, 2. Halbsatz66 ). So liegt es etwa, wenn die Untersuchungen im früher 62 Art. 566 Abs. 2 C.j. lautet: "Toutefois si les parties ne sont pas les memes dans toutes les demandes et si I'un des tribunaux a rendu un jugement qui n'a pas pour effet de soustraire le litige a sa connaissance, le renvoi a ce tribunal ne peut etre prononce si ceux qui n'ont pas ete partie a ce jugement s'y opposent." Vgl. dazu Fettweis 11, Nr. 198; Rouard I, Nr. 1005. 63 Art. 565 Abs. 2 Nr. 1 C.j. 64 Art. 566 C.j. verweist für die Konnexität nur auf Art. 565 Nr. 2-5 Abs. 2 C.j. 65 Cambier 11, S. 120. 66 Art. 40 Abs. 2 ital. c.p.c. lautet: "La connessione non pub essere eccepita dalle parti ne rilevata d'ufficio dopo la prima udienza, e la rimessione non pub essere ordinata quando 10 stato della causa principale 0 preventivamente proposta non consente I'esauriente trattazione e decisione delle cause connesse."

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begonnenen Verfahren bereits sehr weit fortgeschritten sind oder dieses Verfahren sogar schon entscheidungsreif ist. 67 Das französische Recht enthält keine entsprechende Einschränkung. Anstatt eine Verweisung für den Fall auszuschließen, daß dadurch Parteirechte verletzt würden, kommt auch in Betracht, Einwendungen der bisher nicht beteiligten Parteien nachträglich zuzulassen. Dies wird im deutschen Recht zu § 147 ZPO angenommen. So ist etwa eine in einem Verfahren durchgeführte Beweisaufnahme auf Verlangen einer daran nicht beteiligten Partei zu wiederholen, um sie nach der Verbindung für den ganzen Prozeß verwertbar zu machen. 68 Eine solche Lösung erscheint auch für eine Verbindung konnexer Verfahren im Verhältnis zwischen verschiedenen Gerichten zweckmäßig. Zwar kann dadurch der Zweck der Konnexitätsregel, die Prozeßökonomie zu verbessern, in sein Gegenteil verkehrt werden. In der Regel wird jedoch eine sich zunächst ergebende Mehrarbeit durch die spätere Ersparnis bei der weiteren gemeinsamen Verhandlung aufgewogen werden. Ob dies der Fall ist, muß für jeden Einzelfall beurteilt werden. Der Grundsatz des rechtlichen Gehörs steht einer Verbindung konnexer Klagen auch bei Parteiverschiedenheit folglich nicht entgegen.

g) Beweisunmittelbarkeit Sind in dem zu verweisenden Verfahren bereits Beweise erhoben worden, so würde das Erfordernis einer erneuten Beweiserhebung vor dem Empfangsgericht dem Grundsatz der Prozeßökonomie zuwiderlaufen. Es stellt sich daher die Frage, ob solche Beweise in dem nach der Verweisung fortgesetzten Verfahren weiter verwertet werden können. Das Problem wird in den romanischen Rechtsordnungen zum Teil dadurch vermieden, daß eine Verweisung nur unmittelbar zu Beginn des Verfahrens erfolgen kann ("in limine litis"). So ist die Rechtslage in Italien und Belgien, entsprechend auch früher in Frankreich. 69 Nach heutigem französischem Recht kann dagegen eine Verweisung wegen Konnexität auch in einem späteren Verfahrensstadium erfolgen. Dann wird das Verfahren von dem Stand aus weitergeführt, den es vor dem verweisenden Gericht erreicht hat.7° Die Verwertung von Beweisen, die von einem anderen Gericht erhoben worden sind, könnte in Deutschland gegen den Grundsatz der Beweisunmit67 Carpi/ColesantifI'aruffo, Art. 40 c.p.c. Anm. 11 1. 68 Zöller/Greger, § 147 ZPO Rdnr. 8; MünchKomm-Peters, § 147 ZPO Rdnr. 11. 69 Siehe oben § 5 IV 1 b. 70 Siehe oben § 5 IV 1 b.

n. Einfiihrung einer Konnexitätsregel rur den nationalen Bereich

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telbarkeit verstoßen. Nach diesem Grundsatz muß das urteilende Gericht die Verhandlung und die Beweisaufnahme aus eigener Anschauung kennen und darf sich keiner "Zwischenträger" bedienen'? 1 In der ZPO werden an die Beweisunmittelbarkeit jedoch keine hohen Anforderungen gestellt. Gemäß §§ 128 Abs. 1 und 309 ZPO genügt es, wenn der urteilende Richter in der letzten mündlichen Verhandlung anwesend war. 72 § 355 Abs. 1 ZPO verlangt nur eine Beweisaufnahme vor dem Prozeßgericht, hingegen nicht unbedingt auch vor den urteilenden Richtern. 73 Bei einem Richterwechsel zwischen Beweisaufnahme und Entscheidung ist nach h.M. die Wiederholung von Beweismitteln nur notwendig, wenn der persönliche Eindruck von Zeugen entscheidungserheblich ist und der Eindruck des vernehmenden Richters nicht protokolliert ist oder vom Eindruck des urteilenden Richters abweicht. 74 Beweisergebnisse anderer Verfahren dürfen als Urkundenbeweis in den Prozeß eingeführt werden. 75 Darin, daß die Bewertung von Beweisen anderen als den urteilenden Richtern überlassen wird, liegt kein Verstoß gegen das Rechtsstaatsprinzip,?6 Auch bei einer Verbindung gemäß § 147 ZPO und bei Verweisung wegen Unzuständigkeit wird daher eine Wiederholung von Beweisaufnahmen grundsätzlich nicht verlangt. 77 Folglich widerspricht es nicht dem Unmittelbarkeitsgrundsatz des deutschen Zivilprozeßrechts, wenn Beweise, die vor dem ursprünglich mit der Klage befaßten Gericht erhoben wurden, im Verfahren nach der Verbindung weiter Verwendung finden.

3. Abwägung der beteiligten Interessen Durchgreifende Bedenken gegen die Verbindung von vor verschiedenen Gerichten anhängigen Verfahren, die in Zusammenhang stehen, bestehen nicht. Eine solche Möglichkeit zur Koordinierung konnexer Verfahren in das deutsche Zivilprozeßrecht zu übernehmen, ist jedoch nur dann zu empfehlen, wenn die an einer solchen Regelung bestehenden öffentlichen und privaten Interessen die dadurch beeinträchtigten Interessen überwiegen.

71 Vgl. Stürner, FS Baur (1981), S. 647, 664. 72 BGH NJW 1981, 1273, 1274; Zöller/Vollkommer, § 309 ZPO Rdnr. 1; Stein/ JonaslLeipold, § 309 ZPO Rdnr. 14; MünchKomm-Musielak, § 309 ZPO Rdnr.4; anders nur Kirchner, NJW 1971, 2158. 73 Stürner, FS Baur (1981), S. 647, 664. 74 BGHZ 53, 245, 256 ff. 75 Zöller/Greger, § 355 ZPO Rdnr. 4. 76 Stürner, FS Baur (1981), S. 647, 665. 77 BaumbachlLauterbach/Hanmann, § 147 ZPO Rdnr. 17.

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a) Interessen des Beklagten Die Verweisung eines Verfahrens an das mit einer konnexen Klage befaßte Gericht kann das Interesse des Beklagten, an seinem Wohnsitz verklagt zu werden, beeinträchtigen. Dem Zuständigkeitssystem der ZPO liegt zwar das Prinzip "actio sequitur forum rei" zugrunde, jedoch erfährt dieser Grundsatz vielfältige Durchbrechungen zugunsten anderer Leitprinzipien.1 8 So werden dem Kläger zusätzlich eine Reihe von besonderen Gerichtsständen nach seiner Wahl zur Verfügung gestellt, die entweder in seinem Interesse liegen oder auf einer besonderen Sachnähe anderer Gerichte beruhen. Das Interesse des Beklagten, an seinem Wohnsitz verklagt zu werden, wird also nur in begrenztem Umfang geschützt. Durch die Schaffung einer allgemeinen Zuständigkeit des Sachzusammenhangs würde der Beklagte im Vergleich zur Rechtslage nach geltendem Recht schlechter gestellt. Ob dies vertretbar wäre, kann hier aber offenbleiben. 79 Im Gegensatz zu einer solchen Zuständigkeitserweiterung enthält nämlich eine Konnexitätsregel, die die Zuständigkeit des Empfangsgerichts auch für die zu verweisende Klage voraussetzt, keine zusätzliche Beeinträchtigung der Beklagteninteressen. Denn sie führt nur dazu, daß nicht nur der Kläger, sondern auch die beteiligten Gerichte die Wahl zwischen mehreren zuständigen Gerichten ausüben können. Soweit Zuständigkeiten zum besonderen Schutz des Beklagten im öffentlichen Interesse eröffnet werden, sind sie überwiegend als ausschließliche Zuständigkeiten ausgestaltet. Entgegen einer ausschließlichen Zuständigkeit kann eine Verweisung wegen Konnexität aber nicht erfolgen. Eine Zusammenfassung wäre in einem solchen Fall - wie etwa auch in Frankreich - nur bei dem ausschließlich zuständigen Gericht zulässig, nicht bei einem anderen. 8o Die Interessen des Beklagten bleiben also gewahrt. Die Verbindung mit einem konnexen Verfahren führt im Gegenteil meist zu einer Entlastung des Beklagten. Das gilt zumindest für die Fälle, in denen er auch an dem anderen Verfahren beteiligt ist, weil ihm dann durch die Zusammenlegung eine doppelte Prozeßführung erspart wird.

b) Interessen des Klägers Die Konzentrationswirkung der Konnexität kann das Recht des Klägers, für seine Klage von mehreren zuständigen Gerichten ein ihm günstiges auszuwählen, einschränken. Gemäß § 35 ZPO hat der Kläger und nicht das angeru78 Vgl. Baur, FS v. Hippel (1967), S. I, 17. 79 Dazu etwa SpeIlenberg, ZZP 95 (1982), 17 ff. 80 So auch SpeIlenberg, ZVgIRWiss, 79 (1980), 89, 122.

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fene Gericht zwischen mehreren zuständigen Gerichten die Wahl. Dieses Wahlrecht des Klägers wird als Ausgleich für die grundsätzliche Bevorzugung des Beklagten durch den Grundsatz "actor sequitur forum rei" angesehen. 81 Da der Kläger durch die besonderen Gerichtsstände begünstigt werden soll, muß ihm das Recht zustehen, den Rechtsstreit bei einem Gericht seiner Wahl auszutragen. Nach h.M. im deutschen Recht sind diesem Wahlrecht grundsätzlich keine Schranken gesetzt. 82 Der Kläger kann das für ihn günstigste Gericht auswählen, auch wenn dieses für den Beklagten deutlich ungünstiger liegt83 oder dort höhere Kosten entstehen. 84 Die Grenze ist nur der Rechtsmißbrauch.8 5 Eingeschränkt wird die Wahl allerdings durch die ausschließlichen Gerichtsstände.86 Da das Wahlrecht aus § 35 ZPO für jeden einzelnen Streitgegenstand gilt, ist der Kläger an sich nicht gehindert, verschiedene Gerichte mit mehreren ähnlichen Ansprüchen zu befassen. Dies gilt sogar für identische Ansprüche, soweit Rechtshängigkeit nicht eingreift, also etwa bei einer auf einen Feststellungsprozeß folgenden Leistungsklage. 87 Weiterhin kann der Kläger ein Interesse an isolierter Entscheidung über sein Begehren haben. Relevant ist diesbezüglich insbesondere der Zeitfaktor: Der Kläger hat ein schutzwürdiges Interesse an zügiger Verfahrensdurchführung, das durch eine Aussetzung und unter Umständen auch durch die Verbindung mit einem konnexen Verfahren beeinträchtigt wird. Eine Koordinierung konnexer Verfahren kann demnach das Interesse des Klägers an einem bestimmten Gerichtsstand sowie das an einer zügigen Entscheidung über seinen Anspruch beeinträchtigen.

81 MünchKomm-Patzina, § 35 ZPO Rndr. 1; Pfeiffer, Internationale Zuständigkeit, S. 412. 82 SteinlJonaslSchumann, § 35 ZPO Rdnr.4; ZöllerNollkommer, § 35 ZPO Rdnr.3. 83 OLG Hamm NJW 1987,138. 84 OLG KöLn MDR 1976, 496; SteinlJonaslSchumann, § 35 ZPO Rdnr. 4. 85 ZöllerNoLlkommer, § 35 ZPO Rdnr.3; MünchKomm-Patzina, § 35 ZPO Rdnr. 1 und 3. Ein Rechtsrnißbrauch liegt z.B. vor, wenn die Gerichtsstandswahl des Klägers darauf beruht, daß er von einem bestimmten Gericht eine für ihn günstige Rechtsprechung erwartet, so OLG Hamm NJW 1987, 138 f. 86 Ist einer der Gerichtsstände ein ausschließlicher, besteht zwischen ihnen keine Wahl. Sind jedoch mehrere ausschließliche Gerichtsstände gegeben, kann der Kläger zwischen diesen wählen, WieczoreklSchützeiHausmann, § 35 ZPO Rdnr.2; Zöllerl Vollkommer, § 35 ZPO Rdnr. 1. 87 So SteinlJonaslSchumann, § 35 ZPO Rdnr.6; a.A. Wieser, S. 186 f.; siehe oben § 9 I 5. 17 Lüpfert

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c) Entscheidungsharmonie und Verfahrensökonomie Die Vermeidung von Widersprüchen, nicht nur zwischen den jeweiligen Urteilsaussprüchen, sondern auch im Bereich rechtlicher sowie tatsächlicher Feststellungen, ist zum Schutz des Ansehens der staatlichen Rechtspflege erforderlich 88 und liegt im Interesse der Parteien89 . Zur Erreichung dieses Ziels der Entscheidungsharmonie reicht die Rechtskraft allein nicht aus; denn sie kann Widersprüche wegen ihres engen objektiven und subjektiven Umfangs nur begrenzt verhindern. Außerdem kann die Wirkung der Rechtskraft bei gleichzeitiger Anhängigkeit der Streitsachen davon abhängen, welches der Verfahren früher abgeschlossen wird. 90 Eine Verbindung konnexer Verfahren ermöglicht eine weitergehende Kohärenz zwischen gerichtlichen Entscheidungen. Denn wenn dasselbe Gericht über einen Gesamtkomplex entscheidet, werden dieselben Rechts- und Tatfragen in bezug auf die verschiedenen Ansprüche gleich beurteilt91 und es wird eine einheitliche Beweiswürdigung erreicht. Weiterhin erhöht die umfassende Betrachtung des Streitstoffes auch die Wahrscheinlichkeit eines der Wahrheit entsprechenden Urteils. 92 Schließlich können auch - gerade bei komplizierten Verfahren - Zeit und Kosten in erheblichem Umfang gespart werden, wenn ein durch Befassung mit einer inhaltlich mit der anderen zusammenhängenden Klage schon sachkundig gewordenes Gericht in der Sache entscheidet. Dadurch, daß der Sachverhalt nur einmal aufgeklärt und Beweise nur einmal erhoben werden müssen, werden die Gerichte und z.B. auch Zeugen entlastet. Die dadurch bewirkte Ersparnis kommt nicht nur der Justiz, sondern auch den Parteien zugute, wenn die vor der Verweisung angefallenen Kosten wie gemäß § 281 Abs. 3 Satz 1 ZPO und § 17 b Abs. 2 Satz 1 GVG auf die nach der Verweisung entstehenden Kosten angerechnet werden. Die gemeinsame Verhandlung und Entscheidung der konnexen Klagen vor einem der Gerichte verringert die 88 Heldrich, S. 118; W. Lüke, Beteiligung Dritter, S.234. Nach J. Schröder, S. 581, besteht ein "überwältigendes Interesse der Rechtspflege [... ], einen zusammenhängenden Sachverhalt einheitlich feststellen und einheitlich würdigen zu können". Eickhoff, S. 114, hält demgegenüber den "schönen Schein" der immerwährenden Gleichmäßigkeit und Richtigkeit der Rechtsprechung nicht für erstrebenswert. 89 Eickhoff, S. 112 ff., erkennt ein Interesse der Parteien am Entscheidungseinklang in bezug auf die Widerklage nur für die Fälle an, in denen das Begehren der Widerklage Folge des Unterliegens gegenüber der Hauptklage ist. 90 So auch SpeIlenberg, ZVglRWiss 79 (1980), 89, 121; ders., ZZP 95 (1982), 17, 27: Die gemeinsame Verhandlung und Entscheidung sei der Rechtskraftbindung "deutlich überlegen". 91 So auch SpeIlenberg, ZZP 95 (1982), 17,27; ders., ZVglRWiss 79 (1980), 89, 121. 92 J. Schröder, S. 581.

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Kosten, da der Gebührenstreitwert des verbundenen Verfahrens in der Regel der Summe der Einzelstreitwerte entspricht (§ 5, 1. Hs. ZPO) und Gerichtsund Anwaltsgebühren degressiv steigen: Die aus dem addierten Wert entstehenden Gebühren sind niedriger als die Summe der aus den Einzelwerten anfallenden Gebühren. 93 Der Gebührenstreitwert des verbundenen Verfahrens kann sogar dem höheren Wert der einzelnen Verfahren allein entsprechen, nämlich wenn ein Additionsverbot eingreift. Das ist der Fall, wenn die Ansprüche auf dasselbe wirtschaftliche Interesse gerichtet sind oder der eine in dem anderen aufgeht, so etwa im Verhältnis zwischen negativer Feststellungsklage und Leistungsklage hinsichtlich desselben Anspruchs. 94 Auch bei nachträglicher Zusammenführung konnexer Verfahren fallen folglich in der Regel geringere Gebühren an als bei deren getrennter Fortführung, sofern die Verweisung wegen Konnexität wie die wegen Unzuständigkeit die kostenrechtliche Einheit wahrt. Das gilt jedenfalls für die Gerichtsgebühren. Problematischer sind die Anwaltsgebühren. Denn diese erhöhen sich, wenn wegen des Grundsatzes der Lokalisation (§§ 78 ZPO, 18 BRAO) nach der Verweisung ein anderer Anwalt beauftragt werden muß. Dann müssen zwei Anwälte bezahlt werden. Auch wenn der zweite Anwalt bereits mit dem konnexen Verfahren vor dem anderen Gericht befaßt war, steigen durch die Verweisung die Kosten, wenn die Streitwerte der konnexen Verfahren zu addieren sind. Das Problem beruht darauf, daß aufgrund der Gebührenordnung die Vergütung der Rechtsanwälte nicht nach dem konkreten Arbeitsaufwand, sondern nach abstrakten Gebührentatbeständen berechnet werden. Das Problem der Erhöhung der Anwaltskosten infolge der Verweisung kann nur durch eine Änderung der Gebührenordnung gelöst werden. 95

d) Abwägung Den öffentlichen und privaten Interessen an der Vermeidung widersprechender Entscheidungen und doppelter Prozeßführung steht das Interesse des jeweiligen Klägers an einem bestimmten Gerichtsstand sowie an schneller Entscheidung über einen einzelnen Anspruch gegenüber. Das Recht des Klägers, für jeden Anspruch unter mehreren zuständigen Gerichten das ihm jeweils günstigste auszusuchen, geht sehr weit. Das Interesse daran, einzelne Aspekte eines Streitkomplexes auf verschiedene Gerichte zu verteilen, erscheint nicht in jedem Fall schutzwürdig. So gibt etwa eine Partei, die während der Anhängigkeit einer Teilklage den Restanspruch vor einem ande93 Vgl. Frank, S. 126 f. 94 § 19 Abs. 1 Satz 1 GVG für Klage und Widerklage, dasselbe gilt auch allge-

mein, vgl. Frank, S. 178 ff. 95 Zur Kostenverteilung zwischen den Parteien siehe unten 5 d. 17*

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ren Gericht einklagt, damit zu erkennen, daß die Gründe für eine Beschränkung des Begehrens auf einen Teil nicht (mehr) bestehen. 96 Dem Kläger kann es in der Regel zugemutet werden, auf einen für einen Anspruch ausgewählten Gerichtsstand zugunsten der gemeinsamen Entscheidung über einen anderen Anspruch, für den er selbst ein anderes Gericht angerufen hat, zu verzichten. Problematischer ist die Interessenlage bereits bei vertauschten Parteirollen. Hier bewirkt die Verbindung konnexer Klagen, daß sich die Gerichtsstandswahl der einen Partei gegenüber der Gerichtsstandswahl der anderen Partei durchsetzt. Es ist daher in jedem Fall sicherzustellen, daß der jeweilige Kläger nicht einen Gerichtsstand verliert, der eigens zu seinem besonderen Schutz eingerichtet ist. Die Regelung der örtlichen Zuständigkeit bezweckt, Verfahren nach Gesichtspunkten der Parteinähe und der Sachnähe auf die verschiedenen Gerichte zu verteilen. Die Parteien haben insbesondere ein Interesse an der Zuständigkeit eines wohnsitznahen Gerichts. Da die verschiedenen örtlich zuständigen Gerichte konzeptionell gleichwertig sind97 und dasselbe Recht anwenden (anders im Verhältnis zwischen in- und ausländischen Gerichten), ist das Interesse an einem bestimmten Gerichtsstand aber auch nicht überzubewerten (vgl. §§ 512 a und 549 ZPO). Es kann daher im Einzelfall gerechtfertigt sein, das Interesse des Klägers an einem bestimmten Gerichtsstand hinter dem Interesse der anderen Verfahrensbeteiligten und der Rechtspflege insgesamt an Kosten- und Zeitersparnis und an der Einheitlichkeit der Rechtsprechung zurücktreten zu lassen. Eine besondere Schutzwürdigkeit des Klägers im konkreten Fall ist im Rahmen der Entscheidung über die Rechtsfolgen zu berücksichtigen. Bei einer gerichtlichen Verweisungsmöglichkeit wegen Konnexität bleibt das Wahlrecht des Klägers prinzipiell bestehen. Das Gericht hat im konkreten Fall zu beurteilen, ob eine Einschränkung aufgrund übergeordneter Interessen gerechtfertigt ist. Eine generelle Einschränkung des Wahlrechts dahingehend, daß Klagen nur im Gerichtsstand einer bereits anhängigen konnexen Klage erhoben werden könnten, ginge demgegenüber zu weit. Komplexer ist die Interessenlage bei Beteiligung verschiedener Parteien an den zu verbindenden Verfahren. Denn die erwähnte Zeit- und Kostenersparnis kommt einer Partei, die nur an einem der Verfahren beteiligt ist, nicht ohne weiteres zugute. 98 Bei einer größeren Zahl von Beteiligten ist weiterhin mög ~ lich, daß eine koordinierte Entscheidung über die Klagen für die Gerichte insgesamt nicht effektiver ist, sonderen eine Verbindung das Verfahren unübersichtlich und die Lösung komplizierter macht. 99 Daraus könnte man schlieSo Habscheid, Streitgegenstand, S. 275. 97 Schütze, RIW 1995, 630. 98 So auch v. HojJmann, IPRax 1982,217,220. 99 W. Lüke, Beteiligung Dritter, S. 248; Eickhoff, S. 111. 96

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ßen, die Konnexitätsregel müsse hinsichtlich der an den konnexen Verfahren beteiligten Parteien beschränkt werden. Eine vollständige Übereinstimmung der Parteien zu verlangen, wäre eindeutig zu eng. In Betracht kommt, die Identität zumindest einer Partei vorauszusetzen. Dadurch kann aber die Gefahr, daß das Verfahren unübersichtlich wird, nicht ausgeräumt werden. So kann auch ein Verfahren, in dem etwa eine Vielzahl von Klägern einem Beklagten gegenübersteht, wegen seiner Größe unüberschaubar sein. Andererseits sind Fälle, in denen Konnexität besteht, obwohl sich alle Parteien unterscheiden, kaum denkbar. 100 Ob eine Verbindung konnexer Klagen zweckmäßig und den Parteien zumutbar ist, hängt nicht nur von der Anzahl der Beteiligten ab, sondern auch von den übrigen Umständen. Vor allem die Interessen von lediglich an einem der Verfahren beteiligten Parteien sind im konkreten Fall in die Entscheidung über die Rechtsfolgen der Konnexität einzubeziehen. Wird das Verfahren durch die Verbindung zu kompliziert, kann jederzeit eine Trennung gemäß § 145 Abs. 1 ZPO erfolgen. Eine generelle Beschränkung hinsichtlich der Parteien erscheint somit nicht zweckmäßig.

4. Parteiherrschajt und Richtermacht Es stellt sich die weitere Frage, wem die Entscheidung über die grundsätzlich als sinnvoll anzusehende Koordinierung konnexer Verfahren zustehen soll. Der Gesetzgeber der ZPO ging davon aus, daß diese Befugnis nicht den Gerichten zukommen sollte. Eine Verbindung zusammenhängender Klagen wurde zwar in vielen Fällen zugelassen, die Entscheidung darüber aber in die Hände der Parteien gelegt. 101 Diese Ausgestaltung beruht auf dem individualistischen Prozeßverständnis des 19. Jahrhunderts, nach dem der Zivilprozeß den Bürgern zu ihrer freien Verfügung gestellt wurde. Das private Interesse an einem Rechtsschutz, der den eigenen Vorstellungen und Bedürfnissen möglichst genau entspricht, wurde dem öffentlichen Interesse an einer geordneten Rechtspflege übergeordnet. Die der ZPO ursprünglich zugrundeliegende liberale Prozeßauffassung, die im Zivilprozeß ein Mittel zur Durchsetzung subjektiver Privatrechte sieht, äußert sich darin, daß der Betrieb des Verfahrens weitgehend den Parteien überlassen wurde. 102 Schon bald nach Entstehen der ZPO wurde aber die Notwendigkeit erkannt, die Parteiherrschaft zugun~ sten einer stärkeren richterlichen Prozeßleitung einzuschränken. 103 In die 100 Siehe oben § 3 V. 101 Siehe oben § 9 ill.

102 Gaul, Rechtspfleger 1971, 81; Habscheid, ZZP 81 (1968), 175, 187. 103 So insbesondere unter dem Einfluß von Franz Klein, vgl. Gaul, AcP 168, 27, 48; Habscheid, ZZP 81 (1968), 175, 178 ff: vor allem im Hinblick auf die Beschleunigung des Verfahrens.

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Ausgestaltung des Prozesses ist neben den Parteiinteressen auch das öffentliche Interesse an einer gerechten und zweckmäßigen Rechtspflege einzubeziehen, ohne daß die Parteien dadurch zum bloßen Objekt des Verfahrens degradiert werden dürfen. Zweck des Zivilverfahrens ist nicht nur die Durchsetzung subjektiver Rechte. Nach heute herrschender Auffassung dient der Zivilprozeß auch dem öffentlichen Interesse an Schaffung und Erhaltung von Rechtsfrieden und Rechtsgewißheit. 104 Es ist daher das öffentliche Interesse an einer schnellen Wiederherstellung des Rechtsfriedens in die Verfahrensgestaltung einzubeziehen. 105 Angesichts der immer größeren Zahl von Zivilprozessen und der zunehmenden Komplexität der Rechtsbeziehungen werden Gesichtspunkte wie Prozeßökonomie und Sachnähe eines Gerichts durch Einarbeitung in einen komplexen Sachverhalt immer wichtiger für eine sinnvolle Ausgestaltung des Zivil verfahrens. Um die Zwecke des Zivilprozesses, insbesondere auch den wirksamen, also raschen Schutz subjektiver Rechte, unter den aktuellen Bedingungen noch erreichen zu können, muß die Kapazität der Gerichte so gut wie möglich genutzt werden. Hierzu kann die Koordinierung sachlich zusammenhängender Klagen einen Beitrag leisten. Diesem öffentlichen Interesse kann nur eine Befugnis auch der Gerichte zur Verbindung konnexer Verfahren gerecht werden. Eine nachträgliche Verbindung konnexer Klagen kann allerdings zunächst zu Mehrarbeit für die Gerichte führen, da Teile der Verhandlung beim neuen Gericht unter Umständen wiederholt werden müssen. 106 Im Vergleich zur gemeinsamen Einleitung der Klagen ist die spätere Verbindung ungünstiger. In der Kommission zur Beratung einer allgemeinen Civilproceßordnung für die deutschen Bundesstaaten wurde daher die Auffassung geäußert, daß eine gemeinsame Klageerhebung eher zuzulassen sei als die nachträgliche Zusammenführung getrennt eingeleiteter Prozesse. 107 Dieses Argument überzeugt aber letztlich nicht, da eine gewisse Mehrarbeit durch beachtliche Einsparungen bei der künftigen gemeinsamen Verhandlung wieder ausgeglichen werden kann. Zwar kann bei einer anfänglichen Verbindung mehr Effektivität erreicht werden, so daß es am günstigsten ist, wenn die zusammenhängenden Klagen von vornherein gemeinsam vor demselben Gericht erhoben werden. Jedoch kann auch eine nachträgliche Verbindung getrennt erhobener Klagen den Verfahrensaufwand im Vergleich zur getrennten Fortführung verringern. In die Entscheidung über die Rechtsfolgen der Konnexität ist einzubeziehen, wie 104 Ob dies einen selbständigen Prozeßzweck darstellt oder nur eine Folge der Feststellung des subjektiven Rechts, ist allerdings umstritten, vgl. Rosenberg/Schwab/ Gottwald, § 1 ill. 105 Habscheid, ZZP 81 (1968), 175, 189. 106 Siehe oben 2 fund g. 107 Protokolle der Commission zur Beratung einer allgemeinen Civilproceßordnung für die deutschen Bundesstaaten II, S. 574.

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sich nach den jeweiligen Umständen, insbesondere nach dem Stand, in dem sich die Verfahren befinden, eine Verfahrensverbindung auf den Verfahrensaufwand insgesamt auswirken würde. Auch bei einer etwaigen Erhöhung des Aufwandes im Einzelfall scheidet eine Verbindung der Verfahren jedoch nicht in jedem Fall aus; denn ein größeres Gewicht als der Prozeßökonomie kommt dem Aspekt der Entscheidungsharmonie zu. Insgesamt gesehen überwiegen die Argumente, die dafür sprechen, daß die Gerichte konnexe Klagen nachträglich miteinander verbinden können. Die Einführung einer entsprechenden Regelung in das deutsche Recht ist somit zu befürworten.

5. Ausgestaltung der Konnexitätsregel a) Rechtsfolge aa) Verweisung und Aussetzung Die Verweisung des Verfahrens an das mit der konnexen Klage befaßte Gericht zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung ist die sinnvollste Rechtsfolge der Konnexität. 108 Neben der Verweisung sollte jedoch zusätzlich eine Aussetzungsmöglichkeit für solche Fälle vorgesehen werden, in denen insbesondere aus Gründen der Zuständigkeit oder des Instanzenzuges - eine Verweisung ausscheidet.

bb) Wirkungsrichtung der Konnexität Die Konnexitätsregel kann, wie sie hier konzipiert wurde, nur zugunsten eines Gerichts wirken, das aufgrund allgemeiner Zuständigkeitsregeln befugt ist, über beide konnexen Klagen zu entscheiden. Um die Regelung effektiv zu gestalten, sollte im Gegensatz zur insofern fragwürdigen Ausgestaltung des Art. 22 109 die Wirkungsrichtung der Konnexität vorrangig an der Zuständigkeit der beteiligten Gerichte und nicht ausschließlich an dem formalen Kriterium der zeitlichen Reihenfolge der Verfahrenseinleitungen orientiert werden. Zur Verweisung wegen Konnexität ist daher - wie im französischen Recht - jedes der mit den konnexen Verfahren befaßten Gerichte und nicht nur das später angerufene zu ermächtigen. Dann kann die Verbindung unabhängig 108 Siehe 109 Siehe

oben 11 1. oben § 5 11 2 a.

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von der Reihenfolge der Klageerhebungen bei dem Gericht erfolgen, das für beide Klagen zuständig ist. Trifft dies nur für eines der beteiligten Gerichte zu, kommt lediglich eine Verweisung an dieses durch das andere Gericht in Frage. Ein Gericht, das für die bei ihm erhobene Klage ausschließlich zuständig ist, kann das Verfahren nicht an ein anderes Gericht verweisen. Sind was nur selten vorkommen dürfte - beide Gerichte für beide Klagen zuständig, so ist die Verweisung in beide Richtungen möglich. Der dann bestehenden Gefahr eines negativen Kompetenzkonfliktes durch doppelte Verweisung kann dadurch begegnet werden, daß (wie im französischen Recht IlO) die später angeordnete Verweisung als nicht erfolgt gilt. Im Fall der Streitgenossenschaft ist eine Verweisung auch dann möglich, wenn zwar keine gemeinsame Zuständigkeit eines der Gerichte besteht, eine solche aber gemäß § 36 Nr. 3 ZPO begründet werden kann. Die Bestimmung des zuständigen Gerichts kann dann allerdings nur durch das übergeordnete Gericht erfolgen. Wenn keines der beteiligten Gerichte umfassend zuständig ist, scheidet eine Verweisung aus. Stattdessen kommt subsidiär eine Verfahrensaussetzung in Betracht. Diese sollte zugunsten desjenigen Verfahrens erfolgen, das für die Entscheidung des anderen präjudiziell ist. Besteht keine Abhängigkeit zwischen den Klagen in diesem Sinne, so ist die Zweckmäßigkeit einer Aussetzung überhaupt zweifelhaft, jedoch nicht generell ausgeschlossen. Zu berücksichtigen ist dann neben den Parteiinteressen insbesondere die Sachnähe der beteiligten Gerichte zu der gemeinsamen Frage und der Stand der Verfahren.

cc) Gebundene Entscheidung oder Ermessen In den nationalen Rechtsordnungen sind die Konnexitätsregeln überwiegend flexibel ausgestaltet. Zwar wird nicht durchweg von einem Rechtsfolgeermessen der Gerichte bei der Anwendung der Konnexitätsregeln ausgegangen. III Durch die Unbestimmtheit des Konnexitätstatbestandes wird aber dem Richter zumindest im Ergebnis ein gewisser Spielraum eingeräumt. 112 Konsequenter, als die Berücksichtigung sämtlicher Interessen in die Auslegung des Konnexitätsbegriffs einzubeziehen, erscheint es, die Rechtsfolgen in das Ermessen des Gerichts zu stellen und in diesem Rahmen die Belange der Parteien und der Justiz für den konkreten Fall umfassend zu bewerten. Das über die Ver11OVgl. Art. 106 NCPC: "Dans le cas Oll les deux juridictions se seraient dessaisies, la decision intervenue la demiere en date est consideree comme non avenue. " 111 Siehe dazu oben § 7 m 2. 112 SpeIlenberg, ZVgIRWiss 79 (1980), 89, 129.

11. Einführung einer Konnexitätsregel für den nationalen Bereich

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bindung entscheidende Gericht hat in erster Linie besonders schutzwürdige Interessen, die eine Partei an der Beibehaltung eines Gerichtsstandes hat, in die Ermessensausübung einzubeziehen. Da der Anwendungsbereich der Regelung durch den Begriff der Konnexität und die weiteren Voraussetzungen, insbesondere die Zuständigkeit des Empfangsgerichts für beide Klagen, im wesentlichen abgesteckt ist, bleibt nur ein geringer Spielraum für das richterliche Ermessen. Die gewisse Rechtsunsicherheit, die verbleibt, kann in Kauf genommen werden.

b) Anhängigkeit in erster Instanz Es fragt sich, ob es sinnvoll wäre, die Anwendbarkeit der Konnexitätsregel davon abhängig zu machen, daß beide Klagen noch in erster Instanz schweben. Für die Regelung in Art. 22 wurde nachgewiesen, daß eine solche Einschränkung zu weit geht. 113 Im Hinblick auf die Rechtsfolge der Verweisung müssen allerdings Instanzverluste vermieden werden, so daß jedenfalls die Übertragung eines in erster Instanz befindlichen Verfahrens an ein mit einer konnexen Klage bereits in zweiter Instanz befaßtes Gericht ausgeschlossen ist. Umgekehrt ist eine Verweisung eines bereits in höherer Instanz befindlichen Verfahrens an ein erstinstanzliches Gericht zwar prinzipiell möglich, jedoch häufig nicht zweckmäßig, da eine Verweisung an ein niedrigeres Gericht zu einer erheblichen Verzögerung führt. Sind die konnexen Verfahren in verschiedenen Instanzen anhängig und besitzt nur das zweitinstanzliehe Gericht, nicht jedoch das in erster Instanz befaßte, eine umfassende Zuständigkeit, so scheidet eine Verweisung aus. In solchen Fällen kommt eine Aussetzung in Betracht, für die hinsichtlich des Instanzenzugs keine Beschränkungen nötig sind.

c) Antragserfordemis Schließlich bleibt zu klären, ob die Verbindung konnexer Klagen nur auf Antrag einer Partei oder auch von Amts wegen möglich sein soll. Die Verbindung von konnexen Klagen, die vor demselben Gericht anhängig sind, ist gemäß § 147 ZPO auch von Amts wegen möglich. Dasselbe gilt für die Aussetzung wegen Präjudizialität gemäß § 148 ZPO. Dagegen verlangt Art. 22 Abs. 2 für die Unzuständigerklärung wie auch ein Teil der entsprechenden nationalen Konnexitätsregeln 114 einen Parteiantrag. Überzeugende Gründe 113 Siehe oben § 5 I. 114 Siehe oben § 5 IV 1.

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gegen eine Berücksichtigung der Konnexität auch von Amts wegen sind nicht ersichtlich. 115 Denn die Koordinierung konnexer Verfahren steht zwar nicht ausschließlich, aber doch wesentlich auch im öffentlichen Interesse. Ein Parteiantrag sollte daher nicht verlangt werden.

d) Kostenentscheidung Die für den Verfahrensteil bis zur Verweisung angefallenen Kosten werden auf die danach entstehenden angerechnet. 116 Damit ist jedoch die Kostenverteilung zwischen den Parteien noch nicht geklärt. Für den Fall, daß durch die Erhebung der Klage bei einem anderen Gericht Mehrkosten - insbesondere durch einen Anwaltswechsel - entstanden sind, stellt sich die Frage, welche der Parteien diese Kosten zu tragen hat. Nach dem Grundsatz der Kosteneinheit werden die gesamten Kosten des Rechtsstreits der unterliegenden Partei (§ 91 Abs. 1 ZPO) auferlegt. Als Ausnahme davon werden bei der Verweisung wegen Unzuständigkeit gemäß § 281 Abs. 3 Satz 2 ZPO und § 17 b Abs. 2 Satz 2 GVG die durch die Anrufung des unzuständigen Gerichts entstandenen Mehrkosten abgetrennt. Entsprechend könnte die Kostenentscheidung auch für die Verweisung wegen Konnexität geregelt werden. Gegen eine Abtrennung der Mehrkosten bei einer Verweisung wegen Konnexität spricht jedoch, daß bei nachträglicher Unzuständigkeit durch Klageerweiterung oder Widerklage gemäß § 506 ZPO keine Kostentrennung stattfindet. Auch im Falle der Konnexität hat der Kläger ein an sich zuständiges Gericht angerufen, so daß ihm die dadurch entstandenen zusätzlichen Kosten nicht mit derselben Berechtigung auferlegt werden können wie bei der Verweisung wegen Unzuständigkeit. Zwar hätte er von vornherein bei dem bereits mit der konnexen Klage befaßten Gericht klagen können. Eine generelle Konzentrationslast wird aber durch eine im Ermessen des Gerichts stehende Verweisung wegen Konnexität nicht begründet und sollte auch nicht über die Kostenverteilung indirekt eingeführt werden. Außerdem kann nach der hier vorgeschlagenen Regelung unter Umständen auch das früher eingeleitete Verfahren an das später angerufene Gericht verwiesen werden. Die Belastung der unterliegenden Partei mit den Gesamtkosten einschließlich der durch die Anrufung des anderen Gerichts verursachten Mehrkosten erscheint auch zumutbar, weil die nachträgliche Verbindung die insgesamt anfallenden Kosten zumeist verringert (anders allerdings unter Umständen bei einem Anwaltswechsel).117

115 Siehe oben § 5 IV 1 in bezug auf Art. 22 Abs. 2 EuGVÜ. 116 Siehe dazu oben 3 c.

117 Siehe oben 3 c.

III. Konnexitätsregel für den Anwendungsbereich des EuGVÜ

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6. Regelungsvorschlag

Eine in das deutsche Recht einzuführende Konnexitätsregel könnte folgendennaßen lauten: "Sind vor verschiedenen Gerichten Klagen anhängig, die miteinander in Zusammenhang stehen, so kann die eine Klage an das mit der anderen Klage befaßte Gericht verwiesen werden, wenn dieses für beide Klagen zuständig ist. Eine Verweisung an ein Gericht höherer Instanz ist ausgeschlossen. Die Kosten im Verfahren vor dem angegangenen Gericht werden als Teil der Kosten behandelt, die bei dem Gericht erwachsen, an das der Rechtsstreit verwiesen wurde. Kommt eine Verweisung nicht in Betracht, kann das Gericht anordnen, daß das Verfahren bis zur Entscheidung über das konnexe Verfahren ausgesetzt wird."

111. Schaffung einer Konnexitätsregel für den Anwendungsbereich des EuGVÜ

1. Erjorderlichkeit einer Angleichung des deutschen Rechts an Art. 22

Es wurde festgestellt, daß die Regelung des Art. 22 zur Zeit vor deutschen Gerichten nur eingeschränkt wirksam ist, da die Anwendung der im zweiten Absatz enthaltenen Verweisungsmöglichkeit generell ausscheidet. 118 Solange die Rechtsfolge der Unzuständigerklärung gemäß Art. 22 Abs. 2 von einer Verbindungsmöglichkeit im nationalen Recht des Zweitgerichts abhängig istes ist nicht abzusehen, wann eine erwünschte Streichung dieser Einschränkung erfolgen wird -, kann die volle Wirksamkeit der europäischen Konnexitätsregel nur durch eine Angleichung des deutschen Rechts erreicht werden. Da die Aussetzung gemäß Abs. 1 nur sehr eingeschränkt den Zweck der Konnexitätsregel zu erreichen geeignet ist 119, erscheint es geboten, im deutschen Recht die Voraussetzung für die Anwendbarkeit des Art. 22 Abs. 2 zu schaffen. Die hier befürwortete Einführung einer Konnexitätsregel in das interne deutsche Recht, würde die Voraussetzung der Verbindungsmöglichkeit im nationalen Recht erfüllen und somit Art. 22 Abs. 2 vor deutschen Gerichten anwendbar machen. Im übrigen kommt eine auf den Anwendungsbereich des EuGVÜ beschränkte Regelung in Betracht, die nur die Verweisungsmöglichkeit bei Konnexität zwischen Gerichten verschiedener Vertragsstaaten auch für deutsche Gerichte aktiviert. 118 Siehe oben § 5 IV 3 c aa. 119 Siehe oben 11 1.

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§ 10 Angleichung des deutschen Rechts an Art. 22 EuGVÜ

2. Einwände gegen eine Verweisungsbejugnis deutscher Gerichte Bei Schaffung des EuGVÜ bestanden von deutscher Seite Bedenken gegen die Verweisungsbefugnis gemäß Art. 22 Abs. 2. Dies führte zusammen mit Einwänden von italienischer Seite zur Einfügung der einschränkenden Voraussetzung der Verbindungsmöglichkeit im nationalen Recht des später angerufenen Gerichts. Es ist daher zu ermitteln, ob durchschlagende Argumente gegen die Anwendbarkeit des Art. 22 Abs. 2 vor deutschen Gerichten sprechen. Die Einwände, die in derselben Weise gegen eine nationale Konnexitätsregel vorgebracht werden können, wurden bereits oben ausgeräumt. In Betracht kommt, daß eine internationale Verweisung wegen Konnexität gegen den Justizgewährungsanspruch des Klägers verstieße. Dies trifft aber für den Bereich des EuGVÜ nicht zu, da die Rechtsschutzgewährung durch Gerichte anderer Vertragsstaaten als grundsätzlich gleichwertig mit der Rechtsschutzgewährung im Inland zu betrachten ist. Auch andere Vorschriften des EuGVÜ führen dazu, daß der Kläger, für den an sich eine Zuständigkeit deutscher Gerichte eröffnet wäre, darauf verwiesen wird, seinen Anspruch in einem anderen Vertragsstaat durchzusetzen, so etwa die Regelung der Rechtshängigkeit in Art. 21. Daß die Verweisung wegen Konnexität nicht zu einer Rechtsschutzverweigerung führt, wird durch die Voraussetzung der Zuständigkeit des anderen Gerichts sowie durch die Einbeziehung der Klägerinteressen in die Ermessensausübung gewährleistet. Wenn die verwiesene Klage durch das andere Gericht wegen Unzuständigkeit abgewiesen wird, obwohl das Zweitgericht von dessen Zuständigkeit ausging, ist die Klage vor deutschen Gerichten erneut zuzulassen. Die Bedenken, die in diesem Punkt gegen die geltende Fassung des Art. 22 bestehen, würden durch die Einführung einer Bindungswirkung der Verweisung wegen Konnexität ausgeräumt.

3. Behandlung der Prozeßkosten Um eine Kumulation der Kosten infolge der Verweisung zu vermeiden, wäre es sinnvoll, die Kosten der Verfahrensteile vor und nach der Verweisung als Einheit zu behandeln. Das könnte zum einen dadurch geschehen, daß die vor dem verweisenden Gericht angefallenen Kosten auf die vor dem anderen Gericht entstehenden angerechnet werden. Zum anderen käme in Betracht, daß im Verfahrensteil bis zur Verweisung ein Kostenanspruch nicht entsteht. Eine Anrechnung wäre nur durch eine übereinstimmende Regelung der Vertragsstaaten zu erreichen; denn eine einseitige Ausführungsbestimmung kann ausländische Gerichte nicht verpflichten, die vor einem inländischen Gericht

IV. Regelung der Konnexität im internationalen Bereich

269

angefallenen Kosten anzurechnen. Mittels einer deutschen Ausführungsbestimmung zu Art. 22 könnte eine Kumulation demnach nur auf die Weise vermieden werden, daß Gerichtsgebühren für den Verfahrensteil bis zur Verweisung nicht entstehen und bereits geleistete Vorauszahlungen und Vorschüsse zurückerstattet würden. Ohne entsprechende Bestimmungen der anderen Vertragsstaaten erscheint eine solcher Verzicht jedoch nicht zweckmäßig.

4. Regelungsvorschlag Eine Durchführungsbestimmung zu Art. 22 Abs. 2 könnte wie folgt lauten: "Die deutschen Gerichte können eine Klage, die mit einer früher vor dem Gericht eines anderen Vertragsstaates rechtshängig gewordenen Klage in Zusammenhang i.S.d. Art. 22 Abs. 3 steht, an dieses Gericht verweisen. Die Akten werden von Amts wegen an das mit der konnexen Klage befaßte Gericht überstellt. "

IV. Regelung der Konnexität im internationalen Bereich außerhalb des EuGVÜ

Abschließend ist zu erörtern, ob die Übernahme einer Konnexitätsregel auch für den internationalen Bereich außerhalb des EuGVÜ zu empfehlen ist, ob also das autonome deutsche Recht an Art. 22 angeglichen werden sollte. Sowohl im autonomen Recht der europäischen Staaten als auch im Völkervertragsrecht findet die internationale Konnexität kaum Berücksichtigung. So wird zwar in den Rechtsordnungen, die einen allgemeinen Gerichtsstand des Sachzusammenhangs enthalten, diese Regelung auf den internationalen Bereich erstreckt (z.B. in Italien Art. 4 Nr. 3 c.p.c.), dies beschränkt sich jedoch auf nur eine Richtung, nämlich die Erweiterung der internationalen Zuständigkeit der eigenen Gerichte. Dagegen besteht große Zurückhaltung gegenüber der Abgabe eines Verfahrens an ein ausländisches Gericht, das mit einer konnexen Klage befaßt ist. 120 Insofern wird das Interesse am internationalen Entscheidungseinklang aus Skepsis gegenüber der Justiz fremder Staaten hintangestellt. Vom Standpunkt des deutschen Rechts bestehen unter dem Gesichtspunkt des Justizgewährungsanspruchs Bedenken gegen eine Abweisung oder Verweisung einer bei einem deutschen Gericht an sich zulässigerweise erhobenen Klage. Das für den Bereich des EuGVÜ Gesagte kann nicht ohne weiteres auf den internationalen Bereich im übrigen übertragen werden. Ein Vertrauen in 120 Siehe oben § 1 IV.

270

§ 10 Angleichung des deutschen Rechts an Art. 22 EuGVÜ

die Rechtspflege anderer Staaten, wie es in bezug auf die Vertrags staaten des EuGVÜ grundsätzlich gerechtfertigt ist, kann nicht allgemein gegenüber der Justiz anderer Staaten zugrundegelegt werden. Zudem ist keineswegs sicher, daß eine ausländische Entscheidung in Deutschland später Wirkungen entfalten kann. Eine bloße Klageabweisung wegen Konnexität mit einem ausländischen Verfahren wird den Parteiinteressen nicht gerecht. Eine Verweisung im Sinne einer direkten Transferierung des Verfahrens erscheint ohne Abstimmung mit dem Staat des Empfangsgerichts und ohne eine weitgehende Entsprechung der Verfahrensrechte nicht sinnvoll. Da die Gefahr von Widersprüchen im internationalen Bereich wegen möglicherweise unterschiedlichen Sachrechts, das jeweils zur Anwendung kommt, sehr groß ist l21 , sollte aber unter bestimmten Umständen ein vor deutschen Gerichten anhängiges Verfahren bis zur Entscheidung über eine damit zusammenhängende Klage vor einem ausländischen Gericht ausgesetzt werden können. Eine solche Aussetzung ist nach geltendem deutschem Recht in analoger Anwendung des § 148 ZPO bei internationaler Rechtshängigkeit sowie bei Präjudizialität des ausländischen Verfahrens möglich, sofern die ausländische Entscheidung im Inland anerkennungsfähig ist. 122 Einer Änderung des deutschen Rechts bedürfte es nur, wenn auch in Konnexitätsfällen, die über die Präjudizialität hinausgehen, eine Aussetzung zugunsten ausländischer Verfahren ermöglicht werden sollte. In solchen Fällen hat die Aussetzung nur eine beschränkte Wirksamkeit, da eine Bindungswirkung des ausländischen Verfahrens auf das auszusetzende inländische Verfahren nicht in Betracht kommt. Auch ohne eine Bindungswirkung kann die Aussetzung zugunsten eines Verfahrens vor einem ausländischen Gericht jedoch zweckmäßig sein. Die Abstimmung mit einem im Ausland anhängigen konnexen Verfahren kann deutschen Gerichten Zeit und Kosten sparen und die Entscheidungsqualität verbessern. Es wäre allerdings zu hoch gegriffen, ein allgemeines Interesse an der inneren Widerspruchsfreiheit von Entscheidungen im internationalen Bereich anzunehmen. Allein die Relevanz einer gemeinsamen Frage in beiden Verfahren genügt daher nicht für eine Aussetzung zugunsten eines Verfahrens im Ausland. Eine Aussetzung kann allerdings sinnvoll sein, wenn das ausländische Gericht besser geeignet ist, über die Frage zu entscheiden, die auch im deutschen Verfahren entscheidungserheblich ist l23 , wenn es etwa auf tatsächliche Umstände ankommt, die sich im Ausland zugetragen haben. Kommt es auf eine rechtliche Beurteilung an, die auch das ausländische Gericht in seinem Verfahren zu treffen hat, so ist eine Aussetzung wohl nur unter der Voraussetzung zweckmäßig, daß das ausländi121 Heldrich, S. 118 f. 122 Siehe oben § 9 11 1. 123 So LG FrankfUrt 26.04.1985; siehe oben § 9111.

IV. Regelung der Konnexität im internationalen Bereich

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sche Gericht dasselbe Sachrecht anwendet wie das deutsche Gericht. 124 Andernfalls könnte sich das deutsche Gericht nicht sinnvoll an der künftigen ausländischen Entscheidung orientieren. Zu berücksichtigen ist weiterhin, daß die Aussetzung zugunsten eines ausländischen Verfahrens zu erheblichen Verzögerungen führen kann. Es ist im konkreten Fall daher genau zu prüfen, ob eine solche Verzögerung den Parteien zumutbar ist. Im Verhältnis zu Verfahren in Staaten, die nicht Vertrags staaten des EuGVÜ sind, ist somit eine Berücksichtigung der Konnexität nur in sehr begrenztem Umfang zu befürworten. Als Rechtsfolge kommt hier lediglich eine Aussetzung in Betracht, und auch diese - außer bei Präjudizialität des ausländischen Verfahrens - nur unter besonderen Umständen. Auf solche Fälle kann eine innerstaatliche Konnexitätsregel, wie sie oben entworfen wurde, entsprechend angewandt werden, was der Praxis überlassen bleiben kann. Eine Regelung für diesen Bereich erübrigt sich somit.

124 Geimer, IZPR, Rdnr. 2715; ders., NJW 1987, 3085, 3086: Die Aussetzung könne andernfalls nicht hilfreich für die Rechtsfindung des deutschen Gerichts sein.

§ 11 Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse

Der europäische Begriff der Konnexität, der in Art. 22 Abs. 3 definiert ist, ist aus dem Übereinkommen selbst heraus auszulegen. Im Rahmen der autonomen Auslegung kommt dem Ziel der Vermeidung widersprechender Entscheidungen und der Prozeßökonomie die größte Bedeutung zu. Der Begriff der "widersprechenden Entscheidungen" in Art. 22 Abs. 3 orientiert sich anders als es zumeist für den der "Unvereinbarkeit" in Art. 27 Nr. 3 angenommen wird - nicht an den Rechtskraftwirkungen der jeweiligen Entscheidungen. Es genügen auch Widerspruche in Teilen der Entscheidungen, die nicht an der Rechtskraft teilhaben. Konnexität liegt ohne weiteres vor, wenn verschiedene Klagen auf demselben Lebenssachverhalt beruhen oder dasselbe Ziel haben. Darüber hinaus genügt es, daß die Klagen von derselben Frage abhängig sind. Eine gemeinsame Frage in diesem Sinne liegt ohne weiteres vor, wenn beide Anspruche auf demselben Rechtsverhältnis beruhen. Die Relevanz einzelner Tatumstände in beiden Verfahren genügt demgegenüber nur, wenn diese jeweils rechtlich in entsprechender Weise von Bedeutung sind. Eine gemeinsame Rechtsfrage ist lediglich ausreichend, wenn sie in beiden Verfahren denselben Bezugspunkt hat oder wenn eine tatsächliche Einheit zwischen den Klagen besteht. Ob eine solche Einheit vorliegt, ist von dem Richter jeweils für den konkreten Fall zu beurteilen. Hierfür genügt insbesondere ein einheitlicher Tathergang. Im Zweifel ist Konnexität anzunehmen. Auf eine Übereinstimmung der an den Verfahren beteiligten Parteien kommt es nicht an. Die Anwendung des Art. 22 ist ausgeschlossen, wenn die Rechtshängigkeitsregel des Art. 21 eingreift. Da Art. 21 zu einer Abweisung der Klage führt, ohne sicherzustellen, daß diese auch bei dem anderen Gericht durchgeführt werden kann, ist Anspruchsidentität i.S.d. Art. 21 nur anzunehmen, wenn das Rechtsschutzbedürfnis der zweiten Klage in jedem Fall bereits mit der Durchführung der ersten Klage befriedigt wird. Die Rechtshängigkeitsregel setzt daher voraus, daß Parteien, Klagebegehren und Klagegrund übereinstimmen oder der Gegenstand der zweiten Klage in dem der ersten Klage vollständig enthalten ist. Haben die Klagen nur einen gemeinsamen Kern oder geht die spätere Klage über die frühere hinaus, kommt nicht Art. 21, sondern Art. 22 zur Anwendung. Das gilt insbesondere auch für das Verhältnis zwischen einer früheren negativen Feststellungsklage und einer späteren

§ 11 Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse

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Leistungsklage. Diese Abgrenzung zwischen den Regelungsbereichen von Art. 21 und 22 entspricht nicht nur der Struktur der beiden Nonnen, sondern erscheint auch im Ergebnis zweckmäßig, da Art. 22 bei zweckorientierter Auslegung geeignet ist, widersprechende Entscheidungen in seinem Anwendungsbereich wirksam zu verhindern. Die an sich für beide Rechtsfolgen der Konnexität - Aussetzung und Unzuständigerklärung - vorausgesetzte Anhängigkeit der Klagen in erster Instanz greift gemäß dem Zweck dieser Einschränkung nur ein, wenn die Anwendung der Konnexitätsregel zu einem Instanzverlust führen kann. Insofern hat sie für die Rechtsfolge der Aussetzung keine Relevanz. Auch eine Unzuständigerklärung schließt sie nur dann aus, wenn sich das früher anhängig gemachte Verfahren bereits in höherer Instanz, das später begonnene Verfahren dagegen noch in erster Instanz befindet. Die Zuständigkeit des zuerst angerufenen Gerichts für die bei ihm anhängige Klage ist keine Voraussetzung für die Anwendung des Art. 22, ebensowenig die Anerkennungsfähigkeit der künftigen Entscheidung. Die Unzuständigerklärung setzt jedoch voraus, daß das Erstgericht für das Zweitverfahren international zuständig ist. Damit sich das später angerufene Gericht für unzuständig erklären kann, muß die Verbindung von vor verschiedenen Gerichten anhängigen konnexen Verfahren nach seinem nationalen Recht grundSätzlich zulässig sein. Daran fehlt es im deutschen und im griechischen Recht. Diese Voraussetzung sollte gestrichen werden, denn es macht keinen Sinn, die Anwendung der Einheitsregelung von einer Entsprechung im nationalen Recht abhängig zu machen. Aufgelockert werden sollte außerdem die strikte Geltung des Prioritätsprinzips . Zu empfehlen wäre eine vorrangige Orientierung der Wirkungsrichtung der Konnexität daran, welches der beteiligten Gerichte eine umfassende Zuständigkeit besitzt und somit über beide Klagen gemeinsam entscheiden kann. Die Aussetzung wegen Konnexität sollte bei einen Präjudizialitätsverhältnis zwischen den Klagen immer zugunsten desjenigen Verfahrens erfolgen, das für das andere vorgreiflich ist. Die Rechtsfolge der Aussetzung in Art. 22 Abs. I ennöglicht die Verwertung von Ergebnissen des konnexen Verfahrens im ausgesetzten Verfahren. Da der Anwendungsbereich des Art. 22 weit über den Bereich der Präjudizialität hinausgeht und somit in vielen Fällen keine Bindungswirkung entsteht, ist die Aussetzung zur Erreichung des Ziels der Venneidung widersprechender Entscheidungen nur begrenzt geeignet. Sinnvoll ist diese Rechtsfolge, die zudem eine unter Umständen erhebliche Verfahrensverzögerung bewirken kann, nur als "Lückenfüller" für die Fälle, in denen die Anwendung des an 18 LUpfert

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§ 11 Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse

sich wirksameren zweiten Absatzes infolge der engeren Voraussetzungen der Unzuständigerklärung ausscheidet. Die UnzuständigerkLärung in Abs. 2 ermöglicht - entsprechend der Rechtsfolge der Konnexität in den romanischen Rechtsordnungen - eine Verweisung an das mit dem konnexen Verfahren befaßte Gericht. Dadurch werden die Wirkungen des bisherigen Verfahrensabschnitts, so weit sie mit dem neuen Verfahrensrecht vereinbar sind, erhalten. Wie die Verweisung technisch vor sich geht, richtet sich nach der Lex jori des verweisenden Gerichts. Das Erstgericht ist an die Verweisung hinsichtlich seiner Zuständigkeit für das verwiesene Verfahren nicht gebunden. Eine Bindungswirkung zu schaffen, wäre aber de conventione jerenda wünschenswert, um negative Kompetenzkonflikte auszuschließen. Die Rechtsfolgen der Konnexität stehen im Ermessen des Gerichts. Das Verfahren kann demnach nicht nur ausgesetzt oder verwiesen, sondern trotz Vorliegens der Voraussetzungen des Art. 22 auch weitergeführt werden. Allerdings besteht eine Verpflichtung zur Ausübung des Ermessens und zur Begründung der Entscheidung im konkreten Fall. Die Gerichte haben die sich aus dem Zweck der Norm ergebenden Kriterien in die Ermessensentscheidung einzubeziehen. So ist von einer Vermutung zugunsten einer Unzuständigerklärung auszugehen, wenn deren Voraussetzungen vorliegen; im übrigen gilt eine Vermutung zugunsten der Aussetzung. Weiterhin haben in die Entscheidung der Grad des Zusammenhangs, der Stand der Verfahren sowie vor allem die Interessen der Parteien im konkreten Fall einzufließen. Wird das durch Art. 22 eingeräumte Ermessen nach diesen Grundsätzen ausgeübt, ergibt sich aus der Ausgestaltung der Konnexitätsregel als Ermessensnorm keine wesentliche Effektivitätseinbuße. Die flexible Ausgestaltung der Rechtsfolgen, die mit der weiten Fassung des Konnexitätsbegriffs in Art. 22 Abs. 3 korrespondiert, erscheint angesichts der Vielzahl der durch die Koordinierung konnexer Verfahren betroffenen öffentlichen und privaten Interessen zweckmäßig. Es ist zu empfehlen, eine der Regelung in Art. 22 entsprechende Regelung auch in das nationale deutsche Recht einzuführen, weil die Möglichkeiten der Gerichte zur Koordinierung konnexer Verfahren nach geltendem Recht weit hinter Art. 22 und den Möglichkeiten in anderen europäischen Rechtsordnungen zurückbleiben. Der Aufnahme einer solchen Regelung in das innerstaatliche Recht, die für die Verbindung konnexer Klagen die Zuständigkeit des Empfangsgerichts für beide Verfahren voraussetzt, stehen keine grundsätzlichen Bedenken entgegen. Insbesondere liegt darin weder ein Verstoß gegen das Recht auf den gesetzlichen Richter noch gegen den Zweiparteiengrundsatz des Zivilprozeßrechts. Die öffentlichen und privaten Interessen an der Vermeidung widersprechender Entscheidungen und doppelten Prozeßaufwandes überwiegen das Interesse des Klägers an einem von ihm gewählten örtlich

§ 11 Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse

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zuständigen Gericht und an isolierter Entscheidung über einen einzelnen Anspruch. Eine Verbindung kommt auch bei Beteiligung verschiedener Parteien in Betracht. Dann sind aber die Belange der nur an einem der Verfahren beteiligten Parteien besonders zu beachten. Eine Angleichung des deutschen Rechts an Art. 22 ist weiterhin für den Bereich des EuGVÜ erforderlich, um die Verweisungsmöglichkeit des Art. 22 Abs.2 vor deutschen Gerichten anwendbar zu machen. Eine Aktivierung dieser Rechtsfolge ist erstrebenswert, da die bloße Möglichkeit der Aussetzung des Verfahrens bis zum Abschluß eines konnexen Verfahrens gemäß Art. 22 Abs. 1 den Zweck der europäischen Konnexitätsregel nur sehr begrenzt erfüllen kann. Für den internationalen Bereich außerhalb des EuGVÜ ist als Rechtsfolge der Konnexität lediglich eine Aussetzung des Verfahrens sinnvoll. Auch diese kommt nur unter engen Voraussetzungen in Betracht, weil der Justizgewährungsanspruch des Klägers zu respektieren ist, der durch Abwarten einer ausländischen Entscheidung über einen konnexen Anspruch erheblich beeinträchtigt werden kann. Die Schaffung einer eigenständigen Regelung für die Behandlung der Konnexität im Verhältnis zu Verfahren vor ausländischen Gerichten erübrigt sich, da in solchen Fällen § 148 ZPO bzw. die für den innerstaatlichen Bereich zu schaffende Konnexitätsregel entsprechend angewendet werden kann.

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fran~aise,

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Internationales Zivilverfahrensrecht, München 1991; zitiert: Schack, IZVR. Rechtshängigkeit in England und Art. 21 EuGVÜ, IPRax 1991, S. 270 ff. Die Versagung der deutschen internationalen Zuständigkeit wegen forum non conveniens und lis alibi pendens, RabelsZ 58 (1994), S. 40 ff. Wechselwirkungen zwischen europäischem und nationalem Zivilprozeßrecht, ZZP 107 (1994), S. 279 ff. Schlosser, Peter: Neues Primärrecht der EG, NJW 1975, S. 2132 ff. Der EuGH und das Europäische Gerichtsstands- und Vollstreckungsübereinkommen, NJW 1977, S. 457 ff. Bericht zum 1. Beitrittsübereinkommen, ABI. EG Nr. C 59 vom 05.03.1979, S. 71 ff. "Forum non conveniens" wegen Inaktivität der Prozeßbeteiligten?, IPRax 1983, S. 258 ff. Europäische Wege aus der Sackgasse des deutschen internationalen Insolvenzrechts, RIW 1983, S. 473 ff. Parallele Eheaufhebungs- und Ehescheidungsverfahren im In- und Ausland, IPRax 1985, S. 16 ff. Vertragsautonome Auslegung, nationales Recht, Rechtsvergleichung und das EuGVÜ, in: Gedächtnisschrift für RudolfBruns, München 1988, S. 45 ff. Anmerkung zu EuGH 27.09.1988, RIW 1988, S. 987 ff. Zivilprozeßrecht I, 2. Aufl., München 1991; zitiert: Schlosser, ZPR. Schmidt, Karsten: Verfahrenskoordination bei Anfechtungssachen im Fall der Bestätigung angefochtener Beschlüsse, NJW 1979, S. 409 ff. Schneider, Egon: Wann ist die Rechtshängigkeit ausländischer Verfahren zu beachten?, NJW 1959, S. 88. Über die Interventionswirkungen im Folgeprozeß, MDR 1961, S. 3 ff. Verfahrensverbindung (§ 147 ZPO) und Verfahrenstrennung (§ 145 ZPO) , MDR 1974, S. 7 ff. Schober, Axel: Drittbeteiligung im Zivilprozeß, Bayreuth 1990. Schockweiler, Fernand: Gründe für die Versagung von Anerkennung und Vollstreckung, in: Internationale Zuständigkeit und Urteilsanerkennung in Europa, 19 Lüpfert

290

Schrifttumsverzeichnis

hrsg. vom Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften, Kolloquium in Luxemburg vom 11./12. März 1991, Köln 1993, S. 149 ff. Rechtshängigkeit und Konnexität, in: Internationale Zuständigkeit und Urteilsanerkennung in Europa, hrsg. vom Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften, Kolloquium in Luxemburg vom 11./12. März 1991, Köln 1993, S. 145 ff. Schröder, Jochen: Internationale Zuständigkeit, Opladen 1971. Schulte, Norbert: Rechtshängigkeit nach US-amerikanischem Recht, Diss. Freiburg 1995. Schultes, Hans-Jörg: Beteiligung Dritter am Zivilprozeß, Köln 1994. Schultz, J.C.: Anmerkung, N.J. 1983, zu NT. 753. Schumann, Ekkehard: Die Prozeßökonomie als rechtsethisches Prinzip, in: Festschrift für Karl Larenz, München 1973, S. 271 ff. Internationale Rechtshängigkeit (Streitanhängigkeit), in: Festschrift für Winfried Kralik, Wien 1986, S. 301 ff. Internationale Zuständigkeit: Besonderheiten, Wahlfeststellung, doppelrelevante Tatsachen, in: Beiträge zum Internationalen Verfahrensrecht und zur Schiedsgerichtsbarkeit (Festschrift für Heinrich Nagel), Münster 1987, S. 402 ff. Der Vermögensgerichtsstand (§ 23 ZPO) und der Einwand internationaler Rechtshängigkeit, IPRax 1988, S. 13 ff. Schütze, Rolf A.: Die Berücksichtigung der Rechtshängigkeit eines ausländischen Verfahrens, RabelsZ 31 (1967), S. 233 ff. Die Berücksichtigung der Rechtshängigkeit eines ausländischen Verfahrens nach dem EWG-Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen, RIW 1975, S. 78 ff. Die Berücksichtigung der Konnexität nach dem EWG-Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen, RIW 1975, S. 543 ff. Wirkungen ausländischer Rechtshängigkeit in inländischen Verfahren, ZZP 104 (1991), S. 136 ff. Die Bedeutung der Verweisung nach § 281 ZPO für die internationale Zuständigkeit, RIW 1995, S. 630 f. Schwab, Karl Heinz: Der Streitgegenstand im Zivilprozeß, München 1954. Schwartz, Ivo E.: Übereinkommen zwischen den EG-Staaten: Völkerrecht oder Gemeinschaftsrecht? , in: Festschrift für Wilhelm G. Grewe, Baden-Baden 1981, S. 551 ff. Sohm-Bourgeois, Anne-Marie: VO Competence, Exceptions d'incompetence, JuriscIasseur de procedure civile, Paris, Stand 1995, Fasc. 213-1. Competence, Exceptions de Iitispendance et de connexite, Juris-cIasseur de procedure civile, Paris, Stand 1995, Fasc. 213-2.

VO

Solus, HerrylPerrot, Roger: Droit Judiciaire Prive, Bd. II, Paris 1973; Bd. m, Paris 1991.

Schrifttumsverzeichnis

291

SpeIlenberg, Ulrich: Örtliche Zuständigkeit kraft Sachzusammenhangs, Eine rechtsvergleichende Darstellung, ZVgIRWiss. 79 (1980), S. 89 ff. Das Europäische Gerichtsstands- und Vollstreckungsübereinkommen als Kern eines europäischen Zivilprozeßrechts, Europarecht 1980, S. 329 ff. Zuständigkeit bei Anspruchskonnkurrenz und kraft Sachzusammenhangs, ZZP 95 (1982), S. 17 ff. Spencer Bower, GeorgelTurner, Alexander Kingcome: The Doctrine of Res Judicata, 2. Aufl., London 1969. Stein/Jonas: Kommentar zur ZPO, 20. Aufl., Tübingen 1977 ff. (zu §§ 253-299a und 300-51Ob); 21. Aufl., Tübingen 1993 ff. (zu §§ 1-90 und 91-252). Stürner, Rolf: Rechtsprobleme der verbandsmäßig organisierten Massenklage, JZ 1978, S. 499 ff. Verfahrensgrundsätze des Zivilprozesses und Verfassung, in: Festschrift für Fritz Baur, Tübingen 1981, S. 647 ff. Tarzia, Giuseppe: Competenza internazionale e competenza giurisdizionale per connessione nelle convenzione dell'Aja e di Bruxelles, Rivista di diritto internazionale privato e processuale 1969, S. 156 ff. Connessione di cause e processo simultaneo, Rivista trimestrale di diritto e procedura civile 1988, S. 397 ff. Thomas, HeinzlPutzo, Hans: Zivilprozeßordnung, Kommentar, 19. Aufl., München 1995. Urlesberger, Franz: Ein einheitliches Gerichtstandsrecht für ganz Westeuropa mit Ausnahme Österreichs im Werden, Juristische Blätter 1988, S. 223 ff. Vazquez Iruzubieta, Carlos: Doctrina y jurisprudencia de la Ley de Enjuiciamiento Civil, 4. Aufl., Madrid 1989. Verheul, Hans: The EEC Convention on Jurisdiction and Judgements of27 september 1968 in Dutch Legal Practice, Netherlands International Law Review 1987, S. 99 ff. Anmerkung zu EuGH 08.12.1987, Netherlands International Law Review 1988, S. 81 f. Viatte, Jean: Apropos de la litispendance, Gazette du Palais 1976, doctr., S. 354 f. Note sous Cour de cass. 05.07.1978, Gazette du Palais 1978, II, S. 624. Vincent, Jean/Guinchard, Serge: Procedure civile, 23. Aufl., Paris 1994. Wahl, Ulrich: Die verfehlte internationale Zuständigkeit, 1974. Weinberger, Ota: Rechtslogik, 2. Aufl., Berlin 1989. Weser, Martha: Convention communautaire sur la competence judiciaire et I'execution des decisions, Bruxelles 1975. Wieczorek, Bernhard: Zivilprozeßordnung und Nebengesetze, Kommentar, Bd. I und II, 2. Aufl., Berlin 1976; ders.lSchütze, Rolf A., Bd. 1/1 und 2, 3. Aufl., Berlin 1994. Wieser, Eberhard: Das Rechtsschutzinteresse des Klägers im Zivilprozeß, Bielefeld 1971. 19'

292

Schrifttumsverzeichnis

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Entscheidungsregister 1 EuGH

I.

06.12.1994, Rs C-402/92, The owners of the cargo laden on board the ship Tatry/The owners of the ship Maciej Rataj ("Maciej Rataj"), Sgl. 1994, 1-5439 = JZ 1995, 616 = EuZW 1995, 309 = [1995] Int. Lit. Proc. 81. 20.01.1994, Rs C-129/92, Owens Bank Ltd.!Fulvio Bracco, Sgl. 19941-117 = Rev. crit. 1994,377 = IPRax 1995,240. 27.06.1991, Rs C-351/89, Overseas Union Insurance, Deutsche Rück und Pine Top/New Hampshire Insurance Company, Sgl. 1991,1-3317 = IPRax 1993, 34 = NJW 1992, 3221. 04.02.1988, Rs 145/86, HoffmannlKrieg, Sgl. 1988,645 = RIW 1988, 820 = NJW 1989, 663. 08.12.1987, Rs 144/86, Gubisch Maschinenfabrik/Giulio Palumbo, Sgl. 1987, 4861. 07.06.1984, Rs 129/83, Zelger/Salinitri, Sgl. 1984, 2397 = RIW 1984, 737. 24.06.1981, Rs 150/80, Elefantenschuh GmbH/Pierre Jacqmain, Sgl. 1981, 1671 = IPRax 1982, 234 ff. 13 .11.1979, Rs 25/79, Sanicentral/Collin, Sgl. 1979, 3423. 22.11.1978, Rs 33/78, SomaferISaar-Ferngas, Sgl. 1978,2183. 21.06.1978, Rs 781150, Bertrand/Ott, Slg. 1978,1431. 27.10 .1977, Rs 30/77, Strafverfahren gegen Bouchereau, Slg. 1977, 1999. 30.11.1976, Rs 21/76, BierIMines de Potasse d'Alsace, Sgl. 1976,1735. 14.10.1976, Rs 29/76, LTUlEurocontrol, Slg. 1976, 1541. 06.10.1976, Rs 12/76, Tessili/Dunlop, Sgl. 1976, 1473.

11.

Bundesrepublik Deutschland

1.

Bundesverfassungsgericht Beschluß vom 27.03.1980, NJW 1980, 1511. Beschluß vom 19.07.1967, BVerfGE 22, 254. 1 MehrfachfundsteIlen werden nicht vollständig aufgeführt.

294

Entscheidungsregister Beschluß vom 08.02.1967, BVerfGE 21, 139. Beschluß vom 15.10.1966, BVerfGE 20,336. Beschluß vom 18.05.1965, BVerfGE 19,52. Beschluß vom 03.02.1965, BVerfGE 18, 344. Beschluß vom 24.03.1964, BVerfGE 17,294. Urteil vom 19.03.1959, BVerfGE 9, 223. Urteil vom 16.01.1957, BVerfGE 6, 45.

2.

Bundesverwaltungsgericht Urteil vom 05.07.1985, BVerwGE 72, 1.

3.

Bundesgerichtshof Urteil vom 12.02.1992, FamRZ 1992, 1058. Beschluß vom 19.11.1991, NJW 1992, 981

= MDR 1992, 709.

Beschluß vom 07.03.1991, NJW-RR 1991, 767. Urteil vom 20.01.1989, NJW 1989,2064. Urteil vom 24.02.1988, BGHZ 103,275 = NJW 1988, 1378. Beschluß vom 07.10.1987, NJW-RR 1989, 195. Beschluß vom 09.10.1986, NJW 1987,439. Urteil vom 10.04.1986, NJW 1986,2508. Urteil vom 10.10.1985, NJW 1986,2195. Urteil vom 09.10.1985, IPRspr. 1985, Nr. 166 = NJW 1986, 662 1987,314 = Nachschlagewerk D 1-21 - B 12. Urteil vom 19.09.1985, MDR 1986, 312. Urteil vom 17.04.1984, NJW 1984,1901. Beschluß vom 16.02.1984, BGHZ 90, 155 = NJW 1984, 1624. Beschluß vom 27.10.1983, BGHZ 88,331. Urteil vom 17.02.1983, NJW 1983, 2032. Urteil vom 18.11.1982, NJW 1983,388. Urteil vom 22.05.1981, NJW 1981,2306. Urteil vom 05.12.1980, NJW 1981, 1273 = LM Nr. 5 zu § 41 ZPO. Beschluß vom 17.09.1980, NJW 1980,2646. Beschluß vom 15.03.1978, BGHZ 71,69 = NJW 1978, 1163. Urteil vom 21.02.1975, NJW 1975, 1228. Urteil vom 28.06.1973, NJW 1973, 1500. Urteil vom 17.02.1970, BGHZ 53, 245.

=

IPRax

Entscheidungsregister

295

Urteil vom 15.01.1969, NJW 1969, 699 = LM Nr. 7 zu § 5 ZPO. Urteil vom 17.10.1963, BGHZ 40, 185. Urteil vom 30.10.1956, NJW 1957,183. Urteil vom 21.06.1955, BGHZ 18,22 = NJW 1955, 1437. Urteil vom 13.03.1953, BGH LM § 302 ZPO Nr. 1. Urteil vom 13.11.1952, BGHZ 8, 72. Urteil vom 10.10.1952, BGHZ 7, 268. Beschluß vom 03.04.1951, BGHZ 1,341.

4.

Reichsgericht Urteil vom 17.05.1939, RGZ 160, 338. Urteil vom 25.08.1938, RGZ 158,145. Beschluß vom 28.06.1937, JW 1937,2465. Urteil vom 06.03.1922, RGZ 104, 155. Urteil vom 13.04.1901, RGZ 49,340. Beschluß vom 15.11.1897, RGZ 40,373. Urteil vom 30.03.1892, RGZ 29,29: Urteil vom 15.03.1884, RGZ 11,423.

5.

Oberlandesgerichte

OLG Düsseldorf, Beschluß vom 20.03.1985, IPRax 1986, 29. OLG Frankfurt, Beschluß vom 12.11.1985, NJW 1986, 1443 = IPRax 1986,297. Beschluß vom 15.11.1982, IPRax 1983,294. Urteil vom 23.09.1980, MDR 1981, 61 = RIW 1980, 799 = IPRspr. 1980 Nr. 178 = Nachschlagewerk D 1-21 - B 6. OLG Hamm, Urteil vom 03.12.1993, IPRax 1995, 104. Urteil vom 15.05.1986, NJW 1987, 138 = OLGZ 1987, 336 = GRUR 1987, 569. Urteil vom 25.09.1985, IPRax 1986, 233 = IPRspr. 1985 Nr. 165 = RIW 1986, 383 = Nachschlagewerk D 1-21 - B 11. Beschluß vom 18.10.1982, NJW 1983, 523 = RIW 1983,56 = Nachschlagewerk D 1-22 - B 6. OLG Karsruhe, Urteil vom 04.08.1977, RIW 1977, 718 = IPRspr. 1977 Nr. 27 = MDR 1978, 61. Beschluß vom 15.12.1969, FamRZ 1970,410. Urteil vom 25.05.1960, NJW 1960,1955.

296

Entscheidungsregister

OLG Koblenz, Urteil vom 30.11.1990, RIW 1991, 63 = EuZW 1991,158 = IPRspr. 1990 Nr. 194 = Nachschlagewerk D 1-21 - B 15. OLG Köln, Urteil vom 13.12.1990, NJW 1991, 1427 = IPRspr. 1990 Nr. 195 IPRax 1992, 89 = RIW 1991,328 = Nachschlagewerk D 1-21 - B 16. Urteil vom 16.03.1988, RIW 1988,555. Beschluß vom 14.04.1983, MDR 1983, 848. Beschluß vom 03.09.1975, MDR 1976,496. Beschluß vom 17.05.1957, NJW 1958,106. OLG München, Beschluß vom 22.12.1993, IPRax 1994,308 = RIW 1994, 511. Urteil vom 10.04.1987, IPRspr. 1987 Nr. 142. Urteil vom 13.02.1985, IPRspr. 1985 Nr. 133 A = Nachschlagewerk D 1-21 BIO.

Beschluß vom 15.07.1968, NJW 1968,2150. OLG Nümberg, Beschluß vom 04.06.1962, MDR 1963, 507.

6.

Landgerichte

LG Frankfurt, Beschluß vom 23.08.1991, IPRax 1992, 389. Urteil vom 22.02.1988, IPRax 1990, 234 = IPRspr. 1989 Nr. 210 A = Nachschlagewerk D 1-21 - B 13. Beschluß vom 26.04.1985 - 3/7 0 51185, nicht veröffentlicht, Auszüge bei Löber, IPRax 1986,283 ff. LG Köln, Urteil vom 28.07.1978, Nachschlagewerk D 1-21 - B 3. LAG Düsseldorf, Beschluß vom 15.11.1974, EzA § 148 ZPO Nr. 1.

111. Belgien 1.

Cour de cassation 04.09.1987 06.06.1961 13.05.1937 02.01.1917 02.01.1913

(Ire ch.), Pas. 1988, I, 4 (Nr. 3). (2e ch.), Pas. 1961, 1,1082. (Ire ch.), Pas. 1937, 1,145. (2e ch.), Pas. 1917, I, 364. (Ire ch.), Pas. 1913, I, 46.

297

Entscheidungsregister

2.

Cours d'appel

Antwerpen 18.10.1979, lur. comm. Belg. 1980, I, 181 = Nachschlagewerk D 1-22B2. Bruxelles 26.03.1991, lur. Liege 1992, n, 1389. 10.06.1988, Pas. 1988, n, 230. 25.11.1970, Pas. 1971, n, 72. 24.04.1959, Pas. 1960, n, 75. 30.05.1956, loum. trib. 72 (1957), 25. Gand 04.11.1882, Pas. 1883, n, 78. Liege 24.5.1988, Pas. 1988, n, 224. 12.05.1977, loum. trib. 1977,710 = Clunet 1979,193. 29.02.1964, Pas. 1964, n, 219 = Recueil annuel dejurisprudence beIge 1964, proc. civ. Nr. 80. Mons 03.05.1977, loum. trib. 1977,637 = lur. comm.Belg. 1977, IV, 348 = Pas. 1978, n, 8.

3.

Tribunaux

Rechtbank van koophandel te Brugge 26.05.1988, Nachschlagewerk D 1-22 - B 9. Rechtbank van koophandel te BrusseI28.02.1975, Eur. Transp. Law 1975,419. Tribunal de commerce Courtrai 05.01.1971, R.W. 1971-72,817. Tribunal de commerce Liege 27.04.1968, lur. comm. Belg. 1969, I, 35. lustice de paix Beringen 14.02.1969, Jur. Liege, 1969-70,303. Justice de paix Dison 13.02.1970, Jur. Liege, 1970-71, 79. Justice de paix Liege 10.02.1938, Jur. Liege, 1938, 109. Conseil de prud'hommes de Jemeppe-sur-Meuse 30.10.1969, Jur. Liege, 1970-71,5. IV.

Frankreich

1.

Cour de cassation 27.10.1992 (Ire ch. civ.), Dalloz 1992, inf. rap. 262 VI, 1 = Clunet 1994, 171 = [1993] Int. Lit. Proc. 392. 09.10.1991 (Ire ch. civ.), Bull. civ. 1991, n, Nr. 257. 03.01.1991 (ch. com.), Bull. civ. 1991, IV, Nr. 3. 13.10.1988 (ch. soc.), Bull. civ., V, Nr. 514. 20.10.1987 (Ire ch. civ.), Clunet 1988,447. 10.12.1985 (3e ch. civ.), Dalloz 1986, info rap. 225.

= J.C.P.

1993, M. G,

298

Entscheidungsregister 18.12.1984 (eh. eorn.), BuH. eiv. 1984, IV, Ne. 356. 29.02.1984 (2e eh. eiv.), BuH. civ. 1984, I1, Ne. 43 = J.C.P. 1984, IV, 147. 04.10.1983 (Ire eh. eiv.), BuH. eiv. 1983, I, Ne. 216. 19.04.1983 (he eh. eiv.), BuH. eiv. 1983, I, Ne. 123. 26.05.1982 (lre eh. eiv.), BuB. civ. 1982, I, Ne. 199. 17.05.1982 (2e eh. eiv.), BuB. eiv. 1982, I1, Nr. 75. 02.06.1981 (Ire eh. eiv.), BuB. eiv. 1981, I, Nr. 186 = Cahiers de. euro 1985, 464 = Gaz. Pal. 1982, panoe. 12; J.C.P. 1981, Tab. jue. 295 = Nachschlagewerk D-I 21 - B 7. 24.04.1981 (2e eh. eiv.), BuH. eiv. 1981, I1, Nr. 104. 05.07.1978 (2e eh. eiv.), Gaz. Pal. 1978, I1, 624. 03.04.1978 (2e eh. eiv.), DaHoz 1978, info rap. 367. 26.11.1974 (Ire eh. eiv.), BuH. eiv. 1974, I, Ne. 312 = Rev. erit. 1975,491 Clunet 1975, 108. 25.05.1972 (3e eiv.), J.C.P. 1972, IV, 177. 18.04.1972 (lre eh. eiv.), DaHoz 1972, sornrn. 192 = Rev. erit. 1972,672. 23.06.1971 (2e eh. eiv.), BuB. eiv. 1971, I1, Ne. 227. 01.12.1969 (lre eh. eiv.), BuB. eiv. 1969, I, Ne. 379 = Rev. erit. 1972,84 Clunet 1970, 707. 10.07.1969 (3e eh. eiv.), BuH. eiv. 1969, m, Nr. 572. 30.03.1966 (2e eh. eiv.), BuB. eiv. 1966, I1, Nr. 445. 10.03.1969 (lre eh. eiv.), Clunet 1969, 659. 27.10.1964 (lre eh. eiv.), Gaz. Pal. 1965,27 = DaBoz 1965, sornrn. 38. 18.07.1963 (lre eh. eiv.), BuB. eiv. 1963, I, Ne. 409. 05.05.1962 (lre eh. eiv.), Rev. erit. 1963,99. 12.03.1953 (civ., 2e seet.), DaHoz 1953, 322. 29.11.1951 03.12.1945 03.01.1940 08.12.1938 07.04.1936 14.11.1934 02.08.1933 10.07.1929 17.03.1925 17.07.1911 07.03.1904 19.12.1893

(soe.), BuH. eiv. 1951, m, Nr. 772. (soe.), Dalloz 1944, 30. (civ.), DaBoz 1940,61. (soe.), Gaz. Pal. 1939,260. (civ.), Sirey 1936, I, 250. (civ.), Sirey 1935, 1,136. (req.) Sirey 1933, I, 347. (req.), DaBoz 1929,425 = Sirey 1930, 1,102. (civ.), DaBoz 1925,286. (civ.), Sirey 1915, 1,145. (req.), Sirey 1905, I, 287. (req.), Sirey 1896, I, 87.

30.11.1891 (req.), Sirey 1892, I, 77.

=

=

Entseheidungsregister

299

03.12.1890 (req.), Sirey 1891, I, 255. 14.01.1890 (eiv.), Dalloz 1891, I, 433. 27.02.1888 (req.), Dalloz 1889, I, 24 = Sirey 1891, I, 263. 02.06.1885 (req.), Sirey 1885, I, 375. 24.05.1880 (req.), Sirey 1882, I, 114. 06.12.1875 (req.), Sirey 1876, 1,165. 04.01.1875 (req.), Sirey 1875, I, 291. 12.12.1864 (req.), Sirey 1865, I, 127. 23.03.1864 (req.), Sirey 1864, I, 224 = Dalloz 1864, I, 479. 22.01.1862 (req.), Dalloz 1862, I, 172. 18.08.1840 (eiv.), Sirey 1840, I, 836. 23.02.1837 (req.), Sirey 1837, I, 162. 09.01.1821 (req.), Sirey 1821, ehr.

2.

Cours d'appel

Aix 02.03.1929, Gaz. Pal. 1929, I, 703. Alger 15.10.1902, Clunet 1904, 895. Bastia 28.02.1977, Riv. dir. int. priv. proe. 1978, 189 = Foro it. 1979, IV, 406. Besan~on 13.08.1906, Clunet 1907,710 = Rev. erit. 1910,404. Colmar 19.02.1974, Dalloz 1974, somm. 134. 27.06.1935, Rev. Als.-Lorr. 1936,47. Dijon 29.01.1975, Clunet 1976, 147 = Gaz. Pal. 1975, II, 692 = Dalloz 1976, jur. 383. 01.03.1974, Dalloz 1974, somm. 66. Lyon 08.10.1980, erwähnt in Cass. 10.07.1984, Rev. erit. 1985, 117. Paris, 4e eh., seet. B, 16.05.1991, Dalloz 1992, somm. 167 = [1993] Int. Lit. Proe. 309. 16.11.1989 (Ire eh., seet. C), Clunet 1990,127. 24.05.1983 (Ire eh. supp.), Clunet 1983, 827. 17.02.1965 (6e eh.), Dalloz 1965, somm. 100 = J.C.P. 1965, H, 14250. 05.05.1960 (Ire eh.), I.C.P. 1960,2,11775. = Clunet 1961, 450. 05.03.1929, J.C.P. 1929, 1375. 27.12.1923, Clunet 1925,111. 15.11.1900, Dalloz 1901, H, 123. Rouen 08.03.1949, Dalloz 1949, somm. 52 = Rev. trim. dr. eiv. 1950,98.

300

3.

Entscheidungsregister

Tribunaux

Tribunal eivile de Lilie (2e eh.), 11.01.1926, Clunet 1926, 932. Tribunal de grande instanee de Metz (eh. eorn.), 04.11.1970, Clunet 1972, 314. Tribunal de grande instanee de Paris (Ire eh., Ire seet.), 11.07.1990, Clunet 1991, 722. 04.04.1990 (Ire eh., Ire seet.), Gaz. Pa!. 1991, I, somm. 52. 23.11.1983 (Ire eh., Ire seet.), Rev. erit. 1984,510. 12.02.1980 (Ire eh., 4e seet.), Clunet 1980, 653. 04.07.1972 (3e eh.), Dalloz 1974, jur. 205. Tribunal de grande instanee Seine, 18.10.1963, Gaz. Pa!. 1964, I, 325. V.

Italien

1.

Corte costituzionale Urteil vom 05.12.1974, Raeeolta uffieiale della Corte Costituzionale 1974, Nr. 274. Urteil vom 20.06.1972, Raeeolta ufficiale della Corte Costituzionale 1972, Nr. 117.

2.

Corte di cassazione 15.10.1992, Nr. 11262, Riv. dir. int. priv. proe. 1994,93. 26.11.1990, Nr. 11363, Riv. dir. int. priv. proe. 1992,107. 12.04.1990, Nr. 3146, Rep. Foro it. 1990, VO eornpetenza eivile, Nr. 129. 02.03.1989, Nr. 1178, Rep. Foro it. 1989, VO cornpetenza eivile, Nr. 96. 08.09.1986, Nr. 5494, Giust. eiv., Mass. 1986, 1583. 05.06.1984, Nr. 3397, Giust. eiv. 1984, I, 3331. 25.11.1983, Giust. eiv., Mass. 1983, Nr. 7083. 25.07.1983, Giust. eiv., Mass. 1983, Nr. 5119. 14.06.1983, Giust. eiv., Mass. 1983, Nr. 4074. 14.11.1981, Riv. dir. int. priv. proe. 1982,821. 28.04.1981, Giust. eiv., Mass. 1981, Nr. 2588. 13.10.1980, Giust. eiv., Mass. 1980, Nr. 5483. 30.03.1979, Nr. 1862, Foro it. 1980, I, 2269. 08.03.1967, Giust. eiv., Mass. 1967, Nr. 544. 31.01.1956, Nr. 282, Rep. Foro it. 1956, VO proeedirnento civile, Nr. 148.

301

Entscheidungsregister

27.09.1955, Nr. 2637, Rep. Foro it. 1955, VO procedirnento civile, Nr. 146147. 13.12.1951, Nr. 2819, Giurisprudenza completa della Corte di cass. 1951, Nr. 3167. Corte d'appello di Milano 26.09.1978, Foro pad. 1978, I, 394 = Riv. dir. int. priv. proc. 1978, 843 = Nachschlagewerk D 1-21 - B 4. Pretore di Parma 17.06.1980, Riv. dir. int. priv. proc. 1982, 86 = Foro it. 1981, I, 1455 = Nachschlagewerk D 1-22 - B 4. Tribunale di Bassano dei Grappa 13.02.1976, Riv. dir. int. priv. proc. 1978,74 = Nachschlagewerk D 1-21 - B 1. Tribunale di Livorno 24.11.1989, Riv. dir. int. priv. proc. 1994,93. VI.

Luxemburg

Cour superieure de justice 14.12.1977, Nachschlagewerk D 1-22 - B 1. VII. Niederlande Gerechtshof 's-Gravenhage 28.11.1984, Nachschlagewerk D 1-21 - B 9. Arrondissementsrechtbank 's-Hertogenbosch 10.02.1978, NJ. 1980, Nr. 14 = Nachschlagewerk D 1-21 - B 2. Arrondissementsrechtbank 's-Gravenhage 01.02.1985, Nachschlagewerk D 1-22 - B

8. 15.03.1978, Nachschlagewerk D 1-21 - B 5. Arrondissementsrechtbank Rotterdam 23.07.1982, N.J. 1983, Nr. 753 gewerk D 1-22 - B 5.

= Nachschla-

VIII. Spanien Tribunal supremo, Urteil vom 12.06.1985, Albacar L6pez, LEC, § 14 Nr. 1. Urteil vom 25.01.1982, Albacar L6pez, LEC, § 14 Nr. 34. IX.

Vereinigtes Königreich

1.

House of Lords

Atlantic Star [1974] I A.C. 436. Australian Commercial Research and Development Ltd.lANZ McCaughan Merchant Bank Ltd. [1989] 3 All E.R. 65.

Entscheidungsregister

302

Ladenimor S.A./Intercomfinanz S.A., Vorlagebeschluß vom 13.07.1992, IPRax 1992, 373. MacShannon/Rockware Glass Ltd. [1978] A.C. 795. Spiliada Maritime Corporation/Cansulex Ltd. [1987] A.C. 460. The Abidin Daver [1984] 1 A.C. 398. 2.

Court 0/ Appeal

Dresser U.K. Ltd./Falcongate Freight Management Ltd. [1992] 2 W.L.R. 319 = [1992] Int. Lit. Proc. 164. First National Bank of Boston/Union Bank of Switzerland and Others [1990] 1 Lloyd's Rep. 32. Harrods (Buenos Aires) Ltd. [1991] 3 W.L.R. 397. Neste Chemicals SA and others/DK Line SA and another (The Sargasso) [1994] 3 All E.R. 180 = [1995] Int. Lit. Proc. 553. The "Maciej Rataj" [1995] Int. Lit. Proc. 114. The "Po" [1991] 2 Lloyd's Rep. 206. The "Volvox Hollandia" [1988] 2 Lloyd's Rep. 361. 3.

High Court

Arkwright Mutual Insurance Co./Bryanston Insurance Co. Ltd. [1990] 2 All E.R. 335 = [1990] Int. Lit. Proc. 272 (Q.B.). S.& W. Berisford Plc./New Hampshire Insurance Co. [1990] 2 All E.R. 321 = [1990] Int. Lit. Proc. 118 (Q.B.). Cleveland Museum of Art/Capricorn Art International S.A. [1990] 2 Lloyd's Rep. 166 (Q.B.). Kloeckner & Co. AG/Gatoil Overseas Inc. [1990] 1 Lloyd's Rep. 177 = [1990] Int. Lit. Proc. 53 = Nachschlagewerk D 1-21 - B 14 (Q.B.). De PinalM.S. Birka ICG [1994] Int. Lit. Proc. 694 (Q.B.). Rank Film Distributors/Lanterna Editrice Srl [1992] Int. Lit. Proc. 58 (Q.B.). The "Coral Isis" [1986] 1 Lloyd's Rep. 413 (Q.B.). The "Linda" [1988] 1 Lloyd's Rep. 175 (Q.B.). The "Maciej Rataj" [1991] 2 Lloyd's Rep., 458 (Q.B.). The "Nordglimt" [1987] 2 Lloyd's Rep. 470 (Q.B.). The "Vishva Abha" [1990] 2 Lloyd's Rep. 312 (Q.B.). The "Volvox Hollandia" [1987] 2 Lloyd's Rep. 520 (Q.B.). Virgin Aviation [1991] Int. Lit. Proc. 79 = Nachschlagewerk D 1-22 - B 10 (Q.B.).

Sachregister Additionsverbot 259 Akzessorische Klagen 70, 112, 138, 139 Allgemeine Rechtsgrundsätze 44,56 Anerkennung 27 f., 31 f., 36, 40, 47, 53,141,142,166,168,188,212 Anerkennungsfähigkeit 37, 127, 141 f., 145,211 f., 216, 234 f., 270,273 Anerkennungshindernis 31 f., 48, 50 ff., 94, 122 Anerkennungsprognose , positive 35 f., 38, 129, 141 f., 211 f., 233 f. Angleichung des nationalen Rechts 162,239 ff., 267 ff. Anhängigkeit - bei demselben Gericht 57,65,72, 75 f., 79, 87,148,154,158,161, 177, 184, 191,225,244,265 bei verschiedenen Gerichten 29, 57 f., 69, 72, 76,159,161,182, 219,225,229,242,246,247,267, 273 - in derselben Instanz 130, 133 - in erster Instanz 91, 130 ff., 162, 166,195,221,223,265,273 - in verschiedenen Instanzen 131 , 133, 195,265 Anspruchsidentität 51,54,91 ff., 272 Antisuit injunction 38, 209 Antragserfordernis 129, 147 ff., 179, 182,192,237,265 f. Antragsverschiedenheit 97 Anwaltsgebühren s. Kosten

Anwaltskosten s. Kosten Anwaltswechsel 266 Anwendungsbereich des Art. 22 EuGVÜ 31 ff. - räumlich-persönlicher 32 - sachlicher 31 f. Arbeitsaufwand 206 f., 259, 262 Arbeitsersparnis 56, 208, 216, 254, 262 Aufrechnung 69,83,226 Ausführungsbestimmungen 172, 199, 202, 269 Auslegung des EuGVÜ 28,41 f. - autonome 42,43,54 f., 92, 94, 135,272 - einheitliche 41, 44, 55, 92, 165 - rechtsvergleichende 43, 54 ff., 71, 77,94 - verweisungsrechtliche 42, 92 Ausschließliche Zuständigkeit s. Zuständigkeit Ausschließlicher Gerichtsstand s. Zuständigkeit Aussetzung bei Präjudizialität - nach deutschem Recht 141, 168, 215,226 f., 234, 237, 264, 265, 270 f. - nach italienischem Recht 141, 165, 189 Aussetzung gemäß Art. 22 EuGVÜ - Bindungswirkung 167 ff. - Dauer 165 ff. - Interessen der Parteien 212 f.

304

Sachregister

- Verfahren 163 f. - Wirkungen 164 f. Aussetzung und Instanzverlust 131, 134 Aussetzung und Priorität 141 Aussetzung wegen Konnexität - im belgischen Recht 133

Continenza 103 f., 112

Dispositionsmaxime 245 f. DoppelqualifIkation 41, 92 Drittbeteiligung 188, 231 ff. Drittstaatenproblematik 31, 33 ff.

- im englischen Recht 76 - im französischen Recht 58, 133

Effektiver Rechtsschutz 47, 48 f., 125,249

Beitrittsübereinkommen 27, 161, 162, 164

Effektivität der Konnexitätsregel 129, 140, 192,216,220,221 ff., 263

Berücksichtigung von Amts wegen 98,147 f., 177, 181,246,265 f.

Eignung des Gerichts zur Sachentscheidung 76, 208 ff., 216, 236

Berufungsverfahren 131 f., 166

Eilbedürftigkeit 212, 216

Beschleunigungsinteresse 133,212, 226,253

Eilverfahren 81, 212

Besondere Gerichtsstände s. Zuständigkeit

Einheitlichkeit der Rechtsprechung 151,156,194,209,229,252,258, 260

Besondere Zuständigkeit s. Zuständigkeit

Einheitsrecht 28, 157, 273

Beurteilungsspielraum des Tatrichters 64,66, 160,218 f., 264

- im belgischen Recht 65 ff., 133, 148

Beweisaufnahme 47, 168, 181, 184, 185,187 f., 207, 252, 253, 254, 255,258

- im französischen Recht 37 f., 57 ff., 133, 138, 148, 149, 174 f.

Beweisnähe 76, 208 Beweisunmittelbarkeit 254 f. Beweiswürdigung 53, 168, 187 f., 252, 253, 258 Bindungswirkung der Verweisung 172,175 f., 179, 180, 181, 186 f., 193 f., 200 f., 202, 247, 248, 268, 274 Causa 59,60,66,71,75,85,91, 101, 105, 109 ff. Cause 59, 91, 98 f. Cause ofaction 39,76,91 f., 105 f. Chancengleichheit der Parteien 120, 126,249

Einrede der Konnexität

- im italienischen Recht 68 ff., 133, 148, 160 - im spanischen Recht 73 ff., 133, 148 Einstweiliger Rechtsschutz 117 Entscheidungseinklang, internationaler 45,53,213,258,269 Entscheidungsharmonie 44 ff., 107, 124,258,263 Entscheidungsqualität 214,226,270 Entscheidungsreife 83, 137, 208 Entstehungsgeschichte des Art. 22 EuGVÜ 166, 194 ff. Ermessen 30,33 f., 37, 58, 84, 91, 122, 144, 159 f., 167, 181, 184, 191,203 ff., 242 ff., 264 f., 274

Sachregister - Grenzen 203 ff. - Pflicht zur Ausübung 203 f. Ermessensentscheidung 49, 82, 88, 89,127,134,142,151,156, 203 ff., 234, 274 - Begründung 204 - Überprüfung 204 f., 248 Ermessensgesichtspunkte 205 ff. Ermessensnorm 88, 122, 160, 220, 274 Ermessensspielraum 38, 126, 160, 221,244 - Mißbrauchsmöglichkeit 217,248 - Vorteile 218 ff. Europäischer Justizgewährungsanspruch 48 f., 95, 120, 127, 167, 212 Feststellungsinteresse 118 Feststellungsklage 114, 116 ff., 230, 257 - positive 114, 116 ff. - negative 114, 116 ff., 125, 126, 128,234,259,272 Fortwirkung von Prozeßhandlungen 175,180,181,182,187 ff., 201 f. Forum non conveniens 33 f., 38, 76, 105,205,208 f., 213 f., 233, 235 f. Forum shopping 49, 96, 119 Freizügigkeit der Entscheidungen 27, 42,47,48,52,53 Garantieklage 29,69,231 Gebühren s. Kosten Gebührenstreitwert 259 Gefahr widersprechender Entscheidungen 34, 39, 49, 60, 65 f., 85, 86,87,122,125,142,194,205 f., 226,227,235,270 20 LUpfert

305

Geltendmachung der Konnexität - Erforderlichkeit 147 f., 265 f. - Zeitpunkt 148 f., 154 Gemeinsame Frage 47,56,61,62 f., 65,67,85 ff., 90, 131, 168,209, 211,217,227 ff., 270, 272 Gemeinsame Verhandlung und Entscheidung 44, 64, 68, 80, 84, 138, 150,158,169 f., 177, 179 f., 181, 183, 191, 192 ff., 202, 208, 210, 215,222,224,238,242,248,252, 258, 262, 263 Geordnete Rechtspflege 46,59,64, 86,88,92,261 Gerichtsgebühren s. Kosten Gerichtskosten s. Kosten Gerichtsstand des Sachzusammenhangs s. Zuständigkeit kraft Sachzusammenhangs Gerichtsstandsbestimmung 207, 237, 244 f. Gesetzlicher Richter 159 f., 225, 236, 243 ff., 274 Gewährleistungsklage s. Garantieklage Gleichartigkeit des tatsächlichen bzw. rechtlichen Grundes 65, 67, 80, 87 f., 90, 225, 237 Grad des Zusammenhangs 76,205 f., 274 Grenzen der Rechtskraft s. Rechtskraftbegriff Grenzen des Ermessens s. Ermessen Grenzfalle zwischen Rechtshängigkeit und Konnexität 88,102,121,123 Grundlage der Klage 93,98, 106, 109 ff. - rechtliche 85, 99, 106, 109 ff. - tatsächliche 70, 75, 79, 85, 88, 101, 109 ff. Hauptintervention 232 f., 251

306

Sachregister

Identität - Begriff 113 f. - Identität der Klageelemente 59 f., 85, 98 f., 100, 101, 104, 105 f. - Identität der Parteien 53,61,71, 75,79 f., 81, 84, 89, 96,107 ff., 253,261 - Identität des Klagebegehrens 59 f., 70 f., 75, 85, 99,101,106,112 ff., 120 - Identität des Klagegrundes 59 f., 70 f., 75, 78 f., 85, 106, 109 ff. - Identität des Streitgegenstandes 51, 91,97 f. Indivisibilite 60, 66, 87, 102, 138, 147,218,219 Instanzenzug 133,237,263,265 Instanzverlust 130 ff., 195,223,265, 273 Interessen des Klägers s. Klägerinteresse Interessenabwägung 76,218, 236, 246,255 ff. Internationale Konnexität nach autonomem Recht - belgisches Recht 36 - deutsches Recht 35 f. - englisches Recht 38 - französisches Recht 36 f. - italienisches Recht 36 Internationale Rechtshängigkeit nach autonomem Recht - deutsches Recht 35 - englisches Recht 38 f. - französisches Recht 36 f. italienisches Recht 36 Internationale Zuständigkeit s. Zuständigkeit Interventionswirkungen 231

Justizgewährungsanspruch 48 f., 95, 120, 127, 167, 212, 228, 234, 236, 268,270,275 Kapazität der Gerichte 46, 262 "Kernpunkt"-Theorie 93, 112 f., 116, 125 Klägerinteresse 39, 48, 126, 192 ff., 212 ff., 216, 256 ff., 268, 274 Klage in personam 96, 108 Klage in rem 95,96, 108 Klageart 113, 117, 120 f. Klagebegehren 59, 67, 70, 75, 98 f., 101,102f., 11O,112ff., 125ff., 224,260,272 Klageelemente 59 f., 64, 70, 75,85, 100, 101, 104, 105 f., 107 ff. Klageerweiterung 125,224,266 Klagegegenstand 85, 91, 93, 101, 113, 115, 168,209 Klagegrund 59,70,85,90,103,110, 128,272 Klageidentität 37,54,96,100,101, 105, 117, 119, 179 Klagenhäufung 240 - objektive 252 - subjektive 244, 252 Klageziel 59,61,65,69,85,90,114 Kompetenzkonflikt, negativer 138, 150 ff., 193 f., 199, 200 f., 264, 274 Konnexität als Zuständigkeitsgrund s. Zuständigkeit kraft Sachzusammenhangs Konnexitätsbegriff - im belgischen Recht 65 ff. - im deutschen Recht 77 ff. - im englischen Recht 75 ff. - im französischen Recht 58 ff.

Sachregister - im italienischen Recht 69 ff. - im spanischen Recht 73 ff. Konzentrationslast 125 f., 231, 266 Konzentrationswirkung 256 Kosten 47, 76, 118, 189 f., 257, 266, 268 - Anwaltskosten 190,259 - Gerichtskosten 189 f., 259, 269 Kostenanrechnung 258,266,268 f. Kostenaufwand 206 Kosteneinheit 190,259,266,268 Kostenentscheidung 266 Kostenersparnis 56, 206, 216, 258 f., 260,270 Kostenlast 47 Kostentrennung 266 Kostenverteilung 266 Kumulation der Gerichtskosten 268 f. Lebenssachverhalt 98, 110, 272 Legaldefinition der Konnexität 42, 44, 45,50,56,58,63,65,85 Leistungsklage 31, 116 ff., 121, 125 f., 128,230,257,259,273

307

Objeto 75, 91 Öffentliches Interesse 47, 147, 191, 192,194,213,220,242,255,259, 261 f., 266, 274 Oggeno 69 f., 91,102,117 Parallelverfahren 105, 118, 119, 177, 228 f. Parteiantrag 73, 129, 147 f., 179, 182, 192,265 f. Parteibegriff 107 f. - formeller 107 f. - materieller 107 Parteihandlung 179, 197, 202 Parteiherrschaft 261 Parteiidentität 51,53,61,68,70 f., 75,79,80,81,84,89,97, 103, 107 f., 128, 237, 253 Parteiinteressen 39,47,76,95, 126, 127, 142, 147, 192 ff., 207, 212 ff., 216, 226, 248, 256 ff., 262,264,265,270,274 Parteirollen 76,107,243,250,251, 260 - identische 39

Leistungswiderklage 230

- vertauschte 39, 100, 125,212, 234

Liaison objective 67 f., 87

Parteiverschiedenheit 61, 80, 82, 89, 123, 213, 246, 254

Lis alibi pendens 34, 38, 105, 107 Litispendenz 59, 73, 99 f., 101 f., 103 f., 138, 149, 174, 176 ff., 218

Partielle Identität der Parteien 96, 115 Partielle Litispendenz 104

Lugano-Übereinkommen 28, 196

Petitum 59, 60, 66, 71, 75, 85, 101, 102, 104, 105, 106, 112 ff.

Massenverfahren 228

Pflicht zur Ermessensausübung s. Ermessen

Mehrkosten 190,266 Musterprozesse 228

Präjudizialität 69,73,103,141,160, 168,209,226 f., 234, 237, 264, 265,270 f., 273

Nebenintervention 231

Priorität 133 ff., 158, 223, 249

Notzuständigkeit 201

Prioritätsgrundsatz 133 ff., 223, 273

Objet 59,91,98 ff., 174

Prozeßkosten s. Kosten

Prozeßauffassung, liberale 261

20'

308

Sachregister

Prozeßleitungsbefugnis 191, 261 Prozeßökonomie 46 f., 49, 53, 80, 88,107,124,177,181,192,202, 206,213,217,225,226,227,242, 244,246,254,258,259,262 f., 272 Prozeßrechtsverhältnis 250 ff. Prozeßverbindung 184 - nachträgliche 29, 57, 65, 69, 71, 72,73,75,77,79 f., 89, 224, 239, 262,266 ursprüngliche 224, 262 Prozeßwirtschaftlichkeit s. Prozeßökonomie Prüfung der eigenen Zuständigkeit 145 f. Prüfung der fremden Zuständigkeit 143 ff. Quantitative Abweichung 103 f. Recht auf den gesetzlichen Richter s. gesetzlicher Richter Rechtliches Gehör 185, 252 ff. Rechtsfolgeermessen s. Ermessen Rechtsfolgen der Konnexität im EuGVÜ 30,91, 123 f., 163 ff. Rechtsfolgen der Konnexität im nationalen Recht - im belgischen Recht 65 - im deutschen Recht 77 ff. - im englischen Recht 75 f. - im französischen Recht 57 f. - im italienischen Recht 68 f. - im spanischen Recht 73 Rechtsfragen - abstrakte 87, 90 - gemeinsame 47, 62, 272 - gleichartige 65

- identische 62 Rechtsfrieden 250, 262 Rechtshängigkeit - Abgrenzung zur Konnexität 54, 91 ff. - Zeitpunkt 135 f. Rechtshängigkeitsregel - im belgischen Recht 100 - im deutschen Recht 97 f. - im englischen Recht 104 f. - im französischen Recht 98 f. - im italienischen Recht 102 Rechtskraftbegriff - im EuGVÜ 116, 127 - Umfang 52 f., 98, 99, 105 Rechtskraftkonflikte 87 f., 226, 272 Rechtskraftwirkung 52 f., 125, 127, 128, 168, 193,200 f., 212, 226, 231,235,242,252,258 Rechtsmißbrauch 236,257 Rechtsschutz 27, 47, 261 Rechtsschutzbedürfnis 125, 126 f., 230 f., 272 Rechtsschutzform 109, 116 ff. Rechtsschutzgewährung 39,48, 125, 166, 169, 170,228 f., 268 Rechtsschutzinteresse 46, 124, 126 f., 150,230,234,249,261 Rechtsschutzverweigerung 48, 150, 201,268 Rechtssicherheit 49,216,236 Rechtsvergleichung 43, 54 ff., 57 ff., 71, 77, 85, 86 f., 105 f., 111, 197 ff. Rechtsverhältnis 61, 65, 71, 78 f., 87, 90; 102, 114, 141,226,235,272 Rechtsvorteil 213 f. Rechtswegverweisung 185, 188, 189, 247

Sachregister Regelungszweck des Art. 22 EuGVÜ 45 ff., 122 f., 149, 166, 177, 192, 215,223 Reihenfolge der Klagearten 117 ff. Reihenfolge der Klageerhebungen 38, 136 ff., 249, 263 f. Renvoi - belgisches Recht 169, 173, 178 ff., 182, 185, 190,253 - französisches Recht 169, 173, 174 ff., 182, 185, 190,218 f. Richtermacht 261 Sachfremde Erwägungen 205,243, 248 Sachnähe eines Gerichts 208 ff., 256, 260,262,264 Sachverhaltsidentität 50, 78, 80, 84, 110,272 Sachverständigenberichte 44 f., 161 Schutzwürdigkeit des Klägers 48, 126,212,257,259,260,265 Souveränität 186 f. Spruchkörper 184, 225, 243, 244, 247 Staatsverträge, bilaterale 35, 40 Stand der Verfahren 160, 206 ff., 219,253,263,264,274 Stay 38, 76, 105,211 Streitgegenstand 91,92,97 f., 105, 109, 117 f., 234, 257, 272 Streitgegenstandsbegriff 95, 97, 106, 109 Streitgenossen 229, 237, 246, 251 Streitgenossenschaft 29, 69, 71, 79 f., 237,241,251,264 erforderlicher Zusammenhang 69, 71,79 f., 237, 251 - Zuständigkeitsgrund 29, 69, 241 Streitverkündung 231, 233 Streitwert 228, 259

309

Tathergang, einheitlicher 63, 90, 272 Tatsachenfragen, gemeinsame 47, 49, 62,63,64,71,87,88,258 Teilidentität 114 ff. Teilklage 230, 259 Titelfreizügigkeit s. Freizügigkeit Titolo 70,91, 102 Transferierung des Verfahrens 171, 176,178,180,183,192,197,199, 201,270 Trennung der Verfahren 191, 202, 248,252,261 Übereinstimmung s. Identität Übermittlung der Akten 176, 179, 185,202 Überprüfung der Zuständigkeit s. Zuständigkeitsprüfung Unmittelbarkeit s. Beweisunmittelbarkeit Unvereinbare Entscheidungen 32,48, 49,50 ff. Unvereinbarkeit 48,51 ff., 94, 272 Unzuständigerklärung 29,30,37,48, 58, 72, 84, 88, 89, 91, 123 f., 129, 130, 132, 134, 137, 140, 144, 145, 156, 170 ff., 215 Unzuständigkeit 29,30, 150, 151, 174,176,179,184 f., 192 f., 225 Urteilsanerkennung s. Anerkennung Verbindung bei Beteiligung verschiedener Spruchkörper 247 Verbindung konnexer Klagen im nationalen Recht - belgisches Recht 65, 161 - deutsches Recht 77 ff., 184 - englisches Recht 75 f., 161 - französisches Recht 57, 161 - griechisches Recht 161 f.

310

Sachregister

- italienisches Recht 69, 71 f., 159 f. - spanisches Recht 73, 161 Verbindungsmöglichkeit nach nationalem Recht 152 ff. Verbindungswirkung der Verweisung 171, 179, 181, 191, 192 f., 195, 197,202,242 Verfahrensaufwand 46,49,88, 147, 149,167,169,190,192,230, 262 f., 274 Verfahrensaussetzung s. Aussetzung Verfahrensdauer 47,49,206 f., 216 Verfahrenseinheit 187 ff. Verfahrenskonzentration 53,232 Verfahrenskosten s. Prozeßkosten Verfahrens stand s. Stand der Verfahren Verfahrenstrennung s. Trennung Verhalten der Parteien 206, 213 Verjährungsunterbrechung 175, 179, 192 Vermeidung von Instanzverlusten 195,223,265 Vermeidung widersprechender Entscheidungen 44,45,46,50,66, 84, 122, 147, 170, 192,215,217, 221,232,242,259,272,273,274

Wahlmöglichkeit zwischen verschiedenen Zuständigkeiten 49, 126 Wahlrecht des Klägers 230,236,246, 257,260 Wahrung der Klagefrist 192 f. Weiterverweisung 173, 185 Widerklage 29,50,69, 125, 184, 230,266 Widersprechende Entscheidungen 39, 44,46,50 ff., 75, 81, 272 Widerspruchsfreiheit von Entscheidungen 169,215,270 Wirkungsrichtung der Konnexität 162, 183,209,223,242,249,263,273 Wohnsitz des Beklagten 32, 151,256

Vermutung - zugunsten der Aussetzung 214 f., 216 - zugunsten der Unzuständigerklärung 215,216 Versendung der Akten s. Übermittlung der Akten Verweisung - bei Konnexität 133,138,147,152, 156,171 ff., 186 ff., 247, 259, 263 bei Unzulässigkeit des Rechtswegs 185 - bei Unzuständigkeit 184 f., 197, 225,255,259

Zeiterspamis 260 Zeitpunkt der Geltendmachung der Konnexität 148 f. Zeitpunkt der Klageerhebung 134 ff. Zeitpunkt der Rechtshängigkeit s. Rechtshängigkeit Zurückverweisung 131, 185 Zusammenhang - rechtlicher 77, 78, 79, 87 - tatsächlicher 79 - unmittelbarer wirtschaftlicher 77, 78,87

Verweisungsbefugnis 246,268 Verzögerung 48,76,141,167,169, 189,191,212,213,227,265,271, 273 Verzögerung des Rechtsschutzes 169, 215,229 Vollstreckung 27,28,31,53,66,86, 87, 188 Vorfrage 61, 98, 116, 168, 169, 201, 227,228,234 Vorgreiflichkeit 83, 84, 163, 226, 273

Sachregister Zuständigkeit - ausschließliche 138, 143, 144 f., 169, 181, 210, 222, 233, 241, 246, 256,257,263,264,266 - besondere 143, 222, 256, 257 gemeinsame 102,137,150,151, 158,222 f., 224, 229, 232, 237, 241,245,264 - indirekte 37, 40 - internationale 28, 30, 33, 38, 42, 49,141,142,145,150,151,186, 193,200,236 - konkurrierende 34, 236 - örtliche 65,72,73,150,151,181, 187,194,222,249,260 - sachliche 65,139,179,181,184, 222 Zuständigkeit des Erstgerichts - für das eigene Verfahren 127, 143 ff. - für das Zweitverfahren 29, 124, 137, 150 f., 154, 158, 193 f., 195, 199,200,210,273

311

Zuständigkeit kraft Sachzusammenhangs 29,30,57,69, 140, 150, 221 ff., 224, 239 ff. - allgemeine 29,57,125,140,151, 194, 239 ff., 256, 269 - besondere 29,57,69,77 Zuständigkeits interessen 126, 236, 249 Zuständigkeitskonflikte 30, 174 Zuständigkeitsprüfung 143 ff., 145 f. Zuständigkeitsverschiebung kraft Konnexität 65, 69, 77, 159, 160 Zustellung der Klage 135 f. Zweckmäßigkeit der Aussetzung als Rechtsfolge der Konnexität 169 f., 242,263,267 Zweckmäßigkeit der Verfahrensverbindung 44, 53, 68, 80, 84, 89, 123,158,160,191,209,210,211, 219,225,242,251,254,261 Zweiparteiengrundsatz 250 ff., 274 Zwingender Charakter der Zuständigkeitsnormen des EuGVÜ 33, 34