Kollisionsnorm und Sachrecht: Zu Struktur, Standort und Methode des internationalen Privatrechts [1 ed.] 9783428448258, 9783428048250

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Kollisionsnorm und Sachrecht: Zu Struktur, Standort und Methode des internationalen Privatrechts [1 ed.]
 9783428448258, 9783428048250

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Schriften zum Internationalen Recht Band 23

Kollisionsnorm und Sachrecht Zu Struktur, Standort und Methode des internationalen Privatrechts

Von

Klaus Schurig

Duncker & Humblot · Berlin

KLAUS SCHURIG

Kollieionenorm und Sachrecht

S c h r i f t e n zum I n t e r n a t i o n a l e n R e c h t Band 23

Kollisionsnorm und Sachrecht Z u Struktur, Standort und Methode des internationalen Privatrechts

Von

Dr. Klaus Schurig o. Professor an der Universität Paseau

D U N C K E R & H U M B L O T / B E R L I N

Als Habilitationsschrift auf Empfehlung der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität zu K ö l n gedruckt mit Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft

Alle Rechte vorbehalten © 1981 Duncker & Humblot, Berlin 41 Gedruckt 1981 bei Berliner Buchdruckerei Union GmbH., Berlin 61 Printed in Germany ISBN 3 428 04825 3

Vorwort Die Arbeit hat (unter dem Titel „Grenze und Verknüpfung von K o l l i sions- und Sachrecht") i m Wintersemester 1979/80 der Kölner Rechtswissenschaftlichen Fakultät als Habilitationsschrift vorgelegen. Sie wurde betreut von meinem verehrten Lehrer, Herrn Prof. Dr. Gerhard Kegel, unter dessen scharfsinniger und toleranter Meisterschaft ich Theorie und Praxis des internationalen Privatrechts habe „von der Pike auf" erlernen dürfen. I h m gilt mein besonderer Dank. Herrn Prof. Dr. Alexander Lüderitz danke ich für das entgegengebrachte Verständnis und mancherlei Anregungen. Die Hauptlast der Manuskriptbesorgung lag bei Frau Freischem-Krauß; sie hat sich vor allem durch unermüdlichen Einsatz i n der kritischen Endphase verdient gemacht. Nicht zuletzt möchte ich meiner Frau danken für ihre stetige ermutigende Unterstützung. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft schließlich hat das Entstehen des Buches wesentlich gefördert durch großzügige Gewährung eines Habilitandenstipendiums und einer Druckbeihilfe. K. S.

Inhaltsverzeichnis

Einleitung

13

TEIL 1 Die „Krise": Kritik am klassischen internationalen Privatrecht und Ersatzmodelle (Überblick) A. Das B i l d des überkommenen IPR-Systems

15

B. Die Vorwürfe gegen das traditionelle IPR

16

I. Savigny u n d der Funktionswandel des Privatrechts 1. Die Abhängigkeit des I P R Privatrechtsmodell"

von

„Savignys

16

vorstaatlichem 16

2. Die Hilflosigkeit des I P R gegenüber der „Politisierung des Privatrechts" u n d dem Vordringen des öffentlichen Rechts . . I I . „Begriffsreiterei", Manipulier barkeit wahren Entscheidungsgründe

und

Verschleierung

der

18 19

I I I . Die Mißachtung der staatlichen Rechtsanwendungsinteressen ..

21

I V . Die „ B l i n d h e i t " Gerechtigkeit

21

der

Kollisionsnormen

gegenüber

materieller

V. Die Unzulänglichkeit der nationalen Rechtsordnungen zur E n t scheidung internationaler Sachverhalte C. Ersatzmodelle I. Ablösung von Kollisionsnormen durch M a x i m e n

22 23 23

1. Allgemeines

23

2. Die „Governmental-Interests "-Methode

23

3. Entscheidung anhand verschiedener M a x i m e n

25

4. Anwendung des besseren Rechts

28

I I . Systeme einseitiger Kollisionsnormen

29

8

Inhaltsverzeichnis I I I . Verschiedene Mischsysteme 1. Die materielle lex fori als Ausgangsbasis 2. Ordre-public-Gesetze u n d Systeme „autolimitierter normen"

32 32 Sach34

3. „Sonderanknüpfung"

39

4. B i l d u n g von „Sachnormen i m I P R "

42

5. Der sogenannte Methodenpluralismus

45

6. Die allgemeine Ausweichklausel

46

7. „Fakultatives" Kollisionsrecht

49

TEIL 2 Die Re-Konstruktion des klassischen IPR-Modells: Versuch einer dogmatischen Erneuerung und Verbreiterung A. Die S t r u k t u r des räumlichen Kollisionsrechts I. Die Notwendigkeit von Rechtsanwendungsnormen I I . Funktionsabgrenzung von Kollisions- u n d Sachrecht I I I . Das anzuwendende Kollisionsrecht 1. Die Eigenständigkeit nationaler Kollisionsnormen

51 51 58 64 64

2. „Kollisionsgrundnormen"

73

3. Die Entscheidung zugunsten allseitiger Normen

77

I V . Der A u f b a u der Kollisionsnorm V. Die B i l d u n g allseitiger Kollisionsnormen durch „Bündelung"

73 89

1. Verhältnis der beiden methodischen Ansätze

89

2. Der innere G r u n d der Element-Kollisionsnormen

94

3. Vertikale Bündelung (Sachzusammenhang)

102

4. Horizontale Bündelung (Länderebene)

105

V I . Zusammenfassung B. Die Etappen des modernen Kollisionsrechts I . Vorbemerkung I I . Statutenlehre

106 108 108 109

I I I . Savigny

115

I V . „Nationalisten" u n d „Internationalisten"

121

V. Die „ D r i t t e Schule"

130

Inhaltsverzeichnis V I . Die Entdeckung der Interessen

134

V I I . Schlußfolgerung

136

C. I P R u n d internationales öffentliches Recht

138

I. Der Dualismus von I P R u n d internationalem öffentlichen Recht 138 I I . Die „Nichtanwendung ausländischen öffentlichen Rechts" I I I . Die „notwendige Einseitigkeit" öffentlichrechtlicher normen

Kollisions-

I V . Rückführung auf allgemeine Prinzipien des Kollisionsrechts

142 145 146

1. Strukturgleichheit von internationalem öffentlichen Recht u n d IPR 146 2. Kollisionsrecht u n d internationales Verfahrensrecht V. Ergebnis

160 165

D. Die Weiterentwicklung des räumlichen Kollisionsrechts

166

I. Die Situation der Systembildung i m internationalen Privatrecht 166 I I . Die „Offenheit" des IPR-Systems

170

I I I . System- u n d Problemdenken i m I P R

176

I V . M a x i m e n u n d M i t t e l der Weiterentwicklung

184

1. Interessenbewertung

184

2. Autonomismus u n d Universalismus

188

3. Multilateralismus u n d Unilateralismus

192

4. Das juristische „Trägheitsprinzip" i m Kollisionsrecht

197

5. Mehrfachanknüpfungen

204

V. Der Einfluß von Änderungen materiellen Rechts auf das IPR . . 210

TEIL 3 Brennpunkte zwischen Kollisionsund Sachrecht A. Vorbemerkung

214

B. Die Berührungsfälle von Kollisions- und Sachrecht i m einzelnen

215

I. Qualifikation

215

1. Eigentliche Qualifikation

215

2. Bestimmung der Anknüpfungsbegriffe

226

10

Inhaltsverzeichnis I I . Materielles Recht f ü r Sachverhalte m i t Auslandsberührung

229

1. Fremdenrecht u n d Auslandssachverhalte

229

2. Einheitsrecht

232

I I I . Angleichung

234

I V . Sachnormen i m I P R

239

V. Umgehung

240

V I . Sachnormen m i t „eigenem Anwendungsbereich"

246

V I I . Ordre public

248

1. Allgemein

248

2. Vorrang verfassungsrechtlicher Sätze

263

TEIL 4 Die Bewährungsprobe: Vergleich mit den Alternativmodellen A. Vorbemerkung

270

B. Berechtigung der V o r w ü r f e

271

I. Die Abhängigkeit von einem „vorstaatlichen Privatrechtsmodell" 271 I I . Hilflosigkeit gegenüber der Politisierung des Privatrechts dem Vordringen öffentlichen Rechts I I I . „Begriffsreiterei", Manipulierbarkeit wahren Entscheidungsgründe

und

und

Verschleierung

der

I V . Die Mißachtung der staatlichen Rechtsanwendungsinteressen V. Die „ B l i n d h e i t " gegenüber der materiellen Gerechtigkeit

276 279 282 284

V I . Die Unzulänglichkeit der nationalen Rechtsordnungen zur E n t scheidung internationaler Sachverhalte 287 C. Die Modelle i m einzelnen

288

I. Systeme einseitiger Kollisionsnormen

288

I I . Ablösung von Kollisionsnormen durch M a x i m e n

296

1. Vorbemerkung 2. Die Gewinnung von normen

296 „Governmental

Interests"

aus

Sach-

297

3. Der „unilateralistische" Ansatz

301

4. Die Ablehnung fester Kollisionsnormen

304

Inhaltsverzeichnis 5. Das Verbot der Abwägung von „Governmental Interests" . . 306 6. Entscheidung anhand verschiedener M a x i m e n

308

7. A n w e n d u n g des „besseren Rechts"

309

I I I . Mischsysteme

312

1. Die materielle lex fori als Ausgangsbasis

312

2. Ordre-public-Gesetze und „autolimitierte Sachnormen"

316

3. Sonderanknüpfung

322

4. B i l d u n g von „Sachnormen i m I P R "

331

5. Der sog. Methodenpluralismus

336

6. Die allgemeine Ausweichklausel

338

7. „Fakultatives" Kollisionsrecht

343

D. Ausblick

350

Literaturverzeichnis

357

Sachregister

388

Hinweis Soweit Abkürzungen verwandt werden, entsprechen diese dem Verzeichnis bei Soergel / Kegel, EGBGB, S. X - X X X I X . Bei internen Verweisungen bezeichnet z. B. T. 1 (2, 3, 4) den jeweiligen „Teil" der Arbeit. Verweisungen ohne diese Angabe beziehen sich auf Gliederungspunkte u n d Fußnoten desselben Teils.

Einleitung Es gibt keinen Zweifel: das internationale Privatrecht ist weltweit i n Bewegung geraten. Nicht, daß man eine bestimmte Richtung dieser Bewegung ausmachen könnte; es handelt sich mehr um eine A r t „Wallung". Einigkeit besteht noch am ehesten i n der K r i t i k an dem, was man das traditionelle, das klassische oder auch „Savignys" IPR nennt. Schon bei den vorgeschlagenen Abhilfen für die vorhandenen oder angeblichen Mängel geraten w i r indessen i n einen wahren Irrgarten. Je nach Standort und Temperament des jeweiligen Autors w i r d uns von der völligen oder teil weisen Aufgabe jeden kollisionsrechtlichen Systems bis zur behutsamen Weiterentwicklung des Überkommenen fast alles vorgeschlagen: die Rückkehr zur Statutentheorie i m Namen des Fortschritts ebenso wie die Suche nach der moderneren, „fortschrittlicheren" Sachnorm, die alleinige Berücksichtigung von staatlichen Rechtsanwendungsinteressen ebenso wie die Einführung einer generellen „Härteklausel", die Ausweitung von lex-fori-Berufung und ordre public ebenso wie deren Zurückdrängung i m Sinne eines „Internationalismus", die Einführung eines vom Parteiwillen abhängigen „fakultativen K o l lisionsrechts" ebenso wie das rigorose Beschneiden der Parteiautonomie — und vieles andere mehr. Verschiedene Kombinationen werden vorgeschlagen; hinter modischem „Methodenpluralismus" verbirgt sich oft Methodenwirrwarr. Eine unheilvolle Rolle spielt dabei, was als „Zentrifugaleffekt der wissenschaftlichen Diskussion" bezeichnet werden könnte: U m gewisse Gedanken plastischer herauszustellen, vernachlässigt man oft andere; Gegensätzlichkeiten werden über-, Gemeinsamkeiten untertrieben. Man sucht die Konfrontation i m Detail, nicht die Integration auf breiter Basis. So bekämpfen sich Auffassungen auf das heftigste, die für den unbefangenen Beobachter so weit gar nicht auseinanderzuliegen scheinen. Richtiges w i r d falsch durch Verzerrung der Perspektiven. Fast immer geht es, wo i m IPR Grundsätzliches i m Streit ist, um das Verhältnis von Kollisionsrecht zum Sachrecht. A u f der Nahtstelle zwischen beiden liegen die meisten neuralgischen Punkte. Darüber hinaus ist gerade dieses Verhältnis entscheidend für Struktur, Standort und Methode des Kollisionsrechts — und umgekehrt. Ziel dieser Arbeit ist nicht, die bereits vorhandenen Alternativvarianten zum IPR um eine weitere zu bereichern. Sie sucht vielmehr

Einleitung

14

zu ergründen, ob sich nicht viele dieser Varianten auf eine gemeinsame Grundstruktur und einige wenige rechtspolitische Basisentscheidungen zurückführen lassen und ob nicht unser „klassisches" IPR sich bei erneuter Durchleuchtung durchaus in der Lage zeigt, der meisten Schwierigkeiten Herr zu werden und die meisten Vorwürfe auszuräumen. Das Thema könne ebensogut lauten „das IPR i n Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft i m allgemeinen und i n allen Besonderheiten", bemerkt Wiethölter zu Beginn seiner Abhandlung über den ordre public 1 . Bedenkt man, daß es sich bei diesem auch nur um einen Teilaspekt des Verhältnisses von Kollisions- und Sachrecht handelt, das den Gegenstand unserer Betrachtung bildet, so ergeben sich daraus einige wesentliche Einschränkungen: Es ist nicht möglich, i m Rahmen einer solchen Arbeit alle Teilaspekte auch nur annähernd erschöpfend zu behandeln. Sie bilden jeder für sich — etwa ordre public, Qualifikation, Kollisionsnormen des öffentlichen Rechts, Sachnormen i m IPR, Sonderanknüpfung und vieles mehr — umfangreiche Problemkreise, die z. Teil schon Gegenstand eingehender wissenschaftlicher Forschung waren und/oder es zu sein immer noch verdienten. Vollständigkeit bei der Verarbeitung der fast nicht mehr zu bewältigenden F l u t von Literatur zu all diesen Punkten wurde nicht angestrebt; für die Subjektivität der Auswahl w i r d u m Nachsicht gebeten. Von einem erneuten eingehenden Referieren der verschiedenen Alternativmodelle wurde abgesehen; angesichts der Zahl von profunden Darstellungen, die es hierzu bereits gibt, erschien ein Überblick, ein Herausstellen der Charakteristika, als ausreichend. Die Auseinandersetzung m i t ihnen wurde beschränkt auf die für wesentlich gehaltenen Grundsätze; sie ist nicht Selbstzweck, sondern dient dazu, die hier verfolgten Thesen zu konturieren. Dasselbe gilt für die Bemerkungen zur IPR-Geschichte. Der Versuch einer Gesamtschau heterogener Elemente und Entwicklungen i m IPR könnte aber vielleicht — so hoffen w i r — den Verzicht auf detaillierte Ausbreitung aller berührten Einzelfragen rechtfertigen.

1

Wiethölter,

I n t o. p. 134.

TEIL 1

Die „Krise 66 : Kritik am klassischen internationalen Privatrecht und Ersatzmodelle (Überblick) A. Das Bild des überkommenen IPR-Systems Die K r i t i k am internationalen Privatrecht ist bedingt durch ein bestimmtes B i l d vom internationalen Privatrecht. Dieses w i r d geprägt, indem traditionell gewisse Züge des überkommenen IPR-Systems als charakteristisch herausgestellt werden, anderes dagegen als bloße Ausnahme oder Nuance unter den Tisch fällt — obwohl es vielleicht in der Lage wäre, manche Gewichte entscheidend zu verschieben. Internationales Privatrecht besteht so gesehen1 aus den Normen, die jeweils für bestimmte Rechtsverhältnisse oder auch Lebenssachverhalte aufgrund vorher festgelegter Anknüpfungsmomente (Wohnsitz, Staatsangehörigkeit, Geschäftsort, Lageort und anderes mehr) pauschal eine staatliche Rechtsordnung berufen. Diese Normen sind somit Rechtsanwendung snormen mehr rechtstechnischer A r t 2 ; um den Inhalt der berufenen Rechtsordnung kümmern sie sich nicht: Der Sprung geht „ins Dunkle" 3 . Ganz ohne Netz kommt man jedoch auch hier nicht aus: Ist der Inhalt des berufenen Rechts ganz und gar unerträglich, so w i r d es insoweit durch das Dazwischentreten des ordre public ausgeschaltet. U m diesen Verweisungsvorgang nun rankt sich eine Reihe schwieriger rechtstechnischer Fragen, der sogenannte allgemeine Teil des IPR mit seinen fortwährenden Streitpunkten und seiner als esoterisch 4 bezeichneten Nomenklatur.

1

Vgl. etwa Cavers , Crit. 173 - 182; Ehrenzweig, P. I. L. 75 f.; Gutzwiller, Ziel 169; Hancock, Appr. 365 f., 379; Juenger, Wandel 6 - 1 4 ; Rehbinder, Polit. 151; Joerges, Funktionswandel 4; Kelly, Confi. 32; Jessurun d'Oliveira, Ruine 5 f.; de Boer, Tekort; Leflar, Confi. 173 f., 198. 2 Cavers , Crit. 180, 203 („mechanical rules"); Jayme, Eheschi. 23 ( „ i n erster L i n i e Ordnungsrecht"); Juenger, Wandel 8; Westermann, Ges. R. 94 f. 3 Juenger, Wandel 13. Das B i l d stammt von Raape, I P R 90. Ferid, I P R Rdn. 3 - 1 1 , spricht von einem „Blankoscheck". 4 Neuhaus, Grdbegr. 27; auch Juenger, Wandel 18 („dunkel, schwerverständlich").

16

Teil 1: Die „Krise" : K r i t i k am klassischen IPR u n d Ersatzmodelle

Berufen w i r d auf diese Weise nur Privatreàit. Die Kollisionsnormen etwa für öffentliches Recht sind — soweit es sie überhaupt gibt — ganz anderer A r t und haben nichts m i t IPR zu tun 5 . Diese Skizze mag als etwas grob erscheinen, das sei zugegeben. Aber das B i l d kennzeichnet das IPR, gegen das sich die Angriffe richten, und es w i r d von den Anhängern des klassischen IPR häufig — wenn auch unter Vorbehalten — geduldet 6 . A n ihm hat sich die K r i t i k entzündet. Übrigens ähneln sich das B i l d des klassischen europäischen IPR und des traditionellen IPR i m common-law-Bereich (etwa i n der Beale'schen Prägung) i n den charakteristischen Zügen, so daß beide, trotz mancher Unterschiede, als Angriffsziele der K r i t i k zusammen betrachtet werden können 7 . B. Die Vorwürfe gegen das traditionelle IPR I. Savigny und der Funktionswandel des Privatrechts 1. Die Abhängigkeit des IPR von „Savignys vorstaatlichem Privatrechtsmodell" Das heute „klassische" IPR-System w i r d seit jeher m i t Savigny i n engste Verbindung gebracht — aus den verschiedensten Gründen, wie w i r sehen werden. Savigny gilt als sein eigentlicher Schöpfer; sein Wechsel i m methodischen Ansatz vom Gesetz zum Rechtsverhältnis ist etwas überschwenglich als „kopernikanische Wende" gefeiert worden 8 . Das ganze IPR w i r d häufig als „Savignys IPR" etikettiert 9 , heute frei5 Kegel, Crisis 183; ders., Vaterh. 569-571; Ficker, Verkn. 321 Fn. 111; Joerges, Klass. Konz. 422; Mertens, K a r t R . 385-387, 398; Lipstein, H. Conv. 512. Vgl. auch Freyria, Not. 103 - 105. β Vgl. n u r Wolff, I P R 9; Firsching, E n t w . 104; Goerke, Bern. 1587; Keller, Verh. 67; Lederman, P. I . L . 140- 145. V o n einer „erwünschten Entpolitisierung" des Kollisionsrechts durch Savigny spricht etwa Neuhaus, Sav. 372 f. Bei Schnitzer w i r d nicht ganz klar, ob er das I P R f ü r „ b l i n d " hält oder nicht (Betr. 325 einerseits, 339 andererseits). Vgl. auch Rabel, Confi. 96 f. 7 Vgl. etwa Joerges, Funktionswandel 159. A u f Zusammenhänge zwischen der angelsächsischen u n d der kontinentalen IPR-Auffassung weisen ζ. B. h i n : Cavers, Crit. 203; Cheshire / North, P. I . L . 24; Yntema, Hornb. 475 f.; von Mehren, Spec. Rules 353; ders., Comp. L. 751 -754; Kegel, Crisis 108 f.; Ferid, I P R Rdn. 1 - 1 0 7 . Currie, Sei. Ess. 627, sieht die Hauptübel des amerikanischen I P R geradezu i n der Übernahme europäischer Vorstellungen begründet. Demgegenüber bestreitet Audit, A m . Choice-of-Law 589 - 593, 598, w e i t gehende Ähnlichkeiten zwischen der europäischen u n d der älteren amerikanischen Lehre u n d sieht diese eher i m Verhältnis zu neueren. I h m w i d e r sprechen von Mehren, Comm. 606 - 608, u n d Juenger, Comm. 610 - 612. — Z u den historischen Verbindungen zwischen der I P R - L e h r e beider Rechtsbereiche vgl. noch Nadelmann, Hist. Notes; Gutzwiller, Sav. 115. 8 Neuhaus, Sav. 366; ders., Grdbegr. 94; aufgegriffen (und gegen das „klassische" I P R gekehrt) z. B. von Jessurun d'Oliveira, Ruine 7. Vgl. auch unten T. 2 Β I I I Fn. 282.

Β . Die V o r w ü r f e gegen das traditionelle IPR

17

lieh oft m i t dem Hintergedanken, es mitsamt Savigny einer vergangenen Epoche einzuverleiben und sogleich für obsolet zu erklären 1 0 . Der Grund dafür, daß das internationale Privatrecht, „Savignys IPR", sich überlebt habe, w i r d darin gesucht, daß es nur habe entstehen können auf dem Boden eines bestimmten Privatrechtsmodells und daß es auch i n seinem Bestehen an dieses Modell — das wiederum Savigny und seiner Zeit, besonders auch dem Liberalismus, zugeschrieben w i r d — gebunden sei 11 . Geprägt werde das Modell durch Projektion der „Dichotomie von Staat und Gesellschaft" i n den rechtlichen Bereich 12 . Sie habe nämlich ermöglicht, Privatrecht als etwas vom Staat und seinen Zwecksetzungen Unabhängiges zu sehen, als ein eigenes „vorstaatliches" System „formaler" Normen, durch das die Freiheitsräume des Einzelnen „abgesichert aber nicht gestaltet" 1 3 würden und dessen wesentlicher Inhalt, dessen „zentrale Institutionen" der „Substanz" nach „universale Anerkennung beanspruchen" dürften 1 4 . N u r durch die A n nahme einer solchen international i n den Grundsätzen homogenen Privatrechtsordnung, bei der „nur solche Differenzen . . . i n Betracht zu ziehen seien, die den Konsens über die Grundlagen nicht i m Kern berühren" 1 5 , und nur durch die daraus folgende prinzipielle internationale Gleichwertigkeit der Privatrechtsinstitute seien die beim Rechtsverhältnis ansetzenden allseitigen Kollisionsnormen überhaupt möglich geworden 16 . Hieraus ergebe sich zugleich zwangsläufig die strikte Trennung „der privaten von den staatlichen internationalen Beziehungen" und damit des internationalen Privatrectits (das Recht der „autonomen bürgerlichen Gesellschaft" betreffend) vom internationalen öffentlichen Recht (das Recht der einzelnen Staaten betreffend) 17 . 9 Z . B . Joerges, Klass. Konz.; ders., Funktionswandel z.B. 13 u. passim; ders., I n t . Wirtsch. R. 9; Bucher, Grundfragen z.B. 108; Neuhaus, Entw. 23; de Boer, Tekort. 10 Joerges, Funktionswandel 16f.: „Das I P R . . . scheint . . . Savignys Welt i n unsere Zeit hinüberzutragen" ; ferner S. 20. 11 Vogel, Anwendungsber. 217-226 (grundlegend); Wiethölter, Nachl. Verf. 142; Joerges, Funktionswandel 8 - 1 2 , 16; ders., Klass. Konz. 423, 425-435; ders., Int. Wirtsch. R. 13, 16; Rehbinder, Polit. 151, 153 f.; Jessurun d'Oliveira, Ruine 7 - 1 2 . 12 Joerges, Funktionswandel 15 f.; ders., Klass. Konz. 424; Vogel, A n w e n dungsber. 222 f.; Jessurun d'Oliveira, Ruine 9 f. — Bucher bekämpft zwar diese Deutung des Savignyschen Systems, ist aber m i t den Genannten über die „Distanzierung von Staat u n d Recht" einig, Grundfragen 12, 40 u. passim. 18 Joerges, Klass. Konz. 424, 433 f. 14 Ebd. 433 f. 15 Ebd. 434. 16 Ä h n l i c h schon (freilich ohne die entsprechenden negativen Folgerungen) Neuner, A n k n . 87, 93, 119 f. Vgl. auch Wiethölter, Bespr. Vogel 465: „ Q u a l i tätsparität der Rechtsordnungen" sei „Geschäftsgrundlage allen IPRs." 17 Vogel, Anwendungsber. 221 f.

2 Schurig

18

T e i l 1 : Die „Krise" : K r i t i k am klassischen I P R u n d Ersatzmodelle

2. Die Hilflosigkeit des IPR gegenüber der „Politisierung des Privatrechts" und dem Vordringen des öffentlichen Rechts Diese Idee einer vorstaatlichen und damit vom Staat und seinen Zwecken prinzipiell unabhängigen, somit „internationalisierbaren" Privatrechtsordnung soll nicht nur das Entstehen von „Savignys" IPRSystem geistesgeschichtlich erklären. Sie soll vielmehr zugleich auch Bedingung seiner Existenzberechtigung sein, sozusagen seine „Geschäftsgrundlage", und rückt damit aus der Abgeklärtheit historischer Betrachtungen i n den Brennpunkt aktueller Grundsatzdiskussion 18 . Denn, daß das Privatrecht sich seit Savignys Tagen gewandelt hat, w i r d heute kaum jemand bezweifeln können, mögen auch Form und Ausmaß dieses Wandels schillern 19 . Eine säuberliche Scheidung von öffentlichem und Privatrecht nach den zugrundeliegenden Interessen scheint nicht mehr möglich 20 . Die Zeit der Kodifikationen jahrhundertelang ausgereifter Rechtsregeln und Institutionen ist vorüber. Heutige Zivilrechtsgesetzgebung folgt rechts- und sozialpolitischen Bedürfnissen des Tages. Das mag man bedauern 21 , aber anders w i r d man der hektischen Entwicklung modernen Lebens kaum Herr werden. Unter sozialstaatlichen und demokratischen Idealen kann die Ausnutzung von Bevölkerungsschichten durch andere nicht mehr als naturgegeben oder gottgewollt hingenommen werden. Der Staat bemüht sich, seine politischen Grundwerte auch i m Zivilrecht durchzusetzen. Der Schutz des Schutzbedürftigen i m Familienrecht, Arbeitsrecht, Wettbewerbsrecht, Sozialrecht, ja i m reinen Vertragsrecht (Abzahlungskäufe, allgemeine Geschäftsbedingungen) ist eines dieser Ziele, die Wahrnehmung gesamtstaatlicher, gesamtwirtschaftlicher Belange, ζ. B. i m Wettbewerbsrecht, Kartellrecht, Wirtschaftsrecht ein anderes. Das Zivilrecht scheint heute also unmittelbarer rechts-, sozial-, w i r t schafts-, verfassungspolitische und damit „staatliche" Interessen verfolgen zu können; zwischen öffentlichem und Privatrecht gibt es eine 18 Vgl. etwa Joerges, Klass. Konz. 424, 433-435, 467 f.; Wiethölter, NachlVerf. 142 f.; Jessurun d'Oliveira, Ruine 10-12, 27 f.; Rehbinder, Polit. 153 bis 156. (Bei Vogel handelte es sich erst n u r u m ein Argument f ü r die „ E i n seitigkeit" des „öffentlichen" Kollisionsrechts.) — Ζ. T. werden diese V o r stellungen bereits recht pauschal übernommen, ζ. B. Mertens, K a r t R . 385 bis 387; Bauer, Rechtssyst. 176. 19 Vgl. f ü r viele Raiser, Zuk. 20 Vgl. allgemein z.B. Batiffol, Plur. 82; Raiser, Zuk. passim (der das heutige Recht anschaulich m i t einer Ellipse vergleicht, die zwei Brennpunkte besitzt: einen öffentlichrechtlichen u n d einen privatrechtlichen; 219). Näheres unten T. 2 C I Fn. 434. 21 Vgl. ζ. B. Esser, Vorverst. 82 f.

Β . Die V o r w ü r f e gegen das traditionelle IPR

19

breite „graue Zone" von Rechtsgebilden, die sich nicht eindeutig einordnen lassen 22 , öffentliches Recht hat das Privatrecht zum Teil durchwachsen. Hieraus werden nun für das internationale Privatrecht verhängnisvolle Schlüsse gezogen: Da das „klassische" IPR i n seiner Existenz vom vorstaatlichen Privatrecht einer internationalen bürgerlichen Gesellschaft abhänge, die solches bewirkende Spaltung von Staat und Gesellschaft aber bereits seit 1849 durch eine zunehmende Verschränkung abgelöst und heute ganz aufgehoben sei 28 , sei ihm nunmehr — bis auf einen mehr oder weniger bedeutenden Rest — die Grundlage entzogen. Es sei nicht i n der Lage, der staatlichen Zwecksetzung von Zivilrechtsnormen Rechnung zu tragen 2 4 ; gegenüber öffentlichrechtlichen Normen versage es schon kraft seiner Definition. „Mag sein", konstatiert Wiethölter ungerührt 2 5 , „daß auf diese Weise das klassische ,IPR' i m Alter von gut einhundert Jahren stirbt, das ,klassische4 Privatrecht lebt indessen auch nicht mehr". Π . „Begriffsreiterei", Manipulierbarkeit und Verschleierung der wahren Entscheidungsgründe

Während man so auf der einen Seite die Grundlage des IPR dahinschwinden sieht, richten sich die Angriffe auf der anderen Seite gegen seine generelle Brauchbarkeit. Als Ärgernis wurde das internationale Privatrecht m i t seinem komplizierten Begriffsapparat, seinen häufigen, bloß „formalistisch" scheinenden Unterscheidungen, Abgrenzungen und Querelen und besonders seiner „starren" Anknüpfungstechnik zunächst i n den USA empfunden 26 , doch waren die Vorwürfe bald auch bei uns zu hören 2 7 . Gerade 22

Näher unten T . 2 C I Fn. 434. Joerges, Klass. Konz. 424. 24 Vgl. etwa Joerges, Funktionswandel 151-169; Jessurun d'Oliveira, Ruine 10 -12, 19 - 23. Ebenso de Boer, Tekort, dessen heftige K r i t i k am IPR freüich nicht einmal auf den Versuch einer geschichtlich-theoretischen Analyse gegründet w i r d u n d der sich m i t der schlichten Feststellung begnügt, „Savignys I P R " sei überholt u n d veraltet. 25 Wiethölter, NachlVerf. 143. 26 Die K r i t i k richtete sich zunächst vor allem gegen die „vested-rightstheorie", dann aber gegen das „klassische" Kollisionsrecht insgesamt. Vgl. Cavers, Crit., bes. 173- 176; Hancock, Appr. 366, 368 f., 379 (m. w. Nachw. 366 Fn. 1); ders., State I n t . 819-821; Currie, Sei. Ess. passim; Traynor, War 124; Baade, Forew. 673; von Mehren, Comm.; Juenger, Comm.; Leflar, Confi. 174 - 180. 27 Juenger, Wandel 5 - 1 4 (für das deutsche Recht); Jessurun d'Oliveira, Ruine 16, 25 f.; de Boer, Tekort 285-288; vgl. auch Dietzi, Ausw. 58; Vischer, K r i t i k 291 f. V o n „Zaubereien" u n d „Trickfertigkeit" spricht auch Wiethölter, Int. o. p. 141. Gedämpfte K r i t i k am „esoterischen Fachvokabular" bei Neu23



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T e i l 1 : Die „Krise" : K r i t i k am klassischen I P R u n d Ersatzmodelle

der „Qualifikation" — wie sie sie sahen — standen vornehmlich die systemungewohnten common-law-Juristen oft verständnislos gegenüber: Hier sollte lediglich von der Einordnung von Begriffen abhängen, welche Rechtsordnung „berufen" wurde und damit oft, welcher Partei i m Ergebnis Recht zu geben war. Diese ganze Denkweise erscheint als blutleer und lebensfremd, als „scholastisch" oder „konzeptualistisch" 28 . Die wissenschaftliche Diskussion gilt als steril, sich i m Kreise drehend, stagnierend. „Das Gebiet des IPR ist ein düsterer Sumpf, angefüllt m i t waberndem Morast und bewohnt von gelehrten, aber exzentrischen Professoren, die über geheimnisvolle Dinge i n einer seltsamen und unverständlichen Sprache theoretisieren", beschreibt Prosser die Lage und erweist sich damit als Meister der bei I P R - K r i t i k e r n so beliebten Bildersprache 29 . Zumal der „allgemeine Teil" des internationalen Privatrechts genießt vollends den Ruf juristischer Kabbala. Man hegt den Verdacht, er diene dazu, die wirklichen Gründe hinter den kollisionsrechtlichen Entscheidungen zu verschleiern. Das begriffliche Instrumentarium w i r d nicht einmal so sehr als „Glasperlenspiel" 30 gesehen, eher als eine „Trickkiste", der man bei Bedarf „unaufrichtige" Argumente entnimmt, u m dem Ergebnis, das man aus ganz anderen Erwägungen gewollt hat, zu dem man aber auf offenem Wege nicht kommen konnte, nachträglich eine Scheinbegründung zu unterlegen 31 . Dann aber besteht die Gefahr einerseits unkontrollierter und unkontrollierbarer Entscheidungen, zum anderen der Stagnation i n der Rechtsentwicklung, weil die wahre Rationalität nicht hervortritt und somit kaum zum Gegenstand weiterer wissenschaftlicher und praktischer Erörterung gemacht werden kann.

haus, Wege 412; Sieht, Ehrenzw. 625. Daß die Klagen nicht ganz neu sind, zeigt schon die Polemik von Frankel, Irrg. 239 - 241, der das I P R bereits 1930 einen „ I r r g a r t e n " nannte u n d „entschlossene A b k e h r von den bisherigen Methoden" forderte (243). 28 Cavers, Crit. 174; Ehrenzweig, P. I . L . 114, 141 u. passim; Currie, Sei. Ess. 183 u. passim; Yntema, Hornb. 477 u. passim (der Beitrag enthält eine vernichtende K r i t i k der amerikanischen vested-rights-Lehre). Eine ganze Palette abfälliger Bezeichnungen benutzt Currie, zusammengestellt bei Kegel, Crisis 12 f. 29 Prosser, I n t . Pub. 971. — Andere, nicht ganz so originelle Vergleiche bezeichnen das I P R als eine Maschine, deren Leistung zu den Betriebskosten i m Mißverhältnis stehe (Juenger, Wandel 6, der damit ein B i l d von Currie, Sei. Ess. 138, weiter ausmalt), oder beziehen ihre Gleichnisse aus dem Bereich der Seefahrt (Stöcker, I n t . o. p. 82). 30 So Neuhaus, Wege 412; ders., Grundbegr. 27; Juenger, Wandel 5. ai Currie, Sei. Ess. 597; Leflar, Confi. 176- 180, 214, 219, der von „ m a n i pulative gimmicks" spricht; Juenger, Wandel 5, 1 7 - 2 1 ; ders., Mögl. 1522; Jessurun d'Oliveira, Ruine 26 f., 29 f.; de Boer, Tekort 287.

Β . Die V o r w ü r f e gegen das traditionelle IPR

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I I I . Die Mißachtung der staatlichen Rechtsanwendungsinteressen

I m Schnittbereich der beiden bisher genannten Vorwürfe gegen das „klassische" IPR — nämlich seines angeblichen Versagens gegenüber den politischen Inhalten des Zivilrechts (zumindest unserer Tage) sowie der Verschleierung der realen Entscheidungsgründe — liegt ein weiterer, der das gesamte Grundanliegen, die Suche nach der „internationalprivatrechtlich gerechtesten" 32 Anknüpfung, ganz oder teilweise i n Frage stellt. M i t den jeweiligen zivilrechtlichen Normen verfolge nämlich jeder Staat bestimmte rechtspolitische Ziele („policies"). Infolgedessen habe er auch ein Interesse an der Durchsetzung dieser Ziele, das allerdings je nach A r t und Intensität der Fallbeziehung stärker oder schwächer sein oder auch ganz fehlen könne. I n Wirklichkeit gehe es daher darum, ob i m gegebenen Fall ein solches Rechtsanwendungsinteresse dieses oder jenes Staates bestehe und wie bei eventuellen Interessenkonflikten zu verfahren sei 33 . Hierin w i r d nunmehr die „kollisionsrechtliche" Grundfrage gesehen, entweder i n allen „internationalen" Fällen 3 4 oder aber — mehr oder minder deutlich — i n bestimmten Gruppen dieser Fälle 3 5 . Oft bilden solche Vorstellungen auch den Hintergrund, wenn vom „ A n wendungswillen" irgendwelcher Normen die Rede ist, den man berücksichtigen müsse 36 . I V . Die „Blindheit" der Kollisionsnormen gegenüber materieller Gerechtigkeit

Auch ein weiterer V o r w u r f kann eine gewisse Verwandtschaft m i t den vorhergehenden nicht verleugnen. Hier ist es das — ursprünglich wohl aus pädagogischen Gründen gewählte — B i l d vom „Sprung ins Dunkle" der Kollisionsnorm 3 7 , das von der K r i t i k aufgegriffen wird, die Gemüter erregt und am meisten Widerspruch herausfordert. Soll man sich — sonst daran gewöhnt, der Gerechtigkeit bis i n alle Verästelungen nachzuspüren — tatsächlich solchen „mechanischen" Verweisungen aus82 Dabei w i r d dieser Begriff häufig einfach m i t dem Streben nach „ i n t e r nationaler Entscheidungsharmonie" identifiziert, so etwa Joerges, Klass. Konz. 470. Das ist von verzerrender Einseitigkeit; „internationalprivatrechtliche Gerechtigkeit" umfaßt v i e l mehr, vgl. unten T. 2 A I I zu Fn. 48, A I I I 1, A V 2, Β V I , D I V 1. 88 Unten C I 2. Vgl. ferner Hancock, Appr. 368, 372 f. u. passim; Gutzwiller, Ziel 189,192 - 196; Joerges, Klass. Konz. 468 - 472. 84 So vor allem Currie (unten C I 2), w o h l auch Joerges, Funktionswandel. 85 Joerges, Klass. Konz. 467 - 489, f ü r das Recht des unlauteren Wettbewerbs (aber w o h l auch „exemplarisch" gemeint). 86 Hierzu unten C I I , C I I I 2 u. 3, T. 4 C I, C I I 3, C I I I 2 u. 3. 87 Oben A , Fn. 3.

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T e i l 1: Die „Krise": K r i t i k am klassischen IPR u n d Ersatzmodelle

liefern? Soll man m i t der „Augenbinde Savignys" 3 8 versehen blind einen vorgezeichneten Weg entlangtappen, um dann demütig i n Empfang zu nehmen, was einen am Ende erwartet? Soll man wirklich auf Kosten der konkreten materiellen Gerechtigkeit — und letztlich auf Kosten der Rechtsunterworfenen 39 — Toleranz üben gegenüber fremdartigen Rechtsordnungen, „Weltoffenheit" demonstrieren, „Provinzialismus" (diesen offenbar besonders verabscheuten Makel!) vermeiden und nur auf den — hoch gehängten — „Knüppel" des ordre public angewiesen sein, u m das wirklich Untragbare abzuwenden, und dann immer m i t dem schlechten Gewissen, hier einen „Störenfried" von der Leine gelassen zu haben? Diese bedingungslose, „blinde" Unterwerfung, die das Kollisionsrecht angeblich verlangt 4 0 , w i r d zunehmend verweigert. Man w i l l i n erster Linie eine (materiell) gerechte Entscheidung zwischen den Parteien fällen, und man w i l l dieses Ziel zu keiner Zeit aus den Augen lassen. Man w i l l sich vorher über die sachlichen Inhalte der „ i n Betracht kommenden" Rechte informieren, und man w i l l diese Inhalte bei der Entscheidung berücksichtigen. Und ein solches Vorgehen m i t „offenen" Augen glaubt man sich nur unter vollständiger oder teilweiser Abkehr vom klassischen IPR leisten zu können. V. Die Unzulänglichkeit der nationalen Rechtsordnungen zur Entscheidung internationaler Sachverhalte

Auch die letzte Stufe der kollisionsrechtlichen Operation bleibt nicht ungeschoren: die Anwendung der schließlich gefundenen, „berufenen" nationalen Rechtsordnung, die „Urteilsfindung". Denn, so w i r d argumentiert, der Weg über die Kollisionsnormen führe stets zu einer einzigen staatlichen Rechtsordnung. Der Fall werde generell so entschieden wie ein „normaler" Inlandsfall. Hierin liege ein entscheidender Fehler. Denn die Sachverhalte, um die es i m IPR gehe, zeichneten sich häufiger gerade dadurch aus, daß sie Beziehungen zu mehreren Rechtsordnungen aufwiesen. Nach herkömmlicher Handhabung würden solche „internationalen" Sachverhalte zwangsweise „nationalisiert", also Inlandsfällen gleichgestellt. Die wesentlichen Besonderheiten würden 88

Deelen, Blindd. Juenger, Wandel 14. 40 Vgl. z.B. Cavers, Crit. 178, 180; Gutzwiller, Ziel 169; Juenger, Wandel 8 f.; Kelly, Theory 53; de Boer, Tekort 285 f.; auch Zweigert, A r m u t 443. Eine solche Sicht ist meist verbunden m i t einer Überschätzung des „äußeren Entscheidungseinklangs" ( „ K o n f l i k t s m i n i m u m s " , „Gesetzesharmonie"), die m i t dem Streben nach „internationalprivatrechtlicher Gerechtigkeit" einfach gleichgesetzt w i r d ; s. dazu etwa Vogel, Anwendungsber. 207 f. Vgl. auch unten T. 2 D I V 2, Fn. 638. 89

C. Ersatzmodelle

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damit ignoriert. M i t rein nationalem Recht über internationale Sachverhalte zu entscheiden, führe darum nicht — zumindest nicht immer — zu angemessenen Ergebnissen 41 .

C. Ersatzmodelle I . Ablösung von Kollisionsnormen durch Maximen

1. Allgemeines Die K r i t i k am geltenden internationalen Privatrecht ist zumeist verbunden m i t Alternativ- oder Ergänzungsvorschlägen. Diese weichen indessen sehr stark untereinander ab, schließen sich häufig aus. Denselben festgestellten Mängeln werden keineswegs immer dieselben „Rezepte" zugeordnet. A m weitesten geht der Vorschlag, i m Bereich des internationalen Privatrechts von einem Gefüge „fester" Anknüpfungsnormen überhaupt abzugehen, weil eine solche Festlegung gerechte und angemessene Lösungen verhindere, andererseits die dafür versprochene Rechtssicherheit — die überhaupt meist überschätzt werde — auch nicht gewährleiste 4 2 . A n die Stelle sollen bloße Entscheidungsmaximen treten, Richtlinien, die den Weg zu einer freien Problemlösung von Fall zu Fall weisen. Solche Maximen sollen das Kollisionsnormensystem entweder insgesamt ablösen oder nur i n bestimmten Bereichen; i m letzteren Fall kommen w i r zu einem Mischsystem. Freilich sind die Grenzen, i n denen Altes durch Neues ersetzt werden soll, oft verschwommen. Über die Inhalte der Maximen gehen die Ansichten wiederum weit auseinander. 2. Die

„Governmental-Interests"

-Methode

Die entschiedenste Abkehr vom bisherigen IPR-System hat Currie vorgenommen 43 : Er verwirft nicht nur feste Kollisionsnormen, er beschränkt auch die Zahl der anwendbaren Maximen radikal auf eine: die Feststellung und Berücksichtigung von „governmental interests". 41 V o r allem Steindorff, Sachnormen; von Mehren, Spec. Rules 347-359; ders., Choice of L. 3 8 - 4 2 ; auch Juenger, Wandel 26. 42 Z . B . Currie, Sel. Ess. 101, 189, 699, 707-709, 721; ders., Third. St. 759, 776 f.; Jessurun d'Oliveira, Ruine 26 f. Abwägend Cavers, C r i t 198-203; ders., Choice 66. 43 Currie, Sel. Ess., ders., T h i r d St. Vgl. zu Currie insbesondere Heini, Ström. 4 7 - 6 1 (Nachweis von Curries Schriften 47 Fn. 82); Kegel, Crisis 97 bis 101, 110-179 (Darstellung der Lehre u n d behandelten Fälle), 180-207 ( K r i t i k , w . Nachw. 180 Fn. 1); ders., Vaterh. (mit neuesten Nachw. 551 Fn. 3); Joerges, Funktionswandel 1 - 3 , 3 8 - 8 3 (w. Nachw. insbes. 2 f.); Cavers, Choice

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T e i l 1 : Die „Krise" : K r i t i k am klassischen IPR u n d Ersatzmodelle

Ausgangspunkt ist die materielle Rechtsnorm: Sie wurde stets erlassen, weil der Staat m i t ihr eine bestimmte Absicht, einen Zweck, eine „policy" verfolgte. A n der Durchsetzung dieser „policy" hat er daher ein Interesse. Da aber die „policies" gewöhnlich i n irgendeiner Weise m i t dem Staat zusammenhängen, kann das Interesse, das „governmental interest" fehlen, wenn der Sachverhalt die erforderlichen Berührungspunkte zu dem Staat nicht aufweist. Aufgabe der Gesetzgeber soll es sein, die „policies" möglichst klar herauszustellen. Man hat somit stets festzustellen, welcher Staat ein „governmental interest" an der Anwendung seiner Rechtsnormen hat. Hat nur ein Staat — sei es der Forumstaat, sei es ein anderer — ein solches Interesse, handelt es sich insoweit um gar keinen K o n f l i k t („false conflicts"); es w i r d das Recht desjenigen Staates angewandt, der ein Interesse an der Anwendung hat. Ein K o n f l i k t ist ferner nicht vorhanden, wenn die betreffenden Rechte inhaltsgleich sind. Echte Konflikte („true conflicts") treten erst auf, wenn zwei oder mehr Staaten ein Interesse an der Anwendung ihres Rechts haben. Ein solches Interesse w i r d nur anerkannt, wenn es „legitim" oder „vernünftig" ist. Daher sollen, wenn echte Konflikte auftreten, die Interessen „reconsidered" und eventuell bescheidener und zurückhaltender interpretiert werden 4 4 . Bleibt der Interessenkonflikt gleichwohl bestehen, dann ist seine Lösung etwa unter Aufopferung der Interessen des Forumstaats eine hochpolitische Aufgabe und kann nur durch übergeordnete politische Instanzen bewirkt werden 4 5 . Bis das der Fall ist, kann das Gericht nur dem Interesse des eigenen Staates folgen, wenn ein solches zu bejahen ist, und die lex fori anwenden. Widerstreiten die Interessen zweier Drittstaaten, ein nach Currie extrem unwahrscheinlicher Fall 4 6 , so gibt es — da eine abwägende Bewertung nicht zulässig ist — i m Grunde keine Lösung. Da man jedoch irgendwie entscheiden muß, ist die lex fori anzuwenden, man könnte aber auch an das „bessere" der beiden Rechte denken 47 . Nach Möglichkeit sollte aber schon die Zuständigkeit nach der Lehre vom „forum non conveniens" abgelehnt werden 4 8 . Ist kein Staat interessiert, so gilt die lex fori hilfsweise 49 . 7 2 - 7 5 ; Evrigenis, Tend. 354-368; Zweigert, A r m u t 440 f.; Trutmann, Del. 19-25, 4 1 - 4 9 ; Ehrenzweig, P. I. L. 6 2 - 6 5 ; Traynor, Confi.; Ruiz, I n t . Anal. 14 - 29. 44 Ζ. Β . Currie , T h i r d St. 757. 45 Currie, Sel. Ess. 272 - 282. 4β Currie, T h i r d St. 764, 772. 47 Ebd., 778 - 780, 788 f. 48 Ebd., 767 f. 49 Currie, Sel. Ess. 184.

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C. Ersatzmodelle

D i e Thesen C u r r i e ' s h a b e n a u f d i e a m e r i k a n i s c h e Rechtsprechung u n d wissenschaftliche D i s k u s s i o n E i n f l u ß ausgeübt; sie s i n d aber — s o w e i t ersichtlich — n i r g e n d s i n i h r e r ganzen K o n s e q u e n z ü b e r n o m m e n w o r d e n 5 0 . Insbesondere w u r d e das V e r b o t d e r Interessenabwägung nicht b e f o l g t u n d die A u s s c h l i e ß l i c h k e i t der „ g o v e r n m e n t a l i n t e r e s t s " anerkannt.

nicht

A u c h i n der D i s k u s s i o n u m das deutsche u n d schweizerische I P R ist auf C u r r i e ' s Thesen a u f g e b a u t w o r d e n 5 1 ; f r e i l i c h ohne daß d a r a u f basierende Vorschläge b i s h e r schärfere K o n t u r a n g e n o m m e n h ä t t e n 5 2 . 3. Entscheidung

anhand

verschiedener

Maximen

W ä h r e n d das S y s t e m Curries — w e n n auch n i c h t dessen A n w e n d u n g ! — d u r c h k l a r e L i n i e n f ü h r u n g besticht, d i e jedoch e r k a u f t w i r d d u r c h konsequente E i n s e i t i g k e i t des K o n z e p t s , b e m ü h e n sich andere — e t w a Cavers, von Mehren / Trautmann, Leflar — m e h r u m d i e gerechte Entscheidung v o n Fällen m i t Auslandsberührung 53. U m dies z u erreichen, s i n d zunächst d i e j e n i g e n Rechtsordnungen, z u denen der F a l l „ B e z i e h u n g e n " a u f w e i s t , i n i h r e n K o n s e q u e n z e n f ü r d e n k o n k r e t e n F a l l z u ü b e r p r ü f e n : Es ist n i c h t u n t e r G e r i c h t s b a r k e i t e n ( „ j u r i s d i c t i o n s " ) oder S t a a t e n z u w ä h l e n , es ist u n t e r verschiedenen 50 Vgl. Traynor, W a r 123 f.; Ehrenzweig, P. I . L . 64; Jayme, Krise 360-365; Heini, Priv. Int. 385 f. Die E n t w i c k l u n g ist i n den USA offenbar wieder rückläufig; die „governmental-interest" -Methode, von manchen als das M i t t e l angesehen, das IPR aus der „ K r i s e " zu ziehen, steckt selbst i n der Krise: Jayme, a.a.O. 51 Joerges, Funktionswandel 151 -169; ders., Klass. Konz. 467 -472; Bucher, Grundfragen 204 - 252, der sich freilich weniger auf die Amerikaner, sondern auf die europäische Sonderanknüpfungslehre bezieht; indessen können die von i h m berufenen „Rechtsanwendungsinteressen" oder ,,-ansprüche", die es „international zu koordinieren" gilt, ihre amerikanischen Verwandten nicht verleugnen. Über den angeblichen Einfluß auf das europäische I P R allgemein vgl. Audit, A m . Choice-of-Law 598, 601 - 603. 52 A m Rande sei vermerkt, daß schon Cosack, Lehrb. 39, das „ P r i n z i p " des IPR dahin zusammenfaßte, eine Rechtsfrage sei „nach dem Rechte des Staats zu beurteilen, der das größte gesetzgeberische Interesse daran hat, eine Frage dieser A r t nach eigenem Ermessen zu entscheiden". Gutzwiller, Sav. 78 Fn. 74, stand 1923 diesem „krassesten Bespiel" des „internationalprivatrechtlichen Dilettantismus" noch fassungslos gegenüber! 53 Cavers, Crit 178- 192; ders., Add. 168; ders., Choice 7 5 - 8 9 u n d passim; ders., Cont. Confi. 151 -162; ders., Prod. Liab. (zu Cavers vgl. vor allem Heini, Beitr. 39-47, auch Ehrenzweig, P. I. L. 68 f.; Trutmann, Del. 2 5 - 2 9 , 41 - 4 9 ; Evrigenis, Tend. 332-354; de Nova, Cont. of Subst. R.). — von Mehren / Trautmann, Multist. Pr. 76 - 79 u. passim (zu diesen z. B. Ehrenzweig, P. I. L . 65 f.; Schmeding, Rechtsw.). — A m zurückhaltendsten Leflar, Confi. 197-222; ders., Ch. I n f i . Cons., der den „Neuerern" n u r unter Vorbehalten hinzugerechnet werden k a n n (vgl. z. B. Confi. 208, w o ausdrücklich verlangt w i r d , „a neat and orderly system of choice of l a w " wenigstens als Ideal beizubehalten). — Ä h n l i c h auch Yntema, Obj. bes. 734 f.

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Teil 1: Die „Krise": K r i t i k am klassischen IPR u n d Ersatzmodelle

materiellen Regeln und damit unter verschiedenen Ergebnissen zu wählen („result-selecting-method") 54 . Dabei w i r d wiederum dem „Konf l i k t " große Bedeutung beigemessen: Widersprechen die aus den jeweiligen Sachnormen resultierenden Rechtsanwendungsinteressen einander nicht, so handelt es sich von vornherein nur um einen „false conf l i c t " 5 5 . Notfalls ist durch „bescheidene und zurückhaltende Interpretation" der fraglichen Regelungen, insbesondere der lex fori, etwas nachzuhelfen 56 . Ist ein echter K o n f l i k t aber vorhanden, so scheut man sich — anders als Currie — nicht, hier i n der Sache wertend zu entscheiden. Als Hilfsmittel stellt man einen Katalog von maßgeblichen Gesichtspunkten, „choice-influencing considerations" 57 , „principles of preference" 58 zur Verfügung, der unter anderem enthält die Vorhersehbarkeit der Ergebnisse und damit den Schutz der berechtigten Erwartungen der Parteien, die Aufrechterhaltung der internationalen (bzw. interlokalen) Ordnung, Vereinfachung für den Richter; die Durchsetzung der staatlichen Rechtsanwendungsinteressen des Forumstaates bleibt ebenfalls ein gewichtiger Faktor (wenn auch nicht der einzige) 59 . Unter diesen Maximen findet sich schließlich auch der berühmt-berüchtigte Grundsatz der Anwendung des „besseren Rechts", der jedoch stets auf den rangletzten Platz gestellt w i r d 6 0 . Auch was die Radikalität der Ersetzung fester Kollisionsnormen durch Maximen betrifft, bleibt diese Gruppe von Autoren hinter Currie 54 Cavers, C r i t 182 - 197; ders., Add. 167 - 169; Leflar, Confi. 180; von Mehren, Choice of L . 3 0 - 3 6 ; Hancock, Appr. 367, 372, 378 f. unterscheidet hier n o d i den „functional" u n d den „result-selective approach" u n d stellt beide dem angeblich traditionellen „classificatory approach" gegenüber. 55 Der G r u n d k a n n sein, entweder daß sie sich i n casu nicht räumlich überschneiden oder daß ihre sachliche Regelung identisch ist. Vgl. Cavers, Choice 89, 137; Hancock, Appr. 367 f.; ferner Leflar, Confi. 187 - 189, der von der „governmental-interest-Methode" w o h l am weitesten entfernt ist u n d n u r übereinstimmende sachliche Ergebnisse als „false-conflicts"-Fälle anerkennen w i l l . 56 Cavers, Add. 170. Dasselbe gilt offenbar für Hancock's „result-selectiveapproach", Appr. 372, 378 f. 57 Leflar (z. B. Confi. 193). 58 Cavers. — Seine „principles" sind genaugenommen bereits die Ergebnisse des Abwägungsvorgangs; Leflar, Confi. (2. Aufl. 1968) 243, nannte sie „almost-rules". Cavers hat — ohne Anspruch auf irgendwelche Vollständigkeit — 7 solcher „principles" aufgestellt: 5 f ü r „torts" (Choice 139, 146, 159, 166, 177 — es handelt sich i m K e r n u m „Anknüpfungshäufungen", hierzu unten T. 2 D I V 5) u n d zwei f ü r „contracts and conveyances" (Choice 181, 194). Revidierte „principles" i n Prod. Liab. 728 - 733. — Die „Principles" sind z. T. abgedruckt bei Raape / Sturm, I P R 12 f. Fn. 44. 59 Leflar, Confi. 210-212; Cavers , Choice 72-75. s. auch von Mehren! Trautmann, Multist. Pr. 78 f. 60 Cavers, Add. 168 Fn. 3, 169; Leflar, Confi. 212 - 215.

C. Ersatzmodelle

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weit zurück. Zwar werden die mechanischen, „konzeptualistischen", auf „territorialen Postulaten" beruhenden „state selecting" Kollisionsnormen aufs heftigste bekämpft. Aber, „lawyers are a rule-making sect", und wenn auf die beschriebene Weise neue, angemessenere Regeln entstehen und nach der Methode des stare-decisis weiterentwickelt werden sollten, so ist dagegen nichts einzuwenden, denn „the activities of the rule makers are not deplorable per se" 61 . Damit w i r d die Grenze zu einem „offenen" IPR-System 6 2 — und zwar i n typischer common-lawFärbung — fließend. U m letzteres noch zu verdeutlichen, braucht man nur auf das Zweite Restatement zum Conflict of Laws zu verweisen. Denn auch dieses setzt zunächst einen Maximenkatalog an die Spitze — an vorderer Stelle die der Berücksichtigung staatlicher Rechtsanwendungsinteressen 63 — läßt dann jedoch eine Reihe einzelner Anknüpfungsregeln folgen, die ihre Verbindung m i t jenen Grundsätzen kaum erkennen lassen und sich auch sonst wenig von ihren Vorgängern traditioneller Abstammung unterscheiden, stellt diese indes sogleich wieder unter einen — teils ausdrücklichen, teils generellen — Vorbehalt der genannten Maximen 6 4 . Das ungeklärte Verhältnis dieser beiden Pole — auf der einen Seite der Maximen, zusammengefaßt unter dem wenig prägnanten und wenig originellen Begriff der „most significant relationship", auf der anderen Seite der „rules" — dürfte zu dem zwiespältigen Eindruck, den das Restatement vermittelt, wesentlich beigetragen haben 65 .

61 Cavers , Crit. 193 f.; ders., Choice 74 f., 78 f., 122 f., 133. Mindestens ebenso entschieden werden Kollisionsnormen (wenn auch neuer A r t ) befürwortet von Leflar, ζ. B. Confi. 208, 209 f., 215 f. Vgl. auch Traynor, War 127. 62 Hierzu unten T. 2 D. I I u. I I I . 63 Rest. 2d, § 6. Gesetzliche Regeln gehen vor. Dann folgen die „ F a k t o r e n " : ,,a) The needs of the interstate and international systems, b) the relevant policies of the forum, c) the relevant policies of other interested states and the relative interests of those states i n the determination of the particular issue, d) the protection of justified expectations, e) the basic policies underl y i n g the particular field of law, f) certainty, predictability and u n i f o r m i t y of result, and g) ease i n the determination and application of the l a w to be applied." 64 Vgl. ζ. Β . Rest. 2d, Chapter 7 „Wrongs" (genereller Hinweis auf § 6 i n § 145 u n d speziell i n nahezu jeder der folgenden Anknüpfungsnormen), ähnlich Chapter 8 „Contracts", Chapter 9 „Property", Chapter 11 „Status" usw. 65 Vgl. die K r i t i k von Ehrenzweig, Desp.; ders., P. I. L. 6 6 - 6 8 ; Cavers, Choice 69 -72. S. auch Heini, Ström. 6 1 - 6 4 ; Vischer, Rest.; Joerges, F u n k tionswandel 7 3 - 7 8 ; Bodenheimer, Reorient. 130 -132. Eine Annäherung an europäische Vorstellungen sieht indessen Audit, A m . Choice-of-L. 595.

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T e i l 1: Die „Krise": K r i t i k am klassischen IPR u n d Ersatzmodelle

4. Anwendung

des besseren Rechts

Eine derjenigen Maximen, die die konkreten Kollisionsnormen ablösen sollen, hat besonderes Aufsehen erregt: die sogenannte „Anwendung des besseren Rechts". Die Diskussion beruht i n ihren Ursprüngen möglicherweise auf einem Irrtum. Zugeschrieben w i r d der Grundsatz häufig Cavers 66. Dieser hat ihn gewiß auch aufgestellt, aber nur — so wie andere Autoren — als einen unter mehreren, und zudem als den rangletzten, als eine Hilfslösung 67 . Doch scheint es, als sei Cavers' Vorschlag, zunächst die verschiedenen materiellen Rechte anhand des konkreten Falles zu prüfen und dann unter den Ergebnissen (kollisionsrechtlich) zu wählen 6 8 , dahin mißverstanden worden, es solle stets das materiell besser erscheinende Ergebnis gewählt werden 6 9 . Cavers selbst indessen wehrt sich ausdrücklich gegen eine solche Mißinterpretation 7 0 . Sei dem, wie i h m wolle: Einmal i n der Diskussion, hat der Grundsatz vom „besseren Recht" beträchtliche Faszination entwickelt, wenn er auch am Ende meist abgelehnt wurde. Aber eröffnet sich hier nicht ein Weg, die „ A r m u t des IPR an sozialen Werten" 7 1 zu überwinden, muß es nicht verlocken, die Fesseln nationaler Enge abstreifen und unter verschiedenen Normen die „bessere", die „gerechtere", die „fortschrittlichere" herauswählen zu dürfen? Eine Ablösung des gesamten IPR-Systems durch den Grundsatz des besseren Rechts hat Juenger vorgeschlagen 72 . Die Auswahl der das Normenmaterial bietenden Rechtsordnungen soll beschränkt werden, indem man „auf altbekannte Anknüpfungsmomente wie Staatsangehörigkeit, Wohnsitz, Belegenheit einer Sache, Ort der Vornahme einer Handlung usw." zurückgreift 7 3 ; offenbar gehört stets auch die lex fori dazu. Dabei soll die schließlich auserwählte fremde Norm nicht als solche angewandt werden, sondern lediglich eine „Gestaltungsmöglichkeit" aufzeigen 74 . ββ Vgl. etwa Kegel, Wandel 35 (anders jetzt ders., Vaterh. 555 Fn. 21); Raape / Sturm, I P R 9. Jayme, Krise 362, nennt hingegen Leflar als „Erfinder". 67 Nämlich w e n n die übrigen „kollisionsrechtlichen" M a x i m e n der A u s w a h l nicht mehr weiterführen, oben C I 3, Fn. 60. Näher unten T. 4 C I I 7. 68 Oben C I 3. 69 Vgl. etwa Batiffol, Plur. 100. 70 Cavers, Choice 9, 76, 85 f.; ders., Add. 166-169; er empfindet sie als „disturbing", r ä u m t aber ein, daß seine früheren Ausführungen mißverstanden werden konnten. 71 Zweigert, A r m u t . 72 Wandel 28 - 34. Zurückhaltender ders., Mögl. 73 Juenger, Wandel 29.

C. Ersatzmodelle

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Dem Grundsatz des besseren Rechts neigt auch Zweigert 75 zu, jedoch erst dann, wenn keine „eindeutige" Verweisung einer „klassischen Kollisionsregel" festzustellen ist. Damit befürwortet er ein Mischsystem, nicht die vollständige Ablösung von Kollisionsnormen 7 6 .

I I . Systeme einseitiger Kollisionsnormen

Seit sich das moderne internationale Privatrecht m i t seinen allseitigen Anknüpfungsnormen herauszuschälen begann, gab es stets eine Minderheit, die solche allseitigen Normen verabscheute und sie ersetzen wollte durch Systeme einseitiger Kollisionsnormen, also solcher Normen, die jeweils nur den räumlichen Anwendungsbereich des „eigenen" materiellen Rechts festlegen („unilateralistische" Systeme, i m Gegensatz zu „multilateralistischen" Systemen) 77 . Zwei ganz unterschiedliche Überlegungen haben jeweils den Anstoß hierzu gegeben. Die ältere — bis Ende des vorigen Jahrhunderts vornehmlich von Schnell und Niedner vertretene 7 8 — geht aus von völkerrechtlichen Vorstellungen, sieht hier Probleme der Souveränität. Wenn das herkömmliche IPR nämlich auch ausländischen Rechten ihren A n wendungsbereich zuweise, spiele es sich gleichsam als Zuständigkeitsordnung für diese auf. Ein Staat könne aber nicht bestimmen, welche fremde Gewalt über ein Gebiet, eine Person, ein Rechtsverhältnis bestimmen dürfe, das i h m selbst nicht unterworfen sei. Er greife damit i n des betroffenen Staates Souveränität ein, etwa als ob Deutschland einen Teil Frankreichs an Spanien abtreten wolle 7 9 . Einen anderen theoretischen Ausgangspunkt haben die neueren Systeme einseitiger Kollisionsnormen, vertreten vor allem von Niboyet 80, 74 Ebd. 30. Dabei soll noch „das Eindringen i n die Feinheiten fremden Rechts u n d die Besonderheiten ausländischer Systeme . . . vermieden" (!) werden. Also: u . U . ein aus halbverstandenen ausländischen Zutaten zusammengebrautes privates Phantasierecht des Richters. Dieses soll dann die Keimzelle f ü r ein »„wirkliches* internationales Privatrecht" (33) abgeben! 75 Zweigert, A r m u t 444, 447 f. Ζ. T. anscheinend sympatisierend Raape Ì Sturm, I P R 9. 76 Hierzu T. 4 C I I I 5. 77 Hierzu u n d zu den i m folgenden genannten sowie weiteren Autoren (außer Quadri ) besonders eingehend Wiethölter, Eins. K n . Vgl. auch Vitta, Cours gén. 147 - 158. 78 Schnell, Zust.; Niedner, E G B G B S. 13. Übrigens hat schon 1851 Thöl, Einl. 170 - 176, jedenfalls i m Ansatz (an der praktischen Durchführung haperte es) ein reines unilateralistisches Kollisionsrechtsprogramm aufgestellt, das beim Anwendungs,,willen" der jeweiligen i n - u n d auch ausländischen Rechtsnormen ansetzte. 79 Schnell, Zust. 339. 80 Z. B. Niboyet, Cours 349 - 353.

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Teil 1: Die „Krise" : K r i t i k am klassischen IPR u n d Ersatzmodelle

Vivier 81, Sohn82, am eindrucksvollsten entwickelt wohl von Pilenko 83, heute m i t besonderer Verve erneut verfochten von Quadri 8 4 . Hier ist es nicht mehr der Verstoß gegen übergeordnete Regeln internationalen Zusammenlebens, der es den Staaten verböte, sich die Zuständigkeitsregelung für fremde Hoheitsgewalt anzumaßen 85 , hier ist es i n erster Linie die Erkenntnis der Struktur materieller Normen und ihrer räumlichen Zuordnung selbst, die angeblich dazu zwingt, das Kollisionsrecht — jedenfalls primär — nicht losgelöst vom Sachrecht oder diesem gar übergeordnet zu sehen. Denn kein Staat kann so handeln, als bestünden die anderen Staaten nicht. Darum erläßt kein Staat Sachnormen für jeden Ort, ebensowenig wie er dies für alle Zeiten tut. Jede Sachnorm enthält notwendig neben der Bestimmung des sachlichen Anwendungsbereichs auch die Bestimmung ihrer örtlichen und zeitlichen Grenzen. Dies sind die drei notwendigen Elemente jeder materiellen Norm, sie sind absolut gleichwertig (wenn auch aus redaktionellen Gründen m i t unter optisch getrennt). Darum darf man nicht eines dieser Elemente herauslösen und isoliert anwenden; das ergäbe eine Verfälschung, weil die gesamte Norm nur als Einheit von einem Staat stammen kann. Die Folgerungen, die gezogen werden, sind wieder unabhängig vom jeweiligen theoretischen Ansatzpunkt: Jeder Staat bestimmt zunächst einmal für seine eigene materielle Norm, wann diese angewandt werden soll. Dies kann man einseitige („unilaterale") Kollisionsnorm nennen. Pilenko lehnt den Ausdruck „Kollisionsrecht" insoweit überhaupt ab — denn bis zu einer „Kollision", einem „ K o n f l i k t " von Rechtsordnungen ist man bisher noch gar nicht vorgedrungen — und möchte statt dessen den Begriff „Spatialrecht" einführen 8 6 . Man muß also, hat man einen Sachverhalt m i t Auslandsberührung vor sich, zunächst einmal alle i n Betracht kommenden Rechtsordnungen abhorchen, ob sie selbst angewandt sein „wollen". T r i f f t dies für eine der Rechtsordnungen zu, so ist ihr die Entscheidung zu entnehmen. Erklärt sich freilich schon die lex fori für anwendbar, so ist dem stets zu folgen. „Konflikte" zwischen der lex fori und einem Drittrecht werden also ignoriert. 81

Vivier , Car. Sohn, Bases. 83 Pilenko, Dr. spat. 84 Quadri, Lez. (Zu Quadri vgl. vor allem Gothot, Ren. 1 7 - 2 3 ; ferner de Nova, Trends 817-821; ders., Hist. I n t r . 577-586; Vitta, Cours gén. 150- 154; Kelly, Confi. 20-31.) — Dazu kommen Sympathisanten dieses Gedankens, die den Unilateralismus zumindest partiell i m Vordringen sehen, etwa Gothot, Ren. Vgl. dazu unten T. 2 D I V 3. 85 Über Unterschiede zur älteren Lehre vgl. z.B. Quadri, Lez. 275-278; Gothot, Ren. 17 - 23. 86 Pilenko, Dr. spat. 34; die beiden Methoden nennt er monovalent u n d polyvalent. 82

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Erklären sich zwei oder mehr Drittrechte für anwendbar, so handelt es sich um einen wirklichen Gesetzes-„Konflikt", für dessen Lösung das Spatialrecht weder bestimmt noch geeignet ist. I n einer solchen Situation kommt man u m eine Entscheidung zwischen den Anwendung „verlangenden" Rechtsordnungen nicht umhin. Nach Pilenko ist dies die eigentliche Domäne des Kollisionsrechts. Meist w i r d vorgeschlagen, die Rechtsordnung heranzuziehen, deren Anwendungsnormen denen der lex fori am ähnlichsten sind 8 7 . Quadri n i m m t statt dessen eine Anleihe bei den oben vorgestellten Maximen auf: Durch Vergleich der sachlichen Regeln, Rücksicht auf die Erwartungen der Parteien u. a. soll das „proper law", das Recht m i t der „engsten tatsächlichen Verbindung" unter den konkurrierenden bevorzugt werden 8 8 . A u f der anderen Seite entstehen Schwierigkeiten, wenn kein Recht angewandt sein „ w i l l " (sog. negativer Konflikt). Meist greift man wieder zur lex fori. Pilenko sieht hier überhaupt keinen K o n f l i k t (der Frieden ist kein „negativer Krieg"), sondern einfach eine Ergänzungsfunktion der lex fori 8 9 . Quadri schafft neue Kollisionsnormen (die er aber nicht so nennt) aus allgemeinen Überlegungen, erwägt vielleicht auch die Schöpfung neuen materiellen Rechts 90 . Diese Systeme sollen nun aber nicht nur konsequente, „logische" Folgerungen aus dem jeweiligen theoretischen Ansatz sein, sie sollen das IPR auch wesentlich vereinfachen, Probleme der allseitigen Systeme ausräumen oder als Scheinprobleme entlarven 9 1 . So entfällt die Qualifikation: Es brauchen nicht mehr Kollisionsrecht des einen und materielles Recht des anderen Staates auf einen Nenner gebracht zu werden; da jedes „Spatialrecht" nur die Sachnormen der eigenen Rechtsordnung meint, sind die Begriffe dieselben 92 . Rück- und Weiterv er Weisung kommen nicht mehr vor 9 3 . Der ordre public betrifft bloß einen besonderen Fall von der lex fori zugehörenden (und daher immer vorran87 Z. B. Niboyet, Cours 352. Pilenko, Dr. spat. 56, empfiehlt Ausbau der Spatialnormen zu „Konfliktsnormen". 88 Quadri , Lez. 290 f. ( = Übers 275 f.). — Sohn, Bases 995-999, w i l l mittels „cumulation of connecting factors" entscheiden, was freüich sehr u n k l a r bleibt. 89 Pilenko, Dr. spat. 53. 90 Vgl. Quadri , Lez. 288 ( = Übers. 270 f.), u n d dazu de Nova, Hist. I n t r . 586, u n d ders., Trends 820 (der hier K l a r h e i t vermißt), sowie Gothot, Ren. 31 f. (der sich insoweit ebenfalls veranlaßt sieht, zu „prolonger la pensée d u maître italien".) — Sohn, Bases 996 f., w i l l auch beim „negativen" K o n f l i k t mittels „cumulation of connecting factors" entscheiden. 91 Vgl. dazu Wiethölter, Eins. K N . 43 - 87. 92 Z. B. Pilenko, Dr. Spat. 53 f. 93 Ζ. B. Pilenko, Dr. Spat. 47 - 49 (statt dessen ein V a k u u m von Spatialnormen, das auszufüllen ist).

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Teil 1 : Die „Krise" : K r i t i k am klassischen IPR u n d Ersatzmodelle

gigen) Spatialnormen 94 . Außerdem w i r d das — insbesondere für Quadri besonders anstößige 95 — Ergebnis vermieden, daß man ein ausländisches Recht anwenden muß, das auf den Fall selbst gar nicht angewandt sein „ w i l l " . I I I . Verschiedene Mischsysteme

1. Die materielle

lex fori als Ausgangsbasis

Z u den Vorschlägen, die das traditionelle IPR nicht vollkommen eliminieren, sondern nur partiell ersetzen oder neue Teile anbauen wollen, muß man — trotz des revolutionären Elans, m i t dem es antritt — auch das sog. lex-fori-System Ehrenzweigs rechnen 96 . Die lex fori — das ist hier die SacJi-Rechtsordnung des Gerichtsstaates — t r i t t uns auf dreifache Weise entgegen. Primär ist sie die natürlicherweise anzuwendende Rechtsordnung; die Anwendung ausländischen Rechts kann demgegenüber nur Ausnahme sein. Nur einzelne Regeln der lex fori oder Gruppen solcher Regeln können jeweils durch entsprechende ausländische Regeln ersetzt werden 9 7 . Dies ist freilich lediglich eine „analytische" Aussage, „quantitativ" kann die Anwendung ausländischen Rechts eher noch gesteigert werden 9 8 . M i t dieser „basic" Funktion der lex fori hängen die beiden weiteren Erscheinungsformen zusammen. Zunächst einmal ist sie Grundlage und Ausgangspunkt jeglicher „kollisionsrechtlichen" Rechtsfindung. Ob eine materielle Norm der lex fori i n einem Fall m i t Auslandsberührung anzuwenden ist, ist allein durch Auslegung dieser Norm und der ihr zugrunde liegenden „policies" festzustellen. Ergibt sich, daß sie angewandt sein „ w i l l " , so ist dem zu folgen; ergibt sich, daß sie nicht angewandt sein w i l l , so ist durch weitere Auslegung ebenderselben materiellen Norm festzustellen, welche ausländische Bestimmung an ihrer Stelle heranzuziehen sei 99 . Die Fragen des „allgemeinen Teils", wie Qualifika94 Pilenko, Dr. Spat. 42 - 46, sieht hier einen K o n f l i k t zwischen „Spatialn o r m " u n d „polyvalenter" Norm, bei dem die erstere vorgeht. 95 Vgl. Quadri , Lez. 281 f. ( = Übers. 262 f.). A l l e von i h m gesehenen Schwierigkeiten ließen sich freilich mittels Zulassung des Renvoi zwanglos beheben. Dieser ist i n I t a l i e n zwar ausgeschlossen, aber das unilateralistische System ist dort erst recht nicht geltendes System. 96 Ehrenzweig scheint es zu bedauern, von manchen nicht zur „amerikanischen Revolution" gezählt zu werden, W i r k l . 251 Fn. 2. Zusammenhängende Darstellung i n Ehrenzweig, P. I. L. Z u Ehrenzweigs System vgl. z. B. Kegel, Crisis 208-236; ders., Vaterh.; Siehr, Ehrenzw.; Jayme, Ausi. Rechtsr.; Zweigert, A r m u t 439; Lalive, Tend. 192-203; Evrigenis, Tend. 369-385. Daselbst Hinweise auf die umfangreiche weitere Literatur. 97 Ehrenzweig, P. I. L . 92 - 103. es Ehrenzweig, P. I. L. 105; ders., W i r k l . 261. 99 Ehrenzweig, P. I. L . 94 - 103; ders., W i r k l . 258 - 267.

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tion, Vorfrage, Renvoi, Umgehung, ordre public, sollen sich somit gleichfalls auf eine Auslegung der materiellen lex fori reduzieren 100 . Läßt sich die anwendbare Norm nicht bestimmen, so bleibt es bei der lex fori, die insoweit eine „residuary" Funktion erfüllt 1 0 1 . U m unerwünschtes „forum shopping" zu vermeiden, soll die internationale Zuständigkeit unter dem Vorbehalt des „forum non conveniens" stehen und so eine „Harmonie" zwischen IPR und Zuständigkeitsordnung herbeigeführt werden 1 0 2 . Außerhalb dieses Systems stehen die sog. data 1 0 3 , auf der einen Seite die „moral data", die gewisse Wertungsstandards beinhalten und nur durch die lex fori ausgefüllt werden können 1 0 4 , auf der anderen Seite die „local data", bei denen es sich um „ortsgebundene" Regeln handelt (etwa die am Unfallort geltenden Verkehrsvorschriften) 105 . Letztere seien Teil des Sachverhalts, ihre Berücksichtigung sei unabhängig vom Ort des Verfahrens selbstverständlich und bedürfe keiner kollisionsrechtlichen Begründung. Die tragenden Gedanken dieses „lex-fori-approach" lassen radikale Abkehr vom Bisherigen vermuten. Der Eindruck w i r d dadurch verstärkt, daß Ehrenzweig das traditionelle IPR bekämpft als ein i n W i r k lichkeit gar nicht vorhandenes „Überrecht" („superlaw") aus der Sicht eines irrealen „Weltrichters" 1 0 6 . Dennoch finden i n der Anwendung seines Systems feste Kollisionsnormen durchaus ihren Platz. Die Suche nach dem anwendbaren Recht erfolgt nämlich i n einer festen methodischen Stufenordnung 1 0 7 . Zunächst einmal sind wirklich geltende „Überrechte" heranzuziehen: völkerrechtliche Verträge. Fehlen diese, so sind die noch fortgeltenden traditionellen Kollisionsregeln anzuwenden. Mangels gesetzlicher Bestimmungen sind die Gerichtsentscheidungen auf Kollisionsregeln zu untersuchen. Von vornherein scheiden bei der Analyse jedoch die Fälle 100 Ehrenzweig, P . I . L . 113-132 (Qualifikation), 141-148 (Renvoi), 153-166 (ordre public u. ä.), 166 - 168 (Umgehung), 169 - 173 (Vorfrage), 173 - 176 ( A n gleichung). 101 Ebd. 103 f. 102 Vgl. Ehrenzweig, P. I . L . 107 - 110. 103 Z u r „datum"-Theorie vgl. insbes. Jayme, Ausi. Rechtsr. Über die abweichende Bedeutung des „datum"-Begriffs bei Currie s. ferner Evrigenis, Reg. 282. 104 Ehrenzweig, P. I. L. 77 - 82. 105 Ebd. 83 - 85. 106 Ehrenzweig, P. I. L . 49 - 52 (49: „Conflicts doctrine has always been ,universalist 4 and this universalism has always been an illusion". — Z u dieser Einschätzung unten T. 4 C I I I 1); ders., W i r k l . 252 - 255. 107 Ehrenzweig, P. I. L . 27 - 44, 75 - 110. S. hierzu ferner Jayme , Ausi. Rechtsr. 41 f.

3 Schurig

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aus, i n denen ein K o n f l i k t tatsächlich nicht vorhanden war, weil das ausländische Recht der lex fori inhaltlich entsprach („nonconflict cases") 108 . Werden „formulierte" Kollisionsregeln von den Präjudizien getragen, so gelten diese; liegen „unformulierte" Regeln zugrunde, die sich aber als „true and settled" erweisen, so sind sie anzuwenden. Erst wenn die Methode zur Feststellung fester Kollisionsregeln versagt, sind die Sachnormen der lex fori unmittelbar auf ihre räumliche Tragweite zu befragen und gegebenenfalls danach, welche Norm an ihrer Stelle anzuwenden ist. Den Abschluß bildet dann die „residuary rule" der lex fori. 2. Ordre-public-Gesetze und Systeme „autolimitierter Sachnormen" Was auch immer als „normale" Methode zur Auffindung des anwendbaren Rechts gelten sollte, stets wurden der Masse von Rechtsnormen, die durch mehr oder weniger „allseitige" Regeln berufen wurden, solche gegenübergestellt, die „außerhalb" dieses Kollisionsrechts standen, deren Anwendung vorrangig oder gar unabhängig von diesem sein sollte. Das war i m Grunde schon unter der Statutenlehre so, wenngleich noch nicht i n dem Maße wie später als Gegensatz empfunden. Diese „Janusköpfigkeit" der Systeme ist es, m i t der die Theorie des internationalen Privatrechts bis heute immer wieder zu kämpfen hat 1 0 9 . Lediglich die Verfechter der — i n der Praxis indes bedeutungslosen — Systeme einseitiger Normen können sich hier abseits stellen. Welche Bedeutung dieser kollisionsrechtlichen Sonderstellung gewisser Normen qualitativ und quantitativ zukommt, ob es sich u m regelwidrige Ausnahmen handelt oder u m die „zweite Säule" eines umfassenden Systems, ob es sich gar um eine parallellaufende, selbständige „Methode" handelt, das sind die Fragen, m i t denen man sich herumschlägt. Hinzu kommt die von diesen Vorstellungen abgespaltene neuere Auffassung von der negativen Funktion des ordre public 110, der sich scheinbar damit begnügt, die Anwendung fremden Rechts i n bestimmten Fällen lediglich auszuschalten. Alle diese Fragen werden zu immer neuen Nuancen gemischt, die den verschiedenen Auffassungen ihre jeweils eigene Färbung geben. Doch wollen w i r hier nicht den feinen Verästelungen der einzelnen Autorenmeinungen nachspüren 111 , sondern die großen, immer wiederkehrenden Linien verfolgen. 108

Ehrenzweig, P. I. L . 86 - 88. Schon Savigny, Syst. V I I I 32, sah hier „vielleicht die schwierigste A u f gabe i n dieser ganzen Lehre". Vgl. ferner Batiffol, Plur. 136 - 145. Ältere Nachweise u n d treffende Bemerkungen bei Kahn, Ord. pubi. 165 - 167. 110 Hierzu unten T. 3 Β V I I 1. 111 Vgl. insoweit ζ. B. Schwander, Lois d'appi, imm. 154 - 183. 109

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Bei Wächter liegt die Berücksichtigung des vorrangigen „Geltungswillens" eigener Gesetze noch weitgehend i n der allgemeinen Vorzugsstellung der lex fori verborgen 1 1 2 . Bei Savigny treten dann aber die beiden Seiten des Kollisionsrechts plastisch hervor. Da sind auf der einen Seite die „Civilgesetze", die die Rechtsverhältnisse beherrschen und die dadurch bestimmt werden, daß man „dasjenige Rechtsgebiet" aufsucht, „welchem dieses Rechtsverhältnis seiner eigentümlichen Natur nach angehört oder unterworfen i s t " 1 1 3 . Doch gibt es auf der anderen Seite Gesetze, „deren besondere Natur einer so freien Behandlung der Rechtsgemeinschaft unter verschiedenen Staaten widerstrebt" 1 1 4 ; es sind dies die „Gesetze von streng positiver, zwingender Natur" später auch „Prohibitivgesetze" genannt. Solche Gesetze haben „ihren Grund und Zweck außer dem reinen, i n seinem abstrakten Dasein aufgefaßten, Rechtsgebiet (contra rationem juris), so daß sie erlassen werden nicht lediglich u m der Personen Willen, welche die Träger der Rechte sind" 1 1 5 . Es sind m i t h i n Gesetze „anomaler N a t u r " 1 1 6 ; sie können beruhen auf „sittlichen Gründen" oder auf solchen des „öffentlichen Wohls", „politischem", „polizeilichem" oder „volkswirtschaftlichem Charakter" 1 1 7 . Immerhin sieht Savigny diese Gesetze als Ausnahmefälle, deren Existenz i m Grunde zu bedauern sei, und von denen er erwartet, daß sie „ i n Folge der natürlichen Rechtsentwicklung der Völker, sich fortwährend vermindern werden" 1 1 8 , eine Prophezeiung, die sich, wie w i r heute sehen, i n ihr Gegenteil verkehrt hat. Daß freilich der qualitative Ausnahmecharakter dieser „Gesetze streng positiver, zwingender Nat u r " i n Savignys System auch quantitativ nachzuweisen wäre, mag man angesichts des ihnen eingeräumten weiten Feldes bezweifeln, gehören doch u. a. weite Bereiche des Familienrechts hierzu, große Teile des zwingenden Vertragsrechts und das gesamte Deliktsrecht 1 1 9 . Nicht als bedauernswerte Ausnahme, sondern als zweites tragendes Hauptelement des kollisionsrechtlichen Systems erscheinen die ordrepublic-Gesetze i n der romanischen Schule, beginnend m i t Mancini 120. 112

Vgl. etwa Wächter, Coli. 261 - 270. Savigny, Syst. V I I I 28. 114 Ebd. 32. 115 Ebd. 35 f. 116 Ebd. 38. 117 Ebd. 36. 118 Ebd. 38. 119 Vgl. n u r Savigny, Syst. V I I I 160 - 165, 276 - 280, 324 f. Dazu z. B. Gutzwiller, Sav. 25 - 31 ; auch Neuhaus, Sav. 369, demzufolge Savigny hier „offenbar zu w e i t gegangen" ist; ferner die Übersicht bei Schwander, Lois d'appi, imm. 132 -135. 120 Über i h n und die romanische Schule noch i m m e r treffend Kahn, Ordre pubi. 194-242. Vgl. ferner de Nova, Trends 808-810; ders., Hist. I n t r . 464 113

3*

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T e i l 1 : Die „Krise" : K r i t i k am klassischen IPR u n d Ersatzmodelle

Sie sind hier eingebaut i n den Dualismus von „persönlichem", infolgedessen international wirkendem Recht, für das bekanntlich die Staatsangehörigkeit maßgeben soll, und dem öffentlichen, politischen, somit „territorial" wirkenden Recht. I n immer neuen Varianten stehen sich i n der italienisch-französischen IPR-Literatur diese beiden Antipoden gegenüber. Die jeweiligen Bereiche gegeneinander abzugrenzen, allgemeine, inhaltliche Kriterien zu finden, wann Gesetze der einen, wann der anderen Sphäre zuzurechnen sind, das ist die große Aufgabe, die stets neu angegangen w i r d und um die es bis heute nicht zur Ruhe gekommen ist. I m Kern ist man sich darüber einig, daß es sich für gewöhnlich bei den territorial wirkenden, den ordre-public-Gesetzen um solche handelt, die zum öffentlichen Recht, zum Politischen hin tendieren, die die „öffentliche Ordnung", die guten Sitten betreffen, die nicht dem Einzelnen dienen, sondern der Gesellschaft und der ihr zugrunde liegenden Ordnung. Damit kommt es auf den Zweck der Gesetze an, auf ihren „but social" 1 2 1 . Man beobachtet, daß ein gewisser Zusammenhang m i t dem zwingenden oder dispositiven Charakter der Rechtsnormen besteht, andererseits aber keine blind-mechanische Abhängigkeit, und man beginnt, dem internen „nationalen" den „internationalen" ordre public gegenüberzustellen 122 . Doch die genaue, praktikable Abgrenzung der Bereiche macht anscheinend unüberwindliche Schwierigkeiten. Den Facettenreichtum dieses Ringens einzufangen, kann hier gar nicht erst unternommen werden; es seien nur herausragende Namen genannt, wie Esperson, Laurent, Bartin, Pillet, Niboyet und Arminjon 123. I n Deutschland löste Savignys tastender Versuch, die i m IPR-System abseits stehenden, ohnehin m i t Ausnahmecharakter belegten Gesetze „streng zwingender, positiver Natur" inhaltlich zu klassifizieren, keine vergleichbare Bewegung aus. Bar mißbilligte bereits die Ausdehnung des diesen Gesetzen überlassenen Feldes bei Savigny lu, und Kahns noch immer mitreißende Attacke gegen die „Prohibitivgesetze" als eine Sonderklasse i m Kollisionsrecht 1 2 5 dürfte das Aufkommen einer der romanischen vergleichbaren Diskussion gleich i m K e i m erstickt haben. Zunehmend begann sich der „negative" Charakter des ordre public bis 468; Batiffol / Lagarde, D. I . P . 298-308; Niederer, Einf. 6 4 - 7 1 ; Kegel, I P R 88 - 91. 121 Pillet, D. I . P. 106 - 124. 122 Z u dieser auf Brocher zurückgehenden Unterscheidung vgl. Kahn, Ord. pubi. 200 - 202. Z u anderen Verwendungen des Begriffs unten T . 3 Β V I I 1, Fn. 168. 123 v g l . hierzu etwa Schwander, Lois d'appi, imm. 154 - 183, und zur älteren L i t e r a t u r — grundlegend — Kahn, Ord. pubi. 194 - 242. 124 125

v. Bar, Theorie 90 f. Kahn, Ord. pubi.

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h e r a u s z u s c h ä l e n 1 2 6 u n d i n d e r wissenschaftlichen B e h a n d l u n g i n d e n V o r d e r g r u n d z u rücken. E i n e „ p o s i t i v e " W i r k u n g des o r d r e p u b l i c w u r d e z w a r w e i t e r h i n a n e r k a n n t u n d w i r d es noch h e u t e 1 2 7 ; doch löste sich diese m e i s t auf i n b e s t i m m t e das deutsche Recht b e v o r z u g e n d e „ K o l l i s i o n s n o r m e n des o r d r e p u b l i c " , oder es w e r d e n schlicht f ü r b e s t i m m t e Gesetze spezielle K o l l i s i o n s n o r m e n e n t w i c k e l t , m e i s t ohne d e n B e g r i f f des o r d r e p u b l i c ü b e r h a u p t z u e r w ä h n e n oder sogar u n t e r ausd r ü c k l i c h e r A b l e h n u n g eines solchen Z u s a m m e n h a n g s . A u c h i m r o m a n i s c h e n B e r e i c h g e w a n n der o r d r e p u b l i c m i t „ n e g a t i v e m " C h a r a k t e r a n B o d e n 1 2 8 . D i e a l t e Frage, welche Gesetze d e r eigenen R e c h t s o r d n u n g sich d e n „ n o r m a l e n " Kollisionsnormen entziehen, scheint jedoch nichts v o n i h r e r F a s z i n a t i o n v e r l o r e n z u haben. Frances cakis ist es, d e r e i n e n n e u e n A b s c h n i t t der B e s i n n u n g a u f dieses P r o b l e m e i n g e l e i t e t h a t 1 2 9 , u n d diesmal, so scheint es, stehen d i e Chancen, auch a u ß e r h a l b des r o m a n i s c h e n Rechtskreises a u f offene O h r e n z u t r e f f e n 1 3 0 , w e s e n t l i c h h ö h e r angesichts der v e r b r e i t e t e n U n z u f r i e d e n h e i t m i t dem herkömmlichen IPR-System. 126

Hierzu unten T. 3 Β V I I 1. Unten ebd. 128 Vgl. z.B. Rigaux, D. I. P. 227; Batiffol / Lagarde, D. I. P. 445, 455; Maury, Ord. pub. ; Sperduti , Lois d'appi, née. 267 f. ; Vitta , Cours gén. 67 ; Schwander , Lois d'appi, imm. 184; Neuhaus, Grdbegr. 367. 129 Francescakis, Renv. 11 - 16, 4 8 - 5 0 ; ders., Préc.; ders., Dr. d u tra v.; ders., Lois d'appi, i m m . ; ähnlich Batiffol, Plur. 84, 138-145; de Nova, Confi.; ders., Anc.; ders., Norme; ders., Hist. I n t r . 531 - 538; Graulich, Règles; Bolard, Univ. 8 9 - 104 (mit rechtspolitischen Vorbehalten); Sperduti, Lois d'appi, née. (der übrigens die Priorität f ü r sich i n Anspruch n i m m t ; hierzu unten T. 4 C I I I 2 Fn. 202); ders., Dr. pubi. 9 - 1 5 ; Tommasi di Vignano, Auton.; Ballarino, Norme; Mosconi, Norme; Pocar, Norme; Audit, Am. Choice-of-L. 601 bis 603; Vitta, Cours gén. 118 - 126, 137 - 146, 159 - 162 (der die Lehre i n v o l lem Umfang akzeptiert, w e n n er auch erklärt, sie nicht zu mögen: 124 f.); Carrillo Salcedo, Ren. 199 - 203, 231 - 241. — Zurückhaltend bis kritisch indessen Rigaux, D. I. P. 117-125; Deby-Gérard, Role 2 8 - 9 2 ; Toubiana, Dom. 218 bis 232. Vgl. auch Quadri, Lez. 260 - 264; van Hecke, Princ. 453 - 458. — Übersicht über verschiedene Lehrmeinungen bei Schwander, Lois d'appi, imm. 184 - 198. Die L i t e r a t u r ist ferner zusammengestellt bei Sperduti, Lois d'appi, née. 258 f. Fn. 6. im vgl. Schwander, Lois d'appi, imm. 248-315; ders., Renv. 422; Schlußber. Schw. Exp.komm. 30, 58; Vischer, Wandel 322-326; Bucher, Grundfragen 6 6 - 8 8 ; Müller-Freienfels, Spanierh. 88, 91; Simitis, I n t . Arb. R. 157 f.; Gamillscheg, Entw. 225; Westermann, Ges. R. 98; Raape ! Sturm, I P R 22. Ferner ôkçûn, Tr. Mun. L. 1, 4 f., 47. F ü r die Niederlande vgl. Jessurun d'Oliveira, Ruine 1 9 - 2 3 ; Deelen, Blindd. 15 — 20; sowie de Boer, Tekort 287, 291, der hier sogar die „Säulen" eines neu zu errichtenden IPR-Systems zu erkennen vermeint; f ü r Dänemark vgl. Philip, Gen. Course 63 - 69. — I m englischamerikanischen Rechtskreis vor allem Kelly, Theorie; ders., Loc. Rules; ders., Confi., der diese Fragen m i t dem Gegensatzpaar „common l a w " u n d „statute l a w " i n Zusammenhang b r i n g t (z.B. Theorie 55, vgl. insoweit auch Mann, Stat.); ähnlich Pryles, Appi.; ferner Lipstein, Inh. Lim., der vermutet, daß sich viele ältere Qualifikationen als „procedural" darauf zurückführen las127

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T e i l 1: Die „Krise": K r i t i k am klassischen IPR u n d Ersatzmodelle

Francescakis geht von der Beobachtung aus, daß die Gerichte manche Gesetze anwenden, ohne zuvor die etablierten Kollisionsnormen zu befragen, also „ u n m i t t e l b a r " 1 8 1 ; er nennt sie daher „lois d'application immédiate "132. Und wieder geht es u m die Erfassung inhaltlicher Kriterien für die Scheidung dieser Gesetze von den übrigen; wieder kommt es zu einem Dualismus von den allgemeinen Kollisionsnormen unterworfenen Regeln und solchen, die „unmittelbar" anzuwenden sind. Zu letzteren gehören sowohl die „lois de police et de sûreté" des A r t . 3 C. C. wie auch allgemein die „lois d'ordre public" 1 3 3 . Sie zeichnen sich dadurch aus, daß sie stets die „organisation étatique" berühren 1 8 4 . Es gibt somit zwei Massen von Rechtsnormen: Solche, die als „lois d'application immédiate" unmittelbar anzuwenden sind; erst wenn diese nicht festzustellen sind, treten die allgemeinen, allseitigen K o l l i sionsnormen i n A k t i o n und berufen die maßgebliche Rechtsordnung 135 . Ausländische „lois d'application immédiate" kommen daher erst sekundär, bei der Anwendung des „berufenen" Rechts ins Spiel 1 3 6 . Die Idee der „unmittelbar" anwendbaren Gesetze wurde m i t der Beobachtung Nußbaums 137 i n Zusammenhang gebracht, daß es Sachnormen mit „räumlichen Tatbestandsmerkmalen" gebe. Das führte zu der Frage, ob die Bestimmung des speziellen räumlichen Geltungsbereichs dieser Gesetze nun ihrerseits Kollisionsnorm oder aber Teil sen, daß die „lois d'application immédiate" noch nicht „entdeckt" waren (896); Kahn-Freund, Gen. Prob. 93-101. Vgl. auch Cavers, Choice 225-232; ders., Cont. Confi. 134 f.; von Mehren, Comm. 606 f. Freilich stoßen diese hochtheoretischen Überlegungen nicht überall auf Begeisterung; vgl. die K r i t i k von Smith, Bspr. K e l l y (767: „ I t is a book strictly for academics . . . Perhaps one m i g h t conclude b y predicting that those w h o l i k e this k i n d of t h i n g w i l l f i n d this the k i n d of t h i n g they like.") — Kritisch vor allem noch Kegel, Selbstger. SN., m i t vielen Beispielen u n d einer Zusammenstellung der A n wendungsgebiete (71 f.); ferner Mann, K o l l . N.; ders., Sonderankn.; Birk, Mitbest. 590; Neuhaus, Grdbegr. 105 -107, vgl. auch ders., Wege 405 f.; Lalive, Tend. 120 - 153. 131 Francescakis, Renv. 11 f., 49; ders., Préc., bes. 4; ders., Dr. du. trav. 274; ders., L. d'appi, imm. 693 f., 695, 697. Ä h n l i c h de Nova, Confi. 398-401; ders., Anc. 501 f.; Vitta, Cours gén. 146; Sperduti, Lois d'appi, née. 262, 270, der hier eine „Begrenzung" des Anwendungsbereichs von Kollisionsregeln sieht. Vgl. auch Batiffol, Plur. 83, 136 f. — Vorbehalte unten T.4C I I I 2 zu Fn. 211. 132 Z . B . Francescakis, Renv. 49; ders., Préc. 3, 9; ders., L. d'appi, imm. 695. Es gibt mannigfache andere Bezeichnungen, die alle i m wesentlichen dasselbe bedeuten; Lipstein, Inh. L i m . 885, f ü h r t allein zehn auf (ohne die deutschen); vgl. ferner Kegel, Selbstg. SN. 53; Schwander, Lois d'appi, imm. 249 f. 133 Francescakis, Préc. 2 - 9 ; Sperduti, Lois d'appi, née. 261 - 270. 134 Francescakis, Préc. 12 f.; ders., L. d'appi, imm. 697. 135 Francescakis, Renv. 15 f.; ders., L . d'appi, imm. 697. 136 Wobei umstritten ist, ob es sich u m einen „renvoi" handelt. Vgl. i m folgenden sowie unten T. 4 C I I I 2 u. 3 Fn. 226. 137

Nußbaum, Grdz. 69, sowie (eingehender) Princ. 71-73.

C. Ersatzmodelle

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der Sachnorm selbst sei, eine Frage, die für diejenigen Kollisionsrechtsordnungen von besonderer Bedeutung sein muß, die — wie etwa Italien — fremdes Kollisionsrecht gar nicht oder nur eingeschränkt beachten. So hat de Nova der Frage besondere Beachtung geschenkt, ob es sich bei der Berücksichtigung solcher i m ausländischen Recht aufgefundener „norme autolimitate", „autolimitierter Sachnormen", u m einen (verbotenen) Renvoi handelt 1 3 8 , und i m common-law-Bereich hat Kelly diesem Problem eingehende Untersuchungen gewidmet 1 3 9 . 3. „Sonder anknüpfung" Von einer ganz anderen Seite beleuchtet den eigenen Geltungsbereich einer besonderen Klasse von Normen die Lehre von der sog. Sonderanknüpfung, die auf einen Gedanken von Wengler zurückgeht 1 4 0 und sich heute i n Theorie und Praxis zumindest der Randgebiete des IPR zusehends ausbreitet 14 1 . Anders als bei den „lois d'application immédiate", den autolimitierten Sachnormen, geht es nicht primär um die vorrangige Anwendung einer Gruppe inländischer Sachnormen 142 . Daß es unter diesen Gesetze gibt, die unabhängig vom berufenen „Statut" anzuwenden sind, war bei der Entstehung der Sonderanknüpfungslehre eine Selbstverständlichkeit, die konstatiert wurde, ohne daß man sich zu einer umfassenden Klassifizierung dieser Gesetze sonderlich herausgefordert gesehen hätte 1 4 3 . Hingegen wurde es als Diskrepanz empfunden, daß man eigene Gesetze ohne weiteres unabhängig vom berufenen Statut anwandte, 138 de Nova, Confi. 393-401; ders., Anc. 501 f.; ders., Norme; ders., Hist. Intr. 531 - 538; ders., Funct. Rest. R. Vgl. auch Francescakis, Préc. 11 f.; Lalive, Tend. 311-319. 139 Kelly, Loc. Rules; ders., I n t . Cont.; (weitgehend identisch) ders., Confi. 39 - 66. Vgl. dazu auch Morse, Bspr. K e l l y , sowie Smith, Bspr. K e l l y . Ferner Lipstein, Inh. L i m . 893 - 902. 140 Wengler, A n k n . 141 Vgl. etwa Neuhaus, Wege 425 ( „ . . . ganz neue Dimensionen erschlossen") ; ders., Beitr. 63 f. ; i n Einzelheiten anscheinend zurückhaltender ders., Grdbegr. 3 2 - 3 7 ; Graulich, Règles; Schwander, Lois d'appi, imm. 316-376 (der freilich „Sonderanknüpfung" u n d „besondere A n k n ü p f u n g " i n einen Topf w i r f t ) ; Rehbinder, Polit. 156- 158; Neumayer, Auton.; ders., Notges.; Joerges, I n t . Wirtsch. R. 34 - 39, 56. A. A. Heini, Priv. Int. 391. — Über Niederschläge dieser Gedanken i n internationalen A b k o m m e n König, Vereinh. 306 - 309. — Einen Überblick über die einzelnen Lehrmeinungen gibt Schwander, 199-216; neuere L i t e r a t u r ferner bei Schmeding, Rechtsw. 302 f. Fn. 14. Aus angelsächsischer Sicht vgl. noch Lipstein, Inh. L i m . 897, aus französischer z.B. Toubiana, Dom. 232-253, aus belgischer van Hecke, I n t . Contr.; ders., Jus cog. 7 - 9 . 142 Häufig w i r d aber auch beides als „Sonderanknüpfung" bezeichnet. Diese Vermengung w i r d indessen dem besonderen methodischen Standort der „Sonderanknüpfung" (dazu unten T. 4 C I I I 3) nicht gerecht. 143 Vgl. Wengler, A n k n . 168 - 180.

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Teil 1: Die „Krise": K r i t i k am klassischen IPR u n d Ersatzmodele

sofern diese es „wollten", ausländische dagegen ohne Rücksicht auf einen solchen Anwendungs„willen" jenem generellen Statut unterwarf. Das gab den Anstoß zu der Überlegung, ob hinsichtlich gewisser ausländischer Gesetze nicht ebenso verfahren werden müßte. Wengler bejahte diese Frage zunächst für den Teilbereich des „zwingenden Schuldrechts", wozu er vornehmlich das Devisen- und W i r t schaftsrecht zählt 1 4 4 . Er w i l l auch ausländische Gesetze dieser A r t grundsätzlich dann anwenden, wenn sich deren „eigener örtlicher Geltungswille" auf den fraglichen Sachverhalt erstreckt. Die Anerkennung dieser Gesetze w i r d als eine A r t „Rechtshilfe" empfunden 1 4 5 . U m sich indessen nicht willkürlicher und selbstherrlicher Ausdehnung eines exzessiven Anwendungs„anspruchs" ausländischer Gesetze auszuliefern, ist eine weitere Korrektur erforderlich: Die lex fori darf „gewisse Höchstgrenzen für den örtlichen Anwendungsbereich dieser Rechtsnormen aufstellen" 1 4 6 . Das geschieht durch die Forderung, der fremde Staat müsse „eine genügend enge Beziehung zu dem Rechtsverhältnis" aufweisen 1 4 7 . Ein wichtiges Indiz dafür ist es, wenn der Staat „vermutlich selbst in der Lage sein wird, dem von ihm erlassenen Gesetz zur Durchsetzung zu verhelfen" 1 4 8 . Dabei kann es zur Kumulation „zwingender Gesetze" kommen; aber schließlich muß auch „jeder gewissenhafte Anwalt, der die Parteien vor Abschluß des Rechtsgeschäfts berät" die Gültigkeit i n allen berührten Staaten prüfen 1 4 9 . Über allem schwebt indessen noch der Vorbehalt des ordre public 1 5 0 . Der Ansatz beim „Anwendungswillen" gewisser ausländischer Gesetze, von Wengler noch etwas zögernd als eigentlich „ i n der logischen Reihenfolge zuletzt stehend" 1 5 1 (!) bezeichnet, wurde i n der Folge immer häufiger aufgegriffen. Als nächster wandte sich Zweigert dem Problem zu, beschränkt auf den Teilaspekt der Wirkung ausländischer Leistungsverbote 152 . Auch er setzt den „selbstgesteckten Anwendungskreis" solcher ausländischer Verbote an den Anfang und bemüht sich sodann u m ein kontrollierendes Zusatzkriterium. Letzteres sieht er i m „international typischen Interesse" des Forumstaates 153 , das ζ. B. die Aner144

Vgl. ebd. 173 - 180. Ebd. 181, 185. 148 Ebd. 185. 147 Ebd. 186. 148 Ebd. 185. 149 Wengler, A n k n . 192. Ä h n l i c h Neumayer, Auton. 74 - 76. 150 Wengler, A n k n . 197 - 202. 161 Ebd. 183. 152 Zweigert, Nichterf. 153 Ebd. 291. Dieses K r i t e r i u m w i r d aufgenommen von von Schutz 412 f. 145

Hoff mann,

C. Ersatzmodele

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k e n n u n g eines ausländischen L e i s t u n g s v e r b o t e s d a n n ausschließt, „ w e n n d i e v e r b o t e n e W e r t b e w e g u n g sich v o l l s t ä n d i g a u ß e r h a l b des V e r b o t s l a n d e s a b s p i e l t " 1 5 4 . D e r eigentliche o r d r e p u b l i c , d e r W e r k z e u g der Interessen des F o r u m s t a a t e s ist, b l e i b t gleichfalls v o r b e h a l t e n 1 5 5 . D i e „ S o n d e r a n k n ü p f u n g " e n t w i c k e l t e sich s e i t d e m z u e i n e m i m m e r g e b r ä u c h l i c h e r e n — w e n n auch n i c h t u n u m s t r i t t e n e n — k o l l i s i o n s r e c h t l i c h e n I n s t r u m e n t , das z u m i n d e s t i n d e n R a n d g e b i e t e n des I P R e i n g e setzt w i r d oder w e r d e n soll, i n d e n e n bereits e i n p r i v a t - ö f f e n t l i c h r e c h t liches Z w i e l i c h t h e r r s c h t 1 5 6 ; so besonders i m i n t e r n a t i o n a l e n D e v i s e n u n d W i r t s c h a f t s r e c h t 1 5 7 , auch e t w a i m K a r t e l l r e c h t 1 5 8 , W e t t b e w e r b s recht 159, Arbeitsrecht 160, Konzernrecht 161, bei allen öffentlichrechtlichen E i n g r i f f e n i n p r i v a t e R e c h t s v e r h ä l t n i s s e 1 6 2 u n d auch ü b e r a l l d o r t , w o es u m d e n „ S c h u t z des Schwächeren" g e h t 1 6 3 . D i e M e t h o d e ist stets, v o m selbstgesteckten „ A n w e n d u n g s w i l l e n " der j e w e i l s i n F r a g e k o m m e n d e n N o r m e n auszugehen u n d b e i ausländischen N o r m e n e i n zusätzliches K r i t e r i u m h i n z u z u f ü g e n , welches a u f die F e s t s t e l l u n g e i n e r „ g e n ü g e n d engen B e z i e h u n g " h i n a u s l ä u f t 1 6 4 . 154

Zweigert, Nichterf. 293 - 295. Ebd. 304 - 307. 156 v g l . allgemein insbes. Neumayer, Auton.; ders., Notges.; ferner binder, Polit. 155 - 158; von Hoff mann, Schutz 409 - 415. 155

Reh-

157 Neumayer, Notges.; Joerges, Int. Wirtsch. R. 34-39, 56 f. (zumindest als „unvermeidbare Ausweichstrategie"). 158 Vgl. Mertens, K a r t R . ; Schwartz , Int. KartR. 221 -225; Rehbinder, E x t r . KartR. 281 - 292; Gamm, Rechtsw. 1554. 159 Joerges, Klass. Konz., der auf den Gedanken Currie's aufbauend der „Sonderanknüpfung" sehr nahe k o m m t (vgl. insbes. 472). U m allseitige A n knüpfungen traditioneller A r t bemüht sich demgegenüber Deutsch, Wettb. 21, 42 f. u. passim. 160 Ablehnend jedoch Gamillscheg, Ged. 832 -837; ders., Int. AR. 195 - 198. — Däubler, Grd. probi. 8 -12, geht es zwar u m eine Einbeziehung auch „öffentlichen" Arbeitsrechts i n die „verbesserte" A n k n ü p f u n g an den Parteiw i l l e n ; er w i r d aber zu Unrecht f ü r die „Sonderanknüpfung" i n Anspruch genommen. 161 Jedenfalls z. T., vgl. Westermann, Ges. R. 86 - 89. 182 Neuhaus, Kod. 456. 163 von Hoff mann, Schutz; zweifelnd Neuhaus, Grdbegr. 37; ablehnend Kropholler, Schw. Vertr. Part., der sich u m ein „allseitiges" Anknüpfungssystem f ü r den „Schutz der schwächeren Vertragspartei" bemüht (aber der „Sonderanknüpfung" ihre generelle Berechtigung gleichwohl nicht bestreitet, 659). 164 I m E n t w u r f des schweizerischen IPR-Gesetzes von 1978 ist sogar eine entsprechende gesetzliche Bestimmung vorgesehen (Art. 18, vgl. dazu Schlußber. Schw. Exp. Komm. 30 f.), die sich auf fremde Normen bezieht, welche „ i m konkreten F a l l u n d i m Hinblick auf ihre besondere Zielsetzung ausschließliche Geltung beanspruchen" u n d die neben einem „genügend engen Zusammenhang" voraussetzt, daß das Interesse an Anwendung oder „Berücksichtigung" dieses Rechts „offensichtlich überwiegt" u n d „als schützenswert anzuerkennen ist". Ä h n l i c h A r t . 7 des Vorentwurfs eines EG-Übereinkommens

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Teil 1: Die „Krise": K r i t i k am klassischen IPR u n d Ersatzmodelle

4. Bildung von „Sachnormen im IPR" Während es bei allen bisherigen Varianten immer noch u m das Grundproblem ging, auf welche Weise die schließlich auf den Fall anzuwendenden Sachnormen eines nationalen Rechts zu bestimmen seien, verzichten andere Vorschläge — jedenfalls für einen Teilbereich — auf diesen gemeinsamen Ausgangspunkt. A m Anfang steht infolgedessen eine Ausdehnung der ursprünglichen Definition des internationalen Privatrechts. Läßt sich die IPR-Norm nicht mehr nur nach ihrer Rechtsfolge bestimmen, nämlich der Berufung einer nationalen Rechtsordnung, dann muß man das Charakteristik u m auf der Tatbestandsseite suchen: Internationales Privatrecht ist das Recht, das sich m i t „internationalen Sachverhalten" befaßt, mit Sachverhalten also, die Beziehungen zu mehr als einem Rechtsgebiet auf weisen 1 6 5 . Der Fächer der Möglichkeiten w i r d breiter: Man kann entweder wie bisher das anzuwendende staatliche Recht suchen, man kann aber auch gleich in der Sache entscheiden 166. Nur und immer den letzteren Weg einzuschlagen, verlangt freilich niemand. Es geht vielmehr darum, bei bestimmten Sachverhalten „das kollisionsrechtliche Lösungsprinzip i n einem entscheidenden Gesichtspunkt zu verlassen" 167 . Nach welchen materiellen Normen soll man aber entscheiden, wenn man sich nicht durch die „kollisionsrechtliche Frage" zu einer bestimmten nationalen Rechtsordnung führen läßt? Hier gibt es zwei Möglichkeiten: Man kann ad hoc neues Sachrecht für den zu entscheidenden Fall bilden, wobei natürlich auch die „ i n Betracht kommenden" nationalen Rechtsordnungen einen Anteil beizusteuern haben; das ist die Lösung, zu deren Promotor sich vor allem Steindorff über internationales Schuldrecht. Z u letzterem vgl. Pocar, Kodif. 390 f. (zum Stand der Beratungen 384 f.). Beide Normen i m Vergleich bei von Overbeck, Zwischenber. 202 - 204. Kritisch ζ. B. Mann, Sonderankn. 616 - 624. 165 Eine ebensolche Einschränkung, aber ohne Grund, machen diejenigen, die schon das herkömmliche Kollisionsrecht n u r auf Sachverhalte m i t Auslandsberührung anwenden wollen; vgl. unten T. 2 A I . ιββ v g l . hierzu z.B. Simon-D epitr e, Règ. mat.; Vitta, Règ. mat.; ders., Cours gén. 126-132, 137- 146; Carillo Salcedo, Ren. 203-205, 229-231; van Hecke, Princ. 472 -475; Batiffol, Plur.; Deby-Gérard, Role 93-330; Lalive, Tend. 9 0 - 100; Schwander, Lois d'appi, imm. 377-446; Schmitthoff, I n t . Tr. L. 264 bis 270 (Nachw. 269) ; ferner auch Jessup, Transn. L., sowie i m folgenden Fn. 168. F ü r „Entscheidungsrecht" für „absolut internationale" Sachverhalte auch Neuhaus, Grdbegr. 24. Einen Überblick über die einzelnen Lehrmeinungen gibt Schwander, 217 - 232. Aus östlicher Sicht vgl. Fincke, Entwickl. 6 - 1 3 ; Wiemann, Bed. 748 - 751; ders., Gegenst.; Réczei, Gegenst. 453 - 457. 167 Steindorff, Sachnormen 278. Das g i l t auch für von Mehren (z. B. Choice of L., 36 - 42), der zunächst „false"- oder „no-conflict"-Fälle ausscheidet u n d auch sonst einräumt, daß diese Methode nicht i n allen denkbaren Fällen angebracht sei (ebd. 40). Vgl. aber unten T. 4 C I I 7 zum Vorschlag von Juenger.

C. Ersatzmodele

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gemacht hat 1 6 8 . Man kann aber auch auf die Suche gehen nach einem Corpus von Normen für internationale Fälle, die sich unabhängig von den einzelnen Staaten als autonomes Hecht der international handelnden Parteien gebildet haben; hiermit befaßt sich insbesondere die Lehre vom „New Law Merchant die sich auf internationale Vertragspraxis, Handelsbräuche und die Sprüche internationaler Schiedsgerichte gründet 1 6 9 . Nahebei steht staatsvertraglich vereinbartes Einheitsrecht für internationale Sachverhalte 170 . Während es sich bei „New L a w Merchant" und staatsvertraglichem Einheitsrecht um bestimmte sachliche Bereiche handelt, für die das Kollisionsrecht angeblich „ausgeschaltet" und unmittelbar auf die gerade hierfür vorhandenen besonderen Sachnormen — seien sie gewohnheitsrechtlicher, seien sie staatsvertraglicher Herkunft — zurückgegriffen wird, ist die Frage des Wann und Wie bei den IPR-S achnormen der ersten (Steindorffschen) Prägung sehr viel schwieriger zu beantworten. Bereits der allem zugrunde liegende Begriff des „internationalen Sachverhalts" macht — wie auch zugegeben w i r d 1 7 1 — erhebliche Schwierigkeiten, w i l l man nicht auf eine genauere tatbestandliche Festlegung überhaupt verzichten und sich auf mehr oder weniger vage Rezepte beschränken, wie etwa Fränkel, einer der Vorläufer dieser Auffassung 172 . Den Grund für eine systematische Erfassung der entsprechenden Sachverhalte hatte bereits 1890 Jitta gelegt 1 7 3 , dessen Schlußfolgerungen auch schon vieles der heutigen, von Steindorff vertieften Lehre vorwegnehmen 1 7 4 . Danach stehen den „rein nationalen" die „internationalen" 188

Steindorff, Sachnormen. Weitgehend übereinstimmend aus der Sicht der „governmental-interests"-Methode von Mehren, Spec. Rules; ders., Choice of L. 36 - 42. Verbindungen zu einem „federal common l a w " der USA zieht Trautman, Rei. Frühere Vertreter solcher Lösungen sind Jos. Jitta und evtl. Kollewijn (Nachw. Kegel, Begr. I n t . Jur. 272 Fn. 100, 101, 105), Fränkel u n d Hijmans (unten Fn. 172). Z u Steindorff vgl. insbesondere Kegel, Crisis 238 - 251; Bucher, Grundfragen 57 - 61. 189 Schmitthoff, Unif.; ders., Welth.; ders., I n t . Tr. L.; Langen, Transn. Comm. L. (mit Literaturhinweisen S. 11 f.); ders., V o m IPR. Hierzu neuestens Bonell, Auton. R., m i t zahlr. Nachw. Vgl. auch Batiffol, Plur. 121 - 132; Kegel, Crisis 257 - 262 (m. Nachw. 257 f. Fn. 1 - 10). Skeptisch hinsichtlich der p r a k tischen Verbreitung Böckstiegel, A n w . R. 457. — Bereits Kahn hat die E n t stehung eines solchen Rechts vorausgesehen, I n h a l t 261. 170 Z u dessen Verhältnis zum I P R eingehend Malintoppi, Rapp.; Kropholler, Einh. R. 32 f., 167 - 234. Vgl. auch Batiffol, Plur. 113 - 121. 171 Steindorff, Sachnormen 275 - 280, 282. 172 Fränkel, Irrg. Ä h n l i c h w o h l auch Hijmans, Alg. probi. 61 f. ( = Übers. 179). 173 Jos. Jitta, Meth. 48 f., 200 - 215; vgl. dazu Steindorff, Sachnormen 23 - 26. 174 Die hier auch n u r grob skizziert u n d i n ihrem — m i t u n t e r verwirrenden — Facettenreichtum nicht erfaßt werden kann, vgl. oben Einl.

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Teil 1: Die „Krise": K r i t i k am klassischen IPR u n d Ersatzmodelle

Sachverhalte gegenüber, die zu unterteilen sind i n relativ und absolut internationale. Die relativ internationalen Sachverhalte zeichnen sich dadurch aus, daß alle i n Frage kommenden Kontakte zu einem bestimmten Drittstaat führen und lediglich i n einem anderen — i m Forumstaat — zu entscheiden ist. Sie sind unproblematisch, weil man einfach diesen Kontakten zu folgen und das Recht des betreffenden Staates anzuwenden hat. Die absolut internationalen Sachverhalte dagegen weisen Kontakte zu zwei oder mehr Staaten auf; sie bleiben international, wo immer auch über sie entschieden w i r d 1 7 5 . Wenn hier die Verknüpfungen m i t einer bestimmten Rechtsordnung „ i n tatsächlicher Hinsicht erheblich überwiegen", so ist gegen eine Anwendung dieses Rechts ebenfalls nichts weiter einzuwenden 176 . Ist das aber nicht der Fall und harmonieren die betreffenden Rechtsordnungen nicht miteinander — eine Voraussetzung, die auf verschiedenen kollisions- und materiellrechtlichen Stufen festgestellt werden muß —, dann w i r d man dem Sachverhalt nicht gerecht, wenn man ihn gleichwohl einer einzigen Rechtsordnung unterwirft, wenn man ihn gewaltsam „nationalisiert", ein Verfahren, das Steindorff auf Savigny zurückführt 1 7 7 . Denn nationales Recht sei für nationale Sachverhalte geschaffen und sei grundsätzlich nicht i n der Lage, internationale Fälle sachgemäß zu entscheiden. Die Normen, nach denen zu entscheiden ist, sind auf andere Weise festzustellen, es sind neue Sachnormen i m internationalen Privatrecht zu suchen, sei es durch Auswahl übereinstimmender Normen aus mehreren Rechten oder solcher, die „einem internationalen Maßstab entsprechen" oder durch rechtsschöpferische Neubildung 1 7 8 . Der Gedanke der Bildung von „Sachnormen" i m IPR besitzt, da er gewöhnlich erst auf einer „zweiten Stufe" 1 7 9 , jedenfalls nach einer gewissen kollisionsrechtlichen Vorprüfung zum Zuge kommt, eine starke quantitative Wandlungsfähigkeit; er kann ebenso erscheinen als 175 Steindorff verfeinert die Lehre Jittas, indem er auch darauf abstellt, ob die beteiligten Rechtsordnungen miteinander harmonieren u n d ob nicht auch bei „absolut" internationalen Sachverhalten doch auf den Verknüpfungen zu einer Rechtsordnung das Hauptgewicht liegt, vgl. Sachnormen 270 - 275, sowie i m folgenden. 178 Steindorff, Sachnormen 271 f. 177 Steindorff, Sachnormen 9 u n d passim. Dagegen m i t Recht Kegel, Crisis 250. Die Frage hängt m i t der Einschätzung von Savignys „Ansatzwechsel" zusammen (dazu unten T. 2 A V I , T. 2 Β I I u. I I I ) . 178 Steindorff, Sachnormen 275-280. Z u r Unbestimmtheit dieses Verfahrens vgl. aber ζ. B. die K r i t i k von Wengler, Bspr. Steindorff 547. 179 Dazu auch Wengler, Bspr. Steindorff 548. — Juenger, Wandel 32 f., sieht seine aus verschiedenen Rechtsordnungen zusammengebrauten „besseren" Lösungen (hierzu oben C I 4) auch als eine A r t Sachrecht für internationale Fälle, das hier offenbar stets schon primär gebildet werden soll. Er gibt sich der Hoffnung hin, daß hieraus eines Tages ein „auf Universalität angelegtes, »wirkliches 1 internationales Privatrecht" entstehe.

C. Ersatzmodelle

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eine tragende Säule des internationalen Privatrechts 1 8 0 wie auch als äußerste Hilfslösung für seltene Fälle von Normenwiderspruch der berufenen Rechte 181 oder auf allen Stationen dazwischen 182 . Da entscheidendes Charakteristikum des internationalen Privatrechts die internationale Verknüpfung des Sachverhalts geworden ist, schwindet auch die Grenze zwischen Kollisionsrecht und auf Auslandsbeziehungen Rücksicht nehmendem Sachenrecht. „Sachnormen i m IPR" können dann überall vermutet werden, wo durch Berührung mit fremden Rechtsordnungen das Gesamtbild des auf den Fall anzuwendenden Sachrechts i n einem anderen Licht erscheint, sei es etwa bei Fremdenrecht, Auslandssachverhalt, Angleichung, Qualifikation, Mehrfachanknüpfung, „Sonderanknüpfung" oder ähnlichem 1 8 3 . 5. Der sogenannte Methodenpluralismus Kein selbständiges Programm verbirgt sich hinter dem Schlagwort vom „Methodenpluralismus", und doch kommt diesem Begriff i n der heutigen kollisionsrechtlichen Diskussion fast eine Schlüsselstellung zu. A u f der einen Seite weichen die Vertreter des „klassischen" IPR vor dem Ansturm der K r i t i k zurück und räumen ein, daß ihre Methode allseitiger Kollisionsnormen eben doch nicht allen Anforderungen des modernen Rechtslebens gewachsen sei. Indem sie partiell das Feld räumen, glauben sie, das traditionelle System i m Prinzip halten zu können. Und somit schafft der „Methodenpluralismus" auf der anderen Seite erst die Möglichkeit, die zahlreichen neuen Gedankengänge i n das praktizierte System aufzunehmen; er w i r d zum Vehikel, zum „trojanischen Pferd" für die Neuerungsvorschläge und gibt die formale Rechtfertigung für ihre Adaption. „Methodenpluralismus" bedeutet m i t h i n die grundsätzliche Akzeptierung eines Nebeneinander s von verschiedenen Lösungssystemen für kollisionsrechtliche Probleme. Prototyp scheint der Methodendualismus zwischen privatem und öffentlichem Kollisionsrecht zu sein 1 8 4 , der weith i n akzeptiert ist und auch hineinspielt i n die Sonderbehandlung der ordre-public-Gesetze. Ob die Auswahl der jeweiligen „Methode" festen Regeln unterworfen ist und gegebenenfalls welchen, ist die Frage, die bereits i n das Gebiet der speziellen Fallbehandlung verwiesen w i r d 1 8 5 . 180

So bei Steindorff, Sachnormen, oder etwa Simon-Depitre, Règ. mat. So ζ. Β . bei Kegel, unten T. 3 Β I V . 182 Uberblick bei Kegel, Crisis 251 - 256; vgl. auch Schwind, Hdb. 25 f. 183 Vgl. insbes. Steindorff, Sachnormen passim. 184 Hierzu unten T. 2 C I . 185 So bei der Frage der Grenzziehung von „klassischem" I P R einerseits, „lois d'application immédiate" u n d „Sonderanknüpfung" andererseits. 181

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Teil 1: Die „Krise" : K r i t i k am klassischen IPR u n d Ersatzmodelle

Zu einem solchen „Methodenpluralismus" — der i n Wahrheit als eine A r t „Systempluralismus" aufzufassen i s t 1 8 6 — bekennt sich heute der große Teil der internationalprivatrechtlichen Wissenschaft, sei es ausdrücklich — hier finden sich auch so bedeutende Namen wie Batiffol, Zweigert, Neuhaus 187 — sei es der Sache nach 1 8 8 . Er hat den Nimbus der Fortschrittlichkeit und w i r d m i t begeisterten Attributen wie „frisch", „wohltuend" versehen 189 . Das Bemühen um Einheitlichkeit w i r d demgegenüber als „unsinniger Versuch" abgetan; ein solcher „Methodenmonismus" könne nur „künstlich", „scheinbar" sein und w i r d als „synkretistisch" 1 9 0 getadelt 1 9 1 . 6. Die allgemeine

Ausweichklausel

Anders als der „Methodenpluralismus", dessen Arbeitsweise man als „selektiv" bezeichnen könnte, geht ein Vorschlag dahin, das System des traditionellen IPR zunächst weitgehend unberührt zu lassen, das mit i h m gewonnene Ergebnis aber als mehr oder weniger vorläufig zu betrachten und einer weiteren Überprüfung zu unterziehen, ein methodisches Vorgehen, das man „additiv" nennen könnte 1 9 2 . Es werden zwei Ebenen unterschieden, die erste Ebene m i t abstrakt generalisierendem Vorgehen auf Grund allseitiger Kollisionsnormen, das als „aprioristisch" bezeichnet w i r d und dessen Funktion darin gesehen wird, der „internationalprivatrechtlichen Gerechtigkeit" zu die186 Vgl. unten T. 4 C I I 5. I m Unterschied dazu geht es Landò, Meth., w i r k lich u m „methodische" Grundeinstellungen („formell-deduktiv", „rechtspolitisch", „kasuistisch"), i n etwa vergleichbar m i t den verschiedenen Auslegungsmethoden. 187 Batiffol, Plur. 84, 128, 130, 138, 140, 142, 145; Zweigert, A r m u t ; Neuhaus, Grdbegr. 28 (wo vor der „Gefahr der Überschätzung des I P R u n d einer Ignorierung der anderen Lösungsmöglichkeiten" gewarnt wird), 40 f., 96; Vitta, Règ. mat. 251f.; Heini, Priv. I n t . 389 f.; Jayme, Ausi. Rechtsr. 43 ( „ i n naher Z u k u n f t " ) ; Siehr, Wechselw. 481; Schwander, Lois d'appi, imm. 447 bis 459; Kelly, Theory 66 f.; Audit , A m . Choice-of-L. 589, 595-603; Carillo Salcedo, Ren. 240. 188 Z . B . Braga, K o l l . R. 95, 103 f.; Firsching, Entw. 108; Francescakis, Dr. nat. 149; ders., Préc. 9; ders., L. d'appi, imm. 691, 697; Vitta, Cours gén. 118; van Hecke, Princ. 446 f.; u n d überhaupt alle, die die genannten A l t e r n a t i v vorschläge als ein aliud neben die „normale" Anknüpfungsmethode stellen wollen. 189 Schwander, Lois d'appi, imm. 217. 190 w a s immer das konkret bedeuten soll. Geht man davon aus, „Synkretismus" solle die mehr oder minder unkritische Übernahme heterogener A n sätze i n ein unfertiges System kennzeichnen, so ist noch sehr die Frage, ob dieser V o r w u r f sich nicht gegen den „Methodenpluralismus" selbst richtet; vgl. auch unten T. 4 C I I I 5. 191 Schwander, Lois d'appi, imm. 451, 456; ferner Heini, Priv. Int. 389 (der Joerges seinen — neuen — „Methodenmonismus" vorwirft). 192 Ä h n l i c h geht Steindorff i n „zwei Stufen" vor, oben C I I I 4.

C. Ersatzmodelle

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nen, „ohne Rücksicht" auf den materiellen Gehalt der Gesetze. A u f der zweiten Ebene kommt dann der sachliche Gerechtigkeitsgehalt ins Spiel; eine Betrachtung, die nunmehr als „(a)posterioristisch" erscheint 193 . Angesetzt w i r d beim „ordre public", i n dem man den bisher noch unterentwickelten Keim einer solchen (a)posterioristischen Problembehandlung sieht 1 9 4 . I n Deutschland ist zunächst Stöcker 195 vehement für die Ausweitung des ordre-public-Gedankens i n Zusammenhang mit einer „sozialen Auffassung des IPR" eingetreten; die „quasi völkerrechtliche" Vorbehaltsklausel solle i n eine „internationale Härteklausel" umgewandelt werden, die dann auch gleich noch die kollisionsrechtlichen Probleme der Grundrechte mitlöse. Eine solche Klausel sei etwa so formulierbar: „Ausländische Gesetze werden nicht angewendet, w e n n die A n w e n d u n g den Betroffenen i n seinen G r u n d - oder Menschenrechten verletzen oder i n anderer Hinsicht f ü r i h n eine unzumutbare Härte bedeuten würde 19 ®."

Umfassender erscheint die „(a)posterioristische" Überarbeitung des auf traditionelle Weise zunächst gewonnenen kollisionsrechtlichen Ergebnisses bei den Schweizern Vischer 197 und Dietzi 198, die diese zweite Stufe i n einer „generellen Ausweichklausel" zusammenfassen wollen, der freilich nur „Richtliniencharakter" zukommen könne 1 9 9 . Die erneute Überprüfung umfaßt danach mehrere, ζ. T. heterogene Gesichtspunkte, die gegebenenfalls „zwingend" eine Abänderung des „aprioristischen" Ergebnisses rechtfertigen können, nämlich 2 0 0 : den Schutz schutzwürdiger, berechtigter Erwartungen der Parteien auf Anwendung einer bestimmten Rechtsordnung; die Vermeidung unzumutbarer Härten für die Betroffenen i m einzelnen; der Schutz von „Grundprinzipien der lex fori" („klassischer" ordre-public- Vorbehalt); die Berücksichtigung des „noch engeren Zusammenhangs" des Rechtsverhältnisses m i t einer anderen Rechtsordnung, insbesondere wegen engen Sachzusammenhangs, bei „mangelnder Konstanz des Anknüpfungsbegriffes" oder bei „isolierten Anknüpfungspunkten"; schließlich die Vermeidung widersprüchlicher Ergebnisse, wobei sowohl „materielle" wie auch „ k o l l i sionsrechtliche Harmonie" anzustreben sei 2 0 1 . Die gesetzliche Normie193 194 195 196 197 198 199 200 201

Dietzi, Ausw. 49 - 52. Ebd. 60, 68. Stöcker, Härtekl. Ebd. 329. Vischer, Kodif. 74 - 78. Dietzi, Ausw. Ebd. 55. Vgl. Dietzi, Ausw. 60 - 68; Vischer, Kodifik. 77. Dietzi, Ausw. 67 f.; Vischer, K o d i f i k . 76.

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Teil 1: Die „Krise" : K r i t i k am klassischen IPR u n d Ersatzmodelle

rung einer solchen Klausel w i r d dringend empfohlen, wenngleich es zum Teil auch schon vorher für möglich gehalten wird, einzelne Vorschläge zu praktizieren 2 0 2 . Dietzi schlägt vor: „Ausnahmsweise k a n n anstelle des von der Kollisionsnorm berufenen ein anderes Recht angewendet werden, w e n n berechtigte Erwartungen der Parteien, ein noch engerer Zusammenhang m i t einer anderen Rechtsordnung oder die Vermeidung widersprüchlicher Ergebnisse dies dringend erheischen sowie wenn das Ergebnis gegen grundlegende Prinzipien des einheimischen Rechts verstößt oder eine unzumutbare Härte f ü r den Betroffenen zur Folge h a t 2 0 3 . "

Ähnlich lautet der Vorschlag von Vischer, der indessen auch noch „überwiegende Durchsetzungsinteressen eines anderen Staates" unter die zu berücksichtigenden Gesichtspunkte aufnimmt 2 0 4 . Bei der Anwendung der Generalklausel sollen die Gerichte „modo legislatoris" vorgehen, so daß sich m i t der Zeit über Gruppen von abstrahierbaren Einzelentscheidungen Regeln m i t Richtliniencharakter und schließlich „Unterkollisionsregeln" entwickeln 2 0 5 . Der Entwurf eines schweizerischen IPR-Gesetzes von 2978 206 greift einzelne dieser Punkte auf, trennt sie aber von einander 2 0 7 : Nach A r t . 14 ist das i m Gesetz „bezeichnete Recht . . . ausnahmsweise nicht anwendbar, wenn der Sachverhalt nach den gesamten Umständen m i t dem bezeichneten Recht i n nur geringem, m i t einem anderen Recht i n offensichtlich engerem Zusammenhang steht" 2 0 8 . A r t . 17 betrifft den („negativen" und „positiven") 2 0 9 ordre public; A r t . 18 befaßt sich m i t dem „Geltungsanspruch" fremder Gesetze 210 .

202

Dietzi, Ausw. 59 f. Ebd. 74. 204 Vischer, K o d i f i k . 77 Fn. 63. 205 Dietzi, Ausw. 71 f.; Vischer, Kodifik. 77. 206 Text ζ. B. RabelsZ 42 (1978), S. 716 - 756. 207 Vgl. z.B. Neuhaus, Schw. I P R - E n t w . 287 f.; McCaffrey , Swiss Confi. L. 247-256; Hoy er, Gemeins. Best. 4 8 - 5 0 ; Siehr, Entw. 736; Vischer, Swiss Exp. 138-143; von Overbeck, Zwischenber. 200 f.; Schlußber. Schw. Exkomm. 59 f. 208 Eine Generalklausel enthält a u d i § 1 des österreichischen IPR-Gesetzes v. 15.6.1978 (Text z.B. RabelsZ 43 [1979], S. 375-385). Hier ist indes von einem „Abweichen" nicht ausdrücklich die Rede; vielmehr w i r d das Prinzip der „stärksten Bindung" an den Anfang gestellt u n d sodann erklärt, die besonderen Regeln des Gesetzes seien „Ausdruck dieses Grundsatzes". Vgl. auch Beitzke, österr. KollR. 248 f.; Palmer, Austr. Codif. 203-205; Schwind, Zwischenbil. 122; ders., Prinz. 110. 209 Hierzu unten T. 3 Β V I I 1. 210 Vgl. oben C I I I 3, Fn. 164. 203

C. Ersatzmodelle

7. „Fakultatives"

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Kollisionsrecht

A m Ende unseres Überblicks sei der Versuch erwähnt, die Auflockerung des „starren" Kollisionsnormensystems i n den prozessualen Bereich zu verlagern. Das Wesentliche dieses — i n Deutschland von Flessner propagierten 211 , von anderen, etwa Zweigert und Sturm, wohlwollend aufgenommenen 212 — Vorschlags liegt darin, daß über den heute allgemein akzeptierten Bereich kollisionsrechtlicher Parteiautonomie hinaus die Anwendung der IPR-Normen weitgehend vom Willen der Beteiligten abhängig gemacht werden soll. Ausgangspunkt der Überlegungen ist, daß i n einigen ausländischen Rechtssystemen fremdes Recht nur angewandt wird, wenn die Parteien sich darauf berufen, es ζ. T. wie Tatsachen beweisen können 2 1 3 . Entscheidungen nach der lex fori gewährleisteten eine höhere Qualität der Rechtsprechung 214 . Darum solle Kollisionsrecht „fakultativ" sein, d. h. nur anzuwenden, wenn sich wenigstens eine Partei darauf beruft. Eines einverständlichen Ausschlusses der berufenen Rechtsordnung bedarf es somit nicht: wenn nichts geschieht, ist die lex fori anzuwenden 215 . Der Richter soll die Parteien zu einer Erklärung nur auffordern, „wenn ihm das ausländische Recht bekannt und das daraus folgende Ergebnis für den konkreten Fall sicher i s t " 2 1 6 , andernfalls „sollte er nach seinem Ermessen verfahren" und sich insbesondere bei kleineren Sachen zurückhalten, damit nicht die Parteien „nur i n unnötige Zweifel gestürzt oder zu unverhältnismäßigen Untersuchungen veranlaßt" werden 2 1 7 . Dennoch gehört auch i n solchen Fällen die „prozessuale Fürsorge für den Schwächeren" zu seinen Pflichten 2 1 8 , und wenn er dann „die kollisionsrechtliche Frage aufwirft, muß er den Sachverhalt allerdings so darlegen, daß jede Partei die Vorteile der Anwendung heimischen Rechts gegen die Chancen der Reise ins ungewisse ausländische Recht verständig abwägen k a n n " 2 1 9 .

211

Flessner, Fak. K R . Zweigert, A r m u t 445 f.; Raape / Sturm, IPR 10, 306 -308. M i t Einschränkungen — Zusatzanknüpfung für lex fori an Inlandsaufenthalt, was auf eine A r t Anknüpfungshäufung hinausläuft (vgl. unten T. 3 D I V 5) — Simitis, Entsch. 15. — Allgemein für Ausweitung der Parteiautonomie (ohne die prozessuale Komponente) ζ. B. Dietzi, Ausw. 53. — Ablehnende Stimmen unten T. 4 C I I I 7, Fn. 337. 213 Flessner, Fak. K R . 548 f. 214 Ebd. 550 - 555. 215 Ebd. 567 f., 578 f., 581 f. 218 Ebd. 582. 217 Ebd. 583. 218 Ebd. 583. 219 Ebd. 583. 212

4 Schurig

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T e i l 1: Die „Krise" : K r i t i k am klassischen IPR u n d Ersatzmodelle

Ein solches Verfahren soll — m i t gewissen Einschränkungen — möglich sein i m internationalen Vertrags-, Delikts-, Sachen-, Erbrecht und sogar i n Teilen des Familienrechts 220 .

220

Ebd. 566 - 577.

TEIL 2

Die Re-Konstruktion des klassischen IPR-Modells: Versuch einer dogmatischen Erneuerung und Verbreiterung A. Die Struktur des räumlichen Kollisionsrechts I . Die Notwendigkeit von Rechtsanwendungsnormen

Brauchen w i r überhaupt Normen, die jeweils die Sachnormen irgendeiner nationalen Rechtsordnung für anwendbar erklären 1 ? Brauchen w i r sie immer oder nur bei Sachverhalten m i t Auslandsberührung 2 ? Bestimmen sie nur, wann das eigene Recht — die lex fori — anzuwenden ist 3 oder sind sie umgekehrt dazu da, nur ausnahmsweise das ausländische Recht zu berufen 4 ? Keiner Kollisionsnormen bedürfte es, wenn w i r ein materielles Welteinheitsrecht hätten 5 ; diese Erkenntnis ist ebenso selbstverständlich wie ihre Prämisse unrealistisch ist. Keiner Kollisionsnorm bedürfte auch der Staat, der sich weigerte, fremde Rechtsordnungen als solche zur Kenntnis zu nehmen, für den „Recht" nur das eigene Recht wäre. Dieser Staat müßte also nicht nur seine Gerichte und Behörden anweisen, immer und ausschließlich die lex fori anzuwenden, er müßte darüber hinaus ausländischen Rechtsordnungen die Qualität als „Recht" überhaupt absprechen und dürfte allenfalls gewisse faktische Auswirkungen fremder Gesetze und insbesondere ihrer tatsächlichen Durchsetzung innerhalb des fremden Macht1 Wenn i m folgenden von „Kollisionsrecht" u n d „Kollisionsnorm" die Rede ist, dann ist dieses räumlich-internationale Kollisionsrecht, das „ I P R " m i t seinen Normen gemeint. Über andere Formen des Kollisionsrechts unten Fn. 22. — Eine eigene A r t der Einteilung u n d Begriffsbestimmung bei Braga , Koll. R., hängt m i t dessen Sicht des Gesamtkomplexes zusammen. 2 Vgl. unten Fn. 34. 3 So die Unilateralisten, indessen nicht ganz zu Recht, w e i l auch sie zumindest auf Hilfs-Kollisionsnormen f ü r ausländisches Recht nicht verzichten können, näher unten T. 4 C I . 4 E i n Gedanke, der auf Ago zurückgeht (Teoria 96 - 101; Règ. gén. 294 - 311) u n d i n der italienischen Theorie heiß diskutiert w i r d . Ebenso z. B. der Schwede Gihl, L. pol. 170 f. Vgl. auch de Nova, Trends 813-815, u n d unten A I I I 2 Fn. 124. — Z u m Ganzen noch insbes. Quadri , Lez. 236 - 244 m i t zahlreichen Nachweisen. 5 F ü r alle Kegel, I P R 3.



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Teil 2: Die Re-Konstruktion des klassischen IPR-Modells

bereichs berücksichtigen. Eine solche Haltung bedeutete, daß subjektiv, also aus der Sicht jenes Staates, — man kann auch sagen: f i k t i v — die eigene Rechtsordnung auf die Ebene einer Weltrechtsordnung erhoben würde, für die sich Kollisionsrecht ja erübrigt. Einen solchen radikalen juristischen Solipsismus auf internationaler Ebene kann sich indessen kein Staat leisten 6 . Er liefe auf vollkommenen Isolationismus i n rechtlicher und wahrscheinlich auch wirtschaftlicher Hinsicht hinaus und wäre als eklatante Mißachtung anderer Staaten sicherlich auch völkerrechtswidrig 7 . Nach Ausscheiden dieser beiden Situationen zeigt sich das Fundament jedes internationalen Privatrechts: Es ist die Bereitschaft — und Notwendigkeit — auch ausländische Rechtsordnungen als Rechtsordnungen zur Kenntnis zu nehmen 8 , ihnen also die Qualität zuzusprechen, Fälle unter bestimmten Umständen gerecht entscheiden zu können, und ihnen einen eigenen Anwendungsbereich zuzuerkennen. Dies erfordert eine gewisse Verleugnung des archaischen Richtigkeitsanspruchs jeder Rechtsordnung, eine aufgeklärte Bereitschaft zu deren Relativierung. Insoweit setzt IPR in der Tat eine A r t von Distanz des Staates gegenüber seinem materiellen (Zivil-)Recht voraus 9 ; diese Distanz zeigt sich darin, daß Recht aus ausländischer Quelle überhaupt als Alternative gegenüber dem eigenen Recht zugelassen wird. 6 I n frühen Rechtsordnungen mag dies i m allgemeinen die Grundeinstell u n g gewesen sein, möglicherweise auch i n Byzanz, vgl. Maridakis, Inappl. 732 - 734. Wenn der Fremde zunächst rechtlos w a r u n d sich dann allmählich ein „Gastrecht" entwickelte (vgl. ζ. B. Schwind, Hdb. 1 f. ; Sturm, Antiqu. 261 f.), dann handelte es sich jeweils u m (zunächst primitive) „fremdenrechtliche" Sätze (dazu unten T. 3 Β I I 1) innerhalb der global angewandten eigenen Rechtsordnungen (und keine Sätze des „internationalen" Kollisionsrechts). 7 So schon Kahn, I n h a l t 286 f.; vgl. auch Ferid, IPR, Rdn. 2 - 5 ; Neuhaus, Grdbegr. 73; Raape / Sturm, IPR 4, 44. 8 Dies nahm bereits Gierke , Priv. R. I 209 f., 212, zutreffend zum Ausgangspunkt. Ä h n l i c h w o h l Cheshire / North, P. I. L. 3. Vgl. auch BGH (17.12.1959) Ζ 31, 367 (370 f.). — Scheinbar anders Kralik, Int. Zust. 6 - 8 , der ausländischem Recht schlechthin den Charakter als „Recht" absprechen w i l l ; für i h n handelt es sich lediglich u m „Tatsachen". Verweist uns unser IPR auf fremdes Recht, so wenden w i r danach i n Wahrheit nur Normen der lex fori an, die jenem „nachgebildet" sind (über ähnliche Vorstellungen italienischer Autoren unten A I I I 1 Fn. 107). Indessen, ob w i r n u n die fremde N o r m selbst anwenden oder i h r lex-fori-Spiegelbild, es bleibt die Tatsache bestehen, daß w i r den fremden Regelungsgehalt als solchen übernehmen u n d damit anerkennen. I m übrigen beruht die Auffassung Kraliks darauf, daß er das rationale u n d das imperative Element einer Rechtsnorm miteinander vermengt; hierzu näher unten zu Fn. 1 5 - 1 8 u n d A I I I 1. 9 Dies indessen nicht i n dem Sinne, daß es dem Staat i m Grunde gleichgültig wäre, welche Zivilrechtsnorm angewandt w i r d (vgl. dazu oben Β I und unten T. 4 Β I u n d II), sondern i m Sinne einer „Achtung vor dem Fremden" (Goldschmidt, Phil. Grdl. 205, dazu auch unten Fn. 26).

Α . Die S t r u k t u r des räumlichen Kollisionsrechts

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Es ist kein Wunder, daß gerade m i t der Besinnung auf die staatliche Eigenständigkeit unter dem Banner der Souveränitätsidee verstärkt nach einer Begründung für diese Relativierung der eigenen Rechtsordnung gesucht wurde. Der Schlüssel lag für die niederländische Schule des 17. Jahrhunderts i m Begriff der Comitas 10, der, obschon häufig bekämpft, sich über Story und Savigny bis i n die heutige Diskussion gehalten hat 1 1 , wenn auch m i t wechselnden Bedeutungen. Wenn w i r unter Comitas jene rechtspolitische Elementarentscheidung verstehen, die internationales Privatrecht erst ermöglicht, nämlich die Öffnung gegenüber ausländischen Rechtsordnungen, die Bereitschaft, sie prinzipiell als solche, neben der eigenen stehende, zu akzeptieren, dann können w i r m i t diesem Begriff noch immer den ersten und entscheidenden Schritt zu einem kollisionsrechtlichen System kennzeichnen 12 . Freilich geht es hier nur um ein analytisches Erkennen dieser Grundentscheidung. Sie ist fest eingegossen i n unser geltendes Recht und nicht revidierbar, weder insgesamt 13 noch gar von Fall zu Fall 1 4 . Sie ist theoretische Basis des internationalen Privatrechts, aber kein geeignetes Werkzeug zur Entscheidung des einzelnen Falles. Die Ausgangslage ist somit folgende: Es w i r d anerkannt, daß neben der eigenen Rechtsordnung andere existieren, denen ebenfalls Rechtsqualität zukommt und die generell geeignet sind, unter bestimmten Umständen für Sachverhalte Entscheidungen zu liefern, die den Anforderungen der Gerechtigkeit entsprechen. 10 Vgl. dazu z.B. Vogel, Anwendungsber. 65 - 6 8 ; Gamillscheg, Dumoul. 176 - 184; Yntema, Com. Doc. 72 - 86; hagarde , Rèe. 114 - 116. 11 Vgl. ζ. Β . Yntema, Com. Doc. 83 - 86, ferner unten T. 4 C I I I 3 zu Fn. 236. 12 Das dürfte grundsätzlich auch die Auffassung Savignys gewesen sein, Syst. V I I I 28, der allerdings bestimmte A r t e n von Gesetzen hiervon ausnahm (vgl. unten Fn. 15). Sogar für Huber w a r die „comitas" schon nicht dem j e weiligen Belieben überlassen, vgl. ζ. B. de Nova, Hist. I n t r . 450 : „ B y adding, however, that respect is paid to foreign laws ex commodis et tacito populor u m consensu, Huber recognises that governments are no longer free i n the matter: by implied consent, they are bound to apply each other's laws, w h i c h is after all profitable to a l l communities concerned". Ä h n l i c h auch Niederer , Einf. 52; Gutzwïller , Gesch. 150 f. (für J. Voet). — Ferner darf „Comitas" hier nicht verstanden werden als Umschreibung des Motivs für die Anwendung ausländischen Rechts; diese hat nichts m i t „Entgegenkommen" gegenüber anderen Staaten u n d Souveränitätserwägungen zu tun, so zutreffend ζ. B. Cheshire / North, P. I. L . 4 f. 13 So bereits Savigny, Syst. V I I I 2 8 , u n d wahrscheinlich sogar Huber (vorige Fn.). 14 Wie es w o h l — i m Anschluß an Currie — Joerges, Funktionswandel 83, 154 - 169, vorzuschweben scheint, der auf der Grundlage „wiederentdeckter" Comitas von F a l l zu F a l l die „Rücksichtnahme auf den fremden ,Souverän'" entscheiden lassen w i l l . — V o n F a l l zu F a l l möglicherweise variierende Entscheidungen wollte indessen nicht einmal J. Voet, wie Gutzwïller, Gesch. 150 f. nachgewiesen hat.

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T e i l 2: Die Re-Konstruktion des klassischen IPR-Modells

Anerkannt werden die fremden Rechtsordnungen als Systeme von „der Rechtsidee verpflichteten Problemlösungen" 1 5 , von „Bewertungssätzen" 1 ®, die am Streben nach dem „richtigen" 1 7 Recht teilhaben. D a m i t w i r d vor allem die inhaltliche Qualität als „Recht" anerkannt, während der Befehlscharakter f ü r uns n u r K r i t e r i u m dafür ist, daß es sich u m „geltendes" Recht handelt. Das hängt damit zusammen, daß auch dann, w e n n w i r fremdes Recht anwenden, immer wir es sind, die die A n w e n d u n g (als fremdes Recht) anordnen, daß w i r folglich das „rationale Element" zwar der fremden N o r m entnehmen, das „imperative Element" aber von uns selbst stammt 1 8 .

Die Anerkennung ausländischer Rechtsordnungen als prinzipiell gleichwertig betrifft auf dieser Stufe die jeweilige fremde Rechtsordnung als solche und als Ganzes und besagt noch nichts über die Anwendbarkeit (und „Gleichwertigkeit") der einzelnen Rechtssätze 19 . Da die Anerkennung der „parallel" existierenden Rechtsordnungen als Rechtsordnungen eine grundsätzliche und ein für allemal erfolgt ist — ein „dauerndes habituelles Verhalten i m Sinne des Respektierens [dieser] Rechtsordnungen]" 2 0 —, findet jede (zivil)rechtliche Fallentscheidung vor diesem Hintergrund „konkurrierender" Rechtsordnungen statt. Es stehen also immer gleichzeitig Normen anderer Rechtsordnungen neben denen der eigenen bereit, die i n ihrer Rechtsqualität ebenso geeignet wären, eine „gerechte" Entscheidung zu liefern. Aus diesem Grund bedarf es auch immer einer Auswahl, d. h. einer kollisionsrechtlichen Entscheidung (mag diese auch als „selbstverständlich" unbewußt bleiben). Aus dem „ontischen" Nebeneinander von Rechtsordnungen, die alle potentiell geeignet wären, auf einen Sachverhalt angewandt zu werden, ergibt sich somit notwendig die entscheidende „kollisionsrechtliche" Frage: Welche der „bereitstehenden" Rechtsordnungen ist für den jeweiligen konkreten Sachverhalt heranzuziehen? U m zu bestimmen, welche der „vorhandenen" Sachnormen i m konkreten Fall angewandt werden soll, bedarf es wiederum einer Norm, mag diese genereller Natur sein, mag sie von Fall zu Fall „ad hoc" nach 15

Vgl. Zippelius, Einf. 17 - 19. Engisch, Einf. 27, 29; Radbruch, Rechtsphü. 107. 17 Stammler, Rieht. R., ζ. B. 21 f. 18 Näher hierzu unten A I I I 1 zu Fn. 94 - 107. 19 Anders Savigny, der bestimmte Rechtssätze a p r i o r i ausnimmt, vgl. oben T. 1 C H I 2 zu Fn. 114-119. — Eine Parallele findet sich übrigens i n der „Anerkennungstheorie" der allgemeinen Rechtstheorie (der zufolge eine Rechtsordnung auf der Anerkennung durch die Rechtsgenossen basiert; dazu ist hier nicht Stellung zu nehmen): A u c h dort soll sich die „Anerkennung" nicht auf die einzelne Rechtsnorm beziehen, sondern auf das System i m ganzen; vgl. Henkel, Rechtsphil. 547. 20 Vgl. Henkel, Rechtsphil. 547 (bezogen auf die „Anerkennungstheorie" der allgemeinen Rechtstheorie). 16

Α . Die S t r u k t u r des räumlichen Kollisionsrechts

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bestimmten Regeln gebildet werden. Ohne eine solche Norm stünden w i r der Zahl existenter Rechtsordnungen hilflos gegenüber. Andererseits kann die Anweisung, gewisse (Sach-)Rechtsnormen anzuwenden, keine geringere Qualität haben als gleichfalls die einer Rechtsnorm 21 . Kollisionsnorm ist somit die Norm, die uns sagt, welcher der vorhandenen Rechtsordnungen 22 die Sachentscheidung zu entnehmen ist. Sie enthält kein unmittelbares Ver- oder Gebot (es sei denn an den Richter; doch verkennt diese Betrachtung u. U. die Rolle des Kollisionsrechts i m Rechtsleben) 23 , sondern führt mittelbar zu diesen i m Wege der Verweisung 24 , sie ist Rechtsanwendungsnorm. Die Kollisionsnormen, die das Zivilrecht betreffen, bilden das internationale Privatrecht. Alles weitere, die Gesichtspunkte der Auswahl, die Bevorzugung bestimmter Rechte (lex fori, „günstiges" Recht, „schwächeres" Recht), bet r i f f t nicht mehr das „Ob" des Kollisionsrechts, sondern nur noch das „Wie". Das gilt auch i n Extremfällen, etwa, wenn ein Staat die Regel befolgte, nur eigenes Recht als lex fori anzuwenden 25 . Auch das wäre eine Kollisionsnorm, wenn und weil damit eine — zwar denkbar p r i m i tive — Auswahl unter den existenten Rechtsordnungen getroffen würde 2 8 . Es ergäben sich wenigstens mittelbare Auswirkungen, so die schlüssige Anweisung oder Hinnahme, daß andere Staaten ebenfalls ihr eigenes Recht anwenden, was bekanntlich zu „versteckten" Rück- und Weiterverweisungen führen kann und was Bedeutung bei der Anerkennung ausländischer Entscheidungen erlangt. Lediglich, wenn eine solche globale Anwendung des eigenen Rechts auf einer schlichten Leugnung der Rechtsqualität fremder Rechtsordnungen beruhte ( „ j u 21 Dabei k a n n offenbleiben, ob es sich u m eine „vollständige" oder „ u n v o l l ständige" N o r m handelt, denn Normcharakter haben beide; vgl. Larenz, Meth. L. 237 - 240; Rehfeldt, Einf. 53 - 55. 22 Gemeint sind hier wiederum stets die einzelnen staatlichen Rechtsordnungen; „Kollisionsrecht" bedeutet in unserem Zusammenhang also stets „internationales Kollisionsrecht" (dazu auch oben Fn. 1 u n d unten A l l nach Fn. 55). Es können sich indessen auch mehr oder weniger umfassende Rechtsordnungen gegenüberstehen f ü r verschiedene innerstaatliche Gebiete, für verschiedene Personengruppen, f ü r verschiedene Zeiten usw. Auch dafür bedarf es eigener (interlokaler, interpersonaler, intertemporaler usw.) K o l l i sionsnormen (eingehend Kegel, I P R 14-24); diese sind jedoch nicht Gegenstand unserer Untersuchung. 23 Vgl. hierzu Beitzke, Meth. 10; Raape / Sturm, I P R 5 (m. Nachw.). 24 Näher unten A I I I 1, A I V , A V. Rechtsnormen müssen nicht notwendig Verhaltensgebote sein, vgl. Esser, Grds. 118 f.; ders., Vorverst. 35. S. auch oben Fn. 21. 25 Vgl. Kegel, I P R 4. Doch gilt dies n u r unter dem weiter unten genannten Vorbehalt. 2β Α. A. Trammer, Eins. Normen 405. — Daß eine solche Regel wahrscheinlich völkerrechtswidrig wäre (vgl. oben zu Fn. 7), steht auf einem anderen Blatt. Dem braucht hier nicht weiter nachgegangen zu werden.

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ristischer Solipsismus") läge seiner Heranziehung keine Kollisionsnorm zugrunde. Internationales 27 Kollisionsrecht ist somit die notwendige Folge aus der Anerkennung nebeneinander existierender nationaler Rechtsordnungen. Denn diese macht stets eine Entscheidung zugunsten der einen oder anderen Rechtsordnung erforderlich; der Träger dieser Wahl ist die Kollisionsnorm. A u f andere Weise hat kürzlich Lorenz 29 die Existenz des Kollisionsrechts zu begründen gesucht: Der Gleichheitssatz sei es, der Kollisionsnormen erforderlich mache, u n d zwar „ i n seiner Gebotsvariante, Ungleiches u n gleich, nämlich der Ungleichheit entsprechend zu behandeln" 2 9 . So unanfechtbar indessen der Gleichheitssatz i n seiner U r f o r m („Gleiches gleich behandeln") ist, so unscharf erscheint seine Umkehrung. Es ist keineswegs immer ungerecht, „Ungleiches gleich" zu behandeln; die zahlreichen V e r weisungsnormen i m materiellen Recht, die für verschiedene Tatbestände die gleiche Rechtsfolge berufen, beweisen das (es ist auch nicht ungerecht, das gleiche Schmerzensgeld für E h r - u n d f ü r Körperverletzungen zu gewähren). Infolgedessen ist der K e r n der Aussage i n Wahrheit auf den Zusatz verlagert: „ . . . , nämlich der Ungleichheit entsprechend". D a m i t ist aber i n den scheinbar elementaren u n d formalen Satz ein komplizierter Wertungsvorgang aufgenommen, der nichts anderes beinhaltet als die Forderung, Ungleiches entweder ungleich oder gleich, i n jedem F a l l nämlich gerecht zu behandeln. Es handelt sich schlicht u m das Grundprinzip jeden Rechts, das gewiß auch dem Kollisionsrecht zugrunde liegt, das aber ungeeignet ist, zu erklären, w a r u m es gerade Rechtswahlnormen geben soll. Das ausschließliche Herausbilden von Sondernormen der lex fori f ü r Sachverhalte m i t Auslandsberührung könnte ebenso „gerecht" i m Sinne der (evtl.) notwendigen „Ungleichbehandlung" sein (zumal Lorenz auch die Kollisionsnormen n u r für Sachverhalte m i t Auslandsberührung gelten lassen will). Daß der Gleichheitssatz dazu zwinge, „ f ü r jeden . . . Sachverhalt m i t Auslandsberührung die Auslandsberührung zu beschreiben, welche die . . . A n wendung eines ausländischen Rechts gebietet" 3 0 , heißt nichts anderes, als daß ausländisches Recht anzuwenden ist, w e n n es gerecht ist, ausländisches Recht anzuwenden 3 1 . Das betrifft aber bereits die Inhalte, die rechtspolitische Ausgestaltung der Kollisionsnormen 3 2 , u n d nicht den formalen G r u n d ihrer Existenz 3 3 . 27 Nicht aufgrund „internationaler" Rechtsquelle, sondern i m Gegensatz zu anderen A r t e n des Kollisionsrechts (etwa interpersonal, intertemporal usw.); zu diesen oben Fn. 22. 28 S t r u k t u r 60 - 87. 29 Ebd. 71 u. passim. 30 Ebd. 64. 31 Dabei ist das ständige Bemühen des Gleichheitssatzes eher hinderlich; w a r u m z. B. bei einer Scheidung n u r die fremde Staatsangehörigkeit des Mannes als „gleichheitssatzrelevante Auslandsberührung" angesehen werden k a n n (Lorenz, S t r u k t u r 65), ist nicht recht einzusehen. Vgl. auch daselbst 79 zum ordre public: ein dem Gleichheitssatz gleichrangiges inländisches Rechtsprinzip (u. U. wieder das Gleichheitsprinzip, 66, 68) verdrängt den Gleichheitssatz!

Α. Die S t r u k t u r des räumlichen Kollisionsrechts

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Nunmehr lassen sich auch die eingangs gestellten Fragen beantworten: Da bei jeder Anwendung einer Sachnorm die Existenz „konkurrierender" Rechtsordnungen den Hintergrund bildet, muß auch bei jeder Anwendung einer Sachnorm die Entscheidung gerade für ihre Heranziehung erfolgt sein, mag diese auch als noch so selbstverständlich empfunden werden oder — wie häufig — überhaupt unbewußt bleiben: Auch eine selbstverständliche Entscheidung ist eine Entscheidung 34 . Analytisch liegt also jeder Anwendung von Sachrecht eine Kollisionsnorm zugrunde, nicht nur i n Fällen m i t Auslandsberührung (welcher A r t sollte sie auch sein?) und nicht nur bei der Berufung ausländischen Rechts 35 . Diese „Allgegenwärtigkeit" des Kollisionsrechts folgt notwendig aus der „allgegenwärtigen" (anerkannten) Existenz der fremden Rechtsordnungen 36 . Auch bei den Vertretern der „einseitigen" Systeme gibt es Kollisionsnormen nicht nur für die Heranziehung des eigenen Rechts: Die Entscheidung, i m übrigen die fremden Kollisionsnormen bestimmen zu lassen, beruht selbst wieder auf einer Kollisionsnorm, wenn auch anderer Ordnung 3 7 . Schließlich kann auch staatsvertraglich eingeführtes Einheitsrecht nicht schlechthin das Kollisionsrecht „ausschalten", solange es nicht wirklich welteinheitlich ist. Es ist vielleicht verbunden m i t einer speziellen, möglicherweise stillschweigenden Kollisionsnorm, die i n den einschlägigen Fällen die lex fori — und damit deren materielles Einheitsrecht — beruft 3 8 .

32 Vgl. hierzu unten A V 2. Wenn Goldschmidt, Phil. Grdl. 205, als „axiologische Grundlage des I P R " die „Achtung vor dem Fremden" sieht, so sollte man auch dies verstehen als die „Anerkennung der Existenz fremder Rechtsordnungen; wieweit man diese „achtet", k a n n sich niederschlagen i n der rechtspolitischen Ausgestaltung der einzelnen Kollisionsnormen. 33 Natürlich gibt es Querverbindungen. Daß fremde Rechtsordnungen überhaupt als existent anerkannt werden, ist sicherlich mit darin begründet, daß es ein Erfordernis der Gerechtigkeit (nicht allein ein Gebot der Zweckmäßigkeit) ist, i n manchen Fällen ausländisches Recht zu beachten. Vgl. etwa Dicey / Morris, Confi. 6; Cheshire / North, P. I. L. 3 f. 34 Raape, IPR 5, auch Raape l Sturm, IPR 6. Ä h n l i c h Beitzke, Meth. 3 f.; Neuhaus, Grdbegr. 104 f.; Kegel, I P R 4. Z u Unrecht anders z.B. Lorenz, S t r u k t u r 56 (wohl infolge der erwähnten Bindung an den „Gleichheitssatz"); Braga, K o l l . R. 93; Wiemann, Bed. 747; Vitta, Cours gén. 54 f. 35 I n diesem F a l l liefert n u r die I P R - N o r m zusätzlich zur A u s w a h l f u n k tion den f ü r uns verbindlichen Anwendungsbefehl; unten A I I I 1. Vgl. ferner zu Agos „nach außen gerichtetem Unilateralismus" unten A I I I 2 Fn. 124. 36 S. o. nach Fn. 19. 37 Außerdem gibt es „allseitige" Hilfs-Kollisionsnormen. Näher unten A I I I 2. 38 Z. B. Rigaux, D. I. P. 96. Näher unten T. 3 Β I I 2.

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T e i l 2: Die Re-Konstruktion des klassischen IPR-Modells Π . Funktionsabgrenzung von Kollisions- und Sachrecht

Die Funktionen von Kollisions- und Sachrecht sind somit begrifflich klar auseinanderzuhalten: Die Kollisionsnorm entscheidet nicht selbst i n der Sache, sie bestimmt lediglich, welche der vorhandenen staatlichen Rechtsordnungen die Sachnorm(en) zur Entscheidung des Sachverhalts liefert; sie „beruft" also andere Normen, ist „Rechtsanwendungsnorm", „Verweisungsnorm" 3 9 . Die Sachnorm dagegen entscheidet i n der Sache selbst; sie beurteilt die widerstreitenden materiellen Interessen unmittelbar und abschließend 40 . Trotz dieser klaren dogmatischen Scheidelinie gehört das Auseinanderhalten von Kollisions- und Sachnorm i n der Praxis zu den schwierigsten und umstrittensten Aufgaben i m internationalen Privatrecht. Das hat zweierlei Gründe: Einmal sind beide Arten von Normen häufig gesetzestechnisch nicht sauber getrennt. Die Kollisionsnorm als selbständige Verweisungsnorm fehlt oft, sie ist „versteckt" i n einer Zuständigkeitsnorm oder einer Sachnorm enthalten und muß erst „herauspräpariert" werden 4 1 . Zum anderen gibt es zahlreiche Verweisungsnormen, die nicht Kollisionsrecht sind 4 2 , und auch Sachnormen kann als Bestandteil ihrer materiellen Regelung eine räumliche Begrenzung zugewiesen sein 43 . So ist die Geschwindigkeitsbeschränkung auf 50 km/h auf geschlossene Ortschaften räumlich begrenzt (§ 3 Abs. 3 StVO), und nach § 92 c HGB ist der zwingende Charakter der Schutzvorschriften für Handelsvertreter auf solche m i t Niederlassung i m Inland beschränkt, ohne daß es sich u m eine Kollisionsnorm handelt — wenn man insoweit dem B G H 4 4 folgt.

39 Weniger glücklich ist die Bezeichnung als „Zuständigkeitsnorm", hierzu unten A I I I 1 zu Fn. 86. 40 Dabei k a n n die Sachentscheidung natürlich gesetzgebungstechnisch auf verschiedene Einzelvorschriften verteilt sein, so daß sich erst aus einer „ V o r schriftenkette" die eigentlich materielle „Entscheidungsnorm" ergibt. 41 M a n denke ζ. B. an die Probleme der §§ 244 BGB, 92 c H G B (hierzu auch i m folgenden) oder an die Lehre v o m „versteckten" u n d „hypothetischen" Renvoi. 42 Z u r Verweisungsnorm allgemein Karpen, Verw. Z u r Sach-Verweisungsn o r m als N o r m des „sachlichen Kollisionsrechts" unten Fn. 46. 43 Vgl. Nußbaum, Grdz. 68 f.; ders., Princ. 7 1 - 7 3 (bei dem freilich noch nicht ganz k l a r w i r d , u m was es sich handelt); Kegel, Selbstg. SN. 65. Daß es solche räumlich begrenzten Sachnormen gibt, hatte schon Kahn gesehen, Ges. K o l l . 27 f. Einer der ersten, die sich eingehend bemüht haben, den U n terschied zur Kollisionsnorm herauszuarbeiten, w a r Zitelmann (IPR I 250 bis 270). 44 B G H (30.1.1961) N J W 1961, 1061. Weitere Nachweise bei Raape / Sturm, I P R 97 Fn. 19; Staudinger / Fir sching, E G B G B vor A r t . 12, Rdn. 546.

Α . Die S t r u k t u r des räumlichen Kollisionsrechts

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Der ersten Schwierigkeit kann man noch i m Rahmen einer sprachlichen oder „formellen" 4 5 Definition begegnen. Kollisionsnorm ist dann nicht nur ein Rechtssatz, der so formuliert ist, daß er einen anderen Rechtssatz für anwendbar erklärt; Kollisionsnorm ist vielmehr jeder Rechtssatz, der auf diese Weise formuliert werden kann. Damit ist freilich jegliche A r t von Kollisionsnorm eingeschlossen46. Die räumliche, insbesondere internationale Kollisionsnorm, m i t der w i r uns hier befassen, müßte zusätzlich durch ein inhaltliches Merkmal gekennzeichnet werden. Die zweite Schwierigkeit läßt sich nur durch inhaltliche, materielle Kriterien aus dem Weg räumen und gründet daher tiefer. Was aber unterscheidet die kollisionsrechtliche Verknüpfung einer Sachnorm m i t einem bestimmten Gebiet von einer solchen zum Sachrecht gehörigen Verknüpfung? Kegel sieht den wesentlichen materiellen Unterschied i n den verschiedenen Interessen, denen das Kollisionsrecht auf der einen, das Sachrecht auf der anderen Seite dienen 47 . Während die Sachnorm eine sachlich richtige Entscheidung anstrebt, sucht die Kollisionsnorm die (hier:) räumlich richtige Entscheidung zu treffen. Sie befindet über die Interessen, die für die Anwendung der einen oder anderen Rechtsordnung als solche sprechen, nicht über die Interessen, die bei der Entscheidung i n der Sache zu berücksichtigen sind. Man pflegt diese Besonderheit dahin zusammenzufassen, daß die IPR-Norm der „internationalprivatrechtlichen Gerechtigkeit" dient 4 8 , die Sachnorm demgegenüber der „materiellen" Gerechtigkeit. Freilich birgt diese Bezeichnung auch die Gefahr von Mißverständnissen 49 , obwohl ausdrücklich einge45

Kegel, Selbstg. SN. 7 5 - 7 7 ; ders., I P R 27. Vgl. oben A I Fn. 22. Außerdem werden rein materielle Verweisungen erfaßt, sofern man hierin nicht Normen eines „sachlichen Kollisionsrechts" sieht (so Kegel, I P R 22-24, 27 f.). Dies ist letztlich eine Definitionsfrage. Versteht man als „Kollisionsnormen" diejenigen Normen, die Sachnormen aus getrennt bestehenden, wenigstens partiell umfassenden Rechtsordnungen „ w ä h l e n " — seien diese räumlich, personell oder zeitlich gegeneinander abgegrenzt (vgl. oben A I Fn. 22 u n d unten nach Fn. 55) — dann dürfte f ü r ein solches „sachliches Kollisionsrecht" nicht mehr v i e l Raum bleiben. 47 Vgl. Kegel, Selbstg. SN. 77 f.; Zitelmann, I P R I 254, stellte auf den „Zweck" ab. 48 Vgl. etwa Kegel, Begr. I n t . Jur. 270-274 (m. w. Nachw.) ; ders., I P R 5 4 - 5 6 ; Braga, Kodif. 435; Beitzke, Meth. 16, 19; Gamillscheg, Int. Zust. 3 0 - 3 2 (als die Suche nach der „idealen A n k n ü p f u n g " umschrieben); Vitta, Cours gén. 38-41. 49 So besonders, w e n n sie m i t der formalen M a x i m e der (äußeren) E n t scheidungsharmonie schlicht identifiziert w i r d (vgl Stöcker, Härtekl. 326) oder etwa w e n n Dietzi, Ausw. 52, sie m i t dem „aprioristischen" Vorgehen i n einen Topf w i r f t . S. ferner Bucher, Grundfragen 27 -32, 40; Lorenz, S t r u k t u r 62 f. 46

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räumt wird, daß es sich bei beiden immer nur u m verschiedene Aspekte einer einzigen, wesensgemäß unteilbaren Gerechtigkeit handeln kann 5 0 . Es ist gewiß richtig, daß die hinter ihnen stehenden unterschiedlichen Interessen für den verschiedenen Charakter von Kollisions- und Sachnorm — und damit für deren verschiedene Verknüpfungen — verantwortlich sind. Indessen ist i m Einzelfall eine recht komplexe Beurteilung des Interessengefüges vonnöten, w i l l man feststellen, ob die räumliche Begrenzung einer Norm nun kollisionsrechtlichen oder sachrechtlichen Charakter hat — eine Frage, die insbesondere i n der Diskussion um die „autolimitierten Sachnormen" immer wieder auftaucht. Die Interessen, die i m Spiel sind, können mannigfaltiger A r t und wenig übersichtlich sein. Daß etwa auch Sachinteressen auf bisher noch nicht eindeutig geklärte Weise ins Kollisionsrecht hineinwirken können, ist nicht zu leugnen, läßt sich doch z. B. die Bevorzugung gewisser materieller Ergebnisse durch Anknüpfungshäufung leicht bewerkstelligen. Es wäre daher einfacher, könnte man den Unterschied von Kollisionsnorm und Sachnorm m i t räumlicher Begrenzung anhand einer mehr „äußeren" Eigenschaft dieser Normen erkennen. Wenn w i r oben 51 festgestellt haben, daß IPR, also das „internationale" Kollisionsrecht, die notwendige Folgerung aus der Tatsache ist, daß es verschiedene nationale Rechtsordnungen gibt (die als solche anerkannt werden), dann liegt es nahe, aus dieser Grundvoraussetzung zugleich ein Unterscheidungsmerkmal herzuleiten. IPR-Norm ist dann eine Norm, die deshalb auf einen Rechtssatz einer nationalen Rechtsordnung verweist, weil verschiedene Rechtsordnungen existieren, von denen eine für anwendbar erklärt werden muß. Ob diese Norm bereits als Verweisung formuliert oder nur formulierbar ist, bleibt gleich 52 . Eine solche internationalprivatrechtliche Verweisung ist also stets dadurch gekennzeichnet, daß einzig mögliche Alternative zu ihr die Verweisung auf entsprechende Rechtssätze einer anderen nationalen Rechtsordnung 53 ist. 50 Kegel, Begr. Int. Jur. 270; ders., I P R 63. Der I n h a l t der „internationalprivatrechtlichen Gerechtigkeit" w i r d also durch ihren Gegenstand bestimmt und abgegrenzt (ähnlich wie bei der „strafrechtlichen", „verwaltungsrechtlichen", „verfahrensrechtlichen" Gerechtigkeit) ; sie unterscheidet sich von „materiellrechtlicher" Gerechtigkeit, w e i l und soweit i h r anderer Gegenstand dies bewirkt, infolge der natürlichen Abhängigkeit also von sachlichen Objektkategorien, nicht etwa aufgrund einer teilweisen Selbstblendung aus „dogmatischen" Gründen, w i e vielfach unterstellt w i r d . 51 A I. 52 Entsprechendes g i l t für interlokale u n d sonstige Kollisionsnormen. 53 Entsprechend bei der interlokalen Verweisung die Rechtssätze einer anderen Teilrechtsordnung, bei der interpersonalen die Rechtssätze einer anderen Personengruppen-Rechtsordnung usw.

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W i r d eine ortsbezogene Anknüpfung i n einer Sachnorm und als Teil derselben benutzt, so ist die Situation eine andere. Zweck ist nicht die Entscheidung zwischen verschiedenen nationalen Rechtsordnungen; es soll vielmehr eine räumlich begrenzte Variante innerhalb des Spielraums geschaffen werden, der dem staatlichen Gesetzgeber 54 für seine materiellen Regelungen zur Verfügung steht. Eine solche Abgrenzung hat indessen nur dann einen Sinn, wenn gleichzeitig eine andere inländische Sachregelung für den Fall besteht, daß die entsprechende örtliche Anknüpfung nicht verwirklicht ist. Denn wenn die Anknüpfung etwa die Anwendung der inländischen Sach-Rechtsordnung insgesamt nach sich zieht, handelt es sich wieder um eine Wahl zwischen Rechtsordnungen und m i t h i n um eine icoüisionsrechtliche Anknüpfung. Damit t r i t t das entscheidende Merkmal einer lokalen Begrenzung als Bestandteil der materiellen Regelung zutage: Der für den Fall der Verwirklichung vorgesehenen internen Sachregelung steht immer eine für den Fall der NichtVerwirklichung vorgesehene interne Sachregelung gegenüber. Wie bereits oben 5 5 bemerkt, bezieht sich dies auf das internationale Kollisionsrecht. F ü r die übrigen, hier nicht behandelten Kollisionsrechte g i l t aber entsprechendes: U m ein bloß abgrenzendes M e r k m a l des Sachrechts handelt es sich, w e n n für den F a l l der NichtVerwirklichung eine andere Sachregelung derselben lokalen, personalen, temporalen Rechtsordnung anzuwenden ist. Befindet sich die Alternativregelung i n einer anderen Rechtsordnung dieser A r t , so haben w i r es nicht m i t einer abgegrenzten Sachnorm, sondern m i t einer Kollisionsnorm des interlokalen, interpersonalen, intertemporalen Rechts zu tun. Auch hier g i l t also: Kollisionsrecht regelt das Nebeneinander verschiedener (Teil-)Rechtsordnungen; das Nebeneinander verschiedener Regelungen obliegt dem Sachrecht. U m verschiedene Rechtsordnungen handelt es sich jedenfalls i m m e r dann, w e n n sie nicht v o m selben (nationalen, lokalen, religiösen) „Gesetzgeber" stammen. Anderenfalls k o m m t es darauf an, ob f ü r denselben (u. U. begrenzten) Sachbereich verschiedene, nach der Intention „vollständige" (wenn auch nicht „geschlossene") Regelungssysteme parallel existieren; dann handelt es sich insoweit gleichfalls u m konkurrierende Rechts „Ordnungen", die „ i h r " Kollisionsrecht erfordern.

Als „inhaltsbestimmtes" formales Unterscheidungskriterium kann man daher festhalten: Bei einer Kollisionsnorm (IPR-Norm) ist Alternative der ausgesprochenen Verweisung die Sachregelung einer anderen (nationalen) Rechtsordnung. Bei einer Sachnorm mit lokaler Anknüpfung ist Alternative der ausgesprochenen Abgrenzung eine andere Sachregelung derselben Rechtsordnung 5e. 54

B e i m „internationalen" Kollisionsrecht. A I, Fn. 22. 58 Ä h n l i c h bereits Kahn, Ges. K o l l . 27 f.; ders., Ord. pubi. 174. — Die U n t e r scheidung von Neuhaus, Grdbegr. 260, ob einseitige Bestimmungen über den 55

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Komplikationen können sich allerdings auch bei dieser Unterscheidung ergeben, so bei besonderen Eingriffs- oder Schutznormen, deren Vorhandensein für das entsprechende Rechtsverhältnis nicht notwendig ist. Hier kann es einerseits sein, daß man die Regelung kollisionsrechtlich beschränken w i l l — etwa auf das Inland — und i m übrigen den ausländischen Gesetzgebern überläßt, tätig zu werden (wobei das Nichtsetzen einer entsprechenden Norm durch den fremden Staat eben auch eine A r t sachlicher Regelung ist). Dann handelt es sich um eine IPRVerweisung. Andererseits können aber auch zwei eigene sachliche Normenkomplexe gemeint sein: Bei Erfüllung der besonderen Anknüpfungsvoraussetzungen gilt die Regelung mit der entsprechenden Vorschrift, sonst ohne diese. Hierbei w i r d die Rechtsgestaltung bei Nichteintritt des Anknüpfungsfalles nicht ausländischen Rechtsordnungen überlassen, sondern man t r i f f t selbst die sachliche Entscheidung (die wiederum i m Nichtsetzen der besonderen Norm besteht); die Anknüpfung ist eine solche des Sachrechts. Sie kommt selbstverständlich erst zum Zuge, wenn die entsprechende Bestimmung kollisionsrechtlich berufen wird. Ob eine kollisionsrechtliche oder sachrechtliche Regelung gemeint ist, w i r d man von Fall zu Fall durch Auslegung ermitteln müssen 57 . Dabei spielen außer den beteiligten Interessen hauptsächlich Überlegungen eine Rolle, wie weit eine eigene Sachregelung bei Fehlen der gewählten Anknüpfung überhaupt sinnvoll, vor allem — unmittelbar oder mittelbar — durchsetzbar wäre. So wäre es gewiß nicht sinnvoll, w e n n ein Staat Verkehrsvorschriften f ü r andere Staaten erließe. Schon darum könnte es sich i n dem Beispiel von Kegel 58 — die Insel Langeoog wäre ein Staat u n d würde das dort geltende Verbot des Autoverkehrs ausdrücklich auf i h r Gebiet beschränken — i n der Tat n u r u m eine Kollisionsnorm handeln.

Eine zweite Komplikation, die hinzutreten kann, rührt daher, daß sachrechtliche und kollisionsrechtliche Anknüpfung unabhängig voneinander sind, sich daher auch überdecken können 5 9 . So ist es möglich, daß sachlich verschiedene Regelungen für Tatbestände m i t und ohne eine bestimmte Inlandsbeziehung vorhanden sind, außerdem aber eine Anwendungsbereich n u r ein „ M i n i m u m oder ein M a x i m u m der A n w e n d u n g festlegen wollen", sollte m a n h i e r i n aufgehen lassen. 57 Auch Kegel, Selbstg. SN. 69, stellt insoweit auf den „Zweck" der entsprechenden Regelung ab. — Die Auslegung, ob eine bestimmte „ A n k n ü p fungs"regelung Kollisionsnorm ist, darf i m übrigen nicht m i t dem Versuch verwechselt werden, durch „Auslegung" materieller Rechtszwecke K o l l i sionsnormen zu erhalten (hierzu unten T. 4 C I I 2). 58 Selbstg. SN. 77 f. 59 Diese Tatsache, deren häufige Nichtbeachtung schon v i e l V e r w i r r u n g gestiftet hat, wurde bereits von Zitelmann bemerkt (IPR I 256, betr. Ausländerrecht).

Α . Die S t r u k t u r des räumlichen Kollisionsrechts

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spezielle Kollisionsnorm bei Vorhandensein derselben Inlandsbeziehung die Anwendung des eigenen Rechts anordnet. (Um eine spezielle, „regelwidrige" Kollisionsnorm muß es sich darum handeln, weil andernfalls die sachliche Regelung für die Fälle der Nichtverknüpfung überhaupt nicht mehr — über die „Normalanknüpfung" — zum Zuge kommen könnte). Einige Beispiele: Wenn § 3 Abs. 3 StVO die Begrenzung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit f ü r geschlossene Ortschaften ausspricht, so ist diese örtliche A n k n ü p fung sicherlich eine sachrechtliche: Außerhalb geschlossener Ortschaften gelten entsprechende andere inländische Vorschriften. Wenn — i n Kegels Beispiel — Langeoog ein Staat wäre u n d das A u t o verbot auf sein Gebiet beschränken würde, so wäre dies eine kollisionsrechtliche Anknüpfung, u n d zwar deswegen, w e i l es sich u m einen einzigen Regelungskomplex handelte, da eine inländische Regelung f ü r die Fälle fehlender A n k n ü p f u n g (nämlich den Verkehr i m „Ausland") sinnlos wäre u n d nicht gewollt sein könnte 8 0 . Ebenso wäre es, w e n n § 1 B G B etwa lautete: „Die Rechtsfähigkeit des Deutschen . . . " . § 92 c H G B setzt zweierlei sachliches Recht: H a t der Handelsvertreter eine Niederlassung i m Inland, so sind die vorhergehenden Vorschriften z w i n gend. H a t er sie nicht — also i m Ausland —, sind sie dispositiv. Folgt man dem B G H 6 1 , so handelt es sich hier u m eine örtliche A n k n ü p f u n g ausschließlich sachrechtlicher Natur. Sie erfolgt nur, w e n n aufgrund vorangegangener kollisionsrechtlicher A n k n ü p f u n g deutsches Recht überhaupt anzuwenden ist. Nach § 244 Abs. 1 B G B k a n n eine Geldschuld i n ausländischer Währung, die i m I n l a n d zu zahlen ist, i n deutscher Währung beglichen werden, falls nicht ausdrücklich etwas anderes bedungen wurde. Nach bestr. Ansicht ist hierin (auch) eine Kollisionsnorm enthalten; die Vorschrift g i l t unabhängig v o m Schuldstatut® 2 . § 244 Abs. 1 B G B enthält so auf der einen Seite eine sachrechtliche A n k n ü p f u n g : F ü r i m I n l a n d zahlbare Geldschulden besteht die Ersetzungsbefugnis, f ü r i m Ausland zu zahlende besteht sie nicht. Denn die Vorschrift w i l l nach herrschender Auffassung nicht n u r die Fälle m i t inländischem Zahlungsort regeln, die m i t ausländischem Zahlungsort aber dem ausländischen Recht überlassen — dann wäre sie (nur) K o l l i sionsnorm® 3 —, sie selbst w i l l vielmehr die Fälle m i t inländischem u n d 60 Unter diesem Vorbehalt sollte man auch Kegels Bemerkung (Selbstg. SN. 77 f.) sehen, daß eine räumliche Selbstbegrenzung auf ein ganzes Rechtsgebiet als T e i l der Sachentscheidung nicht einmal theoretisch denkbar sei. Wenn der Staat nämlich zugleich eine andere Sachregelung f ü r Sachverhalte „außerhalb" dieses Rechtsgebiets vorsieht (gemessen an dem gewählten A n knüpfungsmoment), dann ist die Begrenzung doch eine sachrechtliche, k a n n n u r u. U. noch von einer zusätzlichen kollisionsrechtlichen A n k n ü p f u n g überlagert sein. Vgl. die folgenden Beispiele. 61 Oben Fn. 44. Anders ζ. B. Makarov, I P R 16. ®2 Vgl. Raape/ Sturm, I P R 95; Neuhaus, Grdbegr. 98 f.; Kegel, IPR 523 f.; Soergel / Kegel, E G B G B vor A r t . 7, Rdn. 628-630; Staudinger / Firsching, EGBGB, vor A r t . 12 Rdn. 393. 63 Uber den möglichen Ausbau zur allseitigen N o r m vgl. Neuhaus, Grdbegr. 99 Fn. 285; Soergel / Kegel, E G B G B vor A r t . 7, Rdn. 630.

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T e i l 2: Die Re-Konstruktion des klassischen IPR-Modells

ausländischem Zahlungsort unterschiedlich regeln. Die Anwendung wäre indessen abhängig v o m deutschen Schuldstatut. U m die A n w e n d u n g i m I n l a n d immer sicherzustellen, hat m a n eine spezielle einseitige V e r w e i sungsnorm entwickelt — oder aus der Bestimmung „herausgelesen" —, die bei deutschem Zahlungsort insoweit stets auch deutsches Recht beruft. Dies ist eine Kollisionsnorm, die dieselbe A n k n ü p f u n g w i e die sachrechtliche Entscheidung i n § 244 B G B benutzt, diese „überlagert", von i h r aber dennoch scharf zu trennen ist 8 4 .

Als Funktionsunterschied zwischen Kollisions- und Sachnorm ist somit festzuhalten: Die Kollisionsnorm — hier die IPR-Norm — t r i f f t die Wahl zwischen den bestehenden Rechtsordnungen; sie verweist daher auf die Rechtssätze einer dieser staatlichen Rechtsordnungen. Alternative zu der jeweiligen Verweisung wäre stets die Anwendung von Rechtssätzen einer anderen Rechtsordnung. Die Sachnorm entscheidet i n der Sache selbst, unmittelbar und abschließend. örtliche Anknüpfungen gibt es auch als Bestandteil von Sachnormen und aus sachrechtlichen Gesichtspunkten; sie treffen jedoch stets die Wahl zwischen verschiedenen internen Regelungsmodellen; Alternative wäre hier daher die Anwendung von anderen Rechtssätzen derselben Rechtsordnung. I m Zweifel ist bei räumlich begrenzten Einzelregelungen durch Auslegung festzustellen, ob zwei inländische Regelungskomplexe (einmal unter Einschluß, einmal unter Ausschluß der betreffenden Norm) gemeint sind — dann ist die Begrenzung jeweils sachrechtlich — oder ob der Anwendungsbereich der betreffenden Norm abschließend festgelegt und der übrige Bereich der ausländischen Regelung (die auch Nichtregelung sein kann) überlassen bleiben soll — dann ist die Begrenzung kollisionsrechtlich. Sachrechtliche Begrenzung und kollisionsrechtliche Spezialanknüpfung können dieselben Anknüpfungspunkte benutzen und sich überlagern. Ι Π . Das anzuwendende Kollisionsrecht

1. Die Eigenständigkeit

nationaler

Kollisionsnormen

Welchen Ursprung haben nun diese Normen, deren Aufgabe es ist, anderen Normen ihren räumlichen Anwendungsbereich zuzuweisen? Ist es nicht eine Anmaßung, wenn w i r uns anschicken, m i t eigenen natio64 A m Fehlen einer solchen Trennung liegt es ζ. B., wenn Nußbaum, Princ. 73, behauptet, eine „spatially conditioned internal rule" gehe einer entgegenstehenden „conflict rule" i m m e r vor (ähnlich Kahn/Freund, Gen. Prob. 95). Dies kann der F a l l sein, muß es aber nicht.

Α. Die S t r u k t u r des räumlichen Kollisionsrechts

nalen Hegeln ausländischen Rechtsordnungen ihren bereich" vorzuschreiben?

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„Zuständigkeits-

Der Gedanke, daß es sich bei Normen, die anderen Normen ihren „Zuständigkeitsbereich" zuweisen, notwendig u m höherrangige handeln müsse, hat lange die internationalprivatrechtliche Diskussion bewegt. Seine augenfälligste Erscheinungsform, der Streit zwischen „Internationalisten" und „Nationalisten" gehört heute der Geschichte an; jedoch nicht so endgültig, wie viele meinen. Unter der Oberfläche lebt er weiter, sei es i n Gestalt der Lehre von der „funktionellen Verdoppelung" des IPR 6 5 , der zufolge die einzelnen Staaten hier notgedrungen eine i n Wirklichkeit überstaatliche Aufgabe wahrzunehmen haben, sei es i n der Scheu der „einseitigen", unilateralistischen Systeme vor allseitigen Kollisionsnormen, sei es schließlich i n der rechtspolitischen Motivation bei Bildung neuer Kollisionsnormen. Die Vorstellung der „Internationalisten" oder — wie w i r sie nennen möchten — Universalisten 66 , die Regeln des internationalen Privatrechts seien solche überstaatlicher, universeller Geltung, dem Völkerrecht entweder vergleichbar oder selbst Teile des Völkerrechts, entzog sich dem Zwiespalt zwischen scheinbar internationaler Aufgabe und nationaler Herkunft des Kollisionsrechts. Sie scheiterte an den Realitäten. Denn ein solches, die „Zuständigkeit" zur Rechtsetzung international räumlich ordnendes „Überrecht" 6 7 hat es jedenfalls seit dem 19. Jahrhundert nicht mehr gegeben. Es gab keinen überstaatlichen Gesetzgeber, der es hätte setzen können, es gab kein überstaatliches gemeines Gewohnheitsrecht, und die Sätze des Naturrechts und des Völkerrechts befaßten sich, wenn überhaupt 6 8 , ganz vage m i t wenigen kollisionsrechtlichen Grundfragen, die den Problemen der Praxis weit vorgelagert waren. Jedenfalls waren sie weder i n der Lage, in den verschiedenen Staaten eine übereinstimmende Rechtsüberzeugung, noch gar, übereinstimmende Regeln hervorzubringen. Und auch die Vertreter des Universalismus mußten die Existenz abweichender staatlicher Kollisionsnormen anerkennen 69 . 65 Scelle, Phén.; Wiebringhaus, Verdopp.; i n gewissem Sinne auch Schnorr v. Carolsfeld, Adressat. Vgl. ferner Gothot, Ren. 13 f. Der Gedanke geht zurück auf Anzilotti, hierzu z.B. Ago, Règ. gén. 270; de Nova, Trends 810-812; besonders Quadri, Lez. 84 - 90 m i t vielen Nachw. — Der K e r n des Gedankens ist i m IPR sehr verbreitet, s. auch unten Fn. 71. 88 Z u Fragen der Bezeichnung unten Β I V . 67 Ehrenzweig, vgl. oben T. 1 C I I I 1. 88 Die Frage soll nicht weiter vertieft werden. Über den Einfluß des V ö l kerrechts vgl. schon Kahn, I n h a l t 285-288; Wolff, I P R 1 0 - 1 2 ; Kegel, IPR 5 - 7 ; Ferid, IPR Rdn. 2 - 5 . Einen weitergehenden Einfluß des Naturrechts auf das Kollisionsrecht v e r t r i t t ζ. B. Francescakis, Dr. nat. Vgl. auch jüngst Mayer, Comp., der ein doppelstöckiges System (autonomer) Kollisionsnormen und völkerrechtlicher „Zuständigkeits"normen entwirft.

5 Schurig

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T e i l 2: Die R e - K o n s t r u k t i o n des klassischen IPR-Modells

Fehlt aber eine überstaatliche, eine „universelle" Rechtsquelle, so kann die internationalprivatrechtliche Kollisionsnorm nur — wie jeder andere Teil der geltenden Rechtsordnung — staatlichen Ursprungs sein 70 . Diese Kapitulation des Universalismus vor der Wirklichkeit führt infolge eines Verdrängungseffekts häufig zu einer A r t schlechten Gewissens: Wenn schon der Staat sich notgedrungen u m eine Kollisionsrechtsordnung selbst bemühen muß, so erfüllt er damit doch „eigentlich" eine überstaatliche Aufgabe 7 1 ; er muß so handeln wie ein an sich berufener, leider nicht existierender, imaginärer „Überrechts"-Setzer. Das führt dann zu der „funktionellen Verdoppelung". Oder man begnügt sich scheinbar damit, den räumlichen Anwendungsbereich nur für das eigene Recht festzusetzen und kommt zu einem System einseitiger Kollisionsnormen. Indessen ist es Sache eines jeden Staates, i n seinem Bereich die Gerechtigkeit selbst zu verwirklichen (solange und soweit er dies nicht einer internationalen Organisation übertragen hat). Hierzu gehört ebenso die gerechte Beurteilung und Regelung widerstreitender Sachinteressen durch eine materielle Rechtsordnung wie die gerechte Beurteilung der jeweiligen zu der einen oder anderen Rechtsordnung als solchen hinführenden Interessen 72 . Es geht allein darum, einen privaten Rechtsfall angemessen zu entscheiden 73 ; Teil dieser Entscheidung ist die Wahl der „richtigen" Rechtsordnung unter den zur Verfügung stehen69 Vgl. etwa die zweispurigen Systeme von Zitelmann u n d Frankenstein (unten Β IV) ; ferner Schnorr v. Carolsfeld, Adressat 582 - 590 (wobei freilich Kollisionsnormen, die den angeblichen völkerrechtlichen Grundsätzen w i d e r streiten, u n w i r k s a m sein sollen, 590); ders., Normengrenzr. ; Heiz, ö f f . R. 38 f. 70 Wobei alle staatlich anerkannten Rechtsquellen eingeschlossen sind (Gewohnheitsrecht, Richterrecht, Staatsverträge, vgl. auch unten T. 3 Β I I 2, T. 4 C I I I 4). Daß manche Kollisionsnormen i n i h r e m K e r n international übereinstimmen, macht sie noch nicht zu „überstaatlichem Recht"; so aber Wolff, IPR 6 f. (gleichwohl handele es sich aber nicht u m „Völkerrecht"). Über ähnliche Gegensätze i m angelsächsischen Bereich („theoretische" u n d „positive" Methode genannt) vgl. Cavers, Crit. 173 -176. Hier fällt die E n t scheidung zugunsten des Autonomismus i n der Praxis eher noch deutlicher aus. 71 So außer den oben Fn. 65 Genannten ζ. B. Betti, Grdprobl. 234 f. ( „ A n t i nomie zwischen F u n k t i o n u n d S t r u k t u r " des Kollisionsrechts), 244; Gamillscheg, Grd. R. 326-329; Neuner, Sinn 28; Niederer, Einf. 78 f., 142; Lewald, Règ. gén. 19; Vischer, Richter 88; Evrigenis, Tend. 320; Etter, Souv. 88 f.; selbst Bartin, Princ. 112-114. Ä h n l i c h Braga, K o l l . R . 102 (für „ K o n f l i k t s normen"); Wiethölter, I n t . o. p. 136; ders., Begr. I n t . Jur. 215 („national von Geblüt, international von Gemüt"); Neuhaus, Grdbegr. 2: „Recht über Recht", jedenfalls der F u n k t i o n nach. Vgl. auch Quadri, Lez. 84 - 90, 242 f., der diese Auffassung jedoch zu Unrecht m i t dem gesamten multilateralistischen System identifiziert (so z. B. 279 = Übers. 259). 72 Hierzu unten A V 2, Β V I , D I V 1. 73 Vgl. schon Beitzke, Meth. 1 7 - 2 2 ; Braga, K o l l . R. 95 - 98.

Α . Die S t r u k t u r des räumlichen Kollisionsrechts

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den. Hier zeigt sich, daß internationales Privatrecht Privatrecht ist, weil (und soweit) 74 es seinen Teil dazu beiträgt, Rechtsverhältnisse zwischen einzelnen zu regeln, aber nicht wirklich internationales Recht, weil es keiner „internationalen" Rechtsquelle entspringt 7 5 . Wenn die Bestimmung der anzuwendenden Rechtsordnung Bestandteil des Bemühens u m die richtige zivilrechtliche Ordnung ist, dann ist das innerstaatliche Recht hinsichtlich dieser kollisionsrechtlichen Frage ebenso autonom wie hinsichtlich der materiellrechtlichen Frage. Der jeweilige Staat ist vollkommen frei i n der Bewertung der verschiedenen „internationalprivatrechtlichen" Interessen und i n der Wahl seiner kollisionsrechtlichen Maximen. Ob und welches Gewicht er jeweils den Partei-, den Ordnungs- oder den Verkehrsinteressen 76 beimißt, ist seine ureigenste Entscheidung; ob er die lex fori bevorzugt oder ein bestimmtes materielles Ergebnis — etwa durch Anknüpfungshäufung —, das alles liegt allein i n seiner Verantwortung. Er hat lediglich festzustellen, die Anwendung welcher Rechtsordnung aus seiner rechtspolitischen Sicht am gerechtesten ist. Eine Instanz, die als übergeordneter Schiedsrichter zwischen den „kollidierenden" Rechtsordnungen der Staaten zu schlichten hätte, gibt es nicht; der einzelne Staat kann eine solche Rolle niemals ausfüllen, und es ist auch nicht seine Aufgabe, sich so zu gerieren, als sei er als diese übergeordnete Instanz eingesetzt. Er hat dafür zu sorgen, daß die vor seine Gerichte gebrachten Sachverhalte nach seinen rechtspolitischen Vorstellungen gerecht entschieden werden, und sonst nichts. Eine „funktionelle Verdoppelung" gibt es nicht. Diese Erkenntnis, so fundamental sie ist, w i r d häufig als nationalistisch, ja chauvinistisch verdächtigt oder aber m i t dem Stigma „provinziell" bedacht 77 . I n Wahrheit ist sie nur realistisch. Sie hat absolut nichts damit zu tun, das eigene Recht ungebührlich zu bevorzugen; sie bedeutet nicht, daß man nicht das Ideal internationalen Entscheidungseinklangs oder internationaler Zusammenarbeit verfolgen könnte oder sollte 78 . Sie bedeutet lediglich, daß es sich dann, wenn ein Staat dies tut, um seine eigene, autonome rechtspolitische Entscheidung handelt, und daß ihn nichts hindert, gegebenenfalls anderen Interessen den Vorzug 74

Z u m weitergehenden „internationalen" Kollisionsrecht vgl. unten C. So schon Kahn, I n h a l t 255 - 261. 78 So die Einteilung von Kegel, dazu unten A V 2. 77 Ehrenzweig ζ. B. beklagt sich — zu Recht — über eine solche Kennzeichnung, W i r k l . 260 Fn. 49. Vgl. schon Kahn, I n h a l t 280. 78 Gegen einen so — nämlich als rechtspolitisches Ziel — verstandenen „Internationalismus" (vgl. ζ. B. Evrigenis, Tend. 420 - 428, auch Bolard, U n i v . 103), ist nichts einzuwenden, solange hier keine Ausschließlichkeit beansprucht w i r d . 75

5*

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T e i l 2: Die Re-Konstruktion des klassischen IPR-Modells

zu geben. Es gibt keine Rangfolge von Maximen bei der Bildung von Kollisionsnormen, die zwingend vorgegeben wäre und die die Freiheit der Beurteilung und des Abwägens i m jeweiligen Staat einschränkte 79 . Daß diese Gestaltungsfreiheit sachgemäß genutzt, i n keinem Fall mißbraucht werden sollte und daß sie — ebenso wie i n anderen Bereichen des Rechts — der rechtspolitischen Diskussion offensteht, ist eine Selbstverständlichkeit 80 . Eine solche „autonome" 8 1 Sicht der kollisionsrechtlichen Frage ist gewiß nicht anmaßender als etwa ein System, das unter dem Anspruch antritt, jede Rechtsordnung nach deren eigenem „Anwendungswillen" zum Zuge kommen zu lassen, und das sich dann i m Ernstfall doch als Schiedsrichter zwischen den — nun wirklich — „konkurrierenden" Rechtsordnungen aufspielen muß 8 2 . I m Gegenteil muß es als „bescheiden" angesehen werden, wenn man sich damit begnügt, i m eigenen Haus — auch internationalprivatrechtlich — Ordnung zu schaffen. Die Erkenntnis der Relativität der eigenen Lösung ist sogar imstande, die erwünschte internationale Rechtsangleichung eher zu fördern, weil man frei ist, sich u m eine beispielhafte, international übernahmefähige Lösung zu bemühen, weil man frei ist, ausländische Lösungen zu übernehmen, ohne sich an irgendwelche universalistischen Prinzipien gebunden zu fühlen und ohne auf der anderen Seite der Versuchung zu unterliegen, die eigene Lösung m i t einem universalistischen Geltungsanspruch auszustatten 83 . Der Begriff der „Kollision" hat i m so verstandenen „Kollisionsrecht" eigentlich nichts zu suchen 84 (er w i r d hier nur benutzt, weil er sich eingebürgert hat); denn zur „Kollision" kann es 79

Kegel, Begr. Int. Jur. 268; Neuhaus, Grdbegr. 170. Anders alle diejenigen, die dem „äußeren Entscheidungseinklang" eine Vorzugsstellung einräumen wollen. 80 Näher unten D. 81 Autonom i n bezug auf ein nicht vorhandenes „Überrecht". Diese Bezeichnung ist anderen m i t einem gewissen Beigeschmack wie „nationalistisch", „positivistisch" u. ä. vorzuziehen, unten Β I V . 82 Vgl. unten T. 4 C I . Genau umgekehrt sieht die Lage vor allem Quadri, der schlicht die Möglichkeit eines „autonomen" allseitigen Kollisionsrechts leugnet und dem multilateralistischen System „hohlen Supranationalismus" („vano supranazionalismo") v o r w i r f t , Lez. 279 ( = Übers. 258 f.). Über insoweit ähnliche Denkweise bei Ehrenzweig, oben T. 1 C I I I 1 zu Fn. 106. 83 Vgl. andererseits etwa Schnorr v. Carolsfeld, Adressat, 586, demzufolge generell die „familienrechtlichen Rechtsgeschäfte . . . der Fürsorge des H e i matstaates obliegen". Also fällt die gesamte angelsächsische Welt, die dem Domizilprinzip folgt, einem völkerrechtswidrigen I r r t u m zum Opfer? 84 Dasselbe g i l t natürlich für den Begriff des „ K o n f l i k t s " . — Vgl. ζ. B. Dicey / Morris, Confi. 7; Cheshire ! North, P. I. L. 13. Insoweit zutreffend auch Wiemann, Bed. 747; ferner z.B. Schnitzer, Betr. 324 f. Viele stehen indessen i m Banne dieser Bezeichnung u n d sehen als Hauptaufgabe des „Kollisionsrechts", „Kollisionen zwischen verschiedenen Rechtsordnungen zu vermeiden"; vgl. für viele Heiz, ö f f . R. 11; Bartin, Princ. 52, 69.

Α . Die S t r u k t u r des räumlichen Kollisionsrechts

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nur kommen, wenn sich die fremden Hechtsordnungen „zur Anwendung drängen", nicht indessen, wenn sie lediglich ein Arsenal zur Auswahl der im konkreten Fall angemessenen Norm(en) bilden 85. Wenn man darum die Kollisionsnorm schon m i t einer Zuständigkeitsregelung vergleichen w i l l 8 6 , dann kann man das nur m i t der internationalen Zuständigkeit tun. Denn auch diese Regeln bestimmen die „Zuständigkeit" ausländischer Gerichte nur m i t Wirkung für uns; sie werfen sich nicht zu übergeordneten Normen auf und sind unabhängig von den entsprechenden Bestimmungen anderer Staaten, selbst des jeweiligen Gerichtsstaats. Eine Vorstellung, die einer solchen Sicht des internationalen Privatrechts immer wieder i m Wege zu stehen scheint, ist die, daß eine K o l l i sionsnorm als „Norm über Normen" 8 7 den von ihr berufenen Rechtssätzen irgendwie übergeordnet sein müsse 88 . Das t r i f f t jedoch weder gegenüber inländischen noch gegenüber ausländischen Normen zu. Soweit die Kollisionsnorm inländisches Recht beruft, kann sie m i t der jeweiligen Sachnorm zwanglos verschmolzen werden; etwa § 1 BGB: „Die Rechtsfähigkeit des Deutschen beginnt m i t der Vollendung der Geburt" 8 9 . Ein solches Verschmelzen berührt nicht den Charakter der Kollisionsnorm, der, wie oben nachgewiesen wurde, von ganz anderen Kriterien abhängt, macht sie nicht etwa zum Teil der materiellen Regelung. Indessen erkennt man ganz klar, daß der kollisionsrechtliche Tatbestand auf derselben Ebene steht wie der sachliche Tatbestand: Fehlt der eine oder der andere, dann t r i t t die Rechtsfolge nicht ein. Beide sind gleichwertige Voraussetzungen 90, und daran ändert sich, wie gesagt, 85 Was natürlich nicht i m Sinne des materiell „besseren Rechts" mißverstanden werden darf. Über die Auswahl-Kriterien w i r d noch zu sprechen sein (ζ. B. unten A V 2). 86 So etwa Betti , Grdprobl. 236; Gamillscheg, Grd. R. 334 f.; Graulich, Règles 636 f.; Keller, Verh. 65, 67; Rabel, Qual. 287 Fn. 1; Niederer, Einf. 78, 125; Kegel, IPR 25. Gegen einen solchen Vergleich Beitzke, Meth. 8 f.; Ehrenzweig, W i r k l . 254; Flessner, Fak. KR. 558-562. — Für die Anhänger der universalistischen Auffassung muß es sich konsequenterweise u m wirkliche Kompetenznormen handeln. So deshalb Heiz, ö f f . R. 56. Eingehend zuletzt Mayer, Comp., der ein doppelstöckiges System aus Kollisionsnormen u n d echten (völkerrechtlichen) Kompetenznormen errichten w i l l . F ü r Pilenko (hierzu oben T. 1 C II), Dr. spat. 36 Fn. 4, betreffen die „Spatialnormen" die Kompetenz, die „Konfliktsnormen" die „Kompetenz-Kompetenz". 87 Neuhaus, Grdbegr. 2: „Recht über Rechten". 88 Vgl. z.B. Cohn, Exist. 113; Neuhaus, Grdbegr. 2, 26, 397. A u f dieser V o r stellung beruhen überhaupt die universalistischen Tendenzen i m IPR. Z u diesen oben Fn. 65 u n d 71 sowie unten Β I V , D I V 2. 89 Vgl. Kegel, I P R 27. 90 Insoweit zutreffend Siehr, Wechselw. 474 - 476. Die auf eigenes Recht verweisenden Kollisionsnormen als „Normenfragmente" zu bezeichnen (475), dürfte freilich zu weit gehen u n d entspricht eher unilateralistischer D e n k -

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T e i l 2: Die Re-Konstruktion des klassischen IPR-Modells

nichts, wenn die kollisionsrechtliche Komponente abgetrennt und gleichsam „vor die Klammer gezogen" wird. Darum auch ist jeder Versuch, die Kelsen / Merkl'sche Stufenbautheorie für das Verhältnis von Kollisionsnorm und Sachnorm nutzbar zu machen, von vornherein zum Scheitern verurteilt 9 1 . Denn die Kollisionsnorm ist nicht die Quelle, aus der die Sachnorm ihre Geltung herleitet (dafür ist das Verfassungsrecht zuständig). T r i t t die Kollisionsnorm somit auf einer Ebene neben die berufene heimische Sachnorm, so komplizieren sich die Verhältnisse etwas bei Verweisung auf ausländische Sachnormen. Eine Überordnung unserer Kollisionsnorm über fremdes Sachrecht i m Sinne der Stufenlehre ist hier erst recht ausgeschlossen92. Ist es aber möglich, daß Kollisionsnorm und berufene Sachnorm sich auch hier auf einer Ebene gleichberechtigt zugeordnet sind, obgleich sie aus den Rechtsquellen verschiedener Länder stammen? Eine sprachliche Verschmelzung jedenfalls ist — wie Kegel vorgeführt hat — auch hier ohne weiteres möglich („Ein Spanier ist rechtsfähig, wenn . . .") 9 3 . Betrachtet man die Zusammensetzung einer Sachnorm näher, so erkennt man, daß sie zweierlei enthält: einmal den sachlichen Inhalt, hervorgegangen aus Interessenwertung und rechtspolitischer Überlegung. Das ist das rationale Element der Sachnorm. Das allein würde jedoch nicht genügen; es t r i t t hinzu der Befehl, diese Norm anzuwenden (unter der Bedingung, daß sie kollisionsrechtlich berufen wird) 9 4 . Dies ist das imperative Element 95. weise; denn die Kollisionsnorm k a n n k a u m auch „Fragment" einer ausländischen N o r m sein (vgl. unten Fn. 107). Ähnliches g i l t f ü r die von Siehr befürwortete „räumliche Interpretation" von Sachnormen. 91 Einer derartigen Vertiefung dieser Frage w i e durch Vogel, A n w e n dungsber. 241 - 269 (der auch Denkmuster der Semantik auf diesen j u r i s t i schen Bereich zu übertragen sucht), bedarf es u. E. nicht. So stellt er (270) m i t Recht fest, die Lehre v o m „Stufenbau" lasse sich f ü r die Deutung des I P R „nicht heranziehen", läßt sie dann aber gleichwohl „zum Verständnis der »Autonomie' des Internationalen Privatrechts . . . beitragen". A u f diesem (!) Fundament steht dann die weitere Herausarbeitung des I P R als „Metarechtsordnung" (270 - 297), die ihrerseits m i t u n t e r als Grundlage für die K r i t i k am „wertfreien" I P R herhalten muß. — Auch nach Lüderitz, Bspr. K n i t t e l 426 f., sagt übrigens die „juristische Geltungslehre" (weitere Nachweise ebenda Fn. 4) über die kollisionsrechtliche Frage „nichts aus". 92 Es sei denn, man folgt der — abzulehnenden (unten Fn. 107) — A u f fassung, die Kollisionsnorm „schaffe" eine m i t der fremden Sachnorm gleichlautende „eigene" Sachnorm, u n d diese sei es, die angewandt werde. 93 Kegel, I P R 27. 94 Ob der Anwendungsbefehl i n der Sachnorm oder i n der Kollisionsnorm oder i n beiden verborgen ist, k a n n bei der Berufung inländischen Rechts dahinstehen. 95 Diese Bezeichnung der beiden Elemente stammt v o n Batiffol, Asp. 110 bis 116, 139.

Α. Die S t r u k t u r des räumlichen Kollisionsrechts

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Wenngleich die Unterscheidung — w i e w i r sehen werden — i m I P R eine besondere Bedeutung gewinnt (weil hier nämlich tatsächlich eine Trennung erfolgt), so handelt es sich doch auch u m eine generelle Aussage, der m a n ζ. B. i n der Rechtstheorie u n d allgemeinen Normenlehre — sei es auch i n anderer Gestalt — auf Schritt u n d T r i t t begegnen kann. Uberall dort, w o nämlich bei der Betrachtung einer Rechtsnorm neben ihrer Problemlösungsfunktion i h r Durchsetzungscharakter gesehen w i r d 9 6 , neben ihrer „Richtigkeit" der durch sie verkörperte „Zwangsanspruch" 9 7 , neben der Beurteilungs- u n d Bewertungsfunktion die „Gehorsamspflicht" 9 8 , neben der inhaltlichen Zielsetzung die verpflichtende K r a f t 9 9 , neben der W e r t orientiertheit die Anordnungsfunktion 1 0 0 , w o die Rede davon ist, eine Rechtsnorm sei zugleich „Bewertungs-" w i e auch „Bestimmungsnorm" 1 0 1 , überall dort w i r d damit dem inhaltlich wertenden, der Gerechtigkeit oder „Richtigkeit" verpflichteten „rationalen" Element das anordnende, befehlende „imperative" Element gegenübergestellt. D e r A n w e n d u n g s b e f e h l k a n n sich n u r a n d i e d e r H o h e i t s g e w a l t U n t e r w o r f e n e n richten, er h a t d a h e r Wirkung gewöhnlich nur innerhalb des jeweiligen Territoriums des gesetzgebenden Staates 102. A u f dieser T a t sache b e r u h t die m i t u n t e r e t w a s strapazierte U n t e r s c h e i d u n g zwischen „ G e l t u n g " u n d „ A n w e n d u n g " eines Gesetzes 1 0 3 . W e n n unser K o l l i s i o n s r e c h t f ü r b e s t i m m t e S a c h v e r h a l t e a u s l ä n d i sches Recht b e r u f t , d a n n deshalb, w e i l es a u f g r u n d a u t o n o m e r I n t e r e s s e n w e r t u n g (die noch n ä h e r z u beschreiben i s t ) 1 0 4 als angemessen e r scheint, d i e Sachregelungen gerade dieser R e c h t s o r d n u n g f ü r d e n k o n k r e t e n F a l l heranzuziehen. Es b e z i e h t sich also a u f das rationale Element 96

Vgl. Zippelius, Einf. 9 - 14, 1 6 - 2 3 ; Coing , Rechtsphil. 141, 171, 266. Stammler, Rieht. R. 21 f., 29 (Rechtsnorm ist „Zwangsversuch zum Richtigen") u. passim; Radbruch, Rechtsphil. 107,128. 98 Henkel, Rechtsphil. 548, 553, 561. 99 Coing , Rechtsphil. 129, 134, 141, 143, 171, 266, 274 f. 100 Larenz, Meth. L. 173, 192 - 215, 235 - 239. 101 Engisch, Einf. 27. 102 Es handelt sich u m die von Vogel, Anwendungsber. 14, 126, (s. auch 2), so genannte „intransitive" Territorialität (im Gegensatz zur durch den A n w e n dungsgegenstand bestimmten „transitiven" Territorialität). 103 S. einerseits Beitzke, Meth. 13 f., andererseits Betti, Grdprobl. 236 - 240 (der die Gegenmeinung als „oberflächliches Räsonnieren des Laien" bezeichnet). Vgl. auch Lüderitz, Bspr. K n i t t e l , m. Nachw.; Neuhaus, Grdbegr. 182. U m schwerwiegende Konsequenzen scheint es bei dem Streit indessen nicht zu gehen, denn sowohl Beitzke w i e Betti sind sich darüber einig, daß fremdes Recht nicht k r a f t „eigenen" Geltungsanspruchs anzuwenden ist. — V o n „Geltung" i m Gegensatz zur bloßen „ A n w e n d u n g " sollte m a n sprechen, w o ein Recht als eigenes angewandt w i r d . Das ist gewöhnlich i n dem Staat der Fall, der die N o r m erlassen hat; es k a n n u. U. aber auch anders sein, so ζ. B. i n ehemaligen Kolonien, i n denen das Recht des Mutterlandes weitergilt, oder w e n n i n einem Staat mehr oder weniger automatisch die Gesetze eines anderen Staates oder einer religiösen Gemeinschaft rezipiert werden. Lediglich „angewandt" w i r d dann eine Norm, w o sie als fremde angewandt w i r d (darüber sogleich). 97

104

Unten A V 2, Β V I , D I V 1.

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T e i l 2: Die Re-Konstruktion des klassischen IPR-Modells

d e r f r e m d e n S a c h r e c h t s n o r m e n 1 0 5 . Z u g l e i c h aber f ü g t die K o l l i s i o n s n o r m m i t W i r k u n g für uns das — i m m e r n u r „ t e r r i t o r i a l " w i r k e n d e — imperative Element h i n z u , g i b t also d e n B e f e h l z u r A n w e n d u n g der ausländischen N o r m . D a m i t w i r d diese erst b e i uns z u b i n d e n d e m Recht vervollständigt106. B e i der B e r u f u n g ausländischer N o r m e n h a b e n d i e i n l ä n d i s c h e n K o l l i s i o n s n o r m e n also (neben d e r A u s w a h l der „ r i c h t i g e n " Rechtsordnung) d i e F u n k t i o n , diesen ausländischen Rechtssätzen f ü r das I n l a n d d e n Anwendungsbefehl hinzuzufügen u n d d a m i t den eigentlichen G r u n d f ü r i h r e (relative) „ G e l t u n g " , oder, da m a n diesen B e g r i f f d e m „ U r s p r u n g s l a n d " d e r entsprechenden N o r m e n v o r b e h a l t e n sollte, f ü r i h r e „ A n w e n d u n g " i m Inland zu liefern 107. I n b e i d e n F ä l l e n ist das K o l l i s i o n s - d e m Sachrecht n i c h t „ ü b e r g e o r d n e t ; m a n k ö n n t e eher sagen, es ist i h m „ v o r " - g e o r d n e t , aber auf derselben Ebene.

105 Indessen bleibt der Anwendungsbefehl i m Ursprungsland bedeutsam als Voraussetzung der Anerkennung als „geltendes" Recht überhaupt (und damit auch seiner „ A n w e n d u n g " als „fremdes" Recht, da n u r „geltendes" Recht angewandt wird). 108 So schon Beitzke, Meth. 1 0 - 1 3 ; Betti , Grdprobl. 238-240. Z u weitgehend aber z.B. Bauer, Rechtssyst. 47, der aus dieser zusätzlichen F u n k t i o n herleiten w i l l , daß es sich bei Kollisionsnorm und (aufs eigene Recht bezogener) „Grenznorm" u m etwas von G r u n d auf Verschiedenes handelt. — Da es sich bei der A n w e n d u n g fremden Rechts u m eine autonome Entscheidung des jeweiligen Staates aus Gründen der Gerechtigkeit handelt, sollte selbstverständlich sein, daß dies seine „Souveränität" nicht berührt. Gleichwohl behauptet Etter, Souv. 86, die Hauptfrage des IPR sei: „ A u f welche A r t und Weise hebt der Staat einen T e i l seiner eigenen territorialen Souveränität auf?" 107 Das berufene Recht bleibt aber „ausländisches" Recht und w i r d nicht „eigenes" Recht. M a n k a n n darum nicht von einer „Rezeption" sprechen; so aber ein großer T e i l der italienischen Lehre von Marinoni über Ago bis Quadri (aber auch z. B. Kralik, Int. Zust. 6 - 8), der zufolge innerhalb der lex fori den fremden Sachnormen nachgebildete, „rezipierte" eigene Sachnormen angewandt werden (vgl. hierzu z. B. de Nova, Trends 812 f., 815, 817 f.; Niederer, Einf. 125- 128 m. Nachw. Fn. 5; Raape ! Sturm, I P R 305 f.; Kegel, IPR 92; ferner Schnitzer, Betr. 333 f.). Diese Theorie erscheint als zu weitgehend, gekünstelt u n d unnötig: Es genügt, den Anwendungsbefehl, das „imperative Element" der lex fori zu entnehmen. Das ist auch dann der Fall, w e n n der ausländische „Geltungsbefehl" von der inländischen Rechtsordnung n u r „sanktioniert" w i r d . Dann ist letzteres der eigentliche Anwendungsgrund; vgl. auch Wiethölter, Eins. K N . 115. N u r insoweit steckt ein richtiger K e r n i n der Bemerkung Niederers, Einf. 127, die „Inkorporationsfunktion" entspreche „somit der Theorie von der innerstaatlichen N a t u r des internationalen Privatrechts". Betrachtet man hingegen sowohl das imperative wie auch das rationale Element, so ist es i n der Tat so, daß für uns die von uns angewandte ausländische Rechtsnorm „zwei . . . gleichrangigen Rechtsquellen, inländischen wie ausländischen, entspringt" (Lüderitz, Bspr. K n i t t e l 429). Ferid, Wechselw. 132, hält den Streit w o h l noch nicht ganz zu Recht für „ausgetragen".

Α . Die S t r u k t u r des räumlichen Kollisionsrechts

2.

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„Kollisionsgrundnormen"

Die bisherige Betrachtung hat gezeigt, daß jede Kollisionsnorm sich auf eine rechtspolitische Entscheidung der lex fori (im umfassenden Sinne) zurückführen läßt. Wie aber ist es, wenn man fremde K o l l i sionsnormen anwendet, etwa i m Extremfall bei den „einseitigen", unilateralistischen Systemen, die doch vom Kollisionsrecht des jeweils „betroffenen" Staates ausgehen? W i r d aufgrund einer fremden Kollisionsnorm eine Sachrechtsordnung angewandt, so ist auch diese Entscheidung auf die lex fori zurückzuführen, nunmehr allerdings mittelbar. Es existieren ja nicht nur verschiedene staatliche Sachrechtsordnungen, die i n jedem Fall eine Wahl zwingend erfordern, es existieren auch von Staat zu Staat eigene Kollisionsrechtsordnungen, deren Qualität als geltendes Recht ebenso anerkannt werden muß. Damit w i r d man nicht nur vor die Notwendigkeit gestellt, zwischen den vorhandenen Sachrechtsordnungen die für den Fall angemessene auszuwählen; man w i r d desgleichen vor die Notwendigkeit gestellt, zwischen den vorhandenen Kollisionsrechtsordnungen die für den Fall angemessene auszuwählen. Das „Kollisionsrecht der Kollisionsrechte" 1 0 8 ist eine Tatsache 109 — auch dann, wenn es nur i n der einzigen Norm bestehen sollte, daß stets das Kollisionsrecht der lex fori anzuwenden ist 1 1 0 , und wenn diese Norm — noch häufiger als die K o l l i sionsnorm — nicht bewußt wird. Diese Kollisionsnormen, die ihrerseits Kollisionsnormen berufen, wollen w i r — i m Gegensatz zu den „eigentlichen" Kollisionsnormen — Kollisions grundnormen nennen. W i r d von uns eine fremde Kollisionsnorm angewandt, so ist dies also Folge einer rechtspolitischen Entscheidung der lex fori, die sich i n einer entsprechenden Kollisionsgrundnorm niederschlägt. Damit nicht genug: Derselbe Vorgang kann sich theoretisch i n beliebig vielen Potenzen wiederholen, wenn die Kollisionsgrundnorm der lex fori keine Kollisionsnorm beruft, sondern ihrerseits eine fremde Kollisionsgrundnorm, etwa bei einer mehrfachen Weiterverweisung oder u. U. bei einer Rückverweisung. toe Y g i vor allem Eckstein, K o l l . R., m i t Hinweisen auf entsprechende Ansätze bei Frankenstein (128 f.); Gamillscheg, I n t . Zust. 3 8 - 4 2 ; Neumann, Gutacht. 170 - 175; ferner die umfassende Darstellung von Makarov, Appi. 109 So zutreffend Eckstein, K o l l . R. 121 f. Vgl. auch Neuhaus, Grdbegr. 3: „Kollisionsrecht der zweiten Potenz". — Uber die Suche nach dem „anwendbaren Kollisionsrecht" vor internationalen Schiedsgerichten vgl. Böckstiegel, A n w . R. 446 - 448, 451 - 453. no d a s Kollisionsrecht (theoretisch) i n der einzigen N o r m bestehen kann, daß stets das Sachrecht der lex fori anzuwenden ist (oben A I ) .

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T e i l 2: Die Re-Konstruktion des klassischen IPR-Modells

Beispiel: L e x fori (Kollisionsgrundnorm 2 ) beruft „Kollisionsrecht" des Staates A ; dieses (Kollisionsgrundnorm*) beruft Kollisionsrecht des Staates B ; jenes (Kollisionsnorm) beruft eigenes Sachrecht 1 1 1 oder das des Staates C (Sachnorm). Oder: L e x f o r i (Kollisionsgrundnorm 2 ) beruft „ K o l lisionsrecht" von A ; dieses (Kollisionsgrundnorm*) beruft Kollisionsrecht der lex fori; dieses (Kollisionsnorm) beruft nunmehr eigenes Sachrecht — bei abgebrochener Verweisung — oder auch das von A (Sachnorm) 112 . W i e w e i t m a n aber diese V e r w e i s u n g s r e i h e auch g e d a n k l i c h v e r l ä n g e r n k ö n n t e — p r a k t i s c h w i r d sie schon d u r c h die vorgegebene A n z a h l s i n n v o l l e r A n k n ü p f u n g e n i n v e r n ü n f t i g e n G r e n z e n g e h a l t e n — , stets f ü h r t sie z u r ü c k a u f d i e l e x f o r i 1 1 3 . D e r e n a u t o n o m e rechtspolitische E n t s c h e i d u n g ist es, ob die eigenen K o l l i s i o n s n o r m e n , d i e j e n i g e n eines a n d e r e n Staates oder e t w a d i e K o l l i s i o n s g r u n d n o r m e n eines a n d e r e n Staates h e r a n z u z i e h e n s i n d 1 1 4 . A u c h die Kollisionsgrundnormen k ö n n t e n theoretisch v o n vielfacher G e s t a l t sein. So w ä r e es durchaus d e n k b a r , e i n u n a b h ä n g i g e s S y s t e m selbständiger K o l l i s i o n s g r u n d n o r m e n z u errichten, d i e m i t t e l s eigens h i e r f ü r e n t w i c k e l t e r A n k n ü p f u n g e n ( a b w e i c h e n d v o n d e n e n des e i g e n t l i c h e n K o l l i s i o n s r e c h t s ) zunächst z u m a n z u w e n d e n d e n K o l l i s i o n s r e c h t f ü h r t e n , das d a n n seinerseits das a n z u w e n d e n d e Sachrecht beriefe. D e r Versuch, e i n solches S y s t e m z u k o n s t r u i e r e n , i s t 1934 u n t e r n o m m e n w o r d e n v o n Eckstein 115, h a t aber w e n i g W i d e r h a l l g e f u n d e n 1 1 6 . Das m a g 111 I n diesem F a l l k a n n praktisch offen bleiben, ob unsere Kollisions(grund)normen fremdes Kollisionsrecht oder gleich das Sachrecht berufen; Kegel, IPR 165. 112 Natürlich können, wo erforderlich, außerdem noch andere Kollisionsnormen — nämlich solche interlokaler, interpersonaler, intertemporaler A r t — dazwischengeschaltet sein, u n d zwar auf jeder Stufe (es gibt durchaus interlokale, intertemporale Kollisionsnormen für IPR-Normen). Hier soll, wie auch sonst i n dieser Untersuchung (vgl. oben A I Fn. 22) von diesen abgesehen werden, u m das B i l d nicht noch weiter zu komplizieren. 113 Zutreffend Neuhaus, Grdbegr. 269; Raape ! Sturm, I P R 4, 165, 174; vgl. auch unten Fn. 121. 114 D a r u m gibt es i n der Praxis kein „recursum ad i n f i n i t u m " , wie Quadri, Lez. 145 f., u n d Ferrer / Correia, Dr. acquis 296, befürchten. Insbesondere ist das „Spiegelkabinett" endloser H i n - u n d Herverweisung beim renvoi kein „logisches" Problem, sondern ein rechtspolitisches, das n u r die (kollisionsrechtliche) lex fori zu lösen imstande ist; unten D I V 3. 115 Eckstein, K o l l . R. Sein Kollisions-Kollisionsrecht w i l l er aus der „ A b grenzung der Gerichtsbarkeit herleiten", die freilich selbst erst noch entwickelt werden müßte (133). — Gewisse Ähnlichkeiten bestehen zum „zweistufigen" Kollisionsrecht Frankensteins (zu diesem vgl. auch Wiethölter, Eins. K N . 6 - 7 , u n d unten Β IV). Vorläufer waren Neumann (1896, vgl. G u t acht. 170 - 175) u n d Gabba (1906). Über sie Gothot, Ren. 435 - 438. 116 Vgl. Braga, K o l l . R . 104, Fn. 12; Gamillscheg, I n t . Zust. 3 8 - 4 2 (z.T. zustimmend); Makarov, Appi. 434 f.; Neuhaus, Grdbegr. 56 f. Verwandt sind der Vorschlag von Francescakis, z.B. Renv. 194f., 200-203, das eigene K o l l i sionsrecht n u r dann einzusetzen, w e n n gewisse tatsächliche Verknüpfungen zum Forumstaat bestehen, u n d i m übrigen das Recht gelten zu lassen, nach

Α. Die S t r u k t u r des räumlichen Kollisionsrechts

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daran liegen, daß es allerdings notwendig ist, sich die verschiedenen Schichten des Kollisionsrechts vor Augen zu führen, um seine Struktur zu begreifen, daß aber ein bewußtes und ständiges Arbeiten in zwei ganz unterschiedlich gestalteten kollisionsrechtlichen Schichten (Kollisionsgrundnormen und Kollisionsnormen) die Praxis überfordern würde. Offensichtlich reicht es rechtspolitisch aus, Kollisionsgrundnormen und „eigentliche" Kollisionsnormen anknüpfungsmäßig parallel laufen zu lassen 117 . Wenn sich auch ihre Konturen i n der Praxis verwischen, sind die Kollisionsgrundnormen doch von ausschlaggebender Bedeutung für den wichtigsten Systemgegensatz, der die heutige Theorie des internationalen Privatrechts durchzieht: zwischen Systemen „allseitiger" Normen (in denen durchaus auch einseitige enthalten sein können) 1 1 8 und den Systemen „einseitiger" Normen (die auch nicht nur aus solchen bestehen). W i r wollen ihn m i t den eingebürgerten Begriffen „multilateralistisch" und „unilateralistisch" kennzeichnen. Dieser Gegensatz geht viel tiefer, als die verhältnismäßig geringe Zahl „reiner" Unilateralisten vermuten läßt. Es hat nämlich seit einiger Zeit ein Prozeß unilateralistischer „Durchwachsung" des multilateralistischen Systems eingesetzt, den Gothot eindrucksvoll beschrieben h a t 1 1 9 und der möglicherweise zur „Krise des IPR" das Seine beigetragen hat. Hat aber die Verschiedenheit dieser Systeme i n andersartigen Kollisionsgrundnormen ihre Ursache, so beweist das zugleich, daß es sich um mehr handelt als einen bloßen „Methoden"-Streit. Das „allseitige" oder multilateralistische Kollisionsrechtssystem enthält seine Prägung dadurch, daß es aus gezielten Kollisionsnormen und Kollisionsgrundnormen aufgebaut ist. Ausgangspunkt ist — wie immer — die lex fori (im umfassenden Sinn) 1 2 0 . Ist der Renvoi (wie etwa in dem zuerst entschieden, das tatsächlich angewandt wurde — darin steckt freilich ein gewaltiges Unsicherheitspotential (zu dieser „nouvelle doctrine des droits acquis" vgl. Gothot, Ren. 425-443; Ferrer-Correia, Dr. acquis; Quadri, Lez. 144- 147); ferner die Lehre Melchiors von der „Selbstbeschränkung des deutschen internationalen Privatrechts", Grdl. 398 - 418. — Z u den Vorschlägen von Meister, Grenzen, unten Fn. 122. 117 Ecksteins Vorschlag verfolgt erklärtermaßen das Ziel, äußere Entscheidungsharmonie zu gewährleisten (Koll. R. 125, 142). Das setzte aber voraus, daß sein System i n allen Staaten angenommen würde (wie Eckstein selbst sieht, K o l l . R. 142; s. auch Gamillscheg, I n t . Zust. 41), eine ganz unrealistische E r w a r t u n g (lediglich Gamillscheg, a.a.O., sieht hier eine eventuelle Zwischenstufe zum einheitlichen IPR), nachdem schon Frankensteins Vorschlag sich nicht hatte durchsetzen können (vgl. Eckstein, 129, 146). Somit verlagert Eckstein die universalistische Methode auf die Ebene der „Kollisionsgrundnormen". 118 Näher unten A V 3 u. 4, D I. 119 Gothot, Ren. (u. E. freilich v i e l zu weitgehend; vgl. unten D I V 3). 120 „ L e x fori" — das sei noch einmal betont — umfaßt auch das Kollisionsrecht u n d darf nicht m i t der materiellen lex fori identifiziert werden.

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T e i l 2: Die Re-Konstruktion des klassischen IPR-Modells

Italien) ausgeschlossen, so berufen die Kollisionsgrundnormen lediglich das eigene Kollisionsrecht. Dieses verweist gezielt (aufgrund autonomer Interessenabwägung) auf das Sachrecht eines bestimmten Staates, sei es des eigenen, sei es eines anderen. W i r d der Renvoi anerkannt, dann sind die allseitigen Kollisionsnormen und die Kollisionsgrundnormen anknüpfungsmäßig parallel geschaltet. Letztere berufen das Kollisionsrecht der lex fori, wenn die Anknüpfung zu dieser führt, und über diese das eigene Sachrecht. Sie berufen i m übrigen das K o l l i sionsrecht eines anderen Staates, und dieses beruft entweder das eigene Sachrecht oder das eines Drittstaates oder die Verweisung geht noch weiter. I n all diesen Fällen ist die Verweisung aber gezielt; sie führt über die Anknüpfung jeweils zum Kollisions- oder Sachrecht eines hierdurch bestimmten Staates. Anders bei den unilateralistischen Systemen: Auch hier führt, wie gezeigt, kein Weg daran vorbei, bei den Kollisionsgrundnormen der lex fori anzusetzen 121 . Diese enthalten nun aber eine „gezielte" Verweisung nur, soweit sie das eigene Kollisionsrecht berufen, das wiederum (zunächst) nur den Anwendungsbereich des eigenen Sachrechts bestimmt. Die entscheidende Divergenz t r i t t bei der Behandlung ausländischer Rechtsordnungen zutage: Wenn prinzipiell jeder Staat den Anwendungsbereich des eigenen Rechts bestimmen kann, dann beruft die Kollisionsgrundnorm der lex fori für dieselbe Rechtsfrage gleichzeitig das Kollisionsrecht eines jeden existierenden Staates, dies jedoch dahin inhaltlich begrenzt, daß man entweder voraussetzt, dort gäbe es gezielte Kollisionsnormen gleichfalls nur für den Anwendungsbereich des eigenen Rechts, oder daß man den anderen („allseitigen") Teil der fremden Kollisionsrechtsordnung einfach ignoriert. Diese Verweisung ist somit allumfassend, räumlich unbegrenzt und völlig ungezielt. Rein praktisch ist sie deswegen noch zu handhaben, weil man vernünftigerweise nur m i t einigen bestimmten Anknüpfungen zu rechnen braucht, die zu dem eigenen Sachrecht der jeweiligen Staaten führen; doch systematisch ergibt sich diese Begrenzung nicht 1 2 2 . 121 Die auch insoweit bestehende eigene rechtspolitische Verantwortung des Staates betonen zu Recht die oben Fn. 113 Genannten sowie Quadri , Lez. 276; Gothot, Ren. 237. 122 Es sei noch hingewiesen auf einen wenig beachteten Versuch von Meister, zwischen den beiden Alternativen zu v e r m i t t e l n (Meister, Grenzen). Er w i l l die gezielten Verweisungen der „allseitigen" Normen n u r anerkennen, soweit die „berufenen" Rechte sich selbst ebenfalls f ü r anwendbar erklären (31 f.). Es handelt sich somit stets u m „bedingte" Verweisungen. „ W i l l " das „berufene" Recht nicht angewendet werden, so ist zu einer Hilfsanknüpfung Zuflucht zu nehmen oder (36) „das für den F a l l geltende Gesetz frei zu ermitteln" (nach der unilateralistischen „Methode"?). Der Vorschlag ist auf die gleichen Bedenken gegen das multilateralistische System gegründet wie die unilateralistischen Lösungsmodelle, bietet aber nicht deren Geschlossenheit. — Z u m verwandten Vorschlag Wenglers, es i m Regelfall bei der schlich-

Α. Die S t r u k t u r des räumlichen Kollisionsrechts

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Da ein solches — tatsächlich „blindes" — Berufen aller Kollisionsrechtsordnungen zu Schwierigkeiten führen kann, nämlich zu positiven und negativen Konflikten, müssen auch für das ausländische Recht gezielte — also „multilateralistische" — Kollisionsnormen der lex fori in Reserve gehalten werden. Diese werden i m Konfliktsfall von den Kollisionsgrundnormen herangezogen und entscheiden dann selbst. Ähnliches w i r d mitunter vertreten zur Eindämmung eines eventuell auftretenden „exorbitanten" ausländischen Rechtsanwendungsanspruchs 123 . Charakteristikum der „einseitigen", unilateralistischen Systeme ist somit die nach außen ungezielt globale, jedoch inhaltlich beschränkte Kollisions grundnorm der lex fori, verbunden m i t gewissen Hilfs-Kollisionsnormen. Dagegen werden die „allseitigen", multilateralistischen Systeme gekennzeichnet durch „gezielte" Kollisionsgrundnormen (und Kollisionsnormen) 1 2 4 . 3. Die Entscheidung zugunsten allseitiger

Normen

Gäbe es ein rein universalistisches System, bei dem die Kollisionsnormen überall auf der Welt m i t zwingender Notwendigkeit inhaltsgleich einer höherwertigen Rechtsquelle entstammten, dann bedürfte es keiner Kollisionsgrundnormen, u m das anzuwendende Kollisionsrecht zu berufen (ebenso wie es keiner Kollisionsnormen bedürfte, wenn das Sachrecht inhaltsgleich wäre). Da dies indessen nicht so ist — selbst die „Universalisten" müssen die Existenz verschiedener nationaler K o l l i sionsrechte anerkennen —, kommt man nicht umhin, sich zu entscheiden zwischen prinzipiell „unilateralistischen" Systemen (mit nach ten Nichtanwendung der berufenen, aber nicht „anwendungswilligen" N o r m zu belassen, unten D I V 3 Fn. 654. 123 Unten T. 4 C I , vgl. auch T. 4 C I I 3 u. I I I 3. 124 Der „nach außen gerichtete Unilateralismus" Agos (die Kollisionsnormen beziehen sich n u r auf das fremde Sachrecht) ist darum gar keiner, w e i l ausländisches Recht gezielt berufen w i r d . Dann w i r d natürlich i m übrigen das eigene Recht berufen. Ob dieses i n solchen Fällen „selbstverständlich" („per se") angewandt w i r d , ob sein Anwendungsbereich „ m i t t e l b a r " festgelegt w i r d (was Ago einräumt), spielt überhaupt keine Rolle. Negativformen sind genauso fest umrissen w i e Positivformen, u n d der Satz „inländisches Recht ist immer dann anzuwenden, wenn ausländisches Recht nicht anzuwenden ist", ist darum auch nichts anderes als ein formal gefaßter K o l l i sionsrechtssatz. Einzelne Folgerungen aus dieser Theorie — etwa der subsidiäre E i n t r i t t der lex fori bei mangelnder Feststellbarkeit des ausländischen Rechts — wären unabhängig davon kollisionsrechtlich zu diskutieren. Agos Lehre beruht offenbar darauf, daß er die erste F u n k t i o n der I P R - N o r m (Auswahl) vernachlässigt u n d n u r die zweite (Lieferung des Anwendungsbefehls f ü r fremde Rechtsnormen) i m Auge hat. Er n i m m t j a auch an, daß die ausländischen Normen durch ihre kollisionsrechtliche Berufung u n d Anwendung zu inländischen werden (z. B. Règ. gén. 303). Vgl. auch oben A I I I 1 Fn. 107.

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T e i l 2: Die Re-Konstruktion des klassischen IPR-Modells

außen global ungezielten, inhaltlich beschränkten Kollisionsgrundnormen) und prinzipiell „multilateralistischen" Systemen (mit gezielten Kollisionsgrundnormen, die entweder nur das eigene Kollisionsrecht berufen oder ein bestimmtes fremdes und insoweit m i t den „eigentlichen" Kollisionsnormen verschmolzen sind). Auch bei dieser Frage handelt es sich — das ergibt sich aus dem Vorhergehenden — allein u m die Entscheidung, welcher Gestalt die Kollisions grundnormen der lex fori sein sollen. Sie erfolgt, ebenso autonom wie jede andere interne Normsetzung, aufgrund von rechtspolitischen Erwägungen und Interessenabwägung durch den jeweiligen Staat bzw. seine für die Rechtsbildung zuständigen Instanzen. Zwingende übergeordnete Gesichtspunkte, die das Ergebnis a priori i n der einen oder anderen Richtung festlegten — etwa völkerrechtlicher oder normlogischer A r t — gibt es ebensowenig wie bei Bildung der Kollisionsnormen selbst. Die Wahl zwischen beiden Systemen muß also einerseits davon abhängen, welche Ziele der Staat m i t seinem Kollisionsrecht verfolgt und welche Interessen er begünstigt, andererseits davon, welches der beiden Systeme zur Erfüllung gerade dieser Ziele generell besser i n der Lage ist. I n den Kollisionsrechtsordnungen der Welt haben sich bisher ausschließlich Systeme auf „multilateralistischer" Grundlage (sei es mit, sei es ohne Kollisionsnormverweisung) herausgebildet. Sie haben sich grundsätzlich als i n der Praxis durchaus brauchbar erwiesen (ihre schärfsten K r i t i k e r kommen bezeichnenderweise aus den Reihen der Theoretiker). Wer diese Systeme durch „unilateralistische" ablösen will, ist daher sozusagen m i t dem „Beweis" für deren eindeutige Überlegenheit belastet. Wie es u m diesen Nachweis steht, soll später untersucht werden 1 2 5 . W i r wollen einstweilen akzeptieren, daß die geltenden Systeme auf „multilateralistischer" Grundlage stehen und unser Augenmerk weiter auf die diesen angehörenden Kollisionsnormen richten. I V . Der Aufbau der Kollisionsnorm

Wie jede andere Norm auch besteht die Kollisionsnorm aus Tatbestand und Rechtsfolge. Darüber ist man sich einig; aber alles andere ist streitig. Streitig ist insbesondere, was den Tatbestand der Kollisionsnorm ausmacht und was darum — unter erweiterter Perspektive — den „Gegen125

Unten T. 4 CI.

Α . Die S t r u k t u r des räumlichen Kollisionsrechts

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stand des internationalen Privatrechts" bildet 1 2 6 . Befaßt sich das IPR ausschließlich m i t Rechtsnormen, indem es diesen ihren Anwendungsbereich zuweist (wie man es für die Statutenlehre vermutet, die mancher heute wieder heranziehen will), befaßt es sich m i t den Rechtsverhältnissen als solchen (wie man i m Anschluß an Savigny sagt) oder, rechtlich neutral, m i t Lebensverhältnissen? Hat es Rechtsfragen zum Gegenstand oder „abstrakte" Rechtsverhältnisse? Streitig ist auch, wo die Grenze zwischen Tatbestand und Rechtsfolge verläuft. Wohin gehören die anzuwendenden Sachrechtsnormen? Sind etwa die Anknüpfungspunkte selbst Bestandteile der Rechtsfolge? Nun wäre es gewiß merkwürdig, sollten von diesen Ansichten, die vertreten werden, bis auf eine alle „falsch" sein 1 2 7 . Wie so oft, hat das Richtige auch hier viele Gesichter. Was sich gegensätzlich gibt, bezeichnet oft nur verschiedene Aspekte desselben Vorgangs. So ist es etwas anderes, ob man die Funktion der Kollisionsnorm global, gleichsam von höherer Warte betrachtet — dann gibt sie i n der Tat Anweisung, welche Gruppen von Sachnormen generell welcher nationalen Rechtsordnung zu entnehmen sind — oder ob man das Funktionieren der Kollisionsnorm am konkreten Fall analysiert. Hinzu kommt, daß natürlich die Zuordnung zu Tatbestand oder Rechtsfolge jeweils vom Verständnis dieser Elemente abhängen muß. Da es auch hier durchaus gedankliche Spielräume gibt, müßte an sich jeder Diskussion eine Verständigung über die Begriffe vorausgehen. Daß die Kollisionsnorm ganz allgemein 1 2 8 Sachnormen zum Gegenstand habe, w i r d zunächst für die Statutentheorie angenommen 129 . Für das geltende IPR wurde diese These theoretisch am reinsten von Neuner vertreten 1 3 0 . Kollisionsnormen haben nach i h m zweierlei zum Gegenstand: abstrakte Normen, nämlich Einzelnormen oder Normgruppen, sowie die Anknüpfung dieser Normen mittels abstrakter Anknüpfungsbegriffe. Auch Neuner hält eine konkretere, tatsachenbezogenere 126 Vgl. dazu Kegel, Gegenst. 13-19. Dieselben Fragen werden häufig — u. E. zu eng — unter dem Gesichtspunkt des „Gegenstands der Qualifikation" behandelt (über den Zusammenhang Kegel, Gegenst. 23 - 33), etwa Makarov, Qual.; Neuhaus, Grdbegr. 118-122; vgl. auch Ancel, Qual. Raape / Sturm u n terscheiden indessen den Anknüpfungsgegenstand (IPR 98: Lebensverhältnis) u n d den Gegenstand der Qualifikation (IPR 279 f.). 127 Vgl. auch Braga, Kodif. 423, Fn. 6; Neuner, A n k n . 82 Fn. 1; Vogel, A n wendungsber. 275. 128 Neuhaus, Grdbegr. 118 -122, w i l l danach unterscheiden, ob die K o l l i sionsnormen (ausnahmsweise) beim Gesetz oder („regulär") beim Sachverhalt „ansetzen". 129 Z u r Berechtigung dieser Annahme unten Β I I . 130 Neuner, A n k n . 81 - 86. Heute ζ. B. Raape / Sturm, IPR 279 f. (nur als „Gegenstand der Qualifikation"); vgl. auch Fikentscher (unten nach Fn. 176).

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T e i l 2: Die R e - K o n s t r u k t i o n des klassischen IPR-Modells

Sicht „nicht für unmöglich" 1 3 1 , aber er meint doch, auf seine Weise dem Charakter der Kollisionsnorm als „Rechtsanwendbarkeitsnorm" eher gerecht zu werden. So abstrakt, wie er glaubt, ist indessen die Auffassung Neuners auch nicht. Denn die Anknüpfungen stehen immer i n gewissem Zusammenhang m i t demselben Sachverhalt, der schließlich materiellrechtlich zu bewerten ist. So kommt es auch i n Neuners Beispielen 1 3 2 bei der Feststellung der ehelichen Kindschaft auf die Staatsangehörigkeit gerade des „Vaters" und beim Delikt auf das Recht des „Tat"-orts an. Zwar meint er 1 3 3 , „die Wahl der ausschlaggebenden örtlichen Beziehung erfolgt nicht m i t Rücksicht auf die örtliche Verknüpfung des konkreten Falls m i t einem bestimmten Rechtsgebiet, sondern sie ist schon erfolgt durch die abstrakte Norm, die der Richter i m konkreten Fall anwendet und die ihn heißt, eine unerlaubte Handlung nach dem Recht des Begehungsortes zu beurteilen". Aber die notwendige Frage nach dem „Begehungs"-ort zwingt die IPR-Norm doch wieder auf den Boden des Tatsächlichen zurück. Da offenbar auch Neuner spürt, daß die K o l l i sionsnorm ohne jeden Sachverhaltsbezug buchstäblich i n der L u f t schwebt, stellt er diesen Bezug i m Nachhinein wieder her, indem er den Richter anweist, bei der Anwendung dieser Norm vom „erhobenen prozessualen Anspruch" auszugehen 134 . Das aber verlagert das Problem lediglich vom Bereich des Objektiven i n den des prozessualen Parteivorbringens — denn nur dieses kann die „Anknüpfung" konkretisieren, niemals aber der nackte „Prozeßanspruch". Bei genauerem Hinsehen w i r d hier der geleugnete Tatsachenbezug i m Begriff der „Anknüpfung" verborgen 1 3 5 . Näher am konkreten Geschehen befindet sich die Auffassung, die i m Rechtsverhältnis den Gegenstand der Kollisionsnorm sieht; eine Betrachtungsweise, die bekanntlich durch Savigny berühmt wurde 1 3 6 . Man hat gegen sie den Vorwurf des Zirkelschlusses erhoben, weil ja erst nach Feststellung des anwendbaren Rechts beurteilt werden kann, ob ein Rechtsverhältnis überhaupt entstanden ist 1 3 7 . Ob dieser Einwand 131

Neuner, A n k n . 82 Fn. 1. Ebd. 83, 86 f. 133 Ebd. 83. 134 Ebd. 83 - 89. Das bedeutet, daß die „Qualifizierung" des Anspruchs dem Kläger obliegt (86); er w ä h l t sozusagen das Fach, innerhalb dessen nach anwendbaren Normen gesucht w i r d . Kritisch schon Kegel, Gegenst. 25. 135 Z u den „klassifizierten Rechtssätzen" Fikentschers unten zu Fn. 176 bis 178. is« Vgl. Savigny, Syst. V I I I 27 f. Savigny hat diesen Ansatz indessen nicht „erfunden"; er wurde schon lange vorher praktiziert, vgl. unten Β I I u. I I I . — Es dürfte freilich nicht zulässig sein, diesen Ansatz m i t dem beim „Lebensverhältnis" schlicht zu identifizieren, w i e Ferid, IPR Rdn. 1 - 1 0 5 , es tut. 132

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sehr durchschlagend ist, daran kann man indessen zweifeln. Geht man vom konkreten Rechtsverhältnis aus 138 , so liegt dem freilich das Verständnis zugrunde, die Rechtsverhältnisse seien „ihrer Natur nach", i n ihrem Kern also, überall gleich und nur die konkrete Ausgestaltung variiere von Staat zu Staat. Eine solche Grundanschauung kann man bei Savigny vermuten (was wohl zu der weitgehenden Hypothese beigetragen hat, „seinem" IPR insgesamt ein „vorstaatliches" — und darum die Staatsgrenzen überwindendes — Zivilrechtsverständnis unterzulegen) 139 . Denn immerhin spricht für einen solchen Ansatz beim konkreten Rechtsverhältnis die Tatsache, daß diejenigen „Rechtsinstit u t e 1 4 0 eines fremden Staates" von vornherein ausgeschlossen sein sollen, „deren Dasein i n dem unsrigen überhaupt nicht anerkannt ist", wobei zwar hinzu kommen kann, daß w i r dieses fremde Institut als sittenwidrig betrachten 141 , aber nötig ist das nicht. Es genügt eben schon die Fremdheit, damit sich solche Institute „der für die Collision des örtlichen Rechts i m Allgemeinen geforderten Rechtsgemeinschaft aller Staaten entziehen, daß sie also i n dieser Hinsicht eine anomale Natur haben" 1 4 2 . Sollte dies Savignys Sicht gewesen sein 1 4 3 , so entspräche sie gewiß nicht dem modernen Zivilrechtsverständnis, für das staatliches Recht nicht Modulator, sondern Schöpfer des Rechtsverhältnisses ist. Daß diese Vorstellung aber keine notwendige Voraussetzung des Ansatzes beim Rechtsverhältnis ist, zeigte bald Kahn, als herausragender Kopf der „nationalistischen" Schule sicher gegen den Verdacht „vorstaatlichen" Rechtsverständnisses gefeit. Denn nicht um die Zuordnung eines konkreten Rechtsverhältnisses geht es ihm, sondern um die eines 137 So schon v. Bar, Theorie 107; Kegel, Gegenst. 22; Gothot, Ren. 24 f.; Neuner, A n k n . 83; Quadri, Lez. 336 f. iss v g l . hierzu auch Coing, Sav. 23, 26. — Etwas konfus erscheint die Variante von Hijmans, Alg. probi. 61 f. ( = Übers. 179), der durch Betrachtung des „konkreten Rechtsverhältnisses selbst" das „ d a r i n liegende Recht aufspüren w i l l " , das u. U. unabhängig sein soll von den Regelungen der „beteiligten" Rechtsordnungen, u n d der meint, so „ i n die Welt der Tatsachen v o r zudringen u n d dort die Entscheidung zu suchen". 139

Hierzu T. 1 Β u n d T. 4 Β I u. I I . Über die Bedeutung der „Rechtsinstitute" i n Savignys System vgl. Coing, Sav. 2 3 - 2 8 ; er hält sie für „zeitlos" u n d „überstaatlich" (26). I m m e r h i n erkennt Savigny hier aber auch die Existenz bei uns unbekannter Rechtsinstitute (und damit eine zumindest negative staatliche Begrenzung) an. 141 Savigny, Syst. V I I I 37. 142 Ebd. 38. 143 Die Lehre Savignys läßt mancherlei Ausdeutungen zu, insbesondere dem Begriff des „Rechtsverhältnisses" fehlt „die letzte Schärfe" (Kegel, Gegenst. 15). Maridakis, Sav. 314, sieht i n der „völkerrechtlichen Gemeinschaft der miteinander verkehrenden Nationen" (unten Β I I I ) eine auf höherer Stufe wiederkehrende Parallele zur geistigen Gemeinschaft eines Volkes, dem „Volksgeist". 140

6 Schurig

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abstrakten Rechtsverhältnisses. So gesehen bedeutet Savignys Ansatz nämlich etwas anderes 144 . Das Rechtsverhältnis ist — abstrakt — das „subjektive" Korrelat „zu bestimmten Rechtsregeln". Man kann nun nach dem objektiven Anwendungsbereich der Gesetze fragen oder aber nach dem „Sitz der Rechtsverhältnisse nach deren eigentümlichen Natur". „Das eine ist genau dasselbe wie das andere" 1 4 5 . Die Frage nach dem „Sitz" des (abstrakten) Rechtsverhältnisses ist somit nichts anderes als die Frage, welchem Recht man das Rechtsverhältnis entnimmt. Nur w i r d man hinzufügen müssen: das eventuelle Rechtsverhältnis; denn daß Rechtsregeln irgendeinen objektiven A n wendungsbereich haben, ist gewiß, ob aber das subjektive Rechtsverhältnis i n dem „nach der Natur der Sache" geeigneten Staat wirklich existiert, muß erst noch festgestellt werden 1 4 6 . Daß auch hier fremde „ungleichartige" Rechtsverhältnisse nicht anzuerkennen sind, wie Kahn zunächst a n n i m m t 1 4 7 , ist keineswegs schlüssig; denn w i e das fremdartige Gesetz durchaus seinen eigenen Anwendungsbereich haben kann, so k a n n das von i h m geschaffene fremde Rechtsverhältnis auch seinen Sitz haben. Dies ist übrigens der einzige Punkt, den Rabel u8 gegen Kahns Auffassung kritisch vorbringt; er übersieht dabei anscheinend, daß Kahn später — ganz folgerichtig — hiervon selbst ausdrücklich abgerückt ist und auch fremdartigen Rechtsverhältnissen ihren „Sitz" zubilligt149.

Das „abstrakte" Rechtsverhältnis als Gegenstand der Kollisionsnorm rückt somit nahe an die „abstrakte" Rechtsregel als Gegenstand der Kollisionsnorm heran 1 5 0 . Gemeinsam haben beide das „Abstrakte"; der Stellenwert des Tatsächlichen bleibt gering oder er w i r d nicht untersucht 151 . Ganz auf der anderen Seite stehen diejenigen, die als Gegenstand von Kollisionsnormen nur das Tatsächliche, nur ein „Lebensverhältnis" sehen 152 . Hier, scheint es, w i r d der Stellenwert des Rechtlichen unter144 Kahn, Ges. K o l l . 23, 48 („Die N a t u r eines Rechtsverhältnisses ist nichts allgemein Gültiges u n d nichts Internationales"), 92 - 100, 119 - 121. 145 Ebd. 94. 146 v g l . schon Beitzke, Meth. 7. Dies ist der Rest des „Zirkels". 147

Ges. K o l l . 114 f. Röbel, Qual. 243, 255. 149 Kahn, I n h a l t 311-316. S. auch unten B V Fn. 382. Diesen Wandel bemerkt hat ζ. B. Francescakis, Dr. nat. 145 Fn. 91. 150 Das k a n n n u r den überraschen, der den inneren Zusammenhang dieser beiden Ansätze übersieht, vgl. hierzu unten A V I . 161 Vgl. aber Kahn, Ges. K o l l . 93 - 95. 152 So etwa Rabel, Qual. 243-249; ders., Confi. 5 0 - 5 2 m i t zahlr. Nachw. i n Fn. 6; Wolff, I P R 2; Raape I Sturm, I P R 98 (nur als „Gegenstand der A n knüpfung"); Betti, Grdprobl. 242; w o h l auch Schwind, Hdb. 30 (aber S. 44 f ü r „Rechtsfrage"). M i t u n t e r w i r d Savignys Ansatz beim Rechtsverhältnis 148

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schätzt. Zwar mag es zutreffen, daß „die Kollisionsnorm weder von der Existenz eines konkreten, noch von der eines »abstrakten 4 Rechtsverhältnisses abhängig" i s t 1 5 3 ; doch setzt sie zumindest die Existenz bestimmter Rechtsregeln voraus. Auch weist das IPR wohl „die Lebensverhältnisse zur rechtlichen Beurteilung z u " 1 5 4 , indessen sind die Lebensverhältnisse nicht irgendwelche, sondern bereits rechtlich gefärbte. Offenbar geht es i m Kollisionsrecht u m das Verhältnis von Tatsächlichem und Rechtsregeln. Das dürften diejenigen i m Sinn haben, die als Gegenstand der Kollisionsnorm eine Rechtsfrage sehen 155 . Nicht, daß die jeweilige Anknüpfung selbst diese Rechtsfrage sein soll; sie ist selbstverständlich auch eine, bildet aber den Inhalt der Kollisionsnorm und kann nicht zugleich ihr Gegenstand 156 sein. Die Kollisionsnorm weist vielmehr eine bestimmte Sachrechtsfrage einer bestimmten staatlichen Rechtsordnung zu. Diese „Rechtsfrage" betrifft die Subsumtion eines Sachverhalts unter irgendwelche Sachnormen, sie umfaßt m i t h i n beides. Hier erscheint eine weitere Präzisierung noch möglich und erforderlich. I h r wendet sich vor allem Kegel zu; darauf w i r d später zurückzukommen sein 1 5 7 . Mag von den verschiedenen Betrachtungsweisen auch keine von vornherein als ausgeschlossen gelten, so fördert doch die globale, „abstrakte" Sicht — für die es lediglich darum geht, verschiedenen Sachnormgruppen Anwendungsbereiche zuzuweisen — eher die Vorstellung von einer übergeordneten Qualität der Kollisionsnormen 1 5 8 . Der Erkenntnis, daß Kollisionsnormen das Ihre dazu beitragen, einzelne Sachverhalte gerecht zu entscheiden, und daß sie m i t den Sachnormen auf einer Stufe stehen, ihnen vor-, aber nicht übergeordnet sind 1 5 9 , entspricht es dagegen, sich ihrer konkreten Funktion zuzuwenden. Wenn es uns aber bei der Struktur der Kollisionsnorm u m ihr Funktionieren „am Fall" geht, dann könnte es auch aufschlußreich sein, einfach hiermit identifiziert, so bei Ferid, oben Fn. 136. Vgl. auch Beitzke, Meth. 7. 153 Kabel, Qual. 245. 154 Ebd. 155 Z . B . Lewald, Règ. gén. 1 0 - 2 0 ; Neuhaus, Grdbegr. 119 f., 122 (bei K o l l i sionsnormen „ v o m Sachverhalt her"); Keller, Verh. 68 f.; Falconbridge, Confi. 37 - 49. Weitere Hinweise auf ältere L i t e r a t u r bei Kegel, Gegenst. 17. 156 So ist es i n Kegels Beispiel (Gegenst. 22): Die „Rechtsfrage", ob jemand „Dieb" ist, bildet den I n h a l t der Diebstahls Vorschrift und k a n n schon deswegen nicht i h r „Gegenstand" sein. Dieser Vergleich t r i f f t darum auf die Kollisionsnorm u. E. nicht zu. 157 Unten zu Fn. 174, 175. 158 So etwa bei Neuner, A n k n . 81 f. Fn. 1. 159 Oben A I I I 1. ·

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Teil 2: Die Re-Konstruktion des klassischen IPR-Modells

einen einzelnen konkreten Anknüpfungsvorgang zu durchleuchten und von daher zu verallgemeinern. W i r wollen also i n gewissem Sinne „empirisch" vorgehen. Nehmen w i r an, ein Niederländer stirbt, ohne testiert zu haben, hinterläßt bei uns Vermögen und w i r d von einem einzigen K i n d überlebt. Dem Wortlaut des A r t . 25 Satz 1 EGBGB entsprechend werden Ausländer „ m i t Wohnsitz i m Inland" nach ihrem Heimatrecht beerbt; dem zugrunde liegenden Gedanken entsprechend werden sie es immer. Unsere Kollisionsnorm beruft somit niederländisches Recht. Genau genommen t r i t t sie allerdings als „Kollisionsgrundnorm" 1 6 0 auf u n d beruft die niederländische Kollisionsnorm, während diese 1 6 1 niederländisches Erbrecht beruft. Aber der Verweisungsvorgang auf eine fremde Sachnorm oder Kollisionsnorm ist der gleiche, u n d darum können w i r f ü r unsere Untersuchung diesen Zwischenschritt beiseite lassen.

I n casu w i r d A r t . 899 BW berufen, nach dem das K i n d allein erbt. Wie schon erwähnt, muß man sich zunächst darüber verständigen, was zur Sachverhalts- und damit abstrakt zur Tatbestandsseite zu zählen ist, und was zur Rechtsfolgeseite. Ein mögliches Unterscheidungsmerkmal wäre es, der Tatbestandsseite die Tatsachen, der Rechtsfolgeseite die Rechtsverhältnisse zuzuschlagen 162 . Das brächte dann eine gewisse Parallele zur prozessualen Unterscheidung zwischen Tat- und Rechtsfragen. Doch muß man sogleich den Begriff des Tatsächlichen relativieren und ζ. B. auch „vorgefundene" Rechtsverhältnisse den „Tatsachen" zuordnen 1 6 3 . Indessen erscheint es möglich, auf diese Unterscheidung ganz zu verzichten, wenn man von folgendem ausgeht: Jede Norm bewirkt etwas unter ganz bestimmten Voraussetzungen. Das kann man sich zunutze machen und auf der einen Seite dieses Voraus-Gesetzte sehen, auf der anderen Seite das Bewirkte. Zum ersteren gehört alles, ohne dessen Vorhandensein die spezielle Rechtswirkung nicht eintreten würde; es bildet den Tatbestand und i m tatsächlichen Bereich den Sachverhalt. Das Bewirkte, das gerade durch Anwendung der konkreten Norm rechtliche Wirklichkeit wird, bildet den zweiten Teil, die Rechtsfolge. Daraus ergibt sich, daß alles, was aus einem realen Sachverhalt nicht weggedacht werden kann, ohne daß auch die Rechtswirkung der Norm entfiele, i m Tatbestand der Norm seine Entsprechung finden muß. Es 160

Oben A I I I 2. Eine ungeschriebene, an A r t . 6 der Allgemeinen Bestimmungen über die Gesetzgebung (1829) angelehnte Kollisionsnorm, die insoweit das Heimatrecht des Erblassers beruft. 162 So ζ. B. Kegel, Gegenst. 20 f. 163 Ebd. 21. 161

Α . Die S t r u k t u r des räumlichen Kollisionsrechts

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besteht insoweit eine „vollständige Deckung von Tatbestand und Sachverhalt" 1 6 4 . Diese Überlegung erleichtert die „empirische" Untersuchung des Funktionierens unserer Kollisionsnorm. Man muß einerseits nach all dem fragen, das für die Anwendung υ or aus-gesetzt wird, andererseits nach dem, was bewirkt, durch die Norm geschaffen wird. I n unserem Beispielsfall war das Ergebnis die Anwendung von A r t . 899 BW für die Erbfolge vom Vater auf das einzige Kind. Vorausgesetzt ist zunächst der zivilrechtliche Sachverhalt, der für eine Subsumtion unter die „berufene" Bestimmung zumindest „ i n Frage kommt". Ohne einen solchen Sachverhalt — oder, wenn man w i l l , ein solches „Lebensverhältnis" — wäre es zu einer „Berufung" dieser Bestimmung gar nicht erst gekommen. Vorausgesetzt ist ferner das Anknüpfungsmoment: die niederländische Staatsangehörigkeit; erst sie führt weiter zu der anzuwendenden Bestimmung. Vorausgesetzt ist aber auch die Existenz der berufenen Sachnorm. Diese kann gar nicht zur Rechtsfolge der Kollisionsnorm gehören 165 , denn das bedeutete, daß sie durch jene praktisch erst „geschaffen" würde. Sie w i r d aber nur vorgefunden und ausgewählt 166 . Und schließlich w i r d vorausgesetzt, daß die Norm i n den Niederlanden „ g i l t " 1 6 7 ; dieses „Gelten" erweist sich als das Anknüpfungsmoment für die Sachnorm 168. Was aber w i r d durch die Kollisionsnorm bewirkt, was ist die Rechtsfolge? Es w i r d eine rechtliche Beziehung hergestellt zwischen den bislang isolierten Tatbestandsteilen Sachverhalt m i t Anknüpfungsmoment zu einem bestimmten Staat und Sachnorm m i t Anknüpfungsmoment zu demselben Staat, indem konkret angeordnet wird, diese Sachnorm auf diesen Sachverhalt anzuwenden. Ein anderes Beispiel: Ein Deutscher w i r d i n Frankreich von einem Franzosen schuldhaft verletzt und verlangt Schadensersatz. Unsere (ungeschriebene) 169 Kollisionsnorm beruft französisches Recht als Recht des Tatorts. Vorausgesetzt werden wieder vier Elemente: der zivilrecht164

Kegel, Gegenst. 21; ders., IPR 128, 145. So aber anscheinend Betti, Grdprobl. 245. Vgl. dagegen schon Zitelmann, IPR 206 f. : »„Anknüpfungsmoment' ist . . . nichts anderes als ,Tatbestandsmoment' schlechthin." 1ββ Oben A I , A l i l i . 167 Oben A I I I 1 zu Fn. 103 - 107. 168 Dies ist genauer, als w e n n man daran anknüpft, daß die Sachnorm von dem betreffenden Staat „erlassen" ist (vgl. noch Kegel, Gegenst. 26). Es muß die Tatsache genügen, daß sie dort „ g i l t " (ζ. B. i n ehemaligen Kolonien weitergilt, als N o r m religiöser Provenienz als „eigenes" Recht angewandt wird). F ü r „Geltung" als Anknüpfungsmoment jetzt Kegel, I P R 128. 169 F ü r alle: Soergel / Kegel, EGBGB, A r t . 12, Rdn. 1. 165

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liehe Sachverhalt, der für einen Deliktsanspruch „ i n Frage kommt" (1) nebst seiner Verknüpfung, dem Tatort i n Frankreich (2), die Existenz einer Sachnorm, die aufgrund dieses Sachverhalts einen Anspruch gibt (3) nebst deren Geltung i n Frankreich (4). Bewirkt w i r d wiederum die Anwendung dieser Sachnorm auf diesen Sachverhalt. Wie aber ist es, wenn auf eine bestimmte Rechtsordnung verwiesen wird, das konkrete Lebensverhältnis aber den Tatbestand der „berufenen" Sachnorm nicht erfüllt, etwa nach französischem Recht kein Anspruch gegeben, nach berufenem Eherecht eine Ehe nicht wirksam geschlossen ist? W i r d dann die entsprechende Sachnorm gleichwohl „berufen", nur durch den (materiellen) Sachverhalt nicht erfüllt, oder w i r d sie gar nicht erst berufen, w e i l ein entsprechender subsumierbarer Sachverhalt schon zu den „Voraussetzungen" — somit zum Tatbestand — der Kollisionsnorm gehört? U. E. handelt es sich bei dieser Rangfrage nur u m ein Scheinproblem, denn die Kollisionsnorm ist gegenüber der Sachnorm nicht höherrangig; sie w i r k t mit, denselben konkreten „Fall" zu entscheiden, indem sie bestimmt, ob die jeweilige (in- oder ausländische) Norm „räumlich" anwendbar ist, während man der Sachnorm selbst entnimmt, ob sie „sachlich" anwendbar ist. Beide Elemente sind gleichwertig. Ist eine Sachnorm „sachlich" nicht anwendbar, so ist es darum i m Prinzip gleichgültig, ob sie von der Kollisionsnorm gar nicht erst berufen wird, ebenso wie es gleichgültig ist, ob eine „räumlich" nicht berufene Sachnorm „sachlich" anwendbar wäre. Indessen gehört zu einer materiellen Rechtsnorm meist — oft auch unausgesprochen — eine entsprechende Negativnorm 170, die i n ihrer einfachsten Form anordnet, daß für den Fall der Nichterfüllung von Tatbestandsmerkmalen die Rechtsfolge nicht eintritt. N o r m : Wenn A , B, C gegeben sind, t r i t t F ein. Negativnorm: Wenn A oder Β oder C nicht gegeben sind, t r i t t F nicht ein.

I n weiterentwickelten Formen werden an die Nichterfüllung bestimmter Tatbestandsmerkmale modifizierte Rechtsfolgen geknüpft, wie A n fechtbarkeit, Vernichtbarkeit u. ä. N o r m : Wenn A , B, C gegeben sind, t r i t t F ein. Modifizierung: Wenn n u r B, C gegeben sind, nicht dagegen A, t r i t t F ein, ist aber aufhebbar.

Bei letzteren ist eindeutig, daß es sich u m Sachnormen m i t eigenem Tatbestand handelt, die durch Kollisionsnormen berufen werden. Aber auch bei den einfachen Negativaussagen, die bei Nichterfüllung des Tatbestands der Sachnorm die Rechtsfolge schlicht verweigern, handelt es 170

Kegel spricht — i n anderem Zusammenhang — v o m eines Rechtssatzes, I P R 217.

„Komplement"

Α. Die S t r u k t u r des räumlichen Kollisionsrechts

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sich um materielle Rechtssätze. Sie sind sachlich immer dann anzuwenden, wenn der Tatbestand der betreffenden Hechtsnorm nicht erfüllt ist (und wenn keine modifizierten Rechtsfolgen vorgesehen sind), und sie sind es auch, die kollisionsrechtlich i n diesen Fällen berufen werden 1 7 1 . Damit ergibt sich: Der materiellrechtliche Sachverhalt deckt sich immer m i t dem Tatbestand der kollisionsrechtlich berufenen Sachnorm (bzw. der entsprechenden Negativnorm). Die Betrachtung der Arbeitsweise einer Kollisionsnorm hat gezeigt, daß folgende Elemente vorausgesetzt werden: 1. ein materiellrecht·· licher Sachverhalt m i t 2. einem Anknüpfungsmoment zu einem bestimmten Rechtsgebiet, 3. ein Sachrechtssatz (der auch ein Negativsatz sein kann), dessen Tatbestand durch den Sachverhalt (zu 1) erfüllt w i r d (der also „sachlich" anwendbar wäre) mit 4. einem Anknüpfungsmoment, nämlich der „ G e l t u n g " 1 7 2 i n dem Rechtsgebiet (zu 2). Diese Elemente bilden die Tatbestandsseite. Die Rechtsfolge ist die Anwendung dieses Rechtssatzes auf den Sachverhalt. Es handelt sich dabei nicht etwa n u r u m das jeder N o r m ohnehin innewohnende „imperative Element"; dafür bedürfte es keiner eigenen Norm. Es handelt sich vielmehr u m die Anweisung, gerade unter diesen Rechtssatz zu subsumieren, u n d nicht unter die anderen, parallel existierenden u n d als solche anerkannten Rechtssätze (Auswahlfunktion) sowie — bei B e r u fung ausländischer Normen — u m die Rechtfertigung der A n w e n d u n g i m Inland, die Hinzufügung eines für uns wirksamen imperativen Elements (Ergänzungsfunktion) 1 7 3 .

Da w i r bisher Einzelfälle betrachtet haben, hatten w i r es nur m i t einem Sachverhalt und einer Sachnorm zu tun. Die mehrseitigen selbständigen Kollisionsnormen betreffen aber jeweils Gruppen von Sachverhalten und Sachnormen; ihr Zustandekommen w i r d noch näher zu 171 Ähnliches gilt, w e n n entsprechende Rechtsnormen überhaupt fehlen. Jede Rechtsordnung ist potentiell fähig, jede Rechtsfrage, die an sie gestellt w i r d , zu beantworten: entweder i m positiven oder i m negativen Sinne. N o t falls ist lege artis ein neuer Rechtssatz herauszubilden. Enthält ζ. B. eine Rechtsordnung keine Vorschriften über die Scheidung, dann g i l t dort der Satz: Die Ehe ist unscheidbar (entgegen Kegel, IPR 129, liegt hierin nichts „Gekünsteltes"). Diese „Negativnorm" ist es, die w i r berufen. — Freilich ist — w i e bemerkt — a u d i die Vorstellung möglich, mangels einer Sachnorm gebe es auch keine diese berufende Kollisionsnorm. Daß i n solchem F a l l keine anderweitig zu füllende „Lücke" i m Kollisionsrecht besteht, sollte selbstverständlich sein; so aber das Gegenargument von Sonnenberger, Bed. 79 f. — U m ein anderes Problem handelt es sich bei der von Wengler, Beachtl. 63 - 66, angesprochenen Frage, ob dann, w e n n ein Recht nicht angewandt sein „ w i l l " (weil es nämlich auf eine andere Rechtsordnung verweist), es bei der schlichten Nichtanwendung der betreffenden Normen bleiben k a n n ; dazu unten D I V 3 Fn. 654 sowie zu einem verwandten Vorschlag von Meister oben A I I I 2 Fn. 122. 172 Vgl. oben A I I I 1 zu Fn. 103 - 107. 173 Näher oben A I I I 1.

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T e i l 2: Die Re-Konstruktion des klassischen IPR-Modells

betrachten sein. I m kollisionsrechtlichen Tatbestand solcher Normen kann daher nicht nur von einem Sachverhalt und einer Sachnorm die Rede sein; es muß verallgemeinert werden. M i t Kegel können w i r zunächst von einem „Sachnormrahmen" und einem zugehörigen „Sachverhaltsrahmen" sprechen 174 . Die „empirische" Untersuchung des Funktionier ens einer kollisionsrechtlichen Verweisung führt uns somit zu derselben Einsicht i n die Struktur der Kollisionsnorm, zu der Kegel auf deduktivem Wege gelangt ist 1 7 5 . Einwände gegen diese Sicht hat kürzlich noch einmal Fikentscher 176 erhoben. Vor allem mache ein solcher „Mischtatbestand aus materiellem Recht u n d Kollisionsrecht . . . die Sache nicht gerade übersichtlich". Statt dessen soll die Kollisionsnorm i n ihrem Tatbestand n u r „klassifizierte Rechtssätze" erfassen, „auf die dann irgendeine Rechtsordnung für anwendbar erklärt werden soll". Statt „klassifizierte Rechtssätze" könne man auch „Rechtsverhältnisse" sagen. Die Rechtsfolge enthalte dann „den A n k n ü p fungspunkt u n d die gesetzliche Weisung, daß dasjenige nationale Recht gelten soll, an welches angeknüpft w i r d " . Kegels Auffassung beruhe möglicherweise auf der Verkürzung, m i t der m a n i m allgemeinen das Subsumtionsschema bei der materiellen Rechtsnorm kennzeichne, nach dem der Sachverhalt (aus der Wirklichkeit) unter den Tatbestand subsumiert werde, was unmittelbar zur Rechtsfolge führe. Es fehle indessen noch die so zu nennende „Desumtion", die n u n die abstrakte Rechtsfolge aus der N o r m wieder i n die Wirklichkeit umsetze. Auch dieser Auffassung, die an Neuner angelehnt erscheint 1 7 7 , teils auch an Kahns „abstraktes Rechtsverhältnis" 1 7 8 erinnert, ist entgegenzuhalten, daß die Kollisionsnorm „ i n der L u f t " hängt, w e n n i h r der Bezug zum Tatsächlichen fehlt. Kollisionsrecht w i r d hier wieder als abstraktes Zuordnungsrecht gesehen, was aber seiner Funktion, zu gerechter Fallentscheidung beizutragen, nicht Rechnung trägt. Die augenfälligste Verbindung zum Tatsächlichen, das Anknüpfungsmoment, w i r d kurzerhand i n die Rechtsfolge verbannt. Das Anknüpfungsmoment w i r d aber nicht „bewirkt" (wohl dagegen, w e n n man w i l l , die „Anknüpfung"), es w i r d vielmehr „vorausgesetzt" und muß schon deshalb zur Tatbestandsseite gezählt werden. Dann muß aber auch die nicht leugbare Verknüpfung des Anknüpfungsmoments m i t dem materiellen Sachverhalt irgendwie erklärt werden. Es mag sein, daß dieses Ineinandergreifen von Kollisionsnorm u n d materiellem Sachverhalt nicht gerade einfach ist. Es ist aber die Folge des Zusammenspiels von Kollisions- u n d Sachnorm zur konkreten Fallösung. 174 Da ferner die Rechtsfolgen der berufenen Sachnormen „streuen" k ö n nen, ist auch der Ausdruck „Rechtsfolgerahmen" berechtigt: zu allem Kegel, Gegenst. 28 f. 175 Kegel, Gegenst. 27. Zusammenfassend ders., IPR 127. 176 Fikentscher, Meth. I I I 775 - 780, wo Kegels Auffassung — vielleicht etwas voreilig — als „herrschende Meinung" bezeichnet w i r d . 177 Vgl. oben A I V zu Fn. 130. 178 Vgl. oben A I V zu Fn. 144 (wobei K a h n allerdings die Verbindung zum Tatsächlichen nicht leugnet).

Α . Die S t r u k t u r des räumlichen Kollisionsrechts

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Dem V o r w u r f der angeblich fehlenden „Desumtion" ist entgegenzuhalten, daß dieser Vorgang einerseits durch das erwähnte Zusammenspiel überlagert, andererseits seine Durchschaubarkeit dadurch erschwert w i r d , daß Rechtsfolgen von Rechtsanwendungsnormen eben nur durch Anwendung der anzuwendenden N o r m „ i n die W i r k l i c h k e i t " umgesetzt werden können, was dem ganzen Vorgang einen höheren Grad von Abstraktheit gibt. So kann als „desumierte", „tatsächliche" Rechtsfolge einer Kollisionsnorm n u r die konkrete Anwendung der berufenen Sachnorm gesehen werden. So wie die Tatbestandsseite m i t dem materiellen Sachverhalt verbunden ist, ebenso ist die „desumierte" Rechtsfolgenseite m i t der Anwendung der Sachnorm selbst verbunden. — I m übrigen fragt man sich, w e n n man m i t Fikentscher n u r „klassifizierte Rechtssätze" i m Tatbestand der Kollisionsnorm anerkennt, wie dann die Umsetzung aus der Wirklichkeit, die Subsumtion aussieht. Offenbar ist hier dieselbe Schwierigkeit n u r aus der letzten i n die erste Stufe des „Subsumtionsschemas" verlagert.

V. Die Bildung allseitiger Kollisionsnormen durch „Bündelung"

1. Verhältnis

der beiden methodischen Ansätze

Unsere bisherige Untersuchung der Struktur einer Kollisionsnorm hatte einen ganz konkreten Zweck: Sie sollte nämlich Aufschluß darüber bringen, welche Bedeutung der sog. methodische Ansatz hat, ob der Ansatz beim Gesetz oder beim Rechts- oder beim Lebensverhältnis in der Struktur der Kollisionsnorm irgendwie vorprogrammiert ist. Wenn der Tatbestand der Kollisionsnorm sowohl den materiellrechtlichen Sachverhalt (nebst Anknüpfung) wie auch die materielle Norm (nebst Anknüpfung) umfaßt und wenn das Rechtsverhältnis nur die subjektive Seite objektiver Rechtsregeln ist (sei es abstrakt, sei es konkret), dann ergibt sich daraus kein Anhalt, daß entweder der Ansatz beim „Rechts"- oder „Lebensverhältnis" oder der beim Gesetz unabdingbare Voraussetzung unserer Kollisionsnorm wäre. I m Gegenteil: Da beide Seiten i m Tatbestand der Kollisionsnorm gleichermaßen enthalten sind, dieser sozusagen symmetrisch aufgebaut ist, und die Rechtsfolge lediglich i n der Herstellung einer Beziehung (nämlich der „Anwendbarkeit") besteht, kann es gar keinen Unterschied machen, ob man am einen oder am anderen Ende „ansetzt". Es handelt sich stets um zwei Seiten ein und derselben Frage. Ob man sagt: „Wenn Spanier heiraten, wenden w i r spanisches Eherecht an" oder ob man sagt: „Das spanische Eherecht wenden w i r an, wenn die Heiratenden Spanier sind", ist ein und dasselbe. Daß es sich hier u m denselben Gegenstand handelt, nur unter verschiedenen Blickrichtungen, hat zuallererst Savigny selbst gesehen 179 , 179

Hierzu unten Β I I I .

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Teil 2: Die Re-Konstruktion des klassischen IPR-Modells

und auch spätere Autoren dürften dies erkannt haben 1 8 0 . Dennoch wurde der Ansatz beim Gesetz — den man als „statutistisch" bezeichnet — zunächst i m Überschwang über Savignys „kopernikanische Wende" i n den Hintergrund gedrängt. Das gipfelt i n der Vermutung, Savigny habe die Bedeutung seiner eigenen These wohl nicht richtig erkannt 1 8 1 . Heute w i r d der Ansatz beim Gesetz zwar von fast allen Autoren grundsätzlich zugelassen, dies jedoch gewöhnlich als eine Alternative i m Rahmen des „Methodenpluralismus"; denn ein solches Vorgehen w i r d noch immer als etwas von „Savignys IPR" durchaus Abweichendes angesehen. I h m w i r d vor allem entgegengehalten, daß es zu Lücken oder Konflikten führen könne 1 8 2 . Wenn man wisse, daß ein Gesetz nicht anzuwenden sei, wisse man noch nicht, was denn an seiner Stelle gelte. Außerdem sei es schwierig, aus dem jeweiligen Gesetz den Anwendungsbereich herauszulesen, und psychologisch verführe eine solche Betrachtungsweise dazu, zu sehr „den Willen des jeweiligen Gesetzgebers i n den Vordergrund zu stellen auf Kosten der zu regelnden privaten Rechtsverhältnisse" 183 . Diesen Gegensätzen zwischen beiden „methodischen Ansätzen" liegt — wie besonders die letzten Einwände zeigen — eine stillschweigende Gedankenverbindung zugrunde, die man als einen gewissen „Kurzschluß" bezeichnen könnte. Es werden nämlich ohne weiteres auf einen Nenner gebracht auf der einen Seite der Ansatz beim „Sachverhalt" („Lebensverhältnis", „Rechtsverhältnis") m i t der „multilateralistischen" Methode „gezielter" Kollisionsgrundnormen 1 8 4 (und vornehmlich allseitiger Kollisionsnormen), auf der anderen Seite der Ansatz beim Gesetz m i t der Suche nach dessen eigenem Anwendungsttnilen 1 8 5 und damit mit der „unilateralistischen" Methode globaler ungezielter K o l l i sionsgrundnormen (unter bevorzugter Benutzung von auf „Einseitigkeit" reduzierten Kollisionsnormen) 1 8 6 .

180 V o r allem Kahn, Ges. K o l l . 94 f.; Kegel, Selbstg. SN. 70; Raape / Sturm, IPR 411. 181 Vgl. unten Β I I I Fn. 288. 182 Vgl. Neuhaus, Grdbegr. 34 f. 183

Gegenst. 14, 16, 24; ders.,

Neuhaus, Grdbegr. 30 f.; ders., Sav. 372. Oben A I I I 2 a. E. 185 Vgl. etwa Braga, Kodif. 427; ders., K o l l . R. 99 - 102, wo die falsche Frontstellung besonders deutlich h e r v o r t r i t t u n d zudem der Unterschied zwischen sachrechtlicher u n d kollisionsrechtlicher Abgrenzung (dazu oben A l l ) nicht beachtet w i r d . Ähnliches gilt f ü r : Graulich, Règles 631 -633; Rehbinder, Polit.; Bucher, Grundfragen 49, 109, 111. Ferner Neuhaus, Sav. 372; ders., Grdbegr. 30 - 37 (bes. 31); Jayme, Krise 360. 186 Oben A I I I 2 a. E., vgl. auch unten T. 4 C I u. C I I I 3. 184

Α . Die S t r u k t u r des räumlichen Kollisionsrechts

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Diese Aufteilung entspricht zwar dem praktizierten oder empfohlenen „Methodenpluralismus", ist aber keineswegs zwingend und erschwert die Klärung des Verhältnisses beider „Ansätze". So wie es möglich ist, m i t gezielten „allseitigen" Normen beim „Sachverhalt" anzusetzen und das anzuwendende Gesetz autonom zu bestimmen, ebenso muß es möglich sein, beim jeweiligen Gesetz anzusetzen und dessen Anwendungsbereich autonom zu bestimmen. Entscheidend ist nur, daß man i n beiden Fällen gezielt die Verbindung schafft, d. h. das Anknüpfungsmerkmal erst einmal selbst festlegt 187 . Dann und nur dann ist das eine die Kehrseite des anderen. M i t unseren allseitigen Kollisionsnormen bestimmen w i r eben nicht nur, auf welche „Lebensverhältnisse" welche Gesetze angewandt werden; w i r bestimmen genauso, unter welchen Umständen welches inoder ausländische Gesetz von uns angewandt wird. So könnten w i r den Satz: „Wenn ein Erbfall zu beurteilen ist („Lebensverhältnis"), dann wenden w i r die Erbgesetze aus dem Heimatrecht des Erblassers an" ohne weiteres auffächern i n viele vom jeweiligen Gesetz ausgehende Sätze: „Das chinesische (spanische, polnische) Erbgesetz ist anzuwenden, wenn ein Chinese (Spanier, Pole) zu beerben ist". W i r legen also nicht nur fest, welche „Lebensverhältnisse" w i r nach welchen Gesetzen beurteilen, w i r legen zugleich fest — und das ist, wie gezeigt, die untrennbar andere Seite des Problems —, wann welche Gesetze (aus unserer Sicht) 1 8 8 anwendbar sein sollen. Diesen Anwendungsbereich in- und auch ausländischer Gesetze bestimmt unser Kollisionsrecht ebenfalls autonom und primär ohne Rücksicht auf einen eventuellen „Anwendungswillen" des ausländischen Gesetzes 189 . Entscheidend ist für uns, ob das fremde Gesetz angewandt werden soll, und nicht, ob es angewandt werden will, u m eine treffende (wenn auch etwas vereinfachende) 190 Bemerkung Kahns 191 aufzugreifen. 187 Ob m a n dann eventuell einem renvoi folgt, ist eine weitere Entscheidung, vgl. unten D I V 3. iss j } e r Anwendungsbereich des fremden Rechts w i r d also von vornherein nur f ü r den „Hausgebrauch" festgelegt. Es geht u m I n h a l t u n d Reichweite unseres eigenen — i n der I P R - N o r m enthaltenen u n d auf das fremde Recht bezogenen — Anwendungsbefehls, des hinzugefügten „imperativen Elements" (oben A I I I 1). Da das fremde Recht hier ohnehin nicht k r a f t seines ursprünglichen „Geltungsanspruchs" angewandt w i r d , ist unerfindlich, w i e die Souveränität des fremden Staates durch Anwendung oder Nichtanwendung berührt werden sollte (es sei denn, es besteht ausnahmsweise eine völkerrechtliche Verpflichtung zur Anwendung). So aber ein T e i l der A n h ä n ger des Unilateralismus (unter T. 4 C I ) ; Bedenken hat offenbar auch Braga, K o l l . R. 101 f. 189 Vorbehaltlich des renvoi, bei dem dann aber auch „gezielt" aufgrund unserer eigenen Entscheidung fremdes Kollisionsrecht angewandt w i r d . 190 Sie ist nämlich p r i m ä r gegen den renvoi gerichtet, berücksichtigt aber insoweit nicht, daß auch die eventuelle Anwendung fremden Kollisionsrechts

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T e i l 2: Die Re-Konstruktion des klassischen IPR-Modells

Somit ergibt sich: Der Ansatz beim „Sachverhalt" („LebensVerhältnis", „Rechtsverhältnis") und der beim Gesetz sind tatsächlich nichts anderes als zwei Seiten ein und desselben Problems, sofern man nur i m System bleibt und das B i l d nicht dadurch verfälscht, daß man beim letzteren abgeht von der selbständigen „autonomen" Bestimmung des Anwendungsbereichs und den eigenen „Anwendungswillen" des fremden Gesetzes ins Spiel bringt. Das ist wiederum deutlich zu erkennen bei Betrachtung des Wirkens einer Kollisionsnorm i m Einzelfall. Der Satz: „Ein Spanier w i r d nach spanischem Erbrecht beerbt" deckt sich inhaltlich m i t dem Satz: „Spanisches Erbrecht ist anzuwenden, wenn der Erblasser Spanier w a r " 1 9 2 . Auch i m zweiten Satz, der vom Gesetz ausgeht, bestimmen wir den Anwendungsbereich (der Anwendungs„ w i l l e " kommt allenfalls sekundär über den Renvoi ins Spiel) 1 9 3 . Schwieriger erscheint die Umkehrung bei den allseitigen Kollisionsnormen, wie sie bei uns üblich sind. Der Satz „Erbfälle sind nach dem Heimatrecht des Erblassers zu beurteilen" läßt sich, wie schon erwähnt, erst umkehren, wenn man ihn gedanklich zerlegt i n Normen, die jeweils die einzelnen nationalen Erbrechte berufen. „Chinesisches (polnisches, spanisches . . . ) Erbrecht ist anzuwenden, wenn der Erblasser Chinese (Pole, Spanier . . . ) war."

i n solch einem F a l l darauf beruht, daß es — aufgrund unserer Entscheidung — angewandt werden soll, vgl. oben A I I I 2. 191 Ges. K o l l . 111. 192 E i n solcher Satz braucht dann natürlich nicht ausschließlich gemeint zu sein. Es können weitere bestehen, die bestimmen, unter welchen Voraussetzungen spanisches Erbrecht noch anzuwenden ist, so etwa — aufgrund komplizierterer Überlegungen — auch i n renvoi-Fällen. 193 Dann lautet der Satz: „Spanisches internationales Erbrecht . . . " . Das ändert aber, w i e gesagt, nichts an der p r i m ä r autonomen „gezielten" A n knüpfung durch uns.

Α. Die S t r u k t u r des räumlichen Kollisionsrechts

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Das zeigt, daß die beim „Sachverhalt" ansetzende allseitige Kollisionsnorm übereinstimmt mit einem Bündel von entsprechenden bei den jeweiligen Gesetzen ansetzenden (autonomen) Kollisionsnormen. Damit erweisen sich diese auf einzelne (in- oder ausländische) Gesetze bezogenen gebündelten Individualnormen als die wahren Elementarteile der allseitigen Kollisionsnormen. So gesehen kennzeichnet der Unterschied zwischen einseitigen, allseitigen, unvollkommen allseitigen u n d individuellen Kollisions normen zunächst lediglich den jeweiligen Bündelungszustand u n d damit u. U. den Fortschritt bei der N o r m b i l d u n g 1 9 4 , während der Unterschied zwischen „einseitigen" (unilateralistischen) u n d „allseitigen" (multilateralistischen) Systemen sehr viel tiefer gründet, nämlich i m inhaltlichen Unterschied der Kollisionsgrundnormen 1 9 5 . Zugleich zeigt sich aber auch, daß zwischen beiden Systemen kein Unterschied besteht, soweit materielle Normen der lex fori berufen werden, denn insoweit sind die Kollisionsnormen i n beiden Systemen gezielt 1 9 8 .

Daß es sich hier jeweils um die Zuweisung eines Geltungsbereiches für bestimmte inhaltlich zusammengebündelte" Normen verschiedener Staaten handelt, t r i t t zutage, sobald Zweifel aufkommen. Wenn es ζ. B. darum geht, ob eine ausländische Regelung erbrechtlich oder ehegüterrechtlich zu „qualifizieren" ist, w i r d auf einmal — trotz des Ansatzes beim „Sachverhalt" — ganz von dem betreffenden Gesetz her argumentiert. Ob dieses Gesetz unter die entsprechende Kollisionsnorm fällt, ist die Frage, und nicht etwa, ob das „Lebensverhältnis" das richtige ist. Das Problem der Qualifikation scheint demnach eng m i t der jeweiligen „Bündelung" zusammenzuhängen; dies w i r d noch näher zu untersuchen sein 1 9 7 . Sind aber die allseitigen Kollisionsnormen zusammengesetzt, gebündelt aus Einzel-Kollisionsnormen (Element-Kollisionsnormen), die die jeweils in Frage kommenden einzelnen staatlichen Gesetze berufen (und ihnen damit zugleich ihren Anwendungsbereich zuweisen), dann könnte es aufschlußreich sein, sich m i t diesen Elementen, insbesondere ihrer rechtspolitischen Existenzberechtigung, näher zu befassen und auf der anderen Seite den Vorgang der Bündelung, der zu unseren allseiti194

Näher unten D I. Oben A I I I 2 a. E. 198 Oben I I I 2 a. E.; unten D I, D I V 3; T. 4 C I I I 2 u. 3. 197 Unten T. 3 Β 11. — Ebenfalls auf diese Weise läßt sich die Beobachtung Kegels, IPR 217, erklären, daß bei der Umgehung dieselbe I P R - N o r m zum einen T e i l „um"gangen, zum anderen Teil „er"gangen werden kann (ζ. B. A r t . 1112 einerseits, soweit sie sich auf Deutschland bezieht, andererseits, soweit sie sich auf Spanien bezieht). Die Erklärung ist einfach: „Um"gangen w i r d aus der „Bündelung" die auf die deutsche Formvorschrift bezogene Einzel-Kollisionsnorm, „er"gangen, die auf die spanische Formvorschrift bezogene Einzel-Kollisionsnorm. 195

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T e i l 2: Die Re-Konstruktion des klassischen IPR-Modells

gen Kollisionsnormen führt, einer genaueren Betrachtung zu unterziehen. Einem möglichen Mißverständnis soll aber sogleich vorgebeugt werden: Es soll hier nicht etwa einer „Atomisierung" unseres Kollisionsnormengefüges i n eine Unzahl von Individualkollisionsnormen das Wort geredet werden. Das wäre praktisch kaum durchführbar und hieße theoretisch das „klassische" IPR zerstören 108 . Es geht vielmehr zunächst allein um die analytische Erkenntnis von Strukturzusammenhängen. Auch die Feststellung, daß jeder Körper aus Atomen besteht, bedeutet schließlich nicht, daß er auch tatsächlich i n seine Atome zerlegt werden soll 1 0 9 . Dennoch führt die bloße Erkenntnis theoretisch und praktisch weiter. Ähnliches erhoffen w i r uns von unserem Vorgehen. 2. Der innere Grund der

Element-Kollisionsnormen

Wie kommt man nun zu der Norm, die ζ. B. anordnet, spanisches Erbrecht anzuwenden, wenn der Erblasser Spanier war, oder italienisches Eheschließungsrecht anzuwenden, wenn die Heiratenden Italiener sind 2 0 0 ? Da diese Element-Kollisionsnormen immer nur einen Rechtssatz einer Rechtsordnung berufen (es kann dies auch ein „Negativ"-Rechtssatz sein) 201 , kann die Frage der „methodischen Ansätze" keine V e r w i r rung mehr stiften. Deren Gleichwertigkeit und Austauschbarkeit ist, wie schon vorgeführt, ohne weiteres zu erkennen. Der entscheidende Gesichtspunkt bleibt, daß auch dann, wenn wir zum Ansatz beim Gesetz überwechseln, wir es sind, die mit unseren eigenen autonomen Kollisionsnormen dem fremden Gesetz seinen Anwendungsbereich — mit Wirkung für uns — zuschreiben. Vor dieser Erkenntnis besteht eine verbreitete Scheu. Man drängt sie zurück, indem man stets den Ansatz beim „Sachverhalt" betont, und 198 Darauf läuft w o h l das System Currie' s hinaus, dem es nicht u m eine strukturelle Erkenntnis geht, sondern u m die reale Auflösung der Kollisionsrechtsordnung i n immer wieder neu ad hoc zu ermittelnde u n d auf die jeweilige Sachregelung i m konkreten Tatsachenzusammenhang bezogene „Rechtsanwendungsinteressen" aus der Sicht des Staates, der die betreffende Sachregelung erlassen hat. Gegen eine solche Aufsplitterung insbesondere Kegel, Crisis 204; ders., Wandel 44. Vgl. w e i t e r h i n unten T. 4 C I I 2 - 5. 199 Dieser Vergleich sei gestattet, nachdem m a n das internationale P r i v a t recht ohnehin schon als „ A t o m p h y s i k der Jurisprudenz" bezeichnet hat: Zweigert, D r i t t e Sch. 35. 200 Es sei nochmals betont, daß unsere Kollisionsnorm normalerweise als Kollisionsgrundnorm a u f t r i t t und spanisches internationales bzw. italienisches internationales Eheschließungsrecht beruft. Dies k a n n indessen bei der weiteren Betrachtung vernachlässigt werden, w e i l der Verweisungsvorgang derselbe ist. 201 Oben A I V , zu Fn. 170 f.

Α . Die S t r u k t u r des räumlichen Kollisionsrechts

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w i l l anscheinend nicht zur Kenntnis nehmen, daß man damit diese andere Seite nur verdeckt. Und wenn man doch vom Gesetz her fragt, meint man dies nur m i t dem fremden Anwendungs„willen" des betreffenden Gesetzes beantworten zu können. Damit aber identifiziert man sich insoweit — bewußt oder unbewußt — m i t der These der Unilateralisten, der zufolge man den Anwendungsbereich eines Gesetzes nicht von dem Gesetz selbst trennen könne, daß beides m i t h i n nur von ein und demselben Gesetzgeber herrühren könne. Das aber ist eine ganz unbewiesene — und unbeweisbare — petitio principii und übrigens die erste Schwachstelle der unilateralistischen Systeme 202 . Denn die Sachregelung (das rationale Element) einer Norm kann durchaus m i t dem räumlich begrenzten Anwendungsbefehl eines anderen Staates verbunden werden, ebenso wie der Staat i n der Lage wäre, für bestimmte „Auslandssachverhalte" fremde Sachregelungen selbst nachzubilden, sie in irgendeiner Form zu „rezipieren", ein Gedanke, der bekanntlich von den verschiedenen kollisionsrechtlichen Rezeptionstheorien aufgegriffen wird. Keinem Staat kann verwehrt werden, sich den sachlichen Inhalt fremder Normen für einzelne, von i h m näher bestimmte Fälle zu eigen zu machen und sie insoweit m i t einem eigenen Anwendungsbefehl auszustatten. Diese Scheu vor dem Eingeständnis, daß das eigene Kollisionsrecht „aus eigener K r a f t " fremden Gesetzen einen Anwendungsbereich zuschreibt, beruht sicher auf der bereits erwähnten unklaren Position des „Internationalen" i m IPR, auf der Vorstellung, daß eigentlich ein übergeordneter Normgeber übergeordnete Normen setzen müßte und daß der nationale Gesetzgeber, der hier notgedrungen einspringe, eine „Schiedsrichter"-Rolle ausfülle, der er i m Grunde gar nicht gewachsen sei 2 0 3 . Demgegenüber steht die Sicht des IPR als eines corpus von staatlichen Rechtssätzen, die aus den weltweit vorhandenen Normen autonom diejenigen auswählen, deren Anwendung (nicht deren Inhalt!) i m gegebenen Fall nach eigener rechtspolitischer Wertung am gerechtesten erscheint. Sie braucht bei richtiger Handhabung den V o r w u r f des „Provinzialismus" oder gar den des „juristischen Chauvinismus" nicht zu fürchten. I m Gegenteil: Sie erst ermöglicht die Verwirklichung dessen, was w i r „internationalprivatrechtliche Gerechtigkeit" nennen; sie ist es, die uns den Blick von den Gesetzgebern fort und auf die beteiligten Menschen richten läßt 2 0 4 .

202

Unten T. 4 C I. Oben A I I I 1 Fn. 71. 204 Es ist also n u r mittelbar der „Ansatzwechsel", der dies b e w i r k t ; anders Neuhaus, Sav. 372, ders., Grdbegr. 31. 203

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Teil 2: Die Re-Konstruktion des klassischen IPR-Modells D a m i t steht m a n v o r d e r entscheidenden F r a g e : W a n n ist es „ g e -

r e c h t " , die A n w e n d u n g eines b e s t i m m t e n — i n - oder ausländischen — Gesetzes m i t e i n e m b e s t i m m t e n S a c h v e r h a l t z u v e r k n ü p f e n ? H i e r w i e ü b e r a l l , w o w i r uns u m eine „ g e r e c h t e " E n t s c h e i d u n g b e m ü hen, h a b e n w i r es m i t Interessen z u t u n 2 0 5 . Es s i n d dies die Interessen, d i e der Auswahl einer d e r „ z u r V e r f ü g u n g " stehenden n a t i o n a l e n N o r m e n z u g r u n d e liegen, u n d n i c h t die Interessen, die der Sachregelung i n diesen N o r m e n selbst z u g r u n d e l i e g e n 2 0 6 . Sie s i n d v o n Kegel e i n g e t e i l t w o r d e n i n P a r t e i - , V e r k e h r s - , u n d O r d n u n g s i n t e r e s s e n sowie ( v o r n e h m l i c h i m ö f f e n t l i c h e n Recht) „ M a c h t i n t e r e s s e n " u n d (ausnahmsweise) „ m a t e r i e l l - p r i v a t r e c h t l i c h e I n t e r e s s e n " — e i n K a t a l o g , der i n d e r L a g e ist, eine erste Ü b e r s i c h t ü b e r die b e t e i l i g t e n K r ä f t e z u g e b e n 2 0 7 . N a t ü r l i c h w i r d es m e i s t so sein, daß es d e r k o n k r e t e n P a r t e i g l e i c h g ü l t i g ist, welche N o r m a n g e w a n d t w i r d , solange sie n u r Recht b e k o m m t . E i n Parteiinteresse a n e i n e r b e s t i m m t e n Sachregelung, gen a u e r : e i n e m b e s t i m m t e n m a t e r i e l l e n Ergebnis, besteht sehr w o h l . N u r k a n n es n i c h t — j e d e n f a l l s n i c h t p r i m ä r 2 0 8 — b e r ü c k s i c h t i g t w e r d e n . E n t g e g e n stehen n ä m l i c h e i n m a l das Interesse der a n d e r e n P a r t e i a n e i n e m a n d e r e n Ergebnis, v o r a l l e m aber das Interesse d e r A l l g e m e i n h e i t a n objektiven K r i t e r i e n u n d d a m i t a n der V e r w e r t u n g l e d i g l i c h 205 A m Begriff des „Interesses" w i r d hier festgehalten, auch wenn zunehmend die „Interessenjurisprudenz" als durch „Wertungsjurisprudenz" abgelöst angesehen w i r d (vgl. etwa Larenz, Meth. L. 128 - 138). „Wertung" und „Interesse" dürften n u r zwei Seiten desselben Problems betreffen, nämlich einen Beurteilungsvorgang u n d den Gegenstand dieses Vorgangs. Daß i m so verstandenen „Interesse" nicht n u r das Interesse, das Wünschen u n d Wollen der Parteien zu sehen ist, sollte sich von selbst verstehen: Eingeschlossen ist ζ. B. auch das Interesse der „Allgemeinheit", etwa an Rechtssicherheit, an Leichtigkeit des Verkehrs, an Durchsetzbarkeit gerichtlicher Entscheidungen usw. (vgl. den Katalog bei Kegel, unten Fn. 207). Letztlich ist es aber immer der begründete W i l l e von Menschen (sei er ausgesprochen oder vermutet), der i m Recht etwas bewegt, eben das „Interesse". 206 Z u diesen materiellrechtlichen Interessen und kollisionsrechtlichen I n teressen treten noch die sog. staatlichen „Rechtsanwendungsinteressen", m i t denen die neueren amerikanischen Vorschläge zum T e i l arbeiten. Sie sind etwas anderes als die „kollisionsrechtlichen Interessen" (auch die des Staates!), w e i l sie bereits das Ergebnis der jeweiligen Wertung kennzeichnen, den sog. „Anwendungsanspruch" aus der Sicht des jeweiligen Staates; näher unten T. 4 Β I V u. C I I 2. Leider w i r d , w e n n von „Interessen" die Rede ist, nicht immer geschieden, u m was es sich handelt — manchmal geht alles durcheinander; so möglicherweise m i t u n t e r bei Gutzwïller , Ziel 166 - 169, 189, 192 - 196. 207 Vgl. die Darstellung und Zuordnung bei Kegel, I P R 5 6 - 6 7 ; ders., Begr. Int. Jur. 270 - 279. Hierzu zuletzt Batiffol, Int. ; Lüderitz, A n k n . Etwas anderes als die wesentlichen Typen sollte damit nicht dargestellt werden (Kegel, Begr. I n t . Jur. 274), insbesondere kein geschlossenes System. — Ä h n lich die A n k n ü p f u n g s - „ M a x i m e n " bei Neuhaus, Grdbegr. 160 - 170. Vgl. auch unten Β V I , zu Fn. 410 - 414. 208 Vgl. dazu unten D I V 5.

Α . Die S t r u k t u r des räumlichen Kollisionsrechts

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typisierbarer Interessen. So begrenzen selbst diejenigen, die dafür eintreten, jeweils die bessere, „fortschrittlichere" Norm heranzuziehen, die mögliche Auswahl durch objektive Kriterien. Stets die jeweils „beste" Norm unter allen existierenden oder existiert habenden auszuwählen 2 0 9 , schlägt niemand vor; denn das bedeutete die Auflösung nicht nur jeder Kollisionsrechtsordnung, sondern auch jeder Sachrechtsordnung 2 1 0 . Grundlage jeder Kollisionsnormbildung ist somit das — gewissermaßen axiomatisch vorausgesetzte — Gemeininteresse an der Existenz eines objektiven Normengefüges, jenes Basis-Interesse der Gesellschaft, das schon die Entscheidung zugunsten von Sachrechtsordnungen — unter Ablehnung freier Billigkeitsentscheidungen — trägt, ein überwältigendes „Ordnungsinteresse", wenn man so w i l l , und zugleich ein „Verkehrsinteresse" an der Schaffung eines geordneten Rechtsverkehrs. Diese Grundforderung bewirkt, daß eine Norm nur dann kollisionsrechtlich m i t einem Sachverhalt verbunden werden kann, wenn zu dem „rechtlichen Milieu" dieser Norm irgendein objektiver, typisierbarer Mindest-Zusammenhang, eine Anknüpfung, besteht 211 . I m so vorgezeichneten Rahmen kann aus dem Kreis der vorhandenen Normen der einzelnen Rechtsordnungen i m Wege besonderer Interessenwertung die schließlich anwendbare gewählt werden. Nur so können willkürliche, ganz und gar unvorhersehbare Entscheidungen vermieden werden. Auch bei dieser weiteren Wertung geht es lediglich um die Interessen, die auf die eine oder andere Anknüpfung gerichtet sind. Das bloße Parteiinteresse an Anwendung einer schlicht günstigen Norm bleibt unberücksichtigt, w e i l es nicht typisierungsfähig ist und weil es eine Parteinahme vor der Sachentscheidung erfordert und daher i m allgemeinen ungeeignet ist (sofern nicht ausnahmsweise ein besonderes Interesse der Rechtsgemeinschaft an solcher Parteinahme vorhanden ist, das sich indessen nur i n einem bestimmten vorgesteckten Rahmen auswirken kann) 2 1 2 . Jede der i n den allseitigen Kollisionsnormen enthaltenen ElementKollisionsnormen ist somit aus einer Wertung aller i n diesem Zusammenhang erkannten Interessen hervorgegangen. Sie ist behaftet m i t all den Fehlern und Unsicherheiten, die weder bei der Feststellung von 209 So die (argumentative) konsequente Zuspitzung der b e t t e r - l a w - V o r schläge durch Kegel, Wandel 36. 210 Vgl. unten T. 4 C I I 7. 211 Dafür kann es u. U. auch genügen, daß die Parteien die betreffende Rechtsordnung als anwendbar vereinbart haben, oder aber, daß sie das Recht des Gerichtsstaats (lex fori) ist. 212 Hierzu unten D I V 5.

7 Schurig

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T e i l 2: Die Re-Konstruktion des klassischen IPR-Modells

Interessen noch bei deren Bewertung und Abwägung zu vermeiden sind. Aber es ist der einzige Weg, zu einer Lösung zu kommen, die man als „gerecht" bezeichnen kann. Und diese Wertung wird, u m es noch einmal zu betonen, von uns völlig autonom vorgenommen, auch wenn die Norm, um deren Anwendung es geht, eine ausländische ist. So geschieht es i m Interesse der Partei, wenn w i r Normen, die die Person betreffen, auf die Staatsangehörigen der jeweiligen Staaten anwenden 2 1 3 . Dabei werden mitunter Interessen anderer Personen hintangestellt, ζ. B. nach dem Grundsatz des A r t . 15 EGBGB (wie weit er noch gilt, sei dahingestellt) das der Frau gegenüber dem des Mannes. Auch ist es eine ewige Frage, ob den Interessen der Person besser gedient ist durch Anwendung der Normen des Heimat-, Wohnsitz- oder etwa des Aufenthaltsrechts 214 . Das Interesse der Partei kann zurückstehen hinter Verkehrsinteressen, ζ. B. wenn der Inlandsverkehr gegen ausländische Einschränkungen der Geschäftsfähigkeit geschützt w i r d (Art. 7 Abs. 3 EGBGB). Interessen am Zusammenhang der kollisionsrechtlichen Gesamtordnung können als besondere Ordnungsinteressen die Anknüpfung beeinflussen. Auch das Interesse an einem materiellrechtlich möglichst geschlossenen Ergebnis kann den Ausschlag geben, wenn eine Sachnorm deshalb gewählt wird, weil bereits andere, verbundene Fragen nach dieser Rechtsordnung beantwortet werden 2 1 5 . Die Möglichkeiten des Zusammenspiels sind mannigfaltig und entziehen sich einer geschlossenen Systematisierung 216 . Welche Bedeutung hat nun bei all dem der Inhalt der Sachnorm? Wenn dem klassischen Kollisionsrecht vorgeworfen w i r d (und von seinen Verfechtern ζ. T. bestätigt wird), auf den Inhalt der Sachnorm komme es nicht an, so zeigt schon ein Blick auf die Struktur der K o l l i sionsnorm 217 , daß dies so nicht richtig sein kann 219. Ergab die Untersuchung der Kollisionsnorm „ i m Einsatz", nunmehr genauer: der Element-Kollisionsnorm, daß i n ihrem Tatbestand sowohl die Sachnorm wie auch deren (materiellrechtlicher) Sachverhalt wie auch Anknüpfungsmomente für beide enthalten sind, so erscheint es ausgeschlossen, 213

Vgl. zum folgenden insbes. Kegel, I P R 5 6 - 6 3 ; Lüderitz, A n k n . Es spielen noch andere Interessen hinein, dazu Kegel, I P R 56 f., und neuerdings eingehend Lüderitz, A n k n . Vgl. ferner unten T. 3 Β 1 2 Fn. 56. 215 Vgl. auch unten D I V 1 zu Fn. 622. 216 Näher i m folgenden u n d unten D I I I . 217 Oben A I V . 218 A u f Beziehungen zwischen Kollisions- u n d Sachrecht weisen aber h i n ζ. B. Batiffol, Plur. 81; Lüderitz, A n k n . 3 1 - 4 0 ; Raape / Sturm, I P R 22; Bucher, Grundfragen 33; van Hecke, Princ. 481; Siehr, Wechselw.; Schulze, ö f f . R. 116. Zurückhaltend Neuhaus, Wege, der solche Beziehungen zwar i m Prinzip nicht leugnet (417), sie aber zurückdrängen möchte (407). Vgl. auch die nächste Fn. 214

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daß es auf die Sachnorm, immerhin ein Tatbestandselement, weiter nicht ankommen solle. Schon das bekannte Phänomen der Qualifikation beweist das 2 1 9 . Eine Sachnorm w i r d unter A r t . 24, 25 EGBGB gezogen, weil sie erbrechtlichen, unter A r t . 15 EGBGB (eventuell!), weil sie ehegüterrechtlichen, unter A r t . 11 EGBGB, weil sie formrechtlichen Charakter hat. Die Sachnorm — genauer: die ihr zugrunde liegenden materiellrechtlichen Interessen — gehören m i t zum „Rohstoff" der kollisionsrechtlichen Interessenwertung. Eben weil das Erbrecht, das Eherecht, das Recht der Geschäftsfähigkeit vor allem den Interessen des Betroffenen (materiell) dienen, werden die diese Gebiete betreffenden Normen „ i m Parteiinteresse" dessen Heimatrecht entnommen 2 2 0 . Weil bei sachenrechtlichen Geschäften starke Interessen des Rechtsverkehrs i m Spiel sind (Kundmachungsfunktion von Übergabe bzw. Eintragung, Gutglaubensschutz) und weil dieser Rechtsverkehr sich meist nahe der Sache verwirklicht, w i r d i m Verkehrsinteresse an den Lageort angeknüpft. Das Deliktsrecht etwa dient materiell dem Interesse des Geschädigten an Kompensation des Schadens, außerdem dem Interesse des Schädigers an Begrenzung der Ersatzpflicht, aber auch insgesamt dem Interesse des Verkehrs an einem Kodex „richtiger" Verhaltensnormen und Sicherung der Freiheitsräume. Kollisionsrechtlich entscheidet meist das Verkehrsinteresse an Anwendung des Rechts des Deliktsorts, das sich auf das letztgenannte „neutrale" materielle Interesse bezieht, es kann aber übergewechselt werden zu den persönlichen Interessen der Beteiligten, wenn diese — kollisionsrechtlich gewertet — ausnahmsweise zu denselben Rechtsanwendungsinteressen führen (etwa bei gemeinsamem Heimatrecht) 221 . „Jede materielle Norm w i r f t ihren privatinternationalen Schatten", bemerkte scharfsichtig Franz Kahn und meinte damit bestimmt nicht, daß der Sachnorm selbst ihr Anwendungsbereich unmittelbar entnommen werden könne 2 2 2 . 219 So auch Kahn, Rvgl. 496; Neuner, Sinn 12 f.; Gamillscheg, Überl. 84; Melchior, Grdl. 119. Vgl. ferner Kegel, Gegenst. 31: Es müssen „Zweck u n d W i r k u n g " der ausländischen Vorschriften untersucht werden; ders., Crisis 199, 202 f.; ders., I P R 143- 146 (dennoch soll es aber i m I P R auf den I n h a l t des fremden Rechts generell nicht ankommen, I P R 55 f.); Kropholler, Vergi. Meth. 7 f.; Batiffol, Asp. 30; Raape/ Sturm, I P R 276; Falconbridge, Confi. 58 - 69. Nach Wengler, Qual., bilden „materielle Rechtssätze" den Gegenstand der Qualifikation; genauer müßte m a n sagen: die auf die materiellen Rechtssätze bezogenen Element-Kollisionsnormen (unten T. 3 Β 11). 220 "Wieweit eine solche A n k n ü p f u n g w i r k l i c h dem Parteiinteresse entspricht u n d w i e dieses ausgerichtet ist, soll hier nicht diskutiert werden. Daß diese Fragen wesentlich komplexer sind als oft angenommen, hat jüngst Lüderitz, Ankn., dargelegt. 221 Vgl. hierzu Soergel / Kegel, EGBGB, A r t . 12, Rdn. 2 2 - 3 0 ; weitergehend Kropholler, Ankn. 222 Kahn, I n h a l t 293, (der auf die Trennung von Kollisions- u n d Sachrecht größten Wert legte, vgl. nächste Fn.) — Der Vergleich geht übrigens tiefer,



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T e i l 2: Die Re-Konstruktion des klassischen IPR-Modells

D e n n das i s t das Entscheidende: D e r „ A n w e n d u n g s b e r e i c h " e r g i b t sich n i c h t aus der m a t e r i e l l e n N o r m u n m i t t e l b a r 2 2 3 ; n ö t i g ist stets eine gesonderte k o l l i s i o n s r e c h t l i c h e W e r t u n g (für diese N o r m ) 2 2 4 , d i e aber z w a n g s l ä u f i g auch d u r c h d e n I n h a l t der S a c h n o r m u n d d i e d u r c h sie m a t e r i e l l geschützten Interessen g e p r ä g t w i r d , f ü r d i e diese aber andererseits n u r M a t e r i a l s i n d 2 2 5 . Nicht anders zu verstehen ist übrigens auch der häufig zitierte — u n d aus dem Zusammenhang gerissene — Satz Kegels 226 : „ D e n Zweck der Sachnorm k a n n man streichen." Dies bezieht sich n u r auf den unmittelbaren Einfluß des materiellrechtlichen Zwecks, nicht auf den mittelbaren. Denn es heißt kurz d a r a u f 2 2 7 : „Der Zweck der Sachnorm allein besagt also nichts. E r w i r d n u r bedeutsam als Gegenstand bestimmter Interessen, u n d diese g i l t es zu finden." N o c h a u g e n f ä l l i g e r i s t die B e d e u t u n g des m a t e r i e l l e n I n h a l t s b e i d e r k o l l i s i o n s r e c h t l i c h e n E n t s c h e i d u n g i n a l l e n F ä l l e n , i n denen i n f o l g e v o n Mehrfachanknüpfung verschiedene Gesetze „zugleich" b e r u f e n w e r d e n 2 2 8 . W e n n z. B . A r t . 7 A b s . 1 E G B G B f ü r die G e s c h ä f t s f ä h i g k e i t einer P e r s o n d e r e n H e i m a t r e c h t h e r a n z i e h t , A b s . 3 aber „ i m I n l a n d " z u m i n l ä n d i s c h e n Gesetz ü b e r g e h t , sobald das H e i m a t r e c h t d i e Geschäftsfähigk e i t enger b e u r t e i l t 2 2 9 , d a n n i s t diese k o n k u r r i e r e n d e K o l l i s i o n s n o r m i n als man auf den ersten Blick meint: Den „privatinternationalen Schatten" k a n n die Sachnorm nämlich erst „ i m L i c h t " kollisionsrechtlicher Betrachtung werfen; spricht m a n hingegen, wie heute häufiger üblich (z.B. Bucher, Grundfragen 190, 194) von der kollisionsrechtlichen „Ausstrahlung" des Sachrechts, dann wäre die Sachnorm selbst die Quelle dieses Lichts. 223 Die Kollisionsnorm ist gegenüber der Sachnorm „rechtspolitisch ein aliud", Kegel, Selbstg. SN. 78. So auch schon eingehend Kahn, Ges. Koll. 26 f.; ders., I n h a l t 307-311; ders., Rvgl. 493; vgl. w e i t e r h i n unten Β I V zu Fn. 344. 224 Vgl. auch unten T. 4 C I I 2. 225 Schon v. Bar, Theorie 117 - 119, stellte auf die „Zwecke" der verschiedenen Gesetze ab (vermengte diese Frage aber ζ. T. m i t der „Auslegung" materieller Rechtssätze). Den Einfluß der Sachinteressen betont auch Beitzke, Meth. 919 f. (der aber ebenfalls zu sehr unter dem Bann der materiellen lex fori zu stehen scheint); ferner ders., N a t . R . 289, 291; Betti, Grdprobl. 247 f.; Landò, Meth. 29; Siehr, Wechselw. (der indessen nicht deutlich genug trennt u n d „versteckte" Kollisionsnormen durch „räumliche Interpretation" von Sachrecht gewinnen w i l l ) ; ζ. T. zu weitgehend Braga, K o l l . R. 98 („Die I P R N o r m ist zugleich Verweisungs- und Sachnorm"). — Francescakis, Préc. 14 f., beschränkt diese Erkenntnis zu Unrecht auf die „lois d'application immédiate". 226 Kegel, Begr. I n t . Jur. 268. 227 Ebd. 269. 228 Kegel, Wandel 39, scheint hier eher einen weiteren F a l l zu sehen, i n dem materiellprivatrechtliche Gerechtigkeit ausnahmsweise über internationalprivatrechtliche siegt, ähnlich wie bei ordre public u n d A n w e n d u n g der Grundrechte. Vgl. demgegenüber unten D I V 5, T. 3 Β V I I . 229 Jedenfalls w e n n der Geschäftspartner von der Maßgeblichkeit ausländischen Rechts keine Kenntnis hat (str., vgl. Soergel / Kegel, EGBGB, A r t . 7, Rdn. 16).

Α . Die S t r u k t u r des räumlichen Kollisionsrechts

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hohem Maße vom Inhalt jener Sachnormen abhängig. Ähnlich ist es bei der alternativen Anknüpfung der Form i n A r t . 11 EGBGB. Man kann davon sprechen, daß hier Orts- und Geschäftsstatut berufen werden; tatsächlich w i r d aber, wenn nach dem einen Formgültigkeit besteht, nach dem anderen nicht, stets nur dasjenige der beiden angewandt, nach dem die Form materiell (!) gültig ist. Nicht anders ist es i m internationalen Deliktsrecht, wenn zugunsten des Verletzten alternativ an das Hecht des Handlungs- oder des Erfolgsorts angeknüpft w i r d : Das eine oder das andere w i r d herangezogen, weil es den Verletzten materiell günstiger stellt 2 3 0 . Was bei letzterem den Ausschlag g i b t 2 3 1 , ist nicht das schlichte Interesse des Verletzten an einer günstigen Entscheidung (ein entsprechendes, n u r entgegengesetztes Interesse hat auch der Schädiger), sondern das Interesse der Rechtsgemeinschaft an Durchführung eines weitgehenden Schutzes des Geschädigten als des „Opfers" 2 3 2 , jedoch nur i m Rahmen des durch vorhergehende kollisionsrechtliche Interessenabwägung gefundenen Spielraums (nämlich des mehrdeutigen „Deliktstatuts"); beim Formstatut ist es das Interesse des Verkehrs an Aufrechterhaltung eines geschlossenen Geschäfts, das sich wiederum n u r auswirken k a n n i m Rahmen des durch vorhergehende kollisionsrechtliche Interessenabwägung gefundenen Spielraums Geschäftsrecht/Ortsrecht 233 .

Derlei Beispiele gibt es viele. Wenn etwa in A r t . 7 EGBGB vom Heimatrecht des Betroffenen zum Ortsrecht übergegangen wird, sobald die Verkehrsinteressen wegen des sachlichen Inhalts der jeweiligen Normen kollisionsrechtlich als überwiegend anzusehen sind, wenn es i m übrigen aber auf den Inhalt der betreffenden Sachnormen nur für die Frage ankommt, ob sie als gerade die „Geschäftsfähigkeit" einer Person betreffend zu qualifizieren sind, und insoweit ein mehr oder weniger breites Spektrum bleibt, dann läßt sich schon vermuten: Die viel beschworene Indifferenz der Kollisionsnorm gegenüber dem Inhalt der von ihr berufenen Sachnormen muß zusammenhängen m i t der A r t und Weise der „Bündelung". U m es hier vorwegzunehmen: Auf den Inhalt der Sachnormen kommt es nur solange nicht an, wie die Abweichung der Inhalte auf die kollisionsrechtliche Interessenwertung nicht durchschlägt.

230

Vgl. auch Batiffol, Plur. 132 f. 231 Vorausgesetzt, daß man diese A n k n ü p f u n g überhaupt als interessengerecht gelten lassen w i l l (wofür u. E. schon faktisch ihre A n w e n d u n g i n der Praxis spricht), u n d sie nicht als bloße Fortsetzung (prozessualen) Zuständigkeitsdenkens v e r w i r f t . 232 I h m g i l t die „Sympathie" (Kegel, I P R 308), w e i l er eine Rechtseinbuße möglicherweise ganz ohne sein Z u t u n hat erleiden müssen u n d ohnehin i n die ungünstige Position des Fordernden gedrängt w i r d . 233 Allgemein zur Anknüpfungshäufung unten D I V 5.

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T e i l 2: Die Re-Konstruktion des klassischen IPR-Modells

Zusammengefaßt: Die Element-Kollisionsnormen, i n die die gebräuchlichen Kollisionsnormen sich zerlegen lassen, zeigen besonders deutlich die Gleichwertigkeit der beiden Ansätze, weil sie stets eine Norm m i t einem Sachverhalt verbinden und ohne weiteres umkehrbar sind. Sie sind Produkt autonomer Wertung derjenigen (Individual- und Kollektiv-)Interessen, die sich gerade auf die räumliche Verknüpfung der Norm, auf ihre Auswahl aus dem „internationalen Fundus" beziehen. Es sind andere Interessen als diejenigen, die der Sachnorm selbst zugrunde liegen, jedoch auf diese bezogen. Die materiellen Interessen sind — neben anderem — „Rohstoff" der gesonderten kollisionsrechtlichen Wertung. Dem B i l d vom „Sitz" oder „Schwerpunkt" des Rechtsoder Lebensverhältnisses könnte man so das B i l d vom „Sitz" oder „Schwerpunkt" der materiellrechtlich verarbeiteten Interessen gegenüberstellen 2 3 4 . Auch diese beiden Bilder kennzeichnen nur die zwei Seiten desselben Problems. 3. Vertikale

Bündelung

(Sachzusammenhang)

I n welcher Form setzen sich nun die allseitigen Kollisionsnormen aus solchen Element-Kollisionsnormen, ihren — zumindest gedanklichen — Bestandteilen, zusammen? Diese Zusammenfassung der Elemente erfolgt auf zweierlei Weise, die w i r vertikale und horizontale Bündelung nennen wollen. Die gängigen allseitigen Kollisionsnormen, die gesetzlichen wie die gewohnheitsrechtlich gebildeten, bestimmen die anwendbaren „Entscheidungsnormen" nicht nur für eine bestimmte einzelne Rechtsfrage, etwa die gesetzliche Erbfolge vom Vater auf den Sohn oder das M i n destalter für eine gültige Eheschließung oder den Schadensersatz bei Nichterfüllung eines Kaufvertrages. Die auf diese einzelnen Vorschriften bezogenen Element-Kollisionsnormen werden vielmehr zusammengefaßt, „gebündelt" nach bestimmten zusammenhängenden Sachgebieten. Diese Bündelung w i r d hier als „vertikal" bezeichnet, w e i l sie sich auf den inneren Zusammenhang der gleichzeitig berufenen Bestimmungen bezieht und nicht auf das Nebeneinander verschiedener Rechtsordnungen. Bei ihr bedient man sich weitgehend der Begriffswelt der materiellrechtlichen Systematik. Was sachrechtlich ein „Rechtsinstitut" ist, oft auch nur, was schulmäßig eine Einheit bildet, soll möglichst i n gleicher Weise angeknüpft werden. Diese gemeinschaftlich berufenen, sachlich-systematisch zusammenhängenden Normen werden dann unter den Sammelbegriff „Statut" zusammengefaßt. So gehören zu dem vom Grundsatz der A r t . 24, 25 EGBGB erfaßten einheitlich angeknüpften 234 Schon Kahn stellt darauf ab, an welcher „Stelle" das geschützte (gesellschaftliche) „Interesse" liegt, Ord. pubi. 253. Ä h n l i c h Beitzke, Nat. R. 291.

Α . Die S t r u k t u r des räumlichen Kollisionsrechts

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„Erbstatut" 2 3 5 so verschiedene Rechtsfiguren wie Bestimmung des Erbfalls, Umfang des Nachlasses, gesetzliche Erbfolge, gewillkürte Erbfolge, Erwerb, Änderung und Verlust der Erbenstellung, Nachlaßhaftung, Erbersatzansprüche und Erbausgleich, Testamentsvollstreckung und Nachlaßverwaltung, Pflichtteil. Nicht unter das „Erbstatut" (sondern unter das „Güterrechtsstatut") gezogen w i r d dagegen der Zugewinnausgleich beim Tode des Ehegatten durch Erhöhung des Erbteils 2 3 6 . Andere Kollisionsnormen haben ein erheblich weniger breites Spektrum. So existiert kein allgemeines Familienstatut, nicht einmal ein einheitliches „Ehestatut". Hingegen werden einzelne sachliche Untergruppen zu den jeweiligen, verschieden angeknüpften, „Statuten" zusammengefaßt, etwa der Eheschließung, der persönlichen Ehewirkungen, des ehelichen Güterrechts, der Scheidung. Ebenso gibt es kein homogenes Statut der Kindschaft, vielmehr je ein solches der Abstammung, der ehelichen Kindschaft, der nichtehelichen Kindschaft, des Unterhalts, der Legitimation und Adoption, der Vormundschaft 2 3 7 . Aus dem Statut des Schuldvertrages werden zunehmend die „Eingriffsnormen" und ähnliches herausgebrochen und gesondert angeknüpft. Damit stellt sich die Frage, wodurch sich diese ganz unterschiedlichen, teils weiten, teils engen „vertikalen" Bündelungen nach Systematik und Sachzusammenhang rechtfertigen. Jetzt w i r d bedeutsam, daß die von uns „herauspräparierten" Element-Kollisionsnormen, die jeweils eine Sachnorm m i t einem Sachverhalt verbinden, Produkte besonderer, „kollisionsrechtlicher" Interessenfeststellung und -bewertung sind 2 3 8 . Zunächst können ElementKollisionsnormen sinnvoll nur dann i n einer Norm „gebündelt" werden, wenn sie Sachnormen 239 für anwendbar erklären, die i n gewissem systematischen Zusammenhang untereinander stehen; doch ist damit nur der äußere Rahmen gesteckt. Das allein entscheidende K r i t e r i u m ist vielmehr, daß sie auf einer vergleichbaren kollisionsrechtlichen Interessenabwägung beruhen, welche stets zu demselben Ergebnis (zu derselben abstrakten Anknüpfung) führt So ist i n bezug auf alle Vorschriften, die unter das „Erbstatut" fallen, die kollisionsrechtliche Interessenabwägung zu dem Ergebnis gelangt, 235 χ η vielen Staaten gibt es f ü r den beweglichen u n d den unbeweglichen Nachlaß je ein „Erbstatut". 236

Str., vgl. Soergel / Kegel, EGBGB, A r t . 15, Rdn. 9; Ferid, I P R Rdn. 8 -130. 237 I n Staatsverträgen w i r d häufig aus politischen Rücksichten („kleinster gemeinsamer Nenner") anders zusammengefaßt oder aufgeschlüsselt. 238 Oben A V 2. 239 Oder Kollisionsnormen, soweit es sich u m „Kollisionsgrundnormen" handelt; vgl. oben A V 2 Fn. 200.

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T e i l 2: Die Re-Konstruktion des klassischen IPR-Modells

daß das Parteiinteresse des Erblassers den Ausschlag geben müsse: alle diese Bestimmungen werden angewandt, wenn der Erblasser die Staatsangehörigkeit des betreffenden Staates besessen hat; daher ist die vertikale Bündelung i n diesem Umfang möglich. A u f der anderen Seite hat die entsprechende kollisionsrechtliche Interessenabwägung beim Eherecht ursprünglich 2 4 0 dazu geführt, die Vorschriften, die die „persönlichen Ehewirkungen" betreffen, dem jeweiligen Heimatrecht des Mannes zu entnehmen, diejenigen, die das „Ehegüterrecht" betreffen, dagegen seinem Heimatrecht bei Heirat. Nur i n diese jeweiligen Gruppen konnten daher die auf die einzelnen Sachnormen bezüglichen Element-Kollisionsnormen gebündelt werden 2 4 1 . Somit zeigt sich: K r i t e r i u m der Bündelung von Element-Kollisionsnormen, welche sich auf systematisch-sachlich zusammengehörige Sachnormen beziehen, ist allein die vergleichbare kollisionsrechtliche I n teressenabwägung, die zu einem übereinstimmenden Ergebnis geführt hat 2 4 2 . Die dem Sachrecht entlehnten Systembegriffe sind lediglich M i t t e l zur Kennzeichnung dieser Bündelung; i n Zweifelsfällen muß man also „hinter" sie zurückgehen 243 . So erklärt sich das Phänomen, daß die Bedeutung von i m Kollisionsrecht gebrauchten Systembegriffen von der materiellrechtlichen Bedeutung i n derselben Rechtsordnung abweichen kann 2 4 4 .

240 Die Bestimmungen werden heute weitgehend f ü r gleichheitssatzwidrig u n d von vielen f ü r deshalb nicht mehr anwendbar gehalten; auf diese Fragen k o m m t es i n unserem Zusammenhang indessen nicht an. 241 Andererseits werden auch m i t u n t e r Gruppen gesetzestechnisch zusammengefaßt, bei denen die (kollisionsrechtlich gleichbehandelten) Sachnormenkomplexe eher entfernt verwandt sind; so etwa i n A r t . 22 EGBGB, betr. Adoption u n d beide Formen der Legitimation. I n der Praxis behandelt man dies als verschiedene gebündelte Kollisionsnormen unter einem Dach; m a n spricht v o m „Legitimationsstatut" oder „Adoptionsstatut" (nicht z. B. v o m „Adoptions-Legitimations- Statut"). 242 Wobei auch das Interesse eine wesentliche Rolle spielt, innerlich zusammengehörige Fragen einem einzigen Recht zu unterwerfen (Vermeidung der „dépeçage"; unten D I V I ) . A u f der anderen Seite bedeutet die systematische Zusammenfassung von Sachregeln i n „ I n s t i t u t e " f ü r sich allein noch gar nichts; schon Heck kritisierte das „Einheitsprinzip" Savignys, demzufolge „Rechtsverhältnisse" (theoretisch) stets insgesamt dem Recht ihres „Sitzes" einheitlich zu unterwerfen seien, und er begrüßte, „daß B a r . . . wenigstens zum Theil auch die R u b r i k der Rechtsverhältnisse aufgelöst u n d spezielle Probleme zum Gegenstande der Prüfung gewählt hat" (Bspr. B a r 306). 243 Z u r Relativität des Inhalts von Rechtsbegriffen allgemein Esser, V o r verst. 46, 99 - 103. 244 Vgl. z. B. Wolff , IPR 51,

Α. Die S t r u k t u r des räumlichen Kollisionsrechts

4. Horizontale Bündelung

105

(Länderebene)

Führt die „vertikale Bündelung" der Element-Kollisionsnormen dazu, daß gewisse begrifflich gekennzeichnete, sachlich zusammenhängende Normen ein und derselben Rechtsordnung entnommen werden, daß sie so ein „Statut" bilden, so faßt die „horizontale" Bündelung diejenigen Element-Kollisionsnormen zusammen, die — bei gleicher abstrakter Anknüpfung — die entsprechenden Sachnormen i n den verschiedenen Rechtsordnungen berufen. Diese horizontale Bündelung macht die Kollisionsnorm erst zu einer „allseitigen". Dagegen sind auch einseitige Kollisionsnormen, sofern sie eine Gruppe von Sachnormen berufen, „vertikal" gebündelt. Welches sind nun die Kriterien, die dieser horizontalen Bündelung zugrunde liegen? Zunächst werden diejenigen Element-Kollisionsnormen gebündelt, die sich auf solche Sachnormen i n den jeweiligen Rechtssystemen beziehen, die untereinander inhaltlich vergleichbar sind. Das kann aber wiederum nur den äußeren Rahmen abstecken, innerhalb dessen eine Bündelung überhaupt sinnvoll ist. Das eigentliche, letztlich ausschlaggebende K r i t e r i u m ist auch hier wieder, daß die Element-Kollisionsnormen, die zu den einzelnen national verschiedenen Sachnormen führen (bzw. die „vertikal" gebündelten Kollisionsnormen, die zu den national verschiedenen Sachnormgruppen, den „Statuten", führen) auf vergleichbarer kollisionsrechtlicher Interessenabwägung beruhen, die stets zu demselben Ergebnis (zu derselben abstrakten Anknüpfung) führt. Hier sind die dem Sachrecht entlehnten Systembegriffe noch deutlicher als bloße sprachliche Hilfsmittel der Bündelung zu erkennen; die Diskrepanz zwischen der Bezeichnung und ihrem Gegenstand kann stärker hervortreten, weil diese Begriffe einerseits der Sprache und damit Vorstellungswelt der lex fori entstammen, andererseits dazu bestimmt sind, auch fremde Sachnormen zu charakterisieren, die in die „horizontale Bündelung" einbezogen werden sollen. Diesem Bruch entspringen die Probleme der sog. Qualifikation, über die noch zu sprechen sein w i r d 2 4 5 . Schon jetzt läßt sich aber festhalten: Da die Begriffe nur Ordnungshilfsmittel sind, die eigentlichen Bündelungskriterien indessen i n der übereinstimmenden kollisionsrechtlichen Interessenwertung zu finden sind, w i r d man i n Zweifelsfällen auf die letztere zurückzugehen haben. A u f diese Weise kann es vorkommen, daß eine auf eine fremde Sachnorm bezogene Element-Kollisionsnorm wegen anderer Interessenabwägung außerhalb der Bündelung steht, obwohl die Einordnung ihres Gegenstands unter den benutzten „Bündelungsbegriff" an sich möglich wäre 2 4 6 . Es kann ferner sein, daß ζ. B. bei den Element-Kollisionsnor245

Unten T. 3 Β 11.

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T e i l 2: Die Re-Konstruktion des klassischen IPR-Modells

men, die das eigene Recht berufen, zusätzliche kollisionsrechtliche Interessen i m Spiel sind, die bei den auf entsprechendes fremdes Sachrecht bezogenen fehlen 2 4 7 . Dann kommt unter Umständen eine horizontale Bündelung auf der einen Seite nur unvollkommen — unter Ausschluß des eigenen Sachrechts — zustande („unvollkommen allseitige Kollisionsnormen"), auf der anderen Seite gar nicht, es bleibt bei einseitigen Kollisionsnormen (z. B. Kollisionsnormen des ordre public, „lois d'application immédiate"); hierüber später 248 . V I . Zusammenfassung

Nach dem Bisherigen sehen w i r die Kollisionsnormen somit als Normen, die aus den international zur Verfügung stehenden Sachnormen (einschließlich denen der lex fori) die i m konkreten Fall anzuwendende auswählen und die infolge der Anerkennung ausländischer Rechtsordnungen als solcher stets notwendig sind. Ihre gesetzestechnische Formulierung (selbständige Norm oder „Bestandteil" der Sachnorm) ist ohne Belang. Sie sind nationales Recht und Bestandteil des autonomen Bemühens um eine gerechte Ordnung. M i t einer internationalen Kompetenzabgrenzung haben sie nichts zu tun. Der Unterschied zur lediglich räumlich abgegrenzten Sachnorm liegt i n der Funktion der Auswahl unter Sachnormen, welche verschiedenen Rechtsordnungen angehören. Darum ist bei einer Kollisionsnorm die Alternative der ausgesprochenen Verweisung die Sachregelung einer anderen Rechtsordnung, bei einer räumlich begrenzten Sachnorm ist Alternative eine andere Sachregelung derselben Rechtsordnung. Konkret ist das i m Zweifel durch Auslegung zu ermitteln. Den Kollisionsnormen vorgeschaltet sind „Kollisionsgrundnormen", die ihrerseits die anzuwendenden Kollisionsnormen — sei es der lex fori, sei es einer anderen Rechtsordnung — bestimmen. Charakteristik u m der klassischen „multilateralistischen" Systeme ist, daß jeweils die Anknüpfung von der lex fori ausgehend gezielt bestimmt wird. I m Gegensatz dazu befinden sich die Theorien „unilateralistischer" Systeme, die dadurch gekennzeichnet sind, daß die Kollisionsgrundnormen der lex fori — sofern es nicht u m das eigene Recht geht — zunächst ungezielt global auf alle Kollisionsrechte der Welt verweisen, jedoch dahin inhaltlich beschränkt, daß die jeweilige fremde Kollisionsnorm nur insoweit angewandt wird, wie sie „eigenes" Sachrecht beruft; für Konfliktsfälle werden Hilfs-Kollisionsnormen bereitgehalten. 246

Hierzu näher bei der „Qualifikation", unten ebd. Wieweit ein solches Vorgehen immer gerechtfertigt ist, sei dahingestellt; vgl. unten D I V 5 a. E. 248 Unten D I sowie T.4C I I I 2. 247

Α . Die S t r u k t u r des räumlichen Kollisionsrechts

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Die Untersuchung des Funktionierens einer Kollisionsnorm i m Einzelfall hat gezeigt, daß sie voraussetzt einen materiellen Sachverhalt nebst Anknüpfung zu einem Rechtsgebiet sowie eine Sachnorm nebst Anknüpfung („Geltung") zum selben Rechtsgebiet. Sie bewirkt die Anwendung dieser Norm (oder der entsprechenden Negativ-Norm) auf den Sachverhalt, der wiederum dem Tatbestand der Sachnorm (Negat i v-Norm) entspricht. Der Tatbestand der allseitigen Kollisionsnorm enthält somit einen „materiellen" Sachverhalts-„Rahmen" nebst A n knüpfung sowie einen Sachnormen-„Rahmen" nebst Anknüpfung zum selben Rechtsgebiet. Rechtsfolge ist die Anwendung der Sachnormen bei entsprechenden Sachverhalten. Bereits aus dem Aufbau der Kollisionsnorm ergibt sich die absolute Gleichwertigkeit der methodischen Ansätze. Das w i r d deutlich, wenn man die allseitige Kollisionsnorm gedanklich zerlegt i n all ihre praktischen Anwendungsfälle. Dann erweist sie sich als ein Bündel von Element-Kollisionsnormen, die jeweils eine bestimmte Sachnorm m i t einem bestimmten Sachverhalt verbinden; man kann darin die „atomare Struktur" der allseitigen Kollisionsnorm sehen. Hier ist es völlig gleich, ob man sagt: „Das Gesetz X wenden w i r dann an, wenn der Sachverhalt Y eintritt" oder ob man sagt: „Wenn der Sachverhalt Y gegeben ist, beurteilen w i r i h n nach dem Gesetz X . " Voraussetzung der Gleichwertigkeit ist jedoch stets, daß auch der Anwendungsbereich eines ausländischen Gesetzes von uns selbst autonom und gezielt bestimmt w i r d und die Frage des Ansatzes nicht m i t dem Unterschied zwischen „ m u l t i - " und „unilateralistischen" Systemen vermengt wird. Unsere Kollisionsnormen bestimmen somit nicht nur für jeden denkbaren Sachverhalt die anzuwendenden Sachnormen, sondern zugleich für jede denkbare Sachnorm den Anwendungsbereich (was natürlich nur zum Tragen kommt, wenn sich die Anknüpfung i n einem Sachverhalt verwirklicht, der bei uns zu entscheiden ist) 2 4 9 . Die Element-Kollisionsnormen sind Produkte speziell kollisionsrechtlicher Interessenfeststellung, -bewertung und -abwägung. Es sind die Interessen, die auf die Anwendung (Auswahl) der Norm als solchen zielen, nicht die Sachinteressen, die der Sachnorm selbst zugrunde liegen. Doch werden letztere als „Rohstoffe" der kollisionsrechtlichen I n teressen diese beeinflussen. Die allseitigen Kollisionsnormen sind gebildet durch Bündelung der Element-Kollisionsnormen. Die „vertikale" Bündelung faßt diejenigen Element-Kollisionsnormen zusammen, die auf sachlich-systematisch zusammenhängende Sachnormen jeweils einer Rechtsordnung verweisen, die „horizontale" Bündelung diejenigen, die auf inhaltlich vergleich249

Vgl. auch unten D I.

108

Teil 2: Die Re-Konstruktion des klassischen IPR-Modells

bare Sachnormen verschiedener Rechtsordnungen verweisen. Damit ist jedoch nur der äußere Rahmen gesteckt. Die bei der Bündelung benutzten Systembegriffe sind lediglich Kennzeichnungshilfsmittel. Eigentliches Bündelungskriterium ist i n beiden Fällen die vergleichbare kollisionsrechtliche Interessenbewertung, die zum selben Ergebnis (zur selben abstrakten Anknüpfung) geführt hat. Inhaltliche Abweichungen der jeweiligen Sachnormen sind darum kollisionsrechtlich nur so lange ohne Belang, wie sie nicht auf die kollisionsrechtliche Interessenbewertung „durchschlagen".

B. Die Etappen des modernen Kollisionsrechts I . Vorbemerkung

Ist eine solche Sicht aber noch vereinbar m i t dem hier erhobenen Anspruch, das „klassische" Kollisionsrecht zu „re-konstruieren", es zu stützen, nicht zu stürzen? Widerspricht sie nicht der geschichtlichen Entwicklung des internationalen Privatrechts, vor allem seiner bis heute entscheidenden Prägung, die es durch Savigny erhalten hat? Es scheint, daß sich das Ergebnis der bisherigen Analyse nicht nur m i t der dogmatischen Vergangenheit des Kollisionsrechts durchaus i n Übereinstimmung bringen läßt, sondern daß es darüber hinaus sogar für die Bewertung der einzelnen historischen Etappen entscheidende Hilfe leisten könnte. Freilich w i r d man sich freimachen müssen von der Vorstellung einer durch Savigny ausgelösten kollisionsrechtlichen Zeitenwende, vor der es nichts Vergleichbares und nach der es praktisch nichts Neues mehr gegeben habe. Sollte sich herausstellen, daß die Entwicklung doch kontinuierlicher verlaufen ist (und verläuft), als ein etwas überspitztes Epochendenken oft glauben macht, so ließe das für Gegenwart und Zukunft unseres IPR hoffen. Denn je weniger „spontan" der Beginn unseres IPR erscheint, desto tiefer und unabhängiger vom jeweiligen Zeitgeist sind seine Wurzeln und desto widerstandsfähiger könnte es sich gegenüber Auflösungserscheinungen erweisen. Nur diese Frage soll i m folgenden behandelt werden: Ob und wie sich die Geschichte des IPR m i t dem hier entwickelten Verständnis der Kollisionsnorm verträgt. Dazu soll es genügen, einige Schlaglichter auf die verschiedenen Etappen zu werfen und die wichtigsten Schritte zu beleuchten, die zum modernen Kollisionsrecht geführt haben 2 5 0 .

250

Literaturhinweise zur Geschichte des I P R allgemein ζ. B. bei Raape / Sturm, IPR 400-404; Kegel, IPR 7 0 - 9 6 passim. Vgl. ferner Gutzwiller, Gesch.

Β . Die Etappen des modernen Kollisionsrechts

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I I . Statutenlehre

Die Geschichte des IPR als Wissenschaft beginnt m i t der Statutenlehre; alles Frühere ist Vorgeschichte. Die Statutentheorie gilt heute vielen als Urtyp des „unilateralistischen" Ansatzes beim Gesetz. Zum Teil w i r d deshalb ausdrücklich die Rückkehr zu „statutistischen" Gedankengängen empfohlen, und das i m Sinne des „Fortschritts" 2 5 1 . Anderen erscheint diese Epoche als düsteres Mittelalter des Kollisionsrechts 252 . Bekanntlich suchte die Statutenlehre, alle Gesetze und gewohnheitsrechtlichen Sätze nach ihrem Inhalt einzuteilen und von dort her ihren Anwendungsbereich zu bestimmen. A m geläufigsten ist die Unterteilung i n Statuta personalia, realia und mixta, doch ist sie erst von d'Argentré populär gemacht worden 2 5 3 . Überhaupt verliert auch die Statutenlehre bei näherer Betrachtung viel von der Einheitlichkeit, die sie aus unserer zeitlichen Ferne zu haben scheint. Was uns interessiert, ist, ob zwischen der Statutenlehre und dem heutigen IPR eine K l u f t besteht, ob hier wirklich keine Gemeinsamkeiten aufzufinden sind und, auf der anderen Seite, ob es stimmt, daß w i r dort einen methodischen Vorläufer des heute wieder vielfach 2 5 4 nahegelegten „Ansatzes beim Gesetz" finden, und zwar vermengt — wie es allenthalben üblich i s t 2 5 5 — m i t der unilateralistischen Konzeption des (primären) 2 5 6 Ansatzes beim jeweiligen „Anwendungswillen" der materiellen Normen 2 5 7 . Die Ausgangsfrage der Statutenlehre jedenfalls ist m i t der unseres IPR identisch, muß m i t ihr identisch sein: Es geht auch hier u m die Auswahl der für die jeweilige Entscheidung heranzuziehenden Rechts251 Vgl. Wiethölter, Bspr. Vogel 465: „Die Statutentheorie ist tot — es lebe die Statutentheorie!" Ferner Steindorff, Sachnormen 263; Joerges, F u n k tionswandel 83, 152, 162; Bucher, Grundfragen 2; Francescakis, L . d'appi, imm. 697; Kahn / Freund, Gen. Prob. 97 - 100. 252 E t w a Ferid, I P R Rdn. 3 - 56. Schwind, Zerspl. 451, macht sie noch heute für die von i h m beklagte „Zersplitterung" des Privatrechts bei I P R - A n w e n dung verantwortlich. 253 Obgleich sie wesentlich älter ist, vgl. Schwind, Hdb. 6, 8; Kegel, I P R 80. 254 V g l u n t e n d I V 3 sowie T. 4 C I I 3, C I I I 2 u. 3. 255

Hiergegen oben A V I . I m Gegensatz zum „sekundären" Ansatz bei Beachtung des Renvoi nach Einsatz einer „gezielten" Kollisions(grund)norm der lex fori. 257 Eine solche Verbindung sehen etwa Beitzke, Meth. 4 - 6 ; Gothot, Ren. 10-12, 234; Jayme, Eheschl. 19 f.; Zweigert, I P R u. öff. R. 140; Wiethölter, Bspr. Vogel 465; van Hecke, Int. Contr. 184. Vgl. auch Rehbinder, Polit. 155. S. ferner unten T. 4 C I I I 2, zu Fn. 214. 256

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Teil 2: Die Re-Konstruktion des klassischen IPR-Modells

Ordnung 258 . Als angeblich entscheidende Differenz i n der Grundstruktur bleibt somit der unterschiedliche „Ansatz". Der Unterschied zum heutigen IPR wäre allerdings weittragend, wenn dieser „Ansatz beim Gesetz" wirklich verbunden gewesen wäre — wie es heute regelmäßig gesehen w i r d — m i t einer „unilateralistischen" Grundauffassung, also m i t dem Ansatz beim „Anwendungswillen" des jeweiligen Gesetzes bzw. des jeweiligen Staates, der das Gesetz erlassen hat. Das war indessen nicht der Fall und konnte auch gar nicht der Fall sein. Wie oben ausgeführt wurde 2 5 9 , ist der Gegensatz zwischen m u l t i - und unilateralistischer Denkweise zurückzuführen auf ein unterschiedliches Kollisionsgrundnormengefüge, auf eine unterschiedliche Berufung also der schließlich maßgebenden Kollisionsnormen. Während das eine Mal gezielt verwiesen wird-(entweder nur auf das eigene Kollisionsrecht oder auf bestimmte fremde), werden das andere M a l ungezielt alle Kollisionsrechte der Welt (beschränkt auf das jeweils „eigene" Recht) herangezogen. Kollisionsgrundnormen kann es aber nur geben, wo die Existenz nebeneinander bestehender unterschiedlicher Kollisionsrechtsordnungen anerkannt ist, ebenso wie es Kollisionsnormen nur gibt, wo die Existenz nebeneinander bestehender unterschiedlicher Sachrechtsordnungen anerkannt ist 2 6 0 . Daraus folgt, daß i n einem rein universalistischen System m i t überall einheitlichen Kollisionsnormen der Gegensatz zwischen multi- und unilateralistischem Ansatz überhaupt nicht auftauchen kann 261, der letztere gar nicht möglich ist Denn ob eine allseitige Kollisionsnorm die fremde Sachnorm beruft oder ob die inhaltsgleiche — wenn nicht identische — fremde Kollisionsnorm dieselbe (nun „eigene") Sachnorm beruft, ist gleich: es gibt eben nur eine K o l l i sionsrechtsordnung. Unilateralistisch denken bedeutet demgegenüber, abweichende Kollisionsrechtsordnungen fremder Staaten anzuerkennen und deren Lösungen sich zu eigen zu machen. Wo es keine solchen anderen Kollisionsrechtsordnungen gibt, gibt es folglich auch keinen Unilateralismus. A l l das Gesagte t r i f f t für die Statutentheorie zu. Die „Statutisten" sind nicht von der Vorstellung ausgegangen, sich fremdem Rechtsanwendungswillen zu beugen. Von Anfang an waren sie bestrebt, selbst festzulegen, wann welche Gesetze gelten sollen, und wenn auch die Vorschläge i n den verschiedenen Ländern unterschiedlich sein konnten, 258

Oben A I . A I I I 2. 260 Oben A I . 261 Es ist bezeichnend, w e n n Wiethölter, Eins. K N . 10, 12, bemerkt, es sei „nicht möglich", die Universalisten Zitelmann u n d Frankenstein „ i n die Begriffsschablone ein- oder allseitige Kollisionsnormen einzuzwängen". 259

Β . Die Etappen des modernen Kollisionsrechts

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so w u r d e n diese Ü b e r l e g u n g e n doch j e w e i l s m i t d e m A n s p r u c h absol u t e r , also universeller R i c h t i g k e i t a n g e s t e l l t 2 6 2 . Das b e g i n n t m i t Aldrieus, d e r n i c h t e t w a v e r l a n g t , das Gesetz a n z u w e n d e n , das a n g e w a n d t sein w i l l , s o n d e r n dasjenige, „ q u a e p o t i o r et u t i l i o r v i d e t u r " ( u n d z w a r d e m R i c h t e r ! ) 2 6 3 . W e n n später g e f r a g t w i r d , w e n d i e j e w e i l i g e n S t a t u t e n „ b i n d e n " 2 6 4 , d a n n h a t das gleichfalls nichts z u t u n m i t d e r B e r ü c k s i c h t i g u n g f r e m d e n A n w e n d u n g s w i l l e n s ; v i e l m e h r h a n d e l t es sich u m eine stillschweigend universalistische Abgrenzung von Macht- und EinflußSphären der verschiedenen Staaten auf dem Gebiet der Rechtsetzung. Das i n t e r n a t i o n a l e P r i v a t r e c h t w i r d als eine A r t h ö h e r r a n g i g e Z u s t ä n d i g k e i t s o r d n u n g gesehen, d i e j e d e m S t a a t f ü r j e d e A r t seiner S t a t u t e n d e n g e b ü h r e n d e n A n w e n d u n g s b e r e i c h v e r b i n d l i c h z u w e i s t . Diese Zuweisung i s t das Entscheidende, n i c h t der „ A n w e n d u n g s w i l l e " des j e w e i l s erlassenden S t a a t e s 2 6 5 ; a l l e n f a l l s w ä r e eine e t w a i g e Selbstbeschränkung ζ. B . p e r s o n a l e r S t a t u t e n z u beachten — e i n w o h l t h e o r e tischer F a l l , d e n n i m a l l g e m e i n e n w e r d e n d e r „ z u g e w i e s e n e " u n d d e r „ g e w ä h l t e " A n w e n d u n g s b e r e i c h ü b e r e i n g e s t i m m t haben. D i e M ö g l i c h 262 Von dem „starken Glauben" der „Statutentheoretiker" an eine „ n a t u r rechtsartige, notwendige Einheitlichkeit des I P R " spricht z.B. auch Beitzke, Meth. 6 (allerdings ohne hieraus entsprechende Schlüsse zu ziehen). Ehrenzweig, W i r k l . 253, kennzeichnet zutreffend die „ F i k t i o n " der „Statutisten", „daß irgendein Überrecht . . . den einzelnen Gesetzgebern Realstatuten u n d Personalstatuten zubilligte". Deutlich w i r d der Anspruch der Statutenlehre auf Allgemeingültigkeit ferner bei Gothot, Ren. 11 f.; Gamillscheg, Dumoul. 101 f. („Regeln sind f ü r alle Fälle u n d f ü r alle Länder passend"), 104, („völkerrechtliche Verpflichtung"); Gihl, L. pol. 168 f.; Jos. Jitta, Meth. 191 ( „ . . . les principes sont universels et prétendent s'emposer aux juges de tous les pays."); Francescakis, Dr. nat. 123 f.; de Nova, Hist. I n t r . 447 f.; Barile, Fonct. hist. 308-326; Wolff, I P R 13, 16, 18; Niederer, Cet. qu. 115 ( „ . . . die italienische Statutentheorie ging von der universellen Geltung der angeblich aus dem gemeinen römischen Recht abgeleiteten Kollisionsregeln aus . . . " ) ; ders., Einf. 20, 22, 36, 3 8 - 4 0 ; w o der universalistische Charakter vor allem f ü r die italienische Statutenlehre betont w i r d . Wenn demgegenüber die französische als auf dem „Gedanken der Territorialität" beruhend gekennzeichnet w i r d (20, 21, 47), so ist dies etwas irreführend, w e i l überwiegend territoriale Anknüpfungen gemeint sind (dies w i r d auch eingeräumt, 73). Die Grundideen bleiben weiterhin allgemeingültiger A r t (so auch ausdrücklich S. 47, ebenso Barile, Fonct. hist. 316 - 319). „Allgemeingültige" Vorstellungen lagen erst recht dem System der Stammesrechte zugrunde (dazu 23 - 31), u n d aus dem comitas-Gedanken der niederländischen Schule ergaben sich zunächst Regeln völkerrechtlicher (also ebenfalls universeller) A r t . (52), hierzu auch de Nova, Hist. I n t r . 449-451; Barile, Fonct. hist. 325. — Auòh die „Gleichsetzung von I m p e r i u m u n d Geltungsbereich des Rechts", auf die Steindorff, Sachnormen 15 Fn. 2, hinweist, ist schließlich ein universalistischer Gedanke, der auf Codex 1.1.1. zurückgeführt w i r d . 263 Z u m Streit ü b e r den Sinn dieses Satzes vgl. Gutzwiller t Ziel 165 Fn. 22, Schwind, Zerspl. 450; Wolff, IPR 14 Fn. 4. 264 Vgl. die beiden Fragen des Bartolus (z. B. bei Kegel, I P R 77). 265 Gutzwiller, Sav. 35 f. u n d Gesch. 192 f., z. B. sieht die Sätze Coccejis u n d Herts auf ein „naturrechtliches Völkerrecht" gegründet; vgl. auch S. 38 über den „völkerrechtlich bestimmten Grundzug" der ausklingenden Statutenlehre; ähnlich z. B. Gamillscheg, Dumoul. 101 f., 104, über d'Argentré .

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Teil 2: Die Re-Konstruktion des klassischen IPR-Modells

keit von Staat zu Staat unterschiedlicher Kollisionsnormen t r i t t überhaupt noch nicht ins Bewußtsein; erst bei Boullenois (1732) findet sich möglicherweise eine erste vage Andeutung, die aber die Statutenlehre sicher nicht weiter beeinflußt hat 2 6 6 . Die Universalität der Kollisionsrechtsordnung mag einfach eine Fortsetzung der zum Teil verlorengegangenen Universalität des römischen Rechts gewesen sein 2 6 7 . Wenn diese schon den einzelnen Statuten zu opfern war, dann war doch nicht einzusehen, warum nicht wenigstens die Frage des Geltungsbereichs dieser Statuten universell entschieden werden konnte. Schließlich hatte die Kollisionsrechtswissenschaft ihren Anfang bei den Glossatoren und Kommentatoren genommen und wurde insbesondere verbunden m i t Codex 1, 1, l 268. Die Verknüpfung des Statuts mit seinem Anwendungsbereich erfolgt nun — und das ist das Charakteristikum der Statutenlehre — über eine Zwischenstation, nämlich über eine Klassifizierung der jeweiligen Gesetze nach ihrem Inhalt. Deren Raster w i r d i m Laufe der Zeit immer gröber 2 6 9 , bis die Entwicklung bei d'Argentré i n die typische Dreiteilung mündet, die der Statutenlehre ihr weiteres Gepräge gibt. Diese „Entästelung" der Kriterien steht i n auffälligem Gegensatz zu den heute durchgängig erhobenen Forderungen nach Verfeinerung der Kollisionsnormen. Sie hatte ihren Grund i m Fehlen oder zumindest i m fehlenden Bewußtsein einer durchgängigen Rationalität der zunächst entstandenen Einzelregeln, was d'Argentré zu seiner abfälligen Bemerkung über die Magistri 2 7 0 veranlaßte. Sie kam überdies durch ihre Reduktion auf die Hauptprinzipien Personalität und Territorialität dem Bestreben entgegen, die Abgrenzung nach universellen, quasi „völkerrechtlichen" Gesichtspunkten vorzunehmen. So setzte sie an die Stelle fehlender Rationalität zumindest ein festes Schema und Formeln.

266 Vgl. Gamillscheg, Dumoul. 187 Fn. 12. Nach de Nova, Hist. I n t r . 452, 455, hat erst Wächter die stillschweigend universalistische Grundhaltung der Statutenlehre aufgebrochen. Ä h n l i c h Vitta, Cours gén. 28. 2β7 Y g i Francescakis, Dr. nat. 123 f.; Lorenz, S t r u k t u r 50; Meijers, Hist. 593; Niederer, Cet. qu. 288 Vgl. dazu z.B. Yntema, Hist. Grdl. 520f.; Wolff, IPR 16; Schwind, Hdb. 5 f.; Kegel, I P R 74 f. — Ob Rechtsordnungen außerhalb des christlich-römischen Kulturkreises überhaupt anerkannt wurden, ist zweifelhaft, vgl. Gamillscheg, Dumoul. 22. Auch Savigny bezog sich j a noch auf die „gemeinsame christliche Gesittung" (unten Β I I I ) . Wenn man aber solche „Statuten" überhaupt anwandte, bestimmte man jedenfalls die „ A n k n ü p f u n g " selbst; es k a m gewiß niemand auf den Gedanken, nach dem fremden „Anwendungsw i l l e n " zu fragen. 2β9 v g l die noch v i e l verzweigteren Conclusiones des Dumoulin, dazu Gamillscheg, Dumoul. 53. 270

„ . . . u t incerti magistri incertiores lectores d i m i t t a n t " . Zitat ζ. B. bei Gamillscheg, Dumoul. 107; Kegel, I P R 79 f.

Β . Die Etappen des modernen Kollisionsrechts

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Die Einteilung i n Statuta realia, personalia und m i x t a ändert nun aber nichts daran, daß durch sie hindurch einzelne Gesetze m i t einem Anwendungsgebiet verknüpft werden, ähnlich wie es i n unserem IPRGefüge bei den „Element-Kollisionsnormen" der Fall ist 2 7 1 . Wenn etwa Gesetze über die Volljährigkeit (im allgemeinen) zu den Statuta personalia gezählt werden und diese die Personen betreffen, die ihren Wohnsitz i n dem jeweiligen Staat haben, dann steckt dahinter nichts anderes als der Satz: „Sachnormen eines Staates über Volljährigkeit sind anzuwenden für die Personen, die i n dem Staat ihren Wohnsitz haben". Und i n der Umkehrung — „vom Sachverhalt her": „Ist die Volljährigkeit einer Person zu beurteilen, so ist das an ihrem Wohnsitz geltende Recht anzuwenden". I m Grunde ist auch die Zusammenfassung i n die drei Statutengruppen nichts anderes als eine „Bündelung" von Einzelkollisionsnormen 272 , und zwar eine „horizontale", die alle „gleichartigen" Gesetze der verschiedenen Länder erfaßte, wie auch eine „vertikale", die eben sehr grob war und nur die besagten drei Kategorien zuließ. So wie w i r heute alle Kollisionsnormen, die auf „erbrechtliche", „güterrechtliche", „deliktsrechtliche", „sachenrechtliche" Vorschriften usw. bezogen sind, i n jeweils einer allseitigen Kollisionsnorm zusammenfassen, so faßte man damals alle Kollisionsnormen, die auf „reale", „personale" oder „gemischte" Vorschriften bezogen waren, i n je einer Kollisionsnorm zusammen 273 . Der große Fehler der Statutentheorie lag darin, diese bloßen Bündelungskriterien — die als solche ohnehin viel zu weitmaschig waren — zu verselbständigen, die dahinterliegenden Wertungen zu mißachten oder gar nicht erst zu erkennen, sich stattdessen m i t Formeln abzufinden. Kurz: es waren diejenigen Mängel, die jeder extremen Begriffsjurisprudenz anhängen 274 . Statt die Anknüpfungsfrage wertend zu lösen, suchte man die „Natur" der jeweiligen Statuten zu „erkennen" und hieraus zu folgern. I n Wirklichkeit war der gedankliche Prozeß natürlich auch hier umgekehrt — der Wertung folgte die Eingruppierung, 271

Oben A V I . Der „Anwendungsbereich" wurde auch damals nicht unmittelbar dem Gesetz entnommen, sondern beruhte letztlich ebenfalls auf — wenn auch recht diffusen — kollisionsrechtlichen Wertungen. Vgl. z. B. Gamillscheg, Dumoul. 75 f. 273 A u f einen Funktionswandel dieser Einteilungsbegriffe weist Gamillscheg, Dumoul. 84-87, h i n : Während man zunächst als „personal", „real" usw. die Gesetze ansah, die Personen bzw. Sachen betrafen (und dann die „ A n k n ü p f u n g " an Wohnsitz oder Lageort hinzufügte), verstand man darunter zuletzt gleich die am Wohnsitz bzw. Lageort geltenden Gesetze. 274 Vgl. auch Kegel, Begr. Int. Jur. 260. Z u m Verhältnis von Begriffs- u n d Interessenjurisprudenz unten D I I I . 272

8 Schurig

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T e i l 2: Die R e - K o n s t r u k t i o n des klassischen IPR-Modells

ein Statut war real, weil das Recht des Territoriums gelten sollte — doch wurde dies selten bewußt 2 7 5 . Hingegen ist die Bedeutung des „Ansatzes beim Gesetz" weit geringer anzuschlagen als dies gemeinhin getan w i r d ; i m Grunde bleibt nur noch eine Akzentverschiebung übrig. Das kann gar nicht anders sein, nachdem feststeht, daß infolge der universalistischen Kollisionsrechtsauffassung ein „unilateralistischer" Ansatz (der die Existenz und A n erkennung verschiedener nationaler Kollisionsrechtsordnungen unabdingbar zur Voraussetzung hat) überhaupt noch nicht möglich war. Damit sind die beiden methodischen Ansätze auch hier — wie i m modernen IPR — nur zwei Seiten ein und derselben Frage und damit gleichwertig und austauschbar; es müssen nur die einzelnen Kollisionsnormen aus den „Bündeln" für sich betrachtet werden. Es ist daher nur natürlich, daß unter der Statutenlehre häufig auch vom Sachverhalt her argumentiert wurde (wie Gamillscheg plastisch nachgewiesen hat) 2 7 6 , ebenso wie heute auch vom Gesetz her argumentiert w i r d 2 7 7 . Und so kommt es auch zu dem von Gamillscheg gerügten Gedankensprung nach dem Muster: Wenn ein (konkretes) Statut die Person betrifft, dann gilt die lex domicilii 2 7 8 . Dieser Fehler erscheint i m übrigen so schwerwiegend nicht, wenn man sich vor Augen führt, daß eben nicht nach dem Geltungswillen des jeweiligen einzelnen Statuts gefragt wurde, daß man seine Natur vielmehr selbst bewertete und es danach kollisionsrechtlich selbst einordnete. Dann bedeutet dieser „Sprung" nur, daß man stillschweigend Gesetze solcher A r t aus anderen Ländern ebenso als personal wertet (die entsprechenden K o l l i sionsnormen „horizontal" bündelt) und infolgedessen jeweils auf die Personen anwendet, die dort ihren Wohnsitz haben; i n der Umkehrung lautet dieser Satz: Insoweit gilt die lex domicilii 2 7 9 . Das, was die Statutenlehre vom heutigen IPR unterscheidet, ist somit gar nicht i n erster Linie der Ansatz beim Gesetz; hier ist lediglich eine Akzentverschiebung erfolgt. Die beiden methodischen Ansätze bilden ja — weil und soweit nicht der Unilateralismus i m Spiel ist — keineswegs unversöhnliche Gegensätze, sondern kennzeichnen zwei Seiten ein und desselben Vorgangs. Daher besteht zwischen den Kollisionsnormen 275 Vgl. Gamillscheg, Dumoul. 84. D a m i t dürfte auch der oben (Fn. 273) angesprochene Wandel der Begriffe „real", „personal" usw. zusammenhängen. 276 Gamillscheg, Dumoul. 73, 77, 79. Ebenso Kegel, Crisis 243; Vogel, A n wendungsber. 91 f. Auch Steindorff, Sachnormen 37, 41, räumt dies ein, meint nur, diese Fragestellung sei „nicht konsequent" befolgt worden. Vgl. ferner Lorenz, S t r u k t u r 26 - 40 (hierzu auch unten Fn. 280). 277 Unten T. 3 Β 11, T. 4 C I I I 2 u. 3. 278 Gamillscheg, Dumoul. 74 - 79. 279 Vgl. auch Gamillscheg, Dumoul. 79.

Β . Die Etappen des modernen Kollisionsrechts

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der Statutenlehre und denen des modernen IPR kein grundsätzlicher Strukturunterschied 2 8 0 . Was die Statutenlehre aber unterscheidet, sind: 1. die stillschweigend universalistische Grundhaltung, derzufolge es — zumindest theoretisch — nur eine „richtige" überall gleiche K o l l i sionsrechtsordnung gibt, die die Aufgabe hat, die rechtlichen Einflußsphären der verschiedenen Staaten allgemeingültig gegeneinander abzugrenzen; 2. die fehlende oder nicht erkannte Rationalität der einzelnen K o l l i sionsregeln, statt dessen die Bezogenheit auf die beiden Pole Territorialität und Personalität; 3. damit zusammenhängend die „Entästelung" des Kollisionsrechts, die Vergröberung des Rasters bis h i n zum Schema der Dreiteilung der Statuten; 4. die aus allem resultierende weitgehend begriffsjuristische Arbeitsweise. I I I . Savigny

Natürlich kann die Einschätzung der Statutentheorie nicht ohne Einfluß sein auf die Bewertung der Leistung Savignys, ihres „Überwinders" 2 8 1 . Wenn gleichermaßen unter der Statutenlehre und i m modernen IPR sowohl der Ansatz beim Gesetz wie auch der beim Sachverhalt möglich und beide ohne inhaltliche Veränderung der jeweiligen Kollisionsnorm gegeneinander austauschbar sind, wenn insoweit lediglich eine Akzentverschiebung stattgefunden hat, dann w i r d i n dem bloßen „Ansatzwechsel" gewiß nicht die epochale Leistung Savignys zu finden sein; und doch sehen die meisten gerade hierin die durch Savigny herbeigeführte „kopernikanische Wende", schlechthin das Fundament für das 280 Schon Gierke , Priv. R. 1218, meinte (in bezug auf die Statutentheorie): „ A u s der freieren u n d vollständigeren Erfassung dieses Gedankens schöpfte Savigny seine Lehre . . . " . Vgl. ferner Kegel, Gegenst. 14, 16, 24; Gamillscheg, Dumoul. 79; van Hecke, Princ. 449-452; de Nova, Hist. I n t r . 456 f. (475: „Natura non facit sal tus; neither does doctrina, apparently" — eine Aussage, die übrigens zumindest i n ihrem ersten Teil nicht mehr gültig ist!); Raape/ Sturm, I P R 411. Z u einem ähnlichen Ergebnis k o m m t Lorenz, Strutur 26 - 54, aufgrund einer neuartigen These: I h m zufolge haben „allseitige" Kollisionsnormen auch zur Zeit der Statutenlehre immer neben den einseitigen gestanden, seien n u r als so selbstverständlich empfunden worden, daß man sie nicht weiter erwähnt habe. Savigny habe lediglich diese allseitigen K o l l i sionsnormen „wieder i n den Vordergrund gerückt". — U. E. bedarf es i n dessen nicht der Annahme eines solchen „apokryphen" Systems „allseitiger" Normen neben den „einseitigen" der Statutentheorie, u m die K o n t i n u i t ä t der I P R - E n t w i c k l u n g zu untermauern. 281 Vgl. auch Lorenz, S t r u k t u r 46 - 52, sowie die oben Β I I Fn. 280 Genannten.



116

T e i l 2: Die Re-Konstruktion des klassischen IPR-Modells

neue I P R , „Savignys

IPR" 282.

gewichtigen Verbündeten

Dabei hat, w e r dem entgegentritt, einen

a u f seiner Seite: Savigny

selbst

hat

sehr

g e n a u e r k a n n t , daß der A n s a t z b e i m „ R e c h t s v e r h ä l t n i s " n u r d i e andere Seite ist v o m A n s a t z b e i m G e s e t z 2 8 3 — u n d dies auch d e u t l i c h ausgesprochen: „Es bleibt jetzt, für den allgemeinen T h e i l des Systems, noch übrig, die Verbindung der Rechtsregeln m i t den Rechtsverhältnissen festzustellen; diese Verbindung erscheint, von der einen Seite betrachtet, als Herrschaft der Regeln über die Verhältnisse, von der anderen Seite als Unterwerfung der Verhältnisse unter die Regeln 2 8 4 ." „Diese Mannichfaltigkeit der positiven Rechte ist es, woraus das Bedürfniß und die Wichtigkeit hervorgeht, f ü r jedes positive Recht das Gebiet seiner Herrschaft zu bestimmen, das heißt, die Gränzen zu ziehen zwischen den verschiedenen positiven Rechten gegen einander 2 8 5 ." „Beide Arten, die Frage aufzufassen, sind n u r i m Ausgangspunkt verschieden. Die Frage selbst ist hier u n d dort dieselbe, u n d die Entscheidung kann i n beiden Fällen nicht verschieden sein 2 8 6 ." „ F ü r die Rechtsregeln w i r d gefragt: Ueber welche Rechtsverhältnisse sollen sie herrschen? F ü r die Rechtsverhältnisse: Welchen Rechtsregeln sind sie unterworfen, oder angehörig 2 8 7 ?" Das ganze Werk heißt: „Herrschaft der Rechtsregeln über die Rechtsverhältnisse", das erste K a p i t e l : „Oertliche Gränzen der Herrschaft der Rechtsregeln über die Rechtsverhältnisse". Es g e h ö r t schon e i n u n e r s c h ü t t e r l i c h e r G l a u b e dazu, diese k l a r e n Ä u ß e r u n g e n m i t d e m B e m e r k e n a b z u t u n , Savigny selbst h a b e die B e d e u t u n g seines eigenen W e r k e s w o h l n i c h t v o l l e r k a n n t 2 8 8 . D i e große W i r k u n g , d i e Savigny a u f die E n t w i c k l u n g des I P R ausg e ü b t hat, m u ß sich gerade auf solche P u n k t e bezogen haben, b e i d e n e n w i r d i e entscheidenden U n t e r s c h i e d e zwischen d e r S t a t u t e n l e h r e u n d d e m h e u t i g e n I P R feststellen k o n n t e n . D e n n sie s i n d d i e P u n k t e , 282 So anscheinend Neuhaus, Sav. 366, 370; Joerges, Klass. Konz. 423 („es f ü h r t kein Weg an Savigny vorbei"); Vogel, Anwendungsber. 215 f. (unten Β V I I zu Fn. 423); Jessurun d'Oliveira, Ruine 5; de Boer f Tekort. Vgl. auch Cheshire / North, P. I. L. 23, sowie Neuhaus, Joerges, oben T. IBI 1 Fn. 8. 283 w a s mehr ist als die Feststellung, daß beides „möglich" ist, w i e Francescakis, Préc. 5, es sieht. Vgl. auch Coing , Sav. 20; Maridakis, Sav. 310 f. S. ferner Pilenko, Dr. spat. 39, der sogar glaubt, seinen Dualismus von „monovalenten" „Spatialnormen" und darauf aufbauenden „polyvalenten" „Konfliktsnormen" auf Savigny zurückführen zu können. 284

Savigny, Syst. V I I I 1 . Ebd. 2. 286 Ebd. 3. 287 Ebd. 3. 288 Neuhaus, Sav. 370. Auch Steindorff, Sachnormen 22, hält Savignys E r kenntnis „nicht f ü r überzeugend" u n d w i r f t denen vor, die Savignys Leistung nicht i n erster L i n i e i n dem „Ansatzwechsel" sehen, sie w o l l t e n diese „bagatellisieren" (43). 285

Β . Die Etappen des modernen Kollisionsrechts

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in denen sich etwas geändert hat, und bei ihnen stellt sich die Frage, inwieweit diese Änderungen auf Savigny zurückzuführen sind. Der wesentliche Anstoß, der von Savigny ausging, hat allerdings mittelbar m i t dem „AnsatzWechsel" zu tun: Es war das B i l d vom „Sitz des Rechtsverhältnisses", das sich als geeignetes Werkzeug erwies, den verkrusteten Schematismus der statutistischen Dreiteilung aufzubrechen. Die Abkehr von der eingefahrenen Formelhaftigkeit leitete eine neue Besinnung auf die Rationalität der Kollisionsnormen ein, ermöglichte erst, die einzelnen Anknüpfungen von Grund auf neu zu überdenken und zu begründen. Sie bereitete den Weg für eine nunmehr einsetzende Verfeinerung des internationalen Privatrechts 2 8 0 , für Differenzierungen, die rational nachprüfbar und nachvollziehbar waren. Sie führte zu einer Befreiung aus den Fesseln der eher völkerrechtlichen Kategorien Territorial- und Personalhoheit. Es erscheint nicht übertrieben, bei Savigny — ungeachtet seines sonstigen methodischen Standorts — den latenten Beginn der Interessenjurisprudenz im IPR anzusetzen 290 . Ein schönes Beispiel ist seine Argumentation gegen die kollisionsrechtliche Sonderbehandlung beweglichen und unbeweglichen Vermögens i m Rahmen eines Vermögensstatuts, etwa des Erbstatuts. Hier werden deutlich gegeneinander abgewogen die Parteiinteressen 291 an einheitlicher Anwendung des Personalstatuts, „ A l l e i n die Schwierigkeiten u n d die aus diesen entspringenden Nachtheile treffen die Betheiligten selbst, die Parteien, auf welche die Rechtsregeln anzuwenden sind, u n d w i r dürfen niemals vergessen, daß deren wahres u n d gleichförmiges Interesse zu fördern, der Zweck der Rechtsregeln ist, daß diese Regeln ihnen dienen sollen, nicht umgekehrt 2 9 2 ."

und die möglichen auf Spaltung gerichteten Macht-, Ordnungs- und Verkehrsinteressen : „Man wenn durch fiele,

könnte gefährdet glauben den Vortheil der eigenen Unterthanen, vielleicht i n einzelnen Fällen ein Grundeigenthum unsres Landes Vererbung nach Rechtsregeln des Auslandes an einen Ausländer anstatt an einen Einheimischen . . . Oder man könnte glauben, die

289 Vgl. auch Coing , Sav. 20, 28; Raape / Sturm, I P R 411. — Die veränderte Fragestellung ist freilich nicht denknotwendige Voraussetzung einer solchen Entwicklung; zutreffend Kegel, Gegenst. 16; auch Neuhaus, Sav. 371. Gleichw o h l hat sie sie eingeleitet. 290 Kegel, Gegenst. 16. Auch i m materiellen Recht läßt sich dies übrigens bei Savigny beobachten, vgl. Esser, Grds. 170; Wiethölter, Begr. I n t . Jur. 235; Larenz, Meth. L. 11-19, der bemerkt (19), daß Savigny, obwohl sein Denken den Ansatz zur Begriffsjurisprudenz lieferte, dieser selbst nicht zugerechnet werden darf. 291 Die übrigens hergeleitet werden aus der Tatsache, daß auch das materielle Recht den persönlichen Interessen dient; vgl. auch oben A V 2 . Z u den kollisionsrechtlichen Parteiinteressen bei Savigny auch Lüderitz, A n k n . 32 f. 292 Savigny, Syst. V I I I 1 1 6 .

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T e i l 2: Die R e - K o n s t r u k t i o n des klassischen IPR-Modells

Würde u n d Selbstständigkeit unseres Staates wäre gefährdet, w e n n auf die Vererbung eines einheimischen Grundeigenthums fremde Rechtsregeln angewendet w ü r d e n 2 9 3 . "

Der zweite Wendepunkt, der sich bei Savigny andeutet, betrifft den stillschweigenden Universalismus, der Pfeiler einer Statutentheorie war, welche die Kollisionsrechtsordnung als ein System allgemeingültiger Abgrenzungen rechtlicher Macht- und Einflußsphären sah. Er war mehr und mehr ins Wanken geraten, seit die niederländische Comitaslehre — zunächst allerdings ohne weitere Schlußfolgerungen — letztlich die Entscheidung über die Anwendung ausländischen Rechts (und damit über den Inhalt der Kollisionsnormen) zu einer Sache des jeweiligen Staates machte. Ihren vorläufigen Höhepunkt hatte diese Entwicklung i n den Angriffen Wächters auf die Statutenlehre 2 9 4 . Hier fand eine vollständige Umkehrung statt: Nunmehr rückte das Recht des eigenen Staates, die lex fori, stark i n den Vordergrund, wobei allerdings die Unterscheidung zwischen Sachnormen und Kollisionsnormen der lex fori oft auf der Strecke blieb. Jedenfalls ist der Richter allein an das positive Recht seines Staates gebunden. Ausdrücklichen Kollisionsnormen — seien sie gesetzlicher, seien sie gewohnheitsrechtlicher A r t — hat er zu folgen. Gesetze des eigenen Landes, die angewandt sein „wollen", sind anzuwenden, selbst wenn dies der „Natur der Sache" widerstreiten sollte. Sonst ist die kollisionsrechtliche Entscheidung aus den materiellen Normen der lex fori herauszulesen 205 ; gelingt dies „nicht m i t Bestimmtheit", gilt i m Zweifel die lex fori. Die selbständige Fortbildung und Anpassung der Kollisionsnormen w i r d dem Richter ausdrücklich untersagt. Bei Savigny ist die Abkehr vom Universalismus einerseits weniger schroff, andererseits aber eng verbunden mit der von i h m aufgedeckten Rationalität der Kollisionsnormen. Dadurch ist es i h m erspart geblieben, wie Wächter aus dem einen Formalismus der Statuteneinteilung i n den anderen eines blinden nationalen Positivismus hineinzugeraten, und dadurch hat er sich über Wächter erhoben. Die Absage an eine universalistische Kollisionsrechtsordnung als aktuelle Entscheidungsgrundlage ist auch bei Savigny durchaus zu erkennen 2 9 6 . Er geht aus von den autonomen Kollisionsnormen eines jeden Staates und sieht die nationalen Unterschiede 297 ; er räumt die 293

Ebd. 116 f. Wächter, Coli. 295 Vgl. dazu das ähnliche Konzept Ehrenzweigs, T. 1 C I I I 1 sowie T. 4 C I I I 1. 296 Vgl. ζ. B. auch Gutzwïller , Ziel 164 f. Doch gibt es auch andere Beurteilungen; unten Β I V zu Fn. 333. 294

Β . Die Etappen des modernen Kollisionsrechts

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extreme, aber hypothetische und unerwünschte Möglichkeit einer staatlichen Kollisionsrechtsordnung ein, die sich auf die Berufung der lex fori beschränkt 298 . Wenn der Staat bei einem Gesetz dessen unbedingte Anwendbarkeit feststellt, dann hat diese Erklärung „die Natur eines Gesetzes über die Collision . . . , welches stets unbedingt befolgt werden muß" 2 9 9 . Doch zählt das Gesetz dann zu den Gesetzen „von streng positiver, zwingender Natur, die eben wegen dieser Natur zu jener freien Behandlung, unabhängig von den Gränzen verschiedener Staaten, nicht geeignet sind" 3 0 0 . Sie stehen damit außerhalb des eigentlichen kollisionsrechtlichen Systems. Daß diese „Ausnahmen" bei Savigny einen recht breiten Raum einnehmen, wurde schon erwähnt 3 0 1 . A u f der anderen Seite ist der universalistische Traum nicht ganz verblaßt. Das Kollisionsrecht gründet sich letztlich auf die „völkerrechtliche Gemeinschaft der miteinander verkehrenden Nationen" 3 0 2 , auf die „ i m Allgemeinen geforderte Rechtsgemeinschaft aller Staaten" 3 0 3 , die wiederum zurückzuführen ist auf den „Einfluß theils der gemeinsamen christlichen Gesittung, theils des wahren Vortheils, der daraus für alle Theile hervorgeht" 3 0 4 . Möglicherweise w i r d auch eine gemeinsame Basis des Grundverständnisses zivilrechtlicher Institutionen vorausgesetzt, denn von der kollisionsrechtlichen Anerkennung ausgeschlossen sind auch solche „Rechtsinstitute eines fremden Staates, deren Dasein in dem unsrigen überhaupt nicht anerkannt ist, die also deswegen auf Rechtsschutz i n unserem Staate keinen Anspruch haben", was sich m i t unserem heutigen ordre public nicht unbedingt deckt 3 0 5 . Universalistisch bleiben i n jedem Fall die Ziele des IPR. Die innere Rechtfertigung einer so „freien" Behandlung ausländischer Gesetze b i l det die zu erwartende Gegenseitigkeit 306 ; als oberstes Ideal w i r d angestrebt, „daß auch die Rechtsverhältnisse, i n Fällen einer Collision der Gesetze, dieselbe Beurtheilung zu erwarten haben, ohne Unterschied, ob i n diesem oder jenem Staate das Urtheil gesprochen werde" 3 0 7 , also 297 Vgl. etwa Syst. V I I I S. V I : „Deutsche, Franzosen, Engländer u n d A m e r i kaner stehen sich oft sehr schroff gegenüber"; ferner 24 f.; 117 (betr. die kollisionsrechtliche Nachlaßspaltung i n den angelsächsischen Ländern); 127. 298 Syst. V I I I 26. 299 Ebd. 35, auch 130. 300 Ebd. 33. 301 Oben T. 1 C I I I 2 zu Fn. 119. 302 Syst. V I I I 2 7 . 303 Ebd. 38. 304 Ebd. 27. 305 Ebd. 33, 37 f. Vgl. auch oben A I V , zu Fn. 138 - 142. 306 Savigny, Syst. V I I I 26 f. 307 Ebd. 27, vgl. ferner 128 f.

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T e i l 2: Die Re-Konstruktion des klassischen IPR-Modells

das, was w i r heute den äußeren Entscheidungseinklang nennen. Savigny glaubt an eine immer weitergehende Annäherung der internationalen Privatrechte 3 0 8 und stellt als Maxime der Rechtsfortbildung die Forderung auf, daß die neue Regel geeignet wäre, „ i n jenes allen Nationen gemeinsame Gesetz aufgenommen zu werden" 3 0 9 . Und von den aus dem kollisionsrechtlichen Rahmen fallenden „streng positiven, zwingenden Gesetzen", jenen Störenfrieden, „ist aber zu erwarten, daß diese Ausnahmefälle, i n Folge der natürlichen Rechtsentwicklung der Völker, sich fortwährend vermindern werden" 3 1 0 . Savigny hat somit den Universalismus als Grundlage seines Systems verbannt und die so gewonnene Freiheit zu einer Neubesinnung genutzt, die entscheidend für die Weiterentwicklung des IPR werden sollte. Er hat ihn beibehalten als ein Ziel, eine Utopie, die niemals Wirklichkeit geworden ist und die uns heute ferner erscheint als je. Worin liegt Savignys Bedeutung für das heutige IPR? Er hat alte Verkrustungen aufgebrochen, den Weg gewiesen zu einem modernen IPR. Ein fertiges System hat er nicht geliefert und konnte es auch gar nicht. Weitere Entwicklungen und neue Gedanken haben das Ihre dazu beigetragen, das IPR i n seiner heutigen Form entstehen zu lassen, und der Weg ist noch lange nicht zu Ende. Heute schlicht von f ySavignys IPR" zu sprechen, ist sicher eine Übertreibung, mag sie i m guten, mag sie i m bösen Glauben erfolgen. Die überragende Leistung Savignys war es, zur richtigen Zeit den richtigen Anstoß gegeben zu haben. Er selbst war bescheidener — und realistischer — als viele seiner Erben. Er bezeichnete das IPR als „erst i m Werden begriffen, als unfertig". Und er meinte, daß jeder „es sich zur Ehre rechnen (muß), wenn es ihm gelingt, den fortgehenden geistigen Prozeß durch Zurückführung dieser Lehre auf eigentliche Grundsätze weiter fördern zu helfen, selbst wenn sein Versuch, bei fernerer Entwicklung, nur noch als einzelner, vorbereitender Schritt i m Andenken bleiben sollte" 3 1 1 . Savignys Entwurf war mehr als das; er war der erste entscheidende Schritt i n Richtung auf ein modernes IPR, aber er war gewiß nicht der einzige und auch nicht der allein ausschlaggebende.

808 Ebd. V I , V I I I , 114. Er empfiehlt den Abschluß von Staatsverträgen (30, 114). Übrigens teilten auch „Nationalisten" w i e Kahn vorsichtig diese H o f f nung. 309 Savigny, Syst. V I I I 1 1 5 . 310 Ebd. 38. 311 Ebd. V I I I .

Β . Die Etappen des modernen Kollisionsrechts

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I V . „Nationalisten" und „Internationalisten"

Der Streit darüber, ob i m internationalen Privatrecht es ebenso wie im Sachrecht die Angelegenheit eines jeden Staates ist, eine gerechte Entscheidung zu finden und dabei aktiv seine eigenen Wertvorstellungen zu verwirklichen (zu denen natürlich ohne weiteres auch die Förderung „internationaler" Interessen gehören kann und soll) oder ob er mehr oder weniger passiv nur als Vollzieher eines vorgegebenen universellen Normengefüges auftritt, das als eine A r t „Überrecht" die zivilrechtlichen Kompetenzen der Staaten gegeneinander abgrenzt, dieser Streit sollte seinen Gipfelpunkt erst noch erreichen. Die beiden Schulen, die sich gegenüberstanden, wurden die nationalistische und die internationalistische genannt, ihre Vertreter Nationalisten und Internationalisten. Die Bezeichnung traf den genannten Gegensatz einigermaßen, ist aber heute nicht mehr zu gebrauchen, weil diese Begriffe mittlerweile zu sehr emotional befrachtet sind und darum die verschiedenen Standpunkte leicht i n einem falschen Licht erscheinen lassen könnten. I n der neueren Literatur sind sie häufig ersetzt durch das Begriffspaar Positivisten und Aprioristen 312. Dieses scheint indessen auch nicht genau zu treffen 3 1 3 . Auch das Völkerrecht, für die „Internationalisten" Quelle des IPR, kann man durchaus — und sollte man — als „positives" Recht 3 1 4 auffassen, und auf der anderen Seite haben auch die „Nationalisten" meist gewisse „a priori" oder der „Natur der Sache" nach geltende Regeln anerkannt, nur eben als Bestandteile des eigenen staatlichen Rechts; sogar gewisse völkerrechtliche Rahmen- Rechtssätze wurden akzeptiert 3 1 5 . Uns scheint es daher treffender, die „Internationalisten" als Universalisten 316 zu bezeichnen; damit soll ihre Grundauffassung gekennzeichnet werden, der zufolge das Kollisionsrecht einer universell geltenden überstaatlichen Ordnung — sei diese nun „positiv" oder nicht — zu entnehmen ist, die jedem Staat seinen zivilrechtlichen Einflußbereich 312 Ζ. B. Ferid, IPR Rdn. 1 - 1 1 5 . I m angelsächsischen Bereich meint man Ähnliches m i t „positiver" u n d „theoretischer Methode", vgl. Cavers , Crit. 173 f. 313 Über die Ungeeignetheit des Begriffs „Positivismus" zur Kennzeichnung der entsprechenden Richtung treffend Lewald, D r i t t e Sch. 645. 314 So ausdrücklich Kahn, I n h a l t 275: „ W i r sind Anhänger der Positivität des Völkerrechts". 315 So ζ. B. bei Kahn, I n h a l t 284 - 288. — Niemeyer, entschiedener Verfechter der „positivistischen Methode" (Meth. 31), t r i t t für zumindest ergänzende rechtsschöpferische Kollisionsnormbildung aufgrund von „Prinzipien" ein, Meth. 28 f., 33 f., 38 f. 316 So ζ. B. auch Wiethölter, I n t . o. p. 134. V o n „universalistischer Methode" spricht auch Batiffol, Plur. 79, u n d stellt i h r die „partikularistische Methode" gegenüber. Ebenso van Hecke, Univers.

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Teil 2: Die Re-Konstruktion des klassischen IPR-Modells

zuweist. Die „Nationalisten" wollen w i r Autonomisten nennen. Auf ein griffiges sprachliches Gegensatzpaar muß man so allerdings verzichten; doch der Gegensatz in der Sache dürfte auf diese Weise plastischer herausgestellt sein. Kern der autonomistischen Auffassung ist nämlich, daß der Staat i n eigener Verantwortung, nach eigener Wertung, also autonom, die Verwirklichung der internationalprivatrechtlichen Gerechtigkeit (wie w i r heute sagen) anstrebt. Es w i r d häufig so getan, als ginge uns die Auseinandersetzung zwischen den beiden Schulen nichts mehr an. Diese „angeblichen Gegensätze" seien „nicht mehr valutiert", meint Wiethölter 317. Richtig daran ist, daß der Streit heute praktisch zugunsten des Autonomismus entschieden ist; doch findet auch die universalistische Idee durchaus noch ihre Anhänger i m Grundsätzlichen 318 , und i n Teilbereichen bricht sie auch sonst immer wieder durch 3 1 9 . Nicht richtig wäre gewiß die Behauptung, daß diese Auseinandersetzung für das moderne IPR bedeutungslos sei. Wenn Wiethölter — etwas vereinfachend — erklärt, „was uns heute von Savigny oder Story, den Statutisten oder Mancini trennt, ist die Unmöglichkeit, i m Kollisionsrecht m i t Hilfe einfacher Kategorien die Masse der notwendigen Anknüpfungen zu gestalten" 3 2 0 , dann berührt er nämlich genau den Punkt, der schon die Autonomisten gegen die Universalisten aufbrachte 321 . Es sollen und können hier nicht die zahlreichen Versuche universalistischer Systembildung abgehandelt werden. Von den Statutisten über Mancini und die italienische Schule, über Laurent, Pillet, Niboyet bis zu den zweistufigen Gebäuden Zitelmanns und Frankensteins war es stets ihr Bestreben, das internationale Privatrecht zu verstehen als eine wirkliche „Zuständigkeitsordnung", die notwendig oberhalb der staatlichen Rechte angesiedelt sein mußte. Da es dort aber praktisch nichts Greifbares gab, war man gezwungen, das ganze System auf die 317

Z. B. I n t . o. p. 134 f. Ä h n l i c h schon Lewald, D r i t t e Sch. 645. U n d zwar vor allem i n der F o r m des „stellvertretenden Universalis mus", wie er besonders i n der Lehre von der „funktionellen Verdoppelung" zu Tage t r i t t . Vgl. oben A I I I 1 Fn. 65. Außerdem Schnorr v. Carolsfeld, Adressat 582 - 590; Niederer, Einf. 125 - 131, 134 - 146; Heiz, ö f f . R. 27, 38 f., 44 u. passim (auch f ü r das IPR!); Bühler, Völkerr. Geh.; Meessen, K o l l . R.; Etter, Souv. 146, 218. Uberblick über die dem Völkerrecht i m I P R zugedachten unterschiedlichen Rollen bei Etter, 120 - 146. L i t e r a t u r auch bei Raape / Sturm, I P R 40 f. 319 Vgl. unten D I V 2. Z u m Verhältnis Völkerrecht—IPR allgemein vgl. Neuhaus, Beitr.; Staudinger / Korkisch, EGBGB Einl. Rdn. 4 4 - 5 6 ; van Hecke, Princ. 412 - 430. 320 Wiethölter, I n t . o. p. 135; ders., Nachl. Verf. 142. 321 So vor allem Kahn, z.B. I n h a l t 272, 293: „ A l l e i n i n ein halbes Dutzend Sätze destillieren läßt sich das internationale Privatrecht ebensowenig wie das materielle". 318

Β . Die Etappen des modernen Kollisionsrechts

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beiden anerkannten völkerrechtlichen Pfeiler „Personalhoheit" und „Gebietshoheit" zu bauen und den räumlichen Geltungsbereich der jeweiligen Gesetze entweder dem einen oder dem anderen anzupassen. Das war durchaus eine abgewandelte Form des alten statutistischen Bemühens um objektive, generelle Abgrenzung, und Kahn hat recht, wenn er hierfür die Bezeichnung „moderne Statutenlehre" w ä h l t 3 2 2 . Die universalistischen Gedankengebäude, wie genial sie auch konstruiert waren, konnten nicht überdauern, weil ihnen das sichere Fundament der Realität fehlte. Für die ursprüngliche Statutentheorie konnte immer noch die Ableitung der tragenden Gedanken aus der gemeinsamen römischrechtlichen Grundlage eine gewisse formale Verklammerung bewirken. Für die neue Version mußte an diese Stelle das Völkerrecht treten 3 2 3 , dessen beide Prinzipien Territorialhoheit und Personalhoheit nicht einmal ein Gerüst bilden konnten. Die Leerräume wurden ausgefüllt durch die individuellen Ideen der jeweiligen A u toren, die diese jedoch — und darin liegt die Schwäche — nicht als eigene rechtspolitische Vorschläge ausgaben (die großenteils durchaus diskutabel und vernünftig waren), sondern als zwingende und objektiv richtige Erkenntnis des Inhalts einer vorgegebenen „Überrechtsordnung". Niemand hat die Realitätsferne dieses Unterfangens plastischer ausgedrückt als K a h n 3 2 4 : „Denn was ist das völkerrechtliche internationale Privatrecht jener Schule? E i n Völkerrecht, das nie und nirgends geübt oder anerkannt, das i m m e r u n d überall mißachtet u n d übertreten worden ist, u n d das alledem zum Trotz doch bestehen muß, w e i l es den Theoretikern nach allgemeinen Grundsätzen als das Richtige, als das Naturnotwendige erscheint. U n d wenn n u r wenigstens diese Theoretiker selbst dabei einig wären; dann bestünde doch die Aussicht, daß ihre einheitliche Meinung zum Durchbruch kommen würde. Es könnte darin, wenn nicht eine gewordene, so doch eine werdende internationale Überzeugung verkörpert sein; w i r sähen die G i p fel von der Sonne des aufgehenden Völkerrechts bereits beleuchtet, w ä h rend i n unseren Niederungen noch das D u n k e l allgemeiner Rechtsverwirrung sich ausbreitete. — Dem ist aber durchaus nicht so. Auch unsere internationalen Theoretiker wandeln noch m i t t e n i n diesem Dunkel. Was der I n h a l t ihres behaupteten Völkerrechts sei, darüber streiten sie auf Schritt u n d T r i t t ; n u r darüber sind sie einig, daß es allem Zweifel u n d Streit zum Trotz bestehe und bestehen müsse."

Gelehrten wie Zitelmann und Frankenstein blieb diese Diskrepanz natürlich nicht verborgen; gleichwohl mochten sie von ihrem univer322

Kahn, Ord. pubi. 164, 194 u. passim. So ζ. B. bei Zitelmann, IPR I 71 - 122, während Frankenstein, IPR 1 - 131 tiefer geht u n d sein universalistisches „aprioristisches" System auf die E r gebnisse der Sprachkritik u n d Völkerpsychologie zu gründen sucht (Abgrenzung zum System von Zitelmann: I P R 32 f. Fn. 1). 324 I n h a l t 274. 323

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Teil 2: Die Re-Konstruktion des klassischen IPR-Modells

salistischen Traum nicht lassen. Die Folge war, daß das Ideal durchbrochen werden muß te: bei Zitelmann durch wenigstens umfassenden subsidiären E i n t r i t t des „völkerrechtlichen" IPR gegenüber den (geltenden) staatlichen Regelungen 325 , bei Frankenstein, der i n der Begründung seines Systems noch hinter das Völkerrecht zurückgeht, durch zwei Anknüpfungsschichten 326 : Die universelle, „wahre" Anknüpfung ist die „primäre"; der „primär" zuständige Staat kann seinerseits eine andere, „sekundäre" wählen. „Primär" nicht zuständige Staaten können „unter Überschreitung ihrer Rechtsmacht fremde Staatsangehörige sich m i t polizeilichem Zwang unterwerfen, gewaltsam eine Anknüpfung herstellen, die i m Rechtssinne gar nicht vorhanden ist (Pseudo-Anknüpfung)" 3 2 7 . Geburtsfehler dieses primären IPR war indessen, daß es nur i n der Phantasie seines Erfinders bestand 328 . Wie schon erwähnt, ist der Streit heute praktisch entschieden. Daß jeder Staat die internationalprivatrechtlichen Fragen in eigener Verantwortung und nach eigener rechtspolitischer Wertung, also autonom, beantwortet, ist weithin anerkannt — wenn auch mitunter zähneknirschend und unter Vorbehalten 3 2 9 . Die theoretische Wurzel des Autonomismus liegt weit zurück, bei der niederländischen Comitas-Lehre. Hier wurde zuerst die gemeinsame universalistische Decke der Statutenlehre zerrissen und die Zulassung der Anwendung ausländischen Rechts jedenfalls theoretisch zur Sache eines jeden Staates gemacht, wenn sich auch praktisch zunächst nichts änderte 330 . Doch war damit die Bresche geschlagen, die die Entwicklung eines bewußt autonomen staatlichen Kollisionsrechts ermöglichen sollte. Wächter führte gegen den statutistischen Universalismus heftige A t t a k 325 Zitelmann, I P R I 74-77. Vgl. hierzu Gutzwïller , Zit.; Staudinger / Korkisch, EGBGB Einl. Rdn. 48 f. 326 D a m i t verficht Frankenstein letztlich ein selbständiges (universelles) Kollisionsgrundnormen-System; vgl. oben A I I I 2 zu Fn. 115. 327 Frankenstein, I P R 34, 129 - 131. 328 Was natürlich — wie bemerkt — nicht bedeutet, daß die praktischen E r gebnisse schon deshalb unbrauchbar wären. 329 Das macht sich dadurch bemerkbar, daß weiterhin einer universalistischen Tendenz angehangen w i r d (dazu unten D I V 2). E i n besonders bezeichnendes Beispiel bildet die Lehre von der „funktionellen Verdoppelung" des IPR (oben A I I I 1 zu Fn. 65). — Vgl. als jüngstes Beispiel insbesondere Schnorr v. Carolsfeld, Adressat 582 - 591; ders., Normengrenzr. 330 v g l . Gamillscheg, Dumoul. 177 f., 180: A n die Stelle eines (theoretischen) Zwangs zur A n w e n d u n g bestimmter Grundsätze trat nunmehr die „ i n t e r nationale freiwillige Übereinstimmung". Über die kollisionsrechtlichen A u f fassungen P. u n d J. Voets sowie U. Hubers eingehend Gutzwïller, Gesch. 136 - 153, 155 - 170. Ä h n l i c h de Nova, Hist. I n t r . 448 - 451. Erst durch Wächter scheint die nationale Gebundenheit ins Bewußtsein gedrungen zu sein; de Nova, ebd. 452, 455.

. Die

t e n des m e n

Kollisionsrechts

k e n 3 3 1 , b e t o n t e aber a u f d e r a n d e r e n Seite z u sehr f o r i , als daß d i e r i c h t i g e n A l t e r n a t i v e n g e n ü g e n d k o n n t e n . Savigny g i n g , w i e w i r gesehen h a b e n 3 3 2 , v o m a u t o n o m e n s t a a t l i c h e n I P R aus, zog aber l ä n g s t

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die materielle l e x deutlich werden i m Grunde zwar nicht alle Konse-

quenzen, b e h i e l t v o m U n i v e r s a l i s m u s d i e rechtspolitischen G r u n d g e d a n k e n u n d sah i h n a u ß e r d e m als U t o p i e e i n e r f e r n e r e n I P R - E n t w i c k l u n g . D e r autonomistische A n s a t z t r i t t b e i i h m noch n i c h t p r ä g n a n t h e r v o r , u n d so k o m m t es, daß manche i h n sogar — w e n n auch z u U n r e c h t — d e r „ i n t e r n a t i o n a l i s t i s c h e n " Schule z u r e c h n e n 3 3 3 . D e n D u r c h b r u c h brachte erst e i n a n d e r e r : Franz Kahn. W ä h r e n d m a n h ä u f i g g e n e i g t ist, m i t Savigny unser heutiges I P R schlechthin z u i d e n t i f i z i e r e n , b e g n ü g t m a n sich b e i Kahn m e i s t d a m i t , i h n — z u s a m m e n m i t Bartin — als H a u p t v e r t r e t e r d e r „ n a t i o n a l i s t i schen" Schule z u e r w ä h n e n , eine W ü r d i g u n g , d i e seiner B e d e u t u n g b e i w e i t e m n i c h t gerecht w e r d e n d ü r f t e , w i r d doch vieles, w a s das m o d e r n e I P R ausmacht, v o n i h m bereits v o r w e g g e n o m m e n . M i t Bartin h a t er a l l e r d i n g s die B e t o n u n g der s t a a t l i c h e n R e c h t s q u e l l e n g e m e i n ; es t r e n n t beide aber auch vieles. Bartin ist viel mehr w i r k l i c h e r „Positivist"; er betont den staatlichen U r sprung der Kollisionsnormen stark i m Sinne seiner Rechtsquellenlehre (während bei Kahn mehr die autonome rechtspolitische Stellung des n o r m setzenden Staates i m Vordergrund steht). Auch für i h n ist Kollisionsrecht noch i n erster L i n i e Souveränitätsabgrenzung. Jeder Staat beschränkt seine privatrechtssetzende Souveränität f r e i w i l l i g aus Rücksicht auf die (zivilisierten) anderen Staaten. Diese Selbstbeschränkung beruht auf einer A r t unerzwingbarer „ N a t u r a l o b l i g a t i o n " 3 3 4 ; die Anwendung ausländischen Rechts erfolgt — als eine A r t Verbeugung vor fremder Souveränität — i n der Erwartung, daß dem eigenen Recht i m fremden Staat ein ähnlicher — als „gerecht" empfundener — Spielraum eingeräumt werde. So entsteht eine internationale „Société des Nations", die aus der gemeinsamen Z i v i l i sation erwächst. Aufgabe des I P R bleibt die Lösung „internationaler K o n f l i k t e des Rechts u n d der Zuständigkeit", die stets zurückzuführen sind auf die „Idee des Souveränitätskonflikts" 335. I n der Tatsache, daß diese A u f gabe von den Staaten auf eigene Rechnung vorgenommen w i r d , bleibt ein Rest unlösbarer Widerspruch, m i t dem man eben leben müsse 3 3 6 . Bartin 331

Wächter, Coli. Eingehende Würdigung bei de Nova, Hist. I n t r . 452 - 456. Oben Β I I I . 333 So anscheinend Batiffol, Plur. 79; Beitzke, Meth. 7; Gutzwiller, Bspr. Nußbaum 652; ders., Sav. 44, 49 Fn. 1; van Hecke, Univers. 939; sowie besonders Niederer, Einf. 60, 61. Geradezu auf den K o p f stellt den Vorgang Etter, Souv. 94; nach i h m „brach" Savigny „ m i t dem Prinzip der einzelstaatlichen Autonomie auf dem Gebiete des I P R " . Dieses w a r erst 7 Jahre vorher von Wächter aufgedeckt worden! — Zutreffend hingegen z.B. Wolff , I P R 18 Fn. 22. 334 Bartin, Princ. 114. 335 Ebd. 69, 74, 112 - 115. 336 Ebd. 113. 332

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Teil 2: Die R e - K o n s t r u k t i o n des klassischen IPR-Modells

glaubt auch nicht an ein einheitliches Kollisionsrecht als Fernziel der E n t wicklung837.

Nicht nur, daß Kahn dem Universalismus eine Fülle von Argumenten entgegengehalten hat, die i n ihrer Schlagkraft bis heute nichts einbüßen, ist sein Verdienst. Wie er die so gewonnene Freiheit von universalistischen a-priori-Zwängen nutzt, auch und gerade hiervon sollten entscheidende Impulse ausgehen. Man könnte das Charakteristikum i n einer Verschiebung von der Statik zur Dynamik sehen. Solange der Kollisionsrechtler m i t angeblich vorgegebenen starren Prinzipien arbeiten mußte — wie Personalität und Territorialität —, solange mußte er sich damit begnügen, die jeweils zu beurteilenden Gesetze, Rechtsverhältnisse oder Sachverhalte i n eine dieser Kategorien zu pressen, koste es was es wolle. Insbesondere die romanische Lehre von den ordrepublic-Gesetzen, die die eine — territoriale — Hälfte des gesamten internationalen Privatrechts erfaßte, und die i n der deutschen Lehre von den Prohibitivgesetzen ihr (verkleinertes) A b b i l d fand 3 3 8 , lieferte solche Schemata; ihr gilt daher der Hauptangriff Kahns 3 3 9 . Kahn w i r d nicht müde zu betonen, daß i n dem Auffinden der richtigen, angemessenen Anknüpfung die Hauptaufgabe der IPR-Wissenschaft liegt 3 4 0 . Damit t r i t t die Weiterentwicklung und Verfeinerung des Anknüpfungssy stems i n den Vordergrund 3 4 1 ; denn: „ I n der Regel sind Gesetzgebung und Theorie bei der Aufstellung allgemeiner und allgemeinster Kollisionsnormen durchaus nicht m i t der nötigen kritischen Vorsicht zuwegegegangen. Derartige allgemeine Normen (Grenznormen) sind deshalb als solche einer weitgehenden Restriktivinterpretation unterworfen. Es wohnt ihnen allen etwas Subsidiäres und Relatives inne: subsidiär i n dem Sinne, daß innerhalb ihres Herrschaftsgebiets der Bildung abweichender spezieller Normen nichts i m Wege steht; relativ i n dem Sinne, daß sie sich nur beziehen auf einen mehr oder weniger bestimmt umschlossenen Kreis von Sachnormen" 342 . „ A l l e i n i n ein halbes Dutzend Sätze destillieren läßt sich das internationale Privatrecht ebensowenig wie das materielle" 3 4 3 . 337

Z u m Verhältnis Kahn — Bartin vgl. ferner Neuner, Sinn 9 - 28. Z u m Verhältnis der romanischen zur deutschen Theorie treffend Kahn, Ord. pubi. 190 - 194. 339 M a n muß also stets beachten, daß sich Kahns berühmte Abhandlung über den ordre public p r i m ä r gegen diese Theorie richtet. A u f unseren heutigen ordre-public-Begriff bezogen sind seine Argumente darum i m a l l gemeinen m i t gewissen Vorbehalten zu lesen. Vgl. aber auch Ord. pubi. 180. Z u m Ordre public allgemein unten T. 3 Β V I I . 340 Ges. K o l l . 46, 112; I n h a l t 281, 293. 341 Vgl. ζ. B. Ord. pubi. 251 - 254. 342 Ebd. 252. S. auch I n h a l t 296: Verweigert uns der Gesetzgeber hinsichtlich der passenden Kollisionsnorm „seine Mithilfe, so bleibt uns n u r eine W a h l : w i r müssen selbst danach suchen". 338

. Die

t e n des m e n

Kollisionsrechts

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Die Trennung von Kollisions- und Sachnorm ist ein immer wiederkehrendes Grundprinzip; die „Verwirrung" von beiden w i r d häufig beklagt 3 4 4 . A u f der anderen Seite erkennt Kahn aber deutlich die Zusammenhänge zwischen ihnen, ohne sie indessen schon genauer definieren zu können. I h m fehlte noch das nötige Handwerkszeug, u m die beteiligten Kräfte, die „Interessen", wie w i r heute sagen, herauszupräparieren. Er prüft, ob die Anwendung des fremden Rechts „dem Geist und Sinn unserer Rechtsordnung entspricht" 3 4 5 , er untersucht die „Intensität der A n k n ü p f u n g " 3 4 6 , er berücksichtigt bereits das „gesellschaftliche Interesse" 3 4 7 an der Anwendung bestimmter Sachnormen und macht die Anknüpfung davon abhängig, an welcher „Stelle" das konkret geschützte öffentliche Interesse „ l i e g t " 3 4 8 . Stets w i r d aber deutlich, daß nicht etwa der Sachnorm der Anwendungsbereich entnommen werden kann 3 4 9 , es w i r d eine gesonderte Kollisionsnorm gebildet, die nur dem sachlichen Inhalt der zugehörigen Norm Rechnung trägt. Das Kollisionsrecht besteht i n der Kunst, „wie w i r aus den Sachnormen die Kollisionsnormen destillieren, wie w i r aus dem materiellen Recht die Zwecke und Ziele herausziehen, welche für das internationale Privatrecht von Bedeutung sind" 3 5 0 . Doch das ist nur die eine Seite. A u f der anderen Seite stehen das „Interesse des internationalen Verkehrs" 3 5 1 , die „Rücksichten der internationalen Rechtssicherheit" 352 , das Ideal „internationaler Entscheidungs(Gesetzes-)harmonie", zu dem sich Kahn bekennt. Wo möglich, soll darum Gleichartiges gleich angeknüpft werden, die „Ausdehnungsgleichheit . . . ohne Not niemals" aufgegeben werden 3 5 3 . Jede Kollisionsnorm ist die „Resultante" aus diesen beiden Kräften 3 5 4 . A l l e 343

I n h a l t 293. Ord. pubi. 189, 231. Vgl. ferner Ges. K o l l . 26 f. (Kollisionsnorm und Sachnorm sind „inkommensurabel", es handelt sich u m eine „andere danebenstehende N o r m " ) ; Ord. pubi. 173 („Hereinmanipulieren der Ortsnormen i n die Sachnormen"), 174, 182; I n h a l t 307 - 311; Rvgl. 494. 345 Ord. pubi. 178, 224. 346 Ebd. 188. 347 Ebd. 253 f. 348 Ebd. 349 I n h a l t 309, Rvgl. 493 u n d unten zu Fn. 366 - 370. 350 Kahn, Rvgl. 498. S. ferner Ges. K o l l . 112; I n h a l t 300. — Diese Äußerungen erscheinen n u r dann mißverständlich, w e n n m a n sie aus dem Zusammenhang reißt u n d nicht vor dem Hintergrund der strikten funktionalen Trennung von Kollisions- u n d Sachnorm sieht, die Kahns Werk prägt. 351 I n h a l t 318. 352 I n h a l t 309; Ord. pubi. 254 („Interesse der internationalen Gesetzesharmonie"). 353 I n h a l t 310, 311. 354 Rvgl. 494, 503. 344

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Teil 2: Die Re-Konstruktion des klassischen IPR-Modells

Regeln sind möglichst so zu fassen, daß sie internationalisierbar sind; der „Nationalist" Kahn erhofft sich eine allmähliche internationale Annäherung der Kollisionsrechte durch Staatsverträge und Wissenschaft 355 ! Und wenn er als „oberste Regel" den Satz aufstellt: „Erstrebt werden diejenigen Kollisionsnormen, bei welchen unter A u f gabe des Minimums von nationalen Rechtszwecken ein Maximum von internationaler Gesetzesharmonie erreicht w i r d " 3 5 6 , dann enthält dies schon Ansätze dessen, was w i r später „Abwägung kollisionsrechtlicher Interessen" nennen. Von seiner anfangs m i t Savigny geteilten Ansicht, daß Kollisionsnormen sich nur auf solche ausländischen Rechtsfiguren beziehen können, die dem eigenen materiellen Recht irgendwie wesensverwandt sind 3 5 7 , löst sich Kahn bald entschieden 358 . Zwar kann es sein, daß solche fremden Rechtssätze nicht unter dieselben Kollisionsnormen passen, wie unsere; doch müssen dann eben eigene, neue Kollisionsnormen m i t einer passenden Anknüpfung gefunden werden. Denn einen „naturnotwendigen Inhalt der Rechtsverhältnisse" gibt es nicht, „die Natur der Rechtsverhältnisse, aus der w i r alle Sätze des internationalen Privatrechts abstrahieren", hat „ihre Quelle i n den einzelnen Territorialrechten" 3 5 9 ; daher kann es sogar „häufig vorkommen, daß für Rechtsverhältnisse verschiedener Territorien ein verschiedener privatinternationaler ,Sitz' abzuleiten ist, obgleich diese Rechtsverhältnisse eine weitgehende Wesensverwandtschaft haben" 3 6 0 . „Jede Kollisionsnorm gilt nur für einen solchen Kreis von Sachnormen, welche denjenigen, die bei Entstehung und Entwicklung der Kollisionsnorm Pate gestanden haben, einigermaßen homogen sind" 3 6 1 . T r i f f t das für bestimmte Sachnormen nicht zu — gleich ob in- oder ausländische —, so „ist damit die privatinternationale Untersuchung für diese Sachnormen nicht etwa beendigt, sondern sie fängt erst an. W i r haben nun zu forschen, welche andere Kollisionsnorm hier g i l t " 3 6 2 . „Für jedes 355

I n h a l t 291 f. Ebd. 326. 357 Kahn, Ges. K o l l . 114 - 117, vgl. auch 112. 358 I n h a l t 311-316, wo er seine frühere Ansicht schonungslos widerlegt („eine Unmöglichkeit", „ i n h a l t l i c h undurchführbar"). Das kündigt sich bereits an i n Ord. pubi. 183 („kein fremdes Rechtsinstitut . . . können w i r einfach ,unbeachtet 4 lassen"). Auch hier bestehen Gegensätze zu Bartin, der der materiellen lex fori w e i t mehr verhaftet bleibt, vgl. Francescakis, Dr. nat. 145. — Dieser Erkenntniswandel Kahns ist von späteren Autoren häufig übersehen worden (leider auch von Rabel, vgl. Qual. 243, 255, dazu auch unten Β V Fn. 382), wodurch das Werk Kahns bis heute oft i n einem falschen Licht erscheint. 359 Vgl. Kahn, Ges. K o l l . 95 - 100. 300 Ges. Koll. 97, I n h a l t 316. 361 Rvgl. 501. 356

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Gebilde des materiellen Privatrechts entstehen eigene und besondere Formen des internationalen; jede Sachnorm w i r f t sozusagen ihren privatinternationalen Schatten" 3 6 3 . Es ist klar, daß man dafür die ausländischen Sachrechtsordnungen kennen muß, denn die Sachnorm ist sowohl „Ausgangspunkt wie Endpunkt" der Überlegung 3 6 4 . Materielle Rechtsv ergleichung ist darum die Seele des internationalen Privatrechts 365 . Konsequent verfolgt Kahn seinen Weg beim berühmten Kampf gegen die Lehre von den ordre-public-Gesetzen. Er führt die Methode ad absurdum, welche die Gesetze nur auf ihren Inhalt, auf ihre besondere Wichtigkeit, auf ihren besonders hohen Gehalt an „sozialem ö l " 3 6 6 untersucht und dann für schlechthin anwendbar erklärt. U m diesen Inhalt allein, sagt Kahn, geht es überhaupt nicht. „Keines unserer Gesetze, mag es noch so fundamental sein, verlangt exclusive, absolute Anwendung" 3 6 7 . Es geht einzig und allein u m die Wahl der richtigen (abweichenden) Anknüpfung 3 6 8 . „Ist die Anknüpfung wenig intensiv und für das betreffende Hechtsverhältnis relativ unwichtig, so können Gesetze, die von der fundamentalsten Bedeutung für das ganze Staatsleben sind, gleichwohl auf ihre Anwendung verzichten. Ist umgekehrt die Anknüpfung von großer Intensität oder von spezieller Bedeutung für ein so geartetes Rechtsverhältnis, so w i r d ein Gesetz von vielleicht ganz geringfügiger Wichtigkeit doch niemals einer ausländischen Norm den V o r t r i t t lassen 369 ." Die bekämpfte Lehre führt i m Kreise. „Entkleidet von allen . . . völlig nichtssagenden und überflüssigen Schnörkeln und Verzierungen" wiederholt sie nur das "oberste Prinzip" des internationalen Privatrechts: „Fremdes Recht ist anzuwenden, wenn dies dem Geist und Sinn unserer Rechtsordnung entspricht; es ist nicht anzuwenden, wenn seine Anwendung dem Sinn und Geist unserer Rechtsordnung widerstreitet." Für einen solchen allgemeinen, fundamentalen Grundsatz braucht man aber die ganze Theorie nicht 3 7 0 . Die Aufgabe bleibt, „die i m Strome des Lebens schwimmenden Rechtsgebilde aufzufangen und i n sichere H u t zu nehmen" 3 7 1 . Hier 362

Ord. pubi. 252; vgl. auch I n h a l t 317. Kahn, I n h a l t 293, vgl. auch 262. Daß nicht n u r das eigene materielle Privatrecht gemeint ist, ergibt sich z.B. aus S. 316, 317. Ferner Rvgl. 493, Ord. pubi. 183. 364 I n h a l t 300. 365 Ord. pubi. 252; I n h a l t 315, 316; Rvgl. 493. 368 Ord. pubi. 182, 221. 367 Ebd. 183, auch 187, 213 f., 222. 368 Vgl. ζ. B. Ord. pubi. 181 - 190, 231, 235, 253. 369 Ebd. 222, Beispiele 168 - 173. 370 Ebd. 177, 178, 189, 224, 239. 371 Ebd. 251. 363

9 Schurig

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handelt es sich i m allgemeinen nur u m den „noch unerkannte[n] und . . . noch unfertige[n] Teil des internationalen Privatrechts" 3 7 2 . Was bedeuten nun der Autonomismus und vor allem Franz für die Entwicklung des IPR?

Kahn

Die Befreiung von universalistischen a-priori-Zwängen wurde konsequent zu Ende geführt; der Anstoß wurde gegeben, diese Freiheit zu nutzen zu ständiger „autonomer" Fortentwicklung und Verfeinerung des IPR. Die Bezogenheit der Kollisionsnormen auf die verschiedenen Sachnormen der Welt wurde ans Licht gebracht. Die Notwendigkeit einer gemeinsamen materiellrechtlichen Basis entfielt. Das Kollisionsrecht konnte sich jetzt m i t allen Erscheinungen der materiellen Rechte befassen, auch m i t den ganz und gar fremden; es kam nur noch auf die Wahl der richtigen Anknüpfung an. Dasselbe gilt für ordre-publicund Prohibitiv-Gesetze. Savigny hatte sie aus dem IPR-System ausgeschlossen, die romanische Schule hatte sie verselbständigt und isoliert. Franz Kahn hat sie wieder i n das System des Kollisionsrechts integriert. Savigny hat dem modernen IPR die Richtung gewiesen, Kahn hat i h m den Weg bereitet. Was noch fehlte, war die endgültige methodische Loslösung von der materiellen lex fori und das richtige Instrumentar i u m für die Erkenntnis der Kräfte hinter den Kollisionsnormen. V. Die „Dritte Schule"

Der Autonomismus hat das IPR emanzipiert von einem imaginären Überrecht, aber die „nationalistische" Schule stand noch zu sehr i m Banne der materiellen lex fori: das Kollisionsrecht muß te sich noch emanzipieren vom eigenen Sachrecht. Auch diese Entwicklung findet man bereits vorgezeichnet bei Franz Kahn. Er beginnt m i t einer Ausrichtung des Kollisionsrechts am eigenen Sachrecht (indem er m i t Savigny fremdartige Rechtsinstitute aus i h m verbannen will), propagiert dann aber — unter entschiedener Aufgabe des bisherigen Standpunkts 3 7 3 — die rechtsvergleichende Hinwendung zu ausländischen Rechten und die kollisionsrechtliche Reaktion auf solche fremden Rechtssätze (anstelle ihrer Ignorierung) und endet (1900!) m i t der Proklamation einer „dritten", rechtsvergleichenden Schule: „ D i e beiden bisher i m internationalen Privatrecht herrschenden u n d sich bekämpfenden Methoden — die nationalistische u n d die internationalistische — sollen überwunden u n d vereinigt werden durch die rechtsvergleichende Methode" 3 7 4 . 372

Ebd. „Diese ist aber eine Unmöglichkeit" (vgl. oben Β I V Fn. 358). Rabel hat offenbar diesen Wandel übersehen, bzw. später zu gering geachtet (s. auch unten Fn. 382). 373

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Vielleicht hätte Kahn auch die neue Methode auf ihren Höhepunkt geführt, wäre er nicht seinem Werk durch frühen Tod 3 7 5 entrissen worden. So aber vergingen etwa 30 Jahre, bis Ernst Rabel diesen Gedanken entscheidende neue Impulse gegeben hat 3 7 6 . Wie für die bisherige Entwicklung der sog. ordre public eine besondere Holle spielte, so w i r d nunmehr der Begriff der Qualifikation zum wissenschaftlichen Kristallisationskern 8 7 7 . Das ist kein Zufall. Gerade i m Zusammenhang m i t den angeblichen ordre-public-Gesetzen konnte der eigene rechtspolitische Spielraum der Staaten bei der Entscheidung kollisionsrechtlicher Fragen und der Wahl der richtigen Anknüpfung besonders deutlich herausgestellt werden. Und gerade an der Qualifikationsfrage ist das Maß der Abhängigkeit des Kollisionsrechts vom Sachrecht plastisch zu erkennen. Rabel geht entschieden von der autonomistischen IPR-Auffassung aus 378 . Er sieht i n seinen Überlegungen lediglich eine „Berichtigung", wenn auch eine „recht tiefgreifende" 3 7 9 . Kerngedanke ist, daß die Kollisionsnormen nicht — jedenfalls nicht allein — auf das eigene Sachrecht bezogen sind, daß sie vielmehr dazu angelegt sind, „die Rechtserscheinungen der Welt zu umspannen, gleiche und ungleiche" 3 8 0 . Es gilt, „für jeden juristischen Typus die i h m entsprechenden Kollisionsnormen zu finden" 3 8 1 , denn, „ein Rechtskomplex, der es m i t allen Rechten der Erde zu t u n hat, muß sie alle i n den Kreis seiner Vorsorge einbeziehen". Savignys Ausschluß fremdartiger, unbekannter Rechtsfiguren ist daher abzulehnen. Unglücklicherweise erfolgen die meisten dieser Darlegungen i n F o r m einer Kontroverse m i t Kahn, indessen n u r m i t seinen früheren Äußerungen, die noch sehr unter dem Einfluß Savignys standen. Rabel scheint übersehen zu haben, daß gerade Kahn es war, der sich später energisch gegen den A u s schluß fremdartigen Rechts gewandt, selbst die zündendsten Argumente hiergegen vorgetragen, die Fremdrechtsbezogenheit des Kollisionsrechts betont u n d eindringlich vor einer (unter den „Nationalisten" damals v e r breiteten) Bindung an die materielle lex fori gewarnt h a t 3 8 2 . Rabeis A u s 374 Kahn, Rvgl. 502, vgl. auch 491. — Eine zutreffende Würdigung bei Zweigert, D r i t t e Sch. 37 - 39. 375 Franz Kahn starb 43jährig am 6.12.1904.

Kahns

376 Anstöße kamen auch von anderen Autoren, die man nicht übersehen sollte: vgl. hierzu Lewald, D r i t t e Sch. 645 f. 377 Vgl. Rabel, Qual. 243; auch Kegel, Gegenst. 33. 378 Kahn u n d Savigny setzt er seine Hoffnung auf eine Vereinheitlichung i n der Zukunft, Qual. 287. 379

Qual. 254. Ebd. 258. 381 Ebd. 258. 882 Oben Β I V . I n seinem späteren Werk weist Rabel zwar auf die M e i nungsänderung bei Kahn h i n (Confi. 53), w i r d i h r aber, indem er sie m i n i 380

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einandersetzung vermittelt daher ein falsches B i l d : I n Wahrheit dürften zwischen den Ansichten beider k a u m Diskrepanzen grundsätzlicher A r t bestehen!

I n der Tendenz bevorzugt Rabel Kollisionsnormen, die viele, möglichst alle Rechtserscheinungen der Welt umfassen 383 ; man sollte weitgehend „an die überall wiederkehrenden gleichförmigen Lebensfragen anknüpfen" 3 8 4 . Er sieht aber durchaus 385 , daß dies nicht immer möglich ist, daß die passende Kollisionsnorm abhängig ist vom Inhalt des „berufenen" Rechts: „Es ist keineswegs zu verlangen, jeder Satz des internationalen Privatrechts solle derart verdünnt und gedehnt werden, daß er unmittelbar alle, auch völlig heterogene Einzelregelungen eines größeren oder kleineren Sachgebiets erfaßt 3 8 6 ." Infolgedessen sind die Kollisionsnormen bei Bedarf zu verfeinern und zu „vermehren" 3 8 7 . Es kann ζ. B. angebracht sein, privates Erbrecht und das des Fiskus nicht unter ein Statut zu bringen 3 8 8 ; vom Inhalt des fremden Unehelichenrechts kann die zu wählende Kollisionsnorm abhängen (nämlich Vaterrecht einschließlich der Unterhaltsansprüche, wo das uneheliche K i n d rechtlich dem ehelichen angenähert ist, Kindesrecht i n den übrigen Fällen) 3 8 9 . Natürlich sind aber der Zweck des Privatrechts und der des Kollisionsrechts nicht identisch 390. Rabel entscheidet sich nicht, ob es sich beim Auffinden der passenden neuen Regel um Auslegung oder Neugestaltung handelt. Jedenfalls geht es um „dieselbe Aufgabe wie die Erfindung neuen Rechts"; „die schöpferische Auslegung verschmilzt sich hier weithin m i t der Neugestaltung" 3 9 1 . Wenn aber die Fremdrechtsbezogenheit der Kollisionsnorm auf diese Weise anerkannt w i r d 3 9 2 , dann kann das eigene materielle Recht nicht den einzigen Maßstab für die Einteilung der Kollisionsnormen bilden. „Indem die Rechtssätze des internationalen Privatrechts an die eigenen Sachnormen angekettet werden, nehmen sie eine verhängnisvolle Starrheit an 3 9 3 ." Zwar „lehnen sich die vorhandenen gesetzlichen malisiert ( „ . . . to a vaguely defined extend . . . revoked"), i n keiner Weise gerecht; s. auch ebd. 58. 383 Qual. 286. 384 Ebd. 258. 385 Auch hier besteht Ubereinstimmung m i t Kahn. 386 Qual. 268. 387 Ebd. 388 Ebd. 389 Ebd. 286 f. 390 Ebd. 287. 391 Ebd. 263. Vgl. auch unten D I I u. I I I . 392 Vgl. auch Batiffol, Plur. 81. 393 Rabel, Qual. 246.

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Regeln an die Begriffsbildung und Systematik des inneren Rechts an" 3 9 4 . Wenn die Doktrin dies jedoch auch „bei der Ausdeutung und bei der Neubildung von Kollisionsregeln" 3 9 5 tue, dann schaffe sie sich selbst Schwierigkeiten. Dem Landesrecht sei nur der Grundgedanke zu entnehmen, und dies „wegen seiner Wiederkehr i n fremden Rechten" 3 9 6 . Der „Tatbestand der Kollisionsnorm" beziehe „sich nicht auf eine Erscheinung der lex fori, der dann Erscheinungen fremder Rechte gleichzustellen sind, sondern von vornherein auf das Gemeinsame dieser Rechtserscheinungen" 397 . Folge hiervon kann nur sein, daß der Inhalt der Kollisionsnormen zwar aus der Sicht des erlassenden Staates, aber unabhängig von seinem jeweiligen Sachrecht zu bestimmen ist; „nicht die Sachnormen, sondern die Kollisionsnormen des Richters bestimmen die Qualifikat i o n " 3 9 8 . „Der Schnitt zwischen der lex fori und dem Kollisionsrecht ist unab weislich 3 9 9 ." Der Kreis der von den jeweiligen Kollisionsnormen erfaßten Sachnormen soll festgestellt (sie sollen nach der hier gewählten Nomenklatur „gebündelt") werden gemäß den Gesichtspunkten der Rechtsvergleichung 40°. Die von Rabel angestrebte „Emanzipierung des Kollisionsrechts" vom eigenen Sachrecht, diese „schwierige und außerordentlich umfassende, aber höchst lohnende Aufgabe" 4 0 1 , darf heute als gelungen angesehen werden. Zwar ist die Zahl derer, die sich ausdrücklich zur „autonom e n " 4 0 2 Qualifikation bekennen, nicht sehr groß; meist w i r d die lexfori-Qualifikation als die richtige bezeichnet. Doch geht dies bei näherem Hinsehen stets nur so weit, wie nicht die Ausgestaltung des fremden (u. U. sogar des eigenen) Sachrechts eine anderweitige Qualifikation verlangt 4 0 3 . A u f diese Weise aber gibt die Systematik der materiellen lex fori nur erste Anhaltspunkte, was sich durchaus m i t Rabeis Methode verträgt 4 0 4 . 394

Ebd. 254. Ebd. 255. 396 Ebd. 257. 397 Ebd. 398 Ebd. 249. 399 Ebd. 287. 400 Ebd. 267, 287. 401 Ebd. 283. 402 ^ i r haben diese Bezeichnung schon für tion des I P R (nämlich von einem imaginären gebraucht u n d w o l l e n hier m i t Kegel lieber licher" Qualifikation sprechen (näher unten T. 403 Unten T. 3 Β 1 1 zu Fn. 18, 19. 395

die erste Stufe der Emanzipauniversalistischen „Überrecht") von „internationalprivatrecht3 Β 11).

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T e i l 2: Die Re-Konstruktion des klassischen IPR-Modells

Ob man hier zu Recht von einer „Dritten Schule" 4 0 5 spricht, ist eine andere Frage; bekanntlich hat Lewald dagegen gewichtige Einwände erhoben 406 . Jedenfalls dürfte es sich weniger u m eine neue „dritte" Schule handeln (Beitzke sah — vielleicht etwas überspitzt — schon logisch neben „Nationalisten" und „Internationalisten" keine dritte Möglichkeit) 4 0 7 , als u m eine konsequente Weiterführung der „autonomistischen" Auffassung (eine „tiefgreifende Berichtigung" i n Rabeis Worten), u m die zweite Stufe der Emanzipation des internationalen Privatrechts, die von Kahn bereits i n Angriff genommen, von Rabel zu Ende gebracht worden ist. Insoweit ist die „dritte Schule" nichts anderes als ein rechtsvergleichend aufgeklärter Autonomismus. V I . Die Entdeckung der Interessen

Somit waren als Ordnungsgesichtspunkte des Kollisionsrechts entfallen auf der einen Seite ein angebliches universelles „Überrecht" mit seinen Kategorien, auf der anderen Seite die eigene materielle Rechtsordnung. Rabeis Vorschlag, insoweit die Rechtsvergleichung zu mobilisieren, ergab — wie er selbst einräumte 4 0 8 — wenig feste Anhaltspunkte. Zudem sind Rechtsvergleichung und internationales Privatrecht — trotz mancher Berührungspunkte — etwas Unterschiedliches. Die erstere stellt fest und ordnet wissenschaftlich ein, das zweite w i l l gerecht entscheiden, verhilft rechtspolitischen Wertungen zur Durchsetzung 409 . Diese Wertungen müssen daher selbst am ehesten geeignet sein, die richtigen Ordnungs- (und damit Qualifikations-)Gesichtspunkte des internationalen Privatrechts zu markieren. Daß bei der Auslegung und Schöpfung von Kollisionsnormen spezielle Gerechtigkeitsgesichtspunkte eine Rolle spielen, war schon von verschiedenen Autoren bemerkt worden 4 1 0 . Doch fehlte es bislang an Versuchen, die einzelnen hierbei zusammenwirkenden Kräfte zu analysieren, zu benennen und damit bewußt zu machen. Das unternahm zunächst Wengler, der versuchte, „allgemeine Rechtsgrundsätze" oder „Maximen" für das internationale Privatrecht zusammenzustellen 411 . 404 V o n der anderen Seite nähert sich auch Wolff der „internationalprivatrechtlichen" Qualifikation; vgl. unten T. 3 Β 1 1 zu Fn. 20 - 28. 405 Die Bezeichnung stammt von Zweigert, D r i t t e Sch. 406 Lewald, D r i t t e Sch. 407 Beitzke, Meth. 1 Fn. 3. 408 Qual. 287. 409 Kegel, I P R 141 f. 410 Vgl. hierzu (mit weiteren Hinweisen) Kegel, Begr. I n t . Jur. 261 f., 268, 270. Ferner z.B. Braga, Kodif. 434m. Nachw.; Bartin, Princ. 113, 198; van Hecke, Princ. 431 -445; Lorenzen, Territ. 748 f. (der freilich materiellrechtliche m i t kolUsionsrechtlichen Erwägungen vermischt); Gierke, Priv. R. 1212.

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Genaueres über deren N a t u r teilt Wengler nicht m i t ; er sieht jedoch seine Grundsätze auch i n gewissem Zusammenhang m i t dem Naturrecht, was auf einen Rest von universalistischer Auffassung schließen lassen k a n n 4 1 2 .

Es folgten Zweigert

413

und Beitzke 4 1 4 .

Während i m Zivilrecht die Entdeckung der Interessen längst eine neue Ä r a eingeleitet hatte und nicht nur die Erkenntnis der materiellrechtlichen Wertungszusammenhänge erleichterte, sondern auch eine bewußtere Weiterentwicklung der Rechtsordnung ermöglichte, dauerte es verhältnismäßig lange, bis man sich m i t diesem neuen Instrumentarium auch an das internationale Privatrecht heranwagte. Zwar hatte Heck schon 1891 angeregt, die Interessenmethode auch i m internationalen Privatrecht anzuwenden 415 , doch machte erst Kegel damit ernst 4 1 6 . Nicht nur die Sachnormen, auch die Kollisionsnormen resultieren hiernach aus einer Wertung und Abwägung verschiedener Interessen, nur daß es Interessen anderer Art sind 4 1 7 . Sie haben nicht die Entscheidung des materiellen Konflikts zum Gegenstand, sie beziehen sich vielmehr auf die Anwendung der einen oder anderen Sachrechtsordnung als solchen, auf das „örtlich bessere Recht" (im Gegensatz zum „sachlich besseren Recht"). M i t der Abwägung dieser Interessen w i r d daher die „internationalprivatrechtliche Gerechtigkeit" verfolgt. Auch für Kegel gibt es „natürlich . . . letzten Endes nur eine Gerechtigkeit" 4 1 8 ; aber die kollisionsrechtliche Interessenabwägung hat normalerweise Vorrang vor der materiellrechtlichen, außer i n den Fällen, in denen der ordre public eingreift und materiellrechtlichen Erwägungen zum Siege v e r h i l f t 4 1 9 . 411 Wengler, Princ. Über ähnliche Grundsätze bei Vallindas vgl. Evrigenis, Tend. 411 - 413. 412 Dem entspricht seine starke Betonung des äußeren Entscheidungseinklangs; vgl. Princ. 597, 610 - 613, 48 - 55. 413 D r i t t e Sch. 49 - 52. 414 Meth. 16 - 22. 415 Heck, Bspr. v. B a r 306 f., der aber noch nicht kollisionsrechtliche u n d materiellrechtliche Interessen scheidet u n d i n die Nähe des (heutigen) „ B e t ter-Law-Approach" gerät, w e n n er meint, m a n müsse „untersuchen, ob u n d welche Gesetze die einander gegenüberstehenden Interessen schützen, u n d diejenigen wählen, deren A n w e n d u n g den ausgiebigsten u n d sachgemäßesten Schutz der i n Frage stehenden Rechtsgüter verspricht". — Auch Kahn arbeitete bereits ansatzweise m i t Interessen: Ord. pubi. 253 f.; ebenso Burckhardt , Allg. 268-271; Müller, Wohlerw. R. 327, 330. Vgl. auch die Nachweise bei Rabel, Confi. 97 Fn. 83 a. 416 Kegel, Begr. I n t . Jur.; vgl. auch ders., I P R 53 - 67. Hierzu auch Evrigenis, Tend. 414 - 416. Skeptisch noch Rabel, Confi. 97. 417 Vgl. auch oben A V 2. 418 Kegel, Begr. I n t . Jur. 270; ders., I P R 63. 419 Ζ. B. I P R 63. Näher unten T. 3 Β V I I .

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T e i l 2: Die Re-Konstruktion des klassischen IPR-Modells

Kegel unternimmt es auch, diese spezifisch internationalprivatrechtlichen Interessen aufzuschlüsseln. Er scheidet sie i n Parteiinteressen, Verkehrsinteressen, Ordnungsinteressen (einschließlich derjenigen am inneren und äußeren Entscheidungseinklang), Machtinteressen und politische Interessen, wobei jedoch die beiden letzteren vor allem i n den Bereich des internationalen öffentlichen Rechts verwiesen werden. Diese Gliederung soll aber nur Typen kennzeichnen und erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Die Sichtbarmachung und Aufschlüsselung der beteiligten Interessen hat nun nicht etwa nur die Funktion einer „erklärenden Betrachtung des positivrechtlichen Systems", wie manche unterstellen 4 2 0 . Kegel bezeichnet ausdrücklich als „Programm" die „Weiterentwicklung und Differenzierung . . . bei der Auslegung und Fortbildung der einzelnen Normen des I P R " 4 2 1 und stellt fest, „daß die Interessen, auf denen die gewöhnlichen Anknüpfungen beruhen, nicht unumstößlich sind, sondern durch stärkere Interessen verdrängt werden können" 4 2 2 . Damit erweist sich die Einfügung der Interessenjurisprudenz i n das IPR als vorerst letzte Stufe einer geradlinigen Entwicklung. Sie ist selbst erst möglich geworden durch die Emanzipation des internationalen Privatrechts von einem imaginären Überrecht und durch seine Emanzipation von der Fessel des Sachrechts der lex fori. Und sie gibt auf der anderen Seite die Mittel, die so geschaffene, nach beiden Seiten „autonome" Entscheidungsfreiheit bewußt und rational zu nutzen. Sie erst war i n der Lage, dem lange propagierten Streben nach Gerechtigkeit auch i n der kollisionsrechtlichen Entscheidung Form und Struktur zu verleihen. V I I . Schlußfolgerung

Die erste Lehre, die w i r aus unserem kurzen und sicherlich unvollständigen historischen Rückblick meinen ziehen zu können, ist die, daß es gewiß übertrieben ist, zu behaupten, „das spätere Schrifttum, soweit es auf den Lehren Savignys aufbaut, hat diese (Grund-)Gedanken lediglich ausgearbeitet und entfaltet, ohne sie jedoch i n wirklich entscheidender Weise ergänzen zu können" 4 2 3 . Und, daß es sich hier u m den „geschlossene(n) Entwurf eines einheitlichen Systems bei einem einzelnen Denker" handeln soll, „das sich offenbar selbst heute, nach mehr als hundert Jahren, nur i m ganzen annehmen oder verwerfen, 420

So Bucher, Grundfragen 37. Kegel, Begr. I n t . Jur. 279. 422 Ebd. 288. 423 Vogel, Anwendungsber. 215. Ä h n l i c h Wiethölter, bis 250, 421

Begr. I n t . Jur. 243

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aber nicht i n wesentlichen Einzelheiten ,berichtigen' l ä ß t " 4 2 4 , ist nicht „erstaunlich", sondern falsch. So erscheint es leider unvermeidlich, an den Beginn einer nüchternen Bestandsaufnahme des neueren geschichtlichen Werdegangs unserer Wissenschaft eine gewisse „Demontage" ihres Gründers zu setzen, oder besser des Bildes, das die Nachwelt sich von i h m erbaut hat 4 2 5 . Aber sollte es wirklich so falsch sein, sich der Beurteilung wieder etwas anzunähern, die Savignys eigene war? Savigny hat die entscheidenden Impulse gegeben, damit sich aus der stagnierenden und verkrusteten Statutentheorie das moderne IPR bilden konnte; aber eine völlige Kehrtwendung, eine Umkehrung alles Bisherigen, eben eine „kopernikanische" Wende lag darin nicht. Und er konnte kein fertiges System liefern, das nicht mehr zu verbessern gewesen wäre; er selbst wußte das am besten. Die weiteren Stationen auf dem Wege zum modernen „klassischen" IPR waren die völlige „Emanzipation nach außen", nämlich die Befreiung von universalistischen Überrechtsvorstellungen durch die Autonomisten, die „Emanzipation nach innen", nämlich die Befreiung von den Zwängen der eigenen lex fori durch die „dritte Schule", die Reintegration der „Prohibitivgesetze" i n das internationale Privatrecht durch die Einsicht, daß es auch hier wie überall allein auf die Wahl der richtigen Anknüpfung ankommt, schließlich die Entdeckung der Interessen und damit die Erschließung eines Instrumentariums zur Aufschlüsselung der rechtspolitischen Strukturen von Kollisionsnormen und zu ihrer Weiter- und Neubildung. I m Wechsel des „methodischen Ansatzes" dagegen lag nur eine Akzentverschiebung. Die Entwicklung des internationalen Privatrechts erscheint so viel kontinuierlicher, weniger an eine einzelne Person und mehr an die Natur der Probleme gebunden. Nunmehr zeigt sich, daß von den h i e r 4 2 6 gegebenen Deutungen des Kollisionsrechts keine i m Widerspruch steht m i t dem „gewordenen" internationalen Privatrecht, daß die meisten der Elemente sich vielmehr darin vorgezeichnet oder wenigstens angedeutet finden. Das gilt für die Gleichwertigkeit der Ansätze {Savigny; praktischer Vergleich von Lösungen der Statutenlehre m i t späteren) ebenso wie für die „Auswahlfunktion" des Kollisionsrechts (Savigny, Kahn); die Kollisionsgrundnormen (renvoi-Diskussion), den Aufbau des Tatbestandes der 424

Vogel, ebd. Ä h n l i c h Joerges, Klass. Konz. 423; de Boer, Tekort. Bei diesem mag man sich bisweilen an eine Bemerkung Rehfeldts (Wurzeln 31) erinnert fühlen: „ . . . u n d man k a n n schließlich sogar einen verstorbenen Gelehrten zum Gotte erheben u n d seine A u t o r i t ä t von i h m ableiten." — Oder auch i h n zum Gegenstand eines „Religionskrieges" machen, möchte man hinzufügen. 426 Oben A . 425

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Teil 2: Die Re-Konstruktion des klassischen IPR-Modells

Kollisionsnorm (Kegel), die „atomare Struktur" der gedanklichen Zusammensetzung der Kollisionsnorm aus Element-Kollisionsnormen (Folgerung aus Fremdrechtsbezogenheit des Kollisionsrechts und Einschluß fremdartiger Rechtsfiguren ζ. B. bei Kahn, Rabel), die „Bündelung" (allseitige Normen; Qualifikation), die kollisionsrechtlichen Interessen (Empirie der Fallbehandlung; Kegel), die autonome rechtspolitische Stellung bei der Interessenbewertung (Autonomismus, „dritte Schule").

C. I P R und internationales öffentliches Recht I . Der Dualismus von I P R und internationalem öffentlichen Redit

Haupthindernis für das IPR i n unserer Zeit ist nach Meinung vieler das Vordringen des öffentlichen Rechts auf Kosten des „reinen" Privatrechts, das sich nicht nur i n einer konkreten Grenzverschiebung bemerkbar macht, sondern vor allem i n der gegenseitigen Durchwachsung, i n der Ausbreitung einer Zwischenzone von Rechtserscheinungen, die weder der einen noch der anderen Seite eindeutig zuzuschreiben sind. Die „Rückzugsgefechte" das IPR sind zum großen Teil Folge des schon erwähnten traditionell kaum angefochtenen „Dualismus" zwischen „internationalem Privatrecht" und „internationalem öffentlichen Recht", der beides als etwas wesensmäßig Grundverschiedenes, praktisch Unvergleichbares erscheinen läßt. Domäne des IPR ist dabei nur des reine Privatrecht, weil man nur bei diesem die angeblich vorausgesetzte Indifferenz des Staates gegenüber dem konkreten Inhalt des berufenen Rechts für möglich hält. Allenfalls w i l l man öffentlich-rechtliche Fragen, die als Vorfragen zivilrechtlicher Probleme auftreten, noch dem internationalen Privatredat zuschlagen 427 . Das internationale öffentliche Recht erscheint i n einer ganz anderen rechtlichen Gedankenwelt. I m Gegensatz zum IPR kann von einem durchgebildeten System bisher kaum die Rede sein. Verschiedene Versuche dazu wurden unternommen 4 2 8 , die zwar manches Grundsätzliche zutage förderten, deren systematisch-praktischer Effekt zu der geleisteten Gedankenarbeit aber mitunter i n auffälligem Mißver427 Unten C I V 1 zu Fn. 481 - 483. Z u m Vorschlag, die „privatrechtlichen Sanktionen" öffentlichrechtlicher Normen abzulösen u n d dem I P R zuzuweisen, unten C I V 1 Fn. 486. — U m etwas anderes handelt es sich, w e n n man sich zu einer sog. „weiten" Auffassung des I P R bekennt, das die Kollisionsnormen des öffentlichen Rechts einschließt, so ζ. B. Lalive, Dr. pubi, et d. i. p. 215 f. H i e r handelt es sich einfach u m eine unglückliche Bezeichnung: gemeint ist das internationale Kollisionsrecht schlechthin. 428 Genannt seien Neumeyer, I n t . Verw. R.; Vogel, Anwendungsber.; Heiz, ö f f . R.; Schulze, ö f f . R.; Schulte, Eingr. N.; Gihl, L. pol.; Rigaux, Dr. pubi. 161 - 292. L i t e r a t u r auch bei Raape / Sturm, I P R 16. Vgl. ferner Matscher, Int. VerwR.

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hältnis zu stehen scheint. So mündet etwa Vogels großangelegte, weite Bereiche der Verfassungs-, Rechts- und Geistesgeschichte, der Rechtsphilosophie und „juristischen Semantik" tief auslotende Untersuchung am Ende i n die eher schlichte Empfehlung, den jeweiligen Anwendungsbereich der (eigenen) Gesetze diesen selbst durch Auslegung zu entnehmen, unter Berücksichtigung einiger allgemeiner Gedanken (so etwa der Bevorzugung einer „weltoffenen" Auslegung i n Zweifelsfällen) 4 2 9 . Zwischen der Abgrenzung von materiellem Privat- und öffentlichem Recht und der von internationalem Privat- und öffentlichem Recht besteht ein auffälliger Mangel an Symmetrie. Beim ersteren ist der Übergang fließend, erfolgt über einen Bereich, für den sich die Bezeichnung „Grauzone" („zone grise") eingebürgert hat; beim letzteren kann eigentlich nur eine schroffe Grenze gezogen werden, wenn beides wirklich etwas so Grundverschiedenes sein sollte. Eine auch kollisionsrechtliche „Grauzone" erscheint bei diesem Gegensatz kaum möglich, würde zu einem unerträglichen W i r r w a r r führen. Es kann aber nicht als angemessen erscheinen, wenn man auf eine graduelle Charakteristika«Verschiebung h i n zu öffentlichrechtlichen („politischen") Sachnormen — über einen anerkannten Zwischenbereich — kollisionsrechtlich m i t einem kompletten methodischen Bruch antwortet. Denn an welcher Stelle soll der Bruch stattfinden? Hinzu kommt die fehlende Symmetrie der Unterscheidungskriterien. Für kollisionsrechtliche Zwecke unterscheidet man noch immer nach der sog. Interessentheorie 430 (was damit zusammenhängt, daß die materiellen Interessen „Rohstoff" der kollisionsrechtlichen Interessenwertung sind), während man i n anderen Zusammenhängen anders abgrenzt. So sollen i n der praktisch wichtigsten Frage des Rechtswegs weitgehend îormale Gesichtspunkte den Ausschlag geben, sei es die Über- und Unterordnung der Beteiligten („Subjektionstheorie") 4 3 1 , sei es die Tatsache, daß es sich u m „Sonder-Rechtssätze" für Träger öffentlicher Gewalt handelt („Subjektstheorie") 4 3 2 ; die „Interessentheorie" w i r d hier meist abgelehnt oder nur ganz hilfsweise herangezogen 433 . Schon diese 429 Anwendungsber. 410 - 415 („kosmopolitische Auslegung"). Die (eventuelle) kollisionsrechtliche Behandlung ausländischen öffentlichen Rechts schließt er ohnehin aus seiner Untersuchung aus: ebd. 4. 430 Hierzu ζ. B. Bucher, Grundfragen 92 f. Vgl. auch den — wenig überzeugenden — Versuch Schulzes, andere K r i t e r i e n zu gewinnen (öff. R. 112 bis 115). 431 Vgl. ζ. B. Neumayer, Notges. 44 f.; Forsthoff, VerwR. 113 f. 432 Vgl. Wolff, Untersch.; Larenz f A l l g . T. 2 f. 433 Vgl. Larenz, A l l g . T. 2 („unhaltbar"); Forsthoff, VerwR. 113 f. — Nach Mertens, K a r t . R. 394 f., kommen auch i m Rahmen des I P R „alle Interessenund Funktionskriterien f ü r eine präzise Abgrenzung nicht mehr i n Betracht".

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Teil 2: Die Re-Konstruktion des klassischen IPR-Modells

V e r s c h i e d e n h e i t e n w e i s e n ü b r i g e n s a u f die Z w e c k g e b u n d e n h e i t der G r e n z z i e h u n g z w i s c h e n ö f f e n t l i c h e m u n d P r i v a t r e c h t h i n . Es h a n d e l t sich n i c h t u m e i n e n u n b e z w e i f e l b a r e n , „ o n t o l o g i s c h e n " D u a l i s m u s , sond e r n u m die b e g r i f f l i c h e Z u s a m m e n f a s s u n g verschiedener B e u r t e i l u n gen, d e r e n I n h a l t j e nach d e m sachlichen Z u s a m m e n h a n g v e r ä n d e r l i c h sein k a n n 4 3 4 . B e k a n n t l i c h k o m m e n andere R e c h t s o r d n u n g e n auch ganz ohne diese U n t e r s c h e i d u n g a u s 4 3 5 . Die Schwierigkeiten einer Grenzziehung zwischen internationalem P r i v a t - u n d i n t e r n a t i o n a l e m ö f f e n t l i c h e n Recht s o l l e n n u n nach m a n chen d a d u r c h ü b e r w u n d e n w e r d e n , daß m a n die m e t h o d i s c h e n G r u n d sätze, die m a n f ü r das öffentliche Kollisionsrecht gefunden zu haben g l a u b t , a u f das I P R ü b e r t r ä g t . G e m ä ß d e m D o g m a v o n der m e t h o d i schen U n v e r g l e i c h b a r k e i t b e i d e r Bereiche f ü h r t das d a n n z w a n g s l ä u f i g z u e i n e r V e r d r ä n g u n g des „klassischen" i n t e r n a t i o n a l e n K o l l i s i o n s rechts. Es soll ersetzt w e r d e n d u r c h eine „ N e o - C o m i t a s " ( w i e i m m e r diese k o n k r e t beschaffen sein soll), d u r c h k o n s e q u e n t e n A u s b a u v o n „Sonderanknüpfung" u n d „lois d'application immédiate", durch Rückk e h r z u a n g e b l i c h „ s t a t u t i s t i s c h e n " G e d a n k e n g ä n g e n , l e t z t l i c h auch d u r c h A u s b r e i t u n g eines v e r d e c k t e n „ U n i l a t e r a l i s m u s " 4 3 6 . Stattdessen w i l l er sich an die Definition von Wolff (Untersch. 210) anlehnen, derzufolge öffentliche Rechtssätze solche sind, die „ n u r Subjekte berechtigen oder verpflichten, die ausschließlich durch Rechtssätze u n d Staatsakte bestimmt sind oder die aufgrund eines Tatbestandes berechtigt oder verpflichtet sind, der n u r einem solchen Subjekt zurechenbar ist". Ob dies ein brauchbares K r i t e r i u m f ü r die Abgrenzung des Rechtsweges ist, braucht hier nicht beurteilt zu werden; i m m e r h i n können dort derart formale Unterscheidungen angemessen sein, sofern man sich vor Augen führt, daß aus einer „sinnhaftqualitativen Unterscheidung" von privatem u n d öffentlichem Recht eine „bloß technische" geworden ist (Forsthoff, VerwR. 369). F ü r IPR-Zwecke, wo es u m Inhalte gehen muß, dürfte diese Unterscheidung indessen ungeeignet sein. Sie ist insoweit auch, scheint es, k a u m weiter aufgegriffen worden. Mertens selbst kehrt praktisch auch wieder zu Interessenkriterien zurück (397 f.). 434 Frank, ö f f . Anspr. 6 6 - 7 1 ; Mann, Eingr. G. 144 f. (insbes. Fn. 16); Heiz, Öff. R. 86-90, 113; Neumayer, Notges. 44 f.; Toubiana, Dom. 176 f.; auch Gothot, Ren. 211 f. Neumeyer, I n t . Verw. R. 25, räumt ein, daß die Unterscheidung n u r da „eine Frage nach dem Soll-Gehalt von Rechtsnormen" beinhalte, „ w o ein Rechtssatz eine Verweisung auf jene wissenschaftliche Einordnung v o r n i m m t " . Ob dies i m Kollisionsrecht der F a l l ist oder sein sollte, ist aber gerade die Frage. — Über die Schwierigkeit der Grenzziehung vgl. noch von Hoff mann, Schutz 408 f. (m. w. Nachw. Fn. 43, 44) ; Joerges, Bespr. Schulze 250 f., 255-257; Kopp, K o l l . R. i. ö. R. 470; Lalive, Dr. pubi. 197; ders., Appi. 105 f.; ders., Rapp. 158 - 160; Mertens, K a r t . R. 393 f.; de Nova, Confi. 400 f.; Rehbinder, Polit. 154; Schnitzer, Betr. 321; Wiethölter, Nachl. Verf. 143; Zweigert, IPR. u. öff. R. 125 f.; Deby-Gérard, Role 77 - 9 2 ; Neumayer, Auton. 60 f.; Toubiana, Dom. 177. Vgl. ferner Forsthoff, VerwR. 15, 118, 124 f., 277, 369, 409, 411; Wolff, Untersch. 212. 435 v g l die Hinweise auf das Recht der sozialistischen u n d der angelsächsischen Staaten bei Frank, ö f f . Anspr. 71 f.; ferner Zweigert, IPR u. öff. R. 125; Lalive, Dr. pubi, et d. i. p. 216; ders., Rapp. 159. Hierzu auch Dicey / Morris, Confi. 79.

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Was verblüfft, ist die offenbare Bereitschaft, den vergleichsweise noch immer festeren Grund des gewachsenen, methodisch durchschaubareren IPR ohne weiteres aufzugeben zugunsten eines erst i n neuerer Zeit hervorgetretenen bis heute dunklen, umstrittenen, nebelhaften Regelgefüges zweifelhafter methodischer Provenienz, das für Kollisionsfragen i m Bereich des öffentlichen Rechts gelten soll. Den umgekehrten Weg einzuschlagen, nämlich die Einbeziehung auch des öffentlichen Rechts in das bestehende kollisionsrechtliche Gefüge zu versuchen, scheint nicht der Zeitströmung zu entsprechen, die wohl eher auf K r i t i k am „klassischen" IPR-System und seine Zurückdrängung festgelegt ist 4 3 7 . Dabei ergäben sich, sollte eine Rückführung auf gemeinsame Strukturen möglich sein, daraus nur Vorteile: Denn wenn eine kollisionsrechtliche Behandlung des öffentlichen, des „halböffentlichen" und des privaten Rechts m i t prinzipiell denselben methodischen Mitteln erfolgt, dann kann das Vordringen des öffentlichen Rechts zwar immer noch die Ergebnisse der kollisionsrechtlichen Wertungen erheblich verändern, nicht mehr jedoch ihre Struktur. M i t anderen Worten: Infolge der „Verschiebungen" i m materiellen Bereich sind somit mancherlei kollisionsrechtliche Bewertungen neu vorzunehmen, aber das IPR als ganzes kann nicht mehr i n Frage gestellt werden. Der Anwendungsbereich des reinen „kollisionsrechtlichen" Denkens w i r d nicht immer weiter eingeengt, er w i r d vielmehr ausgedehnt, um auch die andersgearteten, mehr oder weniger öffentlichrechtlichen Sachnormen zu erfassen 438 . 43β v g l . vor allem Joerges, Funktionswandel 156 f., der meint, erst ein IPR, das auf der „governmental-interests"-Analyse Currie's beruht, schaffe „die methodischen Voraussetzungen f ü r ein die Gegensätze des privaten u n d des öffentlichen Rechts aufhebendes Kollisionsrecht". I m einzelnen zu diesen Vorschlägen oben T. 1 C u n d unten T. 4 C. 437 Anregende Ansätze i n dieser Richtung findet man jedoch bei: Frey ria, Not.; Zweigert, Bspr. Vogel 368, sowie IPR u. öff. R. (der, obgleich einer der Anreger der „Sonderanknüpfungslehre" das Hauptgewicht auf die autonome Festlegung der Anknüpfungskriterien zu legen scheint) ; Kopp, K o l l . R. i. ö. R.; Lalive, Rapp. 181 f., 240-246, 258; Seidl-Hohenveidern, Vorauss. 351, 353, 357, 358; i m Prinzip w o h l ähnlich Barile, Fonct. hist. 337; Toubiana, Dom. 175. Als ein Vorläufer k a n n Herrnritt, Verw. R. 101 - 110, angesehen werden. Vgl. ferner Wiethölter, I n t . o. p. 155, sowie Bucher, Grundfragen 102 m. Nachw. i n Fn. 365. — Francescakis, Préc. 15, sucht eine Annäherung beider Bereiche, indem er sie i n seinen Dualismus von Kollisionsregeln (für „reines" Privatrecht) u n d „lois d'application immédiate" einbezieht; hierzu unten T. 4 C I I I 2. 488 Eine solche Ausdehnung halten prinzipiell f ü r möglich außer den soeben (Fn. 437) Genannten: Neuhaus, Wege 404; Vischer, Rest. 152; Wiethölter, Int. o. p. 155; freilich scheinen sie dabei vor allem die „Sonderanknüpfung" i m Auge zu haben (vgl. Neuhaus, 425), die indessen bereits einen Bruch m i t dem allseitigen kollisionsrechtlichen Denken beinhaltet, näher unten T. 4 C I I I 3. Wiethölter, I n t . o. p. 158, ist gegen die Bezeichnung „Sonderanknüpfung" u n d meint, es handele sich u m „normale Statuten" (fraglich ist, ob er

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T e i l 2: Die Re-Konstruktion des klassischen IPR-Modells

Aus dem Gesagten ergibt sich bereits, daß es nicht darum gehen kann, öffentlichrechtliche oder öffentlichrechtlich gefärbte Vorschriften unter die „vorhandenen" positiven allseitigen IPR-Normen zu zwingen. Es erscheint darum als fehlerhaft, etwa öffentlichrechtliche Eingriffsnormen, koste es, was es wolle, unter das Schuldstatut zu pressen oder auch Enteignungen 4 3 9 ohne weitere Überlegung unter das Sachstatut. Es geht aber darum, die kollisionsrechtliche Normbildung i n beiden Bereichen auf eine homogen strukturierte methodische Grundlage zu stellen. Wie schon bemerkt, widerspricht ein solches Bemühen i n gewisser Weise dem überlieferten Dualismus, der meist für das öffentliche Recht Kollisionsnormen nach A r t des IPR für a priori ausgeschlossen hält. Diese Sonderstellung manifestiert sich vor allem i n zwei Eigenschaften, die dem öffentlichen Recht i m zwischenstaatlichen Bereich zukommen sollen: Es handelt sich um den schon älteren Gedanken der prinzipiellen Unbeachtlichkeit fremden öffentlichen Rechts sowie u m die Behauptung eines notwendig einseitigen Charakters von Kollisionsnormen, die öffentliches Recht betreffen. M i t diesen Besonderheiten wollen w i r uns zunächst befassen. I I . Die „Nichtanwendung ausländischen öffentlichen Rechts"

Rekapitulieren w i r : Ur-Grund der Existenz eines Systems von K o l lisionsnormen ist die Anerkennung ausländischer Rechtsordnungen in ihrer Qualität als Rechtsordnungen 440 . A u f dem Gebiet des reinen Privatrechts hat sich dieser Grundsatz der prinzipiellen Gleichwertigkeit verhältnismäßig früh durchgesetzt, weil die am privaten Rechtsverkehr Beteiligten nicht an die jeweiligen Territorien gebunden sein wollten und konnten und weil die häufige tatsächliche Berührung mit dem Rechtsleben anderer Staaten, die Fluktuation von Menschen und Gütern, mehr oder weniger zwangsläufig zu einer Anerkennung ihrer Rechtsordnungen führen mußten. Dagegen hielt sich das öffentliche Recht, solange es noch weitgehend als internes Organisationsrecht des betreffenden Gemeinwesens, als „Hausrecht" eines bestimmten, von einem Souverän beherrschten Territoriums verstanden werden konnte, schon rein tatsächlich an die so gezogenen Grenzen. Berührungen m i t dem Ausland kamen insoweit mehr i m politischen, weniger i m rechtlichen Bereich vor.

daran heute festhalten würde), hält aber das „Programm" für richtig (162) u n d auch den Ansatz beim A n w e n d u n g s „ w i l l e n " (170). 439 Vgl. hierzu auch unten C I V 2 a. E. 440 Oben A I .

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A u f diesem Boden konnte die besonders früher verbreitete Vorstellung gedeihen, fremdes öffentliches Recht sei i m Inland generell unanwendbar. Indessen ist dieser Satz viel zu unscharf, weil zwei grundverschiedene Erscheinungen m i t i h m erfaßt sein können. Man muß nämlich unterscheiden zwischen der Unanwendbarkeit fremden öffentlichen Rechts als einer primären oder einer sekundären Erscheinung* 41. Die primäre Unanwendbarkeit fremden öffentlichen Rechts läuft auf das hinaus, was w i r „juristischen Solipsismus" genannt haben: Solch fremdes Recht kommt nicht i n Betracht, weil es von uns nicht zur Kenntnis genommen, nicht beachtet, nicht als „Recht" anerkannt wird. Für Kollisionsnormen als (die verschiedenen Rechtsordnungen betreffende) „Auswahlnormen" ist folglich i n der Tat kein Platz; es kann nur noch um die räumliche Tragweite der eigenen Sachnorm gehen. Jenseits der Grenze dieser Tragweite bestimmen deshalb gleichfalls wir i n einer unausgesprochenen sachlichen Negativ-Norm 4 4 2 , daß hier die entsprechende Sachnorm nicht gilt. Es werden also i m Grunde zweierlei sachliche Regelungen bereitgehalten (ein „geregelter" und ein „ungeregelter" Bereich), und damit geht es nach den oben 4 4 3 gewonnenen Kriterien u m eine materielle, keine kollisionsrechtliche Abgrenzung. U m etwas ganz anderes handelt es sich, wenn die „Nichtanwendung" fremden öffentlichen Rechts als eine sekundäre Erscheinung auftritt. Hierzu kommt es, wenn infolge der Beschaffenheit vorhandener K o l lisionsnormen und besonders wegen eines Gleichlaufs von eigener internationaler Zuständigkeit m i t den Fällen der Anwendbarkeit internen Rechts die Berufung fremder öffentlicher Sachnormen faktisch nicht oder kaum i n Frage k o m m t 4 4 4 . Diese Feststellung der „Nichtanwendung" ist darum mehr eine „statistische". Anders als die „primäre" Auffassung verträgt diese „sekundäre" Auffassung Ausnahmen; sie schließt die wenigstens potentielle Berufung ausländischer Normen i n besonderen Fällen niemals aus, steht der kollisionsrechtlichen Denkweise darum nicht i m Wege. N u r eine primäre Unanwendbarkeit fremden öffentlichen Rechts könnte Hindernis für unsere weiteren Überlegungen sein. Doch wenn 441 Eine ähnliche Unterscheidung scheint Lalive, Dr. pubi, et d. i. p., sowie Rapp. 222 - 229, 251 - 258, vor Augen zu haben, w e n n er der „inapplicabilité" des fremden öffentlichen Rechts dessen „non-application" gegenüberstellt. 442 Oben A I V zu Fn. 170, 171. 443 A II. 444 Eine solche Abhängigkeit der „Einseitigkeit" von der Zuständigkeitsordnung bemerken auch Gothot, Ren. 222-224; Lalive, Rapp. 253 f. — Z u m sog. „Grundsatz der Nichtdurchsetzbarkeit fremder öffentlichrechtlicher A n sprüche", der ebenfalls auf der Verweigerung der Zuständigkeit beruht, vgl. unten C I V 2 zu Fn. 518 - 523.

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Teil 2: Die Re-Konstruktion des klassischen IPR-Modells

auch noch i m m e r h ä u f i g v o n d e r „ U n a n w e n d b a r k e i t " gesprochen w i r d 4 4 5 , so w i r d eine solche A x i o m a t i k doch p r a k t i s c h stets abgelehnt, u n d fast j e d e r m a n n g i b t zu, daß eine absolute a - p r i o r i - I g n o r i e r u n g f r e m d e n ö f f e n t l i c h e n Rechts n i c h t m e h r d i s k u t a b e l i s t 4 4 6 . Z u m i n d e s t i n Vorfragen 447 p r i v a t r e c h t l i c h e r E n t s c h e i d u n g e n w i r d öffentliches Recht f r e m d e r S t a a t e n i m m e r w i e d e r a n g e w a n d t . W i e sollte m a n auch sonst d e n Besitz e i n e r f r e m d e n S t a a t s a n g e h ö r i g k e i t , d i e G ü l t i g k e i t einer b e r u f e n e n f r e m d e n N o r m , die (interne) Z u s t ä n d i g k e i t f r e m d e r G e r i c h t e u n d B e h ö r d e n als V o r a u s s e t z u n g d e r A n e r k e n n u n g i h r e r E n t s c h e i d u n g e n u n d M a ß n a h m e n 4 4 8 b e u r t e i l e n , u m n u r einiges z u nennen. U n d daß auch ausländische ganz oder h a l b ö f f e n t l i c h r e c h t l i c h e N o r m e n , die i n p r i v a t e Rechtsverhältnisse e i n g r e i f e n , z u beachten sind, d ü r f t e u n s t r e i t i g s e i n 4 4 9 ; p r o b l e m a t i s c h i s t n u r das W a n n u n d W i e . W o noch i m m e r v o n e i n e r U n a n w e n d b a r k e i t ausländischen ö f f e n t l i c h e n Rechts 445 Vgl. etwa Mertens, K a r t . R . 386, 391, 396; de Nova, Confi. 388 Fn. 28; Schulte, Eingr. N. 5 4 - 6 6 ; Schulze, ö f f . R. 46; Heiz, ö f f . R. 54-86. Eingehend Lalive, Dr. pubi.; ders., Appi.; ders., Dr. pubi. et. d. i p. (jeweils m. w. Nachw.); ferner Frey ria, Not. 114-118; Wengler, Unanwendbark. Noch recht weitgehend Rigaux, D. I. P. 122. — F ü r seine „lois politiques" (die m i t dem „öffentlichen Recht" weitgehend übereinstimmen): Gihl, L . p o l . 174f., 244f. u n d passim. Soweit m a n indessen (etwa m i t Arminjon) als „lois politiques" solche ausländischen Gesetze bezeichnet (und ausschließt), die bestimmte Personen aus politischen Gründen benachteiligen (vgl. dazu Lalive, Dr. pubi. 199 f.; de Visscher, Refi. 404; Toubiana, Dom. 182 - 189), gibt m a n lediglich eine Benennung f ü r gewisse fremde Sachnormen, deren A n w e n d u n g abgelehnt w i r d ; die Begriffsbildung folgt der Entscheidung nach. Es handelt sich u m nichts anderes als eine Anwendungsform des ordre public (Lalive, Dr. pubi. 206). 446 So schon Zitelmann, I P R I 330 f., u n d Kahn, Ord. pubi. 183 Fn. 47. Vgl. weiterhin Vogel, Anwendungsber. 194-205; Heiz, ö f f . R. 113-134; Wengler, Unanwendbark. 204 f.; Frank, ö f f . Anspr. 66 Fn. 45; Niederer, Einf. 88 f.; Batiffol, A v e n i r 164 f.; SeidUHohenveidern, Vorauss. 349, 354, 357, 358; Gamillscheg, Ged. 832; Kegel, Crisis 200; Wiethölter, Int. o. p. 138 ( „ A n w e n dung ausländischen öffentlichen Rechts ist eine Alltagserscheinung"); Kopp, K o l l . R i. ö. R.; Lalive, Dr. pubi. 197, 208 („pseudo-principe"); ders., Dr. pubi, et d. i. p. 220 f., 238 - 243; ders., Rapp. 162 - 172, 222 - 229; Neuhaus, Wege 404; ders., Grdbegr. 340; Zweigert, I P R u. öff. R. 129, 138; Schwander, Lois d'appi, imm. 6 5 - 9 5 ; Gamillscheg, I n t . A R 193 f.; van Hecke, Princ. 496; Batiffol/ Lagarde, D. I. P. 320 f.; Freyria, Not. 114-118; Kegel / Seidl-Hohenveldern, Terr. 240; Toubiana, Dom. 163 - 189; Mia ja de la Muela, Der. pub.; Matscher, I n t . VerwR. Vgl. ferner die Beschlüsse des Institut du Droit international von 1975, Wiesbaden (Rés.); hierzu z.B. Sperduti, Dr. pubi. — Demgegenüber nützt es nichts, die A n w e n d u n g fremden öffentlichen Rechts i n eine „ B e rücksichtigung" („tenir compte") umzubenennen (Gothot, Ren. 225 f.) oder davon zu sprechen, daß m a n es n u r „ i n Betracht zieht", i h m „ W i r k u n g e n beim i ß t " (Mann, Eingr. G. 142). Das gibt es zwar auch (im Rahmen von „ A u s landssachverhalten"), aber keineswegs ausschließlich. 447

Hierzu unten C I V . Nämlich dann, w e n n die Zuständigkeit nach dem Recht des betreffenden Staates Wirksamkeitsvoraussetzung ist. 449 Umstritten ist nur, ob dies i m Rahmen des allgemeinen oder eines „Sonder-Statuts" zu erfolgen hat. Näher unten T. 4 C I I I 3. 448

C. IPR u n d internationales öffentliches Recht

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die Rede ist, ist das darum regelmäßig nur i n dem zweiten, „sekundären" Sinne zu verstehen. Das Dogma von der absoluten („primären") Unanwendbarkeit ausländischen öffentlichen Rechts ist heute kaum noch mehr als eine „wissenschaftliche Mumie". I I I . Die „notwendige Einseitigkeit" öffentlichrechtlicher Kollisionsnormen

Gewichtiger ist die zweite Besonderheit, die dem „internationalen öffentlichen Recht" zugeschrieben wird. Es w i r d nämlich fast allgemein akzeptiert, daß Kollisionsnormen des öffentlichen Rechts stets nur einseitig sein können 4 5 0 . So kommt auch Vogel zu dem Schluß, der Lehre von der Einseitigkeit sei „ m i t allen ihren dogmatischen Konsequenzen auch heute noch ohne jede Einschränkung zuzustimmen" 4 5 1 . Die „Einseitigkeit" öffentlichrechtlicher Kollisionsnormen steht gewiß i n Zusammenhang m i t der „Nichtanwendbarkeit ausländischen öffentlichen Rechts"; sie kennzeichnet ursprünglich einfach die Kehrseite dieses Problems 4 5 2 . Aber auch nachdem der letztere Grundsatz mehr und mehr ins Wanken geraten ist, ist das Dogma von der Einseitigkeit hiervon kaum beeinträchtigt worden. Es w i r d weiterhin aufrechterhalten, teils m i t komplizierten, teils ohne Begründungen. Auch für das Erscheinungsbild der „Einseitigkeit" gilt indessen, was schon für das Gegenstück, die „Nichtanwendung ausländischen öffentlichen Rechts" festgestellt wurde: Es ist ein großer und ausschlaggebender Unterschied, ob es sich bei dieser „Einseitigkeit der Kollisionsnormen des öffentlichen Rechts" um eine primäre, a priori feststehende oder axiomatisch festgelegte Erscheinung handelt oder um eine sekundäre, eher „statistische" Feststellung. I m ersten Fall sind andere als einseitige Normen wesensmäßig ausgeschlossen, ein Ausbau dieser Normen zu allseitigen erscheint unter keinen denkbaren Umständen möglich: die Andersartigkeit des „öffentlichen" Kollisionsrechts ist programmiert. I m zweiten Fall würde lediglich das Überwiegen einseitiger Normen festgestellt (das freilich bis an die Grenze der Ausschließlichkeit gehen kann). Die Gründe hierfür können verschiedener 450 Vgl. z.B. Neumeyer, Int. Verw. R. 115-120; Lipstein, H. Conv. 512 f.; Neumayer, Notges. 41. Dagegen aber Zweigert, IPR u. öff. R. 129, der von einer „petitio p r i n c i p i i " spricht, ferner Kopp, K o l l . R. i. ö. R. 469-471; Freyria, Not.; Lalive, Rapp. 182. Von den älteren Autoren vgl. vor allem Herrnritt, Verw. R. 101 - 110, der einige durchaus brauchbare allseitige Regeln aufstellt. 451 Anwendungsber. 239; nach Aufzählung von mancherlei — u n d u . E . überzeugenden — Bedenken hiergegen. Näher unten C I V 1. 452 Obwohl es sich dann u m keine eigentlichen Kollisionsnormen i n unserem Sinne mehr handelt; vgl. oben A I I .

10 Schurig

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T e i l 2: Die R e - K o n s t r u k t i o n des klassischen IPR-Modells

A r t sein; gewöhnlich liegen sie darin, daß die Anknüpfungen fast immer zum eigenen Recht führen und daß die internationale Zuständigkeit so abgestimmt ist, daß die Gerichte und Behörden, wenn sie tätig werden, dies gewöhnlich nur i n den Fällen tun, i n denen auch das eigene Recht berufen wird. Dann werden aus praktischen Gründen Kollisionsnormen für ausländische Sachnormen nicht entwickelt, weil man sie (vorläufig) nicht braucht 4 5 3 . Es bleibt indessen stets der Weg für eine andere Entwicklung offen: Sobald sich aus irgendwelchen Gründen das Bedürfnis ergeben sollte, können (ganz oder unvollkommen) „allseitige" Normen herausgebildet werden. Daraus ergibt sich deutlich: Einer methodischen Anpassung von internationalem öffentlichen und internationalem Privatrecht auf der Basis des letzteren steht nur die primäre Einseitigkeit öffentlichrechtlicher Kollisionsnormen entgegen. Leider gehen i n der wissenschaftlichen Literatur meistens beide Formen durcheinander. Verkündet w i r d die Einseitigkeit gewöhnlich als ein Dogma, das sich wesensnotwendig aus der Eigenart des öffentlichen Rechts ergebe. I m Einzelnen w i r d dann aber häufig auf Argumente Bezug genommen, die allenfalls auf eine „sekundäre" Einseitigkeit hinweisen. Hier liegt, so scheint es, das Schlüsselproblem einer methodischen Homogenität beider Bereiche. I V . Rückführung auf allgemeine Prinzipien des Kollisionsrechts

1. Strukturgleichheit von internationalem öffentlichen Recht und IPR Die angebliche „Einseitigkeit" der Kollisionsnormen für öffentliches Recht ist es also, die nach allgemeiner Auffassung eine einheitliche Struktur m i t dem „allseitigen" IPR ausschließt 454 . Das Bedürfnis, „etwaige Verweisungen des öffentlichen Rechts von den Verweisungen i m Bereich des Internationalen Privatrechts deutlich zu unterscheiden", sei „nur dort nicht gegeben", meint Vogel, „wo auch das Internationale 453 So bemerkt Frank, ö f f . Anspr. 61, daß Behörden u n d Verwaltungsgerichte „ i n aller Regel" n u r eigenes öffentliches Recht anwenden. A u f den Zusammenhang zwischen Zuständigkeitsordnung u n d „öffentlichem" K o l l i sionsrecht weist auch Lalive, Rapp. 253 f., hin. Vgl. ferner Gothot, Ren. 222 bis 224. 454 Eine Sonderposition bezieht Mayer, Comp. 356-360 u. passim: I h m zufolge bedürfen Normen, die sich materiell auf den Staat beziehen, überhaupt keiner Kollisionsnorm. Der Staat besitze aus sachlichen Gründen ausschließliche „Kompetenz"; eine „geographische Lokalisation" sei nicht nötig. Dabei w i r d übersehen, daß dieses Anknüpfungsmoment gerade i n der sachlichen Bezogenheit auf den bestimmten Staat zu finden ist, z.B. auch i m „ i n t e r nationalen Staatsangehörigkeitsrecht" (unten zu Fn. 503).

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Privatrecht auf Grund einer von der herrschenden Meinung abweichenden rechtstheoretischen Ansicht oder eines abweichenden Sozialmodells ebenfalls als ,einseitig' aufgefaßt w i r d " 4 5 5 . Damit sind offenbar vor allem die Befürworter unilateralistischer Systeme gemeint (es w i r d ζ. B. Niboyet genannt) 4 5 6 . Was unter dieser Einseitigkeit nun genau zu verstehen ist, w i r d freilich nirgendwo m i t ausreichender Deutlichkeit sichtbar. Einseitige K o l lisionsnormen sind ja durchaus nicht synonym m i t dem unilateralistischen System. Das multilateralistische System unserer IPR w i r d dadurch gekennzeichnet, daß auch die auf fremdes Recht verweisenden Kollisionsnormen oder Kollisionsgrundnormen gezielt sind. Einseitige Kollisionsnormen gibt es auch i n einem solchen System; sie brauchen nicht einmal selten zu sein. Sie sind lediglich Anzeichen eines bestimmten Bündelungszustands, bei dem die auf ausländisches Recht verweisenden Element-Kollisionsnormen nicht einbezogen sind, entweder weil sie (mangels eines konkreten Bedürfnisses) aus den schon genannten Gründen nicht i m gleichen Umfang entwickelt worden sind oder w e i l sie (infolge abweichender kollisionsrechtlicher Interessenwertung) für sich i n einer „unvollkommen allseitigen" N o r m 4 5 7 zusammengefaßt sind. Das multilateralistische System bietet die Möglichkeit allseitiger K o l lisionsnormbildung, enthält aber keinen unausweichlichen Zwang hierzu. Überwiegen in einem bestimmten Bereich praktisch die einseitigen (nur „vertikal" gebündelten) Kollisionsnormen, so kann es zu der von uns so genannten „sekundären" Einseitigkeit kommen, die das multilateralistische System unberührt läßt. Ausschließlich und notwendig nur aus einseitigen Kollisionsnormen kann ein System allein unter zwei Voraussetzungen bestehen: 1. wenn die Anwendung ausländischen Rechts a priori und ohne Ausnahme ausgeschlossen ist — i n dem Fall handelt es sich nicht mehr um eigentliches „Kollisions"-recht 4 5 8 ; oder 2. wenn ausländisches Recht nur nach „eigenem Anwendungswillen" herangezogen werden kann, entsprechend der unilateralistischen ungezielt globalen Verweisung auf die (auf „Einseitigkeit" reduzierten) Kollisionsnormen der ganzen Welt. — Hierbei kann die „Einseitigkeit" schon nicht mehr „rein" sein 4 5 9 .

«s Vogel, Anwendungsber. 238. 456 Aber auch ζ. B. f ü r Currie würde dies zutreffen, vgl. unten T. 4 C I I 3. 457 Oben A V 4. 458 Oben A I I . 459 Vgl. oben A I I I 2 a. E. u n d unten T. 4 C I. io·

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T e i l 2: Die Re-Konstruktion des klassischen IPR-Modells

Das bedeutet: Der behauptete grundlegende Unterschied zwischen IPR und internationalem öffentlichen Recht besteht nur, wenn die multi later alistische, gezielte Verweisung auf fremde Rechtsnormen „wesensmäßigder Natur der Sache nach, ausgeschlossen ist. Die erste Variante wäre die theoretisch überzeugendste; doch wurde sie schon oben 4 6 0 als unhaltbar ausgeschlossen. Vogel, einer der wenigen, die sich intensiv um eine Begründung des Dogmas von der Einseitigkeit bemühen 4 6 1 , meint nach eingehenden Untersuchungen 462 : „Eine w i r k l i c h überzeugende Begründung des ,Einseitigkeits'-Gedankens, solange man darunter die absolute Unanwendbarkeit ausländischen öffentlichen Rechtes versteht, ist angesichts solcher praktischen Beispiele für eine Anwendung fremder öffentlichrechtlicher Normen auch auf ,Hauptfragen' der inländischen strafrechtlichen oder verwaltungsrechtlichen Praxis offenbar gar nicht möglich." Und er räumt sogar ein 4 6 3 : „Rein logisch wäre es selbstverständlich genau so gut möglich, auch für das Sachgebiet des öffentlichen Rechts ,zweiseitige' Kollisionsnormen, gleich denen des Internationalen Privatrechts, zu konstruieren (wenngleich diese ,Kollisionsnormen' wesentlich spezieller als diejenigen des Internationalen Privatrechts gefaßt werden müßten); denn daß es hier ebenfalls der Sache nach gelegentlich zu einer Anwendung ausländischen Rechts auf »Hauptfragen' kommt, wurde oben bereits ausführlich gezeigt." Da aber nicht sein kann, was nicht sein darf, w i r d ein solches System dann doch noch als „sachwidrig" abgelehnt, und die Untersuchung mündet zuguterletzt i n ein entschiedenes Bekenntnis zum Einseitigkeitsprinzip 4 6 4 . Die Gründe, die trotz allem zu dieser dogmatischen Heimkehr zwingen, sind — laut Vogel — folgende: A u f der einen Seite beruhe die „zweiseitige" Konzeption des internationalen Privatrechts „auf ganz bestimmten geschichtlichen Voraussetzungen" und bringe „implizit zugleich ein ganzes Bündel rechtlicher Assoziationen zum Ausdruck . . . , die für das internationale' öffentliche Recht nicht i n der gleichen Weise gelten würden" 4 6 5 . A u f der anderen Seite sei das öffentliche Recht der Staatsgewalt nicht nur nicht vorgegeben, sondern „staatstheoretisch gesprochen, die Staatsgewalt selber . . . Die Vorstellung einer ,Vorstaat460

CIL Vgl. Vogel, Anwendungsber. 198: „ A b e r auch i n dieser Begrenzung auf die Entscheidung von ,Hauptfragen' ist der Satz von der ,Einseitigkeit' des öffentlichen Rechts keineswegs so unmittelbar evident, daß eine besondere Begründung jenes Satzes v ö l l i g entbehrlich wäre." 462 Anwendungsber. 204. 463 Ebd. 238. 464 Vgl. das Zitat oben C I I I Fn. 451. 465 Anwendungsber. 239. 461

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lichkeit' dieser Normen läßt sich für den Bereich des öffentlichen Rechts gar nicht vollziehen" 4 6 6 . Ob die gezogene Folgerung schlüssig ist, mag dahinstehen. Sie steht und fällt m i t ihren Prämissen, und diese erscheinen uns falsch. Da ist zunächst die bekannte Vorstellung eines von „Savignys IPR" vorausgesetzten, „vorgegebenen", „vorstaatlichen" Privatrechts, dem der Staat indifferent gegenüberstehe, der Trennung von Staat und Gesellschaft entsprechend. Ob Savigny wirklich durchweg von solchen Vorstellungen ausgegangen ist, ist schon recht zweifelhaft, aber nur von historischem Interesse, weil das IPR-System eben seit Savignys Tagen nicht nur weitergereicht, sondern ganz entschieden weiterentwickelt wurde. Zu diesem Fragenkomplex ist später noch Stellung zu nehmen 4 6 7 ; soviel kann indessen vorweggenommen werden: Die zweifache Emanzipation „nach außen und innen" und das breite Spekt r u m der berücksichtigungsfähigen Interessen haben dem IPR eine ganz andere rechtspolitische Bandbreite verliehen, als seine K r i t i k e r wahrhaben wollen. Die Betrachtung der Element-Kollisionsnormen zumal ermöglicht es, auch auf den rechts- oder gesellschaftspolitischen Zweck jeder beliebigen Norm einzugehen, wenn und soweit dies kollisionsrechtlich erforderlich erscheint. A u f der anderen Seite entspricht die Sicht des öffentlichen Rechts als „Staatsgewalt selber" einer Reinheit, die auch das öffentliche Recht heute nur noch selten auf weist. Es ist ja nicht so, daß nur das Privatrecht teilweise einer öffentlichrechtlichen Durchwachsung zum Opfer fiele; die „Grauzone" erstreckt sich i n beide Bereiche, öffentliches Recht ist eben auch nicht mehr nur das „Hausrecht" des Hoheitsträgers 468 . Es ist richtig, daß in das Privatrecht zunehmend auch „öffentliche" Interessen einf ließen; unter das öffentliche Recht mischen sich aber auch private Interessen 469 . Hiervon zeugen die zahlreichen „Quer Wirkung en" , die öffentlichrechtliche Vorschriften unter Privatleuten haben können. Häufig w i r d auch i m öffentlichen Recht das Wohl der Allgemeinheit dadurch gefördert, daß das Wohl der einzelnen Betroffenen gefördert 486 Ebd. 237. Strikte Staatsbezogenheit des öffentlichen Rechts ζ. B. auch bei Heiz, ö f f . R. 52. 467 τ. 4 Β I u. I I . 468

Vgl. schon Zweigert, IPR u. öff. R. 138. Gothot, Ren. 226, spricht hier zutreffend von der „privatisation d u droit public". Überzeugend die Beispiele bei Kopp, K o l l . R. i. ö. R. Vgl. auch von Hoff mann, Schutz 408 f.; Joerges, Bespr. Schulze 255 -257, der m i t Recht die überholte kategoriale Trennung dieser beiden Bereiche k r i t i s i e r t ; Mertens, K a r t . R. 387 („wechselseitige Durchdringung"); Deby-Gérard, Role 77 - 9 2 ; Weisbart, I P R u. öff. R. 769; Wolff, Untersch. 213-217; Forsthoff, Verw. R. 15, 73, 118, 409 - 424; Larenz, Allg. T. 2. 469

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w i r d 4 7 0 . Mag man das nun „Reflexrechte" oder „Rechtsreflexe" nennen: daß hier private Interessen entschieden berührt, teils zurückgedrängt, teils gefördert, also gegeneinander und gegen Gemeininteressen abgewogen werden, ist nicht zu übersehen. Es sei nicht nur an die öffentlichrechtlichen Vorschriften erinnert, die „Schutzgesetze" i m Sinne des § 823 Abs. 2 BGB sind, oder an das Stichwort der „ D r i t t w i r k u n g von Grundrechten". Manchmal w i r d das Interesse Privater „öffentlichrechtlich" geschützt, wo man auch „privatrechtlich" hätte vorgehen können (z.B. i m öffentlichen Nachbarrecht); i n weiten Bereichen öffentlicher Verwaltung, die der „Daseinsvorsorge" zugerechnet werden, sind „privatrechtliche" und „öffentlichrechtliche" Formen i n gewissem Umfang überhaupt austauschbar 471 . Daß es sich ausschließlich um internes Organisationsrecht, um die „Staatsgewalt selber" handelt, w i r d man kaum annehmen können bei so komplexen Materien wie öffentlichem Umweltrecht, etwa Immissionsschutzvorschriften, Vorschriften zur Sicherheit am Arbeitsplatz, überhaupt dem öffentlichen Arbeitsrecht in allen seinen Schattierungen 472 , dem weiten Bereich der Sozialund Pflichtversicherung, dem öffentlichen Nachbarrecht, dem Benutzungsverhältnis bei öffentlichen Einrichtungen, dem Wirtschafts- und Wettbewerbsrecht 473 , dem sozialen Mietrecht und vielem mehr. Und wenn es sich etwa bei der obligatorischen Zivilehe ( § 1 1 EheG), beim Verbot der Doppelehe (§ 5 EheG), beim gesellschaftlich u. U. hoch bedeutsamen Vereinsrecht, bei den Regeln über Wohnungsmiete, beim AGB-Gesetz, bei den Vorschriften über die Wirkungen von Registereintragungen (Grundbuch, Handelsregister usw.), bei der Neuregelung für die nichteheliche Kindschaft, den Schutzbestimmungen für Handelsvertreter (etwa §§ 89 b, 90 a HGB), bei den Publizitätsvorschriften für Kapitalgesellschaften oder der Mitbestimmung jeweils nur um Vorschriften handeln soll, die vom Staat angeblich als „vorgegeben", ihn i m Grunde nicht weiter berührend angesehen werden, bei jeder noch so unbedeutenden verwaltungsrechtlichen Vorschrift aber um den materialisierten Geist der Staatsgewalt, dann drängt sich das Gefühl auf, daß hier u m eines Prinzips willen die Proportionen verzerrt werden. Natürlich ist auch Vogel der beschriebene Mangel des öffentlichen Rechts an kristalliner Reinheit aufgefallen. Das bringt ihn indessen nur dazu, für die Zukunft die Tür offenzuhalten: 470 Larenz, Allg. T. 2 : „Eben u m dieses Interesse [des einzelnenl zu wahren, ist j a dem einzelnen der Rechtsweg vor den Verwaltungsgerichten geöffnet." 471 Vgl. Wölfl Untersch. 212 f.; Forsthoff, Verw. R. 15, 124, 409 (mit Nachw. Fn. 3), 410, 510. 472 Hierzu eingehend Gamillscheg, Ged. 817, 821 -827; ders., I n t . A R 183 bis 373; Däubler, Grd. probi. 5 f. 473 Hierzu Joerges, Klass. Konz. 422, 441 - 444, 461 - 467, m i t w. Nachw.

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„Es muß i n diesem Zusammenhang dahingestellt bleiben, ob f ü r die Z u k u n f t vielleicht eine andere Entwicklung zu erwarten ist, die — abweichend von der heute noch herrschenden Ansicht — auch zu einer »zweiseitigen' K o n s t r u k t i o n des i n t e r n a t i o n a l e n Verwaltungsrechts' führen könnte 4 7 4 ."

Eine solche Entwicklung in Richtung auf „zweiseitige" Kollisionsnormen sei allerdings weniger zu erwarten bei neuen Verwaltungsaufgaben — hier nehme der Einfluß der „Staatsgewalt" eher noch zu —; sie sei dort möglich, wo der Staat gewisse Verwaltungsaufgaben „aus sich entläßt", sich „ i n eine echte ,Distanz 4 setzt" 4 7 5 . Das ganze Dogma von der zwingenden Einseitigkeit des öffentlichrechtlichen Kollisionsrechts läßt sich nicht nur nicht begründen, es ist auch unnötig und stiftet Verwirrung. Erkennt man an, daß die prinzipielle Anerkennung und gelegentliche Anwendung auch ausländischen öffentlichen Rechts nicht mehr geleugnet werden kann, dann ist als unausweichliche Folge die Ausgangslage genau dieselbe wie i m internationalen Privatrecht: Es geht darum, aus den existierenden Rechtsordnungen jeweils die anzuwendende her auszuwählen*™. Diese Entscheidung unter den Rechtsordnungen ist eine notwendige Folge ihrer Anerkennung als Rechtsordnungen. Der entscheidende erste Schritt besteht, wohlgemerkt, nur i n der Aufgabe des archaischen internationalen Solipsismus; die Anerkennung des Rechtscharakters fremder Ordnungen führt zur Notwendigkeit einer Auswahl des anzuwendenden Rechts; über die Auswahlkriterien und über die Ergebnisse sagt sie nocl^gar nichts. Es bleibt daher durchaus möglich, auch auf dieser Basis zu einer „sekundären" Einseitigkeit der K o l l i sionsnormen zu kommen (im Extremfall bei Berufung der lex fori als einziger Kollisionsnorm). Das Maß an Distanz zu seinem eigenen Recht, das dem Staat so zugemutet wird, ist — entgegen verbreiteter Auffassung —r gering: Durch nichts w i r d er etwa i n seiner Freiheit beengt, das eigene Recht zu berufen, wann immer und aus welchen Gründen er daran interessiert ist. Nur w i r d dann das eigene Recht angewandt, weil seine Anwendung angemessen, erwünscht und sinnvoll erscheint, und nicht, weil fremdes Recht a priori nicht i n Betracht zu ziehen ist. Diese Auswahl empfindet man gerade i m Bereich des öffentlichen Rechts i n vielen Fällen als so selbstverständlich, daß sie ganz unbewußt bleibt; daß etwa ein deutscher Polizist i n Deutschland gegen 474

Vogel, Anwendungsber. 239. Ebd. 240. 476 V o n anderem Ausgangspunkt her ähnlich Frey ria, Not. 108: „ E n présence d'une situation comportant u n élément d'extranéité, le publiciste ne procède pas autrement que son collègue du droit privé; i l recherche le ,situs' d u rapport j u r i d i q u e en discussion". Ferner S. 109, 113, 118. Zustimmend Lepaullé, Disk, bei Freyria 119 f. 475

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Teil 2: Die R e - K o n s t r u k t i o n des klassischen IPR-Modells

Störer nach deutschem Polizeirecht vorgeht, darüber macht man sich mindestens ebensowenig Gedanken, wie darüber, daß Deutsche i n Deutschland nach deutschem Recht heiraten. Und doch erfolgt beides vor dem Hintergrund der anerkannten Existenz anderer Rechtsordnungen und deshalb aufgrund einer hiermit gekoppelten kollisionsrechtlichen Entscheidung. Das w i r d dann bedeutsam, wenn diese „selbstverständliche" Interessenlage einmal durch irgendwelche tatsächlichen Veränderungen verschoben ist. Soll ζ. B. die deutsche Polizei gegen einen Störer einschreiten, wenn die Störung i m Ausland eintritt, dann w i r d auf einmal bewußt, daß hier doch — und darum auch i n den selbstverständlichen Fällen — eine kollisionsrechtliche Entscheidung getroffen werden muß. Soll die Polizei etwa einschreiten, wenn die Tat nach dem Polizeirecht des betreffenden Landes keine Störung ist, wohl aber nach unserem? Und i m umgekehrten Fall 4 7 7 ? Die Anwendung welchen Rechts „die Regel", „den Normalfall" bildet, und welche die „Ausnahme", spielt daher nur eine statistische Rolle. Die bloße Möglichkeit einer Wahl ausländischer Normen impliziert die Notwendigkeit einer — wenn auch selbstverständlichen und unbewußten — kollisionsrechtlichen Wahl i n allen Fällen, also auch bei der Anwendung des „eigenen" Rechts; denn auch diese erfolgt stets aus bestimmten kollisionsrechtlichen Gründen. Durch seine Grundentscheidung auf der „ersten Stufe" für vorgeschaltete Kollisionsnormen i m Sinne von Auswahlnormen auch i m öffentlichen Recht verliert der Staat also nichts von seiner Freiheit, auf der „zweiten Stufe" sein eigenes öffentliches Recht dort einzusetzen, wo er es für richtig oder „selbstverständlich" hält, vor allem auch, wo er hoheitlich agiert 4 7 8 . Er gewinnt dafür ein kontrollierbares Maß an „Weltoffenheit", an Flexibilität i m internationalen Bereich. 477 Vgl. auch die instruktiven Beispiele bei Kopp, K o l l . R. i. ö. R., u. a. : k u m u l a t i v e A n w e n d u n g ausländischen Wasser- u n d Baurechts, w e n n es u m die Genehmigung von Vorhaben geht, die sich i m Ausland auswirken (471), die Gaststätte auf der Grenze (472 Fn. 16 a), forstrechtliche u n d gewerberechtliche Erlaubnisse (472). Ferner das Beispiel bei S eidl-Hohenv eidern, Vorauss. 353: Ins Ausland wirkende Lärmbelästigungen eines Flughafens. Der Ansicht, daß ein Lärmschutzgesetz n u r den Schutz des eigenen Staatsgebietes bezwecke (so der österr. Verwaltungsgerichtshof, Clunet 1972, S. 647, hierzu S eidl-Hohenv eidern, ebd. Fn. 20), ist m i t Vorsicht zu begegnen: Es w i r d sich k a u m u m eine materiellrechtliche Beschränkung handeln (hierzu oben A II), sondern u m die stillschweigende Anwendung einer für allgemeingültig gehaltenen Kollisionsnorm, die i m Hinblick auf Auslandswirkungen jedoch überhaupt noch nicht ausgeformt ist. 478 Die Überlegungen über die „ T e r r i t o r i a l i t ä t " des öffentlichen Rechts bleiben somit zumeist gültig, nicht für die Begründung einer strukturellen Andersartigkeit des „Kollisionsrechts des öffentlichen Rechts", w o h l aber zur Aufhellung der rechtspolitischen Gründe, die zur Ausbildung der einzelnen Kollisionsnormen auf diesem Gebiet führen (vgl. insoweit Kegel / SeidlHohenveldern, Terr., bes. 234 - 244). Da die kollisionsrechtlichen Interessen

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Die Notwendigkeit von Kollisionsnormen i m Sinne von Rechtsauswahlnormen für öffentliche Sachnormen hätte längst auffallen müssen, wenn man die vielen Fälle betrachtet, i n denen öffentlichrechtliche Fragen als Vorfragen privatrechtlicher Probleme auftauchen (Staatsangehörigkeit, Gültigkeit von Gesetzen, Gültigkeit von behördlichen und gerichtlichen Akten, Verletzung öffentlichrechtlicher „Schutzgesetze", Bestehen eines Beamtenverhältnisses bei Übergang von Schadensersatzforderungen des Beamten auf den die Bezüge weiterzahlenden Staat 4 7 9 , Umfang der Vertretungsmacht eines ausländischen Botschafters 480 , privatrechtsgestaltende Eingriffsnormen und vieles mehr). Daß das offenbar nicht geschehen ist, liegt an einem allgemein verbreiteten Kunstgriff: Sobald die Frage der Anwendbarkeit in- oder ausländischer öffentlichrechtlicher Normen i m Rahmen eines privatrechtlichen Falles auftaucht, sondert man sie flugs aus dem „internationalen öffentlichen Recht" aus und schiebt sie dem „internationalen Privatrecht" zu 4 8 1 . Hier weiß man damit indessen auch nichts Rechtes anzufangen und entwickelt Vorschläge zur Sonderbehandlung (wie etwa die „Sonderanknüpfung") 4 8 2 , bei denen die „Einseitigkeit" weiterhin durchschimmert 4 8 3 . Ein solches Verfahren läuft auf eine schlichte Selbsttäuschung hinaus. Daß die Probleme in einer „Vorfrage" auftauchen, ändert nichts daran, daß es nach wie vor u m die Frage der Anwendbarkeit in- oder ausländischer öffentlichrechtlicher Sachnormen geht. Diese Normen werden nicht dadurch privatrechtlich, daß sie i n privatrechtlichem Zusammenhang auftauchen, ebensowenig wie ζ. B. die privatrechtliche Eigentumsregelung dadurch öffentlichrechtlich wird, daß sie als Vorfrage polizeirechtlicher Verantwortung ins Spiel kommt (falls nicht diese Vorfragen selbst für das öffentliche Recht öffentlichrechtlich geremitgeprägt werden durch die von den jeweiligen Sachnormen verfolgten Sachinteressen (oben A V 2), leuchtet es ein, daß ein häufig wiederkehrendes Muster gleicher Sachinteressen i m öffentlichen Recht auch ein häufig wiederkehrendes Muster gleicher kollisionsrechtlicher Interessen i m öffentlichen Kollisionsrecht nach sich zieht u n d damit verwandte Anknüpfungen (die meist als „ t e r r i t o r i a l " charakterisiert werden). 479 Vgl. hierzu Schurig, Intpr. Probi. 394. 480 Vgl. KG (16.10.1973) N J W 1974, 1627. 481 Vgl. z.B. Vogel, Anwendungsber. 294-297; Matscher, I n t . VerwR. 647 f. 482 Hierzu näher T. 1 C I I I 3, T. 4 C I I I 3. 483 U m einen ganz ähnlichen Vorgang — n u r von einer anderen Seite her gesehen — handelt es sich bei dem Vorschlag, von den öffentlichrechtlichen Normen die „privatrechtlichen Sanktionen" abzuspalten u n d diese so für das internationale „Privat"recht (meist Sektion „Sonderanknüpfung") zu retten, wie etwa i m Wirtschaftsrecht (vgl. z. B. Neumayer, Notges. 39 f.) u n d häufig i m internationalen Arbeitsrecht (gegen eine solche Aufspaltung aber Däubler, Grd. probi. 8 - 12).

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T e i l 2: Die R e - K o n s t r u k t i o n des klassischen IPR-Modells

gelt werden, wie man es etwa i m Staatsangehörigkeitsrecht finden kann) 4 8 4 . I n Wahrheit werden diese Fragen auch nicht nach dem jeweiligen Sachzusammenhang zerrissen, sondern nach dem Zuständigkeitsbereich der damit befaßten Stellen: vor den Zivilgerichten soll öffentliches Recht nach den („allseitigen"?) Normen des internationalen „Privat"-rechts angewandt werden, vor den Gerichten des nicht-zivilen Rechtsweges und den Verwaltungsbehörden nach streng „einseitigem" „internationalen öffentlichen Recht". Dieselbe Frage kann aber nicht verschiedenen Regeln unterliegen, je nachdem welche Stellen über sie zu entscheiden haben; hier steht i n der Tat die „Einheit der nationalen Rechtsordnung" 485 entgegen 486 . Rechtliche Normen sind eben nicht nur an die jeweils entscheidenden Stellen gerichtet, sondern. sie formen zunächst schon durch ihr Bestehen das Rechtsleben. Außerdem ist die Unterscheidung praktisch nicht durchführbar. Wenn man etwa m i t ausländischer Fahrerlaubnis ein Jahr lang bei uns fahren darf, dann ist das ein (deutscher) „Auslandssachverhalt" 487 , aber die Vorfrage der Gültigkeit und Tragweite der fremden Fahrerlaubnis kann nur nach ausländischem Recht beurteilt werden, gleich ob sie i n verwaltungsrechtlichem Zusammenhang auftritt (etwa bei der erleichterten Erteilung einer deutschen Fahrerlaubnis nach § 15 StVZO) oder i n zivilrechtlichem Zusammenhang (etwa i m Rahmen eines Schadensersatzprozesses bei der Frage ob „ m i t " oder „ohne" Fahrerlaubnis gefahren wurde). Daß solche Fragen der Anwendbarkeit ausländischen öffentlichen Rechts auch sonst als „Hauptfragen" (nämlich vor öffentlichrechtlichen Entscheidungsstellen) auftauchen können, hat schon Vogel nachgewiesen 488 . Die genannte Unterscheidung ist aber auch vollkommen unnötig. Eine unterschiedliche kollisionsrechtliche Handhabung öffentlichrechtlicher Normen bei der „Vorfrage" i m Zivilprozeß und bei der „Hauptfrage" vor öffentlichrechtlichen Stellen ist — insgesamt gesehen τ— zweifellos zu beobachten, beruht aber auf ganz anderen Gründen. Sie ist nämlich einfach die Folge einer unterschiedlich geregelten internatio 484

1974.

Vgl. z.B. A r t . 3 Abs. 5 S. 4 des RuStAÄnderungsgesetzes

v o m 20.12.

485 Schulze, ö f f . R. 126, der dieses Schlagwort freilich i n ganz anderem Zusammenhang benutzt, nämlich als Begründung einer Abwehrverpflichtung gegenüber ausländischem öffentlichen Recht. 486 Entsprechendes gilt für die Abspaltung der „privatrechtlichen Sanktionen" (oben Fn. 483). Es handelt sich bei letzteren u m bloße Annexe der öffentlichrechtlichen Normen, die von der Anwendung eben dieser Normen abhängen — w e n n auch i n „privatrechtlichem" Zusammenhang — u n d die sich nicht bei Bedarf i n „privatrechtliche" Normen umfärben lassen. 487 Unten T. 3 Β I I I 1. 488 Vogel, Anwendungsber. 198-205. Vgl, ferner Kopp, K o l l . R. i. ö. R. 469 f.; Matscher, I n t . VerwR. 648.

C. IPR u n d internationales öffentliches Recht

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nalen Zuständigkeit, die vor öffentlichrechtlichen Entscheidungsstellen die Anwendbarkeit ausländischen Rechts praktisch erheblich reduziert, also zu einer A r t sekundärer Einseitigkeit des Kollisionsrechts führt. Hiergegen ist indessen nichts einzuwenden. Die Zuständigkeit ist j a verfahrensspezifisch auf die jeweiligen Entscheidungsstellen zugeschnitten, und sie ist das geeignete Steuerungsmittel. Sie ist der jeweiligen Funktion der Gerichte und Behörden anzupassen, das Kollisionsrecht dagegen steht universell zur Verfügung und ist unabhängig von den anwendenden Stellen. A u f den Einfluß des i m „internationalen öffentlichen Recht" zu sehr vernachlässigten „internationalen (öffentlichen) Verfahrensrechts" ist daher noch zurückzukommen 489 . Wenn es sich bei der genannten Unterscheidung aber nur um „dogmatische Augenwischerei" handelt, dann sind auch die Fälle der A n wendung öffentlichrechtlicher Normen i n privatrechtlichen Vorfragen i n das „internationale öffentliche Recht" einzubeziehen. Daran ist nichts Schockierendes mehr, nachdem w i r festgestellt haben, daß auch hier die Fragestellung genau dieselbe ist wie i m IPR: Es geht darum, durch umfassende Feststellung und Wertung aller auf die eine oder andere Rechtsordnung hinführenden („kollisionsrechtlichen") Interessen die auf den jeweils zu entscheidenden Fall anzuwendenden (öffentlichen) Sachrechtsnormen auszuwählen, oder umgekehrt (was dasselbe ist) 4 9 0 , jeder in- oder ausländischen (öffentlichen) Sachnorm ihren Anwendungsbereich zuzuschreiben — soweit eine solche Entscheidung praktisch i n den Zuständigkeitsbereich des jeweiligen Gerichts oder der jeweiligen Behörde f ä l l t 4 9 1 . Daß die zu wertenden Interessen bei öffentlichem Sachrecht von anderer — oft ganz anderer — A r t und Zusammensetzung sind als i m IPR, beeinflußt natürlich die Ergebnisse; die Methode beeinflußt es 489

Unten C I V 2. Oben A V I . 491 Das Ergebnis ist eine Kollisionsnorm, w e i l es u m Abgrenzung des räumlichen Geltungsbereiches gegenüber dem Geltungsbereich geht, der ausländischem Recht bleibt, u n d nicht gegenüber dem Geltungsbereich anderer (auch „Negativ-")Regelungen des eigenen Rechts. Insoweit gelten die allgemeinen Grundsätze (oben A II). Auch hier werden Kollisionsnormen nicht aus, sondern für Sachnormen gebildet (vgl. dazu unten T. 4 C I I 2 betr. die amerikanischen Alternativvorschläge). Das t r i f f t deutlich auch für die Vorschläge Vogels (Anwendungsber. 383 - 430) zu, der die kollisionsrechtlichen Überlegungen erst i n den Normzweck „hineinmanipuliert", u m sie dann durch „Auslegung" zu gewinnen, aber selbst davon spricht, der Gesetzeszweck sei zu „verorten" (397), aus dem Gesetz werde sich „ i n der Regel . . . nichts entnehmen lassen" (396) und man habe i m Zweifel i m Sinne einer „offenen Staatlichkeit" (415 - 417) zu entscheiden. Z u dieser Etikettierung als „Sachrechtsauslegung" ist er gezwungen, nachdem er alles K o l l i sionsrecht als (wertfreies) „Metarecht" ansieht, das es i n bezug auf öffentliche Normen nicht geben könne oder dürfe. 490

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nicht. Diese beteiligten Interessen herauszufinden, zu analysieren, zu benennen, bewußt und damit für die Normfindung rational verwertbar zu machen, ist auch hier die Aufgabe, die allerdings erst zu einem weit geringeren Teil als i m IPR i n Angriff genommen wurde und die weitgehend noch vor uns liegt. M i t „allgemeinen" Erkenntnissen ist hier wenig geholfen; dann dreht sich die wissenschaftliche Erörterung oft i m Kreise und gelangt nach langen Untersuchungen zu ähnlichen Gemeinplätzen, wie sie schon Kahn der „neuen Statutenlehre" für die „ordre-public-Gesetze" vorgeworfen hat. So lassen sich etwa Schulzes „Kollisionsnormen" 4 9 2 zunächst auf die bare Selbstverständlichkeit reduzieren: „Deutsche öffentlichrechtliche Regeln sind anzuwenden, wenn sie anzuwenden s i n d " 4 0 3 und „Ausländische öffentlichrechtliche Regeln sind nicht anzuwenden, wenn sie nach unserem Recht nicht anzuwenden sind (sondern — nur — deutsche)" 494 , während er ausländisches Recht, wenn überhaupt, nach den Grundsätzen über die „Sonderanknüpfung" heranziehen w i l l 4 9 5 . Überhaupt scheint sich das öffentliche Kollisionsrecht aus dem Bann der Statutenlehre noch keineswegs gelöst zu haben: Öffentlichrechtliche Normen sind alle schlicht „statuta realia" und damit territorial. Die Bewegung zu einer Differenzierung, zu der i m IPR Savigny den Anstoß gab, ist auf diesem Gebiet, scheint es, erst noch i n Gang zu bringen. I n der Bezeichnung der speziellen kollisionsrechtlichen Interessen i m öffentlichen Recht als „Machtinteressen" 496 kann man nur einen Anfang sehen. Dahinter dürften sich Rechtsanwendungsinteressen mannigfaltiger A r t verbergen, oft das Interesse, i m eigenen Hoheitsbereich eine durchgängige ungestörte Ordnung aufrechtzuerhalten, aber auch das Interesse an internationaler Zusammenarbeit (im Sinne Zweigerts an Anerkennung „international-typischer Interessen" i n Erwartung einer Gegenseitigkeit), auch Verkehrsinteressen können durchaus m i t i m Spiel sein (z. B. bei Benutzung deutscher öffentlichrechtlicher Einrichtungen nach deutschem Recht). Gewiß spielt hier immer auch die „Macht" eine Rolle, weil der Staat Normen setzt, die ihn selbst irgendwie berechtigen und verpflichten. Trotzdem beschränken sich seine Interessen gewiß nicht auf die Machtausübung als solche; es werden 492 Vgl. Schulze, ö f f . R. 125, 142, 206 f. Die von i h m für seine angebliche Basisnorm gewählte Bezeichnung „Kollisionsgrundnorm" haben w i r anderw e i t i g vergeben (oben A I I I 2). 493 Vgl. Schulze, Öff. R. 125, 142. 494 Schulze, ebd. — S. 207 w i r d versucht, weiter zu differenzieren. 495 Ebd. 125. 496 Vgl. Kegel, IPR 64 - 67. Diese Kennzeichnung verursacht leicht M i ß verständnisse, so w o h l bei Mann, EingrG. 155. Die Zusammenhänge zwischen „Macht" u n d „Gerechtigkeit" werden daher stärker betont bei Kegel / SeidlHohenveldern, Terr. 239, wo nunmehr von „Staatsinteressen" die Rede ist.

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immer auch inhaltliche Wertungen getroffen 4 9 7 , die das Material bilden für die damit verbundenen kollisionsrechtlichen Wertungen (ihren „kollisionsrechtlichen Schatten" werfen, ihren eigenen örtlichen „Schwerpunkt" haben), so ζ. B. i m öffentlichen Arbeitsrecht, i m Umweltrecht, i m öffentlichen Nachbarrecht (das man kollisionsrechtlich ähnlich dem privaten Sachenrecht behandeln könnte), i m Sozial- und Sozialhilferecht (in dem ζ. B. bei Rückforderungsansprüchen zum Bereicherungsrecht kaum eine solche K l u f t besteht, wie man glauben machen w i l l ) 4 9 8 , i m Recht des öffentlichen Dienstes (das sich faktisch i n weiten Bereichen dem privaten Dienstrecht angenähert hat), i m ganzen Bereich der „Daseinsvorsorge". Dies gilt selbst i n „klassischen" Bereichen hoheitlicher Staatstätigkeit: I m genannten Beispiel 4 9 9 einer ins Ausland wirkenden Störung wäre es sicher sinnvoll, das ausländische Polizeirecht m i t zu berücksichtigen (zumindest, wenn es „schwächer" ist); m i t reinen „Macht"-Überlegungen w i r d man dabei nicht auskommen. Eine Aufschlüsselung der beteiligten Interessen wäre i n der Lage, die jeweils richtigen kollisionsrechtlichen Entscheidungen vorzubereiten 5 0 0 . Letzteres ist eine ungeheure Aufgabe: die Begründung eines w i r k lichen „internationalen öffentlichen Rechts" 5 0 1 ; sie kann i n dieser Untersuchung nicht i n Angriff genommen werden, weil sie ihren Rahmen weit sprengen würde. Hier geht es nur darum, die methodische Homogenität beider Bereiche und damit die Unnötigkeit einer schroffen Grenzziehung nachzuweisen. Bei der Bestimmung des Anwendungsbereichs seiner eigenen und bei der Heranziehung fremder öffentlichrechtlicher Normen ist der Staat (innerhalb der hier nicht zu behandelnden, jedoch weiten und 497

Vgl. auch Larenz, A l l g . T. 2. Zutreffend Frank, ö f f . Anspr. 70 f. 499 Oben zu Fn. 475. 500 Ob die Unterscheidung Zweigerts (IPR u. öff. R. 132 f.) i n „sympathische" u n d „artfremde" ausländische Normen des öffentlichen Redits (vgl. hierzu auch Neumeyer, I n t . Verw. R. 243 - 261) sich i n dieser F o r m als tragfähig erweisen w i r d , erscheint zweifelhaft. Wahrscheinlich w i r d man sie i n eine größere Anzahl spezifizierterer (und „sachlicherer") Anknüpfungsregeln auflösen können u n d müssen. K r i t i s c h gegenüber den zwei „Sorten" öffentlichen Rechts auch Lalive, Dr. pubi, et d. i. p. 231 - 235. 501 Mann, Eingr. G., leugnet schlicht die Möglichkeit eines „öffentlichen Kollisionsrechts" (153); selbst die „einseitigen Kollisionsnormen", die die internationale Reichweite festlegen, „fungieren" n u r so, ohne „diesen Charakter tatsächlich zu haben". Er befürwortet — i m Anschluß an Melchior — eine A r t Prokrustesbett-Lösung: alles was an ausländischem Recht durch Kollisionsnormen berufen w i r d , w i r d zu „bürgerlichem Recht" ernannt (148), i m übrigen w i r d fremdes öffentliches Recht n u r „ i n Betracht gezogen", i h m werden „ W i r k u n g e n " beigemessen (142); dazu oben C I I Fn. 446. Insoweit w i r d der Grundsatz der „Unanwendbarkeit fremden öffentlichen Rechts" dann aber entschieden abgelehnt (142 - 151). 498

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T e i l 2: Die R e - K o n s t r u k t i o n des klassischen IPR-Modells

unscharfen Grenzen des Völkerrechts) i n der Wertung der kollisionsrechtlichen Interessen ebenso autonom wie im IPR. Das gilt auch für seine Entscheidung zugunsten eines multioder eines unilateralistischen Systems, denn das ist die Entscheidung über den Inhalt der eigenen Kollisionsgrundnormen. Unilateralistische Kollisionsnormensysteme, gäbe es sie, hätten ihren Ursprung ja ebenso i n einer rechtspolitischen Entscheidung allein der lex fori wie multilateralistische Systeme; denn zwingende übergeordnete Gesichtspunkte völkerrechtlicher oder normlogischer A r t gibt es auch hierfür nicht. Das gilt gleichermaßen bei Kollisionsnormensystemen für öffentliches Recht. Auch hier kommt es ausschließlich darauf an, auf welche Weise die Ziele des Kollisionsrechts besser und reibungsloser zu verwirklichen sind. Aus der Tatsache allein, daß es sich um öffentlichrechtliche Normen handelt, läßt sich, wie oben gezeigt, keinerlei Argument für ein „unilateralistisches" System herleiten. Insbesondere ist es eine schlichte Behauptung, jeder Staat könne nur selbst bestimmen, welche Normen zu seiner „Organisation" gehörten und welche nicht 5 0 2 . Warum sollte der Staat, der darüber zu befinden hat, ob und i n welchem Zusammenhang er eine fremde Norm anwendet, nicht selbst entscheiden können, ob diese Norm i n der Weise m i t der fremden Staats-„Organisation" verbunden ist, daß man bei der Wahl der Anknüpfung hierauf Rücksicht nehmen muß, und warum soll er nicht dem fremden Staat die Gefolgschaft verweigern dürfen, wenn dieser nach seiner Auffassung i n der Verteilung eines solchen Prädikats sachlich nicht gerechtfertigt vorgeht? Auch das Hauptbeispiel für die Einseitigkeit öffentlichen Kollisionsrechts, das „internationale Staatsangehörigkeitsrecht", hält näherer Betrachtung nicht stand. Dessen Grundsatz lautet nämlich: „Ob jemand einem Staat angehört, entscheidet das Staatsangehörigkeitsrecht des betreffenden Staates." Das ist durchaus eine „gezielte" (und damit multilateralistische) Verweisung auf fremde Normen; nur w i r d die Verknüpfung, nämlich die eventuelle Zugehörigkeit zu dem betreffenden Staat nicht sofort deutlich, weil sie zusammenfällt m i t der zu beurteilenden Rechtsfrage, nämlich der realen Zugehörigkeit zu diesem Staat. I m übrigen unterscheidet sich dieser Satz aber nicht von dem (ebenfalls „allseitigen") Satz: „Ob jemand Beamter ist, entscheidet das Recht des Staates, i n dessen Beamtenverhältnis er eventuell steht", oder von dem: „Ob jemand (eventuell) das eheliche K i n d eines Mannes ist, entscheidet das Heimatrecht dieses Mannes". Die Anknüpfung w i r d hier wie dort bezeichnet durch das eventuelle Rechtsverhältnis, dessen Bestehen erst noch zu beurteilen ist 5 0 8 . Dieser — einzige — Satz des 502

Vgl. z. B. Gothot, Ren. 232 f.

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„internationalen Staatsangehörigkeitsrechts" ist weltweit einheitlich 5 0 4 ; nur das materielle Staatsangehörigkeitsrecht (welches i n seinen Tatbeständen natürlich ebenfalls Anknüpfungen enthält) ist unterschiedlich. Schon darum wäre die unilateralistische Methode hier niemals nachzuweisen, die ja auf Anerkennung des jeweils unterschiedlichen A n wendungs-„willens" hinausläuft 5 0 5 . Somit wäre auch i m „internationalen öffentlichen Recht" die m u l t i lateralistische, „gezielte" Methode nur dann aufzugeben, wenn sich die unilateralistische, „ungezielte" als die bessere erwiese, und zwar generell für das gesamte Kollisionsrecht. Das bedeutet selbstverständlich nicht, daß nunmehr ausländisches öffentliches Recht gegen seinen „ W i l len" anzuwenden wäre (es sei denn, dafür sprächen besondere Gründe). Ebenso wie i m IPR könnten entsprechende Kollisionsgrundnormen für die Beachtlichkeit von Rück- und Weiterverweisungen sorgen, evtl. auch eine bloße „Ab"-weisung anerkennen. Sachrechtliche räumliche Abgrenzungen, die i m öffentlichen Recht möglicherweise häufiger sind als i m privaten, müssen sowieso beachtet werden 5 0 6 . Trotz dieser methodischen und strukturellen Homogenität ist die Situation der systematischen Ausgestältung von IPR und internationalem öffentlichen Recht notwendig eine ganz unterschiedliche. Das liegt 503 Dies verkennt Wiethölter, Eins. K N . 97 f., der darum zu einem abweichenden Ergebnis kommt. Sein Vergleichssatz „Die Geschäftsfähigkeit eines Menschen richtet sich nach dem Recht desjenigen Staates, nach dessen Recht Geschäftsfähigkeit i n Betracht zu ziehen ist", den er für eine A r t einseitiger Kollisionsnorm hält, ist deshalb falsch gewählt, w e i l die Geschäftsfähigkeit — anders als die Staatsangehörigkeit -— keine Rechtsbeziehung ist, die z w i schen der Person u n d gerade demjenigen Staat existiert, dessen Recht hierfür berufen ist. Der Vergleichssatz ist auch deshalb falsch, w e i l er — anders als die Kollisionsnorm des Staatsangehörigkeitsrechts — keinen konkreten („gezielten") Anknüpfungspunkt enthält: Da durch die zu beurteilende Geschäftsfähigkeit der betreffende Staat nicht schon bestimmt ist — anders als bei der Staatsangehörigkeit — können „ i n Betracht kommen" n u r die Staaten, die eine Regelung „beanspruchen"; das wäre dann i n der Tat u n i lateralistisch. Der Unterschied ist darin begründet, daß die Geschäftsfähigkeit als solche n u r einmal festzustellen ist, während es sich bei der Staatsangehörigkeit i n Bezug auf jeden „ i n Betracht kommenden" Staat u m ein neues, eigenes „Rechtsverhältnis" handelt. — Z u den Bedenken von Mayer, Comp. 354 - 360, oben Fn. 454. 604 Vgl. auch Wiethölter, Eins. K N . 97 f. Die einzige traditionell anerkannte Besonderheit ist die, daß hier Vorfragen ausnahmsweise unselbständig anzuknüpfen sind. Denknotwendig ist dies freilich auch hier nicht; vgl. unten T . 3 Β I 2 zu Fn. 51, 53. 505 Aus diesem G r u n d ist das „internationale Staatsangehörigkeitsrecht" auch ganz u n d gar ungeeignet, als Modell für ein allgemeines unilateralistisches System zu dienen; so aber Sohn, Bases 979. 506 S. auch Lalive, Dr. pubi, et d. i. p. 240. Z u r Unterscheidung vgl. oben A l l . — Solange auch der kollisionsrechtliche Renvoi anerkannt w i r d , w i r d i n der Praxis häufig offenbleiben können, ob die Abgrenzung des fremden Rechts eine sachrechtliche oder eine kollisionsrechtliche ist.

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T e i l 2: Die R e - K o n s t r u k t i o n des klassischen IPR-Modells

— wie schon angedeutet — einerseits daran, daß die internationale Zuständigkeit sehr verschieden verteilt ist, andererseits daran, daß beide Bereiche sich weitgehend „gewohnheitsrechtlich" entwickeln. Das hat zur Folge, daß Kollisionsnormen nur dort herausgebildet werden, wo sie gebraucht werden 5 0 7 , und daß die dogmatisch-systematische Aufarbeitung erst einsetzt, sobald viele solcher entwickelten — jetzt tatsächlich noch weitgehend isolierten — Element-Kollisionsnormen sich zu einem geordneten B i l d zusammenfügen. Hier besteht ein großes Gefälle zwischen beiden kollisionsrechtlichen Bereichen. Da fremdes öffentliches Recht nicht so häufig berufen w i r d — zumal als „Hauptfrage", und die „Vorfrage" ausgeklammert w u r d e 5 0 8 —, sind entsprechende Normen auch nur sporadisch ausgebildet. Z u einer „horizontalen Bündelung" ist es meist noch nicht gekommen; die auf ausländisches öffentliches Recht verweisenden Element-Kollisionsnormen bleiben vereinzelt, innere Zusammenhänge werden nicht bewußt, die systematische Gesamtschau steht noch i n den Anfängen. Neue Kollisionsnormen werden erst ad hoc geschaffen. A u f der anderen Seite sind die auf eigenes Recht verweisenden Kollisionsnormen häufig, sie sind auch „vertikal" gebündelt, wenn auch — infolge einer zu geringen Zahl von Plastizität vermittelnden „Randfällen" — häufig zu grob. Hierdurch entsteht das B i l d einer „sekundären" Einseitigkeit des internationalen öffentlichen Rechts. Wesentlich indessen ist, daß zwischen beiden kollisionsrechtlichen Gebieten kein struktureller, kein wesensmäßiger Unterschied besteht, keine Grenzziehung nötig ist. A u f eine graduelle Verschiebung der i n den Sachnormen verarbeiteten materiellen Interessen — vom „privaten" über den „grauen" bis in den „öffentlichen" Bereich — w i r d reagiert m i t einer graduellen Verschiebung der hierauf bezogenen und gegeneinander abzuwägenden kollisionsrechtlichen Interessen. 2. Kollisionsrecht

und internationales

Verfahrensrecht

Ebenso wie i m IPR ist i m „internationalen öffentlichen Recht" der Unterschied zum „internationalen Verfahrensrecht" höchst bedeutsam, zumal letzteres — wie schon angedeutet — mitverantwortlich ist für viele Verschiedenheiten i m Erscheinungsbild der beiden kollisionsrechtlichen Bereiche. Diesem Unterschied w i r d nur wenig Beachtung ge507 Wo es nötig ist, sollte dies aber konsequent u n d i n offener Interessenabwägung u n d -feststellung geschehen. Schiebt man ohne weitere Prüfung diese Fragen der — u. U. kollisionsrechtlich überhaupt nicht „passenden" — „lex causae" zu, u m dann die häufig unsachgemäßen Ergebnisse mittels des ordre public wieder zu „korrigieren" (so Heiz, ö f f . R. 132 -137), dann w i r d m a n auf dem Wege einer weiteren K l ä r u n g niemals vorankommen. 508 Vgl. oben zu Fn. 481 - 491.

C. IPR u n d internationales öffentliches Recht

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schenkt, besonders wo er verdeckt w i r d durch die Scheinabgrenzung Vorfrage-Hauptfrage 5 0 9 . Internationale Zuständigkeit der eigenen Gerichte und Behörden und das Maß der Durchstrukturierung eines kollisionsrechtlichen Systems stehen i n direktem Zusammenhang. Daß es gerade das internationale Priv atrecht ist, das die Blicke i n besonderem Maße auf sich zieht — und zwar bis zu dem Grad, daß die ebenso vorhandenen Kollisionsrechte für andere Normen nahezu völlig ignoriert, gar nicht oder doch viel später erkannt werden —, liegt, wie übrigens schon Kahn bemerkte 5 1 0 , daran, daß hier die Anknüpfung des anzuwendenden Rechts und die Anknüpfung der internationalen Zuständigkeit der m i t der Rechtsanwendung befaßten Stellen i n weit größerem Umfang auseinanderfallen als i n allen anderen rechtlichen Bereichen. Das hat bewirkt, daß infolge häufigerer Anwendung ausländischen Rechts das Material zur Verfügung stand, aus dem ein zusammenhängendes Kollisionsrechtssystem gewohnheitsrechtlich entwickelt werden konnte. Erst infolge der Verschiebungen i n den Randzonen des Privatrechts trat mehr und mehr die kollisionsrechtliche Problematik auch der anderen, der mehr oder weniger öffentlich-rechtlichen Bereiche, ins Blickfeld, und dies bezeichnenderweise bis heute vorzugsweise i m zivilen Zuständigkeitsbereich eben wegen der dort herrschenden weiteren „Streuung" der internationalen Zuständigkeit 5 1 1 . I m Zuständigkeitsbereich der öffentlichrechtlichen Entscheidungsstellen, also der Behörden, Verwaltungs-, Verfassungs- und sonstigen Gerichte des öffentlichrechtlichen Rechtsweges, ist die internationale Zuständigkeit nach wie vor weitgehend — aber nicht ausnahmslos 512 — m i t der Anwendung des internen Rechts gekoppelt. Man könnte diese Erscheinung generell m i t der Kollisionsnorm umschreiben, daß für solche Stellen schlicht auf die „lex fori" verwiesen w i r d (wobei unter forum nicht nur das Gericht, sondern jede Behörde zu verstehen wäre), ähnlich dem Satz, daß für verfahrensrechtliche Fragen (auch i m Z i v i l prozeß) stets die lex fori g i l t 5 1 3 . Indessen scheinen die Dinge auch i m Bereich des öffentlichen Rechts nicht so einfach zu liegen. Es ist nämlich gar nicht ohne weiteres fest509

Vgl. oben C I V 1 nach Fn. 488. I n h a l t 297. 511 Z u r hier verfehlten Unterscheidung zwischen V o r - u n d Hauptfragen oben C I V 1 zu Fn. 481 - 491. 512 Vgl. die Beispiele oben C I V 1 zu Fn. 477, 487 ; weitere Nachweise ebd. i n Fn. 488. 513 Auch insoweit sind i m übrigen Ausnahmen möglich, vgl. JPG 1976 Nr. 43 (Köln). 510

11 Schurig

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T e i l 2: Die Re-Konstruktion des klassischen IPR-Modells

zustellen, ob ein Gericht oder eine Behörde, wenn sie das eigene Recht anwenden, dies als lex fori tun, weil nämlich die Rechtswahl an die Tätigkeit des Gerichts usw. angeknüpft ist, oder ob sie es aufgrund einer anderen Anknüpfung tun, die nur m i t derjenigen für die internationale Zuständigkeit zusammenfällt. Diese Fragen lassen sich ohne umfassende, ins einzelne gehende Untersuchungen hier nicht klären; sie sollen lediglich gestellt werden. Möglich wäre ζ. B. auch, daß die Anknüpfung des anzuwendenden Rechts die primäre ist und man hieran eine allgemeine „Statutszuständigkeit" k n ü p f t 5 1 4 , die indessen nicht die einzig mögliche zu sein braucht. Die lex fori würde aber jedenfalls stets als solche berufen, wo die Behörde die betreffenden Sachnormen nicht nur anwendet, sondern nach ihnen agiert, wie j a auch das zivile Verfahrensrecht aus diesen Gründen generell das des Forums ist 5 1 5 . Die Grenzen zwischen „Anwendung" und „Befolgung" der Normen sind i m Verwaltungsrecht freilich fließend (ähnlich etwa wie i n der freiwilligen Gerichtsbarkeit). Ein differenzierteres Anknüpfungssystem, das mehr und mehr von der Zuständigkeit unabhängig wird, ist unumgänglich, sollte auch i m öffentlichen Recht eine Phase stärkerer internationaler Zusammenarbeit einsetzen; es kann allerdings nur ganz allmählich durch ad-hocBildung von Kollisionsnormen wachsen. Die pauschale Diskriminierung fremden öffentlichen Rechts scheint jedenfalls i m Rückgang begriffen zu sein 5 1 6 . I n der Tat braucht bei einer sinnvollen und behutsamen Öffnung nach außen kein Souveränitätsverlust oder sonstiger Schaden befürchtet zu werden; denn jede Anwendung fremder öffentlichrechtlicher Normen beruht auf einer freien Entscheidung und autonomen Abwägung der kollisionsrechtlichen Interessen durch den eigenen Staat. D. h., wo die Interessen des eigenen Staates i n ausschlaggebender Weise entgegenstehen, kann es zu einer Anwendung solcher Normen gar nicht kommen; sie kann niemals „Überhand nehmen". Es ist darum nicht nötig, die „Vollziehung" fremder öffentlichrechtlicher Normen i m I n l a n d erst m i t starken Worten auszuschließen u n d dann durch die H i n t e r t ü r eines neu geschaffenen „ a k t i v e n " ordre public (als ob diese Rechtsfigur nicht schon kompliziert genug wäre!) doch wieder zuzulassen, w i e Schulze 517 vorschlägt. Der gesamte Vorgang ist bereits Bestandteil der kollisionsrechtlichen Interessenwertung u n d -wägung.

514 Das brächte dann u. U. auch Anhaltspunkte f ü r die Beurteilung ausländischer internationaler Zuständigkeiten als Vorfrage einer Anerkennung ausländischer Maßnahmen. 615 Vgl. Kegel, I P R 485. 516 Vgl. oben C I I zu Fn. 446. 517 Schulze, ö f f . R. 177 - 183. Kritisch hierzu auch Seidl-Hohenveidern, Vorauss. 357.

C. IPR u n d internationales öffentliches Recht

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Verfahrensrechtlich u n d nicht etwa i n einem kollisionsrechtlichen P r i n z i p der „ N i c h t a n w e n d u n g ausländischen ö f f e n t l i c h e n Rechts" b e g r ü n d e t 5 1 8 ist auch d e r noch a u f r e c h t e r h a l t e n e Grundsatz der Nichtdurchsetzbarkeit fremder öffentlichrechtlicher Ansprüche. Er beruht n i c h t auf f e h l e n d e r sachlicher Z u s t ä n d i g k e i t deutscher Gerichte, auch n i c h t a u f S o u v e r ä n i t ä t s ü b e r l e g u n g e n ( j e d e n f a l l s da, w o der f r e m d e H o h e i t s t r ä g e r selbst u m d i e E n t s c h e i d u n g b i t t e t ) , schon g a r n i c h t a u f f e h l e n d e m „Rechtsschutzinteresse" (nicht d e m K l ä g e r f e h l t das I n t e r esse a n Rechtsschutz, s o n d e r n d e r S t a a t h a t k e i n Interesse, Rechtsschutz z u leisten), s o n d e r n a l l e i n a u f d e r V e r w e i g e r u n g der internationalen Zuständigkeit 519. Was die Gründe dieser Verweigerung anlangt, so begnügt m a n sich meist m i t dem unkritischen Weiterreichen längst nicht mehr zeitgemäßer pauschaler Souveränitätsüberlegungen. Auch hier g i l t es indessen, die wahren Gründe einer solchen H a l t u n g herauszupräparieren, die Interessen zu benennen u n d die Bewertung einer erneuten unvoreingenommenen Überprüfung zu unterziehen, wie dies i n vorbildlicher Weise Frank unternommen h a t 5 2 0 . Dabei zeigt sich, daß auch hier eine schroffe Grenzziehung z w i schen „öffentlichrechtlichen" u n d „privaten" Ansprüchen unangemessen ist u n d dem gleitenden Übergang i m Sachrecht nicht entspricht, daß das System-Etikett „öffentlichrechtlich" allein noch wenig bedeutet, daß es vielmehr darauf ankommt, die Natur dieser Ansprüche genau zu analysieren 5 2 1 . Frank k o m m t zu dem Ergebnis, daß angesichts zunehmender i n t e r nationaler Zusammenarbeit auch außerhalb des rein privatrechtlichen Bereiches die internationale Zuständigkeit wenigstens dann zu bejahen ist, „ w e n n ein ausländischer Staat versucht, Geld oder geldwerte Ansprüche einzuklagen, die ihren Ursprung i n einem Tätigwerden des betreffenden Staates auf dem Gebiet der Daseinsvorsorge haben", w o h l auch ζ. B. bei Rückforderung zuviel geleisteter Dienstbezüge von Beamten 5 2 2 . M a n w i r d aber auch darauf achten müssen, daß der fremde Staat nicht seinerseits Anspruchsteiler?i aus dem Ausland den Rechtsschutz bei sich verweigert. I n jedem F a l l sollte der hier eingeschlagene Weg weiterverfolgt werden. Nicht die schlichte Erklärung, daß der Staat bei bestimmten überlieferten Kategorien von Ansprüchen kein Interesse hat, seine Zuständigkeit zu gewähren, ist das Wesentliche, sondern die genaue Feststellung u n d rationale Uberprüfung der Gründe für ein solches Verhalten 5 2 3 .

518

Frank, ö f f . Anspr. 59 - 61 m i t Nachw. Str.; eingehend Frank, ö f f . Anspr. 57 - 70 (insbes. 58). 520 Frank, ö f f . Anspr. Grundsätzlich zustimmend Lalive, Rapp. 180, 248 bis 251. Ganz auf dem alten apodiktischen Standpunkt, den er völkerrechtlich zu begründen sucht, steht demgegenüber Mann, ö r . Anspr. Zweifelnd Cheshire / North, P. I. L. 133 f. 521 Frank, ö f f . Anspr. 64 - 70. 522 Ebd. 70 f. 523 So ist es richtig, daß ein Hinübergleiten der Jurisprudenz i n den spezifisch „politischen" Bereich vermieden werden muß; Frank, ö f f . Anspr. 70. 519

11*

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T e i l 2: Die R e - K o n s t r u k t i o n des klassischen IPR-Modells

Schließlich gehört auch die Anerkennung ausländischer Entscheidungen und Maßnahmen auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts 524 i n das internationale öffentliche Verfahrensrecht. Diese Tatsache w i r d häufig nicht genügend beachtet, was ebenfalls zu Verwirrung über das „internationale öffentliche Recht" führt. Die Anerkennung solcher Akte ist komplexer Natur und nicht ohne weiteres m i t der Anwendung des fremden Rechts gleichzusetzen 525 . Normen über die Anerkennung sind inländische Normen, die dem ausländischen A k t für das Inland eine bestimmte Wirkung beilegen. Als solche sind sie keine Kollisionsnormen, sondern interne Normen mit einem speziellen „Auslandssachverhalt". Über die erste Vorbedingung, daß die fremde Behörde usw. (für uns) international zuständig war, bestimmen unsere Normen über internationale Zuständigkeit. Es tauchen aber auch weitere verbundene Fragen auf, für die nun allerdings echte Kollisionsnormen das fremde Recht berufen, so für die Gültigkeit des ausländischen Aktes nach dem Recht des betreffenden Landes als Voraussetzung unserer Anerkennung oder für die W i r kungen des fremden Aktes, wenn w i r diese (evtl. bis zu einer Obergrenze) bei uns zulassen. Das Auseinanderhalten der einzelnen Elemente dürfte die Beurteilung der jeweiligen Probleme erleichtern. Sobald w i r fragen, ob die Wirkung ausländischer öffentlichrechtlicher Einzelakte anzuerkennen ist, geht es primär ausschließlich um internationales Verfahrensrecht. So erscheint es nicht richtig, ausländische Enteignungen ohne weiteres als Fragen des öffentlichen Kollisionsrechts, der Anwendung ausländischen Enteignungsrechtes anzusehen. M i t Ausnahme genereller selbstwirkender Enteignungen durch Änderung der Eigentumsverhältnisse i m Wege eines allgemeinen Gesetzes, das keines Vollzuges mehr bedarf — ein seltener Fall, dessen Beurteilung zweifelhaft sein könnte und der hier nicht weiter vertieft werden soll — handelt es sich bei der „Wirksamkeit" ausländischer Enteignungen zunächst einmal um die Anerkennung bei uns. Die zweifelhaften Fragen, die hier auftauchen, sind überhaupt nicht solche eines „Enteignungskollisionsrechts" — es 524 Vgl. dazu ζ. B. König, Anerk., der die Frage indessen zu sehr als eine solche des Völkerrechts sieht (ζ. B. 59 - 61). Wieweit u n d unter welchen V o r aussetzungen ein Staat fremde Verwaltungsakte anerkennt, ist zunächst einm a l Sache seines internationalen (öffentlichen) Verfahrensrechts. Wieweit er zur Anerkennung u. U. völkerrechtlich verbunden ist, ist eine andere Frage, der hier nicht weiter nachgegangen werden kann. Es scheint indessen, als gäbe es auch hier einige Minimal-Anforderungen. 525 So aber anscheinend Kopp, K o l l . R. i. ö. R. 470. — Auch i n diesem P u n k t scheint das „öffentliche" Kollisionsrecht noch nicht wesentlich über die Statutenlehre hinausgekommen zu sein, bei der Gamillscheg, Dumoul. 87, bemängelte, daß sie „nicht genügend zwischen den W i r k u n g e n von Gesetzen u n d von Einzelakten . . . unterschieden" habe.

C. IPR u n d internationales öffentliches Recht

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w i r d k a u m jemals eine staatliche Stelle p r i m ä r fremdes Enteignungsrecht anwenden — sondern solche der internationalen Zuständigkeit für Enteignungen 526 — u n d eventueller weiterer Anerkennungsbedingungen (Entschädigung?) —, deren Voraussetzungen w i r , wie immer, w e n n es u m die Voraussetzungen einer „Anerkennung" geht, für uns autonom festsetzen 527 . Schon deshalb ist es falsch, hier wie i m internationalen Sachenrecht die „ l e x rei sitae" berufen zu wollen; u m eine Kollisionsnorm geht es nämlich zunächst gar nicht. Erst wenn w i r beurteilen, ob die (anzuerkennende) Enteignung nach dem Recht des Enteignungsstaates w i r k s a m ist oder welche Wirkungen sie dort hat, „wenden" w i r das insoweit berufene ausländische Enteignungsrecht aufgrund einer K o l lisionsnorm w i r k l i c h „an". Es erscheint nach alledem, daß auch i m „internationalen öffentlichen Recht" noch eine genauere Trennung von Kollisionsrecht und internationalem Verfahrensrecht die einsetzende Systembildung erleichtern könnte. V. Ergebnis

Sinn unseres Exkurses i n das Kollisionsrecht des öffentlichen Rechts w a r nicht (und konnte auch nicht sein), auch n u r den E n t w u r f von Grundzügen eines „Systems des internationalen öffentlichen Rechts" zu versuchen. W o r u m es ging, w a r lediglich, festzustellen, welche Gefahr dem sog. klassischen IPR durch das Vordringen öffentlichrechtlich gefärbten Sachrechts droht und was von den Vorschlägen zu halten ist, die letztlich darauf hinauslaufen, das I P R zu liquidieren und mehr und mehr zu den Grundsätzen überzugehen, die das öffentliche Recht angeblich kollisionsrechtlich beherrschen. Hier hat sich gezeigt, daß von der vermeintlich wesensimmanenten Unvereinbarkeit beider kollisionsrechtlichen Bereiche nichts ü b r i g b l e i b t . D i e methodische

Struktur

ist jeweils

dieselbe.

I m m e r geht es

darum, durch autonome Wertung der kollisionsrechtlichen Interessen — die durch die Sachinteressen der materiellen Normen beeinflußt, nicht aber m i t diesen identisch sind — das anzuwendende Recht „auszuwählen" und damit zugleich umgekehrt jeder i n - oder ausländischen N o r m 52β Von „Zuständigkeit", freilich „völkerrechtlicher", spricht auch Beitzke, Enteign. 94. Die Frage, an welche Grenzen sich der enteignende Staat völkerrechtlich zu halten hat, ist aber nicht identisch m i t derjenigen, welche „ Z u ständigkeitsvoraussetzungen" w i r autonom festsetzen als Bedingung unserer Anerkennung der Enteignung. — Übersicht über intern. Enteignungsrecht bei Kegel / S eidl-Hohenv eidern, Terr. 246-276. Vgl. ferner Cheshire / North % P. I. L. 137 - 145. 527 Z u den i m einzelnen streitigen Fragen, die n u r durch rechtspolitische Wertung und Abwägung geklärt werden können, ist i n diesem Zusammenhang nicht Stellung zu nehmen.

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T e i l 2: Die R e - K o n s t r u k t i o n des klassischen IPR-Modells

auf diese Weise ihren Anwendungsbereich zuzuweisen — sofern eine solche Entscheidung faktisch i n den Zuständigkeitsbereich des betreffenden Gerichts usw. fällt. I n gleicher Weise, wie die zu beurteilenden Sachnormen durch Einfließen öffentlicher Interessen ihren Charakter ändern, ändert sich zugleich der Charakter der zu wertenden kollisionsrechtlichen Interessen. Hierdurch werden u. U. die Ergebnisse anders, nicht aber die methodische S t r u k t u r 5 2 8 . Auch daß das „internationale öffentliche Recht" aus vielerlei Gründen (vor allem aus solchen der internationalen Zuständigkeit) noch weitgehend unausgebildet, sporadisch ist, erst am Anfang einer systematischen Durchdringung steht, ändert nichts an der grundsätzlichen Homogenität. IPR und „internationales öffentliches Recht" gehen ebenso fließend ineinander über wie privates und öffentliches Sachrecht. Eines Bruches, einer schroffen Grenzziehung bedarf es nicht. So gesehen liegt i m Vordringen des öffentlichen Rechts für das IPR keine Bedrohung mehr, nur eine Herausforderung zur Weiterbildung und Verfeinerung. D. Die Weiterentwicklung des räumlichen Kollisionsrechts I . Die Situation der Systembildung im internationalen Privatrecbt

Die bisherige Untersuchung läßt bereits erkennen: Das systematische Erscheinungsbild des räumlichen Kollisionsrechts — und als dessen wichtigster Teil das des internationalen Privatrechts — ist durchaus von wechselnder Ausgestaltung und Dichte. Theoretisch, d. h. potentiell, ist es i n der Lage, für jeden existierenden (in- oder ausländischen) Rechtssatz den (für uns geltenden) räumlichen Anwendungsbereich zu bestimmen. Ob und i n welchem Umfang solche Kollisionsnormen real ausgebildet werden, hängt dagegen von verschiedenen Umständen ab. Zunächst einmal steckt die internationale Zuständigkeit den Bereich ab, i n dem unsere Gerichte überhaupt i n die Lage kommen können, für Sachverhalte das anwendbare (ausländische) Recht zu suchen bzw. ausländischen Gesetzen den räumlichen Anwendungsbereich zuzumessen. Ist die internationale Zuständigkeit so beschaffen, daß w i r weitgehend nur über Fälle entscheiden, i n denen w i r auch die Anwendung des eigenen Rechts für angemessen halten, dann bleibt derjenige Teil des Kollisionsrechts, der sich m i t der Anwendung ausländischen Rechts 528 Sehr plastisch das B i l d von Lepaulle bei Freyria, Not. (Disk.) 119 f.: Wenn man i n dieselbe M ü h l e Weizen oder Roggen schüttet, ist das Ergebnis jeweils unterschiedlich, aber die M ü h l e [und der Arbeitsvorgang] bleibt i m m e r dieselbe.

D. Die Weiterentwicklung des räumlichen Kollisionsrechts

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befaßt, i n der Entwicklung zurück; er kann sich nicht über sporadische Einzelentscheidungen hinaus zu einem System verbinden, bleibt verkümmert, so daß es auf bestimmten Gebieten des Kollisionsrechts zu einer „sekundären Einseitigkeit" kommt. A u f der anderen Seite bleiben auch die wahren Gründe für die Anwendung des eigenen Rechts — die sich oft erst i n „Randfällen" offenbaren — weitgehend i m Dunkeln. Ein ähnlicher Effekt kann eintreten, wenn die internationale Zuständigkeit den Gerichten zwar solche Entscheidungen erlaubt, aber die internationalen Sachverhaltskontakte i n der Praxis fehlen, so daß es rein tatsächlich zu entsprechenden Entscheidungen nicht kommt. Von einem internationalprivatrechtlichen System kann man erst sprechen, wenn die einzelnen Kollisionsnormen i n sinnvoller und sich gegenseitig ergänzender Weise gebündelt und aufeinander abgestimmt sind. Auch hier ist das B i l d äußerst vielschichtig. Zunächst gibt es den Bereich der traditionellen allseitigen Kollisionsnormen, die i n „vertikaler" Bündelung alle ein bestimmtes „Statut" betreffenden Sachnormen berufen und i n „horizontaler" Bündelung alle „entsprechenden" Sachnormen der Rechte der W e l t 5 2 9 . Selbst diese traditionellen „realen" Kollisionsnormen brauchen m i t den kodifizierten Kollisionsnormen nicht übereinzustimmen. Bekanntestes Beispiel ist das EGBGB: hier wurden aus falsch verstandenen „politischen" Überlegungen die meisten Normen „einseitig" (nämlich nur für den Geltungsbereich des eigenen Rechts, etwa A r t . 15 Abs. 1) oder „bedingt allseitig" (nämlich allseitig, aber nur für bestimmte, nach Deutschland weisende Fälle, etwa A r t . 25 S. I ) 5 3 0 gefaßt. Jedoch besteht Einigkeit darüber, daß diese Normen „real" meist zu allseitigen „auszubauen" sind. Auch die „realen" traditionellen allseitigen Normen machen aber keineswegs bereits das ganze internationalprivatrechtliche System aus. Schon unter den kodifizierten Normen gibt es Einbrüche durch einseitig formulierte Sonderkollisionsnormen, bei denen die Erkenntnis der dahinter stehenden „realen" Kollisionsnormen Schwierigkeiten macht 5 3 1 . So verlangt etwa A r t . 22 Abs. 2 EGBGB bei der (ausländischen) Adoption oder Legitimation eines deutschen Kindes die zusätzliche Beachtung der „deutschen Gesetze" über die erforderlichen Einwilligungen des Kindes oder verwandter Dritter. Es ist zweifelhaft und umstritten, ob dahinter eine „reale" allseitige Kollisionsnorm steht, des Inhalts, daß solche Vorschriften über Einwilligungen immer (auch!) dem Heimat529

Oben A V 3 u n d 4. Die Bezeichnung „ u n v o l l k o m m e n allseitig" wählen w i r f ü r die Fälle einer „allseitigen Bündelung" unter Ausschluß bestimmter Rechtsordnungen, meist der lex fori; sie ist dann das Komplementärstück zur „einseitigen" Sonderkollisionsnorm. Vgl. oben A V 4 a. E. 531 Vgl. hierzu auch Trammer, Eins. Normen. 530

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Teil 2: Die R e - K o n s t r u k t i o n des klassischen IPR-Modells

recht des Kindes zu entnehmen sind (dann wäre hier ebenfalls die horizontale Bündelung hinzugefügt), oder ob es sich nur um eine wirklich einseitige Kollisionsnorm handelt, die nur für das eigene Recht gilt (dann gilt für ausländische Kinder die generelle Kollisionsnorm „unvollkommen allseitig" insoweit, als sie auch hier allein das Recht des Adoptierenden beruft). Ähnliche Fragen gibt es ζ. B. bei A r t . 17 Abs. 2; eindeutig „einseitig" gemeint sind dagegen etwa A r t . 12, A r t . 13 Abs. 3 EGBGB. Neben diesen einseitigen (nur vertikal gebündelten) Kollisionsnormen gibt es weitere, selbständig entwickelte, die i n Sonderfällen „allseitig" von der „generellen" Kollisionsnorm abweichen; hier ist ζ. B. an die Anknüpfung des Deliktsstatuts an das gemeinsame Heimatrecht 5 3 2 und ähnliche Fälle zu denken. Es gibt Individual-Kollisionsnormen für einzelne Sachregelungen, etwa die, die man aus § 244 BGB herausliest, ferner Sachnormen, die angeblich ihren Anwendungsbereich „selbst bestimmen" 5 3 3 . Allseitige Kollisionsnormen werden außerdem durchbrochen aus ordre-public- oder Grundrechtserwägungen 534 . Die i n den überkommenen Normen gewählten Anknüpfungen selbst werden mitunter fragwürdig und durch andere ersetzt, etwa infolge der stärkeren Beachtung des Gleichheitsgrundsatzes auch i m Kollisionsrecht. Hinzu kommen die weiten Bereiche moderner Rechtsetzung, die i n den konkreten überkommenen Kollisionsnormen noch nicht oder nicht genügend berücksichtigt sind, insbesondere die „Grauzone" zwischen öffentlichem und Privatrecht (Eingriffsnormen, soziale Schutznormen u. a.). Hier werden spezielle Kollisionsnormen erst entwickelt, teils i n Anlehnung an die vorhandenen, teils selbständig 535 . Diese Normen können i m Laufe der Zeit wiederum miteinander verschmolzen werden. Einzel-Kollisionsnormen können zu Sachgebieten zusammengefaßt, zu „einseitigen" Normen vertikal gebündelt werden; sie können auch, sobald ein genügender Fortschritt an systematischer und praktischer rechtsvergleichender Durchdringung des Sachgebietes erreicht ist, zu „allseitigen" Normen "horizontal" gebündelt werden. Alle diese verschiedenen Entwicklungsstufen existieren nebeneinander 536 . 532

Str., vgl. Soergel / Kegel, EGBGB, A r t . 12, Rdn. 22 - 30. Eingehend insbes. Kropholler, A n k n . — S. auch unten D I V 4 Fn. 698. 533 Hierzu unten T. 3 Β V I , T. 4 C I I I 2 u n d 3. 534 Unten T. 3 Β V I I . 535 Aus praktischen Gründen k a n n der Anwendungsbereich ausländischer Sachnormen sogar negativ umschrieben werden: M i t u n t e r genügt die Feststellung, daß „jedenfalls" infolge der feststellbaren Verknüpfungen des Sachverhalts eine Anwendbarkeit i n dem (oder den) von uns zu entscheidenden F a l l (Fällen) nicht i n Frage kommt. Einer Festlegung des „positiven" A n wendungsbereichs bedarf es dann insoweit (einstweilen) nicht.

D. Die Weiterentwicklung des räumlichen Kollisionsrechts

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Aber auch der Vorgang der „Systematisierung" erscheint als ständig in Bewegung. Jede neu „entdeckte" Einzelkollisionsnorm kann zum Kristallisationskern für eine neue allseitige Norm werden. Doch muß man stets i m Auge behalten: es besteht i m multilateralistischen System kein Zwang zur allseitigen Normbildung, nur die Möglichkeit hierzu. Wenn die Abwägung der kollisionsrechtlichen Interessen ergeben sollte, daß tatsächlich eine besondere „einseitige" Kollisionsnorm zugunsten des eigenen Rechts wünschenswert ist (der dann — wenigstens potentiell — eine andere unvollkommen allseitige Norm für die ausländischen Rechte gegenübersteht), dann ist deren Existenz durchaus systemverträglich, weil auch sie eine autonome „gezielte" Kollisionsnorm ist. Kommt man m i t einseitigen Kollisionsnormen rein faktisch aus, w e i l man über andere Fälle nicht zu entscheiden hat, kann man es gleichfalls (vorläufig) dabei belassen, bis ein geändertes Bedürfnis hervortritt. Selbstverständlich widerspricht es dem multilateralistischen System ebensowenig, bei Bedarf Einzel-Kollisionsnormen für bestimmte (in- oder ausländische) Sachnormen zu entwickeln; das kann i m Gegenteil notwendige Zwischenstufe für die Ausbildung neuer (allseitiger) Normen sein (muß es aber nicht). Das Bild, das das multilateralistische Kollisionsnormensystem bietet, ist daher alles andere als konsolidiert, ist kein statisches, kein starres, „kristallines" Gefüge. Es ist i n ständiger Bewegung, besteht i n einem wechselnden Zusammenspiel verschiedener Elemente, ist eher m i t einem lebendigen Organismus zu vergleichen. Es enthält die traditionellen allseitigen Kollisionsnormen, teils funktionsfähig, teils i m Zerfall begriffen, es enthält ergänzende, einschränkende und abändernde allseitige Kollisionsnormen, ebenso einseitige Kollisionsnormen, darunter solche, die „offen" sind, bei denen nämlich die horizontale Bündelung nur noch nicht durchgeführt ist, aber auch solche, die „geschlossen", real einseitig sind (und eventuell ergänzt werden durch eine auf ausländisches Recht verweisende andere „unvollkommen allseitige" Norm). Es gibt Individual-Kollisionsnormen, entweder isoliert, oder aber i m Begriff, m i t anderen Normen zu neuen allseitigen Normen „gebündelt" zu werden; daneben gibt es auch „leere" Gebiete, in denen Kollisionsnormen noch nicht herausgebildet, nur „potentiell" vorhanden sind 5 3 7 53e v g l hierzu auch Braga, Kodif. 425 - 428, der freilich noch zu sehr i m Regel-Ausnahme-Muster denkt. Er empfiehlt, f ü r bestimmte typische Rechtsinstitute „Grundsatz-Kollisionsnormen" zu bilden, die nachträglich durch „besondere" Kollisionsnormen „ergänzt" (und durchbrochen) werden können. Freilich verkennt auch er die Möglichkeit des „autonomen" Ansatzes beim Gesetz, w e n n er f ü r „ f u n k t i o n e l l untypische" (und daher nach unserer Betrachtungsweise nicht unter die vorgegebenen „Bündelungen" passende) Rechtsfiguren die unilateralistische Methode zur Diskussion stellt (427). 537

Unten D I I a. E.

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T e i l 2: Die Re-Konstruktion des klassischen IPR-Modells

oder i n denen einfach „real" benutzte Kollisionsnormen noch nicht bewußt geworden sind 5 3 8 . Diese Vielfalt i m Erscheinungsbild darf indessen nicht darüber hinwegtäuschen, daß es sich jeweils u m verschiedene nebeneinander bestehende Entwicklungsstadien ein und desselben Vorgangs der Kollisionsnormbildung handelt. Die funktionelle und methodische Homogenität ist es, die das System verklammert und i n sich zusammenhält. Π . Die „Offenheit" des IPR-Systems

Das System des internationalen Privatrechts ist also kein fertiges, kein i n sich geschlossenes: Es ist ein „offenes" und (innerlich) „bewegliches" System 5 3 9 . Diese „Offenheit" des IPR-Systems ist auf zwei Gründe zurückzuführen : einen allgemeinen und einen spezifisch kollisionsrechtlichen. Zunächst handelt es sich beim System des Kollisionsrechts u m einen Teil des allgemeinen Rechtssystems. Als solcher beruht es wie dieses auf Wertungen, die sich — zusammengefaßt — auch als „Prinzipien" ausdrücken lassen. Diese Wertungen sind i n die „vorhandenen" K o l lisionsnormen — seien sie gesetzlicher, gewohnheits- oder richterrechtlicher Natur — „eingegossen". Die „vorhandenen" Kollisionsnormen, i n einen „dogmatischen" Zusammenhang zueinander gebracht, d. h. geordnet, zusammengefaßt, „gebündelt", i n ein Regel-Ausnahme- oder ein Alternativ-Verhältnis gesetzt, bilden den einen, den positiven Teil des Systems. Er enthält einen Vorrat „gerechter" Lösungen, auf den bei Bedarf zurückgegriffen werden kann; Entscheidung aufgrund des Systems ist eine Reproduktion „ruhender Urteile" 5 4 0 . A n die Stelle der Urteilsfindung durch selbständige Wertung t r i t t die Subsumtion durch (scheinbar) 541 rein logisch-deduktive Gedankengänge. Diese Konservierung abrufbarer Werturteile i m System ist unverzichtbarer Bestandteil jeder Rechtsordnung. „Jede Jurisprudenz" ist „auf Dogmatik oder auf Präzedenzien und deren kunstgerechte Verwertung angewiesen" 542 . 538 So vielfach i m Bereich von ordre public u n d Grundrechts-Kollisionsrecht; dazu unten T. 3 Β V I I . 539 vgl. z>b# Neuhaus, Grdbegr. 82 (selbst eine K o d i f i k a t i o n würde dies nicht ändern: 445, 450). Z u r Offenheit des Privatrechtssystems überhaupt z.B. Raiser , Zuk. 209 f.; Larenz, Meth. L. 161, 471 -474; Kaufmann, R. u. Ger. 292 f.; Mayer-Maly, Rechtsw. 92; Zippelius, Einf. 64; Canaris , Syst. 61 - 7 3 . — „Beweglich" bedeutet i n unserem Zusammenhang: innerlich veränderbar, u n d ist nicht i m Sinne Wilbur gs gemeint (hierzu Larenz, Meth. L. 431, 453, 462; Canaris, Syst. 7 4 - 8 5 ; Mayer-Maly, Rechtsw. 91 f.), zu dessen Thesen hier nicht Stellung zu nehmen ist. 540 541

Esser, Vorverst. 96, 103. Vgl. unten Fn. 546 sowie D I I I zu Fn. 579.

D. Die Weiterentwicklung des räumlichen Kollisionsrechts

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Die Systembildung entspricht zugleich einem unabwendbaren Rationalisierungsbedürinis der Jurisprudenz und dem Bedürfnis nach i m gewissen Umfang möglicher Vorhersehbarkeit der Ergebnisse, also nach Rechtssicherheit. Indessen wäre es ein verhängnisvoller I r r t u m 5 4 3 , wollte man das System auf diesen „ruhenden", „positiven" Teil beschränken. Der Vorgang der Rechts- und Entscheidungsfindung ist sehr viel komplexer, wie moderne Methodenlehre und Rechtstheorie uns eindringlich vor Augen führen 5 4 4 . Denn die Rechtsordnung ist nichts i n sich Ruhendes, nichts, das — einmal geschaffen — keines Dialogs m i t der Umwelt mehr bedürfte. Rechtsordnung ist Rechtsleben, und „das Rechtsleben ist kein Zustand, sondern ein Stück Kulturentwicklung, i n der Sprache der Organizisten: ein Stoffwechsel. Lebensuntüchtige Zellen werden abgestoßen. Unentbehrliche Elementarformen . . . erlangen unter neuer Wirtschaftsstruktur m i t neuen Ordnungsaufgaben neue Bedeutungen" 5 4 5 . So ist es nichts als eine „Fiktion", die Anwendung positiven Rechts als ein „bloßefs] Struktur- und Ableitungsproblem" 5 4 6 zu behandeln. I n Wirklichkeit sind nicht nur immer wieder die i n den Gesetzen enthaltenen Wertungsprinzipien heranzuziehen, auch neue, außerpositive, „informative" Wertungsprinzipien spielen eine entscheidende Rolle und können über die Rechtsprechung Eingang i n das „positive" Recht 542 Esser, Grds. 84, vgl. auch ders., Vorverst. 88 f.; ferner Kriele, Theorie 262 - 264, 268. A u f die Unentbehrlichkeit einer „positiven" Rechtsordnung verweist auch Lehmann, W i r k . 372 f. — Somit hat auch die Begriff s j u r i s p r u denz ihre Berechtigung. Sie liefert Kurzformeln f ü r bestimmte Interessenlagen u n d vorvollzogene Wertungen, m i t denen i n der alltäglichen j u r i s t i schen A r b e i t „gerechnet" werden k a n n ; vgl. Kegel, Begr. I n t . Jur. 287. S. auch unten D I I I Fn. 575. 543 I h m scheinen manche K r i t i k e r des „klassischen" I P R zum Opfer gefallen zu sein. So laufen etwa Cavers' Vorschläge i n erster L i n i e darauf hinaus, ein „geschlossenes" IPR-System durch ein „offenes" abzulösen (wenn m a n von einer gewissen unilateralistischen Komponente einmal absieht). Vgl. Crit. 194 - 197. Näher unten T. 4 C I I 4 u n d 6. 544 Hierzu sei verwiesen auf: Esser, Grds.; ders., Vorverst.; Kriele, Theorie (der von der Betrachtung des Verfassungsrechts her zu allgemeingültigen Einsichten k o m m t ) ; ders., R. u. pr. Vern. 66-110; Kaufmann, R. u. Ger.; Hassemer, Rsyst.; Larenz, Meth. L . 298-428; Zippelius, Einf. 16-23, 60-72, 101 -104; Fikentscher, Meth. I I I u. I V ; Zöllner, R. u. Pol. Teilweise abw. Canaris, Syst. 545 Esser, Grds. 331, vgl. auch 7. — S. ferner Kaufmann, R. u. Ger. 287 f., 292-295; Ellscheid, Naturr. 6 6 - 6 9 ; Engisch, Einf. 90, 96; Coing, Rechtsphil. 170. 546 Esser, Vorverst. 51, 59, 69, 72, 103 („keine Sache der L o g i k " ) ; ders., Grds. 57, 221; Kriele, Theorie 5 0 - 5 2 ; Kaufmann, R. u. Ger. 290, 292-295; Kaufmann / Hassemer, Grdprobl. 6 5 - 7 2 ; Zippelius, Einf. 101-104. So auch schon Cohn, Exist. 42, 83 f. — „Interessen"- u n d „Begriffs"jurisprudenz schließen sich m i t h i n nicht aus, sondern ergänzen sich, bedingen sich gegenseitig. Vgl. unten D I I I .

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T e i l 2: Die R e - K o n s t r u k t i o n des klassischen IPR-Modells

finden 5 4 7 . Überkommene Normen werden hinsichtlich des aktuellen Gerechtigkeitsgehalts ihrer Anwendung immer wieder überprüft. Das — noch näher zu betrachtende 548 — Gegeneinander und Zusammenspiel von „doktrinärem" und „topischem", System- und Problemdenken ist es, was die Entwicklung des Rechtssystems weiterträgt und dieses letztlich lebensfähig hält. „Jedes positive Recht ist i m Interesse seiner Kontinuität auf einen solchen Prozeß der Differenzierung und ,Lebensnähe* seiner Lösungen angewiesen. Daher muß es ein Entscheidungssystem einrichten, welches unausgesetzt bisher anerkannte Teile des Regelungsprogramms für die Zukunft berichtigt, erneuert, verfeinert und anpaßt — sowohl hinsichtlich objektiv neuartiger Konfliktlagen und Bewertungsprobleme, als auch hinsichtlich veränderter Meinungen über deren Ordnungsbedürftigkeit und gerechte Regelung" 5 4 9 . Es handelt sich hier u m nichts anderes als das Ausbalancieren der ewigen Antinomien einer Rechtsordnung, u m das Verhältnis von Bewahrung und Erneuerung, von Rechtssicherheit und angepaßter Einzelfallgerechtigkeit 5 5 0 . Z u jedem lebensfähigen Rechtssystem müssen daher — neben dem „positiven" Teil — auch Rechtsgrundsätze gehören, die die Fortentwicklung des Systems steuern, mögen die Vorstellungen hierüber auch i m einzelnen auseinander gehen. „ K e i n corpus iuris ist nur Masse, es ist i n erster Linie ein durch die Aufgaben dieser Masse fixiertes System von Prinzipien, die dem Richter die Auslese, Anwendung und Neubildung positiver Normen erlauben" 5 5 1 . „Stoff" und „Methode" bilden eine Einheit 5 5 2 . Was für das Rechtssystem generell gilt, muß für das Kollisionsrecht erst recht zutreffen: Eventuelle Bedenken gegen die „Offenheit" des Systems gründen sich nämlich auf den Kodifikationsgedanken, auf den möglichen Willen des historischen Gesetzgebers, einen „geschlossenen" Kodex zu geben. Auch darüber setzt man sich heute fast einhellig hinweg und hält selbst Systeme kodifizierten Rechts grundsätzlich — wenn auch i n unterschiedlichem Ausmaß 5 5 3 — für „offen" 5 5 4 . I m inter547

Vgl. Esser, Grds. 75, 90, 182; ders., Vorverst. 165. Unten D I I I . 549 Esser, Vorverst. 15. 550 Vgl. auch Dietzi, Ausw. 56; Esser, Grds. 27, 222; Kriele, Theorie 264 bis 268. 551 Esser, Grds. 227, vgl. auch 119, 260; ders., Vorverst. 191. 552 Vgl. Esser, Grds. 316. 553 Vgl. auch unten D I I I zu Fn. 590 - 595. 554 Vgl. etwa Larenz, Meth. L. 161 : „ . . . dann ist nicht n u r für die Rechtswissenschaft, sondern auch f ü r die praktische' Philosophie . . . das ,offene 4 u n d bis zu einem gewissen Grade i n sich ,bewegliche' System, das niemals vollendbar ist u n d immer wieder i n Frage gestellt werden kann, die einzig noch mögliche F o r m des Systemdenkens." Ä h n l i c h Mayer-Maly, Rechtsw. 92; Canaris, Syst. 61-73. 548

D. Die Weiterentwicklung des räumlichen Kollisionsrechts

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nationalen Privatrecht indessen braucht man m i t solchen Schwierigkeiten von vornherein nicht zu rechnen: Anders als etwa die private Sachrechtsordnung ist es i m allgemeinen nicht oder nur unvollkommen kodifiziert, und wo es gesetzliche Bestimmungen gibt 5 5 5 , erheben diese grundsätzlich keinen Anspruch auf Vollständigkeit, sind vielmehr regelmäßig so allgemein und abstrakt gefaßt, daß die Konkretisierungs(und damit Weiterentwicklungs-)bedürftigkeit ohne weiteres evident i s t 5 5 6 . Die Entwicklung ist daher noch sehr viel weniger kanalisiert oder etwa eingeschränkt, als dies auf einem kodifizierten Gebiet der Fall sein k a n n 5 5 7 ; dem Zusammenspiel und der freien Verwirklichung der Wertprinzipien steht eher weniger Widerstand entgegen als i n anderen rechtlichen Bereichen 558 . Die Diskussion über die Ablösung alter A n knüpfungen zugunsten der Durchsetzung des Gleichberechtigungsgrundsatzes auch i m internationalen Privatrecht liefert ein aktuelles Beispiel hierfür. Unter diesem Gesichtspunkt ist die „Offenheit" des IPR-Systems nichts Eigenes, nur eine Spielart der „Offenheit" rechtlicher Systeme i m allgemeinen. Es kommt aber ein weiterer Grund hinzu, der spezifisch kollisionsrechtlicher Art ist. Er hängt damit zusammen, daß Kollisionsnormen nicht unmittelbar über Sachverhalte entscheiden, sondern die anzuwendende Sachnorm „berufen" oder, was dasselbe ist, für die Sachnorm den örtlichen Anwendungsbereich bestimmen. Sie beruhen zwar auf selbständiger „kollisionsrechtlicher" Interessenwertung, diese w i r d aber auch durch den Inhalt der betreffenden Sachnorm entscheidend beeinflußt 5 5 9 . Daraus folgt, daß das Kollisionsnormensystem nicht geschlossen, nicht statisch sein kann, solange die eventuell zu berufenden Sachnormensysteme es nicht sind. Jede neue Sachnorm — mag sie i m Inland oder i m Ausland erlassen sein — kann eine neue kollisionsrechtliche Wertung nach sich ziehen, die — sofort oder später — die Frage der „Bündelung" auslöst 560 . Letzteres kann besonders eintreten, wenn diese Sachnormen einen neuartigen Charakter aufweisen, etwa i n die 555 Dem Gewohnheits- u n d mehr noch dem „Richterrecht" ist die Vorstell u n g der „Geschlossenheit" ohnehin fremd. 556 Vgl. auch unten D I I I zu Fn. 597 - 602, D I V 4. 557 Kriele, Theorie 60 f. : „Das Rechtssetzungsmonopol [des Gesetzgebers] setzt, u m überhaupt diskutabel zu sein, eine K o d i f i k a t i o n voraus, die erstens lückenlos, zweitens dauerhaft auch über sich wandelnde Verhältnisse hinweg u n d drittens i n allen Teilen k l a r u n d eindeutig sein muß." 558 Vgl. auch Schnitzer, Betr. 319; Esser, Grds. 109, 316 f.; ders., Vorverst. 156; Sturm, Scheid. 67, 70 Fn. 41; Neuner, Sinn 132; Cohn, Exist. 117-119; Evrigenis, Tend. 322; Vischer, Richter 76 f., 81; Schwimann, Kodif. 351 f.; Canaris, Syst. 149 f., 154. 559 Oben A V 2. 660 Vgl. auch unten D V.

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T e i l 2: Die R e - K o n s t r u k t i o n des klassischen IPR-Modells

„Grauzone" zum öffentlichen Recht hineinreichen. Es können neue Kollisionsnormen aufzustellen sein, die zunächst isoliert bleiben, sich aber i m Laufe des Erkenntnisfortschritts (sobald nämlich das notwendige Material vorhanden und die praktische und dogmatische Durchdringung dieses Materials erreicht ist — u. U. auch schon i m hypothetischen Vorgriff darauf) m i t ähnlichen Normen „bündeln" lassen, vertikal zu einseitigen oder auch horizontal zu neuen allseitigen Normen. Aber nicht nur das Entstehen neuer Sachnormen kann eine Weiterentwicklung des Kollisionsrechtssystems erzwingen. Die Entwicklung hängt vielmehr auch von den tatsächlichen Konstellationen der zu entscheidenden Fälle ab. Das Kollisionsrechtssystem muß allerdings i n der Lage sein, mit einer Welt von „vorhandenen" Sachnormen fertig zu werden, jeder von ihnen den — aus unserer autonomen Sicht — angemessenen räumlichen Anwendungsbereich zuzuweisen 561 . Doch ist diese Funktion zunächst nur eine potentielle, d. h. sie w i r d erst aktiviert, wenn und sobald der jeweilige Anwendungsbereich einer solchen Sachnorm erheblich wird. Jede Veränderung des internationalen „Einzugsbereichs", sei es durch Änderungen der „internationalen Zuständigkeits"-Ordnung, sei es einfach durch faktische Veränderungen der internationalen Sachverhaltskontakte (man denke an den verstärkten internationalen W i r t schaftsverkehr, an die große Zahl ausländischer Arbeitskräfte), kann sich darum auf das Kollisionsnormengefüge auswirken. Denn es ist ja nicht so — wie schon Kahn 562 und Rabel 563 erkannten —, daß die fremden Rechtserscheinungen entweder i n die vorhandenen „Bündelungen" hineinzupressen oder aber zu ignorieren sind. Unsere allseitig gebündelten Kollisionsnormen beziehen sich zwar auf international vergleichbare Sachrechtserscheinungen; sie gelten, weil, aber auch nur soweit diese Erscheinungen vergleichbar sind und die kollisionsrechtliche Interessenwertung deshalb zum selben Ergebnis führte 5 6 4 (wir werden uns m i t diesem Vorgang bei der „Qualifikation" noch näher zu befassen haben). Es kann nun ohne weiteres sein, daß eine „zu berücksichtigende" ausländische Sachnorm nicht i n solchem Sinne „vergleich561

Vgl. oben A V I . Das Burckhardt' sehe Paradox, demzufolge ein System „allgemeingültiger" I P R - N o r m e n unmöglich sei (vgl. Burckhardt , Allg.), beruht ganz allein auf der — unzutreffenden — Vorstellung eines universalistischen (völkerrechtlichen) IPR's, bestehend aus einem starren, geschlossenen Kollisionsnormensystem. 682 Entgegen seiner früheren eigenen Ansicht u n d entgegen Savigny, vgl. oben A I V Fn. 147, 149, Β I V Fn. 358. I n diesem P u n k t besteht Übereinstimmung m i t v. Bar, unten Fn. 565. 563 Vgl. oben Β V Fn. 380 - 382. Deutlich auch Robertson, Charakt. 84 f. 564 Vgl. oben A V 4 und unten T. 3 Β 11.

D. Die Weiterentwicklung des räumlichen Kollisionsrechts

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b a r " i s t ( o b w o h l sie b e i m A u f s t e l l e n d e r K o l l i s i o n s n o r m d u r c h u n s bereits „ v o r h a n d e n " w a r ) . T r i t t sie später „ n e u " i n u n s e r k o l l i s i o n s rechtliches B l i c k f e l d , d a n n b e e i n f l u ß t auch sie die E n t w i c k l u n g des Systems, w e i l f ü r sie n u n m e h r eine passende I P R - N o r m a u ß e r h a l b dieser g e b ü n d e l t e n K o l l i s i o n s n o r m e n „ g e f u n d e n " w e r d e n m u ß , d i e i n das p o s i t i v e S y s t e m z u i n t e g r i e r e n i s t 5 6 5 . D i e b e i d e n G r ü n d e f ü r d i e O f f e n h e i t des I P R - S y s t e m s s i n d s o m i t e i n „ i n n e r e r " u n d e i n „ ä u ß e r e r " . D e r innere G r u n d i s t d i e R e g e n e r a t i o n s b e d ü r f t i g k e i t eines p o s i t i v e n Rechtssystems, d i e N o t w e n d i g k e i t d e r V e r f e i n e r u n g u n d d e r A n p a s s u n g a n d i e sich w a n d e l n d e n W e r t e . D e r äußere G r u n d besteht i n d e r B e z o g e n h e i t a u f d i e z u „ v e r a r b e i t e n d e n " S a c h n o r m e n u n d d a m i t auch a u f d i e n e u e n t s t e h e n d e n oder auch n u r die neu i n unseren kollisionsrechtlichen „Gesichtskreis" rückenden Sachnormen. Das I P R - S y s t e m i s t also seiner N a t u r n a c h i m m e r „ u n f e r t i g " 5 6 6 , i m m e r i n B e w e g u n g . M a n k a n n geradezu z w e i T e i l e des K o l l i s i o n s rechts u n t e r s c h e i d e n : D e n „artikulierten" Teil p o s i t i v e r K o l l i s i o n s n o r m e n u n d d e n „unartikulierten" Teil 567 d e r noch z u „ f i n d e n d e n " , noch n i c h t „ e n t d e c k t e n " oder auch n u r noch n i c h t „ b e w u ß t e n " K o l l i s i o n s 585 Das hat m i t aller Deutlichkeit schon v. Bar gesehen, Theorie 7: „ N u n ist es allerdings nicht möglich, eine allgemeine Theorie des internationalen Privatrechts i n der A r t aufzustellen, daß sie nicht stets der Vervollständigung bedürfte m i t Rücksicht einerseits auf die stets neu entstehenden Rechtssätze der einzelnen Staaten u n d andererseits auf die unübersehbare Menge gleichzeitig existierender Rechtssätze, von denen n u r ein gewisser Bruchtheil selbst i n einem umfassenden Werke auf seine internationale Tragweite unmittelbar geprüft werden kann." 56β D a r u m hat Ehrenzweig Recht, w e n n er — freilich aus anderen Gründen — erklärt, das Kollisionsrecht keines Landes sei „vollkodifizierbar", W i r k l . 262. — So erklärt sich auch die Tatsache, über die sich Nadelmann, Rem. 868, so wundert, nämlich, daß „almost seven centuries have passed of continuous methodical struggle for the ,solution' of conflicts problems b u t some still call conflicts a ,young' and underdeveloped field of the l a w " . — V o m „ u n fertigen" Zustand des I P R sprechen schon Savigny, Syst. V I I S. V ; Rabel, Qual. 263; Neuhaus, Sav. 380; Zweigert, D r i t t e Sch. 35; ähnlich v. Bar, Theorie 7; Zitelmann, I P R I I 12; Cohn, Exist. 117. Keller, Verh. 89 f., w i r d darum vergeblich auf E r f ü l l u n g seines „rechtspolitischen Fernziels", nämlich Schaffung eines „geschlossenen Systems rechtsverbindlicher Kollisionsnormen" warten. Dennoch handelt es sich bei den Kollisionsnormen u m mehr als bloße „Leitsätze" (so aber Neuner, Sinn 132; dagegen z.B. Keller, Verh. 88 f. m. weit. Nachw.), da bereits die Existenz anerkannter Kollisions normen ihnen ein eigenes rechtspolitisches Gewicht gibt, das überwunden werden muß, bevor abweichende neue Normen gebildet werden können („Trägheitsprinzip i m Kollisionsrecht", dazu unten D I V 4). Vgl. auch Philip, Gen. Course 43 - 46, der (im Anschluß an den Norweger Knoph) davon spricht, i m IPR habe man es eher m i t „legal standards" als m i t „ordinary rules of l a w " zu tun. — Z u r „ U n f e r t i g k e i t " „offener Systeme" (die i m Kollisionsrecht n u r vielleicht deutlicher zutage t r i t t ) allgemein z. B. Larenz, Meth. L. 471, 474 („Als ,offenes' ist das System immer unvollendet u n d unvollendbar"). 567

Vgl. auch Kahns „unerkannten" Teil des IPR, Ord. pubi. 251.

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normen. Letzteres ist freilich nicht so zu verstehen, als gelte es nur, die objektiv vorhandenen Kollisionsnormen aus dem Verborgenen zu holen, sie aus ihrem „Dornröschenschlaf" zu erwecken 568 . Der „unartikulierte" Teil des Kollisionsnormensystems existiert nur potentiell, d. h. es ist durch systemimmanente Rechtsfindungssätze die Möglichkeit gegeben, die jeweils angemessene Kollisionsnorm herauszubilden. Nur diejenigen Kollisionsnormen, die angewandt werden, ohne als solche ins Bewußtsein zu treten (wie es häufig i m Bereich des ordre public geschieht) 569 , gilt es lediglich zu „erkennen". Π Ι . System- und Problemdenken i m I P R

Die „Offenheit" des Systems gibt Raum dem Problemdenken (oder, wie man heute zu sagen pflegt, „topischen" Denken) 5 7 0 und w i r d zugleich dadurch bedingt. Dieses Denken, das an dogmatische Kategorien nicht gebunden ist, beschränkt sich freilich nicht auf die „Fortbildung" des Systems über seine eigenen Grenzen hinaus; es liegt i h m selbst zugrunde und ist bei jeder bloßen „Anwendung" des positiven Rechts jedenfalls mittelbar m i t i m Spiel. Dieses generelle Zusammenwirken ist eine der Hauptfragen moderner Methodenlehre und Rechtstheorie 571 und soll hier wiederum nur skizziert werden 5 7 2 . Zunächst beruht, wie erwähnt, bereits der „positive" Teil des Systems auf Wertungen, auf „Grundsätzen", die einmal „vorpositiv" waren, bevor sie „positiv" wurden 5 7 3 . Diese Wertungen sind stets vorhanden, sie sind nur verborgen i n Begriffen und Funktionszusammenhängen. „ I m ,Wachstum des Rechts' können Begriffe nur Samen sein, wenn sie Frucht waren" 5 7 4 . Auch die Epoche der „Begriffsjurisprudenz" krankte nicht am Fehlen solcher „vorpositiven topoi", sondern an deren Erstarrung 5 7 5 . Die „Anwendung" positiver Rechtsnormen bedeutet immer 568 Gegen solche Vorstellungen Esser, Grds. 89, 120; ders., Vorverst. 45. Zweifelnd indessen Zöllner, R. u. Pol. 151 f. 569 Unten T. 3 Β V I I . 570 I n s t r u k t i v zum schillernden Begriff der „ T o p i k " , seiner H e r k u n f t u n d Abgrenzung Kriele, Theorie 114-153. Vgl. ferner Esser, Grds. 53; ders., Vorverst. 151-159; Canaris, Syst. 135- 154 (der sich gegen die Gleichsetzung von „ T o p i k " u n d Problemdenken verwahrt, 136 - 139, u n d ersterer i m System wenig Platz einräumt); Larenz, M e t h . L . 138- 147, 154- 161, 474; Zippelius, Einf. 60 - 64. Übrigens bemerkte schon Kahn, Ges. K o l l . 49, daß „die E n t w i c k l u n g eines Rechtsgedankens nicht den Gesetzen der Analysis u n d Dialektik, sondern denen der Assoziation vergleichbar vor sich geht" ! 571 Vgl. etwa die oben D I I Fn. 544 genannten Werke. 572 Es geht hier lediglich darum, die gewonnenen allgemeinen E r k e n n t nisse für die strukturellen Probleme des IPR fruchtbar zu machen. 573 Oben D I L Vgl. Esser, Grds. 59, 182; auch Wiethölter, Begr. Int. Jur. 228. 57 4 Esser, Grds. 212.

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zugleich einen — meist stillschweigenden — Rückgriff auf den immanenten Wertungsgehalt. Jede Entscheidung muß nicht nur „systemgerecht", sie muß auch „sinn- und sachgerecht" sein. Eine solche sachgerechte Entscheidung ist durch rein logische Subsumtionsoperationen allein nicht zu erreichen. Es kommt zuvor auf die Erfassung des Sinngehalts der möglicherweise anwendbaren Norm, auf deren Auswahl an. Dabei können u. U. „dogmatisch scheinbar gesicherte Fragen anhand der neuen Kofliktkonfrontation wieder zurückgeholt werden aus dem dogmatischen System i n eine vordogmatische Einsichtigkeit" 5 7 6 . Denn auch die Entscheidung aufgrund „vorhandener" Normen muß von einer unmittelbar einleuchtenden Gerechtigkeit getragen sein; auch sie ist angewiesen auf Argumente der Vernünftigkeit, Sachgerechtigkeit. Sie muß geeignet sein, als „gerecht" einzuleuchten. Hierzu muß sie ihre Überzeugungskraft auf Wertgrundsätze stützen, die gerade zur Zeit der Entscheidung akzeptiert werden können. Sie darf sich also nicht von vornherein auf die historischen, dem positiven System immanenten Grundsätze beschränken, denn sie muß jetzt überzeugen, „einsichtig" sein 5 7 7 . So gesehen unterscheiden sich Rechtsanwendung (d. h. -auslegung) und Rechtsfortbildung i n der Tat nicht qualitativ 5 7 8 , sondern nur graduell. Mögen bei der letzteren die Argumente der Sachgerechtigkeit weiter i m Vordergrund stehen, so ist auch hier andererseits die Entwicklung nicht völlig „frei", sie muß wenigstens system verträglich sein. Das Hauptgewicht bei der Rechtsanwendung liegt darum — dies ist vor allem ein Ergebnis der modernen juristischen Hermeneutik — überhaupt nicht beim Syllogismus der Subsumtion 5 7 9 . Es liegt vielmehr bei der vom „Vorverständnis" getragenen „Aufbereitung der Prämis57 5 Esser, Grds. 68. — Zwischen Interessen- u n d Begriffsjurisprudenz besteht somit keine A n t i n o m i e ; es handelt sich u m funktionsverschiedene, aufeinander bezogene u n d gleichermaßen notwendige Komponenten der Jurisprudenz. Nicht die Begriff s jurisprudenz als solche ist zu tadeln, sondern die mißbrauchte, verabsolutierte, „falsche" Begriff s jurisprudenz, die das Bewußtsein der Relativität, der Wertungsabhängigkeit verloren hat. Vgl. schon Kegel, Begr. Int. Jur. 259, 280 f. 57 8 Esser, Vorverst. 155. 577 Vgl. Esser, Vorverst. 16, 9 0 - 9 3 ; Zippelius, Einf. 18 f., 61; Cohn, Exist. 42, 84 f.; auch Schnitzer, Betr. 317 f.; sowie (grundsätzlich) Zöllner, R. u. Pol. 152. Sehr zurückhaltend Canaris , Syst., der Systemgerechtigkeit weitgehend m i t Sachgerechtigkeit gleichsetzt. — Was erforderlich ist, u m die „Richtigkeitsvermutung" gesetzten Rechts außer K r a f t zu setzen, ist eine Frage, der hier nicht weiter nachgegangen zu werden braucht. — Vgl. auch unten zu Fn. 590 - 595 u. D I V 4. 578 Vgl. Esser, Grds. 259; ders., Vorverst. 175, 179; auch Kriele, Theorie 63: „ I n W i r k l i c h k e i t ist die sog. Lücke für den Richter die Regel". — Dies ist freilich umstritten, vgl. unten zu Fn. 590 - 595. F ü r das I P R s. aber die Bemerkung von Rabel, unten Fn. 605. 579 Vgl. oben D I I Fn. 546.

12 Schurig

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sen", i m Auffinden also des dem Fall „angemessenen" Normverständnisses („Auslegung") und der maßgebenden Sachkriterien. Die hierfür erforderlichen Gedankengänge sind „operativ". Sie bestehen i n der versuchsweisen Prüfung verschiedener antizipierter Lösungsmöglichkeiten aufgrund einer bewußten oder unbewußten Vorauswahl, i m „,Anproben' möglicher Normanwendungen" 5 8 0 . Dabei werden die hypothetischen Resultate dieser Normanwendungen daraufhin überprüft, ob sie als vernünftig überzeugen, ob sie rechtspolitisch befriedigen können. Diese „Versuchsergebnisse" sind letzten Endes entscheidend für die Auswahl der „einschlägigen Norm" und für die Feststellung der rechtlich erheblichen Merkmale des zu beurteilenden „Lebensverhältnisses". Das mögliche Ergebnis der Rechtsanwendung kommt also schon ganz zu Beginn dieses Vorgangs ins Blickfeld; es beeinflußt die Rechtsanwendung, und die Rechtsanwendung beeinflußt das Ergebnis 5 8 1 . Es handelt sich nicht u m eine geradlinig fortschreitende gedankliche Schlußfolgerung; der Blick springt vielmehr h i n und her zwischen den möglichen Ergebnissen und ihren Voraussetzungen, u m bei der Entscheidung sowohl den Anforderungen dogmatischer Systemgerechtigkeit wie auch einsehbarer, „vernünftiger" Sachgerechtigkeit zu entsprechen 582 . Letztlich erweisen sich auch die beiden Pole der Rechtsfindung „Systemdenken" und „vernunftorientiertes Problemdenken" als Erscheinungsformen des jurisprudentiellen Hauptprinzipienpaares „Rechtssicherheit" und „Einzelfallgerechtigkeit". Rechtsanwendung und Rechtsfortbildung resultieren beide aus dem ausgewogenen Zusammenwirken dieser beiden methodischen Grundkräfte und ihrer wechselseitigen Kontrolle 583. Welches aber sind die Kriterien solcher Vernünftig580 Vgl. Esser, Vorverst. 23, 25-29, 38, 44, 66 f., 147; Kaufmann, R. u. Ger. 295 - 298; Zöllner, R. u. Pol. 140 - 150. 581 M a n spricht hier v o m „hermeneutischen Z i r k e l " oder besser, w e i l das „Fortschreiten" m i t ausgedrückt w i r d , i m Anschluß an Kaufmann (ζ. B. R. u. Ger. 296) von der „hermeneutischen Spirale". Es ist auch (weil es u m das Ergebnis der Rechtsantüendung geht) v o m „applikativen Z i r k e l " die Rede, Zöllner, R. u. Pol. 147. 582 Eine solche „finale Auslegung" halten w i r — ζ. B. m i t Esser, Vorverst. 33, 50, 66-70, 143; Kaufmann / Hassemer, Grdprobl. 6 5 - 7 2 ; Zippelius, Einf. 61 — nicht n u r f ü r vollkommen legitim, sondern f ü r unverzichtbar f ü r die Lebensfähigkeit v o n Rechtssystemen. ses w e i l es darauf ankommt, beide Gesichtspunkte zusammenzubringen, sozusagen durch probeweises H i n u n d Her einzupendeln, darum erscheint es übrigens müßig, zu fragen, was das Primäre ist, ob eine systemkonforme Lösung auf ihre vernünftige, sachgerechte Einsehbarkeit kontrolliert w i r d oder umgekehrt eine als „ v e r n ü n f t i g " einleuchtende Lösung der K o n t r o l l e eines systemkonformen Begründungszwanges unterliegt (vgl. hierzu Esser, Grds. 236, 256; ders., Vorverst. 16, 24, 28, 98, 132, 136 f., 139 - 142; auch Zippelius, Einf., 19). M i t der Feststellung, daß auch an letzterem nichts Anrüchiges ist, w i r d schließlich auch dem richterlichen „Judiz", hinter dem sich meist

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keit? Dazu kann man nur feststellen: Es gibt keinen geschlossenen Katalog. Hier ist das Feld des „topischen", des Problemdenkens. Die wichtigsten dieser „topoi" sind die „Interessen" i m weitesten Sinne 5 8 4 , doch deren Feststellung und Be-„Wertung" ist wiederum völlig offen. Die den Werturteilen zugrunde liegenden Werte erhalten ihre Rechtfertigung letztlich durch den präsumtiven Konsens mit der Umwelt 585. Der Richter setzt sich nicht über die Werte seiner Gesellschaft hinweg, er sucht sie vielmehr zu verwirklichen, sucht seine Entscheidung auf dieser Grundlage einsehbar, überzeugend zu machen 586 . Die Vernünftigkeitsargumentation beruht auf der „Fähigkeit, die durch Werterfahrung i n der Gesellschaft erworbene Urteilskraft zu objektivierender Aussage zu benutzen", auf der „Rückbindung an konsensfähige Wertungen" 5 8 7 . So stehen sich Systemdenken und Problemdenken nicht unversöhnlich gegenüber 588 . Beide ergänzen sich gegenseitig, beide können sogar ineinander übergehen, etwa wenn Teile des Systems i n die „vordogmatische" Bewertung „zurückgeholt" werden oder umgekehrt, wenn „topische" Lösungen sich zu Bestandteilen des Systems verdichten; sie bilden so einen „Kreislauf" 5 8 9 . Beide sind nötig, u m den mittleren Weg zwischen Bewahrung und Erneuerung zu finden, um Rechtssicherheit mehr oder weniger bewußt diese Vernünftigkeitskriterien verbergen (dem „hunch", dem „Rechtsgefühl"), der Platz eingeräumt, der i h m angesichts seiner praktischen Bedeutung zukommt. — Hier liegt übrigens auch die E r klärung dafür, daß „bekanntlich hervorragende P r a k t i k e r an der Hand der fehlerhaftesten Theorien häufig unanfechtbare Urteile abzugeben" pflegen, wie Kahn, I n h a l t 271, bemerkt. 584 Esser, Grds. 48, 80, bezeichnet die Interessen jurisprudenz als den „großen Einbruch des Problemdenkens i n unsere Begriffsaxiomatik". 585 Z . B . Esser, Vorverst. 16, 2 0 - 2 5 , 149, 161, 167; Zippelius, Einf. 19-23. Weitgehend ablehnend w o h l Canaris , der richterliche Rechtsfortbildung zwar nicht grundsätzlich v e r w i r f t , aber als „außerpositive Geltungskriterien" die „Rechtsidee" u n d die „ N a t u r der Sache" sieht (69 f.), die er freilich doch wieder i n Beziehung zum zeitbedingten „allgemeinen Rechtsbewußtsein" bringt (71). 586 So erklärt sich übrigens die häufige Wendung i n Urteilen, etwas sei „nicht einzusehen", auf die Esser, Vorverst. 170, hinweist. 587 Esser, Vorverst. 172. — Gewiß besteht hier die Gefahr, daß „ k o l l e k t i v e I r r t ü m e r " weitergereicht u n d zementiert werden (vgl. die heftige K r i t i k von Klenner, Rechtsphil. 83, 37 f.), doch w i r d der Richter sich (eben w e i l der Konsens ein „präsumtiver" ist) i m Vertrauen auf die Überzeugungskraft seiner „vernünftigen" Argumente auch über (erkannte) kollektive I r r t ü m e r hinwegsetzen dürfen. U n d welche anderen Maßstäbe stünden i h m zur V e r fügung? (Klenner selbst ζ. B. sucht sich m i t Glaubensbekenntnissen an die marxistische Rechtstheorie zu retten, ζ. B. Rechtsphil. 127 - 134.) 588 So auch — m i t etwas anderer Akzentsetzung — Canaris, Syst. 135 Fn. 1 a; 151 - 154. 589 Ebd. 156. Vgl. auch Wiethölter, Begr. I n t . Jur. 235-237; Mayer - Maly, Rechtsw., 91 f.; Zippelius, Einf. 60-64. Dieses Zusammenspiel ist es, was die „Offenheit" eines Systems ausmacht: Kriele, Theorie 121 f., 145. 12·

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nicht i n Starrheit und um Einzelfallgerechtigkeit nicht i n Unberechenbarkeit ausarten zu lassen. Obwohl die hier skizzierten Vorgänge der Rechtsfindung u n d -anwendung i n den Grundlinien heute weitgehend anerkannt sind 5 9 0 , ist i h r Stellenwert in der allgemeinen Rechtstheorie und Methodenlehre durchaus umstritten 591. Das hat seinen G r u n d vor allem i n deren Perspektive, die stets zunächst das Gesetzesrecht u n d seine „ A n w e n d u n g " sowie „richterliche F o r t entwicklung" i m Blick hat. Die B i n d u n g an Gesetzesnormen ist i n der Tat sehr stark, schon w e i l sie verfassungsrechtlich begründet ist, u n d bildet darum für freiere, problemorientierte („topische") Rechtslehren ein theoretisch schwer zu überwindendes Hindernis. Aber bereits die klassischen (frei konvertierbaren) „Interpretationsmethoden", die „Auslegungscanones" lassen j a verschiedene Sinnvarianten innerhalb des möglichen Wortsinnes eines „Gesetzes" oder sogar über diesen hinaus zu 5 9 2 , u n d auch kodifizierte Normen konnten schon i m m e r ihre Legitimationsfunktion, die V e r m u t u n g der „Richtigkeit", verlieren, w e i l sich die „kodifizierte Entscheidungsanweisung . . . auf ein grundlegendes konsentiertes Rechtsprinzip nicht [mehr] berufen" konnte 5 9 3 . Wenn auch herkömmliche Methodenlehre richterliche Rechtsschöpfung (als ein aliud gegenüber der „Auslegung") 5 9 4 grundsätzlich n u r innerhalb von „Gesetzeslücken" zuläßt, dann verlagert sie damit i m Grunde n u r die Voraussetzungen solcher Rechtsschöpfung i n die Definition der „Lücke", bis sich bei Zulassung von „Normlücken", „ P r i n z i p u n d Wertungslücken", „Teleologischer Reduktion", „-Extension" u n d „ - G e setzeskorrektur" überall dort, wo eine Weiterentwicklung erforderlich erscheint, die Unterschiede zu den „freieren" Auffassungen verwischen 5 9 5 . Sich m i t den auf die Bindungskraft der Gesetze gegründeten Einwendungen gegen das „freiere" Problemdenken i m Recht allgemein auseinanderzusetzen, erscheint indessen k a u m erforderlich, soweit es lediglich u m Rechtsanwendung u n d Rechtsfindung speziell im (internationalen) Kollisionsrecht g e h t 5 9 6 : Hier ist die Position des Gesetzesrechts — etwa i m V e r hältnis zum „Richterrecht" — quantitativ u n d q u a l i t a t i v viel schwächer als i m Sachrecht. Spezielle gesetzliche Kollisionsnormen sind selten; w o sie vorkommen, sind sie gewöhnlich auf den Anwendungsbereich bestimmter Sachnormen eng begrenzt (ζ. B. auch spezielle „positive" ordre-public590 Vgl. ζ. B. Zippelius, Einf. 17 - 23, 60 - 64, 101 - 104; Lüderitz, Anon. Rieht. 334, 338; auch Kaufmann, R. u. Ger. 292 („fast schon Allgemeingut"). 591 I n s t r u k t i v Zöllner, R. u. Pol.; Canaris, Syst. 592 Vgl. z.B. Zippelius, Einf. 5 0 - 7 2 ; Larenz, Meth. L . 298-349; Engisch, Einf. 83. 593 Vgl. Hassemer, Rsyst. 78 f.; Engisch, Einf. 83 („cessante ratione legis, cessât lex ipsa"). 594 Anders, w i e erwähnt, die „hermeneutische Rechtstheorie" u n d verwandte Richtungen; vgl. z.B. Kaufmann / Hassemer, Grdprobl. 6 5 - 7 2 ; Übersicht bei Fikentscher, Meth. I I I 687 - 690, 750 - 760 (zu dessen eigener M e i nung: Meth. I V 176 - 249). 595 Vgl. zum „Lückenproblem" z.B. Larenz, Meth. L. 354-392; Fikentscher, Meth. I I I 718-728; Engisch, Einf. 138-181; Mayer-Maly, Rechtsw. 8 1 - 8 5 ; Zippelius, Einf. 64-72, der ganz offen erklärt (65): „Eine Ergänzungsbedürftigkeit [ = „Lücke"] nehmen w i r also dann an, w e n n der bloße Gesetzestext zu Ergebnissen führt, die dem herrschenden Sozialethos widersprechen." 596 Z u m folgenden vgl. auch unten D I V 4.

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Kollisionsnormen) u n d insoweit i n methodischer Hinsicht meist unproblematisch: man k o m m t m i t dem üblichen Auslegungsinstrumentarium aus. Die „normalen" gesetzlichen Kollisionsnormen hingegen bilden ζ. B. i n der Bundesrepublik Deutschland eine Sammlung von (teils allseitig gedachten, später zu einseitigen verstümmelten) Rechtsanwendungsnormen allgemeinster A r t , die große Bereiche (etwa das gesamte Erbrecht, das „Ehegüterrecht") erfassen u n d eine schematische A n k n ü p f u n g aufgrund pauschaler Interessenbewertung enthalten; weite Gebiete bleiben v ö l l i g ungeregelt. Von einem „gesetzlichen System", geschweige denn einer abschließenden Kodifikation, k a n n nicht die Rede sein; m i t u n t e r w i r d das I P R insgesamt — w e n n auch zu Unrecht — als „systemfrei" bezeichnet 597 . I n anderen Staaten ist es k a u m anders 5 9 8 . Die gesetzlichen Bestimmungen i m I P R können schon wegen der „äußerlich bedingten Offenheit" des internationalen Kollisionsrechts nicht abschließend gemeint sein, da jede mögliche Sachnorm gar nicht von vornherein berücksichtigt werden konnte u n d die aus dem deutschen Sachrecht entliehenen „Bündelungsbegriffe" auf die Nuancen ausländischer Rechte nicht abgestimmt sind 5 9 9 . Das IPR, das m i t allen Rechten der Welt zu t u n hat u n d damit eine unvergleichlich größere Vielfalt von Sachverhalten umfaßt als die nationalen Sachrechte, bildet hinsichtlich der Z a h l seiner gesetzlichen Bestimmungen diesen gegenüber n u r einen verschwindenden Bruchteil, u n d seine Vorschriften sind derart w e i t gefaßt, daß manche ihnen den Charakter als Rechtsnormen überhaupt absprechen w o l l e n u n d hier n u r „Leitsätze" sehen 600 . N u n handelt es sich zwar u m Rechtsnormen, doch u m solche, bei denen eine Konkretisierung, Eingrenzung u n d Ergänzung durch „freiere" Rechtsfindung von vornherein programmiert ist, ähnlich w i e bei Generalklauseln 6 0 1 . Das System des IPR k a n n man somit weitgehend als ein „richterrechtliches" 6 0 2 bezeichnen — was freilich nicht so zu verstehen 597 So z.B. Esser, Vorverst. 156; Sturm, Scheid. 70 Fn. 41; Raape / Sturm, IPR 22. Indessen gibt es insoweit bloß k e i n (vollständiges) gesetzliches System. 598 Wo man sich heute u m eine eingehendere gesetzliche Regelung bemüht, macht m a n — häufig i m Gesetz selbst — klar, daß es sich gleichwohl u m keine „abschließende" K o d i f i k a t i o n handeln soll (ζ. Β . § 1 öst. IPR-Gesetz v. 15.6.1978; A r t . 14, 18 Schweiz. E n t w u r f v. 1978; hierzu auch unten T. 4 C I I I 6). 599 Vgl. oben D I I zu Fn. 559 - 565. 600 So Neuner, Sinn 132. Ä h n l i c h Vischer, K o d i f i k . 74 („nur prima-facieBedeutung"). 601 S. auch unten D I V 4. 602 Oft w i r d davon gesprochen, die Normen des IPR seien „gewohnheitsrechtlich" (so ζ. B. Fikentscher, Meth. I I I 697). Bei den strengen Voraussetzungen, die an echtes „Gewohnheitsrecht" zu stellen sind (vgl. ζ. B. Larenz, Meth. L. 425; auch Fikentscher, Meth. I I I 698 f.) w i r d dies indessen n u r selten der F a l l sein, schon w e i l das I P R mangels Fallhäufigkeit k a u m durchgehend die erforderliche „konstante Übung" aufweisen kann, i n der sich „die allgemeine Rechtsüberzeugung manifestiert". A m ehesten kann man noch davon sprechen, daß die Grundentscheidung, die meisten unserer „einseitig" f o r m u lierten IPR-Vorschriften „allseitig auszubauen", gewohnheitsrechtlich begründet ist — w e n n man von der tiefen Bresche einmal absieht, die das Erfordernis gleichheitssatzkonformer A n k n ü p f u n g auch i n diesen Bereich geschlagen hat. Bereits die Konkretisierung der „ausgebauten" Bestimmungen w a r indessen seit je eine Domäne des „Richterrechts". — Z u r heutigen

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T e i l 2: Die R e - K o n s t r u k t i o n des klassischen IPR-Modells

ist, als seien diese ergänzenden Rechtssätze generell von den Gerichten erst entwickelt worden 6 0 3 . V o m Ursprung an ist j a der Fortschritt des K o l l i sionsrechts vor allem m i t den Namen von Gelehrtenpersönlichkeiten v e r bunden gewesen, u n d auch heute ist vieles, was i m I P R gilt, die Frucht eingehender wissenschaftlicher Diskussion. Z u m Bestandteil des „geltenden" Rechtssystems werden solche i n der Theorie herausgebildeten Sätze aber gewöhnlich erst m i t ihrer Übernahme i n die Judikatur, w e i l sie erst dann an der (wenn auch i m einzelnen umstrittenen) A u t o r i t ä t des „Richterrechts" teilhaben; von daher rechtfertigt es sich, sie — unabhängig von der geistigen Urheberschaft — auf diese Weise zu charakterisieren. Aber auch i n solcher Zusammensetzung bleibt das IPR-System schon wegen der erwähnten Fremdrechtsbezogenheit naturnotwendig „unvollendet" u n d w i r d (allein infolge des geringeren Entscheidungsmaterials) i m Vergleich zu Sachrechtsordnungen stets v i e l weniger durchgeformt sein. Selbst w e n n m a n f ü r das Sachrecht also an der Vorstellung festhielte, es handele sich u m ein durch „sichere" gesetzliche Rechtssätze geregeltes Gebiet m i t einzelnen „richterrechtlich" zu ergänzenden Lücken, müßte m a n doch i m IPR das B i l d umkehren: Die Domäne „freier" oder „ w e i t e r bildender" Rechtsentwicklung (die „Lücke") erfaßt grundsätzlich das ganze Gebiet, ist lediglich durchsetzt m i t einzelnen Kernbereichen von vornherein „sicherer" gesetzlicher Rechtssätze. Wenn es sich i m I P R aber vornehmlich u m die A n w e n d u n g u n d Weiterentwicklung von (im soeben dargestellten Sinn verstandenem) „Richterrecht" — bzw. durch „Richterrecht" erst k o n kretisierter oder zu konkretisierender ungenügend ausgeformter Gesetzesbestimmungen — handelt, eine mögliche S p e r r w i r k u n g kodifizierten Gesetzesrechts also weitgehend k a u m i n Frage kommt, dann w i r d m a n die oben skizzierten Grundsätze für das System des internationalen Privatrechts 604 auf jeden Fall zu akzeptieren habenβ05, gleich ob m a n ihre A l l gemeingültigkeit (für jedes Rechtsgebiet) anerkennt oder nicht.

Gerade auch für das IPR gilt also 606 , daß das „Finden", u. U. die „Entwicklung" der richtigen (Kollisions-)Norm und deren Anwendung auf den Sachverhalt, nachdem dessen kollisionsrechtlich relevanten Teile festgestellt sind, kein Vorgang von glattem, geradlinigem Verlauf ist. Auch hier treten die möglichen „Ergebnisse" — nämlich die Sicht des Verhältnisses Richterrecht/Gewohnheitsrecht (die eindeutig zu Lasten des letzteren geht) vgl. noch Coing , Rechtsphil. 130 f.; Lüderitz, Anon. Rieht. 336, 344 f.; Fikentscher, Meth. I I I 697-700. — Vgl. auch unten D I V 4. 603 Gegen eine leichtfertige Ausdehnung des Begriffs „Richterrecht" verw a h r t sich Zöllner, R. u. Pol. 133. 604 U n d entsprechend anderer Kollisionsrechte (vgl. oben A I Fn. 22, A l l nach Fn. 55). 605 Vgl. auch Gutzwiller, Ziel 170, u n d insbesondere die Bemerkung von Rabel, Qual 263: „Die schöpferische Auslegung vermischt sich hier w e i t h i n m i t der Neugestaltung . . . So eröffnet sich der Auslegungskunst gerade i m internationalen Privatrecht i n wenig strengen Grenzen dieselbe Aufgabe w i e die Erfindung neuen Rechts." Auch Canaris, Syst. 150, 154, r ä u m t ein, daß die von i h m sonst eher m i t A r g w o h n betrachtete Topik i m I P R „eine w e i t größere Rolle spielt als ζ. B. i m Bürgerlichen Recht". S. auch oben D I I Fn. 566. 606 Vgl. oben zu Fn. 579 - 587.

D. Die Weiterentwicklung des räumlichen Kollisionsrechts

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Anwendung oder Nichtanwendung des einen oder anderen Sachrechts — schon gleich zu Anfang i n den Gesichtskreis des Richters, sind verbunden m i t seinem „Vorverständnis". Das bedeutet nicht etwa, daß ohne weiteres der sachliche Gerechtigkeitsgehalt der „ i n Betracht kommenden" materiellen Normen verglichen w ü r d e 6 0 7 ; nicht die Ergebnisse der sachrechtlichen Normanwendung werden vorgreif lieh „probeweise" verglichen — was zum Prinzip des „besseren" Rechts führen w ü r d e 6 0 8 —, sondern die Ergebnisse der kollisionsrechtlichen Normanwendung, also die Anwendung der einen oder anderen Sachrechtsordnung 609 als solche. Diese muß die Kontrolle der Vernünftigkeit, der Sachgemäßheit, der „Einsehbarkeit" passieren. Auch hier gilt, daß dann, wenn die Anwendung einer an sich „richtigen" Norm (welchen Ursprungs auch immer) zu einem „unvernünftigen", „unbefriedigenden" Ergebnis führt, eben diese Norm nicht richtig „angewandt", nicht richtig aufbereitet worden ist 6 1 0 . Auch hier erfolgt die „Plausibilitäts"-Kontrolle durch neben das systematisch-dogmatische Denken tretendes „topisches" Problemdenken. Die „topoi" sind i n den zu wertenden „kollisionsrechtlichen Interessen" (im umfassenden Sinn) wiederzufinden, deren Zahl offen ist, die zwar i n gewissem Maße katalogisierbar, die aber nicht dogmatisierbar sind (das sind erst die Ergebnisse der Wertungen). Eine besondere Rolle spielt hierbei die immer neue Überprüfung der Bündelungen, die das Problem der Qualifikation ausmacht 611 . I n der Praxis w i r d den A n stoß zu einem solchen „Zurückholen i n den vorpositiven Bereich" stets das Rechtsgefühl des Richters, sein „Judiz", geben, das das konkrete „versuchsweise" Ergebnis als unbefriedigend empfindet; es ist das erste Indiz dafür, daß die Anwendung der Kollisionsnorm hier nicht zu einem „vernünftigen" Ergebnis führt und darum eben „falsch" ist. Das Auffinden der angemessenen Norm — durch Abweichung von einer gegebenen Norm, durch anderweitige „Bündelung", durch Neuschöpfung — erfolgt dann i m Wege „topischer" Problemlösung (die etwas anderes ist als „Rechtsgefühl", nämlich rational, nur nicht doktrinär), d. h. durch Ermitteln, Werten und Abwägen der „kollisionsrechtlichen 607

Ausnahmen: unten D I V 5. Hierzu unten T. 4 C I I 7. 609 Die Verweisung auf fremdes Koüisionsrecht bleibt hier — der einfacheren Darstellung halber — w e i t e r h i n unberücksichtigt. Der Vorgang ist insow e i t strukturell gleich. 610 Vgl. allgemein Esser, Grds. 263, 298; ders., Vorverst. 41, 66; auch Kriele, Theorie 169. F ü r das IPR i m Prinzip Neuner, Sinn 131 - 133. — W i r müssen daher Reese, Rules 322, 334, entschieden widersprechen, der ungerechte E r gebnisse i n Einzelfällen m i t der lapidaren Begründung hinnehmen w i l l : „Good rules . . . have their price". 611 Unten T. 3 Β 11. 608

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T e i l 2: Die Re-Konstruktion des klassischen IPR-Modells

Interessen" unter gleichzeitiger Berücksichtigung der Systemverträglichkeit; denn die neue Lösung soll, wenn sie sich bewährt, ihrerseits i n das System integriert werden. Überall, wo besondere Kollisionsnormen für bestimmte Fallkonstellationen von den allgemeinen allseitigen Normen abweichen, zeigt sich, daß das Ergebnis der Anwendung dieser allgemeinen Kollisionsnormen die „Vernünftigkeitskontrolle" nicht mehr passiert hätte. Das wäre etwa der Fall, wenn man eine „res i n transitu" dem Recht ihres jeweiligen (zufälligen) Lageorts unterwürfe, wenn man sich i n einem Bus prügelnde Mitglieder einer Reisegesellschaft, die einen Ausflug über die Grenze macht, nach dem dortigen „Tatort"-Recht behandelte; wenn man politische Flüchtlinge m i t ihrem Personalstatut an das Recht des „Heimat"-staates ankettete, um nur einige Beispiele zu nennen 6 1 2 . I n anderen Fällen genügt es, Tatbestandsmerkmale der allseitigen Normen, insbesondere die „Bündelungsbegriffe" entsprechend „auszulegen" und so zu Verschiebungen zu kommen, so etwa wenn man § 1371 Abs. 1 BGB und z. T. § 1931 Abs. 4 n. F. BGB nicht als erbrechtlich, sondern als güterrechtlich „qualifiziert" (str.) 613 . Stets führt eine „topische" Ermittlung und wertender Vergleich der i n der vorhandenen Norm verarbeiteten m i t den i n concreto festgestellten, „vernünftigerweise" zu berücksichtigenden kollisionsrechtlichen Interessen zu der entsprechenden Rechtsfortbildung 614 . I V . Maximen und Mittel der Weiterentwicklung 1.

Interessenbewertung

W i r haben gesehen, daß die wesentlichen Instrumente sowohl des Verständnisses wie auch der Weiter- und Neuentwicklung von K o l l i sionsnormen die „kollisionsrechtlichen Interessen" 6 1 5 sind 6 1 6 , „Interessen" hier nicht eng verstanden als konkrete „Begehrungsvorstellungen", sondern weit, als die hinter einer Rechtsnorm stehenden, teils parallelen, teils gegensätzlichen, sich gegenseitig verstärkenden oder dämpfenden abstrakten gesellschaftlichen „Kräfte", sozusagen die „Vektoren" der Rechtsbildung 617. Von „Interessen" kann man gleich612

Vgl. auch unten D I V 4. Vgl. Soergel / Kegel, EGBGB, A r t . 15 Rdn. 9. 814 Francescakis, Préc. 10, beschränkt diesen Vorgang offenbar auf die „autolimitierten" Sachnormen der lex fori, jedoch zu Unrecht. 815 Vgl. Kegel, I P R 53 - 67 m. Nachw. 53 f. 818 Es ist auch von „rechtspolitischen Gesichtspunkten", „Prinzipien", „ M a x i m e n " u. ä. die Rede. Vgl. etwa Braga , Kodif. 440-448; Neuhaus, Grdbegr. 160- 170; Wengler, Gen. Princ. Die Interessen u n d ihre Bewertung sollten aber stets auseinandergehalten werden. 813

D. Die Weiterentwicklung des räumlichen Kollisionsrechts

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wohl sprechen; denn i m Recht geschieht nichts, wenn es nicht wenigstens von irgendwelchen Personen oder auch nur generellen Personenkategorien — wie etwa der „Allgemeinheit" — tatsächlich oder hypothetisch „begehrt" wird, d. h. wenn diesen nicht die Durchsetzung einer bestimmten Regelung eher wünschenswert erscheint (erscheinen „muß") als die Nichtdurchsetzung 618 . Diese „Interessen" werden nun nicht konkret ermittelt (das wäre i n den meisten Fällen auch gar nicht möglich, weil sie von den betreffenden Personen entweder überhaupt nicht oder nicht einheitlich artikuliert würden), sie werden abstrakt, praesumtiv und generalisierend festgestellt. Es w i r d etwa angenommen, daß das Parteiinteresse des Erblassers dazu führt, die Erbfolge i n seinen Nachlaß seinem „Personalstatut" zu unterstellen und hierfür sein Heimatrecht zu wählen. Oder es w i r d davon ausgegangen, daß es i m „Interesse des Rechtsverkehrs" — also aller am konkreten rechtlichen Geschehen tatsächlich oder potentiell Beteiligten — liegt, die rechtlichen Verhältnisse einer Sache dem am Lageort geltenden Recht zu unterstellen, weil sich der Rechtsverkehr i m allgemeinen (!) nahe der Sache verwirklicht. Die Feststellung der Interessen bedeutet freilich für sich allein noch gar nichts. Bevor rechtliche Schlüsse daraus gezogen werden können, müssen sie bewertet werden 6 1 9 . Ihnen w i r d unter Anwendung der von der Gesellschaft praesumtiv anerkannten „einsehbaren" Wertgrundsätze eine mehr oder weniger gewichtige Bedeutung für den Vorgang der Rechtsfindung zugemessen. Auch das Argument von der „Natur der Sache" 620 zielt auf diesen Feststellungs- und Wertungskonsens. Die i n solcher Weise unterschiedlich bewerteten Interessen werden, wo sie einander widerstreiten, gegeneinander abgewogen; das Resultat des Abwägens bestimmt schließlich das rechtliche Ergebnis. So gesehen 617 Dabei bestimmen — u m das B i l d zu vervollständigen — die eigentlichen Interessen die „Richtung", ihre Bewertung hingegen die „Größe", nämlich die Stärke des Einflusses bei der resultierenden Rechtsfindung. 618 Oben A V 2, Fn. 205. — Bei diesen Interessen der Allgemeinheit — etwa den „Ordnungsinteressen" i n der Einteilung Kegels (oben A V 2 zu Fn. 207) — handelt es sich gleichwohl u m „Interessen" u n d nicht nur u m Bewertungsmaßstäbe, auch w e n n diese Interessen auf V e r w i r k l i c h u n g solcher Werte gerichtet sind, die auch bei der Abwägung beteiligt sind (zweifelnd ζ. B. Henkel, Rechtsphil. 318 f.). Wenn nämlich bei der Beurteilung eines konkreten Falles einmal „Parteiinteressen" hinter „Ordnungsgesichtspunkten" zurückzustehen haben, dann k a n n dies n u r bedeuten, daß auch Ordnungs„interessen" existieren, welche i n casu höher bewertet werden und sich darum durchsetzen. Was „be"-wertet w i r d , muß nämlich (als Gegenstand der Wertung) erst einmal da sein. Es wäre eine wenig plausible Vorstellung, den vorhandenen Parteiinteressen die Anerkennung zu versagen, ohne die Existenz schwererwiegender entgegengesetzter Interessen anzunehmen, die die ersteren „verdrängen"; denn sonst kämen w i r zu einer Entscheidung, die von keinem „Interesse" getragen wäre! 619 Vgl. Coing , Rechtsphil. 270; Henkel, Rechtsphil. 314. 620 ν. Bar, Theorie 106, 107, 113, 117 u n d passim.

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T e i l 2: Die R e - K o n s t r u k t i o n des klassischen IPR-Modells

sind Interessen- und Wertungsjurisprudenz kein Gegensatz, sondern bezeichnen zwei verschiedene Phasen ein- und desselben Vorgangs. Das Spektrum dieser möglicherweise zu berücksichtigenden kollisionsrechtlichen Interessen ist breit und ohne definierbare Grenzen. Es kann dazu die Erfüllung allgemeiner Erwartungshaltungen gehören, etwa bei der Anknüpfung des Deliktsstatuts an den Tatort aus „Verkehrsinteressen" die Vorstellung, daß der Gast sich eher seiner Umgebung anzupassen habe als umgekehrt. Aus der Systematisierung der gefundenen Entscheidungen selbst können sich i m Wege einer A r t „Rückkopplung" neue Interessen ergeben. Hierzu gehören die Ordnungs- und Verkehrsinteressen an möglicher Homogenität und Kontinuität der Entscheidungen innerhalb eines bestimmten Sachgebiets: solche am Festhalten an einmal aufgestellten Normen (Normbündelungen), auf die noch zurückzukommen ist 6 2 1 , und solche an möglichst einheitlichen Anknüpfungen innerhalb eines Statuts, die der „dépeçage" entgegenwirken, solange es geht 6 2 2 , und die i n der Lage sind, bis zu einem bestimmten Grad anderweitige kollisionsrechtliche Interessen zu überlagern und zurückzudrängen; Folge ist die Möglichkeit weitgehender systematischer Durchstrukturierung durch „vertikale" Bündelungen. Das kann auch dazu führen, daß je nach Sachzusammenhang verschiedene Anknüpfungen (verschiedene und verschieden gebündelte Element-Kollisionsnormen) für ein und dieselbe Sachrechtsfrage existieren, wobei die „spezielle" die „allgemeine" verdrängen kann, wenn und soweit i m Rahmen eines besonderen „Statuts" eigene Regeln existieren und von uns berufen werden (ζ. B. bei den namensrechtlichen Folgen einer Adoption) 6 2 3 ; es sind auch „Verknüpfungen von Anknüpfungen" kumulativer oder alternativer A r t möglich (ähnliches w i r d für den Ehenamen vertreten) 6 2 4 . Ferner ist das Interesse zu erwähnen, für 621

Unten D I V 4. Das w i r d freilich n u r i n bestimmten Grenzen möglich sein. Sollte sich aus dem — auf berechtigten kollisionsrechtlichen Interessenunterschieden beruhenden — Zusammenspiel von Teilen verschiedener Rechtsordnungen ein neues rechtliches Gesamtbild des konkreten Falles ergeben, so ist dies Folge der „ I n t e r n a t i o n a l i t ä t " des Sachverhalts, u n d zwar ohne daß besondere „Sachnormen i m I P R " nötig wären. Notfalls sind die Teile aneinander anzupassen (vgl. unten T. 3 Β I I I ) . W i r vermögen hierin nicht ein solches Unglück zu sehen w i e etwa Serick, Sonderankn., oder Schwind, Zerspl. 623 Nämlich: Wenn es i m Rahmen der Bündelung „Adoptionsstatut" adoptionsrechtliche Vorschriften über die Vornamenserteilung gibt, so sind n u r diese heranzuziehen; gibt es sie nicht, so sind die allgemeinen Vorschriften i m Rahmen der Bündelung „Namensstatut" berufen; näher Schurig, A n m . β24 N u r daß h i e r über das Wahlrecht der Frau noch zusätzlich ein Stück Parteiautonomie eingebaut ist. Vgl. BGH (12. 5.1971) Ζ 56, 193 (199 - 204) u n d BGH (16.10.1974) Ζ 63, 107 (109 f., 113 f.) — i m Anschluß an Wengler. K r i t i s c h hierzu Raape I Sturm, I P R 267 f., 280 f.; Kegel, I P R 363; Lüderitz, Ankn. 36 f. Weitere Nachweise bei Schwind, Hdb. 124 f. Fn. 81. — Z u r Anknüpfungshäufung allgemein unten D I V 5. 622

D. Die Weiterentwicklung des räumlichen Kollisionsrechts

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jeden regelungsbedürftigen Sachverhalt eine anzuwendende Regelung zu finden, das i n der Lage ist, eine i m Ergebnis schwache „Interessenbilanz" bis zur „Anknüpfung" zu verstärken. Es kommt somit bei jedem Sachverhalt auf die kollisionsrechtlichen Interessen an, entweder für die Überprüfung der „Richtigkeit" positiv „vorhandener" Kollisionsnormen bezüglich des zu entscheidenden Falles — wobei diese Überprüfung i n den „glatten", den „selbstverständlichen" Fällen durchaus unbewußt bleiben kann — oder aber für die sinnvolle Weiterentwicklung, die Bildung neuer, „sachgerechter" A n knüpfungen (sei es als „primäre" Neubildungen, sei es als „Anpassung" veralteter oder Differenzierung zu pauschaler positiver Normen) 6 2 5 . Diese Prüfung besteht darin, daß für alle Sachrechtsnormen, deren Anwendung „ i n Betracht" kommen kann 6 2 6 , festgestellt wird, welche Interessen für und welche gegen ihre Anwendung (nicht ihr sachliches Ergebnis!) sprechen. Dabei ist das Prüfungsfeld „topisch" unbegrenzt; eine mögliche Katalogisierung der Interessen — das sei nochmals betont — kann nur nachträglich konstatieren, niemals aber i m voraus Grenzen setzen. Obwohl es hier stets um die auf die Anwendung als solche zielenden „kollisionsrechtlichen" Interessen geht, nicht u m die i n den jeweiligen Sachnormen unmittelbar verarbeiteten „Sach"-Interessen, könnte der — wenn auch nur rein „arbeitstechnische" — Vorgriff auf die „möglicherweise anwendbaren" Rechte auf der Basis des „klassischen" IPR stutzig machen, handelte es sich nicht bloß u m eine Spielart des jeder Rechtsanwendung innewohnenden methodischen Vorgriffs, u m die „antizipierte, wenn auch korrekturbedürftige Lösungsidee" i m Sinne von Esser 627. Daß derjenige, der Kollisionsnormen anwendet, blind einen i h m vorgeschriebenen Weg einzuschlagen habe, ohne zu wissen, was i h n am Ende erwartet, ja, ohne sich dafür überhaupt interessieren zu dürfen, ist ein ebensolches „Mißverständnis" wie die Annahme einer uninteressierten rein „kausalen" Subsumtion i m materiellen Bereich 6 2 8 . Es ist nichts als eine verkrampfte Fiktion, zu Beginn der kollisionsrechtlichen Überlegung zu tun, als existiere das dann „berufene" Recht noch gar nicht. Die Wirklichkeit ist auch ganz anders, wie sich wieder besonders bei der Qualifikation zeigt 6 2 9 . Wie w i l l man auch entscheiden, 625

Über diese Vorgänge näher unten D I V 4. Dies ist etwas anderes, als w e n n man unter den „ i n Betracht kommenden" Rechten das „bessere" auswählt. I m letzteren F a l l sind diese Rechte nämlich bereits gemeinsam „berufen" (vgl. unten T. 4 C I I 7) u n d bilden das M a t e r i a l f ü r die „ A u s w a h l " . I m hier beschriebenen Verfahren befindet m a n sich hingegen n o d i i m „Versuchsstadium" der Kollisionsnorm-„Anprobung". 627 Esser, Vorverst. 12, 132. S. auch oben D I I I . 628 Ebd. 69, 72, s. auch oben D I I I . 629 Vgl. näher unten T. 3 Β 11. 629

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T e i l 2: Die R e - K o n s t r u k t i o n des klassischen IPR-Modells

ob irgendeine ausländische Regelung über die Beteiligung des überlebenden Ehegatten am Vermögen des anderen als „güterrechtlich" oder „erbrechtlich" zu beurteilen und damit anzuwenden oder aber nicht anzuwenden ist, ohne ihren „Inhalt" zu betrachten, also ohne die hypothetischen Ergebnisse — nämlich die Anwendung oder Nichtanwendung gerade dieser Regelung — „vorweg" einer Überprüfung zu unterziehen 630 ? 2. Autonomismus

und Universalismus

Zwei Gegensatzpaare sind verantwortlich für die meisten Grundsatzdivergenzen i n der internationalprivatrechtlichen Diskussion. Sie sind auch von Bedeutung für die Weiterentwicklung des internationalprivatrechtlichen Systems. Eines davon w i r d gebildet durch die alten Antipoden Autonomismus und Universalismus 631. Ist auch der Streit u m die wahre Quelle des internationalen Privatrechts i m Sinne des Autonomismus zugunsten des staatlichen Rechts entschieden, so schwelt doch der alte Gegensatz verborgen weiter i n der Diskussion u m die wahre Funktion des internationalen Privatrechts. Hier kann man auch heute noch sowohl einer mehr autonomistischen wie auch einer mehr universalistischen Grundhaltung begegnen — und vielen Nuancen dazwischen 632 . Derselbe Gegensatz findet sich sogar bei den amerikanischen Neuerern, wie etwa die Auseinandersetzung zwischen Ehrenzweig und Currie erkennen läßt 6 3 3 . Für die universalistische Grundtendenz ist die „Staatlichkeit" des internationalen Privatrechts ein notwendiges Übel, eine mangelhafte, aber unumgängliche Ersatzlösung für ein „eigentlich" erforderliches, w i r k l i c h universales Kollisionsrecht, dessen übergeordnete Normen den Rechtsordnungen aller Staaten ihre „Zuständigkeit" zuweisen. Da ein solches „Überrecht" nicht existiert, hat jeder einzelne Staat so zu handeln, als ob er dieser „höhere" Rechtssetzer wäre. Er hat von sich aus eine „Zuständigkeitsordnung" aufzustellen und zwar nach „übergeordneten" Gesichtspunkten. Dabei handelt es sich stets u m die Lö630 Ganz ähnliche „Qualifikations"-fragen tauchen übrigens auf, w e n n es gilt, i m internen Recht die Reichweite materieller Regelungen anhand von Begriffen festzustellen, vgl. Esser, Vorverst. 43. 631 Z u dieser Bezeichnung oben Β I V am Anfang. 632 v g l . oben Β I V zu Fn. 318, 319. Eine Form des Kompromisses ist die Betonung naturrechtlicher Elemente i m IPR unter prinzipieller Anerkennung des „positiven" Charakters, etwa bei Francescakis, Dr. nat. (vgl. insbes. 134 Fn. 49, wo auch Verbindungen zu Frankenstein u n d Zitelmann hergestellt werden, ferner 149 - 152). Die Folge ist dann, daß man dem „universalistischen" IPR-System ein „autonomistisches" („positivistisches") A l t e r n a t i v system gegenüberstellt, w i e es Francescakis m i t seinen „lois d'application immédiate" versucht; hierzu T. 1 C I I I 2, T. 4 C I I I 2. 633

Vgl. unten T. 4 C I I 3 u n d C I I I 1.

D. Die Weiterentwicklung des räumlichen Kollisionsrechts

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sung von „Souveränitätskonflikten" 634 , die jeder Staat — i n Erfüllung einer A r t unerzwingbarer „Naturalobligation" — auf eigene Rechnung zu betreiben hat (so der „Positivist" Bartin, der sich damit — anders übrigens als Kahn — durchaus nicht als frei von universalistischen Tendenzen erweist) 6 3 5 . Da hier nur das staatliche Recht an die Stelle des „fehlenden" Überrechts t r i t t 6 3 6 , kann man insoweit von einem stellvertretenden Universalismus sprechen. Die Auswirkungen dieser Grundhaltung können unterschiedlich sein. Die weitestgehende Konsequenz ist die, daß es bei der kollisionsrechtlichen Entscheidung u m Abwägung der etwaigen „Rechtsanwendungsansprüche" verschiedener Staaten geht, bei der dem IPR sozusagen die Rolle des „Schiedsrichters" zukommt. Diese Vorstellung war es auch, die Currie noch weitergehen ließ, indem er die Gerichte auf die Feststellung jener „governmental interests" und die Anwendung einiger simpler Regeln über den Primat der Interessen des Forumstaates festzulegen suchte, u m ihnen gerade die Schiedsrichteraufgabe zu entziehen, die seiner Ansicht nach eine politische und keine juristische ist. Überhaupt basieren die unilateralistischen Vorschläge — und nach seinen charakteristischen Zügen gehört auch der von Currie dazu — zumeist auf dieser universalistischen Grundidee der notwendigen Schiedsrichterfunktion zwischen verschiedenen Staaten, indem sie nämlich gerade versuchen, diese auf ein M i n i m u m zu beschränken und dem „Rechtsanwendungswillen" der anderen Staaten möglichst weit entgegenzukommen 637 . Dieselbe „stellvertretend" universalistische Tendenz steht hinter den Auffassungen, die i n der internationalen Ordnungsaufgabe des internationalen Privatrechts seine, wenn nicht einzige, so doch oberste Funk634 Vgl. z.B. Graulich, Règles 630, 637; Schnorr v. Carolsfeld, Adressat 580, 590. Die letzte Konsequenz ist die verquere „Hauptfrage des I P R " , die Etter, Souv. 86, stellt (dazu oben A I I I 1 Fn. 106). 635 Vgl. oben Β I V zu Fn. 335. 636 Diese Betrachtungsweise geht zurück auf Anzilotti (über i h n de Nova, Trends 810-812, 810: I P R ist „,Ersatz 4 international law") u n d w i r d besonders deutlich i n der Lehre von der „funktionellen Verdoppelung" (oben A I I I 1 Fn. 65), schwingt aber auch sonst mit, w e n n von der „Zwiespältigkeit" des IPR die Rede ist (oben A I I I 1 Fn. 71). 637 So gelangt Quadri zu seinem unilateralistischen System, w e i l er das allseitige System f ü r notwendig einem „hohlen Supranationalismus" v e r schrieben sieht, gegen den zu kämpfen auch die „sogenannten nationalistischen Autoren . . . nicht den M u t gehabt" haben; Lez. 279 ( = Übers. 258 f.). Dieser „Anmaßung" w i l l er aus dem Wege gehen. — Bucher, Grundfragen 216, sieht als allgemeines Ziel des IPR (nicht konkreter Staatsverträge!) die „sozialpolitisch motivierte" „internationale Koordination der Rechtsanwendungsansprüche" — ein neuer T r a u m v o m universalistischen „Superlaw"? — Auch die — jedenfalls i m Ansatz — unilateralistische „Sonderanknüpfungslehre" (dazu T. 1 C I I I 3, T. 4 C I I I 3) w i r d ζ. T. auf universalistische Ideen gestützt, vgl. ζ. B. Neumayer, Auton. 77 f.

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tion sehen, für die der Sinn des IPR zuallererst darin liegt, möglichst einheitliche Entscheidungen über denselben Sachverhalt zu erreichen, gleich i n welchem Staat über i h n entschieden wird, für die also die Gewährleistung des „äußeren Entscheidungseinklangs vorrangiges Ziel des internationalen Privatrechts sein muß 6 3 8 . Auch das setzt eine möglichst „allgemeingültige" saubere Abgrenzung der Zuständigkeitsbereiche aller Staaten voraus. Freilich sind, da es sich hier nur um verschiedene „Tendenzen" handelt, die Auswirkungen fließend. Eine gewisse Neigung zu universalistischer Denkweise ist mitunter daran zu erkennen, daß generell dem „äußeren Entscheidungseinklang" Vorrang vor dem „inneren Entscheidungseinklang" eingeräumt wird, etwa bei der Problematik der Vorfrage. Auch die Vorstellung, der Staat, dessen IPR einen Sachverhalt einem fremden Recht zur Entscheidung „zuweist", sei daran eben „uninteressiert", hat m i t dieser Grundhaltung zu tun, ebenso wie die Befürchtung, w i r würden i n fremde Souveränitäten eingreifen, wenn w i r die Anwendung fremden Rechts am deutschen ordre public (oder an den Grundrechten) scheitern lassen 639 . Demgegenüber nimmt die autonomistische Grundhaltung den staatlichen Charakter des Kollisionsrechts nicht nur w i d e r w i l l i g hin, sondern akzeptiert m i t i h m die damit verbundene rechtspolitische Bewegungsfreiheit. Nur sie ermöglicht, die Aufgabe des IPR als das zu sehen, was sie ist: als Teil des Bemühens u m die gerechte Entscheidung zivilrechtlicher Sachverhalte. Nur sie ermöglicht es, bei der Rechtsfindung das ganze Spektrum der kollisionsrechtlichen Interessen zu berücksichtigen und damit erst das zu verwirklichen, was man „internationalprivatrechtliche Gerechtigkeit" nennen kann. Nur sie ist die konsequente A n t w o r t auf die Staatlichkeit des Kollisionsrechts. Denn wenn (und solange) 640 es keine übergeordneten Normen gibt, hat es wenig Zweck, 638

I n diesem Sinne etwa Henrich, Grd. R. 7 f.; Eckstein, K o l l . R. 125, 142; Schwind, Zerspl. 465; Zweigert, D r i t t e Sch. 51 (zurückhaltender: A r m u t 436); Landò, Meth. 31 (aufgrund rechtspolitischer Entscheidung, nicht a priori). Auch für Wiethölter gehörte zunächst (Eins. K N . 120) der äußere Entscheidungseinklang „ a n die Spitze aller Interessen". Vielleicht liegt hier einer der Gründe f ü r seine spätere kritische Einstellung gegenüber dem klassischen IPR. Gegen Überbetonung der „Entscheidungsharmonie" Gutzwiller, Ziel 161-163; Kegel, Betr. I n t . Jur. 277 („übertrieben"); ders., Crisis 188; Lüderitz, Grd. ges. 35; Gamillscheg, I n t . Zust. 30 f. Ehrenzweig bezeichnet den „ E n t scheidungseinklang" somit nicht ganz zu Unrecht als „überrechtlich", W i r k l . 263. Meist bestehen aber auch Parteiinteressen am äußeren Entscheidungseinklang, darauf verweist zu Recht Batiffol, App. 213. 639 Unten T. 3 Β V I I . 640 Staatsvertragliche Regelungen bleiben natürlich vorbehalten, unten Fn. 642. — Eine universelle überstaatliche „Zuständigkeits"-ordnung indessen hält ζ. B. Schwind, Hdb. 22, nicht einmal f ü r wünschenswert. Das ist sicherlich solange richtig, w i e n o d i schwerwiegende nationale Unterschiede i n der kollisionsrechtlichen Interessenbewertung bestehen, die gewaltsam u n terdrückt würden.

D. Die Weiterentwicklung des räumlichen Kollisionsrechts

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wenn sich jeder einzelne Staat so geriert, als gäbe es sie 6 4 1 . Er kann gar nicht als Schiedsrichter fungieren, er kann sich nur darum bemühen, seinerseits gerecht zu entscheiden, und hoffen, daß die anderen Staaten möglicherweise seine Entscheidungen wegen ihrer Qualität zum Vorbild nehmen. Es hat keinen Sinn, sich vorzeitig die Hände zu binden, sich wegen einer angemaßten „Schiedsrichterfunktion" den Blick auf alle „topoi" des Falles zu verstellen. Die sinnvolle und notwendige Weiterentwicklung des internationalen Privatrechts setzt somit eine autonomistische Grundhaltung voraus; sie ermöglicht, das ganze Feld der beteiligten Interessen zu sichten und im Bewußtsein der eigenen Verantwortung das Normensystem weiterzuentwickeln 6 4 2 . Dabei werden Gedanken, die m i t der universalistischen Tendenz verbunden sind, keineswegs insgesamt von vornherein verworfen; abgelehnt w i r d lediglich ihre Isolierung. Als Interessen sind sie selbstverständlich (mit) zu berücksichtigen. Der äußere Entscheidungseinklang etwa — i m Sinne einer internationalen Ordnung — kann von großer Bedeutung auch für die beteiligten Personen sein. Er ist i n die Interessenwertung einzubeziehen, jedoch als ein Faktor unter anderen. Wo andere Interessen gewichtiger erscheinen, muß der Staat berechtigt sein, i h n zurückzudrängen; das w i r d i m allgemeinen schon dann der Fall sein, wenn der „innere" Entscheidungseinklang auf dem Spiel steht: M i t einer anderen Beurteilung jenseits der Grenzen können w i r uns eher abfinden als m i t einer unterschiedlichen vom jeweiligen Sachzusammenhang abhängigen Beurteilung desselben „Rechtsverhältnisses" bei uns. Der äußere Entscheidungseinklang kann i m übrigen ohnehin immer nur i n Bezug auf bestimmte andere Staaten gewährleistet sein, niemals generell; das schaffte nur ein tatsächlich gemeinsames „übergeordnetes" Kollisionsrecht. Das begrüßenswerte Streben nach äußerem Entscheidungseinklang darf vor allem nicht hindern, bessere kollisionsrechtliche Lösungen zu entwickeln und durchzusetzen, denn andernfalls würde die nötige Weiterentwicklung des Kollisionsrechts unerträglich erschwert, und zwar auch auf internationaler Ebene: 641 U n d das m i t unterschiedlichen Ergebnissen! — Gegen die universalistische Tendenz auch entschieden Flessner, Fak. K R . 559 - 566. 642 H i e r m i t steht die wünschenswerte staatsvertragliche Vereinheitlichung von Kollisionsrecht nicht i n Widerspruch. H a t der Staat Gesetzgebungskompetenz an eine übergeordnete Stelle abgetreten, dann w i r d die k o l l i sionsrechtliche Entscheidung lediglich auf diese andere Ebene erhoben u n d muß nicht nur, w i e sonst, für den jeweiligen Staat als „gerecht" anerkannt werden, sondern f ü r die jeweilige Staatengemeinschaft. Schließt sich der Staat i n d i v i d u e l l einer staatsvertraglichen Regelung an, so liegt bereits darin seine autonome Entscheidung, bei der häufig das Ordnungsinteresse an der Vereinheitlichung ( = gesichertem äußeren Entscheidungseinklang unter den Vertragsstaaten) andere kollisionsrechtliche Interessen verdrängen kann, die sich bei einer einzelstaatlichen Regelung vielleicht durchgesetzt hätten.

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T e i l 2: Die Re-Konstruktion des klassischen IPR-Modells

Eine zunächst i m Alleingang entwickelte „bessere" Lösung hat j a i m merhin die Chance, internationale Anerkennung und Nachahmung zu finden. Eine gewisse Uneinheitlichkeit ist stets der Preis für die Möglichkeit des Fortschritts. Auch eventuelle „Rechtsanwendungsinteressen" fremder Staaten sind nicht von vornherein unbeachtlich. Aber auch sie sind zu bewerten, auch sie konkurrieren m i t allen anderen kollisionsrechtlichen Interessen. Meist w i r d man sie ohnehin aufschlüsseln können i n solche Interessen allgemeiner A r t , und diese sind sowieso Gegenstand des Rechtsfindungsvorgangs 643 . Auch m i t autonomistischer Grundeinstellung — der Voraussetzung einer angemessenen Weiterentwicklung des gegenwärtigen internationalen Privatrechts — können w i r also durchaus internationalen Belangen Rechnung tragen; doch tun w i r das dann, wenn es uns — aufgrund eigener Wertung — als angemessen und gerecht erscheint und wenn nicht andere höher zu bewertende Interessen eine abweichende Entscheidung herbeiführen. 3. Multilateralismus

und Unilateralismus

Der zweite Hauptgegensatz i m IPR w i r d bezeichnet durch das Begriffspaar M u l t i - und Unilateralismus. Es kennzeichnet zwei alternative Wege der Weiterentwicklung. Wie schon erwähnt, sind die unilateralistischen Systeme i n ihrer Reinform bisher nur theoretische Gebilde. Ihre Herrschaft bedeutete Beseitigung, nicht Weiterentwicklung des „klassischen" IPR-Systems 644 . Aber eine partielle Übernahme unilateralistischer Gedanken für bestimmte Fragen wäre immerhin möglich und w i r d zum Teil auch — i m Sinne des „Methodenpluralismus" — vorgeschlagen. Gothot meint sogar, ein kontinuierliches Vordringen solcher Gedanken beobachten zu können 6 4 5 . Zu den kollisionsrechtlichen Erscheinungen, die m i t dem Unilateralismus i n Verbindung gebracht werden, gehören insbesondere der renvoi , die sog. Näherberechtigung (z. B. A r t . 28 EGBGB), die (Sonder-) Behandlung „wohlerworbener Rechte", die Anerkennung ausländischer Urteile, die ordre-public-Gesetze und „lois d'application immédiate", die sog. Sonder anknüpf imgr 646 . Diese Zusammenstellung bedarf indessen 843

Vgl. unten T. 4 Β I V . Darüber unten T. 4 C I. 845 Gothot, Ren. 1 - 9 , 209 - 243, 415 - 450. Vgl. auch Audit , A m . Choice-ofL a w 589, 601 - 603; von Mehren, Comm. 607; Vitta, Cours gén. 159 - 162; Kelly, Confi. 846 Vgl. zum ganzen insbes. Gothot (vorige Fn.). 644

D. Die Weiterentwicklung des räumlichen Kollisionsrechts

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einer kritischen Sichtung. A n deren Anfang muß noch einmal das bestimmende Unterscheidungsmerkmal der unilateralistischen Systeme gestellt werden, und das liegt nicht i n der Benutzung „einseitiger" Kollisionsnormen — diese sind auch Bestandteil des multilateralistischen Systems, und das unilateralistische kennt auch „allseitige" (Hilfs-)Kollisionsnormen — sondern darin, daß global ungezielte Kollisions grundnormen vorgeschaltet sind, die alle Kollisionsnormen der Welt berufen, diese jedoch beschränkt auf das jeweils eigene Sachrecht 6* 7. I n „einseitigen" Kollisionsnormen gleich ein Stück Unilateralismus zu sehen, ist darum ein unzulässiger „Kurzschluß" 6 4 8 . Vor diesem Hintergrund halten die meisten der genannten Beispiele einer kritischen Betrachtung nicht stand. Soweit dem renvoi 649 zu folgen ist, hat diese Berücksichtigung fremden „Anwendungswillens" m i t unilateralistischer Denkweise nichts zu t u n 6 5 0 . Der renvoi beruht auf einer „gezielten" Kollisionsgrundnorm der lex fori, die aufgrund einer bestimmten Anknüpfung nicht eine fremde Sachnorm, aber eine fremde Kollisionsnorm beruft. Daß sie das tut, ist die Folge einer autonomen kollisionsrechtlichen Interessenwertung — ebenso wie bei jeder anderen (multilateralistischen) kollisionsrechtlichen Entscheidung. Wenn man etwa i m „Parteiinteresse" eine bestimmte Frage nach dem „Heimatrecht" anknüpft, dann kann diese Anknüpfung gerade auch dem Parteiinteresse widersprechen, wenn der Heimatstaat selbst nicht sein eigenes Recht, sondern ζ. B. das des Wohnsitzstaates anwendet, die Beteiligten also m i t der Geltung des Heimatrechts normalerweise gar nicht zu rechnen brauchten 6 5 1 . Falls der Heimatstaat seinerseits ebenfalls einer Verweisung des Wohnsitzstaates folgen würde, so kann man dem gefürchteten „logischen Spiegelkabinett" des H i n - und Herverweisens 652 dennoch ohne weiteres entrinnen, wenn man sich nur vor Augen hält, daß die Berücksichtigung des renvoi eben keine logische Notwendigkeit ist, sondern auch „ n u r " auf autonomer Interessenwertung beruht. Dann muß die Entscheidung getroffen werden, ob man i m „Parteiinteresse" gleichwohl an der ursprünglichen Anknüpfung festhält (also einen „double renvoi" annimmt), weil die Beteiligten gerade wegen der renvoi-Freundlichkeit 647

Oben A I I I 2. Darauf beruht aber die weite Ausdehnung, die m a n der „unilateralistischen" Denkweise neuerdings einzuräumen geneigt ist, näher i m folgenden. 849 Eine Bestandsaufnahme der neueren (ζ. T. aber auch neben der Sache liegenden) Grundsatzdiskussion zum renvoi ζ. Β . bei Wengler, Beachtl. Uberblick u n d L i t e r a t u r ζ. B. bei Kegel, I P R 162, 167. 850 Vgl. aber Gothot, Ren. 209 - 211, m i t Nachw. 851 Z u den Interessen, die dem renvoi zugrunde liegen, Kegel, I P R 167 - 170. 852 E i n Bild, das auch heute noch beeindruckt, vgl. Wengler, Beachtl. 70 f. 848

13 Schurig

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T e i l 2: Die R e - K o n s t r u k t i o n des klassischen IPR-Modells

ihres Heimatstaates u. U. doch m i t der eventuellen Anwendung des Heimatrechts rechnen mußten, oder ob man ζ. B. eine Rückverweisung bei der lex fori „abbricht", wobei das Interesse an einfacherer, schnellerer, billigerer, „höherwertigerer" 6 5 3 Rechtsprechung den Ausschlag zwischen beiden Möglichkeiten gegeben hätte 6 5 4 . Eher an unilateralistische Grundsätze mag die sog. Näherb erechtigung (Beispiel: A r t . 28 EGBGB) 6 5 5 denken lassen, doch ebenfalls zu Unrecht. Hier w i r d abweichend von der „an sich" vorgesehenen A n knüpfung (z.B. an die Staatsangehörigkeit einer Person, etwa beim Erbstatut: des Erblassers) ein bestimmtes anderes Recht (z.B. des Lageortes von Vermögensteilen) berufen, sofern dieses angewandt sein „ w i l l " . Auch insoweit gibt es indessen nur zwei konkrete Anknüpfungen: die „allgemeine" und davon abweichend die „besondere". Letztere ist dadurch bedingt, daß der Gegenstand nach dem Recht des Belegenheitsstaates „besonderen Vorschriften" unterliegt, die dieser auch für anwendbar erklärt, erstere dadurch, das solches nicht der Fall ist. Es handelt sich somit i n beiden Fällen u m eine gezielte, multilateralistische, lediglich bedingte 656 Verweisung. Freilich muß diese Normierungstechnik als wenig glücklich bezeichnet werden. I n Wirklichkeit geht es darum, daß für spezielle ausländische Vorschriften Element-Kollisionsnormen gebildet werden müssen, die i n die allseitige „Bündelung" der „allgemeinen" Normen nicht passen, weil die Sachnormen, auf die sie sich beziehen, andere kollisions653

Z u diesem — heute ζ. T. überbewerteten — Interesse unten T. 4 C I I I 7. Abzulehnen ist der Vorschlag Wenglers, Beachtl. 63 - 66, es bei der schlichten Nichtanwendung der entsprechenden N o r m zu belassen, w e n n ein Recht nicht angewandt sein „ w i l l " (weil es nämlich auf eine andere Rechtsordnung verweist), sofern nicht der „ordre public" (abermals dieser deus ex machina!) die A n w e n d u n g „irgendeines" Rechts verlangt. — I n jedem F a l l muß als erstes die Unterscheidung getroffen werden, welcher Art die fremde Verknüpfung ist (oben A I I ) . Ist sie materiellrechtlicher A r t , so bestimmt der fremde Staat innerhalb seines (berufenen) Sachrechts, daß die betreffende N o r m nicht anzuwenden ist (sondern die f ü r solche Fälle geltende „Negativn o r m " — oben A I V ) . Ist sie kollisionsrechtlicher A r t , so bleibt n u r die Wahl, i h r zu folgen oder aber die eigene Verweisung als Sachnormverweisung zu betrachten. — Z u m verwandten Vorschlag von Meister oben A I I I 2 Fn. 122. 655 Vgl. dazu z.B. Wochner, Ges. Stat; Neuhaus, Grdbegr. 286-292; Raape / Sturm, IPR 185 - 193 (m. w. Nachw.); Kegel, I P R 183 - 192; Wolff, I P R 81 - 84. β5β Kegel, I P R 183, 186; w o h l auch Neuhaus, Grdbegr. 287, 291; Raape l Sturm, I P R 189. — Z u Unrecht anders Ferid, IPR Rdn. 3 - 1 3 5 : „ I m Falle des A r t . 28 spricht dagegen ein Recht, dem unsere Kollisionsnormen nicht das W o r t erteilt haben." Wem unsere Kollisions(grund)normen nicht „das Wort erteilt" haben, auf den hören w i r nicht! — Als ebenso unhaltbar erscheint uns die Ansicht Wochners (Ges. Stat. 182 -184), nach der A r t . 28 E G B G B n u r negative Bedeutung haben soll, nämlich „gewisse Sonderregeln aus dem Bereich des Privatrechts heraus"zunehmen, m i t der Folge, daß der Richter mangels einer Kollisionsnorm „ k e i n Recht anwenden darf". 654

D. Die Weiterentwicklung des räumlichen Kollisionsrechts

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rechtliche Interessen auf den Plan rufen. Darin liegt gerade das „Besondere" dieser Vorschriften. Daß der betreffende Staat sie selbst gesondert anknüpft — also ebenfalls nicht dem allgemeinen „Erbstatut" oder dgl. unterwirft —, ist ein Indiz für die besonderen kollisionsrechtlichen Implikationen, zeigt das spezielle Rechtsanwendungsinteresse des fremden Staates an, auf das wegen des spezifischen Inhaltes jener Normen Rücksicht genommen wird. Aus diesem Grunde ist m i t Kegel 657 die herrschende Meinung abzulehnen, die auch die kollisionsrechtliche Nachlaßspaltung i n A r t . 28 EGBGB m i t einbezieht: Die zu allgemeiner kollisionsrechtlicher Nachlaßspaltung führenden Interessen (selbst wo diese noch m i t einigen verschiedenen Sachvorschriften für beweglichen und unbeweglichen Nachlaß generell verbunden sind) sind keine besonderen kollisionsrechtlichen Interessen, die uns zu einer abweichenden Anknüpfung veranlassen könnten; sie sind bereits i n der kollisionsrechtlichen Grundentscheidung zugunsten der Nachlaßeinheit bewertet und verarbeitet, sie stehen der „Bündelung" unter die allgemeine K o l lisionsnorm darum nicht entgegen. Das Verhältnis zwischen der allgemeinen Kollisionsnorm und der Anknüpfung an das sog. näherberechtigte Recht ist also ein simples Regel-Ausnahmeverhältnis. Nach Gothot soll auch die Anerkennung ausländischer Urteile m i t dem Unilateralismus zusammenhängen, weil die Sachfrage nicht mehr nach den normalen Kollisionsnormen beurteilt werde, sondern nunmehr entsprechend dem „Willen" des Urteilsstaates 658 . Selbst wenn dem so wäre, würde indessen lediglich schlicht auf das Recht des Urteilsstaats verwiesen, und zwar m i t einer gezielten Verweisung. I n W i r k lichkeit geht es aber gar nicht mehr u m die Sachfrage, es geht nur noch um die Wirkung des (anerkannten) fremden Urteils, zu der infolge der Rechtskraftwirkung eben auch der Ausschluß eines weiteren Streites über die „Sache" gehören kann. Die Normen, die dem fremden Urteil die Wirkung i m Inland beilegen, sind solche des internen Rechts (mit einem „Auslandssachverhalt"); soweit sie bestimmen, daß die W i r k u n gen i m Inland — i n gewissen Grenzen — inhaltlich denen i m Urteilsstaat entsprechen, ist dies eine Verweisung, und zwar eine gezielte, multilateralistische 6 5 9 . Wenn schließlich die sog. ordre-public-Gesetze oder lois d'application immédiate 660 als Zeugen unilateralistischen Denkens berufen werden 6 6 1 , so beruht das auf der schlichten Verwechslung der Existenz einseitiger 657 658 659 660 861

1

Kegel, I P R 187 - 189; ebenso Raape / Sturm, I P R 186. Gothot, Ren. 444 - 450. Vgl. oben C I V 2 zu Fn. 525. Dazu unten T. 4 C I I I 2. Gothot, Ren. 212 - 222; Francescakis, Préc. 15 f.

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T e i l 2: Die R e - K o n s t r u k t i o n des klassischen IPR-Modells

Normen m i t dem unilateralistischen System 6 6 2 . Wie schon mehrfach betont, sind einseitige Normen durchaus auch Bestandteile des multilateralistischen Kollisionsnormensystems; schon w e i l dieses ständig „ i n Bewegung" ist, gibt es sie als Zwischenformen, als „allseitige Normen i n statu crescendi", aber u. U. auch als abschließend gemeinte, die ergänzt werden durch entsprechende „unvollkommen allseitige" 6 6 3 . Natürlich sind sie ebenso Bestandteile der unilateralistischen Systeme, die ja i n bezug auf die lex fori ebenfalls m i t „gezielten" Verweisungen arbeiten. Die einseitigen Kollisionsnormen der lex fori bilden sozusagen die „Schnittmenge" beider Systeme; sie sind darum für sich allein zur Charakterisierung vollkommen ungeeignet. Es bleiben noch zwei „Einbruchstellen des Unilateralismus": die Sonderregeln für wohlerworbene Rechte und die „Sonderanknüpfung". Sofern man „wohlerworbene subjektive Rechte" schon dann anerkennt, wenn irgendein Staat diese Rechte hat entstehen lassen 664 , dann bedeutet das tatsächlich, die unilateralistische Methode anzuwenden. Nur müßte zunächst die Notwendigkeit nachgewiesen werden, gerade für die „wohlerworbenen subjektiven Rechte" die eigene kollisionsrechtliche Entscheidung aus der Hand zu geben und sich der Beurteilung beliebiger anderer Länder anzuschließen, i n anderen Zusammenhängen jedoch nicht (denn andernfalls wäre die unilateralistische Methode i n toto übernommen). Damit, daß der Rechtserwerb für die betreffenden Personen eine Wohltat ist, läßt sich ein solcher Schritt nicht begründen; denn Rechtserwerb auf der einen Seite w i r d gewöhnlich auch Rechtsverlust auf der anderen Seite bedeuten. Warum sollte jemand z. B. sein Eigentum verlieren, nur weil irgendeine Rechtsordnung dessen Erwerb durch einen Dritten statuiert! I n der Praxis müßten also Einschränkungen eingebaut werden, womit man aber den unilateralistischen Ansatz schon wieder verwässerte und zu einer A r t Kumula682 Skeptisch zum „Unilateralismus" der „lois d'application immédiate" auch Deby-Gérard, Role 40 - 45. 883 Vgl. oben A V 4 a. E. 884 Vgl. Gothot, Ren. 415 - 425, von i h m die „ältere" D o k t r i n genannt. Die „neuere" dagegen zeichnet sich durch ein besonderes „gemischtes" Kollisionsgrundnormensystem aus (hierzu oben A I I I 2 Fn. 116) u n d geht hauptsächlich auf Francescakis u n d Meijers zurück. Sie beinhaltet, daß das eigene K o l l i sionsrecht n u r anzuwenden sei, w e n n besondere Beziehungen zum F o r u m staat gegeben seien; i m übrigen gelte das Recht, das zuerst „effektiv" angew a n d t sei. Vgl. hierzu Francescakis, Renv. 194 f., 200-203; Ferrer-Correia, Dr. acquis; Makarov, Appi. 439-448; Gothot, Ren. 425-443; Quadri , Lez. 144 - 147. — Die geschichtliche Entwicklung dieser Gedanken ist bei Müller, Wohlerw. R. dargestellt. S. ferner Wichser, Wohlerw. R.; Miaja de la Muela, Der. adquir. — Eher erklärende F u n k t i o n hat die amerikanische vestedrights-Lehre, auf die hier nicht näher eingegangen werden kann. Sie steckt voller Widersprüchlichkeiten, w i e sie z. B. Yntema (Hornb.) i n seiner vernichtenden K r i t i k aufgedeckt hat. Vgl. insoweit auch Evrigenis, Tend. 328 f.

D. Die Weiterentwicklung des räumlichen Kollisionsrechts

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tion von Anknüpfungen überginge 6 6 5 . A u f Abgrenzungsschwierigkeiten bei der Definition der „subjektiven" Rechte weist Neuhaus h i n 6 6 6 . Die kollisionsrechtliche Beurteilung „wohlerworbener Rechte" nach unilateralistischen Grundsätzen wäre nur dann zu empfehlen, wenn sich dieses Verfahren überhaupt als überlegen erwiese 667 . I n solchem Fall aber wäre falsch, es auf die „wohlerworbenen Rechte" zu beschränken. Unilateralistisch sind auch die Grundzüge der Lehre von der „Sonderanknüpfung": Es w i r d nicht gezielt verwiesen, sondern es werden die „Eingriffsnormen" gesucht, die angewandt sein „wollen" (dies indessen wiederum nicht ohne Einschränkungen). Wäre es richtig, daß solche „halb-öffentlichen" Sachnormen ausschließlich Gegenstand („primär") einseitiger Kollisionsnormen sein könnten, so ließe sich daraus der unilateralistische Ansatz rechtfertigen. Das ist aber, wie oben nachgewiesen wurde 6 6 8 , keineswegs so. Ob die Sonderanknüpfungslehre überhaupt notwendig ist, bleibt daher noch zu untersuchen 669 . Es ist zunächst festzuhalten, daß auch bei der Weiterentwicklung des IPR-Systems die unilateralistische Methode grundsätzlich keine Rolle spielt 6 7 0 . 4. Das juristische „Trägheitsprinzip"

im Kollisionsrecht

Wie erwähnt, bewegt sich die Weiterentwicklung des internationalen Privatrechts auf dem schmalen Pfad zwischen Rechtssicherheit — das bedeutet Vorhersehbarkeit, also Kontinuität — und individueller Gerechtigkeit — das bedeutet Anpassung an Einzelfall und Zeitgeist, also Veränderlichkeit. Solange weitere Kollisionsnormen zu bilden sind für solche neu i n den kollisionsrechtlichen Gesichtskreis tretenden Sachnormen, die wegen ihrer Andersartigkeit von vornherein unter keine der bisherigen Bündelungen passen, die also eine Rechtsfindung i m bisher „kollisionsrechtsfreien Bereich" erfordern (wie bei vielen der neuartigen Normierungen i n der „Grauzone" zum öffentlichen Recht), solange müssen die gefundenen (interessengerechten) Lösungen lediglich systemverträglich sein.

665

Hierzu unten D I V 5. Neuhaus, Grdbegr. 173. 667 Hierzu unten T. 4 C I. 668 CIV1. 669 Unten T. 4 C I I I 3. 870 Jedenfalls solange sie nicht i n der Lage ist, den Nachweis ihrer Überlegenheit zu erbringen; dazu unten T. 4 C I . 888

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T e i l 2: Die R e - K o n s t r u k t i o n des klassischen IPR-Modells

Anders, wenn es gilt, von bereits vorhandenen „positiven" K o l l i sionsnormen des Systems abzuweichen. Hier kann man zweierlei Grundtypen unterscheiden, die freilich nicht immer scharf gegeneinander abzugrenzen sind. Auf der einen Seite kann sich die Abweichung aus einer Neubewertung ergeben. Auch die Normen des Kollisionsrechts beruhen j a auf Wertungen und müssen grundsätzlich die zur Zeit der Entscheidung „geltenden" Werte verwirklichen 6 7 1 . Auch bei ihnen kann sich daher — wie überall i m Recht — das Problem stellen, wann eine vorhandene Norm nicht mehr anzuwenden ist, die infolge einer Wertungsumschichtung in ihrem Gerechtigkeitsgehalt nicht mehr „überzeugt". A u f die Voraussetzungen eines solchen Abweichens i m Recht schlechthin kann hier nicht eingegangen werden; es ist dies eines der meistdiskutierten Themen der Rechtstheorie und Methodenlehre 672 . Es lassen sich indessen gerade i m IPR einige Besonderheiten ausmachen. Wie bereits oben bemerkt 6 7 3 , ist das IPR weitgehend eine Domäne des „Richterrechts" (womit — darauf sei nochmals hingewiesen — lediglich der i n der Ableitung der „Geltung" liegende Gegensatz zum „Gesetzesrecht" gekennzeichnet werden soll; dem Ursprung nach w i r d es sich häufig um „Gelehrtenrecht" handeln, das Eingang i n die Judikatur gefunden hat) 6 7 4 . Selbst wo w i r eine der weitgefaßten gesetzlichen Kollisionsnormen anwenden, bedarf es häufig einer solch „richterrechtlichen" Konkretisierung hinsichtlich bestimmter Fallgruppen; es entstehen dann ihrer Herkunft nach „gemischte" Rechtsnormen 675 . „Richterrechtliche" Normen haben aber sicherlich nicht die gleiche „formale Stringenz des Gesetzgebungspostulats" 676 ; insoweit herrscht Übereinstimmung, wenn auch i m übrigen die Frage, ob „richterrechtlichen" Normen nur eine „faktische" 6 7 7 oder eine „rechtliche" Bindung 6 7 8 zu671

Vgl. oben D I I I . Hassemer, Rsyst. 80: „ein Generalthema der Rechtstheorie". 673 D I I I , nach Fn. 595. 674 Ebd., zu Fn. 603. 67 5 Lüderitz, Anon. Rieht. 338 f. — Vgl. auch das von Fikentscher, Meth. I I I , entworfene „Fallnormen"-System: Die richterlich gefundene oder zu f i n dende F a l l n o r m ist „diejenige Regel des objektiven Rechts, die einem l ö sungsbedürftigen Sachverhalt eine i h n regelnde Rechtsfolge zuordnet", sie ist „der Rechtssatz i m technischen Sinne" (202). Jede gesetzliche N o r m w i r d somit erst durch Bündel von richterrechtlichen „Fallnormen" konkretisiert (vgl. 211-217); es gibt so viele „Fallnormen", w i e es i n Vergangenheit, Gegenwart u n d Z u k u n f t zu entscheidende unterschiedliche Fälle gibt (vgl. 218). I n unserem Zusammenhang k a n n hierzu nicht Stellung genommen werden (kritisch ζ. B. Larenz, MethL. 475 - 483). 67 6 Hassemer, Rsyst. 85. 677 So die h. M.; vgl. ζ. B. Larenz, MethL. 421 - 428; Hassemer, Rsyst. 85 - 88; Zippelius, Einf. 83 f. 67 2

D. Die Weiterentwicklung des räumlichen Kollisionsrechts

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kommt, nach wie vor umstritten ist. Die Frage des letzten Geltungsgrundes solcher Normen mag hier dahinstehen (daß es sie gibt, dürfte heute allgemein anerkannt sein) 6 7 9 ; die Tatsache, daß sie nicht beliebig abgeändert werden können, läßt sich jedenfalls auch auf Interessenbetrachtung gründen: Auch wenn jede Entscheidung aufgrund „positiver" Normen nicht nur „systemgerecht", sondern zugleich „sachgerecht" sein muß, also das zeitgemäße Gerechtigkeitsempfinden befriedigen und als „überzeugend", „vernünftig" nach-bewertbar sein muß 6 8 0 , steht dies dem Retentionseffekt des Systems gegenüber Veränderungen nicht entgegen. Denn bei der Anwendung einer positiven Norm sind noch weitere Interessen i m Spiel als beim Aufstellen dieser Norm. Durch die schon erwähnte „Rückkopplung" 6 8 1 infolge der Integration i n das positive System besteht nunmehr auch ein Ordnungsinteresse des Rechtsverkehrs an der Fortgeltung und Befolgung einer einmal aufgestellten Norm. Denn gerade die Kontinuität ist Voraussetzung einer Berechenbarkeit und Voraussehbarkeit der Beurteilung von Rechtsverhältnissen und damit der Rechtssicherheit überhaupt. Dieses Kontinuitätsoder Beharrungsinteresse 682 ist i n die Kontrolle der gefundenen Rechtsanwendung durch den praesumtiven Vernünftigkeitskonsens einzubeziehen und kann dazu führen, daß an der fraglich gewordenen (hier: K o l lisions-)Norm festzuhalten ist, obwohl bei einer „freien" Bewertung der beteiligten Interessen sich die Waage zur anderen Seite gesenkt hätte. Man kann diesen Effekt „juristisches Trägheitsprinzip" nennen 6 8 3 ; 678 Hierzu Fikentscher, Meth. I I I 728-737 m. Nachw. — Fikentscher selbst n i m m t ebenfalls eine „rechtliche" Bindung an seine „Fallnormen" an, was i h n aber nicht hindert, eine B i n d u n g an „ f ü r rechtlich unzutreffend erkannte Fallnormen" abzulehnen (348). — Eine Mittelmeinung vertreten ζ. B. Kriele, Theorie 160, 165, 243-268, sowie R. u. pr. Vern. 91 -110, der eine „präsumtive Bindung" annimmt, u n d Lüderitz, Anon. Rieht. 338 f., 344 - 346 (bei dem gleichfalls „eine »richtigere 4 Entscheidung . . . stets vorbehalten" bleibt). «79 v g l . f ü r viele Zippelius, Einf. 17; Coing, Rechtsphil. 131 f.; Hassemer, Rsyst. 8 3 - 8 8 ; Lüderitz, Anon. Rieht. 335; auch Canaris, Syst. 69-71. Wenn Larenz, MethL. 422 f., zweifelt, ob Richterrecht „geltendes Recht" ist, meint er damit die „rechtliche" Bindungskraft. 880

Oben D I I , I I I . Oben D I V I . 682 v g l . auch zu diesen Interessen (allgemein) Zippelius, Einf. 83 f.; Coing, Rechtsphil. 139. V o n „Berechenbarkeitsinteressen" der Parteien i m I P R spricht schon Müller, Wohlerw. R. 330 - 338. — U m etwas anderes handelt es sich bei dem Interesse der Partei, das auf die Auswahl eines Anknüpfungsmoments gerichtet ist, welches möglichst große Beständigkeit gewährleistet u n d Statutenwechsel erschwert; zu diesem „Kontinuitätsinteresse" Lüderitz, A n k n . 38 - 40. 881

883 Es handelt sich wiederum u m eine Spielart des Widerstandes, den jedes Rechtssystem Veränderungen entgegensetzt. Vgl. insoweit Esser, Grds. 82 („Recht u n d Justiz . . . legitimieren . . . n u r das »evolutionäre M i n i m u m ' " ) ; Kriele, Theorie 264 - 268; Kaufmann, R. u. Ger. 288. — I n einem anderen (spe-

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T e i l 2: Die R e - K o n s t r u k t i o n des klassischen IPR-Modells

er kommt bei jeder Abweichung von positiven Normen wegen Neubewertung zum Tragen, w i r d freilich zumindest wenn es u m Gesetzesrecht geht, durch stärker wirkende formale Bindungen überlagert. Einige Kollisionsnormen des E G B G B widersprechen m i t ihren Wertungen dem heutigen, durch A r t . 3 Abs. 2 G G besonders herausgehobenen W e r t der Gleichbehandlung der Geschlechter. Gleichwohl w i r d von manchen empfohlen, sie aus Gründen der Rechtssicherheit w e i t e r h i n anzuwenden, bis der Gesetzgeber gesprochen h a t 8 8 4 — eine A u s w i r k u n g des Trägheitsprinzips! Wer bereits de lege lata helfen w i l l , w i r d entsprechende Normen zur Ergänzung bilden, aber zumindest i n dem Bereich, i n dem das Gesetz noch anwendbar ist, nicht ohne weiteres das Staatsangehörigkeitsprinzip insgesamt über B o r d werfen können, auch w e n n er dieses (wie manche) 8 8 5 f ü r nicht mehr „zeitgemäß" h ä l t ; denn insoweit „bindet" das Gesetz 8 8 8 (und es bestehen natürlich außerdem starke „Kontinuitätsinteressen").

Bedeutsamer für das IPR ist der zweite Typus des Abweichens von vorhandenen Normen, der m i t der Verfeinerung durch Differenzierung und Spezialisierung des kollisionsrechtlichen Normengefüges zusammenhängt und bei dem es nicht u m „Abkehr" sondern u m „Abspaltung" geht. Auch dies ist ein der gesamten Rechtswissenschaft durchaus bekannter Vorgang, der indessen i m IPR besondere Aufmerksamkeit verdient. Die den IPR-Normen zugrundeliegenden kollisionsrechtlichen Interessen sind abstrakt, praesumtiv und generalisierend festgestellt worden. Das bedingt eine gewisse Schematisierung, eine Normung der Interessen 687 . I n den üblichen gesetzlichen Bestimmungen des IPR geht diese besonders weit, w e i l — wie erwähnt — diese Vorschriften sehr wenig durchgeformt sind und mitunter sehr große Gebiete erfassen, unter dem „Dach" ihres Wortlauts eine Unzahl möglicher Fallgestaltungen vereinigen. Eine solche Gleichmäßigkeit der Interessen, wie sie die Norm voraussetzt, entspricht keineswegs immer auch dem Leben. Hier gibt es Streuungen: Je nach den Fallumständen können die „normierten" Interessen real bald stärker, bald schwächer vorhanden sein; sie können aber in bestimmten Fällen auch so „geschwunden" sein, daß die Anknüpfung i n concreto ihre innere Berechtigung verliert. I n diesem ziellen) Sinn spricht Kegel, Ref. 153, 155, v o m „juristischen Trägheitsprinzip" i m I P R ; dort geht es u m die F o r t w i r k u n g ehemals gemeinsamer A n k n ü p fungsmomente bei der K o n s t r u k t i o n von Hilfsanknüpfungs-"Leitern" i m internationalen Eherecht. 884 Kegel, I P R 339 f. 885 Ζ. B. Neuhaus, Grdbegr. 220; Raape / Sturm, I P R 120. 888 Strenger auch für ergänzende Regeln Kegel, I P R 339. — Auch nach Fikentscher hat m a n übrigens bei der B i l d u n g der „Fallnormen" v o n der bindenden K r a f t der gesetzlichen Grundwertungen u n d Zielsetzungen auszugehen, Meth. I V 337. 687 Vgl. auch Lüderitz, A n k n . 40 - 42.

D. Die Weiterentwicklung des räumlichen Kollisionsrechts

201

Fall erscheint uns die Anknüpfung als zu „flüchtig", zu wenig „substantiell", eine andere Beziehung bietet sich an als „noch engere". Infolge ihrer m i t Unschärfe verbundenen Weite, die eine angemessene Berücksichtigung aller Möglichkeiten von vornherein ausschließt, stehen die gesetzlichen IPR-Normen mehr noch als andere Normen unter dem Vorbehalt einer Abwandlung, einer einschränkenden Auslegung, einer „teleologischen Reduktion" 6 8 8 . Daß daran nie gezweifelt wurde, belegen die (freilich so nicht zutreffenden) Aussagen über den bloßen „Leitsatz"-Charakter dieser Normen 6 8 9 , über die „Systemfreiheit" des I P R 6 9 0 sowie der zu allen Zeiten zu vernehmende Ruf nach Differenzierung und Verfeinerung unseres IPR-Systems. Es geht nicht nur u m eine Anpassung an die i m voraus nicht abschätzbare Vielfalt der einbezogenen Sachnormen, es geht ebenso u m Anpassung an die i m voraus nicht berücksichtigte Vielfalt von kollisionsrechtlichen Interessenkonstellationen. Ein solches „Distinguishing" ist möglich gegenüber gesetzlichen, ebenso natürlich gegenüber gewohnheits- und richterrechtlichen Normen (bzw. den richterrechtlichen Konkretisierungen gesetzlicher Normen). Nun könnte man folgern, daß immer dann, wenn die tatsächliche Interessenkonstellation die kollisionsrechtliche Entscheidung nicht mehr so „trägt", wie dies i n der „vorhandenen" Kollisionsnorm vorgesehen ist, von der ausgesprochenen Anknüpfung abzugehen und eine „passendere" zu suchen — also eine neue Kollisionsnorm aufzustellen — sei. Das scheinen auch diejenigen i m Sinn zu haben, die vom bloßen „Richtliniencharakter", von der „prima-facie-Wirkung" der Kollisionsnormen sprechen 691 , und die bereits einen „noch engeren Zusammenhang" m i t einer anderen Rechtsordnung genügen lassen, u m zu diesem Recht überzugehen 692 . Indessen: auch wenn die vorhandenen Kollisionsnormen meist „zu weit" gefaßt sind und die Interessenkonstellation besonderer Fälle nicht mehr decken, kann man gleichwohl nicht bei jeder kollisionsrechtlichen Entscheidung so i n die Interessenprüfung eintreten, als gäbe es die „positiven" Normen noch gar nicht, und deren A n ordnung nur dann folgen, wenn die festgestellten Interessen m i t den i n der Norm vorausgesetzten voll übereinstimmen. Die Folge wäre Chaos. 688 Schon ganz allgemein postuliert z.B. Zippelius, Einf. 66: „Wenn die Gesetze ihrer Aufgabe nicht genügen, ein Rechtsproblem gerecht zu lösen, erscheinen sie als ergänzungsbedürftig." 689 Oben D I I I Fn. 600. 690 Oben D I I I Fn. 597. 891 D I I I Fn. 597, 600. 692 Z. B. Dietzi, Vischer, oben T. 1 C I I I 6, zu Fn. 203, 204. Der schweizerische E n t w u r f enthält i m m e r h i n die (nicht ausreichende) Abschwächung, daß ein „offensichtlich" engerer Zusammenhang bestehen muß (ebd., zu Fn. 208; s. auch unten T. 4 C I I I 6).

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T e i l 2: Die R e - K o n s t r u k t i o n des klassischen IPR-Modells

Der Vorteil des Systems, durch gewisse Kontinuität ein Mindestmaß an Rechtssicherheit zu schaffen, wäre gefährdet. Die Schwelle für das Abgehen von einer positiv normierten Anknüpfung infolge eines i m konkreten Fall festgestellten „Interessenschwundes" muß darum wesentlich höher sein, als die für die „freie" Neubildung einer passenden Kollisionsnorm, w i l l man auf das notwendige Maß an Rechtssicherheit nicht verzichten. Das hat zur Folge, daß auch dann, wenn dies zum Zweck der Herausbildung einer speziellen, den gegebenen Besonderheiten angepaßten Kollisionsnorm geschieht, von der bisherigen Regelanknüpfung bei tatsächlichem „Interessenschwund" erst abgerückt werden darf, wenn das bereits erwähnte Kontinuitätsinteresse bei der vergleichenden Wertung unterliegt, m. a. W. wenn (und soweit) ein solches Interesse des potentiell beteiligten Rechtsverkehrs an der Kontinuität der Anknüpfung mit Rücksicht auf die konkreten Fallumstände nicht schützenswert erscheint. Erst dann ist der Weg eröffnet, durch nunmehr „freie" (aber systemverträgliche) Interessenbewertung eine neue, bessere Anknüpfung zu finden. Auch hier w i r k t also das „Trägheitsprinzip" i m K o l l i sionsrecht. A u f diese Weise lassen sich die Fälle lösen, i n denen eine Anknüpfung als „zu wenig substantiell", „zu flüchtig" usw. erscheint. Auch der Fragenkreis der Heilung durch Statutenwechsel gehört hierher 6 9 3 . Einige Beispiele f ü r „flüchtige" A n k n ü p f u n g : Bei Staatenlosen u n d Mehrstaatern k n ü p f t m a n ersatzweise bzw. hilfsweise an den (schlichten) Aufenthalt an, w e n n kein gewöhnlicher A u f e n t halt festzustellen ist, w e i l m a n annimmt, daß das dem Parteiinteresse des Betroffenen am ehesten entspricht. Wenn sich die Person aber n u r auf der Durchreise befindet, fehlt f ü r diese Annahme jeder Anhalt, u n d auch ein Interesse des Rechtsverkehrs an einheitlicher A n w e n d u n g der Kollisionsn o r m braucht nicht geschützt zu werden, w e i l die A n k n ü p f u n g f ü r jedermann erkennbar zu „flüchtig" ist. Steht die A n k n ü p f u n g an den Aufenthalt aber i n anderem Zusammenhang u n d dient anderen Interessen (z.B. bei einem persönlichen Arrest gegen den Durchreisenden), dann k a n n eine solche „flüchtige" A n k n ü p f u n g ausreichen. Die A n k n ü p f u n g an den Lageort i m internationalen Sachenrecht dient v o r nehmlich Verkehrsinteressen, w e i l der Rechtsverkehr sich meist nahe der Sache verwirklicht. Diese Interessen spielen keine Rolle, w e n n über eine Sache verfügt w i r d , die durch ein D r i t t l a n d reist (res i n transitu). A u f die Geltung der lex rei sitae k a n n wegen der Ausnahmesituation auch nicht vertraut werden. Anders, w e n n und soweit der Rechtsverkehr des Reisestaates berührt w i r d bei Pfändung, gesetzlichen Pfandrechten (z. B. des Zwischenspediteurs), gutgläubigem E r w e r b während des Transportes und ähnlichem: hier g i l t die lex rei sitae des Durchgangslandes® 94 . 693 v g l insoweit z.B. Siehr, Heilung; Neuhaus, Einzelheiten k a n n hier nicht eingegangen werden.

Grdbegr. 299-301. — A u t

D. Die Weiterentwicklung des räumlichen Kollisionsrechts

203

Verkauft und übereignet ζ. B. ein Deutscher einem anderen Deutschen i n R o m eine Uhr, so setzt sich das Beharrungsinteresse durch, es bleibt bei der lex rei sitae, denn die U h r könnte gestohlen, gefunden, belastet sein oder unter Eigentumsvorbehalt stehen. Anders müßte m a n hingegen entscheiden, w e n n derselbe Vorgang sich i m Reisebus unmittelbar nach Überqueren der Grenze abspielt. Der F a l l einer sich „verflüchtigenden A n k n ü p f u n g " ist gegeben bei Liefer u n g beweglicher Sachen i n ein anderes L a n d : Der Grundsatz, daß die gegenwärtige lex rei sitae die Bedeutung sachenrechtlicher Vorgänge ein f ü r alle M a l beurteilt, t r i t t (ab Grenzübertritt) zurück bei nicht abgeschlossenen u n d gewissen abgeschlossenen Tatbeständen (Eigentumsvorbehalt) 6 9 5 . Denn da die Sachen f ü r den Export vorgesehen sind, schwindet insoweit das Verkehrsinteresse i m alten Staat (das hat sogar zu dem Vorschlag de lege ferenda geführt, noch i m Absendestaat das neue Recht schon i m Sinne eines Günstigkeitsprinzips m i t zu berücksichtigen) 69 ®. Die A n k n ü p f u n g des Deliktsstatuts an den Deliktsort verfolgt vorrangig Verkehrsinteressen: Jeder soll sein Verhalten der Umgebung anpassen können. Das Parteiinteresse, nach einer vertrauten Rechtsordnung behandelt zu werden, w i r d demgegenüber vernachlässigt. Sind aber Parteien m i t gleichem Personalstatut beteiligt, dann fragt sich, w a n n hier die Verkehrsinteressen so zurücktreten, daß f ü r eine Neuanknüpfung (nach Parteiinteressen) Platz ist. Die Skala der Möglichkeiten ist breit; am sichersten zu beurteilen sind ihre jeweiligen Enden: H a t wenigstens einer der Beteiligten i m betreffenden L a n d seinen gewöhnlichen Aufenthalt, so bleibt es bei der Regelanknüpfung® 97 ; ereignet sich das D e l i k t innerhalb einer geschlossenen Sondergruppe i m Ausland (z. B. Reisegesellschaft)® 98, so t r i t t das Verkehrsinteresse zurück; ein Interesse an K o n t i n u i t ä t der A n k n ü p fung ist wegen der objektiven Sonderlage nicht anzuerkennen. E r w ä h n t sei noch der i n Kanada entschiedene F a l l einer „verflüchtigten" A n k n ü p f u n g Ungar v. Schwebel® 99. Ungarische Juden, die i n einer großen Gruppe von Glaubensbrüdern auf dem Weg nach Israel waren, w u r d e n i n einem Lager i n I t a l i e n nach jüdischem Recht geschieden, einen Monat bevor sie i n Israel ankamen u n d Israelis wurden. Die Scheidung w a r u n gültig sowohl nach (ungarischem) Heimatrecht w i e auch (aus kanadischer Sicht) nach Wohnsitzrecht. Trotzdem wurde sie anerkannt. E i n Festhalten am H e i m a t - oder Wohnsitzrecht hätte den Parteiinteressen nicht mehr entsprochen, wie auch die W a h l des jüdischen Rechts zeigte. Es k a m somit auf ®94 Z u diesen Problemen eingehend zuletzt Drobnig, Entw., m i t Nachweisen. S. auch Lüderitz, Bew. Sachen. 895 Kegel, IPR 330 f. m. Nachw.; Lüderitz, Bew. Sachen 192 - 210. ® 9® Lüderitz, Bew. Sachen 197 - 200 (s. aber auch 203 f.). ® 97 Soergel / Kegel, EGBGB, A r t . 12 Rdn. 26, 30. 698 Binder, Aufl., 480-482; Beitzke, z.B. Obi. dèi. 9 7 - 107; Ferid, I P R Rdn. 6 - 1 3 1 („Käseglockentheorie"). — Gerade das starre Festhalten am „Deliktsstatut" hat i n den USA überzogene Gegenreaktionen ausgelöst. Bei uns w i r d die „Auflockerung des Deliktsstatuts" i n immer neuen Varianten eingehend diskutiert. Vgl. vor allem Binder, A u f l . ; Kropholler, A n k n . ; Stoll, A n k n . ; ders., Zweisp. A n k n . ; Trutmann, Del.; Hohloch, A u f l . ; speziell f ü r Produzentenhaftung Lorenz, Prod. 699 Ausführliche Besprechung, Fundstellen u n d weitere Literaturhinweise bei Kegel, Scheid.

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T e i l 2: Die R e - K o n s t r u k t i o n des klassischen IPR-Modells

die Bewertung des Ordnungs- u n d Verkehrsinteresses an kontinuierlicher Rechtsanwendung an. A n diesem würde es ζ. B. scheitern, „normale" A u s wanderer schon vor ihrer (vielleicht laufenden) Einbürgerung nach neuem Personalstatut zu behandeln. Der U n g a r - F a l l besaß aber eine objektiv erkennbare Sonderprägung (die Beteiligten waren Mitglieder einer r ä u m lich geschlossenen religiösen Sondergruppe von Auswanderern, deren Recht das Recht des angestrebten Staates war, u n d der Erwerb der neuen Staatsangehörigkeit stand unmittelbar bevor); durch sie läßt es sich rechtfertigen, das Kontinuitätsinteresse hier für nicht schützenswert zu erklären u n d von der Regelanknüpfung abzugehen. Ähnliche Überlegungen müssen überhaupt f ü r Flüchtlinge gelten 7 0 0 .

Es ist festzuhalten: Anders als bei der Entwicklung von Kollisionsnormen für neu i n den kollisionsrechtlichen Gesichtskreis der lex fori tretendes Sachrecht ist bei der Abkehr von einer bisher „geltenden" (meist „richterrechtlichen") Kollisionsnorm, besonders aber auch beim Abgehen von jedweder „positiven" Regelanknüpfung wegen „Interessenschwundes" i n einer konkreten Fallkonstellation das „Trägheitsprinzip i m Kollisionsrecht" zu überwinden, das das erforderliche Maß an Kontinuität und Rechtssicherheit gewährleistet. Es beruht darauf, daß ein aus der Existenz der Norm selbst resultierendes Ordnungs- und Verkehrsinteresse des potentiellen Rechtsverkehrs an der Kontinuität der Anknüpfung zurückgedrängt werden muß. A u f diese Weise können ζ. B. neue Kollisionsnormen für bestimmte „Ausnahmefälle" entstehen, die, sobald sie selbst dem etablierten positiven System angehören, ihrerseits auch wegen besonderer Fallkonstellationen nur verändert werden können nach Überwindung des beschriebenen „Trägheitsprinzips" — und so weiter. 5. Mehrfachanknüpfungen Daß die kollisionsrechtliche Interessenabwägung nahezu zwingend zu einer bestimmten Anknüpfung führt, ist selten; die weltweiten Unterschiede — etwa bei der Anknüpfung des „Personalstatuts" — beweisen das. Gewöhnlich erfordert es am Schluß einen gewissen rechtspolitischen Kraftakt, sich zu der einen und keiner anderen Anknüpfung durchzuringen; es ist das Ordnungsinteresse an einer einheitlichen Lösung, das die Triebfeder hierzu bildet. Immer und überall vermag sich indessen dieses Interesse nicht durchzusetzen: dann stehen i m Ergebnis zwei oder mehr Anknüpfungen gleichwertig nebeneinander. Es kommt zur Häufung von Anknüpfungen. Auch eine solche Mehrfachanknüpfung kann noch nicht das letzte Wort bedeuten. Denn zugleich anwenden kann man zwei Rechtsordnungen nur, wenn sie inhaltlich voll übereinstimmen oder sich wenigstens 700

U n d evtl. allgemein für die „ H e i l u n g durch Statutenwechsel" Fn. 693).

(oben

D. Die Weiterentwicklung des räumlichen Kollisionsrechts

205

nicht widersprechen 701 . Divergieren sie, so kann man sich immer nur für die eine oder die andere Regelung entscheiden (höchstens — theoretisch 7 0 2 — eine dritte, neue aus beiden bilden). Es bedarf also doch noch einer weiteren Wahl zwischen beiden „zugleich" berufenen Sachregelungen; diese unterscheidet sich von der bisherigen kollisionsrechtlichen Rechtsfindung durch eine besonders geartete inhaltliche Berücksichtigung der „berufenen" Sachnormen. Nicht, daß der Inhalt der Sachnorm überhaupt eine Rolle spielt, ist das Neue. Auch für die kollisionsrechtlichen Interessen ist j a der Inhalt — wie oben dargelegt 7 0 3 — durchaus von entscheidender Bedeutung. Daß man sachenrechtliche Verfügungsverträge nach der lex rei sitae beurteilt, und nicht etwa nach einem dem Parteiwillen zu entnehmenden „Vertragsstatut", hängt ganz entschieden m i t dem Inhalt dieser sachlichen Regelungen zusammen. Und daß man die Deliktsnormen i m allgemeinen dem Recht des Tatorts entnimmt und nicht der lex fori oder dem Personalstatut des Schädigers, liegt vornehmlich an der spezifischen rechtspolitischen Funktion des Deliktsrechts, die diese anderen Anknüpfungen als nicht „einleuchtend" erscheinen läßt. Aber bisher ging es stets darum, einem gewissen Normenkomplex wegen seines sachlichen Regelungsgehalts und unter Berücksichtigung der durch diesen implizierten kollisionsrechtlichen Interessen einen festumrissenen räumlichen Anwendungsbereich zuzuweisen, i m Gegensatz zu Normenkomplexen m i t anderen sachlichen Regelungsgehalten. Waren die kollisionsrechtlichen Interessen einmal bewertet, und zwar abstrakt und absolut, so stand die Anwendbarkeit oder Unanwendbarkeit der betreffenden Sachregelung fest. Hier hingegen kommt es noch zu einem konkreten Vergleich der beiden (oder mehreren) 7 0 4 „zugleich" berufenen sachlichen Regelungen, wobei die Entscheidung über Anwendung oder Nichtanwendung relativ ist, nämlich abhängig vom jeweiligen Inhalt des anderen Sachnormkomplexes. Denn es gibt immer nur zwei Formen der „gemeinsamen" Anwendung: eine kumulative und eine alternative. Sehr v i e l weiter sieht Ficker das Feld der „Verknüpfung v o n A n k n ü p f u n gen" 7 0 5 . Doch umfaßt sein Katalog von acht Fallgruppen u. a. die B i l d u n g rein systematischer Untergruppierungen, w i e das Verhältnis Regel-Ausnahme u n d Subsidiäranknüpfungen bei tatsächlichem Fehlen des RegelAnknüpfungsmoments („Anknüpfungsleitern"), ferner „qualifizierte" A n knüpfungen („gemeinsamer" Heimatstaat, Wohnsitz usw.), die (rechtspolitisch fragliche) A n k n ü p f u n g nach Häufung von Anknüpfungspunkten, den 701 702 703

Vgl. auch Wengler, Gleichh. 343. Vgl. die Vorschläge Steindorffs, T. 1 C I I I 4, T. 4 C I I I 4. A V 2.

704

I m folgenden ist der Einfachheit halber n u r noch von zwei Rechten die

Rede. 705

Ficker, Verkn. 315 - 322.

206

T e i l 2: Die Re-Konstruktion des klassischen IPR-Modells

renvoi, die l e x - f o r i - A n k n ü p f u n g bei gleichzeitiger Zuständigkeitsbestimmung. A l l e diese Anknüpfungen führen letztlich n u r zu „einem" anwendbaren Recht; es handelt sich also u m eine anders geartete dogmatische Zusammenstellung 70 ®. H i e r interessieren n u r die Anknüpfungshäufungen, bei denen durch konkreten Vergleich unter „zugleich" berufenen Rechtsordnungen die anwendbaren Normen festzustellen sind 7 0 7 , die „ A n k n ü p fungshäufung mit materiellem Stichentscheid".

Wegen dieser Relativität ist eine weitere kollisionsrechtliche Gruppierung nach dem Inhalt der jeweiligen Sachnormen (und eine entsprechende Bündelung i n generelle Kollisionsnormen) nicht mehr möglich. Es können nur noch Maximen für die jeweilige Auswahl aufgestellt werden. Hierfür gibt es zwei Möglichkeiten: Man kann allein die Rechtsfolgen eintreten lassen, die i n beiden Rechten zugleich vorgesehen sind (kumulative Anknüpfung); dann setzt sich das schwächere Recht durch, man erhält das Minimal-Ergebnis. Beispiele: A r t . 22 Abs. 2 EGBGB (allseitig erweitert): Bei der Adoption müssen auf der Kindesseite die Einwilligungen sowohl nach dem Recht des Adoptierenden w i e auch des Adoptivkindes erteilt sein; bei Fehlern ist das „schwächere" Recht anwendbar. N u r scheinbar gleich liegt der F a l l bei A r t . 13 E G B G B 7 0 8 . Z w a r muß auch hier die Ehe letztlich nach dem Heimatrecht beider Verlobten g ü l t i g sein, doch bestimmt jedes Recht n u r die Voraussetzungen auf einer Seite (das g i l t auch f ü r die sog. zweiseitigen Ehehindernisse), ähnlich w i e bei einem Vertrag die Geschäftsfähigkeit jeder Seite gesondert zu beurteilen ist (sog. distributive Rechtsanwendung).

Oder man kann genügen lassen, daß nur ein Recht die Rechtsfolgen zuläßt (alternative Anknüpfung); dann setzt sich das stärkere Recht durch, man erhält ein Maximal-Ergebnis. Beispiele: Bei A n k n ü p f u n g des Deliktsstatuts genügt es, w e n n das Recht des Handlungs- oder des Erfolgsortes einen Anspruch gibt. A r t . 11 Abs. 1 E G B G B : E i n Rechtsgeschäft ist formgültig, w e n n es den Formvorschriften des Geschäfts- oder des Ortsrechts entspricht.

Beide Formen sind nicht von einander zu trennen und hängen vom Standpunkt ab: Knüpfen w i r ζ. B. die Formerfordernisse alternativ an, dann müssen die Voraussetzungen einer zu berücksichtigenden Formungültigkeit kumulativ gegeben sein; werden die Erfordernisse einer gültigen Adoption teilweise kumulativ angeknüpft, dann sind ζ. B. die Wirkungen von Fehlern bei der Einwilligung, die Voraussetzungen der Nichtigkeit oder Aufhebbarkeit, alternativ zu beurteilen. 706 Weitere Aufteilungen bei Beitzke, A l t . A n k n . 45; Neuhaus, Grdbegr. 153 - 160; Raape / Sturm, I P R 98 f. Vgl. schon Lewald, Règ. gén. 28 - 39. 707 Dazu auch Beitzke, A l t . A n k n . 49 -56, 59 f.; Bucher, Règ. de ratt. subst.; ferner Wengler, Bspr. Steindorff 549. 708 Vgl. Ficker, Verkn. 315.

D. Die Weiterentwicklung des räumlichen Kollisionsrechts

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Die Entscheidung zwischen den „zugleich" berufenen Rechten erfordert somit bereits eine Stellungnahme i n der Sache, eine gewisse Parteinahme 7 0 9 . Es geht nicht mehr allein u m die Anwendung des einen oder anderen Gesetzes, es geht bereits um die Bevorzugung des einen oder anderen materiellen Ergebnisses. Zwar handelt es sich noch immer nicht um die sachliche Entscheidung selbst — bei dieser führen die Sachinteressen zu einer konkreten Regelung, und sie ist letztlich Sache des berufenen Rechts —, es handelt sich weiterhin u m die Wahl der anzuwendenden Rechtsnorm, also um Kollisionsrecht (und zwar der lex fori), nicht um Sachrecht 710 . Jedoch ist es hier die Bewertung der Sachinteressen selbst, die die Waage zur einen oder anderen Seite ausschlagen läßt, indem sie diejenige Norm heranzieht, die — i m Verhältnis zu der jeweils anderen — bestimmte Sachinteressen besonders fördert. Das ist deswegen möglich und erforderlich, weil die Wertung der kollisionsrechtlichen Interessen allein zu einem „Patt" geführt hat, zu einer gleichzeitigen Berufung zweier oder mehrerer Rechtsordnungen. Da das methodische Repertoire insoweit erschöpft, der Weg zu Ende gegangen ist, sind nunmehr die Sachinteressen unmittelbar (d. h. nicht mehr nur als Gegenstand der kollisionsrechtlichen Interessen) zu bewerten, u m den Vorgang der Wahl der „richtigen" Rechtsnorm zu Ende zu bringen. So ist beim Deliktsstatut eine Entscheidung zwischen dem Recht des E r folgs« u n d dem des Handlungsortes aufgrund kollisionsrechtlicher Interessen nicht mehr möglich. Eine unmittelbare Bewertung der Sachinteressen f ü h r t jedoch dazu, den Interessen des Geschädigten den Vorzug zu geben: es w i r d der Normenkomplex herangezogen, der i h n am günstigsten stellt, die A n w e n d u n g ist alternativ. Hätte man den Schädiger bevorzugt, so hätte m a n den Normenkomplex angewandt, der i h n am wenigsten haften läßt, die A n w e n d u n g wäre „ k u m u l a t i v " 7 1 1 . B e i m Formstatut f ü h r t das (kollisionsrechtliche) Verkehrsinteresse zur A n w e n d u n g des Ortsrechts, zum Geschäftsrecht kann ζ. B. das Parteiinteresse führen; eine W a h l zwischen beiden aufgrund kollisionsrechtlicher Interessen erscheint nicht mehr möglich. Bei der Bewertung der Sachinteressen w i r d das (materiellrechtliche) Interesse des Verkehrs an Gültigkeit möglichst vieler Geschäfte höher bewertet: die jeweils formgünstigste N o r m w i r d (alternativ) gewählt. H i e r w i r d die Entscheidung freilich durch 709 Eingehend Wengler, Gen. Princ. 317 - 325, sowie Gleichh. 348 - 355, der hier die Gefahr der Diskriminierung gegenüber „homogen verknüpften" Sachverhalten sieht. Sie besteht indessen nicht, sofern m a n zu dieser M e thode n u r schreitet, w e n n die kollisionsrechtliche Interessenwertung zu einem „ P a t t " führt. Die Besonderheit ist gerade durch den „international verknüpften Sachverhalt" gerechtfertigt, den manche j a zum Anlaß nehmen wollen, überhaupt neues Sachrecht zu schaffen (hierzu T. 1 C I I I 4, T. 4 C H I 4, sowie Wengler, ebd. 355-367; vgl. auch unten T. 4 C I I 7 zu Fn. 172). Ferner jüngst Bucher, Règ. de ratt. subst. 710 Α. A. Bühler, Völkerr. Geh. 179 (für A r t . 12 EGBGB). Es handelt sich darum auch nicht u m „Sachrecht i m I P R " (wie Steindorff meint). 711 Unter den soeben erhobenen Vorbehalten gegen eine solche Bezeichnung.

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T e i l 2: Die R e - K o n s t r u k t i o n des klassischen IPR-Modells

die vorherige A n k n ü p f u n g an den Geschäftsort i m Verkehrsinteresse bereits präjudiziert, denn bei einer k u m u l a t i v e n Verknüpfung käme das Ortsrecht n u r beschränkt zum Zuge, der Verkehr könnte sich auf dessen Geltung also nicht verlassen. M i t einer anderen Wertung der Sachinteressen hätte m a n somit die vorhergegangene A b w ä g u n g kollisionsrechtlicher Interessen wieder zunichte gemacht; daher w a r n u r alternative A n wendung möglich. Bei der Adoption f ü h r t das Parteiinteresse des Adoptierenden zur Berufung seines Heimatrechts, das (präsumtive) des K i n d e s 7 1 2 zur Berufung seines Heimatrechts wenigstens f ü r die auf seiner Seite erforderlichen Einwilligungen; zu einer partiellen Verdrängung des allgemeinen A d o p tionsstatuts hat es indessen nicht gereicht. Auch hier w i r d die W a h l der ausschlaggebenden materiellen Interessen durch die vorhergegangene k o l lisionsrechtliche Interessenwertung bereits präjudiziert. Die auf Seiten des Kindes berufenen Sachnormen bezwecken seinen Schutz, darum w e r den sie an seine Staatsangehörigkeit angeknüpft. Diese kollisionsrechtliche Interessenbewertung machte m a n zunichte, w e n n m a n jetzt alternativ, also „adoptionsfreundlich" anknüpfte 7 1 3 , daher muß sich auch bei der Bew e r t u n g der Sachinteressen das materielle Interesse des Adoptivkindes an Schutz vor „ungewollten" Adoptionen durchsetzen: es ist n u r eine k u m u lative Beurteilung der entsprechenden Voraussetzungen möglich. S o m i t i s t f e s t z u h a l t e n : Es k a n n sein, daß die k o l l i s i o n s r e c h t l i c h e I n t e r e s s e n b e w e r t u n g n i c h t z u einer e i n z i g e n A n k n ü p f u n g f ü h r t , s o n d e r n z u z w e i oder m e h r e r e n n e b e n e i n a n d e r , u n d z w a r d a n n , w e n n das O r d nungsinteresse a n e i n e r e i n z i g e n A n k n ü p f u n g n i c h t s t a r k g e n u g ist, die „überzähligen" A n k n ü p f u n g e n zu verdrängen. Werden hierdurch verschiedene R e c h t s o r d n u n g e n b e r u f e n , so w i r d u n t e r d e n „ k o n k u r r i e r e n den" N o r m e n k o m p l e x e n der anzuwendende durch u n m i t t e l b a r e Bew e r t u n g d e r Sachinteressen a u s g e w ä h l t , u n d z w a r w e r d e n b e s t i m m t e Sachinteressen h ö h e r b e w e r t e t als andere, m i t d e r Folge, daß d i e j e n i g e n S a c h n o r m e n herangezogen w e r d e n , die diesen Interessen j e w e i l s besser gerecht w e r d e n . Das f ü h r t — j e nach d e m E r g e b n i s dieser B e wertung — entweder zu „ k u m u l a t i v e r " A n w e n d u n g m i t „ M i n i m a i L ö s u n g " oder z u „ a l t e r n a t i v e r " A n w e n d u n g m i t „ M a x i m a l - L ö s u n g (wobei, w i e b e m e r k t , auch diese B e z e i c h n u n g e n r e l a t i v s i n d ) 7 1 4 . D i e B e w e r t u n g d e r ausschlaggebenden Sachinteressen d a r f aber keinesfalls d i e vorausgegangene B e w e r t u n g d e r k o l l i s i o n s r e c h t l i c h e n Interessen w i e d e r n a c h t r ä g l i c h z u n i c h t e machen; w e n n e t w a S a c h n o r m e n w e g e n ihres Schutzcharakters a n d i e S t a a t s a n g e h ö r i g k e i t e i n e r P e r s o n „ k o n 712

Sofern man A r t . 22 Abs. 2 EGBGB allseitig „ausbaut". Was natürlich schon der Gesetzeswortlaut nicht zuließe; doch gelten diese Überlegungen unabhängig davon. 714 D a m i t setzt die lex fori zwar nicht ihre eigene Sachrechtslösung durch (dafür müßte sie selbst „berufen" sein), w o h l aber — über i h r Kollisionsrecht — i m Vergleich der berufenen Rechte eine bestimmte sachliche Tendenz (die natürlich durch die Nähe zur eigenen Sachrechtslösung charakterisiert sein kann). 713

D. Die Weiterentwicklung des räumlichen Kollisionsrechts

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kurrierend" angeknüpft werden, dann muß regelmäßig auch das materielle Schutzinteresse dieser Person den Ausschlag bei der Auswahl unter den „konkurrierenden" Rechten geben. Diese Häufung von Anknüpfungen ist somit ein geeignetes Mittel, gewisse sachrechtliche Gesichtspunkte i m Kollisionsrecht verstärkt zum Tragen zu bringen, wo die kollisionsrechtliche Interessenabwägung nicht mehr weiter führt. Sie ist auch für die Weiterentwicklung des IPR ein brauchbares Werkzeug 7 1 5 , bietet sich ζ. B. i n manchen Fragen der Anknüpfungsgleichberechtigung an, sollte aber wegen ihrer Kompliziertheit sparsam eingesetzt werden. Die Grundgedanken dieses Vorgangs sind i m geltenden positiven Kollisionsrecht häufig verborgen i n Exklusivnormen zugunsten deutschen Sachrechts 716 , die die allgemeinen Kollisionsnormen durchbrechen. I n ihnen w i r d materiellen Regeln der lex fori unmittelbar zur Geltung verholfen. Indessen ist eine unmittelbare kollisionsrechtliche Bewertung von Sachinteressen erst zulässig, wenn die kollisionsrechtliche I n teressenbewertung abgeschlossen ist und wenigstens den Rahmen steckt. Häufig w i r d es sich bei den Vorbehalten zugunsten deutschen Rechts u m solche Fälle handeln, bei denen i m Ergebnis zwei Anknüpfungen gleichwertig nebeneinander stehen. Dann aber besteht kein Grund, die konkurrierende Anknüpfung nur anzuerkennen, wenn sie zum deutschen Recht führt; die „Exklusivnorm" ist zu einer allgemeinen Mehrfachanknüpfung „auszubauen". Wo sich ein solches „Patt" der kollisionsrechtlichen Interessenwertung dagegen nicht ergibt, w i r d die Bevorzugung der deutschen lex fori meist sachlich nicht gerechtfertigt sein und ist aufzugeben 717 .

715

Z . B . f ü r das I P R der Produzentenhaftung Lorenz, Prod. 206; f ü r das internationale Kartellrecht Mertens, K a r t . R. 405-408; f ü r den Rechtserwerb an Exportsachen Lüderitz, Bew. Sachen 197 - 200. I m internationalen A r beitsrecht vgl. Gamillscheg, Ged. 839 - 841 (wobei ausländische Gepflogenheiten i m Wege des „Auslandssachverhalts" zu berücksichtigen sind, ζ. B. gleichwertige, aber i m Detail abweichende ausländische Arbeitsschutzbestimmungen die zusammen m i t deutschen gelten; vgl. insbes. 842). U m eine A n knüpfungshäufung handelt es sich auch überall, w o zum Schutz eines „Schwächeren" aus einer weiteren Rechtsordnung „Mindeststandards" entnommen werden; hierzu Kropholler, Schw. Vertr. part. 649-651. B e i m Ehenamen w i r d zu einer „Doppelqualifikation" Zuflucht genommen (vgl. dazu Lüderitz, A n k n . 36 f. u n d oben D I V 1 Fn. 624), die hier allerdings verbunden ist m i t einem Wahlrecht der betroffenen Ehefrau (es erfolgt also kein u n mittelbarer materieller Stichentscheid, sondern eine begrenzte Zusatzanknüpfung an den Par tei willen). 716 Die deutschen Exklusivnormen sind z. B. zusammengestellt bei Kegel, I P R 126. 717 Kegel, IPR 64, 126, 244. Zurückhaltend gegenüber „ E x k l u s i v n o r m e n " auch Neuhaus, Grdbegr. 384. 14 Schurig

210

T e i l 2: Die Re-Konstruktion des klassischen IPR-Modells

V· Der Einfluß von Änderungen materiellen Rechts auf das IPR Die Frage, welchen Einfluß Änderungen des materiellen Rechts auf das IPR haben, läßt sich beantworten anhand der bisher dargestellten Zusammenhänge. Weder ist das Kollisionsrecht völlig unabhängig von Vorgängen i m materiellen Bereich — das ist schon deshalb nicht möglich, weil materielle Normen Bestandteile des kollisionsrechtlichen Tatbestandes sind 7 1 8 —, noch muß sich auf der anderen Seite jede Veränderung i m System des materiellen Rechts, insbesondere auch des eigenen, kollisionsrechtlich auswirken. Daß das Kollisionsrecht auf Veränderungen i m materiellen Bereich reagieren kann, liegt an seiner Sachrechtsbezogenheit: Materielle Normen bilden — neben anderem — dem „Gegenstand" des internationalen Privatrechts. Das Kollisionsrecht verbindet Normen m i t Sachverhalten; an welcher Seite man „methodisch ansetzt", beim Sachverhalt oder bei den Normen, ist völlig gleich 7 1 9 . Jede Sachnorm ist kollisionsrechtlich zu verarbeiten, sobald ihre Anwendung überhaupt faktisch i n Betracht kommen kann; jede Sachnorm, inländische wie ausländische, w i r f t daher, wie es Kahn plastisch ausdrückte, „ihren privatinternationalen Schatten" 7 2 0 . Werden irgendwo neue Sachnormen geschaffen, so sind zunächst die kollisionsrechtlichen Interessen zu prüfen, die zu einer „gerechten" Anknüpfimg führen. Stimmen sie — wie meist — i n A r t , Struktur und Ergebnis überein m i t solchen, die bereits Bündelungskriterien 7 2 1 einer allseitigen Norm sind, so ist die gefundene „Element-Kollisionsnorm" i n das Bündel einzubeziehen. Die Sachnorm w i r d als zu dem betreffenden Statut gehörig „qualifiziert", die allseitige Kollisionsnorm w i r d „angewandt". Anders jedoch, wenn die neuen Sachnormen kollisionsrechtliche Interessen auf den Plan rufen, die noch nicht oder nicht i n dieser Verbindung Gegenstand der vorhandenen Bündelungen sind; dann sind sie nicht etwa zu negieren — wie noch Savigny meinte —, sondern es ist neben den bereits vorhandenen, positiven Kollisionsnormen eine neue, „passende" Kollisionsnorm für diese Sachnorm zu entwickeln. Sie kann ihrerseits, wenn später entsprechende Einzel-Kollisionsnormen hinzukommen, zum Kondensationskern einer neuen allseitigen Bündelung werden, ja sie kann sogar i m Vorgriff auf gleichartige kollisionsrechtliche Entscheidungen sofort als ein solches „Bündel", als allseitige K o l lisionsnorm für zunächst noch hypothetische Fälle formuliert werden 718 719 720 721

Oben A I V . Oben A V I . I n h a l t 300. Vgl. oben A V 3 u n d 4.

D. Die Weiterentwicklung des räumlichen Kollisionsrechts

211

(allerdings auf die Gefahr hin, daß sie von der Rechtsgemeinschaft nicht akzeptiert wird). Ob die neue Sachnorm, die den Anlaß für die kollisionsrechtliche Normbildung liefert, dem eigenen oder einem fremden Recht angehört, ist prinzipiell gleich; gehört sie der lex fori an, w i r d es die Praxis freilich lange Zeit bei Einzel- oder einseitigen (d. h. nur vert i k a l gebündelten) Kollisionsnormen für das eigene Recht belassen. Doch stellt sich dann, wenn eine vergleichbare ausländische Norm auftaucht, stets die Frage einer allseitigen Erweiterung. Denn die (autonom zu wertenden) kollisionsrechtlichen Interessen sind i m allgemeinen dieselben, gleich welchem Recht die Sachnorm angehört. Daß für das eigene Sachrecht als solches besondere, nicht zu verallgemeinernde kollisionsrechtliche Interessen sprechen, also Interessen für eine Ungleichbehandlung, dürfte zumindest ganz selten sein 7 2 2 . Auch die Verschiebung des rechtspolitischen Gehalts von Sachnormkomplexen kann kollisionsrechtliche Auswirkungen haben. Da die Sachinteressen Gegenstand der kollisionsrechtlichen Interessen sein können, ist es durchaus möglich, daß eine Umschichtung der materiellen Interessenbewertung auch die kollisionsrechtlichen Interessen verändert. Geschieht das i n solchem Maße, daß die Bündelungskriterien der bisher maßgeblichen Kollisionsnorm nicht mehr erfüllt werden, so ist auch hier eine erneute kollisionsrechtliche Bewertung nötig, die entweder zu Element-Kollisionsnormen führt, die nunmehr einer anderen allseitigen Bündelung zugeschlagen werden können, oder die — wenn das nicht möglich ist — zunächst isoliert bleiben und gegebenenfalls den Grundstock für eine neue Bündelung bilden. Beim Abgehen von der bisherigen Anknüpfung ist jedoch wiederum das „kollisionsrechtliche Trägheitsprinzip" zu beachten, d. h. das Ordnungsinteresse an K o n t i nuität der Anknüpfung muß zunächst überwunden werden 7 2 3 . Es macht sich um so weniger bemerkbar, je schroffer die Abkehr von der bisherigen sachrechtlichen Auffassung, je „neuer" also die abgewandelten Sachnormen sind. Soweit bei der Anknüpfungshäufung der konkrete Vergleich der materiellen Regelungen den Ausschlag gibt 7 2 4 , kann sich natürlich jede Änderung des Sachrechts dahin auswirken, daß nunmehr die andere Norm die „schwächere" oder die „stärkere" ist. Wenn das Kollisionsrecht von Veränderungen i m sachlichen Bereich betroffen wird, dann darum, weil es auf diese zu reagieren hat. Eine unmittelbare Abhängigkeit indessen gibt es nicht, auch nicht bei Veränderungen der lex fori. Wenn für neue oder veränderte Sachnormen 722 723 724

14*

Oben D I V 5 a. E. Oben D I V 4. Oben D I V 5.

212

T e i l 2: Die R e - K o n s t r u k t i o n des klassischen IPR-Modells

neue Kollisionsnormen zu bilden sind (oder eine andere „Bündelung" aufzusuchen ist), dann können die bisherigen Kollisionsnormen durchaus richtig bleiben für Rechtsordnungen, deren Sachrecht dem früheren der lex fori vergleichbar ist, und die neuen Kollisionsnormen wären an sich schon früher „richtig" gewesen für Rechtsordnungen, deren Sachrecht bereits damals dem jetzigen der lex fori vergleichbar war. Nur fällt meist rein praktisch die Erkenntnis der anderen kollisionsrechtlichen Interessenlage zusammen m i t der Erneuerung des eigenen Sachrechts. Bei dessen Beurteilung gibt man sich gewöhnlich mehr Mühe, während man sich, solange es „ n u r " u m ausländisches Recht geht, gern m i t gröberen Einteilungsgesichtspunkten zufrieden gibt (was zwar nicht zu billigen, aber wohl damit zu erklären ist, daß die — u. U. vereinzelte — fremde Regelung uns i m allgemeinen nicht häufig genug beschäftigt, u m die nötigen „Denkanstöße" zu geben). Die Neuorientierung i m eigenen Recht ist darum lediglich der Anlaß, die kollisionsrechtliche Frage erneut zu stellen, macht die besondere kollisionsrechtliche Interessenkonstellation erst bewußt. So wäre es schon vor dem Übergang des deutschen Nichtehelichenrechts zum Anerkennungssystem angemessen gewesen, A r t . 22 Abs. 2 EGBGB stets dann entsprechend anzuwenden, wenn das berufene Vaterschaftsstatut eine Anerkennung verlangt; freilich hat schon die Beschränkung dieser Vorschrift auf deutsche Kinder durch die h. M. solche Überlegungen behindert 7 2 5 . Bei Änderungen der Bewertung i m materiellrechtlichen und i m kollisionsrechtlichen Bereich kann andererseits aber auch eine bloße Parallelität auftreten. Zwischen dem Kollisionsrechtssetzer und dem Sachrechtssetzer der lex fori besteht Personalunion; es ist daher nur natürlich, wenn dieselben Zeitströmungen sich hier wie dort auswirken. Das ist z. B. — m i t einiger Verspätung — der Fall beim Gleichberechtigungsgrundsatz: die Verwirklichung der Gleichberechtigung i m materiellen und i m kollisionsrechtlichen Bereich sind nicht ursächlich m i t einander verbunden, sie erfolgen parallel aufgrund derselben sich durchsetzenden Wertentscheidung 726 . Wo Sachinteressen sich kollisionsrechtlich unmittelbar auswirken, w i e bei der Entscheidung zwischen Sachnormen, die durch Anknüpfungshäufung konkurrierend berufen werden, könnten die i n Änderungen des materiellen Rechts zum Ausdruck gekommenen Interessen725 E i n anderes Beispiel ist die durch den Wandel i m Unterhalts recht ausgelöste Änderung bei der Bestimmung des Unterhalts statuts; dazu ζ. B. Kropholler, Vatersch. — Dazu, daß die alte kollisionsrechtliche Beurteilung richtig bleiben k a n n gegenüber fremden Sachregelungen, die der früheren eigenen entsprechen, vgl. auch Siehr, Wechselw. 479 f. 726 v g l Z t & über die Auswirkungen der Eherechtsreform auf das deutsche I P R Jayme, Eher. ref.

D. Die Weiterentwicklung des räumlichen Kollisionsrechts

213

W e r t u n g e n u . U . A n h a l t s p u n k t e d a f ü r geben, ob „ k u m u l a t i v e " oder „ a l t e r n a t i v e " A n w e n d u n g g e b o t e n i s t ; auch das w ä r e d a n n eine F o r m der „ P a r a l l e l b e w e r t u n g " 7 2 7 .

727 Sie hinge damit zusammen, daß auch bei der Entscheidung zwischen „zugleich" berufenen Rechten sadhrechtliche Tendenzen verfolgt werden, die m i t den rechtspolitischen Zielen des eigenen Sachrechts richtungsgleich sein können; vgl. oben D I V 5 Fn. 714.

TEIL 3

Brennpunkte zwischen Kollisions- und Sachrecht A. Vorbemerkung Es gibt i m „allgemeinen Teil" des internationalen Privatrechts besonders dort Probleme, wo sich Kollisionsrecht und Sachrecht auf i r gendeine Weise berühren: So geht es bei der Qualifikation u m die Bestimmungsfunktion der dem Sachrechtssystem entnommenen Nomenklatur für das internationale Privatrecht; ähnlich bei der Ausdeutung „juristischer" Anknüpfungsbegriffe (Staatsangehörigkeit, Wohnsitz usw.). Ob besondere Sachnormen für Sachverhalte mit Auslandsberührung zum internationalen Privatrecht gehören oder nur zum Sachrecht, ist eine weitere vieldiskutierte Frage. Die Angleichung wiederum bet r i f f t u. a. Manipulationen am Sachrecht aus internationalprivatrechtlichen Gründen. Verwandt ist die Frage der Sachnormen im IPR. Bei der Umgehung benutzt man umgekehrt Kollisionsnormen, u m ein anderes sachliches Ergebnis zu erreichen. Sachnormen mit „eigenem" Anwendungsbereich scheinen Kollisions- und Sachrecht miteinander zu verschmelzen. Schließlich geht es beim ordre public u m die stets brennende Frage einer „Durchbrechung" der „internationalprivatrechtlichen" Gerechtigkeit zugunsten der „materiellprivatrechtlichen" Gerechtigkeit, einschließlich des Vorrangs von Verfassungssätzen. Diese Probleme richtig einzuordnen und zu entschlüsseln, setzt K l a r heit über Funktion, Struktur und Grundzusammenhänge des kollisionsrechtlichen Systems — und damit zugleich über sein Verhältnis zum Sachrecht — voraus. Wenn unsere Überlegungen über die „ReKonstruktion" des klassischen internationalen Privatrechts schlüssig sind, müßten sie darum bei der Bestimmung des Standorts dieser Fragen von Nutzen sein können. I m folgenden geht es somit darum, diese Probleme in den hier entworfenen Gesamtzusammenhang zu stellen und so ihre Erklärung und Lösung möglicherweise zu erleichtern.

Β . Die Berührungsfälle von Kollisions- u n d Sachrecht i m einzelnen

215

B. Die Berührungsfälle von Kollisions- und Sachrecht im einzelnen I . Qualifikation

1. Eigentliche

Qualifikation

Als Schlüsselproblem des Kollisionsrechtsverständnisses hat sich seit dem Sieg der autonomistischen Schule immer wieder die Qualifikation erwiesen 1 . M i t gutem Grund: Hier wirken sich die dogmatischen Strukturvorstellungen unmittelbar aus, und hier schlagen sie gleich auf das praktische Ergebnis durch, eine Tatsache, die die Qualifikation bei einigen K r i t i k e r n besonders i n Verruf gebracht und ihr den V o r w u r f einer manipulierbaren Scheinbegründung eingehandelt hat. Schulmäßig unterscheidet man i m allgemeinen drei „Theorien" der Qualifikation: die lex-fori-Qualifikation, die lex-causae-Qualifikation und die sog. autonome Qualifikation 2 . Die lex-fori-Qualifikation identifiziert die Bestimmungskriterien für die von den jeweiligen Kollisionsnormen erfaßten „Statute" (unsere „Bündelungskriterien") m i t den Systematisierungskriterien des eigenen materiellen Rechts. Die Systembegriffe, die i n einer Kollisionsnorm die anzuknüpfenden Normenkomplexe bezeichnen, und die Systembegriffe, die die eigene Sachrechtsordnung aufgliedern, sollen somit inhaltlich identisch sein. Demgegenüber w i l l die lex-causae-Qualifikation die Systembegriffe i n den Kollisionsnormen i n dem Sinn verstehen, den ihnen die (eventuell) berufene Rechtsordnung beilegt. Die „autonome" Qualifikation — „autonom", weil unabhängig von den Einteilungsgesichtspunkten der Sachrechtsordnung 3 — w i r d noch unterteilt i n die „rechtsvergleichende" Qualifikation Rabeis, die die Systembegriffe durch rechtsvergleichende Betrachtung erschließen w i l l , und die „internatio 1 Vgl. oben T. 2 Β V. Eingehend zu den verschiedenen Qualifikationstheorien Rigaux, Qual.; Kegel, I P R 130 - 146; Dötle, I P R 74 - 83. Vgl. ferner Wengler, Qual.; Balogh, Role 598-620; Gamillscheg, Überl.; Makarov, Qual.; Robertson, Charakt.; Dicey / Morris, Confi. 19-33. Weitere L i t e r a t u r bei Kegel, I P R 129 f.; Raape / Sturm, I P R 275; Schwimann, Qual. 2 Nicht i n diese Einteilung paßt Steindorff, der qualifizieren w i l l a) nach der lex fori, wo diese „den Maßstäben . . . einer überwiegenden Mehrzahl . . . konkurrierender Rechtsordnungen entspricht", hilfsweise b) nach der Rechtsordnung, m i t der der Sachverhalt „tatsächlich wesentlich stärker v e r k n ü p f t ist", hilfsweise c) i m Wege der „Mehrfachqualifikation" (Sachnormen 276). Dabei bleibt indessen die konkrete Kollisionsnorm unberücksichtigt, u m deren Anwendungsbereich es bei der Qualifikation schließlich geht. A n der Praktizierbarkeit eines solchen Systems läßt sich zweifeln. — Andere Einteilungen ζ. T. auch i m Ausland: Dicey / Morris, Confi. 22 - 27, ζ. Β . unterscheidet fünf „Theorien". 3 Es handelt sich also u m etwas anderes, als beim „Autonomismus", von dem oben (T. 2 Β I V u n d D I V 2) die Rede war.

216

T e i l 3: Brennpunkte zwischen Kollisions- u n d Sachrecht

nalprivatrechtliche" Qualifikation Kegels, die auf die der jeweiligen Kollisionsnorm zugrunde liegenden kollisionsrechtlichen Interessen zurückgeht. Das größte Hindernis für eine unbefangene Betrachtung des Qualifikationsproblems war stets die halbseitige Blindheit, m i t der der „Gegenstand" der Kollisionsnorm fixiert wurde: Nachdem man den „ A n satzwechsel" vom Gesetz zum „Rechtsverhältnis" (Sachverhalt) zur Hauptleistung Savignys und Grundlage des gesamten modernen IPRSystems stilisiert hatte, war die „Schwierigkeit" der Qualifikationsfrage programmiert. Denn bei ihr geht es gerade darum, ob bestimmte ausländische Gesetze von der jeweiligen Kollisionsnorm erfaßt, also für „anwendbar" erklärt werden; sie kann kaum gelöst werden, wenn man sich den Blick auf diese Gesetze verbaut. Plastisch veranschaulicht werden diese selbstgeschaffenen Schwierigkeiten und die Versuche zu ihrer Überwindung durch die verschlungenen Überlegungen der besonders in Österreich vertretenen „Stufenqualifikation" 4 : Hiernach sollen beim Vorgang der Qualifikation zwei Stufen zu unterscheiden sein: die Auffindung des anzuwendenden Rechts und seine Anwendung. A u f der ersten Stufe müsse „jeder Sachverhalt, bei dem es gilt, eine Kollisionsnorm aufzufinden, i m System der lex fori eingeordnet werden, das dann das Anknüpfungsmoment und damit die Verweisung auf das anwendbare Recht bestimmt" 5 . Dies sei freilich nicht leicht, wenn es gelte, ausländische Gebilde den Systembegriffen des innerstaatlichen Rechts zuzuordnen. Dabei (!) seien dann „Überlegungen rechts vergleichender Natur i m Sinne Rabeis, aber auch solche teleologischer Natur i m Sinne Kegels anzustellen" 6 . Ist die „Qualifikation ersten Grades" beendet, so ist aufgrund der nunmehr gefundenen Kollisionsnorm das anzuwendende Recht festzustellen. Damit beginnt die „Qualifikation zweiten Grades", bei der die „systematische Einordnung i m eigenen Recht keine Rolle mehr" spielt, bei der man „sich völlig aus dem Schwerefeld der verweisenden Rechtsordnung gelöst" hat 7 und die fremden Sachnormen anwendet, gleich wo sie hingehören. Diese „Stufenqualifikation" erscheint als anschauliche Häufung verschiedener Mißverständnisse 8 . Sie haben ihren Ursprung vor allem i n 4 Scheucher, Qual.; Schwind, Hdb. 48 f.; ders., Qual.; ferner i n der Schweiz: Schnitzer, Betr. 330 f. (der den Anstoß zu dieser Lehre gegeben hat); i n I t a l i e n z.B. Betti, Grundprobl. 235, 243, 245 (mit drei Stufen); vgl. auch de Nova, Trends 816; i n Dänemark z. B. Philip, Gen. Course 40 f. 5 Schwind, Hdb. 48, f ü r selbständige Begriffsbildung indessen 31 f.! 6 Ebd. 49. 7 Ebd. W o r i n hier eine „Qualifikation" zu sehen ist, bleibt freilich u n k l a r (vgl. unten Fn. 12). 8 V o r allem darf sie nicht i n Verbindung gebracht werden m i t der Qualifikation i m Sinne des fremden Kollisionsrechts beim Renvoi (so aber Schwind,

Β . Die Berührungsfälle v o n Kollisions- u n d Sachrecht i m e i n z e l n e n 2 1 7

dem Bemühen, hier, wo es i n erster Linie u m die Beurteilung fremder Rechtsfiguren — und damit fremder Sachnormen — geht, m i t Gewalt am so hoch eingeschätzten „Ansatz beim Sachverhalt" festzuhalten. Schon der Trennung des Problems i n die Bestandteile „Auffindung" und „Anwendung" (als Teil der Qualifikation!) des „anwendbaren" Rechts mangelt es an überzeugender Schlüssigkeit: „Auffindung" des Rechts ohne seine „Anwendung" ist sinnlos, „Anwendung" ohne „ A u f findung" nicht möglich. Wenn man aber nichts anderes „anwenden" kann, als was man „aufgefunden" hat, dann fragt sich, wozu es nütze ist, diesen Vorgang aufzuspalten. I n Wahrheit geht es u m die Frage, ob eine fremde oder eigene Sachnorm — oder die dazu gehörige „Negativnorm" 9 —, deren Tatbestand durch den zu beurteilenden Sachverhalt erfüllt wird, auf diesen Sachverhalt anzuwenden ist oder nicht, und das ist ausschließlich eine Frage der Kollisionsnorm. Wozu soll es gut sein, den Sachverhalt stets und notwendig erst einmal unter Systembegriffe des eigenen Sachrechts zu subsumieren, wenn die Anwendung dieses Sachrechts überhaupt nicht i n Frage steht 10 ? Hier treten dieselben Widersprüche auf wie generell bei der lex-fori-Qualifikation 1 1 , und i n der Tat ist diese erste Stufe auch nichts anderes. Ist das anzuwendende Recht auf der zweiten Stufe erst einmal „aufgefunden", dann soll es auf die systematische Einordnung nicht mehr ankommen. Aber jetzt kommt es überhaupt erst „zum Schwur", jetzt gilt es zu entscheiden, ob bestimmte Sachnormen etwa als „Erbrecht" mitberufen sind oder als „Ehegüterrecht" ausgeschlossen, bzw. umgekehrt 1 2 . Hdb. 49; Scheucher, Qual. 231 -233). Dabei handelt es sich nämlich u m keine Qualifikation i m Rahmen unseres I P R auf „zweiter Stufe", sondern u m eine erneute Qualifikation auf „erster" (und einziger) Stufe, diesmal n u r v o m (durch eine „Kollisionsgrundnorm" berufenen) fremden Kollisionsrecht aus gesehen; w i r haben es also nicht m i t einer zwei stufigen Qualifikation zu tun, sondern n u r m i t einer zweimaligen. — Über die Mehrdeutigkeit der „ Q u a l i f i kation zweiten Grades" vgl. auch Neuhaus, Grundbegr. 113. 9 Oben T. 2 A I V . 10 A l s Arbeitstechnik zum A u f f i n d e n eines praktischen vorläufigen Ansatzes mag eine solche probeweise u n d unverbindliche Subsumtion brauchbar sein wegen der Bedeutungsähnlichkeit der Begriffe; hierzu weiter unten. Doch hat das nichts m i t der Struktur des Problems zu tun. 11 Einschließlich der U n k l a r h e i t darüber, ob es sich u m die materielle oder die kollisionsrechtliche „ l e x fori" handelt. Gewöhnlich w i r d auch hier s t i l l schweigend der erste Sinn vorausgesetzt; vgl. Schwind, Qual. 430; Scheucher, Qual. 232 f. (der eine „autonome" Auslegung zu Unrecht ablehnt). — Näher i m folgenden. 12 Raape / Sturm, I P R 279 f. sehen überhaupt erst hier das eigentliche Qualifikationsproblem. Schon Rabel, Qual. 274, hat übrigens die (noch nicht so bezeichnete) „Stufenqualifikation" als unverständlich verworfen. K r i t i s c h zur „Stufenqualifikation" ferner Niederer, Einf. 238 - 241 ; Makarov, Qual. 152- 154; Dicey / Morris, Confi. 25 f.; u n d vom Standpunkt des Unilateralismus, Quadri, Lez. 183 f. — Die Ungereimtheiten dieser Lehre erkennt offen-

218

T e i l 3: Brennpunkte zwischen Kollisions- u n d Sachrecht

Wie bemerkt, ist auch die „Stufenqualifikation" nur eine Weiterentwicklung der lex-fori-Qualifikation, zu der sich noch immer die meisten Autoren bekennen — was sich freilich bei näherem Hinsehen häufig als Lippenbekenntnis entpuppt. Die Bezeichnung „lex-fori-Qualifikation" ist ungenau, und diese Ungenauigkeit stiftet immer wieder Verwirrung. Es geht darum, die Systembegriffe des IPR dem eigenen Sachrecht entsprechend auszulegen, die Systembegriffe des IPR und die des S achrechts als identisch zu behandeln. „ L e x fori" bedeutet i n diesem Zusammenhang also ausschließlich „Sachrecht". Auch das Kollisionsrecht gehört nämlich zur lex fori, und wer — wie etwa Kegel und schon früher Kahn und auch Rabel — die Qualifikation unmittelbar aus dem IPR heraus („autonom", wie man zu sagen pflegt) löst, qualifiziert ebenfalls nach der lex fori, aber nach deren Kollisionsrecht, nicht dem Sachrecht. Die mangelnde Unterscheidung der beiden Bereiche hat dazu geführt, daß sich die sog. lex-fori-Qualifikation falsche Argumente zu eigen machen konnte. So ist es richtig, daß die lex fori „den Obersatz aufstellt" und damit allein imstande ist, „festzustellen, ob die aus dem fremden Steinbruch herausgeschlagenen Blöcke (Untersatz) den von ihr erwarteten Qualitätsanforderungen entsprechen oder nicht" 1 3 . Nur bedeutet dies überhaupt nichts für die Frage, um die es geht, nämlich wie weit gerade das Sachrecht der lex fori für die Begriffsbestimmung maßgebend ist 1 4 . A u f der anderen Seite entspringen Vorurteile gegen die autonomistische („nationalistische", „positivistische") 15 IPR-Auffassung 1 6 derselben Quelle. Gewiß ist sie verbunden m i t einem Bekenntnis zur alleinigen Maßgeblichkeit des eigenen staatlichen Rechts — also der bar auch Schwimann, Qual. 9 - 1 1 , der deshalb „ v o n allen Sachnormen, die das fremde Recht insgesamt zur Regelung des Sachverhalts b e r u f t " n u r diejenigen „endgültig zur A n w e n d u n g zulassen" w i l l , die i n den von den eigenen Kollisionsnormen gezogenen „Rahmen" fallen. Die „Stufentheorie" soll so zu einer „Zwei-Rahmen-Theorie" abgeschwächt werden. Das ist i n dessen n u r ein halber Schritt; richtig wäre erst die „Ein-Rahmen-Theorie". Denn entweder geht es u m die (problemlose) erneute Qualifikation bei der Anwendung des (von uns berufenen) fremden Kollisionsrechts (Renvoi); das ist keine „zweite Stufe" unserer Qualifikation (oben Fn. 8). Oder es w i r d einfach die fremde (berufene!) Sachnorm angewandt u n d natürlich entsprechend ihrem Sinn ausgelegt; das hat dann m i t I P R - Q u a l i f i k a t i o n überhaupt nichts mehr zu tun. Das von Scheucher, Qual. 232, selbst angeführte Beispiel der englischen V e r j ä h r u n g belegt dies deutlich. 13 Raape / Sturm, I P R 278. Ä h n l i c h der Sache nach Schnitzer, Betr. 330 f. 14 Zutreffend z.B. Batiffol l Lagarde, D. I . P . 375; Gamillscheg, Überl. 79 f. Vgl. auch unten Fn. 19. 15 Z u diesen Benennungen oben T. 2 Β I V a. Anf. 16 Insbesondere auch gegen Kahn, der zu Unrecht ständig als (Mit-)Begründer u n d Hauptvertreter der (materiell verstandenen) „ l e x - f o r i - Q u a l i f i k a t i o n " angeführt w i r d ; so etwa bei Keller, Verh. 70 Fn. 31; Makarov, Qual. 159 f.; Schwind, Hdb. 45; Schwimann, Qual. 8; Rabel, Confi. 53; während Balogh, Role 586 f., 599, sie m i t Recht n u r auf Bartin zurückführt. Zutreffend auch Neuner, Sinn 134.

Β . Die Berührungsfälle v o n Kollisions- u n d Sachrecht i m e i n z e l n e n 2 1 9

lex fori — i m IPR, aber daß dies das Sachrecht ist, ist damit keineswegs gesagt, und dessen Bedeutung für das IPR ist i m Gegenteil immer mehr zurückgedrängt worden 1 7 . Es scheint, als ob die soeben gekennzeichnete Unklarheit auch dafür verantwortlich ist, daß sich die lex-fori-Qualifikation überhaupt so lange behaupten konnte. Denn, nimmt man sie beim Wort, gibt sie ihre Unzulänglichkeit rasch preis. Indem sie auf Identität der Systembegriffe des eigenen Sachrechts und des Kollisionsrechts aufbaut, beruht die lex-fori-Qualifikation auf einer unmöglichen Voraussetzung. Denn die Systembegriffe des Sachrechts bezeichnen einen geschlossenen Kreis rechtlicher Erscheinungen, und zwar des Rechtssystems, dem sie angehören. Sie sind selbst Bestandteile des Systems und können sich folglich zunächst auf nichts anderes beziehen, als auf Gestaltungen eben dieses Systems. Die Systembegriffe des IPR bezeichnen demgegenüber notwendig einen offenen Bereich rechtlicher Erscheinungen; denn alle Rechtsfiguren, die jemals i n den Gesichtskreis der IPR-Normen treten, sind überhaupt nicht von vornherein erfaßbar. Die Systembegriffe sind hier eben bloße Bündelungsinstrumente. Die notwendige Folge hiervon ist, daß jedesmal, wenn ein der materiellen lex fori entlehnter Systembegriff zur Bezeichnung ausländischer Rechtsfiguren herangezogen w i r d — sei es i n der Rechtsvergleichung, i n der Rechtsgeschichte oder eben i m IPR — diesem Begriff eine andere Dimension hinzugefügt wird, mag die fremde Rechtserscheinung der unsrigen noch so ähnlich sein. Selbst wenn man ihn also nur auf solche ausländischen Rechtsinstitute bezieht, die m i t den unseren weitestgehend übereinstimmen, w i r d eine Grenze überschritten, ist der Systembegriff m i t dem des internen Sachrechts nicht mehr identisch, sondern erweitert. M i t der Aufgabe des Kollisionsrechts ist es indessen nicht einmal zu vereinbaren, die Begriffe derart eng auszulegen; denn das Kollisionsrecht muß m i t einer Welt verschiedenster Sachnormen fertigwerden. Der Einzugsbereich des Begriffs muß zwangsläufig erstreckt werden auf Rechtserscheinungen, die nicht mehr i n allen, nur noch i n wesentlichen Zügen Parallelität m i t dem Bedeutungsgehalt des „materiellen" Systembegriffs aufweisen. Aus dieser Erweiterung ergibt sich von selbst die Frage ihrer (neuen) Begrenzung, und das ist das eigentliche Problem der Qualifikation. Da es aber u m die Abgrenzung des erweiterten Bedeutungsbereichs geht, kann niemals das eigene 17 A n dieser E n t w i c k l u n g Kahn, der ζ. B. ausdrücklich warnte (Inhalt 311; vgl. auch heute noch manche Autoren materiellen lex fori.

hatte einen bedeutenden A n t e i l gerade auch vor „national-partikularistischefn] Abwegen" oben T. 2 Β I V u. V). — Freilich hängen auch — zumindest theoretisch — zu eng an der

220

T e i l 3: Brennpunkte zwischen Kollisions- u n d Sachrecht

Sachrecht, immer nur das Kollisionsrecht selbst, das diese Begriffe adaptiert hat, die Kriterien hierfür liefern. Freilich bildet der eigene sachrechtliche Bedeutungsbereich regelmäßig (aber nicht einmal notwendig) den Kern des Systembegriffs, umgeben von der engeren Schale der besonders ähnlichen ausländischen Rechtserscheinungen. Das liegt einfach daran, daß Sachrechts- und IPR-Systembegriff derselben Sprache entstammen und vom selben „Gesetzgeber" benutzt werden. Der sachrechtliche Bedeutungsrahmen des Systembegriffs kann daher stets als erster Anhalt, als Ausgangsbasis benutzt werden, und i n der praktischen Anwendung w i r d der funktionelle Unterschied des Begriffs i m Sachrechts- und i m IPRBereich häufig gar nicht bewußt werden. Gleichwohl ist er vorhanden, und „schwierigere" Fälle, nämlich solche, die eher i n den „Randbereichen" der benutzten Systembegriffe anzusiedeln sind, können überhaupt nur gelöst werden, indem man sich diese unterschiedliche Funktion bewußt macht. Damit mündet dieser Weg zwangsläufig i n die „autonome" Qualifikation (IPR-Qualifikation) 1 8 . Wenn die lex-fori-Qualifikation gleichwohl noch überwiegend empfohlen wird, dann deshalb, weil man diese praktische Übereinstimmung i m „inneren" Bereich des Systembegriffs vor Augen hat. Bei Schwierigkeiten weicht man indessen fast immer aus i n die „rechtsvergleichende" und/oder „teleologische" Betrachtung — (und gibt damit faktisch die „lex-fori"-Qualifikation auf) 19 . Als entschiedene Abkehr vom Fixiertsein auf die materielle lex fori beim Qualifikationsproblem, ja als vollständige Kehrtwendung, war 18

Diese Zwangsläufigkeit scheint schon Kahn empfunden zu haben (Rvgl. 492): „Die rechtsvergleichende Methode ist keine Neuerung. Sie hat existiert, solange es ein internationales Privatrecht gibt". — Es sei noch einmal betont, daß es u m die selbständige Feststellung des Inhalts der Begriffe für das Kollisionsrecht geht, nicht etwa darum, neue, „rechtsvergleichende" Begriffe für den kollisionsrechtlichen Gebrauch zu „erfinden", w i e die Lehre von der „autonomen" Qualifikation m i t u n t e r mißverstanden zu werden scheint (so w o h l von Scheucher, Qual. 232 f., oder von Loussouarn, Meth. comp. 329, der eine solche Denkweise f ü r „utopisch" hält, w e i l i h r „obstacles insurmontables" entgegenstünden). 19 Vgl. etwa Ferid, I P R Rdn. 4 - 4 0 ; Raape / Sturm, I P R 278; Kropholler, Vergi. Meth. 6 f.; Makarov, Qual. 159 - 162, 166 f.; Lewald, D r i t t e Sch. 646; auch Cheshire / North, P. I. L. 44. Niederer, Einf. 251, sieht den Streit zu einem „Streit u m bloße Worte" zusammenschrumpfen. — Natürlich ist auch die selbständige Qualifikation eine „ l e x - f o r i - Q u a l i f i k a t i o n " , n u r eben nicht a p r i o r i an die materielle lex fori gebunden. Das verkennt z. B. Makarov, Qual. 165, w e n n er Kegel v o r w i r f t , m i t seiner „internationalprivatrechtlichen" Qualifikation setze er sich zur Maßgeblichkeit der lex fori i n W i d e r spruch u n d „verzichte" auf ein einheitliches Qualifikationsstatut. Treffend bezeichnet dagegen Kahn-Freund, Gen. Prob. 227 - 231, die „autonome" Qualifikationslehre als „enlightened lex fori doctrine"; richtig auch Vitta, Cours gén. 62 f.

Β . Die Berührungsfälle v o n Kollisions- u n d Sachrecht i m e i n z e l n e n 2 2 1

die Qualifikation nach der lex causae konzipiert, deren Mitgründer und bedeutendster Vertreter Martin Wolff ist 2 0 . Danach sind m i t den Systembegriffen stets die Rechtserscheinungen gemeint, die i m jeweils berufenen Recht unter diese Begriffe fallen. Indem sie auf die Systembegriffe des jeweiligen fremden Sachrechts verweisen, haben die Systembegriffe unseres Kollisionsrechts von Fall zu Fall wechselnde I n halte. Immerhin beziehen sich aber die Begriffe aus dem fremden Rechtssystem auf Erscheinungen desselben Rechtssystems. Der Bruch befindet sich an anderer Stelle: dort, wo es gilt, den Begriff i m fremden Sachrecht erst einmal aufzufinden, der dem von unserem IPR gebrauchten „entspricht" 2 1 . I n einem solchen „blinden" Ausliefern an die Begriffswelt des fremden Sachrechts könnte man durchaus eine A r t rudimentären Unilateralismus sehen 22 (bei diesem liefert man sich „blind" dem fremden K o l l i sionsrecht aus), m i t teilweise denselben Nachteilen 23 , nämlich Normenmangel und Normenhäufung; und diese sind auch zu Recht kritisiert worden 2 4 . Indessen ist zweifelhaft, ob es w i r k l i c h das war, was Wolff gemeint hat 2 5 ; einem solchen „blinden" Ausliefern t r i t t er nämlich ausdrücklich entgegen. W i r sind „weder an die Einordnung der ausländischen Wissenschaft noch an die Stellung einer Norm i m Gesetz gebunden", vielmehr besteht die „Pflicht, die Methoden der eigenen Wissenschaft anzuwenden und m i t ihnen unter voller Versenkung i n die Einzelheiten und i n die Geschichte des ausländischen Rechts dessen genaue Analyse zu versuchen" 26 . Zum Beispiel sollen w i r nicht an die verfahrensrechtliche Qualifikation der Verjährung i m (berufenen) angelsächsischen Recht gebunden sein 27 . Damit bildet diese Lehre nicht einen Schritt zum Unilateralismus, sondern einen Schritt i n Richtung auf eine eigene, selbständige („auto20 Wolff , I P R 53 - 60. Über weitere Vertreter dieser Ansicht Rabel, Confi. 54; Wolff , I P R 54. — Eine eigene Variante bietet Schnorr v. Carolsfeld, Adressat 590 f. 21 U m einen „circulus vitiosus" (so Ferid, I P R Rdn. 4 - 1 5 ; dagegen z.B. Raape / Sturm, I P R 277) handelt es sich aber nicht: Es w i r d auf die Normen des Staates X verwiesen, die dieser f ü r ζ. B. „erbrechtlich" hält. 22 Etwa Gothot, Ren. 423 Fn. 1; Wiethölter, Eins. K N . 50; Quadri, Lez. 290 ( = Übers. 274 f.). 23 Unten T. 4 C I . 24 Vgl. etwa Niederer, Einf. 2451; Gamillscheg, Überl. 82; Kegel, IPR 139 f. S. hierzu auch Wolff, I P R 58 - 60. 25 Das Wohlwollen, das Rabel dieser Theorie entgegenbrachte (vgl. Qual. 242 Fn. 2, 254), verstärkt diese Zweifel. 26 Wolff, I P R 57. 27 Wolff, I P R 56. Entsprechende Freiheit soll beispielsweise bestehen gegenüber der Behandlung des Erbschaftskaufs i m französischen Kaufrecht (56), der kirchlichen Eheschließung als materiellem Wirksamkeitserfordernis i m griechischen Recht (55).

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T e i l 3: Brennpunkte zwischen Kollisions- u n d Sachrecht

nome") IPR-Qualifikation. Sie ist aus zweierlei Gründen bedeutsam: Einmal beinhaltet sie eine entschiedene Abkehr von der Maßgeblichkeit des eigenen Sachrechts, zum anderen wendet sie den Blick dem fremden Sachrecht zu, um dessen Einordnung es schließlich (zumindest mittelbar) geht, löst sich also aus dem Bann des „Sachverhalts". Indessen mangelt es an der Benennung brauchbarer Maßstäbe 28 . Somit führen alle Wege letztlich zur Qualifikation aus dem Sinn und Zweck der Kollisionsnorm selbst 29 , zur selbständigen oder IPR-Qualifikation (auch die „autonome" genannt). Sie ist dadurch gekennzeichnet, daß sie auf inhaltliche Identifizierung ihrer Begriffe m i t den gleichlautenden Systembegriffen der eigenen Sachrechtsordnung oder m i t den „entsprechenden" der „berufenen" Sachrechtsordnung verzichtet (nicht indessen auf Anlehnung bei der praktischen Handhabung). Löst man sich aber von den „vorhandenen" Begriffsdefinitionen der (eigenen oder fremden) Sachrechtsordnung, dann stellt sich die Frage nach dem anzuwendenden Maßstab. Hier stehen sich gegenüber die Vorschläge Rabeis 30, der insoweit die Kategorien der Rechtsv er gleichung nutzbar machen w i l l , und Kegels 31, der auf die Bewertung der internationalprivatrechtlichen Interessen abstellt. Die Antinomie dieser Sätze ist freilich nur eine scheinbare, denn das eine ist durch das andere bedingt; beides kennzeichnet nur jeweils eine andere Seite desselben Gedankens. Es geht, u m dies noch einmal zu rekapitulieren, bei der kollisionsrechtlichen Frage darum, ob eine Sachnorm 32 (bzw. die dazugehörige Negativnorm), unter die ein Sachverhalt subsumierbar ist, infolge einer bestimmten räumlichen Verknüpfung auf diesen anzuwenden ist — und ähnliche Sachnormen aus anderen Rechtsordnungen, unter die der Sachverhalt auch subsumierbar wäre, wegen der fehlenden Verknüpfung nicht. Die kollisionsrechtlichen Interessen kommen an zwei Stellen ins Spiel: Primär bilden sie den inneren Grund für die genannte Verknüpfung, sind also Fundament und Ratio jeder einzelnen Element-Kollisionsnorm. In zweiter Linie sind sie aber auch bedeutsam für die Systembildung selbst: Sie liefern die Kriterien für die vertikale und hori28

Hierzu Kegel, I P R 139. Ausdrücklich bekennen sich dazu Rabel, Qual. 249 - 254; ders., Confi. 5 4 - 6 6 ; Kegel, I P R 142-146; Neuner, Sinn 27; Keller, Verh. 71; Esser, Grds. 274 f., 338-341; der Sache nach auch schon Kahn (vgl. oben T. 2 Β IV). Auch bei der Qualifikationslehre von Falconbridge, Confi. 5 3 - 7 0 , handelt es sich i m K e r n u m nichts anderes. — I m Ergebnis ebenso auch viele angebliche Befürworter der „lex-fori-Theorie", vgl. oben zu Fn. 19. 30 Rabel, Qual. 31 Kegel, I P R 142 - 146. 32 Oder — bei den Kollisionsgrundnormen (vgl. oben T. 2 A I I I 2) — eine Kollisionsnorm. 29

Β . Die Berührungsfälle von Kollisions- u n d Sachrecht i m e i n z e l n e n 2 2 3

zontale Bündelung der Element-Kollisionsnormen und ermöglichen damit erst die Bildung der allseitigen Kollisionsnormen, die für das „klassische" IPR-System charakteristisch sind. Diese zweite Eigenschaft der kollisionsrechtlichen Interessen, den „ K i t t " zu bilden, der die allseitigen Kollisionsnormen zusammenhält und das System ermöglicht, ist entscheidend für das Verständnis des Qualifikationsproblems. I n den allseitigen Kollisionsnormen sind Element-Kollisionsnormen „vertikal" gebündelt, die sich auf intern sachlich zusammenhängende Hechtssätze („Statute") beziehen, weil und soweit sie wegen dieser sachlichen Nähe der materiellen Normen, und auch sonst, auf den gleichen kollisionsrechtlichen Interessen und deren übereinstimmender Bewertung beruhen 33 . Und es sind solche Element-Kollisionsnormen horizontal gebündelt, die sich auf sachlich, „funktional" vergleichbare Bechtssätze oder Rechtssatzkomplexe („Statute") verschiedener nationaler Rechtsordnungen beziehen, weil und soweit sie gerade wegen dieser funktionalen Vergleichbarkeit (die sich auf die kollisionsrechtlichen Interessen auswirkt), aber auch sonst, auf den gleichen kollisionsrechtlichen Interessen und deren übereinstimmender Bewertung beruhen 34 . Damit w i r d der Zusammenhang der beiden „autonomen" Qualifikationsmaßstäbe deutlich: Die „berufenen" materiellen Rechtserscheinungen fallen i n dieselben rechtsvergleichenden Kategorien, sind funktional vergleichbar 35 , w e i l sie aufgrund übereinstimmender kollisionsrechtlicher Interessenfeststellung und -Wertung ausgewählt sind, und die Interessenbewertung ist übereinstimmend, weil (unter anderem) diese verschiedenen Sachregelungen ähnlich, funktional vergleichbar sind. Nur sind die IPR-Normen Produkte der kollisionsrechtlichen I n teressen; die „rechtsvergleichende" Übereinstimmung ist daher das Sekundäre. Behält man das i m Auge, läßt sich diese Erscheinung für die praktische Arbeit aber durchaus nutzen. So ist nichts dagegen einzuwenden, einen kollisionsrechtlichen Sachverhalt zunächst versuchsweise unter die Systematik des eigenen Sachrechts einzuordnen, u m damit diejenige Kollisionsnorm aufzusuchen, die „vergleichbare" Rechtssätze beruft. N u r muß man sich stets vergegenwärtigen, daß es sich um nichts als einen Arbeitsbehelf handelt, wenn man m i t Hilfe dieser (sekundären) Vergleichbarkeit der berufenen Sachnormen einen ersten Einstieg sucht, und daß deshalb nicht schon auf Identität der sachrecht33

ObenT. 2 A V 3 . ObenT. 2 A V 4 . 35 Die funktionale (funktionelle) Vergleichbarkeit als „autonomes" Qualifikations- (und Normierungs-)kriterium w i r d vor allem betont von Braga , Kodif. 424-428; Esser, Grds. 340 f.; Kropholler, F u n k t . Meth. 525; Neuhaus, Grdbegr. 129. Auch hier w a r es schon Kahn, der als einer der ersten auf die „ I d e n t i t ä t der funktionellen Bedeutung" abstellte (Ges. K o l l . 99). 84

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liehen und der kollisionsrechtlichen Begriffe i m Sinne der lex-foriTheorie zu schließen ist. Und das vorläufige Ergebnis, das man so möglicherweise — nicht immer, nicht ζ. B. bei „Systemlücken" i m eigenen Recht — erhält, ist stets anhand der kollisionsrechtlichen Interessenkonstellation zu überprüfen und gegebenenfalls zu korrigieren. Durch die materielle Ähnlichkeitsuntersuchung i m Wege der Parallelwertung nach lex fori erfährt man also allenfalls die allseitige Kollisionsnorm, m i t deren Untersuchung man beginnen kann; ob die fragliche ausländische Sachnorm dann wirklich durch eine Element-Kollisionsnorm berufen wird, die unter diese „Bündelung" gehört, ist damit noch längst nicht entschieden. Letzteres aber ist das eigentliche Problem der Qualifikation: Es geht darum, ob die eine gewisse Sachnorm berufende Element-Kollisionsnorm Bestandteil der einen oder anderen allseitigen Bündelung ist oder ob man sie etwa außerhalb dieser etablierten Bündelungen anzusiedeln hat 3 6 . Wegen der Bezogenheit des IPR auf (potentiell) alle ausländischen Sachnormen und der damit verbundenen „Offenheit" 3 7 des IPR-Systems können die allseitigen Bündelungen nur Anknüpfungsmöglichkeiten bereithalten, niemals aber hermetisch abgeschlossene Tatbestände enthalten, außerhalb derer nichts mehr möglich wäre. Zur Lösung eines konkreten Qualifikationsproblems müssen die Bündelungen derjenigen allseitigen Kollisionsnormen, die für eine Anwendung „ i n Frage" kommen (evtl. aufgrund des beschriebenen Ähnlichkeitstestes), gedanklich „aufgefächert" werden, d. h. es müssen die Bündelungskriterien bewußt werden, die übereinstimmende Feststellung und Bewertung der kollisionsrechtlichen Interessen also, die die Zusammenfassung dieser Element-Kollisionsnormen unter die allseitige Norm tragen. Ist das erfolgt, so kann i n bezug auf die fragliche Sachnorm eine gleichartige Element-Kollisionsnorm probeweise gebildet werden. Überzeugt eine solche Anknüpfung als „sachgerecht", so w i r d die Element-Kollisionsnorm i n die Bündelung einbezogen, das Rechtsgebilde w i r d als unter die allseitige IPR-Norm gehörig „qualifiziert". Erweist sich hingegen, daß die kollisionsrechtlichen Interessen, die durch die anzuknüpfende Sachnorm impliziert werden (nicht zuletzt durch die Konstellation der materiellen Interessen, die dieser Norm zugrunde liegen), m i t denjenigen, die als Bündelungskriterien der fraglichen allseitigen IPR-Norm dienen, nicht übereinstimmen bzw. anders zu bewerten sind, so findet eine Qualifikation des Rechtsgebildes als unter diese Norm gehörig nicht statt. Derselbe „versuchsweise" 38 Vorgang kann anhand einer 36 „Gegenstand der Qualifikation" (vgl. oben T. 2 A V Fn. 126) sind somit einerseits die „Bündelungsbegriffe", andererseits die „Element-Kollisionsnormen". 37 Oben T. 2 D I I .

Β . Die Berührungsfälle v o n Kollisions- u n d Sachrecht i m einzelnen

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anderen Bündelung erneut erfolgen, entweder nunmehr m i t Erfolg (eine fremde Rechtserscheinung w i r d etwa als nicht erbrechtlich, aber ehegüterrechtlich qualifiziert) oder nicht. Findet sich keine allseitige Bündelung für die Anknüpfung der i n Frage stehenden Sachrechtssätze, so sind diese nicht einfach zu ignorieren 3 9 , es ist vielmehr eine spezielle einzelne Kollisionsnorm gerade hierfür anhand der besonderen kollisionsrechtlichen Interessenkonstellation aufzustellen 40 ; sie kann ihrerseits Kondensationskern für eine neue allseitige Norm sein, welche schon i m Vorgriff hierauf oder später formuliert werden kann 4 1 . A u f diese Weise ist die „Verfeinerung" des Kollisionsrechts möglich. Auch der Vorgang der Qualifikation ist somit kein logisch geradlinig fortschreitender Denkprozeß — wie sollte er es, wenn dies für die Rechtsanwendung allgemein nicht zutrifft 4 2 . Er beruht ebenfalls auf „operativem" Denken, auf versuchsweisem „Anproben" evtl. korrekturbedürftiger Lösungsmöglichkeiten. Das beschriebene H i n und Her des Blickes auf das Ergebnis und die „Anwendung" der Kollisionsnorm w i r d hier besonders deutlich: Ich wende eine allseitige Kollisionsnorm auf eine Rechtsfigur an, weil ich sie unter den „Bündelungsbegriff" qualifiziere; aber ich qualifiziere sie andererseits darunter, weil die Anwendung einer entsprechend gebündelten Element-Kollisionsnorm die kollisionsrechtliche Interessenlage am angemessensten, am gerechtesten berücksichtigt. U m ein bekanntes Wort von Radbruch über die Auslegung 4 3 abzuwandeln: Au'ch die Qualifikation ist das „Ergebnis ihres Ergebnisses". Natürlich werden i n der Praxis der Kollisionsrechtsanwendung diese gedanklichen Stationen nicht immer bewußt durchschritten, und das ist auch gar nicht nötig 4 4 . Meist genügt der stillschweigende „Ähnlichkeitstest", u m etwas als erbrechtlich, sachenrechtlich usw. zu qualifizieren. Das sind aber auch nicht die Fälle, auf die es ankommt: deutlich werden die gedanklichen Operationen erst, wenn die Qualifikation 38 Vgl. auch Falconbridge, Confi. 60: „ A process of provisional or tentative characterisation before f i n a l l y selecting the proper l a w " . 39 Wie die auf Savigny zurückgehende frühere Lehre meinte, vgl. oben T. 2 A I V zu Fn. 141, 142. Vgl. auch Vischer, Richter 78. 40 Vgl. oben T. 2 A V 4 u n d D I U , sowie z.B. auch Wolff , I P R 57; Kegel, IPR 133. 41 Es ist darum Ehrenzweig, P. I. L . 116, recht zu geben, daß es sich bei der Qualifikation nicht stets u m eine „reine" Auslegungsfrage handelt. Dies ist n u r insoweit der Fall, w i e es u m die Umfangsbestimmung schon „positiv" vorhandener „Bündelungsbegriffe" geht. 42 Oben T. 2 D I I u n d D I I I . 43 Radbruch, Einf. 161. 44 Die Qualifikation ist recht anschaulich m i t dem Vorgang des Atmens verglichen worden: er bleibt unbewußt, außer w e n n besondere Umstände u n d Erschwerungen i h n bewußt werden lassen, Robertson, Charakt. 62.

15 Schurig

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„zweifelhaft" ist; und für die Feststellung, daß sie das ist, w i r d oft das Rechtsgefühl den Anstoß geben. Dann aber lassen sich alle Stationen des versuchsweisen Vorgehens deutlich verfolgen 45 . 2. Bestimmung

der Anknüpfungsbegriffe

Von der eigentlichen Qualifikation, bei der es u m Bestimmung des Anknüpfungsgegenstandes allseitiger Kollisionsnormen durch Systembegriffe geht, ist zu unterscheiden die Bestimmung der Anknüpfungsbegriffe, die den erforderlichen räumlichen Kontakt festlegen 46 . Auch hier können rechtliche Begriffe benutzt werden, deren Inhalt fraglich werden kann, so wenn an den Wohnsitz, an die Staatsangehörigkeit, an den Erfüllungsort angeknüpft wird. Aber auch die „tatsächlichen" A n knüpfungsbegriffe haben sich durchaus als der Ausdeutung fähig, als nicht so problemlos erwiesen, wie sie gedacht waren; das gilt etwa für den „gewöhnlichen Aufenthalt", der sonst nicht Gegenstand zahlreicher Untersuchungen geworden wäre 4 7 , aber auch für den Lageort, den Tatort beim Delikt u. a. Indessen können die Schwierigkeiten, die hier auftauchen, m i t der Qualifikation nicht verglichen werden, w e i l die Begriffe nicht dazu bestimmt sind, Rechtsgebilde i n anderen Rechtsordnungen zu bezeichnen. Es geht lediglich u m die Ausdeutung einfacher Tatbestandsmerkmale 48 . Da w i r i n der Bildung unserer Kollisionsnormen unabhängig sind, nicht an ein imaginäres Überrecht gebunden, sind w i r auch für die I n haltsbestimmung der Anknüpfungsbegriffe allein verantwortlich. Die Festlegung des Anknüpfungsmoments ist das Ergebnis unserer autono45 Als I l l u s t r a t i o n sei n u r auf die jüngsten Bemühungen u m die kollisionsrechtliche Behandlung der culpa i n contrahendo verwiesen: Bernstein, C. i. c. 281 - 289. Hier werden die verschiedenen unter c. i. c. zusammengefaßten Regeln eingehend geprüft (Betrachtung der materiellen Norm), „versuchsweise" w i r d an den Parteiwillen oder an den „Deliktsort" angeknüpft (Bildung der Element-Kollisionsnorm) m i t dem Ergebnis, solche Regeln, die „ A u f k l ä r u n g s - u n d Beratungspflichten" betreffen, dem Vertragsstatut zu unterstellen, solche, die „Obhuts- u n d Erhaltungspflichten" betreffen dagegen dem „Deliktsstatut" (unterschiedliche „Bündelung", ζ. T. abweichend von der Systematik der lex fori). — Deutlich w i r d der Vorgang ζ. B. auch bei der Qualifikation des ausländischen Erfordernisses kirchlicher Eheschließung als „ F o r m " oder „ I n h a l t " , beim Ausschluß gemeinschaftlicher Testamente, der V e r j ä h r u n g i m englisch-amerikanischen Recht, der Qualifikation von auf anfängliche Ehemängel gegründeten Scheidungen als unter A r t . 13 (und nicht 17) E G B G B gehörig, der Qualifikation von § 1371 B G B (als „ g ü t e r - " oder „erbrechtlich") oder des Versorgungsausgleichs (ζ. B. als „scheidungsrechtlich") u. v. a. 46 I n einen Topf geworfen w i r d beides ζ. B. bei Dicey / Morris, Confi. 30. 47 Vgl. etwa die L i t e r a t u r bei Soergel / Kegel, IPR, A r t . 29 a. Anf., ferner Neuhaus, Grdbegr. 225 - 235 m. Nachw. ; auch Ficker, Verkn. 301 f. 48 Die Anknüpfungsmomente gehören zum Tatbestand, oben T. 2 AIV.

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men kollisionsrechtlichen Interessenprüfung. Das bedeutet wiederum nicht, daß nicht internationalen Belangen Rechnung zu tragen wäre; so sind i m Zweifel international gebräuchliche Anknüpfungen zu bevorzugen, u m den äußeren Entscheidungseinklang zu fördern. Doch unterliegen eben auch diese Interessen der Bewertung durch uns, und sie können auch hinter anderen Interessen zurückstehen. Auch die von uns aufgestellten Anknüpfungsbegriffe müssen also nicht m i t den entsprechenden Begriffen des Sachrechts identisch sein. „Wohnsitz" als M i t t e l der Anknüpfung kann etwas anderes bedeuten als „Wohnsitz" i m Sinne des BGB; freilich empfiehlt es sich dann, der Klarheit halber einen anderen Begriff zu wählen, wie man dies beim „gewöhnlichen Aufenthalt" getan hat. Man könnte die Anknüpfungsbegriffe auch ihrerseits gesondert „anknüpfen" und einem bestimmten Recht unterwerfen, wobei jedoch die Gefahr eines circulus vitiosus auftreten kann, etwa wenn man die Frage der Geschäftsfähigkeit nach dem Wohnsitzrecht beurteilt, aber das Vorhandensein eines (eigenen) Wohnsitzes von der Geschäftsfähigkeit abhängt. Es ist daher anzunehmen, daß die Anknüpfungsbegriffe von der aufstellenden Rechtsordnung selbst ausgefüllt werden, i m allgemeinen entsprechend der materiellen lex fori 4 9 , und von ihr abweichend nur dort, wo die kollisionsrechtliche Interessenlage dies erfordert 5 0 . Gegenüber dieser selbständigen Bestimmung der Anknüpfungsbegriffe fällt die Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit i n gewissem Sinne aus dem Rahmen. Denn ob jemand Angehöriger eines fremden Staates ist, bestimmen w i r nicht selber (wiewohl auch das für IPRZwecke durchaus möglich wäre) 5 1 , sondern w i r schalten eine (nämlich die einzige) „allseitige" 5 2 Kollisionsnorm des internationalen Staatsangehörigkeitsrechts dazwischen, derzufolge das Staatsangehörigkeitsrecht eines jeden Staates berufen wird, dessen Staatsangehörigkeit i n Frage steht. Da auch die familienrechtlichen Vorfragen, an die der Erwerb und Verlust der Staatsangehörigkeit geknüpft sind, hier generell „unselbständig", also gleichfalls nach dem Recht jenes Staates angeknüpft werden 5 3 , geben w i r die Bestimmung der Anknüpfungsvoraussetzungen weitgehend aus der Hand. Hier scheint die Hauptschwäche des Staatsangehörigkeitsprinzips gegenüber dem Wohnsitz-, 49

Vgl. Döile, I P R 58 f.; Kegel, I P R 212 (betr. Wohnsitz). Vgl. Braga , Kodif. 432 Fn. 29 m. weiteren Nachw., 443; Raape / Sturm, IPR 106 f.; Kegel, I P R 211; Dölle, I P R 58 f.; Keller, Verh. 7 1 - 7 3 ; Neuner, Sinn 134; ders., A n k n . 89 - 120. A u f die relative Bedeutung solcher A n k n ü p fungsbegriffe weist auch Cavers, Crit. 197, hin. 51 Kegel, IPR 161; Neuhaus, Grdbegr. 212; ders., Beitr. 66 f. 52 Oben T. 2 C I V 1 zu Fn. 503, 504. 53 Hierzu ζ. B. Kegel, I P R 161. 50

15*

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Domizil- oder Aufenthaltsprinzip zu liegen. Solange sich weltweit die Familie staatsangehörigkeitsrechtlich u m den Ehemann bzw. Vater gruppierte und nur die Staaten m i t ausgeprägtem j us-soli-Prinzip i n besonderen Fällen diese Übereinstimmung stören konnten, wurde es noch kaum als anstößig empfunden, wenn man fremden Staaten m i t der Bestimmung der Staatsangehörigkeit praktisch auch Blankovollmacht zur Bestimmung des anzuwendenden „Personalstatuts" gab, denn man durfte i m gewissen Rahmen auf internationale Harmonie vertrauen. Seit aber diese erzwungene Familieneinheit zunehmend — jedoch i n den einzelnen Staaten unterschiedlich — als ungerecht empfunden w i r d und mehr die jeweils betroffenen Personen ins Blickfeld rücken, versucht man diesen Spielraum anderer Staaten, m i t ihrer Staatsangehörigkeit zugleich (auch für uns!) das Personalstatut bindend festzulegen, wieder einzuengen. Das kann man unter Beibehaltung des Staatsangehörigkeitsprinzips tun, indem man m i t der Verleihung der eigenen Staatsangehörigkeit großzügiger verfährt — etwa was die Staatsangehörigkeit ehelicher Kinder deutscher Mütter und ausländischer Väter anlangt 5 4 — oder m i t dem Verlust zurückhaltender — so wenn eine deutsche Frau bei Heirat m i t einem Ausländer ipso jure dessen Staatsangehörigkeit erhält, ihre eigene aber nicht verliert. Man kann den fremden Staat zwar nicht hindern, seine Staatsangehörigkeit zu verleihen, aber indem man auch die eigene bestehen läßt, kommt man über die nun notwendigen Hilfsanknüpfungen („Kegelsche Leiter") doch zu einer A r t partiellen Aufenthaltsprinzips. Besonders deutlich wurde dieser Vorgang unter dem Einfluß des Minderjährigenschutzabkommens: Die Unterwerfung „gesetzlicher Gewaltverhältnisse" unter das Heimatrecht des Kindes 5 5 hat die Übertragung der deutschen Staatsangehörigkeit auch von der ehelichen Mutter auf das K i n d ganz erheblich beschleunigt. Es ist zu bezweifeln, daß sich ohne eine solche K o l l i sionsnorm bisher staatsangehörigkeitsrechtlich überhaupt etwas geändert hätte. So ist der Streit zwischen Staatsangehörigkeits- und Aufenthalts (usw.)-Prinzip noch lange nicht ausgetragen 56 . Trotz ihrer Nachteile erscheint die Bindung der Person an ihre Staatsangehörigkeit nach wie vor als sehr stark, verbirgt sich doch dahinter noch immer die Zugehörigkeit zur „Nation", die nur für sich als K r i t e r i u m nicht objektivierbar ist. Wohnsitz und gewöhnlicher Aufenthalt sind demgegenüber selbständig bestimmbar und bequemer zu handhaben, aber m i t der Person wohl weniger intensiv verknüpft, und erscheinen daher für fundamen54

I n Deutschland durch das R u S t A Ä n d G 1974. A r t . 3 des Haager Minderjährigenschutzabkommens v o m 5.10.1961. 56 Hierzu etwa Neuhaus, Grdbegr. 208-235; Raape ! Sturm, IPR 116-120; Kegel, IPR 196 - 200 m. Nachw. 196. 55

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tale Rechtsbeziehungen dieser Person nicht i n gleicher Weise geeignet. Als mittlerer Weg zwischen beiden w i r d die Anknüpfung an das englisch-amerikanische „domicil(e)" bei uns meist zu gering eingeschätzt, verknüpft es doch tiefere Verwurzelung der Person i n dem jeweiligen Rechtsgebiet m i t selbständiger, autonomer Bestimmbarkeit der K r i t e rien („factum et animus"). Indessen ist es wohl viel zu sehr eine Erscheinung des „common law", als daß seine Übernahme für kontinentale Rechte ernsthaft erwogen werden könnte. So bleibt die Entscheidung nach wie vor offen. Verschiedene Möglichkeiten der Anknüpfung stehen zur Auswahl und können je nach dem Anknüpfungsgegenstand aufgrund Abwägung der verschiedenen kollisionsrechtlichen Interessen zur Bestimmung der Anknüpfung für die jeweilige Kollisionsnorm herangezogen werden. Π. Materielles Recht für Sachverhalte mit Auslandsberührung 1. Fremdenrecht und Auslandssachverhalte „Internationales Privatrecht" ist zunächst nur ein Name, dessen Bedeutung keineswegs aus sich selbst heraus Form gewinnt 5 7 . Daß es sich um kein wirklich „internationales" Recht handelt, ist heute weitgehend anerkannt, und selbst daß es sich u m „Privatrecht" handelt, w i r d — wenn auch zu Unrecht 5 8 — von manchen bestritten. Was zum IPR zu zählen ist und was nicht, ist i m wesentlichen Definitionssache, und die Definition ist eine Frage der Zweckmäßigkeit. Ein i n neuerer Zeit häufig gehörter Vorschlag geht dahin, zum IPR alle diejenigen Normen zu zählen, die i n irgendeiner Weise Bezüge zu anderen Rechtsordnungen aufweisen oder die „internationale" Sachverhalte betreffen, nämlich Sachverhalte, die Kontakte zu verschiedenen Rechtsgebieten enthalten 5 9 . I n welcher Weise diese Bezüge „verarbeitet" sind, w i r d schon nicht mehr berücksichtigt. Eine solche Abgrenzung erscheint sehr unscharf. Sie könnte einem — ebenso vergeblichen wie unnötigen 6 0 — Streben entspringen, das internationale Privatrecht auf diese Weise zu „materialisieren", vielleicht, um so seiner — angeblichen oder tatsächlichen, dann aber auf anderen Gründen beruhenden 6 1 — „ A r m u t an sozialen Werten" entgegenzuwirken. Sie ignoriert 57

Hierzu schon Kahn, I n h a l t 255 - 262. Eingehend Staudinger / Korkisch, EGBGB Einl. Rdn. 16 - 27. 58 Vgl. gegen den angeblich „öffentlichrechtlichen" Charakter schon Beitzke, Meth. 16. S. auch oben T. 2 A I I I 1, zu Fn. 74. 50 Vgl. oben Τ. 1 C I I I 4. 60 Näher unten T. 4 Β V. 81 Unten ebd.

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den einzig sicheren, objektiv vorhandenen, den funktionalen Unterschied zwischen Kollisions- und Sachrecht (oder macht ihn sich zumindest nicht zunutze). W i l l man die rechtlichen Bereiche sinnvoll abgrenzen, dann empfiehlt es sich, für Kongruenz zwischen den Bezeichnungen und den Funktionen zu sorgen, nämlich das internationale Privatrecht m i t dem eigentlichen räumlich-internationalen „Kollisionsrecht" gleichzusetzen, m i t denjenigen Normen also, die aus der Masse der international existierenden Regelungen der verschiedenen staatlichen Rechtsordnungen die anzuwendende auswählen und bestimmen 62 . Sachrecht sind demgegenüber dann alle Normen, die in der Sache selbst entscheiden, die die widerstreitenden materiellen Interessen unmittelbar und abschließend beurteilen. Benutzen Sachnormen zur Bestimmung ihres Tatbestandes die Methode der (räumlichen, personalen oder sonstigen) „Anknüpfung", dann lediglich, um den Anwendungsbereich bestimmter Sachregelungen einer Rechtsordnung von anderen Sachregelungen derselben Rechtsordnung abzugrenzen, evtl. auch räumlich 6 3 . A u f dieser Grundlage läßt sich beurteilen, ob Fremdenrecht und Normen mit Auslands s achverhalten zum internationalen Privatrecht oder zum Sachrecht gehören. Wenn w i r die beiden Bereiche nach funktionalen Kriterien unterscheiden, dann ergibt sich daraus, daß es am Charakter einer Sachnorm nichts ändert, wenn diese in ihrem Tatbestand auf Kontakte zu anderen Rechtsordnungen Rücksicht nimmt, solange sie nur „ i n der Sache" entscheidet und nicht aus dem Fundus der international existierenden Sachregeln die „anzuwendende" auswählt. Somit gehören Normen des Fremdenrechts, die besondere Rechtsfolgen an die Tatsache knüpfen, daß jemand einem fremden Staat (oder jedenfalls nicht dem eigenen) angehört und die i n ihrer Geltung auf diese Fälle tatbestandlich beschränkt sind, dem Sachrecht an 6 4 und dürfen nicht m i t Kollisionsnormen verwechselt werden, die an die Staatsangehörigkeit anknüpfen. Damit sind auch solche Normen nur anzuwenden, wenn sie durch eine Kollisionsnorm berufen sind. Diese Kollisionsnormen müssen allerdings nicht unbedingt die für diesen rechtlichen Bereich allgemein geltenden sein. Sie werden — wegen der Zugehörigkeit oder Nähe zum öffentlichen Recht — regelmäßig „territorial" anknüpfen. Falls es u m Erwerbsbeschränkungen bezüglich inländischer Grundstücke geht, unterliegen natürlich auch diese der lex sitae 65 . Schaffen fremdenrechtliche Vorschriften aber Sonderregeln auf 62 Oben T. 2 A I . — Die anderen A r t e n von Kollisionsrecht (vgl. Kegel, I P R 14 - 24) bleiben hier unberücksichtigt. 63 Oben T. 2 A I I . 64 So schon ganz k l a r Kahn, I n h a l t 264.

Β . Die Berührungsfälle v o n Kollisions- u n d Sachrecht i m e i n z e l n e n 2 3 1

Gebieten, die dem Personalstatut unterliegen, so haben sie nur Sinn, wenn sie von der allgemeinen Kollisionsnorm abweichend angeknüpft werden. I n diesem Fall kann es den Anschein haben, als seien diese Vorschriften „unabhängig" vom Kollisionsrecht. I n Wirklichkeit gehorchen sie nur einer besonderen Kollisionsnorm, deren Anknüpfungskriterien aber m i t den Kriterien der materiellen Abgrenzung der Norm nicht vermengt werden dürfen, selbst wo sie einmal ausnahmsweise zusammenfallen sollten 66 . Hier liegt der Grund für die verbreitete Unsicherheit bei der kollisionsrechtlichen Beurteilung dieser Normen. Fremdenrecht als eigenes, evtl. speziell zu berufendes Sonderrecht für Sachverhalte, i n denen eine Person eine ausländische Staatsangehörigkeit besitzt, ist nur ein spezieller Fall von Sachrecht, das i n seiner materiellen Entscheidung auf als erheblich gewertete Kontakte des Sachverhalts zum Ausland Rücksicht n i m m t : Es handelt sich u m sog. Sachnormen m i t Auslandssachverhalten 67. Das Sachrecht kann durchaus auf solche Auslandskontakte reagieren. Bekannt sind die gesetzlichen Verlängerungen von Fristen, wenn es u m grenzüberschreitende Geschäfte geht; aber auch ohne gesetzliche Vorschriften können ausländische Elemente die materielle Beurteilung beeinflussen. Die zahlreichen Beispiele brauchen hier nicht wiederholt zu werden 6 8 . Festzuhalten ist, daß es sich stets um Bestandteile des Sachrechts handelt, deren Anwendung die kollisionsrechtliche Berufung voraussetzt. Die kollisionsrechtliche Interessenfeststellung und -wertung ist also vorausgegangen und hatte — trotz der vorhandenen Bezüge zu anderen Rechtsgebieten — die Anwendung eines bestimmten Sachrechts, etwa der lex fori, zur Folge. Das ist nichts besonderes, denn die Methode der „Abwägung" führt dazu, daß bestimmte auf andere Rechtsordnungen weisende Interessen unter den Tisch fallen, wenn man sich zu einer „Anknüpfung" entschließt, besonders bei den sog. „absolut internationalen" Fällen 6 9 . Damit sind diese anderen Auslandsbezüge aber durchaus bei der Wertung der Sachinteressen weiter zu berücksichtigen, soweit sie diese beeinflussen können, ja ihre Verwertbarkeit i n diesem 65

Ob i n fremden Rechten enthaltene entsprechende Normen ebenso „ a l l seitig" anzuknüpfen sind, ist umstritten; zu dieser Problematik unten T. 4 C I I I 3. 88 Doch geschieht dies vielfach, z.B. bei Raape/Sturm, I P R 23; Steindorff, Sachnormen 33 f. Vgl. demgegenüber schon Zitelmann, I P R I 256. 87 Kegel, I P R 52, der freilich „Auslandssachverhalte" v o n „Fremdenrecht" unterscheidet. Hier sollen alle Sachnormen darunter verstanden werden, die auf Auslandskontakte Rücksicht nehmen — seien diese „territorialer", „personaler" oder auch n u r rechtlicher A r t (vgl. auch unten Β I I I Fn. 102). 88 Eingehende Nachweise bei Soergel / Kegel, EGBGB, vor A r t . 7 Rdn. 82 Fn. 2. 89 Oben T. 1 C I I I 4 (zu Fn. 173 - 175).

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T e i l 3: Brennpunkte zwischen Kollisions- u n d Sachrecht

Zusammenhang rechtfertigt knüpfung" 7 0 .

überhaupt erst die Methode der

„An-

Die Abgrenzungen und Anknüpfungen, m i t denen auf die „Auslandssachverhalte" nunmehr reagiert wird, sind solche sachrechtlicher A r t : Sie begrenzen m i t den Mitteln der „Anknüpfung" den Anwendungsbereich von Regelungskomplexen einer Sachrechtsordnung gegenüber anderen Regelungskomplexen derselben Sachrechtsordnung. Es w i r d also die Wahl getroffen zwischen verschiedenen internen Regelungsmodellen; Alternative zur Anwendung der Sachnormen m i t „Auslandssachverhalt" ist die Anwendung anderer Sachnormen derselben Rechtsordnung (und nicht die Anwendung von Rechtsnormen einer anderen Rechtsordnung, wie es bei der „kollisionsrechtlichen" Anknüpfung der Fall wäre) 7 1 . 2. Einheitsrecht U m Sonderrecht für Sachverhalte m i t Auslandsbezügen handelt es sich auch beim staatsvertraglich vereinbarten Einheitsrecht für „internationale Sachverhalte", etwa den einheitlichen Gesetzen -für internationale Käufe. Auch wenn solche sachrechtlichen Vorschriften schlechthin auf alle grenzüberschreitenden Vorgänge bezogen sind, gleich, welche Staaten berührt werden 7 2 , wie es für die einheitlichen Kaufgesetze nach den Haager Abkommen grundsätzlich vorgesehen war, ist die Frage ihrer Anwendung damit nicht — wie man manchmal lesen kann 7 3 — dem Kollisionsrecht als solchem entzogen; dem K o l l i sionsrecht entziehen kann sich, wie schon oben dargelegt 74 , überhaupt keine Sachnorm. Es sind aber die Kollisionsnormen, die diesen sachlichen Bereich betreffen — bzw. die den Anwendungsbereich dieser einheitsrechtlichen Vorschriften festlegen — tatsächlich auf die eine kollisionsrechtliche Restnorm reduziert: Stets w i r d die lex fori berufen. Denn die Normen des Einheitsrechts — wenn sie auch auf staatsvertraglicher Grundlage beruhen — sind Normen der eigenen materiellen Rechtsordnung, der lex fori, geworden und werden als solche angewandt. Den Verzicht auf kollisionsrechtliche Abwägung meint man sich leisten zu können, eben weil die lex fori besondere sachliche Regelungen für diese „internationalen Sachverhalte" bereithält, die deren Eigenart zumindest i n ausreichender Weise Rechnung tragen sollen. Hier hat der Inhalt und Zweck des angewandten Sachrechts auf beson70

Näher unten T. 4 Β V I . Oben T. 2 I I . 72 Vgl. ζ. B. Kegel, I P R 299. 78 Ζ. B. i n A r t . 2 des Einheitlichen Kaufgesetzes v. 1. 7.1964 (hierzu auch unten Fn. 82). — Z u diesen Fragen vgl. z.B. Kropholler, E i n h . R . 193-196; Zweigert / Drobnig, Einh. Kaufg.; Hellner, Einh. Kaufr. 74 T. 2 A I a. E. 71

Β . Die Berührungsfälle von Kollisions- u n d Sachrecht i m e i n z e l n e n 2 3 3

dere A r t auf die kollisionsrechtliche Rechtswahl durchgeschlagen: Es ist der Anwendungsbereich der einheitsrechtlichen Vorschriften festzulegen, und weil man meint, daß diese wegen ihrer außerordentlichen Qualität und Rücksichtnahme auf den grenzüberschreitenden Verkehr qualitativ weltweit am besten geeignet sind, drängt man alle übrigen kollisionsrechtlichen Interessen zurück 7 5 . Hier begegnen sich der vom IPR überwundene archaische Richtigkeitsanspruch der lex fori — durch die materielle Zweigleisigkeit nur etwas gemildert — m i t dem modernistischen better-law-Ansatz 7 6 , der hier besonders unverblümt auf das eigene (vereinheitlichte) Recht rekurriert. Glücklicherweise ist diese universelle Anwendbarkeit der einheitlichen Gesetze über den internationalen Kauf durch Vorbehalte wieder eingedämmt worden 7 7 : Sie gelten i n Deutschland nur, wenn die Kaufpartner Sitz i n verschiedenen Vertragsstaaten haben 78 . N u n w i r d also das Einheitsrecht wieder schlicht durch eine besondere kollisionsrechtliche Norm berufen. M i t derselben Anknüpfung w i r d indessen auch sein sachlicher Anwendungsbereich bestimmt, i m Verhältnis zum allgemeinen Kaufrecht der lex fori. Es w i r d also durch dieselbe Anknüpfung das Einheits-Kauf recht berufen 1. kollisionsrechtlich als Bestandteil der lex fori gegenüber Regelungen anderer Rechtsordnungen, 2. sachrechtlich als Sonderrecht für bestimmte „internationale" Sachverhalte gegenüber anderen (den „allgemeinen") Regelungskomplexen derselben Rechtsordnung 79 . Diese „Überlagerung" von kollisionsrechtlicher und sachrechtlicher Anknüpfung ist uns schon früher begegnet 80 ; sie kann nur solange verwirren, wie man diese beiden Vorgänge nicht gedanklich auseinanderhält 81 . Auch die Regeln des sachlichen Einheitsrechts für internationale Sachverhalte sind somit dem Kollisionsrecht als solchem unterworfen 8 2 ; 75 So dominiert letztlich das „Interesse an Bequemlichkeit". — K r i t i s c h auch Kropholler, Einh. R. 193- 196; Kegel, I P R 299. Positiv dagegen Zweigert / Drobnig, Einh. Kaufg. 163. 76 T. 1 CI4, T. 4 C I I 7. 77 Näher Kropholler, E i n h . R . 195 f.; Kegel, I P R 299. Als weniger glücklich w i r d die Vorschaltung des Abkommens über K a u f - I P R beurteilt; Zweigert / Drobnig, Einh. Kaufg. 156 - 159. 78 Zweifelhaft u n d streitig ist der Fall, daß n u r einer i n einem Vertragsstaat sitzt, vgl. ζ. B. Kropholler, Einh. R. 195 f. 79 Vgl. auch Kropholler, Einh. R. 190 f. 80 Oben Β I I 1, s. auch T. 2 A I I . 81 Malintoppi, Rapp. 60 - 62, nennt solche Regeln des Einheitsrechts „règles d'application nécessaire", was freilich auch nicht von einer näheren Analyse entbindet. (Zu den „règles d'application immédiate" u. ä., T. 1 C I I I 2, T. 4 C I I I 2.) 82 Die übliche Erklärung, „das I P R " werde „ausgeschaltet", „verdrängt" u. ä. ist daher zumindest ungenau. „Verdrängt" werden allenfalls die „ n o r -

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daß sie durch Kollisionsnormen berufen werden, die von anderer Ausgestaltung sind als diejenigen, die über die Anwendung der „allgemeinen" Sachvorschriften (sei es der lex fori, sei es anderer Rechtsordnungen) entscheiden, und daß jene die letzteren gegebenenfalls verdrängen, ist nichts, das dem internationalprivatrechtlichen System fremd wäre 8 3 . Der Streit darüber, ob bei Lücken i m einheitlichen Kaufrecht das „allgemein" berufene Kaufrecht ergänzend heranzuziehen ist, betrifft dann nicht mehr die „Verdrängung des I P R " 8 4 , nicht einmal das Verhältnis dieser verschiedenen Kollisionsnormen zu einander, sondern nur das Verhältnis der verschiedenen „Sachregelungsansprüche", nämlich die Frage der „potentiellen Lückenlosigkeit" des einheitlichen Kaufrechts, also seiner Ergänzung „aus sich selbst heraus". Bejaht man diese Frage, so werden auch die ergänzend gebildeten Sätze vorrangig berufen, verneint man sie, sind die Lücken durch das „normal" berufene Recht zu schließen. ΙΠ. Angleichung Das Problem der „Angleichung" oder „Anpassung" i m internationalen Privatrecht ist schon oft von den verschiedensten Seiten beleuchtet worden 8 5 ; hier soll vor allem sein Standort i n unserem System bestimmt werden. Die Erscheinungsformen sind bekannt: Durch Berufung von Sachnormen aus verschiedenen Rechtsordnungen w i r d eine Regelungslage geschaffen, die materiellrechtliche Teile zusammenführt, welche entweder logisch oder aber teleologisch nicht miteinander zu vereinbaren sind. E i n logischer Widerspruch besteht, wo die eine materiellrechtliche Lösung die andere zwingend ausschließt: Ein K i n d ist eheliches K i n d zweier Väter 8 6 ; nichtehelicher Vater und Mutter sind beide Inhaber der (teils „halben", teils „alleinigen") elterlichen Gewalt 8 7 ; von zwei Erbmalerweise" geltenden Kollisionsnormen. Ebenso w o h l Kropholler, Einh. R. 190 f.: Rigaux, D. i. p. 96. Α . Α. ζ. B. Simon-Depitre, Règ. mat. 598 - 606. 83 Schwierigkeit bereitet dies n u r denjenigen, denen der „Ansatz beim Gesetz" i m klassischen System tabu ist (zum „Ansatz" oben T. 2 V 1 ) . 84 Uber „ergänzende Kollisionsnormen" allgemein eingehend Kropholler, Einh. R. 197 - 212. 85 Vgl. z.B. Kropholler, Anp.; Kegel, I P R 147 - 153 m. Nachw. 147; Raape! Sturm, I P R 257, 259-268; Neuhaus, Grdbegr. 353 -359; van Hecke, Princ. 499-513; jeweils m i t Nachw. — Unter dem Gesichtspunkt der „dépeçage" vgl. Reese, Dép. 86 Nämlich dann, w e n n bei Wiederheirat der M u t t e r sich die Fristen f ü r die Ehelichkeitsvermutung nach den verschiedenen Vaterrechten überschneiden (bei Zugrundelegen des A r t . 18 EGBGB). 87 Nämlich die M u t t e r nach Mutterrecht allein, der Vater nach insoweit

Β . Die Berührungsfälle v o n Kollisions- u n d Sachrecht i m e i n z e l n e n 2 3 5

lassern ist bei jedem zu vermuten, daß er (oder auch daß der andere) als erster verstorben sei 88 . Ein teleologischer Widerspruch besteht, wo das Ergebnis zwar nicht schlechthin unmöglich, aber von allen beteiligten Rechtsordnungen (evtl. auch von einer) nicht gewollt ist, weil jede Rechtsordnung ihre Regelung m i t Rücksicht auf andere — i n der Zwecksetzung übereinstimmende — Vorschriften trifft, die aber wiederum mutuell nicht berufen werden: Weder der nichteheliche Vater noch die nichteheliche Mutter sind gesetzlicher Vertreter, weil jedes Recht voraussetzt, daß insoweit der andere Elternteil eintritt 8 9 ; die überlebende Ehefrau erhält weder etwas aus Ehegüterrecht noch aus Erbrecht, weil jedes berufene Statut von einem Güter ausgleich i m entsprechenden (aber nicht berufenen) anderen Statut ausgeht 90 ; der ausländische Staat, der seinen verletzten Beamten weiter bezahlt hat, erhält nichts, weil er statt eines gesetzlichen Forderungsübergangs (der anzuerkennen wäre) einen eigenen Deliktsanspruch hat, den wiederum das Deliktsstatut nicht kennt, weil i n seinem Bereich solche Fragen durch cessio legis geregelt werden 9 1 . Es kann auch sein, daß der teleologische Widerspruch auf die beteiligten Rechte ungleich verteilt ist, etwa wenn das Güterrechtsstatut erbrechtliche Abfindung ausschließt, das Erbstatut aber beides nebeneinander zuläßt 9 2 . Diese Unterscheidung weist Parallelen auf zu der Aufgliederung Kegels i n Fälle des „Seins-" u n d des „Sollenswiderspruchs" 9 3 , w e n n auch keine v o l l ständige Übereinstimmung. Während die Fälle des „Seinswiderspruchs", bei denen „mehr materiellprivatrechtliche Güter verteilt werden, als da sind", sicher auch solche m i t „logischem" Widerspruch sind, dürften diejenigen, berufenem Vaterrecht neben der M u t t e r (u. U. sogar auch allein). Vgl. die Falldiskussionen bei Ferid t I P R Rdn. 4 - 70 bis 4 - 73; Kegel, I P R 147, 153 f. 88 Vgl. Kegel, I P R 155; Wiethölter, Betr. I n t . Jur. 214 f. 89 Dies ist freilich selten, häufiger ist die bei Kegel, I P R 147, 153, diskutierte Fallgestaltung: Die M u t t e r ist nach dem Mutterrecht n u r neben dem Vater zur („halben") elterlichen Sorge berufen, dieser nach Vaterrecht neben der M u t t e r aber gar nicht. Hier dürfte es sich auf der Mutterseite u m einen einseitigen logischen Widerspruch handeln, w e i l die Regelung des M u t t e r rechts n u r neben dem gleichfalls „halben" Sorgerecht beim Vater denkbar ist, während es sich auf Seiten des Vaters u m einen „teleologischen" W i d e r spruch handelt, w e i l das Fehlen der elterlichen Sorge beim Vater von deren Zuweisung an die M u t t e r zwar rechtspolitisch, aber nicht denknotwendig abhängt. Keine elterliche „ G e w a l t " ist eben eher denkbar als eine isolierte „halbe" elterliche „Gewalt". 90 F a l l besprochen ζ. B. bei Kegel, I P R 149, 151 f. 91 F a l l besprochen bei Schurig, I n t p r . Probi. 92 Kegel, IPR 149: „einseitiger Normenwiderspruch". — Hingegen genügt nicht, daß durch das Zusammenfügen von Teilen verschiedener Rechtsordnungen ein Ergebnis zustandekommt, daß von dem der jeweiligen Rechtsordnungen lediglich abweicht (vgl. Reese, Dép. 60 - 73). Denn dies k a n n eine Folge sein, die gerade durch die Internationalität des Sachverhalts bedingt ist (ohne daß es sich deswegen gleich u m „Sachnormen i m I P R " handelte!). 93 Vgl. Kegel, I P R 148 f.

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bei denen „materiellprivatrechtliche Güter unverteilt bleiben" eher zu den — w e n n auch krassen — Fällen des „teleologischen Widerspruchs" zählen; denn daß das nichteheliche K i n d überhaupt keinen gesetzlichen Vertreter hat, die Ehefrau beim Tode des Ehemannes überhaupt nichts bekommt, ist nicht schon aus sich heraus unmöglich, sondern w i r d erst untragbar durch den Sinnzusammenhang der beteiligten Rechtsordnungen 94 . Demgegenüber werden „teleologischer" u n d „Sollenswiderspruch" wieder übereinstimmen.

Daß man solche Widersprüche nicht einfach generell bestehen lassen kann, darüber herrscht Einigkeit. Z u einer Lösung kann man nur kommen, indem man das Ergebnis „revidiert". Zwei Wege gibt es hierzu, die sich wesentlich unterscheiden, aber untereinander i n Zusammenhang stehen: den internationalprivatrechtlichen und den materiellrechtlichen Lösungsweg. Daß hier noch einmal, nachdem die kollisionsrechtliche Anknüpfung doch eigentlich abgeschlossen gewesen war, i n die Prüfung des internationalen Privatrechts eingetreten wird, scheint manche zu befremden. Sturm etwa sieht i n dem Problem der Angleichung „eigentlich kein internationalprivatrechtliches, denn es betrifft nicht die Anknüpfung, die ja schon vollzogen ist" 9 5 . Infolgedessen w i r d „bei der internationalprivatrechtlichen Lösung . . . genau besehen das Problem der Angleichung überspielt" 9 6 . Indessen w i r k t sich hier das aus, was w i r unter dem Gesichtspunkt der „Offenheit" (und der „Beweglichkeit") des IPR-Systems festgestellt haben 9 7 : Auch bei der Anwendung von Kollisionsnormen handelt es sich nicht um einen blindmechanisch fortschreitenden Subsumtionsprozeß, u m keinen Automatismus, bei dem man das Resultat demütig und allenfalls etwas überrascht hinzunehmen hätte. Kollisionsrechtsanwendung ist sinngebundene Rechtsanwendung unter „operativem" H i n und Herspringen des Blickes zwischen den Voraussetzungen und ihren Ergebnissen und m i t „versuchsweisen" Rechtsanwendungen und Unterwerfung dieser vorläufigen Ergebnisse unter die allgemeine „Vernünftigkeitskontrolle", den Maßstab der (kollisionsrechtlichen) „SachGerechtigkeit" 9 8 . So gesehen ist es überhaupt nichts besonderes, die „vollzogene" Anknüpfung nochmals zu überprüfen. Wenn auch die 94 Da Kegel aber den letzteren F a l l gleichfalls zum „Sollenswiderspruch" zählt (IPR 149), scheint der „Seinswiderspruch" auch bei i h m mehr vorauszusetzen, als daß lediglich „materiellprivatrechtliche Güter u n v e r t e i l t " bleiben: Es w i r d sich u m solche Güter handeln, die „logischerweise" hätten verteilt werden müssen (wie i m F a l l der isolierten „halben" elterlichen Sorge, oben Fn. 89). 95 Raape / Sturm, I P R 259. 96 Ebd. 262. 97 Oben T. 2 D I I u n d D I I I . 98 Näher oben a.a.O.

Β . Die Berührungsfälle v o n Kollisions- u n d Sachrecht i m e i n z e l n e n 2 3 7

Kollisionsnormen ausschließlich auf „kollisionsrechtlichen" Interessen beruhen, so sind diese doch durchaus vom Sachrecht beeinflußt". Wenn sich also ergibt, daß die Kollisionsnormenanwendung i n dem konkreten Zusammenspiel zu einem unmöglichen oder unsinnigen Ergebnis führt, so kann das Interesse an Vermeidung materiell unbrauchbarer Sachnormenverbindungen durchaus als zusätzlicher Faktor i n die kollisionsrechtliche Interessenwertung einfließen, m i t dem Ergebnis, daß eine von der „normalen" abweichende, eine „Sonder"-Kollisionsnorm zu bilden und anzuwenden ist. W i r d diese (bedingte) Element-Kollisionsnorm einer anderen „Bündelung" zugeschlagen, so erscheint das nach außen h i n als eine „Grenz ver Schiebung zwischen zwei Kollisionsnormen" 1 0 0 , als eine i m Einzelfall abweichende „Qualifikation". Es w i r d nicht eine „abgeschlossene" IPR-Subsumtion „noch einmal" vorgenommen (wie sollte sie „abgeschlossen" sein, wenn die betreffende K o l l i sionsnorm dann schließlich doch nicht angewandt wird?), es handelt sich einfach um eine der „Versuchsstufen" bei der kollisionsrechtlichen Rechtsanwendung und -findung, die hier besonders deutlich hervortritt. Angewandt w i r d gegebenenfalls allein die „revidierte" K o l l i sionsnorm und keine andere. Die durch die materiellen Widersprüche implizierten kollisionsrechtlichen Interessen sind i n ihrer Gewichtigkeit davon abhängig, welche Möglichkeiten bestehen, diese Widersprüche innerhalb des Sachrechts auszugleichen. Diese zweite Möglichkeit gehört ausschließlich i n das Gebiet der Sachrechtsanwendung und -findung, so wie die erste ausschließlich i n das Gebiet der Kollisionsrechtsanwendung und -findung gehört. Bei der Betrachtung der „Auslandssachverhalte" haben w i r festgestellt, daß eine Sachrechtsordnung durchaus Bezüge jeder A r t zu fremden Rechtsgebieten berücksichtigen kann und dies auch soll, wo die Sachinteressen entsprechend beeinträchtigt werden. Auch wenn infolge teilweiser Berufung einer fremden Sachrechtsordnung die innere Stimmigkeit des materiellrechtlichen Gefüges 101 so erheblich gestört wird, daß das Ergebnis als sinnlos erscheint, ist dies ein „Auslandsbezug" 102 , 99

Vgl. oben T. 2 A V 2 nach Fn. 216. Kegel, I P R 149. 101 Kegel, Begr. I n t . Jur. 284 f., 288, sieht das interne V erw eisung sgefüg e der jeweiligen Rechtsordnung gestört. 102 Der Unterschied zum Auslandssachverhalt besteht darin, daß bei diesem ausländische Tatsachen zu den Veränderungen i n der A n w e n d u n g des materiellen Rechts führen (wozu auch tatsächliche Auswirkungen der Existenz und Befolgung von uns nicht berufener ausländischer Sachnormen gehören können), während hier der G r u n d i n der gleichzeitigen Anwendbarkeit ausländischer (aus der Sicht der jeweiligen Rechtsordnung) Sachnormen liegt. Vgl. Kegel, Crisis 249. 100

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der zu berücksichtigen ist. Auch die materielle Rechtsordnung verfolgt ja den Zweck, „sachgerechte" Entscheidungen herbeizuführen, und sie ist zu diesem Zweck „offen" und „beweglich". Anhand des Zivilrechts sind diese Grundsätze überhaupt erst entwickelt worden, die w i r dann auf den Bereich des IPR übertragen konnten. Die Sachrechtsordnung nimmt widersprüchliche, unsinnige Ergebnisse nicht einfach hin, sondern verarbeitet sie m i t ihren eigenen Mitteln. So kann auch durch die Entwicklung neuer materieller Rechtssätze der kollisionsrechtlich gezeugte Widerspruch gelöst werden; dies ist die materiellrechtliche Lösung. Schwierigkeiten macht die Beziehung der beiden Lösungswege zueinander. Obwohl sie dogmatisch i n ganz verschiedenen Gebieten angesiedelt sind, stehen sie i n einem gewissen Verhältnis reziproker Interaktion. Der Grund liegt wiederum i n der Beeinflußbarkeit kollisionsrechtlicher Interessen durch das Sachrecht. Je einfacher die materiellrechtliche Lösung ist, desto geringer wiegen die durch den Normwiderspruch ausgelösten kollisionsrechtlichen Interessen, die Regelanknüpfung kann i m allgemeinen beibehalten werden. Machte aber eine materiellrechtliche Anpassung größere Schwierigkeiten, erforderte sie etwa i m fremden Recht Abänderungen, die auf eine reine „Phantasielösung" hinausliefen, so t r i t t das kollisionsrechtliche Interesse an einer „realen" Entscheidung auf den Plan und kann — i m Sinne der kollisionsrechtlichen Lösung — zur Anwendung einer anderen Kollisionsnorm führen, wodurch nun wiederum Eingriffe i n die „normale" Sachrechtsanwendung überflüssig werden 1 0 3 . Da man i n nahezu allen Rechtsordnungen die beschriebene sachrechtliche Anpassungsmöglichkeit aufgrund der „Vernünftigkeitskontrolle" unterstellen kann, ist allzu große Zurückhaltung bei der materiellrechtlichen Lösung freilich nicht am Platze 1 0 4 , und das Interesse an „realer" Entscheidung w i r d 103 Wenn m a n etwa auf der einen Seite bei Widersprüchen zwischen dem Ehegüterrechtsstatut u n d dem Erbstatut entweder n u r das eine oder das andere Recht sowohl f ü r den erb- wie auch den güterrechtlichen Ausgleich anwendet (Einzelheiten sind hier sehr streitig; vgl. näher Kegel, I P R 151 f.; Ferid, IPR Rdn. 4 - 7 4 bis 4 - 76, dessen eigene Lösung, den güterrechtlichen Ausgleich beim Tode eines Ehegatten ohnehin als „erbrechtlich" zu q u a l i f i zieren, freilich Angleichungsfragen gar nicht erst entstehen läßt, also i m Vorfeld zu diesem Problem angesiedelt ist), dann erübrigen sich sonst n o t wendige schwerwiegende Eingriffe i n das anzuwendende sachliche Recht. Wenn man hingegen i m F a l l des verletzten ausländischen Beamten (oben zu Fn. 91) diesem lediglich innerhalb des Deliktsstatuts einen Anspruch auf Ersatz des Verdienstausfallschadens anzuerkennen braucht, der sonst n u r privaten Arbeitnehmern zusteht (näher Schurig, I n t p r . Probi. 394, 3961), dann k a n n man die gewählte kollisionsrechtliche Zuordnung unberührt lassen. — So erklärt es sich, daß hier v o m „Gesetz des geringsten Widerstands" gesprochen w u r d e : Kegel, I P R 150. 104

Über den Spielraum bei A n w e n d u n g ausländischen Rechts allgemein vgl. z. B. Neuhaus, Grdbegr. 334; Schwind, Hdb. 41.

Β . Die Berührungsfälle v o n Kollisions- u n d Sachrecht i m einzelnen

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Bedeutung. Kegel sieht hier ein M i t t e l zum Ausgleich von Normenwiohnehin abgeschwächt, wo m i t einer Urteilsanerkennung ohne sachliche Nachprüfung zu rechnen ist. I V . Sachnormen i m I P R

Der Begriff der „Sachnormen i m IPR" ist i n neuerer Zeit sehr stark ausgeweitet worden und dient als Schlüsselformel für gewisse A l t e r nativvorstellungen zum IPR-System; dazu später 1 0 5 . Als einer der Berührungspunkte zwischen Kollisions- und Sachrecht i m „klassischen" System ist dieser Begriff nur i m engsten Sinne von dersprüchen, wenn die beiden genannten Methoden der Angleichung versagen 106 , so wenn bei zwei Erblassern von jedem (nach seinem Personalstatut) angenommen wird, er sei vom anderen überlebt worden. Dieser Knoten sei nur zu durchhauen, indem w i r „unser eigenes IPR durch einen materiellrechtlichen Satz . . . ergänzen, der die widerstreitenden Kommorientenvermutungen gegeneinander aufhebt: es ist gleichzeitiger Tod anzunehmen". Es sei dies ein materieller Satz unseres IPR, w e i l es „ganz irreal" wäre, „ i n den materiellen Rechten nach Aushilfsnormen zu suchen" 107 . Wenn sich auch dieses und weitere von Kegel angeführte Beispiele 1 0 8 dadurch auszeichnen, daß einmal ein besonders krasser Eingriff i n die „eigentlich" berufenen Sachrechte erforderlich ist, zum andern ein hier an sich angezeigtes Ausweichen i n die kollisionsrechtliche Lösung anscheinend nicht möglich ist 1 0 9 , erscheint es doch zweifelhaft, ob sie sich von den Fällen materiellrechtlicher Angleichung wirklich derart unterscheiden, daß für sie eine eigene Kategorie gebildet werden muß. Geht man von der strengen „funktionellen" Trennung aus, die w i r unserer Untersuchung vorangestellt haben, so schließen sich Kollisionsund Sachrecht prinzipiell gegenseitig aus. „Sachnormen" i m IPR sind dann lediglich besondere Sachnormen der eigenen Sachrechtsordnung, die für die unmittelbare Entscheidung gerade von Sachverhalten ge105

Unten T. 4 I I I 4. Kegel, IPR 154 f. Ebenso Raape / Sturm, I P R 271 f. Fn. 44. Weitergehend scheint Schwind, Hdb. 25 f., alle durch das I P R herbeigeführten Veränderungen i m Sachrecht als „Sachnormen i m I P R " zu bezeichnen. 107 Kegel, I P R 153. 108 Ebd. 109 M a n könnte natürlich auch an eine ganz andere Ersatzanknüpfung denken, die dann möglicherweise zu einer geschlossenen Lösung i n einem „ d r i t t e n " Recht führte. Indessen sprechen gegen eine solche Totalabkehr von der Regelkollisionsnorm i m Einzelfall beträchtliche kollisionsrechtliche I n teressen, insbesondere würde das „allgemeine Beharrungsinteresse" (oben T. 2 D I V 4) mehr als nötig beeinträchtigt. 106

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T e i l 3: Brennpunkte zwischen Kollisions- u n d Sachrecht

schaffen sind, welche zu den genannten kollisionsrechtlichen Schwierigkeiten führen. Als solche müssen auch sie von einer Kollisionsnorm berufen sein, diese kann nur — als „Ausnahme"kollisionsnorm — lauten, daß i n solchen Fällen die lex fori anzuwenden ist (und aus i h r dieser spezielle Bestandteil). Dazu aber steht i n gewissem Widerspruch, daß die Lösung letztlich doch unter Verarbeitung der „berufenen" Sachnormen gefunden wird, und nicht aus dem eigenen Sachrecht (die Übereinstimmung i n Kegels Beispiel m i t dem deutschen Recht ist rein zufällig) 1 1 0 . Dann kann man auch annehmen, daß man doch durch A n passung eines der gefundenen Rechte — oder auch beider — zu dem Ergebnis kommt. Gewiß ist der Eingriff gewaltsam, aber man braucht die Aushilfsnorm nicht zu „suchen", man kann — und muß — sie auf dem Boden des fremden Rechts nach den dort implizierten (und vermuteten!) Gerechtigkeitsvorstellungen entwickeln. Man würde sicherlich zu einer solch „irrealen" Lösung nicht schreiten, könnte man auf die „kollisionsrechtliche Lösung" ausweichen; aber dieser Weg erscheint leider versperrt. Daß die Lösung „irreal" ist, mag zu bedauern sein, aber ob man sie nun als auf „angepaßtem" berufenen Sachrecht beruhend ansieht oder auf eigens entwickelten „Sachnormen i m eigenen IPR" (die sich vom eigentlichen Kollisionsrecht indessen doch wieder notwendigerweise unterscheiden), macht sie nicht „realer" 1 1 1 . Selbst i n seiner engsten Bedeutung, i n der er nur zur Kennzeichnung einer besonderen Problemgruppe der „Angleichung" dient, scheint so der Begriff der „Sachnormen i m IPR" entbehrlich zu sein, und das ganz besonders, nachdem er infolge unkontrollierter Ausweitung heute ein beträchtliches Mißverständnispotential bereithält. V. Umgehung

Die Probleme der Umgehung von Gesetzesvorschriften i m allgemeinen sind vielschichtig und können hier nur gestreift werden 1 1 2 . I m Bereich des internationalen Privatrechts 1 1 8 berühren auch sie das Verhältnis von Kollisions- und Sachrecht, denn Kollisionsnormen werden „benutzt", u m bestimmte sachrechtliche Ergebnisse herbeizuführen. In110

Vgl. Kegel, I P R 153. Anders gelagert ist das Problem der „Lückenfüllung" beim Eingreifen des ordre public, dazu unten Β V I I I 1 . 112 Hierzu Teichmann, Ges. Umg. 113 Vgl. Römer, Ges. Umg.; Raape / Sturm, I P R 325-343 m. w. Nachw. 325; Neuhaus, Grdbegr. 193-200; Kegel, I P R 214-225; Schwind, Hdb. 9 2 - 9 5 ; Niederer, Einf. 332-336; Batiffol / Lagarde, D. I. P. 463 -470; Makarov, I P R 103 f. Weitere Nachweise daselbst. 111

Β . Die Berührungsfälle v o n Kollisions- u n d Sachrecht i m einzelnen

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folgedessen ist hier schon der Ansatz heftig umstritten: Ist es die Kollisionsnorm oder die Sachnorm, die umgangen werden soll 1 1 4 ? Welche Lebenssachverhalte durch den Begriff „Umgehung" erfaßt werden, darüber bestehen einigermaßen einheitliche Vorstellungen. Sobald aber eine genaue Definition versucht wird, treten Schwierigkeiten auf. Teils sieht man das Charakteristikum darin, daß ein (IPR-) Tatbestand (eine Anknüpfung) „arglistig" 1 1 5 erfüllt w i r d ; doch bleibt die Frage offen, w o r i n denn diese „Arglist" besteht, was sie von der „normalen" Anknüpfung unterscheidet. Als unterscheidendes Merkmal w i r d ferner angeführt, daß jemand „ i n ungewöhnlicher Weise an Stelle eines Tatbestandes einen anderen verwirklicht", und zwar i n der Absicht, daß „an Stelle der Rechtsfolge des ersten Tatbestandes die Rechtsfolge des zweiten e i n t r i t t " 1 1 6 . Ohne eine solche Absicht handele es sich u m eine normale Auslegungsfrage. Aber was noch „gewöhnlich" und was schon „ungewöhnlich" ist, dafür fehlen gerade die festen Anhaltspunkte. Andere stellen darauf ab, „ob die zurückgedrängte Norm derart zwingend ist, daß ihre Ausschaltung wegen des mit ihr verfolgten Zweckes unerträglich wird" 117, und rücken damit i n den Problembereich des ordre public. Nach einer weiteren Version soll es darauf ankommen, daß „eine entscheidende Behörde", meist ein Gericht, getäuscht werden soll durch eine „Manipulation des Anknüpfungsmomentes" 1 1 8 . Zunächst gilt es, den Problemkreis der „Umgehung" einzugrenzen, also das auszuschalten, was nicht dazu gehört. Zu unterscheiden ist einmal die Tatbestandssimulation. Hier w i r d die Erfüllung eines Tatbestands (einer Anknüpfung) nur vorgetäuscht. Der „entscheidenden Behörde" soll ein i n Wirklichkeit nicht existierender Sachverhalt, eine nicht vorhandene Anknüpfung vorgespiegelt werden; man führt etwa i m Scheidungsprozeß einen gefälschten Staatsangehörigkeitsnachweis. Solche Fälle faßt man i m allgemeinen nicht unter den Begriff der Gesetzes-„umgehung" 119 ; m i t Recht, denn es handelt 114 Hierzu z.B. Römer, Ges. umg. 6 2 - 6 4 ; Raape / Sturm, I P R 327 („allein die Sachnorm"); Dölle, I P R 69 (ebenso); Soergel / Kegel, EGBGB, vor A r t . 7, Rdn. 55 (die Kollisionsnorm). 115 Ζ. B. Raape / Sturm, I P R 326; Ferid, I P R Rdn. 3 - 159. 116 Niederer, Einf. 329; Kegel, I P R 215; Ferid, I P R Rdn. 3 - 1 5 9 (zusätzlich zur Arglist). Gegen die Erforderlichkeit der Absicht z.B. Römer, Ges.umg. 42 - 46. 117 Dölle, IPR 72; dazu Schwind, Hdb. 92 Fn. 161. 118 Schwind, Hdb. 93. Außerdem müsse es sich u m „eine wesentliche, zum Bestandteil der öffentlichen Ordnung gehörige Bestimmung" handeln. 119 Vgl. etwa Kegel, I P R 223 f. Es gibt auch Grenzfälle, so etwa, w e n n i n Nevada an einen verhältnismäßig kurzen Aufenthalt die V e r m u t u n g eines (für „jurisdiction" i n Ehesachen) notwendigen „ d o m i c i l " geknüpft wurde. Durch die offizielle Sanktionierung der Simulationstatbestände werden diese zu Umgehungstatbeständen.

1 Schurig

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T e i l 3: Brennpunkte zwischen Kollisions- u n d Sachrecht

sich u m kein Problem der Rechtsanwendung, sondern lediglich u m ein solches der Sachverhaltsaufklärung 120 . U m etwas anderes geht es auch, wenn jemand ζ. B. die lex-causaeForm in einem anderen Land erfüllt (weil es dort vielleicht für ein solches Geschäft, das i n dieser Form unbekannt ist, keine Ortsform gibt oder weil die dortige Ortsform aus einem anderen Grunde unerwünscht ist), etwa um bei einer erforderlichen notariellen Beurkundung Kosten zu sparen. Hier handelt es sich primär u m eine Auslegung der internen Sachnormen hinsichtlich ihrer Anwendbarkeit auf einen Auslandssachverhalt, nämlich darum, ob die Beurkundung durch einen ausländischen Notar überhaupt das Formerfordernis erfüllen kann, und wenn, welche Merkmale das ausländische „Notariat" erfüllen muß. Insoweit ist keine kollisionsrechtliche Umgehung i m Spiel; „umgangen" w i r d allenfalls die Anwendung des deutschen Gebührenrechts. A m schwierigsten erscheint die Abgrenzung zum ordre public 121, dessen Grundsätze häufig zur Abwehr kollisionsrechtlicher „Gesetzesumgehungen" herangezogen worden sind. Die Schwierigkeiten rühren daher, daß sich die beiden Problemkreise überlagern können. So kann gerade durch die „Gesetzesumgehung" eine Sachnorm zur Anwendung gekommen sein, deren Inhalt unseren materiellrechtlichen Grundvorstellungen i n starkem Maße zuwiderläuft, und die Tatsache, daß bis auf die fragwürdige — w e i l durch „Umgehung" erlangte — Anknüpfung alle Beziehungen zum deutschen Recht weisen, kann die für das Eingreifen des ordre public erforderliche Inlandsbezogenheit enthalten 1 2 2 . So dürften i n dem bekannten Fall der Helene Böhlau sowohl ordre public- wie auch „Umgehungs"-grundsätze anzuwenden sein 1 2 3 . Dennoch muß beides voneinander getrennt werden: Beim ordre public ist Grund der Nichtanwendung letztlich die Diskrepanz i m materiellen Gerechtigkeitsgehalt zwischen dem „berufenen" Recht und unserem 124 , bei der „Umgehung" die besondere, „arglistige", „ungewöhnliche" Verwirklichung der Anknüpfung 1 2 5 . 120 Nicht ganz k l a r ist, was Schwind, Hdb. 93, damit meint, es sei i m m e r eine „auf Täuschung der entscheidenden Behörde . . . gerichtete Manipula u tion erforderlich. 121 Vgl. hierzu z.B. Römer, Ges. umg. 8 9 - 9 5 ; Maury, Ord. pub. 22 f.; Kegel, I P R 220; Makarov, IPR 103 f. Beide Gesichtspunkte vermengt z.B. Wolff, I P R 48. 122 Vgl. unten Β V I I 1. 123 Besprochen ζ. Β . bei Kegel, I P R 215, 218 f. 124 Näher unten Β V I I 1. 125 Zumindest mißverständlich ist die Forderung Niederers, Einf. 329, die Umgehung müsse gegen die lex fori gerichtet sein. Sollte als Gegenstand der Umgehung die Kollisionsnorm gemeint sein, so ist der Satz selbstverständlich, denn jede unserer kollisionsrechtlichen Entscheidungen ist — u n m i t t e l bar oder mittelbar — eine solche der lex fori (oben T. 2 A I I I 2). Sollte die

. Die B e r h u n g s f l l e von Kollisions- u n d Sachrecht i m e i n z e l n e n 2 4 3

Der „Umgehungsbegriff", der übrigbleibt, ist noch immer keineswegs unproblematisch. Wendet man i m Fall einer Umgehung die „umgangene" Norm gleichwohl an, dann handelt es sich nur u m einen mißlungenen Umgehungsversuch; erkennt man aber an, daß diese Norm hier nicht anzuwenden ist, dann kann man den Makel der „Umgehung" eigentlich auch nicht bestehenlassen 126 . I n erster Linie ist dieser Begriff daher dazu geéignet, bestimmte Lebenssachverhalte zu kennzeichnen. Ob es sich um.ëijaen rechtlich relevanten Systembegriff handelt, muß sich erst noch erweisen (Teichmann ζ. B. bestreitet das) 127 . Er wäre als Rechtsbegriff η.ώ dann notwendig, wenn er die Summe einer besonderen, gerade und nur hier vorhandenen Konstellation von Interessen und deren Bewertung verkörperte, auf die man bei der weiteren Behandlung selbständig aufbauen könnte. Grob gesehen zeichnet sich die kollisionsrechtliche Umgehung dadurch aus, daß einerseits eine Anknüpfung dem Buchstaben nach i n einem Fall verwirklicht (durch die Handlung eines Beteiligten herbeigeführt) ist, i n dem diese Anknüpfung gleichwohl nicht angemessen erscheint (während evtl. eine andere, die nicht verwirklicht ist, angemessen wäre), und daß diese Anknüpfung und die damit verbundene Sachrechtsanwendung beabsichtigt sind. Erscheint die Anknüpfung als angemessen, so kann $ie ruhig beabsichtigt sein. Ist sie nicht angemessen, aber auch nicht beabsichtigt, hat dies m i t Umgehung nichts mehr zu tun. Aus dieser Zweiteiligkeit resultieren übrigens die Widersprüche i n der Frage, was umgangen wird. Stellt man auf die nicht angemessene Tatbestandserfüllung (Anknüpfung) ab, dann kann man bei der kollisionsrechtlichen Gesetzesumgehung nur die Kollisionsnorm als umgangen (bzw. ,,er"gangen) ansehen, denn der Tatbestand der Sachnorm w i r d jedenfalls „ordentlich" erfüllt. Stellt man demgegenüber auf die subjektive Seite ab, also auf die Normen deren Anwendung zu verhindern, und auf die, deren Anwendung herbeizuführen beabsichtigt ist, dann w i r d als um- (bzw. er-)gangene Norm sowohl die Kollisionsnorm wie auch die Sachnorm anzusehen sein. Allein die Sachnorm kommt dagegen als Gegenstand der kollisionsrechtlichen Umgehung nicht i n Betracht 1 2 8 . Allerdings ist die Frage, so allgemein gestellt, ohne Belang, Sachnorm gemeint sein (mit der Folge, daß die Umgehungsgrundsätze n u r anzuwenden wären, w e n n eigenes Sachrecht i m Spiel ist), wäre er abzulehnen, gerade wegen des Unterschieds zum ordre public. ΐ2β V g l Kegel, IPR 216. 127

Teichmann, Ges. umg. 105 f. So aber Raape / Sturm, I P R 327 ; Dölle, I P R 72. Wenn letzterer meint, ein „eklatanter" Verstoß gegen den Sinn einer Kollisionsnorm sei viel seltener als ein solcher gegen eine N o r m des materiellen Rechts, so ist dies k e i n Argument. Gegen eine Sachnorm k a n n überhaupt erst „verstoßen" werden, 128

1*

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T e i l 3: Brennpunkte zwischen Kollisions- u n d Sachrecht

wie Neuhaus bemerkt 1 2 9 . W i l l man aber die Norm kennzeichnen, die dann zur Abwendung der „Umgehung" gleichwohl anzuwenden ist, dann kommt wiederum nur die erste Version i n Betracht. Damit ist bereits das M i t t e l bezeichnet, m i t dem der Umgehung begegnet w i r d : Es besteht i n der Nichtanwendung der „ergangenen" und gegebenenfalls 130 i n der Anwendung der „umgangenen" Norm. Als die treibende Kraft, die hinter solcher Neutralisierung von Gesetzesumgehungen steht, w i r d meist — besonders auch i n den romanischen Ländern — die „Autorität", die „Würde" oder das „Ansehen der Rechtsordnung" 131 genannt. I m Bereich der kollisionsrechtlichen Umgehung handelt es sich speziell — wie Kegel zu Recht betont 1 3 2 — u m das „Ansehen des eigenen IPR". Damit ist zwar umschrieben, was den Anstoß zur Bekämpfung von Umgehungen gibt, doch scheint eine weitere Analyse noch durchaus möglich und erforderlich. Was ist denn geeignet, das „Ansehen" einer Rechtsordnung zu untergraben? Es sind solche Entscheidungen, die getroffen werden, obwohl sie keineswegs als „sachgerecht" befriedigen können, die i n ihrem Gerechtigkeitsgehalt „nicht einsehbar" sind, die unter keinen Umständen als angemessene Reaktion auf bestimmte Interessenkonstellationen aufgefaßt werden können, kurz, die die oben angesprochene 133 „allgemeine Vernünftigkeitskontrolle" nicht i n dieser Form hätten passieren dürfen. Es sind m i t h i n solche Entscheidungen, bei denen der immanente Kontroll- und Korrektur-Mechanismus der Rechtsordnung versagt hat. Daß eine solche Entscheidung von einem Beteiligten herbeigeführt und beabsichtigt war, mag einen besonders unangenehmen Geschmack hinzufügen, ändert aber an der Grundsituation nichts. Denn auch ohne eine solche Absicht bleibt die Entscheidung korrekturbedürftig; ist sie hingegen ohne Mängel, so bedeutet die Absicht überhaupt nichts. Daraus folgt, daß Umgehungshandlung und -absieht vornehmlich dazu dienen, bestimmte Lebenssachverhalte zu umschreiben; für die Behandlung der betreffenden Rechtsfrage selbst sind sie von zweitrangiger Bedeutung. Es geht also wiederum zunächst u m die Übereinstimmung der konkreten Interessenkonstellation m i t der i n der Regelanknüpfung vorausgesetzten und bewerteten. Wenn die Kollisionsnorm die Scheidung an das Personalstatut anknüpft 1 3 4 , dann deshalb, w e i l die besondere perw e n n sie anwendbar ist. Ob dies der F a l l ist, entscheidet die (gegebenenfalls f ü r „Umgehungs"fälle zu berichtigende) Kollisionsnorm. 129 Neuhaus, Grdbegr. 194 f. Fn. 525. 130 Dazu unten Fn. 137. 131 Vgl. Kegel, I P R 217 f. 132 Ebd. 217. 133 T. 2 D I I I . 134 Von Gleichberechtigungsproblemen hier einmal abgesehen.

Β . Die Berührungsfälle v o n Kollisions- u n d Sachrecht i m e i n z e l n e n 2 4 5

sönliche Verbindung der Betroffenen zu dem Recht ihres Heimatstaates, ihre Vertrautheit m i t diesem Recht, es sinnvoll erscheinen läßt, Sachnormen, die die persönlichen Verhältnisse betreffen, dieser Rechtsordnung zu entnehmen. Diese Interessenwertung wird, wie schon beschrieben, schematisiert, genormt. Zwar durchläuft bei jeder Rechtsanwendung das Ergebnis noch einmal die Kontrolle der Interessenkongruenz, doch kommt ein Abweichen von der Regelanknüpfung erst bei einem erheblichen Interessenschwund i n Betracht, nämlich erst dann, wenn das allgemeine „Kontinuitäts-" oder „Beharrungsinteresse", das „kollisionsrechtliche Trägheitsprinzip" überwunden ist 1 3 5 . U m nichts anderes geht es bei der Umgehung: Läßt sich jemand scheiden, der gerade erst die neue Staatsangehörigkeit erhalten hat, so ist die persönliche Bindung zum neuen Staat und neuen Recht vielleicht i m Einzelfall noch nicht so gefestigt, daß sie für sich allein die Anknüpfung rechtfertigen könnte, aber das generelle „Beharrungsinteresse" steht gleichwohl einem Abweichen von der Regelanknüpfung entgegen. Hat aber die Partei, auf die es ankommt, nur zum Zweck der erleichterten Scheidung die Staatsangehörigkeit gewechselt, womöglich noch m i t dem Hintergedanken, die aufgegebene später wiederzuerwerben, dann ist auf der einen Seite der Interessenschwund gegenüber der Regelanknüpfung noch sehr viel deutlicher und offensichtlicher, weil die persönlichen Beziehungen, die Grund der Anknüpfung sind, überhaupt nicht bestehen und auch nicht bestehen sollen, auf der anderen Seite w i r d das Beharrungsinteresse durch die Umstände des Falles zurückgedrängt: Je mehr nämlich die Herbeiführung der Anknüpfung den Makel der „Sittenwidrigkeit" trägt (hier ergibt sich einer der Berührungspunkte m i t dem ordre public), der Rücksichtslosigkeit gegenüber den Rechten anderer, je mehr sie „arglistig" war i n dem Sinne, daß dem Betreffenden die Unangemessenheit der „ergangenen" Norm bewußt war und er sie m i t Absicht für Vorteile einsetzte, die i h m nach dem Gerechtigkeitsempfinden nicht zustanden, desto weniger existiert ein allgemeines Ordnungsinteresse an Kontinuität der Rechtsanwendung gerade i n diesem Fall. Es kann also von der äußerlich verwirklichten Regelanknüpfung abgewichen und die i n casu wirklich interessengemäße Kollisionsnorm gebildet werden, m. a. W. die „ergangene" K o l lisionsnorm w i r d nicht angewandt, die „umgangene" w i r d angewandt — genauer: es w i r d eine Kollisionsnorm angewandt, die dieser „Bündelung" nachgebildet ist. Somit reduziert sich auch die Umgehungsproblematik auf den immer wiederkehrenden Grundvorgang der „operativen" Rechtsfindung, der „versuchsweisen" Rechtsanwendung m i t „eingebauter" Kontroll- und Korrekturstufe, der Neu- und Umbildung und Anpassung von K o l l i 135

Oben T. 2 D I V 4.

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T e i l 3: Brennpunkte zwischen Kollisions- u n d Sachrecht

sionsnormen. Theoretisch wäre es durchaus möglich, typische „Umgehungs"-fälle zu neuen allseitigen Kollisionsnormen zu verbinden, nur kommt es nicht dazu, weil solche Fälle relativ selten und i n ihrer Struktur sehr unterschiedlich sind. So bleibt es dabei, daß auf Gesetzesumgehungen jeweils m i t einer isoliert zu bildenden Ersatzkollisionsnorm geantwortet wird, die die Anknüpfung der „umgangenen" Norm benutzt. Dabei ist es wegen der verschiedenen Wertungen, die i n diesem Vorgang enthalten sind, nur natürlich, daß die Beurteilung konkreter „Umgehungsfälle" bei den einzelnen Gerichten und Autoren durchaus auseinandergehen kann. Eine genaue Definition der „kollisionsrechtlichen Gesetzesumgehung" (und der Gesetzesumgehung überhaupt) 1 3 6 erscheint somit nicht unbedingt erforderlich; sie entbände jedenfalls nicht von der Verpflichtung, stets doch auf die beschriebenen Grundvorgänge und Wertungen zurückzugehen. Deshalb kommt keine Definition ohne die oben gekennzeichneten ausfüllungsbedürftigen Umschreibungen aus. Nach allem könnte man als kollisionsrechtliche Umgehung den Fall bezeichnen, daß jemand bewußt einen Anknüpfungstatbestand verwirklicht und dabei die Anwendung einer Kollisionsnorm (und über diese bestimmter Sachnormen) bezweckt (und gewöhnlich 137 die Anwendung einer anderen Kollisionsnorm und anderer Sachnormen verhindert), die ihrem Sinn (d. h. den zugrunde liegenden kollisionsrechtlichen Interessen) entsprechend nicht angemessen ist. Es handelt sich u m ein Spezialproblem der ständigen „operativen" Kontrolle der Kollisionsrechtsanwendung: Wenn die tatsächliche Interessenlage des Falles die verwirklichte A n knüpfung nicht mehr trägt und das allgemeine Beharrungsinteresse wegen der Fallumstände zurückgedrängt wird, dann w i r d die buchstäblich erfüllte Regelkollisionsnorm nicht angewandt, dafür eine andere, passende, deren Anknüpfung der „umgangenen" Norm nachgebildet ist. Das „Interesse am Ansehen der Rechtsordnung" ist nur sekundär, nur mittelbar betroffen, es ist identisch m i t dem allgemeinen Interesse an „gerechter" (hier: Kollisions-)Rechtsfindung. V I . Sachnormen mit „eigenem Anwendungsbereich"

Die „Sachnormen m i t eigenem Anwendungsbereich" spielen heute eine bedeutende Rolle i n den Vorschlägen und i n der Diskussion über einen eigenen methodischen Teil innerhalb oder außerhalb des IPR, der auf den sog. „autolimitierten Sachnormen" beruht 1 3 8 . Davon w i r d später die Rede sein 1 3 9 . 136

Dazu z. B. Teichmann, Ges. umg. 105 f. Jedoch nicht notwendig. So kann, wenn normalerweise A l t e r n a t i v anknüpfung geboten w i r d , auch lediglich eine Alternative wegen Mißbrauchs wegfallen, ζ. B. beim Formstatut. 137

Β . Die Berührungsfälle v o n Kollisions- u n d Sachrecht i m e i n z e l n e n 2 4 7

Hier soll zunächst i m „re-konstruierten klassischen" IPR-System der Standort derjenigen (schon immer vorhandenen) Normen festgestellt werden, die eine sachliche Regelung und zugleich deren räumlichen Anwendungsbereich enthalten 1 4 0 . Er ergibt sich aus dem Bisherigen praktisch von selbst. Zunächst gilt es, den sachrechtlichen Anwendungsbereich vom kollisionsrechtlichen zu scheiden. Dazu dient der oben dargestellte „ A l t e r nativen-Test": Ist Alternative der Anwendung der betreffenden Norm i m Falle der Nichterfüllung der Anknüpfungsvoraussetzungen die A n wendung einer anderen Norm derselben Rechtsordnung, so handelt es sich u m eine sachrechtliche Abgrenzung; ist Alternative die Anwendung der Norm einer anderen Rechtsordnung, so ist die Abgrenzung kollisionsrechtlich 141 . N u r die letzteren Fälle interessieren i n diesem Zusammenhang. Als eine Besonderheit i m IPR können die hier betrachteten Normen nur dann angesehen werden, wenn man davon ausgeht, daß das „klassische" kollisionsrechtliche System i m Prinzip ausschließlich aus den etablierten allseitigen Kollisionsnormen besteht. Daß dies keineswegs so ist, dieser Nachweis war eines der Anliegen unserer bisherigen Untersuchung 142 . Bei der Sachnorm m i t „eigenem" Anwendungsbereich handelt es sich einfach u m eine Sachnorm und eine dieser beigegebene spezielle Kollisionsnorm. Daß beide sprachlich i n einer Vorschrift vereinigt sind, ist eine rein technische Sache und ändert nichts an dem unterschiedlichen Charakter der beiden Normen 1 4 3 . Wenn sich auch diese „positive" Köllig sionsnorm nur auf einen einzigen Satz der lex fori bezieht, so ist damit über die Bildung anderer (Element-)Kollisionsnormen nicht unbedingt entschieden. Es kann zunächst für andere ähnliche Normen der lex fori eine übereinstimmende und gleich zu bewertende kollisionsrechtliche Interessenlage festgestellt werden, die zu ebensolchen Kollisionsnormen führt. Diese können m i t der ausdrücklichen Einzelnorm zu einer einseitigen Norm „vertikal" gebündelt werden. Es kann auch der Anwendungsbereich „vergleichbarer" ausländischer Normen zu beurteilen sein. Entspricht die kollisionsrechtliche Interessenbewertung derjenigen bei der lex fori (und das w i r d meist der Fall sein, wenn man die 138

Vgl. oben T. 1 C I I I 2. Unten T. 4 C I I I 2. 140 Ζ. B. § 244 BGB, w i e er von der h. M. verstanden w i r d (oben T. 2 A I I Fn. 62). 141 Oben T. 2 A I I . Z u r Möglichkeit einer Überlagerung der beiden Abgrenzungen ebd. zu Fn. 59. 142 Ζ. B. oben T. 2 D I. 143 T. 2 A I I . 139

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T e i l 3: Brennpunkte zwischen Kollisions- u n d Sachrecht

lex fori nicht als solche vorzieht), dann können die so gefundenen Element-Kollisionsnormen auch allesamt „horizontal" gebündelt werden. Die der Sachnorm beigegebene Einzelkollisionsnorm erscheint dann als gesetzlich normierte Facette einer — evtl. „gewohnheitsrechtlichen" — allseitigen Kollisionsnorm 1 4 4 . Die Kollisionsnorm als Bestandteil einer Sachnorm m i t „eigenem" Anwendungsbereich weist somit — außer rein technischen — keine Besonderheiten auf. Sie fügt sich i n das kollisionsrechtliche System ein, und sie kann dies auf jeder der möglichen nebeneinander existierenden Entwicklungsstufen 1 4 5 tun. V n . Ordre public

1. Allgemein Seit der Ablösung der Statutentheorie hat der ordre public stets eine Schlüsselstellung i m System des internationalen Privatrechts innegehabt; sei es, daß man i h n als Störenfried beschimpfte (aber doch brauchte), sei es, daß man i h n aus dem System ausschloß (wie Savigny), sei es, daß man ihn zu einem tragenden Element des IPR machte 146 . Wiethölters Ausspruch über die Bedeutung des ordre public 1 4 7 hat daher gewiß seine Berechtigung. Herkömmlicherweise unterscheidet man den „positiven" und den „negativen" ordre public 1 4 8 . Ersterer soll bestimmten eigenen Rechtssätzen gegenüber fremden zur Durchsetzung verhelfen, letzterer soll „ n u r " gewisse Sachnormen des „an sich" berufenen Rechts ausschalten, wobei sich dann die Frage erhebt, wie die so eventuell entstandene Lücke auszufüllen ist 1 4 9 . Wenden w i r uns vorab dem „positiven" ordre public zu. Er spielte i n den romanischen Ländern zunächst eine überragende Rolle, war gleichsam die „zweite Säule" des internationalen Privatrechts, gilt aber m i t t lerweile als zugunsten der „negativen" Auffassung auch dort weitgehend zurückgedrängt 150 . Indessen kann die neuerdings zunehmend 144

Vgl. auch Kegel, Selbstger. S N. 73 - 75. T. 2 DI. 146 v g l . oben T. 1 C I I I 2. Einen neuerlichen Versuch i n dieser Richtung u n t e r n i m m t Stöcker, I n t . o. p. 145

147

Oben Einl. Fn. 1. V o n zusätzlichen Erfindungen w i e dem „ a k t i v e n " ordre public ganz zu schweigen (vgl. oben T. 2 C I V 2 zu Fn. 517). — Umfangreiche Literaturnachweise zum ordre public bei Raape / Sturm, I P R 194 - 199; Kegel, I P R 233 - 235. 149 Eingehend Neumayer, Pos. Funkt. Vgl. ζ. B. auch Makarov, I P R 94 - 103; Schwind, Hdb. 77 - 92. 100 S. oben T. 1 C H I 2 Fn. 128. Vgl. auch Francescakis, D r . n a t . 122; ders., Préc. 2 (bei i h m geht der „positive" ordre public i n den „lois d'application 148

Β . Die Berührungsfälle von Kollisions- u n d Sachrecht i m einzelnen

diskutierte Lehre der „lois d'application immédiate", der „autolimitierten Sachnormen", ihre enge Verwandtschaft m i t dem „positiven" ordre public nicht verleugnen 1 5 1 . Der Ansicht freilich, daß manche Gesetze schon wegen ihrer „Wichtigkeit", wegen ihres hohen Gehalts an „sozialem ö l " stets Anwendung „verlangten" — ohne Rücksicht auf jedwede „Verknüpfung" und damit ohne Rücksicht auf das „internationale P r i vatrecht" überhaupt —, dieser Ansicht sollte eigentlich bereits Kahns geistvolle Attacke den Garaus gemacht haben 1 5 2 . Es verbirgt sich hinter dem „positiven" ordre public nichts anderes als die Suche nach den besonderen Kollisionsnormen, die bestimmten Sachnormen angemessen sind, Sachnormen, welche auf solchen materiellrechtlichen Interessen beruhen, die spezielle, auf die Anwendung dieser Normen bezogene kollisionsrechtliche Interessen implizieren und die damit die „angemessene" Kollisionsnorm möglicherweise aus der herkömmlichen vertikalen Bündelung fallen lassen — nicht aber aus dem System des IPR. Es handelt sich somit u m das Problem der kollisionsrechtlichen Sonderbehandlung bestimmter Sachnormen, auf das noch i n anderem Zusammenhang zurückzukommen sein w i r d 1 5 3 . Eigentliches Kernstück der ordre-public-Problematik ist somit der ordre public mit negativer Funktion. Für ihn gibt es heute — bei aller programmierten Unbestimmtheit der Anwendung i m einzelnen — einige i m großen und ganzen übereinstimmende Grundsätze, so daß man von einer wissenschaftlich ziemlich fest umrissenen kollisionsrechtlichen Erscheinung sprechen kann. Das Eingreifen des ordre public setzt danach folgendes voraus: 1. Es werden ausländische 154 Sachnormen berufen, bei denen „das Ergebnis der Anwendung des ausländischen Rechts zu den Grundgedanken der deutschen Regelung und der i n ihnen liegenden Gerechtigkeitsvorstellungen i n so starkem Widerspruch steht, daß es von uns für untragbar gehalten w i r d " 1 5 5 . Diese Grundvoraussetzung w i r d nicht immer gleichlautend formuliert; doch besteht i m allgemeinen Einigkeit darüber, daß der ordre public dann ausgelöst wird, immédiate" auf). Ebenso f ü r den angelsächsischen Bereich Cavers , Crit. 186 Fn. 30; Dicey / Morris, Confi. 70 - 75. 151 Insoweit unten T. 4 C I I I 2. — Daß sich Kahns Kennzeichnung des „ordre public" als „der noch unbekannte u n d der noch unfertige T e i l des internationalen Privatrechts" auf diesen „positiven" ordre public bezieht, w i r d häufig übersehen. 152 Hierzu oben T. 2 Β I V zu Fn. 366 - 370. 153 τ. 4 C I I I 2 u n d 3. Vgl. auch Wengler, Sonderankn., sowie unten Fn. 203. 154 Der ordre public k a n n sich niemals gegen das eigene Sachrecht richten, hierzu weiter unten. 155 BGH (17.9.68) Ζ 50, 370 (375 f.); BGH (18.6.1970) Ζ 54, 123 (130); B G H (18. 6. 70) Ζ 54, 132 (140).

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Teil 3: Brennpunkte zwischen Kollisions- u n d Sachrecht

wenn die Anwendung des fremden Rechts i m Ergebnis unserer Vorstellung von materieller Gerechtigkeit derart zuwiderläuft, daß sie uns als „schlechthin untragbar" erscheint 156 . 2. Es besteht eine Inlandsbeziehung 157, und zwar solcher A r t , daß sie „Gegenstand eines Anknüpfungsmomentes sein könnte" 1 5 8 . Hierauf beruht die sog. Relativität des ordre public: Je stärker die Inlandsbeziehung ist, desto eher stoßen w i r uns an „schockierenden" Ergebnissen; je schwächer sie erscheint, desto zurückhaltender, „toleranter" können w i r sein. Dazu gehört auch, daß das fremde Recht die Frage i n einem „Hauptpunkt" berühren muß, u m uns zum Eingreifen zu bewegen 159 . 3. Schließlich w i r d als zeitliche Voraussetzung ein Bezug zur Gegenwart verlangt 1 6 0 ; lange abgeschlossene Sachverhalte bewegen uns weniger als aktuelle. Somit erscheint der ordre public als eine dem Kollisionsnormensystem aufgepfropfte Notlösung, als ein „Störenfried" 1 6 1 , der das so sorgfältig aufgebaute Gefüge der Anknüpfungen nachträglich rücksichtslos durchkreuzt, der das wohlausgewogene Ergebnis internationalprivatrechtlicher Interessenwertung einfach mißachtet und unmittelbar materiellrechtlichen Interessen zum Durchbruch v e r h i l f t 1 6 2 . Als ein solcher Fremdkörper im Gewebe internationalprivatrechtlicher Gerechtigkeit w i r d der ordre public heute weitgehend angesehen, nicht nur bei denen, die i h m m i t Mißtrauen gegenüberstehen 163 , sondern auch bei denen, die i n der Praxis zu einer recht weitgehenden Anwendung neigen 1 6 4 . Diese systematische Außenseiterstellung — die bekanntlich schon auf Savigny zurückgeführt werden k a n n 1 6 5 — scheint indessen einer näheren Betrachtung wert zu sein. Möglicherweise läßt sich auch die Rechtsfigur des ordre public noch näher an die generelle „kollisions156 157

Verschiedene Definitionen bei Kegel, I P R 236 f. Z . B . Kegel, I P R 239; Raape / Sturm, I P R 215-218; Neuhaus,

Grdbegr.

367 f. 158

Neuhaus, Grdbegr. 367. Ζ. B. Kegel, I P R 240. Z u r „ R e l a t i v i t ä t " vgl. aber unten zu Fn. 197. 160 Kegel, I P R 240 f. 161 Unten Fn. 163. 162 Kegel, Begr. I n t . Jur. 2771; ders., I P R 63 f., 235, 237; Schwind, Hdb. 79; Mertens, K a r t . R. 386 : „ A n i h m bricht sich das IPR, aber er gestaltet es nicht m i t . " Vgl. auch Cavers, Crit. 183 f., der hier einen Ansatz sieht, die k o l l i sionsrechtliche „Augenbinde" abzulegen. 163 Vgl. etwa Raape, I P R 92 („enfant terrible", „Störenfried"); Ferid, I P R Rdn. 3 - 1 3 („Störenfried"); Keller, Verh. 67. Reiche Ernte an phantasievollen Bezeichnungen hält Wiethölter, I n t . o. p. 136. 164 Vgl. Raape / Sturm, I P R 199 - 203, 411. Positiver Wolff, I P R 61. 185 Oben T. 1 C I I I 2 zu Fn. 113 - 117. 159

Β . Die Berührungsfälle v o n Kollisions- u n d Sachrecht i m einzelnen

251

rechtliche" Methodik und Systematik heranführen, was Verständnis und Handhabung erleichtern könnte. Der funktionelle Hauptunterschied zwischen Kollisionsnorm und ordre public scheint i n der „negativen Funktion" des letzteren zu liegen: Während die Kollisionsnorm — „positiv" — bestimmt, welche Rechtsnormen zur Anwendung herangezogen werden, und zwar aus Gründen „internationalprivatrechtlicher Gerechtigkeit", liegt die Aufgabe des ordre public gerade darin, die Anwendung „an sich" berufener Rechtsnormen — „negativ" — zu verhindern, und dies aus Gründen „materiellrechtlicher Gerechtigkeit". Indessen, wie so oft, ist auch hier die Kennzeichnung als „positiv" oder „negativ" i n erster Linie eine Sache des Standpunkts und der Betrachtungsweise. Jede Kollisionsnorm, die „positiv" bestimmte Sachnormen zur Anwendung beruft, schließt damit „negativ" andere von der Anwendung aus. Beim ordre public hat man sich daran gewöhnt, vornehmlich diese Ausschlußwirkung zu sehen 166 . Sobald man aber i n erster Linie danach fragt, warum das fremde Recht ausgeschlossen ist und was an seiner Stelle gilt, verändert sich bereits die Perspektive. Es ist ja nicht so, daß aus dem anwendbaren Recht lediglich etwas weggenommen w i r d und man dann die Lücke notgedrungen zu füllen habe. Die fremde „ordre-public- widrige" Norm w i r d nicht angewandt, weil sie — i m konkret zu entscheidenden Fall — den Erfordernissen der materiellen Gerechtigkeit krass widerspricht 1 6 7 — aber der materiellen Gerechtigkeit, wie wir sie verstehen. Es sind also materiellrechtliche Grundvorstellungen der lex fori, die hier geschützt werden 1 6 8 ; denn von ihnen können w i r uns nicht lösen. Das eigene Recht ιββ Freilich w i r d zunehmend ein Zusammenhang zwischen beiden „ F u n k tionen" eingeräumt, vgl. etwa Raape / Sturm, I P R 200; Bucher, Grundfragen 117, 124 - 128; Neuhaus, Grdbegr. 364, 368 f.; Neumayer, Pos. F u n k t . 207; sowie Siehr, Eheschi. fr. 103 - 105, 108 (der freilich den „positiven" I n h a l t durch „räumliche Auslegung" der jeweiligen Sachnormen, ihres „Geltungswillens" erschließen will). Deutlich auch Batiffol / hagarde, D. I. P. 455. 167 Z u den „Machtinteressen" i. S. Kegels weiter unten. ιββ v g l etwa Maury, Ord. pub. 13. — Es gibt indessen Versuche, den ordre public naturrechtlich zu erklären, ordre-public-Widrigkeit also m i t N a t u r rechtswidrigkeit gleichzusetzen u n d so zu einem „internationalen" Begriff des ordre public zu kommen (der etwas anderes ist als der „internationale ordre public" i n dem Sinne, daß er eigene Sachnormen „international z w i n gend anwendbar" macht i m Gegensatz zu n u r „ i n t e r n " zwingendem Recht; zu dieser auf Brocher zurückgehenden — veralteten — Unterscheidung Kahn, Ord. pubi. 200-202). Vgl. Francescakis, Dr. nat. 123, 142- 145; Gamillscheg, Grd. R. 336, 345; u n d insbesondere Stöcker, I n t . o.p. 87 - 103, der einen ordre public „national" unterscheidet, welcher die „spezifischen Eigentümlichkeiten des Forumrechts" schützt, u n d einen ordre public „international", der „privatrechtskonforme" Sätze m i t „universaler Rationalität" schützt, die „gerechte Ordnung der internationalen Menschenfamilie selbst". Dem ist entgegenzuhalten, daß auch naturrechtliche Sätze, Sätze von „universaler

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T e i l 3: Brennpunkte zwischen Kollisions- u n d Sachrecht

des jeweiligen Staates ist eben stets Modell des „sachlich besten" Rechts. Man kann keine Anwendung ausländischer Normen m i t Erwägungen ablehnen, die i m eigenen Sachrecht keinen Niederschlag gefunden haben. Wenn also i m Wege des ordre-public-Vorbehalts an die Stelle der „abgelehnten" Norm eine solche der lex fori gesetzt w i r d — etwa an die Stelle der Zulassung polygamer Ehen die Beschränkung auf die monogame Ehe —, dann w i r d nicht etwa durch den ordre public i n das fremde Sachrecht eine Lücke gerissen, zu deren Füllung man sich dieser eigenen Norm bediente, sondern der eigene Rechtsgrundsatz verdrängt den fremden, unserem Rechtsgefühl widerstreitenden ganz unmittelbar. Der Satz der lex fori t r i t t nicht deshalb ein, w e i l der fremde weicht, sondern der fremde Rechtssatz weicht, weil insoweit derjenige der lex fori e i n t r i t t 1 6 9 . Man hat i m ordre public die Durchbrechung der „internationalprivatrechtlichen Gerechtigkeit" zugunsten der „materiellprivatrechtlichen Gerechtigkeit" gesehen 170 . Es ist zunächst hinzuzufügen: der materiellprivatrechtlichen Gerechtigkeit im Sinne der lex fori. Denn auch die sich i m Wege des ordre public durchsetzenden Grundsätze sind durch ihre „Geltung" auf diese Weise räumlich verknüpft wie jede Rechtsnorm, die Gegenstand der Anknüpfung ist 1 7 1 . Die Frage aber, warum i n einem bestimmten Fall die Normen, Rechtssätze oder allgemeinen Rechtsprinzipien (darüber i m folgenden) gerade der lex fori heranzuziehen sind, auch diese Frage ist eine solche des Kollisionsrechts, oder, wenn man w i l l , der „internationalprivatrechtlichen Gerechtigkeit". Ist nämlich die nationale Verknüpfung derjenigen Rechtssätze einmal festgestellt, die sich bei Anwendung des ordre public gegenüber dem „berufenen" Recht durchsetzen, dann steht fest, daß auch sie — wie jeder andere Rechtssatz 172 — kollisionsrechtlich berufen sein müssen, u m angewandt werden zu können. V o n den v i e r Tatbestandselementen der K o l l i s i o n s n o r m 1 7 3 konnten w i r b e i m o r d r e p u b l i c b e r e i t s d r e i ausmachen: 1. d e n m a t e r i e l l e n Rechtssatz (der h i e r auch e i n w e i t gefaßtes P r i n z i p sein k a n n ) 1 7 4 ; 2. desRationalität", sich n u r i m Wege des ordre public durchsetzen können, w e n n sie i m Forumstaat i n das „geltende" Recht eingegangen sind. Die vorgeschlagene Unterscheidung b e w i r k t somit praktisch nichts, w i e auch die von Stökker getroffenen „Schlußfolgerungen" (103 -121) erkennen lassen. — Kritisch schon Wiethölter, I n t . o. p. 151; ferner Bucher, Grundfragen 125; Raape / 169 Sturm, Zur IPRLösung 202 f. durch Normen-„Anpassung" weiter unten. 170 Kegel, Begr. I n t . Jur. 278; ders., I P R 63 f., 235; Dietzi, Ausw. 49, 52, 54, 68. 171 Oben T. 2 A I I I 1. A I V . 172 Oben T . 2 A I . 173 Oben T . 2 A I V . 174 Näher i m folgenden.

Β . Die Berührungsfälle v o n Kollisions- u n d Sachrecht i m einzelnen

253

sen räumliche Verknüpfung infolge seiner Geltung (Anknüpfungsmoment); 3. den Sachverhalt, der unter den materiellen Rechtssatz subsumierbar ist. Das vierte Element müßte ein Anknüpfungsmoment für den Sachverhalt sein, das zum selben Staat führt wie dasjenige für den Bechtssatz. Und i n der Tat braucht man auch nach diesem nicht lange zu suchen: Nach einhelliger Auffassung setzt das Eingreifen des ordre public eine Inlandsbeziehung voraus, und zwar eine solche, die — wie Neuhaus deutlich ausspricht 175 — „Gegenstand eines Anknüpfungsmoments sein könnte". Der Grund für eine solche Kennzeichnung der I n landsbeziehung ist einfach der, daß es sich tatsächlich u m ein Anknüpfungsmoment handelt. Sind alle diese Voraussetzungen gegeben, so besteht die Rechtsfolge darin, diese Rechtsgrundsätze auf diesen Sachverhalt anzuwenden. Somit weist der dem kollisionsrechtlichen System angeblich so zuwiderlaufende ordre-public-Vorbehalt alle Strukturmerkmale einer Kollisionsnorm auf! Damit sind freilich seine Besonderheiten und Schwierigkeiten noch nicht erklärt. Als Ausgangspunkt kann man indessen festhalten, daß es sich auch hier i m Prinzip um nichts anderes handelt, als um eine A r t von Kollisionsnormen für bestimmte Rechtssätze und -prinzipien der lex fori. A m ehesten lassen sich m i t dieser Erkenntnis i n Übereinstimmung bringen die sog. Kollisionsnormen des ordre public 176. Diese sind bereits als besondere Kollisionsnormen für bestimmte Sachnormen der lex fori ausgebildet, i n das System „positiver" IPR-Normen integriert 1 7 7 und haben m i t dem eigentlichen ordre-public-Vorbehalt nur noch einige rechtspolitische Beweggründe gemein. A u f der nächsten Stufe folgen die Anwendungsfälle des ordre public, die die Durchsetzung bestimmter positiver Sätze des Sachrechts der lex fori zur Folge haben. Auch hier bildet die jeweilige Inlandsbeziehung das Anknüpfungsmoment zur Bestimmung des Geltungsbereichs der betreffenden Sachnorm. Wenn w i r etwa aus ordre-public-Gründen ablehnen, eine nach dem betreffenden Heimatrecht „an sich" zulässige Eheschließung· eines M u selmanen m i t einer zweiten oder weiteren Ehefrau bei uns durchzuführen und die Erlaubnis der Polygamie durch unser Verbot der Doppelehe ersetzen (§ 5 EheG) 1 7 8 , andererseits aber die polygame Ehe innerhalb von Vorfragen anerkennen, dann steckt dahinter folgende spezielle Kollisionsnorm: „§ 5 EheG ist (auch) anzuwenden, wenn die Eheschließung i n Deutschland stattfindet". Hier gehen i n der Tat „positive" 175 176 177 178

Neuhaus, Grdbegr. 367. Ebenso ζ. B. Bucher, Grundfragen 130. Vgl. hierzu Neumayer, Pos. F u n k t . Uber den möglichen „Ausbau" zu allseitigen Normen weiter unten. Vgl. ζ. B. Kegel, I P R 243.

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T e i l 3: Brennpunkte zwischen Kollisions- u n d Sachrecht

und „negative" Funktion des ordre public nahtlos ineinander über, was angesichts der erwähnten Relativität dieser Kennzeichnungen auch nicht verwunderlich ist. Freilich sind diese Kollisionsnormen, die „real" zur Anwendung des entsprechenden deutschen Satzes führen — der auch ein stillschweigender Negativsatz sein kann, so wenn ein ausländisches Verbot der Anerkennung von Ehebruchskindern oder ein religiöses Eheschließungsverbot durch den i m deutschen Recht stillschweigend geltenden gegenteiligen Satz ersetzt w i r d 1 7 9 — meist nicht i m Sinne „positiven" Rechts durchgeformt. Sie werden von Fall zu Fall gebildet, und häufig kommen verschiedene Inlandsbeziehungen (sprich: Anknüpfungsmomente) i n Betracht, die dann zu Alternativ-Anknüpfungen zusammengefaßt werden könnten. Diese Tatsache steht aber durchaus i n Übereinstimmung m i t der schon früher festgestellten 180 unterschiedlichen Dichte und Ausgestaltung innerhalb des kollisionsrechtlichen Systems, der „organischen" inneren Beweglichkeit, die es ohne weiteres zuläßt, i n bestimmten Bereichen weitgehend auf die Ausgestaltung „auf Vorrat geschaffener" positiver Kollisionsnormen zu verzichten und diese durch „freie" kollisionsrechtliche Interessenwertung ad hoc zu bilden. U m Kollisionsnormen handelt es sich gleichwohl. Eine Verdichtung zu positiven Regeln ist stets möglich, und so ist es zu erklären, daß sich aus dem ordre public neben anderen Normen ζ. B. fast das gesamte bisher positiv bestehende öffentlichrechtliche Kollisionsrecht herausgebildet und abgespalten hat 1 8 1 . Häufig indessen läßt sich die fortgefallene Sachnorm nicht einfach durch eine Norm der lex fori ersetzen, oder aber dies erscheint nicht als unbedingt erforderlich. Man w i l l nicht „das K i n d m i t dem Bade ausschütten". Darum w i r d überwiegend empfohlen, anstelle der ausgeschlossenen Regelung die Lücke „wieder m i t dem fremden Recht zu schließen" 182 oder aber neue „Sachnormen i m deutschen IPR" zu bilden, die unserem Gerechtigkeitsempfinden gerade noch entsprechen 183 . Hier nun scheint unsere soeben gegebene Deutung, daß es sich beim ordre 179 Solche „Negativsätze" des deutschen Rechts verdrängen den fremden Rechtssatz auch dann, w e n n dieser scheinbar „ersatzlos" wegfällt (wie es Neuhaus, Grdbegr. 376 für möglich hält). 180 Oben T. 2 D I . 181 Dazu ζ. B. Kegel, I P R 65. Stöcker, I n t . o. p. 99, w i l l umgekehrt das öffentlichrechtliche Kollisionsrecht wieder auf Grundsätze des „internationalen" ordre public (dazu oben Fn. 168) zurückführen, öffentliches Recht (einschließlich des „versteckten") sei n u r von „territorialer Rationalität", „echtes'· Privatrecht dagegen von „universaler Rationalität". D a m i t ist praktisch nichts anzufangen, u n d gewiß ergibt sich kein Anlaß, bereits gefundene „feste" Kollisionsnormen zugunsten einer derart vagen Formel aufzugeben 182 Nachweise bei Raape / Sturm, I P R 219 f. (wo die lex fori propagiert wird). 183 Kegel, I P R 243.

Β . Die Berührungsfälle von Kollisions- und Sachrecht i m einzelnen

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public ebenfalls u m das Eingreifen besonderer Kollisionsnormen handelt, auf ein entscheidendes Hindernis zu treffen. Woher aber sollen w i r die Sachnormen nehmen, die w i r benötigen, u m die „Lücke" auszufüllen? Der Vorschlag, dies m i t dem „berufenen" Hecht zu tun, spiegelt Rücksicht auf das fremde Recht lediglich vor. Denn wenn w i r aus anderen Normen (die i n casu oft auch gar nicht berufen sind) Rechtsgrundsätze entnehmen u n d damit — angeblich „ i m fremden Recht" — eine neue N o r m zusammenstückeln, die es dort nicht nur nicht gibt, die sogar zu der existierenden (aber wegen des ordre public nicht angewandten) Sachnorm i n erheblichem Gegensatz stehen muß, dann wenden w i r eben nicht eine N o r m dieser Rechtsordnung an, sondern eine für diesen F a l l von uns selbst geschaffene 184. Es macht wenig Sinn, sich dabei an Regeln des fremden Gesetzgebers zu k l a m mern, von denen w i r genau wissen, daß er sie für einen solchen F a l l gerade nicht angewandt haben w i l l ; i m Gegenteil kann die Rationalität dieser Regelbildung dabei verschüttet werden. Natürlich haben w i r gewisse Freiheit auch bei der Anwendung ausländischen Sachrechts. So sind w i r nicht gehindert, diese Rechtssätze weiterzuentwickeln, auszulegen, u. U. neue zu bilden, insbesondere da, wo es sich wegen der i n ternationalen Verknüpfung aus der Sicht des anwendbaren Rechts u m einen „Auslandssachverhalt" handelt 1 8 5 . Hierauf beruht j a auch die „Angleichung" i m fremden Sachrecht 186 . Aber dann handelt es sich stets u m Veränderungen, die dem inneren Zusammenhang des fremden Rechts — zumindest potentiell — entsprechen. Bei der Ausfüllung der vom ordre public gerissenen Lücken w i r d aber gerade gegen den ausdrücklichen W i l l e n der fremden Rechtsordnung gehandelt. Ist es aber nicht das fremde Sachrecht, daß hier angewandt w i r d , dann kann es sich n u r u m Normen handeln, die w i r i n eigener Verantwortung herausgebildet haben, letztlich also u m solche, die der lex fori zuzurechnen sind. Ob man diese Normen als „Sachnormen i m deutschen I P R " 1 8 7 bezeichnet, ist i m Grunde Geschmacksache 188 . Kollisionsrecht jedenfalls sind sie nicht, sondern Sachnormen, die als Sondernormen der lex fori ausgebildet werden — wenn man die Lücke eben nicht durch die „vorhandenen" Normen der lex fori schließen w i l l oder kann. Als solche können auch sie nur angewandt werden, wenn sie kollisionsrechtlich

184 185 186 187 188

„berufen"

werden.

Vgl. auch Bucher, Grundfragen 128. Vgl. oben Β I I 1. Oben Β I I I . Kegel, IPR 243. Dazu oben Β IV.

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T e i l 3: Brennpunkte zwischen Kollisions- u n d Sachrecht

Die beschriebenen Besonderheiten und Schwierigkeiten rühren daher, daß w i r es beim ordre public nicht nur m i t dem Anwendungsbereich positiver Normen zu tun haben — für diese ließ sich der „ k o l l i sionsrechtliche" Charakter ihrer Berufung leichter nachweisen —, sondern m i t dem Anwendungsbereich z.T. unausgeformter Rechtsgrundsätze und Prinzipien. Solche Prinzipien liegen allen unseren Normen zugrunde und spielen auch bei der Rechtsanwendung eine Rolle, hauptsächlich mittelbar bei der Rechtsfindung, bei Auslegung und Weiterbildung, bei der sog. Lückenfüllung 1 8 9 . Diese Grundsätze, mögen sie i m positiven Recht auch mehr oder weniger verborgen sein, enthalten die grundlegenden Wertungsprinzipien, auf denen unsere Rechtsordnung aufbaut und die ihr erst das Prädikat „gerecht" zu verleihen imstande sind 1 9 0 . Diese Prinzipien sind häufig i m Rechtsbewußtsein des Volkes sehr viel tiefer verankert als die einzelnen positiven Normen 1 9 1 . Sie schlagen sich meist nicht notwendig i n einem bestimmten Inhalt der Sachnormen nieder, sondern lassen gewöhnlich einen mehr oder weniger weiten Spielraum, einen „ H o f i n der positiven Ausgestaltung. Nun kann es sein, daß gerade wegen der besonderen Verwurzelung dieser Rechtsgrundsätze 192 — und besonders der als „unverzichtbar" empfundenen — kollisionsrechtUche Interessen bestehen, die eine Beachtlichkeit (eine „Anwendung") dieser Wertprinzipien schon bei solchen bestimmten Verknüpfungen nach sich ziehen, welche für die A n knüpfung der positiven Ausgestaltung i n der konkreten lex-fori-Sachnorm i m Vergleich zu anderen kollisionsrechtlichen Interessen nicht den Ausschlag geben konnten. Die kollisionsrechtlichen Interessen, die zur Heranziehung der Wertprinzipien führen können, sind dieselben, die 189

Näher oben T. 2 D I I u n d D I I I . Vgl. auch Hassemer, Rsyst. 78; Kaufmann, R. u. Ger. 297; Larenz, MethL. 207, 410 f., 458 f.; Zippelius, Einf. 57; Coing , Rechtsphil. 288. 191 Z . B . Coing , Rechtsphil. 288: „ I c h möchte . . . die wichtige Beobachtung der historischen Rechtsschule hinzufügen, daß i m Volke i n der Regel nicht die einzelnen Rechtsnormen, sondern die ihnen zugrunde liegenden Grundwerte lebendig sind, w i e sie sich i n den modernen Demokratien etwa i n den Grundrechtsteilen der Verfassungsurkunden niedergeschlagen haben." 192 Eine Aufzählung der Grundsätze ist natürlich nicht möglich, da sie k a u m weniger zahlreich sind als die ausgeformten Rechtsnormen. So k a n n etwa auch das Fehlen von Vorschriften auf derartigen Prinzipien beruhen, etwa auf der Ablehnung von Sklaverei u n d des Verlusts der Rechtsfähigkeit bei Lebenden. Sodann gibt es Grundsätze sehr elementarer u n d allgemeiner A r t w i e diejenigen der Einehe, der Gewährleistung des Erbrechts, des persönlichen Eigentums, der Elternrechte, der Pflicht zur Wiedergutmachung bei schuldhaft rechtswidriger Verletzung fremder Rechte u. v. a. (soweit die genannten Prinzipien zu den verfassungsrechtlich geschützten zählen, s. auch unten Β V I I 2). Es werden aber auch sehr spezielle Grundsätze durch den ordre public geschützt wie die grundsätzliche Verjährbarkeit von Forderungen, die U n Verbindlichkeit bestimmter Geschäfte (Spiel, Wette u. ä.) ; vgl. die Zusammenstellungen bei Ferid, I P R Rdn. 3 - 2 3 bis 3 - 2 7 ; Raape / Sturm, I P R 205-207, 211 -213. 190

Β . Die Berührungsfälle von Kollisions- u n d Sachrecht i m einzelnen

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auch sonst zu berücksichtigen sind. So kann das Parteiinteresse eines Beteiligten, das bei der generellen Anknüpfung hinter das eines anderen Beteiligten zurücktreten mußte, ausreichen, u m wenigstens die Beachtung fundamentaler Rechtsgrundsätze „anzuknüpfen" und damit zu gewährleisten; etwa wenn unter A r t . 17 EGBGB die (u. U. ehemalige) deutsche Staatsangehörigkeit der Frau ausreicht(e) als „Inlandsbeziehung" für ein eventuelles Eingreifen des ordre public. Überhaupt können hier bei der eigentlichen kollisionsrechtlichen Entscheidung zu kurz gekommene Interessen wieder zum Vorschein kommen: so kann trotz der Entscheidung zugunsten des Staatsangehörigkeitsprinzips der Wohnsitz ausreichen als Anknüpfung („Inlandsbeziehung") für den ordre public, ebenso i m Erbrecht die Belegenheit von Nachlaßstücken usw. Ferner können Ordnungsinteressen berührt sein, wie dasjenige am „Ansehen der Rechtsordnung und Rechtspflege", das zur „Anknüpfung" des ordre public an den Ort des Forums führt zwecks Vermeidung von Entscheidungen, die die staatliche Rechtsgemeinschaft i n ihrem elementaren Gerechtigkeitsgefühl verletzen würden; Interessen aus der Familie der „Machtinteressen" 193 kommen i n Betracht. Auch hier sind das Feld der eventuell berücksichtigungsfähigen kollisionsrechtlichen Interessen und die Möglichkeiten ihres Zusammenspiels nicht i m voraus fixierbar. Diese Anknüpfung der ordre-public-Grundsätze erfolgt neben der eigentlichen Anknüpfung des anwendbaren Rechts und zusätzlich zu dieser. Insoweit gibt es natürlich erst recht kein positives System; die Entscheidung ist jeweils ad hoc zu bilden. Hier die einzelnen Regeln i m voraus festlegen zu wollen, wäre ein aussichtsloses Unterfangen und generell nicht einmal wünschenswert, weil dies als eine Einschränkung der freien kollisionsrechtlichen Interessenwertung mißverstanden werden könnte 1 9 4 . Dieser Bereich bleibt weitgehend dem „unartikulierten Teil des IPR" vorbehalten, der aber gleichwohl „Kollisionsrecht" ist 1 9 5 . Andererseits erscheint es aber nicht ausgeschlossen, daß sich auch hier einige „positive" Regeln herausbilden können, sobald man einmal der nötigen „Inlandsbeziehung" nähere Aufmerksamkeit gewidmet hat 1 9 6 . Die Anknüpfungsmomente für die Beachtlichkeit der einzelnen ordre-public-geschützten Grundprinzipien können gehäuft sein; das ist sogar sehr oft der Fall. Je tiefer ein Prinzip i n der Rechtsgemeinschaft 193

Kegel, IPR 64 - 67, 237. Vgl. dazu auch oben T. 2 C I V 1 zu Fn. 496. Vgl. Neuhaus, Grdbegr. 370. 195 Dazu oben T . 2 D U a. E. 196 Diesen Mangel beklagt zu Recht Ferid, I P R Rdn. 3 - 3 3 . — Als Beispiel f ü r die bereits erfolgte Herauslösung eines „positiven" Regelsystems aus dem ordre public ist die B i l d u n g eigener „Kollisionsnormen des internationalen Enteignungsrechts" zu nennen; vgl. oben zu Fn. 181, insbes. Kegel, IPR 65 (s. aber auch oben T . 2 C I V 2). 194

17 Schurig

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verwurzelt ist, je „schockierender" darum seine Verletzung erscheint, desto mehr „Anknüpfungen" w i r d es alternativ hierfür geben. A u f diese Weise erscheint der Eindruck einer „Relativität" des ordre publ i c 1 9 7 . So setzt sich der Grundsatz der Einehe gegenüber der generellen kollisionsrechtlichen Regel (Art. 13 EGBGB) nur durch, wenn für i h n der Anknüpfungspunkt „Eheschließung i n Deutschland" besteht. Für den Grundsatz hingegen, daß niemandem zu Lebzeiten seine Eigenschaft als Rechtssubjekt genommen werden darf („bürgerlicher Tod", Sklaverei), dürfte eine ganze Reihe von alternativen Anknüpfungen zur Verfügung stehen, die für die „Inlandsbeziehung" ausreichen; hier w i r d sogar die „rein zufällige" 1 9 8 (?) Verknüpfung ausreichen, daß deutsche Behörden oder Gerichte zur Entscheidung angerufen sind. Von diesen „Anknüpfungspunkten" (als den Ergebnissen kollisionsrechtlicher Interessenwertung) hängt es also ab, ob sich die ordre-publicgeschützten Prinzipien durchsetzen, und weniger davon, ob es sich u m eine Haupt- oder eine Vorfrage handelt (allerdings sind bei letzteren die engeren Anknüpfungen weniger häufig verwirklicht, so daß es tatsächlich seltener zum Eingreifen des ordre public kommt). Damit erklärt sich auch, daß es grundsätzlich immer auf die gegenwärtig geltenden Grundsätze ankommt. Hat sich ein zu beurteilender Sachverhalt freilich i n der Vergangenheit abgespielt und haben sich unsere eigenen Wertprinzipien inzwischen geändert, dann ist eine A r t intertemporaler Entscheidung zu treffen. Belassen w i r es auch sonst (auch bei „internen" Sachverhalten) i n tatbestandlich abgeschlossenen Fällen bei den alten Wertprinzipien, dann gilt dasselbe für den ordre public; auf diese Weise kommt der Gegenwartsbezug 199 ins Spiel. I m allgemeinen w i r d freilich Sturm Recht zu geben sein, wenn er meint, die neuere Auffassung als die „bessere" werde sich i n aller Regel durchsetzen 200 . 197 Indessen w i r d die Vorstellung einer „gleitenden" umgekehrten Proportionalität — je „enger" die Binnenbeziehung, desto niedriger die Voraussetzungen f ü r ein Eingreifen des ordre public (so w o h l ζ. B. Schwind, Hdb. 85f.; Ferid, I P R Rdn. 3 - 3 4 ; Neuhaus, Grdbegr. 367) — von Sturm u . E . zu Recht i n den Bereich der „Magie" verwiesen (Raape / Sturm, IPR 217). — F ü r die verfassungsrechtlich geschützten Prinzipien gilt nichts anderes; unten Β V I I 2. les go — zurückhaltend — Neuhaus, Grdbegr. 366. 199

Kegel, I P R 239 f. Eingehend Raape / Sturm, IPR 218 f. — So werden w i r niemals die A n wendung ausländischer Normen an Grundsätzen scheitern lassen, die w i r heute selbst nicht mehr gelten lassen. Andererseits können aber auch v e r hältnismäßig neue Grundsätze durchaus ordre-public-fähig sein; K o n v e r t i t e n sind bekanntlich am überzeugtesten. Daß w i r grundlegende Werte bis gestern nicht genügend berücksichtigt haben, braucht uns heute nicht zu hindern, sie konsequent i m Rahmen angemessener Verknüpfung zu verwirklichen. Z u zurückhaltend ζ. B. Neuhaus, Grdbegr. 371. 200

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Den (negativen) ordre public haben w i r somit zurückgeführt auf eine Menge grundsätzlich „unartikulierter" (das heißt ad hoc herauszubildender) Anknüpfungsnormen, also Kollisionsnormen, für bestimmte elementare Wertprinzipien des eigenen Rechts 201. Sie bestehen neben den eigentlichen Kollisionsnormen für positives Recht, also kumulat i v 2 0 2 . Ordre public bezeichnet somit das (unartikulierte) kumulative Kollisionsrecht der elementaren Wertprinzipien einer Rechtsordnung 203. Dieses Zusammenwirken von berufenem Sachrecht und kumulativ dazu berufenen Wertprinzipien bedarf noch einer näheren Betrachtung. Beruft das Kollisionsrecht die Normen des eigenen Sachrechts, dann ist ein Konflikt ausgeschlossen 204, denn die eigenen Sachnormen entsprechen immer den eigenen Wertprinzipien; wo dies nicht der Fall ist, sind sie „falsch" angewandt 2 0 5 . Beruft das Kollisionsrecht fremdes Sachrecht, dann ist zu unterscheiden: Hält sich die fremde Regelung innerhalb des — mitunter sehr weiten — „Hofes" unserer grundlegenden Gerechtigkeitsvorstellungen, dann ist kein Anlaß, die Frage deren A n wendungsbereiches weiter zu untersuchen; denn die Lösung, die dem fremden Recht entnommen wird, entspricht i n jedem Fall auch diesen Grundwerten. Widerstreitet die fremde Regelung dagegen unseren elementaren Wertprinzipien, dann ist deren „räumlicher Anwendungsbereich" festzustellen 206 . (Die Reihenfolge kann, wo dies angebracht er201

Eine gewisse „positive" F u n k t i o n des ordre-public-Vorbehalts i n Bezug auf die geschützten „ G r u n d w e r t e " erkennt auch Neumayer, Pos. Funkt. 205 - 208, an. Vgl. allgemein oben Fn. 166. 202 Freilich k a n n ein häufiges Auseinanderfallen der Anknüpfungen f ü r die „ordre-public-Prinzipien" u n d die eigentlichen Kollisionsnormen den Anlaß geben, letztere zu überprüfen u n d eventuell zu revidieren u n d anzupassen. 203 Wo es lediglich u m die („regelwidrige") A n w e n d u n g bestimmter (meist eigener) positiver Sachnormen geht, w i r d n u r die für diese interessengerechte besondere A n k n ü p f u n g gesucht; insoweit sollte m a n aufhören, überhaupt vom ordre public zu sprechen. Vgl. auch die insoweit zutreffenden Ausführungen von Wengler, Sonderankn. 177 f. (betr. §§ 762 u n d 764 BGB), der freilich hier auch noch v o m „positiven" ordre public spricht. 204 Es ist daher abwegig, w e n n Schwander, Lois d'appi, imm. 59, dem ordre public seinen „chauvinistischen Charakter" dadurch nehmen w i l l , daß er i h n auch gegen das eigene Recht kehrt. 205 Oben T . 2 D I I I zu Fn. 610. 206 Hier dürfte auch der Schlüssel zu finden sein f ü r die Stellung des ordre public i m interlokalen Privatrecht, nach Kegel, IPR 69, das „Schmerzenskind des interlokalen Privatrechts". Auszuscheiden sind zunächst übergeordnete (ζ. B. Verfassungs-)Normen, die immer vorgehen, w i e etwa die F u l l - F a i t h and-Credit-Clause der USA. Davon abgesehen gelten die allgemeinen G r u n d sätze. N u r werden i n Teilstaaten trotz unterschiedlicher Einzelnormen die elementaren Wertprinzipien wegen des gemeinsamen k u l t u r e l l e n H i n t e r grunds meist übereinstimmen, so daß ein Widerspruch seltener sein w i r d als i m Verhältnis zu Drittstaaten. Das muß aber nicht so sein, ζ. B. w e n n sich „zerstrittene Brüder" über längere Zeit auseinanderentwickelt haben, w i e i m Verhältnis BRD—DDR, i n dem ohnehin nur von einer Seite an dem „ i n t e r -

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T e i l 3: Brennpunkte zwischen Kollisions- u n d Sachrecht

scheint, auch umgekehrt sein: erst Feststellung des „Anwendungsbereiches", dann Prüfung, ob ein Widerspruch besteht.) Es ist durch kollisionsrechtliche Interessenbewertung — die für diese Prinzipien eben gesondert erfolgt — festzustellen, welche „Anknüpfung(en)" die angemessenein) ist (sind), m. a. W.: wie die nötige Inlandsbeziehung beschaffen sein muß. Ist von den so gefundenen Anknüpfungen keine i m betreffenden Sachverhalt verwirklicht, scheidet der ordre public aus. Ist eine Anknüpfung verwirklicht, so kommt es zur kumulativen Anwendung der betreffenden Prinzipien neben dem berufenen Sachrecht 207. Hier treten neue Schwierigkeiten auf: Rechtsnormen kann man unmittelbar anwenden, Wertprinzipien aber nicht; sie sind zu unbestimmt hierzu und müssen erst noch konkretisiert werden. Gewiß könnte man die entsprechenden Sachnormen der lex fori heranziehen — ordre public beträfe dann nur zusätzliches kumulatives Kollisionsrecht für eigene Sachnormen —, aber diese simple Lösung w i r d ja gerade als zu weitgehender Eingriff i n das „eigentliche" Kollisionsrechtssystem abgelehnt. Es bleibt daher nur ein Ausweg: Es müssen innerhalb der lex fori aufgrund der berufenen Prinzipien neue Sachnormen gebildet werden, die dem an sich berufenen Recht so weit wie möglich entgegenkommen, auf der anderen Seite aber den Anforderungen der von uns berufenen Prinzipien gerade noch entsprechen 208 . Diese speziellen Sachnormen der lex fori werden zusammen mit den Prinzipien durch die beschriebenen „Kollisionsnormen hinter dem ordre public" berufen — sie müssen ja kollisionsrechtlich berufen sein, sonst können sie nicht angewandt werden. Bei Anwendung des ordre public werden also neben den fremden Sachnormen die eigenen Wertprinzipien kumulativ berufen, die i m Falle eines Widerspruchs durch innerhalb der lex fori neu zu bildende „Minimal"-Sätze zu konkretisieren sind. Ist dies geschehen, so sind die fremden („ordre-public- widrigen") Sachnormen „gleichzeitig" m i t jenen lokalen" Charakter festgehalten w i r d . Es gilt also s t r u k t u r e l l i m „ i n t e r lokalen" ordre public nichts anderes als i m „internationalen". 207 Dieser S t r u k t u r entspricht i n etwa die Regelung des § 12 AGB-Gesetz, demzufolge deutsche „Grundsätze" zu „berücksichtigen" sind, w e n n ausländisches Recht keinen „genügenden,, Schutz gewährt. Zutreffend bemerkt darum Lüderitz, A n k n . 49, hier sei „ i n Wahrheit der ordre public vorverlegt". Vgl. auch Sonnenberger, AGB-Ges. 384-395; Drobnig, A G B 610-612; Kropholler, Schw. Vertr. part. 651, 653, 657 f.; Jayme, A G B 117-121; Kegel, IPR 296 f. (der w o h l von Jayme, 119, mißverstanden w i r d : wenn der Schutz des fremden Rechts hinter dem deutschen zurückbleibt, muß der v o m Gericht gewährte Schutz dazwischen liegen; das bedeutet indessen nicht, daß ein nach Vertragsstatut weitergehender Schutz abzuschneiden wäre). 208 Dies entspricht i m Ergebnis der Lösung Kegels, IPR 243 (vgl. aber nächste Fn.).

Β . Die Berührungsfälle v o n Kollisions- u n d Sachrecht i m einzelnen

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neugebildeten eigenen Sachnormen berufen. Wie stets, wenn sich w i dersprechende Sachnormen „gemeinsam" berufen werden (und damit die kollisionsrechtliche Interessenwertung am Ende ist), ist die schließlich anzuwendende Norm nach dem sachlichen Ergebnis auszuwählen 209. Das kann hier nur die neugebildete, „ordre-public-gerechte" Sachnorm sein. Damit t r i t t auch die „regelwidrige" unmittelbare Berücksichtigung von Sachinteressen zurück i n das System: Es handelt sich um nichts anderes als einen besonderen Fall des oben210 beschriebenen Stichentscheids anhand materieller Ergebnisse bei der „gehäuften" Anknüpfung. Eine solche Erkenntnis bringt erhebliche Vorteile für die praktische Handhabung m i t sich. Bislang war fast jede Anwendung des ordre public 2 1 1 m i t erheblichen Skrupeln behaftet. Man befürchtete „Sittenrichterei" über fremdes Recht, man sah die fremden Normen „diskreditiert", die fremde Rechtsordnung „diskriminiert". Man wollte nicht die eigenen Normen fremden Staaten „oktroyieren", man wollte nicht „am deutschen Wesen die Welt genesen" lassen, ja man sah sogar Eingriffe i n die Souveränität fremder Staaten, und man wollte vor allen Dingen nicht „provinziell" erscheinen 212 . Alle diese Gespenster müssen sich i n Nichts auflösen, wenn man sich zu einer klaren kollisionsrechtlichen Betrachtung durchringt, wie sie hier versucht worden ist: Jetzt handelt es sich um eine kollisionsrechtliche Erscheinung wie alle anderen auch. Ebensowenig wie w i r den Wohnsitzstaat „diskreditieren" oder „diskriminieren", ihm etwas „oktroyieren" oder i n seine „Souveränität" eingreifen, wenn w i r uns für das Staatsangehörigkeitsprinzip entscheiden (und umgekehrt), ebensowenig t u n w i r irgendeinem Staat oder irgendeiner Rechtsordnung etwas Böses an 2 1 3 , wenn w i r generell bei bestimmten Verknüpfungen unsere Wertprinzipien kumulativ m i t berufen und diese sich bei Widersprüchen durchsetzen. Wie überhaupt i m IPR geht es darum, i m eigenen Haus durch autonome Wertung kollisionsrechtlicher Interessen Ordnung zu schaffen (und dabei auch 209 Ganz anders, w e n n m a n ausschließlich den „negativen" Effekt des ordre public sieht. Dann haben w i r keine Anknüpfungshäu/ung, sondern infolge der v o m ordre public gerissenen „Lücke" einen Normen mangel u n d damit ein Problem der Angleichung; so konsequent ζ. B. Kegel, IPR 243. 210 T. 2 D I V 5. 211 Einschließlich des i m folgenden behandelten „Durchschlagens" verfassungsrechtlicher Sätze. — Konsequenterweise sollte man aber bereit sein, auch fremden Grundprinzipien einen entsprechenden Anwendungsbereich zuzubilligen, hierüber sogleich. 212 Vgl. etwa Henrich, Grd. R. 8, 9; Ferid, I P R Rdn. 3 - 1 3 ; Gamillscheg, Grd. R. 327, 328, 334; Firsching, Entw. 102; Sandrock, Eins. K o l l . R. 288; Dölle, IPR 105; Schwander, Lois d'appi, imm. 59. 213 Gegen solche Vorurteile auch besonders Raape / Sturm, IPR 209 f.

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T e i l 3: Brennpunkte zwischen Kollisions- u n d Sachrecht

d i e i n t e r n a t i o n a l e n B e l a n g e g e b ü h r e n d i m A u g e z u behalten). Diese T ä t i g k e i t d i e n t d e r G e r e c h t i g k e i t , w i e wir sie v e r s t e h e n (nach w e l c h e n M a ß s t ä b e n sonst s o l l t e n w i r sie i n h a l t l i c h ausfüllen?), u n d ist gegen n i e m a n d e n gerichtet, auch u n d schon g a r n i c h t gegen i r g e n d w e l c h e Staaten. A u f der a n d e r e n Seite s o l l t e n pauschale Sätze w i e „ f r e m d e r o r d r e p u b l i c g e h t uns nichts a n " 2 1 4 n e u ü b e r d a c h t w e r d e n . A u c h b e i m o r d r e p u b l i c h a n d e l t es sich u m (einseitige) K o l l i s i o n s n o r m e n eines Staates, u n d er ist ü b e r a l l da z u berücksichtigen, w o das K o l l i s i o n s r e c h t z u ber ü c k s i c h t i g e n ist, also i m R a h m e n des r e n v o i 2 1 5 . Es erscheint aber auch n i c h t m e h r a p r i o r i ausgeschlossen, daß der A n w e n d u n g s b e r e i c h g e w i s ser W e r t p r i n z i p i e n auch f r e m d e r S t a a t e n u. U . v o n uns „ a l l s e i t i g " berücksichtigt werden könnte216. M a n k a n n sich etwa folgenden F a l l vorstellen: Unsere Kollisionsnorm beruft das Recht des Staates A als Heimatrecht; f ü r die ordre-publicgeschützten Wertprinzipien genügt als „ A n k n ü p f u n g " („Inlandsbeziehung") der Wohnsitz (oder Aufenthalt/gewöhnliche Aufenthalt). Die betroffene(n) Person(en) hat (haben) Wohnsitz (Aufenthalt) indessen nicht bei uns, sondern i m Staat B. Dieser „ k n ü p f t " ähnliche ordre-public-Grundsätze an den Wohnsitz (Aufenthalt) „an". W a r u m sollten w i r nicht aus Gründen der Kongruenz, der Gleichbehandlung gleicher internationalprivatrechtlicher Interessen, diese Grundsätze des Staates Β k u m u l a t i v heranziehen (wie sonst unsere eigenen), solange sie unseren ordre-public-Vorstellungen nicht zuwiderlaufen, ζ. B. auch w e n n es sich u m Verfassungssätze handelt, die m i t den unsrigen inhaltlich übereinstimmen? Schließlich w i r d j a auch f ü r andere Normen m i t öffentlichrechtlichem Einschlag vertreten, sie gesondert (ihrem „ W i l l e n " entsprechend) heranzuziehen 2 1 7 . Der Gedanke, die eigenen Wertgrundsätze n u r i n solchen Fällen „durchschlagen" zu lassen, i n denen m a n dasselbe prinzipiell auch anderen Staaten („allseitig") zubilligen würde, könnte i m übrigen auch als warnendes Korrigens w i r k e n gegenüber möglichen Neigungen zu voreiligem „Heimwärtsstreben". Diese P r o b l e m a t i k k a n n h i e r indessen n i c h t w e i t e r v e r t i e f t

werden.

D e r methodische U n t e r s c h i e d z w i s c h e n „ a p h o r i s t i s c h e m " D e n k e n i m allgemeinen Kollisionsrecht u n d „aposterioristischem" Denken beim 214 Vgl. Ferid, I P R Rdn. 3 - 5 0 f.; Henrich, Grd. R. 9; Schnorr v. Carolsfeld, Adressat 589; Neumayer, Ziv. ehe 86 f.; Schwind, Hdb. 90 f.; Niederer, Einf. 304 (grds. für Rück ver Weisung). 215 So z.B. Wolff , IPR 71; Neuhaus, Grdbegr. 387 f.; Kegel, IPR 175; Raape/ Sturm, I P R 171, 220 f.; Niederer, Einf. 301 -305 (nur f ü r Weiterverweisung). Gegenteiliges w i l l Henrich, Grd. R. 8 f., der „Spanier-Entscheidung" des B V e r f G entnehmen. Indessen verbergen sich hinter fremden ordre-publicRegeln Kollisionsnormen, die nicht anstößiger sind als andere auch. Einzige Grenze: die fremde ordre-public-Regel verstößt gegen unseren eigenen ordre public. 216 Ausdrücklich ablehnend z. B. Raape / Sturm, I P R 220. 217 So insbesondere die „Sonderanknüpfungslehre"; zu dieser unten T. 4 C I I I 3.

Β . Die Berührungsfälle v o n Kollisions- u n d Sachrecht i m einzelnen

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ordre public, auf den mancherorts so großer Wert gelegt w i r d 2 1 8 , scheint freilich ohne weitere Bedeutung zu sein. Ohnehin stellt die Erkenntnis des „operativen" Denkens i m I P R 2 1 9 solche kategorischen Unterscheidungen i n Frage. Weder ist die allgemeine kollisionsrechtliche Rechtsfindung und -anwendung rein „aprioristisch" — denn es handelt sich um einen Prozeß, bei dem der Blick zwischen Voraussetzungen und Ergebnis „hin- und herspringt" und der so eine fortschreitende „Richtigkeitskontrolle" gewährleistet —, noch ist die Anwendung des ordre public rein „(a)posterioristisch" 220 , weil auch die zu berücksichtigenden „Wertprinzipien" und ihre „Anknüpfungen" zum Ausgang genommen werden können. 2. Vorrang verfassungsrechtlicher

Sätze

Ihren bisherigen Höhepunkt erreichte die Diskussion über den A n wendungsbereich gewisser Prinzipien i m Zusammenhang m i t dem Einfluß verfassungsrechtlicher Grundsätze auf die Anwendung fremder — möglicherweise „verfassungswidriger" — Sachnormen; hier hatte das Bundesverfassungsgericht bekanntlich i n der „Spanier-Entscheidung" vom 4. 5.1971 221 einen Markstein gesetzt. Die Entscheidung hat die Auseinandersetzungen eher noch angeheizt; die einen suchen sie „kleinzuargumentieren" 2 2 2 , andere feiern sie als den endlich erlösenden Schritt nach vorn, gegen den nur noch „starrsinnige Häretiker" ankämpfen 2 2 3 , und manche Gerichte ignorieren sie schlicht 224 . Der Inhalt der Entscheidung braucht hier nicht erneut ausgebreitet zu werden 2 2 5 . Sie läuft i m Ergebnis darauf hinaus, daß auch bei der Anwendung ausländischen Rechts die deutschen Grundrechte beachtet werden, und zwar entweder dadurch, daß „ i n den Grundrechten eine Schranke gesehen wird, die unmittelbar die Anwendung des durch eine 218 Dietzi, Ausw. 49 f.; Vischer, K o d i f i k . 74; Francescakis, Préc. 3; Neumayer, Pos. Funkt. 190 f.; w o h l auch Kropholler, Anp. 286 Fn. 22. Auch Kegel, IPR 124, sieht hier eine „Rücknahme der A n k n ü p f u n g " . 219 Oben T. 2 D I I I . 220 Schon Pilenko, Dr. spat. 43, bemerkte treffend: „ . . . aucun privatiste ne pouvant expliquer ce q u ' i l faut comprendre par l o i applicable a p o s t e r i o r i . . . " 221 BVerfG 31, 58. 222 So w o h l ζ. B. Firsching, Entw. 105, 109. 223 Sturm, Durchbr.; Raape / Sturm, IPR 105, 207 ( „ A m 4. M a i 1971 schlug das Bundesverfassungsgericht zu u n d schleuderte . . . sein anathema sit") ; vgl. noch ζ. B. Stöcker, I n t . o. p. 80 („dogmengeschichtliche Wende"). 224 Vgl. dazu Lockemann, GRwidr. K N . 225 L i t e r a t u r zu der Entscheidung bei Raape / Sturm, I P R 198; Kegel, I P R 240. Vgl. aus neuerer Zeit Kegel, IPR 241 f.; Raape / Sturm, I P R 207-256; Neuhaus, Grdbegr. 378-383; Ferid, IPR Rdn. 2 - 4 6 bis 2 - 6 5 ; Schwind, Verf.; Müller-Freienfels, Spanierh.; Sandrock, Eins. K o l l . R.; Sturm, Scheid.; Labrusse, Dr. const.

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T e i l 3: Brennpunkte zwischen Kollisions- u n d Sachrecht

Kollisionsnorm berufenen Rechts begrenzt" 2 2 6 oder dadurch, daß man A r t . 30 EGBGB anwendet und damit den ordre public zur „Einbruchsstelle" der Grundrechte i n das IPR macht, wobei allerdings nicht zwischen „tragbaren" und „untragbaren" Grundrechtsverletzungen geschieden werden dürfe 2 2 7 . Hat man sich den Wirkungsmechanismus des ordre public einmal vor Augen geführt, so sind die Befürchtungen eines systemzerstörenden Effektes dieser Entscheidung eigentlich kaum mehr nachzuempfinden. Denn seit je sind über den ordre public bestimmte i n der Rechtsgemeinschaft besonders verwurzelte Wertgrundsätze kollisionsrechtlich selbständig „angeknüpft" und kumulativ m i t herangezogen worden. Die Frage, wieweit dies für verfassungsrechtliche materielle Gerechtigkeitsprinzipien zu gelten hat, mußte sich dann zwangsläufig stellen. Die Grundrechte sind ausformulierte materielle Wertprinzipien, die wegen ihres besonderen Gewichts den Rang von Verfassungsrecht erhalten haben und die wiederum durch ihre Qualität als Verfassungsrecht besonderes Gewicht besitzen 228 . Das Reichsgericht hat einmal etwas emphatisch vom „Heiligtum des deutschen Volkes" gesprochen 229 . Daß ausgerechnet diese Prinzipien nun überhaupt kollisionsrechtlich unbeachtlich sein sollten, während andere (grundsätzliche Verjährbarkeit von Forderungen; Unübertragbarkeit künftigen Vermögens; Unklagbarkeit von Ansprüchen aus Differenzgeschäften, Wette, Ehevermittlung; grundsätzliche Gewährleistung eines Kranzgeldanspruches!) 230 i n der Lage sind, sich bei besonderen Verknüpfungen durchzusetzen, ist m i t Gewißheit nicht einzusehen 281 . Nun haben auch diese Prinzipien einen mehr oder weniger weiten „Hof" von möglichen positiven Ausgestaltungen. Verträglichkeit m i t ihnen ist keineswegs identisch m i t den konkreten Lösungen des deutschen Rechts. Nach den oben 2 3 2 dargestellten Grundsätzen spielt ihre 226

BVerfG 31, 58 (86). Ebd. 228 Vgl. Coing , Rechtsphil. 288 (oben Β V I I 1 Fn. 191). Auch scheint es ungeschriebene Verfassungsprinzipien zu geben; vgl. z.B. Esser, Grds. 70f., 86. — A u f die Diskussion, w e r Adressat der Vorschriften über die Grundrechte ist u n d wie sich ihre „ D r i t t w i r k u n g " technisch ausgestaltet, k a n n hier nicht eingegangen werden; vgl. insoweit ζ. B. Sandrock, Eins. K o l l . R. Daß die i n der Verfassung zum Ausdruck gekommenen Wertprinzipien auch unabhängig davon für die Gesamtheit der Rechtsordnung von Bedeutung sind, w i r d man indessen k a u m bestreiten können. S. auch Wengler, A n m . I I 101. 229 RG (28. 4. 21) Ζ 102, 161 (165 a. E.). 230 Vgl. die Kasuistik bei Ferid, IPR 3 - 2 3 bis 3 - 2 7 ; Raape / Sturm, IPR 205-207; auch Sturm, Durchbr. 20 Fn. 30. — Ordre-public-Fähigkeit des Kranzgeldanspruchs bejaht BGH (21.11.58) Ζ 28, 375 (382 -387), obiter verneint BGH (24. 4. 74) N J W 1974, 1506 (1507). 231 Ä h n l i c h Neumayer, Pos. Funkt. 202 - 208. 227

Β . Die Berührungsfälle von Kollisions- u n d Sachrecht i m einzelnen

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„ B e r u f u n g " k e i n e Rolle, w e n n d i e ausländische L ö s u n g gerade noch i n diesen H o f f ä l l t , w e n n sie u n t e r B e r ü c k s i c h t i g u n g des j e w e i l i g e n P r i n zips noch „ t r a g b a r " ist. D a b e i i s t n i c h t i s o l i e r t auf d i e einzelne N o r m z u sehen, s o n d e r n d e r gesamte R e g e l u n g s z u s a m m e n h a n g d e r b e r u f e n e n R e c h t s v o r s c h r i f t e n i s t i n s A u g e z u fassen, w e i l sich a n a n d e r e r S t e l l e e i n A u s g l e i c h b e f i n d e n k a n n . I s t dies aber n i c h t der F a l l , so m u ß d i e angemessene „ A n k n ü p f u n g " f ü r das b e t r e f f e n d e ( h i e r : Verfassungs-) P r i n z i p festgestellt w e r d e n , d i e sog. I n l a n d s b e z i e h u n g , u n d z w a r — w i e b e i m ordre public allgemein — durch B e w e r t u n g kollisionsrechtlicher I n t e r e s s e n 2 3 3 . F ü h r t diese dazu, daß das P r i n z i p i n casu „ a n g e w a n d t " w e r d e n muß, dann m u ß die materielle Lösung auf die f ü r den ordre p u b l i c beschriebenen W e i s e 2 3 4 g e f u n d e n w e r d e n . Aus dem Gesagten folgt allerdings nicht, daß allen grundrechtlich geschützten Prinzipien i n der allgemeinen Form, i n der sie i n den Verfassungstext aufgenommen sind, eine einzige A n k n ü p f u n g (oder auch n u r eine feste Gruppe alternativer Anknüpfungen) einheitlich zugeordnet w e r den müßte oder könnte. Sie sind i n ihrer abstrakten Fassung meist v i e l zu farblos, u m bereits solche kollisionsrechtlichen Interessen implizieren zu können, die i n allen Anwendungsfällen die gleichen wären. Der Grundsatz der Gleichbehandlung von M a n n u n d Frau (Art. 3 Abs. 2 GG) ζ. B. durchzieht die gesamte Rechtsordnung, w i r k t sich i m öffentlichen u n d i m p r i v a ten, i m materiellen u n d i m Verfahrensrecht aus. Daß n u n das Gleichberechtigungsprinzip i m Staatsrecht (aktives u n d passives Wahlrecht), i m Beamtenrecht, i m Arbeitsrecht, i m Straf- u n d Strafprozeßrecht, i m Gewerberecht oder i m E r b - u n d Familienrecht verschiedene kollisionsrechtliche Interessen auf den Plan ruft, leuchtet ohne weiteres ein. Die U n t e r schiede gehen aber u. U. noch weiter: So könnte als „ A n k n ü p f u n g " f ü r das Gleichberechtigungsprinzip i n vermögensbezogenen Angelegenheiten (Erbrecht, Güterrecht) auch die Belegenheit des betroffenen Vermögens eine Rolle spielen (u. U. i m Zusammenwirken m i t zusätzlichen Kontakten), w ä h rend i n personenbezogenen Angelegenheiten (persönliche Ehewirkungen, Sorgerecht, Scheidung) entsprechende andere Anknüpfungen (gewöhnlicher oder schlichter Aufenthalt von Beteiligten, bei der eigentlichen Kollisionsn o r m nicht berücksichtigte — evtl. frühere — Staatsangehörigkeit u. ä.) i n Frage kommen. Das allgemeine Prinzip, u m das es geht, ist also zum Zweck der o r d r e - p u b l i c - „ A n k n ü p f u n g " in falltypenbezogene Anwendungsbereiche aufzuschlüsseln, u n d zwar so lange, bis sich innerhalb eines bestimmten sachlichen Kontexts übereinstimmende kollisionsrechtliche Interessen ergeben. Erst das so spezifizierte Verfassungsprinzip ist Gegenstand der beschriebenen kollisionsrechtlichen „ A n k n ü p f u n g " zu ordre-public-Zwecken. Bei dieser g i l t wiederum (wie allgemein beim ordre p u b l i c ) 2 3 5 : Je „ w i c h t i ger" uns der so spezifizierte Satz erscheint, je tiefer er i n unserem Gerech232

Β V I I 1. Ablehnend Stöcker, I n t . o. p. 85 f., der eine räumliche Verknüpfung für überflüssig hält. Er übersieht, daß i n bestimmten wichtigen Fällen (Menschenrechte) — aber n u r i n diesen — schon das forum als A n k n ü p f u n g ausreichen kann. 234 Β V I I 1. 235 Oben Β V I I 1 zu Fn. 197. 233

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T e i l 3: Brennpunkte zwischen Kollisions- u n d Sachrecht

tigkeitsempfinden verwurzelt ist, desto schwächere Anknüpfungspunkte genügen uns u n d desto mehr Anknüpfungen stehen alternativ zur V e r fügung, u m i h n k u m u l a t i v zum berufenen Hecht heranzuziehen (und umgekehrt). Wo uns ζ. B. der genannte Gleichberechtigungssatz des A r t . 3 Abs. 2 G G als ein eher „technisches" Prinzip erscheint, brauchen w i r „starke" Anknüpfungen, möglicherweise eine Häufung von Kontakten, bis er sich (über den ordre public) durchsetzt 2 3 6 ; w o hingegen etwa zugleich der Grundsatz der Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 GG) i m Spiel i s t 2 3 7 , genügt jede „schwache" A n k n ü p f u n g (ζ. B. die an das forum), u m unsere Prinzipien zur Geltung zu bringen. Die „Relativität" beruht also auch hier nicht auf der Beziehung zwischen der „Stärke der Verletzung" von Verfassungsprinzipien u n d der erforderlichen „Binnenbeziehung" 2 3 8 ; vielmehr ist die Intensität der erforderlichen Verknüpfung („Inlandsbeziehung") umgekehrt proportional der „Wichtigkeit" des (falltypenbezogen spezifizierten) Prinzips. Die Begriffe „tragbar" u n d „untragbar" können somit n u r verstand e n w e r d e n als A u s s a g e n ü b e r d i e Vereinbarkeit m i t dem jeweiligen verfassungsrechtlichen W e r t g r u n d s a t z ; i n s o w e i t s i n d sie d a n n aber entscheidend. Das b e d e u t e t : i s t d i e Anwendung fremden Rechts noch „tragbardann l i e g t sie n o c h i n n e r h a l b des m ö g l i c h e n „ H o f e s " ; eine Grundrechts „Verletzung" ist folglich überhaupt nicht vorhanden. Ist sie aber „ u n t r a g b a r " u n d i s t das b e t r e f f e n d e P r i n z i p i n f o l g e interessengerechter V e r k n ü p f u n g i n casu „ b e r u f e n " , d a n n setzt es sich auch durch. Z w i s c h e n t r a g b a r e r u n d u n t r a g b a r e r „ V e r l e t z u n g " d a r f m a n i n der T a t n i c h t u n t e r s c h e i d e n ; das ist aber schon b e i m o r d r e p u b l i c n i c h t a n d e r s 2 3 9 . Es k o m m t eben — n e b e n d e r A n k n ü p f u n g — auf d i e B e s t i m m u n g des j e w e i l i g e n „ H o f e s " eines W e r t p r i n z i p s a n 2 4 0 , i n n e r h a l b dessen eine „ V e r l e t z u n g " nicht a n z u n e h m e n ist, n i c h t a u f d i e e v e n t u e l l e „ T r a g b a r k e i t " e i n e r g l e i c h w o h l festgestellten „ V e r l e t z u n g " . 236 Ζ. B. w i r d er sich gegenüber dem niederländischen Stichentscheid des Mannes bei der Wohnsitzbestimmung (Art. 83 Abs. 2 Boek 1 BW) gewiß nicht n u r aufgrund schlichten Aufenthalts i n Deutschland durchsetzen, möglicherweise aber bei (evtl. langdauerndem) gewöhnlichem Aufenthalt und/ oder deutscher Staatsangehörigkeit der Frau (sofern sie nicht schon bei der eigentlichen Kollisionsnorm berücksichtigt wurde). 237 So ζ. B. i n dem (hypothetischen) Fall, daß eine Ehefrau ihre Rechtsoder Geschäftsfähigkeit bei Eheschließung vollständig verliert. 238 Oben Β V I I 1 Fn. 197. 239 Auch dort g i l t : Eine „tragbare" ordre-public-Verletzung gibt es nicht. Entweder liegt die ausländische Regelung noch innerhalb des „Hofes" des betreffenden Wertprinzips, dann ist der „ordre public" überhaupt nicht „verletzt", oder das ist nicht der Fall, dann ist die „Verletzung" auch nicht „tragbar". M i t dem Maßstab der „Tragbarkeit" w i r d also lediglich der „ H o f " des („verletzten" oder „nicht verletzten") Wertprinzips grob umrissen; er ist i m Begriff der „Verletzung" bereits berücksichtigt. — Einen Unterschied i n Bezug auf die „Untragbarkeitsgrenze" sieht aber w o h l Kegel, Emb. 33 f. 240 So spielt gewiß auch eine Rolle, ob ein Grundrecht n u r i n seinem „Wesensgehalt" unantastbar ist: Dann werden i m allgemeinen auch ausländische Rechtssätze solange „tolerierbar" sein, wie sie diesen „Wesensgehalt" unberührt lassen.

Β . Die Berührungsfälle von Kollisions- u n d Sachrecht i m einzelnen

267

I s t d i e „ A n w e n d b a r k e i t " eines u n s e r e r v e r f a s s u n g s r e c h t l i c h v e r a n k e r t e n W e r t p r i n z i p i e n n e b e n d e m b e r u f e n e n Recht e i n m a l festgestellt, d a n n k a n n es k e i n e n U n t e r s c h i e d machen, ob deutsches oder f r e m d e s Recht an i h m gemessen w i r d ; der M a ß s t a b ist derselbe. U m f a ß t d e r „ H o f " des W e r t p r i n z i p s eine P a l e t t e zulässiger G r a d u i e r u n g e n f ü r die K o n k r e t i s i e r u n g 2 4 1 , d a n n k a n n ausländisches Recht auch d a n n noch m i t i h m v e r e i n b a r sein, w e n n es jenes P r i n z i p w e n i g e r k o n s e q u e n t v e r w i r k l i c h t als das deutsche (sofern n ä m l i c h auch entsprechende deutsche N o r m e n noch v e r e i n b a r w ä r e n ) . S i n d dagegen G r a d u i e r u n g e n n i c h t m ö g l i c h , s o n d e r n n u r verschiedene V a r i a n t e n einer v o l l s t ä n d i g e n E r f ü l l u n g des P r i n z i p s — w i e e t w a b e i m G l e i c h b e r e c h t i g u n g s g r u n d s a t z 2 4 2 — d a n n ist eine solche auch v o n d e m f r e m d e n Recht z u v e r l a n g e n . Falls dies i m Ergebnis unangemessen erscheinen sollte, k a n n eine K o r r e k t u r n u r über die W a h l der Anknüpfungspunkte für das betreffende Prinzip erfolgen; möglicherweise ist dieser Eindruck nämlich ein Anzeichen dafür, daß die kumulative (ordre-public-)Heranziehung des Prinzips erst bei einer engeren „Inlandsbeziehung" gerechtfertigt gewesen wäre. Es h a n d e l t sich h i e r also — g e n a u w i e b e i m „ a l l g e m e i n e n " o r d r e p u b l i c — u m „ u n a r t i k u l i e r t e " (ad hoc z u b i l d e n d e ) k u m u l a t i v e K o l l i s i o n s n o r m e n f ü r verfassungsrechtliche W e r t p r i n z i p i e n . Sie b i l d e n e i n besonderes „ G r u n d r e c h t s - K o l l i s i o n s r e c h t " 2 4 3 ; diese s t r u k t u r e l l e E i g e n schaft k a n n ü b e r h a u p t n i c h t h i n w e g d i s k u t i e r t w e r d e n 2 4 4 . Z w e i f e l h a f t k a n n l e d i g l i c h sein, ob m a n sich i n s o w e i t i n t e n s i v u m e i n T e i l - S y s t e m 241 Solche Graduierungen sind z.B. möglich i m Rahmen der A r t . 6 u n d 14 GG. 242 Hier gibt es n u r „gleich" oder „nicht gleich", nicht aber ein „noch genügend gleich". 243 Wengler, A n m . 16221; ders., A n m . I I 101 f.; Bernstein, Verf. K . R. 2275; Beitzke, Nat. R. 296; Siehr, Eheschl.fr. l l l f . ; Sturm, Durchbr. 20. Vgl. auch Gamillscheg, Grd. R. 324 f., der solche Kollisionsnormen aus Gründen k o l l i sionsrechtlicher Gerechtigkeit ablehnt. Dagegen auch Henrich, Grd. R. 3 f., der — zu Unrecht — ein starres Entweder—Oder befürchtet; ferner Kegel, I P R 241 f., der lediglich starre Grundrechts-Kollisionsnormen („IGRR") ablehnt u n d auf die Strukturgleichheit m i t dem ordre public hinweist. Neuhaus, B V e r f G 136, leugnet die Erforderlichkeit von Kollisionsnormen für die V e r fassung zwar nicht prinzipiell, w i l l aber auch insoweit die etablierten I P R Normen heranziehen, sie „der Verfassung nutzbar machen"; vgl. auch Entw. 26 f. Ganz ablehnend indessen Stöcker, Int. o. p. 85 f. ; w o h l auch Ferid, I P R Rdn. 2 - 63. 244 Das Argument, das Verfassungsrecht u n d die Grundrechte könnten nicht weiter reichen „als die gesamte inländische Rechtsordnung" u n d seien darum „auf dem Gebiet des Privatrechts . . . durch die Kollisionsnormen begrenzt" (Ferid, Wechselb. 142), zieht demgegenüber nicht, w e i l es für die „gesamte inländische Rechtsordnung" gar keine einheitlichen Grenzen gibt. Die „Grundrechte" („Grundwerte") können aufgrund ihrer „eigenen" K o l l i sionsnormen — die nämlich von „eigenen" kollisionsrechtlichen Interessen abhängen — sehr w o h l weiter reichen als die Normen des Zivilrechts. — Z u r Existenz eines allgemeinen „internationalen Staatsrechts", das auch die Grundrechte erfaßt, Kegel, IPR 17.

268

T e i l 3: Brennpunkte zwischen Kollisions- u n d Sachrecht

„ a r t i k u l i e r t e r " , positiver, bei Bedarf abrufbarer Kollisionsnormen bem ü h e n sollte, w i e es anscheinend Bernstein 245 u n d Wengler 246 zumindest n i c h t ausschließen, oder ob m a n es b e i d e m b i s h e r i g e n Z u s t a n d ad hoc z u b i l d e n d e r H e g e l n belassen soll, einerseits, u m sich d i e F l e x i b i l i t ä t z u e r h a l t e n ( N e u h a u s ) 2 4 7 , andererseits, w e i l sich d e r A u f w a n d n i c h t l o h n e (Lüderitz) 248. W a h r s c h e i n l i c h w i r d die E n t w i c k l u n g n i c h t e i n h e i t l i c h v e r l a u f e n : m a n c h e R e g e l n w e r d e n sich „ p o s i t i v " v e r d i c h t e n , andere w e r d e n i n d e r Schwebe b l e i b e n . Ob diese Regeln selbst Verfassungsrecht sind oder nicht, ist eine andere Frage. Soweit — was äußerst selten ist — ausdrücklichen Verfassungsnormen Konkretes über den Anwendungsbereich entnommen werden kann, gehören diese Kollisionsnormen zum Verfassungsrecht. Aber auch die neugebildeten Kollisionsnormen, die j a auf den durch Sachinteressen i m p l i zierten kollisionsrechtlichen Interessen beruhen 2 4 9 , w i r d man zum ungeschriebenen Verfassungsrecht zählen können 2 5 0 . V o r diesem H i n t e r g r u n d w i r d v e r s t ä n d l i c h , daß das B u n d e s v e r f a s sungsgericht offengelassen h a t , ob m a n ü b e r d i e A n w e n d b a r k e i t d e r G r u n d r e c h t e d i r e k t oder u n t e r H e r a n z i e h u n g des o r d r e p u b l i c b e f i n d e t . D e n n i n d e r Sache i s t das eine g e n a u dasselbe w i e das andere. Es g e h t also n u r noch u m d i e z w e i t r a n g i g e Frage, u n t e r w e l c h e m S t i c h w o r t diese P r o b l e m a t i k anzusiedeln i s t 2 5 1 . Das k a n n v o n gewisser p r a k t i s c h e r 245 Verf. K . R. 2275. Allerdings empfiehlt auch er, „vorerst . . . behutsam u n d möglichst empirisch" vorzugehen. Die Möglichkeit allseitiger Kollisionsnormen bleibt (unter Berufung auf Vogel) dahingestellt. Das Wesentliche ist, der „Fragestellung den i h r gemäßen Standort" zuzuweisen. 246 Wengler, A n m . I I ; ferner w o h l Sturm, Durchbr. 20; Becker, Gelt. 1493. 247 Neuhaus, Grundbegr. 381 f. Zuvor werden Meinungsverschiedenheiten u n d Unsicherheiten befürchtet, Wege 136, die aber ohnehin nicht zu vermeiden sein dürften. — F ü r Einzelfallprüfung auch Kegel, I P R 242. 248 Grd. ges. 53. 249 Auch hier sind (besondere) Kollisionsnormen u n d (Verfassungs-)Sachnormen etwas Verschiedenes; es gilt, Kollisionsrecht für, nicht aus Sachrecht zu bilden (vgl. unten T. 4 B V ) . Zutreffend spricht daher Bernstein davon, es gehe darum, „die der jeweiligen Grundrechtsnorm angemessenen Gesichtspunkte f ü r die Abgrenzung ihres internationalen Anwendungsbereichs zu finden" (Verf. K . R. 2275), eine ihnen „zugeordnete" Kollisionsnorm herauszubilden (Verf. K . R. 2276). — Unrichtig das BVerfG (31, 58), das den A n wendungsbereich der Verfassungsnormen „ u n m i t t e l b a r aus [diesen] selbst . . . erschließen" w i l l (73), u n d zwar durch „Auslegung" (77). Dies geht wiederum nur, w e n n m a n die — speziell, aber selbständig zu entwickelnde — „Ortsn o r m " zunächst „ i n die Sachnorm hineinmanipuliert", u m sie anschließend wieder hervorzuzaubern. 250 So Wengler, A n m . I I 101 -103, der freilich ebenfalls davon ausgeht, der räumliche Anwendungsbereich sei den einzelnen Verfassungsnormen u n mittelbar durch „Auslegung" zu entnehmen. Ebenso Becker, Gelt. 1493. 251 Treffend Kegel, Emb. 33 f.; ders., IPR 242; Neuhaus, BVerfG 130; Siehr, Eheschl.fr. 109-112. Eingehend Sandrock, Eins. K o l l . R. Vgl. auch Wengler, Bedeutung 117. Entgegen Labrusse, Dr. const. 39, änderte sich an dieser Beurteilung nichts, wenn man die Grundrechte als „lois d'application i m m é -

Β . Die Berührungsfälle von Kollisions- u n d Sachrecht i m einzelnen

269

B e d e u t u n g sein f ü r d i e j e n i g e n , die H e m m u n g e n haben, aus d e r „ O f f e n h e i t " des I P R - S y s t e m s i h r e Schlüsse z u ziehen, u n d d i e m e i n e n , insow e i t e i n e r G e n e r a l k l a u s e l z u b e d ü r f e n . D e m g e g e n ü b e r sei aber nochm a l s b e t o n t , daß f ü r o r d r e p u b l i c und

Berücksichtigung der

Grund-

rechte auch d a n n nichts anderes g e l t e n k ö n n t e , w e n n es A r t . 30 E G B G B nicht gäbe252. I n k e i n e m F a l l w e r d e n indessen d e m f r e m d e n Recht „ Z e n s u r e n " e r t e i l t , w i e schon f ü r d e n o r d r e p u b l i c b e m e r k t 2 5 3 . W i r w o l l e n f r e m d e n S t a a t e n n i c h t unsere L ö s u n g „ o k t r o y i e r e n " , u n d w i r k ö n n e n das auch gar n i c h t 2 5 4 . W i r bestimmen n u r — w i e generell i m I P R — autonom den A n w e n d u n g s b e r e i c h des f r e m d e n Sachrechts und unserer G r u n d p r i n z i p i e n m i t W i r k u n g f ü r uns, d e n n w i r s i n d a l l e i n f ü r „ g e r e c h t e " E n t scheidungen b e i u n s v e r a n t w o r t l i c h 2 5 5 . W i e d e r u m sollte m a n e r w ä g e n , i n w i e w e i t m a n u. U . d e n E i n z u g s b e r e i c h auch f r e m d e r Verfassungsp r i n z i p i e n „ a l l s e i t i g " b e r ü c k s i c h t i g e n s o l l t e 2 5 6 . Ipso i u r e ausgeschlossen ist dies j e d e n f a l l s n i c h t 2 5 7 .

diate" ansähe. Z u diesen unten T. 4 C I I I 2. — Unterschiede sieht anscheinend Ferid, IPR Rdn. 2 - 63. 252 I n allen Rechtsordnungen gibt es auch nicht eine solche gesetzliche Klausel, dennoch ist der ordre-public- Vorbehalt Allgemeingut; vgl. Maury, Ord. pubi. 12; Raape / Sturm, I P R 199; Kegel, IPR 64. F ü r eine „deklaratorische Bedeutung" der Vorbehaltsklausel auch Siehr, Eheschi. fr. 105 - 110. — Kahn, Ord. pubi. 180, bezeichnet unsere ordre-public-Formel als „wenigstens harmlos u n d von unangreifbarer Richtigkeit". 253 Kegel, Emb. 33, sieht eine solche Zensur anscheinend n u r i n der „ d i rekten" A n w e n d u n g der Grundrechte. Vgl. i m übrigen die oben (B V I I 1 zu Fn. 212) beim ordre public aufgeführten Einwände; ferner Schwind, Verf. 126 („nationalistische Anmaßung"). — Einem fundamentalen Mißverständnis fällt Juenger, Wandel 7, 22, zum Opfer, w e n n er meint, hier Ansätze für eine (von i h m befürwortete) generelle „Qualitätskontrolle" fremden Rechts i m Sinne einer Anwendung des „besseren" Rechts erblicken zu können. 254 Gegen derartige Vorstellungen sehr deutlich BVerfG 31, 58 (74 f., 82), n u r leider nicht konsequent: auch bei fremdem ordre public geht es nicht darum, einen „ o k t r o i abzuwehren" (so aber ebd. 82). 255 Es geht also nicht darum, fremde Gesetze f ü r „verfassungswidrig" u n d „nichtig" zu erklären (diese Frage w i r f t Kegel, Emb. 34, auf), w e i l sie nämlich nicht unserer Verfassung gemäß zu sein brauchen u n d w e i l w i r sie insoweit auch gar nicht zu beurteilen haben. Sie werden von uns gegebenenfalls überhaupt nicht erst herangezogen, sondern stattdessen ein aus den „ m i t berufenen" Grundprinzipien hergeleiteter materieller Satz (näher oben Β V I I 1). 256 Oben Β V I I 1 zu Fn. 214 - 217. Vgl. auch Zweigert, IPR u. öff. R. 140. 257 Insoweit herrscht — wie beim ordre public allgemein — Uneinigkeit u n d Unklarheit. F ü r die einen — BVerfG 31, 56 (82, 86); vgl. auch Henrich, G r d R. 8 f. ; Neumayer, Ziv. ehe 86 f. — ist es G r u n d für die Nichtbeachtung ausländischer Kollisionsregeln, wenn sie auf den fremden ordre public gestützt sind, f ü r die anderen ist gerade die fremde „public policy" das E n t scheidende, so von seinem unilateralistischen Ansatz her folgerichtig Joerges (ζ. B. Klass. Konz. 468 f.).

TEIL 4

Die Bewährungsprobe: Vergleich mit den Alternativmodellen A. Vorbemerkung W i r hatten unsere Untersuchung begonnen m i t einem Überblick über die gegenwärtige K r i t i k am „klassischen" IPR-System und die verschiedenen Alternativvorschläge. Nunmehr, nach unserem Versuch, die heutige Struktur und Funktion dieses Systems i n einer Gesamtschau zu erfassen, können w i r den Kreis schließen und uns der Frage nach Berechtigung der Vorwürfe und Begründetheit der Vorschläge zuwenden. Die ganze oder auch nur teilweise Ablösung eines bestehenden Systems, das sich, wie w i r gesehen haben, organisch entwickelt hat, bedeutete i n der Rechtswissenschaft — die sich notwendigerweise nur behutsam weiterentwickeln kann, weil sie auf allgemeinen Konsens angewiesen ist 1 — einen ungeheuren Einschnitt. Derartige Kehrtwendungen werden gewöhnlich nicht einmal bei völligen Neukodifikationen vorgenommen (es sei denn, diese wären m i t einer generellen gesellschaftlichen Umwälzung verbunden). Abgesehen von solchen allgemeinen Beobachtungen müßten für eine Ablösung zumindest vier Voraussetzungen erfüllt sein: 1. Das bestehende System muß erhebliche Mängel auf weisen, die zu nicht unbedeutenden Unzulänglichkeiten bei der Rechtsanwendung führen. 2. Es darf nicht i n der Lage sein, sich aus eigener Kraft rieren.

zu regene-

3. Das neue (evtl. Teil-)iSystem muß i n der Lage sein, diese Mängel auszuschließen. 4. Es darf nicht führen.

stattdessen zu anderen

schwerwiegenden

Mängeln

Die ersten beiden Punkte betreffen die Vorwürfe gegen das klassische IPR; die letzten Punkte beziehen sich auf die Aiternati ν vor Schläge, 1

Vgl. Esser, oben T.2 D I I I zu Fn. 585 - 587; ders., Grds. 82.

Β . Berechtigung der V o r w ü r f e

271

auf ihre behaupteten Vorzüge und ihre möglichen Nachteile. Sie sollen jeweils an dem von uns festgestellten Zustand und den Möglichkeiten des kollisionsrechtlichen Systems gemessen werden. B. Berechtigung der Vorwürfe I . Die Abhängigkeit von einem „vorstaatlichen Privatrechtsmodell"

Daß das „klassische" IPR abhängig sei von einem „vorstaatlichen Privatrechtsmodell", an dem der Staat weitgehend „uninteressiert" sei und das als i m K e r n international übereinstimmend — w e i l „vorgegeben" — gedacht ist, diesem Einwand sind w i r bereits an verschiedenen Stellen begegnet 2 . Er umschließt zwei Komponenten, die auseinanderzuhalten sind: eine historische und eine aktuelle. Die historische Komponente besteht i n der Aussage, daß das moderne K o l l i sionsrecht m i t Savigny begonnen habe und daß die Vorstellung eines „vorstaatlichen" Privatrechts diejenige Savignys gewesen sei, m i t h i n auch die theoretische Basis „seines" IPR-Systems bilde. Sie ist die Voraussetzung der aktuellen Komponente, nämlich der Aussage, daß auch das heutige IPR-System noch an ein solches Zivilrechtsmodell gebunden sei. Letzteres aber kann — wie w i r meinen — auf keinen Fall aufrechterhalten werden 3 . Welches Zivilrechtsmodell Savigny wirklich vorgeschwebt hat, ist darum i n erster Linie eine Frage für den Rechtshistoriker. Sehr viel geistesgeschichtliche Mühe ist aufgewandt worden, um die genannte These nachzuweisen; den Anstoß scheint die gedankenreiche Untersuchung Vogels gegeben zu haben 4 . Andere haben die These aufgegriffen und noch weiter getrieben. Joerges etwa verbindet das IPRSystem „Savignys" eng m i t dem Aufkommen des bürgerlichen Liberalismus (der für heutige Zeiten natürlich verworfen wird) und verlegt den Ursprung des klassischen kontinentalen IPR i n das England des Thomas Hobbes 5, gipfelnd i n dem Ausspruch, England sei der Demiurg (!) des IPR gewesen. Allen Bemühungen zum Trotz mangelt es schon diesen historischen Überlegungen an durchschlagender Überzeugungskraft 6 . Das Dogma 2

Ζ. B. oben T. 1 Β 1 1 u. C I V 1. Vgl. auch — insoweit zutreffend — Bucher, Grundfragen 44. Nicht einmal für den Gesetzgeber des E G B G B traf dies noch zu, wie Hartwieg, Ges. geb. 433 f. u n d passim, schlagend nachgewiesen hat. 4 Vogel, Anwendungsber. 215 - 240, der aber diese Ausführungen nicht selbst als „Waffe" gegen das „klassische" IPR benutzt, sondern zur Abgrenzung gegenüber dem „öffentlichen" Kollisionsrecht, w i e er es versteht. 5 Joerges, Klass. Konz. 423, 425 - 435. 6 Kritisch ζ. B. Bucher, Grundfragen 11 f.; vgl. auch Neuhaus, Wege 403 f. 3

272

T e i l 4: Die Bewährungsprobe: Vergleich m i t den Alternativmodellen

v o n d e r „ V o r s t a a t l i c h k e i t " eines „ u n p o l i t i s c h e n " Z i v i l r e c h t s i n „ S a vignys" I P R - S y s t e m w i r d w o h l , so scheint es, eine g e i s t v o l l e L e g e n d e b l e i b e n , d i e sich d u r c h n o c h so t i e f g r ü n d i g e U n t e r s u c h u n g e n n i c h t e r h ä r t e n l ä ß t . Sie z u w i d e r l e g e n d ü r f t e f r e i l i c h auch n i c h t v i e l einfacher sein; ob sich e i n solcher A u f w a n d l o h n t e — j e d e n f a l l s f ü r den, d e r a m heutigen Z u s t a n d des I P R i n t e r e s s i e r t ist — , d a r f m a n indessen getrost i n F r a g e stellen, eben w e i l es sich ohne die a k t u e l l e K o m p o n e n t e u m e i n P r o b l e m m i t r e i n rechtsgeschichtlichem Selbstzweck h a n d e l t 7 . So s o l l h i e r l e d i g l i c h d e r V e r s u c h gemacht w e r d e n , a u f Z w e i f e l h i n z u weisen. Schon v o r d e r g r ü n d i g w i l l es zunächst z u r F i g u r Savignys n i c h t recht passen, ausgerechnet i h n z u e i n e m V o r r e i t e r des L i b e r a l i s m u s z u m a c h e n 8 . W i e w i r gesehen haben, i s t sein S y s t e m auch ü b e r h a u p t n i c h t a u f N e g i e r u n g d e r ganzen s t a t u t e n t h e o r e t i s c h e n Vorgeschichte angel e g t 9 . E r b a u t a u f i h r auf, b e t o n t die K o n t i n u i t ä t u n d w i l l i m w e s e n t l i c h e n n u r a u f e i n e n Wechsel der B e t r a c h t u n g h i n a u s . A u f d e r a n d e r e n Seite i s t auch das I P R d e r S t a t u t e n l e h r e n i c h t v o n e i n e r a n d e r e n W e l t gewesen u n d h a t d u r c h a u s schon w e s e n t l i c h e G r u n d s t r u k t u r e n unseres „ m o d e r n e n " I P R a u f g e w i e s e n 1 0 . Es erscheint d a r u m z u m i n d e s t g e w a l t sam, diese W u r z e l n abzuhacken u n d d a f ü r d e m englischen L i b e r a l i s m u s d i e Patenschaft a n z u t r a g e n .

7 D a r u m braucht zum Problem einer historischen „Dichotomie von Staat u n d Gesellschaft" hier nicht grundsätzlich Stellung genommen zu werden. — Übrigens betonte Savigny durchaus auch die Staatlichkeit des Rechts, ist doch allein der Staat „die leibliche Gestalt der geistigen Volksgemeinschaft"; Savigny, Syst. I 21 - 25, V I I I 1 4 . Maridakis, Sav. 310 f., f ü h r t Savignys Theorie geradezu auf seine „Grundauffassung v o m Sitz des positiven Rechts" (nämlich i m Staat als der verkörperten Volksgemeinschaft) zurück. Vgl. auch Neuhaus, Wege 403 f. (unten Fn. 19). Demgegenüber k a n n Vogel, A n w e n dungsber. 217 f., gewiß einige Stellen zitieren, denen zufolge das Zivilrecht „ein unsichtbares Daseyn . . . i n übereinstimmenden Gefühlen, Gedanken u n d Sitten" habe, daß sogar eine „Regel [für das Rechtsverhältnis] längst vorhanden, also jetzt erst zu erfinden weder nöthig noch möglich ist", aber dies eben nur der Idee nach u n d konkretisierungsbedürftig. Daß es i n nahezu allen Zivilrechten übereinstimmende Sätze gibt von archaischer „Richtigkeit" — etwa „pacta sunt servanda", hierzu ζ. B. Rehfeldt, Wurzeln 17- 20 — u n d daß solche Übereinstimmungen i n Staaten derselben K u l t u r f a m i l i e häufiger sind, wer wollte dies — auch heute noch — bestreiten. Daraus folgt indessen noch lange nicht, daß diese Sätze, wenn sie als staatliches Recht gelten (also nicht als „reines Volksrecht"), w e i t e r h i n als „staatsfrei", als der (national nicht eingegrenzten) „Gesellschaft" zugehörig zu betrachten sind. So bleibt w e i t e r h i n alles offen. 8 Vgl. Rehbinder, Polit. 153; Bucher, Grundfragen 11, wo Savigny als „konservativer A r i s t o k r a t " charakterisiert w i r d . 9 Oben T . 2 Β I I u n d I I I . — A u f die K o n t i n u i t ä t der Entwicklung weist — unter anderem B l i c k w i n k e l u n d m i t gewissen Vorbehalten — auch Francescakis, Dr. nat. 120, h i n ; zu Lorenz, oben T . 2 Β I I Fn. 280. 10 Oben T . 2 Β I I .

Β . Berechtigung der V o r w ü r f e

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Daß das Zivilrecht als „vorgegeben" betrachtet werden konnte, lag angeblich daran, daß es i n damaliger Zeit so „unpolitisch" w a r 1 1 . Muß man sich aber nicht fragen, ob w i r hier nicht zu sehr auf unseren heutigen Standpunkt fixiert sind; beruht dieser Eindruck nicht vielleicht zum Gutteil auf mangelndem historischen Einfühlungsvermögen? Vieles, was uns heute absolut „unpolitisch" vorkommt, steckte seinerzeit voller „gesellschaftspolitischer" Bedeutung 12 . Savignys IPR-Lehre trat i n der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ihren Siegeszug an. Man sollte annehmen, daß der „vorstaatliche", „unpolitische" Charakter des Sachrechts als Grundvoraussetzung dieser Lehre — wenn er dies war — überall dort, wo sie sich durchsetzte, logischerweise durch die Wirklichkeit hätte bestätigt werden müssen. Daß dies aber keineswegs so war, t r i t t bereits plastisch hervor i n der (in diesen Zeitraum fallenden) Diskussion über die BGB-Kodifikation. Gierkes K r i t i k am ersten Entwurf ist voll von „politischen" Argumenten 1 3 . Sogar eine vergleichsweise nebensächliche Frage wie die Existenzberechtigung eines dinglichen Vorkaufsrechts hatte zu heftigen Kontroversen geführt, und es wurde schließlich eingeführt zwecks „Erhaltung eines angesessenen Arbeiterstandes", zur „neuen Kolonisation" des Ostens und u m die „Ueberfluthung des Landes m i t undeutschem (slawischem) Arbeiterproletariat" zu verhindern, gewiß keine „unpolitischen" Gründe 1 4 ! I m Sachenrecht ist ferner an Fideikommisse zu denken. Von welcher „politischen" Brisanz die Einführung der obligatorischen Zivilehe gewesen sein muß, läßt sich noch heute anhand einschlägiger Lehrbücher des Kirchenrechts mühelos feststellen 15 . Und schließlich war auch der Liberalismus eine „politische" Idee; die Entscheidung, eine Rechtsordnung seinen Werten anzupassen, etwa eine weitgehende Vertragsfreiheit zu gewährleisten, dem Spiel der w i r t schaftlichen Kräfte freien Raum zu lassen, ist auch eine politische Entscheidung, die nicht ohne weiteres i n allen anderen Ländern, m i t denen das IPR zu tun hatte, unterstellt werden konnte 1 8 . 11 Infolgedessen w i r d auch das I P R als „entstaatlicht oder entpolitisiert" bezeichnet; ζ. B. Mertens, K a r t . R. 386. Vgl. ferner Rehbinder, Polit, (freilich m i t Einschränkungen S. 154). 12 Zutreffend bemerkt Schnorr v. Carolsfeld, Adressat 579: „Schon immer, auch i n der Epoche des f ü r die Welt damals notwendigen reinen Liberalismus gab es Lenkungsvorschriften . . . " . Vgl. ferner Rehbinder, Polit. 154; Steindorff, Entw. 158; Stöcker, I n t . o. p. 123 f. 13 Gierke, E n t w . 14 Näher Schurig, Vork. R. 57 f. 15 Vgl. den Kampfgeist, den das Werk von Eichmann / Mörsdorf noch 1958 atmet (Kirchenr. 144, 146 f.); auch (1972) Mosiek, K . Eher. 7 2 - 7 4 : Staat zwinge zur Heuchelei. 16 Das I P R selbst w u r d e bei der Kodifizierung eher zu politisch gesehen; hierzu Hartwieg, Ges. geb. 436 - 443.

18 schurig

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Als einziges handfestes Argument bleibt die Tatsache, daß Savigny i n seinem Ansatz beim (konkreten?) 17 Rechtsverhältnis von einem international gleichen K e r n dieser Rechtsverhältnisse auszugehen scheint (womit aber auch einfach Parallelität und nicht Homogenität gemeint sein kann) 1 8 und folglich „fremdartige", „unbekannte" Rechtsfiguren von der Berufung ausschließt. A u f der anderen Seite befaßt er sich eingehend m i t jenen Gesetzen „streng positiver, zwingender Natur", die für eine so „freie" Behandlung eben nicht geeignet sind. Für diese gelten indessen andere Regeln, insbesondere gesetzliche Regeln m i t der „Natur eines Gesetzes über die Kollision". Auch wenn Savigny diese als „Ausnahmen" außerhalb seines Systems stellt, so erkennt er praktisch durchaus die Existenz solcher „politischen" Normen und zu diesen gehöriger „Kollisionsregeln" an, und zwar i n solchem Umfang, daß quantitativ vom „Ausnahmecharakter" kaum noch viel zu merken ist. Auch aus Savignys System läßt sich m i t h i n zur These von der vorausgesetzten „Vorstaatlichkeit" des Privatrechts unmittelbar nichts herleiten 1 9 . Das alles ist aus heutiger Sicht aber auch gar nicht erforderlich, sofern man nicht die gesamte bedeutende weitere Entwicklung bewußt ignoriert 2 0 . Spätestens die autonomistische Schule — vor allem Kahn und später Rabel — hat die „streng positiven" Gesetze wieder i n das IPR integriert, hat auch die „inkomparablen" Rechtserscheinungen wieder zum Gegenstand des IPR gemacht 21 . Sollte der bei Savigny immerhin nicht auszuschließende Ansatz beim „konkreten" Rechtsverhältnis 2 2 noch ein (wenn auch zweifelhaftes) Argument für die Vorstaatlichkeitsthese haben bieten können, so verschwindet auch dieses bereits m i t dem Übergang zum „abstrakten" Rechtsverhältnis bei Kahn und der von i h m und Rabel betonten Sachrechtsbezogenheit des K o l l i sionsrechts. Gewiß, wenn man sich beim IPR i n seiner heutigen Gestalt lediglich auf die überkommenen allseitigen Kollisionsnormen fixiert, kann man noch immer zu folgendem Fehlschluß kommen: Die allseitigen K o l l i sionsnormen berufen aufgrund derselben Anknüpfungskriterien ent17

Hierzu oben T . 2 A I V . Hierzu sogleich. 19 Zutreffend bemerkt Neuhaus, Wege 403 f., daß es Savigny u m „die Collision der Territorialrechte unabhängiger Staaten" ging, nicht u m die Privatrechte verschiedener „Gesellschaften". Vgl. auch Bucher, Grundfragen 11 f.; Lorenz, S t r u k t u r 49. 20 Wie es alle diejenigen tun, die das heutige I P R ohne weiteres m i t „Savignys I P R " identifizieren; krassestes Beispiel dafür ist die jüngste „ K r i t i k " v o n de Boer, Tekort. 21 Oben T . 2 Β I V u n d Β V. 2 Oben . 18

Β . Berechtigung der V o r w ü r f e

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sprechende Sachrechtsnormen beliebiger Länder für ein bestimmtes Rechtsverhältnis. Sie gehen also noch immer von i m Kern übereinstimmenden „vergleichbaren" Rechtsverhältnissen aus, sie kümmern sich weiterhin nicht um den sachlichen Inhalt der jeweiligen Normen. Sie setzen somit auch heute noch ein Desinteresse des Staates am Privatrecht voraus und damit ein unpolitisches, „vorstaatliches" Privatrecht, das „staatlichen Interesses" nicht wert ist. Einer solchen Überlegung liegen zwei Fehler zugrunde: Einmal w i r d vom IPR-System nur ein Teil isoliert gesehen, der andere also ignoriert. Sodann werden Ursache und Wirkung, Voraussetzung und Erscheinungsbild miteinander verwechselt. Natürlich ist es richtig, daß allseitige Kollisionsnormen sachlich vergleichbare Sachnormen der einzelnen Länder berufen. Aber das ist keine Primärerscheinung, sondern — wie w i r gesehen haben 2 3 — Folge der „horizontalen" Bündelung: Gebündelt werden Element-Kollisionsnormen m i t gleichartiger kollisionsrechtlicher Interessenkonstellation, und da die kollisionsrechtlichen Interessen von den verarbeiteten Sachinteressen beeinflußt werden, sind die jeweiligen Sachnormen funktional vergleichbar. Diesen Sekundäreffekt kann man sich durchaus bei der praktischen Handhabung zunutze machen 24 . Das bedeutet aber keineswegs, daß der Staat am Inhalt der berufenen Sachnorm „uninteressiert" wäre. Er beurteilt ja die kollisionsrechtliche Frage autonom; er hat die kollisionsrechtlichen Implikationen der Sachnorm bereits kontrolliert, als er die „passende" Element-Kollisionsnorm feststellte 25 und die Bündelungskriterien prüfte. Hätten sich infolge der besonderen Gestaltung der betreffenden (eigenen oder fremden) Sachnorm andere kollisionsrechtliche Interessen ergeben, so hätte er eine andere Element-Kollisionsnorm gewählt, die anderweitig „gebündelt" ist, die u. U. auch für sich allein bestehen kann. Dieser gesamte Vorgang spielt sich innerhalb der sog. Qualifikation ab 2 6 . Die allseitige Kollisionsnorm beruft also nicht, i m Grunde uninteressiert, alle das gleiche „Rechtsverhältnis" betreffenden Sachnormenkomplexe, sondern sie beruft Sachnormenkomplexe nicht nur weil, sondern soweit diese funktionell gleichartig sind und — neben anderen Erwägungen — auch deshalb gleich strukturierte kollisionsrechtliche Interessenwertungen nach sich ziehen. A u f den konkreten Regelungsgehalt der zu berufenden Sachnorm kommt es darum nur solange nicht an, wie eventuelle Abweichungen auf Anknüpfung und „Bündelung" nicht „durchschla23 24 25 26

18

Oben T . 2 A V 4 , T. 3 Β 11. Vgl. oben T. 3 Β 11. Oben T. 2 A V 2 . T. 3 Β 11.

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gen", weil sie die kollisionsrechtlichen Interessen nicht entscheidend verschieben. Somit setzt „der Staat" (das IPR) internationale Austauschbarkeit der Sachnormen nicht etwa kritiklos voraus (wie die These vom „vorstaatlichen" Sachrecht meint), sondern er „bündelt" i m Ergebnis nur da horizontal, wo und soweit im Hinblick auf seine autonome kollisionsrechtliche Bewertung internationale Austauschbarkeit besteht. Dabei kann er infolge der systeminhärenten Korrekturmöglichkeiten die kollisionsrechtliche Interessenbewertung stets verfeinern, wo er zu neuen Erkenntnissen oder neuen Werten kommt, er kann die Bündelungen aufspalten, andere Anknüpfungen bilden — stets i m Rahmen der allgemeinen Grundsätze für die Weiterentwicklung einer Rechtsordnung. So bleibt immer noch ein sehr weites Feld für die allseitigen K o l l i sionsnormen klassischer Prägung. Die meisten Rechtsinstitute und Rechtssätze kehren auch heute funktionsverwandt i n nahezu allen Rechtsordnungen wieder 2 7 ; das ist eine Tatsache, die ganz einfach darauf beruht, daß jede Sachrechtsordnung m i t bestimmten materiellrechtlichen Interessenkonstellationen zu tun hat, die auch i n anderen Staaten auftreten können, und dann führt oft schon die „Natur der Sache" zu verwandten „sachgerechten" Regelungen. Es sind dies Parali elerscheinungen, die m i t einer „vorstaatlichen" übergreifenden („international homogenen") Rechtsordnung nichts zu t u n haben. I m allgemeinen w i r d die Anwendung dieser ähnlichen Rechtssätze auch Gegenstand gleichartiger kollisionsrechtlicher Interessen bleiben. Aber die eigene staatliche Rechtsordnung behält doch immer die Kontrolle über Ausgestaltung, Wirkung und „Einzugsbereich" der allseitigen K o l l i sionsnormen und damit letztlich die Kontrolle darüber, welche Sachnormen aufgrund welcher Umstände berufen werden. Davon, daß das heutige IPR ein „vorstaatliches Privatrechtsmodell" voraussetzte, kann m i t h i n nicht die Rede sein. Π . Hilflosigkeit gegenüber der Politisierung des Privatrechts und dem Vordringen öffentlichen Rechts

Daß das „klassische" IPR der „Politisierung" des Privatrechts und dem Vordringen des „staatlich" geprägten öffentlichen Rechts hilflos und unfähig gegenüberstehe, hängt m i t den eben behandelten Behauptungen eng zusammen und w i r d i n erster Linie als Schlußfolgerung daraus hingestellt 2 8 . Wenn w i r auch offengelassen haben, was es m i t 27

Oder aber sie werden m i t der Zeit international übernommen.

Β . Berechtigung der V o r w ü r f e

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der neuerdings so häufig beschworenen „Dichothomie von Staat und Gesellschaft" zu Savignys Zeiten auf sich hatte und welchen Einfluß sie eventuell auf sein Werk hatte, so konnten w i r doch feststellen, daß schon bei Kahn und der autonomistischen Schule die „Staatlichkeit" des Rechts ernst genommen wurde, nicht nur des Kollisionsrechts — was ja der prägende Gedanke war —, sondern natürlich ebenso des materiellen Rechts. Das ist vor allem daran zu erkennen, daß das IPR die sachrechtlichen Vorschriften so annehmen und verarbeiten muß, wie es sie vom jeweiligen Staat ausgestaltet vorfindet. „Inkomparable" Rechtsfiguren werden nicht ignoriert, Gesetze von „streng positivem, zwingendem", „politischem" Charakter werden nicht außerhalb der eigentlichen kollisionsrechtlichen Betrachtung gestellt — wie beides noch bei Savigny —; das IPR stellt keine Vorbedingungen mehr, es formt sich seinen Gegenstand nicht selbst, es hat sich anzupassen, zu „reagieren", und es ist i n der Lage dazu durch umfassende „topische" Interessenverwertung. So erweist sich das Kollisionsrecht als durchaus darauf vorbereitet, auch m i t einem „politisierten" Privatrecht fertig zu werden — was immer man darunter i m einzelnen verstehen soll. Das Privatrecht hat sich gewiß gewandelt; was sich an ihm gewandelt hat und i n welcher Weise, das freilich ist noch längst nicht ausdiskutiert 2 9 . Das Recht verändert sich zu allen Zeiten, i n neuerer Zeit vielleicht — wie vieles — rasanter. Die Anpassung an modernere Gegebenheiten kommt uns immer „politisch" vor, während der „politische" Gehalt früherer Rechtssetzung vielleicht nur aus zeitlicher Ferne gering erscheint. Die „Politisierung" des Zivilrechts empfinden w i r heute vornehmlich auf dem gesamten Gebiete des Rechts der Wirtschaft 3 0 , wo dem „freien Spiel der Kräfte" zunehmend eine Ordnung entgegengesetzt wird, u m den einzelnen und die Gesamtheit vor Schäden zu schützen. Zu Savignys Zeiten waren es vielleicht eher andere Normen, die als „politisch" und damit von „streng positiver Natur" empfunden wurden 3 1 , etwa solche des Familienrechts oder des Deliktsrechts. 28 Bucher, Grundfragen 12, 40 u n d passim, k o m m t auf anderem Wege zum selben Ergebnis; de Boer, Tekort, läßt es weitgehend bei der schlichten Feststellung dieser Unfähigkeit bewenden. 29 Vgl. f ü r viele Raiser, Zuk. (mit Nachw.). E i n neueres Stichwort, unter dem die Diskussion stattfindet, ist das des „Sonderprivatrechts"; vgl. hierzu Westermann, Sonderprivr. Soz. mod.; Lieb, Sonderprivr. f. Ungleichgew.; Mertens, Del. r. u. Sonderprivr. Z u m „sozialen Obligationsmodell" s. Schmidt, Soz. Obi. mod. 30 Vgl. Joerges, Klass. Konz.; Rehbinder, Polit. 154 - 158. 31 Vgl. oben Β . I. Rehbinder, Polit. 154, räumt z. B. ein, daß Familienrecht und Erbrecht „seit jeher eine öffentliche F u n k t i o n " besaßen, weist aber beide weiterhin dem klassischen „wertneutralen" Kollisionsrecht zu (wobei er i m m e r h i n beiläufig einräumt, daß dieses auch nicht „ v o n vornherein

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T e i l 4: Die Bewährungsprobe: Vergleich m i t den Alternativmodellen

Sich auf politisierte sachliche Regelungsgehalte einstellen bedeutet für das internationale Privatrecht, die kollisionsrechtlichen Implikationen zur Kenntnis nehmen, die sich aus der Umschichtung materieller Wertverwirklichung für die IPR-Interessen ergeben. Das ist, wie w i r dargestellt haben, ein ganz normaler Vorgang. Man darf nur nicht unterstellen, daß das kollisionsrechtliche System zusammen m i t den überkommenen allseitigen Bündelungen am Ende sei, und man darf aus didaktischen Bildern wie dem „Sitz des Rechtsverhältnisses" keine Götzen machen, sondern man muß die Suche nach der „richtigen" A n knüpfung der jeweiligen Sachnormen niemals aus dem Auge verlieren. Und man sollte ständig bereit sein, das Überkommene zu überprüfen und zu revidieren, wenn es nicht mehr „paßt" — unter den Einschränkungen, die das Interesse an Beständigkeit und Rechtssicherheit auferlegt 3 2 . A u f diese Weise ist es ohne weiteres möglich, auch „politisierten" Sachnormen gerecht zu werden 3 3 ; schon Kahn berücksichtigte ja „gesellschaftliche Interessen" 34 . Dabei können u. U. Kollisionsnormen zu bilden sein, die unter die herkömmlichen „Bündelungen" nicht passen, weil sie sich auf Sachnormen beziehen, welche kollisionsrechtliche Interessen einer bisher noch nicht berücksichtigten A r t hervorrufen. Solche neuen Normen entstehen dann häufig erst als ordre-public- Vorbehalte, Individual-Kollisionsnormen, „autolimierte" Sachnormen o. ä. Doch ist auch diese Entwicklung selten i n einem Staat isoliert; i n anderen Staaten gibt es parallele Vorgänge und ähnliche „politische" Sachnormen. Sie können meist durchaus nach denselben Grundsätzen angeknüpft werden. A u f diese Weise entstehen aufgrund neuer sachrechtlicher Parallelitäten neue „Bündelungen", neue allseitige K o l l i sionsnormen (meist nachdem der Boden hierfür von der Wissenschaft vorbereitet worden ist). Somit ist das IPR-System nur dann nicht i n der Lage, m i t „politisiertem" Sachrecht fertig zu werden, wenn es zu „statisch" gesehen, die „Einheit von Norm und Methode" verkannt wird, wenn also seine Möglichkeiten zur Rechtsfortbildung nicht ausgenutzt werden, wenn die Gelegenheit zu Anpassung und Verfeinerung, die aus der Erkenntnis der Rationalität erwächst, nicht wahrgenommen wird. Bei autonomer, offener Bewertung aller i n Betracht kommenden kollisionsrechtschlechthin unpolitisch" gewesen sei!). Zweifelnd auch Steindorff, Entw. 158; Stöcker, I n t . o. p. 124. 32 Oben T. 2 D I V 4. 38 Über die Renaissance des einst totgesagten I P R i n den sozialistischen Staaten vgl. z.B. Evrigenis, Tend. 395-408, m. Nachw.; Fincke, Entwickl., insbes. 6 - 8 über die „kollisionsrechtliche" Inhaltsbestimmung des I P R i n den Ostblockländern. 84 Ord. pubi. 253.

Β . Berechtigung der V o r w ü r f e

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liehen Interessen ist hingegen die „sachgerechte" Anknüpfung einer jeden Sachnorm möglich 3 5 . Erst recht kann der hiermit zusammenhängende Einwand nicht durchgreifen, daß das solchermaßen „politisierte" Sachrecht i n den „Graubereich" zum öffentlichen Recht rückt und sich dadurch dem Zugriff des internationalen „Privat"-rechts entzieht. Zwar gilt das „ I P R " für Sachnormen des „Privatrechts", aber es ist auch Bestandteil des allgemeinen räumlichen Kollisionsrechts, und dieses ist von homogener Struktur. Auch das anzuwendende „öffentliche" Recht w i r d durch autonome Kollisionsnormen angeknüpft (wenn auch dieser Bereich wissenschaftlich noch kaum durchstrukturiert ist), und auch hier sind allseitige Normen nicht wesensmäßig („primär") ausgeschlossen, sondern werden nur „praktisch" weniger gebraucht 36 . Die Grenze zwischen internationalem Privat- und internationalem öffentlichen Recht ist eine solche zwischen innerwissenschaftlichen Arbeitsbereichen, keine, die einen prinzipiellen strukturellen Unterschied markierte. Daher sind auch Sachnormen i m „Graubereich" zum öffentlichen Recht (und sogar jenseits dieses Bereiches) methodisch auf genau dieselbe Weise anzuknüpfen, wobei nur die zu berücksichtigenden kollisionsrechtlichen Interessen ζ. T. andere sind 3 7 . Π Ι . „Begriffsreiterei", Manipulierbarkeit und Verschleierung der wahren Entscheidungsgründe

Die Vorwürfe steriler Begrifflichkeit und — damit zusammenhängend — der Formelhaftigkeit, der Manipulierbarkeit und der Unaufrichtigkeit zielen bei näherer Betrachtung weniger auf das internationale Privatrecht als solches als — allgemein — gegen jede A r t überzogener Begriffsjurisprudenz. Man kann dieser K r i t i k ihre Berechtigung nicht ganz absprechen, weil (und soweit) sie sich auch gegen begriff s juristische Auswüchse bei der Handhabung des IPR-Systems wendet 3 8 . Nur müßte die Folgerung zunächst sein, diese Mängel abzustellen, und nicht, vorschnell das System zu verwerfen. Wenn etwa Bucher einräumt, daß die Interessenjurisprudenz ein „soziales" materielles Privatrecht ermöglicht hat 3 9 , dann fragt man sich, warum er dem K o l l i sionsrecht diese Chance verweigert 4 0 . 35 Die Tatsache, daß der Gesetzgeber des E G B G B bewußt weite „ F r e i räume" gelassen hat (hierzu Hartwieg, Ges. geb. 444 - 450), sollte diesen Vorgang jedenfalls erleichtern, wenngleich eine Anpassung, w i e oben dargelegt (T. 2 D I I u n d D I I I ) auch ohne diese möglich u n d erforderlich wäre. 36 Näher oben T. 2 C. 37 Ebd. 38 Vgl. auch Braga, Kodif. 424 f., 430 f. 39 Bucher, Grundfragen 46.

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T e i l 4: Die Bewährungsprobe: Vergleich m i t den Alternativmodellen

Niemand verkenne die Notwendigkeit von Begriffen, systematischdogmatischen Beziehungen und selbst von gewissen Bildern (wie dem „Sitz des Rechtsverhältnisses"). Aber diese Begriffe usw. sind die Ergebnisse, Zusammenfassungen bereits vollzogener Interessenbewertungen; sie können „ n u r Samen sein, wenn sie Frucht waren" 4 1 . M. a. W.: die Begriffe und dogmatischen Figuren ersparen es uns, stets zu den Anfängen zurückzugehen; sie sind Relaisstationen der Rechtsfindung durch Interessenbewertung, müssen aber andererseits als solche stets bewußt und auch i n Frage zu stellen sein 42 . Zum Teil handelt es sich nicht einmal um Zusammenfassungen, sondern nur u m Bezeichnungen, u m Namen für in bestimmten Zusammenhängen wiederkehrende Wertungsvorgänge, so etwa bei der Qualifikation, dem ordre public und anderen Problemen des allgemeinen Teils, bei denen jeweils die m i t dem Begriff bezeichnete Gedankenoperation vollständig durchzuführen ist 4 3 . Unter solchen Vorbehalten sind Begriffe und dogmatische Rechtsfiguren jedoch unverzichtbare Bestandteile eines jeden brauchbaren Rechtssystems. Ohne begriffliche Erfassung des Sachrechts 44 wäre ζ. B. eine kollisionsrechtliche „Bündelung" gar nicht möglich. Auch spricht es noch nicht gegen das internationale Privatrecht, wenn es starke „Ordnungselemente" enthält; auch Ordnung ist Ausdruck einer bestimmten Wertwahl. Selbst der dogmatische „Aufbau" eines Systems ist durch vorgegebene Wertprinzipien bedingt 4 5 . Die Vorwürfe, die gegen das IPR erhoben werden, treffen somit lediglich die unzulässige Verabsolutierung von Begriffen, Formeln und Bildern, die Erstarrung und Verdrängung der hierin verborgenen und „konservierten" Werturteile, die Ersetzung eines Wertungsproblems durch mechanisch einsetzbare Formeln, kurz, die zu simple, „rückständige", falsche Handhabung des Kollisionsrechtssystems, nicht dieses selbst 4e. 40 Ebd. 36 - 39. — Als ganz unverständlich müssen i n diesem Zusammenhang die Ausführungen von de Boer, Tekort, angesehen werden. Seine These, daß das angebliche, heute praktizierte „Savignische I P R " zum modernen Zivilrecht nicht passe, stützt er nämlich u. a. auf die Veränderungen, die letzteres durch die Interessen jurisprudenz erfahren habe (290). A u f den Gedanken, daß die Interessenmethode ebenso das heutige IPR beeinflußt haben könnte, k o m m t er gar nicht; entsprechende Versuche i n der L i t e r a t u r (vgl. oben T . 2 Β V I ) n i m m t er nicht zur Kenntnis. 41 Esser, Grds. 212. 42 Näher oben T . 2 D U u n d D I I I . 43 Oben T. 3. 44 Vgl. auch Steindorff, Sachnormen 46. 45 Vgl. Esser, Grds. 156. Schon Kegel, Begr. I n t . Jur. 287, bemerkte, daß auch die „Strukturforschung" auf „ E r m i t t l u n g u n d Abwägung von I n t e r essen" beruht, „ n u r eben von sehr allgemeinen . . . , die w i r uns f ü r gewöhnlich nicht bewußt machen".

Β . Berechtigung der V o r w ü r f e

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Die Probleme des allgemeinen Teils verlieren ihre Formelhaftigkeit, wenn man sich stets die hinter ihnen stehende Rationalität, die Feststellungs- und Wertungsvorgänge vergegenwärtigt. Die Qualifikation etwa hört auf, eine kabbalistische Geheimformel zu sein, m i t deren Hilfe kollisionsrechtliche Scheinbegründungen geliefert werden, sobald nicht ihre äußere Erscheinungsform, sondern die m i t ihr bezeichneten Wertungsvorgänge betrachtet werden 4 7 . Dann zeigt sich, daß es hier u m Feststellung und Wertung kollisionsrechtlicher Interessen und deren Vergleich m i t den „etablierten Bündelungen" geht und damit nicht um „scheinbare", sondern u m die „echten" Gründe kollisionsrechtlicher Anknüpfung — mehr noch: daß es sich bei der „Qualifikation" u m eines der Instrumente einer ständigen Kontrolle der rechtspolitischen Entscheidungen i m IPR handelt. Auch ist es leichter, die Fälle von „Etikettenschwindel" zu entlarven, i n denen tatsächlich „Scheinbegrün^ düngen" geliefert werden, weil die der Fallentscheidung zugrunde lie% genden Gründe ganz andere sind als diejenigen, die i m allgemeinen durch das benannte „Problemstichwort" bezeichnet werden 4 8 . Somit geht es darum, die Begriffe, Rechtsfiguren und Problembenennungen durchsichtig zu machen, d. h. die hinter ihnen stehenden Interessenfeststellungen und -bewertungen sichtbar werden zu lassen, zugleich „Offenheit" und „Beweglichkeit" bei der kollisionsrechtlichen Rechtsfindung auszunutzen. Hier scheint i n der Tat aktuell noch manches verbesserungswürdig zu sein. Doch ist das kein spezielles Problem gerade des kollisionsrechtlichen Systems; nur scheint dieses insoweit etwas hinter der allgemeinen Entwicklung hinterherzuhinken, was nicht zuletzt daran zu erkennen ist, daß gerade auch die interessenjuristische Methode erst i n neuerer Zeit für das IPR herangezogen worden ist, sehr viel später als i m materiellen Privatrecht. Die vielbeschworene „Krise des internationalen Privatrechts" scheint nichts anderes zu sein als eine besondere Facette der allgemeinen „Krise der Rechtsquellenlehre" 49 — und ebenso überwindbar.

46 Soweit sie sich andererseits gegen eine „finale" Handhabung der einzelnen IPR-Elemente richtet, etwa bei der Qualifikation, beruht sie ohnehin von vornherein auf einem fundamentalen Mißverständnis hinsichtlich der Rechtsanwendung allgemein; besonders krass t r i f f t dies f ü r de Boer, Tekort 287, zu, der den „teleologischen Gebrauch" der allgemeinen I P R - „ I n s t i t u t e " als sicheres Zeichen des Niedergangs ansieht, andererseits aber die „ B l i n d heit" des I P R aufs bitterste beklagt. Z u r Zulässigkeit u n d Erforderlichkeit des „finalen Vorgriffs auf die Ergebnisvernunft" vgl. oben T. 2 D I I I . 47 Oben T. 3 Β 11. 48 So i n den amerikanischen Fällen, i n denen Normen kurzerhand als „procedural" bezeichnet werden, damit man bei der lex fori bleiben kann. 49 Esser, Grds. 8; vgl. auch unten D.

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T e i l 4: Die Bewährungsprobe: Vergleich m i t den Alternativmodellen I V . Die Mißachtung der staatlichen Rechtsanwendungsinteressen

Daß es i m internationalen Privatrecht u m „Rechtsanwendungsansprüche" verschiedener Staaten und deren Verhältnis zueinander gehe, u m den Ausgleich oder doch zumindest eine Rangordnung unter solchen staatlichen Rechtsanwendungs-„Interessen", dieser Einwand soll nun allerdings i n das Mark des überkommenen kollisionsrechtlichen Systems treffen, das der als etwas grundsätzlich anderes empfundenen „interuationalprivatrechtlichen Gerechtigkeit" verschrieben sei. Und so neigen die Vertreter dieser Ansicht — zumindest i n Teilbereichen — alle mehr oder weniger unilateralistischen Grundauffassungen zu. M i t diesen wollen w i r uns später befassen 50 ; hier geht es zunächst u m die Begründetheit des Vorwurfs, das bestehende IPR-System könne solchen staatlichen Rechtsanwendungsinteressen nicht Rechnung tragen. „Kollisionsrechtliche Interessen" haben ja i m „klassischen" IPR-System heutiger Prägung eine zentrale Stellung; sie liefern immer wieder den Schlüssel zum Problemverständnis. Indessen darf man sich nicht täuschen: Es bedeuten diese Interessen etwas ganz anderes als die besagten „staatlichen Rechtsanwendungsinteressen". Bilden erstere den Gegenstand des kollisionsrechtlichen Rechtsfindungsprozesses, die „Topoi", anhand derer man zu einem Ergebnis kommt, so bezeichnen letztere das Ergebnis selbst. Sie stehen also nicht allgemein für die zu berücksichtigenden „Vektoren" der Rechtsfindung 51 , sondern sollen ein konkretes „Begehren" ausdrücken, nämlich das des Staates, das auf Anwendung der von i h m gesetzten Normen i n einem bestimmten Fall gerichtet ist. Sie sind somit identisch mit dem Rechtsanwendungs„willen ( < des Staates bezogen auf sein eigenes Sachrecht. Dieser „Wille" allerdings ist wiederum nur ein Bild, und ein recht diffuses dazu. Er muß konkretisiert werden, und das kann er nur durch eine Rechtsanwendungs-Norm, durch eine Kollisionsnorm also. Da diese Kollisionsnorm sich m i t der Anwendbarkeit des eigenen Sachrechts befaßt, ist sie eine einseitige. Es muß darum unterschieden werden zwischen „Rechtsanwendungsinteressen" des eigenen und denen fremder Staaten. Die „Rechtsanwendungsinteressen" (dieser Art) der lex fori finden nämlich i n den Kollisionsnormen ihren unmittelbaren Niederschlag, und zwar i n den technisch „einseitigen" (vertikal gebündelten oder Individual-Kollisionsnormen) und i n den aufs eigene Recht bezogenen Element-Kollisionsnormen aus den „allseitigen Bündelungen". Nur erschwert die Betrachtungsweise die Frage nach dem Warum, die Erkenntnis, daß der Entscheidung des Staates ein Abwägungs- und Wertungsvorgang 50 51

Unten C I , C I I I 3. Oben T . 2 A V 2 , D I I I u. D I V 1 .

Β . Berechtigung der V o r w ü r f e

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vorausgeht, i n dem natürlich auch die „eigentlichen" kollisionsrechtlichen Interessen des „Staates" (der Rechtsgemeinschaft) zum Zuge kommen, die zahlreichen Ordnungsinteressen etwa oder das Interesse am „Ansehen" der Rechtsordnung, daneben die Interessen, die Kegel zu den „Machtinteressen" zählt. Problematisch w i r d die Auseinandersetzung erst, wenn es u m die Rolle von „Rechtsanwendungsinteressen" fremder Staaten geht. Dann besonders stiftet die beschriebene Ambivalenz des Interessenbegriffs Verwirrung. Soweit auch hier m i t „Rechtsanwendungsinteresse" der Rechtsanwendungs„wille" des fremden Staates gemeint ist, der sich nur i n „einseitigen" Kollisionsnormen konkretisieren kann, so ist grundsätzlich richtig, daß diese i m geltenden System nicht berücksichtigt werden (außer i m renvoi-Fall, aber auch dann nicht primär, sondern aufgrund „gezielter" Verweisung) 5 2 ; die Gründe hierfür gehören zur Auseinandersetzung m i t dem Unilateralismus 5 3 . Die genannte K r i t i k scheint aber ebenso zu unterstellen, daß das geltende IPR auch die „kollisionsrechtlichen Interessen" fremder Staaten (im von uns gebrauchten Sinne) nicht berücksichtige 54 , und dieser V o r w u r f ist sicherlich falsch. „Internationalprivatrechtliche Gerechtigkeit" bezeichnet das Werturteil, das möglich w i r d durch autonome, umfassende, „topische" Feststellung aller die räumliche Anwendung einer Norm als solche (und nicht unmittelbar ihre Sachentscheidung) betreffenden Interessen — eben der „kollisionsrechtlichen Interessen" — und deren Abwägung. Grenzen „a priori" werden nicht gezogen. Deswegen werden i n die Bewertung auch die Interessen eines anderen Staates an Anwendung seiner Sachregelungen einbezogen. Die Übereinstimmung kann sogar viel weiter gehen: Die fremde — von uns als solche nicht berücksichtigte — Kollisionsnorm beruht ja gleichfalls auf kollisionsrechtlichen Interessen, und w i r können bei unserer eigenen autonomen Anknüpfung dieselben Interessen feststellen und u. U. übereinstimmend bewerten, so daß es i m Ergebnis mittelbar zu einer gleichen Entscheidung kommt, ohne daß w i r unmittelbar dem fremden Anwendungs„willen" folgten. Denn nicht ob eine Norm angewandt werden „ w i l l " , sondern ob sie angewandt werden „soll", ist für uns die Frage 55 . A u f solchen 52

Vgl. oben T. 2 D I V 3 zu Fn. 649 - 654. Unten C I , C I I 3, C I I I 3. 54 So vor allem Currie selbst. Aber auch nach Joerges, Funktionswandel, bringt erst Currie „die Übernahme der Gemeininteressen i n das Kollisionsrecht" (78), sie werden f ü r das I P R „entdeckt" (122), Curries „europäische K r i t i k e r . . . [verweigern] . . . den Gemeininteressen die rechtliche Anerkennung rundweg . . . " (154). 55 Kahn, Ges. K o l l . 111 (dazu auch oben T. 2 A V 1 Fn. 190). 53

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T e i l 4: Die Bewährungsprobe: Vergleich m i t den Alternativmodellen

Parallel Wertungen beruhen j a die — trotz aller Unterschiede — häufigen internationalen Übereinstimmungen i n kollisionsrechtlichen Fragen, die bis zur Anerkennung von kollisionsrechtlichen „ Macht "interessen anderer Staaten reichen, wie etwa i m internationalen Enteignungsrecht. Aus der möglichen internationalen Kongruenz kann für uns ein zusätzliches gewichtiges „Interesse" erwachsen, das i n der Lage ist, bei der Entscheidung den Ausschlag zu geben: das Interesse an internationaler, „äußerer" Entscheidungsharmonie. Damit verwandt ist das Ordnungsinteresse an Vermeidung internationaler Rechtsanwendungs„konflikte". Alles dies sind aber lediglich Elemente der IPR-Rechtsfindung, von denen keines eo ipso absoluten Vorrang verlangen könnte. Sie können stets durch andere Interessen und andere Wertungen zurückgedrängt werden. Auch dem Interesse an Konfliktvermeidung, an internationalem Ausgleich gebührt kein absoluter Vorrang 5 6 ; indes mag es interlokal innerhalb eines Bundesstaats stärker wiegen als international. Seine Überbetonung scheint m i t einer zu wörtlichen Interpretation des Begriffs „Kollisions"-recht zusammenhängen (der irreführend, aber eingebürgert ist) 5 7 ; aber Gerechtigkeit bedeutet Offenheit und Verzicht auf vorzeitige Festlegung. So gesehen spielen (und spielten) auch „staatliche Rechtsanwendungsinteressen" i m klassischen IPR-System eine Rolle, und zwar die „ihnen zukommende". V. Die

„Blindheit"

gegenüber der materiellen Gerechtigkeit

Es ist die Gefahr von Bildern, daß sie eine Faszination ausüben, welche die Grenzen der eigentlichen sachlichen Bedeutung weit überstrahlt. Zu solch einem Eigenleben hat sich die Metapher von der „Blindheit" des IPR gegenüber materieller Gerechtigkeit entwickelt, intensiviert durch dramatisierende Varianten wie „Sprung ins Dunkle" 5 8 , „Augenbinde Savignys" 59, die weithin akzeptiert zu werden scheinen — bei K r i t i k e r n und Befürwortern des IPR-Systems gleichermaßen. Daß eine solche radikale Isolierung der beiden Bereiche voneinander nicht durchzuführen ist, wurde i n verschiedenen Zusammenhängen 56 So aber anscheinend die neue „politische Schule", vgl. etwa Joerges, Klass. Konz. 468-472; Rehbinder, Polit, (in Teilbereichen); u n d allgemein die Unilateralisten (vgl. unten C I). Sohn etwa sieht i n den bekämpften m u l t i lateralen nationalen Kollisionsregeln ein „ b e l l u m o m n i u m contra omnes" (Bases 982). 57 Oben T . 2 A I I I 1 zu Fn. 84, 85. 58 Raape, IPR 90. 59 Deelen, Blindd.; Cavers, Crit. 183 („blindfold").

Β . Berechtigung der V o r w ü r f e

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sichtbar; besonders die oft als Kernproblem des IPR angesehene Frage der Qualifikation illustriert die Sachrechtsbezogenheit des Kollisionsrechts, w i r d doch gerade wegen des verschiedenen sachlichen Gehalts der einzelnen Normen unterschiedlich qualifiziert. Allerdings: man kann niemals Kollisionsnormen aus Sachnormen gewinnen (denn diese beschränken sich eben auf die sachliche Entscheidung), aber man muß Kollisionsnormen für die jeweiligen Sachnormen haben und gegebenenfalls bilden 6 0 . Darum t r i t t das Sachrecht schon bei der Frage „was ist die engste Beziehung?" i n den kollisionsrechtlichen Gesichtskreis. M. a. W.: Inhalt und Charakter des jeweiligen Sachrechts sind schon bei Aufstellung der Kollisionsnormen vorweg berücksichtigt; insbesondere werden bei der „Bündelung" zu allseitigen Normen solche Element-Kollisionsnormen zusammengefaßt, welche Sachnormen berufen, die infolge ihrei funktionalen Ähnlichkeit gleiche kollisionsrechtliche Interessen impli^ zieren. Wenn man daher sagt, der Richter habe sich bei Anwendung der Kollisionsnormen um den sachlichen Inhalt des „berufenen" Rechts nicht zu kümmern, dann deshalb, weil bei Bildung der Kollisionsnorm schon eine solche sachliche Vor-Auswahl getroffen worden ist. „Ohne Rücksicht auf den Inhalt" bedeutet also: ohne Rücksicht auf die inhaltlichen Feinabweichungen, soweit sie auf die kollisionsrechtliche Bewertung und Bündelung nicht „durchschlagen". Nur bei der reinen, „logistischen" kollisionsrechtlichen Subsumtion kommt es auf den Inhalt der „berufenen" Sachnormen deshalb nicht an. Sobald aber die kollisionsrechtlichen Interessen wieder zu betrachten sind, und das ist stets der Fall bei der „Kontrolle" der Rechtsanwendung, bei Rechtsfindung, -neu- und -Weiterbildung, dann sind auch die Auswirkungen der besonderen sachlichen Regelung auf diese Interessen zu berücksichtigen. Solche Vorgänge sind praktisch — zumindest latent — i n jeder kollisionsrechtlichen Normanwendung enthalten 6 1 . Wie aber konnte der Eindruck der „Blindheit" angesichts dieser Tatsachen entstehen? Der Grund liegt i n der lange währenden Verkennung dieser Vorgänge der Rechtsanwendung und -findung i n einem offenen und beweglichen System, in der einseitigen Fixierung auf den mechanischen Subsumtionsvorgang und i n der Überbetonung des „Ansatzes beim Rechtsverhältnis (Sachverhalt)", die i n dem (autonomen) 62 Ansatz beim Gesetz nicht einfach die andere Seite eines Problems sah, sondern systemwidrige Häresie. Dieselben Gründe waren es i m übrigen, die eine bewußte kollisionsrechtliche Weiterentwicklung und Verfeinerung 60 Vgl. auch unten C I I 2, C I I I 1. — Zutreffend spricht etwa Bernstein, Verf. K . R. 2276, von den Grundrechten „zugeordneten" besonderen K o l l i sionsnormen, näher oben T. 3 Β V I I 2 Fn. 249. 81 Vgl. oben T. 2 D I I I . 62 Oben T. 2 A V I .

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— obwohl diese seit Savigny immer wieder gefordert wurde — über Gebühr verzögerten und damit die massive K r i t i k erst auf den Plan riefen 6 3 . Weil ein notwendig „unfertiges" System fälschlich als abgeschlossenes behandelt worden ist, deswegen sind die kollisionsrechtlichen Differenzierungen i n manchen Bereichen bis heute viel zu grob geblieben. Allseitige Bündelungen erfassen mitunter einen allzu weiten Bereich, i n dem Aufschlüsselungen durchaus noch möglich und erforderlich sind. Diese Undifferenziertheit und vor allem das Leugnen oder Übersehen von Differenzierungsmöglichkeiten vermitteln das B i l d eines am berufenen Recht „uninteressierten" IPR; die Herausnahme des ordre public aus dem „eigentlichen" Kollisionsrecht tat ein übriges. Denn je grober das Raster ist, je starrer die Kriterien, je formaler die Subsumtion, desto „blinder" ist das IPR und desto eher kommt das Gefühl des „Desinteresses" des Staates auf 6 4 . Auch hier gestatten also die Besinnung auf die Möglichkeiten des IPR-Systems und ihre Nutzung, den eventuellen Auswirkungen des changierenden Sachrechts auf die kollisionsrechtlichen Interessen wo nötig gerecht zu werden durch entsprechende Änderung oder Neubildung der angemessenen Kollisionsnorm. Die Möglichkeiten der Anknüpfung shäufung und des ordre public (der i m Grunde genommen ein Unterfall „kumulativer Anknüpfung" ist) 6 5 lassen darüber hinaus eine gewisse unmittelbare materiellrechtliche Auswahl zu, indessen nur, wo insoweit die verschiedenen Anknüpfungen als nach der kollisionsrechtlichen Interessenmethode gleichwertig betrachtet werden müssen 66 . Wenn w i r die Anwendung eines „berufenen" materiellen Rechts als insgesamt unbefriedigend empfinden, dann liegt das entweder daran, daß diese Sachnorm andere kollisionsrechtliche Interessen auf den Plan ruft, die zu berücksichtigen gewesen wären, oder daß eine andere A n knüpfung als „kollisionsrechtlich gleichwertig" hätte beurteilt werden müssen, so daß es richtigerweise zu einer Anknüpfungshäufung m i t „Stichentscheid" nach dem materiellen Regelungsgehalt gekommen wäre, oder daß eine kumulative Anknüpfung für bestimmte Grund63 So ist auch f ü r Cavers diese Starrheit u n d „ B l i n d h e i t " der bestehenden IPR-Regeln Anlaß der tiefgreifenden K r i t i k gewesen (vgl. Crit. 186 f.). Vgl. auch Batiffol, Plur. 106; Braga , Kodif. 425, 430 f.; Smith, Bspr. K e l l y 763. S. weiterhin unten C I I 4 zu Fn. 139. 64 Oben Β I. Vgl. auch Schnitzer, Betr. 326. — „ B l i n d " ist das IPR besonders dann, w e n n aus der Vielzahl der Interessen lediglich das Ordnungsinteresse an äußerem Entscheidungseinklang ins Auge gefaßt w i r d (vgl. auch Lüderitz, A n k n . 31 f.), denn dann ist es i m Grunde ganz gleichgültig, welches Recht m a n anwendet, sofern es n u r überall dasselbe ist. Doch wäre dies — wie oben gezeigt wurde — eine vollständige Verstümmelung dessen, was „ k o l l i sionsrechtliche Gerechtigkeit" ausmacht. 65 Oben T. 3 Β V I I 1. ββ Oben T. 2 D I V 5.

Β . Berechtigung der V o r w ü r f e

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prinzipien der lex fori besteht (ordre public). Erst wenn alle diese Punkte berücksichtigt sind, kommt es auf den materiellen Gerechtigkeitsgehalt der berufenen Norm nicht mehr an, aber dann ist ein solcher Ausschluß auch sachgemäß und kann zu keiner „ungerechten", „uneinsehbaren" Entscheidung mehr führen. So ist es wiederum die mangelhafte Handhabung des Systems und nicht seine Struktur, die für die „ A r m u t des IPR an sozialen Werten" 6 7 verantwortlich zu machen ist — und dementsprechend muß die Therapie sein: ständige Überprüfung der Angemessenheit von Kollisionsnormen für die jeweiligen Sachnormen, Differenzierung, Verfeinerung 6 8 . V I . Die Unzulänglichkeit der nationalen Rechtsordnungen zur Entscheidung internationaler Sachverhalte

Der Vorwurf, die Anwendung „nationalen" Rechts für „internationale" Sachverhalte sei unangemessen, es werde zwangsweise ein Sachverhalt „nationalisiert", setzt stillschweigend voraus, daß Verknüpfungen eines Sachverhalts m i t einer anderen Rechtsordnung, die kollisionsrechtlich gewertet werden, ausschließlich auf diese Weise gewertet werden können. Das ist indessen keineswegs so 69 . Soweit sich Auslandsbeziehungen auf die materiellrechtliche Interessenlage auswirken, sind sie materiell auch zu berücksichtigen, und zwar gerade auch dann, wenn es sich um solche Beziehungen handelt, die bei der kollisionsrechtlichen Abwägung zurückstehen und darum unberücksichtigt bleiben mußten 7 0 . Die Methode der „kollisionsrechtlichen Anknüpfung" zwingt also nicht dazu, i m sachlichen Bereich die Eigenart „internationaler Sachverhalte" zu ignorieren, sondern sie liefert erst die Basis, bezeichnet das materiellrechtliche System, innerhalb dessen diesen Besonderheiten Rechnung zu tragen ist. Das ist nicht etwa auf die lex fori beschränkt; auch bei der Anwendung ausländischen Rechts können w i r uns der Hilfsmittel bedienen, die die immanenten Korrekturmöglichkeiten jenes Systems bieten. Wenn eine Anpassung des Sachrechts an bestimmte „regelwidrige" Beziehungen zum Ausland sachlich erforderlich erscheint, dann brauchen w i r uns keine übertriebene Zu67

Zweigert, A r m u t . A u f die Möglichkeiten eines „sozial geprägten I P R " „klassischer" H e r k u n f t verweist treffend auch Kropholler, Schw. Vertr. part. 655, 660. 69 Oben T. 3 Β I I , Β I I I . — Davon abgesehen k a n n i n „internationalen Fällen" ein besonderes materielles Gesamtergebnis durch das Zusammenspiel verschiedener Rechtsordnungen herauskommen (vgl. dazu Reese, Dép.). Das ist dann, w e n n k e i n Normenwiderspruch entsteht, der zur Angleichung zwingt, eine legitime Folge der „Internationalität", ohne daß es sich deswegen u m „Sachrecht i m I P R " handelte. 70 Oben T. 3 Β I I , Β I I I . 68

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rückhaltung aufzuerlegen und sind frei, auch i m ausländischen Recht neue, dem Fall angemessene Regelungsvarianten herauszubilden, solange w i r uns innerhalb des „mutmaßlichen Willens" der fremden Rechtsordnung bewegen. W i r brauchen nicht etwa zu resignieren, wenn w i r dort keine „passende" Lösung vorgeformt finden; w i r dürfen dies nicht einmal, denn die Fälle m i t ausländischer Verknüpfung sind m i t unter so einmalig, daß sie (materiell) ad hoc gelöst werden müssen. So kann die gleichzeitige Berufung von Sachnormen eines anderen Systems zu veränderter Rechtsanwendung führen (materiellrechtliche „Angleichung" i m fremden Recht), ebenso, wenn handelnde Personen ein nicht anwendbares Recht vor Augen hatten (Handeln unter „falschem" Recht), und i n allen Fällen, i n denen die „normale" materielle Regel nicht zu passen scheint. Es kann unterstellt werden, daß i n nahezu allen Rechtsordnungen die Berücksichtigung von Auslandsbeziehungen i n internationalen Sachverhalten möglich ist, wo diese wirklich das materiellrechtlich vorausgesetzte Interessengefüge durcheinander bringen. I n welchem Umfang das zu erwarten ist, darüber ist freilich noch nichts ausgesagt; hierzu soll später Stellung genommen werden 7 1 . Jedenfalls schließt die Methode der „kollisionsrechtlichen Anknüpfung" nicht aus, daß daneben dieselben und andere Auslandsbeziehungen innerhalb des „berufenen" Rechts auch materiellrechtlich gewertet werden, wo dies als sachgerecht und angemessen erscheint. Hierin liegt ein Ausgleich für die mitunter notwendige rigorose Entscheidung zugunsten bestimmter kollisionsrechtlicher Interessen unter vollständiger Zurücksetzung der übrigen und möglicherweise entgegengesetzten.

C. Die Modelle im einzelnen I . Systeme einseitiger Kollisionsnormen

Eine vollständige Ablösung des bisherigen internationalen Privatrechts, aber unter Beibehaltung „fester" Kollisionsnormen, wünschen die Anhänger der „reinen" unilateralistischen Systeme 72 . Sie halten ihr Modell nicht nur für mehr oder weniger denknotwendig, sondern auch für praktisch überlegen. Die ursprüngliche „völkerrechtliche" Begründung, der zufolge es ein Eingriff i n die fremde Souveränität sein soll, wenn w i r den Anwendungsbereich ausländischer Rechtsordnungen bestimmen, w i r d i n neue71 72

Unten C I I I 4. Über unilateralistische Tendenzen i n Teilbereichen unten C I I 3, C I I I 3.

C. Die Modelle i m einzelnen

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rer Zeit nicht mehr i n den Vordergrund gestellt, schwingt freilich i n der Rücksicht auf den Anwendungs„willen" immer noch mit. I n der Tat ist nicht einzusehen, worin der „Eingriff" liegen soll. Der Gedanke der Souveränitätsverletzung kann überhaupt nur auf „universalistischer" Grundlage entstehen, und zwar auf der Grundlage des „stellvertretenden Universalismus" i m Sinne der Lehre von der „funktionellen Verdoppelung". Wenn es nämlich darum geht, internationale „Zuständigkeiten" zur Rechtssetzung zu verteilen — was i m Grunde nur ein übergeordneter Rechtssetzer könnte —, dann ist es allerdings eine Anmaßung jedes Staates, sich zum „Schiedsrichter" über die Zuständigkeit anderer aufzuspielen. Da aber diese Prämisse falsch ist, besteht auch kein Zwang zu unilateralistischer Denkweise. Es geht — i m Sinne der „autonomistischen" IPR-Auffassung — lediglich darum, welches Recht der eigene Staat auf einen bestimmten Fall gerechterweise anwenden soll, und zwar aufgrund seiner eigenen Wertskala, denn einer anderen kann er sich nicht bedienen. Fremde Staaten werden überhaupt nicht berührt — die seltenen, zweifelhaften und umstrittenen Fälle einmal ausgenommen, i n denen vielleicht das Völkerrecht die Beachtung von Vorschriften eines bestimmten Staates geböte. Eine „Souveränitätsverletzung" anzunehmen, weil man das Recht eines fremden Staates — möglicherweise auch „gegen dessen Willen" — anwendet, ist absurd 73 . Ebenso wie es keinen internationalen „Urheberschutz" an Rechtsordnungen gibt und kein Staat verhindern kann (und es regelmäßig auch nicht will), daß andere sein Sachrecht ganz oder teilweise rezipieren 74 , ebensowenig berührt es seine Belange, wenn ein anderer Staat seine Sachnormen anwendet (d. h. für den eigenen Machtbereich m i t einem neuen, evtl. abweichenden Anwendungsbefehl ausstattet) 75 . Aber auch wenn man das Sachrecht eines Staates „gegen seinen Willen" auf bestimmte Fälle nicht anwendet, berührt das — vorbehaltlich vielleicht wieder einiger völkerrechtlicher Regeln — dessen Souveränität i n gar keiner Weise. Dieser Anwendungs„wille" kann sich nämlich überhaupt nicht auf die Anwendung des betreffenden Sachrechts durch andere Staaten beziehen, weil diese ihrerseits „souverän" sind, jenes Recht „autonom" heranzuziehen oder nicht. Und da kein Staat dem anderen — außerhalb staatsvertraglicher Vereinbarungen — vorschreiben kann (und das darum auch gar nicht will), wann er welches Recht anzuwenden hat, sind die Rechtsanwendungsnormen auch nur an die unmittelbar „Unterworfenen" gerichtet und brauchen i n einem anderen Staat 73

Hierzu treffend Wiethölter, Eins. K N . 92 f. So w i r d es eher als eine gewisse Bestätigung empfunden, wenn i n Ostasien Grundsätze des deutschen, i n der T ü r k e i solche des schweizerischen Rechts übernommen werden oder w e n n ehemalige britische Kolonien am common l a w festhalten. 75 Oben T . 2 A I I I 1. 74

Schurig

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nur dann beachtet zu werden, wenn dieser sie selbst durch autonome „Kollisionsgrundnormen" 7 6 beruft. Wie erwähnt, hat sich der Schwerpunkt der Begründung von diesen „völkerrechtlichen" Überlegungen verlagert zu rechtstheoretischen Betrachtungen über die Ortsbezogenheit des Sachrechts. Die Unilateralisten gehen von der richtigen Beobachtung aus, daß jeder Sachnorm ein räumlicher Anwendungsbereich zugeordnet werden muß. Was sie indessen nicht akzeptieren wollen, ist die Relativität dieser Ortsbestimmung, die sich daraus ergibt, daß jeder Staat autonom hierüber befindet und daß, bei allen Rücksichten auf „internationale Belange", A b weichungen an der Tagesordnung sind. Sie gehen von dem Dogma aus, daß die Festlegung des räumlichen Anwendungsbereiches (ebenso wie die des zeitlichen) m i t der Sachnorm untrennbar verbunden ist und darum von jedem Staat wohl oder übel (mit) akzeptiert werden muß, wenn er die Sachnorm anwendet. Denn kein Staat erlasse Sachnormen m i t universalem Geltungsanspruch; er müsse die Existenz anderer Staaten zur Kenntnis nehmen und sei daher gezwungen, diese Normen örtlich zu beschränken. Aber es sind keine Sachnormen m i t universalem Geltungsanspruch, die der Staat aufstellt, es sind einfach Sachnormen, bei denen die Frage der örtlichen Anwendung offen bleibt, und zwar i m Vertrauen auf den Gerechtigkeitsgehalt der vorhandenen oder zu bildenden K o l l i sionsnormen; primär der eigenen, aber auch der anderen Staaten für deren Bereich, i n dem man ohnehin keine Vorschriften machen kann. Der gesamte Unilateralismus ruht somit auf einem einzigen rechtstheoretischen Pfeiler, und dieser erweist sich als eine petitio principii. Die unlösbare, originäre Verbindung von Sachnorm und deren räumlichem Anwendungsbereich ist durch nichts nachgewiesen 77 ; es handelt sich bislang u m eine schlichte Behauptung. Das aber ist sicherlich zu dürftig, um das funktionierende, etablierte kollisionsrechtliche System aus den Angeln zu heben. Genau gesehen steht auch hinter dieser Begründung noch die Scheu, dem Staat, der das Sachrecht erlassen hat, beim örtlichen Anwendungsbereich „dazwischenzureden", also eine gewisse universalistische Sicht von Zuständigkeitsbereichen. Das gilt selbst für Quadri, der sich stets vehement gegen „hohlen Supranationalismus" verwahrt 7 8 . Diesen sieht er nämlich generell i n allseitigen Kollisionsnormen, eben weil er sich deren staatsgebundene Relativität nicht klar macht und sie als „angemaßte" Zuständigkeitsnormen auffaßt, als „Nachbildungen übernatio76

Dazu T.2 A I I I 2. Schon Kahn bezeichnete den Satz „Grenzen k a n n n u r der ziehen, dem die abzugrenzenden Sachen gehören" als „ n a i v " : I n h a l t 295. 78 Vgl. oben T.2 D I V 2 Fn. 637. 77

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naler Supernormen" 7 9 , und seine Befürchtungen gehen dahin, das fremde Recht werde „nicht mehr so anerkannt, wie es ist". Verräterisch für den universalistischen Hintergrund dieser Theorien ist überhaupt die überragende Rolle, die der Begriff des „Konflikts" und das Ziel der „Konfliktsvermeidung" spielen. I n der autonomistischen IPR-Auffassung ist für „Konflikte" zwischen den Rechtsanwendungs„ansprüchen" verschiedener Staaten streng genommen von vornherein kein Platz 8 0 ; „Konfliktsvermeidung" w i r d betrieben über die Berücksichtigung des Interesses an „äußerem Entscheidungseinklang", das indessen nur eines unter vielen ist. Die praktischen Vorteile, die der Unilateralismus angeblich bringt, hat bereits Wiethölter eingehend untersucht und nicht bestätigt gefunden 81 . Gewiß, die Probleme des renvoi sind ausgeschlossen, aber nur, wenn das unilateralistische System weltweit akzeptiert ist; nur dann beschränkt sich nämlich jeder Staat darauf, lediglich den Anwendungsbereich seines eigenen Sachrechts festzulegen. Solange andere Staaten am herkömmlichen IPR festhalten, muß man ihnen die Segnungen des Unilateralismus aufzwingen, d. h. es sind alle Kollisionsnormen schlicht zu ignorieren, die sich nicht m i t dem jeweils „eigenen" Recht befassen. Dennoch bleiben zumindest renvoi-ähnliche Probleme: Wenn der Staat A (der nicht Forumstaat ist) sein eigenes Recht zur Anwendung beruft, weil (aus seiner Sicht) der Staat Β zurückverweist, erklärt dann kein Staat sein Recht für anwendbar m i t der Folge, daß die Ersatzregeln für „negative" Konflikte gelten 82 , oder erklärt der Staat A sein Recht für anwendbar (nur eben unter der „Bedingung" der Rückverweisung)? Das eine ist so wenig beweisbar wie das andere, w e i l die unilateralistische Theorie nicht zu den rechtspolitischen Gründen durchdringt. Aus diesem Grund muß die Lösung über den „negativen" Konf l i k t auch w i l l k ü r l i c h erscheinen 83 . Die Rückführung des ordre public auf eine besondere Form kollisionsrechtlicher Anknüpfung 8 4 ist nicht vom unilateralistischen System abhängig 85 . Das Problem der Qualifikation w i r d allenfalls reduziert 8 6 ; aber diese Reduktion w i r d erkauft durch weitgehenden Verzicht auf rechtspolitische Wertungen, die i m Qualifikationsprozeß normalerweise zum Tragen kommen 8 7 . Andere 79 80 81 82 83 84 85 86 87

Quadri, Lez. 279 ( = Übers. 258 f.). Oben T . 2 A I I I 1. Wiethölter, Eins. K N . 44 - 87. So etwa Pilenko, Dr. spat. 48. Zutreffend Wiethölter, Eins. K N . 54 - 61. Pilenko, Dr. spat. 42 - 46. Oben T . 3 Β V I I 1. Vgl. Wiethölter, Eins. K N . 44 - 54. Oben T . 3 Β 11.

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Fragen des Allgemeinen Teils werden nur verlagert und umbenannt, so treten etwa an die Stelle der „Vorfrage" „positive" Konflikte von sich für anwendbar erklärenden Rechten. Der entscheidende Nachteil aber des unilateralistischen Systems ist seine Formelhaftigkeit, Starrheit und Wertungsblindheit Es interessiert sich i n erster Linie für das Verhältnis „vorhandener" Kollisionsoder, i n der Sprache Pilenkos, „Spatial"-normen. Allenfalls bei den Anknüpfungen der lex fori ist es noch erlaubt, nach den Gründen zu fragen; hier besteht ja auch, wie w i r mehrmals betont haben, ohnehin kein prinzipieller Gegensatz zwischen beiden Systemen 88 . Fremde K o l lisionsnormen hätten w i r aber, so wie sie sind, hinzunehmen und i m Prinzip auch zu befolgen. Solange kein „ K o n f l i k t " besteht, haben w i r keinerlei Einfluß auf Auswahl und Inhalt der für uns immerhin verbindlichen Rechtsanwendungsnormen. Das kann natürlich reichlich weit gehen, weil uns niemand garantieren kann, daß jeder Staat sein Recht nach vernünftigen, „sachgerechten" Gesichtspunkten anknüpft. So hat man verschiedentlich versucht, doch noch Kontrollmöglichkeiten einzubauen und i m fremden Recht etwa enthaltene „willkürliche" Anknüpfungen zu eliminieren. Damit übt man aber bereits wieder eine A r t „Zensur" über jene Rechtsordnungen aus und bringt ein Element „autonomistischer", „multilateralistischer" Wertung i n den Vorgang hinein, der den ganzen „unilateralistischen" Ansatz fragwürdig werden läßt. Brauchte man bisher lediglich den jeweiligen Rechtsanwendungswillen festzustellen und zu befolgen, so erfolgt nunmehr ein entscheidender Wechsel, wenn es darum geht, Konflikte „positiver" und „negativer" A r t zu lösen 89 . Hier kommt man nicht umhin, sich für ein anzuwendendes Recht selbst zu entscheiden. Auch jetzt w i r d indessen meist versucht, einen starren Schematismus aufrecht zu erhalten. Ist an dem Konflikt die lex fori beteiligt, w i r d sie angewandt, einfach weil sie die lex fori ist. Bei einem „negativen" Konflikt w i r d wiederum die lex fori herangezogen: eine reine Verlegenheitslösung 90 . Eine solche ist auch Quadris Vorschlag, neues materielles Recht zu schaffen, nur aus Angst, ein staatliches Recht gegen seinen „Willen" anzuwenden. Beim „positiven" Konflikt, also dann, wenn es eigentlich erst „zum Schwur" kommt, gibt der Unilateralismus seine Neutralität notgedrungen wieder preis; er muß das tun, was zu vermeiden eigentlich der Beweggrund des ganzen Unterfangens war, nämlich sich zum „Schiedsrichter" 88

Oben T. 2 A I I I 2, A V. Diesen r ä u m t Gothot, Ren. 31-33, auch ein, doch sieht er darin keinen Widerspruch. 90 Schon Kahn spricht i n einer ähnlichen Situation von einer „geradezu absurde[n] Konsequenz, die niemand verteidigt", I n h a l t 304. 89

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aufspielen zwischen verschiedenen „zur Anwendung drängenden Hechtsordnungen". Daran ändert es nichts, wenn man nicht gleich offen sein eigenes Kollisionsrecht „allseitig" erweitert, sondern das fremde Recht anwendet, dessen „Spatialnormen" der lex fori am „ähnlichsten" sind (Pilenko) 91, oder wenn man auf „feste" Kollisionsnormen insoweit verzichten w i l l , dafür aber nach selbstgewählten „Maximen" entscheidet (Quadri) 92. Erst recht kann dieser Bruch nicht m i t dem gequälten und kaum nachprüfbaren „statistischen" Hinweis vom Tisch gewischt werden, solche Fälle seien sicher zahlenmäßig nicht häufig 9 3 . Von dem „Respekt" vor fremdem Recht, dem Leitmotiv, bleibt so nicht viel. Zunächst w i r d das fremde Kollisionsrecht'zurechtgestutzt: Es muß nämlich so getan werden, als gäbe es i n allen Staaten nur „einseitige" Kollisionsnormen. Dabei ist das Gegenteil der Fall: Ein „rein" unilateralistisches System existiert praktisch nirgendwo auf der Welt, und selbst das von Gothot beschworene partielle Vordringen des U n i lateralismus bleibt bei näherem Hinsehen auf die „ Sonderanknüpfung" beschränkt, über die noch zu sprechen sein w i r d 9 4 . Die rechtspolitischen Entscheidungen der Staaten, das Recht eines anderen Staates heranzuziehen, fallen damit der unilateralistischen „Zensur" zum Opfer. Und zumindest bei positiven Konflikten muß entweder die lex fori als solche bevorzugt werden oder der Staat muß sich doch wie eine „übergeordnete" Instanz gerieren, die unter den „konkurrierenden" Rechtsordnungen ein „Machtwort spricht". Das letztere ist es, was w i r m i t der abgelehnten universalistischen Tendenz identifizieren 9 5 . Wie viel „bescheidener" t r i t t demgegenüber die allseitige, „autonomistische" IPR-Auffassung auf: Hier ist man sich von vornherein darüber klar, daß die eigenen Lösungen relativ, nur für den „Hausgebrauch" sind, dafür aber Ergebnisse des Bemühens u m eine möglichst umfassend „gerechte" Entscheidung (nach Vorstellungen, die bei aller Bemühung um Objektivität notwendigerweise subjektiv, d. h. an die Vorstellungen der jeweiligen Rechtsgemeinschaft gebunden sein müssen und die nur durch ihre Überzeugungskraft international „abfärben" können). Wenn die einseitigen Systeme dafür wenigstens nahezu lückenlose „äußere" Entscheidungsharmonie liefern könnten, dann hätte man m i t dem Ver91

Eingehende Darstellung u n d K r i t i k bei Wiethölter, Eins. K N . 70 - 72. Quadri , Lez. 290 f. ( = Übers. 275 f.). 93 Z. B. Quadri , Lez. 280 f., 286 ( = Übers. 260, 268). Vgl. andererseits Wiethölter, Eins. K N . 70: „Solche Konfliktsfälle sind gewiß häufig, w i e w o h l sie nicht die Mehrheit ausmachen." 94 Unten C I I I 3. 95 Sohn, Bases 995, erklärt ganz offen: „ N e w super-rules must be evolved for the solution of conflicts between the conflict of laws rules of different states." F ü r Braga , K o l l . R. 102, gehören solche „Konfliktsnormen" „ n o t wendig zum internationalen Recht i m wahrsten Sinne des Wortes", auch w o sie i n einzelstaatlichen Gesetzen enthalten sind. 92

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T e i l 4: Die Bewährungsprobe: Vergleich m i t den Alternativmodellen

zieht auf eigene Gerechtigkeitserwägungen wenigstens einen gewichtigen „Ordnungs"-Vorteil erkauft. Aber auch hier sind gegenüber den bisherigen Systemen keineswegs die Vorteile zu erkennen, die einen Wechsel rechtfertigen könnten. Gewiß, Entscheidungseinklang besteht m i t dem Staat, der sein Recht (als einziger!) für anwendbar erklärt. Da aber allen anderen Staaten die Befugnis verweigert wird, ihrerseits allseitig anzuknüpfen, ist es durchaus möglich, daß zum Beispiel der fremde Staat A sein eigenes Recht beruft (Entscheidungsharmonie, wenn w i r dem „unilateralistisch" folgen), die Staaten B, C und D aber aufgrund eigener „allseitiger" Verweisung (die man ihnen ja nicht verbieten, sondern nur mißbilligen kann) das Recht von E anwenden (das seinerseits nicht selbst angewandt sein „ w i l l " ) ; von Entscheidungsharmonie kann ihnen gegenüber nicht die Rede sein. Die Förderung des äußeren Entscheidungseinklangs setzte also die etwas weltfremde Erwartung voraus, daß alle Staaten schlagartig zum neuen System übergingen. Ganz vorbei m i t der weltweiten Harmonie ist es dann notwendigerweise i n den Konfliktsfällen. Wo das herkömmliche System über den renvoi wenigstens noch zu Teilübereinstimmungen gelangen kann (z. B. Staat A verweist auf Β, Β auf das Sachrecht von C, ohne einen renvoi dieses Staates anzuerkennen, w i r wenden das Recht von C an: Übereinstimmung m i t A und B), fällt das neue System aus Verlegenheit auf die eigene lex fori zurück, die nun w i r k l i c h kein anderer Staat anwenden würde. Der äußere Entscheidungseinklang läßt sich also zumindest ebenso fördern durch gezielten Einsatz des renvoi, die Berufung eines Rechts, das nicht angewandt sein „ w i l l " (eine für Quadri besonders abschrekkende Folge aus dem bestehenden System) 96 auf die gleiche Weise verhindern — sofern nicht aus übergeordneten Gesichtspunkten die A n wendung dieses Rechts gleichwohl als angemessen erscheint; denn auch diese Frage unterliegt der Abwägung und ist „offen". Über den renvoi w i r d so i m geltenden IPR u. U. auch dem „Anwendungswillen" eines fremden IPR Rechnung getragen, aber aufgrund einer eigenen rechtspolitisch „autonom" abgesicherten Verweisung durch „gezielte" K o l l i sionsgrundnormen, und nicht schematisch a priori; diese Berücksichtigung der Rück- und Weiterverweisung ist also durchaus systemgerecht 97 . Es ist auch etwas ganz anderes, ob man ein Recht, das man zunächst einmal „ausgesucht" hat, nicht anwendet, weil es nicht angewandt sein „ w i l l " , oder ob man ein Recht anwendet, einfach weil es selbst erklärt, anwendbar zu sein. 98 97

Vgl. Quadri , Lez. 281 f. ( = Übers. 262 f.). Oben T.2 A I I I 2 u. D I V 3.

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Die Unilateralisten halten ihrem System dessen angebliche „Einfachheit" zugute; m i t der Berechtigung dieser Behauptung hat sich bereits Wiethölter i m einzelnen auseinandergesetzt 98 . Ganz allgemein ist dazu zu sagen: Soweit hier wirklich zu Recht oder Unrecht der Eindruck größerer Einfachheit entsteht, ist es die Einfachheit des starren Schematismus gegenüber dem Anspruch differenzierter, sich stets selbst kontrollierender, „offener" Rechtsanwendung. Die primitiven Rechte i n ihrer Formelhaftigkeit waren gewiß „einfacher" als moderne Rechtsordnungen, aber gerade deshalb unbefriedigend. Keine Rechtsordnung kann auf die Dauer gesehen einfacher werden, weil auch die Welt immer komplizierter w i r d ; das internationale Privatrecht macht da keine Ausnahme. Internationale Kontakte sind häufiger und vielfältiger geworden als zu anderen Zeiten, das Sachrecht der verschiedenen Staaten viel verzweigter. A u f all das muß das IPR reagieren. Nichts anderes als das Bemühen u m eine solche angemessene Reaktion ist es, was w i r m i t „internationalprivatrechtlicher Gerechtigkeit" bezeichnen. Sie ist, wie gezeigt wurde, nur möglich durch autonome Interessenwertung i n einem „offenen" System. „Unilateralismus" i n seiner konsequenten Form bedeutet Verzicht auf jede Eigenwertung und damit Verzicht auf „internationalprivatrechtliche Gerechtigkeit", jedenfalls was die Anwendung fremder Rechtsordnungen anlangt. Man liefert sich unkontrollierbaren Entscheidungen fremder Staaten blind aus, man bindet sich die Hände fremden Rechtsanwendungs„ansprüchen" gegenüber bis an die Grenze der W i l l k ü r oder darüber hinaus; denn jede Begrenzung ist i m Grunde systemwidrig. Der Erfolg ist, daß die „aggressivste" Rechtsordnung sich durchsetzt, u . U . entgegen der übereinstimmenden Auffassung aller übrigen Staaten, den Forumstaat eingeschlossen. Schließlich dürfen die Schwierigkeiten bei der praktischen Anwendung dieses Systems nicht übersehen werden. Gewiß, i m „offenen" allseitigen System müssen auch theoretisch alle Sachnormen der Welt „ins Auge gefaßt" werden, ob nicht eine von ihnen infolge besonderer kollisionsrechtlicher Interessen so anzuknüpfen ist, daß w i r sie anzuwenden haben 99 . Aber die Anknüpfungskriterien bestimmen i n jedem Fall w i r selbst, und es gibt für uns eine überschaubare Menge von Anknüpfungsmomenten, die „vernünftigerweise" überhaupt i n Frage kommen können. Ungleich weiter ist das Feld, das zu überschauen der Unilateralismus dem Richter (und den Betroffenen!) zumutet: er muß die Rechtsanwendungsansprüche sämtlicher Staaten überblicken und 98 99

Wiethölter, Eins. K N . 67 - 76, 85 - 87. O b e n T . 2 A V , T. 3 Β 11.

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T e i l 4: Die Bewährungsprobe: Vergleich m i t den Alternativmodellen

berücksichtigen, auch solche ganz unerwarteter unserer Sicht „unvernünftiger" A r t 1 0 0 .

und vielleicht

aus

Die zunächst offengelassene Frage, ob ein unilateralistisches System besser i n der Lage wäre, die Probleme einer angemessenen Auswahl des „anzuwendenden" Rechts zu lösen 101 , können w i r nunmehr beantworten: es ist es nicht. Es behindert die Suche nach einer unter Würdigung aller Umstände „gerechten" Lösung der kollisionsrechtlichen Frage, ist einseitig auf „Konfliktvermeidung" fixiert (die nur einer der möglichen Gesichtspunkte sein kann), ohne selbst auf diesem Gebiet überzeugende Vorzüge aufweisen zu können 1 0 2 . Es bietet theoretische „Vereinfachung" nur begrenzt und nur infolge des Verzichts auf rechtspolitische Wertung, und es mutet dem Richter praktisch neue und vermeidbare Schwierigkeiten zu. I I . Ablösung von Kollisionsnormen durch Maximen

1. Vorbemerkung Die aus den USA stammenden Alternativvorschläge, die feste K o l l i sionsnormen durch Maximen ersetzen wollen, gelten als „revolutionär". Es w i r d zwar häufig betont, daß sie i n erster Linie auf amerikanische Verhältnisse zugeschnitten und nur auf dem Boden der Rechtsfindungstheorie des common law richtig zu verstehen sind 1 0 3 , aber wenn es hier kollisionsrechtliche System-Alternativen allgemeiner A r t gibt, dann müssen w i r uns jedenfalls m i t den Grundgedanken auseinandersetzen 1 0 4 , mögen die Vorschläge i m einzelnen auch i n ihrer gegenwärtigen Gestalt allenfalls i m common-law-System praktizierbar sein. Insbesondere ist der Frage Bedeutung beizumessen, inwieweit es sich hier w i r k lich um etwas vollständig Neues handelt und inwieweit u m eine A b wandlung und Umschichtung schon bekannter kollisionsrechtlicher Elemente und Denkfiguren. 100 Auch ist das Interesse an Vermeidung von Normenmangel u n d Normenhäufung i n das autonome multilateralistische System integriert (es ist bereits bei der Kollisionsnorm-„Findung" i m Spiel); beim unilateralistischen System ist dies nicht der Fall. 101 Oben T. 2 A I I I 3. 102 Quadri setzt diesem E i n w a n d vehement den „Gegeneinwand" entgegen, die multilateralistische Methode „schaffe" erst K o n f l i k t e u n d zwar „Scheinkonflikte", Lez. 279-285 ( = Übers. 258-268). Dabei übersieht er vollständig, daß es der „autonomen" multüateralistischen Methode (im Gegensatz freilich zur „stellvertretend universalistischen", die er allein sehen w i l l ) überhaupt nicht p r i m ä r u m die Lösung irgendwelcher „ K o n f l i k t e " , sondern u m die A u s w a h l der „gerechterweise" anwendbaren Rechtsordnung geht. 103 v g l . etwa Schwander, Lois d'appi, imm. 457-459; Heini, Ström. 42 f., 59 f. 104

Vgl. auch Ehrenzweig,

W i r k l . 261 ; Heini, Ström. 44 f.

C. Die Modelle i m einzelnen

2. Die Gewinnung von „Governmental

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Interests " aus Sachnormen

Ausgangspunkt ist die Feststellung von Rechtsanwendungs-„interessen" der „beteiligten" Staaten, am deutlichsten ausgeprägt i n den „governmental interests", einem von Currie geprägten Begriff 1 0 5 . Ein solches „governmental interest" ist nicht nur das „öffentliche", „politische" Interesse des Staates an der Anwendung bestimmter eigener Sachnormen. Es ist vielmehr das Resultat einer umfassenden rechtspolitischen Würdigung, die bei dem jeweiligen Sachrecht ansetzt. I n diese Würdigung sind also alle Umstände aufzunehmen, die den Staat veranlassen könnten, die Anwendung seines Rechts zu wünschen, und das sind eben nicht nur „staatliche" Interessen oder gar „Macht"interessen, sondern auch private, etwa Parteiinteressen 106 , dazu natürlich Ordnungs- und Verkehrsinteressen. Die Mißverständnisse, die hier entstanden sind, beruhen — wie schon erwähnt 1 0 7 — großenteils darauf, daß als „governmental interest" des Staates an Anwendung seines Rechts bereits das Ergebnis bezeichnet wird, das aus einer konkreten „kollisionsrechtlichen Interessenbewertung" (im ursprünglichen Sinne) resultiert, und zwar aus der Sicht des jeweiligen Staates. „Governmental interest " und „kollisionsrechtliches Interesse" sind — das sei nochmals betont — etwas ganz Verschiedens 108, stehen auf unterschiedlichen Stufen des kollisionsrechtlichen Erkenntnisprozesses. Die Tatsache, daß man sich — zumindest theoretisch — den Standpunkt zu eigen macht, den jeder Staat i n Bezug auf sein eigenes Sachrecht (angeblich) hat, rückt das ganze Verfahren i n unmittelbarer Nähe los N ur bei Currie sind die „governmental interests" i n aller Konsequenz einziger Ausgangspunkt der kollisionsrechtlichen Überlegung. Bei den ü b r i gen neueren amerikanischen Autoren spielen sie eine mehr (z. B. Cavers , Choice 100f.; ders., Cond.Seil. 1139) oder weniger (z.B. Leflar, Confi. 210 bis 212) deutliche, indessen nicht i m m e r k l a r definierbare Rolle. Vgl. oben T.l CI. 106 Diese als Bestandteile der materiellen Regelung, u m die es geht, u n d deren „Auslegung" j a gerade die Reichweite des „interest" bestimmt, vgl. Currie, Sei. Ess. 610. — S. auch Heini, Ström. 59; Traynor, War 124. 107 Β IV. 108 Meist w i r d aber beides miteinander vermischt; so anscheinend auch von Batiffol, Plur. 135, oder von Makarov, I P R 43, der darum die amerikanischen Versuche m i t Kegels Interessenlehre i n einen Topf w i r f t . Auch bei Gutzwiller, Ziel 166 -169, 189, 192 -196, werden die verschiedenen „Interessen" nicht auseinandergehalten, was zu Fehlschlüssen führt. Der E i n w a n d gegen die neue Lehre, Interessen-Erwägungen w ü r d e n auch bisher beachtet (ζ. B. Heini, Ström. 54 f.), oder die Behauptung weitgehender Übereinstimmung m i t den europäischen Vorstellungen (Audit, A m . Choice-of-Law 589 - 598, passim) beruhen ζ. T. auf derselben Verwechslung. — Freilich ist auch i n den USA der Unterschied oft nicht klar, w i e die Beispiele bei Jayme, Krise 361 bis 365, zeigen. Überhaupt scheint sich die Praxis dort die benötigten Remedien aus Elementen verschiedener „Theorien" bei Bedarf zusammenzumixen; anschaulich Leflar, Choice of L.

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T e i l 4: Die Bewährungsprobe: Vergleich m i t den Alternativmodellen

des Unilateralismus. Während aber die unilateralistischen Systeme die „einseitigen" Kollisionsnormen „aufsuchen" und lediglich so anwenden, wie sie sie vorfinden, müssen die „governmental interests" erst anhand der Sachnormen, u m die es geht, erarbeitet werden. I m Ergebnis ist aber das konkretisierte Rechtsanwendungsinteresse i m bestimmten Fall strukturell nichts anderes als eine ganz spezielle und ganz individualisierte „einseitige Kollisionsnorm" des betreffenden Staates, bezogen auf sein Sachrecht. Wieweit auch schon vorhandene einseitige K o l l i sionsnormen herkömmlicher Prägung (oder etwa aufs eigene Recht bezogene Element-Kollisionsnormen aus „allseitigen" Bündelungen) verwertet werden dürfen, ist nicht ganz klar. Die Tendenz erscheint unterschiedlich; während Currie offenbar allgemeine Kollisionsnormen von vornherein v e r w i r f t 1 0 9 , stehen z. B. Cavers und Leflar ihnen nicht so unversöhnlich gegenüber 110 . Das „governmental interest" w i r d angeblich aus den Sachnormen selbst heraus„präpariert", aus deren materiellen „policies". Genaues Hinsehen zeigt indessen, daß umgekehrt die „Ortsnorm i n die Sachnorm" erst „hineinmanipuliert" 1 1 1 wird, um sie dann anschließend herauslesen zu können. I n Wahrheit gewinnt man auch bei diesem Verfahren nicht eine Kollisionsnorm aus einer Sachnorm, sondern anhand einer Sachnorm und für sie. D. h., die Überlegungen, die die räumliche Erstreckung des „Rechtsanwendungsinteresses" betreffen, verwerten genau dieselben kollisionsrechtlichen Interessen (in unserem Sinne), die auch für unsere Kollisionsnormen entscheidend sind. Es w i r d lediglich behauptet, daß sie Bestandteil des Sachrechts sind; d. h., die Überwirkung der Sachinteressen auf die kollisionsrechtlichen Interessen wird verkannt und zur Identität verkürzt Wenn etwa Cavers argumentiert, daß ein Abzahlungsgesetz New Hampshires zum Schutze der „ i m eigenen Gebiet niedergelassenen Käufer" erlassen sei 1 1 2 , dann zeigt das deutlich diese unzulässige Verkürzung. Materiell dient das Gesetz sicher überwiegend dem Schutz des Käufers; aber damit ist der Inhalt der Sachnorm als solcher bereits erschöpfend gekennzeichnet. Wann die Norm räumlich angewandt werden soll, ist eine ganz andere Frage, die — weil sie das Verhältnis zu Rechtsnormen anderer Staaten, und nicht zu solchen desselben Staates b e t r i f f t 1 1 3 — m i t dem Sachrecht unmittelbar nichts zu t u n hat, sondern eine kollisionsrechtliche Frage ist, die durch die Betrachtung der kollisionsrechtlichen Interessen gelöst wird. 109 Currie's H a l t u n g zur künftigen E n t w i c k l u n g „neuer" Kollisionsnormen ist nicht ganz k l a r ; hierzu (wohl zu optimistisch) Cavers, Choice 74; Bodenheimer, Reorient. 126. Vgl. Currie, Sei. Ess. 170, 627. 110 Vgl. unten C I I 4. 111 Kahn, Ord. pubi. 173. 112 Cavers, Cond. Sell. 1139 - 1142. 113 Oben T.2 A I I .

C. Die Modelle i m einzelnen

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Ist einem diese funktionale Trennung bewußt, dann sind natürlich bei der Bestimmung des Anwendungsbereiches die materiellen Charakteristika zu berücksichtigen, die die kollisionsrechtlichen Interessen beeinflussen. Wenn das Abzahlungsgesetz dem Schutz des Käufers dient, dann liegt es i n der Tat nahe, das Parteiinteresse des Käufers an Anwendung eines „ i h m verbundenen" Rechts durchschlagen zu lassen (wenn einem nicht die internationalprivatrechtliche Parteiautonomie i m Kaufrecht insgesamt so wichtig erscheint, daß man den Schutz des einzelnen zurückstellt) 1 1 4 . Welches Recht das ist, muß Gegenstand weiterer Abwägung sein. Bei Normen, die die Person unmittelbar betreffen, wählt man als „Personalstatut" das Heimat- oder Wohnsitzrecht. Wenn es sich aber um die Wirkung rechtsgeschäftlichen Tuns handelt, dann w i r d auch — u. U. kumulativ — auf den Handlungsort abgestellt (vgl. z. B. A r t . 7 Abs. 3 EGBGB). Ferner kann man das Interesse sehen, i n einem bestimmten Wirtschaftsgebiet eine Ordnung aufrechtzuerhalten, die die Ausnutzung der Schwachen verhindert; dann fällt der Anwendungsbereich m i t den Grenzen dieses Wirtschaftsgebiets zusammen. Alle diese Gesichtspunkte sind zu berücksichtigen und abzuwägen. Die Entscheidung ist notwendig selbständig und kann i n der materiellen Norm gar nicht vorgezeichnet sein. Ähnlich ist es ζ. B. i n dem berühmten Kilberg-Fall 1 1 5 . Auch hier dient die Begrenzung der Schadenshöhe bei Flugunfällen i n Massachusetts bzw. deren Verbot i n New York zunächst rein materiellrechtlichen Interessen: dem der Fluggesellschaft an Haftungsbegrenzung bzw. dem des Geschädigten an voller Entschädigung. Was dann von den verschiedenen Autoren untersucht, bzw. aus den Sachnormen „herausgelesen" w i r d 1 1 6 , ist nichts anderes als eine selbständige Feststellung der u. a. durch diese Sachentscheidung geprägten kollisionsrechtlichen Interessen. Dabei werden diese besonders von Currie, weil er auf (autonome) Wertung weitgehend verzichtet, recht kritiklos akzeptiert, ζ. B. angebliche rein fiskalische Interessen an Vermeidung sozialer Leistungen oder an Erhaltung der Leistungsfähigkeit von i m Territorium ansässigen Fluggesellschaften. Currie wendet sich übrigens i n erster Linie — und wohl zu Recht — gegen das starre und undifferenzierte Anknüpfen an den „Deliktsort" 1 1 7 , dringt aber selber infolge der kritiklosen Anhäu114 Den Versuch, ein Anknüpfungssystem des Schutzes der „schwächeren Partei" zu entwerfen, hat jüngst Kropholler, Schw. Vertr. part., u n t e r nommen. 115 Kilberg v. Northeast Airlines, 9 N . Y . 2d 34, 172 N . E . 2d 526; 211 N . Y . S. 2d 133. Sachverhalt bei Kegel, Crisis 99. 116 Der F a l l ist von den meisten amerikanischen Autoren zur Erläuterung ihrer jeweiligen Ansicht herangezogen worden; ζ. B. Currie, Sei. Ess. 690 - 742, Leflar, Confi. 251. 117 Currie, Sei. Ess. 699 - 710.

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T e i l 4: Die Bewährungsprobe: Vergleich m i t den Alternativmodellen

fung unbewerteter Gesichtspunkte zu keiner überzeugenden A l t e r native durch. Auch die ,,governmental-interests"-Methode gewinnt also nicht „ K o l lisionsnormen" aus, sondern für Sachnormen 118 . Die kollisionsrechtliche Feststellung von Interessen („policies") läßt sich von der materiellrechtlichen deutlich trennen. Insofern 119 besteht somit i n Wahrheit zu der „klassischen" IPR-Methode — wie w i r sie hier analysiert haben — überhaupt kein Unterschied, immer vorausgesetzt, man akzeptiert, daß der (autonome!) Ansatz beim Gesetz nichts Systemwidriges ist, sondern lediglich die andere Seite des Ansatzes beim „Sachverhalt" (Rechtsverhältnis) 1 2 0 . Der i n der amerikanischen Literatur etwas aufgebauschte Gegensatz zwischen der „state-selecting-" und der „rule-" oder „resultselecting-method" 1 2 1 fällt i n sich zusammen. Es w i r d auch i m klassischen IPR eine „rule" gewählt, aber deshalb, weil sie i n einem bestimmten „state" gilt. Lediglich die einseitige Fixierung auf das „Rechtsverhältnis", die Verkennung der Äquivalenz (oder sogar Äquipollenz) der „methodischen Ansätze", der Verzicht auf vernünftige Differenzierung unter ständiger Kontrolle der kollisionsrechtlichen Rationalität bei der Praktizierung des herkömmlichen IPR haben diesen Schein-Gegensatz entstehen lassen. Als entscheidender Unterschied zwischen den hier angesprochenen amerikanischen Alternativmodellen und dem klassischen IPR bleibt zweierlei: 1. Die Interessenfeststellung aus der Sicht des Urheberstaates weiligen Sachnorm. 2. Die (unterschiedlich weitgehende) grundsätzliche Kollisionsnormen.

Ablehnung

der jefester

Hinzu kommt bei Currie: 3. Das Verbot der Abwägung festgestellter „governmental interests".

118 Das w i r d auch deutlich i n den Falldiskussionen bei Hancock, Appr., w i e w o h l auch dieser behauptet, die räumlichen Grenzen des Rechtsanwendungsinteresses den materiellen Normen unmittelbar zu entnehmen (ζ. B. 366, 368 f. u n d passim). Verräterisch sind starke Worte w i e „quite obvious" (368), „doubtless", „surely" (375) u. ä., m i t denen Begründungen ersetzt w e r den. — Z u Parallelen bei Vogels Versuch, den Anwendungsbereich von Verwaltungsrechtsnormen diesen selbst zu entnehmen, vgl. oben T. 2 C I V 1 Fn. 491. 119 D. h. abgesehen von der unilateralistischen Komponente u n d (evtl.) der Ablehnung „fester" Regeln, hierzu unten C I I 3 u n d 4. 120 Oben T. 2 A V 1. 121 Vgl. ζ. B. Cavers , Add. 167 - 169. Hancock, Appr. unterscheidet den „classificatory", „functional" u n d den „result-selective approach".

C. Die Modelle i m einzelnen

3. Der „unilateralistische"

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Ansatz

Wie schon erwähnt, ist ein Charakteristikum der „governmentalinterests"-Methode, daß nicht — wie bei unserer multilateralistischen Methode — aus dem einheitlichen Vorgang einer eigenen autonomen Feststellung aller zu den Sachregelungen der verschiedenen Staaten führenden kollisionsrechtlichen Interessen und deren Bewertung das „anzuwendende Recht" als Ergebnis hervorgeht, sondern daß man sich bemüht, das „Rechtsanwendungsinteresse" eines jeden Staates bezogen auf ausschließlich sein eigenes Sachrecht festzustellen 122 , indem man sich gedanklich an die Stelle dieser Staaten versetzt. Das Ergebnis kann sein: entweder überhaupt kein, ein einziges oder aber mehrere solcher „Rechtsanwendungsinteressen", unter denen es dann zu wählen gilt. Der Vorgang ist somit grundsätzlich zweiteilig angelegt: 1. Feststellung und Bestimmung des „Interesses" des jeweiligen „beteiligten" Staates und 2. Entscheidung zugunsten des durchzusetzenden Interesses, falls erforderlich. Die strukturelle Verwandtschaft m i t den „echten" unilateralistischen Systemen liegt auf der Hand. A n die Stelle der „einseitigen Kollisionsnormen", deren Existenz die unilateralistischen Alternativmodelle i n allen Staaten voraussetzen (und sei es als eigenbezüglicher Teil der dort geltenden allseitigen Kollisionsnormen) und die es nur aufzusuchen und zu befolgen gilt, t r i t t hier das „governmental interest", das spezielle, räumlich bezogene „Rechtsanwendungsinteresse". Auch hier sollte i n erster Linie und nach Möglichkeit der betreffende Staat selbst Auskunft über diese „räumliche Reichweite" seiner einzelnen Gesetze geben 123 . Aber das geschieht eben nicht allzu häufig, und so muß der Rechtsanwender diese „Interessenbestimmung" selbst vollziehen 1 2 4 (sprich: individuelle einseitige Kollisionsnormen herausbilden). Er soll dies natürlich aus der Sicht des jeweiligen Staates tun, aber wie er sich ohne irgendwelche vorgegebenen konkreten Ansätze aus der kollisionsrechtlichen Begriffs- und Vorstellungswelt sowie Wertskala der lex fori lösen soll, bleibt ein Rätsel 1 2 5 . I n Wirklichkeit w i r d er bei der 122 Das w i r d freilich i n aller Schärfe n u r bei Currie durchgehalten. Von Mehren / Trautmann, Multist. Pr. 77, 215, wollen z.B. auch berücksichtigen, wenn ein „concerned" Staat das Recht eines anderen „concerned" Staates anwenden würde. — I m folgenden w i r d f ü r die Frage des „unilateralistischen" Ansatzes von der „reinen" Lehre Currie's ausgegangen. 123 Vgl. Currie, Sei. Ess. 110 - 114, 183, 592. 124 Ζ. Β . Currie, Sel. Ess. 592. 125 Z w a r w i r d auch bei der A n w e n d u n g fremden Sachrechts oftmals von i h m verlangt, v o m Boden einer „fremden" Rechtsordnung aus zu entscheiden, doch geht es dann i m m e r darum, die „vorgegebene" D e n k - u n d Wertungsweise des anderen Rechts bis zu einem bestimmten P u n k t „nachzuvollziehen" u n d dann gegebenenfalls nach demselben „sachrechtlichen Muster" zu einer Entscheidung „weiterzuführen". Schon das ist oftmals schwierig genug, so

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T e i l 4: Die Bewährungsprobe: Vergleich m i t den Alternativmodellen

Bestimmung der fremden Interessen (wenn diese nicht ausdrücklich erklärt sind) darum doch wieder seine eigenen Vorstellungen darüber, was kollisionsrechtlich „vernünftig" ist, zu verwirklichen suchen 126 . Was hier somit zustandekommt, ist ein Gemisch aus unilateralistischen127 und autonomistischen Elementen. So bleibt ein eigener Bewertungsspielraum, der die Anerkennung exzessiver Rechtsanwendungsansprüche (die bei dem „reinen" Unilateralismus droht) verhindert; denn i n dem Begriff des „Interesses" scheint zumindest eine rationale Nachvollziehbarkeit mitzuschwingen 1 2 8 . Die Aufteilung i n „Rechtsanwendungsinteressen" hat zur Folge, daß dann, wenn nicht eine Rechtsordnung m i t ihrem „Interesse" allein steht (und darum ein „conflict" nicht vorhanden ist) 1 2 9 , i n eine zweite Problemphase einzutreten ist. Hier finden w i r die Verlegenheitslösung der lex-fori-Anwendung bei „negativem" K o n f l i k t 1 3 0 . Beim „positiven" K o n f l i k t dagegen sieht man sich vor eine „autonomistische", „allseitige" Wahl gestellt, die man entweder ausüben oder aber verweigern und durch starre Hilfsnormen ersetzen kann; darüber später 1 3 1 . Den Anstoß für die ganze Lehre scheint eine Uberbewertung des Namensbestandteils „conflict" i n der angelsächsischen Bezeichnung „conflict of laws" gegeben zu haben. Statt die Diskrepanz zwischen einer eingebürgerten Problembenennung und der dahinter verborgenen Problematik zu akzeptieren (wie w i r es beim „Kollisions"recht getan haben) 132 , hat man sich bemüht, beides i n Übereinstimmung zu bringen durch eine der Benennung entsprechende Fragestellung. Denn eine zwingende sachliche Begründung dafür, daß man von den jeweidaß m i t u n t e r n u r Annäherungswerte zu erreichen sein werden (vgl. auch unten C I I I 1, zu Fn. 185 f.). F ü r die Bestimmung des „governmental interest" jedoch gibt es gewöhnlich nicht einmal Anhaltspunkte, die einem die Richt u n g weisen könnten; ein „kollisionsrechtliches Muster", das einen bei der Entscheidungsfindung aus der Sicht des fremden Staates leiten könnte, fehlt: M a n ist ganz auf sich selbst angewiesen. 126 Ζ. T. w i r d er sogar dazu aufgefordert, vgl. unten C I I 5. S. auch Cavers , Choice 102 - 108. 127 Über die unilateralistische Komponente, vor allem bei Currie, vgl. auch: Kegel, Crisis 163, 200-205; Evrigenis, Reg. 277 f., der von einem „ u n i latéralisme sauvage" spricht; Gothot, Ren. 4 Fn. 2; Kelly, Confi. 21 - 31. 128 Insbesondere wo diese „legitimate", „reasonable", „enlightened" sein sollen. Vgl. auch Heini, Ström. 40; Kegel, Crisis 112 f., 120 f., 194 f., m. Nachw. 129 Vgl. Currie, Sei. Ess. 107-110; auch etwa von Mehren / Trautmann, Multist. Pr. 77. K r i t i s c h zur Ausweitung des „false-conflict"-Begriffes Leflar (oben T. 1 C 13 Fn. 55). 130 Oben T.l C I 2 (und auch C I I für den „reinen" Unilateralismus). 131 Unten C I I 5, 6. — E i n Vorschlag von von Mehren, Spec. Rules 365 - 370, geht dahin, statt dessen neue „Sachnormen i m I P R " aus den „konkurrierenden" Rechten zu bilden. 132 Oben T. 2 A I I I 1, zu Fn. 84.

C. Die Modelle i m einzelnen

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ligen „Rechtsanwendungsinteressen" auszugehen habe, läßt sich ebensowenig geben wie für die entsprechende Behauptung der Unilateralisten, daß man von den jeweiligen eigenbezüglichen einseitigen K o l l i sionsnormen auszugehen habe. Hier liegt wieder eine mehr oder weniger verdrängte universalistische Einstellung zugrunde: Es geht u m die Lösung von „Konflikten zwischen verschiedenen Souveränen" 1 3 3 , zu der man i m Grunde nicht befugt ist (die weitestgehende Konsequenz daraus zieht Currie) iU, die aber gleichwohl nötig erscheint. Infolgedessen w i r d die Anwendung fremden Rechts letztlich als Entgegenkommen gegenüber dem Anwendungs„willen" des fremden Staates angesehen, als eine „Neo-Comitas" (die hier die einzelne Anwendung betrifft, nicht die kollisionsrechtliche Grundentscheidung) 135 , und weniger als Ergebnis des eigenen Strebens nach Gerechtigkeit 1 3 6 . Dabei geraten die beteiligten Personen i n den Hintergrund (trotz der Beteuerung, auch ihre Interessen zu berücksichtigen 137 , denn sie dienen nur als eventueller Beweggrund für das fremde „Staatsinteresse"). Das Kollisionsrecht w i r d entpersönlicht. Der Zwang, aus der rechtspolitischen Sicht eines anderen Staates zu argumentieren, stört entweder die Besinnung auf die eigene Wertskala oder führt dazu, daß man dem anderen Staat vorschreibt, woran er „interessiert" zu sein hat. Die Nachteile sind i m übrigen dieselben wie überhaupt die des U n i lateralismus, der hier nur weniger konsequent durchgeführt erscheint. Der „Konfliktvermeidung" w i r d ein hoher Stellenwert eingeräumt, der ihr allenfalls innerhalb eines Bundesstaates zukommt; aber auch i m allseitigen System lassen sich durch entsprechende Interessenbewertung ähnliche Resultate erzielen. Und wenn man als besonderen Vorteil eines solchen Systems die mögliche „Abwehr sozialer Störungen" gesehen hat 1 3 8 , dann ist man doch den Beweis schuldig geblieben, warum das i n einem „allseitigen" System nicht mindestens ebensogut möglich sein soll. Die „offene", „autonome" Bewertung aller kollisionsrechtlichen Interessen, insbesondere der durch die jeweilige Sachregelung implizierten, ist nach wie vor am ehesten i n der Lage, die Entscheidung herbeizuführen, die aus unserer Sicht die beste ist. Und wenn etwa Schadensersatzansprüche, die das eigene Niveau überschreiten, 133

Joerges, Funktionswandel 83, 154 - 169; Heini, Priv. I n t . 385. Unten C I I 5. 135 Dazu vgl. oben T . 2 A I . 136 Das t r i t t wiederum am deutlichsten bei Currie u n d seinen Anhängern zutage. Diejenigen, die die festgestellten Rechtsanwendungs„interessen" nach eigenen „ M a x i m e n " abwägen (unten C I I 6), treten demgegenüber meist m i t der Forderung nach mehr „Gerechtigkeit" i n I P R - F ä l l e n an. So besonders Cavers , Crit. 182 - 197; ders., Add. 168 („conflicts justice" nach Kegel). 137 Vgl. oben C I I 2 zu Fn. 106. S. auch Trutmann, Del. 42. 138 Ygi z β . Joerges, Funktionswandel 151 - 169. 134

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T e i l 4: Die Bewährungsprobe: Vergleich m i t den Alternativmodellen

als „soziale Störung" empfunden werden, die es abzuwehren gilt (worüber man gewiß streiten kann), dann genügt eine vergleichsweise simple Norm wie A r t . 12 EGBGB, u m das zu bewerkstelligen, und bei „sozialen Störungen" neuartigen Gepräges können ähnliche Normen durchaus ad hoc gebildet werden. 4. Die Ablehnung fester Kollisionsnormen Neben dem diffus-unilateralistischen Ansatz ist das zweite Charakteristikum der hier besprochenen Alternativmodelle die grundsätzliche Ablehnung der etablierten festen Kollisionsnormen. Die Ablehnung der Normen ist die Konsequenz einmal aus den gegen sie erhobenen Vorwürfen, zum anderen aus der Verkennung der Tatsache, daß diese Vorwürfe sich nicht gegen das klassische Kollisionsnormensystem als solches richten, sondern gegen dessen falsche, zu starre Handhabung 1 3 9 . Es ist zuzugeben, daß gerade i m englisch-amerikanischen Rechtskreis an bestimmten traditionellen groben Regeln m i t einer Unbeweglichkeit festgehalten worden ist 1 4 0 , die i m krassen Widerspruch steht zu der Flexibilität, die man dem common law — zu Recht oder Unrecht 1 4 1 — so oft nachsagt. Aber die Alternative zu schlechten Regeln sind gute Regeln, zu groben sind es differenzierte, nicht jedoch gar keine Regeln. Die Intensität, m i t der Regeln überhaupt abgelehnt werden, differiert durchaus und scheint überhaupt mitunter überschätzt zu werden. So läuft Cavers' Vorschlag weniger auf Abschaffung von Regeln als solchen hinaus, als auf Abschaffung der bestehenden Regeln, auf einen völligen Neubeginn also 142 . I n der Tat kann kein Rechtssystem auf Regelbildung ganz verzichten 143 . Jede Jurisprudenz ist — so die treffende Feststellung Essers 144 — angewiesen auf Dogmatik und Tradition. Kein Richter kann bei jeder Entscheidung wieder bei N u l l anfangen. Ohne den Rationalisierungseffekt eines Systems von Regeln i n „dogmatischer" Verflechtung untereinander, ohne die Möglichkeit, auf „konservierte" Werturteile für bestimmte Fall-Typen zurückzugreifen, ist eine praktizierbare Rechtsordnung nicht zu denken. Nur darf dieses 139 Vgl. oben Β V zu Fn. 63. Besonders deutlich w i r d dies bei Cavers , Crit. 182- 197. Vgl. auch Hancock, Appr. 379; Nadelmann, Rem. 860; Reese, Rules. 140 Vgl. etwa Reese, Rules 319 - 333; Traynor, War 127. 141 Vgl. ζ. B. Kegel, Wandel 40. 142 Vgl. Cavers, Crit. 193 f.; ders., Choice 74 f., 78 f., 122 f., 133. F ü r Leflar g i l t das noch stärker; er ist auch bereit, die überkommenen Kollisionsnormen anzuerkennen, soweit sie w e i t e r h i n sinnvoll erscheinen (Confi. 208, 209 f., 215 f.). S. auch Traynor, War 127. 143 Oben T. 2 Dil u n d D I I I . 144 Esser, Grds. 84.

C. Die Modelle i m einzelnen

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System nicht erstarren, muß es „beweglich" und „offen" sein und müssen seine Kontroll- und Anpassungsmechanismen funktionieren. Was nötig ist, ist also eine Methode, die hilft, den richtigen Rechtssatz zu „finden" oder „herauszubilden", keine, die Rechtssätze überhaupt ersetzt. Die zweite Säule, die ein solches System trägt, ist neben dem Rationalisierungsgesichtspunkt gewiß das Bedürfnis nach Rechtssicherheit, das von manchen der Neuerer so gering geachtet w i r d 1 4 5 . Es handelt sich indessen um ein Elementarprinzip. Nur gilt es, den richtigen Stellenwert zu finden, das Gleichgewicht zwischen Beharrung und Flexibilität herzustellen. Es widerspricht dem Bedürfnis nach Rechtssicherheit durchaus nicht, da von bestehenden Regeln abzuweichen, zu differenzieren, wo ein Festhalten an ihnen nicht sach-gerecht wäre 1 4 6 . I m Gegenteil schadet es dem Element der Rechtssicherheit, wenn es i m Übermaß strapaziert oder mißbraucht und damit zu einem Hemmnis für die notwendige Weiterentwicklung wird. Denn dann schafft sich das unbefriedigte Rechtsgefühl eine Bahn über Scheinbegründungen. Während äußerlich das System unangetastet bleibt, w i r d seine Anwendung allmählich unberechenbar, die Berufung auf Rechtssicherheit zur Farce. Und solche Erscheinungen sind es auch, die dazu geführt haben, daß manche Autoren das ganze Streben nach Rechtssicherheit i m IPR für fruchtlos und scheinheilig erachten. Es ist aber nicht erforderlich, alles Bestehende erst einmal zu zerschlagen, ganz von vorn anzufangen und so allmählich neue Regeln entstehen zu lassen, wie es Cavers ursprünglich vorgeschwebt zu haben scheint 147 (später ist seine Auffassung wohl insoweit milder geworden) 148 . Kaum eine Regel ist ohne jeden Sinn entstanden, nahezu jede Regel w i r d also zumindest ein Kerngebiet abdecken, i n dem sie durchaus noch befriedigen kann. Es genügt, sie bestehen zu lassen und da zu differenzieren, wo ihre Anwendung nicht mehr „sach-gerecht" erscheint 149 . 145 Vgl. insbes. Currie, z.B. Sei. Ess. 101, 189, 699, 707-709, 721; T h i r d St. 759, 776 f. (dessen sarkastische Vorschläge — ζ. B., nach der alphabetischen Reihenfolge vorzugehen — verkennen, daß es sich u m einen der zu beachtenden Gesichtspunkte handelt, aber nicht u m den einzigen). Ferner Cavers , Crit. 198-203; ders., Choice 66; Joerges, Funktionswandel 162 f. Gegen die Vernachlässigung der Rechtssicherheit aber Leflar, Choice 224 f., 245 - 247 ; Reese, Rules 316, 321; ferner Dietzi, Ausw. 54; Kropholler, A n k n . 607; Batiffol, Plur. 90, 96, 102, 128 - 131. Allgemein zu Rechtssicherheit u n d B i l l i g k e i t i m IPR Neuhaus, Cert. 146 Näher oben T . 2 D I I I . 147 Vgl. Crit. 192 - 197. 148 Cavers, Add. 169 f. 149 Ä h n l i c h w o h l Leflar, Confi. 208, 209 f., 215 f., bezogen auf das commonlaw-System. — Freilich können alte Regeln auch ganz abzulösen sein, w o

20 Schurig

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T e i l 4: Die Bewährungsprobe: Vergleich m i t den Alternativmodellen

Ist man einmal so weit vorgedrungen, dann decken sich die „ M a x i men", die zu beachten sind, i n der Substanz durchaus m i t der von uns behandelten „kollisionsrechtlichen Interessenbewertung", auf der bestehende Kollisionsnormen beruhen, anhand derer w i r sie überprüfen oder bei Bedarf neue entwickeln 1 5 0 . 5. Das Verbot der Abwägung von „Governmental

Interests "

Wie bemerkt, liegt dem Ansatz bei den „governmental interests" die Auffassung zugrunde, es gehe i m IPR u m die Regelung von „Rechtsanwendungsansprüchen" verschiedener Staaten, nicht u m autonom „gerechte" Auswahl des Rechts, das anzuwenden man selbst für richtig hält. Diese Tendenz haben w i r als „universalistisch" gekennzeichnet. Bei (positiven) Konflikten gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder man glaubt an eine übergeordnete universelle Rechtsordnung für solche Fälle; dann hat man deren Normen nur festzustellen und anzuwenden. Daß diese Lösung die Wirklichkeit gegen sich hat, ist heute fast ausnahmslos anerkannt. Gibt es aber ein solches „Superrecht" nicht, dann kann man wiederum auf zwei Arten reagieren: Man kann entweder selbst entscheiden und sich damit „notgedrungen" an die Stelle des übergeordneten Gesetzgebers setzen, oder man kann konsequent daran festhalten, daß einem eine solche Entscheidung nicht zusteht, und sie folgerichtig verweigern. Die letzte Alternative ist es, die Currie vehement verficht 1 5 1 . Currie spricht den Gerichten rundweg die Befugnis ab, über widerstreitende staatliche „Rechtsanwendungsinteressen" zu entscheiden, w e i l dies eine „politische" und keine judikatorische Aufgabe sei. Er beschreitet den unilateralistischen Weg insoweit daher m i t viel unbeirrbarerer Konsequenz als alle anderen, indem er einfach dort abbricht, wo ein Umschwenken zur multilateralistischen Methode unumgänglich w i r d : Ist das „governmental interest" des eigenen Staates i m Spiel, werden die anderen Rechtsanwendungsinteressen einfach ignoriert, wie begründet sie auch sein mögen. Sind zwei Drittstaaten beteiligt — ein Fall, dessen Bedeutung auch Currie m i t der kaum verifizierbaren Bemerkung abzuschwächen sucht, er sei ausgesprochen selten —, dann gibt es eben keine Lösung. Man muß die Zuständigkeit verneinen oder, neue Wertprinzipien dies erfordern (ζ. B. bei der Durchsetzung der k o l l i sionsrechtlichen Gleichberechtigung). 160 Vgl. hierzu oben T. 2 D I I , D I I I , D I V 4. Besonders deutlich w i r d diese Verbindung bei Yntema, Hornb. 477, 481; Bodenheimer, Reorient. 141. 151 Eine bedeutende Rolle spielt i n Currie* s System, das j a p r i m ä r auf US-amerikanische Verhältnisse zugeschnitten ist, das Verfassungsrecht (vgl. dazu etwa Kegel, Crisis 163 - 176, 194 - 198). Diese Komponente können w i r indessen außer Acht lassen, da es hier n u r u m die grundsätzliche Bedeutung f ü r das System des internationalen Privatrechts geht.

C. Die Modelle i m einzelnen

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um nicht zu Rechtsverweigerung zu gelangen, die lex fori nehmen, obwohl diese gerade kein Interesse hat 1 5 2 . Überzeugender war diese Methode nicht ad absurdum zu führen! Currie hält sein Abwägungsverbot auch selbst nicht durch, er verschleiert die Abwägung nur. K o m m t man zu einem „positiven" Interessenkonflikt, dann sollen die Rechtsanwendungsinteressen noch einmal geprüft („reconsidered") werden, ob sie w i r k l i c h „legitim" und „vernünftig" sind, wobei möglicherweise bescheidener und zurückhaltender zu interpretieren ist. Wenn ich ein Rechtsanwendungsinteresse aber erst einmal bejaht habe und dann „ i m zweiten Durchgang" deswegen verneine, weil das Interesse eines anderen Staates besteht, das vielleicht „legitimer" erscheint, dann habe ich i n Wahrheit nichts anderes getan, als eine Wertung vorgenommen, das eine Interesse gegen das andere abgewogen 153 und auf dieser Grundlage selbst entschieden. Ähnlich diffus erscheint die Ablehnung der herkömmlichen „ A n knüpfungen". Diese treten bei Currie deshalb seltener hervor, weil er oft sehr ungenau bleibt 1 5 4 . Zum Beispiel spricht er davon, daß ein Staat die „eigenen Bürger" schützen w o l l e 1 5 5 ; welche aber sind das? Diejenigen, welche die Staatsangehörigkeit des Staates besitzen, die dort Wohnsitz, Aufenthalt, eine Geschäftsniederlassung haben? Wenn man die unklaren Verbindungen zu genauen Definitionen zu läutern versucht, sind schon die alten „Anknüpfungen" wieder da 1 5 6 . Und warum sollte es verboten sein, auch nach Currie's Methode vergleichbare, t y pische Fallgestaltungen zusammenzufassen zu „Anknüpfungsregeln" 1 5 7 ?

152

Currie scheint hiervon freilich selbst nicht mehr recht überzeugt gewesen zu sein, w i e die Zugeständnisse i n seinem letzten Beitrag (Third St.) zeigen. Danach hält er f ü r Entscheidungen i n einem „nicht interessierten Drittstaat", wenn bei zwei Staaten ein (gegensätzliches) „Interesse" besteht, letztlich jede Lösung außer „coin-f lipping and its analogues" f ü r möglich (785). Außer der lex f o r i bevorzugt er eine „candid free choice" unter den beteiligten Rechten. — Nach der Einschätzung Ehrenzweigs hat sich Currie letztlich selbst der „Konterrevolution" gegen seine eigene „Revolution" angeschlossen; P. I. L. 65. 153 Treffend z.B. Traynor, Confi. 354f.; Cavers, Cont. Confi. 148: „,Weighing 4 of interests after interpretation is condemned: ,weighing' of interests i n interpretation, condoned, not to say, encouraged". Vgl. auch Heini, Ström. 58. 154 Vgl. Kegel, Crisis 116, 189. 155 Vgl. Currie, Sei. Ess. 82, 417. 156 Dies räumt Currie, Sei. Ess. 590 f., selbst ein; als Unterschied zur „ K o l l i sionsnorm" stellt er aber die ad-hoc-Anknüpfung heraus. I m m e r h i n kann es sich somit jedenfalls u m eine „ad-hoc-Kollisionsnorm" handeln. 157 Cavers, Choice 74: „ . . . however earnestly a court sought to follow Professor Currie's counsel, i t w o u l d inevitably be led to produce choice-ofl a w rules". 20

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Teil 4: Die Bewährungsprobe: Vergleich m i t den Alternativmodellen

6. Entscheidung anhand verschiedener

Maximen

Currie' s Abwägungsverbot ist auch i n den USA nicht akzeptiert worden, weil es keinen Grund dafür gibt 1 5 8 . „Was ist so sakrosankt an IPR-Fällen, das dem Gericht die Abwägung der beteiligten Interessen verbieten könnte?" fragt zu Recht Traynor 159. Cavers und die anderen Anhänger der „interest"-Methode denken weniger konsequent als Currie, dafür aber praktischer und vollziehen den Richtungswechsel mit, den alle Anhänger der unilateralistischen Methode bei „positiven" Konflikten machen müssen: Es ist das anwendbare Recht unter den an Anwendung „interessierten" nunmehr „autonom" auszuwählen. Dies erfolgt wiederum anhand einiger Prinzipien, die sich zu sog. „principles of preference" 160 verdichten — denn eigene feste Kollisionsnormen, an die man sich anlehnen könnte 1 6 1 , gibt es ja (noch!) nicht. Hier finden sich alle die Gesichtspunkte wieder, die uns schon als kollisionsrechtliche Interessen (Partei-, Ordnungs-, Verkehrs-, Justizerleichterungsinteressen) bekannt sind. Auch jetzt w i r d eine (neue) Regelbildung anscheinend nicht ausgeschlossen. Die kollisionsrechtliche Interessenwertung ist auch Grundlage unseres allseitigen Systems, nur daß sie dort — wie gesagt — innerhalb eines einheitlichen Prozesses erfolgt. Hier werden dagegen zwei Phasen unterschieden: zunächst die kollisionsrechtliche Interessenbewertung aus der Sicht des jeweiligen Staates, bezogen auf sein eigenes Sachrecht zwecks Feststellung eines „Rechtsanwendungsinteresses", sodann i m Konfliktsfalle die „allseitige" Interessenbewertung zur Feststellung, welchem „interest" der Vorrang zu geben sei. Diese Zweiteilung, die auf dem „unilateralistischen" Ansatz beruht, bietet indessen — wie dieser überhaupt 1 6 2 — keinen Vorteil gegenüber der hier verfochtenen „einheitlichen" Interessenbewertung i m multilateralistisch-autonomistischen System 1 6 3 .

158 Vgl. etwa von Mehren / Trautmann, Multist. Pr. 7 7 - 7 9 ; Ehrenzweig, P. I. L. 64; ferner oben T. 1 C 12 Fn. 50. 159 Traynor, Confi. 855. 160 Vgl. Cavers, Choice 114-224; ders., Add. 170 f. (näher oben T. 1 C 13 Fn. 58). iei ^en Unilateralisten, w e n n es darum geht, „positive K o n f l i k t e " zu lösen. 162 Oben C I . ice w i e w e i t sie der „Konfliktsvermeidung" i n einem Bundesstaat w i e den U S A förderlich sein kann, sei hier dahingestellt.

C. Die Modelle i m einzelnen

7. Anwendung

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des „besseren Rechts"

Die Anwendung des „besseren Rechts", wie sie ursprünglich bei Cavers vorgesehen war, hat bei näherer Betrachtung nichts Revolutionäres an sich 164 . Es handelt sich um die letztrangige Hilfslösung i n der „zweiten Phase", der Entscheidung unter konkurrierenden „Rechtsanwendungsinteressen" verschiedener Staaten. D. h. sie kommt erst zum Zuge, wenn m i t Hilfe der anderen, der „kollisionsrechtlichen" Maximen keine Entscheidung herbeigeführt werden kann. I n unserem System lautet die Parallele: Die zu zwei oder mehr Rechtsordnungen hinführenden kollisionsrechtlichen Interessen sind als gleichwertig anzusehen, keine Interessenkonstellation ist höher, keine geringer zu bewerten. Die Folge war Anknüpfungshäufung, und bei dieser treffen auch w i r die letzte Entscheidung nach dem konkreten Inhalt der „ k u m u l a t i v " oder — je nach Standpunkt — „alternativ" berufenen Rechte 165 . U m nichts anderes handelt es sich i n den Fällen, i n denen Cavers das „bessere Recht" empfiehlt 1 6 6 . Nur daß w i r gleich zugeben, daß wir uns für die Begünstigung eines bestimmten materiellen Ergebnisses entscheiden, während die anmaßende Bezeichnung „besseres" Recht diesen subjektiven Entscheidungsprozeß etwas verschleiert und einen objektiven Qualitätsmaßstab vorspiegelt, den es nicht geben kann, weil jeder der Vorstellungswelt und Wertordnung seiner rechtlichen „Heimat" verhaftet ist. Etwas ganz anderes ist es, wenn der Gedanke des „besseren" Rechts verselbständigt und verabsolutiert werden soll, wie es vor allem i n dem Vorschlag Juengers zu Tage t r i t t 1 6 7 . Hier soll die Methode der kollisionsrechtlichen Interessenwertung, die zu einer Anknüpfung führt, nicht ergänzt werden durch eine A r t materiellen „Stichentscheid", sondern sie soll vollständig ersetzt werden 1 6 8 . Aber ist man jetzt aufgefordert, i n jedem Fall und aus allen Rechtsordnungen das „beste", das „fortschrittlichste" Recht herauszusuchen 169 ? Das soll man nicht; denn das führte zweifellos zur Aufhebung des gesamten privatrechtlichen Systems: Man könnte sich die jeweils „beste" Entscheidung aus allen existierenden oder existiert habenden Rechten auswählen, jeder wäre also praktisch völlig frei, die „beste" Lösung nach zweifelhaften Fortschrittlichkeitskriterien oder eigenem Gutdünken auszusuchen — auch 164

Oben T. 1 C I 4. Oben T. 2 D I V 5. 166 Dasselbe dürfte für Leflar gelten, vgl. Confi. 212-215, er spricht von den „competing rules of l a w " (213) und betont, daß die „better-rule-consideration" vor den übrigen keinen Vorrang beanspruchen k a n n (215). 167 Oben T. 1 C I 4 zu Fn. 72 - 74. ιββ Zweigert, A r m u t , gilt dasselbe zum Teil; hierzu auch unten C I I I 5. 169 v g l Kegel, Wandel 36: „Das beste wäre doch das beste!" 165

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T e i l 4: Die Bewährungsprobe: Vergleich m i t den Alternativmodellen

i n sämtlichen „Inlandsfällen". Der Kreis der „ i n Betracht kommenden" Rechte w i r d folglich begrenzt, und zwar durch die „altbekannten A n knüpfungsmomente" 1 7 0 wie Staatsangehörigkeit, Wohnsitz, Belegenheit, Handlungsort usw. Also gilt u. U. französisches oder peruanisches Recht — sofern dieses „besser" ist —, wenn ein Peruaner m i t Wohnsitz i n Paris i n K ö l n i m Supermarkt einkauft, oder englisches Recht, wenn ein Engländer auf sein deutsches Grundstück eine Hypothek aufnimmt? Jedenfalls w i r d offenbar schon wieder eine örtliche Vor-Abgrenzung getroffen, und zwar durch kumulative/alternative Anknüpfungshäufung der „altbekannten" Möglichkeiten. Aber läßt sich diese rechtfertigen, wenn die „IPR-Gerechtigkeit", die kollisionsrechtliche Interessenwertung ausgeschlossen sein soll 1 7 1 ? Wenn man i n dem einen Fall das Recht eines anderen Staates anwendet, nur weil es „besser" ist, obwohl lediglich eine vernünftigerweise völlig irrelevante Beziehung zu diesem Staat besteht — etwa peruanisches Recht i m ersten Beispiel —, i m anderen Fall, i n dem diese nicht besteht, aber das „schlechtere" eigene, dann liegt darin ein grober Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz 172 : es werden Fälle, die i n allen erheblichen Merkmalen gleich sind, ungleich behandelt. Ein solches Verfahren wäre nicht nur völlig rechtsunsicher — die Betroffenen könnten nur rätseln, welcher Richter was als das „Beste" ansehen würde —, es wäre auch i n hohem Maße ungerecht und m i t Sicherheit verfassungswidrig. Es sind also auf der einen Seite der Kreis der „ i n Betracht kommenden" Rechte, auf der anderen Seite der Maßstab für die Feststellung des „besseren" Rechts, für die jegliche einsehbare Kriterien fehlen 1 7 3 . Geht man davon aus, daß der Kreis begrenzt werden muß, dann muß er auch sinnvoll begrenzt werden, d. h., es können nicht nur die „altbekannten" Anknüpfungen gewählt werden — welche sind das eigentlich? —, sondern es müssen diejenigen gewählt werden, deren Heranziehung i m konkreten Fall sach-gerecht erscheint. Das ist aber nur zu beurteilen aufgrund kollisionsrechtlicher Interessenbewertung. Hat man die einzelnen Verknüpfungen einmal bewertet, so besteht kein Grund, die ganz „schwachen" ebenso zu behandeln, wie die „starken". Die Frage spitzt sich letztlich darauf zu, wieweit zwischen annähernd „gleichstarken" Interessenkonstellationen noch gewertet, noch eine 170

Juenger, Wandel 29. Vgl. Kegel, Wandel 37 f. 172 Die Bedenken, die Wengler, Gleichh. 348 - 355, schon bei „normalen" Anknüpfungshäufungen hat, sind hier jedenfalls i n vollem Umfang berechtigt. 173 Cavers, gegen seinen W i l l e n immer wieder als Vater auch dieses (weitgehenden) Vorschlags i n Anspruch genommen, meint (Add. 168): „ T o use this standard seems to me to retreat from choice of l a w as a branch of Private International L a w . " 171

C. Die Modelle i m einzelnen

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Hangordnung aufgestellt werden kann. Verneint man dies, kommt man insoweit zur Anknüpfungshäufung mit materiellem „Stichentscheid" 17*, aber die Rechte, unter denen jetzt zu wählen ist, sind allesamt m i t dem Fall eng verbunden, „gleich" eng sogar, und es ist kein Verstoß gegen den Gleichheitssatz, „Inlandsfälle" anders zu behandeln. Damit reduziert sich das Problem darauf, ob man sich wirklich immer zur Anknüpfung an ein einziges Recht durchringen soll unter Zurückstellung starker anderer Interessen oder ob man in größerem Umfang von der Anknüpfungshäufung Gebrauch machen sollte, ein rechtspolitisches Problem, das sich durchaus i m Rahmen des geltenden Systems lösen läßt, wie viele ältere und auch neuerdings vorgeschlagene kumulative Anknüpfungen beweisen 175 . Der andere Einwand richtet sich gegen die Bezeichnung „besseres" (oder auch „fortschrittlicheres") 1 7 6 Recht. Sie läßt den Eindruck entstehen, als stünde der Richter oberhalb aller Rechtsordnungen und könnte objektiv nach einer festen Rangskala vorgehen. So ist es aber nicht. Als „besseres" Recht w i r d regelmäßig das eigene empfunden, das einem vertraut und i m Gerechtigkeitsgehalt am leichtesten einsehbar ist 1 7 7 . Die Berufung auf das „bessere" Recht dient damit oft dem „Heimwärtsstreben"; dann ist es aber ehrlicher und weniger anmaßend, die lex fori gleich als solche oder aufgrund weiterer Anknüpfungen kumulativ zu berufen (wozu auch die Anwendung des ordre public gehört) 1 7 8 . Andererseits kann man dessen aber auch nicht sicher sein. Was „besser" ist und was „fortschrittlicher", darüber gehen die Meinungen bekanntlich auseinander, und einen allgemeingültigen Maßstab gibt es nicht. Jede Rechtsprechung w i l l immer die „beste" Entscheidung treffen — nur eben auf verschiedene A r t und Weise. Ist am „fortschrittlichsten" immer das Neueste? Das zu glauben, wäre naiv. I m Kollisionsrecht w i r d immerhin — wenn auch mißverstanden — die Rückkehr zur Statutentheorie i m Namen des „Fortschritts" empfohlen. Nach wie vor erscheint es angemessener, unter den „zugleich" berufenen Rechten einer konkreten materiellen „policy" den Vorzug zu geben — aus eigener „subjektiver" rechtspolitischer Entscheidung — wie es bei der Anknüpfungshäufung i m geltenden System der Fall ist 1 7 9 , und sich nicht zum Schulmeister der Rechtsordnungen aufzuwerfen und besserwisserische Zensuren zu erteilen. Ein vernünftiger Gebrauch des 174

Oben T. 2 D I V 5. Vgl. oben T. 2 D I V 5 Fn. 715. 176 Zweigert, A r m u t 447; Juenger, Wandel 31. 177 Vgl. Batiffol, Plur. 101-103; Beitzke, Nat. R. 294; Cavers, Simitis, Entsch. 11 f.; aber auch Jayme, Krise 362 f. 178 Oben T. 3 Β V I I 1. 179 Oben T. 2 D I V 5. 175

Add. 169;

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T e i l 4: Die Bewährungsprobe: Vergleich m i t den Alternativmodellen

bestehenden Systems macht obskure Rezepte, wie die Anwendung des „besseren" Rechts, überflüssig. Ι Π . Mischsysteme

1. Die materielle

lex fori als Ausgangsbasis

Der Gegensatz zwischen universalistischer und autonomistischer Grundeinstellung findet i n der gegenwärtigen US-amerikanischen Grundsatzdiskussion seinen Ausdruck i m Widerstreit zwischen der „governmental-interests"-Methode auf der einen und dem „lex-foriapproach" Ehrenzweigs auf der anderen Seite. Während erstere bei den „Rechtsanwendungsinteressen" der jeweiligen Staaten ansetzt, stellt letzterer die „lex fori" i n den Mittelpunkt, ist freilich auch nicht frei von traditionellen Mißverständnissen. Ehrenzweigs System ist zunächst zusammengesetzt aus einer Reihe teils heterogener und für uns unterschiedlich bedeutsamer Elemente. Seine „Normfindungslehre" ist zugeschnitten auf common-law-Verhältnisse 180 . Einschlägige kollisionsrechtliche „statutes" gehen vor, sind aber, wie gewöhnlich, „eng" auszulegen. Die Vorschläge, wie den Entscheidungen „true rules" entnommen werden können, seien diese „formuliert" oder „unformuliert", hängen m i t der Rechtsquelleneigenschaft der Präjudizien zusammen 181 und sind hier nicht weiter zu untersuchen; sie sind etwa m i t unserer Forderung nach „Kontrolle" der Kollisionsnormen anhand des zugrundeliegenden Interessengefüges vergleichbar 1 8 2 . Lediglich der Ausschluß der „nonconflict cases", i n denen das angewandte materielle Recht dem der lex fori entspricht, ist nicht nur ein (insoweit durchaus zu akzeptierender) Appell, der Verbeugung vor fremdem Recht zu mißtrauen, wenn diese zu nichts verpflichtet, sondern beruht auf Ehrenzweigs „materiellrechtlicher Sicht" des K o l l i sionsrechts. Einen zweiten Komplex i n Ehrenzweigs System bildet die erwähnte 1 8 3 „datum"-Theorie, wobei freilich die „local" und die „moral" data außer dem Namen nicht viel gemein haben. Daß bei der Beurteilung von sog. ortsgebundenen Regeln (ζ. B. Verkehrsvorschriften) gewöhnlich örtlich angeknüpft wird, mag sich „von selbst verstehen"; gleichwohl ist es eine kollisionsrechtliche Entscheidung. Wenn sie so unangreifbar erscheint, daß sie „keiner Begründung" bedarf: um so besser. 180

Vgl. aber auch Siehr, Ehrenzw. 596, 614 - 623. Ä h n l i c h f ü h r t Cavers seine Thesen auf eine bereinigte Anwendung der stare-decisis-Doktrin zurück, Add. 170. 182 Oben T . 2 D U u n d D I I I . 183 Oben T. I C I I I 1 zu Fn. 103 - 105. 181

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Auch eine „selbstverständliche Regel ist eine Regel" 1 8 4 . Andererseits können ausländische Normen auch für bestimmte inländische Rechtssätze (nach Entscheidung der kollisionsrechtlichen Frage) von Bedeutung sein, etwa bei einer „Unmöglichkeit" infolge eines von uns nicht für „anwendbar" erklärten, aber faktisch bestehenden und wirkenden ausländischen Leistungsverbotes. Dies sind Probleme der Auslandssachverhalte i m materiellen Recht. Indessen führt es zu nichts, beide E r scheinungen miteinander zu vermengen und unter einer „datum"-Theorie zusammenzufassen. Die Behauptung, daß „moral data" nur vom eigenen Standpunkt aus beurteilt werden können, gründet eher i m psychologischen Bereich. A n ihr ist sicher richtig, daß es stets schwierig ist, sich aus dem Gravitationsfeld der eigenen Wertvorstellungen zu lösen. Ob man deswegen auch das Bemühen darum aufgeben sollte, ist eine andere Frage. Aus ausländischer Judikatur und Literatur lassen sich sehr wohl Wertungsgesichtspunkte feststellen, die sich m i t dem für die Anwendung ausländischen Rechts stets erforderlichen Einfühlungsvermögen so nachvollziehen lassen, daß i m allgemeinen Ergebnisse oder wenigstens Annäherungswerte zu erreichen sind. Sieht man die ganze Rechtsordnung als ein System vor-vollzogener und nach-vollziehbarer und damit zugleich kontrollierbarer und neu-vollziehbarer Wertungen, dann ist der Unterschied zu solch ausdrücklichen Wertungs-Standards, zu den „offenen" Tatbeständen, ohnehin nur ein gradueller 1 8 5 . Es wäre praktisch ungeheuer schwer, eine Grenze zu ziehen, von der ab „moral data" nur noch nach der lex fori zu beurteilen wären, und es wäre theoretisch höchst bedenklich, einen so bedeutenden Teil aus dem „anwendbaren" Recht ohne zwingende Notwendigkeit generell herauszubrechen, wo sonst noch wenigstens Annäherungslösungen möglich wären 1 8 6 . Das Kernstück von Ehrenzweigs Lehre indessen ist die herausgehobene Rolle der lex fori, die freilich mehr theoretisch-„analytischer" Natur sein und praktisch die Fälle einer Anwendung ausländischen Rechts „eher vermehren" soll 1 8 7 . Hierbei handelt es sich also i n Wahrheit um eine besondere Sicht der internationalprivatrechtlichen Frage und letztlich um das Grundproblem des Verhältnisses von Kollisionsund Sachrecht, nicht um eine unangemessene Bevorzugung des eigenen Rechts. Ehrenzweig geht von der durchaus zutreffenden Überlegung aus, daß der entscheidende Schritt zum Verständnis des internationalen Privat184 185 186 187

Raape, IPR 5. Vgl. Esser, Grds. 96 - 100; ders., Vorverst. 51 - 53, 56 - 59. Zurückhaltend auch Jayme, Ausi. Rechtsr. 4 5 - 4 9 ; Siehr, Ehrenzw. 620 f. Oben T. 1 C I I I 1 Fn. 98.

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rechts derjenige ist, der die Vorstellung eines „Überrechts" verläßt, sei es die unmittelbar universalistische, bei der die angewandten K o l l i sionsnormen als Emanationen einer ideellen kollisionsrechtlichen Weltordnung ausgegeben werden, sei es die „stellvertretend universalistische", bei der der Staat wie ein solcher Weltrichter den Streit zwischen Reditsanwendungs,, ansprächen" oder -„interessen" zu schlichten (oder i h m m i t Currie auszuweichen) hat. So gesehen beinhaltet Ehrenzweigs Polemik u. E. nichts anderes als einen Appell zugunsten der autonomistischen IPR-Auffassung. Nur w i l l er nicht wahrhaben, daß er damit — was das heutige „klassische" IPR anlangt — großenteils offene Türen einrennt. Denn den Schritt vom „Überrecht" fort h i n zu einem „autonomen" IPR, das ausschließlich der eigenen rechtspolitischen Verantwortung des jeweiligen Staates untersteht, diesen Schritt hat die autonomistische Schule, haben vor allem Kahn und Rabel längst getan 1 8 8 . Daß Ehrenzweig alles Kollisionsrecht m i t dem odiosen „superlaw" identifiziert, hat seinen Grund i n einem schon alten Mißverständnis, nämlich i n der mangelnden Unterscheidung zwischen „lex fori" und „materieller lex f o r i " 1 8 9 . Daß auch die autonomen Kollisionsnormen Bestandteile der lex fori sind, w i l l er nicht einsehen; er sieht nur das eigene Sachrecht auf der einen, das kollisionsrechtliche „superlaw" auf der anderen Seite. Infolge dieser gedanklichen Verengung bleibt ihm nichts anderes übrig: W i l l er die kollisionsrechtliche Frage aus dem Bannkreis des „superlaw" befreien, muß er sie dem materiellen Recht der lex fori zuschlagen. Diese Grundentscheidung prägt das gesamte nun folgende Gedankengebäude. Jetzt bestehen immer nur zwei Möglichkeiten: entweder ist der Sach-Entscheidung der lex fori zu folgen, oder eine andere eines fremden Rechts ist an ihre Stelle zu setzen. Eine m i t der lex fori nur sachlich übereinstimmende Lösung nach „fremdem" Recht gibt es darum für Ehrenzweig nicht; denn die Regelung der lex fori w i r d ja i n diesem Fall nicht verdrängt. Hierauf beruht sein Ausscheiden der sog. „nonconflict cases", und nicht etwa — wie bei der „interests-methode" — darauf, daß keine widersprüchlichen staatlichen Rechtsanwendungs„interessen" aufzufinden sind 1 9 0 . Ob eine Sachnorm der lex fori angewandt sein „ w i l l " , soll nun ihre materielle „policy" bestimmen (ähnlich wie bei Currie, nur daß dort 188

Oben T. 2 Β I V u n d Β V. — Wie Ehrenzweig w i l l dies auch Quadri nicht wahrhaben, oben T . 2 A I I I 1, Fn. 82. 189 Vgl. oben T. 3 Β 11, zu Fn. 13 - 17. Zutreffend auch Siehr, Ehrenzw. 613. 190 D e r Ausdruck „conflict" ist auch hier — w i e so oft — mißverständlich gebraucht: es geht nicht u m „ K o n f l i k t e " des Anwendungs,,willens" verschiedener Rechtsordnungen, sondern einfach u m Unterschiede i n der sachlichen Regelung.

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weitergehend — unilateralistisch — auf die jeweiligen Staaten abgestellt wird). Damit nicht genug: Wenn sie nicht angewandt sein will, soll eben dieser materiellen policy (der nicht anzuwendenden lex-foriNorm) auch entnommen werden, welche fremde Norm an ihrer Stelle herangezogen werden soll! Auch hier begegnen w i r also wieder dem Vorgang, daß die Oberwirkung von den sachrechtlichen auf die kollisionsrechtlichen Interessen zur Identität verkürzt wird 191. Das ändert freilich nichts daran, daß die Frage, warum etwas auf bestimmte Weise sachlich geregelt w i r d (der Gegenstand der materiellrechtlichen „policies") nicht identisch ist m i t der Frage, bei welcher räumlichen Verknüpfung diese Regelung (und keine ausländische) anzuwenden ist. Die Gründe, warum Kinder ihren Vater beerben, sind eben andere als die, warum sie ihn nach dem Recht seiner letzten Staatsangehörigkeit (o. ä.) beerben. Diese Zweigliedrigkeit ist bedingt durch die verschiedene Problemstruktur und denknotwendig. Auch Ehrenzweig muß hier — wie ζ. B. Currie 192 — letztlich nach kollisionsrechtlichen, nach Rechtsanwendungsinteressen entscheiden, mag er auch behaupten, daß diese Entscheidungen unmittelbar aus dem Sachrecht hervorgingen. Spätestens bei der Berufung ausländischen Rechts führt seine Behauptung sich selbst ad absurdum; denn wie die Sachnorm und ihre zugrundeliegenden (materiellen!) „policies" angeben sollen, welche ganz andere ausländische Norm anzuwenden ist, bleibt ein Geheimnis. Es handelt sich eben nicht um die „Auslegung" von Sachrecht, es handelt sich um das selbständige „Finden" einer kollisionsrechtlichen Entscheidung für Sachrecht und damit außerhalb des Sachrechts 193 , neben diesem. M i t der Erkenntnis, daß die kollisionsrechtliche Entscheidung gegenüber der sachrechtlichen selbständig ist, daß aber beide gleichermaßen der lex fori angehören, sind w i r zum „klassischen" allseitigen IPR moderner, „autonomistischer" Prägung zurückgekehrt. Für eine Sonderstellung der materiellen lex fori besteht kein Bedürfnis. Fremdes Recht w i r d auch dann aus „kollisionsrechtlichen" Gründen angewandt und berufen, wenn es m i t dem eigenen i m Ergebnis übereinstimmt — daß die kollisionsrechtliche Frage bei der praktischen Beurteilung u. U. „offengelassen" werden kann, steht auf einem anderen B l a t t 1 9 4 . Da sich das anwendbare Recht immer bestimmen lassen muß — ebenso wie immer eine sachliche Entscheidung gefunden werden muß —, notfalls lei Wegen desselben Vorgangs bei Currie vgl. oben C I I 2. — Übrigens ist auch Siehr, Wechselw., von diesem V o r w u r f nicht ganz freizusprechen. 192 Vgl. oben, ebd. 193 Schon Rabel bemerkte (Qual. 263), daß es sich hier selten u m Auslegung u n d häufiger u m „ E r f i n d u n g neuen Redits" handelt. 194 Vgl. hierzu ζ. B. Kegel, IPR 226.

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i m Wege der „Anknüpfungshäufung m i t materiellem Stichentscheid" 195 , gibt es auch kein „residuary" Eintreten der lex fori, das nicht durch kollisionsrechtliche Interessen gerechtfertigt werden könnte. Damit entfällt die Notwendigkeit, internationale Zuständigkeit und anwendbares Recht über das allgemein gebotene Maß hinaus einander anzugleichen; beides kann den jeweiligen spezifischen Erfordernissen entsprechend geregelt werden. 2. Ordre-public-Gesetze

und „autolimitierte

Sachnormen"

Die Aussonderung einer kollisionsrechtlich abweichend zu behandelnden Klasse von materiellen Normen (vorerst) 196 des eigenen Rechts aus dem „allgemeinen" IPR ist gewöhnlich die Kehrseite einer zu engen oder voreingenommenen Sicht dessen, was das kollisionsrechtliche System „normalerweise" zu leisten imstande ist. A u f der einen Seite führt die universalistische Tendenz zur Hypertrophie solcher ordre-public-Regeln. Die Scheu vor eigener rechtspolitischer Wertung, die Bindung an angeblich universell gültige Regeln — die deswegen meist auch allgemein und undifferenziert sind — bewirken, daß man diejenigen Sachnormen, bei deren Anknüpfung man auf eine solche eigene Wertung doch nicht verzichten zu können glaubt, bei denen die „universellen" Regeln nicht zu befriedigenden Ergebnissen führen, kurzerhand aus dem Bereich des „normalen" internationalen Privatrechts ausgliedert und als ordre-public-Gesetze „unabhängig" vom IPR anwendet. Besonders weitgehend ist das bei der italienischen Schule der Fall, unter der diese Gruppe alle „territorial" geltenden Rechte zusammenfaßt und damit selbst zu einer zweiten „Säule" des gesamten Systems w i r d 1 9 7 . Auch hier stehen den Gesetzen, an deren Anwendung der Staat selbst interessiert ist und die sich damit der „internationalen" Behandlung entziehen, diejenigen gegenüber, die als „persönlich" und damit „international" gelten. Der Versuch, diese Gruppen nach inhaltlichen Kriterien zu bestimmen und aufzuschlüsseln, war freilich zum Scheitern verurteilt, nicht etwa weil der Inhalt des Sachrechts für die Anknüpfung ohne Bedeutung wäre 1 9 8 , sondern weil die strenge Aufteilung i n das „Entweder-Oder" zweier Kategorien, die über die klobige Einteilung der Statutenlehre nicht hinauskam, schwerlich i n der Lage sein kann, der Vielfalt des Lebens, der Sachverhalte und der Regeln m i t internationaler Verknüpfung Herr zu wer195

Oben T. 2 D I V 5. Zur ergänzenden Lehre von der „Sonderanknüpfung" unten C I I I 3. 197 Vgl. oben T. 1 C I I I 2. Praktisch sieht es bei Savigny nicht v i e l anders aus, w e n n m a n beide Gebiete quantitativ miteinander vergleicht (oben, ebd. zu Fn. 119). 198 Vgl. oben T . 2 A V 2 . 196

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den. Der Vielschichtigkeit aller möglichen kollisionsrechtlichen Interessen m i t ihren Zwischentönen konnte ein solcher Schematismus auch nicht annähernd gerecht werden. „Politische", „soziale", „öffentliche" Sachinteressen können durchaus zu differenzierten Anknüpfungen führen, die durch das Schlag wort „territorial" überhaupt nicht genügend gekennzeichnet werden, und andererseits können auch „private" Interessen ähnliche Anknüpfungen erfordern. Vor allem spielen bei der Anwendung der meisten Normen Interessen beider A r t zusammen, so daß schon deshalb eine Grenzziehung nicht möglich erscheint. Gleichwohl war die langanhaltende Diskussion über die ordre-public-Gesetze i m gesamten romanischen Rechtskreis eine Spätwirkung dieser Ideen, deren Zurückdrängung i n unserem Bereich w i r vornehmlich Kahn zu verdanken haben 1 9 9 . Denn noch Savigny sah auf der einen Seite das „normale" Privatrecht, auf das die zumindest „internationalisierbaren" {also potentiell universellen) Kollisionsnormen bezogen sind, und auf der anderen Seite die „politischen", „anomalen" Sachnormen, die sich einer so „freien Behandlung entziehen". Vor dem Hintergrund der universalistischen Tendenz erscheint der Dualismus von Anwendung der „vorgegebenen" und daher kaum beeinflußbaren IPR-Regeln und der ausgedehnten Durchsetzung eigener wichtiger Sachgesetze als ordre-public-Gesetze immerhin folgerichtig; g i l t es doch, die Nachteile des Universalismus i n der praktischen Handhabung wieder zu neutralisieren und ein Reservat für den eigenen rechtspolitischen Willen zu schaffen. Meist ist es aber einfach die falsche Sicht dessen, was unser Kollisionsrecht ausmacht, die zu einer ebensolchen Aufteilung führt: Wenn man das IPR-System — auch ohne sich universalistisch gebunden zu fühlen — als etwas Statisches sieht, als ein Gefüge ausschließlich unverrückbarer, starrer, allseitiger, „positiv vorhandener" Kollisionsnormen, dann muß es zwangsläufig i n weiten Hereichen unbefriedigend bleiben, und dann sucht das Rechtsgefühl nach Nebenwegen, um „außerhalb" des Systems das Erforderliche zu erreichen. Eine solche Auffassung scheint leider noch immer weit verbreitet, oft — was es schlimmer macht — nicht einmal bewußt und begründet, sondern diffus und unreflektiert. Sie liefert den eigentlichen Zündstoff für die weltweit entflammte K r i t i k an „dem" internationalen Privatrecht. Die Lehre Variante des Bezeichnung de police et 199 200

von den „lois d'application immédiate " ist die neueste alten Themas 200 . Sie vermeidet i m allgemeinen primär die „ordre-public-Gesetz" oder „politisches Gesetz" oder „lois de sûreté" und ähnliche unmittelbar auf die besondere

Vgl. oben T. 2 Β I V . Dies w i r d deutlich ζ. B. bei Sperduti,

Lois d'appi, née. 261 - 270.

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materiellrechtliche Eigenart der betreffenden Sachnormen bezogene Kennzeichnungen und wählt stattdessen solche, die auf deren angebliche kollisionsrechtliche Sonderstellung hinweisen, eben „lois d'application immédiate", „norme autolimitate", „selbstgerechte Sachnorm" und ähnliches. Das ist indessen nur Folge eines leicht veränderten Blickwinkels; das Problem bleibt dasselbe: Es w i r d eine Gruppe von (eigenen) Sachnormen herausgestellt, die den „allgemeinen" kollisionsrechtlichen Regeln nicht unterstehen, sondern „unmittelbar" gelten sollen. Wiederum sucht man nach möglichst einheitlichen inhaltlichen Kriterien für die Sachnormen, die sie als zugehörig zu dieser Sondergruppe ausweisen. Diese Kriterien ähneln i n auffallender Weise den früheren: „politische", „öffentliche" Einfärbung der Normen, deren besondere Wichtigkeit, Schutz der „organisation étatique" u. ä. Und während man früher vielleicht mehr darauf geachtet hat, daß eigene ordre-public-Gesetze (wegen ihrer Anwendbarkeit) fremdes Recht ausschlossen, sieht man nun mehr auf die Anwendbarkeit dieser Gesetze selbst (wodurch fremdes Recht eben auch ausgeschlossen wird); auch hier ist kein sachlicher Unterschied zu finden. Es hat sich also i m Kern gegenüber den früheren Theorien nichts geändert, und ob sich die neuere Lehre durch „theoretisch bessere Fundierung" auszeichnet, wie Schwander wohlmeinend vermutet 2 0 1 , mag noch dahinstehen 202 . Betrachten w i r die Lehre von den autolimitierten Sachnormen vor dem Hintergrund des existierenden IPR-Systems, so wie w i r es in seinen Zusammenhängen und Funktionen zu deuten und darzustellen versucht haben: Was zunächst auffällt, ist die oft mangelnde Unterscheidung zwischen kollisionsrechtlicher und sachrechtlicher Anknüpfung 2 0 3 , die erst den Streit darüber ermöglichte, ob die „Autolimitierung" fremder Sachnormen zu beachten sei und ob dies dann Anerkennung des renvoi sei 201

Schwander, Lois d'appi, i m m . 184. Aus diesem Grunde erscheint es auch müßig, dem Streit u m die P r i o r i tät dieser „Entdeckung" (Sperduti , Lois d'appi, née. 258) weiter nachzugehen. 203 Das t r i f f t schon f ü r Nußbaum zu, (Grdz. 68 f., Princ. 71 - 73), ferner für Kahn-Freund, Gen. Prob. 94 -100, u n d g i l t nicht minder f ü r einige kritische Äußerungen. So identifiziert Mann, K o l l . N. u n d Stat., die „autolimitierte" N o r m schlicht m i t der aus sachrechtlichen Gründen örtlich begrenzten Sachnorm. Daß i n ihnen auch spezielle Kollisionsnormen enthalten sein können, räumt er n u r f ü r ganz seltene Ausnahmefälle ein (die er überdies meist auf den ordre public zurückführt), i m übrigen soll das allgemeine Statut möglichst unangetastet bleiben. Lalive, Tend. 317, 321, bezeichnet die A n k n ü p f u n g schlicht als „ m i x t e " ; eine Trennung sei zu schwierig, die „theoretische Grenze zwischen Sachrecht u n d Kollisionsrecht" sei „verschwunden". Vgl. ferner Unger, Use. Ansätze für eine Unterscheidung finden sich bei Kelly, Int. Cont. 28; Lipstein, Inh. L i m . 893. — Offenbar ist die bereits bei Zitelmann, I P R I 263, i n einen „Lehrsatz" geformte genaue Unterscheidung weitgehend wieder verlorengegangen. 202

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oder nicht. Die „räumlich bedingten Sachnormen" 204 , die die Alternative zu anderen, ebenfalls (und zwar oft „negativ") räumlich bedingten Sachnormen (die auch „Negativnormen" sein können) 2 0 5 derselben Rechtsordnung sind, gehören dem Sachrecht an und müssen selbst kollisionsrechtlich „berufen" sein 2 0 6 . Die Beachtung solcher Begrenzungen i m ausländischen Recht ist Anwendung des Sachrechts und hat m i t renvoi nichts zu tun. Betrifft die „räumliche Bedingung" dagegen die räumliche Anwendbarkeit dieser Rechtsnormen als Alternative zur Anwendung von Regelungen anderer Rechtsordnungen, dann handelt es sich u m eine Sachnorm m i t zugeordneter spezieller Kollisionsnorm; deren Beachtung i m fremden Recht bedeutet somit zweifellos Anerkennung des renvoi aus denselben kollisionsrechtlichen Interessen, die auch sonst dazu führen können. Mag auch die Auslegung, u m welche Form der Begrenzung es sich konkret handelt, zugegebenermaßen m i t unter nicht einfach sein — besonders, wenn es darum geht, ob der Staat für den Fall, daß die „räumliche Bedingung" nicht erfüllt ist, selbst eine Negativregelung treffen oder die Regelung anderen Rechtsordnungen überlassen w o l l t e 2 0 7 —, so ist doch das System vollkommen eindeutig. Ohne eine solche Unterscheidung hingegen ist die Frage nach dem Charakter der Beachtung ausländischer „ A u t o l i m i t i e r u n g " 2 0 8 müßig. Da keine Sachnorm von uns ohne jede kollisionsrechtliche Entscheidung angewandt w i r d 2 0 9 , können auch „autolimitierte" Sachnormen i n ihrer Anwendbarkeit nicht „unabhängig vom IPR" sein, wie es oft heißt 2 1 0 . So weit ist es m i t der behaupteten Unabhängigkeit aber auch nicht her, denn meist w i r d zaghaft eingeräumt, daß es sich hier doch um das Wirken besonderer Kollisionsnormen handelt 2 1 1 , daß m. a. W. die „autolimitierten Sachnormen" eben nur unabhängig von den groben überlieferten „Bündelungen" internationalprivatrechtlich berufen wer204 Die Bezeichnung stammt von Nußbaum, Grdz. 68 (Princ. 71: „spatially conditioned internal rules"). 205 Oben T. 2 A I V zu Fn. 170. 206 Oben T. 2 A I I . 207 Ebd. 208 Vgl. z.B. Francescakis, Préc. 11 f.; de Nova, Confi. 393-401; ders., Anc. 501 f.; ders., Norme; ders., Funct. Rest. R.; Mann, K o l l . N. 510 - 512. 209 Oben T. 2 A I a. E. 210 Oben T. 1 C I I I 2 Fn. 131. 211 Francescakis, Préc. 3, 9 (in L. d'appi, imm. 693 f., 695, 697, w i r d freilich wieder der entgegengesetzte Eindruck v e r m i t t e l t ; 697: „ . . . sans passer par l'intermédiaire d'une régie de conflit."); Batiffol, Plur. 136 f.; Carillo Salcedo, Ren. 234 f. Ebenso natürlich die K r i t i k e r dieser Lehre (vgl. oben T. 1 C I I I 2 Fn. 129, 130) u n d besonders deutlich Toubiana, Dom. 227 Fn. 5, 229 - 232. — Siehr, Wechselw. 470, 476, meint, hier seien „versteckte besondere Vorbehaltsklauseln" am Werk, die sich durch „räumliche Interpretation von Sachnormen" ergeben (zum letzteren oben C I I 2).

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den. A n der Feststellung, daß es so etwas gibt, ist aber absolut nichts Außergewöhnliches. Überhaupt w i r d nicht immer klar, wie sich diese Lehre selbst einschätzt. Einerseits erklärt etwa Francescakis, nur das zu beschreiben, was ohnehin die Praxis der Rechtsprechung sei 2 1 2 , andererseits w i l l er aber das gesamte Kollisionsrecht i n zwei systematisch selbständige Hälften aufspalten, nämlich einmal das System der herkömmlichen allseitigen Kollisionsnormen, zum anderen das (vorrangige) der „lois d'application immédiate" 2 1 3 , das er offenbar als einen Ausläufer der Statutenlehre ansieht 214 . Es w i r k t sich also hier wieder die künstliche Antinomie zwischen den beiden kollisionsrechtlichen „Ansätzen" aus, der irrige Glaube, es handele sich u m unversöhnliche Gegensätze — und nicht u m zwei gleichwertige Seiten ein und desselben Problems 2 1 5 . Wenn auch die auf die „autolimitierten" Sachnormen bezogenen Kollisionsnormen „einseitige" sind, kann man hier dennoch nicht von einem partiell unilateralistischen System sprechen 216 , denn auf die lex fori bezogene einseitige Kollisionsnormen sind Bestandteil beider Systeme und daher i n dieser Hinsicht ganz uncharakteristisch. Was bleibt, sind auf einzelne Rechtssätze der lex fori bezogene spezielle Kollisionsnormen. So weit von allen „Schnörkeln und Verzierungen entkleidet" 2 1 7 , büßt die Lehre freilich einiges von ihrer Faszination ein. Daß eine inhaltliche Definition derjenigen Normen, die unter eine Sonderbehandlung als „ l o i d'application immédiate" fallen, nicht möglich ist 2 1 8 , wie schon alle früheren Versuche gescheitert sind, versteht sich fast von selbst. Denn daß die ihnen angemessenen Kollisionsnormen unter die „etablierten" Bündelungen nicht passen, ist eine Negativfeststellung, die noch gar nichts über das Warum besagt. Es geht darum, die Anknüpfung zu finden, die hier als die richtige, als die „kollisionsrechtlich gerechteste" erscheint, also u m die ewig wiederkehrende Grundfrage des IPR schlechthin, und die Gesetze, die diese Frage 212

Francescakis, Préc. 2. Ebd. 16. 214 Ebd. 14 f. Ä h n l i c h w o h l de Nova, Confi. 377. Dagegen zu Recht Kegel, Selbstg. SN. 70. 215 Vgl. oben T.2 A V I . 216 So aber Gothot, Ren. 212 f.; Francescakis, Préc. 15 f.; Carillo Salcedo, Ren. 257. Auch de Nova, Confi. 377 - 381, zieht Parallelen zu den Unilateralisten. Vgl. ferner Batiffol, Plur. 138 f. — Andererseits weist Smith, Bespr. K e l l y , i n seiner K r i t i k an Kelly's „localising rules" zu Recht darauf hin, daß es sich ganz überwiegend überhaupt nicht u m neue (systemfremde) u n i l a teralistische Gedankengänge handelt, sondern u m einen „more sophisticated jclassificatory' approach". Skeptisch zum „Unilateralismus" der „lois d'application immédiate" auch Deby-Gérard, Role 40 - 45; Vitta, Cours gén. 159 - 161. 217 Kahn, Ord. pubi. 178 (gegenüber dem Vorläufer dieser Lehre). 218 V g l > a u c h Batiffol, Plur. 138; Gothot, Ren. 235. 213

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(neu oder erneut) auslösen, lassen sich i n kein Schema pressen. Kein Gesetz ist schon allein wegen seiner Wichtigkeit, wegen seines Gehalts an „sozialem ö l " 2 1 9 anzuwenden. Alle Argumente Kahns drängen sich hier wieder auf, und man meint, sie Wort für Wort dieser neuen Lehre entgegenhalten zu können 2 2 0 . Die Kollisionsnormen für „autolimitierte Sachnormen" sind gewöhnlich einseitig, aber daß dies notwendig 221 so sei, ist gewiß ein voreiliger Schluß, begründet i n dem erwähnten künstlichen Dualismus. Neue Kollisionsnormen bilden sich häufig speziell und zunächst aufs eigene Hecht bezogen, also „einseitig" heraus. Das heißt aber nicht, daß dieser Zustand für immer so bleiben müsse; Versteinerung verträgt kein Recht. W i r haben das IPR-System als einen Organismus gesehen, der alle Stufen (autonomer) kollisionsrechtlicher Normbildung i n sich vereint und i n dem ständig unterschiedliche Entwicklungen vor sich gehen 222 . Für jede Individual-Norm besteht nicht der Zwang, aber die Möglichkeit der weiteren Ausreifung, auch die Kollisionsnormen der „autolimitierten" Sachnormen können bloß „unfertiges" IPR sein. Es können verwandte Sachnormen i m eigenen Recht gefunden werden, die kollisionsrechtlich ebenso zu behandeln sind: die vertikale Bündelung zur „einseitigen" Kollisionsnorm kann erfolgen. M i t der Zeit können ähnliche Gesetze i m Ausland gefunden werden, die eine entsprechende kollisionsrechtliche Behandlung verdienen: die horizontale Bündelung zur allseitigen Norm findet statt. Die Fälle, i n denen die lex fori als solche vorzuziehen ist, dürften selten sein. Die Einheitlichkeit der kollisionsrechtlichen Betrachtung sollte beibehalten werden, so weit es geht. A n die Stelle der bevorzugten Berufung besonderer Normen des eigenen Rechts — die den Verdacht chauvinistischer oder „provinzieller" Haltung einbringen kann — wird, sobald die wahren kollisionsrechtlichen Interessen einmal bewußt sind, die Berufung von Normen bestimmter A r t und bestimmten Inhalts treten können 2 2 3 , u. U. i m Wege der Anknüpfungshäufung m i t materiellem Stichentscheid. Hiermit berühren w i r allerdings bereits den Problemkreis der „Sonderanknüpf ung".

219

Kahn, Ord. pubi. 182. Oben T. 2 B V zu Fn. 366-372. Daß dies gleichwohl k a u m geschieht, mag m i t der „modernen" Namensgebung zusammenhängen. Aber die „mysteriöse u n d wurmstichige Brücke der ,Prohibitivgesetze'" (Kahn, Ord. pubi. 189) ist lediglich umbenannt u n d neu übertüncht, nicht aber durch eine tragfähigere K o n s t r u k t i o n ersetzt worden. 221 So Graulich, Règles 637 - 643 passim. Zurückhaltender Francescakis, Préc. 16 Fn. 2. 222 Oben T.2 DI. 223 Vgl. Kegel, Selbstg. SN. 74 f. Ä h n l i c h w o h l Braga, Kodif. 441. 220

21 Schurig

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M i t Kegel ist der Lehre von den autolimitierten Sachnormen allenfalls ein Beleuchtungseffekt zuzubilligen. Ob es ein rundum nützlicher ist — Beleuchtung kann auch Illusionen bewirken, verursacht auch Schatten — darüber mag man geteilter Meinung sein 2 2 4 . Die übermäßige Betonung dieses Bereiches, der künstliche methodische Dualismus, das Zurückgehen auf die Statutentheorie, all das ist geeignet, den Blick für die „organische" Einheit des IPR-Systems zu verbauen. Der Unterschied zwischen „sachrechtlicher" und „kollisionsrechtlicher" Anknüpfung w i r d verwischt. Ob die praktische Lösung der jeweiligen Probleme gefördert wird, ist fraglich; denn entscheidend ist nicht, zu wissen, ob ein Gesetz „autolimitiert" ist — das besagt noch gar nichts —, sondern welches die angemessene Anknüpfung ist. Schließlich kann der Glaube an die „notwendige" Einseitigkeit durchaus die kollisionsrechtliche Weiterentwicklung hemmen oder auf falsche Wege leiten 2 2 5 . 3. Sonderanknüpfung Die „Verlängerung" des soeben behandelten Problems i n das ausländische Recht hinein findet unter dem Stichwort der „ Sonderanknüpfung" statt. Für Francescakis ist der kollisionsrechtliche Teil ausländischer „lois d'application immédiate" nur beachtlich, wenn dieses Recht durch die „allgemeinen" allseitigen Kollisionsnormen berufen und der renvoi anzuerkennen ist 2 2 6 . Eine primär „besondere" kollisionsrechtliche Behandlung gesteht er nur dem eigenen Sachrecht zu. Ein Grund, warum eine solche Differenzierung nur bei der lex fori vorgenommen werden sollte, ist indessen nicht recht einzusehen. Hier setzt die Lehre von der Sonderanknüpfung ein. Ihre Entstehung verdankt sie anscheinend einer Aufbaueigenwilligkeit i n der A b handlung Wenglers, die die Initialzündung gab 2 2 7 . Indem Wengler den „ i n der logischen Reihenfolge eigentlich zuletzt stehenden" (nämlich 224

Kegel, Selbstg. SN. 87, hält i h n f ü r „ i m m e r h i n verdienstlich". Auch soweit die Lehre von den „lois d'application immédiate" als E r mächtigung an den Richter verstanden w i r d , neue (einseitige) Kollisionsnormen herauszubilden (vgl. etwa Gothot, Ren. 215), bedarf es ihrer nicht. Eine solche Möglichkeit der Fortbildung ist systemimmanent (vgl. oben T. 2 D I I u n d D I I I ) . Eine Beschränkung dieser Gestaltungsfreiheit auf „lois d'application immédiate" förderte auch nicht etwa die Stabilität der Rechtsordnung u n d die Rechtssicherheit, denn ob es sich u m eine solche Bestimm u n g handelt, entscheidet ebenfalls der Richter, u n d er w i r d die Frage i m m e r bejahen, wenn eine andere A n k n ü p f u n g notwendig erscheint. Was also bleibt, ist lediglich eine überflüssige Zwischenbenennung. Außerdem ist das Problem j a keineswegs auf Sachnormen der lex fori beschränkt (darüber i m folgenden). 229 Z . B . Préc. 11 f.; ferner Gothot, Ren. 228. Ä h n l i c h Kelly, I n t . Cont. 22; de Nova, Confi. 398 f., der hier freilich keinen renvoi sieht. 227 Oben T. 1 C I I I 3. 225

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üblicherweise i m Rahmen des renvoi zu berücksichtigenden) fremden Anwendungs„willen" an den Anfang stellt, begeht er den ersten folgenreichen Schritt von der „besonderen Anknüpfung" zur „Sonderanknüpfung". Diese beiden Begriffe bezeichnen — trotz ihres ähnlichen Klanges — etwas Grundverschiedenes 228. Unter der „besonderen Anknüpfung" können w i r eine Anknüpfung eigener oder fremder Sachnormen verstehen, die wegen der besonderen kollisionsrechtlichen Interessenkonstellation unter die (bisherigen) allseitigen Bündelungen nicht paßt. Solche Vorgänge sind normaler Bestandteil des „multilateralistischen" Systems, solange der Anwendungsbereich für diese „besonderen" Normen „autonom" von uns bestimmt wird. „Sonderanknüpfung" dagegen markiert den methodischen Wechsel zur unilateralistischen Ausgangsposition, zu — zumindest primär — ungezielt globalen Kollisionsgrundnormen, die das auf die jeweils „eigenen" besonderen Sachnormen bezogene Kollisionsrecht zunächst aller Staaten berufen (denn die Einschränkung erfolgt ja erst i n einem zweiten Schritt) 2 2 9 . Es handelt sich also wieder um eine Erscheinungsform einer der beiden Hauptantinomien der modernen IPR-Theorie 2 3 0 , nämlich des Gegensatzpaares Multi-/Unilateralismus 2 3 1 . Die praktischen Ergebnisse mögen indessen bei beiden Alternativen, wenn sie vernünftig eingesetzt werden, — wie so häufig — nicht allzu weit auseinander liegen. Die Faszination, die gegenwärtig von der neuen Theorie auszugehen scheint, dürfte auf verschiedene Faktoren zurückzuführen sein: Sie enthält eine gewisse Abweichung vom geltenden System und kommt damit der „modernen" Neigung zur Kritisierung des IPR entgegen, ohne daß man deshalb gleich ein geschlossenes und schlüssiges A l t e r nativsystem vorweisen müßte 2 3 2 . Sie läßt den verbreiteten I r r t u m unangetastet, daß der „Ansatz beim Sachverhalt" dem klassischen IPR heilig 228 Das hat sich freilich noch nicht überall durchgesetzt; so w i r f t ζ. B. auch Schwander, Lois d'appi, imm. 316, 323, 373 - 376, beide Erscheinungen i n einen Topf. Zutreffend unterscheidet indessen Kropholler, Schw. Vertr. part. 659, von der „Sonderanknüpfung" die „getrennte A n k n ü p f u n g " . 229 Näher oben T. 2 A I I I 2, zu Fn. 118-124. Neuhaus, Grdbegr. 34, spricht hier von einer „offenen Verweisung". — Die von Kegel, Selbstg. SN. 70, abgelehnte Bezeichnung „Sonderanknüpfung" hat daher insoweit ihre Berechtigung, was m a n allerdings auf die dahinter stehende K o n s t r u k t i o n nicht ohne weiteres übertragen kann. 230 Vgl. oben T.2 D I V 2 u n d 3. 231 Aus diesem G r u n d sollte m a n die besondere A n k n ü p f u n g f ü r eigene Sachnormen nicht i n den Terminus „Sonderanknüpfung" einbeziehen, w e i l erstere dem genannten Gegensatz neutral gegenübersteht (vgl. oben T. 2 A I I I 2). Doch geschieht das weitgehend, z. B. auch bei Wengler, Sonderankn., der sich m i t einer speziellen, interessengerechten A n k n ü p f u n g f ü r die §§ 762, 764 B G B befaßt, aber von „Sonderanknüpfung" spricht. 232 Dies scheint das L e i t m o t i v des „Methodenpluralismus" überhaupt zu soin, vgl. unten C I I I 5.

2

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T e i l 4: Die Bewährungsprobe: Vergleich m i t den Alternativmodellen

und deshalb ein „Ansatz beim Gesetz" identisch sei m i t dem Ansatz bei dessen eigenem „Geltungswillen". Fallösungen werden möglich durch einfachen „MethodenWechsel"; man erspart sich die Mühe, lieb gewordene Bahnen i m geltenden System zu verlassen und Probleme neu zu durchdenken. Den Jüngern der amerikanischen „governmentalinterests"-Methode bietet sich eine Möglichkeit, ihre Vorstellungen einzuschleusen, ohne gleich alle Anhänger des traditionellen Systems gegen sich aufzubringen; denn der fremde Rechtsanwendungs„anspruch" und das „interest" haben viel gemein. Überhaupt sehen die Sympathisanten unilateralistischer Gedankengänge die Möglichkeit, hier „ein bißchen Unilateralismus" zu verwirklichen 2 3 3 . Das kommt dem auf Schritt und T r i t t anzutreffenden, aber irrigen Glauben 2 3 4 entgegen, der Anwendungsbereich von Rechtsnormen mit „politischem" Charakter könne nur „einseitig" festgelegt werden. Der „konsequente Ausbau der Methode der Sonderanknüpfung" ist darum eine öfter erhobene Forderung 2 3 5 . Die Vorstellung, daß u. U. dem Rechtsanwendungs„willen" fremder Staaten nachzugeben und zwischen verschiedenen Staaten quasi „völkerrechtlich" zu entscheiden ist, entspricht der noch immer verbreiteten universalistischen Grundtendenz, die den Namensbestandteilen „ K o n f l i k t " , „Kollision" und „international" zu große Bedeutung beimißt und die hier infolge des offensichtlichen Fehlens übergeordneter Rechtsnormen (und der Ablehnung oder Ignorierung „autonomer" Kollisionsnormen) auf eine „Neo-comitas" zurückfällt 2 3 6 . Letztlich ist es 233 y g l > 234

v o r

allem Gothot, Ren. 236 - 243.

Vgl. oben T. 2 C I I I , C I V 1. 235 Insbesondere von der „politischen" Schule. Vgl. vor allem Joerges, Funktionswandel 18, der an der Sonderanknüpfungslehre vor allem ihre gegenwärtige gegenständliche Beschränkung k r i t i s i e r t ; ders., Klass. Konz. 467-472; ders., I n t . Wirtsch. R. 34-39, 56 f. („unvermeidbare Ausweichstrategie"); ähnlich Jessurun d'Oliveira, Ruine 23; Bucher, Grundfragen 221 -252; Rehbinder, Polit 151, 155- 158, etwa 155: Daß Privatrecht heute (?) Sozialgestaltung sei, mache es „unabweisbar" (!), v o m „internationalen Geltungsw i l l e n " der betreffenden Normen auszugehen. I n gewissem Umfang ebenso von Hoff mann, Schutz; Vischer, Rest. 150 - 152. Vgl. auch Steindorff, Entw. 163 f. — Etwas ähnliches dürfte de Boer, Tekort 291, meinen, w e n n er die Lehre von den „lois d'application immédiate " f ü r ausersehen hält, die „Säule" eines neuen IPR-Systems zu bilden (wofür diese Lehre m i t Sicherheit ungeeignet ist und was sie w o h l auch gar nicht w i l l ) . 236 I n Anlehnung an Currie, dessen (Gesamt-)System sich j a i n dem (Teil-) System der Sonderanknüpfung i m Ansatz wiederfindet. Vgl. vor allem Joerges, Klass. Konz. 472 -489; ders., I n t . Wirtsch. R. 56; Rehbinder, Polit. 156; ferner von Hoffmann, Schutz 413. Bei Wengler u n d Zweigert w a r dies noch nicht so ausgeprägt, beide stehen der „besonderen A n k n ü p f u n g " noch viel näher, die z. B. Wengler, A n k n . 171 f., zum Ausgang n i m m t . Auch Zweigert, IPR u. öff. R., betont eher die autonome Festlegung der Anknüpfungskriterien als den unilateralistischen Ansatz. Wiethölter, I n t . o. p. 158, wendet sich gegen die Bezeichnung „Sonderanknüpfung" u n d meint, es handle sich u m „normale Statuten", also u m besondere A n k n ü p f u n g (ob er hieran heute festhalten würde, erscheint fraglich), hält aber andererseits das „Programm" f ü r richtig (162) u n d auch den Ansatz beim A n w e n d u n g s „ w i l l e n " (170).

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offenbar die Unverbindlichkeit dieser sich mitunter so „politisch" gebärdenden Sonderanknüpfungslehre, die ihr den meisten Zulauf gebracht hat. Dabei ist der unilateralistische Ansatz hier ebensowenig nötig oder auch nur nützlich wie sonst i m IPR. Er w i r d auch keineswegs konsequent durchgehalten. Zwar beginnt man theoretisch m i t der Suche, welche Rechtsnormen auf der Welt existieren, die angewandt sein „wollen" — Rechtsnormen einer bestimmten sachlichen A r t wohlgemerkt, „Eingriffsnormen", „zwingendes Schuldrecht", „Leistungsverbote" und manches andere. Meist handelt es sich — wie schon bei den „lois d'application immédiate" 2 3 7 — um Normen m i t mehr oder weniger „öffentlichrechtlicher", „politischer" Einfärbung, die j a angeblich eine „einseitige" kollisionsrechtliche Behandlung erfordern; gleichwohl ist man sich anscheinend noch lange nicht schlüssig darüber, wo die Grenze für den Gegenstand dieser Methode verlaufen soll 2 3 8 . Kaum hat man m i t dem unilateralistischen Ansatz begonnen, gibt man ihn indessen schon wieder auf. Denn nunmehr bestimmen ganz einfach wir, welche aus dem Kreis dieser „Anwendung erheischenden" Normen tatsächlich angewandt werden sollen, und dazu stellen w i r nach bewährter Manier einen Katalog „allseitiger" Anknüpfungen auf. Durch die generalklauselhaften Bezeichnungen „genügend enge Beziehung", „international typisches Interesse" u. ä. w i r d dies nur scheinbar verdeckt, denn auch solche Bezeichnungen müssen von Fall zu Fall konkretisiert werden, und die Anwendung eines fremden Gesetzes erfolgt stets aufgrund eines bestimmten „anerkannten" Anknüpfungsmomentes 239 . Ähnliche (Leer-) Formeln gibt es ja für das IPR allgemein, angefangen beim „Sitz" oder „Schwerpunkt des Rechtsverhältnisses" bis zur „most significant relationship". Hier allerdings lassen die weiten Bezeichnungen häufiger 237

Oben C I I I 2. Vgl. etwa Neumayer, Auton. 5 9 - 7 6 ; ders., Notges. 4 5 - 5 7 ; Schulte, E i n g r . N . 118-127; Schulze, ö f f . R . 80. S. auch Batiffol, Plur. 141; Mann, Eingr. G. 144 Fn. 16. Daß die Abgrenzung „bisweilen schwierig" sei (Neuhaus, Grdbegr. 36 f.), scheint noch eine sehr wohlwollende Beurteilung. 239 w e n n etwa von Hoffmann, Schutz 414, meint, das international-typische Interesse stecke n u r „negativ den Rahmen ab, bei dessen Überschreitung eine Berücksichtigung des Geltungsanspruchs ausländischen Rechts ausgeschlossen ist", so handelt es sich u m eine optische Täuschung. I n einem B i l d sind die „negativen" u n d die „positiven" Formen gleichermaßen festumrissen. I m m e r w e n n m a n einen „negativen" Bereich bestimmt, bestimmt m a n auch den „positiven"; ein Drittes gibt es nicht. Es handelt sich lediglich darum, von welcher Seite man die Grenze betrachtet (daß diese durch die gebräuchlichen vagen Formeln äußerst unscharf ist, steht auf einem anderen Blatt). Dementsprechend k ü m m e r t sich z. B. Zweigert, IPR u. öff. R., v i e l mehr u m die autonome Festsetzung der Anknüpfungskriterien als u m den unilateralistischen Ansatz u n d sieht i n der neuen Methode eher eine „ A u s weitung" der klassischen (141). 238

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mehrere solcher Anknüpfungen zu; aber dann haben w i r eine Anknüpfungshäufung, ein Vorgang, der dem IPR auch sonst durchaus geläufig ist. Natürlich ist es vollkommen richtig, daß w i r konkrete zusätzliche Anknüpfungen verlangen, bevor w i r den Anwendungs„willen" anerkennen; denn wenn w i r keine eigenen Kriterien einbauten, lieferten w i r uns fremder W i l l k ü r hilflos aus 2 4 0 . Nur, wenn w i r diesen Anwendungs„willen" bloß anerkennen, soweit es uns aufgrund eigener kollisionsrechtlicher Überlegungen paßt, dann können w i r ebensogut diese Überlegungen an den Anfang stellen und den fremden Anwendungs„ willen", wo es nötig ist, auf der zweiten Stufe berücksichtigen 241 . Von dem unilateralistischen Ansatz bleibt so nur die äußere Hülle. Zu bedauern ist das nicht. Einen zwingenden Grund für eine solche methodische Variante bei den hier betroffenen Sachnormen gibt es ebensowenig wie für den Unilateralismus an sich. Für den partiellen Bereich der einer „Sonderanknüpfung" unterworfenen Normen käme nur der schon für die „autolimitierten Sachnormen" behauptete angeblich „notwendig einseitige" Charakter der betreffenden Kollisionsnormen i n Betracht, ein Gedanke, der offenbar vom eigentlichen „öffentlichrechtlichen Kollisionsrecht" entlehnt ist und den w i r auch dort nicht begründet fanden 2 4 2 . Und so w i r d der unilateralistische Ansatz bei der Sonderanknüpfung auch nicht so sehr auf einige theoretische Axiome zurückgeführt, sondern hauptsächlich auf die rechtspolitische Rücksicht auf Interessen fremder Staaten 2 4 3 und auf die damit zusammenhängende „besondere" kollisionsrechtliche Fragestellung, die hier bei den fremden Gesetzen selbst anknüpft. Daß dies ein Kurzschluß ist, der auf der Verkennung der Gleichwertigkeit der „Ansätze" i m multilateralistischen System beruht, haben w i r wiederholt hervorgehoben. Bei „autonomer" Festlegung des (für uns geltenden!) Anwendungsbereichs fremder Gesetze können und müssen w i r durchaus deren sozialpolitisches Gewicht i n Betracht ziehen, genauer, die aus diesem erwachsenden besonderen kollisionsrechtlichen Interessen, ferner das Interesse an internationaler Zusammenarbeit und damit u. U. an Unterstützung fremder (auch sozial-)poli240

„Vordrängeln g i l t nicht!" (Kegel, Selbstg. SN. 82). Erst dann aber ist diese Methode „ n u r scheinbar eine Beeinträchtigung des überlieferten internationalen Privatrechts" u n d erstreckt „ i n W i r k l i c h keit . . . seine Methode auf Gebiete, die sich bisher der normalen kollisionsrechtlichen (international-schuldrechtlichen) Behandlung entzog", w i e Ζ weigert, I P R u. öff. R., meint. 242 Oben T. 2 C I I I , C I V 1. 243 Es ist gelegentlich von „Rechtshilfe" die Rede. Vgl. auch Rehbinder, Polit. 155 f. 241

C. Die Modelle i m einzelnen

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tischer Anliegen sowie das am Erreichen „realer" Entscheidungen; sie alle sind Grundlage unserer kollisionsrechtlichen Entscheidung, aber ihre Bewertung bleibt i n unserer Hand. Hier zeigt sich also wieder der Grundunterschied zwischen beiden Methoden: der Multilateralismus ist aktiv, er entscheidet und handelt, der Unilateralismus ist passiv, er gibt nach, weicht fremdem „Anspruch" und sucht höchstens zu korrigieren. Aus der (angeblich neuen) Sozialgestaltungsfunktion des Privatrechts folgt darum keineswegs, daß das IPR lediglich Schiedsrichter für die kollidierenden Rechtsanwendungs-„Interessen" verschiedener Staaten sein müsse; es bleibt das Instrument für autonome kollisionsrechtliche Entscheidungen. Zwischen dem „Funktionswandel" des Privatrechts und der daraus abgeleiteten Notwendigkeit eines weitgehenden A n satzes beim Geltungs„willen" liegt ein logischer Sprung. Die „Abwehr sozialer Störungen" ist i m multilateralistischen System mindestens ebensogut möglich 2 4 4 . Ein weiterer schwerwiegender Nachteil wurde bereits angedeutet: die unscharfe Definition des der „Sonderanknüpfung" unterworfenen Sachrechts. Bei welchen Sachnormen verläuft die Grenze für den „methodischen Bruch" und warum? Warum sollen nur „Verbots-" und ähnliche Eingriffsnormen nach ihrem „selbstgesteckten Anwendungskreis" befragt werden und andere zwingende Normen nicht? Warum nicht das Eherecht, Erbrecht, warum nicht zwingende Formvorschriften? Ist nicht auch eine Vorschrift wie § 313 BGB „zwingendes Schuldrecht" 2 4 5 ? Und welcher Richter w i r d nicht i n der Praxis zuerst überlegen, welche Anknüpfungen überhaupt aus unserer Sicht „ i n Betracht kommen", bevor er sich daran gibt, i n allen Rechten nach Anwendung „erheischenden" Eingriffsnormen zu suchen? 244

Oben C I I 3 zu Fn. 241. 245 y g i oben Fn. 238. — Die Bezeichnung „ordnungsrelevant" — i m Gegensatz zum „reinen" Privatrecht — (Rehbinder, Polit. 156 f.; ähnlich die Bemühungen von Neumayer, Auton. 59 - 76, Notges. 45 - 57, die „international zwingenden" „konfliktfesten" von den n u r national zwingenden Sachnormen abzugrenzen) ist n u r weiteres Wortgeklingel u n d h i l f t praktisch nicht weiter. Sind das Ehe- u n d Erbrecht, das Recht der nichtehelichen Kindschaft, der Grundsatz der Privatautonomie — u n d damit der Umfang der Beschränkungen — etwa nicht „ordnungsrelevant"? (Vgl. Schnorr v. Carolsfeld, Adressat 578: „ W e n n auch das Privatrecht i n erster L i n i e die Interessen der einzelnen regelnd betrifft, so ist es doch m i t dem gesamten staatlichen Leben . . . auf das Engste verbunden.") — Überhaupt lassen sich den Versuchen der Sonderanknüpfungslehre, eine Grenze unter den betroffenen Sachnormen nach materiellen K r i t e r i e n zu ziehen, dieselben Einwände entgegenhalten, wie den entsprechenden Bemühungen i n bezug auf die (eigenen) „lois d'application immédiate", vgl. oben C I I I 2 zu Fn. 220.

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Teil 4: Die Bewährungsprobe: Vergleich m i t den Alternativmodellen

Einer methodischen Sonderbehandlung bestimmter N o r m e n i m Wege der S o n d e r a n k n ü p f u n g b e d a r f es also ü b e r h a u p t n i c h t . Das bestehende System, i n seinen M ö g l i c h k e i t e n r i c h t i g g e n u t z t , e n t h ä l t durchaus Wege, z u angemessenen L ö s u n g e n z u k o m m e n . Schlüssel d a f ü r i s t der ( i m g e g e n w ä r t i g e n B e w u ß t s e i n t e i l w e i s e verschüttete, aber v ö l l i g s y s t e m konforme) multilateralistisch-autonome Ansatz b e i m fremden Gesetz246, a n h a n d dessen eine E i n z e l k o l l i s i o n s n o r m h e r a u s z u b i l d e n ist, d i e u . U . z u r E l e m e n t - K o l l i s i o n s n o r m e i n e r a l t e n oder n e u e n B ü n d e l u n g w e r d e n k a n n 2 4 7 . E i n e e v e n t u e l l v o r h a n d e n e besondere K o l l i s i o n s n o r m des f r e m d e n Staates k a n n durchaus d e n Anstoß d a f ü r geben, daß w i r u n s e r e r seits gleichfalls besondere k o l l i s i o n s r e c h t l i c h e Ü b e r l e g u n g e n f ü r dieses Gesetz anstellen, m ö g l i c h e r w e i s e sogar m i t d e m gleichen E r g e b n i s ; aber b i n d e n k a n n u n s d e r festgestellte A n w e n d u n g s „ w i l l e " n i c h t 2 4 8 . B e i e i n e m solchen V o r g e h e n w e r d e n Anknüpfungshäufungen nicht selten s e i n 2 4 9 . W e r d e n L e i s t u n g s v e r b o t e a u f g r u n d a l t e r n a t i v e r A n k n ü p 246 Das V o r u r t e i l einer Identifizierung des „Ansatzes beim Gesetz" m i t der unilateralistischen Methode (vgl. oben T. 2 A V I ) sitzt indessen noch so tief, daß meist diese Möglichkeit des „autonomen" Ansatzes beim Gesetz entweder gar nicht gesehen w i r d — so anscheinend bei Braga, Kodif. 427; von Hoffmann, Schutz 410 f. — oder aber von vornherein verworfen w i r d , so Bucher, Grundfragen 111, der nicht erkennt, daß es sich hierbei u m die G r u n d s t r u k t u r der („aufgefächerten") allseitigen Kollisionsnorm überhaupt handelt. — F ü r eine autonome Bewertung hingegen auch Gamillscheg, Ged. 832 - 837, 849 (wobei die Vorbehalte bei interlokaler Rechtsspaltung u. E. unnötig sind. G i l t ein „universelles" — d. h. hier gesamtstaatliches — interlokales K o l l i sionsrecht, so verteilt dieses natürlich die Rechtssetzungs-„Zuständigkeit". Wo dieses fehlt, sind indessen Probleme u n d Lösung genau dieselben w i e i m IPR). Z u Wiethölter, Int. o. p. 158, vgl. oben Fn. 236. 247 Auch Anhänger der Sonderanknüpfungslehre schließen nicht aus, daß sich „ m i t zunehmendem Reichtum an Präjudizien sowie fortschreitender internationaler Homogenisierung sozialer Grundanschauungen" allseitige Kollisionsnormen herausbilden (so z. B. von Hoffmann, Schutz 414). Wenn dies eintrifft, dann handelt es sich freilich f ü r uns lediglich u m den organischen u n d normalen Prozeß zunehmender Regelverdichtung u n d Bündelung, während f ü r die Sonderanknüpfungslehre irgendwann eine methodische Kehrtwendung v o m Unilateralismus zum Multilateralismus eingetreten sein muß! 248 So auch Gamillscheg, Ged. 832; Kegel, Selbstg. SN. 82 f. F ü r eigene E n t scheidung ohne Rücksicht auf die fremde „ A n w e n d u n g s w i l l i g k e i t " ferner Ehrenzweig, W i r k l . 260. Vgl. noch unten Fn. 252. 249 Ebenso w i e bei der „Sonderanknüpfung", vgl. schon Wengler, A n k n . 194 - 197. A u f nichts anderes läuft es hinaus, w e n n von Hoffmann, Schutz 415-417, die durch „Sonderanknüpfung" berufenen Schutznormen „zusätzlich" zu den i m Vertragsstatut enthaltenen anwenden w i l l . Auch bei Kelly's Untersuchung (Int. Cont. 24), ob die fremden „localising rules" „directive alone" oder „directive and exclusive" sind, geht es i m Grunde u m diese Frage. — Indessen behält man bei der autonomen gezielten „besonderen" A n k n ü p f u n g die Anknüpfungshäufungen „unter K o n t r o l l e " ; nicht so bei der grundsätzlich ungezielten unilateralistischen „Sonderanknüpfung" (auf eine mögliche Häufung hierdurch entstehender K o n f l i k t e weist z. B. Gamillscheg, I n t . AR. 195 - 197, hin).

C. Die Modelle i m einzelnen

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fung herangezogen (Leistungsverbot gilt, wenn oder soweit es i m Recht A oder Β oder C enthalten ist), dann braucht der Richter natürlich nicht alle Möglichkeiten durchzuspielen, wenn nur ein Verbot materiell i n Frage kommt und insoweit eine anzuerkennende Anknüpfung sicher festzustellen ist; die Herausarbeitung der weiteren Alternativen kann er späteren Entscheidungen überlassen. Wenn kein materielles Recht ein solches Verbot enthält, sollte man sich nicht dadurch irritieren lassen, daß nun keine Anknüpfung „erforderlich" ist, die Kollisionsnorm ins „Leere" verweist. Die anzuknüpfende Sachnorm ist ja Bestandteil der (Element- oder Individual-)Kollisionsnorm, und zwar ihres Tatbestandes 250 . Entweder kann man davon ausgehen, daß es infolge Fehlens einer Sachnorm auch keiner entsprechenden Kollisionsnorm bedarf (bzw. eine evtl. vorhandene, „gebündelte" Kollisionsnorm tatbestandlich gar nicht erst erfüllt wird), oder aber man sieht gerade i m Fehlen der Eingriffsnorm eine materiellrechtliche (Negativ-)Entscheidung, und beruft diese 251 . Das Ergebnis ist dasselbe. Natürlich wäre es i m allgemeinen unsinnig, fremde „Eingriffsnormen" u. ä. gegen den eigenen Anwendungs„willen" zu berufen. Das läßt sich m i t den herkömmlichen Mitteln aber auch ohne weiteres ausschließen 252 . Einmal werden solche — meist irgendwie öffentlichrechtlich „gefärbten" — Normen vielleicht häufiger als andere eine sachrechtliche Anknüpfung enthalten: der Staat bestimmt selbst, daß etwa unter einer bestimmten „räumlichen Bedingung" ein Leistungsverbot bestehen, beim Fehlen dieser „Bedingung" die Leistung aber erlaubt sein soll. Dann ist diese Bestimmung ohne weiteres als Bestandteil des berufenen Rechts anzuwenden. Oder aber die Abgrenzung ist kollisionsrechtlich: der Staat Β würde nicht sein eigenes Leistungsverbot sondern (evtl.) das eines anderen Staates C anwenden. Darauf zu reagieren, gibt es zwei Möglichkeiten: Man kann entweder dem renvoi folgen; hierfür müßten freilich ganz besondere Interessen sprechen (evtl. an „realer" Entscheidung: das Urteil wäre nicht durchzusetzen, weil eine Partei infolge der Anwendung des Leistungsverbots C i n Β an der Leistung gehindert würde). Das Einfachste wäre es, die eigene Verweisung auf das fremde Leistungsverbot bedingt auszusprechen, bedingt nämlich dadurch, daß der betreffende Staat die Durchsetzung selbst (kollisionsrechtlich) 253 w i l l 2 5 4 . 250

Oben T . 2 A I V . Vgl. oben ebd. zu Fn. 170. 252 Dieses Problem erscheint deswegen häufig — w i e meist bei den U n i lateralisten (ζ. B. Quadri , vgl. oben C I Fn. 96) — reichlich überbewertet, etwa bei von Hoffmann, Schutz 410 - 413. 253 Einer sachrechtlichen Begrenzung folgen w i r — wie gesagt — sowieso. 254 Das würde dann auch den F a l l der bloßen „Abweisung" durch den betreffenden Staat (dazu Kegel, Selbstg. SN. 79) einbeziehen. Beide Möglich251

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T e i l 4: Die Bewährungsprobe: Vergleich m i t den Alternativmodellen

D u r c h solche b e d i n g t e n u n d e v t l . k u m u l a t i v e n V e r w e i s u n g e n 2 5 5 k ä m e m a n — w o es w ü n s c h e n s w e r t ist — z u denselben p r a k t i s c h e n E r g e b n i s sen w i e ü b e r d i e S o n d e r a n k n ü p f u n g , aber d i e M e t h o d e b l i e b e homogen, d i e Ü b e r l e g u n g e n w ä r e n f ü r alle A r t e n v o n S a c h n o r m e n m ö g l i c h (ob es zur „besonderen A n k n ü p f u n g " k o m m t , hängt dann v o n der j e w e i l i g e n I n t e r e s s e n b e w e r t u n g , auch d e m „ a l l g e m e i n e n B e h a r r u n g s i n t e r e s s e " 2 5 6 ab), einer Z u o r d n u n g des Sachrechts n a c h i n h a l t l i c h e n K r i t e r i e n z u d e n b e i d e n verschiedenen „ M e t h o d e n " b e d ü r f t e es n i c h t . D i e eigene rechtspolitisch-kollisionsrechtliche V e r a n t w o r t u n g stünde i m Vordergrund. D i e L e h r e v o n d e r S o n d e r a n k n ü p f u n g h a t i h r e n U r s p r u n g d a r i n , daß d e r „ i n d e r logischen R e i h e n f o l g e e i g e n t l i c h z u l e t z t stehende" A n w e n d u n g s , , w i l l e " z u r A u s g a n g s f r a g e gemacht w u r d e . M a n s o l l t e sich e n t schließen, i h n w i e d e r d o r t h i n z u stellen, w o h i n er g e h ö r t , u n d m i t der F r a g e n a c h d e r oder d e n angemessenen A n k n ü p f u n g e n b e g i n n e n 2 5 7 . Kurz: die „Sonderanknüpfung" sollte zugunsten der „besonderen Anknüpfung" aufgegeben werden 258. keiten (renvoi oder Bedingung) hängen n u r von der entsprechenden I n t e r essenlage ab u n d sind gegebenenfalls auch i n solchen Fällen möglich, i n denen sonst ein renvoi abgelehnt w i r d (wie z.B. i m allgemeinen beim V e r tragsstatut). Denn auch eine solche Ablehnung erfolgt aufgrund einer bestimmten (und hier eben i n bezug auf konkrete Vorschriften veränderten) Interessenlage. Unnötige Schwierigkeiten macht sich daher ζ. B. Kelly, Loc. Rules 270. 255 K u m u l a t i v e Verweisungen kommen i n Betracht i n solchen Fällen, i n denen die Sonderanknüpfungslehre dem A n w e n d u n g s „ w i l l e n " verschiedener Rechtsordnungen nachgibt — aber nur, sofern uns ein solches Ergebnis aus eigener kollisionsrechtlicher Interessenbewertung wünschenswert erscheint; vgl. oben zu Fn. 249. 256 Oben T. 2 D I V 4. 257 Es geht, u m dies noch einmal festzustellen, u m das selbständige, „autonome" Finden einer der fremden Sachnorm „angemessenen" — u n d zwar i m buchstäblichen Sinne — (Element-)Kollisionsnorm, die nach den oben (T. 2 A V ) dargestellten Grundsätzen v e r t i k a l u n d horizontal gebündelt werden kann, w e n n u n d sobald die Voraussetzungen gegeben sind. Das muß nicht notwendig zusammenfallen m i t dem „allseitigen Ausbau" von besonderen Kollisionsnormen, die einzelne Regelungen der lex fori betreffen, sondern k a n n auch unabhängig hiervon erfolgen. Eine solche — zu enge — Auffassung ist aber verbreitet; z.B. Gothot, Ren. 230-234 m i t weiteren Nachweisen; von Hoff mann, Schutz 410 - 412. 258 Dieser „multilateralistisch-autonomen" Methode scheint sich Zweigert, IPR u. öff. R. 141 u n d passim, zu nähern; desgleichen w o h l Toubiana, Dom. 244 - 254, 258 - 266, 333 f. K r i t i s c h gegenüber der Sonderanknüpfung Staudinger l Firsching, EGBGB, vor A r t . 12, Rdn. 368 f., der die ungenügende Präzisierung der Anknüpfungskriterien kritisiert. (Daselbst eingehender Überblick über die einzelnen Fragen der Praxis, Rdn. 365 - 442.) Gegen „Sonderanknüpfung", aber weitgehend ebenso gegen „besondere A n k n ü p f u n g " z.B. Heini, Priv. I n t . 391 f.; Mann, Eingr. G. 156- 160; Serick, Sonderankn., bes. 646-649. K r i t i s c h aus anderen Gründen Weisbart, I P R u. öff. R. 772 (der hier aber zu Unrecht eine Domäne des Völkerrechts sieht). — Wie ein solches — hier gefordertes — System „besonderer Anknüpfungen" i m Ansatz aussehen kann, hat jüngst Kropholler i n bezug auf Schutznormen zugunsten der

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C. Die Modelle i m einzelnen 4. Bildung

von „Sachnormen

im

IPR"

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W i r h a b e n bereits a u s g e f ü h r t , daß es u. E. S a c h n o r m e n „ i m I P R " e i g e n t l i c h n i c h t g i b t , daß es sich v i e l m e h r b e i d e n so bezeichneten E r s c h e i n u n g e n u m d i e m a t e r i e l l r e c h t l i c h e B e r ü c k s i c h t i g u n g solcher A u s l a n d s b e z i e h u n g e n des Sachverhalts h a n d e l t , d i e die sachrechtlichen I n teressen entscheidend v e r ä n d e r n , u m e i n e n Anpassungsvorgang also innerhalb eines jeweiligen nationalen Sachrechtssy stems. Es g e h t s o m i t n i c h t d a r u m , d i e u n t e r d e m S t i c h w o r t „ S a c h n o r m e n i m I P R " oder „ I P R - S a c h r e c h t " beschriebenen E r s c h e i n u n g e n insgesamt z u l e u g n e n ; es g e h t l e d i g l i c h u m i h r e n Stellenwert im System: O b m a n m i t i h r e r H i l f e der „ k o l l i s i o n s r e c h t l i c h e n F r a g e " i n u n s e r e m S i n n e ( n ä m l i c h der nach Auswahl des a n z u w e n d e n d e n Rechts aus d e m „ i n t e r n a t i o n a l e n F u n d u s " ) ausweichen, sie „ e r s e t z e n " k a n n , das ist der zunächst entscheidende P u n k t . E r ist z u v e r n e i n e n , d e n n j e d e r A n w e n d u n g e i n e r Sachn o r m , j a sogar d e r K o l l i s i o n s n o r m selbst, l i e g t eine k o l l i s i o n s r e c h t l i c h e E n t s c h e i d u n g z u g r u n d e (die b e i d e r K o l l i s i o n s n o r m d u r c h d i e K o l l i sionsgrundnorm getroffen w i r d ) 2 6 0 . A n d e r e r s e i t s g i b t es k e i n e sachrechtliche E n t s c h e i d u n g , d i e n i c h t i m Sachrechtssystem i r g e n d e i n e s Staates „ b e h e i m a t e t " i s t 2 6 1 . D e n n das schwächeren Vertragspartei vorgeführt (Kropholler, Schw. Vertr. part.). Er v e r w i r f t insoweit (gegen von Hoffmann, Schutz) die Sonderanknüpfung (657 - 659), hält diese auf anderen Gebieten freilich w e i t e r h i n f ü r „ u n v e r meidlich". I m einzelnen bedürfen die Vorschläge w o h l noch der Diskussion. Krophollers Hauptlösung, solche Schutznormen der kollisionsrechtlichen Parteiautonomie zu entziehen u n d w e i t e r h i n dem „objektiven Vertragsstatut" zu unterstellen (648 - 654, 659), funktioniert nur, w e n n u n d solange dieses „objektive Vertragsstatut" gerade an den Schutznormen ausgerichtet ist (wie Kropholler auch grundsätzlich vorschlägt, 641 - 652, 656). Wo dies nicht sein k a n n (wie i m Mietrecht, 652), muß man eine auf diese Normen bezogene „besondere A n k n ü p f u n g " suchen. Dies k a n n m a n aber ebensogut generell: Es sind immer die (eigenen oder fremden) Sachnormen der Parteiautonomie zu entziehen, i n bezug auf welche zwingende kollisionsrechtliche Interessen eine andere (u. U. gehäufte) A n k n ü p f u n g erfordern. Des Rückgriffs auf ein „objektives Vertragsstatut" (das ohnehin n u r insoweit durchschlägt u n d das ohnehin durch diese Normen geprägt ist) bedarf es nicht, sobald m a n die Möglichkeit eines autonomen (multilateralistischen) Ansatzes beim (auch) fremden Gesetz erkannt u n d akzeptiert hat (hierzu oben T. 2 AVI). 259 Oben T . 3 Β I V , T. 4 Β V I . 260 Oben T . 2 A I , A I I I 2. 261 Streitig. So z.B. Beitzke, Mat. R. 284-289; Rigaux, D. I. P. 96, 103, 104; ders., Dr. pubi. 140 f.; Schmitthoff, Welth. 61 (s. auch nächste Fn.); offenbar auch Neuhaus, Wege 411 Fn. 42 (für die Anwendbarkeit von aus nationalen Rechtsordnungen „abstrahierten" „allgemeinen Rechtsgrundsätzen" aber ders., Beitr. 68f.); ferner Langen, V o m IPR 359, der dies (etwas resigniert) einräumt. Vgl. näher Bonell, Auton. R., m i t vielen Nachweisen. Schon Wengler, A n k n . 210, hielt es indessen f ü r möglich, zu vereinbaren, daß ein V e r trag keinem nationalen Recht unterliegen solle. Hierzu auch Batiffol, Plur. 122 -125, m i t der Überlegung (125), daß es sich bei „rechtsordnungsfreien" Verträgen meist u m „gentlemen's agreements" handeln w i r d .

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T e i l 4: Die Bewährungsprobe: Vergleich m i t den Alternativmodellen

Recht w i r d zu einem bedeutenden Teil geprägt (und sei es nur potentiell) durch die Gerichtsorganisation, die darüber zu befinden hat 2 6 2 , und solange diese staatlich ist, ist auch das Recht staatlich. Auch die Normen des Handelsgewohnheitsrechts, soweit es sich „international" herausgebildet hat, sind darum i n den einzelnen Staaten übereinstimmende gewohnheitsrechtliche Rechte für Sachverhalte m i t internationalen Bezügen und müssen als solche aufgrund einer kollisionsrechtlichen Entscheidung berufen sein, ähnlich wie staatsvertraglich vereinbartes Einheitsrecht für internationale Sachverhalte, für das freilich meist eine besondere kollisionsrechtliche Entscheidung ausdrücklich getroffen wird. Ob auch für „internationales" Gewohnheitsrecht besondere K o l l i sionsnormen zu bilden sind, ist eine andere, rechtspolitische Frage. Sie könnte i m Extremfall dahin beantwortet werden, daß insoweit immer die lex fori gilt (wegen der angeblichen besonderen „Qualität" dieser Normen); indessen ist auch hier — ebenso wie beim staatsvertraglichen Einheitsrecht 2 6 3 — Zurückhaltung am Platze. Eher wäre schon an eine großzügigere Zulassung der Parteiautonomie i n dieser Richtung zu denken. Hält man an der funktionellen Unterscheidung fest, dann gehört nur das zum Kollisionsrecht, was der Auswahl unter den von den verschiedenen staatlichen Rechtsordnungen bereitgehaltenen (oder u. U. herauszubildenden) Sachnormen dient. Normen die i n der Sache entscheiden, auch wenn sie „internationale Sachverhalte" i m weitesten Sinne betreffen, bleiben Sachrecht. Diese Unterscheidung ist wesentlich exakter, als die nach dem bloßen Vorhandensein internationaler Verknüpfungen auf der Tatbestandsseite 264 ; denn diese können überhaupt nur als K r i terium dienen, wenn sie relevant sind für die Rechtsfolge. Wenn ein Franzose i m Kölner Supermarkt einkauft, haben w i r dann einen („absolut"!) internationalen Sachverhalt vor uns oder einen Inlandssachverhalt? Und wenn der Franzose i n K ö l n auf der Straße angefahren wird? Wenn ich ein aus Frankreich importiertes Auto kaufe, ist dann der Sachverhalt „international"? Erst die Relation von Tatbestand und Rechtsfolge kann ergeben, ob der Tatbestand w i r k l i c h „international" ist oder nicht, und damit hängt diese Eigenschaft letztlich von einer 2β2 v g l auch Rigaux, D. I. P. 103. Darüber hinaus könnte ein jeder Staat solch internationales Gewohnheitsrecht jederzeit für seinen Bereich ändern, es ist also abhängig von seiner Duldung; vgl. Kegel, Crisis 261. Auch Schmitthoff, Unif. 563, bezieht sich auf die „tolerance of the national sovereigns"; gleichzeitig meint er aber (Int. Tr. L. 257 f., 267 - 270), daß sich dieses Recht unter „stillschweigender B i l l i g u n g " („acquiescence") der Souveräne zu einem „autonomen" Recht entwickle. Indessen k a n n ein solches „internationales" Recht nicht zugleich „autonom" und von der jeweiligen staatlichen Duldung abhängig sein. 263 264

Oben T . 3 Β I I 2. Oben T. 1 C I I I 4.

C. Die Modelle i m einzelnen

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Bewertung ab und nicht von einer reinen Tatsachenfeststellung 265 . Gewiß w i r d i n allen genannten Beispielen die deutsche lex fori berufen werden, was ja laut Steindorff auch i n gewissen „internationalen Fällen" möglich ist 2 6 6 . Aber geschieht dies, weil die Verknüpfungen insoweit „erheblich überwiegen" 2 6 7 oder weil der Sachverhalt überhaupt kein „internationaler" ist 2 6 8 ? Erkennt man an, daß es innerhalb des „klassischen" Systems neben der kollisionsrechtlichen auch eine sachrechtliche Berücksichtigung von tatsächlichen Auslandsbeziehungen gibt, dann unterscheidet sich die Lehre vom „IPR-Sachrecht" hiervon vor allem i n zwei Punkten: einmal i n der schon erwähnten systematischen Rangfolge, sodann i n der Einschätzung der Bedeutung solcher Fälle. Hinsichtlich der Rangfolge ist der Unterschied bei näherem Hinsehen freilich nicht so bedeutend. Zwar zählt man die Bildung und Anwendung dieser Sachnormen zum („tatbestandlich" definierten) „IPR", setzt sie aber gleichwohl auf eine „zweite Stufe" hinter die eigentlich kollisionsrechtlichen Erwägungen 2 6 9 . So ist der Schritt nicht groß, sie wieder dem Sachrecht — und sei es der lex fori — einzuverleiben. Es handelt sich dann nur nicht um „Sachnormen i m IPR" sondern um „besondere (auslandsbezogene) Sachnormen i m Sachrecht". Hinsichtlich der Bedeutung dieser Rechtserscheinungen geht der Streit sowohl um die qualitative wie um die quantitative Bewertung. Daß es Fälle gibt, i n denen auf Auslandsbeziehungen sachrechtliche Rücksicht genommen wird, ist, wie gesagt, unstreitig. Dabei kann von Bedeutung sein, daß man besondere Schwierigkeiten und lange Wege aus dem Ausland berücksichtigt (besondere Fristenregelungen), daß man Sondernormen für „Gäste" setzt (Fremdenrecht) oder auch daß man auf Auswirkungen fremder Rechtsordnungen Rücksicht nimmt, seien diese rein „tatsächlicher" A r t (ζ. B. „Unmöglichkeit" wegen ausländischer Leistungsverbote — soweit diese nicht echt „berufen" werden), seien sie rechtlicher Art, weil nämlich Teile beider Rechtsordnungen anzuwenden und aneinander „anzupassen" sind („Angleichung", „Sachnormen i m IPR" i m Sinne Kegels) 270. Stets muß aber die Auslandsbeziehung (oder Auslandsrechtsbeziehung) die materiellrechtliche Interessengestaltung berühren. Es genügt also nicht die einfache Tatsache, daß der Fall auch Auslandsbeziehungen aufweist, die nur bei 265 266 267 268 269 270

Vgl. auch Beitzke, Meth. 4; Lüderitz, Grd. ges. 49; Kegel, Crisis 244 f. Steindorff, Sachnormen 271 f. Vgl. oben T. 1 C I I I 4 zu Fn. 176. Uber die Abgrenzungsschwierigkeiten vgl. auch Batiffol, Plur. 108 f. Oben T. 1 C I I I 4 zu Fn. 179. Dazu oben T. 3 Β I I I u n d Β I V .

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Teil 4: Die Bewährungsprobe: Vergleich m i t den Alternativmodellen

der kollisionsrechtlichen Interessenabwägung unter den Tisch gefallen sind. Erforderlich ist vielmehr, daß gleichsam die materielle „Geschäftsgrundlage" der berufenen Sachnorm berührt ist, weil sie infolge der Auslandsbeziehung auf eine Fallgestaltung anzuwenden ist, an die der Gesetzgeber nicht „gedacht" hat und auch nicht hat denken können. Wenn etwa § 35 GBO f ü r den Nachweis der Erbfolge u. a. ein Testament, „das i n einer öffentlichen Urkunde enthalten ist", nebst Eröffnungsprotok o l l genügen läßt, dann k a n n man f ü r ein südafrikanisches Zeugentestament, dem das „probate" erteilt ist, das also praktisch erst nachträglich zum Bestandteil einer öffentlichen Urkunde geworden ist, dasselbe gelten lassen, u n d zwar i n einer A r t Analogie f ü r den besonderen Auslandssachverhalt 2 7 1 .

Hier scheint der qualitative Hauptunterschied insbesondere zur Lehre Steindorffs zu liegen, wenngleich seine Einschränkungen, daß es zur Neubildung von Sachrecht nur kommen soll, wenn nicht die Verknüpfungen zu einer Rechtsordnung „ i n tatsächlicher Hinsicht erheblich überwiegen" (ist dies durch Abzählen von Anknüpfungspunkten oder durch Abwägen ihres „Gewichts" festzustellen?) und wenn die betroffenen Rechtsordnungen nicht miteinander „harmonieren" 2 7 2 , die praktischen Unterschiede erheblich reduzieren dürften. Immerhin bleibt eine Diskrepanz i m Ansatz: Für Steindorff ist (unter den genannten Vorbehalten) die Bildung neuen Sachrechts „ i m IPR" die Regel; sie erfolgt i n Wirklichkeit anscheinend innerhalb der lex fori 273 (die dann allerdings, wie w i r gesehen haben, speziell hierfür „berufen" werden muß). Für das „klassische System" ist es dagegen ein Sonderfall, der innerhalb des berufenen Rechts geregelt w i r d 2 7 4 . Aber während sich für dieses die Entscheidung des Falles praktisch durch Weiterentwicklung der berufenen Sachnorm ergibt, und zwar aufgrund der auch sonst für sinnvolle Rechtsanwendung vorgegebenen Denkmuster (so liegt der Vergleich m i t der „Gesetzeslücke" nahe), hängt die Neubildung von Sachrecht allein wegen des Vorhandenseins schon kollisionsrechtlich zu würdigender (und bei der Würdigung zurückgedrängter) Auslandsbeziehungen völlig i n der Luft. Welche Normen aus den „ i n Betracht kommenden" Rechten sollen miteinander „kombiniert" werden, auf welche Weise und warum? Was sind Normen, die einem „internationalen Maßstab" 2 7 5 entsprechen; welches ist überhaupt der „inter271 Näher das Kölner Gutachten 56/70 v o m 8.10.1970 Vgl. auch BGH (9.3.79) N J W 1979, 1773 f.: Zur Heilung Abs. 1 B G B formnichtigen Kaufvertrages gemäß Abs. 2 genügt bei spanischen Grundstücken die Übereignung durch 272 Steindorff, Sachnormen 271. 273 Oben T. 3 Β I V . Vgl. auch Steindorff, Sachnormen 282. 274 Oben T . 3 Β I I - I V . 275 Vgl. Steindorff, Sachnormen 275 - 280.

(unveröffentlicht). eines nach § 313 dieser Vorschrift „Escritura".

C. Die Modelle i m einzelnen

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nationale Maßstab"? Die so erreichten Ergebnisse müssen w i l l k ü r l i c h erscheinen (während sie, materiellrechtlich begründet, der „Natur der Sache entsprechen"). Voraussehbarkeit der Ergebnisse und Rechtssicherheit, gewiß keine absoluten Größen, aber Größen m i t einem bedeutenden relativen Stellenwert, werden ohne Not und ohne als zwingend einleuchtenden Grund preisgegeben. Denn daß die Lösung innerhalb eines „berufenen" Sachrechts nicht befriedigen könne, w i r d nur apodiktisch vorausgesetzt; käme man aufgrund einer konkreten Prüfung dazu, daß das Ergebnis i n casu nicht befriedigt, könnte man j a Abhilfe wie beschrieben i m materiellen Recht schaffen. Auch ist es noch immer einfacher und überzeugender, berufene „Bruchstücke" aus verschiedenen Rechtsordnungen miteinander zu verbinden und anzupassen, als ad hoc neues materielles Recht hervorzuzaubern. Die Devise lautet also nicht: Bildung neuer Sachnormen ( „ i m IPR", i n Wahrheit als besonders zu berufender Bestandteil der lex fori), weil die Berufung bestimmter nationaler Regeln nicht befriedigt, sondern: Bildung neuer Sachnormen (im berufenen Recht und m i t Hilfe von dessen An* passungsinstrumentarium), soweit sie nicht befriedigt. Das w i r k t sich natürlich auch auf die Quantität der Fälle von Rechtsneubildung aus: sie bleiben auch zahlenmäßig deutliche Ausnahmeerscheinungen 276 . Daß w i r i n Fällen, i n denen dies sachlich nötig ist, eine materiell veränderte Sachnorm berufen, zeigt übrigens wieder den schon beschriebenen Prozeß des „ H i n - u n d Herspringens des Blickes" beim kollisionsrechtlichen Rechtsanwendungsvorgang 2 7 7 . Auch die erst speziell f ü r den „Auslandssachverhalt" innerhalb einer Rechtsordnung entwickelte Sachnorm w i r d j a durch eine ihr zugeordnete, gebündelte oder nicht gebündelte ElementKollisionsnorm berufen. Ob ich n u n für eine solche Sondernorm eine Element-Kollisionsnorm bilde (die gewöhnlich — wenngleich nicht notwendig — der f ü r die „normale", unveränderte „Inlands"-Sachnorm vorhandenen nachgebildet ist u n d unter diese „Bündelung" paßt) u n d diese Sondernorm aufsuche oder ob ich aus der „ i n Betracht" kommenden Rechtsordnung heraus erst die Sondernorm bilde u n d dieser dann eine E l e m e n t - K o l l i sionsnorm zuordne, ist ein u n d dasselbe, w e i l die Existenz der N o r m nebst ihrem Anknüpfungsmoment und das Vorhandensein eines ihren T a t bestand erfüllenden Sachverhalts nebst parallelgerichtetem A n k n ü p f u n g s moment gleichermaßen den Tatbestand der Element-Kollisionsnorm ausmachen 2 7 8 .

Einer besonderen Lehre über „Sachnormen i m IPR" bedarf es nicht. 276 U n d zwar deswegen, w e i l die Auslandsbeziehungen n u r i n Ausnahmefällen das materielle Interessengefüge durcheinanderbringen. Vgl. auch Batiffol, Plur. 132. — Wer freilich (wie anscheinend Steindorff, Sachnormen 273 und passim) hier schon alle Fälle mitzählt, i n denen das Zusammenspiel verschiedener berufener Rechtsordnungen i n casu ein neues rechtliches Gesamtbild ergibt, k o m m t zu einer wesentlich höheren Zahl, gewinnt aber sonst nichts. 277 Oben T. 2 D I I I . 278 Oben T. 2 A I V .

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T e i l 4: Die Bewährungsprobe: Vergleich m i t den Alternativmodellen

5. Der sog. Methodenpluralismus Was als beliebte Therapie für die „Krise des IPR" empfohlen wird, ist eher deutlichstes Symptom einer Krise der Handhabung des IPR: Der sog. Methodenpluralismus, der sich i n Wirklichkeit eher als ein Systempluralismus erweist, beruht u. E. auf der unzureichenden strukturellen Durchdringung des bestehenden IPR-Systems sowie der zu wenig konsequenten Ausnutzung seines methodischen Arsenals. Das Rezept, von jedem Neuen etwas zu nehmen und dabei auch das Alte zu behalten, erscheint freilich von vornherein geeignet, den wenigsten Anstoß zu erregen. Es sollen — m i t Varianten — mehrere oder alle „Methoden", d. h. Alternativsysteme und -teilsysteme, möglich sein: die der allseitigen Anknüpfung, die unilateralistische „ Sonder anknüpfung", die „lois d'application immédiate", die Sachnormen i m IPR, auch die Berücksichtigung einer allgemeinen „Härteklausel", der „Vorbehalt der materiellen Gerechtigkeit", das „bessere" Recht. Dem IPR w i r d so ein methodisches Patchwork-Mäntelchen verpaßt; je nach Fall springt man von „Methode" zu „Methode". Zwar gibt es Versuche, „von einem faktischen zu einem be wußten und geordneten Methodenpluralismus" zu gelangen, wie etwa Schwander fordert 2 7 9 ; allein, ein solcher „Methoden-(System)wechsel" bedeutet immer einen Bruch, m i t scharfen Grenzen, und wo diese i n der Sache zu ziehen sind, verrät uns auch Schwander nicht. Eine bloße Rangfolge für die verschiedenen „vorhandenen" Kollisionsregeln 2 8 0 genügt gewiß nicht, da der Richter auch wissen muß, i n welchen Fällen er Normen welcher A r t herausbilden muß. Konkreter ist da schon die formale Abstufung Zweigerts, der zwar grundsätzlich zunächst die klassischen Kollisionsregeln anwenden w i l l 2 8 1 ; wenn aber eine solche „für eine bestimmte Frage nicht besteht oder zu erheblichen Zweifeln Anlaß gibt und der Richter eine klare Verweisung auf eine bestimmte ausländische Rechtsnorm nicht findet", dann soll er aus den „berührten" Rechten die Regelung entnehmen, die „seiner Ansicht nach das i m jeweiligen Fall betroffene Rechtsgut am besten schützt". Indessen, von den Bedenken abgesehen, denen die Begriffe des „besseren" Rechts und der „berührten" Rechte ohnehin ausgesetzt sind 2 8 2 , unproblematisch erscheint auch diese Abgrenzung 279

Schwander, Lois d'appi, imm. 447 - 459. Das läuft dann indessen auch wieder n u r auf eine „freie Konkurrenz m i t anderen IPR-Methoden" (459) hinaus. 280 Etwa nach dem Muster: erst „lois d'application immédiate", dann „Kollisionsrecht". 281 Zweigert, A r m u t 444 - 448. Vorrangig w i l l er es freilich weitgehend bei der lex fori belassen, w e n n die Parteien nichts anderes wünschen (hierzu unten C I I I 7). Erst auf der zweiten Stufe folgen die klassischen Kollisionsnormen, auf der dritten dann das „bessere Recht". 282 Dazu oben C I I 7.

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keineswegs, läßt doch auch sie bereits die Eindeutigkeit vermissen, die für einen derart einschneidenden „methodischen" Wechsel wünschenswert wäre. Ferner plädiert Zweigert zwar für „weiteres und intensives Bemühen, diese [IPR-]Normen zu verfeinern und zu vereinheitlichen", aber den Richtern, die wohl gerade auf diesem Gebiet (im Wechselspiel m i t der Wissenschaft) am meisten zur Verfeinerung beigetragen haben, nimmt er diese Aufgabe faktisch aus der Hand; denn wie sollen sie verfeinern, wenn sie schon bei „Zweifeln" und Nicht-„Finden" einer „klaren" Verweisung alles fallen lassen und zum „besseren" Recht übergehen sollen 283 ? Was aber vom Gesetzgeber i n dieser Hinsicht zu erwarten ist, zeigen die oft vergeblichen Appelle an i h n sowie kollisionsrechtliche Versäumnisse bei der Novellierung wichtiger Gesetze deutlich genug. Muß da die Entwicklung nicht stagnieren, der Normenvorrat veralten, und wäre der Richter deshalb nicht geradezu gezwungen, öfter und öfter zum „besseren Recht" Zuflucht zu nehmen, das von Zweigert doch offensichtlich nur als „Notventil" eingeplant ist? Der innere Grund für das Überwechseln soll sein, daß i n diesen „unsicheren" Fällen Rechtssicherheit und internationale Entscheidungsharmonie ohnehin nicht gewährleistet würden 2 8 4 . Aber einerseits werden hier aus der unbegrenzten und unbegrenzbaren Menge kollisionsrechtlicher „topoi" bloß zwei herausgegriffen und verabsolutiert, zum anderen wäre es nicht das erste Mal, daß anfänglich „zweifelhafte" Entscheidungen sich durch Wiederholung verfestigen und damit zur künftigen Rechtssicherheit beitragen. Es ist festzuhalten, daß alles, was für sich allein nicht wenigstens für einen konkreten sachlichen Teilbereich zu überzeugen vermag, auch dadurch keine größere Durchschlagskraft bekommt, daß man es als Teil eines angeblichen Methodenpluralismus einschleust. Wenn w i r zu dem Ergebnis gekommen sind, daß alles, was w i r an Alternativvorschlägen bisher geprüft haben, entweder i n mehr oder weniger veränderter Gestalt i m gegenwärtigen IPR-System bereits enthalten ist (zumindest „latent") oder aber nicht weiterführt, dann brauchen w i r die (voreilig als „unsinnig" und „synkretistisch" gescholtene) 285 These nicht zu scheuen, daß es sich bei unserem IPR nach wie vor u m ein integrales System handelt, das sich bis i n alle Winkel der Problematik erstreckt. Die Methode ist einheitlich: Es ist die Methode der kollisionsrechtlichen Interessenfeststellung und -wertung und der Bündelung von ElementKollisionsnormen, wo diese sich als (vertikal oder horizontal) bünde288

Skeptisch auch Neuhaus, Grdbegr. 86. Zweigert, A r m u t 446. 285 Schwander, Lois d'appi, imm. 451, 456; dazu auch oben T. 1 C H I 5, Fn. 190. 284

22 Schurig

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T e i l 4: Die Bewährungsprobe: Vergleich m i t den Alternativmodellen

lungsfähig erweisen. Sie erstreckt sich über das gesamte räumliche Kollisionsrecht, das „internationale öffentliche Recht" eingeschlossen. Was „pluralistisch" wirken kann, ist lediglich das Erscheinungsbild des Systems m i t seinem Nebeneinander von Kollisionsnormen verschiedener Entwicklungs- und Bündelungsstufen. Außer auf dieser Mißdeutung des Erscheinungsbildes beruht auch der sog. Methodenpluralismus auf der Verkennung der Gleichwertigkeit, ja Übereinstimmung des autonomen Ansatzes beim Gesetz (der fälschlich immer m i t dem unilateralistischen Ansatz beim fremden A n wendungs„willen" gleichgesetzt oder neben diesem nicht gesehen wird) mit dem beim Sachverhalt sowie auf dem damit unmittelbar zusammenhängenden Vorurteil, das klassische IPR sei nicht selbst i n der Lage, auf die „Politisierung", den „Funktionswandel" des Privatrechts zu reagieren. Vielleicht ist er auch die Reaktion auf eine ungenügende Anwendung der immanenten Anpassungsmechanismen des IPR-Systems. Letztlich versucht er den Ausbruch aus selbstgeschaffenen Beschränkungen. Er setzt eine Reihe ungeordneter Systemalternativen an die Stelle der notwendigen Durchstrukturierung und konsequenten Weiterentwicklung des bestehenden IPR-Systems, die er damit letztlich behindert. 6. Die allgemeine

Ausweichklausel

Wenn w i r als entscheidendes Merkmal eines modernen, flexiblen IPR-Systems auf „klassischer" Grundlage seine innere Entwicklungsfähigkeit, seine „Offenheit" und „Beweglichkeit", seine immanenten Kontroll- und Korrekturmechanismen, seine Anpassungsfähigkeit an die Veränderungen i n der Welt und i m Sachrecht gesehen haben, dann steht dies i m Prinzip sicher nicht i m diametralen Widerspruch zu denjenigen Gedankengängen, die den Vorschlägen einer allgemeinen Ausweichklausel zugrunde liegen. Gleichwohl erscheint gegenüber solchen gesetzlichen Generalklauseln, wie sie einerseits Stöcker, andererseits Dietzi und Vischer empfehlen 286 , Zurückhaltung geboten, und zwar aus folgenden Gründen: Was primär nötig ist, ist eine generelle Besinnung auf die genannten Eigenschaften des IPR-Systems und darauf, daß es sich dabei auch u m Eigenschaften handelt, die nicht einmal spezifisch kollisionsrechtlich, sondern i m Grunde für jedes Rechtssystem notwendig sind. Das Bewußtsein von Struktur und Möglichkeiten muß jeder (kollisionsrechtlichen) Rechtsanwendung zugrunde liegen, nur so kann das System von verkrusteten Denkstrukturen und überflüssigem Ballast befreit und i n seiner ganzen Breite zur Bewältigung der kollisionsrechtlichen Gegen286

Oben T. 1 C I I I 6.

C. Die Modelle i m einzelnen

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wartsprobleme genutzt werden. Generalklauseln der vorgeschlagenen A r t könnten demgegenüber leicht den Eindruck erwecken, als werde hier ein Spielraum vom Gesetzgeber positiv und begrenzt eingeräumt, der sonst nicht gegeben wäre. Stöckers Vorschlag zeichnet sich zunächst durch ein Fehlen jeglichen Maßstabes aus. Soweit die „Grund- und Menschenrechte" angesprochen sind, fehlt jeder Hinweis auf die erforderliche Verknüpfung für deren Heranziehung. Das könnte noch so interpretiert werden, als genüge hier immer die Anknüpfung an das „forum"; eine Aussage, die so pauschal wahrscheinlich voreilig wäre, denn man kann die Feststellung der angemessenen Anknüpfung durchaus dem jeweiligen Einzelfall überlassen. Vollends verwirren muß, wenn die Grundrechtswidrigkeit m i t „unzumutbarer Härte i n anderer Hinsicht" i n einen Topf geworfen wird. Das Ganze ist gegen die angeblich „quasi-völkerrechtliche Vorbehaltsklausel" 2 8 7 i n der voreingenommen und eng gesehenen „absoluten IPR-Theorie" gerichtet. Stöckers Vorschlag betrifft also i n erster Linie eine Neufassung der herkömmlichen ordre-public-Klausel, welche nach seiner Meinung soziale Belange zu wenig beachtet. Richtig daran ist, daß ordre public und Anwendung der Grundrechte zusammengehören, weil nämlich beide gemeinsam das kumulative Kollisionsrecht der Grundwerte bilden 2 8 8 . Vielleicht ist auch i n früheren Zeiten zu ängstlich hiervon Gebrauch gemacht worden, weil der normale kollisionsrechtliche Charakter dieser Entscheidungen verkannt worden ist. Stöckers „Härteklausel" indessen bringt bestimmt nicht mehr Klarheit als bisherige Normierungsversuche und verschleiert die Einbettung i n den Vorgang der kollisionsrechtlichen Rechtsfindung durch den diffusen Begriff der „unzumutbaren Härte" und den fehlenden Hinweis auf jedwede Verknüpfung eher noch mehr. Zu einer wesentlich weiteren Anpassung des IPR sollen die Vorschläge von Dietzi und Vischer führen. Bedenklich erscheint freilich zunächst die zugrunde liegende Aufspaltung des kollisionsrechtlichen Rechtsfindungsprozesses i n einen pauschalen „aprioristischen" und einen differenzierenden „(a)posterioristischen" Teil, i n dem das gefundene Ergebnis wieder i n Frage gestellt w i r d 2 8 9 . Von der Vorstellung eines „eigentlich" starren Normengefüges i m IPR kann man sich immer noch nicht lösen, darum setzt man eine zweite „Korrekturinstanz" dagegen. Das ganze erinnert an das Muster von „ l a w " und „ e q u i t y " 2 9 0 und 287 288 289

Stöcker, Härtekl. 326. Oben T. 3 Β V I I . I n A r t . 14 des schweizerischen Entwurfs w i r k t sich dies indessen nicht

aus. 290 v g l . Dietzi, Ausw. 56: „ W o die Starre des geformten Rechts zu untragbarer Härte führt, muß sie durch die B i l l i g k e i t gemildert werden." 22*

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T e i l 4: Die Bewährungsprobe: Vergleich m i t den Alternativmodellen

beschwört damit zugleich die Gefahr einer gewiß nicht zu begrüßenden Entwicklung. I n Wirklichkeit handelt es sich u m einen Vorgang, der weder „aprioristiäch" noch „(a)posterioristisch" ist, sondern „operativ", das heißt, der Blick pendelt während des ganzen Vorgangs zwischen den Voraussetzungen und dem präsumtiven Ergebnis hin und her, bis eine „gerechte", befriedigende Lösung gefunden ist 2 9 1 . Einer aufgepfropften zweiten „(a)posterioristischen" Stufe bedarf es nicht; der Prozeß der kollisionsrechtlichen Rechtsanwendung und -findung bildet eine Einheit 292. Die Bewertung der i n der Klausel angesprochenen oder formelhaft umschriebenen kollisionsrechtlichen Interessen (Parteierwartungen, noch engerer Zusammenhang, Vermeidung „innerer" und „äußerer" Widersprüche) ist bereits Bestandteil dieser Einheit. Das von Vischer — wohl unter dem Eindruck der „Sonderanknüpfungslehre" — hinzugefügte „überwiegende Durchsetzungsinteresse eines anderen Staates" hat kaum einen Eigenwert; entscheidend ist, ob aus unserer Sicht kollisionsrechtliche Interessen dafür sprechen, diesem nachzugeben (internationale Ordnung und Zusammenarbeit, Parallelbewertung und Billigung der zu diesem fremden „Durchsetzungsinteresse" führenden kollisionsrechtlichen Interessen [dann entscheidet die Verknüpfung für das „Durchsetzungsinteresse", nicht dieses selbst], „reale" Entscheidung). Beim „Verstoß gegen die grundlegenden Prinzipien des einheimischen Rechts" fehlt der Hinweis auf die Verknüpfung; ebenso bei der „unzumutbaren Härte", die unpräzise und deren Erwähnung neben dem ordre public 2 9 3 überflüssig ist, weil eine solche Härte (vorausgesetzt sie ist nicht i m anwendbaren Recht zu vermeiden, etwa über veränderte Normanwendung beim „Auslandssachverhalt"!) nur durch die lex fori beseitigt werden kann und diese nur eintritt, wenn sie wenigstens i n ihren Grundwerten insoweit „berufen" w i r d ( = „ordre public"). Behindert die Generalklausel so möglicherweise den Blick auf die Einheitlichkeit des Rechtsfindungsvorgangs und auf die Homogenität der Anpassungsproblematik, dann besteht auch eine gewisse Gefahr, daß sie — wohl gegen die Absicht ihrer Autoren, die nur „Richtliniencharakter" wollten 2 9 4 , und trotz unverbindlich weiter Formulierungen wie „noch engerer Zusammenhang" — dahingehend mißverstanden wird, außerhalb dieser Klausel sei eine Anpassung nicht möglich und andere als die genannten Interessen seien nicht zu berücksichtigen. Das kann zu partieller Stagnation der Entwicklung führen. A u f der anderen Seite enthält die Klausel lediglich die Aussage, daß man unter den 291 292 293 294

Oben T . 2 D I I I , T . 3 Β V I I . Vgl. schon oben T . 3 Β V I I 1 zu Fn. 218 - 220. Anders als bei Stöcker, der den ordre public damit ersetzen w i l l . Vgl. Dietzi, Ausw. 55.

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genannten Umständen zu einer „abweichenden" Entscheidung kommen kann, gibt aber keine Hilfe, wie man zu ihr findet. Die unverbindlichen Begriffe auszufüllen, soll offenbar der Rechtsprechung überlassen bleiben. Sie enthält aber auch nichts über die Grenzen der Veränderbarkeit, keinen irgendwie gearteten Hinweis darauf, daß zuvor das allgemeine Kontinuitätsinteresse des Rechtsverkehrs — das kollisionsrechtliche „Trägheitsprinzip" — überwunden werden muß; das Wort „ausnahmsweise" allein dürfte hier wohl nicht genügen. Es kann eben nicht bei jeder „noch engeren" Verbindung von bestehenden Kollisionsnormen ohne weiteres abgewichen werden 2 9 5 . Somit birgt die Klausel auch die Gefahr der kollisionsrechtlichen Zerfaserung und Unberechenbarkeit 2 9 6 . Klauseln, wie die von Vischer und Dietzi vorgeschlagenen, haben durchaus einen richtigen Kern. Aber sie sind naturgemäß unverbindlich und enthalten Aussagen, die allgemeingültig und selbstverständlich sein sollten und die als systemimmanent an sich keiner besonderen Statuierung i m Gesetz bedürfen. Anderenfalls beschwören sie die Gefahr, mißverstanden zu werden; denn ihr Vorhandensein fördert die Bequemlichkeit, läßt leicht die Klauseln selbst zum Ausgangspunkt der Argumentation werden und behindert damit faktisch die dringend erforderliche gedankliche Durchdringung des IPR-Systems und die Bewußtwerdung seiner Strukturen, Kräfte und Möglichkeiten. Das aber sind die wichtigsten Voraussetzungen einer Weiterentwicklung, Verfeinerung und Anpassung an das moderne Leben. Meint man indessen, aus „rechtserzieherischen" Gründen auf einen Hinweis i m Gesetz nicht verzichten zu können, u m den Eindruck einer „geschlossenen" Kodifizierung zu vermeiden 2 9 7 , so muß man diese Gefahren i m Auge behalten und m i t äußerster Vorsicht zuwege gehen. Als r u n d u m geglückt w i r d man w o h l auch die Generalklausel i m Entwurf eines schweizerischen IPR-Gesetzes 298 nicht bezeichnen können. Z w a r sind dort die Voraussetzungen einer A b k e h r von den Regelanknüpfungen i m Vergleich zu den genannten Vorschlägen verschärft, u m einen gewissen Stabilisierungseffekt zu erzielen 2 9 9 : nach A r t . 14 darf der „Zusammenhang 205

Hierzu oben T. 2 D I V 4. Α. A. Neuhaus, Schw. I P R - E n t w . 283 f., 287, der hierzu meint, „der Rechtssicherheit [werde] m i t elastischen Formeln besser gedient als m i t Schweigen des Gesetzes". Ä h n l i c h Hoyer, Gemeins. Best. 49 f. Indessen k a n n man ζ. B. schon bei Palmer, Austr. Codif. 203 - 205, u n d McCaffrey , Swiss Confi. L. 252, 254, I r r i t a t i o n über die Tragweite der Klauseln i m österreichischen Gesetz u n d i m schweizerischen E n t w u r f feststellen. 297 I n Staatsverträgen w i r d eine ausdrückliche Klarstellung i m m e r w ü n schenswert sein. 298 Vgl. oben T. IC I I I 6 zu Fn. 206 - 208. 299 Insoweit besonders deutlich Vischer, Swiss Exp. 138 f., der die schweizerische Ausweichklausel gegen die „open-end"-Technik der Restatement 2d296

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T e i l 4: Die Bewährungsprobe: Vergleich m i t den Alternativmodellen

m i t dem bezeichneten Recht" n u r ein „geringer", der m i t dem anderen Recht muß hingegen ein „offensichtlich engerer" sein. Aber auch „geringerer" u n d „offensichtlich engerer" Zusammenhang sind nur bildhafte U m schreibungen, die zu wenig über die beteiligten u n d bei der Abwägung zu berücksichtigenden Interessen aussagen 300 . Noch grundsätzlicher gefaßt ist § 1 des österreichischen IPR-Gesetzes 301, dessen Abs. 1 postuliert, „Sachverhalte m i t Auslandsberührung" 3 0 2 seien „ i n privatrechtlicher Hinsicht nach der Rechtsordnung zu beurteilen, zu der die stärkste Beziehung besteht", u n d nach dessen Abs. 2 die Vorschriften des Gesetzes „als Ausdruck dieses Grundsatzes anzusehen sind". Eine solche gesetzliche Vorschrift besagt natürlich alles u n d nichts: Die „stärkste Beziehung" ist eine bloße Leerformel; denn die eigentlich entscheidende Frage, was über die „Stärke" der Beziehung bestimmt (die bewerteten kollisionsrechtlichen Interessen nämlich), bleibt offen. Als Hinweis, nach welchen Methoden nicht vorgegangen werden dürfe 3 0 3 , ist eine solche N o r m wenigstens unschädlich (wenn auch insoweit das Gesamtbild des Gesetzes genaueren u n d greifbareren Aufschluß geben wird). Als Grundlage einer aus i h r zu entwickelnden „Ausweichklausel" 3 0 4 aber liefert sie auch k e i n n u r annähernd sicheres Fundament. Denn auf der einen Seite w i r d die Gefahr des voreiligen Schlusses heraufbeschworen, bei einer „stärkeren" Beziehung könne sogleich (ohne Berücksichtigung des kollisionsrechtlichen „Trägheitsprinzips" 3 0 5 ) zu dem anderen Recht übergegangen werden; auf der anderen Seite w i r d auch die (u. E. zu weitgehende) Auffassung gedeckt, i n den ausdrücklichen Verweisungsnormen sei diese „stärkste Beziehung" bereits „unwiderleglich zu vermuten", sie seien d a r u m i n i h r e m ganzen Umfang unantastbar 3 0 6 . D a m i t würde die beabsichtigte F l e x i b i l i t ä t wieder i n Frage gestellt u n d der Anwendungsbereich des Grundsatzes auf die „ L ü c k e n f ü l l u n g " 3 0 7 reduziert 3 0 8 . Regeln abgrenzt (oben Fn. 308). Wenn m a n freilich i m Schlußber. Schw. Exp.komm. (59) liest, die Klausel greife erst bei Ergebnissen, die „weder dem Sinn des Gesetzes noch den Interessen der Parteien entsprochen hätten", dann drängt sich erneut die Frage nach dem Sinn einer solchen Vorschrift auf: U m Ergebnisse zu vermeiden, die „dem Sinn des Gesetzes" widersprechen, hat m a n noch nie einer besonderen Klausel bedurft! 300 Unsicherheit hinterläßt die Klausel ζ. B. bei McCaffrey (oben Fn. 296). Es mag indessen sein, daß dem schweizerischen Richter seine Erfahrung m i t A r t . 1 Abs. 2 Z G B zugute k o m m t (vgl. Vischer, Swiss Exp. 139; von Overbeck, Zwischenber. 201). 301 Vgl. oben T. 1 C I I I 6 Fn. 208. 302 W a r u m n u r sie? A u c h Sachverhalte ohne Auslandsbeziehung werden nach der Rechtsordnung beurteilt, zu der die stärkste Beziehung besteht, nämlich der inländischen! Vgl. allgemein oben T . 2 A I . 308 So z. B. Beitzke, österr. K o l l . R. 248; Neuhaus, Schw. I P R - E n t w . 284. 304 Dazu Beitzke, ebd.; Schwind, Zwischenbil. 122; ders., Prinz. 110; Palmer, Austr. Codif. 204 f.; von Overbeck, Zwischenber. 201. 305 Oben T. 2 D I V 4. 306 So Schwind, Prinz. 110; ähnlich von Overbeck, Zwischenber. 201. 307 M i t der Folge, daß — w i e i n der traditionellen Methodenlehre (vgl. oben T . 2 D I I I zu Fn. 595) — solche Lücken bei Bedarf „entdeckt" würden. 308 Verwandt (Unterschiede bei Vischer, Swiss Exp. 138 f.) ist die Technik des Rest. 2d (zu diesem oben, T . l C 1 3 nach Fn. 62), das meist eine A n k n ü p fungsregel aufstellt, der sofort der Vorbehalt einer „more significant rela-

C. Die Modelle i m einzelnen

7. „Fakultatives"

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Kollisionsrecht

Die schon erwähnte Neigung, die Anwendung des IPR — und damit die Beschäftigung m i t seinen Problemen — zurückzudrängen, ohne am IPR-System selbst einschneidende Eingriffe vorzunehmen, liegt offenbar auch dem Gedanken zugrunde, die Auseinandersetzung auf einen Nebenschauplatz zu verlegen: i n den prozessualen Bereich. Wenn auch dieser — inzwischen schon mehrfach aufgegriffene 309 — Vorschlag Flessners dem bestehenden IPR-System kein ganzes oder partielles Alternativsystem entgegenstellen w i l l , sondern sich ausdrücklich auf die verfahrensrechtlichen Voraussetzungen der Beachtung von K o l l i sionsrecht beschränkt, so verdient er doch auch i n unserem Zusammenhang einige Aufmerksamkeit. Denn einmal lassen sich prozessuale Behandlung des Kollisionsrechts und dessen Inhalt keineswegs säuberlich voneinander trennen, zum anderen scheint die verfahrensrechtliche „Verkleidung" die Mißtrauensschwelle herabzusetzen und die Bereitschaft zur Akzeptierung solcher Gedanken zu erhöhen, handelt es sich doch „ n u r " u m eine Verfahrensfrage und gibt es doch genügend ausländische Beispiele (ob diese nachahmenswert sind, steht auf einem anderen Blatt). Flessner glaubt, daß eine nur „fakultative" Anwendung von IPR ohne weiteres „auch de lege lata möglich" sei, w e i l hier „das bisherige Kollisionsrecht als solches intakt" bleibe 3 1 0 . Da jede Anwendung von Sachrecht eine kollisionsrechtliche Entscheidung impliziert 3 1 1 , liegt eine solche auch zugrunde, wenn man die (materielle) lex fori allein deswegen anwendet, weil keine Partei sich auf „Kollisionsrecht" berufen hat. Flessner begründet seinen Vorschlag ja gerade m i t kollisionsrechtlichen Interessen, vor allem m i t dem „Parteiinteresse an qualitativ hochwertiger Justiz" 3 1 2 . Das bedeutet aber, daß zunächst eine neue General-Kollisionsnorm gebildet werden muß des Inhalts: „Von deutschen Gerichten ist deutsches materielles Recht anzuwenden". Die anderen, „bisherigen" Kollisionsnormen geben eine A r t „Einrede"; der „Anspruch" auf Anwendung der „eigentlichen K o l l i sionsnorm" muß „geltend gemacht" werden. Nur Detailfragen bezüglich der Geltendmachung sind Verfahrensrecht, der Gesamtplan betrifft das Kollisionsnormenge füg e selbst, indem er (fast) alle bisher primär geltionship" nach § 6 Abs. 2 folgt. Freilich handelt es sich dabei nicht u m ein Gesetz, u n d der Katalog des § 6 Abs. 2 (oben ebd. Fn. 63) ist i m m e r h i n weit genug, u m bei der Prüfung, ob eine Beziehung „more significant" ist, die Berücksichtigung allgemeiner Kontinuitätsinteressen einzuschließen (z. B. nach Buchst, a, d, f, g). 309 Oben T. 1 C I I I 7 Fn. 212. 310 Flessner, Fak. K R . 579. 311 Oben T. 2 A I a. E. 312 Flessner, Fak. K R . 550 - 555, 561 f.

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tenden Kollisionsnormen i n die „zweite Reihe" der nur „einredeweise" geltenden zurückdrängt und die „erste Reihe" m i t der Generalnorm zugunsten der lex fori besetzt 813 . Die Überlegungen, die zum „fakultativen" Kollisionsrecht geführt haben, setzen folgendermaßen an: Zutreffend w i r d das „internationalistische Verständnis des IPR" abgelehnt, demzufolge es i m IPR u m eine A r t Zuständigkeitsordnung geht, um eine Abgrenzung von Herrschaftsansprüchen und Souveränitätsbereichen, die „eigentlich" hätte überstaatlich geregelt sein müssen und die von den einzelnen Staaten i n eigener Regie entsprechend herauszubilden sei 3 1 4 (wir haben diese Tendenz „stellvertretend universalistisch" genannt). Daraus folgt aber zunächst nichts anderes als unsere autonome rechtspolitische Verantwortung bei der Feststellung und Bewertung kollisionsrechtlicher Interessen. Angelpunkt des ganzen Vorschlags sind besondere kollisionsrechtliche Interessen der Parteien, die sich daraus ergeben, „daß ein internationaler Sachverhalt vor dem Gericht eines Landes nach dem Recht eines anderen Landes beurteilt werden muß"; diese Interessen seien „ i n Wirklichkeit bisher noch gar nicht vollständig gewertet worden" 3 1 5 . Es handelt sich i n erster Linie u m das schon erwähnte Interesse an „qualitativ hochwertiger Justiz". Nun ist der Gedanke gewiß erwägenswert, daß i n die Wertung aller kollisionsrechtlichen Interessen auch mögliche Interessen der Parteien (und nicht nur des Gerichts oder der Rechtsgemeinschaft) an der Rechtsprechungsqualität aufzunehmen sind; etwa i m Rahmen des renvoi könnten solche Interessen zusätzlich 316 für einen Rückverweisungsabbruch sprechen. Andererseits ist es aber die Frage, ob die Parteien an der „Qualität" des Richterspruches wirklich so sehr interessiert sind und ob diese Qualität infolge der unsicheren Anwendung ausländischen Rechts (nicht wegen dessen Inhalts!) wirklich i n der Regel so viel schlechter ist, daß dies die kollisionsrechtlichen Interessen der Parteien i n solchem Umfang beeinflußt 3 1 7 . Die A n t w o r t mag dahinstehen. Unterstellt man nämlich solche kollisionsrechtlichen Interessen der Parteien, die zur lex fori führen, dann könnten sie ja auch — falls sie die Kraft 313 Nicht n u r „läßt sich der Satz auch als kollisionsrechtlicher denken" (Flessner, Fak. K R . 557), es ist ein kollisionsrechtlicher! 314 Flessner, Fak. K R . 559 - 566. 315 Ebd. 561. 316 Oben T . 2 D I V 3 zu Fn. 649 -654. Ä h n l i c h geht m a n bei der „Doppelqualifikation" i m ehelichen Namensrecht vor. F ü r weitere Zulassung der Wahlmöglichkeit i m IPR auch ζ. B. Lüderitz, A n k n . 50 f. 317 So Flessner. Kritisch hierzu auch Lüderitz, A n k n . 51 f.

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haben, das „Trägheitsprinzip" i m Kollisionsrecht zu überwinden 3 1 8 — unmittelbar zu einer abweichenden Berufung der lex fori führen. Daß man hier auf den Partei„willen" (?) abstellt, zeigt, daß man sich seiner Sache doch nicht so sicher ist, was die Beurteilung dieses besonderen Parteiinteresses anlangt. W i l l man aber den Parteiwillen durchaus einschalten, könnte man noch immer eine alternative Anknüpfung an diesen — dann aber erklärten — Willen einführen, der auch — sofern man keine generelle Parteiautonomie w i l l — auf die lex fori begrenzt sein könnte (oder auf irgendein anderes Recht, sollten gerade für dieses besondere Parteiinteressen sprechen). Diese Möglichkeiten — die hier als neutrale gedankliche Alternativen angeführt sind, nicht etwa schon als konkrete Vorschläge — sieht Flessner sehr w o h l 3 1 9 , lehnt sie aber ganz entschieden ab. Einerseits würden solche Ausnahmen rein quantitativ gewiß nicht annähernd an die Vorstellung vom „fakultativen Kollisionsrecht" heranreichen, weil es sich u m besonders begründete Ausnahmen handeln müßte und die pauschale Berufung auf „Parteiinteressen an der Entscheidungsqualität" nicht mehr genügte, andererseits wäre auch eine wenigstens schlüssige übereinstimmende Willensäußerung der Parteien notwendig, und dieses Erfordernis soll unbedingt vermieden werden. Denn das „Nichtberufen auf Kollisionsrecht" soll nicht etwa als stillschweigende „Verweisungsvereinbarung" gewertet werden, auch nicht als „Anknüpfungselement", sondern als „schieres Prozeßverhalten . . . ohne Umweg über das Kollisionsrecht" 3 2 0 . Aber gerade diese Folgerung erscheint durch die vorangegangene Interessenbetrachtung nicht gerechtfertigt und führt zu allerlei Ungereimtheiten. Das beginnt m i t dem Argument, seien die Parteien einmal i m Streit, dann könne eine Vereinbarung über das anwendbare Recht nicht erwartet werden; dennoch könnten sie gleichlautende Interessen an der Anwendung der lex fori haben 3 2 1 . Sehen w i r einmal davon ab, daß i n besonderen Fällen wegen starker Verschiebung der kollisionsrechtlichen Interessen (sofern das allgemeine Beharrungsinteresse, das „Trägheitsmoment" überwunden ist) auch ohne Rechtswahl ein Übergang zur lex fori möglich wäre 3 2 2 , und gehen w i r zum Vergleich von einer Alternativ-Wahlanknüpfung aus, dann haben w i r das merkwürdige Ergebnis, daß die Parteien an der lex-fori-Anwendung „interessiert" sind (auf die Möglichkeit der Rechtswahl könnten sie ja ohne 318 319 320 321 322

T. 2 D I V 4. Flessner, Fak. K R . 578. Ebd. 567 f. Ebd. 578. Oben T. 2 D I V 4.

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T e i l 4: Die Bewährungsprobe: Vergleich m i t den Alternativmodellen

weiteres hingewiesen werden), aber zumindest eine Partei störrischerweise gegen ihre (kollisionsrechtlichen) eigenen Interessen handelt! Daran soll sie durch die „prozessuale Lösung" gehindert werden — falls sie es nicht merkt. Überhaupt befindet sich der Richter i n einem Dilemma. Er kann die kollisionsrechtliche Frage aufwerfen und sollte es tun, wenn i h m das ausländische Recht bekannt und der Fall sicher ist. Da ja unterstellt wird, i m Streit könnten die Parteien sich ohnehin nicht auf ein anwendbares Recht einigen (und die die Niederlage fürchtende Partei auch jede Möglichkeit nutzen w i r d ) 3 2 3 , w i r d also bei einem rechtsvergleichend gebildeten und „sicheren" Richter nach anderem Recht entschieden als bei einem weniger belesenen und „unsicheren". Ist der Richter nicht sicher, soll er nach seinem „Ermessen" verfahren und die Partei evtl. zur Erklärung auffordern. I n „kleineren Sachen" soll er die Parteien nicht „nur i n unnötige Zweifel" stürzen oder zu „unverhältnismäßigen Untersuchungen veranlassen" 324 . Eine solche „Fürsorge" geht wahrlich zu weit und w i r d bei der Partei, die ihretwegen verliert und sich dann — m i t Recht — überrumpelt fühlt, kaum tiefere Dankbarkeit erwarten lassen. Wohl damit hier nicht etwa der Gedanke an „Klassenjustiz" aufkommt, soll der Richter eine „schwächere" Partei nun doch wieder über das Kollisionsrecht u n d das (evtl.) berufene ausländische Recht informieren (bei zwei schwachen Parteien ist das nicht nötig!). Und wie soll das i m Anwaltsprozeß funktionieren? Ist „schwächere" Partei die ärmere oder diejenige m i t dem gerichtsnotorisch schlechten Anwalt? Wenn der Richter die „kollisionsrechtliche Frage" auf wirft, soll er wieder für „Vorteile der Anwendung heimischen Rechts" Propaganda machen gegenüber den „Chancen der Reise ins ungewisse ausländische Recht" 3 2 5 . Das w i r d i h m wohl höchstens gelingen, wenn der Streit nur um Tatsachen geht; dann erscheint aber auch eine kollisionsrechtliche Einigung möglich. Ob er Erfolg haben wird, der Partei, die ihre Niederlage voraussieht, die „Vorteile der Anwendung heimischen Rechts" nahezubringen? Die E r k l ä r u n g (bzw. Nichterklärung) soll widerruflich sein, solange „neue Angriffs- u n d Verteidigungsmittel noch geltend gemacht werden können", also entsprechend der Rechtslage zur Zeit von Flessners Vorschlag bis zum Schluß der letzten Tatsachen Verhandlung u n d gegebenenfalls noch i n der Berufung (§§ 278 Abs. 1 a. F., 529 a. F. ZPO) 3 2 6 . Eine frühere B i n d u n g w i r d als „übertriebene Konsequenz" aus dem Parteiverhalten angesehen. Somit hätten Parteien zunächst nach deutschem Recht verhandeln können; sobald f ü r eine Partei die Lage kritisch zu werden drohte, hätte sie sich aufs 323 v g l . Flessner, Fak. K R . 578, 582. 324 325 326

Ebd. 582 f. Ebd. 583. Ebd. 568, 583.

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„Kollisionsrecht" berufen können, u m sich später eines besseren belehrt zu sehen u n d diese E r k l ä r u n g zu widerrufen (oder wären bereits §§ 278 Abs. 2 a. F., 529 Abs. 2 u. 3 a. F. ZPO anwendbar gewesen?). Nach der „ V e r einfachungsnovelle" von 1976 hat sich das B l a t t nunmehr vollständig gewendet. F ü r eine „ r e i n prozessuale" Hechtswahl-Erklärung (oder - N i c h t erklärung) entstünden erhebliche neue Probleme. Müßte m a n jetzt ζ. B. die Parteien (etwa nach § 296 n. F. ZPO) rigoros daran festhalten, daß sie es unterlassen haben, sich gleich zu Anfang auf das Kollisionsrecht zu berufen, auch wenn sie alle zum fremden Hecht weisenden Anknüpfungspunkte vorgetragen haben, u n d ließe sich eine solche Konsequenz noch m i t Flessners „Interessen"überlegungen rechtfertigen?

Geht man davon aus, daß die Einführung eines „fakultativen" K o l l i sionsrechts m i t einer wenn auch begrenzten Dispositionsfreiheit über das vom Gericht anzuwendende Recht verbunden wäre, dann begegnet auch die weite gegenständliche Ausdehnung dieser Freiheit erheblichen Bedenken 827 . Gewiß, dem Einwand, hier gehe es nicht nur u m die Prozeßparteien, sondern auch um Dritte, um den „Rechtsverkehr" als solchen etwa i m Sachen- und Erbrecht, konnte man entgegensetzen, daß die lex fori gerade und nur i m Prozeß an die Stelle der vom „ K o l l i sionsrecht" berufenen Rechtsordnung t r i t t und Dritte durch solche Entscheidungen infolge der Relativität der Rechtskraft ohnehin nicht gebunden würden 3 2 8 . Dennoch dürften die Nachteile eines solchen Verfahrens die Vorteile, die sich aus der Anwendung der lex fori etwa ergeben, bei weitem aufwiegen — auch gespiegelt i n den „Parteiinteressen". Zwar n i m m t das Zivilprozeßrecht generell i n Kauf, daß u.U. unrichtige Entscheidungen rechtskräftig werden und dann für die Parteien eine andere Rechtslage schaffen, als für die Umwelt gilt. Aber das Gesetz konnte davon ausgehen, daß dies die Ausnahme bleibt, weil jede Partei i m allgemeinen alles versuchen und vorbringen wird, um Recht zu erhalten (oder nichts tut, weil die andere Seite i m Recht ist), und weil man i m allgemeinen davon ausgehen kann, daß der Richter sein Recht richtig anwendet. Entspricht ein Urteil nicht der richtigen Rechtslage, so gibt es immer i m internen Recht noch bis zur Rechtskraft Rechtsbehelfe und Rechtsmittel, danach die beschränkte aber immerhin vorhandene Möglichkeit der Wiederaufnahme. Einen ganz anderen Stellenwert hätte die Rechtskraft i n „internationalen" Sachen, ließe man das fakultative Kollisionsrecht zu. Der Widerspruch zwischen der entschiedenen Rechtslage unter den Parteien und derjenigen gegenüber 327 Ganz abgesehen davon, daß man i m Sinne Flessners w o h l eine A r t „datum"-Theorie einführen müßte; denn es wäre gewiß ganz unmöglich, etwa bei einem U n f a l l i m Ausland die Verkehrsvorschriften der lex fori anzuwenden (deutsches Rechtsfahrgebot bei einem Verkehrsunfall i n England!), sofern die Parteien vergessen, sich auf das fremde Recht zu berufen. Vgl. hierzu Beitzke, Nat. R. 293, der einen entsprechenden seerechtlichen F a l l mitteilt. 328 Flessner, Fak. K R . 570 f.

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Teil 4: Die Bewährungsprobe: Vergleich m i t den Alternativmodellen

Dritten (es wäre — ungeklärt — die nach lex fori oder „normalem" Kollisionsrecht, weil sich auch hier die Frage des anzuwendenden Rechts erst i m nächsten Prozeß entschiede) wäre planmäßig eingebaut. Das aber führte zu einer unerträglichen Relativierung der Rechtsverhältnisse: Einmal wäre das Interesse am internationalen Entscheidungseinklang — das sicherlich kein absolutes ist 3 2 9 , das man aber auch nicht ganz aus den Augen verlieren sollte — gänzlich zurückgedrängt bei nicht „abgewählter" Anwendung der lex fori; das führte zu äußerer Entscheidungsrelativität 330 . Mag man noch gewillt sein, dies hinzunehmen; auch i m Inneren wären die Rechtsverhältnisse verschieden je nach den beteiligten Parteien; Übereinstimmungen wären eher zufällig. Das könnte zu einer völlig unübersichtlichen Verschachtelung relativer Rechtslagen führen, die m i t der normalen Wirkung der Rechtskraft wenig gemein hätte und die auch von den Beteiligten kaum noch verstanden würde 3 3 1 . Wo Entscheidungen auch Rechte Dritter berühren (etwa die Erteilung des Erbscheins) 332 , ist das Kollisionsrecht „von Amts wegen" anzuwenden. Wo aber die Parteien sich vergleichen oder ein Anerkenntnisurteil gegen sich ergehen lassen können, soll auch das Kollisionsrecht wieder zu ihrer Disposition stehen, gleich ob die Rechtskraft relativ oder absol u t w i r k t . Indessen w i r d man die Frage, ob eine solche materielle Dispositionsfreiheit besteht, nach dem „berufenen" Recht beurteilen müssen; denn nur i m Vergleich m i t diesem kann sich ergeben, ob die Zulassung der lex fori „ebensogut möglich" ist. Hat man aber solche materielle Dispositionsfreiheit einmal festgestellt, genügt die Möglichkeit einer einverständlichen „materiellrechtlichen" Verweisung i m anzuwendenden Recht. Dazu w i r d es freilich nur kommen, wenn die Parteien eine solche Vereinbarung wollen. Aber nur auf ihr — i n der Tragweite unerkanntes — Nichthandeln abzustellen, liefe, wie schon bemerkt, auf eine Überrumpelung der unkundigen Partei hinaus. Darüber hinaus soll „fakultatives" Kollisionsrecht auch dort noch zugelassen werden, wo zwar zwingendes Recht anzuwenden ist — denn daraus folge noch nicht, daß das Kollisionsrecht zwingend sein müsse — und wo die Rechtskraft gegen alle wirke, wie i n Ehesachen, sofern damit lediglich die Rechtslage für und gegen jeden bindend festgestellt, 329

Oben T . 2 D I V 2. Vgl. auch Beitzke, Nat. R. 293. 331 Insofern unterscheidet sich die Situation auch grundlegend von dem Fall, daß ein streitiges Rechtsverhältnis unter den Parteien durch Prozeßvergleich geregelt w i r d ; denn bei letzterem w i r d nichts „entschieden", sondern die Beteiligten gestalten die materielle Rechtslage selbst i m Wege gegenseitiger Ubereinkunft. 332 Flessner, Fak. K R . 573. 330

C. Die Modelle i m einzelnen

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nicht aber die Rechtsposition Dritter geschützt werden solle 3 3 3 . Hier gehe es nur darum, „unerwünschte Gesetzesumgehungen" zu verhindern. Diese kämen aber lediglich i n Betracht, wenn das deutsche Recht „deutlich liberaler" sei. Das kann wieder nur auf den konkreten Fall bezogen sein. Immer wenn ζ. B. eine Scheidung nach dem Heimatrecht der Parteien i n casu 334 nicht möglich ist, wohl aber nach deutschem Recht, besteht der Verdacht einer solchen „Umgehung"; ob das fremde Recht „ i m allgemeinen" gleich streng oder liberaler ist, kann nicht interessieren. Eine „Umgehung" soll schon dann gegeben sein, wenn die Parteien wegen des Inhalts vom „an sich" anwendbaren Recht zur lex fori übergehen wollen, und nicht „der inneren Qualität des Verfahrens und des Scheidungsprozesses w i l l e n " 3 3 5 . Was bleibt aber dann noch übrig? Man w i r d jedesmal die Ergebnisse nach lex fori und „an sich" geltendem Recht vergleichen müssen. Sodann muß man feststellen (wie, bleibt ein Rätsel!), ob die Parteien „rein zufällig" i n den Genuß des scheidungsfreundlicheren Ergebnisses kommen, obwohl sie doch nur die bessere „innere Qualität" wünschten. Wollten Sie etwa das Ergebnis selbst, dann w i r d ihnen die Anwendung der lex fori versagt. Was ist das aber für eine einzigartige Regel, nach der man wohl die Anwendung eines Rechtes wünschen darf, aber nicht das Ergebnis? Und welche Parteien, von denen sich wenigstens eine scheiden lassen w i l l , werden sich beide freiwillig (d.h. ohne Überrumpelung infolge Unkenntnis!) für ein scheidungsungünstigeres Recht entscheiden? Der schon ohnehin unklare 3 3 6 Begriff der „Umgehung" w i r d hier über Gebühr strapaziert, wenn es schon genügt, das Ergebnis der (angeblich legitimen!) Rechtsanwendung zu „wollen". Welche Vorteile das ganze bringen soll — zumal i m „Interesse der Parteien" — bleibt unerfindlich. Die Lehre vom „fakultativen Kollisionsrecht" i n der vorgeschlagenen Form ist darum abzulehnen 337 . Sie ist begründet m i t einem übereilt und viel zu pauschal angenommenen, unter Mißachtung der Verhältnisse zu anderen Interessen überbewerteten „Interesse der Parteien an qualitativ hochwertiger Justiz". Die Nachteile überwiegen die mög333

Ebd. 573 - 577. — Wer diese Grenze i n der Praxis ziehen soll, ist nicht zu beneiden! 334 Flessner, Fak. K R . 576, scheint zwar mehr auf die Fälle abzustellen, i n denen die Scheidung „schlechthin ausgeschlossen i s t " ; aber das ist inkonsequent. Welchen Unterschied macht es denn, w e n n Parteien wissen, daß nach ihrem Heimatrecht eine Scheidung zwar nicht „schlechthin", aber infolge strengerer Voraussetzungen i n casu ausgeschlossen ist, u n d sie es deswegen bei der lex fori „belassen"? 335 Ebd. 575. 336 Vgl. oben T . 3 Β V. 337 Ebenso i m Ergebnis z.B. Firsching, Entw. 108; Lüderitz, A n k n . 5 1 - 5 3 ; Kegel, Ref. 152; Bucher, Grundfragen 63 Fn. 179; Lalive, Tend. 164 - 181 (insbes. 179 f.); w o h l auch Ferid, IPR Rdn. 3 - 8; Neuhaus, Grdbegr. 66.

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T e i l 4: Die Bewährungsprobe: Vergleich m i t den Alternativmodellen

liehen Vorteile bei weitem und rechtfertigen nicht den globalen Eingriff in das bestehende Kollisionsnormensystem 388 . Was bleibt, ist die Anregung, solche Interessen der Parteien in die Abwägung einzubeziehen, die sich vielleicht daraus ergeben, daß das Gericht ein fremdes Recht anzuwenden hat, und möglicherweise bei besonderen Interessenkonstellationen eine alternative auf bestimmte Rechtsordnungen (insbesondere die lex fori) beschränkte Rechtswahl zuzulassen, dies indessen innerhalb des Kollisionsrechts und nach den allgemeinen Grundsätzen für die Neubildung abweichender Normen.

D. Ausblick A m Ende unserer Betrachtungen stellen w i r noch einmal die Frage: Befindet sich das IPR „klassischer" Prägung in einer „Krise", stehen w i r am Vorabend einer „Revolution"? Für eine gewisse IPR-Verdrossenheit verbunden m i t einiger Unruhe i n der Entwicklung gibt es, wie w i r gesehen haben, mancherlei Zeugnisse (bei uns freilich wohl eher von Seiten der Theorie). Ob man hierin eine „Krise" erblickt, ist weitgehend Geschmacksache. Wenn es aber richtig ist, daß eine „Krise" durch gehäuftes Auftreten von Situationen signalisiert wird, i n denen unter dem bisherigen Konzept „häufig oder ständig . . . Probleme nicht (mehr) zu lösen sind" 3 3 9 , dann scheint es sich hier allenfalls u m eine Krise der (meist theoretischen) Handhabung des IPR-Systems zu handeln, nicht um eine Krise dieses Systems selbst. Soweit die K r i t i k am IPR trifft, t r i f f t sie darum nicht die Struktur, sondern Erscheinungsformen des „klassischen" IPR und seiner Anwendung. Sie t r i f f t das übertriebene Denken i n Bildern, Formeln und Begriffen, Begriffen die gesehen werden als etwas Vorgegebenes, und nicht i n ihrem funktionellen Zusammenhang mit den Wertungen und i n ihrer Abhängigkeit von diesen, die also Relikte einer überholten Begriffsjurisprudenz sind 3 4 0 . Sie t r i f f t den Schematismus und Konstruktivismus in der Rechtsanwendung, der oftmals nicht versucht, zu den eigentlichen rechts„politischen" Gründen der kollisionsrechtlichen A n knüpfung (und damit auch der Fragen des „allgemeinen Teils") durchzudringen und diese sichtbar und nutzbar zu machen (wie dies i m materiellen Recht meist selbstverständlich geschieht), bei dem darum häufig die Kontrollinstanz der „Vernünftigkeit des Ergebnisses" ausgeschaltet 338 Dies gilt jedenfalls für unser System. Z u ausländischen Systemen m i t auch i n Bezug auf Rechtssätze erhöhter Beibringungspflicht ist hier nicht Stellung zu nehmen. 339 Wiethölter, Begr. Int. Jur. 221. 340 Vgl. oben T. 2 D I I u n d D I I I . S. auch Wiethölter, Begr. I n t . Jur. 235 - 237.

D. Ausblick

351

bleibt. Sie t r i f f t auch die „halbseitige Blindheit", die den Blick auf den anzuknüpfenden „Sachverhalt" fixiert hält, aber vor dem anzuknüpfenden Gesetz die Augen verschließt, wodurch der Eindruck geweckt wird, auf A r t und Inhalt des berufenen Rechts komme es nicht an, es gehe nur um „technische" Regeln, arm an „sozialen Werten". Und sie t r i f f t das noch immer nicht restlos beseitigte „universalistische" Mißverständnis, das den Wörtern „ K o n f l i k t " , „Kollision" und „international" viel zu viel Bedeutung beimißt, das davon ausgeht, i m IPR gelte es, auf eigene Faust eine „internationale Zuständigkeitsordnung" aufzustellen (die als solche doch niemand sonst anerkennen würde), und das darum eine Verzerrung der Interessenbewertung zur Folge hat: die internationalen „Ordnungs"interessen (ζ. B. internationale Entscheidungsharmonie) werden über-, das weite Feld der übrigen kollisionsrechtlichen Interessen unterbewertet. Die verschiedenen Alternativvorschläge, die das IPR-System teils vollständig ersetzen, teils ihm heterogene Teilsysteme aufpfropfen wollen, führen entweder nicht weiter oder sie betreffen Möglichkeiten, die so oder ähnlich schon i m bisherigen System — und sei es latent — enthalten sind. Natürlich sind sie trotzdem meist äußerst verdienstvoll, weil sie gewisse Zusammenhänge ans Licht rücken und so auch den Anstoß geben können für neue system konforme Problemlösungen. Den Weg zu einer bestimmten Lösung abzulehnen, bedeutet keineswegs immer, die Lösung selbst abzulehnen. Nur zeigt sich, daß die elementaren Unterschiede, die gern zwischen den Alternativ-Modellen untereinander und besonders gegenüber dem herkömmlichen IPR-Modell konstruiert werden, bei näherem Hinsehen ganz verschwinden oder auf eine Gewichtsverlagerung zwischen wenigen Grundprinzipien zusammenschmelzen: etwa vom Autonomismus zum Universalismus, vom Multilateralismus zum Unilateralismus oder i n der Technik der Normfindung und -bildung. Es gilt also, das bestehende IPR-System in seiner ganzen Breite auszunutzen, all seine Möglichkeiten wahrzunehmen, es als einen dynamischen Organismus, nicht als ein statisches Gefüge zu betrachten. Die einzelnen Teile müssen gängig gemacht, die „Einheit von System und Methode" muß erkannt, akzeptiert und genutzt werden. Das Zusammenwirken von Vernünftigkeitsprüfung, Ergebniskontrolle, Rechtsauslegung, -„anpassung" und -neubildung, ohne das keine Rechtsordnung funktionstüchtig bleiben kann, gilt es auch i m IPR zu erschließen. Dann ist das IPR den jeweiligen Sachrechten nicht „blind" ausgeliefert, es kann den politischen und „politisierten" Inhalten, den „sozialen Werten" Rechnung tragen. Es setzt nicht voraus, das alle Rechte der Welt „gleichwertig" sind; es prüft erst, ob sie gleichwertig sind, und zwar

352

T e i l 4: Die Bewährungsprobe: Vergleich m i t den Alternativmodellen

gemäß einem von i h m selbst aufgestellten kollisionsrechtlichen Maßstab, und nur wenn sie dies sind, werden sie unter diesem Blickwinkel gleichbehandelt. Die „Neutralität" einer (horizontal gebündelten) IPRNorm gegenüber dem anzuwendenden Hecht ist also Resultat, nicht Axiom. Ermöglicht w i r d diese Reaktionsfähigkeit des Kollisionsrechts durch die Technik der („vertikalen" und „horizontalen") „Bündelung" von auf einzelne Sachnormen bezogenen Element-Kollisionsnormen, die jede für sich der erwähnten „Vernünftigkeitskontrolle" unterzogen und gegebenenfalls aus der Bündelung wieder herausgenommen werden können. Sie läßt eine jegliche Anknüpfung zum Gegenstand einer offenen und umfassenden (d. h. prinzipiell „topisch" unbegrenzten) Feststellung „kollisionsrechtlicher Interessen" und ihrer Bewertung werden, bei der w i r autonom, also frei von irgendwelchen universalistischen Zwängen und rechtspolitisch selbstverantwortlich sind 3 4 1 und entweder eine vorgefundene, i n einer vorhandenen Kollisionsnorm 3 4 2 „konservierte" Wertung akzeptieren oder diese unter bestimmten Umständen 343 abändern oder, falls es keine vorhandene Norm g i b t 3 4 4 , eine neue lege artis bilden. Voraussetzung ist die Erkenntnis der Äquipollenz des autonomen multilateralistischen Ansatzes beim Gesetz (der m i t dem unilateralistischen Ansatz beim eigenen „Geltungswillen" fremder Gesetze nicht verwechselt werden darf) m i t dem Ansatz beim „Sachverhalt", das Akzeptieren eines „organischen" Nebeneinanders von Kollisionsnormen jeder Entwicklungsstufe (von der IndividualKollisionsnorm bis zur klassischen horizontal und vertikal gebündelten „allseitigen" Kollisionsnorm). Nebenprodukt ist die Einsicht einer strukturellen Gleichheit von internationalem Privatrecht und internationalem öffentlichen Recht. Hier freilich stoßen w i r auf das Dilemma, das uns kürzlich Wiethölter noch einmal eindrucksvoll und eindringlich vor Augen gestellt h a t 3 4 5 : Wie bringen w i r „positives" und „richtiges" Recht i n Übereinstimmung 3 4 6 ? Wie lösen w i r das Verhältnis vom „dogmatischen" zum „ k r i tischen" Zugang zu den Problemen 3 4 7 , von „Autorität" und „ A k t i v i 341

Die wenigen u n d zweifelhaften Fälle einmal ausgenommen, i n denen eine gewisse Entscheidung vielleicht völkerrechtlich geboten ist. 342 Die natürlich auch „gewohnheitsrechtlich" sein kann. 343 Vgl. oben T. 2 D I V 4. 344 Was infolge der Fremdrechtsbezogenheit der (autonomen) Kollisionsnormen bei der Vielzahl der potentiell zu erfassenden Sachnormen der Welt u n d deren ständigen, von uns nicht beeinflußbaren Veränderungen wesentlich häufiger der F a l l sein k a n n als i m Sachrecht. 345 Wiethölter, Begr. Int. Jur. 346 Ebd. 218, 234. 347 Ebd. 224.

D. Ausblick

353

t ä t " 3 4 8 , von „Reproduktion" und „Produktion" 3 4 9 ? Wie ist die Neu- und Umbildung m i t der Gewaltenteilung vereinbar 3 5 0 ? Was ist der Inhalt von „Gerechtigkeit" und speziell „kollisionsrechtlicher Gerechtigkeit" 3 5 1 ; welches sind die Interessen und — vor allem — die Maßstäbe für ihre Bewertung, die verbindlichen Bezugsgrößen 352 ? Angesichts der Zahl ungelöster Fragen mag man wohl von einer „Krise" sprechen. Nur: es ist keine Krise gerade der IPR-Wissenschaft, m i t der w i r es zu t u n haben, es ist die allgemeine „Krise der Rechtsquellenlehre", deren Schatten auch auf das Kollisionsrecht fällt. Das ist kein Wunder: wenn w i r versuchen, die allgemeinen rechtswissenschaftlich-methodischen Möglichkeiten dem IPR zugänglich zu machen — und um nichts anderes geht es h i e r 3 5 3 —, dann müssen w i r notgedrungen alle ungelösten Zweifelsfragen mitimportieren. Aber die Rechtsordnung vermag diesen Zweifeln zum Trotz zu existieren und zu funktionieren, und sie führt i m allgemeinen zu Ergebnissen, die als „gerecht" zu „befriedigen" i n der Lage sind. Und so werden w i r uns auch i m IPR auf unbestimmte Zeit damit abzufinden haben, daß „Methode" letztlich bedeutet: „praktische ,Kunst' und ,Vernunft', die sich nicht durch feste ,Regeln' ermitteln, vermitteln läßt, sondern vor allem auf Erfahrung und praktische Urteilskraft sich stützt" 3 5 4 , daß letztlich i n einem „selbstreflexiven" System die Praxis der Juristen die „Legitimation von Praxis selbst" wird355. Bleibt nun das IPR-System als solches bedroht? Wiethölter sieht die wissenschaftliche Revolution i n einem Paradigma-Wechsel, i n einem grundlegenden Wechsel also der „eine jeweilige Forschergemeinschaft . . . beherrschende [n] Grundmuster ihrer Theoriekonzepte, Arbeitsweisen, Wertorientierungen, Dogmatikkategorien, Problemeinschätzungen, praktischen Entscheidungsorientierungen" 356 . Die Vielschichtigkeit dieses Begriffes läßt schon vermuten, daß die Frage, ob nun ein Wechsel eingetreten ist oder nur eine „Verschiebung" einzelner Elemente, die ja auch i n Bewegung sind, kaum je m i t Sicherheit zu beantworten sein wird.

348

Ebd. 235. Ebd. 238. Vgl. auch Esser, Vorverst. 73. 350 Wiethölter, Begr. I n t . Jur. 231 f. 351 Ebd. 213 f. Vgl. auch Braga , Kodif. 434 f. 352 Wiethölter, Betr. I n t . Jur. 242, 249. 353 v g l insoweit schon Cavers, Crit. 208. 349

364 355 356

Wiethölter, Ebd. 255. Wiethölter,

23 Schurig

Begr. I n t . Jur. 237. Begr. Int. Jur. 220 (nach Th. Kuhn).

354

T e i l 4: Die Bewährungsprobe: Vergleich m i t den Alternativmodellen

Man w i r d unterscheiden müssen zwischen einem möglichen „Paradigma"-Wechsel der gesamten Hechtswissenschaft und einem solchen der IPR-Wissenschaft. Was die Rechtswissenschaft als solche betrifft, so mögen sich i n Teilbereichen, besonders i n denen des Privatrechts, größere Veränderungen ergeben oder anbahnen. Wie weit sich generell eine „Ablösung einer von Normen gesteuerten Fall-Entscheidungs-Praxis durch . . . organisierte Problemlösungsinstitutionen" 8 5 7 feststellen läßt, sei dahingestellt. Sollte es wirklich einmal keine (Sach-)Normen auf der Welt mehr geben, w i r d auch kein IPR mehr existieren (schon deshalb, weil der Tatbestand der IPR-Normen nicht mehr erfüllt werden könnte). Doch das ist Utopie. Einstweilen werden noch überall Normen gebraucht, auch wenn sie nur zum Ausgangspunkt für Problemlösungen genommen werden sollten; und aus den Problemlösungen entstehen neue „Normen" 3 5 8 . Solange aber überhaupt noch „Normen" auf der Welt vorhanden sind, die „angewandt" werden (was immer man darunter genau versteht), und diese Normen sich von Staat zu Staat unterscheiden, solange braucht man ein IPR, das einem sagt, welche dieser Normen heranzuziehen sei 3 5 9 . Einer möglichen „Politisierung" 3 6 0 dieser Normen kann ja durchaus von unserem Kollisionsrecht Rechnung getragen werden, eben w e i l die internationale Gleichwertigkeit und Austauschbarkeit kein A x i o m ist. Ohnehin wäre hierin kein „Paradigma"-Wechsel zu erblicken, denn schon „Begriffs-" und „Interessenjurisprudenz" waren und sind „politische Jurisprudenz" 3 6 1 . Bleibt die Alternative eines auf das IPR beschränkten „Paradigma"Wechsels. U m ihn überhaupt i n den Bereich des Möglichen zu rücken, w i r d uns zunächst abermals bereits Savignys Ansatzwechsel als eine solche „revolutionäre Kehrtwendung", als „revolutionärer Großumbau" präsentiert 3 6 2 (daß diese Beurteilung nicht zutrifft, haben w i r versucht darzulegen) 363 . Ob indessen wirklich ein „erneuter" Paradigmawechsel 357

Ebd. 258. Auch die vier Punkte Wiethölters (Begr. I n t . Jur. 255) schließen dies nicht aus. 359 Oben T. 2 AI. 3βο w a s i m m e r m a n darunter i m einzelnen versteht; der Begriff des „ P o l i tischen" i m Recht ist keineswegs fest umrissen; vgl. Zöllner, R. u. Pol. 131 bis 139. 358

361 Wiethölter, Begr. I n t . Jur. 236, 235; vgl. auch Esser, Vorverst. 84, 197: „ A l l e Interpretation [ist] m i t politischer Entscheidung verbunden", was nicht bedeutet, „daß politische Entscheidungen ihrerseits m i t M i t t e l n der Rechtsprechung getroffen werden können". Einschränkend Zöllner, R. u. Pol. 3β2 Vergleichbar m i t der W i r k u n g von Kopernikus, Kant, L u t h e r ; das Bemühen u m Verfeinerung des Systems ist „permanente Revolution" (Wiethölter, Begr. I n t . Jur. 244 f.).

D. Ausblick

355

bevorsteht (oder schon i m Gange ist), vermag uns anscheinend niemand zu sagen 364 . Es fehlen offenbar alle Anzeichen. I m „Spanier-Fall" jedenfalls „lagen Probleme von Paradigma-Wechsel-Qualität gar nicht a n " 8 6 5 . A l l e i n die zunehmende Verwendung der weithin überschätzten „Sonderanknüpfung" ist sicherlich zu dürftig, einen „Paradigma-Wechsel" zu signalisieren 366 . Der systemfremde Ansatz beim „eigenen Geltungswillen" w i r d ja sofort wieder durch systemkonforme (allseitige, d. h. autonome) Zusatzeinschränkungen zurückgenommen, so daß man ebensogut die herkömmliche Reihenfolge einhalten könnte 3 6 7 . Überhaupt hat die Nutzbarmachung bisher vielleicht latenter systemimmanenter Möglichkeiten zur Lösung von Problemen gewiß nicht die Qualität eines „ Par adigma-Wechsels ". Wie steht es aber m i t den vielbeschworenen „Politisierungstendenzen" i m IPR 3 6 8 ? Richtig verstanden bietet das IPR alle Handhabe, jedes „ i n Frage kommende", als „erheblich" zu wertende kollisionsrechtliche Interesse i n Betracht zu ziehen — besonders auch diejenigen, die durch Inhalt und Charakter der Sachnorm impliziert werden — und zur Grundlage der (kollisions)rechts„politischen" Entscheidung zu machen. Dieser „politische" Charakter des Kollisionsrechts ist nichts Neues 369 ; es handelt sich nur u m eine (für manche provozierende) andere Bezeichnung für das „autonome" (d. h. i n eigener rechtspolitischer Verantwortung stehende) Ringen des Staates und seiner Entscheidungsinstanzen u m die Verwirklichung einer wahren und umfassenden „kollisionsrechtlichen Gerechtigkeit" — das vielleicht i n der Vergangenheit mancherorts etwas zu kurz gekommen ist. 363 Oben T. 2 Β I I , B i l l : Es handelt sich nicht u m eine „Revolution", u m keine „Kehrtwendung", sondern u m ein „Weitergehen", einen entscheidenden Schritt zum heutigen I P R zwar, aber keineswegs u m den einzigen entscheidenden. 364 Vgl. Wiethölter, Begr. I n t . Jur. 255 - 258. — Weniger zurückhaltend i n dessen Jessurun d'Oliveira, Ruïne 30: „ H e t savigniaanse paradigma heeft afgedaan". 365 Wiethölter, Begr. I n t . Jur. 252. 366 Anders w o h l Joerges, Funktionswandel, der Currie's neuem Ansatzwechsel „die gleiche Stringenz" w i e Savignys Ansatzwechsel bescheinigt (152) u n d meint, das neue IPR-Verständnis werde sich „allenfalls vorübergehend abwehren lassen" (154). Zurückhaltender aber w o h l ders., Bespr. Lorenz 578. 367 Oben C I I I 3. 368 Vgl. warnend Neuhaus, Wege 403 - 407, 414. Zustimmend Rehbinder, Polit, u n d die sog. „politische Schule", die indessen unter „Politisierung" meist einseitig die (abzulehnende) H i n w e n d u n g zu den „Rechtsanwendungsansprüchen" der einzelnen Staaten u n d deren Berücksichtigung i m Sinne einer „Neo-Comitas" versteht. Hiergegen oben C I I , C I I I 3. 369 Z u m Verhältnis v o n juristischem u n d rechts„politischem" Denken a l l gemein Kriele, Theorie 195 - 197; ferner (kritisch) Zöllner, R. u. Pol.

23*

356

T e i l 4: Die Bewährungsprobe: Vergleich m i t den Alternativmodellen

Somit erweist sich unser heutiges IPR-System „klassischer" Prägung als durchaus lebensfähig und — bei richtiger Handhabung — von erstaunlicher Anpassungsfähigkeit. Als „offenes" und „bewegliches" System bietet es alle — wenn auch zum Teil noch nicht voll erkannten — erforderlichen Mittel, u m die „kollisionsrechtlichen" Probleme von heute und von morgen zufriedenstellend, d. h. „gerecht", zu lösen.

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Sachregister* Ad-hoc-Kollisionsnorm 254, 307 15β Alternativentest 61 f., 64, 106, 232, 247, 318 f. Alternative Hechtsanwendung s. Anknüpfungshäufung Anerkennung — ausländischer Entscheidungen u n d A k t e 164, 192, 195 — fremder Rechtsordnungen 53 f., 60 Angleichung 214, 234 - 240, 255, 333 — kollisionsrechtliche 238 — materiellrechtliche 238, 288 A n k n ü p f u n g 79 f., 97, 230, 233, 241, 257, 307 — besondere 323, 330 (s. a. Sonderanknüpfung) — sachrechtliche s. räumlich verknüpfte Sachnormen — s. a. „flüchtige" A n k n ü p f u n g Anknüpfungsbegriffe 226 - 229 Anknüpfungsgegenstand 226 Anknüpfungshäufung 100 f., 186, 204 209, 211 -213, 257, 259-262, 286, 309 - 312, 321, 326, 328 f. — alternative 101, 205 f., 208, 213, 246 137 , 345 — k u m u l a t i v e 40, 196 f., 205 f., 208, 213, 259 - 262, 266 f., 330 Anknüpfungsmoment 85, 87 f., 253 — s. a. Anknüpfungsbegriffe Anpassung s. Angleichung Ansatz (methodischer) 40, 82, 89 - 94, 102, 107, 109 f., 1141, 115-117, 137, 216 f., 274, 285, 300-302, 3201, 323 f., 326 - 328, 338, 352 Ansehen der Rechtsordnung 244 Anwendungswille 68, 90 - 92, 95, 109 111, 114, 147, 159, 189, 193, 194 e54 , 282 f., 289, 294, 324, 327 - 329 Aprioristen s. Autonomismus A u f b a u der Kollisionsnorm 78 - 89 Aufenthaltsprinzip 227 f. Auslandssachverhalt 154, 164, 214, 229 -232, 237, 242, 255, 288, 313, 333 - 335 Auslegung 62, 225 41 — des Sachrechts 155 491 , 315

A u s w a h l f u n k t i o n 87, 230 Ausweichklausel (kollisionsrechtliche) 46 - 48, 201, 336, 338 - 342 A u t o l i m i t i e r t e Sachnormen (lois d'application immédiate) 37 - 39, 60, 106, 140, 141 437 , 188 e32 , 192, 195 f., 233 81 , 246, 249, 278, 317 - 322, 336 Autonomismus 121 - 131, 134, 137 f., 158, 162, 188 - 192, 218, 274, 277, 289, 293, 314, 351 Bedingte Verweisung s. Verweisung Begriffs jurisprudenz 113, 115, 171 542 » 546 , 176, 177 575 , 279 f., 350 Begriffsreiterei 19 f., 279 - 281 Beharrungsinteresse s. Kontinuitätsinteresse (allgemeines) „Besseres" Recht 24, 26, 28 f., 97, 135 415 , 233, 309 - 312, 336 Better L a w s. „besseres" Recht „ B l i n d h e i t " des Kollisionsrechts 21 f., 284 - 287 Bündelung 93, 101, 102- 106, 1071, 113, 138, 147, 160, 167 - 169, 1731, 181, 183, 194, 2101, 219, 222-225, 247 f., 249, 276 f., 278, 280 f., 285 f., 321, 330 257 , 337 f., 352 — horizontale 105 f., 107, 275 f. — vertikale 102 - 104, 107 „Burckhardt'sches Paradox" 174 501 „Choice-influencing considerations" 26 Comitas 53, 118, 124 — Neo-Comitas 140, 303, 324 Currie 23 - 25, 189, 297 - 308, 324 236 „ D a t u m " - L e h r e 33, 312 f., 347 327 Deliktsstatut 99, 203, 207, 299 Dépeçage 104 242 , 186 Differenzierung s. Verfeinerung des IPR Distributive Rechtsanwendung 206 Domicil(e) 229 „ D r i t t e Schule" 130 - 134, 137 f.

* Bei umfangreicheren Angaben sind Schwerpunkte durch Kursivdruck hervorgehoben.

Sachregister Ehrenzweig 32 - 34, 312 - 316 Eingriffsnormen 39 -41, 62, 142, 168, 325 Einheitsrecht 43, 57, 232 - 234, 332 Einseitige Kollisionsnormen 29, 93, 105, 145 f., 151, 155, 160, 167 f., 169, 193, 196, 282 f., 298, 321 Element-Kollisionsnormen 93 f., 97 f., 99 2 1 9 , 102, 105, 107, 113, 138, 147, 149, 160, 194, 223 - 225, 285, 328, 337 f. Enteignungen 142, 164 f., 284 Entscheidungseinklang — äußerer 67, 120, 190 f., 227, 284, 286 e4 , 291, 293 f., 337, 351 — innerer 190 f. Entscheidungsharmonie s. Entscheidungseinklang Ergänzungsfunktion 87 Exklusivnormen 209

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Grundrechte i m IPR 47, 214, 263 - 269, 339 Grundrechts-Kollisionsrecht 267 f. Härteklausel s. Ausweichklausel Hermeneutischer Z i r k e l 178 581 Hilfsanknüpfungen 228 Höherrangigkeit des IPR 65, 69 f., 72, 83, 95, 111 — s. a. Überrecht; Zuständigkeitsordnung (IPR als)

Imperatives Element der N o r m 54, 70 - 72, 91 1 8 8 Interessen 139, 163, 179, 184, 353 — kollisionsrechtliche (internationalprivatrechtliche) 59 f., 66 f., 96 100, 1031, 107, 127, 134 - 136, 137, 155 f., 160, 165, 173, 183, 184 - 188, 190 f., 195, 200, 210 f., 216, 222 - 225, 227, 237 f., 245, 256, 260, 265, 278 „Fakultatives" Kollisionsrecht 49 f., 281, 282 -287, 295, 297 f., 308, 310, 343 - 350 315, 340 False conflict 24, 26 — sachrechtliche (materiellrechtliche) „Flüchtige" A n k n ü p f u n g 202 - 204 100 f., 207 f., 211, 250, 298, 315 Fremdenrecht 229 - 232, 333 Interessenjurisprudenz 96 2 0 5 , 117 f., Fremdrechtsbezogenheit des IPR 130, 136, 171 548 , 177 575 , 186, 279, 280 40 , 281 132 f., 138, 175, 210 - 213, 224, 352 344 Interessenschwund 200 - 204, 245 „Funktionelle Verdoppelung" 65 f., Interlokales Recht 55 22 , 61, 74 112 , 259 20 * 122 318 , 124 320 , 189 β3β , 289 Internationale Sachverhalte 22 f., 42 Funktionsabgrenzung IPR-Sachrecht 45, 229, 231, 232 f., 287 f., 332 - 335 58 - 64, 230 — s. a. Auslandssachverhalt Funktionswandel des Privatrechts Internationales Enteignungsrecht 18 f., 276 - 279, 327, 338 s. Enteignungen Internationales öffentliches Recht 16, 17, 45, 136, 138 - 166, 254, 279, 326, Gegenstand 338, 352 — der Qualifikation 79 12β , 99 219 , 224 3β Internationales Verfahrensrecht (im — des IPR 78 f. öffentlichen Recht) 155, 160 - 165 — der Kollisionsnorm 80, 83 Internationales Verwaltungsrecht s. Geltung 71, 72 1 0 5 , 85 internationales öffentliches Recht Geltungswille s. Anwendungswille Internationale Zuständigkeit 143, 146, Gerechtigkeit 154 f., 160, 161, 163 - 165, 166, 316 — internationalprivatrechtliche (kolInternationalismus s. Universalismus lisionsrechtliche) 46 f., 59 f., 122, 134 - 136, 190, 214, 252, 282 f., 286 64 , Internationalprivatrechtliche Gerechtigkeit s. Gerechtigkeit 295, 353 Internationalprivatrechtliche I n t e r — materiellrechtliche 21 f., 47, 135, essen s. Interessen 214, 250, 252, 284 - 287, 336 Interpersonales Recht 55 22 , 61, 74 1 1 2 Gesetzesharmonie s. EntscheidungsIntertemporales Recht 55 22 , 61, 74 1 1 2 , einklang 258 Gesetzesumgehung s. Umgehung Gleichberechtigung 212, 265 Judiz 178, 183, 226 Gleichheitssatz 56 f., 168, 200, 209, 310 Juristischer Solipsismus 52, 56, 143, — s. a. Gleichberechtigung 151 Governmental interests 23 - 25, 141 43β , 189, 297 - 307, 324 K a h n 36, 81, 123 - 131 — Abwägungsverbot 306 f., 308 „Grauzone" zum öffentlichen Recht Kegel'sche Leiter s. Hilfsanknüpfun19, 139, 149, 168, 174, 197, 279 gen

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Sachregister

Kollision 68 f., 284, 324, 351 — s. a. K o n f l i k t Kollisionsgrundnormen 73 - 77, 84, 94 200 , 106, 110, 124 32e , 137, 158 f., 193, 290, 294, 323 Kollisionsnormen des öffentlichen Rechts s. internationales öffentliches Recht Kollisionsnormen des ordre public 106, 253 Kollisionsrechtliche Frage 54 f., 68 Kollisionsrechtliche Interessen s. Interessen Kollisionsrechtliches Trägheitsprinzip s. Trägheitsprinzip i m Kollisionsrecht Kompetenzen s. Zuständigkeitsordnung (IPR als) K o n f l i k t 31, 34, 77, 291 - 294, 296 102 , 302, 306 f., 308, 314 190 , 324, 351 — s. a. false conflict; nonconflict cases; Kollision Kontinuitätsinteresse (allgemeines) 186, 199 - 204, 211, 245, 330, 341 Krise — des IPR 350 — der Rechtsquellenlehre 281, 353 K u m u l a t i v e Rechtsanwendung s. Anknüpfungshäufung Lebensverhältnis 79, 82 f., 91 f. Lex fori 73, 118, 125, 130, 158, 161 f., 209, 217 11 , 218 f., 233, 252 f., 313 f. Lex-f ori-System 32 - 34, 312 - 316 Liberalismus 271 f. Lois d'application immédiate s. autolimitierte Sachnormen Lois politiques 144 445 Manipulierbarkeit des IPR 19 f., 279 281 M a x i m e n 23 - 29, 134 f., 206, 293, 296 312 Mehrfachanknüpfung s. A n k n ü p fungshäufung Methodenpluralismus 45 f., 90 f., 192, 223 232 , 336 - 338 „Most significant relationship" 27 Näherberechtigung 192, 194 Nationalismus (nationale Schule) s. Autonomismus Negativnorm 86 f., 94, 254 Neo-Comitas s. Comitas New L a w Merchant 43, 332 Nichtanwendung fremden öffentlichen Rechts 142 - 145, 148 Nichtdurchsetzbarkeit fremder öffentlichrechtlicher Ansprüche 163 Niederländische Schule 53

„Nonconflict cases" 34, 314 Normenhäufung s. Normenwiderspruch Normenmangel s. Normenwiderspruch Normenwiderspruch 221, 235 02 , 239, 261209 Notwendigkeit des IPR 5 1 - 5 7 Offenes System 27, 170 - 176, 224, 236, 269, 281, 285, 295, 305, 338 öffentliches Recht 276 - 279, 325 — fremdes 142 - 166 — s. a. „Grauzone" zum öffentlichen Recht; internationales öffentliches Recht öffentlichrechtliche Ansprüche s. Nichtdurchsetzbarkeit fremder öffentlichrechtlicher Ansprüche „Operatives" Denken 178, 225, 236, 245 f. 263 340 Ordre public 14, 15, 31, 33, 119, 126 339 , 135, 168, 190, 194 654 , 214, 240 111 , 241 f., 245, 248 -263, 2641, 267 269, 278, 280, 2861, 291, 311, 3391 — „ a k t i v e r " 162 — fremder 262 — Gegenwartsbezug 250, 258 — internationaler 36, 251 168 , 254 181 — Inlandsbeziehung 250, 253, 257 — negativer 34, 36 f., 248, 249 - 251, 253 f. — positiver 37, 248, 251, 253 f. — Relativität 250, 258, 265 f. Ordre-public-Gesetze 34 - 37, 120, 126, 129 f., 131, 192, 195 f., 316 f., 318 österreichisches IPR-Gesetz 46 2 0 8 , 342 Paradigma 353 - 355 Personalität 112, 115, 117, 123, 126 Policies 21, 24, 298, 314 f. Politisierung — des IPR 284 56 , 324 235 , 355 — des Privatrechts 18 f., 273 f., 276 279, 325, 338, 351, 354 — s. a. Funktionswandel des P r i v a t rechts Positivismus 118, 125 — s. a. Autonomismus „Principles of preference" 26, 308 Problemdenken s. Systemdenken und Problemdenken Prohibitivgesetze s. Ordre-publicGesetze Qualifikation 20, 31, 93, 99, 105, 131 133, 134, 174, 183 f., 187, 188 630 , 210, 214, 215 -226, 237, 275, 2801, 285, 291 — autonome 133, 215, 218, 220 - 222

Sachregister — internationalprivatrechtliche 215 f., 222 — lex causae 215, 220 - 222 — lex fori 133, 217 -220 — rechtsvergleichende 215, 220, 223 — s. a. Stufenqualifikation

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Sachverhalte m i t Auslandsberührung s. Auslandssachverhalt Savigny 16 f., 35, 108, 115 - 120, 1361, 149, 250, 271 - 274, 277 Scheinbegründungen 20, 279 - 281, 305 Schiedsrichterfunktion des IPR 67 f., 95, 189, 191, 289, 292 Schutznormen 41, 62, 168, 209 715 , 330 258 Rabel 131 - 134, 222 Schwächeres Recht 206 Rationales Element der N o r m 54, 70 Schweizerischer I P R - E n t w u r f 41 164 , 72, 95 48, 341 f. Räumlich verknüpfte (begrenzte) Sonderanknüpfung 39 - 41, 140, 141 438 , Sachnormen 38, 58 - 64, 106, 143, 153, 189 637 , 192, 197, 293, 322 - 330, 159, 194 654 , 230, 233, 247, 318 f., 329 336, 340, 355 Rechtsanwendungsinteressen (staatliche) 21, 96 20β , 192, 282- 284, 306, — s. a. Anknüpfung, besondere Sonderkollisionsnorm 167 308 Souveränität 29, 53, 72 l o e , 91 188 , 125, — s. a. Anwendungswille; govern162 f., 189 f., 288 f. mental interests; Interessen „Spatialnormen" 30 f., 116 283 , 292 Rechtsanwendungswille s. A n w e n Staatsangehörigkeitsprinzip 200, 227 dungswille Staatsangehörigkeitsrecht, internatioRechtsfindung 176 f., 351 nales 158 f., 227 Rechtsfolge 84 f., 88 Statut 102 - 104, 113, 186, 210, 215 Rechtsprinzipien 252, 256, 259 f., 264 Statutenlehre 79, 109 - 115, 124, 137, 269 140, 156, 272, 320, 322 — s. a. Wertungsprinzipien; Verfas— „moderne" 123 sungsprinzipien Stufenqualifikation 216-218 Rechtssicherheit 23, 171 f., 178 f., 197, Subsumtion 88, 170, 177, 285 199, 202, 305, 310, 335, 337 Superlaw s. Überrecht Rechtsvergleichende Methode Systembegriffe 104 f., 215, 218 - 220 130 - 134 Systembildung i m IPR 166 - 170, 171, Rechtsvergleichung 129, 134, 219, 222 f. 181 Rechtsverhältnis 79 f., 81, 128, 274 f. Renvoi 31, 33, 39, 73 - 76, 92, 109 25β , Systemdenken und Problemdenken 172,176 - 184 159, 192 - 194, 216®, 217 12 , 262, 283, 291, 294, 318 f., 323, 329 Tatbestand 78, 84 f., 241 Res i n transitu 202 Tatbestandssimulation 241 Restatement 27, 342 308 Territorialität 71 f., 112 f., 115, 117, „Result-selecting method" 26 123, 126, 152 478 , 230, 317 Richterrecht 173 555 , 180 f., 198 Topik 176, 179, 183, 283 „Richtliniencharakter" der KollisionsTrägheitsprinzip i m Kollisionsrecht norm 201 197 - 204, 211, 245, 341 f., 345 Romanische Schule 35 f. „Rückkopplung" von Interessen 186, Überrecht 33, 65 f., 68 81 , 121, 123, 130, 199 188, 291, 314 Rück- und Weiterverweisung s. renvoi — s.a. Völkerrecht; Zuständigkeitsordnung (IPR als) Umgehung 33, 93 1 9 7 , 214, 240 - 246, 349 Sachliches Kollisionsrecht 59 4e Unanwendbarkeit fremden öffentliSachnormen (Inhalt) 98 - 102, 173, 175, chen Rechts s. Nichtanwendung 183, 187, 194, 205, 207 -209, 210fremden öffentlichen Rechts 213, 224, 237 f., 261, 297 -300, 315 Unaufrichtigkeit des IPR 191, 279 — s. a. räumlich verknüpfte (be281 grenzte) Sachnormen; Sachnormen i m IPR Unfertigkeit des IPR-Systems 175 566 , 182, 286 Sachnormen i m IPR 42 - 45, 186 622 , 214, 239 f., 2541, 285 - 287, 302 131 , Unilateralismus 29 - 32, 57 3δ , 65 f., 75 331 - 335, 336 78, 901, 95, 106, 109 - 114, 140, 147, Sachnormen m i t „eigenem" A n w e n 1581, 189, 192 - 197, 221, 2821, dungsbereich 214, 246 - 248 288 - 296, 298, 301 - 304, 308, 320, — s. a. autolimitierte Sachnormen 323 - 330, 338, 351

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Sachregister

— partieller 75, 192 - 197, 293, 320 Universalismus 65 f., 77, 110 -115, 118- 120, 121 - 130, 137, 188 - 192, 289-291, 293, 303, 306, 314, 316 f., 324 351 — stellvertretender 122 318 , 189, 289, 314, 344 Unvollkommen allseitige Kollisionsnormen 106, 147, 167 530 , 1681, 196 USA 19 f., 23 - 29, 32 - 34, 296 - 316 Vereinheitlichung des Kollisionsrechts 191 642 Verfassung s. Grundrechte; Verfassungsprinzipien Verfassungsprinzipien 264 - 269 — fremde 269 Verfeinerung des IPR 117, 126, 132, 136, 200, 225, 278, 286 Verweisung — alternative s. Anknüpfungshäufung — bedingte 76 1 2 2 , 194, 329 f. — gezielte 76 f., 147, 158 f., 169, 193, 195 f., 294

— kumulative s. Anknüpfungshäufung — ungezielte 76 f., 193 Völkerrecht 52, 65, 111 f., 117, 121 124, 158, 288 f., 324, 352 341 — s. a. Universalismus Vorfrage 33, 190, 227, 292 — öffentlichrechtliche 138, 144, 153 f. Vorstaatliches Privatrechtsmodell 17 f., 81, 138, 148 f., 150, 271 - 276 Wertungsjurisprudenz 96 2 0 5 , 186 Wertungsprinzipien (Wertprinzipien) 170, 259 f., 280 — s. a. Rechtsprinzipien; Verfassungsprinzipien Wohlerworbene Rechte 74 1 1 0 , 192, 196 f. Wohnsitz 227 f. — s. a. Aufenthaltsprinzip Zuständigkeitsordnung (IPR als) 29, 65, 69, 111, 121 1, 143 444 , 188, 190, 289 f. — s. a. Höherrangigkeit des I P R ; Überrecht