Die freiheitlich demokratische Grundordnung: Eine rechtswissenschaftliche Grundsatztheorie zu Struktur und Inhalt des »Ewigkeitskerns des Grundgesetzes« [1 ed.] 9783428587094, 9783428187096

Die freiheitlich demokratische Grundordnung (FDGO) soll seit Entstehung des Grundgesetzes dessen innersten Kern identifi

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Die freiheitlich demokratische Grundordnung: Eine rechtswissenschaftliche Grundsatztheorie zu Struktur und Inhalt des »Ewigkeitskerns des Grundgesetzes« [1 ed.]
 9783428587094, 9783428187096

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Schriften zur Rechtstheorie Band 306

Die freiheitlich demokratische Grundordnung Eine rechtswissenschaftliche Grundsatztheorie zu Struktur und Inhalt des „Ewigkeitskerns des Grundgesetzes“

Von

Matthias Fahrner

Duncker & Humblot · Berlin

MATTHIAS FAHRNER

Die freiheitlich demokratische Grundordnung

Schriften zur Rechtstheorie Band 306

Die freiheitlich demokratische Grundordnung Eine rechtswissenschaftliche Grundsatztheorie zu Struktur und Inhalt des „Ewigkeitskerns des Grundgesetzes“

Von

Matthias Fahrner

Duncker & Humblot · Berlin

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

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© 2023 Duncker & Humblot GmbH, Berlin

Satz: TextFormA(r)t, Daniela Weiland, Göttingen Druck: CPI books GmbH, Leck ISSN 0582-0472 ISBN 978-3-428-18709-6 (Print) ISBN 978-3-428-58709-4 (E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706 Internet: http://www.duncker-humblot.de

Für Hans Jörg in lebenslanger tiefster Dankbarkeit Unser kostbares Erbe, – das wir nur hoffen können weiterzugeben – bleibt das größte, wahrhaftige Geschenk unserer Väter nie ermüdet, nie bezweifelt, nie verletzt, glückliches Werden in Güte und Geborgenheit, Freude geteilt am Wissen und an der Welt, unsterblich die moralische Kraft des Beispiels.

Vorwort That government of the people, by the people, for the people, shall not perish from the earth (Lincoln, 1863)

Die berühmte Gettysburg-Ansprache Abraham Lincolns über den Gräbern der in der wohl – zumindest im Gedenken – bedeutendsten Schlacht des US-Bürgerkriegs Gefallenen, transformiert den Gedanken individueller Unsterblichkeit auf das Gemeinwesen. Lincoln nimmt mit bekanntem amerikanischen Pathos Bezug auf das Evangelium nach Johannes 3, 16: „ut omnis qui credit in eum, non pereat, sed habeat vitam æternam.“. Die Schlüsselstelle christlichen Glaubens und Verheißung wird im Englischen übersetzt als „that whoever believes in him shall not perish, but have eternal life“. Ist es dort das (zutiefst innere christliche) Hoffen auf die Erlösung und Ewigkeit der eigenen bewussten Seele, lenkt die Rede den – nur historisch rein christlichen – Blick auf die Institution der freien Demokratie. Nicht umsonst wird der normative (Selbst-)Schutz des Verfassungskerns auch als „Ewigkeitsgarantie“ umschrieben. Menschliches Wesen ist bestimmt durch die Selbsterkenntnis der eigenen Vergänglichkeit. Der Geist sucht dagegen den Trost in Kontemplation wie Aktion vor Not, Unsinn wie Gewöhnlichkeit – in der Hoffnung auf transzendierendes Dauerhaftes gegen sinnloses Vergehen. Die Bezugsobjekte sind vielfältig: Der Glaube an unsterbliches „jenseitiges“ Leben und Wesen, ewige Reiche, eine unvergängliche Nation und einen Volksgeist, oder aber dauerhaft geschaffene Ideen und Menschheitskultur. Totalitäre politische Systeme und Ideologien sind damit in uniformierter Hybris bestimmt. Den Versuchungen, zu simpel an irgendetwas Stabiles, Dauerhaftes, Unzerstörbares zu glauben, einen Fixpunkt, der nicht beständig (zer-)fließt, unterliegen aber gerne auch andere, die nach Freiheit, Gerechtigkeit, Solidarität und tatsächlich Glück streben: Menschen träumen seit jeher von einer „ewigen guten Verfassung“ – in jüngeren Republiken, die noch nicht einmal 250 oder 75 Jahre alt sind, nicht anders als in einem (bei weitem nicht) tausendjährigen antiken republikanischen Rom. Über allem steht jenes menschlich-gemeine unvergängliche „memento mori – vergiss nicht, dass du sterblich bist“. Unsere Tage dominiert – einmal wieder, einmal mehr nach kurzen Blütezeiten der Menschenrechte und Kooperation – der Wahn einzelner Führer und ihrer willigen Helferinnen und Helfer nach unsterblichem Ruhm für irgendeine Ideologie nicht nur überschaubare Erdregionen, sondern in ihren Folgen die gesamte Welt. Am sichtbarsten ist der aktuelle Aggressionskrieg gegen die Ukraine, der bereits

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Vorwort

zahllose Menschen ermordet und vergewaltigt hat. Er macht Millionen Individuen auf allen Seiten zum Opfer, ob in der Ukraine, im russischen Machtgebiet oder mit seinen Hungerfolgen in Afrika und der Welt insgesamt. Die Menschen verachtende und zerstörende Expansion der erneuerten russischen Autokratie erreicht (kontinuierlich seit den Tschetschenienkriegen ab August 1999) in den jüngsten Übergriffen Dimensionen, die trotz den zahllosen Kriegen weltweit und den ­Jugoslawienkriegen vor Ort in Europa vergessen und verdrängt schienen. Nur von daher überfällt uns der Feind mitten im Frieden, kann sich die Frage stellen, den Krieg oder den Frieden nicht genügend vorbereitet zu haben. Indes: Wir sind nicht einmal mehr nur Zeitzeugen eines europäischen Bürgerkriegs, von universeller menschenrechtlich-individueller Freiheit gegen losgesagte Verteidigung kollektiver Kultur und Identitätszuschreibung. Stattdessen erkennen wir als Rechtsgemeinschaft der Völker zwingend strafbare Verbrechen gegen unsere Menschlichkeit und Menschheit. Allein dies ist eine mit dem vorliegenden Thema eng verbundene, über Auschwitz und so vielen Orten der Shoa und anderen Genozids so unendlich teuer erkaufte (buchstäbliche) Errungenschaft. Sie ist besonders verkörpert im Internationalen Strafgerichtshof, der allein für Frieden mit den Menschheitsfeinden sorgen kann. An seiner Ausgestaltung durfte der Autor als junger Praktikant der Vereinten Nationen unter vielem in der Organisation der Weltgemeinschaft teilnehmen und darf an die Freundschaften über die Völker, Ethnien, Staaten und Ideen hinweg auch heute noch stets dankbar zurückdenken. Sie fiel in die Pause auf dem ersten Weg ins politische Berlin als Büroleiter zwischen Ministerium und Bundestag, während er seine Dissertation zu den historischen Prozessen der Friedensschaffung durch Staat und Strafrecht an der Wende des Mittelalters zur Neuzeit anfertigte. Seitdem haben so viele unterschiedlichste Begegnungen weltweit, darunter auch mit zahllosen befreundeten Juristinnen und Juristen, etwa in Lateinamerika sowie in Europa, namentlich in der European Association of Judges and Public Pro­ secutors MEDEL gezeigt, wie gemeinsam unser Blick ist, wie sehr, in den Worten der ermordeten Abgeordneten Jo Cox „We are far more united and have far more in common with each other than things that divide us“. All unser Bestreben als Rechtgebende und -suchende muss darauf gehen, dass Frieden und Gerechtigkeit sich küssen, Menschen frei und mit dem eigenen Streben nach Glück friedlich untereinander leben können. Wir erleben jeden Tag dabei unsere Grenzen, und Sisyphus ist nicht immer ein glücklicher Mensch. Aus diesem Blick bleibt auch in den aktuellen Angriffskriegen festzuhalten: Nur eine Seite erstrebt von Ciceros Erkenntnis zu Carl Schmitts Forderung, dass zwischen den Waffen auch die Gesetze, die Wahrheit und das Leben schweigen. Die andere sucht das gemeinsame Recht als Friedensordnung, nicht als kantianischzynisches Hinweisschild auf einem Friedhof einer verstrahlten oder verseuchten unbewohnbaren Welt, sondern im Blick der Lebenden über die Gräber der Weltkriege hinaus. Erneut werden jedoch auf unterschiedlichsten Ebenen hybrider

Vorwort

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Kriegsführung in kaum gekannter Intensität die „kollektive Autonomie eines Staates“ mit innerer Unfreiheit vieler auszuspielen versucht gegen umfassende Rechtsordnungen mit Freiheit aller. Umso mehr ist eine beständige Selbstvergewisserung des freiheitlichen, rechtsstaatlichen und darin menschenwürdigen und friedlichen Gemeinwesens und ein Anker für sie in immer dynamischerer und – vom panta rhei (Πάντα χωρεῖ καὶ οὐδὲν μένει) zur im weitesten Sinn liquid democratic – fließender politischer Debatte erforderlich, gegen jene, die sie beständig in ihrem Sinn zu vergiften trachten. Für die Bundesrepublik Deutschland ist ihre freiheitlich(e)  demokratische Grundordnung die „last best hope“, die letzte wie beste Hoffnung, um Menschenwürde, Demokratie, Freiheit und Frieden nachhaltig zu bewahren. Aber es gilt auch hier zunächst die Abschiedsrede von Willy Brandt: „Nichts kommt von selbst. Und nur wenig ist von Dauer. Darum – besinnt Euch auf Eure Kraft und darauf, dass jede Zeit eigene Antworten will und man auf ihrer Höhe zu sein hat, wenn Gutes bewirkt werden soll.“ Das normative Konstrukt als Kern der Verfassung steht in der Dialektik für immer neue Herausforderungen, Fragen, Ansätze dauerhafte, wie stets aktuelle Antwort geben. Sie verlangt den beständigen wachen Blick jener, die auf Zeit besondere politische Verantwortung tragen, aber auch von jenen, die dies im Anschluss oder lebenslang als „einfache“ Bürgerinnen und Bürger beobachten und gleichwohl beeinflussen können und müssen. Dies bleibt eine dringende und drängende Aufgabe – angesichts der vielfältigen Angriffe und Herausforderungen von innen und außen. Jene benötigen aber in ihr wiederum einen Anker in Zeiten in sicheren Häfen ebenso wie auf stürmischer hoher See, für die stets größte Hoffnung: Die nachkommenden Generationen. Vorliegende Arbeit soll sich als zweiter Band in den Rahmen einer Trilogie einfügen, die aus dem zu groß angelegten Programm eines Habilitationsvorhabens hervorgegangen ist, eine freiheitlich-demokratische Theorie des Staatsschutzstrafrechts zu konstruieren. Gemeinsam sollen alle Teile die praktischen Erfahrungen des Autors auf internationaler, europäischer, Bundes- und Landesebene und in allen Staatsgewalten verarbeiten und weitergeben. Gleichfalls sollen sie seine grundlegenderen theoretischer Überlegungen und sein Studium der Rechts-, Wirtschafts- und politischen Wissenschaft, Geschichte und Teilen der Psychologie und Philosophie, darunter der Wissenschaftstheorie, Ontologie und Hermeneutik, soweit abschließen. Zu letzterem zählt zuvorderst die Überzeugung wissenschaftlicher Diversität und notwendiger Transparenz persönlicher Prägungen und Erkenntnisinteressen – für einen offenen, weiterführenden intensiven Diskurs, über den sich der Autor sehr freuen würde. Wie stets bleibt an dieser Stelle nur der Dank an so viele unterschiedliche Anregungen, Begegnungen, Austausch und Freundschaft, die dieses Werk mitgeprägt haben, namentlich in verschiedenen Berufs- und Lebensstationen. Erwähnt seien hier nur meine lieben Kolleginnen und Kollegen in den verschiedenen juristischen Vereinigungen mit ihrem nationalen und globalen Einsatz, darunter namentlich

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Vorwort

den Richterinnen und Richtern Filipe Marques, Ingrid Heinlein und Thomas Guddat, daneben wie stets Prof. Dr. Marco Mansdörfer, VRiBayObLG a. D. Prof. Dr. Bernd von Heintschel-Heinegg und Beigeordneter Generalsekretär Dr. Franz Baumann, dazu namentlich ebenfalls für ihre treue Freundschaft Felix Henn und Pia Decker, Jasmine Möller, Sebastian Schmied, Maik Banach, Johanna Molitor jeweils mit Partner bzw. Partnerinnen, Marco Pilic, Roland Otte, Sabine Sprywald, Michael Weller und die Crews meiner verschiedenen Stationen namentlich im Bundesministerium der Justiz, im Deutschen Bundestag sowie im Innenministerium, in der Landesvertretung und im Landtag von Baden-Württemberg. Einmal mehr schuldet der Autor größten Dank vor allem Studiendirektor a. D. Hans Jörg Fahrner, Vortragendem Legationsrat Arne Hartig, den Richterkollegen PräsLG a. D. Hans-Ernst Böttcher, Ruben Franzen und Christoph Strecker sowie – last but not least – VRiBayObLG a. D. Manfred Dauster für die intensive konstruktive Kritik beim vollständigen oder teilweisen Korrekturlesen in unterschiedlichen Stadien. Mein größter Dank gilt jedoch wie immer meiner Familie und besonders meiner „Tripple-M“ als Seelenverwandter für ihre Liebe, Unterstützung, Geduld, Antrieb und zahlreiche mich immer weiterführende interdisziplinäre Diskussionen in einer besonders spannenden, wunderbaren gemeinsamen Zeit. Gleiches gilt für E. G., dessen klare Augen mir größter Trost und Ansporn waren und stets sein werden. Wir können nur hoffen, das, was wir empfangen haben, stets weiterzugeben und zu hinterlassen, denen die nach uns und aus uns kommen, als die guten Haushalter der mancherlei Gnade unseres Schöpfers. Alleine aus Gründen der Lesbarkeit wurde das generische Maskulinum durchgehalten, es sollen, sowie im Zusammenhang ersichtlich, jeweils alle Geschlechter damit umfasst sein. Die Arbeit befindet sich – mitten im Fluss – auf dem heutigen Stand. Herrenberg, den 13. April 2022

Matthias Fahrner

Inhaltsverzeichnis A. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 I. Einführung und Kontext . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 1. Hintergrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 2. Grundsätzliche Gegenansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 3. Die FDGO in der deutschen Verfassungsdiskussion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 a) Gegensatz in der Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 b) Kontroversen über Inhalt und Ableitungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 c) FDGO und „Minimalkonsens“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 4. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 a) Bestandsaufnahme und Definitionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 b) Deutungsmacht und Rechtssicherheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 c) Herausforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 II. Fragestellung, Methode und Gliederung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 1. Erkenntnisziel und Fragestellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 2. Untersuchungsrahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 3. Untersuchungsgang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 B. Fundus und Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 I. Grammatikalischer Befund und historischer Kontext . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 1. Normbefund der Begriffsverwendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 2. Unmittelbare Begriffsgenese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 3. Die Wurzeln der „Militant Democracy“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 a) Vorläuferüberlegungen in der Zwischenkriegszeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 aa) Verfassungskern, -änderung und -identität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 bb) Beschränkungen demokratischer Prozesse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 cc) Insbesondere Sanktionierung und Verbot von Parteien . . . . . . . . . . . . 60 b) Wissenschaftliche Analysen und Folgerungen durch Löwenstein, Mannheim, Popper und andere . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 aa) Karl Löwenstein: Technik des Faschismus und Militant Democracy . 61 bb) Karl Mannheim und weitere Rechtswissenschaft: Streitbare Demokratie 65 cc) Karl Popper: Das Merkmal der Intoleranz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66

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Inhaltsverzeichnis c) Dimensionen der rechtlichen Vorkehrungen in der Verfassungsgenese . . . 67 aa) Bewahrung der Verfassungsintegrität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 bb) Kontrolliertes Notstandsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 cc) Sicherungen gegen einen „Staatsstreich von oben“ . . . . . . . . . . . . . . . 69 dd) Weiterer Vorfeldschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 ee) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 4. Begriffsvorprägung in der präföderalen Verfassungsgenese . . . . . . . . . . . . . . 73 a) Erste Stufe: Carlo Schmid und Württemberg-Baden – Geist und Prinzipien der Verfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 b) Zweite Stufe: Walter Jellinek, Hessen und Bayern  – Grundrechte und Staatsprinzipen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 c) Dritte Stufe: Adolf Süsterhenn und Rheinland-Pfalz: Verweis auf Verfassungsgrundnormen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 d) Regionale Besonderheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 5. Begriffsprägung in den Grundgesetzberatungen und ersten Interpretationen . . 78 a) Verfassungskonvent . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 b) Parlamentarischer Rat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 c) Fazit und unmittelbare Nachwirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 II. Definition(en) durch das Bundesverfassungsgericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 1. Auslegungsgrundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 2. Negativabgrenzung: Gewalt- und Willkürherrschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 3. Elemente-Enumeration . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 a) Regelung im Verfassungsschutzstrafrecht (später § 92 StGB) . . . . . . . . . . 89 b) Entkopplung der strafrechtlichen „Verfassungsgrundsätze“ . . . . . . . . . . . 91 c) Autonome Definition der FDGO durch das BVerfG . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 d) Rezeption . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 4. Komponententrias: Menschenwürde, Rechtsstaat, Demokratie . . . . . . . . . . . 96 III. Kritik und alternative Konzepte in der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 1. Vereinheitlichungs-, Toleranz- und Schutzbereichsansätze . . . . . . . . . . . . . . 99 a) Enger bzw. eingeschränkter Vereinheitlichungsansatz . . . . . . . . . . . . . . . . 99 b) Theorie eines Toleranzbereichs und Schutzbereichs der FDGO . . . . . . . . 100 c) Ansatz eines Verfassungsprinzips der „Wehrhaften Demokratie“ . . . . . . . 102 2. Kritisches rechtswissenschaftliches Schrifttum im Übrigen . . . . . . . . . . . . . . 103 a) Tradierte und vom BVerfG aufgegriffene Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 b) Rechtssicherheit und Missbrauchsgefahr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 c) Weitere alternative Definitionsansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 3. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111

Inhaltsverzeichnis

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C. Funktionsanforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 I. Menschenwürde und Subjektivismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 II. Pluralismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 1. Weltanschauungspluralismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 a) Neutralitätspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 b) Rolle der FDGO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 2. Gemeinwohlpluralismus, Spielregeln und Grundwerte . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 a) Pluralistisches Gemeinwohl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 b) Prozedurales Gemeinwohl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 aa) Verbindlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 bb) Grundwerte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 cc) Spielregeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 3. Pluralistische Verfassungs- und Rechtshermeneutik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 III. Fortschrittsfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 IV. Friedensfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 1. Anspruch an die FDGO im Hinblick auf Friedlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 a) Bedeutung und Begriff der Friedlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 aa) Abgrenzung und Kontext . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 bb) Historische Entwicklung des Friedensbegriffs . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 cc) Definition des Friedens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 b) Friedensschaffung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 aa) Frieden als Staatsgrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 bb) Wirkungsweisen und Mittel der Friedensschaffung im Gemeinwesen allgemein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 c) Erwartungssicherheit und prohibitive Sicherheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 aa) Erwartungssicherheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 bb) Prohibitiv-präventive Sicherheit und Gefahrenbekämpfung . . . . . . . . 137 cc) Vereinbarkeit von Sicherheit und Freiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 d) Rechtsstaatlichkeit und Demokratie als Modi der Friedensschaffung und -sicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 aa) Verhältnis von Rechtsstaatlichkeit und Demokratie in Bezug auf die Friedensschaffung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 bb) Friedensfunktion der Rechtsstaatlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 cc) Friedensfunktion der Demokratie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 2. Integrationsfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 a) Notwendigkeit der Integration . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 b) Irrweg der materiellen Homogenität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147

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Inhaltsverzeichnis c) Rational-emotionale Integrationswege . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 d) Mittel der Integration . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 e) Bedeutung der FDGO im Hinblick auf die Integration . . . . . . . . . . . . . . . 154 3. Widerstandsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157

D. Kontext . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 I. FDGO und deutsche Verfassungsordnung im überstaatlichen Rechtskontext . . . 161 1. Allgemeines Völkerrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 2. Europäische Menschenrechtskonvention . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 3. Unionsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 II. Verhältnis zwischen der bestehenden Verfassungsordnung und der FDGO . . . . 166 1. Verständnis der FDGO in der bestehenden Verfassungsordnung . . . . . . . . . . 166 a) Attributiv-prädikative Lösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 b) Trans- und praeter-konstitutionelle Perspektive . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 aa) Trans- und praeter-konstitutionelles Konstrukt . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 bb) Ausgangspunkte der Fundierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 cc) Begründungsansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 dd) Lösung durch vernunftrechtliche Begründung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 ee) Zwischenergebnis: Abstraktion und Konkretheit der FDGO . . . . . . . 174 c) Folgerungen für die Verwendung im Schutz der Verfassung . . . . . . . . . . . 175 2. Umfang der FDGO und fundamentale Verfassungsprinzipien des GG . . . . . . 176 a) Ablehnung der „(eingeschränkten) Einheitstheorie“ . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 b) FDGO und fundamentale Staatsorganisationsprinzipien des GG . . . . . . . 178 aa) Regierungssystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 bb) Republik und Bundesstaat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 c) Namentlich: (Soziale) Gerechtigkeit und Sozialstaat . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 aa) Vorfeldschutz und Menschenwürde: Kernbereich . . . . . . . . . . . . . . . . 179 bb) Staatszielbestimmung: Optimierungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 cc) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 3. Verhältnis zum Begriff der verfassungsmäßigen Ordnung . . . . . . . . . . . . . . . 182 a) Verwendungen des Begriffs der verfassungsmäßigen Ordnung im Grundgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 b) Verhältnis von Art. 9 II Var. 2 GG zu Art. 21 II–IV GG . . . . . . . . . . . . . . . 183 aa) Schutz des Bestands . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 bb) Weiterer Inhalt der verfassungsmäßigen Ordnung im Verhältnis zur FDGO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 cc) Sonstige Merkmale und Dimensionen von Art. 9 II GG . . . . . . . . . . . 185

Inhaltsverzeichnis

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4. Folgerung: freiheitlich demokratische Grund- und Verfassungsordnung . . . . 185 III. Streitbare und wehrhafte Demokratie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 1. Streitbare Demokratie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 a) Ausformung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 b) Diskussion und Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 c) Fortentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 2. Wehrhafte Demokratie und Verfassungstreue . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 a) Ausformungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 b) Herleitung und Begründung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 c) Kritik und Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 3. Folgerung und Fazit: Streitbare Demokratie und FDGO . . . . . . . . . . . . . . . . 201 a) Unhaltbarkeit der extensiven Einheitstheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 b) Replik gegen die generelle Ablehnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 c) Weitere Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 d) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 IV. Verhältnis der FDGO zu weiteren Verfassungsgütern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 1. Bestand und Sicherheit bzw. „Sicherung“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 a) Dichotomie von FDGO und Bestand und Skalierbarkeit der FDGO . . . . . 210 b) FDGO und Sicherheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 2. Friedlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 3. Europäische Integration . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 E. Konstruktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 I. Die FDGO in einer Theorie der Verfassungsgrundsätze in Art. 79 III GG . . . . . . 220 1. Herleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 a) Prinzipieller und normativer Verweisansatz und (national-)identitäre Theorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 aa) Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 bb) Allgemeine Rechtsprechung des BVerfG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 cc) Prinzipieller und normativer Verweisungsansatz der Literatur . . . . . . 223 dd) National-identitäre Theorie der jüngeren BVerfG-Rechtsprechung . . 224 ee) Fortentwicklungen einer Verfassungsidentität im weiteren Sinn . . . . . 226 b) Ansatz einer Grundsatztheorie der FDGO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 aa) Gehalt des Grundsatzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 bb) Identifizierung von Grundsätzen der FDGO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 cc) Die Prinzipientheorie und ihre Fortentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 dd) Konflikt und Konkordanz der Grundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233

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Inhaltsverzeichnis 2. Grundsatzkern der Komponenten der FDGO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 a) Demokratiekern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 b) Rechtsstaatskern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238 c) Menschenwürdekern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 3. Prinzipienwirkung und Optimierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 a) Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 b) Einzelne Prinzipienbereiche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 aa) Demokratiekomponente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 bb) Rechtsstaatskomponente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 cc) Menschenwürde als Komponente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242 c) Folgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242 4. Das Berühren der Grundsätze i. S. v. Art. 79 III GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242 a) Vorhandene Theorieansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242 aa) Immunisierungstheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242 bb) Identitätstheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 cc) Zerfallstheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 b) Auslegung von Art. 79 III GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 c) Berühren aus Sicht des Grundsatzmodells . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 aa) Missachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 bb) Zeitliche Gesamt- und Perspektivenbetrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . 248 cc) Kompensation und Revisibilität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 d) Reflexion: Tauglichkeit der Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 aa) Systematische Konsistenz und Anwendbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 bb) Fortschrittlichkeit, Versteinerungsgefahr und Plausibilität bisheriger Judikatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250 II. Wirkung der FDGO und ihrer Grundsätze für die Verfassungsintegrität . . . . . . . 251 1. FDGO als Kern der Verfassungsordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 a) Das kohärente System des Schutzes der FDGO im Grundgesetz . . . . . . . 251 b) Allgemeingültigkeit und -anwendbarkeit des Grundsatzmodells der FDGO 253 c) Reichweite und Geltungsdurchsetzung der FDGO in der freiheitlich demokratischen Verfassungsordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254 2. Wirkung für die (normative) Verfassung und ihre Änderungsmöglichkeiten . 255 a) FDGO und ursprünglicher Verfassungsgeber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 b) Geltung von Art. 79 III GG für Verfassungsänderungen . . . . . . . . . . . . . . 255 aa) Fiktion der Volkswillenssouveränität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 bb) Ablehnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256 cc) Folgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258 c) FDGO und neue Verfassungsschöpfung bzw. -ablösung . . . . . . . . . . . . . . 258

Inhaltsverzeichnis

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aa) Volkswillenssouveränität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 bb) Formelle Mindestfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260 cc) Diskussion um die Schranke des Art. 79 III GG . . . . . . . . . . . . . . . . . 261 dd) Widersprüche und Probleme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261 ee) Konsistenter Lösungsansatz durch die FDGO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 ff) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264 III. Konkrete Ausgestaltung der verfassungsrechtlichen Mechanismen des Grundsatzschutzes der FDGO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265 1. Regelungen der Schutzmechanismen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265 a) Verfassungsänderungsgesetze, Art. 79 III GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 b) Polizei- und Militäreinsatz zum Schutz der FDGO, Art. 11 II, 87a IV, 91 I GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 c) Verwirkung und Parteisanktionen, Art. 18, 21 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268 aa) Finalität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268 bb) Modalität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269 cc) Potentialität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271 d) Materieller und organisatorischer Verfassungsschutz, Art. 10 II 2, 73 I Nr. 10 b), 87a I 2 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272 2. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272 a) Finale Relevanz des Angriffs auf die FDGO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272 b) Verletzung der FDGO (nur) im Verlauf des Verfassungsangriffs . . . . . . . . 273 c) Fehlende Relevanz für die FDGO und konkrete Verfassungsintegrität . . . 274 d) Überdeckungen und Konkurrenzen offen gewaltsamer Übergriffe und ihrer Vorbereitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 276 e) Bezug des Widerstandsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 276 F. Ausprägung von Schutz und Abwehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277 I. Doppelte Schutzwirkung der FDGO im politischen Vorfeld . . . . . . . . . . . . . . . . 277 1. Rolle der Verwirkung nach Art. 18 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279 a) Unmittelbare Funktionsweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279 b) Weitere Rolle in der Rechtsordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280 2. Schutz des Bestehens und der politischen Aktivitäten von Parteien . . . . . . . . 281 a) Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281 b) Konkrete Reichweite des Parteienprivilegs gegenüber dem allgemeinen Abwehr- und Strafrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 284 c) Neuregelung des Art. 21 III GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286 3. Weitere doppelter und einseitiger Schutz der FDGO vor „Rettungseingriffen“ 288 4. Verfassungstreue als Teil der wehrhaften Demokratie des öffentlichen Dienstes 289

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Inhaltsverzeichnis II. Einwirkung der freiheitlich demokratischen Verfassungsordnung in das Gemeinwesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 292 1. Allgemeine Schutz- und Treuepflichten gegenüber der Verfassung . . . . . . . . 292 2. Weiterer Schutz der freiheitlich demokratischen Verfassungsordnung . . . . . . 293

G. Ergebnisse und Schluss: Konstruktion der FDGO als Verfassungskern des Gemeinwesens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 295 I. Zusammenfassung des Untersuchungsgangs  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 295 1. Hintergrund und Fragestellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 295 2. Fundus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 296 3. Funktionale Rückbindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 299 4. Kontext . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 300 5. Konstruktion und Ausprägung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 303 II. Schlussfolgerungen: Reflexionen und Ausblicke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 307 1. Methodische Reflexion: die konkrete Konstruktion der FDGO . . . . . . . . . . . 308 2. Inhaltliche Reflexion: erreichte Absicherungen, Resilienz und Vulnerabilität 314 3. Rechtspolitische Reflexion: Bewertung gegenüber den Eingangskontroversen über die FDGO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 320 4. Rechtswissenschaftlicher Ausblick: Wirkungen für das einfache (Straf-)Recht 324 III. Annex: Mögliche Prüfungsschemata . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 326 1. Betroffenheit der FDGO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 326 2. Prüfungsschema Art. 79 III GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 328 3. Prüfungsschema für Eingriffsbefugnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 328

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 329 I. Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 329 II. Abgekürzte Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 330 III. Weitere Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 332 Stichwort- und Personenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 370

A. Einleitung I. Einführung und Kontext 1. Hintergrund Seit schriftliche Aufzeichnungen politischen Denkens überliefert sind, spiegeln sie – mit den griechischen Dramen,1 den politischen Schriften des Aristoteles und Platon, den zahlreichen römischen Denkern, fortgeführt über ihre mittelalterlichen und neuzeitlichen Nachfolgerinnen und Nachfolger – das Problem und die Reflexion darüber: Wie kann ein politisches Gemeinwesen „stabil“ und „wertvoll“ für die Einzelnen in ihrer Verschiedenheit gestaltet und über die Zeit auch so gehalten werden? Wie können Chaos und Zerstörung, Unterdrückung, Leid, Gewalt, Unfrieden verhindert werden?2 „Numquam enim, quale sit illud, de quo disputabitur, intellegi poterit, nisi, quid sit, fuerit intellectum prius“ – Mit seiner Aufforderung, zuerst zu reflektieren und die Begriffe zu klären, auf deren Basis man diskutieren will, lässt es Marcus Tullius Cicero an der zentralen Stelle seines Werks über den Staat bzw. die Res Publica nicht bewenden. In dieser Passage, dem Traum Scipios, schimmern die ganzen Herausforderungen, die Zerrüttung und Zersetzung der römischen Republik seiner Zeit durch.3 Der Text zeigt dazu die Versuche des republikanischen Autors, sich 1

Wie der Orestie des Aischylos oder der Odyssee. Vgl. ergänzend etwa ähnlich der Bogen von Ordnung, Demokratieschutz, S. 12 ff. 3 Cicero, De Re Publica, cap. I 38–41: „Faciam, quod vultis, ut potero, et ingrediar in disputationem ea lege, qua credo omnibus in rebus disserendis utendum esse, si errorem velis tollere, ut eius rei, de qua quaeretur, si, nomen quod sit, conveniat, explicetur, quid declaretur eo nomine; quod si convenerit, tum demum decebit ingredi in sermonem; numquam enim, quale sit illud, de quo disputabitur, intellegi poterit, nisi, quid sit, fuerit intellectum prius. Quare, quoniam de re publica quaerimus, hoc primum videamus, quid sit id ipsum, quod quaerimus … Est igitur, inquit Africanus, res publica res populi, populus autem non omnis hominum coetus quoquo modo congregatus, sed coetus multitudinis iuris consensu et utilitatis communione ­sociatus … Omnis ergo populus, qui est talis coetus multitudinis, qualem exposui, omnis civitas, quae est constitutio populi, omnis res publica, quae, ut dixi, populi res est, consilio quodam regenda est, ut diuturna sit. Id autem consilium primum semper ad eam causam referendum est, quae causa genuit civitatem.“  – „Ich will eueren Wunsch erfüllen, so gut ich kann, und unter der Bedingung in die Erörterung eintreten, die man meines Erachtens bei allen Erörterungen erheben muss, wenn man ein Fehlgehen vermeiden will: Wenn Einigung erzielt ist, wie der Begriff der Sache lautet, die erörtert werden soll, ist zu erklären, was mit diesem Begriff gemeint ist. Erst dann darf man ins Gespräch eintreten. Denn niemals wird man den Kern des zu diskutierenden verstehen können, wenn man nicht vorher begreift, was er genau ist … Es ist also, so Africanus, der Staat als öffentliche Sache die Sache des Volkes; das Volk aber ist 2

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A. Einleitung

dem abzeichnenden Untergang mit seinem ganzen rhetorischen Handwerk entgegenzustemmen.4 Die letzten Erfolge gegen den allzu brachialen erklärten Republikfeind Catilina blieben wichtig, aber ungenügend, um nachhaltige Stabilität zu bringen. Die – hinter den Schablonen von „Populismus“ gegen „Elitismus“ – lange schwelenden Ambitionen und politischen Egoismen zahlreicher Einzelner waren nicht mehr durch die Mechanismen des Gemeinwesens begrenzbar, sondern im bereits hemmungslosen Bürgerkrieg ausgebrochen. Gegenwärtig waren Gewalt, Entzweiung und (öffentlich gepriesen) die Sehnsucht nach dem vermeintlichen „einenden starken Führer“ (den Gracchen, Sulla, Marius, Pompeius, zuletzt ­Caesar, welcher im Jahr der Publikation Ciceros als triumphaler Sieger in Gallien kurz davor war, den Rubikon zu überschreiten). Diesem doch immer wieder aufs Neue blutig ersetzten, aber umso mehr festgesetzten Eidolon5, stellt Cicero (vielleicht erinnernd an die Begründung des Areopags6) rational die kontinuierliche Regierung durch das Konsilium entgegen. Neben der Rückkehr zu Worten statt Gewalt (vergleichbar der Konstruktion des Leviathans von Hobbes) ist damit vor allem der Senat aufgerufen, aber auch die weiteren Versammlungen und Einrichtungen des Volkes der Republik. Rhetorisch bemerkenswert weist der Jurist dabei in mehreren Dimensionen in die Geschichte zurück. Er bezieht sich, erstens, „moralisch“ auf den mos maiorum, die Weisheit und daraus Autorität der Vorväter, wenn er seine zentralen Definitionen dem Scipio Africanus in den Mund legt. Die Geschichte kann für sich den gezeigten Erfolg verbuchen, kann zurück zu den Ursprüngen führen und dadurch Identität und Gemeinsamkeit vergegenwärtigen. Sie bewusst zu machen, ihr Studium und ihre Analyse können verhindern, vergangene Fehler, Gefahren und Katastrophen zu wiederholen. Dazu gehört substantiell, zweitens, dass das Gemeinwesen und seine Lenkung sich dauerhaft auf jene Fundamente beziehen müssen, welche es hervorgebracht haben. Erneut ist damit auf die genicht jede beliebig zusammengewürfelte Anhäufung von Menschen, sondern der Zusammenschluss einer größeren Zahl, die durch eine einheitliche Rechtsordnung und ein gemeinsames Staatsziel zu einer Gesellschaft wird … Jedes Volk also, das ein solcher Zusammenschluss der vielen Verschiedenen ist, jedes Gemeinwesen, welches dessen verfassungsmäßige Einrichtung, jeder Staat, der die Sache des Volkes ist, muss, um dauerhaft zu sein, durch einen Rat regiert werden, der immer auf den Grund bezogen bleiben muss, welcher das Gemeinwesen ins Leben gerufen hat.“ 4 Ciceros Kampf um die Republik gegen die Versorgungsdiktatur wurde nach den antiken Historikern nicht erst 61 v. Chr. verloren, sondern bereits mit dem Wegbrechen der tragenden Mittelschicht und der immer stärkeren Unwucht und Instabilität spätestens mit dem Scheitern der Gracchischen Refomen und der verzweifelten Verfassungsübertretungen, wegen derer der zitierte Africanus sich von den Volksfreunden abwandte. Spätestens seitdem gilt das Dilemma des Erhalts um den Verfassungsbruch oder Ausnahmezustand zu vermeiden; zur Vergleichbarkeit mit „spätkapitalistischen“ Legitimationsdefiziten aus Sicht der FDGO vgl. etwa auch Denninger, Grundordnung I, S. 15 m. w. N.; insoweit lässt sich an die klassische Diskussion erinnern, inwieweit der Keim des Untergangs der Republik in den Grachischen Ackergesetzen oder ihrer immer stärkeren Übertretung der Verfassungsnormen zur Durchsetzung des vermeinten Notwendigen zur Sicherung der Republik angelegt war. 5 Das εἴδωλον, jenem „Idol“, aber doch „Selbstspiegel“ und Trugbild. 6 Vgl. Aischylos, Orestie, Schlusschor, der Areopag als Rat zu Wachen über das Land, als Ausweg aus den Kreisläufen von Gewalt und Gegengewalt.

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schichtliche Lehre verwiesen. Schließlich, drittens, und darauf läuft die Stelle im Zentrum des Werkes von der Republik unmittelbar methodisch-dogmatisch zu, kann der Diskurs, der Wissenschaft, Recht und friedliche Politik verbindet, nur gelingen, wenn er nicht nur äußerlich um die notwendigen Themen kreist, sondern die zentralen Begriffe und ihre Inhalte untereinander geklärt sind bzw. werden.

2. Grundsätzliche Gegenansätze Weltweit sind die Bemühungen, Erfolge und Versuche erkennbar, nach Gräueltaten, Barbarei, Massen- und Völkermorden in unterschiedlichster Weise zu versuchen, auch gerade mittels des Rechts sich gegen abstrakte bis konkret drohende Wiederholungen aller Art abzusichern.7 Darauf scheint es nur zwei vollständig entgegengesetzte Antworten zu geben.8 Der Antagonismus und durchaus Wettstreit dieser beiden politischen Denksysteme, dürfte ebenso wie die Mitte des 20. unser 21. Jahrhundert prägen, und mit nicht wenigen großen Opfern und hoffentlich ohne die „Endlösung“ der atomaren Vollzerstörung unseres Planeten:9 a) Der eine Weg ist jener „idealtypisch“ der heutigen Volksrepublik China unter Präsident Xi und, diesem Vorbild folgend, derzeitige angeblich „starke“ Staaten wie etwa um die Russische Föderation sowie vielen kleineren Ablegern und – mindestens in Teilaspekten – Nacheiferern auch bei uns, etwa derzeit an der Macht in Ungarn oder Polen: Unter einem überhöhten starken „erhabenen“ einzelnen Führer an der Spitze herrscht eine ebenso ökonomisch-kleptokratisch wie zunehmend technokratisch-bürokratische feste Elite. Sie wollen sich mit den Mitteln absoluten Autoritarismus, also autoritär verfestigter Regime, gegen jede unheilvolle Dynamik und Chaos absichern – um den durch Relativierung unvermeidbaren Preis des Rechtsstaats, der menschlichen Freiheit, Individualität und subjektiven Würde.10 7 Aus den früheren Erfahrungen, etwa in der amerikanischen Verfassung und den französischen Revolutionen waren seit Mitte des 20. Jahrhunderts in Europa vor allem prägend im 2. Weltkrieg, bis auf den Westbalkan – die Forderung der Überlebenden im „Niemals mehr! Nie wieder!“. 8 Vgl. unter vielen, zu erwähnen wäre etwa auch Machiavelli mit Principe und Discorsi, hier nur etwa vorausschauend Thoma, HdtStR, § 16, S. 190 ff.; bemerkenswert aus der unmittelbaren Rückschau auf den 2. Weltkrieg und beginnenden Kalten Krieg hier auch Friedrich, Reason, S. 108 ff. 9 Bis zum Russischen Überfall der Ukraine am 24. Februar 2022 konnte hier noch stehen: hoffentlich ohne zu große offene neue Kriege und Opfer. 10 Erinnert sei in China an die kollektiven Traumata als Kolonialismus-Opfer rund um den „Boxer-Aufstand“, den Bürgerkrieg, vor allem aber den „großen Sprung nach vorne“ und aktuelle die drohenden zerstörenden sozialen Spannungen zwischen Binnenland und Ostküsteneliten seit dem Dien An Men-Massaker; in Russland an die beidseitige Bedrohung von China und dem USA-geführten Westen und den Chaosjahren unter Jelzin als „Freund des Westens“. Bei beiden Ländern ist daraus nachvollziehbar eine Angst vor echter Demokratie nicht nur in der autoritären, um Privilegien bangenden Führung und wirtschaftlichen Eliten, sondern im wichtigen weiteren Umfeld von dieser zur Stützung gegeben. Die Türkei, Ungarn, Polen und

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Durch immer weiter ausgefeilte Techniken sind die Individuen und damit die Gesellschaft unter Kontrolle zu halten. Vorgelagert sollen sie zufrieden sein mit und in der gewährten Sicherheit in der Befriedigung der physischen, materiellen und wirtschaftlichen Bedürfnisse,11 wenn nicht – panem et circenses – in dauernder unterhaltend-ablenkender medialer Bespielung.12 Reicht diese nicht mehr aus, müssen allerdings Dynamik und Aggression in imperialistischer Expansion und gegen „niederer stehende Andersartige“ und „Feinde“ abgelenkt werden. Kollektiver Größenwahn nach außen ergänzt die Terrorwirkung nach innen, es könnte jeden und jede treffen. Systemtheoretisch lässt sich die begrenzte Flexibilität und Anpassungsfähigkeit derartiger fester Systeme gut modellhaft plausibilisieren. Moderner als der Totalitarismus des 20. Jahrhunderts, so treffend geschildert in Orwells 1984, versuchen daher die zahllosen populistischen Autoritarismen (und Kleptokratien) unserer Zeit, irgendwo vor diesem Endstadium zu balancieren. Ihre inhärente Labilität drängt sie jedoch stets hin zu mehr totalitärer Kontrolle und Überwachung. Die kunstvolle Illusion der Mitbestimmung des Volkes kann (wie Pasci bereits Mussolini riet) weiter die Existenz totalitärer und autoritärer Systeme verlängern, jedoch wohl nie – so die letzte Hoffnung der Menschheit und Menschlichkeit  – den Drang nach individueller Freiheit und Selbstbestimmung dauerhaft unterdrücken. Ihr Ende, jedenfalls im Großen, dürfte jedoch, sieht man von historischen Ausnahmen wie im mittleren bis östlichen Europa zeitlich von Polen bis zur Sowjetunion 1985–1991 ab, praktisch nie unblutig sein. In jedem Fall scheint der Preis in massiven politischen, gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und oft auch familiären Verwerfungen zu entrichten. Erstere können das entsprechende Gemeinwesen oft in seiner Entwicklung weit zurückwerfen, auch über die sichtbaren Schäden weit hinaus. b) Der andere Pfad ist der eines tatsächlich auf Individualität und Menschen­ würde auch mit den Mitteln rechtlicher Ordnung gebauten, mithin von der Wurzel an freien demokratischen Gemeinwesens. In ihm streben Individuen durchaus nach Selbstverwirklichung nach den antiken juristischen Prinzipien: „honeste vivere, alterum / neminem laedere, suum cuique tribuere“ (also: ehrenhaft bzw. aufrichtig zu leben, den anderen bzw. niemandem zu schaden, jedem das Seine zu genicht wenige frühere und weitere Transformerstaaten des östlichen und südöstlichen Europa müssen hingegen vor allem als anfällig für letztlich rückwärtsgewandte nationalistische, libertäre und neoliberal antiliberale und antisoziale Ideologien verstanden werden, die von konkreten kleptokratischen Eliten ausgenutzt werden, denen in der illiberalen vermeintlichen „Demokratie“ die Machtsicherung – nicht anders als früher begonnen in afrikanischen und asiatischen Diktaturen und Despotien (erstere meist nach Transformation aus der Unabhängigkeit) immerhin noch bis auf Abruf, überfällig gelingt; zur allgemeinen Unvereinbarkeit vgl. hier nur Locke, Government, sect. 137; Leibholz, Phänomen, S. 225 ff. und unten zur Totalitarismuslehre. 11 Vgl. etwa bereits Revel, Versuchung; dazu Dettling, Demokratie, S. 78 zur „totalitären Sicherheitsversuchung“; dies gilt sowohl für die gegenüber anderen privilegierten „Bürger des Herrscherstaates“ wie jene in den mittels Infrastruktur, Schutz oder Ähnlichem erkauften Kolonien. 12 Vgl. bereits nur Löwenstein, APSR 31 (1937), S. 417 (418 ff.).

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ben),13 modern nach Solidarität, Gerechtigkeit, Ethik, eigenem Sinn und sozialem Verhalten, aber eben vom einzelnen Subjekt aus, in fairer und freier politischer und sozialer Auseinandersetzung miteinander. Wie etwa in der europäischen Tradition in Ciceros Zeit und zuvor über griechische Historiografen, Denker und Dichter bereits bekannt, ist (auch) die Lage einer solchen Res Publica stets potentiell prekär. Es gilt beständig, Machtergreifungen aller Art zu verhindern, welche wiederum die freie Demokratie in eine Tyrannis verwandeln würden – und zwar von „unten“, von jenen außerhalb der aktuellen Macht, ebenso wie „von oben“ durch aktuelle Amtsinhaber. Erinnert sei bereits an Polybios und den Kreislauf der Verfassungen, ebenso wie das irrige Pathos der römischen Republik, eine „stabile Lösung“ zwischen Masse und Mächtigen gefunden zu haben. Aufklärung, Rechtsstaatlichkeit, Konstitutionalismus, Gewaltenteilung und eine gut ausgestaltete Demokratie oder föderale Republik sind historisch als zentrale Haltepunkte zu erkennen. Weiter auf dem Weg, die prinzipielle bloße Normativität auch faktisch zu bewahren, begleitet sie seit jeher das klassische Staatsschutzstrafrecht z. B. gegen Hochverrat und Umsturz, etwa besonders einflussreich in Mitteleuropa unter dem römischen spätrepublikanischen und frühprinzipalen Majestätsverbrechen (crimen laesae majestatis) zusammengefasst.14 Komplexe lebendige moderne Massendemokratien sterben – so sie nicht von ausländischer Übermacht überfallen und vergewaltigt werden – nicht mehr durch plötzliche blutige Revolutionen; sie werden allmählich, Schritt für Schritt auch lange Zeit vergiftet. Wie unter vielen, namentlich Karl Löwenstein,15 bereits Erich Kaufmann formulierte, werden im Zeitalter der Massendemokratie Strukturumwälzungen von langer Hand vorbereitet: Ideologien werden propagiert, Autoritäten und Institutionen des bestehenden politischen Systems verächtlich gemacht, böswillig und hämisch ihre Politik und Maßnahmen kritisiert und der Staat unterwandert.16 Wie an anderer Stelle bereits herausgearbeitet, muss das Sterben einer Demokratie nicht einmal auf einer brillanten Strategie eines dunklen Bösewichts beruhen. Es genügt für die Frage nach Vulnerabilität und Resilienz die Feststellung, wie vielfältig die tödlichen Gifte verschiedenster Seiten wirken gegen die Demokratien und gegen die Grundlagen der Rationalität, der Wahrheit und des Rechts bzw. Rechtsstaats, die sie notwendig tragen müssen.17 Die Debatte um den Schutz der freiheitlichen Demokratie vor ihrer Überwindung aus sich selbst heraus kreist beständig um zwei Pole: Den Glauben an die demokratische Überzeugung der entscheidenden Mehrheit – oder aber normative Interventionen des Staates selbst, mit Mitteln der Sanktion und Prävention, von 13

Dig 1.1.10.1; Inst. 1,1,3. Vgl. bereits Fahrner, Staatsschutzstrafrecht, § 2. 15 Vgl. dazu ausführlich unten B. I. 3. c) aa). 16 Hier zit. nach Stern, StaatsR I, S. 564; das weitere Zitat im Hinblick auf die Subversion ist allerdings exemplarisch für die stark Prägung durch den Kalten Krieg und als Äußerung wieder gut gegen die APO und ihren „Marsch durch die Institutionen“ wendbar. 17 Fahrner, Vulnerabilität, S. 18. 14

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Recht und Zwang. Letztere Alternative wurde vor allem als Lehre in den Demokratien unter US-Ägide aus dem Siegeszug totalitärer Demokratiezerstörung nach dem 1. Weltkrieg unter faschistischer, nationalsozialistischer und (leninistisch-­ stalinistischer) kommunistischer Ideologie gezogen. Die „militant democracy“, namentlich unter der Forderung von Karl Löwenstein, erweist sich jedoch erneut als zweischneidiges Schwert: Sie birgt doch stets die Gefahr, staatliche Zwangsmittel übermäßig gegen Opposition einzusetzen, sich insgesamt zerstörerisch gegen die freiheitliche Demokratie und die aufs Engste mit ihr verbundene Rechtsstaatlichkeit zu wenden. Um dies wiederum zu verhindern, wird eine gemeinsame plausible Vorstellung über den zu schützenden Kern des jeweiligen Verfassungssystems für unabdingbar gehalten.18 c) Die daran anknüpfende Dogmatik des Grundgesetzes und deutsche Lehre der freiheitlich demokratischen Grundordnung (FDGO) ist zunächst eine nationale Antwort. Die Verfassungsschöpfer der Bundesrepublik Deutschland haben es aus ihren Erfahrungen mit der totalitären NS-Diktatur, der Shoa, dem Porajmos und der völligen Entrechtung, Entmenschlichung und Vernichtung vermeintlicher „Feinde“ des Regimes unternommen, in ihr spezielle Lehren zu entwickeln und umzusetzen. Diese FDGO ist – wiewohl richtigerweise mit dem Anspruch als normatives Modell über die eigene Verfassungsordnung hinaus19 – trotz der Erfolge der BRD im Wiederaufstieg nach 1949 kaum ein Exportschlager „Made in Germany“ geworden; dies gilt auch für die Transformationsstaaten nach 1991.20 Die von Deutschen und Österreichern im Exil vor dem NS-Regime entfalteten Lehren sind es eher, wenn auch in unterschiedlichem Maß. Unter ihnen zählt neben Karl Popper, Ernst Fraenkel oder Hannah Arendt die militant democracy von Karl Löwenstein bis heute, wenn auch bis zum Trumpismus unter US-Hegemonie zuletzt eher unter dem seit 2001 dominanten Aspekt der Terrorismusbekämpfung wahrgenommen.21 18 Dies nicht nur für das politische und juristische System, sondern vor allem die Zivil­ gesellschaft beim Kampf gegen zerstörerische Angriffe als klarer Zielvorstellungen über das zu erhaltende und angegriffene Wesentliche eines freiheitlich demokratischen Gemeinwesens; vgl. etwa Müller, Patriotism, S. 115; Posner, Pact, S. 36; Thiel, Democracy, S. 418 ff. 19 Vgl. ausführlich unten D. I. und II. 20 Vgl. etwa in Chile, Lizana, Chile, S. 59 (65 ff.) zur Berufung der Verfassung von 1973/80 unmittelbar auf Art. 79 III, 20 GG; zur Rechtsvergleichung die wohl umfassendste Sammlung bei Thiel, Democracy, v. a. Zusammenfassung S. 388 ff. m. w. N.; Sajó, Democracy; Ellian /  Rijpkema, Democracy jeweils mit den dortigen Beiträgen und zusammenfassenden Folgerungen; weiterhin Boventer, Grenzen, S. 182 ff.; ergänzend zur spanischen democracia vigilada bereits Jesse, Überlegungen, S. 29 (49 f.); hingegen wohl zu apodiktisch Gusy, AöR 105 (1980), 279 (282) m. w. N. 21 Siehe ausführlich unten B. I. 3.; vgl. zur Wirkung etwa Boventer, Grenzen, S. 83 ff.; Thiel, Democracy, S. 382 ff. m. w. N.; Sajó, Cardozo Law Review 27 (2005), 2255; mit aktuellem Überblick etwa Steuer, Hong Kong Journal of Law and Public Affairs 2 (2020), S. 131 (133 ff.) m. w. N.; spannend insoweit die Gegeneinandersetzung der militant democracy mit der Reinen Rechtslehre Kelsens und der Integrationslehre Hellers aus der Außenwahrnehmung von M ­ alkopoulou / Norman, Political Studies 66(2018), 442 sowie neuerdings eine ethische Begründung von Löwenstein bei Kirshner, Democracy; zu frühen Querverbindungen gegen subversive Aktivitäten vgl. bereits Kaufmann, Grenzen, S. 95 (97 f.).

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Die Idee eines normativen Schutzes des Gemeinwesens über den (s)eines Verfassungskerns geht darüber weit historisch hinaus.22 Ähnliches gilt für spezifischen präventiven und strafrechtlichen Schutz gegen Techniken der Machtergreifung, die historisch maßgeblich in den Lehren des Faschismus herrühren, jedoch gegen vielfältige populistisch-autoritäre oder sonst der liberalen rechtsstaatlichen Demokratie feindliche Bestrebungen eingesetzt werden können.23 Anschluss erhält die deutsche FDGO damit auch an internationales Recht, die Missbrauchsvorbehalte der EMRK sowie vor allem Art. 2 EUV.24 Die Versuche, den Vergleich der „Verteidigungsfähigkeit“ verschiedener Verfassungssysteme auf einfache Skalen zu reduzieren25, sind indes bislang – angesichts der Komplexität und Diversität der einzelnen Abwehrsysteme naheliegend – nicht gelungen.26 Im reinen politischen oder Verfassungsvergleich ist die Einordnung der bundesdeutschen als strengste „militante“ Ordnung folglich von begrenztem Aussagewert. Zudem erscheint eine solche Einstufung mehr als trügerisch: Gerade die noch 2009 als „unnötig“ wehrhaft eingeschätzten türkischen und ungarischen Verfassungsordnungen27 wurde bislang im europäischen Kontext am deutlichsten Opfer illiberal-autoritärer Herrschaft. Was zu vergleichen bleibt, sind Mechanismen, Funktionshintergründe und Konstruktionen der Verteidigungsfähigkeit, eben dessen, was in Deutschland die FDGO ausmacht. Je plausibler und stringenter dieses völkerrechtlich autonome Modell scheint, umso mehr könnte es auch anderen le­ benden Demokratie zum Schutz vor ihren vielfältigen potentiellen Mördern helfen. Insofern ist eine konstruktive, komplexe und multidimensionale Wechsel­beziehung zwischen den internationalen, europäischen und deutschen Auseinandersetzungen 22 Vgl. auch unten B. I. 3.; vgl. insoweit auch weiterführend zur dazu nötigen Prinzipienhierarchie bereits Martinico, Hong Kong Journal of Law and Public Affairs 2 (2020), 37 (40). 23 Vgl. den aktuellen Ländervergleich von Flümann, Demokratie, v. a. S. 407 im Fazit zwischen den USA und der BRD. 24 Vgl. hier im Einzelnen unten D. I.; vgl. hier auch insbesondere für ein überspannendes globales Konzept der militant democracy Walter, Interactions, S. 79. 25 Vgl. etwa Pfersmann, Democracy, S. 47 (53 ff.). 26 Worauf schon Thiel, Democracy, S. 384 ff. m. w. N. völlig zu Recht darauf hingewiesen hat, ist die Skala von offen zu militant stark wertend, wodurch sich die Verobjektivierung der Beurteilung erschwert; tatsächlich muss man die zweidimensionalen Kategorien von prozedural und substantiell offen bzw. militant nicht selten als Scheingegensätze betrachten. Vor allem die Abgrenzung „substantieller“ gegen „prozedurale“ Demokratie ist ungeeignet: Es muss sich nämlich sogleich die Frage stellen, wie weit materielle „Werte“ der FDGO tatsächlich inhärent sind oder von einer bestimmten Seite, nämlich einem konservativen Selbst-Verständnis an die FDGO herangetragen werden. Prozedurale Sicherungen durch anerkannte Normen, deren Bruch zumindest feststellbar und verurteilbar ist, können einen eigenen substantiellen Gehalt gewinnen, oder ein solcher mag ihnen aufgrund der Wohltat, welche sie für da Gemeinwesen darstellen, beigegeben werden. Umgekehrt kann ihre „wertvolle“ Aufladung die Vereinbarung, Sanktionierung und Einhaltung sichern helfen; zu Kategorisierungsversuchen vgl. neben der bereits genannten Übersicht etwa Frankenberg, Sovereign, 113 (119); Fox / Nolte, Harvard International Law Journal 36 (1995), 1; vgl. die ersten Ansätze einer Komparatistik bei Friedrich, Reason, S. 114 ff. 27 Vgl. etwa Uitz, Hungary, S. 147 ff.; Thiel, Democracy, S. 393 ff.; Oder, Turkey, S. 263 ff.

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um die Bewahrung der menschenwürdigen, pluralen, freiheitlichen und rechtsstaatlichen Demokratie zu beobachten.28 Jedenfalls scheint das  – häufig nicht ohne Zielstrebigkeit und weniger tiefer Analyse geprägte – Verdikt falsch, die deutsche wehrhafte Demokratie müsse sich in der Europäischen Union abschleifen.29

3. Die FDGO in der deutschen Verfassungsdiskussion Sowohl im historischen Längsschnitt wie in aktueller Betrachtung bleibt zur Rolle der FDGO in der deutschen Verfassungsdogmatik vor allem ein doppelt ambivalenter Eindruck: a) Gegensatz in der Bedeutung aa) Besonders außerhalb der Verfassungslehre wird die FDGO innerhalb einer Zivil­religion des Grundgesetzes30 geradezu als „ihr Evangelium“ bzw. ihre Com­ munio im Hochamt zelebriert.31 Nicht selten soll sie damit, auch als Verfassungspatriotismus, in der modernen pluralistischen Gesellschaft als Integrationsmittel in eine funktionale Reihe gestellt werden mit dem römischen Kaiser-Staatskult oder der Zivilreligion der französischen Aufklärung.32 Weiter wird sie als Staatsräson der Bundesrepublik aus der Nachwelt der Barbarei propagiert.33 Riefen die demokratischen Verfassungsrechtler von Weimar „Der 28 Die sich hier allerdings nur auf das Nötigste in Einzelaspekten beschränken kann, vgl. unten B. I. und D. I. 29 So allerdings etwa Kloepfer, Verfassungsrecht I, § 28 Rn. 159 ff. 30 Vgl. zur „theologica civilis“ insbesondere Stern I, 561 f. m. w. N.; es liegt die Versuchung nahe, dies in Verbindung mit dem Kopfzitat Ciceros mit dem römischen Staats- und Kaiserkult zu vergleichen, namentlich bei Marcus Terentius Varro und Augustinus; vgl. etwa Laufer, FS BayVerfGH; ebenso liegt die der Staatsidee (Stern a. a. O. S. 558) Verbindung des heutige Topos der EU als „Friedensgemeinschaft“ durchaus nahe; gleichwohl kann vor der Faszination einer politische Theologie in einem rational-pluralistischen Gemeinwesen nicht nur wegen des finalen Missbrauchs durch Schmitt, und totalitäre Ideologien etwa hier im Sinn des, ansonsten nicht nur als Rassist überaus problematischen Eric Voegelin nur gewarnt werden – beruft man sich auf unterschiedliche Abstraktionsebenen des Verfassungsglaubens liegen Vermischung und Entgrenzung gefährlich nahe. 31 Vgl. exemplarisch Dettling, Demokratie, S. 7 ff., 61 ff. als klar erkennbares Gegenbild zum „antipluralistischen“ Kommunismus, S. 77 f. als Mittel, Köpfe und Herzen der Menschen (zurück) zu gewinnen. 32 Vgl. zu letzteren zu Recht in der Überhöhung ablehnend Dreier, RW 2010, 11 (32 f.) m. w. N. namentlich auf Rousseau und Böckenförde sowie zum Verfassungspatriotismus, begrifflich geprägt von Dolf Sternberger. 33 Vgl. Rudzio, System, S. 25 ff.; Stern, StaatsR I, S. 558 ff., 569 ff.: konstitutiver Schlüsselbegriff und raison d’etre der deutschen Verfassungsordnung, Staatsidee der BRD, „theologica civils“ wohl sich berufend in der Gleichsetzung der Verfassungsverteidigung mit der Staatsräson auf Friedrich, Reason, S. 1 ff.

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Staat, das sind wir!“34, bewarb die Generation der Grundgesetz-Gründer die FDGO als Kern des Schutzes „unserer freiheitlich demokratischen Verfassung gegen verfassungsfeindliche Angriffe, gegen das früher, wie drüben“.35 Ritualisiert wird das ältere Testament der „schwachen, gescheiterten Weimarer Republik“ mit ihrer vermeintlichen Wertneutralität und selbstmörderischen Offenheit und Liberalität überholt durch die neue Glaubensformel: Die civitas humana könne sich nur durch eine wertgebundene, wertverankerte „gute Ordnung“ der FDGO verewigen.36 Gesetzt wird dieser neue gegen den gescheiterten alten Glauben, politische Prozesse müssten unbeschränkt sein, da in einer freiheitlichen Demokratie nicht von außen politische Anschauungen als falsch widerlegbar oder beschränkbar sein dürften.37 Gegen die Verheißungen eines neuen Reichs unbeschränkter Freiheit oder sonstigen absoluten Glücks immer neuer Heilsbringer setzt die FDGO die garantierte und stabile, auf das dazu nötige begrenzte Freiheit aller.38 Dieser neuen bundesrepublikanischen politischen Theologie folgend, finden sich – nicht nur in an allgemeine Lesekreise gerichtete – zahlreichen Publikationen zur FDGO, deren emphatische Akzentuierungen und Zuschreibungen weit außerhalb jedes präzisen juristischen Gehalts liegen.39 Mit ihnen soll, durchaus explizit offengelegt, die Bindung der Bürgerinnen und Bürger an „ihre“ Ordnung gefestigt werden.40 Vielleicht liegt ein Zeichen des Erfolgs davon darin: So berufen sich ohne jede Selbstreflektion eben jene Schreier auf der Straße, egal ob gerade „gegen die Coronadiktatur“ oder „gegen den Migrationsmord“, überraschend oft auf „ihre“ FDGO, wird von Juristen ihr entgegen alarmistisch eine „Rückkehr 34

Anschütz, Leitgedanken, S. 30 f.; vgl. nur Fahrner, Vulnerabilität, S. 66 ff. m. w. N. Vgl. DHS-Dürig, Art. 18 GG Rn. 47, z. B. Aufl. 1964 zit. nach Denninger, Grundordnung I, Nr. 11 (S. 156). 36 Vgl. wohl als Ausgang des Selbstmord-Narrativ HChBericht, S. 32; vgl. bereits im UA I, ParlRAkt II, Nr. 6 (S. 227 ff.); Jahrreiß, FS Thoma, S. 72 (89 f.); vgl. weiter etwa exemplarisch Gerlach, Vereinsverbotspraxis, S. 56, 60 sowie Detjen, Werteordnung, v. a. S. 43 ff., der unter anderem, ganz im konservativen Kanon, die „Sicherheit“ noch vor der Freiheit im Kanon der Verfassungswerte anführt; vgl. weiter Tillmanns, Werthaftigkeit, S. 25 ff. 37 So die Zitate von Gustav Radbruch und Hans Kelsen, Wesen, S. 101: Wer absolute Wahrheiten und absolute Werte ablehnt, muss auch die fremde, gegenteilige Meinung für möglich halten Darum ist der Relativismus die Weltanschauung, die der demokratische Gedanke voraus­setzt; als Beleg von Stern, StaatsR I, S. 558 f. m. w. N. in Fn. 14 und 20, und Papier /  Durner, AöR 128 (2003), 340 (344) für die relativistische „selbstmörderische Weimarer Demokratie“, freilich heute wieder stark aufgegriffen in der Faszination des „marketplace of ideas“, vgl. Fahrner, Vulnerabilität, S. 55 ff., 104 ff. 38 Vgl. etwa Benda, Krise, S. 9 (20). 39 Vgl. nochmals exemplarisch bereits Dettling, Demokratie, darin S. 74 ff. erkennbar bemüht, den bereits damals festgestellten Zweifel und Abwendungen vom konkreten politischen System durch Werbung für und durch die FDGO zu begegnen; ähnlich zur Erziehung der Jugend als nicht verfassungsfeindlich im bei Denninger, Grundordnung I, S. 39 (43) abgedruckten Offensivkonzept der CDU / CSU zur Bekämpfung des anarchistischen Terrorismus und seiner Grundlagen vom 10. Juli 1975. 40 Beachte aber die fehlende rechtliche Verpflichtung auf die „Zivilreligion“ bei Dreier, RW 2010, 11 (27 ff., 32) sowie unten f. II. 1. 35

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zum Ausnahmezustand“, wenn nicht gar Diktatur, herbeigewähnt und herbei­ geschrieben.41 bb) Währenddessen sieht sich die FDGO in den verfassungsrechtlichen Lehrbüchern seit jenen der ersten Neugründungsgeneration nach dem 2. Weltkrieg, namentlich Hoegner und Nawiasky, buchstäblich an den Rand gedrängt.42 Zwar wird ihr zumindest überwiegend (noch) „irgendeine fundamentale“ Bedeutung in der Verfassungsordnung bzw. für sie zugeschrieben,43 wenn nicht (von Einzelnen) gar, dass sie eine „Superlegalität der Verfassungsordnung“ darstelle.44 Gleichwohl tritt sie allgemein ganz hinter die Staatsstrukturprinzipien des Art. 20 GG – regelmäßig beginnend mit dem Demokratieprinzip und der dominanten Volkssouveränität – und die Grundrechtslehre zurück. Ihr Gehalt verschwindet dahinter geradezu. Dort führt sie oft das Rand- und Schattendasein eines Phantoms, dessen Leben in der Vergangenheit zurückgelassen wirkt, und nur dann – ungeliebt und befremdet  – hervortritt, wo es unumgänglich scheint.45 An letzt­ genenannten, bisweilen stark divergierenden, Stellen im meist stark beschränkten Kontext wird die FDGO dann ein- und angeführt – etwa eben als Annex zu den Staatsstrukturprinzipien,46 einer allgemeinen Wehrhaftigkeit,47 des Notstands- und Ausnahmerechts,48 des Parteiverbots49 oder aber gar selbst als Inbegriff oder Teil der Volkssouveränität.50 41 Vgl. hier nur exemplarisch und durchaus überraschend van Ooyen, Sicherheit, S. 45 ff. m. w. N. sowie zahlreiche Publikationen in den „schnelllebigeren“ digitalen juristischen Plattformen wie LTO und, weniger, verfassungsblog.de. 42 Als Ausnahme erscheint hier noch 1982, allerdings nicht dogmatisch tiefergehend begründet jedenfalls die Einführungsdarstellung von Schäfer, Grundordnung, v. a. 89 ff. sowie 1984 Stern, StaatsR I, 2. Aufl., S. 551 ff. als Kopf der Strukturprinzipien, ob dies in der angekündigten 3. Auflage fortgeführt wird, bleibt durchaus abzuwarten; es wirkt geradezu als bestünde eine Korrelation, gar Kausalität mit der Prägung des BVerfG durch Böckenförde und dessen paradigmatischen Demokratie-Beitrag im HdbStR II, seit 1. Aufl. 1987 (dort § 30, später § 24). 43 Stern, StaatsR I, S. 556 m. w. N. 44 Vgl. Preuß, Superlegalität, S. 445 ff.; dies weiter kritischer politologisch aufnehmend etwa Jaschke, Demokratie, S. 71 ff. 45 Vgl. exemplarisch Kloepfer / Greve, Staatsrecht, dort nur Rn. 624 (S. 204) im Zusammenhang mit Art. 9 II GG. 46 Vgl. etwa Battis / Gusy, Staatsrecht, Rn. 61 (S. 41 f.) als Annex zur Gewaltenteilung in der Demokratie aus Art. 20 GG. 47 Vgl. etwa Groepl, StaatsR I, § 13, d. h. Rn. 779 ff., v. a. 788 ff. sowie dort materiell als Annex zu Art. 20 in Rn. 238–240 abgehandelt; ähnlich Ipsen, StaatsR I, Rn. 186 f., 1022 ff.; insoweit muss Hesse, Grundzüge, Rn. 709 ff. als Zwischenform verstanden werden, da er die Wehrhaftigkeit zumindest noch als „Sicherung der „freiheitlich demokratischen Grundordnung“ überschreibt. 48 Vgl. Kloepfer, Verfassungsrecht I, § 28 Rn. 69 ff. zur wehrhaften Demokratie, darin Rn. 72 die FDGO als „Einzelaspekt Schutzgüter“; zum Parteiverbot Morlok / Michael, Staatsorganisationsrecht, Rn. 301 f. und zum Notstandsrecht Rn. 545. 49 Vgl. etwa Korioth / Müller, StaatsR I, S. 255 ff.; Degenhardt, StaatsR I, Rn. 59. 50 Vgl. etwa Morlok / Michael, Staatsorganisationsrecht, Rn. 128.

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Selbst in größeren Überblickswerken ist heute nicht mehr erkennbar, dass die FDGO näher analysiert oder diskutiert würde, über die oberflächliche Rezeption der Rechtsprechung des BVerfG und vereinzelt kurzen Diskussionen zur Wehrhaftigkeit der Demokratie hinaus.51 Allenfalls teilweise mag dies darauf zurückgeführt werden, dass die FDGO als Zusammenfassung jener gängigen Prinzipien erscheint,52 welche aus der Verfassungsgeschichte als „große Lehren“ gezogen werden, namentlich gegen Anarchie, feudale und diktatorische Willkür und die üblicherweise in den Staatsstrukturprinzipien der demokratischen und (sozial) rechtsstaatlichen Bundesrepublik in Art. 20 GG zusammengefasst werden.53 b) Kontroversen über Inhalt und Ableitungen Weniger überrascht in zweiter Hinsicht, dass um die FDGO, welche durch einen breitest denkbaren Konsens aus den Erfahrungen menschenunwürdiger totalitärer Regime die größte mögliche Freiheitlichkeit und Demokratie des Gemeinwesens und möglichst aller in ihm auf Dauer sicherstellen soll, weiterhin erheblicher Streit besteht.54 Dieser weist allerdings mindestens drei Ebenen aus, wobei die FDGO als Grundlage eher selten in Frage gestellt wird. Dabei stellt einerseits die wehrhafte bzw. streitbare Demokratie ein Zwischenglied dar, welches bereits starke verfassungspraktische und -politische Bezüge aufweist, jedoch bis in die Verfassungsdogmatik hinein juristisch verwendet wird.55 Andererseits weist der Begriff des Extremismus darüber hinaus und damit am weitesten aus der juristischen in die sozialwissenschaftliche Sphäre. Beide Ableitungsebenen finden, im Gegensatz zur FDGO, keinerlei unmittelbare Verankerung im Grundgesetz und seinem Normenbestand. Über die FDGO selbst werden die Kontroversen seit langem eher selten geführt. Befeindet, verteidigt und als Angriffsmittel auf politische Gegner genutzt werden weit häufiger die Begriffe und deren Inhaltzuschreibungen auf den beiden Folgeebenen, die sich allerdings (mehr oder weniger) auf die FDGO beziehen. 51

Namentlich nochmals Kloepfer, Verfassungsrecht I, § 28 Rn. 69 ff.; anders allerdings das HdbStR, dazu im Folgenden sowie die gängigen größeren Kommentierungen. 52 So vermeintlich auch Gusy, AöR 105 (1980), 279 (296), allerdings gegen eine eigenständige Bedeutung der „streitbaren Demokratie“ des BVerfG bezogen. 53 Vgl. etwa Brill, Der deutsche Beamte 1956, 19 (20); Preuß, Superlegalität, S. 445 (446 ff.); Denninger, Grundordnung  I, S. 67; vgl. dazu auch instruktiv Kaufmann, Grenzen, S. 95 (v. a. 99 ff.). 54 Zum „zwingenden Fundament und unabdingbaren Verfassungskonsens über die FDGO“ vgl. Stern, StaatsR I, S. 560 f. 55 Vgl. vor allem unten B. III. 2., D. III.; nicht selten wird daraus die FDGO eingebettet in oder synonym mit der streitbaren oder wehrhaften Demokratie betrachtet, die selbst beide nicht im Wortlaut der Verfassung enthalten sind, vielmehr als Schöpfungen des Bundesverfassungsgerichts und anderer staatlicher Organe der konstituierten Bundesrepublik gelten dürfen; vgl. hier noch die aus dem juristischen herausführende Kurzdefinition von Fuhrmann, Antiextremismus, S. 294 f.: wehrhafte Demokratie als wertgebunden und abwehrbereit, in der BRD mit der FDGO als Schutzgut; vgl. auch Jasper, Demokratie.

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A. Einleitung

aa) Tatsächlich werden rhetorisch alle drei Ebenen – die FDGO als Grundlage, die wehrhafte Demokratie und der Extremismus – dazu gebraucht, verdächtigte mutmaßliche „Verfassungsfeinde“ bloßzustellen und zu stigmatisieren, wenn nicht Maßnahmen gegen sie zu legitimieren.56 (1) In diesem Sinn findet sich die wehrhafte bzw. streitbare Demokratie vor allem in rechtlichen Entscheidungen. In ihnen werden etwa Ansprüche gegen den Staat versagt, konkrete Eingriffe und ihre Ermächtigungen in grundrechtlich geschützte Freiheitsbereiche sowie Disziplinar- und Abwehrmaßnahmen gegen Staatsbedienstete und potentielle Amtsträger gerechtfertigt, immer stärker seit den 1950er Jahren geprägt durch den Kalten Krieg.57 Vor allem bis in die 1980er Jahre war die wehrhafte bzw. streitbare Demokratie der Gegenstand intensiver, auch politik- und rechtswissenschaftlicher Diskurse.58 Zu ihnen zählte neben jenem um die ersten beiden Parteiverbote, vor allem der KPD vom 17. August 1956,59 und den Notstandsgesetzen60 mit der Abhörentscheidung des BVerfG vom 15. Dezember 197061 zur Beschneidung des Rechtswegs nach Art. 10 II 2 GG vor allem der sogenannte „Radikalenerlass“ von 1972 zur Verweigerung des Zugangs zum öffentlichen Dienst oder Entfernung aus diesem wegen möglicher verfassungsfeindlicher Aktivitäten und Einstellungen.62 Letzterer galt als vor allem gegen die radikalen Teile der Studentenbewegung 1968 und ihren proklamierten „Marsch durch die Institutionen“ gerichtet:63 Verbunden mit einer Regelanfrage in den Datensammlungen des Verfassungsschutzes vor jeder Einstellung im öffentlichen Dienst sollten „Verfassungsfeinde“ bereits aufgrund früherer Mitgliedschaft in Parteien und Gruppen identifiziert und von jeder staatlicher Beschäftigung, namentlich als Lehrer oder Hochschullehrer, ferngehalten, wenn nicht im Nachhinein entfernt werden.64 56 Vgl. etwa in Verbindung bzw. Vermischung aller drei Ebenen Jaschke, Demokratie, S. 95 ff. et passim m. w. N.; Fuhrmann, Antiextremismus, S. 17 ff. aktuell speziell zum Extremismus. 57 Siehe unten D. III. 58 Vgl. etwa für die „abschließenden“ 1980er Jahre die Literaturübersicht von Jesse, Überlegungen, S. 29 (42 ff.) sowie die Überblicksdarstellung bei Jaschke, Demokratie, S. 16 ff. et passim; Boventer, Grenzen, S. 25 ff.; dazu etwa Mandt, FS Sternberger, S. 233 ff.; vgl. jedoch noch Thiel, Demokratie, S. 1 ff. 59 BVerfGE 5, 85; zur Kritik siehe weiter unten B. III.; hier etwa Abendroth / Ridder /  Schönfeldt, KPD-Verbot; Brünneck, Kommunisten; Foschepoth, KPD-Verbot; Fülberth, KPD; Gössner, Justizopfer; Ridder, Ideologie. 60 Siebzehntes Gesetz zur Ergänzung des Grundgesetzes, beschlossen vom Bundestag am 30. Mai 1968, Inkrafttreten am 28. Juni 1968, BGBl. I 1968, S. 709, Regierungsvorlage BT Drs. V/1879, Bericht BT Drs. V/2873, Gegenentwurf FDP, BT Drs. V/2130. 61 BVerfGE 30, 1; vgl. etwa Lameyer, Demokratie, S. 56 ff. m. w. N. sowie unten D. III. 1., 3. 62 Vgl. auch hier mit guter Zusammenstellung zunächst Jesse, Überlegungen, S. 29 (53 ff.); Narr, Sicherheitsrisiko; zeitgenössisch verfassungspolitisch illustrativ vor allem etwa Abend­ roth, Januarbeschlüsse, mit 21 juristischen Stellungnahmen und Quellen. 63 Vgl. exemplarisch von Oertzen, Politische Bildung 2 (1969), 14; zur Gefahrwahrnehmung in Verbindung mit dem sich dadurch radikalisierend herausbildenden linken Terror der RAF und anderen aus Sicht des herausgeforderten Rechtsstaats etwa Benda, Krise, S. 9 ff. 64 Vgl. illustrativ OVG Berlin, JZ 1973, 209 ff. m. Anm. Frowein.

I. Einführung und Kontext 

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Just mit den in weitem Umfang ausgelösten und lange fortwirkenden Protesten gegen die damit wahrgenommenen Berufsverbote65 auch aufgrund ihrer Einschüchterungs- und Disziplinierungswirkungen66 sind die Begrifflichkeiten der wehrhaften bzw. streitbaren Demokratie weitestgehend aus dem exekutiven und politischen Sprachgebrauch geradezu plötzlich verschwunden.67 Richtigerweise wird darauf hingewiesen, dass diese Begriffe in den 1970er und 80er-Jahren immer stärker in der Rhetorik der „inneren Sicherheit“ aufgegangen sind.68 Diese prägt – ebenfalls bei ungewissem rechtlichem und ebenfalls teilweise fraglichem objektivierbarem Fundament69 – heute weit mehr in Prozessen der Securitization die politischen, iterativen Debatten mit einem weit umfangreicheren und unterschiedsloseren Anspruch an präemptive Sicherheit, in welchem die FDOG als Schutzgut unter vielen und vor allem Maß und Ankerpunkt ganz zu verschwinden droht.70 (2) Die Bezeichnungen des Extremismus, Extremisten oder „extremistischer“ (nicht aber bloß: „extremer“) Einstellungen und Aktivitäten wurden zunächst durch den organisierten Verfassungsschutzverbund71 und damit korrespondierend die Extremismus-Forschung zentral um Backes und Jesse als Zentralbegriff geprägt. Zuvor war er bereits bei Löwenstein und anderen seit den 1930er Jahren gegen Totalitarismus und Autoritarismus aus dem anglo-amerikanischen Sprachgebrauch übernommen worden.72 Die Extremismus-Terminologie löste damit auf 65

Vgl. nur Gollwitzer, Januarbeschlüsse, S. 30 ff.; Bethge, Zerstörung; von kommunistischer Seite IMSF, Berufsverbote, dies., Interdictions. 66 Vgl. etwa die Aktivitäten des 1980 gegründeten Komitee für Grundrechte und Demokratie, darunter im Grundrechte-Report, sowie dies., Radikalenerlass, v. a. S. 142 ff.; Däubler, Januarbeschlüsse, S. 20 ff.; zur „Gesinnungsschnüffelei“ zusätzlich etwa Gollwitzer, Januarbeschlüsse, S. 30 (31); zur mutmaßlichen gezielten Disziplinierung vor allem von antiautoritären, missliebigen und linksorientierten Lehrern vgl. namentlich Hartmann, Januarbeschlüsse, S. 34 (37 f.). 67 Geradezu als Begründung könnte die Brandrede gegen das Verdikt der Radikalität von Abendroth, Stellungnahme, S. 7 ff. u.a Beiträgen im Sammelband gelten; die Terminologie – weniger der streitbaren, als der wehrhaften Demokratie  – wurde allerdings weiterhin der juristischen Dogmatik, vor allem den entsprechenden Entscheidungen des BVerfG und der weiteren Gerichte weiter zugrunde gelegt, vgl. ausführlich unten D. III. 68 Vgl. wohl am detailliertesten ist dieser Prozess seit 1969 bislang aus stark kritischer Sicht dargestellt bei Jaschke, Demokratie, S. 74 ff. m. w. N. und Belegen; zum Begriff der Inneren Sicherheit zusammenfassend vgl. etwa Dietrich, HdbSiStR, § 1; krit. v. a. aus strafrechtlicher Sicht bereits Fahrner, ZStW 132 (2020), 84 ff.; exemplarisch etwa Thiel, Demokratie, S. 1 ff. 69 Vgl. nochmals hier nur Jaschke, Demokratie, S. 76 f. m. w. N. 70 Vgl. allgemein Dietrich u. a., HdbSiStR, darin unter vielen Fahrner, § 4 Rn. 13 ff.; zur Rolle des Bundesverfassungsgerichts etwa pointiert van Ooyen, Sicherheit, S. 373 ff. 71 Wohl ab der Mitte der 1970er Jahre in entsprechenden Verfassungsschutzberichten, vgl. auch zum Folgenden etwa die kritische Überblicksdarstellung bei Stange, Karriere, S. 10 ff. m. w. N.; Oppenhäuser, Extremismus-Konzept, S. 35 (36 ff.). 72 Vgl. exemplarisch bis in die 1920er Jahre, beginnend für den Extremismus mit Leroy, Technique, S. 92 ff. und Compère-Morel, Dictionnaire, S. 276 sowie für den Totalitarismus mit Amendola, Giovanni: Maggioranza e minoranza, Il Mondo v. 12. Mai 1923; zu beiden bereits Löwenstein, ColLR 38 (1938), 591; allgemein zur Totalitarismus-Theorie etwa ­Boventer, Grenzen, S. 32 ff. m. w. N.; Jänicke, Herrschaft; Schlangen, Totalitarismus-Theorie; Seidel / Jenkner,

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A. Einleitung

vergleichbarer Ebene das Totalitarismus-Modell ab, welches bereits in der Zeit der Entstehung der FDGO zu deren Abgrenzung alternativer Herrschaftsformen und deren Vergleichbarkeit einen zentralen Beitrag leistete.73 Die Extremismus-Theorie wird in den 1970er Jahren in diesem Kontext (ähnlich dem heutigen Begriff des rechtsstaatlich überaus bedenklichen des „Gefährders“) ohne unmittelbaren juristisch Geltungsanspruch zu einem Terminus Technicus als Abgrenzung zu einem Radikalismus, der noch keine Stigmatisierung und Sanktion rechtlich rechtfertigen soll.74 Radikales Denken und auch sonst legales Handeln sollten eben gerade nicht als außerhalb der FDGO begriffen werden. Politisch sollte die heftige Debatte, aber auch heftige Kritik aus dem Ausland um die sogenannten Radikalenbeschlüsse75 damit entschärft und gelöst werden.76 Gleichzeitig sollten gemeinsame Faktoren der gefährlichen Einstellungen und Bestrebungen, egal von welcher politischen Seite vor allem phänomenologisch erfasst und von dort z. B. Ursachen und Wirkungen sozialwissenschaftlich beleuchtet und erklärt werden.77 bb) Die stets schwebende Kritik gegen die übermäßige staatliche Einschränkung individueller Freiheit, mehr noch aber jede Form des Schutzes vor „dem wahren Willen des Volkes“,78 sei er noch so sehr hineinprojiziert, manipuliert oder aufTotalitarismus-Forschung; Backes / Jesse, Stiefkind, S. 9 ff.; dies., Extremismus, S. 40 ff.; ­Backes, Rahmentheorie, S. 31 ff., 55 ff., jeweils auch zur Begriffsgeschichte; speziell zum „Kalten Krieg“ etwa Thiemeyer, Totalitarismus; allgemein ferner Borkenau, Enemy; Friedrich /  Brzeziński, Diktatur; Arendt, Elemente; zur linken Kritik vgl. die Beiträge bei Schmeitzner, Totalitarismuskritik; dazu Ackermann u. a., Metamorphosen, S. 13 ff. 72 ff. und Fuhrmann, Antiextremismus, S. 18 ff. v. a. zum Zusammenspiel von staatlichen Organisationen, Wissenschaft und Medien der BRD aus linker, ablehnender Sicht in einer Darstellung, die vor allem bei Ackermann u. a. Ansprüchen umfassender historischen Präzision nicht durchgängig genügen können. 73 Vgl. nur Fuhrmann, Antiextremismus, S. 148 ff. mit den entsprechenden wissenschaftlichen Ansätzen und Übergängen; Denninger, Grundordnung I, S. 69 f. 74 Vgl. etwa ausdrücklich Backes / Jesse, Extremismus, S. 44 ff., ausdrücklich weil Extremismus noch viel weniger untechnisch konnotiert sei; vgl. weiter Jaschke, Demokratie, S. 42 ff.; vgl. neuerdings auch Fuhrmann, Antiextremismus, S. 218 ff. m. w. N. 75 Vgl. namentlich aus Frankreich das Comité français pour la liberté d’expression et contre les interdictions professionelles en RFA, mitbegründet vom späteren Staatspräsidenten François Mitterrand, vgl. etwa Petter, Normalität, S. 223 f.; Rigoll, Radikalenbeschluss, S. 812 ff.; zur US-amerikanischen Kritik und dem internationalen III. Russel-Tribunal zu Menschenrechtsverletzungen durch Berufsverbote 1978 zusammenfassend Jesse, Überlegungen, S. 29 (52 f.) m. w. N. 76 Erkennbar wird dies auch in den Versuchen, die streitbare Demokratie vom Extremismus-Begriff abzusetzen etwa besonders deutlich bei Backes, Backes, Stiefkind, S. 8 (21). 77 Backes / Jesse, Extremismus, S. 45, 53 ff.; die Phänomenologie scheint dahinter einerseits aus der Unsicherheiten und Angriffe der rechtlichen Bestimmung, andererseits einer höheren Plausibilisierung durch tatsächliche Determinanten statt normativen motiviert zu sein; die induktive Phänomenologie trug allerdings wohl auch entscheidend zu einem Verkennen des NSU bei, vgl. etwa zur Rolle von Frauen ebd., 243; vgl. zu den einzelnen Forschungsfeldern bereits Backes, Stiefkind, S. 8 (12 ff.). 78 Aus eher gemäßigter „linkerer“ Sicht etwa Jaschke, Demokratie, S. 70 ff. m. w. N. bis hin zum Vorwurf des Verfassungstotalitarismus bei Greiffenhagen, Obrigkeitsstaat, S. 52 (67); vgl. hier zu Schmitt nur van Ooyen, Sicherheit, S. 37 m. w. N.

I. Einführung und Kontext 

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gehetzt, hat nach der Wiedervereinigung von ausgeprägt rechter wie linker Seite eine neue Welle erreicht. Bemerkenswert vollzieht sich die Auseinandersetzung mit der FDGO aus Blickwinkeln an bzw. außerhalb ihrer Ränder vor allem heute geografisch aus den neuen Bundesländern. Vor allem, aber bei weitem nicht nur dort scheint es, ähnlich wie im großen Bild der mittel-/osteuropäischen Transformationsstaaten seit 1990, Notwendigkeiten und Räume zu geben, ohne hinreichende Präsenz oder Prominenz der historischen Hintergründe Diskussionen zu führen, die über den 2. Weltkrieg bis jedenfalls in die Zwischenkriegszeit zurückreichen und in der Bundesrepublik vor allem zwischen 1968 und 1990 „ausgekämpft“ galten. Namentlich eine von rechter Seite wirkenden „neue sächsische Schule“ eint so mit einer neokommunistischen Lehre79 das Bestreben, den Konsens der aktiven FDGO in ihrem Sinne umzudeuten und dadurch (mit einem fiktiven Schlachtruf: „zurück nach Weimar!“) zu schwächen.80 Noch nicht völlig durchdrungen scheint, wie sehr diese Vorstellungen nicht nur als Vergleich von autoritären, illiberalen Regimen weltweit angeführt werden, sondern deren Etablierung auch in Deutschland bedeutsam, wenn nicht entscheidend erleichtern oder ermöglichen könnten. Es bleibt abzuwarten, ob diese Diskussionen zum erreichten Stand jener der alten Bundesrepublik zurückkehren werden, ihn wirklich „überholen ohne einzuholen“ können – oder aber geschichtliche Fehler einfach aufs Neue wiederholen. Einzig angesichts aktuellerer Entwicklungen von „NSU“-Mordtaten, weiteren rechtsterroristischen Morden und extremistischen Gewalttaten, der medial beförderten Stärke und Präsenz der AfD und extremen „Anti-Corona“-Gewaltakten scheinen jedenfalls für den Moment jene Stimmen etwas in den Hintergrund getreten, die angesichts der „Stabilität und Problemlosigkeit“ der Bundesrepublik die FDGO bzw. „militante Demokratie“ für überflüssig halten.81 (1) Das Verhalten der einen Seite des politischen Spektrums zur FDGO ist seit deren Errichtung ambivalent, wie zuvor der Verfassungsordnung der Weimarer Republik: Einerseits wird die Geltung und Effektivität der Grundordnung möglichst vielfältig bekämpft, andererseits soll sie im eigenen Sinn (um-)gedeutet und gegen den erklärten politischen „Feind“ genutzt werden. (a) Im ersteren Sinn wird die FDGO bzw. vor allem das zu ihrem Schutz ausführende Strafrecht unter beständig wiederholtem Delegitimierungs-Verdacht gestellt.82 Nicht selten dient dies dazu, um die Aufhebung der begrenzenden FDGO 79

Vgl. etwa exponiert exemplarisch Schulz, Grundordnung; historisch Rigoll, Staatsschutz; auch Feustel / Stange / Strohschneider, Verfassungsfeinde mit den dortigen Beiträgen; Liebscher, Idealisierung; sowie Fuhrmann, Antiextremismus. 80 Vgl. als Vertreterin des linken Randes etwa Liebscher, Idealisierung, S. 123 ff. 81 Diese reichen je nach Konjunktur weit in beide Seiten des politischen Spektrums, vgl. nur Leggewie / Meier, Republikschutz, S. 223; van Ooyen, Sicherheit, S. 257 m. w. N.; Papier /  Durner, AöR 128 (2003), 340 (341) Fn. 1 m. w. N.; Fahrner, Vulnerabilität, S. 260 f. 82 Vgl. nur Papier / Durner, AöR 128 (2003), 340 (362 f.) m. w. N. v. a. in Fn. 120 zur „Rückkehr des Relativismus“ und wiederholten Stilisierung zum unlösbaren Paradox unter anderem mit exemplarischem Verweis auf von Münch, der sie als „Fremdkörper“ ansieht.

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A. Einleitung

im Sinn einer schrankenlosen libertären, letztlich „darwinistischen Demokratie“ zu erreichen.83 Zudem tritt diese Ansicht allen möglichen Begrenzungen der Kommunikationsgrundrechte in anderer Weise oder Äußerungen von Amtsträgern in die Öffentlichkeit zum Schutz der FDGO mit dem Argument des fiktiven, vom Staat unbeeinflussten „Willen des Volkes“ entschieden entgegen.84 Legitimität und Legalität werden auch gegenüber Verfassung und FDGO in Gegensatz gesetzt.85 Ihre Wurzeln lassen sich verfolgen zum wissenschaftlichen und vor allem richterlichen Wirken in entscheidenden Zeiten des Bundesverfassungsgerichts von ­Gerhard Leibholz und später Ernst-Wolfgang Böckenförde, dahinter aber vor allem Carl Schmitt.86 Leibholz behauptet, die „Volkssouveränität“ aus Art. 20 GG „bedeutet nichts anderes, als das Volk in einer Demokratie der Schöpfer aller politischen Wirklichkeit ist und in der Ausübung seiner souveränen Gewalt durch keine anderen Regeln gebunden …, als durch die es sich selbst in der Ausübung dieser Gewalt gebunden hat.“87 In dieser durch seine Hegel- und vor allem Fichte-Rezeption aus den nationalen Befreiungskriegen zunächst sozialdemokratisch geprägten Theorie der Freiheit des Volkes88 und entscheidenden formalen Gleichheit aller Glieder kann Leibholz benutzend umgedeutet89 werden – weg von dem ihm noch möglichen und nötigen rechtsstaatlichen Rahmen, welchen er im gleichen Atemzug herausarbeitet: „Auch 83

Vgl. etwa Ulbricht, Volksverhetzung; die Nähe in der Argumentation u. a. von Hörnle, Hoven und andern, vgl. dazu die Nachweise bereits bei Fahrner, Vulnerabilität, S. 256 ff. sowie im Staatsschutzstrafrecht in der anstehenden Habilitationsschrift. 84 Vgl. wohl auch etwa Voßkuhle, Freiheit, S. 24; Zum Ganzen bereits umfassend Fahrner, Vulnerabilität, S. 223 ff., 283 ff.; zur Fortsetzung des anthropomorphen „Staatswillens“ vgl. umfassend Kelsen, Wesen, S. 51 ff.; Waldhoff, Staatsperson, S. 237 m. w. N. 85 Vgl. richtig Preuß, Superlegalität, S. 445 ff. überzeugend namentlich gegen die Schmitt’sche Zerstückelung der Verfassung in bürgerlich-rechtlich und demokratisch-politisch; exem­ plarisch decouvrierend „reaktionär“ demgegenüber etwa Forsthoff, Rechtsstaat, S. 213 ff.; ebenso klar wie Preuß hier Stern, StaatsR I, S. 552, 554, 556. 86 Vgl. neben dem bereits genannten Fahrner, Vulnerabilität, S. 53 ff. et passim vor allem zu Böckenförde und Schmitt hier auch etwa Denninger, Grundordnung I, S. 71 ff. zur Wirkung von Leibholz; unmittelbar die etatistisch-voluntaristische Staatsverfassungslehre reaktiviert etwa Forsthoff, Rechtsstaat, S. 213 ff. mit allen seine Kontinuitäten über 1933 und über 1945 hinaus. 87 Leibholz, DVBl. 1951, 554; abgedruckt auch bei Denninger, Grundordnung  I, Nr. 7 (S. 82 ff.), hier S. 85). 88 Vgl. die Dissertation zum Dr. phil. von Leibholz, Fichte, S. 2 ff., 7 ff., 34 ff., 100, passim; so überwiegt die Anspielung des „Schöpferwillens“ an Idealismus und Schopenhauers geradezu naiv jene durchaus die Kehrseite entlarvende an den „Triumph des Willens“ von Riefen­ stahl 1934, verbunden etwa durch Richard Wagner und viele andere als Gesamttragödie über 1945 hinaus; zum Willen des Staates wiederum Hegel, Grundlinien, §§ 258, 270; gegen die frühe Lehre von Leibholz wohl auch schon Kelsen, Wesen, S. 51 ff.; zum Ganzen etwa auch van Ooyen, Sicherheit, S. 213. 89 Vgl. nämlich die gleichzeitige Wehrhaftigkeit bei Leibholz, DVBl. 1951, 554; abgedruckt auch bei Denninger, Grundordnung I, Nr. 7 (S. 82 ff., hier S. 91); hier im Übrigen konsequent vom „Selbstmord“ der Volkssouveränität sprechend, welcher sonst zu einem falschen Narrativ missbraucht wird.

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innerhalb der liberalen Demokratie setzt Freiheit Bindung voraus, nämlich die Bindung an ihre existentiellen Grundlagen, die diese erst politisch funktionsfähig macht. Diese für unabänderlich und ihre Verneiner zu Staatsfeinden zu erklären, ist ihr legitimes Recht.“ Insgesamt wand sich die Integrationslehre der Zwischen- wie Nachkriegszeit bewusst mutmaßlichen soziologischen Begründungen des Staates und der Notwendigkeit der faktischen Integration des Volkes zu, der die Verfassung zu dienen habe. Dies erfolgte weniger zur gemäßigten Form Smends in der Freiburger Schule, denn dahinter versteckt, ihrer brachialsten Ausprägung: Die folgenschwerste „Umnutzung“ auch des Nationalidealismus im Demokratiebegriff (allerdings in Spannung zu seiner Grundrechtsdogmatik) erfolgte vor allem von Böckenförde.90 Er formte sie zu einem letztlich (faktisch rein fiktiven) ungezügelten Dezisionismus „des Willens des Volkes“ in jedem Augenblick auch als pouvoir constituant im Sinn von Carl Schmitt, als einer stets möglichen legalen (bzw. legitimen?) Revolution.91 Wie bereits gezeigt wurde, kann, wenn dieser Schritt vollzogen ist, die FDGO keine überspannende allgemeingültige Rahmenordnung mehr sein. Sie verkommt zum subjektiven Kampfmittel zwischen Machtparteien, erklärtem Feind und Freund.92 Nicht zuletzt in Kägi und Dürig, wenn nicht schon Kelsen und Thoma hatte die Warnung vor einem solchen „freiheitsvernichtenden Moloch des Demokratismus des jeweiligen Willens der Mehrheit“ von Beginn an prominente, wenn auch immer weiter hinter die stets erneuerte Faszination der bundesrepublikanischen Staatslehre von Schmitt zurücktretende Stimmen.93 Gleiches gilt für die Warnung vor der Prägung des BVerfG durch den Dezisionismus, den etwa Ehmke als wohl erster in systematischer Befassung mit den Grenzen der Verfassungs­änderung begründete.94 (b) Demgegenüber steht ebenfalls seit dem Neubeginn 1949 das konservative Unternehmen, die FDGO selbst als „Wertkern des Gemeinwesens“ in einer sub­ stantiellen Sicht zu belegen.95 Freiheit dürfe nicht ungebändigt, sondern müsse eine ethische Größe sein, legte dafür vor allem Erich Kaufmann 1951 das Fundament. Ihm war dies die einzige denkbare Lösung zwischen nicht zu leugnendem volkssouveränem pouvoir constituant und jenem Dezisionismus des ihm verhassten

90 Bemerkenswerterweise beide trotz stark konservativer Haltungen und intensiver Nähe zu Schmitt von der SPD besonders befördert und jeweils für das BVerfG vorgeschlagen. 91 Vgl. zur legalen Revolution Triepel, Die nationale Revolution und die deutsche Verfassung, ADZ Nr. 157 v. 2. 4. 1933, S. 1. 92 Vgl. zum Ganzen vorstehenden Fahrner, Vulnerabilität, v. a. S. 53 ff., 75 ff. 93 Vgl. etwa Kägi, FS Giacometti, S. 107 (132 ff.,142) auch explizit zur Verfassung als im Dezisionismus entleert zur bloßen Organisationsform; DHS-Dürig, Art. 18 GG Rn. 56 m. w. N., z. B. Aufl. 1964 zit. nach Denninger, Grundordnung I, Nr. 11 (S. 159); Kelsen, Wesen, S. 51 ff.; Thoma, HdtStR, § 16, S. 189 Fn. 5. 94 Vgl. Ehmke, Verfassungsänderung, S. 49 ff. 95 Vgl. exemplarisch Stern, StaatsR I, S. 554, 558 ff. m. w. N.; den fundamentalen Gegensatz von Rahmen- und Wertordnung hat besonders klar Gusy, AöR 105 (1980), 279 (v. a. S. 289 ff.) herausgearbeitet.

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A. Einleitung

Schmitt.96 Längst zu einem kaum hinterfragten Narrativ geworden ist die „Wertfreiheit“ (wenn nicht Wertlosigkeit) der Weimarer Verfassung und der Vorwurf an die liberal- und sozial-demokratischen Verfassungsrechtler ihrer Zeit aus Sicht der völkisch-nationalistischen Republikfeinde. Selbst in den Köpfen der Grundgesetzgeber hatte sich die idée fixe über ihre gescheiterten Vorgänger bereits teilweise festgesetzt, welches mit Schmitt just ihr wichtigster protodiktatorische Zerstörer gegen ihren republikanischen rechtsstaatlichen Geist in die Welt setzte.97 Umso bezeichnender taucht nach 1945 jener „Geist“ nicht nur in den frühen Formulierungsversuchen zum zu schützenden Verfassungskern auf.98 Weniger zum Geist der Gesetze oder einen Ungeist der Nationalsozialisten, sondern jenem Volksgeist des 19. Jahrhunderts99 schuf er eine Verbindung zur zentralen intergenerationellen und transpersonalen Kontinuitäts- und Identitätsidee bei Hegel, Fichte und ebenso der historischen Rechtsschule.100 (aa) Der nationalidentitär propagierte Verfassungskern greift in besonders randständiger Ausprägung auf materielle Volksgedanken ethnischer oder gar biologistischer Homologie zurück, etwas weicher in der „gemeinsamen Volks-/Abstammungserfahrung“.101 Er beruft sich auf die vermeintlichen „besonderen Leistungen religiöser Homogenität Europas im 19. Jh.“102 (freilich unter Verkennung der Rolle 96

Kaufmann, Grenzen, S. 95 ff. (98 f., 103 ff.) vor dem Deutschen Juristentag 1951; nicht zu verkennen allerdings bereits die Werthaftigkeit-Diskussionen vor allem seitens der CDU / CSU in der Genese der FDGO, vgl. dazu unten B. I. 3. ff.; beachtlich ist die Haltung des konservativen Rückkehrers Kaufmann in der Teilübernahme von Lehren von Schmitt, welcher ihn maßgeblich vertrieben hatte, bei so offenkundiger (ebd., S. 98) Ablehnung dessen gemeinten „Dezisionismus, Voluntarismus“ usw. 97 Die Mär der „Wertfreiheit“ als Freiheit von völkischen und konservativen, nicht aber republikanischen und rechtsstaatlichen Werten lässt sich rückverfolgen bis jedenfalls Schmitt, Legalität, S. 97 f.; vgl. etwa Bulla, AöR 98 (1973), 340 (343); van Ooyen, Sicherheit, S. 257 m. w. N.; auch Rosenbaum, Naturrecht, S. 151 zur Rezeption; aufgegriffen wird sie auch in den 200er Jahren in neuen Wellen etwa exemplarisch von Papier / Durner, AöR 128 (2003), 340 (345 ff.); bemerkenswert wird es ebenfalls an den Grund der Debatten über die FDGO unmittelbar nach deren Genese gelegt durch Leibholz, DVBl. 1951, 554; abgedruckt auch bei Denninger, Grundordnung I, Nr. 7 (S. 82 ff., hier S. 91 f.); exemplarisch die nicht mehr kritisch reflektierte Zuweisung vor allem an Kelsen und Heller sowie Radbruch etwa bei G ­ erlach, Vereinsverbotspraxis, S. 52 f. m. w. N. und praktisch unkritischer expliziter Übernahme von Schmitt trotz Erkenntnis dessen Antiliberalismus, -parlamentarismus und -pluralismus; beachte zur Neubewertung der Weimarer Republik bereits eingehend Gusy / van Ooyen /  Wassermann, Republik mit dortigen Beiträgen; sowie etwa van Ooyen, Sicherheit, S. 24 ff. m. w. N. 98 Vgl. unten B. I. 4. 99 Vgl. exemplarisch Kaufmann, Volkswillen, S. 20 ff., allerdings explizit gegen eine Führer als „Schrei der Impotenz“. 100 Vgl. für Hegel etwa Hegel, Grundlinien, §§ 258, 270; dazu etwa auch van Ooyen, Sicherheit, S. 213; für Fichte bereits oben zu Leibholz; ähnlich zur „Wesenheit“ auch Stern, StaatsR I, S. 553; vgl. weiter Dorn, Verfassungssoziologie, S. 125 ff. 101 Vgl. noch nach 1945 Böckenförde, HdbStR, § 24 Rn. 46 ff.; zu histoeischen Dimensionen etwa hier nur Jenß, Volksgemeinschaft, S. 211 ff.; Puschner, Bewegung m. w. N. 102 Besonders in der hohen Selbstwahrnehmung angreifbar Dreier, RW 2010, 11 (12 ff.).

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jüdisch-gläubiger Geldgeber, der calvinistisch-lutheranischen Gegensätze im aufsteigenden Preußen oder gar, im zeitgenössisch angemessenen postkolonialen Horizont, der Überlegenheit der arabischen und asiatischen religiösen Toleranz in kultureller und wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit). Jedenfalls Migranten bringen diese ebenso weitreichenden wie längst widerlegten Behauptungen in Begründungszwang und Zweifel. Sie stellen sich ebenso erkennbar in den historischen Widerspruch zur allgemeinen Menschenwürde und Erinnerung an das Reichsbürgergesetz und ähnliche. (bb) Gemäßigter wird eine Homogenität „des Volkes“ in seiner Willensbildung durch den diesem untergeordneten Staat gesucht in einem spartanisch-antiken Bürgergeist mit gleichgerichteten zentralen Werten,103 welchen man in einem (unter so vielen auffällig nie explizit benutzten) „Böckenfördeschen Tricolon“ zusammenfassen könnte als „Volk – Identität – Staat“.104 Aber auch in der deutschen Literatur wird versucht, die FDGO lediglich auf die Bürger zu beziehen, andere Einwohner und Betroffene des Staates von ihrem Schutz auszublenden: Nur für die Bürger existiere danach die FDGO, ihnen sei die wehrhafte Demokratie mit ihren Schutzinstrumenten verpflichtet.105 Entlarvend überspitzt wird der wertmäßige Ewigkeitsschutz in einer (mittlerweile historischen) expliziten Ableitung des deutschen Art. 79 III GG in der chilenischen Verfassung unter damals rechtsgerichteter Diktatur, wonach zeitweise als ewig zu schützen neben dem Staat die Familie gleichberechtigt ganz im konservativen Wertbild und explizit gegen kommunistische Umtriebe genannt war.106 (cc) Zur Wertaufladung gehört auch häufig die Deutung, welche jedenfalls zur Zuordnung als Extremismus wenn nicht zur Verletzung der FDGO eine Gegner-

103 Zum Problem des Wertkerns als „Staatsethik“ krit. etwa Stange, Karriere, S. 10 (13); zum Bürgerbewusstsein v. Extremimus vgl. Backes, Stiefkind, S. 8 (15); vgl. auch Dreier, RW 2010, 11 ff., dort S. 36 mit einem Erfordernis gemeinsamer Sprache, welche der EU ebenso fremd wäre wie der Schweiz oder der sorbischen und dänischen deutschen Minderheiten. 104 Als möglicher Ausgangspunkt ebenso wie das gerne weitergesponnenen Narrativ des „Selbstmordes der schrankenlosen Demokratie“ dürfte gelten HChBericht, S. 32; vgl. bereits im UA I, ParlRAkt II, Nr. 6 (S. 227 ff.); Jahrreiß, FS Thoma, S. 72 (78 ff.): Selbstsicherheit des Staatsvolks in seiner demokratischen Willensbildung, dazu seine Rückbindung seiner Beauftragten und drittens sein Wille zu seinem wirkungsvollen, leistungsfähigen Staat, allerdings dort klar noch gegen jede dezisionistisch-identitäre Deutung insoweit in der Tradition der demokratischen Weimarer Verfassungslehre; vgl. etwa Jaschke, Demokratie, S. 11, 304 f. mit Überblick über neuere Literatur dazu in Fn. 1; interessanterweise wirft auch die gemäßigt konservative Extremismustheorie der extremistische linke eine antiplural-identitäre Demokratieauffassung vor, vgl. etwa Backes, Stiefkind, S. 8 (11), welche allerdings etwa auch den Schmitt-Schülern weithin noch eigen ist. 105 So Schliesky, HdbStR V, § 277 Rn. 21. 106 Vgl. näher Lizana, Chile, S. 59 (67) zu den zunächst auf den reinen auf Schutz der friedlichen sozialen Ordnung beschränkten Staatsschutzvorschriften seit 1932 und S. 65 ff. zur expliziten Berufung der Junta von 1980 auf das deutsche System mit der Erweiterung in Art.8 der damaligen Verfassung; Thiel, Democracy, S. 392 f.

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schaft zum Kapitalismus genügen lassen will.107 Dagegen wird berechtigten eingewandt, dass das Grundgesetz bereits nach Wortlaut und Genese den Kapitalismus nicht als Kern seiner Verfassungsordnung, geschweige denn der jedenfalls nicht weiteren FDGO betrachte.108 Dem hält diese Ansicht mittlerweile wiederum entgegen, dass die Bekämpfung der parlamentarischen Demokratie, wenn nicht der Freiheit der Forderung nach einem alternativen v. a. sozialistischen Wirtschaftssystem auf dem Fuße folge.109 Von vornherein wenig tauglich erscheint demgegenüber das Argument, die FDGO gewährleiste mit dem Ausgang von der Freiheit des Einzelnen Eigentum, Erbrecht, Privatautonomie und Wettbewerbsfreiheit.110 Schließlich sind all die genannten Ableitungen aus Art. 2, 3, 12, 14, 15 GG zwar wohl als Institute in der vorhandenen Verfassungsordnung gewährleistet, aber der Regelung und verfassungskonformen Einschränkung bereits durch den einfachen Gesetzgeber in keiner Weise entzogen.111 (c) Im Ergebnis scheint die FDGO der „rechten“ politischen Seite im Gewand der streitbaren bzw. wehrhaften Demokratie probates rhetorisches wie reales Kampfmittel zur Einheitsbildung gegen das Fremde, wenn nicht den Feind im Schmitt’schen Sinn.112 Gleichzeitig soll sich ihre Wirkung darauf beschränken.113 107

Vgl. etwa besonders heftig Stern, Bedingungen, S. 286 ff. mit besonders rhetorischem Spiel mit einem untechnischen und unpräzisen Freiheitsbegriff; krit. Stange, Karriere, S. 10 (16 ff.) mit Überblick und w. N.; Denninger, Grundordnung I, S. 243 ff. mit den folgenden Beiträgen und m. w. N., dazu Grosser bei Denninger, Grundordnung I, S. 54 (58 ff.); Liebscher, Idealisierung, S. 123 (126). 108 Vgl. nur grundlegend BVerfGE 4, 7 (17 f.): „Die ‚wirtschaftspolitische Neutralität‘ des Grundgesetzes besteht lediglich darin, dass sich der Verfassungsgeber nicht ausdrücklich für ein bestimmtes Wirtschaftssystem entschieden hat. Dies ermöglicht dem Gesetzgeber die ihm jeweils sachgemäß erscheinende Wirtschaftspolitik zu verfolgen, sofern er dabei das Grundgesetz beachtet. Die gegenwärtige Wirtschafts- und Sozialordnung ist zwar eine nach dem Grundgesetz mögliche Ordnung, keineswegs aber die allein mögliche. Sie beruht auf einer vom Willen des Gesetzgebers getragenen wirtschafts- und sozialpolitischen Entscheidung, die durch eine andere Entscheidung ersetzt oder durchbrochen werden kann. Daher ist es verfassungsrechtlich ohne Bedeutung, ob das Investitionshilfegesetz im Einklang mit der bisherigen Wirtschafts- und Sozialordnung steht und ob das zur Wirtschaftslenkung verwandte Mittel ‚marktkonform‘ ist.“; sodann insoweit st. Rspr.; vgl. auch BVerwGE 17, 306 (308); explizit zur FDGO etwa OVG Berlin, NJW 1972, 2099. 109 Vgl. etwa Jaschke, Facetten, S. 17; äußerst schwach namentlich Nipperdey, HdGR IV/2, S. 870 ff. der durch mehrere logisch nicht zulässige Negativschlüsse zum Schutz der sozialen Marktwirtschaft gelangen will, vgl. dazu Denninger, Grundordnung I, S. 243 ff. 110 Dies aber das (damit überaus schwache und nur gegen extremen Kommunismus gehaltvolle) Kernargument von Nipperdey, a. a. O. 111 Vgl. für die heute wohl allg. A. nur historisch Rupp, Grundgesetz, S. 9 ff.; Benda, Wirtschaftsordnung, S. 306 ff. 112 Vgl. etwa van Ooyen, Sicherheit, S. 257 f.; Jaschke, Demokratie, S. 12 m. w. N.; Alemann, Situation, S. 65 (72); insoweit auch noch richtig Schulz, Grundordnung passim.; befördert wird dies durch eine Expansivität der Definition etwa bei Stern, StaatsR I, S. 554: Sie bedeute die Absage an einen Totalitarismus jeder Schattierung, der darin bestehe Macht in einer Person, einer Partei oder Clique zu konzentrieren. 113 Besonders deutlich der Gegensatz bei Schliesky, HdbStR V, § 277 Rn. 25, 27: Maximales Vorgehen gegen Abweichung und „Feinde“, minimale Beschränkung durch Art. 79 III GG.

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Sie soll das Grenzproblem als Rahmenordnung des freigehaltenen Willens des Volkes bilden, den dezisionistischen „wahren Willen des Volkes“ unter (jedenfalls faktisch) fiktiver Neutralitätspflicht „des Staates“ soll sie möglichst nicht begrenzen können.114 Zur Abwehr gegen vermeintlich zu große Veränderungen wird sie daher bewusst außer Acht gelassen, und stattdessen diesen das von Schmitt begründete Institut der Verfassungsidentität entgegengesetzt. (2) Von linker Seite des politischen Spektrums wird demgegenüber vor allem diese mutmaßlich einseitige Wirkung der wehrhaften und streitbaren Demokratie sowie des Extremismus-Begriffs attackiert. Die FDGO selbst ist jüngst erneut vereinzelt in den Blick dieser Angriffe gekommen,115 nachdem zuvor vor allem zunächst die Ausprägungen und Entscheidungen zur streitbaren und wehrhaften Demokratie sowie verbunden „Verfassungstreue“ und zuletzt maßgeblich die Extremismus-Theorie ihre Hauptziele waren. Die heftige Kritik, die bis heute gegen den organisierten Verfassungsschutz (und Sicherungen wie etwa die Recherche verfassungsfeindlicher Betätigungen vor Einstellungen in den öffentlichen Dienst)116 weit in bereite politisch linkere und progressive Kreise fortwirkt, speist sich jedenfalls aus Misstrauen und den Vorwurf des willkürlichen Missbrauchs dieses Instrumentariums. (a)  Jüngst wird die FDGO vor allem aus der Extremismus-Lehre zum Sinnbild eines forcierten „Normalismus“ erklärt.117 Damit wird ein Narrativ geführt, indem in der Tradition Foucaults ein kapitalistisch begründeter staatlich-gesellschaftlicher Einheits- und Befolgungszwang in den Vordergrund treten und die Gegnerschaft dagegen, einschließlich gegen die FDGO, als positives Aufbegehren

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Vgl. insoweit bereits im „Framing“ des „Grenzproblems“ bei BVerfGE 5, 85 (139), danach etwa Jesse, Überlegungen, S. 29; dem etwa auch verfallen Gusy, AöR 105 (1980), 279 (286 f.) zur „neutralen FDGO“ als „äußerster Grenze“ und ebd. S. 290 ff. daraus dem „Missbrauch als Zentrum“ unter, selten so offener, ausdrücklicher Berufung auf Carl Schmitt jedenfalls in Fn. 59, 75. 115 Vgl. Schulz, Grundordnung, passim; Liebscher, Idealisierung, S. 123 ff.; Ackermann u. a., Metamorphosen, S. 31 ff. 116 Vgl. exemplarisch etwa nur bereits Preis, Verfassungsschutz. 117 Zur FDGO als erzeugter „repressiver Normalisierungsordnung“ eines ideologisch-repressiven Staatsapparats vgl. in der Tradition Foucaults Süß, Friedensstiftung; Oppenhäuser, Extremismus-Konzept, S. 35 (43); Ackermann u. a., Metamorphosen, S. 37 ff., 72 ff.; hierzu und zum Folgenden zum kaum verbrämten Aufruf zur extremen Radikalität S. 235 ff.; der Normalismus kann jedenfalls begrifflich einmal mehr zu Schmitt, hier ders., Begriff, S. 46 f. zwar ursprünglich als Gegenbegriff zum faszinierenden Ausnahmezustand, allerdings in eben jene konservativen Ziele der Ruhe, Sicherheit und Ordnung (vgl. etwa das PrALR) als vermeintlicher „vollständiger Befriedung“ (so Schmitt, erkennbar totalitär!) zurückgeführt werden, was bereits Jaschke, Demokratie, S. 9 im Eingang zu Recht hervorhebt, dort S. 95 ff. auch die Ansätze des „Normativismus“ aus einer Toleranzgrenze der FDGO; bemerkenswert hat vor allem Kaufmann, Grenzen, S. 95 bereits 1951 vor dem deutschen Juristentag diesen Normalismus des Bürgers in der FDGO gegen die übermäßige Freiheit der Unterdrückung geprägt, dagegen bereits Lameyer, Demokratie, S. 64 ff. m. w. N.

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A. Einleitung

erscheinen soll.118 Sie wird (nicht nur) von daher als ein Kampfinstrument gegen abweichende Vorstellungen, vor allem im Hinblick auf das gesellschaftlich-staatliche Wirtschafts- und Sozialmodell gesehen.119 „So wird die Grenze um die den Boden der freiheitlich demokratischen Grundordnung – in physischer, semantischer und ideeller Hinsicht – zum Kriegsgebiet im taktischen Umgang mit dem Normalitätsdispositiv“; die Feststellungen über Extremisten würden zu umkämpften Instrumenten der Meinungsbildung.120 Berufen kann sich diese Auffassung nicht zuletzt auf die Emphasen der Vertreter einer nötigen werthaltigen FDGO, wie Stern: „Im Verhältnis zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung darf es keine Distanz, sondern nur Identifikation geben.“121 (b) Allgemeiner wird der FDGO vorgeworfen, von den noch und wieder in Ämtern, Parlamenten und Justiz wirkenden Dienern und Tätern des NS-Regimes als Mittel der BRD im Kalten Krieg gegen die DDR sowie Kommunisten und Sozia­ listen in Westdeutschland entworfen worden zu sein.122 Diese seien ohne konkret bestehende Gefahr verfolgt worden.123 Uneinigkeit besteht indes, ob die FDGO sich erst in der (frühen) Interpretation und Anwendung in der streitbaren Demokratie zu einem antikommunistischen Werkzeug gewandelt habe, namentlich als ursprüngliches Konstrukt nicht unvereinbar mit realsozialistischem und kommunistischem Politikverständnis sei.124 Jedenfalls wird diagnostiziert, dass es mit den Mechanismen der wehrhaften Demokratie und Extremismus konservativeren Kreisen gelungen sei, gegen Linkere die entscheidenden Teile der SPD in Stellung zu bringen, die früher selbst ähnlich durch Bismarck ausgegrenzt und verfolgt worden sei. Erfolgreich sei hier bereits die FDGO gewesen, die propagandistisch die Ordnung der Bundesrepublik für eine Mehrheit unter Einschluss der Sozialdemokratie gegen 118

Vgl. Foucault, Überwachen, v. a. S. 225 ff.; explizit zur FDGO Schulz, Grundordnung, v. a. S. 366; sonst zum „Normalismus“ in den weiteren Ebenen der Wehrhaftigkeit v. a. die vorgenannten; zuvor allerdings bereits angeknüpft an die Verfassungsmilitanz der streit­baren /  wehrhaften Demokratie bei Süß, Friedensstiftung. 119 Vgl. etwa jüngst Schulz, Grundordnung; Feustel / Stange / Strohschneider, Verfassungsfeinde mit den dortigen Beiträgen; Liebscher, Idealisierung, S. 123; Fuhrmann, Antiextremismus mit den jeweils dort gesammelten Verweisen auf älteres Schrifttum; dagegen nur mit weiteren Nachweisen für beide Seiten Papier / Durner, AöR 128 (2003), 340 (362 f.). 120 Ackermann u. a., Metamorphosen, S. 237. 121 Stern, StaatsR I, S. 562. 122 Vgl. etwa Rigoll, Staatsschutz, S. 74 ff., 458 ff.; Abendroth, Stellungnahme, S. 7 (10) mit konkreten Namen der Diener und Täter; zur historischen Stoßrichtung Hannover, Januar­ beschlüsse, S. 32 ff.; in gleicher Richtung der Appell von Gollwitzer, Januarbeschlüsse, S. 30 ff. und anderen: „alte deutsche Tradition: rechts staatserhaltend, links staatsgefährdend“; ausführender Fuhrmann, Antiextremismus, S. 56 ff. mit Literaturüberblick auch zur gescheiterten Entnazifizierung in den Westbesatzungszonen und zum Fall Viktor Agartz, ebd. S. 63 m. w. N.; Anlass geben mag die prominente Rolle von Carl Friedrich mit klar erklärtem Antikommunismus etwa in Friedrich, Reason, S. 12 ff. 123 Vgl. etwa Liebscher, Idealisierung, S. 123 (129 f.). 124 In letzterem Sinne Čopić, Grundgesetz, S. 6 ff.; Schmitt-Lermann, Januarbeschlüsse, S. 63 ff.; Denninger, Grundordnung I, S. 69 ff.; wohl auch Scherb, Verfassungsgebung, S. 46 ff., 280 ff. jedenfalls in der krit. Lesart von Jesse, Überlegungen, S. 29 (43 ff.).

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die DDR attraktiv machen und halten sollte.125 Später seien die Sozialdemokraten vor allem angesichts des „Radikalenbeschlusses“ einer Hatz der Springer-Medien und konservativer Politiker auf des Kommunismus unverdächtige kritische Denker erlegen.126 Dabei wird vor allem anderen dem Extremismus-Begriff zur Last gelegt, zur undifferenzierten und unfundierten delegitimierenden bis diffamierenden Ausgrenzung und Stigmatisierung von linksorientierten Andersdenkenden bis zu reinen Rechtsstaats- und Menschrechtsverfechtern zu Feinden der gesellschaft­ lichen Ordnung maßgeblich beigetragen zu haben.127 Gleichfalls wird namentlich seit Kirchheimer der Judikative vorgeworfen, politische Justiz zu betreiben, indem die Gerichte für politische Zwecke, die eigene Position zu festigen und den Gegner zu schwächen, in Anspruch genommen würden, politisches Handeln anderer Gruppen und Individuen zu überprüfen.128 Vor allem wird schließlich die in der Extremismus-Forschung unter der Hufeisen-Metapher zugespitzte phänomenologische Annäherung und gefahrenmäßige Gleichsetzung von linkem und rechtem Extremismus129 mit höchster Vehemenz bekämpft.130 (c) Der staatlichen Anwendung wird auf allen drei Ebenen vorgeworfen, den Schutz der FDGO mit dem des Staates selbst gleichzusetzen und die Berufung auf erstere zu missbrauchen,131 um elementare Grundsätze der Verfassung (wenn nicht der FDGO selbst) außer Kraft zu setzen.132 Dies habe sich namentlich in den Urteilen des BVerfG zur streitbaren Demokratie gegen Soldaten gezeigt, welche sich selbst auf die FDGO berufen hätten.133 Vor allem im Recht des öffentlichen Dienstes habe sich Sprache und Fokus des Gerichts von einer individuellen liberalen und pluralen Einstellung der einzelnen Bediensteten zu einer solchen des Gehorsams, Zucht und Ordnung gegenüber der Führung des Staates, der sich als FDGO behaupte, gewandelt. Insgesamt habe das Gericht die FDGO und „streit 125

In diese Richtung unter dem „Gründungsnarrativ der BRD“ auch Feustel / Stange / Stroh­ schneider, Verfassungsfeinde, S. 7 ff. 126 Vgl. illustrativ etwa Abendroth, Stellungnahme, S. 7 (10 f.). 127 Feustel / Stange / Strohschneider, Verfassungsfeinde, S. 7 ff.; Stange, Karriere, S. 10 ff.; Jaschke, Demokratie, S. 96 ff. auch zum „labelling approach“. 128 Kirchheimer, Justiz, S. 143, 606 et passim; vgl. dazu van Ooyen, Sicherheit, S. 131 ff. auch S. 143 ff. zum Verhältnis zu Carl Schmitt; Denninger, Grundordnung II, S. 763 ff. mit weiteren Beiträgen sowie m. w. N. zum konkreten Vorwurf von linker Seite Fuhrmann, Antiextremismus, S. 136 ff. 129 Vgl. etwa Backes / Jesse, Extremismus, S. 46. 130 Vgl. exemplarisch Schulz, Grundordnung, passim; Fuhrmann, Antiextremismus, S. 235 ff. et passim; Stange, Karriere, S. 10 ff.; Berendsen / Rhein / Uhlig, Gleichsetzungen mit den jeweiligen Beiträgen; vgl. dagegen die darin durchaus überzeugende Apologie etwa bereits von Backes, Stiefkind, S. 8 (11 ff.) m. w. N. zu den Angriffen. 131 Vgl. etwa wohl grundlegend Hartmann, Januarbeschlüsse, S. 34 ff.; Cobler, Kursbuch 56 (1979), 38; weiter auch Bulla, AöR 98 (1973), 340; Denninger, Grundordnung I, S. 369 ff. mit den folgenden Beiträgen; Gusy, AöR 105 (1980), 279 ff.; Fuhrmann, Antiextremismus, S. 125, 214 ff. m. w. N. ersteres auch zum Vorwurf bereits gegen § 88 StGB i. d. F. d. 1. StrÄG. 132 Preuß, Januarbeschlüsse, S. 46 (48 f.). 133 Vgl. BVerfGE 28, 36 (49); apodiktisch im Anschluss BVerfGE 28, 51 (54); ausführlich dazu unten D. III. 1. a) dd), b).

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bare Demokratie“ zur Generalermächtigung für jeden zum Staatsschutz erforderlich scheinenden Angriff in Grundrechte erhoben.134 (d)  Der FDGO wird weiter vorgeworfen, eine im „allgemeinen Konsens der Nichtextremen“ wurzelnde Verankerung (etwa für das Extremismus-Verdikt) als klare und eindeutige Grenzen zu suggerieren, ohne selbst „eindeutig denotiert“ zu sein.135 Ihre Ideen hingen so hoch, und seien so an der Vergangenheit orientiert, dass sie als „Super-Legitimität“ jedweder politischen Praxis als Alibi dienen könnten.136 „Die aus den Verfassungsdebatten herrührenden Definitionsversuche ‚ent­ springen nicht mehr einer systematischen positiven Verfassungstheorie, sondern bestimmen sich rein negativ, als Abgrenzungsformeln gegen politische Systeme und Theorien, die man, wie Dürig sagt, unbedingt nicht will.‘“137 Es gebe keinen „mysteriösen“ Kernbestand der Demokratie: „Der geheime Untergrund, auf den sich stets berufen werden konnte, ohne weiterfragen zu müssen, wird brüchig. Die Chiffre fdGO, an die geglaubt werden muss, um wirken zu können, ist ein leerer Signifikant, und der Glaube an diesen hat an Festigkeit verloren.“138 Weil dies erkannt worden sei, werde der Extremismus auch stattdessen „inoffiziell“ vor allem über das Kriterium der Gewalt identifiziert.139 Diese Kritik am unklaren Demokratiebegriff der FDGO hinter der wehrhaften und streitbaren Demokratie ist jedoch weit verbreiteter und älter als die zitierte Zuspitzung; es bleibt der Vorwurf seitdem im Raum, es gäbe keine präzise definierte FDGO im Grundgesetz.140 (e)  Jedenfalls ersticke die zu weitgehende Restriktion in der Festlegung der FDGO die Fortschrittlichkeit und versteinere Konflikte, die danach letztlich nur gewaltsam ausbrechen könnten. Die älteren Definitionen in der Rechtsprechung des BVerfG reflektierten nicht die Abhängigkeit der Definition von ihrem historischen Kontext. Das Gericht verallgemeinere so den repräsentativ-parlamentarischen bürgerlichen Staat: er sei der Inbegriff der Lehren namentlich bis zum 19. Jahrhundert bis zur alleine denkbaren freiheitlichen demokratischen Ordnung. Notwendige soziale Fortentwicklungen aus Veränderungen der wirtschaftlichen und 134 Vgl. erneut etwa Hartmann, Januarbeschlüsse, S. 34 ff., letztes Zitat S. 37 mit Belegen aus der Rspr. 135 Ackermann u. a., Metamorphosen, S. 31, 35 f.; vgl. auch Gusy, AöR 105 (1980), 279 (285 ff.). 136 Preuß, Januarbeschlüsse, S. 46 (48 f.). 137 Jaschke, Demokratie, S. 13, dabei zitierend Denninger, Grundordnung, S. 67 m. w. N. 138 So Ackermann u. a., Metamorphosen, S. 190 f. 139 Ackermann u. a., Metamorphosen, S. 235: „Hier zeigt sich, dass Gewalt gewissermaßen als Sekundärcodierung die selbstdestruktiven Dysfunktionalitäten der über die Ablehnung der fdGO laufenden Bestimmung des Extremismus durch eine Art Workaround neutralisieren kann.“ 140 Vgl. etwa Komitee für Grundrechte und Demokratie, Radikalenerlass, v. a. S. 176 ff.; vgl. dazu Jesse, Überlegungen, S. 29 (56) insoweit überzeugend mit der Erwiderung, die Autoren lieferten wiederum selbst keine von der von ihnen verwendeten liberalen Demokratie keinen präzisen Begriff.

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gesellschaftlichen Verhältnisse blieben damit nicht nur außer Betracht, sondern würden versperrt.141 Die Anwendung der – stets negativ als Tatbestandsmerkmal zur Grundrechtseinschränkung konnotierten  – FDGO sei seit Inkrafttreten des Grundgesetzes stetig ausgeweitet worden.142 Sie sei auch gegen alternative, etwa partizipatorische und radikaldemokratische Demokratiemodelle gerichtet, da sie nicht die Durchsetzung von Teilhabegerechtigkeit und umfassender Selbstbestimmung, sondern unhinterfragt das Aufrechterhalten der repräsentativen Demokratie als Herrschaftsform bezwecke und keine Alternativen zur parlamentarischen Demokratie vorsehe.143 Weshalb indes das Asylgrundrecht, welches als Reaktion auf die Aufnahme der NS-Vertriebenen geschaffen worden sei, nicht durch die FDGO gegen eine Änderung geschützt gewesen sei, erschließe sich nicht, wenn man nicht von ihrer rein repressiven Funktionalisierung ausgehe.144 Insgesamt müsse der Versuch, ein politisch-philosophisch-theologisches Wertegefüge mit systematischer Stimmigkeit aus der Verfassung heraus zu präparieren, scheitern oder in einen Verfassungstotalitarismus führen.145 Es handele sich somit um nichts anderes als ein Instrument „spätzeitlicher, antirevolutionärer Systemverteidigung“.146 (f) Daraus ziehen und zogen zahlreiche Vertreter, politisch namentlich im Umfeld von Grünen und Piraten, den Schluss: In den notwendigen Fragen nach dem Verhältnis von Freiheit und Sicherheit, nach Legitimation und Interessenstrukturen politischer Ausgrenzung könne es keine überzeitlich gültige „Lösung“ geben, sondern nur den prinzipiell-unabschließbaren und kontextbezogenen Diskurs.147 In nur insoweit bemerkenswerter Berührung und gefährlicher Offenheit und erneuter Verführbarkeit zu den weit rechten Vorstellungen des rechtsfreien poli­ tischen Raums148 wird die Legitimierung durch (idealiter: vollständig) freien Diskurs „von unten“ gegen die durch „überlegale konkrete Ordnungsvorstellungen“ wie der FDGO ausgespielt.149 So lässt sich auch wohl nur in der Vermischung der innernormativen und soziologischen außerrechtlichen Ebenen behaupten, jede „freiheitliche Verfassung währt nicht ewig und legt dem politischen Prozess keine unlösbaren Fesseln an, weil sie revolutionäre überwinden oder evolutionäre fortentwickelt kann“ – mit der unausgesprochenen Folgerung, wo keine unumgrenzte 141 Denninger, Grundordnung  I, S. 67 f. m. w. N. zur Kritik am „juristischen Idealismus“; ähnlich van Ooyen, Sicherheit, S. 276 m. w. N. 142 Vgl. Liebscher, Idealisierung, S. 123 (124 f.); Nichelmann, Grundordnung, S. 29 ff.; Den­ ninger, Grundordnung I, S. 369 ff. m. w. N. 143 Liebscher, Idealisierung, S. 123 (125 f.). 144 Liebscher, Idealisierung, S. 123 (126). 145 So Greiffenhagen, Obrigkeitsstaat, S. 52 (67); vgl. zust. Jaschke, Demokratie, S. 71 m. w. N.; ähnlich Gusy, AöR 105 (1980), 279 (310). 146 Ridder, Ideologie, S. 3; ähnlich auch als antiprogressiv Denninger, Grundordnung  I, S. 369 ff. 147 Jaschke, Demokratie, S. 303, 305: „Streitbare Demokratie“ dürfe nur am demokratischen Projekt und den unveräußerlichen individuellen Freiheitsrechten ansetzen. 148 Siehe oben (1) (a). 149 Vgl. etwa Offe, Leviathan 2 (1974), 333 (340); insbesondere aber Gusy, AöR 105 (1980), 279 (286 ff.).

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Fortentwicklung eröffnet sie, da drohe die (blutige?) Revolution unausweichlich zumindest als Risiko.150 Die Idee eines geschützten Verfassungskerns wird herabgesetzt zur „Sedierung“ des unbändigbaren Volkswillens, der „jederzeit aufgetaut werden kann.“151 Gleichzeitig wird aber von nicht wenigen Vordenkern durchaus erkannt, dass bestimmte Regeln und ein gewisses Maß an Homogenität für die Integration im Diskurs mehr denn je erforderlich bleiben.152 cc) Soweit sich die Kritik auf den Extremistenbegriff oder auf die wehrhafte bzw. streitbare Demokratie bezieht, bleibt für die hier vorzunehmende Analyse zu fragen, ob sie, soweit berechtigt, nur eine dieser Ableitungen oder die Konzeption der FDGO selbst mit treffen.153 Namentlich eine davon losgelöste reine Kritik von Extremismus-Begriff und -Forschung scheidet jedenfalls als rechtswissenschaftlicher Untersuchungsgegenstand soweit aus. Diese politisch wichtigen Grundlagen stehen am Rande der unternommen dogmatischen Klärung in der vorliegenden Studie, um diese nicht zu überfrachten und gerade davon zunächst zu objektivieren. (1) Der Extremismus-Begriff kann als Suche nach klarer Abgrenzung des von der FDGO ohne weiteres und als Gemeinsamkeit des nicht mehr Gedeckten nutzbringend sein. Richtigerweise ist damit eine einseitige Stigmatisierung sozialis­ tischer oder kommunistischer Aktivitäten und Ansichten gerade nicht verbunden.154 Vielmehr können Prüfpunkte herausgearbeitet und rational plausibilisiert werden, wann und warum diese wie andere grundsätzliche Alternativen zur bestehenden Verfassungsordnung die genannten Grenzen überschreiten. Dies muss sich jede entsprechende Ideologie und konkrete Haltung gefallen lassen, ein Recht auf Verharmlosung oder Kritiklosigkeit der eigenen Selbstdarstellung gibt es in keiner freien Demokratie. Demgegenüber erweisen sich viele Angriffe als Taktiken des politischen Selbstschutzes und Politikmarketing, etwa zur „Rebellion“ gegen die FDGO. Eine solche Propaganda, soweit sie die FDGO betrifft, muss gerade aus ihrer Sicht demaskiert werden. (2) Tatsächlich problematisch erweist sich der Extremismus-Begriff, soweit er in der Rhetorik scharf, im übrigen ungeklärt vage ist.155 Dies folgt aus juristischer Sicht bereits aus seiner weithin prägenden Phänomenologie.156 Vor allem ist sie aber den Vorbedingungen geschuldet, dass sich in ihm technische und weitere „alltägliche“ Bedeutungszuschreibungen überlagern, er darüber hinaus auch häufig im 150

Vgl. Dreier, RW 2010, 11, in diesem Spätwerk deutlich von Kelsen entfernt nahe bei Schmitt. Dreier, RW 2010, 11 (18); wohl ähnlich, jedenfalls ohne Rücksicht auf die FDGO ­Voßkuhle, Freiheit, S. 23. 152 Vgl. hier selbst Dreier, RW 2010, 11 (34 ff.); dazu weiter ausführlich unten C. II. 153 So wird die Langsamkeit des Instrumentariums des Verfassungsschutzes z. B. von Fuhr­ mann, Antiextremismus, S. 309 am Beispiel der AfD kritisiert, was jedoch darin nicht erkennbar auf die Definition der FDGO rückwirkt. 154 Insoweit durchaus prima facie richtig die Apologie von Backes, Backes, Stiefkind, S. 8 (22). 155 Vgl. nachdrücklich etwa Jaschke, Demokratie, S. 42 ff. et passim; so auch die Selbstwahrnehmung etwa von Backes, Stiefkind, S. 8 (19). 156 Unter sämtlichen Werken von Backes / Jesse vgl. hier etwa Backes, Stiefkind, S. 8 (12 ff.). 151

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Gebrauch stark hermeneutisch überformt und gezielt gegen ausgemachte Gegner eingesetzt werden sollte.157 Richtig kann auf der einen Seite Extremismus als terminus technicus begriffen werden als gegen die Verfassungsordnung bzw. FDGO gerichtete Bestrebungen oder dahingehende Einstellungen.158 Auf der anderen Seite konnotieren im sozialen und politischen Alltag mit ihm bereits Einschätzungen von extremen und (synonymen) radikalen fremden Meinungen und Argumentationen, welche als besonders auffallend abweichend von vorherrschenden Ansichten wahrgenommen werden.159 Dadurch werden zwar durchaus Identität und Integration unterschiedlicher Einstellungen gesteigert, welche sich wechselseitig als eben nicht-extrem, daher akzeptabel ansehen – verstärkt gegen eben jene gemeinsamen Feindbilder.160 Allerdings besteht tatsächlich die Gefahr, gerade durch emotionale, wertende, wenn nicht moralisierende Unschärfe durch Einschüchterungseffekte radikalere oder sonst nur „deviante“ abweichende Meinungen einer Fremd- oder Selbstzensur zu unterwerfen. Sie ist umso stärker, je unklarer der Begriff gebraucht und verankert ist. Dies gilt namentlich, wenn Unterkategorien beider Begriffsebenen verschwimmen, etwa wenn Intoleranz bzw. Absolutheitsansprüche oder subjektive „Gefühls-Intensität“ als wesentliches Kriterium erklärt bzw. vorgeschoben werden161 und rechtsstaatliche Kategorien dadurch überdeckt und außer Funktion gesetzt werden.162 Problematisch wirkt sich dabei auch die phänomenologische Unschärfe innerhalb und außerhalb der technischen Einordnung aus. Sie verlagert Unterkategorien in von der Substanz der FDGO deutlich entferntere Aspekte, deren Zuordnung allenfalls prima facie plausibel scheinen kann, neben genannter Intoleranz auch etwa Gewaltbereitschaft, Hierarchisierung, „fehlende demokratische Einordung“,163 fehlende bürgerliche Werte oder ähnliches.164 Sie können als Indizien auf „Verfas 157

Vgl. etwa die psychologische Pathologisierung des Extremisten bei Scheuch / Klingemann, Hamburger Jahrbuch für Wirtschafts- und Sozialpolitik 12 (1967), S. 11 (13); Backes, Stiefkind, S. 8 (14 f.). 158 Vgl. zur verfassungsrechtlichen Verankerung vgl. namentlich Maihofer, Kriminalität, S. 327 (331); dazu und zur Überlagerung Jaschke, Demokratie, S. 42 ff. m. w. N.; zu den Ansätzen von Eskalationstrichtern etwa Backes, Stiefkind, S. 8 (14). 159 Vgl. hier nur Funke, Extremismus, S. 15 (16) im Gegensatz zu den weiteren eher technischen Beiträgen in dem Sammelbad; krit. weiter Oppenhäuser, Extremismus-Konzept, S. 35 ff.; Stange, Karriere, S. 10 (11); Ackermann u. a., Metamorphosen, S. 27 ff. 160 Vgl. insoweit durchaus scharfsichtig die Beobachtung zur Negativdefinition der FDGO bei Liebscher, Idealisierung, S. 123 (127 f.); daneben Ackermann u. a., Metamorphosen, S. 31 ff. 161 Vgl. etwa krit. Stange, Karriere, S. 10 (12, 16) m. w. N. auch zur Pathologisierung durch Backes / Jesse a. a. O. 162 Vgl. etwa Schubert, Extremismus-Polizei, S. 212 ff.; Stange, Karriere, S. 10 ff.; Liebscher, Idealisierung, S. 123 (131); Jaschke, Demokratie, S. 96 ff. auch zum „labelling approach“. 163 So explizit Kriele, Extremismus, S. 351 (352). 164 Vgl. überzeugend zusammenfassend m. w. N. namentlich die Kritik von Jaschke, Demokratie, S. 44 ff. m. w. N. und Belegen; derartige sekundär-verlagerte und mit „Feindescharakter“ aufgeladene Kriterien sind eindeutig erkennbar etwa bei Backes, Stiefkind, S. 8 (20 f., 23 f.), die vorgeworfene Wegverlagerung vom objektivierten-rationalen Urteil zur (konservativ mitgeprägten) Wertung erscheint darin als Argumentationsprozess ohne Weiteres gut nachvollziehbar.

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A. Einleitung

sungsfeindlichkeit“ hindeuten und tatsächlich die Nichtakzeptanz von Menschenrechten, Rechtsstaatlichkeit und Demokratie etc. bedeuten, sind dafür aber weder positiv noch negativ logisch oder tatsächlich zwingend korreliert. Dem Risiko einer eigenen intoleranten Devianz- und Gesinnungsächtung kann vor allem dann nicht genügend begegnet werden, wenn dem der technische Kern des Begriffs nicht hinreichenden Widerstand durch einen klaren Ankerpunkt leisten kann, weil er selbst nicht ausreichend klar bestimmt ist. In diesem vermeintlich gefundenen Ankergrund schwanken jedoch die Definitionen selbst deutlich etwa zwischen dem Bezug auf den „fundamental abgelehnten demokratischen Verfassungsstaat“ oder „gegen grundlegende Werte und Verfahrensregeln demokratischer Verfassungsstaaten“.165 Das Problem bleibt damit neben der unscharfen untechnischen Verwendung auch die unpräzise fachliche Definition und Bezugnahme auf die FDGO. (3) Ähnliches gilt für die vor allem frühere Kritik an den Anwendungen der wehrhaften Demokratie im Recht des öffentlichen Dienstes, wiewohl sie sich vor allem am Nachweis und Verdacht der „Verfassungsfeindlichkeit“ entzündet.166 Auch ihr wird aufgrund des Fehlens objektiver Kriterien Einschüchterung und Willkür vorgeworfen.167 Dabei machen sich die bereits genannten Einwände mehr an der Ausdeutung in der Rspr. des BVerfG als an dem mutmaßlich darin liegenden Schutzgut der FDGO selbst fest, greifen jedoch auch auf diese zum Teil durch.168 c) FDGO und „Minimalkonsens“ Nur aus dem vorgenannten Ausblenden der FDGO und Aufladen durch sub­ stantielle Wertefragen von konservativer Seite erklärbar, verlief ebenfalls die intensive Suche nach dem notwendigen politischen Minimalkonsens einer nachhaltigen Demokratie in den 1980er Jahren auf Grundlage der Pluralismustheorie ohne jede nähere Rücksicht auf die FDGO.169 Wie bei der Extremismus-Forschung 165

Letzteres so die gängige Definition bei Backes, Stiefkind, S. 8 (19 ff.); ders., APuZ 46 (2001), 24; zu den weiteren Definitionsansätzen auch in Verfassungsschutzberichten Kailitz, Extremismus, S. 15 ff., 212 mit den weiteren Beiträgen im Sammelband; Pfahl-Traughber, Extremismus, S. 185 ff.; vgl. auch das Fazit etwa der Landeszentrale für Politische Bildung Baden-Württemberg: Es gibt keine einheitliche Definition des Begriffs Extremismus. Wohl aber gibt es eine Gemeinsamkeit, die die unterschiedlichen Annäherungen an den Begriff verbindet: Extremismus lehnt den demokratischen Verfassungsstaat und seine Werte ab, so https://www.lpb-bw.de/extremismus-definition, abgerufen am 30. 1. 2022. 166 Vgl. Denninger, Januarbeschlüsse, S. 22 ff. sowie die weiteren Beiträge in dem Sammelband. 167 Vgl. etwa Staff, Januarbeschlüsse, S. 81 ff.: Gollwitzer, Januarbeschlüsse, S. 30 (31), allerdings nicht gegen die FDGO, sondern der Forderung diese zu beachten. 168 Siehe bereits oben bb) (2) sowie ausführlich unten D. III. 169 Vgl. namentlich auf der Grundlage von Fraenkel, s. u. C. II. 2.; dazu auch Dorn, Verfassungssoziologie, S. 151 ff.; exemplarisch die Arbeiten etwa von Vorländer, Verfassung, passim, v. a. S. 87 ff., 275 ff.; bemerkenswerterweise kommt allerdings Eisel, Minimalkonsens, S. 50 ff. dabei zu ähnlichen Schlussfolgerungen wie das BVerfG später zur FDGO und findet als Minimalkonsens Menschenwürde, demokratische Grundspielregeln und (statt dem allgemeineren Rechtsstaat) die Anerkennung des staatlichen Gewaltmonopols, wobei das Mehrheitsprinzip

I. Einführung und Kontext 

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erscheint das Ausblenden der FDGO – sei es aus den Vorprägungen von Volkssouveränität und „Rahmenordnung“, sei es aus dem Eindruck der Unlösbarkeit einer klaren, konsentierbaren juristischen Konstruktion des Ewigkeitskerns – am Ende schwer erklärlich.170

4. Zwischenergebnis Aus alldem lässt sich als Ausgangspunkt und Aufgabe der weiter durchzuführenden Analyse ein erstes Zwischenergebnis ziehen: a) Bestandsaufnahme und Definitionen Gemeinsamer Nenner der Bestandaufnahme ist zuerst eine verdeckte Unsicherheit über den Inhalt der FDGO selbst. Er wird nicht selten, auch in seinen Ausstrahlungen, glorifiziert, mystifiziert oder tabuisiert. Über ihn wird erbittert gestritten, ohne sich die Mühe zu machen, diese Unternehmen an einer gemeinsamen Grundlage zu verankern. Über die nötige Anstrengung dazu wird vielmehr gezielt hinweggegangen. Die eine, vor allem linke Kritik sucht sich zu virtualisieren in politikwissenschaftlichen oder systemtheoretischen Metakategorien, um so den Adressaten abstrahiert von symbolischer Wertzuschreibung des freiheitlich demokratischen und rechtsstaatlichen Konsenses zum „Rebellentum“ umwerben zu können. Der gemäßigtere, meist aus dem Umfeld der CDU / CSU geprägte, Konservatismus sucht indes die möglichst unreflektierte FDGO weiterhin wie seit Beginn der Bundesrepublik zu vereinnahmen für seine Vorstellungen zwingender materieller gesellschaftlicher Werte. Beide Seiten werfen nicht selten gerade zu ritualisiert dem Staat meist unter entsprechender Regierung oder auf der politischen Skala entgegengesetzt verorteten Akteuren vor, zum „eigenen“ rechten oder linken Rand nachsichtiger, bagatellisierender, beschützender zu sein.171 vor allem in Frage gestellt worden sei, ebd., S. 161; grundlegend auch Hättich, Demokratie; Kremendahl, Pluralismustheorie, S. 455 ff. gerade auch zur behaupteten dauerhaften Instabilität und Dynamik des Konsenses; weiterhin die Beiträge bei Hattenhauer / Kaltefleiter, Konsens; vgl. zum Ganzen auch Jesse, Überlegungen, S. 29 (30 ff.); ähnlich auch auf die FDGO referenzierend Gerlach, Vereinsverbotspraxis, S. 65. 170 Umgekehrt sind hier die spannenden Gegensätze zwischen der linken Seite, welche sich auf bessere Erkenntnisse gegenüber der rechten Sicht, welche sich auf das formale Mehrheitsprinzip im politisch-medial stabilisierten System, allerdings unter vereinenden Bürgertugenden berief, nicht weiter zu verfolgen; vgl. nur Jesse, Überlegungen, S. 29 (36 ff.) m. w. N.; exemplarisch Oberreuter, Wahrheit, S. 29 ff.; Guggenberger / Offe, Grenzen, S. 13 ff. 171 Vgl. unter Alltäglichem zur gegenseitigen „Blindheit“ nur als ein Beispiel Gerlach, Vereinsverbotspraxis, S. 507, 514 mit der Behauptung der Behörden als „promoters“ des Linksextremismus aus der vorangehenden Untersuchung insgesamt ohne hinreichende hermeneutische Selbstreflektion.

48

A. Einleitung

Das Bundesverfassungsgericht hat es in seinem Sachurteil (bzw. seiner zweiten Entscheidung) zum Verbot der NPD am 17. Januar 2017 unternommen, die freiheitlich demokratische Grundordnung (FDGO) prinzipiell neu zu konstruieren.172 Ihre Rolle, Funktion und Inhalt als zentraler Verfassungsgedanken der Väter und Mütter des Grundgesetzes erscheint, dessen ungeachtet, weiterhin in wesentlichen Fragen in der öffentlichen Debatte ebenso wie bei näherer Analyse diffus. Die drei verschiedenen Definitionsversuche des BVerfG,173 denen belastbare alternative Theorien kaum gegenübergestellt worden sind,174 leisten nur eine begrenzte bzw. vermeintliche Konkretisierung. Gleiches gilt für die Anwendung auf einem vergleichsweise geringen rechtsanalytischen Niveau – gleichsam frei nach der berühmte Zusammenfassung: „I know it, when I see it“.175 Alle drei Ansätze – erstens die Negation der Gewalt- und Willkürherrschaft, zweitens die ältere Enumeration von einzelnen demokratischen und rechtsstaatlichen Elementen neben grundrechtlichen und der Menschenwürde sowie drittens die Abstraktion in den drei Komponenten Menschenwürde, Demokratie und Rechtsstaat selbst – erweisen sich bei näherem Hinsehen als sehr früh unscharf. Aussagekräftig wirken sie zunächst hinsichtlich der Diskussionen und der Breite und Reflexion der Ansichten, die mit ihnen zumindest zu korrelieren scheinen. Zurecht wird von daher seit langem die fehlende Klarheit, dogmatische Durchdringung und Stringenz der FDGO und ihre Folgerungen etwa im Rahmen der wehrhaften Demokratie moniert.176 b) Deutungsmacht und Rechtssicherheit (1) Bedeutsam scheint vor diesem Hintergrund zunächst die von allen Seiten aus gesehene Deutungsmacht in der fundamentalen Begrifflichkeit und damit verbundenen realrechtlichen, symbolischen und sonst politischen Weichenstellungen. So wird allgemein diagnostiziert: Wer über die Macht der Definition verfügt, besitzt auch die Macht der Entscheidung.177 Je unschärfer die FDGO konstruiert bleibt, umso mehr kann sie aus aktueller Situation gegen „Gegner“ in Stellung gebracht werden, ohne die eigenen Ansichten und Bestrebungen zu beschränken oder in Zweifel zu ziehen.178 Insoweit durch 172

BVerfGE 144, 20. Vgl. unten B. II. 174 Vgl. unten B. III. 175 Nach Öbszönitäts-Verdikt des Obersten Gerichtshofs der USA nach seinem Richter Stewart Jacobelli v. Ohio. 176 Vgl. etwa Denninger, Grundordnung I, S. 22 ff. 177 So unter vielen etwa Göddeke, Strafverteidigung, S. 87; Pietrzyk, Aufstöbern, S. 91 (93); vgl. weiterhin wissenschafts-philosophisch Habermas, Ideologie, S. 146 (155); ders., Erkenntnis, passim.; alltäglicher etwa Callies, Deutungshoheit, S. 149 ff. zu zeitgenössischen Mechanismen und Gefahren; weiterhin zum Framing und Priming bereits Fahrner, Vulnerabilität, S. 82, 111 ff., 142, 174, 297 m. w. N. 178 Vgl. etwa auch Seifert, Auslegungsmonopol, S. 225 (234 ff.) m. w. N.; Denninger, Grundordnung I, S. 369 ff. mit den folgenden weiteren Beiträgen. 173

I. Einführung und Kontext 

49

aus richtig bleibt der Einwand, dass die Deutungshoheit gerade im fundamentalen normativen Kern des Gemeinwesens bedeutsame politische Weichenstellungen ermöglichen und somit besondere Macht mit allen Risiken für kurzfristigen Nutzen gegenüber längerfristiger Desintegration bedeuten kann. Weiter geht der Vorwurf, neben einer politischen Justiz werde das „Labelling“ bzw. die Definition z. B. von Extremisten und „Verfassungsfeinden“ vor allem der Exekutive, dem staatlichen Verfassungsschutz, regierenden Eliten, Medien und dadurch dem politischen „Mainstream“ überlassen.179 (2) Im rein juristischen Kontext beachtenswert bleibt die kritische Frage nach der Rechtssicherheit, das heißt vor allem Normklarheit und Widerspruchsfreiheit jener Normen, die sich, wie beispielhaft das Beamtenrecht, auf die FDGO beziehen.180 Damit stehen die Bestimmtheit, Vorhersehbarkeit, Nachhaltigkeit, Widerspruchsfreiheit und Befolgbarkeit entsprechender Handlungsnormen für die Adressaten des „schwierigen, hochkomplexen und für ideologische Aufladungen höchst anfälligen Begriffs der ‚freiheitlich demokratischen Grundordnung‘“181 mit im Fokus der Beurteilung. Weiter bleibt die Frage der Rechtsanwendungsgleichheit gegenüber staatlichen Interpretationsräumen innerhalb und außerhalb von Beurteilungsund Ermessensspielräumen zu beachten.182

c) Herausforderungen Umso mehr muss über die unterschiedlichsten Bestrebungen der Deutungshoheit hinaus gelten: Die Fragen der Integrationskraft für ein friedliches demokratisches Gemeinwesen und dessen nachhaltige Stabilität als freiheitliche Ordnung gegen alle Angriffe von Innen und Außen sind eng gebunden an eine ebenso möglichst präzise wie plausible akzeptable rationale Konstruktion der FDGO als Fundament. Insoweit kann mit Dürig und vielen, die sich eingehender mit der Begrifflichkeit befasst haben,183 festgehalten werden: Der Begriff „muss … glaubhaft und glas­ klar bleiben. Deshalb streichen wir von ihm alles ab, was auch eine freiheitlich

179

Vgl. Jaschke, Demokratie, S. 298 ff. m. w. N. et passim; ebenso der Hegemonialansatz von Fuhrmann, Antiextremismus, S. 21 ff., 298 ff. (302); van Ooyen, Sicherheit, S. 257 ff. mit dem Vorwurf politischer Justiz an das BVerfG in Parteiverbotsverfahren; Liebscher, Idealisierung, S. 123 (130 f.); bereits Hoffenbert, in: Denninger, Grundordnung II, S. 643. 180 Vgl. exemplarisch Denninger, Januarbeschlüsse, S. 22 ff.; van Ooyen, Sicherheit, S. 258 ff. zur „Unberechenbarkeit“ des Bundesverfassungsgerichts in Fragen der FDGO und ihrer Anwendung bzw. ihres Schutzes. 181 Denninger, Januarbeschlüsse, S. 22 (23 f.); Preuß, Superlegalität, S. 445 (450 ff.); ähnlich bereits Bulla, AöR 98 (1973), 340 aufbauend auf Hollerbach, Ideologie, S. 37 (55 f.). 182 Vgl. Denninger, Grundordnung I, S. 369 ff. m. w. N. in Fn.5. 183 Vgl. etwa ähnlich Schmitt Glaeser, Missbrauch, S. 32 ff. zur Notwendigkeit der Vorhersehbarkeit und Berechenbarkeit beispielhaft im Verhältnis zu den Grundsätzen von Art. 20, 79 III GG.

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A. Einleitung

demokratische Grundordnung noch verträgt. Der verbleibende Rest ist als wirklich totalitär indiskutabel, unmittelbar einsichtig und berechenbar“.184 (1) Zu lösen bleiben namentlich damit die Fragen nach Umfang und Reichweite, hinreichender maximaler Offenheit und Flexibilität bei gewährleisteter Wirksamkeit, darunter insbesondere auch das Verhältnis zur bestehenden Verfassungsordnung, herangetragenen Werten und der Wirtschafts- und Sozialordnung.185 Mit Recht bleibt durch den Begriff der FDGO selbst die historisch vielfach aufgeworfene Frage zu beantworten, inwieweit von ihren Schutz- und Sanktionsmechanismen die parlamentarisch-repräsentative (z. B. gegen radikal-, kommunitaristischlibertäre- oder v. a. historisch: rätedemokratische) Regierungsform umfasst ist,186 oder die soziale Marktwirtschaft oder ein kapitalistisches Wirtschafts- und Sozialsystem etwa gegen Modelle eines liberal-demokratischen Sozialismus.187 Weiterhin ist dazu Klärung im Werthaftigkeit-Streit gerade in einer vielseitigen Gesellschaft unterschiedlichster Überzeugungen unausweichlich – worin kann oder muss sich die FDGO auf Werte beziehen, als objektives normatives Konstrukt, jenseits nicht verallgemeinerbarer individueller Projektion? (2) Damit ist indes der Übergang zur notwendigen inhaltlichen Klärung und Konstruktion beschritten. Konkret ist nicht nur das Verhältnis der unterschiedlichen Definitionsansätze des BVerfG neu zu bestimmen.188 Vielmehr müssen die offenen Fragen an diese, jenseits der Feststellung „pragmatischer Dezision“ systematisch einer Antwort zugeführt werden, was und aus welchen einsichtigen, rational nachvollziehbaren Gründen unter der FDGO als fundamentaler Kern und Minimalkonsens der freiheitlichen Demokratie zu verstehen ist bzw. verstanden werden kann.189

184

DHS-Dürig, Art. 18 GG Rn. 57, z. B. Aufl. 1964 zit. nach Denninger, Grundordnung I, Nr. 11 (S. 160). 185 Vgl. zur Wirtschaftsordnung exemplarisch Abendroth, Stellungnahme, S. 7 (9). 186 Zu Recht erinnert hier van Ooyen, Sicherheit, S. 277 m. w. N. wie die Grünen von namhaften der Union nahestehenden Verfassungsjuristen wegen ihres Rotationsprinzips als ex­ tremistische Pseudopartei erklärt wurden. 187 Vgl. nur etwa LG Flensburg, KJ 1971, 431, welches Sozialismus und freiheitliche, mehrheitlich getragene Volksdemokratie nicht als mit der FDGO als unvereinbaren Endzustand möglicher friedlicher Verfassungsänderung ansieht; mustergültig die Subsumtion zur Vereinbarkeit von Rätedemokratie, nicht aber Diktatur des Proletariats unter den Enumerierungsansatz (dazu unten B. II. 3.) vgl. von Oertzen, Politische Bildung 2 (1969), 14; unter vielen Zeitgenossen etwa Hartmann, AöR 95 (1970), 567 (567 ff.); ders., Januarbeschlüsse, S. 34 (35); Schneider, Januarbeschlüsse, S. 71 (73); zur im Wirtschaftssystem klar offenen Genese der FDGO Denninger, Grundordnung  I, S. 69 ff. m. w. N.; Rinken, Januarbeschlüsse, S. 53 (55) unter Hinweis auf DHS-Herzog, Art. 18 Rn. 49 Fn. 1: „Selbst wer für die ‚Abschaffung des Privateigentums‘ eintritt (etwa im Stil der Kibbuzim Israels), wird dadurch allein noch nicht zum Gegner einer ‚freiheitlich demokratischen Grundordnung‘, verstanden als Gegenposition zum Totalitarismus, den Art. 18 allein verhindern will“. 188 Wohl erstmalig in dieser Schärfe aufgeworfen von van Ooyen, Sicherheit, S. 278. 189 Vgl. etwa auch in diese Richtung Beaucamp, JA 2021, 1 (2) m. w. N.

II. Fragestellung, Methode und Gliederung 

51

II. Fragestellung, Methode und Gliederung 1. Erkenntnisziel und Fragestellung Ziel der vorliegenden Arbeit ist folglich, einen Ansatz zu einer präziseren juristischen Bestimmung des Inhalts der FDGO für die ihr zugedachte Aufgabe als allgemeiner Verfassungskern und -grundlage zu liefern. Damit soll ein Beitrag zu den zuvor aufgeworfenen politischen und sozialwissenschaftlichen Diskussionen sowie zur Klärung der verfassungsdogmatischen und sonst rechtswissenschaft­ lichen Fragen und Probleme geleistet werden. Besondere Bedeutung kommt dabei der Frage zu, was die beiden Bestandteile der freiheitlich demokratischen Grundordnung, eben Freiheit und Demokratie, genau und in charakteristischer Weise verbindet. Über die Art der Verbindung beider politischer Grundbegriffe wird, durchaus in der Absicht der Schöpfer der FDGO, seitdem gestolpert, wie über die Grammatik der Begriffspaarung: So ist ebenso üblich, von der „freiheitlichen demokratischen Grundordnung“ zu sprechen, wie von der „freiheitlich-demokratischen“. Das Verhältnis der Freiheitlichkeit zur Demokratie – vorrangig unmittelbar neben ihr („freiheitlichen und demokratischen Grundordnung“) bezogen auf die Grundordnung oder gerade gestuft über die Demokratie? – wird mit der einen oder anderen Schreibung stärker hervorgehoben, während durchaus Einigkeit besteht, dass diese Zuordnung inhaltlich keinesfalls im einen oder anderen Sinn einseitig erfolgen kann. Vorliegend wurde die grammatikalisch besonders „anstößige“ Form nicht unreflektiert als Kompromissversuch der beiden Anderen gewählt. Sie soll vielmehr das stets zu hinterfragende Spannungsverhältnis, welches das Wesen der FDGO ausmacht, immer auf ein Neues ins Bewusstsein bringen und dadurch immer weiter einer für die juristische Verwendung hinreichend präzisen Deutung zuführen, das Urteil ihrer dauerhaften Brauchbarkeit jedoch der Leserschaft und dem zukünftigen wissenschaftlichen Diskurs überlassen. Ebenso symbolisiert die Form der Abkürzung in Großbuchstaben den komplexen und eben nicht nur einfach grammatikalisch-attributiven Zusammenhang.190 Dafür soll im Folgenden ein Weg gezeigt werden, auf dem die freiheitlich demokratische Grundordnung so konstruiert, konturiert und funktionalisiert werden kann, dass sie die in ihrer Bezeichnung liegenden Ansprüche der Gewährleitung einer freien Demokratie auch konstruktiv zu erfüllen vermag und sich selbst – und etwa auch das darauf gegründete Strafrecht – autoritären Tendenzen ebenso wie der Rückkehr totalitärer Regime normativ und faktisch-politisch entziehen kann. Diese Analyse fügt sich dadurch in die beiden weiteren, strafrechtsdogmatisch und demokratie-/verfassungstheoretisch fokussierten Arbeiten zum weiteren The 190

Er kann sich allerdings aus der geläufigen Verwendung der Abkürzung ebenfalls rechtfertigen; in alldem wird durch die später eingeführte „fdVO“ ein klarer Gegensatz verdeutlicht.

52

A. Einleitung

menkreis des Schutzes des freiheitlich demokratischen Gemeinwesens. Hier ausgeklammert, bleiben der strafrechtliche Schutz und die strafrechtlichen Implikationen und die ausführliche Begründung eines inhaltlichen Modells der Freiheit191 ebenso wie die empirische Durchsetzbarkeit, Bestandskraft und damit Wirksamkeit der FDGO in der tradierten Verfassungsrechtsprechung und -lehre.192 Ausgespart werden müssen angesichts der rein juristischen Ausrichtung weiterhin bis zum Schluss die „außerrechtlichen“ Ausstrahlungen und Wechselwirkungen der FDGO, namentlich im Extremismus-Begriff.

2. Untersuchungsrahmen Diese Aufgabe der rationalen Begründung und Konstruktion soll strikt im Rahmen der rechtswissenschaftlichen Methode erfolgen. Dabei sollen normative und empirische Ebenen getrennt werden, außerjuristische Faktoren über die grammatikalische, historische und teleologische Auslegung entsprechend offen gelegten Eingang finden. Vor allem auf eine präzise Begriffsverwendung, -deutung und -definition ist Sorgfalt zu legen. Die notwendigen hermeneutischen Bezüge sind gleichfalls transparent zu machen, sie stehen einer statisch-geschlossenen Systembildung seit je entgegen, verhindern jedoch Deduktion, Induktion und Subsum­ tion nicht. Statt des unscharfen und stark vorgeprägten Begriffs der Werte soll die Plausibilisierung vor allem an benannten „Funktionen“ der FDGO erfolgen. Dieser gleichfalls vielfach verwendete Begriff soll der rechtlichen Konstruktion vorgelagerte axiomatische Anforderungen an eine normative FDGO enthalten, die ihrerseits Verbindungen herstellen können mit zentralen Teloi des Grundgesetzes, aber auch mit philosophischen und sozialwissenschaftlichen Ansätzen.

3. Untersuchungsgang Um die genannte Aufgabe zu lösen, wird zunächst mit den Mittel der klassischen Exegese nach Wortlaut, Systematik und Entstehungsgeschichte ein erster Zugang gesucht (B. I.). Dieser mündet in den drei Definitionsanläufen in der Judikatur des BVerfG (II.) sowie in der Kritik an dieser und in den wenigen formulierten alternativen Ansätzen der Literatur (III.). Damit kann zu einem zweiten hermeneutischen Schritt der teleologischen Begründung übergegangen werden, die sich wiederum an möglichen Funktionen als Ausdruck des Sinns und Zwecks der FDGO aus historischer wie aktueller Perspektive festmacht (C.). Auf der nächsten Ebene wird das Verhältnis der FDGO zunächst zum Völker- und europäischen Unionsrecht (D. I.) und vor allem zur bestehenden Verfassungsordnung geklärt (II.), sowie sodann zum verfassungsrechtlichen Phänomen der wehrhaften und streitbaren 191 192

Vgl. die anstehende Habilitationsschrift des Autors. Vgl. umfassend hierzu Fahrner, Vulnerabilität.

II. Fragestellung, Methode und Gliederung 

53

Demokratie (III.) und weiteren benachbarten verfassungsrechtlichen Schutzgütern herausgearbeitet (IV.). Derart freigelegt, kann die FDGO schließlich selbst konsequent durchkonstru­ iert werden (E. I.). Dabei kann einerseits auf die bereits dargestellte, jüngste Komponentendefinition des BVerfG aufgesetzt werden. Andererseits bietet die neuere allgemeine verfassungsrechtliche Normentheorie, namentlich begründet durch Alexy, einen methodischen Ansatz möglicher präziser Auslegung der FDGO durch eine Grundsatztheorie, die sich als deren Fortführung versteht: Sie greift auf die Grundkategorien von Regel und Prinzip zurück und will aus ihnen als spezifische verfassungsrechtliche Normenkategorie den Grundsatz entwickeln und ihnen hinzufügen. Damit soll es vor allem möglich sein, Konkurrenz- und Konkordanzfragen innerhalb der Komponenten der FDGO sowie mit anderen Grundsätzen des Grundgesetzes präzise argumentativ zu lösen. Darauf aufbauend kann zunächst ein Modell abgeleitet werden, um namentlich Art. 79 III GG und Art. 146 GG sowie den Schutz der FDGO in einen stabilen, konfliktfreien Zusammenhang zu bringen (E. II.). Zur Lehre des pouvoir constituant und der Volkswillenssouveränität wird dabei auf die frühere Forschung zurückgegriffen werden.193 Weiterhin kann der variierende Kontext der FDGO in der Reichweite ihres Schutzes in den einzelnen Verfassungsnormen und Eingriffssituationen sorgfältig analysiert werden (E. III.). Sodann können abrundend vor den zusammenfassenden Schlussfolgerungen noch die Formen der Angriffsabwehr und -prävention erneut, nunmehr auf geklärter und präzisierter Grundlage, vertieft in ihrer doppelten Wirkung des Schutzes des freiheitlich demokratischen Gemeinwesens durch und vor dem Staat betrachtet werden (F.). Hierzu zählen die verfassungsunmittelbaren Ausprägungen in Verwirkung, Parteiensanktionierung und verfassungsrechtlicher Verfassungstreue (I.) ebenso wie im ergänzenden verfassungsnahen, namentlich Amts- und Dienstrecht (II.). Das komplementierende Staatsschutzstrafrecht bleibt, entsprechend der hier begrenzten Fragestellung gesonderter Untersuchung vorbehalten.

193

Vgl. umfassend hierzu Fahrner, Vulnerabilität.

B. Fundus und Kritik I. Grammatikalischer Befund und historischer Kontext 1. Normbefund der Begriffsverwendung Das Grundgesetz verwendet an acht verschiedenen Stellen den Begriff der freiheitlichen demokratischen Grundordnung (FDGO). Dort legalisiert bzw. legitimiert ihr Schutz jeweils staatliches Handeln: a) Bereits seit seinem Inkrafttreten nennt das Grundgesetz die FDGO als materielles Tatbestandsmerkmal an folgenden Stellen: – bei der Verwirkung von Grundrechten (Art. 18 GG), – beim Verbot und nunmehr weiterer Sanktionierung widerstreitender Parteien (Art. 21 II, III GG), – sowie für den „interterritorialen“ Einsatz landesfremder Polizei (Art. 91 I GG). Demgegenüber verwendet Art. 98 II 1, Alt. 1 GG – singulär im Verfassungstext – den Ausdruck der „Grundsätze des Grundgesetzes“. Schließlich findet sich in Art. 9 II GG das Merkmal der verfassungsmäßigen Ordnung. Es wird an anderen Stellen, namentlich Art. 2 I Var. 3, 20 III, 20a, 28 I 1, III, 98 II 1 Alt. 2 GG ebenfalls genannt. Das Verhältnis zur FDGO ist bei beiden Merkmalen klärungsbedürftig, erst recht der Bezug in Art. 20 IV GG auf „diese Ordnung“.1 b) Diese Bestimmungen sind seitdem mehrfach ergänzt worden. Danach dient die Bezeichnung der FDGO ebenfalls – als ein Bestandteil, den materiellen Verfassungsschutzes legal zu definieren als Schutz eben der freiheitlichen demokratischen Grundordnung, des Bestandes und der Sicherheit des Bundes oder eines Landes. Die Normen hierzu befinden sich im Kontext der Begründung der Gesetzgebungskompetenz für die dazu dienende föderale Zusammenarbeit und die Begründung entsprechender Behörden (Art. 73 I Nr. 10 b) GG und folgend Art. 87 I 2 Var. 4 GG). – Ferner eröffnet ihr Schutz erweiternd den Einsatz auch bundeseigener Polizeiund als ultima ratio der Streitkräfte zur Abwehr einer drohenden Gefahr (Art. 87a IV 1, 91 I GG).2 1

Siehe zu beidem unten D. II., zu Art. 20 IV GG insbesondere D. II. 1. c). Vgl. hierzu und zum „Erbe“ des Art. 48 WRV bzw. der republikschützenden Reichsexekution ausführlich Fromme, Verfassung, S. 176 ff. m. w. N. 2

I. Grammatikalischer Befund und historischer Kontext 

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Wie letzteres eingefügt mit der sogenannten „Notstandsgesetzgebung“ von 1968,3 legitimiert und legalisiert der Schutz der FDGO (alternativ zur Bedrohung des Bestandes des Bundes oder eines Landes) zudem die Einschränkung von bestimmten Grundrechten, sowohl in materieller wie Verfahrensdimension: – Dazu zählt einmal die Einschränkung der rechtsstaatlichen Transparenz und des gerichtlichen Rechtswegs zur unmittelbaren Nachprüfung von Beschränkungsmaßnahmen der Telekommunikationsgeheimnisse (Art. 10 II 2; 19 IV 3 GG), – sowie des (materiellen) Grundrechts auf Freizügigkeit zur Abwehr einer drohenden Gefahr für das Schutzgut (Art. 11 II Var. 4 GG).

2. Unmittelbare Begriffsgenese a) Historisch ist der Begriff der „freiheitlichen (und) demokratischen Grund­ ordnung“ als solcher eine Neuschöpfung des Verfassungskonvents, welcher auf der Insel Herrenchiemsee vom 10. bis 23. August 1948 tagte.4 In dessen Entwurf eines Grundgesetzes zur Vorlage an den Parlamentarischen Rat trat der Begriff erstmals im Regelungsteil an drei Stellen auf: Einerseits fand er sich zunächst als Bezeichnung des durch Gesetzesänderungen unabänderbaren Verfassungskerns (die sog. „Ewigkeitsgarantie“).5 Da hinsichtlich letzterem nach der Vorstellung des Konvents die bundesstaatliche Ordnung ausdrücklich nicht umfasst, vielmehr besonderen Änderungsformen zugänglich sein sollte,6 war sie hier aus dem Begriff der freiheitlich demokratischen Grundordnung bereits systematisch von Beginn an ausgenommen. Im weiteren Verlauf der Beratungen fasste der Parlamentarische Rat nach vielfältigen Diskussionen den „Ewigkeitsschutz“ in Art. 79 III GG neu. Dies diente vor allem dazu, das Bundesstaatsprinzips ebenfalls in grundsätzlichen Teilen gänzlich vor Beseitigung durch ein verfassungsänderndes Gesetz zu schützen – erfolgte jetzt jedoch ohne expliziten Rückgriff auf das Tatbestandsmerkmal der freiheitlichen und demokratischen Grundordnung.7 Demgegenüber setzte sich die FDGO als Tatbestandsmerkmal der Grundrechtsverwirkung8 und beim Parteiverbot9 bis zur Endfassung des GG durch. Während das Parteiverbot eine lange Tradition vor und bis in die Weimarer Republik zeigt,10

3

Vgl. BT Drs. 5/2873 S. 4, 8 f. Vgl. HChBericht; ParlRAkt II, S. 505 f.; Bauer-Kirsch, Herrenchiemsee, S. 106. 5 Art. 108 HChE. 6 Vgl. Art. 107, 108 HChE, HChBericht, S. 48. 7 Siehe näher unten 5., zur daraus gestützten Auslegung D. II. 2. 8 Art. 20 HChE, vgl. HChBericht, S. 32, 35, 48. 9 Art. 48 IV 1 HChE. 10 S. u. 3. a), v. a. cc). 4

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B. Fundus und Kritik

liegen die unmittelbaren Wurzeln der Verwirkung wohl tatsächlich selbst wiederum in NS-Recht.11 b) Zur Verwendung des Begriffs der FDGO erläuterte der Konvent in seinem offiziellen Abschlussbericht zur Begründung der Grundrechtsverwirkung, es bedürfe „keiner Darlegung … dass jede Demokratie, die in diesem Punkt achtlos ist, in Gefahr steht selbstmörderisch zu werden.“12 Indes könne die Waffe der Verwirkung auch politisch missbraucht werden, woraus zu schlussfolgern sei, dass das materielle Tatbestandsmerkmal dafür eng ausgelegt und auf einen Verfassungskern konzentriert bleiben müsse.

3. Die Wurzeln der „Militant Democracy“ Die FDGO ist vor allem Ausdruck der Diskussionen, wie der „Selbstmord“ der Demokratien mit Hilfe rechtlicher Vorkehrungen verhindert oder zumindest erschwert und nicht erleichtert werden könnte.13 Diese Überlegungen hatten bereits vor und während der Herrschaft des Nationalsozialismus in Deutschland auf nationaler und internationaler Ebene begonnen. a) Vorläuferüberlegungen in der Zwischenkriegszeit Schon in der Weimarer Republik wurden nicht nur die herkömmlichen Werkzeuge des strafrechtlichen und politischen Staatsschutzes fortgeführt.14 Erweitert wurden sie durch einen stark umkämpften gesonderten Republikschutz, dessen Anwendung und Kontinuität sich in der Praxis überaus problematisch erwies.15 Hinzu traten die vielfältigen Auseinandersetzungen um das Notstandsrecht, namentlich in Art. 48 WRV.16 Schließlich wurde aber ebenso die grundsätzliche Frage nach

11

Vgl. Dreier / Wittreck, Art. 18 GG Rn. 8 m. w. N. Vgl. sowohl zum Selbstmordargument als auch der engen Bindung der Einschränkungen HChBericht, S. 32; vgl. bereits im UA I, ParlRAkt II, Nr. 6 (S. 227 ff.). 13 Siehe bereits vorangehend Fn. 12; zur Verweigerung der Legalität bzw. Legitimität von Umstürzen vgl. nur exemplarisch Dreier, Verfassungsstaat, S. 59; Kirchhof, HdbStR III, § 21 Rn. 42; Polzin, Verfassungsidentität, S. 30 ff. m. w. N.; für Bayern Hoegner, Lehrbuch, S. 43 f. unter Verweis auf LVBYBericht I, S. 103; nicht entscheidend ist an dieser Stelle die Frage, wie weit diese die Entstehung des GG prägende These des „Selbstmordes“ mangels hinreichender rechtlicher Vorkehrungen tatsächlich zutraf, was zunehmend widerlegt scheint, vgl. dazu nur Dreier / Wittreck, Art. 18 GG Rn. 27 m. w. N.; Gusy, Weimar, S. 367 ff., passim. 14 Vgl. nur Gusy, Weimar, S. 107 ff.; Schroeder, Schutz, S. 109 ff., 115 ff.; Fahrner, Staatschutzstrafrecht, § 2; Boventer, Grenzen, S. 63; Gerlach, Vereinsverbotspraxis, S. 51 ff. 15 Vgl. Gusy, Weimar, S. 128 ff.; Hueck, Staatsgerichtshof, S. 1, 188 ff.; Jasper, Schutz; Schroeder, Schutz, S. 119 ff.; Boventer, Grenzen, S. 40 ff. m. w. N.; Fahrner, Staatschutzstrafrecht, § 2 Rn. 19 ff. 16 Vgl. etwa Fromme, Verfassung, S. 176 ff. m. w. N.; Gusy, Weimar, S. 50 ff. 12

I. Grammatikalischer Befund und historischer Kontext 

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einem möglichen rechtsdogmatischen Schutz der (vermeintlich) „wertneutralen“ Demokratie gegen ihre Aushöhlung diskutiert.17 aa) Verfassungskern, -änderung und -identität Die ausdrückliche Abschirmung eines „Verfassungskerns“ vor Abänderung war bislang vor allem durch das französische Verfassungsrecht seit 1884 bekannt.18 Die neue Fassung des Verfassungsgesetzes von 1875 lautete ab da: „La forme républicaine du gouvernement ne peut faire l’objet d’une proposition de révision.“; der Schutz gegen die Restauration erwies sich im Folgenden als typisch für Demokratien, die ein antidemokratisches Staatssystem überwunden hatten.19 In anderen Staaten sorgten besondere Verfahren zumindest für einen formellen Übereilungsschutz und besondere Deliberation, idealtypisch in der US-Verfassung.20 Auch die deutschen Verfassungen von 1849 bis 1871 hatten alleine auf solche besonderen Verfahren abgestellt; gesonderte Entscheidungsprozesse und -gremien oder absolute materielle Schranken der Änderung kannten sie gleichwohl nicht.21 Vor diesem Hintergrund vertrat die ganz überwiegende Auffassung sowohl vor als auch nach 1919 aus dem Positivismus die materiell unbegrenzte Abänderbarkeit der Verfassungsordnung, sofern nur die formalen Verfahren eingehalten und die, ggf. qualifizierten, Mehrheiten dafür festgestellt vorlagen.22 Allerdings bot die Verfassung des Deutschen Reiches von 1871 darüber hinaus eine besondere Konstruktion: Durch ihren Vertragscharakter zwischen den zu 17 Vgl. etwa zur Staatsrechtslehrertagung 1931 Löwenstein, VVDtStR 7 (1932), 192 (193); der Begriff der Wertneutralität ist jener von Schmitt und muss als eine zielgerichtete Entstellung seitens der Gegner der Weimarer Republik betrachtet werden, vgl. etwa Hacke, Existenzkrise, S. 243. 18 Vgl. allerdings auch die Verfassung Norwegens von 1814 sowie einzelnen Nachbildungen in Lateinamerika, wie etwa von MKS-Hain, Art. 79 GG Rn. 28 m. w. N. dargestellt. 19 Art. 8 des Verfassungsgesetzes vom 25. 2. 1875 relative à l’organisation des pouvoirs publics in der Neufassung der Revision des Artikels 2 Loi du 14 août 1884 Portant Révision Partielle des Lois Constitutionnelles; dazu insbesondere Droin, Revue française de droit constitutionnel 80 (2009), 725 ff.; später übernommen in Art. 95 bzw. Art. 89 der Verfassung der 4./5. Republik; vgl. Boventer, Grenzen, S. 163; Fromme, Verfassung, S. 194 m. w. N. 20 Art. 5 USConst; vgl. dazu insbesondere auch die französische Verfassungsentwicklung, basierend auf den Forderungen von Sieyès, Stand, cap. 5 (S. 111 ff.); vgl. weiter Fromme, Verfassung, S. 190 f. 21 Vgl. § 196 RV1849; Art. 78 I RV1871 (mit der nur partiellen Ausnahme für Reservatrechte nach Art. 78 II RV1871); Art. 76 WRV; vgl. auch Polzin, Verfassungsidentität, S. 11 ff. m. w. N. der Lit. 22 Vgl. für die WRV nur namentlich Anschütz, Art. 76 WRV, Rn. 3 (S. 401 ff.); Thoma, HdtStR, § 16 S. 199; für die RV1871 bereits von Rönne, Staatsrecht II, S. 30 f.; Hänel, Staatsrecht I, S. 771 ff.; Arndt, Staatsrecht, S. 94 f.; Laband, Staatsrecht II, S. 40; a. A. etwa aus einem „Vertragscharakter“ Meyer, Staatsrecht, S. 589 ff.; vgl. insgesamt auch Polzin, Verfassungsidentität, S. 12 ff. m. w. N.

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B. Fundus und Kritik

vor souveränen deutschen Fürsten und freien Städten eröffnete sie die Idee einer „Änderung“ der Verfassung völlig außerhalb der in ihr vorgesehenen Verfahren durch die Vertragspartner – als schlichte Vertragsänderung des Verfassungsvertrags, jedenfalls durch eine Auflösung und vollständige Neugründung des Reiches durch seine Souveräne. Diese Möglichkeit wurden nicht zuletzt am Ende der Ära Bismarck intensiv als sogenannte „Staatsstreichpläne“ gegen den Reichstag und den Block von SPD, Zentrum und Liberalen politisch und verfassungsrechtlich diskutiert.23 Ausgehend von diesem Verfassungsmodell bot sich jedenfalls ein möglicher, wenn nicht „der“ Bezugspunkt der fundamentalen Trennung zwischen der Änderung der Verfassung aufgrund ihrer eigenen Regeln und der Neubegründung durch den bzw. die Souveränitätsträger, mithin der folgenreichen Konstruktion eines fortbestehenden pouvoir constituant gegenüber den pouvoirs constitués.24 Erstere Position wurde dann nach der Revolution von 1918/19 – entsprechend der Erklärung der Souveränität der Nation durch Sieyès 1789 – der Nation, d. h. dem Volk an Stelle der Fürsten und Stadtobrigkeiten, zugewiesen.25 Griff man auf diese Vorstellung der „beiden Wege“ zurück, konnte dies verbunden werden mit der Frage nach einem „charakteristischen Wesen“ einer konkreten Verfassung zur Herausbildung der Theorie von der „Verfassungsidentität“.26 Diese verstand sich explizit nicht als Einrahmung des reinen Positivismus etwa durch vernunft- oder naturrechtliche Grenzen.27 Vielmehr handelte es sich nach den reaktionär-nationalromantischen und antiparlamentarischen Konzepten namentlich von Schmitt und von Bilfinger um ein Argumentationswerkzeug, bestimmte Verfassungsänderungen innerhalb der dazu delegitimierten konstitutiv-normalen Gesetzgebung auszuschließen und ausschließlich einem „völkischen“ pouvoir consti­ tuant „zurückzuführen“.28 Die republikanisch-demokratische Verfassungslehre der 23

Diese wurden unmittelbar in die Staatslehre-Diskurse der Weimarer Republik transportiert etwa durch Zechlin, Staatsstreichpläne, S. 26 ff., 178 ff. mit Quelle des Staatsministerprotokolls vom 3. 3. 1890, damals namentlich im Umfeld einer Verlängerung des Sozialistengesetzes und Aufrechterhaltung des „Kartellparteiensystems“, welches dann zum Sturz / Rücktritt Bismarcks führte; vgl. zu den Plänen und ihrem Kontext weiter Discher, Staatsstreichgedanken, S. 16, 74 ff.; Stürmer, HZ 209 (2014), 566 ff. 24 Siehe umfassend dazu und zum Folgenden weiterhin bereits Fahrner, Vulnerabilität, S. 53 ff. 25 Hingegen zog damals lediglich Carl Schmitt die Folgerung einer Volkswillenssouveränität als pouvoir constitang, vgl. ausführlich Fahrner, Vulnerabilität, S. 53 ff. 26 Vgl. die Literaturübersicht bei Polzin, Verfassungsidentität, S. 9 Fn. 1 ff. 27 Vgl. als Ausnahme etwa exemplarisch für naturrechtliche Schranken Hauriou, DrConst, S. 81 f.; für die in die Nachkriegszeit durch „Jünger Schmitts“ übernommene verfassungsrechtliche Dogmatik der „Rahmenordnung“ ergibt sich damit ein Dilemma, letztlich keinerlei gesicherten Grund jenseits einer völlig ungesicherten „Naturalobligation des Volkes“ feststellen zu können. 28 Vgl. am schärften Schmitt, Diktatur, S. 137; etwas verbrämter bereits Schmitt, Verfassungslehre, S. 75 ff., 103 ff.; Bilfinger, Reichssparkommissar, S. 16 ff.; weitergehend und alternativ allerdings Jellinek, Verfassungsgesetzgebung, S. 1 ff.; vgl. Polzin, Verfassungsidentität, v. a. S. 21 ff. m. w. N.; zu den „apokryphen Souveränitätsakten“, bei Schmitt nicht als Schutz des Verfassungskerns, sondern Votum gegen das Parlament vgl. Schmitt, Verfassungslehre, S. 28, 119; dazu insbesondere Fromme, Verfassung, S. 191 m. w. N.

I. Grammatikalischer Befund und historischer Kontext 

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Weimarer Republik hatte von Anfang an eine solche Reservefunktion des Volkes abgelehnt.29 Auch aufgrund des politischen Hintergrunds, vor allem der NS-Verstrickung von Schmitt, konnten sich später diese Lehren unter den Zeitgenossen der unmittelbaren Nachkriegszeit weit weniger als in den folgenden Generationen nach erfolgter Konstituierung der BRD durchsetzen.30 bb) Beschränkungen demokratischer Prozesse Weiterhin begannen in vielen westlich geprägten Demokratien die Fragen nach dem mutmaßlichen Paradox bzw. Dilemma, ob die Demokratie Beschränkungen ihrer prägenden Prinzipien wie der Kommunikationsfreiheiten vornehmen dürfe und könne, ohne sich selbst aufzugeben – oder bei Bedarf sogar müsse.31 Diese entwickelten sich auch und gerade im deutschsprachigen Raum.32 In der Praxis wurden einerseits beispielsweise in den USA bis in die spätere McCarthy-Ära nur wenige und dauerhaft umstrittene punktuelle Maßnahmen des Schutzes gegen gewaltsame und subversive Angriffe auf die Verfassungsordnung unternommen.33 Dagegen stachen auf der anderen Seite in Deutschland die vielfältigen Notverordnungen und das Republikschutzrecht hervor.34 So wurden durchaus Vereinigungen verboten und etwa die Mitgliedschaft von Beamten in diesen.35 Wie in vielen europäischen Demokratien, welche von aufsteigenden faschistischen und kommunistischen Bewegungen bedroht waren, wurden die Maßnahmen jedoch 29

Vgl. ausführlich Fahrner, Vulnerabilität, S. 63 ff. m. w. N. Vgl. ausführlich unten E. I. 1. a) dd), ee). 31 Vgl. wohl zuerst zum US Espionage Act 1918 mit dem Begriff der „fighting democracy“ Kimball, HLRev 33 (1920), 442 (446); grundlegend das 1942 erschienene Werk zum Totalitarismus des deutsch-amerikanischen Juristen Friedrich, Belief, S. 179 und passim; ebenfalls grundlegend die zeitgenössischen Werke von Riesman, Public Opinion Quartely 5 (1941), 191 ff.; ders., ColLRev 42 (1942), 1085 ff., 1282 ff.; ders., Public Policy 3 (1942), 33 (52); ders., Politics 6 (1944), 323 ff.; rückblickend insgesamt zu den frühen Ansätzen Basset, Essentials, S. 200 f.; ferner insgesamt die Internationale Juristenkonferenz in Paris 1937, zit. nach LVBYProt S. 114 Fn. 3 m. w. N.; Boventer, Grenzen, S. 44 ff., 59 ff. auch m. w. N. zur dortigen und anschließenden Diskussion. 32 Vgl. etwa Thoma, HdtStR II, § 71 S. 154; Leibholz, Auflösung, S. 41 ff. m. w. N. Fn. 91; Fromme, Verfassung, S. 190 f. mit Überblick über die weitere Weimarer Fachliteratur. 33 Vgl. bereits Fn. 27 sowie Cushmann, APSR 38 (1944), 1 (16 ff.); allgemein Steinberger, Demokratie, S. 190 ff.; Boventer, Grenzen, S. 65 ff., 83 ff. m. w. N.; vgl. auch Denninger, Grundordnung I, S. 70 ff. zur Wirkung für die deutsche FDGO-Debatte. 34 Vgl. zusammenfassend Fahrner, Staatsschutzstrafrecht, § 2 Rn.19 ff. sowie zu Vorläufern im 19. Jh. Rn. 8 ff. 35 Vgl. hier für letzteres den Beschluss des Preußischen Staatsministeriums vom 25. Juni 1930 über die Teilnahme von Beamten an der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei und der Kommunistischen Partei Deutschlands, MBpreußV 1930, 599, auch bei Denninger, Grundordnung II, Nr. 33 (S. 500); für ersteres und die Verbote von SA und SS, RGBl. I 1932, S. 175, aufgehoben ebd., S. 297, vgl. dazu bereits Fahrner, Staatsschutzstrafrecht, § 2 Rn. 25; sowie darüber hinaus hier nur die Nachweise bei Gerlach, Vereinsverbotspraxis, S. 51 f. und den dort weiter, v. a. Fn. 122 genannten Studien. 30

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B. Fundus und Kritik

meist anlassbezogen und -motiviert unternommen, jedenfalls kaum systematisch durchdacht.36 cc) Insbesondere Sanktionierung und Verbot von Parteien Schließlich intensivierten sich Anfang der 1930er Jahre deutsche und internationale Diskussionen, Parteien bzw. sonstigen politischen Verbänden, welche die Demokratie vernichten wollten, den Genuss demokratischer Rechte zu entziehen.37 Hier tat sich etwa, mit langer Geschichte v. a. seit der ersten Schließung des Jakobinerclubs nach dem grande terreur am 9. Thermidor II, zunächst erneut die Französische Republik hervor.38 Eine gewisse Grundlage dafür bildeten in Deutschland bis zu den Republikschutzgesetzen ältere Sanktionen gegen Vereinigungen, etwa im Rahmen der Karlsbader Beschlüsse bis zum Sozialistengesetz.39 Sie knüpften meist an den gewaltsamen Hochverrat (und damit dessen so verstandenes Vorfeld)  an oder aber richteten sich, weit extensiver in den besonders repressiven Phasen des 19. Jahrhunderts, gegen Formen organisierter Agitation bzw. freier Meinungsäußerung überhaupt.40 Letzteres hatten vor allem die liberalen, katholischen und sozialdemokratischen Parteien, welche als Weimarer Koalition die demokratische Republik 1919 schufen und trugen, selbst von der Restauration bis Bismarck erduldet; umso mehr mussten ihnen derartige Maßnahmen daher zunächst als weitaus zu repressiv erscheinen. Erstere hingegen erwiesen sich in der gesamten ersten deutschen Republik als unzulänglich. Bei alldem stand der Schutz von Staatsbestand und Verfassungsordnung vor Gewalt im Vordergrund. Stattdessen hätte es in der labilen Zwischenkriegsphase indes gegolten, die Demokratie insgesamt gegen jeden auch nicht gewalttätigen Angriff, sowie die Anwendung gerade in der Demokratie auch gegen eine Richterschaft zu schützen, die in erheblichen Teilen jeden gesetzlichen Spielraum regelmäßig gegen die von ihr abgelehnte Republik ausnutzte. Wirksame Mechanismen konnten allerdings in einem verheerenden Zusammenspiel zunehmender politischer Ohnmacht und fehlender systematischer Erarbeitung nicht mehr entwickelt werden. 36

Vgl. hierzu vor allem die Analyse von Löwenstein sogleich unter b). Vgl. Verfassungsfeier zum 11. 8. 1931 des Reichsbanners Schwarz-Rot-Gold, vgl. dazu LVBYProt S. 113 f. Fn. 2 m. w. N.; weiter nur Stein, ZParl 32 (2001), 536 ff., darin insbesondere S. 546 die Übersicht zur Weimarer Republik; weiterhin zu Vorstellungen der wehrhaften Demokratie bei Hoegner bereits 1931 Pfetsch, ZParl 17 (1986), 5 (13 f.); zu den Parteiverboten in der Weimarer Republik vgl. weiterhin Will, Verfassung, S. 33 ff.; Grünthaler, Parteiverbote; Schön, Grundlagen; daneben Fahrner, Staatsschutzstrafrecht, § 2 Rn. 15 ff. m. w. N. 38 Vgl. weiter Boventer, Grenzen, S. 155 ff., 163 ff. zum französischen Vereinsgesetz 1901, 1936 reduziertes Verbot auf gewaltsame politische Gruppen, später fortgeführt in Art. 4 der Verfassung von 1958 im Bestand- und Demokratieachtungsgebot. 39 Vgl. RGBl. 1878, 521; zum Sozialistengesetz näher die Materialsammlung von Lipinski, Sozialistengesetz; weiterhin Maass, Sozialistengesetz; allgemein etwa auch zum ganzen Folgenden Fahrner, Staatsschutzstrafrecht, § 2 Rn. 19 ff. m. w. N. 40 Vgl. insbesondere Gusy, Weimar, S. 43 ff., 107 ff., 123 ff. 37

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b) Wissenschaftliche Analysen und Folgerungen durch Löwenstein, Mannheim, Popper und andere aa) Karl Löwenstein: Technik des Faschismus und Militant Democracy Die über die Nachkriegsordnung bis heute in vielem prägend und maßgeblich fortwirkende und geradezu zeitlose Analyse des Untergangs der Demokratien durch autoritäre Bewegungen nahm bereits 1937/38 Löwenstein vor.41 Er forderte eine „militant democracy“ gegen Autoritarismus und Totalitarismus und ihre Techniken, welche die Demokratie zu deren eigener Überwindung ausnutzten.42 Das martialische Bild sollte beim Leser den Vergleich zum nicht lange zurück liegenden 1. Weltkriegs mit allen verbundenen Emotionen wecken und so deutlich machen, dass die Demokratie sich erneut „im Verteidigungszustand“ befinde. Wie bei diesem bzw. im Belagerungszustand müsse sie daher unter schwersten Angriffen einige eigene Grundprinzipien zum langfristigen Selbsterhalt vorläufig einschränken. Darunter zählten insbesondere die unbeschränkt gewährte politische Kommunikation in Meinungs-, Presse- und Vereinigungsfreiheit: „Once more, democracy is at war, although an underground war on the inner front. … Constitutions are dynamic to the extent that they allow for peaceful change by regular methods, but they have to be stiffened and hardened when confronted by movements intent upon their destruction … Fascism has declared war on democracy … If democracy believes in the superiority of its absolute values over the opportunistic platitudes of fascism, it must live up to the demands of the hour, and every possible effort must be made to rescue it, even at the risk and cost of violating fundamental principles.“43

(1) Präzise dekonstruierte Löwenstein den Faschismus als hinter der vermeintlichen Heilsbewegung liegende Technik zum Erwerb und Rechtfertigung willkür­ licher autokratischer Macht.44 Da sich letztere nie auf lange Sicht nur auf Gewalt verlassen könne, bediene sich der diktatorische und autoritäre faschistische Staat vor allem des Emotionalismus, der letztendlich das Element der Rechtssicherheit konstitutioneller Regierungen ersetze. Seine technischen Mittel zur Mobilisierung 41

Löwenstein, APSR 31 (1937), 417 ff.; 836 ff.; ColLRev 38 (1938), 591 ff.; 725 ff.; vgl. dazu etwa Boventer, Grenzen, S. 26 ff., 60 ff. m. w. N.; Papier / Durner, AöR 128 (2003), 340 (346); wie sehr diese Analyse hilfreich war, zeigt etwa die gewisse Hilfslosigkeit wohl vor der Rezeption z. B. von Leibholz, DV 1 (1948), 73 ff. gegenüber der gemutmaßten Bereitschaft der Mehrheit des Volkes „Selbstmord zu vollziehen und sich im Namen von Freiheit und Vernunft eben diesen zu begeben“; zur historischen Vorbereitung und Verarbeitung Löwensteins vgl. aktuell Hacke, Existenzkrise, S. 214 ff. 42 Zur „systemkonformen Systemüberwindung“ vgl. namentlichen das berüchtigte Zitat von Goebbels, Was wollen wir im Reichstag, in: Der Angriff 30. 4. 1928, 1 f.; vgl. dazu auch Isensee, Das Parlament 17. 1. 1976, S. 1; den appellativen Gehalt von Löwenstein verkennen Simard, Erbe, S. 259 (264 f.) sowie darauf berufend Dreier / Wittreck, GG Art. 18 Rn. 4; vgl. auch aktueller Gerlach, Vereinsverbotspraxis, S. 56 ff. 43 Löwenstein, APSR 31 (1937), 417 (432), vgl. auch S. 422 f. 44 So Löwenstein, APSR 31 (1937), 417 (422 f.); vgl. dazu Boventer, Grenzen, S. 36 ff.

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B. Fundus und Kritik

seien „genial“, wenn auch zunehmend standardisierbar und würden geradezu wissenschaftlich angewendet: Unter ihnen seien zu nennen die nationalistische Begeisterung und der permanente psychische Zwang, der manchmal einer Einschüchterung und Terrorisierung gleichkomme.45 Der Faschismus erscheint damit als „das wahre Kind des Zeitalters der technischen Wunder und der emotionalen Massen“ im Sinne Le Bons und Freuds.46 Den Emotionalismus in seiner gröbsten und raffiniertesten Form zu erwecken, zu führen und zu verwenden, sei die Essenz der faschistischen Technik, bei welcher die Massen sich der rationalen Berechnungen, nach denen die Drahtzieher sie lenkten, nicht bewusst sein sollten.47 Diese Emotionalisierung zeige sich zuerst in der Propaganda in gezielt angewandten grundsätzlicher Vagheit, unaufhörlichen Wiederholung, Übertreibungen und Übervereinfachungen. „Führung, Ordnung und Disziplin“ würden gegen „Korruption, Chaos und Selbstsucht im Parlament“ angeführt, die demokratischen Institutionen und Mechanismen lächerlich gemacht.48 Stattdessen solle ein kryptischer Korporatismus die politische Repräsentation ersetzen, verschiedene Teile des Volkes gegeneinander ausgespielt, eine allgemeine Unzufriedenheit geschürt und auf besonders auch als verdächtig angreifbare Ziele (Juden, Freimaurer, Bankiers, Großunternehmen) konzentriert werden, vor allem gegen die eine „kolossale Propaganda“ betrieben werden sollte. Unter dem Vorwand der Selbstverteidigung betriebene Uniformierung und Paramilitarisierung der Partei diene dem Einüben von Befehl und Gehorsam, einer monopolisierenden und homogenisierenden Verschworenheit gegen das übrige Gemeinwesen und der auf Gewalt gerichteten Emotionalisierung der Erfassten. Sie schaffe weiter die Ressource nicht für einen, aussichtslos erscheinenden, Putsch, sondern zur brachialen Durchsetzung der Macht nach deren legalistischer Übernahme, und zuvor der emotionalen Einschüchterung von Gegnern sowie der Militarisierung, Destabilisierung und Entfriedung der öffentlichen Auseinandersetzung insgesamt.49 (2) Der geradezu „infektiöse“ Erfolg dieser Technik der Zerstörung der Demokratien im Europa der 1930er Jahre basiert nach Löwenstein auf ihrer perfekten Anpassung an die demokratischen Schwächen.50 Die faschistische Technologie nutze das tolerante Vertrauen der demokratischen Ideologie darauf aus, dass auf lange Sicht die Wahrheit stärker sei als die Falschheit und sich der „Geist“ gegen 45

Löwenstein, APSR 31 (1937), 417 (418). Siehe ausführlich zur Massenpsychologie in diesem Sinn bereits Fahrner, Vulnerabilität, S. 106 ff. 47 Vgl. hierzu und zum Folgenden Löwenstein, APSR 31 (1937), 417 (423 f.); zur Propaganda insbesondere auch ders., APSR 31 (1937), 638 (652 ff.). 48 Vgl. hierzu insbesondere Löwenstein, ColLRev 38 (1938), S. 725 (738 ff.). 49 Vgl. Löwenstein, APSR 31 (1937), 417 (424 ff.), 638 (648 ff.); ders., ColLRev 38 (1938), 725 (731 ff.) m. w. N. 50 Vgl. zum Ganzen insbesondere Löwenstein, APSR 31 (1937), 417 (424 f.) näher zu diesen Schwächen: „Democracies are legally bound to allow the emergence and rise of anti-parliamentarian and anti-democratic parties under the condition that they conform outwardly to the principles of legality and free play of public opinion“. 46

I. Grammatikalischer Befund und historischer Kontext 

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Gewalt durchsetze. Diese reine Demokratielehre wiederum wolle in ihrem eigenen „Fundamentalismus“ und ihrer legalistischen Blindheit nicht erkennen, dass der Mechanismus der Demokratie und ihre Toleranz gemeinsam jenes trojanische Pferd seien, durch die ihr Feind die Stadt betrete. Unter dem Deckmantel der Grundrechte und der Rechtsstaatlichkeit habe die antidemokratische Maschine legal aufgebaut, in Gang gesetzt und durch Destabilisierung, Destruktion, legalistische Machtergreifung und anschließende Demokratievernichtung zum Erfolg geführt werden können. Dies habe mit den Angriffen, deren Abwehr sich das Recht sonst versehen habe – namentlich dem offenen gewaltsamen Umsturzversuch und den geheimen Bestrebungen – nichts zu tun.51 Denn der Faschismus agiere mit dem Anschein der Offenheit und Legalität und damit unter dem Schutz der formaldemokratischen Prinzipien: „It is the exaggerated formalism of the rule of law which under the enchantment of formal equality does not see fit to exclude from the game parties that deny the very existence of its rules“.52 Die anfängliche Ignoranz gegenüber den Entwicklungen in den Nachbarstaaten und das Verhältniswahlrecht bzw. die proportionale Repräsentation hätten die NS-Machtergreifung in Deutschland erleichtert. Zusätzlich habe dazu wesentlich beigetragen, dass die Republikschutzgesetze (und weiteren Maßnahmen, wie den Vollzug des Verbots des Völkischen Beobachters etwa durch den freien Volksstaat Bayern unter dem Generalstaatskommissar von Kahr)53 in Anwendung und Funktion konterkariert und damit wirkungslos gemacht worden seien.54 (3) Als daher zum Erhalt unabdingbare taugliche Gegenwehr der Demokratie identifizierte Löwenstein drei Säulen. Erstens gelte es die Funktionsweise des Faschismus zu erkennen und zu entzaubern: „Once the character of revolutionary fascism as a technique for destroying democracy emotionally is recognized, much of its spell is broken.“55 Zweitens könne die politische parteiübergreifende Einheit der Demokraten und internationaler Zusammenhalt in der Bekämpfung helfen,56 nicht aber selbst Versuche, die Demokratie in gleichem Maß zu emotionalisieren.57 Drittens erwiesen sich in einer Zusammenschau verschiedene der bereits in den

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Vgl. Löwenstein, ColLRev 38 (1938), 591 (591 ff., 600 ff.). So Löwenstein, APSR 31 (1937), 417 (424). 53 Vgl. nur Winkler, Weimar, S. 186 ff., 223 ff., dies im Übrigen wohl mit eine direkte Ursache für den Putschversuch Hitlers vom 9. 11. 1923 und die Nachsicht des OLG München (statt dem zuständigen RepSchStGH) durch den Vorsitzen, der im NS-Staat Hilter sogleich erhebliche Karrierefortschritte machte. 54 Vgl. Löwenstein, APSR 31 (1937), 417 (426 f.); ders., ColLRev 38 (1938), 591 (595); 725 (734 ff.). 55 Löwenstein, APSR 31 (1937), 417 (428), vgl. weiter, ebd., S. 638 (656 f.); ders., ColLRev 38 (1938), 725 (774). 56 Vgl. Löwenstein, APSR 31 (1937), 417 (429 ff.), 638 (638 ff.). 57 Vgl. Löwenstein, APSR 31 (1937), S. 417 (428): „As a rational system, democracy can prove its superiority only by its achievements, which are obfuscated by economic distress and discredited by social shortcomings. The values of liberty seem secure, with the result that to many they appear worn out by routine, faded, pale, and glamourless“. 52

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B. Fundus und Kritik

verbleibenden Demokratien unternommene Gesetzgebungsmaßnahmen gerade gegen die Techniken der Emotionalisierung als wirksam:58 Das traditionelle Staatsschutzstrafrecht nur gegen offen gewaltsame Akte des Hochverrats und Aufruhrs (sowie der Verschwörung dazu) sei gegen die genannten Techniken allenfalls begrenzt anwendbar und insoweit weitgehend unwirksam.59 Daher müsse der Kampf gegen den Faschismus weit breiter angelegt erfolgen: vor allem durch Verbote und das Vorgehen gegen subversive Parteien und deren Nachfolgeorganisationen, deren paramilitärische Teilorganisationen und die Uniformierung von Mitgliedern, den Besitz, das Führen und die Verbreitung von Waffen, gewaltsame Versammlungen, öffentliche Volksverhetzung und „false news“,60 die Verherrlichung eigener Gewalttäter als Märtyrer, daneben die Infiltration und Beeinflussung von Militär und Sicherheitsorganen, Rechtsstäben, Lehrenden sowie anderen Amtsträgern. So wäre es „eine unangemessene Forderung an die Großzügigkeit des demokratischen Fundamentalismus, Beamten zu erlauben, antidemokratische Parteien aktiv zu unterstützen.“ Weiterhin werde in mehreren Staaten die Zusammenarbeit aller Bürger mit den Behörden bei der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit dadurch vorgeschrieben, dass es strafbar sei, den zuständigen Behörden keine Informationen über rechtswidrige oder subversive Aktivitäten zu melden. Schließlich bräuchte es eine speziell ausgewählte und ausgebildete politische Polizei für die Entdeckung, Unterdrückung, Überwachung und Kontrolle antidemokratischer und verfassungswidriger Aktivitäten und Bewegungen. (4) Unter den vorgeschlagenen staatlichen Abwehrmaßnahmen fällt dem Strafrecht eine zentrale Bedeutung zu. Es muss allerdings zum erforderlichen Selbstschutz der Demokratie wesentlich erweitert werden. Damit korrespondiert die so gerechtfertigte Einschränkung der entsprechenden Grundrechte.61 Allerdings gelingt es Löwenstein nicht, Mechanismen und Grenzen zu entwickeln, die den Übergang der militanten Demokratie selbst in ein repressives System verhindern oder diesen offenlegen könnten, wie er ihn bereits beim Verfassen seiner Abhandlungen erleben musste.62 Allein beim Parteiverbot erscheint dazu ein Ansatz der materiellen Abgrenzung durch den Begriff der subversiven Partei zu bestehen. Deren Definition und konkrete Einordnung fiel allerdings damals in den verschiedenen europäischen Ländern sehr unterschiedlich aus und wird weiterhin weitgehend

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Vor allem Löwenstein, ColLRev 38 (1938), 591 (596 ff.); 725 ff. Vgl. hierzu und zum Folgenden im Einzelnen Löwenstein, APSR 31 (1937), 638 (645 ff.); ders., ColLRev 38 (1938), 591 (596 ff.), S. 725 (725 ff.) jeweils m. w. N. 60 Vgl. dazu namentlich bereits Löwenstein, ColLRev 38 (1938), 725 (749 ff.). 61 Vgl. hierzu weitergehend insbesondere die anstehende Habilitationsschrift des Autors. Eine wesentliche Ausnahme findet sich nur im Recht der Abgeordneten, v. a. der Aberkennung von Mandaten einer verbotenen Partei und in der Vermeidung von vorsätzlich willkürlich herbeigeführten Wahlkämpfen als Gelegenheit zur Parteipropaganda, vgl. Löwenstein, APSR 31 (1937), 638 (650 f.) m. w. N. 62 Vgl. etwa Löwenstein, ColLRev 38 (1938), 725 (767 ff.); im Übrigen auch nicht später etwa in: ders., Power, passim. 59

I. Grammatikalischer Befund und historischer Kontext 

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der Exekutive überlassen.63 Prekärer wurde das Problem noch aus der späteren Sicht der Grundgesetzgebung, da der NS-Staat viele der Maßnahmen der „wehrhaften Demokratie“ zur Sicherung seiner totalen Diktatur einsetzte, ebenso wie der Stalinismus in den sowjetischen Einflussgebieten: Dazu gehörten namentlich die Verbote und harsche vielfältige Sanktionierung jeder Form von Opposition und der Ausübung demokratischer Rechte, sowie das Entfernen potentiell kritischer Staatsdiener und Lehrenden aus ihren Funktionen ebenso wie die umfassende, terrorisierende Geheimpolizei und Bespitzelungen. bb) Karl Mannheim und weitere Rechtswissenschaft: Streitbare Demokratie Ähnlich wurden in der Rechtswissenschaft der (Nach-)Kriegszeit vielfältig Schutzvorkehrungen liberaler und demokratischer Gemeinwesen diskutiert,64 damit diese nicht erneut zu autoritären oder totalitären Regimen entarten könnten. Unter den Beiträgen65 finden sich etwa die auf stärkere wertmäßige und organisatorische geplante integrierte „streitbare Demokratie“ gerichtete Skizze von Mannheim.66 Gemeinsam war bereits diesen im 2. Weltkrieg beginnenden Überlegungen nicht nur deutscher Autoren, dass sie aus den Entwicklungen der Weimarer Republik Schlussfolgerungen ziehen wollten, um künftig zu verhindern, dass das nun neu zu schaffende deutsche und die weiteren politischen Gemeinwesen nochmals aus sich selbst heraus überwunden werden und und dadurch neue autoritäre oder totalitäre Herrschaften entstehen könnten.67 Teilweise richteten sich diese in anderen westlichen Staaten auch bereits gegen den leninistisch-stalinistischen Kommunismus.68 63

Vgl. ausführlich Löwenstein, APSR 31 (1937), 638 (646 ff.) m. w. N., etwa: „Specific legal definitions of what constitutes a subversive party or organization are usually avoided. The fact, however, that a group, by its organization or aims, intends or is prepared unlawfully to usurp functions ordinarily belonging to the regular state authorities is as a rule sufficiently indicative of its subversive character. The decision as to whether a group is to be declared illegal lies with the discretionary power of the government, subject, in some countries, to an appeal to a court of the last instance“; ähnlich und ergänzend ders., ColLRev 38 (1938), 591 (603 ff.) m. w. N. 64 Vgl. auch die Diskussionen um die Entstehung von AEMR und EMRK unter maßgeblicher Bedeutung des Musterentwurfs des American Law Institute von 1944, welche sich allerdings wohl auf die damals weitgehend isolierten Diskussionen im besetzten Deutschland nicht erkennbar auswirkten, vgl. dazu unten D. I. 2. 65 Vgl. nur zur „Konstitutionalisierung der absoluten Demokratie“ etwa Kägi, Verfassung; ders., FS Giacometti, S. 107 ff.; für die Reflektionen nach 1949 – im objektiv historisch widerlegten (s. u.) kommunistisch-sozialistischen Narrativ der „Kalten Kriegs-Kreation“ Lameyer, Streitbare Demokratie, S. 81 ff. m. w. N.; Schulz, Grundordnung, S. 114 ff. 66 Mannheim, Diagnose, S. 9 ff. (erstmals im Januar 1941 vorgetragen); vgl. dazu auch ­L ameyer, Streitbare Demokratie, S. 17; Boventer, Grenzen, S. 64. 67 Vgl. etwa Boventer, Grenzen, S. 26 ff.; zur dialektischen Natur des Rückbezugs auf „Weimar“ Fromme, Verfassung, S. 8 ff., 164 ff.; Becker, HdbStR, § 167 Rn. 4. 68 Vgl. etwa Armstrong, We, S. 84 ff.; Astrow, Grenzen, S. 60, 86 ff.; Bassett, Essentials, S. 200; Riesmann, Public Policy 3 (1942), 33 (55); Cushmann, APSR 38 (1944), 1; Boventer, Grenzen, S. 38 f.

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B. Fundus und Kritik

Im Verhältnis zur Freiheit zeigt sich zunächst ein ambivalentes Verhältnis.69 Mannheim stellte dabei als Weg zwischen Diktatur und laissez-faire-Gesellschaft auf das Anerkenntnis einerseits der Freiheit und Offenheit für Unterschiedlichkeit, andererseits das Anerkenntnis grundlegender verbindlicher Werte ab, ohne den Bürgern wie in Diktaturen ein starres Wertsystem aufzuerlegen und sie in die Zwangsjacke einer auf Gewalt gegründeten sozialen Ordnung zu pressen; gerade die Demokratie sei mit der Diktatur wegen ihrer Rechtsbindung und Willkürfreiheit nicht zu vergleichen.70 cc) Karl Popper: Das Merkmal der Intoleranz Jenseits der engeren Rechtsdogmatik entwickelte vor allem Karl R. Popper während seiner Vertreibung von 1938–1945 in die USA staatsphilosophische Prinzipien einer offenen Gesellschaft.71 Dazu wollte er eine präzise Abgrenzung der toleranten Demokratie in Abgrenzung zu kollektivistischen und daraus totalitären Staatslehren begründen. Der Unterschied zwischen beiden besteht für ihn in der friedlichen Ablösbarkeit der Machthaber in der offenen Demokratie: „T h e f i r s t t y p e c o n s i s t s o f g o v e r n m e n t s o f w h i c h w e c a n g e t r i d w i t h ­ o u t b l o o d s h e d   – f o r e x a m p l e , b y w a y o f g e n e r a l e l e c t i o n s ; that is to say, the social institutions provide means by which the rulers may be dismissed by the ruled, and the social traditions ensure that these institutions will not easily be destroyed by those who are in power. The second type consists of governments which the ruled cannot get rid of except by way of a successful revolution – that is to say, in most cases, not at all. I suggest the term ‚democracy‘ as a shorthand label for a government of the first type, and the term ‚tyranny‘ or ‚dictatorship‘ for the second … then we can now describe, as the principle of a democratic policy, the proposal to create, develop, and protect, political institutions for the avoidance of tyranny.“72

Aus dieser grundlegenden Abgrenzung heraus entwickelte Popper drei Paradoxa, darunter erstens, dass ein Übermaß der Freiheit in Sklaverei, und zweitens, dass Demokratie in die Diktatur der Mehrheit führen könne.73 Sein drittes, innovatives, Toleranz-Paradoxon gelangt zu gleichen Ergebnissen wie die „militant democracy“: Danach führt uneingeschränkte Toleranz notwendigerweise dazu, dass sie sich selbst auflöst, indem die Toleranten vernichtet werden.74 69 Vgl. etwa Leibholz, DV 1 (1948), 73: Die Freiheit sei ein antiegalitäres und aristokratisches, wirtschaftlich auch plutokratisches Prinzip, dass der Demokratie zuwiderlaufe, soweit es nicht dazu diene demokratische Gleichheit zu sichern und zu erhöhen. 70 Vgl. Mannheim, Diagnose, S. 17 f.; ähnlich Leibholz, Auflösung, S. 41. 71 Popper, Gesellschaft, S. XVII. 72 Popper, Society, Kap 7 II; Popper, Gesellschaft, S. 149. 73 Sämtlich dort in Fn. 4 zu Kap. 7, vgl. Popper, Gesellschaft, S. 361. 74 „If we extend unlimited tolerance even to those who are intolerant, if we are not prepared to defend a tolerant society against the onslaught of the intolerant, then the tolerant will be destroyed, and tolerance with them“, ebd.

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Wenn Toleranz durch die wechselseitige Bereitschaft zu ihr charakterisiert werde, verschwinde sie mit einem Sieg Intoleranter über die wehrlosen Toleranten, oder aber indem sich letztere von der vollkommenen Toleranz abwendeten, um zu überleben. Der größte Nutzen des Modells besteht jedoch darin, dass Popper damit einen rationalen Maßstab zum Umgang mit Intoleranz stringent ableiten kann: „as long as we can counter them by rational argument and keep them in check by public opinion, suppression would certainly be most unwise. B u t w e s h o u l d c l a i m t h e r i g h t t o s u p p r e s s t h e m i f n e c e s s a r y e v e n b y f o r c e ; for it may easily turn out that they are not prepared to meet us on the level of rational argument, but begin by denouncing all argument; they may forbid their followers to listen to rational argument, because it is deceptive, and teach them to answer arguments by the use of their fists or pistols  … We should claim that any movement preaching intolerance places itself outside the law, and we should consider incitement to intolerance and persecution as criminal, in the same way as we should consider incitement to murder, or to kidnapping, or to the revival of the slave trade, as criminal.“

Zusammengefasst soll im Umgang mit erwiesener Intoleranz vorrangig die rationale Argumentation gebraucht werden, jedoch könne sie ansonsten mit Recht sanktioniert, etwa kriminalisiert und bekämpft werden. Daraus folge insbesondere die Pflicht des Staates zur „gleichen“ Toleranz, aber auch Schutz, gegenüber jenen, welche selbst die Voraussetzungen der Toleranz erfüllten: „We demand  a government that rules according to the principles of equalitarianism and protectionism; that tolerates all who are prepared to reciprocate, i. e. who are tolerant; that is controlled by, and accountable to, the public. And we may add that some form of majority vote, together with institutions for keeping the public well informed, is the best, though not infallible, means of controlling such a government.“

Dies führt zwar einen wichtigen Schritt über das Merkmal der Bewahrung der Demokratie und Toleranz weiter, klärt beide allerdings nicht unmittelbar und vollständig justitiabel.75 c) Dimensionen der rechtlichen Vorkehrungen in der Verfassungsgenese Der Selbstschutz des neu aufzubauenden Gemeinwesens vor einer „Wiederholung Weimars“ spielte nach dem Ende des NS-Reichs und der Besetzung Deutschlands eine wesentliche Rolle in den Verfassungsdiskussionen.76 Im Vorgriff auf die 75

Vgl. hierzu unten C. IV., E. I. 2. a) sowie umfassend weiterführend bereits Fahrner, Vulnerabilität, S. 75 ff., 162 ff., 266 ff. 76 Vgl. etwa im bayerischen vorbereitender Verfassungsausschuss am 4. 4. 1946 vgl. LVBYProt S. 170 ff., 266 ff.; vlg. Etwa auch Jesse, Überlegungen, S. 29 ff.; wiewohl eine ausdrückliche Übernahme der wissenschaftlichen Befassungen in den Protokollen der jeweiligen Beratungen bis zum ParlR nicht feststellbar erscheint, vgl. etwa Gerlach, Vereinsverbotspraxis, S. 59 m. w. N.

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B. Fundus und Kritik

Beratungen des Grundgesetzes kam jenen zu den westdeutschen Länderverfassun­ gen (mit der durchgehenden Ausnahme der Länder in der britischen Besatzungszone sowie der ersten Nachkriegsverfassung Berlins von 1946) eine Pilotwirkung zu, so dass man diese in mehrfachem Sinn als „präföderal“ bezeichnen kann.77 aa) Bewahrung der Verfassungsintegrität Verbote zur Bewahrung der Verfassungsintegrität finden sich als „letzter Schutz“ in unterschiedlicher Ausgestaltung in den Vorläufern von Art. 79 GG.78 Sie eint vor allem der Versuch, einen resilienten Verfassungskern zu beschreiben,79 der vor Änderungen insgesamt geschützt werden sollte. Dieser Ansatz brachte zunächst das Problem, überhaupt einen solchen Kern zu definieren,80 worauf im Folgenden intensiv einzugehen ist.81 Darüber hinaus stieß er auf grundsätzlichen Widerstand, nicht nur aus der Tradition des Positivismus, der jedes übergesetzliche Rechts stets abgelehnt hatte.82 So konnte Carlo Schmid für sein „Novum“ des änderungsfesten Kerns nur auf die republikanische Staatsform in der französischen Verfassung von 1875 verweisen und darauf, dass so zwar nicht der Verfassungsumsturz verhindert werden könnte,83 jedoch einer Verfassungsrevolution wie seitens der NSDAP der Schein der Legalität genommen werden könne.84 bb) Kontrolliertes Notstandsrecht Auch angesichts der absehbar fortbestehenden Besatzung Westdeutschlands wurde weit weniger diskutiert, das Notstandsrecht zu normieren, um es justitiabel zu gestalten und so zu beschränken. Daher wurden die Bemühungen um ein sol 77 Wiewohl natürlich eigentlich angesichts der Rekonstituierung des Bundesstaates (zumal nach herrschender Kontinuitätstheorie)  von „prä-reföderalen“ Länderverfassungen gesprochen werden müsste. Zur Entstehung des GG selbst ergab sich vor allem durch die häufig personengleichen Akteure der engeren Beratungskreise zunächst in den Ländern und dann trizonal eine klar nachweisbare Kontinuität. Dies gilt namentlich etwa für Wilhelm Hoegner, Hans ­Nawiasky und Anton Pfeiffer für die bayerische Delegation und ähnlich für die weiteren Länder v. a. der amerikanischen Besatzungszone, etwa Adolf Süsterhenn und Carlo Schmid für das französisch besetzte Württemberg-Hohenzollern. 78 Vgl. etwa Scherb, Demokratieschutz, S. 30. 79 Vgl. Begriff nach Eschenburg, Staat, S. 263; vgl. Fromme, Verfassung, S. 191; Scherb, Demokratieschutz, S. 26 ff. 80 Vgl. insbesondere dazu bereits ausführlich A. I. 3. b) bb) (1) (b). 81 Siehe sogleich unten 4. f. sowie namentlich unten E. I., II. 82 Vgl. für den weiteren zeitlichen Kontext bereits oben A. I. 3. B) bb) (1) (a). 83 Das regelmäßige Argument der Gegner einer solchen Festschreibung bis in den Parlamentarischen Rat, siehe dazu sogleich unten 4. 84 Vgl. im Einzelnen hierzu und zum Folgenden Scherb, Demokratieschutz, S. 25 ff. m. w. N.; Fromme, Verfassung, S. 193, allerdings geriet damit das bekämpfte Beispiel von Schmitt, Verfassungslehre, S. 105 f. der Art. 112 Verfassung Norwegens von 1814 in Vergessenheit.

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ches kontrolliertes Notstandsrecht erst weit später konsequent durch Änderungen im Grundgesetz dem Schutz des Verfassungskern vorgeschaltet. Allerdings ermöglichen Art. 35, 37, 91 I, II GG bereits seit Inkrafttreten des Grundgesetzes notfalls gewaltsame Abhilfe, wenn eine Landesregierung alleine nicht zur Verteidigung der Verfassung in der Lage ist, oder es selbst unternimmt, diese zu überwinden. Vermieden wird damit, in das weitestgehend unbeschränkte Notverordnungsrecht des Art. 48 WRV zurückzukehren, welches sich auch in seiner Politisierung als verheerend für den Untergang der rechtsstaatlichen Demokratie erwiesen hatte.85 Dem Eindruck eines bloßen „Schönwetterrechtsstaats“, dessen Recht in politischen Kämpfen unter Berufung auf die Ausnahmezustände der Verfassung schweigen müsste, sollte entschieden entgegengetreten werden.86 Daher wurden die Notkom­ petenzen (etwa auch durch Art. 81 GG)87 aufgeteilt und von der früheren politischen Einzelperson des Reichspräsidenten namentlich an das BVerfG überführt, welches der reinen rechtlichen Systemlogik unterliegt und somit statt einem Maßnahmendem voll kontrollierten Rechtsstaat zuzuordnen ist.88 Ebenfalls zur Stärkung symbolischer und realer Rechtsstaatlichkeit wurden statt allgemeiner Ermächtigungsauflistungen in einer Norm für einen „technischen Notstand“ einzelne spezifische Einschränkungen der jeweiligen Grundrechte formuliert, darunter im Verfahren nach Art. 18 GG, sowie später bei Art. 10, 11 GG.89 Gerade bei Art. 10 II GG entstand weit später erneut die erhebliche Diskussion, Eingriffe aus poli­tischen Zwecken gesondert zu verbieten.90 cc) Sicherungen gegen einen „Staatsstreich von oben“ Über diese besondere Normierung des Ausnahmefalls hinausgehend, sollten explizite Sicherungen gegen einen „Staatsstreich von oben“ in das Verfassungssystem eingebaut werden: So postulierte die hessische Verfassung vom 1. 12. 1946 ausdrücklich die „Pflicht eines jeden, für den Bestand der Verfassung mit allen ihm zu Gebote stehenden Kräften einzutreten“.91 Diese Verpflichtung wurde ergänzt durch das Recht und die Pflicht zum Widerstand gegen verfassungswidrig ausgeübte öffentliche Gewalt,92 ebenso wie die Pflicht, bei Kenntnis von einem Verfassungsbruch oder darauf gerichteten Unternehmen, die Strafverfolgung des Schuldigen durch Anrufung des Staatsgerichtshofes zu erzwingen.93 Nach einem 85

Vgl. etwa Fromme, Verfassung, S. 187 m. w. N. Erinnert sei an jenes berüchtigte inter arma silent leges Ciceros, vgl. Fahrner, Landfrieden, S. 1; ders., Vulnerabilität, S. 126 ff. 87 Vgl. Fromme, Verfassung, S. 125 ff. 88 Vgl. auch Fromme, Verfassung, S. 188. 89 Vgl. Fromme, Verfassung, S. 183. 90 Vgl. Fromme, Verfassung, S. 210 m. w. N. 91 Art. 146 I LV HE; vgl. zum ganzen Folgenden auch Will, Entstehung, S. 102 ff., 426 f., 524 ff. m. w. N.; Scherb, Demokratieschutz, S. 51 ff. 92 Art. 147 I LV HE. 93 Art. 147 II 1 LV HE. 86

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temporär erfolgreichen Außerkraftsetzen der Verfassung sollten die daran Schuldigen unverzüglich nach Wiederherstellung zu bestrafen sein.94 Bei einer Zuwiderhandlung gegen die Pflicht zum Eintritt für den Verfassungsbestand oder bei der Zugehörigkeit zu einer politischen Gruppe, die Grundgedanken der Demokratie bekämpft, sollten nach gesetzlicher Bestimmung Rechte aus der Verfassung durch Entscheidung des Staatsgerichtshofes aberkannt werden können.95 Ansonsten sollte das weitere gesetzlich bestimmt werden.96 Diese Normen des hessischen Verfassungsrechts basierten im Wesentlichen auf dem Entwurf Walter Jellineks.97 Jedoch wurde bei nahezu allen Landesverfassungen vergleichbar debattiert – im größten zwischen den Ländern unterschiedlichen Maß –, wieweit als letzte formale Sicherung die einzelnen Bürger und oder jedenfalls Amtsträger zur Treue zur Verfassung und zum Widerstand vor und nach ihrer Verletzung aufzurufen seien.98 Diese Regelungen ergänzen die traditionellen Sicherungen innerhalb des verfassungsrechtlichen Gefüges, vor allem Gewaltenteilung und -kontrolle sowie die Funktionen von Transparenz, Öffentlichkeit, Gesetz, demokratischer Legitimation und Kontrolle, unabhängiger richterlicher Überprüfung usw., welche sich im Vollzug der nationalsozialistischen „Machtergreifung“ als unzureichend erwiesen hatten.99 dd) Weiterer Vorfeldschutz Stärker diskutiert wurden verschiedenste Handlungsalternativen, um derartige Krisensituationen und Angriffswege im Vorfeld zu verhindern. Die meisten dieser Landesverfassungen eint das Bemühen um Vorkehrungen, rechtzeitig legale Maßnahmen zur erneuten Aufhebung der (noch nicht so benannten) freiheitlich demokratischen Verfassungs- bzw. politischen Ordnungen vorzusehen.100 Dabei galt es besonders einen erneuten Machtgewinn auf regulärem parlamentarischem Weg, begleitet durch Aushöhlungsaktivitäten von „unten“ (v. a. im Wege der faschis­ 94

Art. 148 LV HE; allerdings wurde bereits früh auf die ungesicherte Durchsetzbarkeit verwiesen, ohne dass hier darauf näher einzugehen ist. 95 Art. 146 II LV HE; die Zuweisung an den Staatsgerichtshof erfolgte entgegen dem Entwurf Jellineks auf Basis jenes der SPD durch den Verfassungsschuss am 26. 9. 1946, vgl. Will, Entstehung, S. 426 f. m. w. N. 96 Art. 147 III 2, 149 LV HE. 97 Vgl. Art. 146 ff. LV HE; der Entwurf Jellineks ist gesondert, jedoch als solcher kaum auffindbar in ders., Entwurf bzw. ders., Verfassung; die wesentlichen Passagen finden sich etwa bei Will, Entstehung, S. 102 ff., 426 f., 524 ff. m. w. N.; vgl. ebd., S. 102 ff. m. w. N. speziell zu Art. 119 ff. des Entwurf Jellineks; zu den Ergänzungen im Sinne der Rechtssicherheit v. a. durch Gesetzesvorbehalt und Zuweisung der Beurteilung an den Staatsgerichtshof ebd., S. 426 ff. m. w. N. 98 Vgl. Überblick bei Scherb, Demokratieschutz, S. 51 ff., 109 ff., 131 ff., 143 f., 207 ff. 99 Siehe unten zu den rechtsstaatlichen Sicherungen C. IV. 1 d), Fahrner, Vulnerabilität, S. 87 ff., 126 ff.; vgl. hier auch Steinberger, Demokratie, S. 8 ff. passim. 100 Vgl. dazu sogleich noch unten 4.; sowie im Überblick Scherb, Demokratieschutz.

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tischen Massentechniken) und „oben“ (durch verfassungsfeindliche Amtsträger) zu verhindern. Früh entwickelten sich intensive Diskussionen über die Verfassungstreue der Amtsträger und ihre Abrufbarkeit.101 Weiter besonders umstritten diskutiert wurden Parteiverbote.102 Zunächst sah in Hessen ein Entwurf der SPD in der Landesverfassung selbst Strafvorschriften gegen Hochverrat mit Gewalt oder List oder gegen die Bildung entsprechend gerichteter Partei vor.103 Die SPD fokussierte sich zur Sicherung gegen extreme Parteien bald jedoch weg von diesen Fragestellungen auf das Vorgehen gegen Splittergruppierungen und dazu eine 5 %-Wahlhürde.104 Der Königsteiner Entwurf der CDU brachte stattdessen die griffige Formel, dass nicht nur die Diktatur des Einzelnen, sondern auch der Mehrheit durch Menschenrechte und Gewaltenteilung und -kontrolle zu verhindern sei.105 In Hessen bauten im Weiteren Grundrechtsverwirkung und Parteiverbot auf dem Entwurf Walter Jellineks auf.106 Als weitere Schutznetze vor einer erneuten Entartung des politischen Systems sollten die verfassungsmäßig materiell und formell geregelte Einschränkung von Grundrechten, namentlich der Vereinigungs- sowie der Kommunikationsfreiheiten verankert werden.107 Gegenüber den Bemühungen um den geschützten Verfassungskern traten jedoch in den konstitutionellen Beratungen diese präventiven und repressiven Ansatzpunkte auch Löwensteins gegen die noch nicht zur Macht gelangten demokratiefeindlichen Bewegungen deutlich zurück. ee) Zwischenergebnis Insgesamt scheint aus den Beratungen klar, dass sich die jeweiligen Verfassungsväter einig waren, dass die Preisgabe der Grundprinzipien des friedlichen, freiheitlichen, demokratischen und rechtsstaatlichen Gemeinwesens verhindert werden musste. Folglich galt es zukünftig vor allem, eine Passivität des Gemeinwesens gegenüber Umsturzversuchen, aber ebenso „irrationale“ Mehrheitsbeschlüsse 101

Siehe dazu ausführlich unten D. III., E. I. 4., II. Vgl. hier nur etwa Scherb, Demokratieschutz, S. 51 ff., 56 ff., 79 ff., 238 ff. 103 Bereits nach Art. 100 des Entwurfs der SPD zu LV HE vom 2. 7. 1946 sollte die LV HE selbst Strafvorschriften gegen Hochverrat mit Gewalt oder List oder Bildung entsprechend gerichteter Partei beinhalten Will, Entstehung, S. 160 m. w. N.; ebd., S. 188 f. zum ähnlichen Verfassungsentwurf Zinn / A rndt Juli 1946. 104 Vgl. Entwurf der Hochwalder Beschlüsse SPD zu LV HE 30. 5. 1946; Will, Entstehung, S. 146 ff. 160 m. w. N.; ähnlich der Verfassungsentwurf Zinn / A rndt Juli 1946, vgl. dazu ebd., S. 188 f. m. w. N. 105 Einleitung zum Königsteiner Entwurf zu LV HE Juli 1946, EHV, Dok. 23, S. 260 f.; zit. nach Will, Entstehung, S. 196 m. w. N. 106 Art. 146 II LV HE; die Zuweisung an den Staatsgerichtshof erfolgte entgegen dem Entwurf Jellineks auf Basis des Entwurfs der SPD durch den Verfassungsschuss am 26. 9. 1946, vgl. Will, Entstehung, S. 426 f. m. w. N. 107 Vgl. etwa Art. 10 II LV RP (bis 1991) und der Süderhenn-Entwurf; Art. 79 LV-WB; Art. 48, 114 II LV BY; Scherb, Demokratieschutz, S. 165 f., 174 f., 233 ff. 102

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gegen die freiheitliche, rechtsstaatliche Demokratie in jedem Fall zu verhindern – selbst „um den Preis, dass die Demokratie darüber stürbe“.108 Dazu musste über formale rechtliche Vorkehrungen bei politischen Entscheidungen hinaus- und im kürzeren und weiteren Vorfeld gegen jene „Irrationalisierun­ gen“ vorgegangen werden, die etwa Löwenstein herausgearbeitet hatte.109 Daher erschien in der gesamten Diskussion wesentlich, den Schutz gegen erneute Entartungen des demokratischen Verfassungsstaats weit zu fassen und das Recht in allen Dimensionen in diese Aufgabe einzuweben. Insofern kann mit Eschenburg davon gesprochen werden, dass (die Landesverfassungsgeber, anschließend der Konvent von Herrenchiemsee sowie) die Mitglieder des Parlamentarischen Rats eine „auf­ geklärte Demokratie“ etablieren wollten, d. h. eine (Selbst-)Beschränkung des Souveräns auf Grundlage vernünftiger Selbst- und Welterkenntnis110 – auch und gerade stets neu aktualisierend anhand des vorhandenen (Verfassungs-)Rechts. Allerdings war sich bereits die zeitgenössische Diskussion des Problems der geringen dauerhaften staatsrechtlichen Reflexion der Bürgerinnen und Bürger bewusst. Ebenso erkannte man die Bedeutung, die Grundprinzipien auch vorrational, z. B. habituell und emotional, zu verankern.111 In diese wie die rationale Ebene gehörte die geforderte „Erziehung zur Freiheit“ auch gerade durch Verfassung und Recht,112 ebenso wie eine solche zur Demokratie, deren Verankerung im Volk nach 1945 ebenso fraglich schien wie 1919.113 Es galt als die beste Sicherung der Demokratie, wenn durch die Garantie ihrer äußeren Funktion eine „Vor-Ordnung geschaffen wird, aufgrund derer die Wahrnehmung der demokratischen Rechte im demokratischen Sinn zur Selbstverständlichkeit wird“.114 Statt technokratischem Rationalismus und Relativismus „Weimars“ sollte dazu die Verfassung auf Werte gegründet werden.115 Dabei wurden die Werte zunächst durchaus weithin traditionell im Sinne des Christentums, sozialdemokratischer oder humanistischer „Brüderlichkeit“ oder gar der rückkehrenden „Wendung zum Metaphysischen“ verstanden, welche ihrerseits Freiheit und westliche Demokratieprinzipien bestimmen sollten.116

108 Vgl. dazu Jahrreiß, FS Thoma, S. 72 (89); zum Misstrauen des Parlamentarischen Rats gegen das Volk vgl. allg. Fromme, Verfassung, S. 221 ff.; ähnlich Leibholz, DV 1 (1948), 73. 109 Vgl. hier noch ähnlich Ritter, Schweizer Monatshefte 25 (1945/46), 14 (27 f.); zum ganzen Folgenden auch bereits ausführlich Fahrner, Vulnerabilität. 110 Eschenburg, Staat, S. 782, vgl. weiter Fromme, Verfassung, S. 193. 111 Zur emotionalen Verankerung namentlich Ritter, Schweizer Monatshefte 25 (1945/46), 14 (28 ff.). 112 Königsteiner Entwurf, EHV, Dok. 23, S. 266 f., Will, Entstehung, S. 201 m. w. N. 113 Vgl. Eschenburg, Staat, S. 494; Jahrreiß, FS Thoma, S. 72 f. dazu Fromme, Verfassung, S. 188. 114 Ebd. 115 So etwa exemplarisch der Aufruf von Carlo Schmid am Beginn der Verfassungsberatung in Württemberg-Baden, vgl. dazu Scherb, Demokratieschutz, S. 25; ähnlich Leibholz, DV 1 (1948), 73. 116 Vgl. exemplarisch etwa ebd.

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4. Begriffsvorprägung in der präföderalen Verfassungsgenese Die im Entwurf des Konvents für das Grundgesetz gefundene einheitliche Formel der freiheitlich(en) demokratischen Grundordnung für die damals als essentiell erkannten Bereiche des Schutzes der „streitbaren“ und „werthaften“ Demokratie stellt den Endpunkt einer Synthese dar. Diese wurde vor allem in der Genese der präföderalen Länderverfassungen vorangetrieben. Bemerkenswert ist der Blick in die jeweiligen Verfassungsberatungen und Entwürfe durch die zeitliche Reihung, die sich von Württemberg-Baden, dann nahezu parallel Bayern und Hessen ebenfalls in der amerikanischen Besatzungszone, sodann Rheinland-Pfalz, Baden, Württemberg-Hohenzollern und das Saarland bis nach Bremen hinzog.117 Über eine Verfassungskommission der Länder der amerikanischen Besatzungszone, die bereits ab dem 15. April 1946 tagte, bestand ein Informationsaustausch, zunächst vor allem über den Entwurf von Schmid,118 welcher als erster Ausgangspunkt der, allerdings vielfältig zusätzlich gespeisten, Entwicklung verstanden werden kann. Davon ausgehend können die sich tatsächlich zeitlich überlappenden Entwicklungen in den einzelnen Ländern als ein Gesamtprozess in mehreren Stufen aufgefasst werden: a) Erste Stufe: Carlo Schmid und Württemberg-Baden – Geist und Prinzipien der Verfassung In Bezug auf die FDGO kann als Beginn das Konzept des württembergischen Sozialdemokraten Schmid verstanden werden. Es trennte den Schutz vor einer neuen Diktatur kategorisch: auf der einen Seite sollte die Meinungs- und Vereinigungsfreiheit eingeschränkt werden können, und Vereinigungen nur zugelassen sein, „sofern nicht ihr Zusammenschluss die durch die Verfassung gewährten Frei­ heiten bedroht oder verletzt“.119 Auf der anderen Seite stand der Schutz des Verfassungskerns in Bezug auf die Gesetzgebung. „Abänderungsanträge, die den Geist oder die Prinzipien der Verfassung verletzen“, sollten verfassungswidrig sein. Ein Senat, als eine „Kammer von Zeithonoratioren“, sollte darüber befinden.120 Reduziert (nur) auf das Merkmal des „Geistes der Verfassung“ fand dieser Ansatz Eingang in die Verfassung Württemberg-Badens.121 Bereits in den Diskussionen dazu 117

Vgl. im Einzelnen Scherb, Demokratieschutz, S. 24 ff. Vgl. Protokoll der Sitzung des Vorbereitenden Verfassungsausschusses Hessen vom 5.4., 16.4. sowie 13. 5. 1946, EHV, S. 21 ff., 25 ff. 119 Art. 10, 13 abgedruckt bei Pfetsch, S. 353 ff. (355); vgl. Art. 9 II WH, später Art. 11, 15 LV WB, Vorläufiger Entwurf einer Verfassung für Nordwürttemberg und Baden vom 24. 4. 1946, abgedruckt bei Pfetsch, S. 353 ff. (355). 120 Art. 72 I 2, Vorläufiger Entwurf einer Verfassung für Nordwürttemberg und Baden vom 24. 4. 1946, abgedruckt bei Pfetsch, S. 353 ff. (362). 121 LV-WB Art. 85 I 2: „Abänderungsanträge, die dem Geist der Verfassung widersprechen, sind unzulässig.“; vgl. zum Ganzen ausführlich Scherb, Demokratieschutz, S. 26 ff. 118

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B. Fundus und Kritik

verfestigte sich die Linie, den „Weimarer Formalismus“ (gemeint als Positivismus und unbeschränkte Verfassungsänderung nach Art. 76 WRV) zukünftig abzulehnen.122 Liberale und KPD wurden mit ihrer Absage an jede Einschränkung der umfassenden Volksfreiheiten bzw. -souveränität durch unantastbare fundamentale Grundgedanken der Verfassung ernst genommen und das Konzept auch seitens der SPD in Zweifel gezogen.123 Schmid konnte als historisches Beispiel für sein „Novum der Ewigkeitsklausel“ nur auf das Tabu der republikanischen Staatsform in der französischen Verfassung seit 1884 verweisen.124 Vorschläge, den „demo­ kratischen Geist“ oder gar Verweise auf die Grundrechte oder den sie enthaltenden ersten Verfassungsteil insgesamt unveränderlich zu erklären, scheiterten. Zu gravierend waren die Bedenken gegen eine zu große „Versteinerung“ der Verfassung gegenüber grundsätzlichen Veränderungen der politischen Auffassungen. Als prozedurale Sicherung erwogen, konnte sich weder ein Einstimmigkeitserfordernis im Landtag noch der ursprünglich nach französischem Vorbild erwogene Senat durchsetzen.125 Vielmehr wurde in der Rechtsprechung des Staatsgerichtshofs bei der Beurteilung und damit Auslegung des bewusst sehr flexibel angelegten Merkmals des „Verfassungsgeistes“ das probate Mittel erkannt, auch dem Gesetzgeber Interpretationsspielraum zur Weiterentwicklung zu geben. b) Zweite Stufe: Walter Jellinek, Hessen und Bayern – Grundrechte und Staatsprinzipen Auf einer zweiten Stufe variierten Hessen und ihm folgend Bayern den Gedanken einer Ewigkeitsklausel. aa)  Die Grundlage bildete  – unmittelbar in Hessen und wohl mittelbar über verschiedene Kanäle, darunter formal die Verfassungskommission der Länder der amerikanischen Besatzungszone sowie vor allem die Parteien auch für den

122

Vgl. die Protokollzitate u. a. aus 1. Sitzung der Vorläufigen Volksvertretung vom 8. 5. 1946 bei Scherb, Demokratieschutz, S. 25 Fn. 14; zum Weimarer Formalismus bereits oben 3. a) aa) m. w. N. 123 Vgl. im Einzelnen hierzu und zum Folgenden Scherb, Demokratieschutz, S. 25 ff. m. w. N. 124 S. o. 3 a) aa); tatsächlich beruht der „ewige Schutz der Geist der Verfassung“ als Ansatz wohl auf Art. 112 der Verfassung Norwegens von 1814, überliefert v. a. durch den expliziten Kampf von Schmitt, Verfassungslehre, S. 105 ff. dagegen; dass dieses „Standardwerk“ Carlo Schmid vorlag, jedoch der Hauptprotagonist der pränationalsozialistischen formalistischen Demokratie und ihrer späteren Preisgabe an die aktiv befürwortete nationalsozialistische Diktatur nicht in den Beratungen nach deren Untergang erwähnt wurde, liegt (wie bei späteren bundesrepublikanischen Verfassungstheorien) durchaus nahe. 125 Allerdings hat das Saarland, jedoch erst am 4. Juli 1979 in Art. 103 Abs. 3 LV SL n. F. die Anrufung des Verfassungsgerichthofs bei Meinungsverschiedenheiten oder Zweifeln, ob ein verfassungsänderndes Gesetz oder die Vorlage eines solchen den Grundsätzen des demokratischen und sozialen Rechtsstaates widerspricht, auf Antrag der Landesregierung, des Landtages, von fünf Abgeordneten oder einer Fraktion ausdrücklich verankert.

I. Grammatikalischer Befund und historischer Kontext 

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Freistaat Bayern126 – der Vorentwurf von Walter Jellinek zum Schutz der Verfassung. Der Schutz der Staatsstrukturen ist dabei noch klar getrennt von jenem der Grundrechte: (1) In dem Entwurf fand sich erstmals ein ausdrücklicher tatbestandlicher Verweis auf die Demokratie als Abgrenzung gegen eine Diktatur: „Keinerlei Verfassungsänderung darf die demokratischen Grundgedanken der Verfassung und die republikanisch-parlamentarische Staatsform antasten. Die Errichtung einer Diktatur, in welcher Form auch immer, ist verboten.“127 Eine nähere Ausgestaltung folgte indes nicht. Bereits im Anhörungsverfahren des Vorbereitenden Verfassungsausschusses in Hessen wurde erfolglos gefordert, zum wirksamen Schutz der Demokratie ihren Begriff und den Umfang der Gewährleistung eindeutig festzulegen.128 (2) Noch unabhängig davon war der Grundrechteschutz ausgestaltet. Die Freiheits- und Justizgrundrechte sollten als unabänderlich gelten.129 Beschränkungen der weiteren, v. a. sozialen Menschen- und Bürgerrechte sollten zwar z. T. durch formelles Gesetz zulässig sein, jedoch das Grundrecht als solches unangetastet bleiben.130 Dies stellte einen Kompromiss in der auch naturrechtlich gegen den Positivismus geführten Diskussion dar, ob nicht alle Grundrechte für unabänderlich erklärt werden sollten.131 Beide Ansätze – einerseits der demokratischen Grundgedanken und andererseits der Justiz-/Freiheitsgrundrechte – können als zentrale Ausgangsbasis für die dann eben so gefasste „freiheitliche und demokratische Grundordnung“ gelten. bb) Beide Komponenten finden sich parallel bereits in der bayerischen Verfassungsgenese.132 Dort allerdings wurde die Ewigkeitsklausel in die eigenen Verfassungsberatungen erst unter dem Einfluss der Diskussionen in den anderen amerikanisch besetzten Ländern einbezogen. Zuvor gingen die Hauptprotagonisten davon aus, dass es genüge, Verfassungsfeinde von den Parlamenten fernzuhalten.133

126

Siehe gerade oben im Kopf des Abschnitts. Vgl. Art. 150 LV HE; Protokoll der Sitzung des Vorbereitenden Verfassungsausschusses Hessen vom 4. 6. 1946, EHV, S. 42 ff. (44 f.). der maßgebliche Art. 120 des Entwurfs von ­Jellinek wurde dort mit kleiner redaktioneller Änderung vollständig übernommen in Art. 129 des Entwurfs des Ausschusses, vgl. EHV, S. 173 ff. (192); ausführlich Will, Entstehung, S. 81 ff., 426 ff., 524 ff., 539. m. w. N. 128 EHV, S. 56 ff. (59). 129 Art. 26, HS. 1 LV HE; vgl. dazu ebenfalls Will, Entstehung, S. 87 ff. 130 Art. 63 LV HE. 131 Vgl. Scherb, Demokratieschutz, S. 46 ff. m. w. N. 132 Vgl. insbesondere Art. 15 I; 62; 75 I 2; 96; 114 II; LV BY. 133 Noch in seinem Vorentwurf sowie den Beratungen der Vorkommission ging z. B. der spätere Verfechter der Ewigkeitsklausel Hoegner erkennbar nicht von einer solchen aus, vgl. Abdruck u. a. bei LVBYProt, S. 41 ff., ebenso erklärte er in seiner Eröffnungsansprache vom 8. 3. 1946, Abdruck u. a. bei LVBYProt, S. 71 f. (72): „Volksvertretung und Grundrechte des 127

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B. Fundus und Kritik

Einen besonderen landesspezifischen Akzent setzte daher das Verbot der Wahlteilnahme für bestimmte Gruppen. Die im Parlament zu verhindernden gefährlichen Bestrebungen wurden nach den Mitteln der Gewalt und den Zielen ihrer Angriffe umschrieben. Abgewehrt werden sollten so solche Attacken gegen die grundrechtliche Freiheit sowie Demokratie im Sinne Jellineks (wie bereits bekannt), sowie zusätzlich auf „Volk, Staat oder Verfassung“.134 Was sich dahinter genau verbergen sollte, wurde indes nicht weiter in der Debatte thematisiert oder bis heute durch die Verfassungsanwendung weiter aufgelöst.135 Auch hier stand im Zentrum, eine legale Abschaffung der Demokratie und die Schaffung einer Diktatur zu verhindern. Der Vorschlag der KPD, sich auf letzteres zu konzentrieren, drang nicht mehr durch. Namentlich Nawiasky mahnte ebenso Vorkehrungen gegen die „Tyrannei einer Mehrheit“ an, während Ehard sich erfolgreich gegen weitergehende Konkretisierungen wandte, welche die zukünftigen Fortentwicklungen als demokratische Verfassung vereiteln würden. Unbeantwortet blieb allerdings die Frage des Letztentscheidungsrechts über die Voraussetzungen, da doch, so die kritischen Stimmen, auch der vorgesehene Staatsgerichtshof irren könne.136 c) Dritte Stufe: Adolf Süsterhenn und Rheinland-Pfalz: Verweis auf Verfassungsgrundnormen Als eine Antwort auf diese aufgeworfenen Fragen durch Präzisierung des Verfassungstextes kann schließlich die dritte, vorläufige konstruktive Endstufe in der Verfassungsgebung in Rheinland-Pfalz betrachtet werden. Als eine der wesentlichen Veränderungen zum Entwurf von Adolf Süsterhenn, welcher die Schmidsche und bayerische Formulierung verbunden hatte,137 beschloss der Verfassungsausschuss (nach einer Zwischenstufe) die Fassung: „Unzulässig sind jedoch Abänderungsanträge, welche die im Vorspruch, in Artikel 1 und Artikel 74 niedergelegten Grundsätze verletzen.“138 Damit war doppelt verwiesen auf die Fundamentalnormen der Grundrechte, d. h., das allgemeine Freiheitsgrundrecht, sowie die demokratische und soziale Gliedstaatlichkeit des Landes. Dieser unmittelbar lediglich formale Verweis auf anderweitig verankerte Strukturprinzipien und Grundrechte Staatsbürgers – das sind die Eckpfeiler jeder Verfassung und die Grundlagen jeder Demokratie“; im bayerischen vorbereitender Verfassungsausschuss am 4. 4. 1946 wurde lediglich der Ausschluss von Verfassungsänderungen durch Volksbegehren diskutiert, vgl. LVBYProt, S. 167 ff. 134 Art. 15 I LV BY; dem folgend Art. 118 III LV BA für die Parteibildung. 135 Vgl. Meder / Brechmann / Huber, Art. 15 LVBY Rn. 6; Nawiasky / Schweiger, Art. 15 LVBY Rn. 8. 136 Vgl. Scherb, Demokratieschutz, S. 73 ff. m. w. N. 137 Vgl. Klaas, Entstehung, S. 97. 138 So Art. 129 II LV RP i. d. F. bis zum 15. 6. 1970; vgl. Scherb, Demokratieschutz, S. 154 ff. m. w. N.; Klaas, Entstehung, S. 118, 141; zuvor lautete die Formulierung in einer Zwischenstufe in der Gemischten Kommission des Verfassungsausschusses am „ in den Grundrechten zum Ausdruck gebrachten Geist der Verfassung“, vgl. VA (GK) v. 17. 10. 1946, ebd., S. 118.

I. Grammatikalischer Befund und historischer Kontext 

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ersetzte eigenständige kategorische Tatbestandsmerkmale in der unmittelbaren Schutzklausel. Auch wenn sie hier konkret noch im Verweis etwas missglückt gilt – es ergab sich jene Struktur, die später in Art. 79 III GG fortgeführt wurde.139 Teilweise redundant erschienen weitere Schutznormen, namentlich zur Unantastbarkeit der Gewaltenteilung,140 der Grundrechtsverwirkung und Strafverfolgung bei Bestrebungen gegen die sittlichen oder politischen Grundlagen des Gemeinschaftslebens, besonders die verfassungsmäßigen Freiheiten und Rechte. Der dabei vorgeschlagene ausdrücklich Verweis und dadurch Begrenzung (nur) auf nationalsozialistische Bedrohungen wurde im bereits beginnenden „Kalten Krieg“ nicht mehr übernommen.141 d) Regionale Besonderheiten Die weitere Entwicklung in den Ländern erfolgte unter Einfluss von regionalen auch politischen Besonderheiten auf die Ausprägung der Merkmale. So sprach die Verfassung Badens beim Ewigkeitsschutz von „unerlässlichen Grundbestand­ teilen einer demokratischen Verfassung“,142 bei der Grundrechtsverwirkung vom „Kampfe gegen diese Grundrechte und Freiheiten“.143 Die unschärfere Formulierung der „Grundgedanken der Verfassung“ im Saarland statt der ursprünglich vorgesehenen „demokratischen Grundgedanken“ war Ausdruck der scharfen Diskussion, ob die wirtschaftliche Zugehörigkeit zu Frankreich zum unabänderlichen Kern gehören sollte.144 Die engere Formulierung fand aber zumindest bei der Grenze der Meinungsfreiheit noch Anklang.145 In den Debatten wurde eine Klärung der „Wesentlichkeit der Grundrechte“ erreicht, unter der verstanden werden sollte, dass sie im Prinzip unabänderlich seien, d. h. nicht das Grundrecht selbst aufgehoben werden dürfe.146 In Bremen wurden nach langer Diskussion über Wirtschaftsverfassung und Monarchie nur Verfassungsänderungen, welchen die (in den klassischen Freiheitsgrundrechten) enthaltenen Grundgedanken der allgemeinen Menschenrechte verletzten, verboten (sowie Änderungen in den kommunalen Garantien Bremerhavens).147 In Württemberg-Hohenzollern gar wurde in der Diskussion jede „Ewigkeitsklausel“ fallen gelassen, da ohne politische Unterstützung 139 So war etwa vom Verweis auf Art. 74 LV RP auch die Bestimmung zu Landesfarben und -wappen mitumfasst. 140 Art. 77 LV RP „Die verfassungsmäßige Trennung der gesetzgebenden, rechtsprechenden und vollziehenden Gewalt ist unantastbar.“(seit 1991 Abs. 1). 141 Vgl. schon im Süderhenn-Entwurf; sodann Art. 10 II LV RP (bis 1991), daraus allg. in Art. 133 LV RP; vgl. dazu die Erörterungen bei Scherb, Demokratieschutz, S. 164 ff. m. w. N. 142 Art. 92 III, 96 LV BA, ähnlich Art. 118 I LV BA zur Parteigründung. 143 Art. 124 LV BA. 144 Vgl. Scherb, Demokratieschutz, S. 172 ff. 145 Art. 10 LV SL „kann sich nicht berufen, wer die verfassungsmäßige demokratische Grundlage angreift oder gefährdet.“ 146 Vgl. Scherb, Demokratieschutz, S. 174 f. m. w. N. 147 Vgl. Art. 20 I, III; 125 IV LV HB; dazu Scherb, Demokratieschutz, 104 ff.

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B. Fundus und Kritik

ohnehin keine Verfassung bestand haben könne, habe ein rein normativer Schutz keine Bedeutung; freilich kannte die Verfassung auch kein allgemeines Freiheitsgrundrecht, auf die eine Schutzklausel hätte unmittelbar Bezug nehmen können.148

5. Begriffsprägung in den Grundgesetzberatungen und ersten Interpretationen a) Verfassungskonvent Die exakte Begriffspaarung der freiheitlichen (und)  demokratischen Grundordnung gelangte über den bayerischen Vorentwurf einer Ewigkeitsklausel in die Beratungen des im August 1948 tagenden Konvents.149 Sie erscheint zwar als keine lineare Ableitung, aber doch eine Synthese einerseits aus ihrem Auftrag im Frankfurter Dokument I,150 andererseits aus den genannten präföderalen Konstituierungen. In letzteren hatte sich mehr oder weniger vollständig und (un-)verbunden die beiden Garantiebereiche sowohl der individuellen, (freiheits-)grundrechtlich garantierten als auch kollektiven „demokratischen“ Selbstbestimmung als Schutzgüter herausgebildet.151 Im Plenum des Konvents und seinen zuständigen Unterausschüssen I für Grundsatz- und Organisationsfragen und III für die Gesetzgebung ist über den Inhalt beider Merkmale kaum Diskussion belegt,152 obwohl sie als Tatbestandsformulierung bei Grundrechtsverwirkung und Parteiverbot erstmals im Verlauf in die Beratungen eingeführt wurden. Die Bedeutung von „freier Demokratie“ thematisierte allerdings der Vorsitzende Beyerle im Unterausschuss I in bewusster Abgrenzung zu den Einheitslisten und der Blockpolitik in der sowjetisch 148

Vgl. Scherb, Demokratieschutz, S. 124 ff. Vgl. Art. 67 I 2: „Anträge auf Änderungen, die den freiheitlichen, demokratischen und bundesstaatlichen Grundgedanken des Grundgesetzes widersprechen, sind unzulässig.“, ParlRAkt II, Nr. 1 S. 1 (26, 43); der „Gegenentwurf“ von Kollmann aus dem bayerischen Innenministerium war hier in Art. D mit Schutz der „allgemein anerkannten Grundsätze des natürlichen Rechts der Einzelpersönlichkeit und der Gemeinschaft“ und der Beseitigung des Bundestags als gesetzgebende Körperschaft wesentlich enger; zur bayerischen Rolle insgesamt vgl. Bauer-Kirsch, Herrenchiemsee, S. 20 ff., 60 ff., 133 ff., 186 ff.; die anderen, v. a. SPD-­ nahen, Entwürfe spielten keine offizielle Rolle, vgl. ParlRAkt II, Einl. S. 75 ff. 150 „Die Verfassunggebende Versammlung wird eine demokratische Verfassung ausarbei­ ten, die … Garantien der individuellen Rechte und Freiheiten enthält.“; besonders deutlich wird die Einbindung des föderalen Elements, darin parallel zum bayerischen Vorentwurf; vgl. Dokumente zur künftigen politischen Entwicklung Deutschlands („Frankfurter Dokumente“), Frankfurt, 1. Juli 1948, Bayerisches Hauptstaatsarchiv, Nachlass Hans Ehard 1152, Bl. 3–5, danach vielfältig gedruckt und digital als Faksimile etwa unter https://www.1000dokumente. de/index.html?c=dokument_de&dokument=0012_fra&l=de. 151 Vgl. die Übersicht bei Scherb, Demokratieschutz, S. 236; zum Ganzen Kurtenacker, Verfassungskonvent, S. 114 ff. 152 So jedenfalls Scherb, Demokratieschutz, S. 190 ff.; zur schwierigen Quellenlage vgl. Bauer-Kirsch, Herrenchiemsee, S. 31 ff., 142; ebd. 52 auch zur geringen Aussprache im Plenum über den Unterausschuss I. 149

I. Grammatikalischer Befund und historischer Kontext 

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besetzten Zone: wirklich frei seien demokratische Wahlen nur, wenn mindestens zwei voneinander unabhängige Parteien und Kandidaten sich bewerben könnten.153 Ergänzend machte ebenfalls der Unterausschuss I zu Freiheit und Demokratie deutlich: „Die Verfassungen der Länder müssen demokratisch sein, also auf die allgemeine rechtliche Freiheit und Gleichheit aller Bürger gegründet sein“. Die Wahl der Volksvertretungen habe frei zu sein, d. h. ohne politischen Druck. Eng verbunden seien rechtsstaatliche Prüfung und Gewaltenteilung und -gleichgewicht. Zur Freiheit gehöre aber auch, dass Parteien nur nach Gerichtsurteil von Wahlen ausgeschlossen würden.154 Hier fand auch der ursprüngliche Zentralsatz als Vorspruch zur Menschenwürde, die stets eng mit dem Konzept der FDGO verbunden wurde, Eingang: „Der Staat ist um des Menschen willen da, nicht der Mensch um des Staates willen.“155 b) Parlamentarischer Rat Im anschließenden Parlamentarischen Rat bekundeten vor allem die Beratungen zur Verwirkungsklausel im Unterausschuss für Grundsatzfragen die enge Verbindung, welche die Begriffspaarung zusätzlich nach Willen der Verfassungsgeber ausdrücken sollte:156 aa) Ihre Protagonisten, v. a. Dehler, Heuss, Schmid und v. Mangold, machten deutlich, dass es sich um komplementäre Begriffe handele, die auch im Volks­ bewusstsein zusammenfließen sollten. Freiheitlich sei dabei auch eine Ergänzung der Demokratie. Sie grenze ab zu den selbsttitulierten „Volksdemokratien“, unter denen die Sowjetunion in ihrem „Ostblock“ gerade bis ins und im Jahr 1948 ihr autoritäres Herrschaftssystem durchgesetzt hatte.157 Deswegen setzte v. Mangold gemeinsam mit Heuss auch die Streichung des „und“ zwischen beiden Komponenten durch. Beide lehnten den Verzicht auf das Attribut „freiheitlich“ nachdrücklich ab, denn „Jean Jacques Rousseau, der die Demokratie erfunden hat, war zugleich der Erfinder des Totalitarismus“.158 Noch intensiver wurde über das Wesen der freiheitlich (und) demokratischen Grundordnung am 12. Oktober 1948 im Grundsatzausschuss debattiert.159 Auf den Standpunkt von Mangolds, diese Ordnung 153

Am 21. 8. 1948, ParlRAkt II, Nr. 11 S. 344 (354). ParlRAkt II, Nr. 6 (S. 208 f.). 155 ParlRAkt II, Nr. 6 (S. 217). 156 Vgl. ParlRAkt XIII.2, Nr. 41 S. 999 (1016 ff.); Prot GSA, 32. Sitzung, S. 79 f., zit nach Scherb, Demokratieschutz, S. 227; vgl. insbesondere zur Verankerung bei Dehler BauerKirsch, Herrenchiemsee, S. 235 m. w. N.; allgemein Stern, StaatsR I, S. 557 f. m. w. N. 157 Vgl. etwa Leibholz, DVBl. 1951, 554; zum Ganzen Kurtenacker, Verfassungskonvent, S. 159 ff., 247 ff., 334 ff. 158 So im Grundsatzausschuss am 30. 11. 1948 mit Begründung, ParlRAkt V.2, Nr. 33 S. 712 (759 f.) und 11. 1. 1949, ParlRAkt V.2, Nr. 42 (950 f.). 159 Aussprache zu Art. 108 HChE, ParlRAkt V.1, Nr. 11 S. 226 (228 f.); als Ergebnis hielt von Mangold zustimmend fest, dass nach dem Willen des Ausschusses Art. 108 HChE unbedingt in GG aufgenommen werden müsse. 154

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B. Fundus und Kritik

werde vor allem durch die Grundrechte bestimmt, erwiderte Schmid: „Unter freiheitlicher und demokratischer Grundordnung möchte ich aber nicht nur eine Verfassung verstehen, in der die Grundrechte aufgeführt sind. Die Württembergische Verfassung von 1818 enthielt darüber sehr schöne Bestimmungen, gleichwohl war sie keine freiheitliche [scilicet] republikanische Verfassung. Eine republikanische Verfassung ist nicht schon deshalb republikanisch, weil etwa kein König da ist, sondern weil der ganze Staat auf der Konzeption des freien, verantwortlichen Bürgers, des cives aufgebaut ist … Es muss hinzukommen, dass als Lebenselement des Staates von der Verfassung der selbsthandelnde und selbstverantwortende Bürger bestimmt ist, und nicht – ich will hier nicht von Gottesgnadentum sprechen – eine potestas, nicht einmal eine auctoritas, die in bestimmten Personen oder Institutionen oder Gruppen lokalisiert ist, denen gegenüber der Einzelne zum Untertanen, wenn auch vielleicht zum wohlwollend behandelten, geförderten und umsorgten Untertan gestempelt wird. Der aus freier Entscheidung handelnde Bürger ist genau das, was der Begriff ‚républicain‘ besagt … Wir haben im Deutschen kein ausreichendes Wort dafür. ‚Freiheit‘ ist vielleicht noch der beste Ersatz“. bb) Auch beim Parteiverbot konnte sich die Formulierung der FDGO am Ende bis in Art. 21 GG durchsetzen, trotz Bedenken an ihrer Unbestimmtheit und damit zu großen Macht der Rechtsprechung.160 Es war allen Beteiligten klar, dass sie sich gerade neben nationalsozialistische Neugründungen auch gegen die KPD / SED richtete. cc) Beim Ewigkeitsschutz (zuletzt Art. 79 III GG) sahen vor allem Vertreter aus der britischen Zone die FDGO-Formel als untauglich an.161 Daher griff man nach zeitweise vollständiger Eliminierung stattdessen auf die konkretere Verweislösung nach dem Vorbild von Rheinland-Pfalz zurück.162 Umstritten war hier, wie schon zuvor im Konvent die Frage, ob und ggf. wie die Paarung der „freiheitlichen“ und der „demokratischen“ Grundordnung durch einen Schutz der Bundesstaatlichkeit bzw. Staatlichkeit der Länder zu ergänzen sei, sowie erneut die Rückfrage nach der denkbaren und tauglichen verfassungsmäßigen Beschränkung der Volksouveränität.163 Gerade auch, weil man den Bestand der Bundesrepublik, zwar besonders schützenswert u. a. gegen Separatismus, aber nicht als Teil der FDGO ansah, wurden die föderalen Schutzgüter überlappend in Art. 79 III ergänzt.164 So erklärte 160

Vgl. ParlRAkt V.2, Nr. 33 S. 712 (755 ff.); Scherb, Demokratieschutz, S. 238 ff. Vgl. insbesondere als Wortführer der SPD-Justizminister von Schleswig-Holstein Katz am 14. 10. 1948 im Organisationsausschuss, ParlRAkt XIII.1, Nr. 18, 19 S. 503 (532 ff.) und S. 556 (572 f.); allgemein Bauer-Kirsch, Herrenchiemsee, S. 229 ff.; ausführlich zum Disput zudem Polzin, Verfassungsidentität, S. 32 ff. jeweils m. w. N. 162 Vgl. ParlRAkt XIV.1, Nr. 36 S. 1094 (1117 f.); sowie weitere Quellennachweise bei Scherb, Demokratieschutz, S. 190 ff.; namentlich die Vorlage von Dehler (FDP); vgl. ParlR, Drs. 543, 640; Prot. HA, 36. Sitzung (12. 2. 49), ParlRAkt XIV, S. 454 f.; 191; daneben ParlRAkt XIII, S. 1016. 163 Vgl. Art. 88 Anlage zum Protokoll der 6. Sitzung des Unterausschuss III, zit. nach Scherb, Demokratieschutz, S. 190 Fn. 18. 164 Vgl. Scherb, Demokratieschutz, S. 198 ff. 161

I. Grammatikalischer Befund und historischer Kontext 

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der Redaktionsausschuss unmissverständlich zur Schaffung der Klausel, dass mit dem Verweis auf die Staatsstruktur-Grundsätze „lediglich“ die freiheitliche und demokratische Grundordnung, nicht die bundesstaatliche gemeint sei.165 Weiterhin lehnten Hauptausschuss und Plenum es ab, die Rechtsweggarantie und den Grundrechts-Wesensgehalt in die Ewigkeitsgarantie einzubeziehen.166 c) Fazit und unmittelbare Nachwirkung Hinsichtlich der Freiheitskomponente der FDGO bestand (wenn auch im Detail divergierender Inhalte) weithin Einigkeit, sie formal klar dem Verbot zuzuordnen, Grundrechte weder rechtlich noch faktisch außer Geltung zu setzen.167 Demgegenüber wurde bereits sehr früh gefordert, die mit den Demokratiegarantien verbundenen Inhalte näher zu klären.168 Als wohl erster definierte Hoegner den „demo­ kratischen Grundgedanken“ (im Hinblick auf die Formulierung der bayerischen Verfassung) mit den Bestandteilen Volkssouveränität, Gewaltenteilung, Selbstverwaltung der Kommunen, Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, Gesetzgebungsrecht des Landtags und seines Budgetrechts, Verbot von Ausnahmegerichten, richterliche Unabhängigkeit, Verbot der Einschränkung von Grundrechten und „die Vorschriften über die hergebrachten Menschenrechte wie persönliche Freiheit, Gewissens- und Glaubensfreiheit, Meinungsfreiheit und Pressefreiheit, Vereins­ freiheit, Versammlungsfreiheit, Gleichheit der Staatsbürger vor dem Gesetz, Pe­ titionsrecht und Recht der Verfassungsbeschwerde“.169 Diese weitgreifende Umgrenzung ist für die bayerische Praxis bis heute bestimmend geblieben.170 Ähnlich verwies Nawiasky bei der Freiheit auf die Grundrechte, dazu bei den Prinzipien in Art. 79 III GG auf die Ableitung der Staatsgewalt vom Volk her, die Ausübung durch das Volk bzw. seine Organe, die Bindung der Gesetzgebung bzw. Verwaltung und Rechtsprechung und, gesondert, die Menschenwürde.171 165

Vgl. ParlR Drs. 374; umfassend zur Sitzung am 16. 12. 1948 Bauer-Kirsch, Herrenchiemsee, S. 233 m. w. N. 166 Am 5. 5. 1949, vgl. Bauer-Kirsch, Herrenchiemsee, S. 237 f. auch zu den Diskussionsüberlegungen. 167 Vgl. bereits oben 4. a) zu den Entwürfen von Carlo Schmidt, daneben etwa Artikel 133 (bis 1991) LV RP: „Wer darauf ausgeht, die sittlichen oder politischen Grundlagen des Ge­ meinschaftslebens, besonders die verfassungsmäßigen Freiheiten und Rechte durch Gewalt­ anwendung oder Mißbrauch formaler Rechtsbefugnisse zu untergraben oder aufzuheben, wird strafrechtlich verfolgt und kann sich auf die Grundrechte nicht berufen“; vgl. Nawiasky, Grundgedanken, 1950, S. 24 zum GG; sowie weiter etwa Meder / Brechmann / Huber, Art. 15 LVBY Rn. 6; näher Nawiasky / Knöpfle, Art. 15 LVBY Rn. 4. 168 Bereits im Anhörungsverfahren des Vorbereitenden Verfassungsausschusses Hessen wurde zum Schutz der Demokratie gefordert, Begriff und Umfang der Demokratie eindeutig festzulegen, vgl. EHV, S. 56 ff. (59). 169 Hoegner, Lehrbuch, S. 67. 170 Vgl. BayVerfGHE 53, 42 (60); 53, 8 (94); Meder / Brechmann Art. 75 LVBY Rn. 10 f. 171 Vgl. Nawiasky, Grundgedanken, S. 24.

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B. Fundus und Kritik

II. Definition(en) durch das Bundesverfassungsgericht Das Bundesverfassungsgericht hat, vor allem in den von ihm zu entscheidenden Parteiverbotsverfahren nach Art. 21 GG, es in drei Ansätzen (2.–4.) unternommen, den Begriff der FDGO zu erfassen. Diese sind zwar methodisch stark unterschiedlich, allerdings miteinander verwoben und gemeinsam unter allgemeinere Auslegungsgrundlagen der FDGO gestellt.

1. Auslegungsgrundlagen a) Zunächst hat das BVerfG festgestellt, dass es nicht verschiedene freiheitliche demokratische Grundordnungen gebe, sondern nur eine, welche in verschiedenen Formen Gestalt annehmen kann.172 Damit besteht zunächst Einigkeit, dass der Begriff der FDGO insgesamt in der deutschen Rechtsordnung in allen Rechts­ bereichen einheitlich auszulegen ist.173 b) Daraus folgt weiter, dass die Beurteilung dahin geht, ob ein konkretes poli­ tisches Staatssystem die Voraussetzungen erfüllt oder nicht.174 Dazu soll die FDGO nach der Auslegung des Gerichts sozusagen einen historisch und international verfassungsvergleichend gemeinsamen Nenner abbilden. Mithin können etwa auch zum konkreten Regierungssystem der BRD fundamental andere gegenwärtige und vergangene Regierungssysteme sich als FDGO darstellen. Hierzu zählen namentlich die Verfassungssysteme der historischen drei westlichen Besatzungsmächte, damit das föderale Präsidialsystem der USA (oder sein konföderaler Vorläufer) ebenso wie die parlamentarisch-unitarische (wiewohl zunehmend dezentralisierte) Monarchie des Vereinigten Königreichs oder die jedenfalls streng unitarische französische Verfassungstradition. Gleiches gilt für sonst jene der freiheitlichen Demokratien in Europa und der Welt im Übrigen. Die Umwandlung der bestehenden Verfassungsordnung der BRD in solche oder umfasste Staats- und Gesellschaftssysteme ist somit kein Sachverhalt, der die Abwehr zum Schutz der FDGO auslösen darf. Hingegen ist die freiheitlich demokratische Grundordnung von Beginn an (und nicht erst im Kalten Krieg, wie bis heute von linksradikaler Seite behauptet)175 gezielt gesetztes Gegenbild zu den faschistischen und nationalsozialistischen, ebenso wie zu den sowjetkommunistischen Systemen einschließlich der damaligen „Satellitenstaaten“ der Sowjetunion, ihres kollektivierenden-

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BVerfGE 2, 1 (12); siehe dazu ausführlich unten D. II. 1. Lautner, Grundordnung, S. 3; Ruland, Grundordnung, S. 48 ff., 60 ff.; DHS-Dürig / Klein Art. 18 GG Rn. 56; Papier / Durner, AöR 128 (2003), 340 (355); beachte allerdings den abweichenden Begriff der „freiheitlich-demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes“, dazu unten D. III. 2. b). 174 Vgl. zum Ganzen ausführlich unten D. I., II. 1. 175 Vgl. oben A. I. 1. b) bb) (2) (b). 173

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entrechtenden Menschenbildes und zahlloser nicht legitimierbarer fundamentaler Menschenrechtsverletzungen. c) Gegen das (erneute) Abgleiten in ein solches „tyrannisches“ System i. S. v. Popper176 muss sich die wehrhafte und streitbare Demokratie (insoweit umfassend) schützen, auch und gerade, wenn die Angriffe zumindest in wesentlichen Teilen nicht offen geführt würden. Damit meint das BVerfG den Schutz der FDGO, wie er namentlich in Art. 18 und 21 GG fixiert ist, als „Ausdruck des bewussten verfassungspolitischen Willens zur Lösung eines Grenzproblems der freiheitlichen demokratischen Staatsordnung, Niederschlag der Erfahrungen eines Verfassungs­ gebers, der in einer bestimmten historischen Situation das Prinzip der Neutrali­ tät des Staates gegenüber den politischen Parteien nicht mehr rein verwirklichen zu dürfen glaubte, …“.177 Dieser Willen soll nach dem Gericht über die konkreten Normzusammenhänge hinaus für die Verfassungsauslegung als bindend erkannt werden, wobei die genaue Natur dieser allgemeinen Wirkungsweise über die einzelnen Normierungen im Grundgesetz sich als klärungsbedürftig erweist.178 d) Gerade vor diesem historischen und internationalen Hintergrund bis in die Gegenwart muss verhindert werden, dass die Vorkehrungen zum Schutz der FDGO gegen diese gekehrt werden. Sie muss dabei die Gratwanderung beachten, in der Abwehr weder wehrlos „mordgefährdet“ zu sein, noch sich selbst darin gerade aufzulösen. Die Verfassungsinterpretation hat dabei den Sinn und Zweck der Normen auch nach dem Willen des historischen Verfassungsgebers zu berücksichtigen, die Bestands- und Schutznormen gerade auch den Verlockungen ihres Missbrauchs zu entziehen, welchem sich politische Akteure zum kalkulierten Machterhalt mit unlauteren Mitteln oder aus Reflexen irrational-überschießender Politik ausgesetzt sehen können. aa) Zunächst muss die Auslegung dergestalt erfolgen, dass sie nicht in unmittelbarer Weise durch Inhaber einer der öffentlichen Gewalten (einschließlich ihres Zusammenwirkens mit Medien und anderen Akteuren) missbraucht werden kann. Ihnen unliebsame, kritische, wirkungsvoll-gefährliche Opposition ist dagegen zu schützen, nur deshalb sanktioniert und verfolgt zu werden – sei es, dass die Machthaber sich etwa gegen Gewaltenteilung und andere Kontrollmechanismen wie faire und freie Wahlen wenden oder Oppositionshandlungen und -organisationen zu verbieten unternehmen:179 „Die besondere Bedeutung der Parteien im demokra­ tischen Staat rechtfertigt ihre Ausschaltung aus dem politischen Leben nicht schon

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Vgl. oben I. 3. b) cc). BVerfGE 5, 85 (139) erstmals ausdrücklich mit der Begriffsverwendung „streitbare Demokratie“, die danach ein topos der verfassungsrechtlichen Auseinandersetzung ausmachen wird. 178 Vgl. namentlich Fahrner, Vulnerabilität, v. a. S. 53 ff., 223 ff.; sowie unten E. III. f. I. 179 Vgl. schon zu sehr frühen Diskussion 1950/51 anlässlich des Schutzes der FDGO im Dienstrecht, Schiffers, Bürgerfreiheit, S. 74 ff. 177

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dann, wenn sie einzelne Vorschriften, ja selbst ganze Institutionen der Verfassung mit legalen Mitteln bekämpfen, sondern erst dann, wenn sie oberste Grundwerte des freiheitlichen demokratischen Verfassungsstaates erschüttern wollen. Diese Grundwerte bilden die freiheitliche demokratische Grundordnung, die das Grundgesetz innerhalb der staatlichen Gesamtordnung der ‚verfassungsmäßigen Ordnung‘ als fundamental ansieht.“180 bb)  Andererseits muss die Auslegung  – wie anderweitig ausgeführt  – möglichst auch, entsprechend dem Gesetzgeber und seiner Aufnahme der „militant democracy“ möglicher „rationaler Irrationalisierung“ des politischen Systems Resilienz entgegenbringen.181 Das Konstrukt der FDGO muss damit auch möglicherweise überschießend irrationalen Tendenzen eines „permanenten Ausnahmezustands“ innerhalb der Entscheidungen des Gemeinwesens entgegenwirken, die von den Feinden zur Machtergreifung ausgenutzt werden können: Es ist zu verhindern, dass sich ein „streitbares“ Gemeinwesen zu einem von der zunehmenden Mehrheit nicht mehr verstandenen und akzeptierten (tendenziellen oder propagandistisch angreifbaren) „Unterdrückungssystem“ umwandelt. Entscheidend für die Überwindung eines politischen Systems kann stets die erhebliche innere Widersprüchlichkeit oder der unüberwindbare Gegensatz von proklamierten eigenen Werten und der Realität sein, zu dem es sich als Reaktion gezwungen sieht. Eine solche Strategie kann man in positivem Sinn für freiheitlich-demokratische Werte der allgemeinen und gleichen Freiheit erfolgreich etwa in der indischen Unabhängigkeit oder südafrikanischen und US-amerikanischen Überwindung von Apartheid erkennen vor allem durch den weitestgehend gewaltlosen Widerstand.182 Als Strategie der Überwindung dieser Werte findet sie sich indes ebenfalls, verbunden mit weit größerer Varianz auch gewaltsamer und terroristische Mittel: etwa in den Strategieschriften von Gramsci bis zu den Turner Diaries oder des so genannten NSU, seines Umfelds und Nachfolgern sowie gleichermaßen geheimdienstlichen Handbüchern.183 Hier liegen, jenseits des klassischen „Staatsstreichs von oben“184 wohl seit der „Conjuration des Égaux“ Babeufs,185 die vielfältig unternommenen Strategien gewaltsamen „regime change“, die kleinen (selbst als Avantgarde verstandenen) Minderheiten als einziger Weg überhaupt eine Chance zur Überwin 180

BVerfGE 2, 1 (12). Vgl. zum Ganzen Folgenden und zur Irrationalität in der freiheitlichen Demokratie ausführlich Fahrner, Vulnerabilität, v. a. S. 104 ff. unter politikwissenschaftlich fundierter Klärung, die hier nicht erneut geleistet werden kann. 182 Vgl. exemplarisch Rothermund, Gandhi, S. 26 ff.; Mandela, Freiheit; Carson, Zeiten; Sharp, Diktatur, S. 39 ff. 183 Vgl. Fahrner, Vulnerabilität, v. a. S. 15 ff., 114 ff.; zu den Turner-Tagebüchern etwa öffentlich Berger, Turner, S. 14 f. 184 Dem manipulativen Tätigwerden in zentralen Machtzugängen innerhalb bestehender Mechanismen, vgl. Fahrner, Vulnerabilität, v. a. S. 108 ff., 114 ff. passim. 185 Mit großer Berechtigung wird die tatsächlich eher dilettantische Verschwörung gegen das Direktorium 1796 als Vorbild zunächst marxistischer, sodann auch anderer Umsturzbewegungen angesehen, vgl. hier nur Buonarroti, Babeuf, S. 92 ff., 148 ff.; Birchall, Spectre, S. 55 ff. 181

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dung zunächst stabiler akzeptierter Regierungssysteme zu bieten scheint.186 Da­ gegen muss die FDGO einen festen Anker im Hinblick auf die Grundwerte bieten. Hinter ihr müssen sich die Mehrheit der Befürworter bei allen politischen Unter­ schieden stets, auch nach zeitlichem Abstand aufs Neue, versammeln können, und ihre positiven Werte gegen alle Täuschungen vermitteln und gegen alle Anfein­ dungen verdeutlichen können.187 Dazu braucht es im Kern klar bestimmte Kriterien, die das gesamte politische „demokratisch zentripetal-integrative“ Spek­trum gegen alle Formen des Extremismus und sonstiger Bedrohungen abbilden, also hinreichend breit gefasst sind. Diese müssen nicht nur auf einer rationalen Ebene, sondern auch als Werteordnung im gesamten politisch relevanten individuellen und kollektiven Interaktions- und Motivationsspektrum positiv vermittelbar sein.188 e) Schließlich ist gerade ausgehende von der Tradition der Bundesrepublik das Verhältnis zur Bundesstaatlichkeit im doppelten Sinn zu lösen.189 Damit ist allerdings auch die Frage nach der staatlichen Verankerung der FDGO gestellt, mithin ist klärungsbedürftig, inwieweit diese einen festen staatlichen Rahmen voraussetzt oder bedingt oder in anderen Formen, wie nunmehr auch in Art. 23 GG angedeutet, gelebt werden kann.190 f) Aus all dem leitet sich die Forderung ab, den Schutzbereich der FDGO tendenziell restriktiv auszulegen,191 jedenfalls mit Rücksicht auf seine unterschied­lichen Implikationen bei der Einschränkung politischer Aktivitäten und Prozesse.192

2. Negativabgrenzung: Gewalt- und Willkürherrschaft In den früheren grundlegenden Entscheidungen zum Verbot der Sozialistischen Reichspartei 1952193 und zur KPD 1956194 schloss sich das BVerfG den Beratungen bis zur Verabschiedung des Grundgesetzes und dessen ersten Kommentierungen195 186

Vgl. unter öffentlichen Quellen etwa Weiner, CIA, S. 122 ff., 136. Vgl. etwa Rüthers / Fischer / Birk, Rechtstheorie, § 8 Rn. 341; sowie unten zur Integrations­ wirkung C. IV. 2. 188 Vgl. zur FDGO als Grundlage der im GG errichteten Werteordnung Darnstädt, NJW 2019, 1580 (1584) m. w. N. 189 Vgl. oben I. 5. b) cc); sowie unten D. II. 2. b). 190 Vgl. dazu auch unten D. I. 3. und E. I. 1. a) dd). 191 So jedenfalls Gusy, AöR 105 (1980), 279 (283) allerdings verkennend, dass sich dies in der Auslegung der Eingriffsnormen an anderer Stelle realisieren kann und durch das BVerfG etwa mit dem „Berühren“ oder der aggressiv-kämpferischen Parteienhaltung unternommen wird, vgl. dazu unten C. IV. 2. e), E. I. 4. f. 192 Vgl. dazu allerdings weiterführend unten E. I. 193 BVerfGE 2, 1 ff. 194 BVerfGE 5, 85 ff. 195 Vgl. DHS-Dürig / Klein, Art. 18 GG Rn. 58 (i. Org.: Dürig, Art. 18 GG Rn. 48) „Gegensatz zum totalitären Staat“; vgl. dazu Stollberg, Grundlagen, S. 33 ff.; Liebscher, Idealisierung, S. 123 (127 f.). 187

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B. Fundus und Kritik

sowie den Motiven in den Beratungen zu § 88 StGB a. F.196 und damit der Anti-­ Totalitarismus-Lehre197 an. So erläuterte etwa Dürig: Der Begriff der FDGO ergebe sich „einfach daraus, was wir von ‚früher‘ und von ‚drüben‘ als politische Ordnung unbedingt nicht wollen“.198 Das Gericht folgte damit einer doppelten Konzeption: Neben einzelnen enumerierten Kriterien (s. sogleich 3.), hat es die FDGO als Gegenbild, mithin als „Ausschluss jeglicher Gewalt- und Willkürherrschaft“199 definiert, diese Bestimmung jedoch nicht selbst näher geklärt. In der weiteren Systematik und Historie findet sich das nicht unmittelbar verfassungsrechtlich definierte negative Begriffspaar ausdrücklich einfachrechtlich zunächst in § 92 II Nr. 6 StGB, später §§ 130 IV, 194 I 2, II 2 StGB. Dort ist es bezogen auf die nationalsozialistische oder eine andere Herrschaft.200 Davor ist das Merkmal der „Gewalt- oder Willkürmaßnahmen“ in §§ 234a I, 241a I StGB, später auch §§ 130 I Nr. 2, II Nr. 1 b) StGB gebraucht. Das Grundgesetz kennt nur den Begriff der Gewaltherrschaft im Hinblick auf die Gräbergesetzgebung für die Opfer einer solchen sowie eines Krieges (Art. 74 I Nr. 10 GG). Noch weiter findet sich illegitime Gewalt201 und noch weitergehend solche im Sinne gebundener, geteilter und kontrollierter staatlicher Form.202 Das weitere öffentliche Recht befasst sich etwa mit den Opfern der nationalsozialistischen Gewalt- und Willkürherrschaft beim besonderen Schutz entsprechender Gedenkstätten im Versammlungsrecht.203 Näher führt das Bundesentschädigungsgesetz die Verfolgung unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft und Gewaltmaßnahmen aus.204 Danach steht ihrer Annahme nicht entgegen, dass sie auf gesetzlichen Vorschriften beruht haben oder in missbräuchlicher Anwendung gesetzlicher Vorschriften gegen den Verfolgten gerichtet worden sind.205 196

Vgl. hier nur BT Prot. I/158, Sitzung v. 9. 7. 1951, S. 6297 (B) ff. Vgl. oben A. I. 3. 198 DHS-Dürig, Art. 18 GG Rn. 48, Aufl: 1964 zit. nach Denninger, Grundordnung I, Nr. 11 (S. 155 ff.), krit dort S. 72 ff. zu diesem „Substraktionsweg“. 199 BVerfGE 2, 1 (12 f.); 144, 20 (203). 200 Anders als bei der expliziten Ergänzung des nach 1945 wiederhergestellten Verfassungsrecht des, laut Staatsvertrags zwischen Ost und West neutralen Österreichs um explizit antinationalsozialistische Schutzvorkehrungen, vgl. etwa Auprich, Austria, S. 37 ff., ist der Antinationalsozialismus zentral für das deutsche Grundgesetz, aber eben nicht ausschließender Grund der FDGO. 201 Art. 73 I Nr. 10 c), 87 I 2 GG beim formellen Verfassungsschutz gegen gewaltsame Bestrebungen gegen auswärtige Belange sowie Art. 115a GG zum Angriff auf das Bundesgebiet mit Waffengewalt. 202 Vgl. Präambel, Art. 1 I, III, 19 IV, 20 II, III, 20a, 40 II, 65a I, 92, 93 I Nr. 4a, 115b, 122 I GG. 203 Vgl. nur § 15 II 1 Nr. 1 BVersG sowie die entsprechenden Gedenkstättengesetze und neueren Versammlungsgesetze der Länder. 204 Vgl. Präambel und §§ 1 f. BEG; der Begriff der Maßnahmen bzw. des Maßnahmenstaates lässt sich über Ernst Fraenkel, in ders., Staat; bis zu Carl Schmitt in ders., Verfassungslehre, S. 107 ff. als Gegenbegriff zum Gesetz verfolgen, vgl. Ehmke, Verfassungsänderung, S. 45; van Ooyen, Sicherheit, S. 119. 205 § 2 II BEG. 197

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Während der negative Ansatz sich zu einer häufig, auch obergerichtlich weit zitierten Formel entwickelt hat, ist eine umfassende detaillierte Ausformung unterblieben.206 Die „Gewalt- oder Willkürmaßnahmen“ in §§ 234a I, 241a I StGB als erstem staatsschutzstrafrechtlicher Gesetzgebungsakt der BRD207 zielten auf die DDR und den sowjetischen Machtbereich, ohne dies etwa in Motiven näher zu begründen oder inhaltlich zu bestimmen.208 Dagegen konnte beim Begriff der „nationalsozialistischen Gewalt- und Willkürherrschaft“ auf die, indes nicht näher reflektierte, Begriffsverwendung des Obersten Gerichtshofs für die Britische Zone, wenn schon nicht Besatzungsrecht selbst zurückgegriffen werden.209 Insoweit kann auch vom Nationalsozialismus als „prototypischem Gegner der Verfassungsordnung“ gesprochen werden.210 Der phänotypische Hintergrund der nationalsozialistischen willkürlichen und gewaltsamen Unmenschlichkeit stand den Verfassungsgebern einend besonders plastisch und prägend vor Augen.211 Demgegenüber erschließt sich eine abweichende Interpretation bei § 194 StGB nicht, die weitgehend von der strafrechtlichen Kommentarliteratur ohne weitere Vertiefung unter Selbstverweisung behauptet wird:212 Nach ihr soll nur hier ein uneinheitlich restriktiverer Begriff der Gewalt- und Willkürherrschaft bestehen, verstanden als „Hinwegsetzen über elementare Menschenrechte statt bloß unkontrollierte Herrschaftsausübung bzw. Nichtanerkennen von Grundsätzen der FDGO“.213 Welche Fallkonstellationen dies mit welcher Legitimation eigentlich ausnehmen soll, bleibt ebenso im Dunkeln. Möglicherweise scheint hier eine Diskussion im Rechtsausschuss des Bundestags über die „Unvergleichbarkeit“ der Shoa fortzuwirken.214 Aus heutigem Blick auf Sinn und Zweck erscheint damit geboten, beide „Grundbeschreibungen“ eng zu verstehen. Daher lässt sich zunächst die Folgerung, dass 206

Vgl. im Einzelnen Fahrner, Staatsschutzstrafrecht, § 6 Rn. 63 f., 78, § 7 Rn. 22, § 18 Rn. 10, 36, 47 ff., 55 ff., § 31 Rn. 27 m. w. N.; zur frühen Kritik an der Unbestimmtheit von damals § 88 I Nr. 6 StGB vgl. Schiffers, Bürgerfreiheit, S. 87. 207 Zuvor ist vor allem auf das zuletzt gescheiterte hessische Staatsschutzgesetz von 1948 zu verweisen, vgl. Schiffers, Bürgerfreiheit, S. 40 ff. m. w. N. 208 Vgl. zum Gesetz zum Schutz der persönlichen Freiheit, der sog. Lex Kemritz, den Fraktionsantrag ohne jede Begründung BT Drs. I/2344 sowie BGBl. 1951 I, S. 448; zu den Hintergründen und zur Prägung für das 1. StRG Schiffers, Bürgerfreiheit, S. 55 ff. auch zu Verweisen in Dokumenten von Bundestag und Bundesregierung auf die Gewalt der DDR durch den Beschlussaufruf des 3. Parteitag der SED 1950 „zum nationalen Widerstand“ gegen die BRD, m. w. N. 209 Vgl. grundlegend OGHSt 1, 66; 1, 11; 2, 249; JR 1949, 319; ZJBl. 1949, 135; Schubert, Gerichtshof, Nr. 71, 103; dazu Ohlenroth, Gerichtshof, S. 81, 258 ff., 271 ff.; vgl. zur Gewaltherrschaft auch § 1 I des Entwurfes eines Gesetzes zur Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts in der Strafrechtspflege, BT Drs. I/564. 210 Vgl. Battis / Grigoleit, NVwZ 2001, 121 (124 f.); Leitmeier, NJW 2016, 2553 (2555). 211 Siehe oben I. 3. 212 Vgl. LK / Hilgendorf, § 194 Rn. 5; MK / Regge / Pegel, § 194 StGB Rn. 13; Lackner / Kühl, § 194 Rn.  6; Schönke / Schröder / L enckner / Eisele, § 194 Rn. 5; Fischer, § 194 Rn. 16; BeckOK /  Valerius, § 194 StGB Rn. 9. 213 Vgl. dazu nur BGHSt 1, 392; Schönke / Schröder / Eisele, § 234a Rn. 12. 214 Vgl. BT Drs. 10/3242 S. 10 f.

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eine Gewalt- und Willkürherrschaft niemals eine FDGO darstellen kann, nicht derart umkehren, dass jedes politische System, welches nicht alle Merkmale von letztgenannter erfüllt, stets erstere erfüllen.215 Dies wäre allenfalls bei einem sehr extensiven Verständnis von auch latenter Gewalt und potentieller Willkür annehmbar. Ansonsten können sich politische Systeme – vor allem ohne volle Demokratie – aufgrund anderer rechtlicher und außerrechtlicher Kontrollmechanismen nicht als Gewalt- und Willkürherrschaft darstellen. Dazu zählen traditionelle, entsprechend gebundene konstitutionelle oder gar aufgeklärt absolute Monarchien, wie sie weltweit vereinzelt noch anzutreffen sind. Weit darüber hinaus lässt sich hingegen bereits hier festlegen, dass die Begriffe Gewalt und Willkür zunächst im Alltagsgebrauch Gegensätze nahelegen zur Friedlichkeit216 und zur prozeduralen wie inhaltlich rationalen (formell plausiblen wie wertemäßigen) Nachvollziehbarkeit217 von staatlichen Entscheidungen und Handlungen. Damit ergibt sich eine enge Verbindung zu Art. 3 GG. Die genannten Beziehungen können im Folgenden deutlich zu einer weiteren Analyse genutzt werden.218 Diese Kriterien werden ausgefüllt durch die Subsumtion der Rechtsprechung: Das BVerfG erkennt in der NS-Herrschaft: „Ausgang und Ziel dieses Systems ist nicht mehr die an der Gerechtigkeit orientierte Rechtsidee, sondern die zum Ge­ setz erhobene Willkür des Führers“.219 Diese Feststellung des BVerfG spiegelt die Sicht der Philosophie der Aufklärung wider, welche die „unbeschränkte Willkür“ der vernunft- und gesetzmäßig abgegrenzten gleichen Freiheit gegenüberstellte.220 Ähnlich hat die weitere Rechtsprechung früh auch in der DDR eine Gewalt- und Willkürherrschaft erkannt. Denn ihrer – kennzeichnenden – Unterdrückung der Grundrechte des Individuums im persönlichen und staatlichen Leben sei der Einzelne schrankenlos und wehrlos ausgeliefert.221 Schließlich hat das BVerfG in seinen Grundsatzentscheidungen zum Parteiverbot den Bezug noch deutlicher gemacht, zur ausschließlichen Herrschaftsmacht, welche „Menschenwürde, Frei­ heit und Gleichheit ablehnt“, und dagegen mit der FDGO eine „rechtsstaatliche Herrschaftsordnung auf der Grundlage der Selbstbestimmung des Volkes nach dem Willen der jeweiligen Mehrheit und der Freiheit und Gleichheit“ gesetzt.222

215

Vgl. ähnlich Stollberg, Grundlagen, S. 34 f. Vgl. auch § 9 I BT Drs. I/563. 217 Vgl. auch BVerfGE 30, 1 (26); 40, 287 (293); 136, 323; Di Fabio, Herrschaft, S. 188 m. w. N.; Fahrner, Vulnerabilität, v. a. S. 91 ff. 218 Siehe unten C. IV. 1.; sowie erneut Fahrner, Vulnerabilität, v. a. S. 91 ff. 219 BVerfGE 2, 1 (19). 220 Vgl. die Negation der Willkür durch das Recht als Befreiung bei Hegel, Grundlinien, §§ 15 ff.; Kant, KrV, A802/B830; etwa Setton, Autonomie; Speer, Archivio di Filosofia 80 (2012), 65 ff. 221 BGH, Urteil v. 8. April 1952 – StE 3/52 –, Rn. 26, juris; ähnlich BGHSt 8, 102; 9, 351; 10, 163; 12, 174. 222 BVerfGE 2, 1 (12 f.); 144, 20 (203). 216

II. Definition(en) durch das Bundesverfassungsgericht 

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Im wertenden Rückblick erscheint dieser Definitionsansatz durch Negation zwar plastisch. Er ist allerdings stark von Wertungen abhängig und damit hermeneutisch anfällig, so dass die einleitend dargestellte Kritik ihn für sich betrachtet durchaus treffen könnte.223 Daher wird er zurecht wohl nur noch als Ausgangspunkt und „abrundende Gegenprüfung“ in der Auslegung der FDGO verwendet. In den weiteren Ansätzen zu deren Definition wirkt das Gegenbild jedoch weiter fort.

3. Elemente-Enumeration Seit der SRP-Verbotsentscheidung vom 23. Oktober 1952224 bis zum 2. NPDUrteil am 17. Januar 2017225 hat sich das BVerfG zur Definition der FDGO vor allem auf eine Aufzählung einzelner Elemente bezogen und damit die Diskussion und Rechtsanwendung geprägt. a) Regelung im Verfassungsschutzstrafrecht (später § 92 StGB) Die Auslegung des Bundesverfassungsgerichts kann nicht ohne die Neubegründung des politischen Strafrechts durch das 1. StrÄG gedacht werden. Der Gesetzgeber wollte das Gemeinwesen und seine freiheitliche demokratische Verfassungsordnung wirksam mit den Mitteln des Strafrechts auch gegen solche Bestrebungen schützen, die auf ihre Überwindung nicht nur durch schiere Gewalt, sondern namentlich durch Agitation oder sonstige Destabilisierung zielten.226 Hintergrund dessen waren nicht nur Lehren aus der Vergangenheit,227 sondern auch seinerzeitige Anfeindungen, welche das junge Staatswesen der Bundesrepublik von sowjetischkommunistischen wie re-nationalsozialistischen Bewegungen erfuhr. Als Lösung der vielfältig diskutierten Probleme der rechtlichen Bestimmtheit präsentierte am 17. 5. 1951 eine Arbeitsgruppe dem Rechtsausschuss des Bundestags erstmals eine Definition der FDGO anhand von fünf Grundsätzen, die zur Grundlage der Strafbarkeit der Staatsgefährdung werden sollten.228

223

Vgl. nochmals oben A. I. 3. b) bb) (2), cc). BVerfGE 2, 1. 225 Zu BVerfGE 20, 144 siehe sogleich unten 4. 226 Nach dem Verfassungsbruch nur durch Amtsträger im SPD-Entwurf § 4 BT Drs. I/563 kann vor allem der Entwurf des BMJ mit der Verfassungsstörung in § 83 I als Ausgangspunkt der Gesetzgebungsdiskussion mit zum 1. StrÄG gelten, vgl. Text und Nachweise bei Schiffers, Bürgerfreiheit, S. 106 ff., sowie S. 120 ff. mit Bedenken des Bundesrats, 130 ff. zu Bedenken aus Wissenschaft, Rechtspraxis und Berufsverbänden, sodann zum neune Regierungsentwurf und zum Wandel zur Staatsgefährdung S. 139 ff. 227 Vgl. oben I. 3. 228 § 90a StGB n. F. nach BT, Rechtsausschuss Drs. 29, ParlA I 212/A 1 a) zit. nach Schiffers, Bürgerfreiheit, S. 179 f. 224

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B. Fundus und Kritik

Der strafrechtliche Entwurf korreliert mit den früheren verfassungsrechtlichen Definitionen Hoegners,229 dieser wiederum mit den einzelnen Kernelementen des Grundgesetzes, auf die sich im Einzelnen die Verweisungen des Art. 79 III GG (mit Ausnahme der Bundesstaatlichkeit) erstreckten: So verweisen die aufgezählten Elemente im Wortlaut, wie heute noch in § 92 II StGB, zunächst auf Art. 20 II 2, 38 I 1 GG (Nr. 1), Art. 20 III GG (Nr. 2) und Art. 92, 97 I (Nr. 4, jetzt Nr. 5). Demgegenüber schienen die Prinzipien von Art. 20 I, II 1 GG wohl zu unbestimmt für die strafrechtliche Erfassung. Entsprechend den weiteren Beratungen bei der Genese des Grundgesetzes wurde der engere Strukturteil in der parlamentarischen Verantwortlichkeit der Regierung (Nr. 3, jetzt Nr. 4 Alt. 2) und der Verweis des Art. 79 III GG auf die Menschenwürde und den Grundrechtsteil zunächst in einer Nr. 5 zusammengefasst. Diese formulierte als Merkmal die Unantastbarkeit der Menschenwürde (Art. 1 I GG) sowie die „Wahrung“ des namentlich angeführten Kerns der „klassischen“ Freiheitsgrundrechte (Art. 2 II, 4 I, II, 5 I, 8 I, 9 I GG), welche jenseits der wirtschafts- und sozialpolitischen Diskussionen standen. Hinzu kam der allgemeine Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 I GG). Nach kurzer parlamentarischer Beratung erhielt die Enumerationsdefinition der strafrechtlichen Verfas­ sungsgrundsätze ihre endgültige Fassung:230 Noch ergänzt wurden das Recht auf Bildung und Ausübung einer parlamentarischen Opposition (Nr. 3) und die Ablösbarkeit der Regierung (Nr. 4, 1. Alt.). Der Ausschluss jeder Gewalt- und Willkürherrschaft (s. o. 2.) wurde in Nr. 6 aufgenommen. Gegenüber dem umfassenderen Begriff der FDGO wurde auf Vorschlag des BMJ damit dessen negativer Definitionskern als weiteres Element auf gleicher Ebene wie die genannten eingeordnet. Die Offenheit der Negationsdefinition wurde damit in den formal abschließend gefassten Tatbestand übernommen. Dafür wurden die eher unbestimmten Verweise auf Menschenwürde und Freiheitsgrundrechte der ursprünglichen Entwürfe gestrichen. Dies scheint aus der historischen Konstruktion bzw. Konnotation der Gewalt- und Willkürherrschaft als Eliminierung eben der Menschenwürde und aus deren Kern ausstrahlender Grundrechte durchaus konsequent.231 Aufgrund des offenen Auffangmerkmals bedurfte es weitergehender Regelbeispiele nicht mehr. Auf diesen Merkmalen baute zunächst direkt ein Straftatbestand des Verfas­ sungsverrats auf.232 Anschließend an den Hochverrat (der weiterhin an offene 229

Siehe oben I. 5. c). BT, Rechtsausschuss Drs. 38, ParlA I 212/A 1 a) vom 21. 6. 1951, zit. nach Schiffers, Bürgerfreiheit, S. 186. 231 Vgl. dazu bereits oben 2.; teilweise liegt allerdings eine Verbindung zur etatistischer Restauration der Ära Adenauer und Rückgriff auf Personal und Regelungen vor 1945 nicht gänzlich fern; damit wurde allerdings das Problem der unbestimmten Reichweite der Schutznormen zu einem weit präziseren Staatsschutzrecht im eigentlichen Sinn gelöst, und der Menschenwürdeschutz jedenfalls später an anderer Stelle verankert, etwa § 130 StGB, auf all dies ist noch in der ausstehenden strafrechtlichen Abhandlung einzugehen. 232 Vgl. § 89 StGB i. d. F. des 1. StrÄG v. 30. 8. 1951, BGBl 1951 I 739. 230

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Nötigungsformen anknüpfte) setzte er als Tathandlung voraus, durch Missbrauch oder Anmaßung von Hoheitsbefugnissen den Bestand der BRD zu beeinträchtigen oder die genannten Verfassungsgrundsätze zu beseitigen oder außer Geltung zu setzen.233 Während das Delikt in späteren Reformen wieder beseitigt wurde, wurde die genannten Handlungsmodalitäten im heutigen § 92 III Nr. 1, 3 Var. 1, 2 StGB verallgemeinert. Sie blieben die Grundlage der aus dem damaligen § 90 StGB a. F. weiter geformten engeren Staatsgefährdungsdelikte,234 bei denen ansonsten anknüpfend an die Verfassungsgrundsätze und, umfassender, die verfassungsmäßige Ordnung zu Schutzobjekten der Tatbestände gemacht wurden.235 b) Entkopplung der strafrechtlichen „Verfassungsgrundsätze“ Die zuletzt genannte begriffliche Entkopplung der strafrechtlichen „Verfas­ sungsgrundsätze“ von der FDGO springt noch mehr ins Auge des Betrachters bei Vergleich der ursprünglichen strafrechtlichen Konstruktion im ersten Gesetzesentwurf des 1. StrÄG: Denn ursprünglich sollte („naturgemäß“) Anknüpfungspunkt der Strafbarkeit und damit das Tatbestandsmerkmal für den Verfassungsverrat explizit das Beseitigen oder außer Geltung Setzen der freiheitlichen demokratischen Grundordnung sein.236 Diese explizite Referenz auf die FDGO im StGB wurde jedoch nach diesem einzigen Versuch von da ab dauerhaft aufgelöst.237 Namentlich die Abtrennung der Verfassungsgrundsätze als autonomem Begriff des Strafrechts sowie der verfassungsmäßigen Ordnung von der FDGO wurden von da an konsequent (mit Ausnahme von §§ 86a III, 93 II StGB)238 durchgehalten. Der Grund dafür dürfte darin liegen, dass der Gesetzgeber die Auslegung und Konstruktion der FDGO nach den dazu bestehenden Normen, nämlich Art. 18, 21 GG, ausschließlich dem BVerfG anvertraut sah. Zu dem wollte er sich, jedenfalls im empfindlichen Bereich des Staatsschutzes, nicht in Widerspruch setzen, zumal bei jeder tatsächlichen Definitionsdiskrepanz sich Fragen der Rechts­ 233

§ 90a StGB n. F. im Entwurf BT, Rechtsausschuss Drs. 38, ParlA I 212/A 1 a), zit. nach Schiffers, Bürgerfreiheit, S. 186 f. 234 Heute §§ 87 f. StGB, vgl. Fahrner, Staatsschutzstrafrecht, § 6 Rn. 62 ff. 235 Vgl. bereits §§ 90aff. StGB i. d. F. des 1. StrÄG v. 30. 8. 1951, BGBl 1951 I 739, heute Fahrner, Staatsschutzstrafrecht, § 6 Rn. 61, 65 ff. 236 Vgl. §§ 90, 90a StGB nach BT, Rechtsausschuss Drs. 29, ParlA I 212/A 1 a)  zit. nach Schiffers, Bürgerfreiheit, S. 180. 237 Dies gilt indes bis auf die (vermeidbare und systemwidrige) Ausnahmen des § 86 II Alt. 1 StGB und der strafbegrenzenden, nicht begründenden Verweisung in § 93 II StGB; aus der unterschiedlichen Zielsetzung kann auch nicht von einem Redaktionsversehen in der unterlassenen Anpassung der StGB-Definition an die mittlerweile erfolgte Rspr. des BVerfG gesprochen werden, wie von DHS-Dürig, Art. 18 GG Rn. 54, z. B. Aufl. 1964 zit. nach Dennin­ ger, Grundordnung I, Nr. 11 (S. 158); vgl. weitegehend zu den Diskrepanzen und Spannungen Stern, StaatsR I, S. 563 f. m. w. N. 238 Dort allerdings nicht als unmittelbar strafbegründendes Tatmerkmal mit bewusstem Verweis aus dem Strafrecht hinaus, vgl. Fahrner, Staatsschutzstrafrecht, § 19 Rn. 19, § 21 Rn. 31.

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B. Fundus und Kritik

sicherheit, Bestimmtheit und damit Normgeltung hätten stellen können.239 Darin ist ebenfalls die Ursache zu erkennen, weshalb von der ursprünglich bereits 1951 vorgesehenen Legaldefinition der FDGO in § 35 des Entwurfs des BVerfGG Abstand genommen wurde.240 Die ab hier klar unterschiedenen Begrifflichkeiten machten sich somit vor allem an der jeweiligen Kompetenz, damit aber auch Funktion fest: Der „ordentliche“ Strafgesetzgeber benötigte klar bestimmte Tatbestandsmerkmale für ein rational nachvollziehbares und anwendbares Staatsschutzstrafrecht sowie folgendes Verwaltungsrecht (z. B. Vereinigungs-, Versammlungs-, Presseoder Dienstrecht), und zwar vor einer noch nicht absehbaren Entscheidung des BVerfG.241 Eine Bestimmung der FDGO selbst maßte er sich nicht zu. Nicht zuletzt trug dazu die Selbsterkenntnis bei, als pouvoir legislative constitué mit nur einfacher Gesetzgebungsmehrheit nicht den eigenen fundamentalen Verfassungsrahmen bestimmen zu können oder zu wollen. Gleichzeitig mussten diese einfachrecht­ lichen Definitionen der „Verfassungsordnung“ und ihrer „Grundsätze“ nicht mit der FDGO vollständig identisch sein. Sie durften aber auch nicht in Widerstreit mit ihr geraten, mussten mithin vereinbar mit ihr sein.242 Das BVerfG löste die Gefahr des Konfliktes divergierender Interpretation beider Normbereiche und -ebenen zunächst teilweise, indem es die direkt an das Gericht adressierten Sondernormen der Art. 18, 21 GG völlig autonom und formal abgegrenzt auslegte und sie damit von Sanktionen innerhalb des „ordentlichen Systems“, etwa nach Art. 9 II GG oder dem allgemeinen Staatsschutzstrafrecht entkoppelte.243 c) Autonome Definition der FDGO durch das BVerfG In seiner ersten eigenen inhaltlichen Definition der FDGO bestimmte BVerfGE 2, 1: „Zu den grundlegenden Prinzipien dieser Ordnung sind mindestens zu rech­ nen: die Achtung vor den im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechten, vor allem vor dem Recht der Persönlichkeit auf Leben und freie Entfaltung, die Volks­ souveränität, die Gewaltenteilung, die Verantwortlichkeit der Regierung, die Ge­ setzmäßigkeit der Verwaltung, die Unabhängigkeit der Gerichte, das Mehrpartei­ 239

Vgl. im Einzelnen Schiffers, Bürgerfreiheit, S. 180 ff.; Schroeder, Schutz, S. 186 ff.; ­Denninger, Grundordnung II, S. 764 ff. mit weiteren Beiträgen. 240 Wesentliche Textabweichungen zum StGB ergaben sich vor allem darin, dass ein Angriff auf die FDGO darin bestehen sollte, sich für die Beseitigung der genannten Elemente einzusetzen; vgl. Formulierungsentwurf für FDGO in § 35 BVerfGG-E 1951, zit. nach Geiger, Gesetz über das Bundesverfassungsgericht vom 12. März 1951, 1. Aufl. 1952, Rn. 6 vor § 36; vgl. näher Lautner, Grundordnung, S. 1 Fn. 2. 241 Vgl. DHS-Dürig, Art. 18 GG Rn. 53 f., z. B. Aufl. 1964 zit. nach Denninger, Grundordnung I, Nr. 11 (S. 158 f.); im Einzelnen hier D. III. 242 Vgl. insbesondere unten C. II. sowie zu den weiteren Umständen bereits bei Fahrner, Vulnerabilität, S. 53 ff. m. w. N. 243 Insoweit stellt BVerfGE 2, 1 (13), kein obiter dictum dar, wie Will, Verfassung, S. 350 annimmt; vgl. dazu unten D. II., E. II., III. sowie zum Strafrecht insbesondere die anstehende Habilitationsschrift des Autors.

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enprinzip und die Chancengleichheit für alle politischen Parteien mit dem Recht auf verfassungsmäßige Bildung und Ausübung einer Opposition.“244 Das Gericht orientierte sich damit zunächst methodisch am 1. StrÄG und ­ oegner mit detailliert aufgezählten einzelnen Elementen. In vielem gleicht H auch der Inhalt seiner Enumeration dem ersten Anschein nach auffällig jener des Strafgesetzgebers. aa) Diese Übereinstimmung zeigt sich vor allem in den fundamentalen Staats­ strukturprinzipien, dem zweiten Teil der Definition. Die einzelnen Elemente des BVerfG spiegeln die Ausführungen des § 92 II Nr. 1–5 StGB. Allerdings werden die dortigen Merkmale noch weiter verkürzt, aber auch unter Begriffen wie der Gewaltenteilung weiter verallgemeinert. Möglicherweise kann dafür tatsächlich ein „Zwischenglied“ zwischen den Kriterien des StGB und des BVerfG gefunden werden.245 Allerdings verdeckt diese Kausalitätsvermutung die eigentliche gemeinsame Wurzel in der Verfassungsgenese.246 Bemerkenswert bleibt insbesondere der Begriff der Volkssouveränität, welchen weder das Strafrecht noch das Grundgesetz als solchen kennt.247 Gegenüber allen Problemen, die sich an diesem festmachen, wirkt jedenfalls die strafrechtliche Umschreibung in Nr. 1, 4 der strafrechtlichen Normierung weitaus präziser und ideologiefreier. bb) Das Gericht wählt nachvollziehbar freiere, flexiblere und noch „abstrak­ tere“ Begriffe aufgrund der anderen Auslegungssituation: Bei seiner Fragestellung des Parteiverbots (oder der Verwirkung) muss der strenge strafrechtliche Bestimmtheitsgrundsatz gemäß Art. 103 II GG für strafbegründende Begriffe nicht beachtet werden. Aus Sicht des Verfassungsgerichts müssen es die Elemente der FDGO stattdessen vor allem ermöglichen, alle möglichen politischen Ausgestaltungsformen – auch im historischen und internationalen Vergleich – abzubilden. Daher sind die Elemente des BVerfG, namentlich Volkssouveränität, Gewaltenteilung und Verantwortlichkeit der Regierung, nicht mit dem parlamentarischen System verbunden. Sie sind vielmehr auch in direkten und präsidialen Demokratien und parlamentarischen Monarchien umsetzbar.248 Besonders deutlich wird die abweichende Funktion auch daran, dass die Enumeration des BVerfG nicht abschließend ist und daher die Elemente als Regelbeispiele mit Mindestcharakter zu verstehen sind. Dieser erlaubt weitere Ergänzungen und Schärfungen, wie dann auch in der Folge durch das Gericht vorgenommen.249 cc) Mit der Referenz auf die „im Grundgesetz konkretisierten“ Menschenrechte liegt nur scheinbar ein Bruch gegenüber einem postulierten „universellen Cha 244

BVerfGE 2,1 (13); 144, 20 (203). Vgl. insoweit zum Gutachten von Peters, Gutachten vom 22. 6. 1952, zit. nach Will, Verfassung, S. 309 ff., 350 mit dieser Rolle. 246 Siehe oben namentlich I. 5. 247 Vgl. zum Ganzen ausführlich Fahrner, Vulnerabilität, S. 53 ff. 248 Vgl. oben 1. sowie ausführlich unten D. II. 2. 249 Vgl. sogleich unten dd). 245

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rakter der FDGO“250 vor. Auffällig erscheint allerdings, dass die Menschenwürde selbst in der Enumeration fehlt, erst recht, zumal in Art. 79 III GG auch auf Art. 1 I GG verwiesen wird. Indes hat das Gericht sie sozusagen vor seine Enumerationsdefinition gestellt und so auf eine weitere Ebene herausgehoben.251 Mit seiner Formulierung hat das Gericht nicht zuletzt die dogmatischen Fragen des Art. 1 II, III GG und damals aktuellen Auseinandersetzungen zwischen Naturrecht und Verfassungspositivismus aufgegriffen.252 Möglicherweise wollte es bereits – wie später eine „antinaturrechtliche“ Interpretation von Art. 1 II GG – auch die Per­ spektive für die internationalen Menschenrechtskodifikationen öffnen, welche die prominente Stellung der Menschenwürde im GG in ihrem Wortlaut nicht immer in gleichem Maß teilen.253 Tatsächlich bleibt die Definition der FDGO innerhalb ihrer Funktion, die darin besteht, die von einer Partei oder Einzelperson erstrebten anderen Verfassungszustände, die gebilligt werden können, von jenen zu scheiden, die als innerhalb des Geltungsbereichs des Grundgesetzes verwerflich abzuwehren sind. In diesem Sinn ist „das Bild der freiheitlichen Demokratie, das dem Grundgesetzgeber als Leitbild vorgeschwebt und das er im Normenkomplex des Grundgesetzes zu realisieren versucht hat  … die für das Bundesverfassungsgericht maßgebliche Rechtsgrundlage.“254 dd) Damit stoßen sich folglich auch nicht die späteren Erweiterungen des „Ka­ talogs“, die das BVerfG namentlich im KPD-Urteil vom 17. August 1956 vorgenommen hat. Bei dessen Entscheidungsgründen ist allerdings zu beachten, dass das Gericht dort gerade nicht das parlamentarische Regierungssystem auf gleicher Ebene als zwingenden Teil der FDGO fixiert hätte. Zwar führt das Urteil die zentralen zusätzlichen Kriterien dafür an, namentlich freie, relativ zeitnah wiederholte Wahlen, die Verantwortlichkeit der Regierung gerade gegenüber dem Parlament sowie die demokratischen Kommunikationsgrundrechte jedenfalls aus Art. 5 I und 9 I GG.255 Es fügt diese Kriterien aber nur in ihrer jeweiligen Bedeutung als „Spielregeln“ für 250

Vgl. ausführlich unten D. I., II. 1. a). Vgl. BVerfG 1, 2 (12): „Dieser Grundordnung liegt letztlich nach der im Grundgesetz getroffenen verfassungspolitischen Entscheidung die Vorstellung zugrunde, dass der Mensch in der Schöpfungsordnung einen eigenen selbständigen Wert besitzt und Freiheit und Gleichheit dauernde Grundwerte der staatlichen Einheit sind. Daher ist die Grundordnung eine wertgebundene Ordnung. Sie ist das Gegenteil des totalen Staates, der als ausschließliche Herrschaftsmacht Menschenwürde, Freiheit und Gleichheit ablehnt …“. 252 Insofern kann auch auf den persönlichen Hintergrund des Berichterstatters Herbert ­Scholtissek und sein Verhältnis zum christlichen Naturrecht verwiesen werden; vgl. zu den Debatten der Verankerung ausführlich unten D. II. 1. b). 253 Vgl. auch unten D. II. 2.; allerdings Art. 1 und Präambel Abs. 1 ff. der AEMR, UN GA A / R ES/217a (III); nicht aber die EMRK. 254 BVerfGE 5, 85 (196 f.). 255 BVerfGE 5, 85 (199). 251

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die Funktionen hinzu, welche die FDGO allgemein lösen soll, wie insbesondere Machthemmung, Fortschritt, tatsächliche Demokratie und Freiheitlichkeit, ebenso wie Dezentralisierung (bzw. Subsidiarität), Rechtsschutz und Freiheitssphäre durch Grundrechte.256 Dies gilt insbesondere für die rein „phänotypische“ Festlegung auf ein bestimmtes Regierungssystem; der Begriff der parlamentarischen Demokratie in BVerfGE 5, 85 ist richtigerweise zu verstehen aus dem Zeitkontext. Sie erfolgte vor der Ausprägung der politikwissenschaftlichen Typenlehren der repräsentativen, gewaltengeteilten Demokratie mit klar getrennten und gegeneinander gesetzten Formen und soll daher nicht die Ausgrenzung jedes etwa semi- oder vollpräsidentiellen oder direktdemokratischen Regierungssystems bedeuten. Spätere Entscheidungen erweiterten noch stärker „den Katalog der Elemente, die die freiheitliche demokratische Grundordnung bilden, um das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung …, den freien und offenen Prozess der Meinungs- und Willensbildung des Volkes …, die Rundfunk-, Presse- und Informationsfreiheit …, das Bekenntnis zu religiöser und weltanschaulicher Neutralität … und die Religionsfreiheit“.257 Dazu wird nun die Menschenwürde als oberster und unantastbarer Wert in der freiheitlichen Demokratie besonders herausgestellt.258 d) Rezeption Der so zusammengestellte Katalog bildet auf dieser Abstraktionsebene am Ende nahezu die gesamten Grundrechte zusätzlich zu mehr oder weniger klar umrissenen und funktional vermittelten Staatsstrukturentscheidungen ab. In der Literatur ist er bisweilen noch geradezu ad absurdum in eine praktisch umfassende Wiedergabe der materiellen Verfassungsordnung erweitert worden.259 Demgegenüber hat die negative und enumerative Doppeldefinition zwar allgemeine Rezeption, jedenfalls in den Kernelementen, und grundlegende Zustimmung erfahren.260 Allerdings wurde teilweise heftige Kritik geübt261 an einer „synkretistische Additionsreihe und Kompilation von heterogenen Verfassungsgrundsätzen nach § 88 StGB (a. F.), bei denen letztlich theoretische Begründung und Bezugsrahmen 256

BVerfGE 5, 85 (198 f.). BVerfGE 144, 20 (204) unter Berufung auf BVerfGE 7, 198 (208); 20, 56 (97); 27, 195 (201); 44, 125 (139); 77, 65 (74); 107, 339 (360); 137, 273 (303); vgl. weiter etwa DHS-Dederer, Art. 91 GG Rn. 63. 258 BVerfGE 144, 20 (204) unter Berufung auf BVerfGE 5, 85 (204); 6, 32 (41); 12, 45 (53) 27, 1 (6); 35, 202 (225); 45, 187 (229); 49, 286 (298); 87, 209 (228). 259 Exemplarisch v. a. Lautner, Grundordnung, S. 5 ff., nur eingeschränkt im Sinn einer „sozialismusoffenen“ Ausgestaltung, s. sogleich unten III. 3. b), c). 260 Vgl. etwa die bedeutsame Ausdeutung bereits 1951 bei Kaufmann, Grenzen, S. 95 (99 ff.); Schmitt Glaeser, Missbrauch, S. 45 m. w. N.; Willms, Staatsschutz, S. 19 f.; Haller, Grundrechtsverwirkung, S. 24; Scheuner, BayVBl. 1963, 65; Seifert, DÖV 1961, 81 ff.; Ruhrmann, NJW 1956, 1817; Stern, StaatsR I, S. 568 m. w. N. Fn. 73. 261 Namentlich von Ridder, Rechtsfragen, S. 27 ff.; Lameyer, Demokratie, S. 36 ff. m. w. N. 257

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fehlt“ und nicht klar sei, warum gerade diese einzelnen Prinzipien so elementar sein sollten,262 während etwa die Unmittelbarkeit der Wahl nicht enthalten sei.263 Allein die evidente Bedeutung einzelner Punkte in der Demokratie des Grundgesetzes könne nicht ausreichen, es brauche eine „Aufdeckung eines konkreten Vermittlungs­zusammenhangs“, um die Zugehörigkeit zum Begriff der FDGO plausibel zu machen. Das BVerfG sei jedoch in seinen Entscheidungen über die eigentliche Aufgabe des Gesetzgebers bei der Aufzählung nicht hinaus zu einer rechtswissenschaftlich plausiblen Begründung gekommen.264 Das BVerfG hat dieser Kritik der „Unvollständigkeit, Beliebigkeit, Unbestimmt­ heit, Missbrauchsanfälligkeit und fehlender Systematik“ im NPD-Sachurteil entgegengehalten, sie verkenne, dass zwischen den Kernelementen der freiheitlichen demokratischen Grundordnung und den sich daraus ergebenden (fallbezogenen) Ableitungen zu unterscheiden sei.265 Diese Replik (außerhalb der funktionalen Rückbindungen zum freiheitlich demokratischen Regierungssystem) scheint zwar als solche kaum berechtigt. Allerdings hat das Gericht seine Apologie als Ausgangspunkt einer bedeutsamen Leistung genommen, die genannten Grundsätze auf wenige zentrale Grundprinzipien, die für den freiheitlichen Verfassungsstaat schlechthin unentbehrlich sind, zu konzentrieren. Vor allem die ursprünglichen Elemente von BVerfGE 2,1 behalten dessen ungeachtet zusammen eine maßgebende Leitbedeutung, die eine Konkretisierung im Einzelfall ermöglicht. Der bereits in der Negativdefinition angedeutete funktionale Bezug erscheint im Sinn einer weitaus präziseren Abgrenzung des notwendigen wie hinreichenden Schutzbereichs umgesetzt, wenn auch diese steigerungsfähig und -bedürftig erscheint.

4. Komponententrias: Menschenwürde, Rechtsstaat, Demokratie Die NPD-Verbotsentscheidung BVerfGE 144, 20 hat den Begriff der FDGO „reformiert“.266 Es hat ihn jenseits des bisherigen, für Instanzgerichte und Literatur als maßgeblich rezipierten Doppeldefinitionsansatzes neu hierarchisch auf die Kom­ ponenten der Menschenwürde, des Rechtsstaats und der Demokratie aufgebaut.267

262

Vgl. Ruland, Grundordnung, S. 94 ff.; Lameyer, Demokratie, S. 38; Stollberg, Grundlagen, S. 33; Ridder, Rechtsfragen, S. 28; Schmitt, DÖV 1965, 433 (436 f.); Gusy, AöR 105 (1980), 279 (284); insoweit erklärend van Ooyen, Sicherheit, S. 276. 263 So etwa Lameyer, Demokratie, S. 38 m. w. N. Fn. 67; hingegen Stollberg, Grundlagen, S. 41 zust. gegen Aufnahme der Unmittelbarkeit, hingegen für Aufnahme der Freiheit der Wahl. 264 Stollberg, Grundlagen, S. 33; Ridder, Rechtsfragen, S. 28; Gusy, AöR 105 (1980), 279 (285 ff.). 265 Vgl. mit sehr umfassenden Kritiknachweis BVerfGE 144, 20 (204 f.). 266 Vgl. van Ooyen, Sicherheit, S. 275. 267 BVerfGE 144, 20 (206 ff.).

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Damit ist jedoch lediglich eine von Beginn an bestehende Entwicklungslinie zum Abschluss gekommen. Bereits in BVerfGE 2, 1 hatte das Gericht auf die besondere Bedeutung der Menschenwürde sowie eine rechtsstaatliche Herrschaftsordnung auf der Grundlage der Selbstbestimmung des Volkes nach dem Willen der jeweiligen Mehrheit und der Freiheit und Gleichheit abgestellt.268 Dem schloss sich die Entscheidung zum KPD-Verbot an mit der freiheitlichen Demokratie „in der Tradition des liberalen bürgerlichen Rechtsstaats“.269 Es haben sich allerdings Perspektive und Verhältnis des normativen Gehalts gewandelt: Zuvor lediglich Hinführungen zu den einzelnen Elementen, wird die Trias jetzt zur eigentlichen Bestimmung der FDGO. Von ihr werden weitere Prinzipien und Regeln lediglich abgeleitet, die wiederum unter diesem Rahmen exemplarisch-leitende oder notwendige Geltungskraft erhalten sollen. Weiterhin ist ein Wandel zu beobachten von der engen Rückbesinnung (unmittelbar nach deren Vernichtungen bis 1945) auf christlich-metaphysische Wurzeln,270 nach dem dieser „Grundordnung … die Vorstellung …, dass der Mensch in der Schöpfungsordnung einen eigenen selbständigen Wert besitzt …“ zugrundliegt,271 hin zu einem rein weltlich-funktionalen Verständnis: a)  Die Menschenwürde erscheint allgemein durch Verweis auf den Gehalt des Art. 1 GG bestimmt.272 Sie gründet ausschließlich in „der Zugehörigkeit zur menschlichen Gattung, unabhängig von Merkmalen wie Herkunft, Rasse, Lebens­ alter oder Geschlecht“273 und der Vorstellung vom Menschen als Person, die in Freiheit über sich selbst bestimmen und ihr Schicksal eigenverantwortlich gestalten kann. Daraus folgt ihr jeweiliger unveräußerlicher sozialer Wert- und Achtungsanspruch, der es verbietet, den Menschen zum „bloßen Objekt“ staatlichen Handelns zu degradieren, und insbesondere die Rechte auf die Wahrung personaler Individualität, Identität und Integrität sowie die elementare Rechtsgleichheit. b)  Das Demokratieprinzip bestimmt das BVerfG hier vor allem zweigleisig: Einerseits stellt es entsprechend Art. 20 II GG auf eine formale „Volkssouveräni­ tät“ ab. Zu dieser bedürfe es eines „hinreichend engen Legitimationszusammen­ hangs durch eine ungebrochene Legitimationskette bis zum jeweiligen Amtswalter sowie Verantwortlichkeit der Regierung und Gesetzes- und Weisungsgebundenheit der Verwaltung“. Dadurch solle sichergestellt sein, dass das Volk einen effektiven Einfluss auf die Ausübung der Staatsgewalt durch diese Organe habe. In diese Begründung fielen der Parlamentarismus mit der parlamentarischen Regierungs­

268

BVerfGE 2, 1 (12 f.). BVerfGE 5, 85 (197). 270 Vgl. auch unten D. II. 1. b). 271 BVerfGE 2, 1 (12 f.). 272 Hierzu und zum Folgenden BVerfGE 144, 20 (207 f.) m. w. N. 273 Auf die Täterbegrifflichkeit der „Rasse“ wie die historische Verengung sexueller Orientierung auf das Geschlecht sei ohne weitere Vertiefung der Aktualisierungsbemühungen des Art. 3 III GG hingewiesen. 269

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B. Fundus und Kritik

kontrolle, bzw. dessen Schutz, soweit er ohne vergleichbare Alternativen angegriffen werde. Andererseits stellt das Gericht – in Ablehnung zu sich formal plebiszitär gerierenden Akklamationsherrschaften – einen materiellen Kern der Demokratie heraus. Dieser bestehe nämlich im Aufbau von der Idee der freien Selbstbestimmung aller Bürgerinnen und Bürger als „Freien und Gleichen“ her: „Das Grund­ gesetz geht insoweit vom Eigenwert und der Würde des zur Freiheit befähigten Menschen aus und verbürgt im Recht der Bürger, in Freiheit und Gleichheit durch Wahlen und Abstimmungen die sie betreffende öffentliche Gewalt personell und sachlich zu bestimmen, zugleich den menschenrechtlichen Kern des Demokra­ tieprinzips“. Ihm diente dann wiederum die Möglichkeit gleichberechtigter Teilnahme am offenen Prozess der politischen Willensbildung und „politische Wil­ lensbildung vom Volk zu den Staatsorganen und nicht umgekehrt“. Dem folgten die Instrumente zur Sicherung der Offenheit des Prozesses der politischen Willensbildung, namentlich Mehrparteiensystem, die Chancengleichheit der Parteien, sowie das Recht auf Bildung und Ausübung einer Opposition.274 c)  Zur Rechtsstaatskomponente zählte die Entscheidung zum Schutz individueller Freiheit vor allem, dass die legitime Anwendung physischer Gewalt, die unter dem staatlichen Monopol erfolge, sowie jede öffentliche Gewalt durch das Recht gebunden seien und der Kontrolle durch unabhängige Gerichte unterlägen. Dabei habe diese Komponente (als Teil der FDGO) nur auf diese Begrenzung der öffentlichen Gewalt und die anderen Einzelgewährleistungen zum Schutz individueller Freiheit „abzuzielen“. Dies soll heißen, dass bestimmte Ausnahmen, wie z. B. gewaltsame private Selbsthilferechte bei Wahrung des Grundsatzes hingenommen werden.275 Insoweit scheint richtig zu bemerken, dass im Gegensatz dazu ein totales Regime nicht auf Recht gegründet sein kann, weil das Recht dort keine eigene auctoritas besitzt.276

III. Kritik und alternative Konzepte in der Literatur Seitens eines Teils der Literatur wird versucht, gegenüber der Definition des BVerfG die freiheitlich demokratische Grundordnung in einen weitergehenden Verfassungskontext und insbesondere eines „Verfassungsprinzips der wehrhaften Demokratie“ zu stellen oder aber gänzlich alternative, vor allem für sozialistische Vorstellungen offene Bestimmungen anzubieten:

274

Vgl. auch Leibholz, DVBl. 1951, 554: Wer „totale Demokratie“ will, kann Spielregeln der liberalen Demokratie, selbst wenn zum Schein in diesen Formen, nie innerlich akzeptieren. 275 BVerfGE 144, 20 (210) m. w. N. 276 So bereit Leibholz, DVBl. 1951, 554.

III. Kritik und alternative Konzepte in der Literatur 

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1. Vereinheitlichungs-, Toleranz- und Schutzbereichsansätze a) Enger bzw. eingeschränkter Vereinheitlichungsansatz Nach einer maßgeblich auf Dürig und Schmitt Glaeser beruhenden engeren Vereinheitlichungslehre sollen FDGO und Verfassungsordnung, bzw. die durch Art. 79 III GG umfassten Verfassungsgrundsätze, gleichgesetzt werden.277 Als maßgebliches Argument dafür wird angeführt, dass nicht nur Art. 18, 21 II–IV GG nicht eingreifen dürfen, soweit eine Verfassungsänderung materiell nach Art. 79 III GG möglich ist; vielmehr müsse umgekehrt jede Bestrebung, die entgegen der „Ewigkeitsgarantie“ einen dort umfassten Grundsatz zu beseitigen oder beeinträchtigen suche, auch nach den erstgenannten vorgelagerten Vorschriften zu sanktionieren sein.278 Indes ergibt sich diese Schlussfolgerung logisch nicht zwingend. Stattdessen stellt sie den klassischen logischen negativen Scheinschluss dar.279 Darüber hi­ naus ist jedoch – vorbehaltlich der weiteren Prüfung – festzustellen, dass dieser von der heute ganz überwiegenden Ansicht abgelehnte „engere Einheitsansatz“280 zunächst plausibel wirkende Folgerungen für das Verhältnis zu Art. 9 II, 79 III GG anbietet.281 Dies gilt, auch wenn der negatorische Schluss von Schmitt Glaeser erneut logisch keinesfalls zwingend und überzeugend ist. Weil eine Gewalt- und Willkürherrschaft weder Republik noch Bundes- oder Sozialstaat ist, müssen diese Merkmale eben nicht zwingend positiv zur FDGO gezählt werden.282 Die Theorie wirft allerdings umso schärfer die Frage zum Verhältnis zu Art. 146 GG auf: Wie weit wird die FDGO durch Bestrebungen verletzt, das Grundgesetz durch eine neue Verfassung abzulösen?283 Für sich genommen, ist bereits zu diagnostizieren, 277

Vgl. namentlich DHS-Dürig, Art. 18 GG Rn. 46 ff. (Rn. 47), z. B. Aufl. 1964 zit. nach Den­ ninger, Grundordnung I, Nr. 11 (S. 155 f.); Schmitt Glaeser, DÖV 1965, 433 (438 ff.); ders., Missbrauch, S. 46 ff.: allen in Art. 20, 79 III GG genannten Staatsgrundprinzipien solle impliziert gleiche Bedeutung und Schutz zukommen, freilich bereits unter Verkennung der Diskussionen in HCh und ParlR (s. o. I. 5.); daran anschließend Thiel, Demokratie, S. 7; ders., Verwirkung, S. 136 auch unter Berufung auf Gallwas, Missbrauch, S. 118 f.; vgl. auch Gusy, AöR 105 (1980), 279; dagegen Thiel, Parteien, S. 198 nun Verweis nur auf FDGO in Definition des BVerfG. 278 Schmitt Glaeser, Missbrauch, S. 46 f., 54 f. 279 Aus A → B folgt nicht B → A bzw. in diesem Sinn Ā → B. 280 Für die ablehnende ganz h. M. vgl. nur zuerst wohl bereits Echterhölter, JZ 1953, 656 ff.; Klein, VVDStRL 37 (1979), 53; Schliesky, HdbStR, § 277 Rn. 21; Becker, HdbStR, § 167 Rn. 47; Denninger, HdbVerfR § 16 Rn. 35 f.; Groepl, StaatsR I, Rn. 240; Dreier / Wittreck, Art. 18 GG Rn. 45; Dreier, Art. 79 III Rn. 44, 60; Jarass / Pieroth, GG, Art. 18 Rn. 5; Lautner, Grundordnung, S. 63; Papier / Durner AöR 128 (2003), 340 (357) m. w. N.; auch Stern, StaatsR I, S. 552 ff., 564 ff., der unter den prägenden Staatsstrukturprinzipien die FDGO von der parlamentarischen Regierungsform trennt, allerdings bei der Republik und Bundesstaatlichkeit zu keinem klaren Ergebnis gelangt; sowie die weitere Argumentation unten ausführlich D. II. 2. a). 281 Vgl. insbesondere Stollberg, Grundlagen, S. 35 f. 282 Schmitt Glaeser, Missbrauch, 32 ff. 283 Siehe v. a. unten E. I. 1., II. sowie weiterhin bereits Fahrner, Vulnerabilität, v. a. S. 84 ff.

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dass sie aufgreift, dass der Parlamentarische Rat nach intensiver Beratung gerade gezielt zwischen Art. 79 III GG und der FDGO differenzierte und dies auch im heute noch gültigen Verfassungswortlaut umgesetzt ist. Zudem besteht die Gefahr, dass Abweichungen zwischen FDGO und Verfassungsordnung verunklart und relativiert werden:284 Dazu zählt, ob das Republikprinzip materiell verstanden werden muss,285 eine FDGO (wirklich) nur in einem Bundesstaat denkbar wäre,286 das Sozialstaatsprinzip ganz oder nur teilweise mitumfasst sein soll,287 ob Art. 1 GG selbst zur FDGO zählen soll oder gar der gesamte Umfang des Art. 19 II GG.288 Jeweils ist dabei – mithin für Verfechter eines Einheitsstaates oder einer parlamentarischen Monarchie – an die Auswirkungen im Hinblick auf mögliche Grundrechtsverwirkung und Parteiverbote sowie Grundrechtseingriffe und Beobachtung durch den Verfassungsschutz zu denken. Dies gilt noch mehr, wo teilweise zusätzlich eklektisch Normen des StGB als Ausdruck des Prinzips zur FDGO hinzugerechnet werden.289 Auch aus dem Kreis ihrer Vertreter wird daher zugestanden, dass auf dieser Grundlage eine geschlossene Theorie jedenfalls bislang nicht erreicht worden ist.290 b) Theorie eines Toleranzbereichs und Schutzbereichs der FDGO Die grundlegende Kommentierung von Dürig selbst erscheint hier durchaus nicht ohne Weiteres widerspruchsfrei, wenn er aus der konkreten Verfassungsordnung abstrahierend von dieser fortentwickelt, was sie jenseits davon sein könne.291 Maßgeblich breitet er hierfür die Theorie eines Toleranzbereichs aus, welche etwa

284

Wohl am weitesten gehend Schmitt Glaeser, Missbrauch, S. 54: Wenn Prinzipien mit freiheitlich-demokratischem Charakter wesentliche Grundlagen unserer Ordnung seien, müssten sie zwangsläufig zur FDGO gehören. 285 Schmitt Glaeser, Missbrauch, S. 50 f. u. a. unter Berufung auf Maunz, StaatsR, hier: 15. Aufl. 1965, § 10 II 1; hiergegen wohl punktuell Thiel, Verwirkung, S. 137. 286 So die Behauptung Schmitt Glaeser, DÖV 1965, 433 (437 ff.); ders., Missbrauch, S. 52 im Anschluss an Maunz, StaatsR, § 24 I 4; zunächst Maunz / Dürig, Art. 79 GG Rn. 21 auch zit. nach Lautner, Grundordnung, S. 59, allerdings dort DHS-Herdegen GG Art. 79 Rn. 87 mittlerweile auch aufgegeben; zust. wohl Schliesky, HdbStR, § 277 Rn. 21 m. w. N. 287 Dafür etwa Hamann / L enz, Art. 18 GG Rn. B3; Berlin, Grundordnung, S. 102 ff.; vgl. hingegen krit. m. w. N. Schmitt Glaeser, Missbrauch, S. 47 ff., 53; unklar etwa Thiel, Verwirkung, S. 137; Schliesky, HdbStR, § 277 Rn. 17; sowie näher unten D. II. 2. c). 288 So etwa Thiel, Verwirkung, S. 129; entgegen den abgelehnten dahingehenden Anträgen der DP im parlamentarischen Rat, vgl. JöR 1 (1951), 586 f. 289 So etwa nach Schliesky, HdbStR, § 277 Rn. 25 §§ 80–101a StGB, wobei offen bleibt warum diese, jedoch §§ 105 ff. StGB nicht einbezogen werden sollten. 290 Vgl. wohl zuletzt Thiel, Demokratie, S. 9; ders., Parteien, S. 198; ähnlich Jaschke, Wertewandel, S. 223 (245); Becker, HdbStR VII, § 267 Rn. 38; vgl. auch Gusy, AöR 105 (1980), 279 ff. 291 DHS-Dürig, Art. 18 GG Rn. 48 ff., Aufl. 1964 zit. nach Denninger, Grundordnung I, Nr. 11 (S. 155 ff.).

III. Kritik und alternative Konzepte in der Literatur 

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Schmitt Glaeser fortträgt.292 Sie verbindet sich mit der weit allgemeineren Begründung, die Normen und Idee der FDGO sollten erkennbar das freiheitlich demokratische Gemeinwesen gegen Angriffe „von oben wie unten“ schützen, Lehre aus Weimar wie gegen die Übergriffe der etablierten totalitären Anti-Systeme sein.293 aa) Vor allem aufgrund systematischer Argumentation wurde, mittlerweile wohl aufgegeben, namentlich Art. 18 GG keine grundrechtsbeschränkende, sondern grundrechtliche Bedeutung beizumessen.294 bb) Aber auch nach der gemäßigteren Auffassung schütze die FDGO und unmittelbar die Art. 18, 21 GG usw. nicht nur die aktuelle Verfassungsordnung, sondern auch die gegen sie Agierenden, sofern sie sich in einem „akzeptablen“ Toleranzbereich bewegten.295 Die FDGO sei nicht betroffen in einem Zwischenbereich möglicher Ausgestaltung, über den man auch in Rechtsstaaten angesichts des historischen und aktuellen Anschauungsmaterials totalitärer Systeme diskutieren könne. Für Schmitt Glaeser und andere hat dies weiter zur Folge, dass auch das reguläre Staatsschutzstrafrecht in diesem Bereich gesperrt wäre, mithin die Normen der Art. 18, 21 GG etc. für Verhalten gegen die Verfassungsordnung, welches sich im Toleranzbereich bewegt, zu Schutznormen gegen jedes staatliche Einschreiten werden sollen.296 Noch weitergehend behauptet Gusy, die FDGO selbst könne selbst nur solche Grundwerte umfassen, die eine Ausschließung von Personen und Parteien aus dem politischen Leben rechtfertigen könnten.297 Solange Äußerungen und Aktivitäten darauf zielten und einen neuen politischen Aussagewert erzeugen wollten und (daher) nicht „bloß“ klassische Hoch- und Landesverratshandlungen umfassten, greife der Toleranzbereich ein. So könnten gegen sie die Instrumente des Schutzes der FDGO nicht angewandt werden.

292 Vgl. zum ganzen hier Folgenden DHS-Dürig, Art. 18 GG Rn. 49, z. B. Aufl. 1964 zit. nach Denninger, Grundordnung I, Nr. 11 (S. 156 f.) als wohl erste Fundierung für die bereits oben genannten weiteren Schriften; noch klarer Hamann / L enz, Art. 18 GG Rn. A1; grundlegend für die Fortentwicklung diff. Schmitt Glaeser, Missbrauch, v. a. S. 55 ff., 138 ff. dazu etwa Bulla, AöR 98 (1973), 340 (355); BK-Wernicke, Art. 18 GG S. 2b; dagegen etwa Martina, Grundrechte, S. 54 f.; Stettner, DVBl. 1975, 801(807); diff: Gusy, AöR 105 (1980), 279 (281): nur Verfahrensgewährleistung in Bereich, kein allgemeiner materieller Schluss; sowie Thiel, Verwirkung, S. 134 unglücklich allein ablehnend wegen mangelnden Grundrechtscharakter. 293 Vgl. Bulla, AöR 98 (1973), 340 (v. a. S. 352). 294 Namentlich von Hamann / L enz, Art. 18 GG Rn. A1 ff. 295 Vgl. etwa Gusy, AöR 105 (1980), 279 (281) m. w. N.; Bulla, AöR 98 (1973), 340 (351 ff.). 296 Da sich dies über den Definitionsansatz der FDGO hinausbewegt, wird darauf an geeigneten weiteren Stellen, hier insbesondere E. I. 1., 3., 4. und f. sowie in der anstehenden besonderen Studie zum Staatsschutzstrafrecht einzugehen sein. 297 Gusy, AöR 105 (1980), 279 (284 ff.) als Grundthese seines Gegensatzes ursprünglicher Rahmen- und Eingriffsbedeutung und widersprechender Wirkung als Wertehomogenisierung im Freund-Feind-Sinn, ausgeblendet wird der logisch nicht zwingende negative Rückschluss vor allem angesichts der weiteren Korrekturmomente in den entsprechenden Eingriffstat­ beständen.

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B. Fundus und Kritik

Die genaue Grenze des Toleranzbereichs vor allem gegenüber dem allgemeinen Staatsschutzrecht bleibt indes weiterhin nicht geklärt. Bulla, der diese zwischen der erlaubten Gesinnung und rein geistigen diskursiven Auseinandersetzung einerseits und andererseits aggressiv-umstürzlerischer Bestrebung gezogen hat,298 hat sich damit nicht allgemein durchsetzen können.299 c) Ansatz eines Verfassungsprinzips der „Wehrhaften Demokratie“ Den Vereinheitlichungsansatz weiterführend, überformt eine starke Strömung der Staats- und Sicherheitsrechtsliteratur die FDGO durch ein „Verfassungsprinzip der wehrhaften Demokratie“ als eigentliche Grundlage für verfassungsschützende Eingriffe, namentlich in Grundrechte. Aus der Zusammenschau der Verfassungsnormen zu bestimmen, käme diesem Verfassungsprinzip ein eigenständiger normativer Gehalt zu, der auch außerhalb der Vorschriften, auf denen es beruhe, eingreife.300 Die FDGO und / oder die Verfassungsordnung, ggf. gemeinsam mit dem Bestand des Staates301 und gar der Sicherheit oder Sicherung als (bloßen) Schutzgütern sollten ihm letztlich ein- oder untergeordnet sein.302 Umschrieben wird dieses mutmaßliche Prinzip darin „die FDGO als werthafte Ordnung zu begrei­ fen und diese mit den verfassungsrechtlich zugewiesenen Instrumenten gegen die Feinde der Demokratie zu verteidigen“.303 An dieser Ansicht entzündet sich die zentrale Kritik von liberalerer und politisch linkerer Seite.304 Sie wird ebenfalls überwiegend vor allem außerhalb der entsprechenden Sicherheitsrechtskreise und zuletzt ausdrücklich vom BVerfG abgelehnt.305 Allerdings baut der Ansatz erst 298

Bulla, AöR 98 (1973), 340 (353 ff.). Erklärbar ist dies aufgrund der starken verfassungsdogmatischen Prägung durch die Leerstellen der Demokratie und Freiheit im Sinn einer Rahmenordnung und des bekannten Volkswillenkonzepts von Schmitt und Böckenförde; hingegen kann der Ansatz durchaus neu aufgeworfen werden bei der Abgrenzung im Rahmen der Sonderrechtslehre des Art. 5 II GG sowie allgemein einem resilienten konsequent konstruierten Demokratiekonzept, vgl. dazu bereits Fahrner, Vulnerabilität, passim, v. a. S. 43 ff., 108 ff., 138 ff., 266 ff.; besonders zu vertiefen ist dies in der Abgrenzung zum Staatsschutzstrafrecht in der dazu noch ausstehenden Untersuchung. 300 Vgl. namentlich Thiel, Demokratie, S. 20 et passim, danach mutmaßlich ausführlich Schliesky, HdbStR, § 277 Rn. 11 ff. m. w. N. ausdrücklich unter Berufung auf die dogmatischen Prinzipientheorien; zuvor bereits ähnlich Jesse, Demokratie; Lameyer, JöR NF 30 (1981), 147 ff.; Bulla, AöR 98 (1973), 340 ff.; Jasper, DVBl. 1978, 725 ff.; Fromme, Demokratie, S. 185 ff.; Denninger, VVDStRL 37 (1979), 7 ff.; Klein, VVDStRL 37 (1979), 53 ff. 301 So etwa Schliesky, HdbStR, § 277 Rn. 22 m. w. N. allerdings selbst widersprüchlich mit Begrenzung ohne Bestand in Rn. 23. 302 Vgl. etwa Schliesky, HdbStR, § 277 Rn. 3. 303 So etwa der Formulierungsversuch von Schliesky, HdbStR, § 277 Rn. 11 in Abgrenzung zur noch allgemeineren Formulierung bei Becker, HdbStR 2. Aufl., § 167 Rn. 42; vgl. hierzu und zum Folgenden auch bereits oben A. I. 304 Vgl. etwa Übersicht bei Sattler, Bedeutung, S. 23 ff. 305 Vgl. dazu ausführlich unten D. III. 299

III. Kritik und alternative Konzepte in der Literatur 

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auf der FDGO auf und ist daher erst unter deren Wirkungsweisen abschließend zu diskutieren.306

2. Kritisches rechtswissenschaftliches Schrifttum im Übrigen Das weitere kritische Schrifttum richtet sich vor allem gegen jene Wirkungsweisen der „wehrhaften“ oder „streitbaren Demokratie“, welche, ausgehend von einzelnen Entscheidungen des BVerfG, die genannte Sicherheitsliteratur expandiert hat.307 Diese Kritik setzt vor allem ein mit dem KPD-Urteil308 und vollzieht sich in Wellen jeweils in Reaktion auf herausgehobene Urteile des Gerichts. Abstrakt wird die FDGO vor allem als Begrenzung des Volkswillens, oktroyierte Werteordnung mit Gefahr eines Verfassungstotalitarismus und Kampf­ instrument kritisiert und dagegen ein Idealbild einer „offenen Verfassung“ gesetzt, welche aus einem anglo-amerikanischen Ideal gewonnen werden soll.309 Auf die konkreten Definition(en) der FDGO selbst durch das Gericht greift die Kritik nur selten durch.310 Ebenso wie die Rezeption allgemein macht sie sich bislang meist an den Entscheidungen vor BVerfGE 144, 20 und damit am negativen und enumerativen Doppelansatz fest. Dabei lassen sich mehrere Stoßrichtungen der Kritik, v. a. im Hinblick auf fehlende Rechtssicherheit, aber auch „Versteinerung“ und eigene autoritäre Tendenzen erkennen: a) Tradierte und vom BVerfG aufgegriffene Kritik Mit seinem neuen Ansatz hat sich das BVerfG selbst der vorangegangenen methodischen Kritik an der Doppeldefinition vor allem unter den Gesichtspunkten der Unvollständigkeit, Beliebigkeit, Unbestimmtheit, Missbrauchsanfälligkeit und fehlender Systematik311 gestellt.312 Durch die funktionale Neubegründung als Kom 306

Vgl. ausführlich unten D. III. 3. Vgl. zum Überblick etwa Lameyer, Demokratie, S. 3 ff.; zusammenfassend Denninger, Grundordnung. 308 Vgl. hierzu und zum Folgenden bereits oben A. I. 3. b), zudem etwa Ridder, Rechtsfragen; Löwenstein, Verfassungslehre; Abendroth, ZfP NF 3 (1956), 305; Angel, Civis 1956, 65 (zit. nach Lameyer, Demokratie); Dennenkamp, Die Justiz 1956, 95; Kogon, Frankfurter Hefte 1955, 158; Marcic, öJBl 78 (1956), 548; Posser, Stimme und Gemeinde 1956, Sp. 525–532; Ruhrmann, NJW 1956, 1817; Rösner / Zweigert, NJ 1957, 85 f.; Zweigert, JZ 1959, 677. 309 Vgl. ausführlich bereits oben A. I. 3. b) bb), v. a. (1) (a), (2) (f); hier etwa zum „Verfassungstotalitarismus“ Greiffenhagen, Obrigkeitsstaat, S. 52 (67); vgl. zust. Jaschke, Demokratie, S. 71 m. w. N. zur „offenen Verfassung“ unter vielen etwa Rödel / Frankenberg / Dubiel, Frage. 310 Vgl. aber Liebscher, Idealisierung, S. 123 ff.; Schulz, Grundordnung jedenfalls vom „linken Rand“, wenn nicht jenseits von diesem, ausgehend. 311 Siehe oben II. 3. d). 312 BVerfGE 144, 20 (204 f.), siehe oben II. 4. 307

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B. Fundus und Kritik

ponententrias mit ihren Ableitungen können die Vorwürfe eines Eklektizismus als aufgegriffen gelten, etwa wenn es um die Vervollständigung der in der Enumeration fehlenden Unmittelbarkeit313 und Freiheit der Wahl314 geht. Der Vorwurf gegen die negative Definition, welche in der Kommentierung etwa von Dürig prägend wurde,315 ist damit ebenfalls überholt. Vor allem der Aufforderung zur „Aufdeckung eines konkreten Vermittlungs­ zusammenhangs“, um die Zugehörigkeit der Elemente zum Begriff der FDGO plausibel zu machen,316 ist das BVerfG nachgekommen. Dabei ist es auch dem Einwand gegen die Enumeration begegnet, diese reflektiere nicht mehr die Abhängigkeit der Definition von ihrem historischen Kontext und verallgemeinere so den repräsentativ-parlamentarischen bürgerlichen Staat zur alleine denkbaren freiheitlichen demokratischen Ordnung.317 b) Rechtssicherheit und Missbrauchsgefahr Mit den drei Grundprinzipien von Menschenwürde, Demokratie und Rechtsstaat ist zwar eine sehr flexible normative Form gewonnen. Sie scheint allerdings auf einem derart hohen Abstraktionsniveau kaum anwendungsfähig. Weiterhin ist der Auslegung und Anwendung der FDGO nach Maßgabe des BVerfG vorgeworfen worden, sie sei letztlich autoritäre Setzung, enge die demokratische Fortentwicklung und Diskussion zu sehr ein und „versteinere“ eine bestimmte Sicht der gewünschten politischen Ordnung.318 aa) Die generellen Komponenten sind noch weitergehend als vorherige Definitionsansätze auslegungsbedürftig, damit sie die Forderung erfüllen, dem Einzelnen in rechtssicherer Weise klar zu machen, welches Verhalten die Grenzen des Schutzes der FDGO überschreitet. Somit erlangt die Kritik der Unbestimmtheit und Offenheit, die sich an der früheren Doppeldefinition entzündete, erst recht Gewicht:319 Die Definition hätte der unmittelbar gewählte Gesetzgeber keinesfalls

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Lameyer, Demokratie, S. 38 m. w. N. Fn. 67; insoweit hat das BVerfG durch die funktionale Einordnung eine passende Lösung für die Herausforderung von Art. 2 s. 3 USConst. gefunden, vgl. auch zuvor Stollberg, Grundlagen, S. 41. 314 Stollberg, Grundlagen, S. 33. 315 DHS-Dürig, Art. 18 GG Rn. 46 ff. (Rn. 48), Aufl. 1964 zit. nach Denninger, Grundordnung I, Nr. 11 (S. 155 ff.). 316 Stollberg, Grundlagen, S. 33; Ridder, Rechtsfragen, S. 28. 317 Denninger, Grundordnung I, S. 67 f. m. w. N. zur Kritik am „juristischen Idealismus“. 318 Vgl. oben A. I. 3. b) bb) (2). 319 Lautner, Grundordnung, S. 3 m. w. N.; Stohlmann, Unbestimmtheit, S. 54 ff.; Ruland, Grundordnung, S. 20 ff., 38 f.; Komitee für Grundrechte und Demokratie, Radikalenerlass, v. a. S. 176 ff.; vgl. dazu Jesse, Überlegungen, S. 29 (56) insoweit überzeugend mit der Erwiderung, die Autoren lieferten wiederum selbst keine von der von ihnen verwendeten liberalen Demokratie keinen präzisen Begriff.

III. Kritik und alternative Konzepte in der Literatur 

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der Interpretationsmacht des demokratisch schwach, da allenfalls indirekt legitimierten BVerfG überlassen dürfen.320 Zudem finde die Negativabgrenzung keine Verankerung im Verfassungstext.321 Daraus bemühte sich etwa Lautner, den Inhalt der FDGO weiter auszuarbeiten, es entstand dabei allerdings eine derart überdetaillierte Aufzählung mit praktisch der gesamten materiellen Verfassungsordnung des GG,322 welche dann BVerfGE 144, 20 wiederum als Extrembeispiel für eine notwendige Komplexitätsreduktion aufgreifen konnte. bb) Von verschiedenen Seiten wird bemängelt, die BRD suche die Grenze der politischen Meinungs- und Betätigungsfreiheit in der Gefahr oder Bedrohung von Werten.323 Andere westliche Demokratien würden den Rubikon indes meist in der Abgrenzung der Gewalt erkennen, mithin objektivierbaren und prima facie vernünftigen Phänomenen zur Sicherheit vor Umsturz. Dagegen sei „eine logisch-­ rationale Begründung des Prinzips der streitbaren Demokratie mit intersubjekti­ ver Verbindlichkeit nicht leicht zu finden und überzeugungsfähig darzustellen“.324 Hier werden auch die tradierten Konflikte zwischen reinem Rechtspositivismus und Naturrecht auf der Ebene transkonstitutioneller Staatszwecke geführt,325 mit der üblichen Frage hermeneutischer Projektion durch die jeweils Beurteilenden und die Gefahr von Diktat, Unverständnis und Konflikt. cc) Dazu benachbart, wird vor allem (aber nicht nur) aus Perspektiven des (radikalen bis extremen) linken politischen Spektrums der FDGO-Konstruktion des BVerfG weitergehend vorgeworfen, sie sei eine antipartizipatorische Vorkehrung gegen missliebige Kritik und Kontrolle.326 Nur am deutlichsten an der Negativdefinition erkennbar, diene die FDGO vor allem der Ausgrenzung und deren möglichst weitgehender Vermittlung.327 Geradezu aktuell (nunmehr von anderen Seiten) klingt die pathetische Emphase, die noch vor der 1968er Bewegung und

320 Vgl. Abendroth, ZfP NF 3 (1956), 305; Freund, Die Gegenwart, 9 (1952), 454 (456); ­ autner, Grundordnung, S. 3 ff. m. w. N. auch zur dagegen bereits damals h. M.; vgl. namentL lich auch Jahrreiß, JuV 1 (1950), 121 (123) mit der wohl erstmaligen Benennung des BVerfG als „Hüter der Verfassung“. 321 Stollberg, Grundlagen, S. 34 f. 322 Lautner, Grundordnung, S. 5 ff., allerdings eingeschränkt im Sinn einer „sozialismus­ offenen“ Ausgestaltung, s. sogleich unten c). 323 Vgl. zum Ganzen Boventer, Grenzen, S. 242 ff.; bereits auch im Ansatz etwa Abendroth, ZfP NF 3 (1956), 305 für die „erste Kritikwelle“. 324 So Wolfgang Zeidler, damaliger PräsBVerfG zit. nach Fromme, Demokratie S. 49; vgl. weiter Boventer, Grenzen, S. 240 Fn. 2. 325 Vgl. Wischmeyer, Zwecke, S. 184 ff.; Sommermann, Staatsziele, S. 3, 80, 116 ff. Staatszwecken vgl. Link, VVDStRL 48 (1990), S. 7; Brugger, NJW 1989, 2425; Bull, NVwZ 1989, 801 (802 ff.); von linker Seite etwa Liebscher, Idealisierung, S. 123 ff. sowie allgemein oben A. I. 3. b) (2). 326 Vgl. hierzu und zum Folgenden Lameyer, Demokratie, S. 192 ff., 198 ff. m. w. N.; Botto­ more, Elite, S. 119 f.; Ridder, NPL 1957, 352 (368). 327 Vgl. etwa Jaschke, Demokratie, S. 12 ff.; Alemann, Situation, S. 65 (72) sowie oben bereits A. I. 3.

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der Repression gegen den Linksextremismus und -terrorismus herrührt:328 „Wir enden in der Demokratie Robespierres: das Tribunal entscheidet, wer im Besitz der Bürgertugenden sei – und wer es nicht ist, von dem befreit der Henker die Demokratie der Tugendhaften“.329 (1) Neuerdings werden wieder, beispielsweise aus Anlass eines „Narrativs des Versagens in der NSU-Staatsaffäre“, die „streitbare Demokratie“, wenn nicht die FDGO insgesamt, als die kapitalistischen Eigentumsverhältnisse sichernde „Staatsrepression“ angegriffen  – gewissermaßen in einer „Außensicht“. Kaum verhüllt sind darin Denk- und Orientierungsquellen jenseits eben jener freien demokratischen Ordnung und der Sozialisierung in ihr zu erkennen. Auffallend verbunden damit wird versucht, ein einseitiges rein antikommunistisches und antisozialistisches Bild der BRD und „ihrer“ FDGO vor der deutschen Wiedervereinigung zu entwickeln.330 Das dabei „totale“ Ausklammern aller realen kommunistischen Staatsstreiche, Gewalttaten und insbesondere jeden leninistischen und stalinistischen Terrors nach 1917 im sowjetischen Machtbereich, scheint dem historisch Gebildeten weder fassbar noch wissenschaftlich (und)  redlich, vielmehr als reine Kontinuität kommunistischer Propaganda. Dies gilt umso mehr, als sich die FDGO des Grundgesetzes tatsächlich auch als Gegenbild zu diesem „realsozialistischen Kollektivismus“ verstand und versteht, ebenso wie zu jenem des NS-Staates. Auf dieser unter Manipulationsverdacht fragwürdigen Basis soll vor allem der bürgerliche Rechtsstaat delegitimiert und seine Gerichtsbarkeit unter Generalverdacht in die „Tradition von Weimar“ gestellt werden. Als Gegenbild wird unter Regression in die Lage der 1950er Jahre versucht, erneut einen „demokratischen Sozialismus“ (nunmehr umdeklariert als „soziale Demokratie“) zu propagieren, dessen Demokratie – aller anderen Sicherungen bar – nur geschützt werden solle durch ein „demokratisches Vertrauen“. Wenn die Konklusion dann darin besteht: „Soziale Demokratisierung bedeutet eine Änderung der bestehen­ den Eigentumsverhältnisse. Das ist nicht unbedingt ein gewaltloser Prozess … doch für Kritik und Protest wird es keine Genehmigung seitens der bestehenden Ordnung geben“,331 wäre darin in der (kaum verbrämten) Aufforderung zum gewaltsamen Umsturz – in repressiven Ordnungen – jedenfalls in der DDR sowie bis in die Frühzeit der BRD eine strafbare Aufforderung bzw. Vorbereitung zum Hochverrat erkannt worden.332 Jenseits der Retrospektive auf die Propaganda jener mit BVerfGE 5, 58 verbotenen KPD (bzw. der „Ostseite im Kalten Krieg“) vermag darin ein weiterführender Ansatz im Rahmen der geltenden Verfassungsordnung 328

Vgl. zum Hintergrund etwa Lameyer, Demokratie, S. 14 ff. Zitat wohl zuerst bei Geiger, Gesellschaft, S. 252, danach etwa Lameyer, Demokratie, S. 206. 330 Verwiesen sei hier nach oben A. I. 3. b) (2) (a) ff. nochmals vor allem auf die aus den genannten Gründen überaus fragwürdige Arbeit von Schulz, Grundordnung, S. 121 ff. und passim. 331 Schulz, Grundordnung, S. 366. 332 Zum Unmittelbarkeitserfordernis etwa Fahrner, Staatsschutzstrafrecht, § 9 Rn. 29 m. w. N. 329

III. Kritik und alternative Konzepte in der Literatur 

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und der FDGO, mit deren Merkmalen gerade keine tiefergehende Auseinandersetzung erfolgt, nicht erkannt werden.333 (2) Weit konkreter und damit weiterführend scheint jene Kritik, die sich an autoritären Zügen konkreter Ausformungen der streitbaren und wehrhaften De­ mokratie durch das BVerfG und größerer Teile der Staats- und Staatsschutzlehre entzündet, vor allem an (meist früher) Rechtsprechung des Gerichts.334 Sie gilt jedoch gerade nicht dem Konzept der FDGO selbst, sondern den über ihrer Basis entwickelten Konstrukten zu ihrem Schutz. Auf sie ist daher erst am geeigneten Ort intensiver einzugehen.335 dd) Noch stärkere Durchdringungskraft haben die Vorwürfe, die FDGO könne gesellschaftlichen Fortschritt ausbremsen. Dieser macht sich auf zwei Ebenen fest: Einerseits wird aus ihrer Wertbindung im konkreten geschichtlichen Kontext der Verarbeitung der NS-Menschheitsverbrechen und der Gefahren totalitärer Systeme auch unter kommunistischer Propaganda vermutet, es drohe ein „geistiger und politischer Alterungs- und Erosionsprozess“ des Grundgesetzes,336 dessen Selbstanpassung gehindert oder verhindert würde. Andererseits wird die Funktion der FDGO generell als eine Beschränkung politischer Prozesse im weitesten Sinne überhaupt angegriffen. Beides zusammen könne zur Versteinerung bestimmter Strukturen337 führen und Spannungen erzeugen, die schließlich gerade wieder ge­ waltsam und revolutionär ausbrechen könnten.338 ee) Noch häufiger findet sich die Mahnung oder Forderung, mit der Konstruktion der FDGO ihren Schutz nicht alleine juristisch-obrigkeitlich, sondern auch auf die Bürgerschaft zu fokussieren. (1) Auf der einen Seite wird die FDGO für jenen Selbstschutz als derart kon­ traproduktiv angesehen, dass auf sie zugunsten einer in anderer Weise wehrhaften Bürgerschaft verzichtet werden sollte. Mit regelhafter Kontinuität wird das Konzept präventiven Verfassungsschutzes verworfen und alleine auf ein Gewaltverbot und die deliberative Überzeugungskraft abgestellt.339 Denn nur Bürger und Repräsentanten könnten die Aufgaben der Gefahrenabwehr nachhaltig wahrnehmen.340 Damit ist man freilich wieder bei jenem naiven Vertrauen sich nicht wirk 333 Man ist hier versucht, lediglich zu zitieren „Hegel bemerkte irgendwo, dass alle großen weltgeschichtlichen Tatsachen und Personen sich sozusagen zweimal ereignen. Er hat ver­ gessen, hinzuzufügen: das eine Mal als Tragödie, das andere Mal als Farce.“, siehe Marx, Brumaire, S. 115. 334 Siehe ausführlich unten D. III. 335 Siehe ausführlich unten D. III. 3. 336 So explizit Zeidler, damaliger PräsBVerfG zit. nach Fromme, Demokratie S. 49; vgl. weiter Boventer, Grenzen, S. 240 Fn. 2. 337 Vgl. hier nur etwa Häberle, JZ 1971, 145. 338 Vgl. hier erneut Schulz, Grundordnung, S. 366 passim aus linksradikal-/extremer Per­ spektive. 339 Vgl. etwa Meier, RuP 2019, 375. 340 Vgl. Maurer, AöR 96 (1971), 203; zust. Stollberg, Grundlagen, S. 22.

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sam schützender „reiner“ Demokratie angelangt, das bereits erkennbar enttäuscht wurde, was eben zur zentralen Wurzel gerade der FDGO wurde. Auf die zeitlose, wiewohl bereits in sich widersprüchliche Forderung unter Verzicht auf die FDGO nach „Vertrauen alleine auf den mündigen Bürger, ohne den es keine verteidigbare freiheitliche Demokratie gäbe“,341 bei gleichzeitiger empirischer Feststellung seiner Irrationalität sowie historischer Widerlegung gerade dieses blinden Vertrauens, u. a. in den (gleichwohl durchaus bereits teilweise wehrhaften) 1920er/30er Jahren, ist hier nicht mehr weiter einzugehen.342 (2) Auf der anderen Seite findet sich das Petitum, den Selbstschutz der Bürger in den Wirkungsweisen der FDGO nicht zu vernachlässigen. Anknüpfend an die Verfassungsgenese343 ist damit eine gewünschte Leitbildwirkung der FDGO verbunden, als allgemeiner Integrationsanker und als klare und konsentierte Abgrenzung im Umfang zwischen erlaubten und inakzeptablen Ideen, Ansichten und Handlungen. Weitergehend ist vor allem für die frühe und wiedervereinigte Bundesrepublik wie für andere Transformationsstaaten die Erziehungswirkung im Inhalt besonders hervorzuheben. Danach ist es die beste Sicherung der liberalen Demokratie, „wenn durch Garantie ihrer äußeren Funktion eine Vor-Ord­ nung geschaffen wird, aufgrund derer die Wahrnehmung der demokratischen Rechte im demokratischen Sinn zur Selbstverständlichkeit wird“.344 Das Konstrukt muss dabei auch einen Beitrag leisten, die Attraktivität der freiheitlichen Demokratie gegenüber autokratischen oder totalitären populistischen Alternativen auch gegen eine kritische Minder- oder gar zeitweise Mehrheit rational ebenso wie emotional und in den anderen Formen der Legitimation Webers begründen zu können.345 c) Weitere alternative Definitionsansätze Die Versuche alternativer Definitionen erscheinen indes dem Ansatz des BVerfG zumindest prima facie nicht überlegen. Von extremer Seite wird vor allem angestrebt, die Geltung der FDGO bzw. der universalen Prinzipien der Menschenwürde, Rechtsstaatlichkeit und Demokratie mit z. B. nationalistisch-rassistischen oder religiösen Gegenbildern schlicht zu negieren. Neuerdings wird weit stärker versucht, sich propagandistisch auf demokratische Freiheit des Volkes und das Grundgesetz unter gänzlicher Ignoranz des tatsächlichen Inhalts zu berufen. Demgegenüber werden seit Beginn der Diskussionen um die FDGO Versuche unternommen, sie 341

Vgl. etwa Lameyer, Demokratie, S. 206 ff. sowie passim. Vgl. dazu eingehend bereits Fahrner, Vulnerabilität, v. a. S. 106 ff., 250 ff., 300 ff. 343 Siehe oben I. 3. c) ee). 344 So Fromme, Verfassung, S. 188. 345 Vgl. hier bemerkenswert für die Probleme der Erziehung zur Demokratie 1919 wie 1945 aus Sicht eines NS-Belasteten Eschenburg, Staat, S. 494; daneben Jahrreiß, FS Thoma, S. 72 (80 f.); allgemein Fromme, Verfassung, S. 188. 342

III. Kritik und alternative Konzepte in der Literatur 

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für sozialistische Systemelemente (historisch damit: eine innerdeutsche Annäherung der „Systeme“) zu öffnen: aa) Vor allem in Folge der Entspannungspolitik der 1970er Jahre sind akademische Anstrengungen zu beobachten, die FDGO für eine Vereinbarkeit mit einem nicht totalitären oder autoritären Kommunismus bzw. Sozialismus zu öffnen.346 Diese Vereinbarkeit postulierten exemplarisch etwa Stollberg347 und, ihm folgend, Lautner als denkbar.348 Alle in diese Richtung entwickelten Ansätze sind zunächst geprägt dadurch, die Volkssouveränität und Demokratie – vergleichbar der Gewalteneinheit bereits in der Verfassung der DDR von 1949349 – zum höchsten, zentralen Wert zu erklären.350 Eine echte Gewaltenteilung fehlt explizit.351 Nicht nur die Verantwortlichkeit der Regierung wird verengt auf die Abrufbarkeit durch das Volk oder andere Organe.352 Sondern garantiert werden sollen nur justizförmig organisierte, weisungsunabhängige und unparteiliche Kontrollorgane. Jede personelle Absicherung der Gerichte durch Schutz vor jederzeitiger (?) Abberufbarkeit durch das Volk fehlt, ebenso wie ein Recht auf den gesetzlichen Richter.353 Erkennbar wirken hier die überaus problematische Vorstellungen eines sozialistischen Rechtsstaats u. a. aus der DDR-Dogmatik fort,354 die etwa in Gestalt der bald ihrer Gründung folgenden rechtsstaatswidrigen Waldheimer Prozesse oder ihrer Praktiken der gesteuerten Rechtsprechung für die Schöpfer des Grundgesetzes gerade gänzlich inakzeptables Gegenbild waren.355 Darin fügt sich schließlich das Be­streben, das Entscheidungsmonopol beim Parteiverbot nach Art. 21 GG möglichst der Gerichtsbarkeit zu entziehen, mit der Behauptung, diese werde dadurch „politisiert“ (bezeichnend für den rein politische Blick, statt umgekehrt eine vorteilhafte rechtsstaatliche Entpolitisierung anzuerkennen).356 Zweitens wird die individuelle Perspektive und die rechtsstaatliche Sicherung ihrer Freiheit weiter verengt: So wird nicht selten gefordert, die Konstruktion der streitbaren Demokratie und damit der FDGO alleine als offenen Diskurs immer neuen Auslotens der Demokratieformen, allerdings unter dauerhaften Bestand der individuellen Grundrechte als Ausgangspunkt zu verstehen.357 Weitergehend ver 346 In diesen Kontext werden etwa von Jesse, Überlegungen, S. 29 (43) auch die verfassungshistorischen Arbeiten von Scherb, Verfassungsgebung, 46 ff. gestellt, wonach bei Schaffung der FDGO zunächst kein antikommunistischer Konsens bestanden habe. 347 Stollberg, Grundlagen, S. 38 ff. 348 Lautner, Grundordnung, S. 45 ff. 349 Vgl. Art. 50 VerfDDR 1949. 350 Vgl. etwa Lautner, Grundordnung, S. 36 ff. 351 Ebd., S. 45 f. 352 Ebd., S. 48. 353 Ebd., S. 49. 354 Vgl. namentlich auch Fahrner, Vulnerabilität, v. a. S. 27 ff., 53 ff., 208 m. w. N. 355 Vgl. Fahrner, Staatsschutzstrafrecht, § 2 Rn. 37 ff.; Vormbaum, Strafrecht, 22, 52 ff.; ­Klonovsky / von Flocken, Lager. 356 Vgl. dazu Scheuner, DVBl. 1952, 293 (297); Stollberg, Grundlagen, S. 56 ff. 357 Vgl. etwa Jaschke, Demokratie, S. 303, 305 m. w. N.

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B. Fundus und Kritik

steht Lautner bereits unter „freiheitlich“ nur die Abgrenzung der Demokratie von totalitären bzw. autoritären „Volksdemokratien“.358 Für ihn war das Kernstück der FDGO „die Nichtwillkürlichkeit und Verhältnismäßigkeit staatlichen Handelns (Sicherheit)“, darin eine Sozialorientierung, bestehende Kommunikationsfreiheiten und implizierte demokratische Mitgestaltungsrechte.359 Unter Gesetzmäßigkeit sei nur die Bindung von Exekutive und Gerichten an den Volkswillen, verbunden mit Postulaten der (Rechts-)Sicherheit zu verstehen.360 Ähnlich versteht Čopić sie alleine als antitotalitäres Gegenbild zum NS-Staat mit Sicherungen der Grundrechte und vor einem neuen Ermächtigungsakt.361 Mit der Fokussierung von Stollberg auf die Gewährleistung der demokratischen Willensbildung und -durchsetzung würde die Sicherung von Rechtsstaatlichkeit, Grundrechten und individueller Freiheit zu einem sekundären Element und der „Willkür der Mehrheit“ preisgegeben, erkennbar auch im Verzicht auf die Einbeziehung des Wahlgeheimnisses und der Wahlunmittelbarkeit, und damit möglicher Einschüchterungs- und Verzerrungs-/Immunisierungseffekte.362 Diese naive oder bewusste Ausblendung nur in einem Idealstaat ausgeschlossener Sanktionierungs- und Einschüchterungseffekte auf die Bürger ziehen sich fort in den Behauptungen, das Mehrheitsprinzip wäre bereits bei offener Meinungskundgabe gewahrt und könnte auch innerhalb einer Einheitspartei realisiert werden.363 Auch das umfasste Recht sowohl auf parlamentarische wie außerparlamentarische Opposition wird durch den möglichen faktischen Repressionsdruck entwertet.364 Drittens explizit ausgespart bleiben Garantien zur Wirtschafts- und Sozial­ ordnung365 mit Privateigentum, Berufsfreiheit und Privatautonomie, ebenso wie allgemein der Ausgang von individueller subjektiver Freiheit sowie deren Sicherung. Darin fügt sich die Forderung nach einer antifaschistischen Interpretation des Grundrechtekatalogs.366 bb) Daneben finden sich wenige ausformulierte Gegenentwürfe.367 Unter den mittlerweile gealterten scheint vor allem noch jener von Hartmann zu erwähnen, wonach eine Verletzung der FDGO nur dann vorliegen soll, wenn Bedingungen für mögliche Menschlichkeit beseitigt, d. h. wissenschaftlich erkennbare Mechanismen kollektiver Unmenschlichkeit ausgelöst werden sollen.368 In seiner Orientie­ 358

Lautner, Grundordnung, S. 69. Ebd., S. 70. 360 Ebd., S. 48. 361 Čopić, Grundgesetz, S. 1 ff.; vgl. etwa Schmitt-Lermann, Januarbeschlüsse, S. 63 (65 ff.). 362 Stollberg, Grundlagen, S. 38 ff.; zu den Auswirkungen siehe näher bereits Fahrner, Vulnerabilität, v. a. S. 144 ff., 194 ff. 363 Lautner, Grundordnung, S. 50 f. 364 Ebd., S. 52. 365 Ebd., S. 65 ff. 366 Etwa bei Kutscha, Martin: Verfassung, S. 56 ff., 75 ff. 367 Vgl. etwa die weitgehend phänomenologische Ausbreitung nahezu des gesamten Verfassungssystems Schäfer, Grundordnung; krit. hierzu bereits Jesse, Überlegungen, S. 29 (42 f.). 368 Hartmann, AöR 95 (1970), 567 ff. 359

III. Kritik und alternative Konzepte in der Literatur 

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rung an Sozial- und Verhaltenswissenschaften erweist er sich allerdings als noch weit unpräziser und weniger operationalisier- und subsumierbar als die Definition des BVerfG.369 cc) Zuletzt hat Nichelmann mit dem Ansatz einer systemtheoretisch begründeten sozialtheoretischen Analyse der FDGO versucht, neben Problembeschreibungen Lösungsansätze gegen eine zu extensive Auslegung zum Nachteil der bürgerlichen Freiheitssphären zu liefern.370 Diese Interpretation kleidet in vielem die bisherige dogmatische Kritik an der „streitbaren Demokratie“ und ihre Wertbehaftung lediglich in eine neues Gewand. Zusätzlich unterliegt die weitere Argumentation an den Wurzeln des Rechts- gegenüber Wissenschaftssystems den geradezu üblichen Problemen der Luhmannschen Metatheorie, einzelne Konkretisierungen aufgrund der großen „Fallhöhe“ wenig strikt und nur unter Inanspruchnahme von ad hoc Hypothesen und hermeneutischen Setzungen begründen zu können.371 So birgt es aus dogmatischer Sicht kaum neue Gewinne, die bekannten Probleme der Abgrenzung der Freiheit zur Abwehr von Gefahren und der Systemgerechtigkeit schlicht darin einzuordnen.372 Allerdings weist sie den Weg über funktionale Vorbestim­ mung zu einer präzisen Bestimmung gerade der Komponenten der Freiheit und Demokratie, welche für die Begründung der FDGO tatsächlich, auch außerhalb der binären systemtheoretischen Codierungsansätze, aussteht.373 dd)  Hingegen nicht primär an der tatbestandlichen Bestimmung der FDGO, sondern an ihrer Funktion setzt jene Ansicht an, die in den Vorschriften namentlich von Art. 18, 21 GG vor allem einen abgegrenzten garantierten Freibereichs verfassungsfeindlicher Betätigung und daraus entsprechende Abwehrrechte gegen staatliches Einschreiten erkennen will.374

3. Zwischenergebnis Aus der vielfältigen Kritik erscheint die FDGO klärungsbedürftig, trotz und gerade wegen der Verankerung im Verfassungstext, der historischen Begründung und den Definitionen des BVerfG. Dies betrifft ihre Kohärenz mit den weiteren Verfassungsnormen, namentlich dem Begriff der Verfassungsordnung und sonstigen Normen des Selbstschutzes der Verfassung, vom BVerfG gefasst unter die Topoi wehrhafter bzw. streitbarer Demokratie. Demgegenüber stehen die nötigen Präzisierungen im Sinne der Akzeptanz, Plausibilität, Rechtsklarheit und -sicher 369

Vgl. auch Stollberg, Grundlagen, S. 35 ff. Nichelmann, Grundordnung, S. 67 ff., 201, passim. 371 Vgl. etwa zum Willkür- und Diskriminierungsverbot bei Nichelmann, Grundordnung, S. 139 ff.; zum Problem systemtheoretischer Ansätze bereits Fahrner, Landfrieden, S. 16 ff.; sowie spezifisch mit strafrechtlichem Bezug die anstehende Habilitationsschrift. 372 Vgl. bei Nichelmann, Grundordnung, S. 139 ff. 373 Vgl. Nichelmann, Grundordnung, S. 145 ff. 374 Vgl. zum Ganzen oben bereits 1. b) sowie unten F. I. 1. 370

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B. Fundus und Kritik

heit sowie auch Flexibilität und Fortschrittsoffenheit gegen Bedenken (potentiellen oder gar realen) autoritären einseitigen Missbrauchs gegen Opposition, bis zum Ausbruch kontraproduktiver Konflikte, Gewalt oder Umwälzungen. Dafür bessere Alternativen zur Definition nach rechtsimmanenten Prinzipien sind nicht dargetan. Jedoch bedarf es der systematischen Klärung der Verankerung und Konstruktion der FDGO. Diese sollte zwar die Koppelungen des Rechtssystems an soziale und politische Wirklichkeiten und damit Verbindungen zu den entsprechenden normativen und empirischen Sozialwissenschaften aufgreifen. Allerdings bietet sich nach den genannten neuesten Ansätzen (jenseits einseitigen Bezugs auf die Systemtheorie) an, möglichst aus dem und (aus den sozialen Anbindungen) über das normative System notwendige Funktionsanforderungen an die FDGO zu identifizieren (vgl. unten C.) und daraus erste präzisere Folgerungen für die Identifizierung, Funktion und Abgrenzung im System der Verfassung (D.) und schließlich eine tragfähige verfassungsdogmatische Konstruktion (E.) und ihre Ableitungen (F.) zu gewinnen.

C. Funktionsanforderungen I. Menschenwürde und Subjektivismus Die Menschenwürde bildet nicht nur in der jüngsten Definition des BVerfG eine zentrale Komponente der FDGO und ist dadurch innerhalb deren Bestandes geschützt. Sie muss als fundamentales Grundprinzip auch ihrerseits die FDGO prägen. Dies gilt nicht nur auf der Ebene einzelner abgeleiteter Regeln und Prinzipien, sondern auch deren methodischer Ableitung selbst. Jene als vermeintlich zu unpräzise gestrichene Deklamation in Art. 1 I HChE des Konvents, der „Staat ist um des Menschen Willen da …“ wirkt in Art. 1 GG und als grundsätzliches Prinzip der Rechtsauslegung des und unter dem GG fort.1 In der Menschenwürde spiegelt sich nicht nur die Erfahrung mit der willkürlichen Gewaltherrschaft des NS-Staats, welche gerade sie verachtete, sondern die Quintessenz der gesamten abendländischen Kulturentwicklung ebenso wie die großen globalen Menschenrechtsfixierungen,2 namentlich die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte.3 1. Ohne weiteres schließt dies bereits jede Legitimierung bzw. Sinngebung des Staates als (primär gedachtes) Kollektiv aus, das einen eigenen Zweck erfüllte. der von den Individuen insoweit abstrakt wäre, dass diese nur dem zu dienen bestimmt wären und ihr Wohlergehen allenfalls aus dieser Zweckdienlichkeit mittelbar von Relevanz wäre.4 Dabei spielt es keine Rolle, in welcher Form ein solcher Kollektivismus formuliert oder zu legitimieren versucht wird: Ob dieser Staat selbst etwa der Verwirklichung einer göttlichen Ordnung und – damit Herrschaft – oder nur dem Selbsterhalt der aktuellen Herrscher dienen soll, erscheint gleichgültig. Nichts anderes gilt, wenn dies verbrämter zur Allmacht des Kollektivs über alle anderen Individuen oder andere Gruppen dienen soll. Legitim können vielmehr nur ein Staat und damit seine Grundordnung sein, welche die Menschheit in jeder einzelnen Person als Zweck und nicht bloß als Mittel behandeln.5 1 Vgl. Nawiasky, Grundgedanken, S. 18 ff.; vgl. auch etwa Art. 1 LV WB; Art. 122 LV BA; Art. 5 LV WH. 2 Vgl. ParlR, Grundsatzsausschuss 23. 9. 48, StenoProt. S. 5, 8, 9; JöR 1 (1951), S. 48 ff.; Heuss, ParlRAkt V, S. 44; Zinn, ParlRAkt V, S. 66; zu den Beratungen über die vorstaatliche Dimension der Menschenwürde und Menschenrechte umfassend Enders, Menschenwürde, S. 414 ff.; weiter nur etwa MKS-Starck, Art. 1 GG Rn. 4; eindrücklich v. Münch / Kunig / Kunig /  Kotzur, Art. 1 GG Rn. 2 ff. 3 Vgl. prominent in Abs. 1 der Präambel benannt, UN GA A / R ES/217a (III) sowie dort weiter als Bezugnahme des gesamten Normtextes und in Art. 1 AEMR. 4 BVerfGE 2, 1 (15 f.). 5 So die Umformung von Kielmansegg, Volkssouveränität, S. 258 nach Kant, Metaphysik, S. 79.

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C. Funktionsanforderungen

2. Auf der Ebene der Verfassungsnormen wird dies neben dem besonderen Gebot der Menschenwürde in Art. 1 I GG in den konkreten grundrechtlichen Freiheiten ebenso wie den, auf diesen aufbauenden, staatlichen Prozessen und Funktionsweisen verankert. Die Meinungsbildung und Geistesfreiheit des Einzelnen vom Staat stellen insoweit einen Übergang zur wissenschaftlichen Deutung von diesem selbst dar, wie das BVerfG ausführt: „In der freiheitlichen Demokratie ist die Würde des Menschen der oberste Wert … Der Mensch ist danach eine mit der Fähigkeit zu eigenverantwortlicher Lebensgestaltung begabte ‚Persönlichkeit‘. Sein Verhalten und sein Denken können daher … nicht eindeutig determiniert sein. … Um seiner Würde willen muss ihm eine möglichst weitgehende Entfaltung seiner Persönlichkeit gesichert werden. Für den politisch-sozialen Bereich bedeutet das, dass es nicht genügt, wenn eine Obrigkeit sich bemüht, noch so gut für das Wohl von ‚Untertanen‘ zu sorgen; der Einzelne soll vielmehr in möglichst weitem Umfange verantwortlich auch an den Entscheidungen für die Gesamtheit mitwirken. Der Staat hat ihm dazu den Weg zu öffnen; das geschieht in erster Linie dadurch, dass der geistige Kampf, die Auseinandersetzung der Ideen frei ist, dass mit anderen Worten geistige Freiheit gewährleistet wird. Die Geistesfreiheit ist für das System der freiheitlichen Demokratie entscheidend wichtig, sie ist geradezu eine Voraussetzung für das Funktionieren dieser Ordnung …“6. 3. Die beobachtete „Blässe des grundgesetzlichen Menschenbildes“ als Folge der Offenheit der Verfassung für völlig unterschiedliche Lebensperspektiven,7 scheint die Übertragung der Menschenwürde durch das BVerfG und weiter Teile der Verfassungslehre auf einen methodischen judicial restraint widerzuspiegeln. Jede heteronome Projektion in den Willen des Einzelnen durch von außen an ihn angelegten Maßstab soll richtigerweise nach aller Möglichkeit vermieden wer­ den.8 Wie im Weiteren zu zeigen sein wird, setzt sich dies indes in problema­tischer Weise in der Auslegungstradition auf den Ebenen der Freiheit und Demokratie, fort.9 Angesichts gerade der Bedrohungen, denen die FDGO entgegenwirken soll und muss, verwehrt diese Denkschablone einer „inhaltsfreien Rahmenordnung“ vorhandenen und nötigen rechtlichen Abwehr- und Schutzmechanismen eine kohärente Fundierung. 4. Demgegenüber scheint ein relativerer Ansatz geboten: Das soziale Zusam­ menleben bedingt stets die Notwendigkeit von Staat und Recht als überindividuell. Mit jeder normativen oder empirischen Aussage zu und in deren Systemen wird in die Sphäre der Individuen übergegriffen. Realisierbar wie zwingend erscheint aus dem Gebot der Menschenwürde allein, dass die Individualität jedes Menschen den

6

BVerfGE 5, 85 (203 ff.). So DHS-Herdegen, Art. 1 GG Abs. 1 Rn. 28: auch hinter manchem landesverfassungsrechtlichen Leitbild zurückbleibend. 8 Vgl. Fraenkel, Demokratien, S. 329 ff. zur Heteronomie. 9 Siehe bereits Fahrner, Vulnerabilität, S. 43 ff., 55 ff. sowie speziell zum Freiheitsbegriff eingehend die anstehende Habilitationsschrift. 7

II. Pluralismus  

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Ankerpunkt der Staat- und Rechtstheorie und -dogmatik bilden muss.10 In diesen Rahmen fügt sich auch der Ansatz des BVerfG, wonach alle staatliche Entscheidung den Eigenwert der Person zu achten und die Spannung zwischen Person und Gemeinschaft im Rahmen des auch dem Einzelnen zumutbaren auszugleichen haben, um „jede wirkliche Unterdrückung des Bürgers durch den Staat“ auszuschließen.11 Staat und Recht sind am Nutzen für das Individuum12 zu messen, aber ebenso daran, dieses nur in unabdingbaren Maß unmittelbar normativ und mittelbar in empirischen Unterstellungen bzw. „Projektionen“ determinieren zu wollen. Ausgeformt kann dies erkannt werden in den Grundformen der Freiheit und Demokratie, ebenso wie in funktionellen Bedingungen freiheitlich demokratischer staatlicher Verfassungsordnung namentlich des Pluralismus, der Friedens- und Fortschrittsfunktion. Ohne einer präziseren Definition der Freiheit vorzugreifen,13 folgt aus dem rechtsgrundlegenden Gebot der Menschenwürde, jeden Menschen als Subjekt zu (betr)achten. Damit ist als normatives Konstruktionsprinzip einer überindividuell-­ sozialen Ordnung nicht vom Grundsatz verobjektierter fester Wertungsmaßstäbe auszugehen, sondern von den jeweiligen Verhaltenserwartungen aus Sicht der Individuen. Diese sind deskriptiv-hermeneutisch zugänglich zu machen: Wie die politische Praxis, darf auch die Theorie, die sie erfassen will, den individuellen Subjekten nicht ihre Bedürfnisse, Zwecke und Ziele oktroyieren, sondern muss diese als externe Größen frei lassen. Dies gilt uneingeschränkt in präskriptiver Hinsicht. In deskriptiver Hinsicht hingegen darf ein um Realitätstauglichkeit bemühtes Modell ebenfalls keine festen Ziele und Zwecke in den jeweiligen Individuen voraussetzen. Gleichwohl muss es sich diesen annähern, um vernünftiges Verhalten als Aktion und Reaktion in der Interaktion möglich zu machen, um empirisch bestehende Systeme zu modulieren, wie daraus Verhaltens- und Strukturempfehlung ableiten zu können. Insofern ist eine hermeneutisch-analytische Herangehensweise, die sich ihres eigenen Charakters als Annäherungs- und Brückentheorie mit permanentem Fortentwicklungspotential stets bewusst ist, am besten geeignet, zur Grundlage einer deskriptiven wie normativen Modellbildung zu werden.

II. Pluralismus Bereits mit der KPD-Entscheidung hat das BVerfG die FDGO in Verbindung zum Pluralismus gebracht: Das Grundgesetz nehme aus der Vielfalt von Zielen und Wertungen, die in den politischen Parteien Gestalt gewonnen haben, gewisse

10 Vgl. auch Häberle, HdbStR II, § 22 Rn. 67; ders., Kulturwissenschaft, S. 623 f.; ders. /  Kotzur, EuVerfL, Rn. 839; vgl. auch v. Münch / Kunig / Kotzur, Art. 20 GG Rn. 48. 11 BVerfGE 5, 85 (204 f.). 12 Vgl. allerdings in dieser Richtung BVerfGE 5, 85 (197). 13 Dazu eingehend die anstehende Habilitationsschrift.

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C. Funktionsanforderungen

Grundprinzipien der Staatsgestaltung heraus, die als absolute Werte anerkannt und deshalb entschlossen gegen alle Angriffe verteidigt werden sollen; soweit zum Zwecke dieser Verteidigung Einschränkungen der politischen Betätigungsfreiheit der Gegner erforderlich seien, würden sie in Kauf genommen. Das Grundgesetz habe also bewusst den Versuch einer Synthese zwischen dem Prinzip der Toleranz gegenüber allen politischen Auffassungen und dem Bekenntnis zu gewissen unantastbaren Grundwerten der Staatsordnung unternommen.14 Es kann – auch nach der Rspr. des BVerfG – als anerkannt gelten, dass eine freiheitlich demokratische Grundordnung selbst ihre pluralistische Ausformung bedingt und durch diese bedingt ist. Dies betrifft primär die Weltanschauung (1.), das Gemeinwohl (2.) und die Rechtshermeneutik v. a. der Verfassung (3.), sekundär die Organisation innerhalb des demokratischen Gemeinwesens.15

1. Weltanschauungspluralismus a) Neutralitätspflicht Der menschenwürdige Staat darf keinem Individuum eine Weltanschauung oder einen Glauben oktroyieren.16 aa)  Jenseits der etwas engeren Definitionen des BVerfG, die transzendenten Glauben und weltimmanente Weltanschauung gegeneinandersetzen,17 kann zur Anschlussfähigkeit an die aktuellen Debatten des weltanschaulichen Pluralismus sinnvollerweise auf die weite Definition der Weltanschauung – etwa von Rawls – zurückgegriffen werden. Unter ihm ist danach eine Konzeption zu verstehen, welche Antworten auf die wichtigsten Bereiche des menschlichen Lebens in einen kohärenten Zusammenhang bringt, dadurch grundlegende normative Orientierung liefert und rechtfertigende Kraft besitzt.18 bb) Das genannte Verbot eines Weltanschauungsoktroi bedeutet nicht lediglich, dass der Staat gegenüber „abweichenden Weltanschauungen“ nur tolerant sein muss,19 wie es etwa bestimmte muslimische Staaten gegenüber den anderen abrahamitischen Religionen – mit Ausnahme der geförderten Konvertierung oder Apostasie – behaupten. Viel weiter gehend, darf der Staat selbst keine Weltanschauung verkörpern. Stattdessen hat er die friedliche Koexistenz unterschiedlichster Welt­ 14

BVerfGE 5, 85 (139). Zu letzterem eingehend Fahrner, Vulnerabilität, v. a. S. 130 ff. sowie in strafrechtlicher Hinsicht die anstehende Habilitationsschrift. 16 Vgl. etwa Hesse, Grundzüge, Rn. 159 m. w. N.; vgl. auch insoweit richtig Dreier, RW 2010, 11 (13); zur Rolle für die FDGO auch im Ansatz Gusy, AöR 105 (1980), 279 (293). 17 Vgl. etwa nur Hömig / Wolff, GG, Art. 4 Rn. 5 m. w. N. 18 Vgl. Voice, Doctrine, S. 126 ff.; vgl. Hildt, Pluralismus, S. 41, 44 ff. m. w. N. Fn. 31. 19 Vgl. aber noch in der Begründung unklarer etwa BVerfGE 52, 223 (247) m. w. N. 15

II. Pluralismus  

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anschauungen zu organisieren. In dieser Erkenntnis reflektieren sich die leidvollen historischen Erfahrungen der Staatswerdung in den europäischen Religionskriegen und vor allem der jüdischen Emanzipation. Sie gipfeln auch in den Feststellung des BVerfG, dass der Staat, in dem Anhänger unterschiedlicher oder gar gegensätzlicher religiöser und weltanschaulicher Überzeugungen zusammenleben, die friedliche Koexistenz nur gewährleisten kann, wenn er selber in Glaubensfragen Neutralität bewahrt und sich nicht mit bestimmten Religionsgemeinschaften oder Weltanschauungen als solchen identifiziert.20 Vielmehr muss er den Raum für die aktive Betätigung der Überzeugung und die Verwirklichung der autonomen Persönlichkeit auf weltanschaulich-religiösem Gebiet sichern.21 Verankert ist dies in der konkreten Verfassungsordnung nicht nur in Art. 4 GG22 bzw. dem zugrundeliegenden transkonstitutionellen Menschenrecht, sondern auch in der zur FDGO gehörenden Menschenwürde.23 Die freiheitliche Ordnung muss von Offenheit gegenüber der Vielfalt weltanschaulich-religiöser Überzeugungen gekennzeichnet sein; dies muss sich auf ein Menschenbild gründen, das von der Würde des Menschen und der freien Entfaltung der Persönlichkeit in Selbst­bestimmung und Eigenverantwortung geprägt ist.24 In diesem ersten Sinn hat die freiheitlich demokratische Grundordnung pluralistisch zu sein, d. h. die gleich­berechtigte Koexistenz unter­ schiedlicher und entgegengesetzter Weltanschauungen als legitim zu betrachten und ihre Integration in das Gemeinwesen anzuerkennen. b) Rolle der FDGO Der freiheitlich demokratischen Grundordnung muss die Funktion als unabdingbares Fundament und Gerüst dessen erfüllen, was der Staat als Normen (und ggf. Werte) von allen rechtlich betroffenen Individuen verlangen kann. Aus Sicht des Staates kann daher die Debatte, etwa zwischen Dworkin, Korsgaard, Rawls und Raz, an dieser Stelle dahin stehen, ob und wie darüber hinaus eine generelle oder partielle Vereinbarung über Werte oder die Vorstellungen des Guten zustande kommen kann.25 Eine strikte Trennung ethischer Werte des individuellen guten Lebens

20 BVerfGE 19, 206 (216); 24, 236 (246); 93, 1 (16 f.); 108, 282 (300); etwa schwächer zuvor noch BVerfGE 19, 1 (8); auch dort, wo er mit ihnen zusammenarbeitet oder sie fördert, darf dies nicht zu einer Identifikation führen, vgl. BVerfGE 30, 415 (422); 33, 23 (28), st. Rspr.; zur Identifizierung mit der Weltanschauung als solcher und nicht nur des kulturellen äußeren Erbes etwa bei der Auswahl von Feiertagen vgl. BVerfGE 143, 161 (195 f.). 21 BVerfGE 41, 29 (49); 93, 1 (16); 138, 296 (339). 22 Etwa auch in Art. 3 III, 33 I sowie Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 136 I, IV, 137 I WRV. 23 Explizit, allerdings ohne nähere Ausformung BVerfGE 108, 282 (305). 24 BVerfGE 138, 296 (339); vgl. ähnlich bereits ausführlich vgl. BVerfGE 41, 29 (49 ff.); 108, 282 (300 f.). 25 Vgl. Dworkin, Virtue, S. 5; ders., Hedgehogs, S. 202 ff.; Korsgaard, Normativity, S. 103 ff.; Rawls, Justice, S. 11 ff.; Raz, Morality, S. 395; Scanlon, Owe, S. 143, 191; vgl. Hildt, Pluralismus, S. 28 ff., 86 ff.; äußerst kritisch dazu etwa auch Sommer, Werte.

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C. Funktionsanforderungen

von Normen des universal moralisch Richtigen26 scheint insoweit auszugrenzen von eigenen Werten und Normen des Rechtssystems, die jenseits weltanschaulicher (Ein-)Gebundenheit liegen, und gleichwohl als etwas, was als „gut“ befördert werden soll, umschrieben werden kann.27 Die FDGO bietet mindestens jenen äußeren freiheitlichen Grundgehalt, der wiederum den normativen Rahmen für die Partizipation ethischer Freier28 im Gemeinwesen (über-)setzt.29 Auf der anderen Seite vermeidet die auf das äußere friedliche und freiheitliche Gemeinwesen reduzierte Konzeption eine liberale Weltanschauungszirkularität oder -spirale eines immer enger gefassten „Akzeptablen“.30 Hierfür muss die FDGO jedoch ebenfalls eben selbst weltanschaulich neutral sein.31 Das bedeutet, sie muss im Sinne Rawls eine freistehende Rechtfertigung sein, die keine weltanschaulichen Elemente verwendet und mit guten Gründen als Weltanschauungen übergreifender und vorgehender Konsens erscheint,32 zumal sie die Kriterien der weltanschaulichen Wahrheit durch die politische Vernünftigkeit ersetzt bzw. ergänzt.33 Insoweit muss die FDGO unabhängig und übergreifend zu Weltanschauungen konstituiert sein.34 Dies kann sie, wenn sie die Konstruktion von Höffe aufgreift als „sozialtranszendentaler Interessen“, nämlich „Bedingungen, auf die kein Mensch verzichten kann, weil sie für jede Lebensform gültig sind und …, weil vom Zusammenwirken abhängig, der Vergesellschaftung bedürfen.“35 Daraus lässt sich komprimiert36 folgende Argumentation gewinnen: Freiheit ist kantianisch Bedingung jedes moralischen Gesetzes, weil sie Grundlage des Erkennens der Möglichkeit moralischer Handlung überhaupt ist.37 Staatliche Zwangsge 26

Vgl. auch Habermas, Vernunft, S. 100 ff.; Forst, Rechtfertigung, S. 25 ff., 127 ff., 211 ff.; zum Wegfall bindender moralischer Begründungen im weltanschaulichen Pluralismus unter Einschluss etwa des Utilitarismus vgl. Habermas, Moral, S. 11 (12 ff., 20 ff.). 27 Vgl. für moralische Werte insbesondere Hildt, Pluralismus, S. 26 ff. 28 Vgl. Hildt, Pluralismus, S. 36 ff.; Dworkin, Virtue, 276 f.; zur sittlichen Freiheit vgl. die ausstehende strafrechtliche Abhandlung sowie verkürzt in Fahrner, Vulnerabilität, S. 51 f. 29 Vgl. ähnlich Hesse, Grundzüge, Rn. 160 f. 30 Hildt, Pluralismus, S. 38 ff., 54 ff., 60 ff. m. w. N., ebd., 146 ff. m. w. N. zum ähnlichen (anscheinenden) Vernunftparadox bei Kant. 31 Vgl. für alle insoweit auch Stern, StaatsR I, S. 570 m. w. N. allerdings in weiter nicht aufgeklärter Grundspannung zum Werteabsolutismus der FDGO. 32 Vgl. Rawls, Liberalism, S. 110 ff.; Larmore, The Journal of Philosophy 96 (1999), S. 599 (600); Özmen, Vorrang, S. 113 (116); Hildt, Pluralismus, S. 63 ff., 108 ff., 169 ff.; vgl. auch namentlich die Umsetzung unter Bezug von Verletzungen der FDGO bereits hier instruktiv BVerfGE 102, 370 (392 ff.). 33 Rawls, Liberalism, S. 137, 394. 34 Vgl. Hildt, Pluralismus, S. 78 ff.,177 ff. 35 Zum Ganzen Höffe, Globalisierung, S. 56 f., Zitat S. 57; vgl. insgesamt auch Hildt, Pluralismus, S. 179 ff. 36 Angesichts der Fragestellung muss hier auf eine grundsätzlichere Diskussion verzichtet werden, zu den Freiheitsbegriffen und -voraussetzungen ist auf die ausstehende abschließende strafrechtliche Abhandlung zu verweisen. 37 Die wiederum dazu führt, Freiheit zu erkennen, vgl. Kant, KpV, cap. V 4; Hildt, Pluralismus, S. 157 ff.

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walt kann nach Rawls als legitim angesehen werden, wenn alle Bürger als Freie und Gleiche ihr zustimmen können.38 Sieht man mit Gaus als Grundlage interpersonaler pluralistischer Ethik ein Bedürfnis jeder Person nach öffentlicher Rechtfertigbarkeit ihrer Ansprüche,39 so kann darin nicht zuletzt der verallgemeinerungsfähige Rechtswert der Gewalt- sowie Willkürfreiheit im Sinn von Rationalität und Plausibilität der Rechtfertigung des Handeln und Wollens erkannt werden, die wiederum auch auf die des Handelns staatlicher Amtswalter und Stellen im Sinne der FDGO zurückführen. Zusätzlich lässt sich an der Schwelle der darauf aufbauenden Gerechtigkeitstheorie mit Dworkin vernunftmäßig fordern, der Staat solle (insoweit) nur so verfahren, dass das Schicksal der Bürger nicht von ihren persönlichen Eigenschaften abhänge (Prinzip des equal concern).40 Entscheidende Bedeutung kommt zusammenfassend folglich über alle Weltanschauungen in einem pluralistischen Gemeinwesen einerseits dem Gewaltverzicht bzw. der -freiheit,41 und dem Verzicht auf einen Absolutheitsanspruch der eigenen Weltanschauung42 andererseits Freiheit und Gleichheit als unabdingbare Voraussetzungen für die Verfolgung beliebiger Wertsysteme zu.43

2. Gemeinwohlpluralismus, Spielregeln und Grundwerte a) Pluralistisches Gemeinwohl Der namentlich von Fraenkel entwickelten politisch-normativen Theorie des Gemeinwohlpluralismus sind Verfassungslehre und -rechtsprechung gerade im Zusammenhang mit der funktionalen Bestimmung der FDGO nachhaltig gefolgt.44 Sie basiert auf der zentralen Prämisse, dass in einer ausdifferenzierten Gesell­ schaft „das Gemeinwohl“ lediglich a posteriori im Bereich der Politik erreicht werden kann. Es ist das Ergebnis dialektischer Prozesse der divergierenden Ideen und Interessen der Gruppen und Parteien. Damit kann es per se nur angestrebt, insbesondere aber nicht einseitig bestimmt werden.

38 Zu den „common human reasons“ vgl. Rawls, Liberalism, S. 90, 137; Hildt, Pluralismus, S. 113 ff. 39 Gaus, Liberalism, S. 160. 40 Dworkin, Virtue, S. 6. 41 Höffe, Globalisierung, S. 69. 42 Vgl. zur „schwachen Wechselseitigkeit“ Rawls, Liberalism, S. 49 f., 54, 137 f.; Hildt, Pluralismus, S. 75 ff. m. w. N.; Hesse, Grundzüge, Rn. 159 f. 43 Vgl. Hildt, Pluralismus, S. 36 ff.,189 f.; Kaufmann, Kantian Review 17 (2012), 227 (236 ff.); Dworkin, Virtue, S. 276 f. 44 Maßgeblich Fraenkel, Pluralismus, S. B8 ff., B28 ff.; ders., Demokratien, S. 153 ff., 300; Dettling, Demokratie, S. 62 ff.; vgl. hierzu und zum Folgenden insbesondere auch Di Fabio, Herrschaft, S. 224 ff.; Grimm, HdbStR I, § 1 Rn. 24; zur Konsenssuche bis in den politischen Raum vgl. Vorländer, Verfassung, S. 106 ff., 357 ff. dort auffällig gänzlich jenseits der FDGO.

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C. Funktionsanforderungen

Ausgangspunkt der Begründung Fraenkels dafür ist, dass ein objektives Gemeinwohl mit dem Wohl der Betroffenen korrelieren müsste. Die Aggregation bedürfte zwar selbst weiterer Klärung, wäre jedenfalls nicht ohne Diskussion z. B. einseitig trivial utilitaristisch45 vornehmbar. Weit darüber hinaus, kann jedoch das Gemeinwohl grundsätzlich nicht abstrakt vom jeweiligen Wohl der Einzelnen bestimmt werden: Was der Einzelne als sein Wohl einschätzt und verfolgt, kann wiederum, wenn man dem freiheitlichen Menschenbild konsequent folgt, nicht von außen bestimmt sein. Es wäre nicht nur eine gefährliche Utopie bzw. Eingang zu autoritären-totalitären Systemen, sondern mit den Gedanken des Subjektivismus unvereinbar, stattdessen von einer abstrakten Idee vom Menschen auszugehen und damit zu unterstellen oder zu gebieten, dass Einzelne im Politischen ohne Partikularinteressen handeln oder in der Masse völlig aufgehen sollten, statt aus jeweils von ihnen autonom bestimmtem individuellen Wohl zu handeln.46 Dieser Grundsatz würde ebenfalls verletzt werden, wenn der Staat zwar nicht unmittelbar in die Betroffenen hinein bestimmte normative Geisteshaltungen und Ziele zu setzen versuchte, jedoch vermittels eines Modells nur bestimmte derartige Haltungen anerkennen würde. Auch eine taugliche rechtswissenschaftliche Theorie muss daher – deskriptiv wie normativ – bei ihrer Modellierung das autonome Individuum und nicht nur das Verhalten des Staates ihm gegenüber zugrunde legen. Das BVerfG hat dies seit seinem KPD-Verbotsurteil in seiner ständigen Rechtsprechung weiter entfaltet. Für die freiheitliche Demokratie ist es danach unvereinbar, wenn für Ziele im praktisch-politischen Leben der Absolutheitsanspruch erhoben wird, weil daraus unvermeidlich politische Intoleranz folgt.47 Insbesondere lehnt sie jede Auffassung ab, dass die geschichtliche Entwicklung durch ein wissenschaftlich erkanntes Endziel determiniert sei und dass folglich auch die einzelnen Gemeinschaftsentscheidungen als Schritte zur Verwirklichung eines solchen Endzieles inhaltlich von diesem her bestimmt werden könnten. Vielmehr gestalten die Menschen selbst ihre Entwicklung durch Gemeinschaftsentscheidungen, die immer nur in größter Freiheit zu treffen sind. Das ermöglicht und erfordert aber, dass jedes Glied der Gemeinschaft freier Mitgestalter bei den Gemeinschaftsentscheidungen ist.48 Das Gesamtwohl wird daher nicht von vornherein gleichgesetzt mit den Interessen oder Wünschen einer bestimmten Klasse.49 Das Gemeinwohl bleibt somit im Ansatz unabhängig von einer bestimmten weltanschaulichen Wertethik und in diesem Sinn grundsätzlich „dezisionistisch“ in der Hand des politischen Prozesses.50 Ob überhaupt ein Gemeinwohl als a pos­

45

Mill, Utilitarism, S. 15 ff.; vgl. Weber-Schäfer, Demokratiediskussion, S. 431 (434 ff.). Vgl. Fraenkel, Demokratien, S. 42; Dorn, Verfassungssoziologie, S. 29 ff. 47 BVerfGE 5, 85 (206). 48 BVerfGE 5, 85 (197). 49 BVerfGE 5, 85 (198). 50 Vgl. auch Di Fabio, Herrschaft, S. 265 f. 46

II. Pluralismus  

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teriori Konstrukt bestehen kann oder vielmehr alleine der Prozess der Suche geradezu eschatologisch das Gemeinwesen und die staatlichen Prozesse legitimiert,51 kann dabei für die Fragen der Rahmenbedingungen der FDGO insoweit dahinstehen bleiben, da es bei ihnen vor allem darum geht, diese Prozesse dauerhaft zu sichern.52 b) Prozedurales Gemeinwohl Das Gemeinwohl wird sozusagen gespalten und teilweise auf eine prozedu­ rale Metaebene gehoben, indem es statt an statische Ziele an einen gelingenden Prozess innerhalb des politischen Gemeinwesens gebunden wird.53 Dieser geht zwar davon aus, dass die Akteure Vorstellungen des Gemeinwohls – wenn auch verschiedener Ausgestaltung – verfolgen. Er setzt aber vor allem die Funktionsfähigkeit des Prozesses voraus, der weiter grundsätzlich systemimmanent selbst zu bestimmen ist. aa) Verbindlichkeit Umso mehr bedarf es einer Legitimierung durch Regeln für diese Prozesse, die hinreichend als verbindlich gesichert werden. Das Gemeinwohl ergibt sich nicht automatisch aus dem freien Spiel pluralistischer Kräfte.54 Um diese Funktions­ fähigkeit zu sichern, ist auch für Fraenkel die Vorstellung des pluralistischen a posteriori Gemeinwohls zwingend von der Einhaltung von Regeln abhängig: „Eine jede funktionierende pluralistische Demokratie erkennt zwar die Notwendigkeit eines generell akzeptierten Wertkodex an, der neben verfassungsrecht­lichen Verfahrensvorschriften und Spielregeln eines fair play auch ein Minimum von regulativen Ideen generellen Charakters enthalten muss.“55 bb) Grundwerte Problematisch ist in der klassischen Pluralismus-Theorie Fraenkels das Axiom generell akzeptierter Werte. (1) Anders als von Fraenkel unterstellt, kann unter einem Weltanschauungspluralismus und seiner zunehmenden Wirkung in der offenen Gesellschaft nicht von 51 Vgl. allgemein kritisch zum a posteriori Gemeinwohl insbesondere Kremendahl, Pluralismustheorie, S. 451; Dorn, Verfassungssoziologie, S. 164 f. 52 Vgl. unten D. II. 2. c) und bereits Fahrner, Vulnerabilität, v. a. S. 34 ff., 91 ff., 144 ff. 53 Fraenkel, Pluralismus, S. B28 ff. 54 Dettling, Demokratie, S. 67. 55 Fraenkel, Pluralismus, S. B8; ders., Demokratien, S. 300, 354.

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C. Funktionsanforderungen

einem weitgehenden tatsächlichen consensum omnium auch in concreto56 ausgegangen werden – seien es „abendländische“, „christliche“, „humanistische“ oder sonstige „Leitwerte“.57 Dies ist aber auch nicht erforderlich.58 Es ist zuvorderst der Weltanschauungspluralismus auch im Hinblick auf „konsentierte Werte“ zu wahren, soweit man solche annimmt. (2) Nur solche Grundwerte, die für das Zusammenleben unabdingbar und letzt­ lich vom freien (und sozialen) subjektiven Individuum konstruierbar sind,59 sind mit der FDGO Aufhebungen und fundamentalen Änderungen zu entziehen und entzogen. Dazu zählen namentlich die Menschenwürde und das Bekenntnis zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt (Art. 1 I, II GG),60 verbunden die allgemeine Freiheitlichkeit61 und Friedlichkeit,62 sowie grundsätzliche Demokratie, welche wiederum für die weiteren Prozesse unabdingbar sind, diese aber nicht weiter als dazu nötig inhaltlich vorprägen.63 Diese „ewigen“ Werte sowie der zwingende Kern der rechtlich normierten Verfahrensvorschriften zur Gemeinwohlgenese64 kommen der FDGO zu, die in diesem Sinn so auch eine „wertgebundene Ordnung“ ist.65 Darüber hinaus haben auch die verfassungsimmanenten Werte der Änderbarkeit, wenn auch unter den erhöhten prozeduralen Anforderungen, grundsätzlich zu unterliegen. Das Konzept der Werte erweist sich als hilfreich für Funktionalitäten auch gerade der FDGO, jenseits der Inhalte der genannten Grundwerte bedarf es seiner zwingend jedoch nicht. (3) Daraus wird auch der Vorwurf einer „Tyrannei der Werte“66 seiner plausiblen Einfassung entkleidet.67 Jenseits des unabdingbaren Minimums gemeinsamer Grundwerte, die gerade weltanschaulich neutral sowie sonst plural und prozes-

56 Fraenkel, Pluralismus, S. B8 f.; ders., Demokratien, S. 300 f.; überzeugend krit. dagegen etwa Zerback, Vielfalt, S. 22 ff. 57 Vgl. hier nur Heinemann, Stimmen der Zeit 144 (2019), 451 (452) m. w. N.; auch hier die problematische naturrechtlich Deutung des Pluralismus bei Detjen, Neopluralismus, S. 203 ff. 58 Vgl. zur Integrationswirkung unten IV. 2. und bereits Fahrner, Vulnerabilität, v. a. S. 41 ff., 87 ff., 131 ff. 59 Vgl. gerade oben 1. 60 Fraenkel, Demokratien, S. 355 unter Berufung auf Art. 79 III GG. 61 Vgl. Di Fabio, Herrschaft, S. 229 ff. m. w. N.; Böckenförde, Gemeinwohlvorstellungen, S. 43 ff. (54 ff.). 62 Siehe sogleich unten IV. 63 Vgl. ähnlich BVerfGE 6, 32 (40 f.). 64 Fraenkel, Demokratien, S. 300. 65 BVerfGE 2,1 (12); 6, 32 (40 f.). 66 Vgl. das dezisionistische Spätwerk von Carl Schmitt, ders., Tyrannei; anschließend ­Böckenförde, Wertbegründung, S. 67 ff.; vgl. dazu etwa Heinemann, Stimmen der Zeit 144 (2019), 451 (453 ff.); Manterfeld, Grenzen, S. 28 ff.; allgemein bereits oben A. I. 3. b) bb) (1) (a), (2). 67 Da hier für eine umfassende Diskussion kein hinreichender Raum besteht, vgl. etwa nur Arnim / Brink, Rechtsbildung, S. 78 ff. m. w. N.; Reese, Verfassung, S. 65 ff., 140 ff., 224 ff.

II. Pluralismus  

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sual beschrieben sind,68 dürfen keine Werte absolut gesetzt werden. Beide bleiben zudem in Konstruktion und Auslegung Gegenstand hermeneutischer Diskurse.69 Diese zu sichern, ist aber gerade der „Wert“ der FDGO mit dem genannten Minimum an prozeduralen Grundwerten.70 Folglich bleibt dann von den genannten Anwürfen gegen Grundwerte der Verfassung nur der Versuch übrig, die im jeweils doppelten Sinn positiven und konstruktiven Integrationswirkungen der genannten Grundwerte sowie weiterer Wertediskussionen zu unterbinden. Dies zielt einmal mehr als Alternative auf die wert-lose reine Führer-Willkür71 gegen Freund und Feind und weit stärker zurück in die Zeiten ohne FDGO und den „Unwert der Menschenwürde“,72 als eine Über-Bewertung innerhalb der Diskurse des Gemeinwesens.73 Der grundlegenden Verankerung als unabdingbar für eine freiheitliche und demokratische Grundordnung ungeachtet, ist der weitere Charakter des Rechts als wertungsoffen und -bedürftig ohnehin unbestritten.74 Gleiches gilt dafür, dass – aber gerade aus ihren Grundwerten heraus – eine FDGO eben nur Rechtsgehor­ sam, nicht Wertgehorsam verlangen kann.75 cc) Spielregeln Für die praktische Geltung der FDGO weit bedeutsamer erweisen sich die rechtlichen „Spielregeln“. Vor allem sind die Regeln der Verfahren staatlicher Willensbildung strikt und im Kern nicht wirksam bestreitbar einzuhalten, damit Gemeinwohlziele legitimiert verfolgt werden können.76 Auch darin liegen vor allem die weiteren Komponenten der demokratischen menschenwürdigen Rechtsstaatlichkeit und Bestandteile der FDGO als ein Kern, wie nach dem BVerfG. „Dass diese Ordnung funktionieren, dass sie das Gesamtwohl schließlich in einer für alle zumutbaren Weise verwirklichen könne, wird durch ein System rechtlich gesetzter oder vorausgesetzter Spielregeln sichergestellt, die sich auf Grund der geschil 68 Durch diese „Fluchtpunkte“ allerdings liegt eben keine reine Tyrannei der Mehrheit vor, wie von Stolleis, APuZ, 3 (1978), S. 37 ff. behauptet. 69 Und dabei durchaus im Rahmen der Gewaltenteilung und Verantwortlichkeit sowie der Plausibilisierung an der Verfassung, vgl. zutr. Arnim / Brink, Rechtsbildung, S. 83 ff. gegen Forsthoff, FS Schmitt, S. 35 ff. (59) sowie auch Gusy, AöR 105 (1980), 279 ff. 70 Letztlich erweist sich damit auch die sich auf Hoffen verweisende Verzweiflung des ­Böckenförde-Diktums als vermeidbar, vgl. bereits Fahrner, Vulnerabilität, v. a. S. 75 ff. 71 Zur Willkürfolge bei fehlender Grundwertverankerung vgl. Detjen, Neopluralismus, S. 644. 72 Vgl. hier BGHSt 6, 46 (52); vgl. oben namentlich B. II. 2.; C. I. 73 Insoweit nicht nachvollziehbar Heinemann, Stimmen der Zeit 144 (2019), 451 (455 f.). 74 Vgl. Rüthers / Fischer / Birk, Rechtstheorie, § 7 Rn. 290aff., § 17 Rn. 579 ff. m. w. N. zu weiteren Werturteilsstreitigkeiten und ihrer letztlich geringer Relevanz für die vorliegenden Probleme. 75 Die Parenthese verkennen Dreier, Gott, S. 115 ff. und Heinemann, Stimmen der Zeit 144 (2019), 451 (456). 76 Insoweit zutreffend Fraenkel, Pluralismus, S. B 29.

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C. Funktionsanforderungen

derten Prinzipien in einer langen historischen Entwicklung ergeben haben. … Da diese Ordnung wegen ihrer Offenheit und ihrer mannigfachen Gewährleistungen von Freiheiten und Einflüssen auch eine gefährdete Ordnung ist, schützt sie sich gegen Kräfte, die ihre obersten Grundsätze und ihre Spielregeln prinzipiell verneinen, durch Vorschriften wie Art. 18 und 21 GG.“77

3. Pluralistische Verfassungs- und Rechtshermeneutik Insoweit allgemein anerkannt, stellt auch die Verfassung selbst  – wie jede Rechtsordnung – kein objektives System anwendbarer Normen dar. Die notwen­ digen konkreten Rechtssätze zum Entscheid eines noch nicht so gelösten Konflikts müssen vielmehr praktisch stets „gebildet“ und gefunden werden. Selbst das historisch bedeutendste Gegenbild, die Begriffsjurisprudenz, sah sich mit der nötigen Diskussion der Klärung der erstrebten mathematisch-deduktiven systemkonformen Ableitungen der Rechtssätze konfrontiert. Ebenso hat etwa Ehmke die Problematik des „Vor-Urteils“ selbst auf der Metaebene erkannt, dass es keine allgemeine Methode losgelöst von der Sache geben kann, um zu zwingend und alleine richtigen Ableitungen zu gelangen.78 Dies wiederum hat namentlich Böckenförde eindrucksvoll und einflussreich anhand der Grundrechtsinterpretation demonstriert.79 Wie sich bereits in den drei genannten Pluralismusformen andeutet, kann diese Subjektivität nicht kollektiv „beim Volk“ verankert werden,80 wie dies namentlich die Tradition der historischen Rechtsschule darstellt: Danach wäre die Gewinnung von Rechtssätzen zwar wesentlich von subjektiven Wertungen bestimmt, die allerdings als den Beteiligten gemein angesehen würden, definiert durch Volkscharakter, „Volksgeist“ usw.81 Der Gesetzgeber habe kein Recht zu schaffen, sondern es bestimmt zu formulieren und zu ergänzen. Vielmehr sei der Juristenstand primärer Träger der Rechtsbildung, er habe „das Volksrecht im Volksgeist heraus-

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BVerfGE 5, 85 (199 f.). Ehmke, VVDStRL 20 (1963), 53 (v. a. 65 ff.) zur politischen Abhängigkeit; van Ooyen, Sicherheit, S. 24 ff. zur Ausprägung bereits in der Weimarer Republik; vgl. weiter ergänzend Schneider, VVDStRL 20 (1963), 1 allerdings mit der so weniger überzeugenden Betonung eines objektiven Verfassungsgeberwillens sowie die Diskussion auf der Staatsrechtlehrertagung; vgl. weiter Lameyer, Demokratie, S. 106 ff.; Häberle, Verfassungsstaat, S. 117 ff.; Alexy, Theorie, S. 514 ff.; ähnlich insoweit auch Böckenförde, NJW 1976, 2089 (2098); Dreier, RW 2010, 11 (20): Jeder habe sozusagen das Recht, den Grundrechten seinen spezifischen Sinn zu geben. 79 Böckenförde, NJW 1974, 1529; ders., Der Staat 29 (1990), 33. 80 Vgl. insoweit auch Schneider, VVDStRL 20 (1963), 1 (30 ff.). 81 Sie behauptete, dass das Recht, ebenso wie Sprache, Sitte und Kultur, eine „organische Lebensäußerung eines konkreten Volkes“ sei, das „seinen Grund und seine Quelle in dem ‚gemeinsamen Bewusstsein des Volkes, dem in allen Einzelnen gemeinschaftlich lebenden und wirkenden Volksgeist‘“ habe; vgl. etwa auch noch Wolff, GS Jellinek, S. 33 (47); allgemein etwa nur Haferkamp, Rechtsschule, S. 112 ff. 78

II. Pluralismus  

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zuarbeiten“.82 Dem ist erneut Böckenförde überzeugend entgegengetreten.83 Gleichermaßen verbietet sich anderweitig jeder Alleindeutungsanspruch namentlich, wie von der KPD-Entscheidung ausführlich dargelegt, unter marxistischer,84 aber auch religiöser, oder „technokratisch-wissenschaftlicher“ Ideologie. Tatsächlich sind all diese ideologischen Interpretationsansprüche durch besonders hohe hermeneutische Vorprägungen und Probleme charakterisiert. Schließlich kann ebenfalls nicht auf einen consensus omnium abgestellt werden.85 Eine Gesellschaft, die nach diesen drei bereits benannten Formen des Pluralismus ausdifferenziert ist, muss sich allen materiell holistischen Gesellschaftskonzepten auf faktischer wie normativer Ebene entziehen.86 Die Auslegung der grundlegenden konstitutiven Rechtsnormen sowie Ableitung der weiteren ist für einen Pluralismus an Methoden offen und offen zu halten, ohne dass – wie in Lessings Ringparabel87 – eine von ihnen überlegene Alleingeltung beanspruchen könnte, dürfte oder müsste. Die mögliche breite, offene und unbegrenzte Diskussion und „friedliche“88 Konfrontation trägt zur Güte der Erkenntnisprozesse und vernünftigen Rechtsverwendung bei.89 Die FDGO hat den Rahmen zu bieten, dies im Gemeinwesen dauerhaft stabil zu organisieren, muss sich aber auch insoweit selbst weiter dafür offen zeigen. Hierin liegt auch ein Kern der gleich weiterzuverfolgenden Fortschrittsfunktion.90 Als ein hilfreiches Prinzip kann im Verhältnis der Auslegungstheorie zur praktischen Rechtsumsetzung eine praesumptio pro libertate gelten.91 Danach sind effektive Einschränkungen der Freiheit durch Rechtsverwendung zu rechtfertigen.92

82 Vgl. bekanntermaßen v. Savigny in Programmschrift 1814 Vom Beruf unserer Zeit für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft, vgl. Savigny, Beruf, S. 4 ff.; ZfRG sowie in ders., System I, Kap. 2, bes. §§ 6–8, 12, 14–15 (S. 11 ff.). 83 Vgl. hier nur Böckenförde, Rechtsschule, S. 9 ff. 84 BVerfGE 5, 85 ff. 85 Vgl. exemplarisch in der Aussprache VVDStRL 20 (1963), S. 1 (102 ff.) etwa Friesenhahn, S. 121 f. in der Konfrontation mit Ehmke; vgl. weiterhin Wimmer, Verfassungsverständnis, S. 63 ff.; Lameyer, Demokratie, S. 106 ff. 86 Vgl. Habermas, Öffentlichkeit, S. 27. 87 Bekanntermaßen in Lessing, Gotthold Ephraim: Nathan der Weise, Berlin 1779 nach älteren Vorbildern, namentlich dem Decamarone von Boccaccio. 88 Siehe sogleich unten IV. 89 Insoweit ganz im Sinne eines „marketplace of ideas“ s. unten Kap. 2  B. II. 4., C. II. 3. a) und der Diskurstheorie; vgl. hier speziell Alexy, Theorie, S. 515 ff.; Häberle, JZ 1975, 279; Schneider, VVDStRL 20 (1963), 1 (35 ff.) und die folgende eitere Diskussion. 90 Siehe sogleich unten III. 91 Hier ist auf die lange Geschichte zur (persönlichen) Freiheitsvermutung im römischen Recht in D. 50. 17. 20, dem Kampf darum in und nach den Bauernkriegen bis zur allgemeinen Aufhebung der Hörigkeit und Leibeigenschaft, die erneute Propagierung nach 1952 etwa von Uber, Freiheit, S. 27 f. bis hin zu einem wichtigen topos in der Phase der sozial-liberalen Koalition zu verweisen; vgl. allg. Schneider, FS DJT II, S. 263 (279 ff.); ders., VVDStRL 20 (1963), 31 ff.; Hippel, Grenzen, S. 18. 92 Vgl. insbesondere Alexy, Theorie, S. 517.

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C. Funktionsanforderungen

Mit namentlich Kriele und Alexy kann allgemein festgestellt werden, dass praktische Vernunft erst in einem Rechtssystem, das Argumentation und Entscheidung auf rationale Weise verbindet, zur Realisierung gelangen kann.93 Daraus folgt, dass Diskurse bei der Rechtsverwendung im Hinblick auf Auslegungen, Wertungen und Methoden, möglichst klar jeweils als solche identifiziert, geführt werden können und müssen. Wie es einen unverzichtbaren Kern an Spielregeln im Rahmen der politischen Systeme gibt, so ist dieser dogmatische Diskurs allerdings in einem absoluten gemeinsamen Minimum unabdingbar, welches sich, namentlich in Pluralismus-Anerkennung und Friedlichkeit, mit jenem deckt. Zusätzlich kann jedenfalls auf den „Grundwert“ der Rationalisierbarkeit der Auffassungen in den genannten Ebenen sowie auf jener der Tatsachen und Wirklichkeit nicht verzichtet werden.94 Es bedarf des gemeinsamen Ziels (wenn auch ggf. auf unterschiedlichen Metaebenen), die eigenen Methoden anhand des Ziels rationaler Kriterien ein­ sichtig zu machen und dabei für Kritik offen zu sein, ebenso wie des Konsenses im Grundwert der Wirklichkeitserkenntnis und -vermittlung als solcher.95

III. Fortschrittsfunktion Eng wiederum mit dem Pluralismus verbunden, muss die FDGO Fortschrittlichkeit des Gemeinwesens ermöglichen. Insbesondere in der KPD-Entscheidung hat das BVerfG überzeugend erklärt, dass der Rahmen, den die FDGO bietet, auch auf eine positive Weiterentwicklung der staatlichen Gemeinschaft, verstanden als Fortschritt, gerichtet ist.96 Darin erweist sich das Grundgesetz als Fortsetzung der „Weimarer“ Reichsverfassung vom 11. 8. 1919, welche als Staatsziel in der Präambel postuliert hatte, den gesellschaftlichen Fortschritt zu fördern.97 Historisch liegt in ihm, wie in der ersten Denkschrift der Reichsregierung ausgeführt, der Grundgedanke fortschreitender Sozialisierung zugrunde. Dieser sei dem Charakter der Revolution von 1918 entsprechend im Sinne einer demokratische Selbstorganisation des deutschen Volkes als einer politischen Gesamtheit zu verstehen, der seine Vollendung nur international finden könne.98 93

Kriele, Vernunft, S. 40 ff.; Alexy, Theorie, S. 521. Insofern sich zutreffend treffend u. v. a. Alexy, Theorie, S. 514 ff.; Böckenförde, NJW 1976, 2089 ff.; enger noch Lameyer, Demokratie, S. 122 ff.; Wimmer, Verfassungsverständnis, S. 5 ff. 95 Vgl. insoweit auch die Judikatur des BVerfG zu Art. 5 III GG bereits Fahrner, Vulnerabilität, v. a. S. 91 ff., 266 ff., 283 ff. sowie dort namentlich S. 106 ff. zur politischen Irrationalität. 96 Vgl. BVerfGE 5, 85 (197 ff.). 97 Vgl. näher dazu insbesondere Preuß, Revolution, S. 29 ff.; daneben etwa aus Sicht der FDGO Denninger, Grundordnung I, S. 16 f. auch zum Bezug zur Menschenwürde in Art. 151 WRV. 98 Vorentwurf des allgemeinen Teils der künftigen Reichsverfassung („Entwurf  I“) und Denkschrift zum Verfassungsentwurf vom 3. Januar 1919, zit. nach Preuß, Verfassungswerk, Nr. 3 (S. 134 ff.); vgl. auch Heller, Politische Wissenschaft 5 (1928), S. 35; zur Änderung von „sozialem Fortschritt“ vgl. insbesondere die abschließenden Beratungen im Verfassungsausschuss, RT-Prot. (NatV) 1919/20, 11 Nr. 391 (S. 459 f.). 94

III. Fortschrittsfunktion 

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Allerdings ist unter den Bedingungen der Pluralität der soziale Fortschritt ebenso wenig wie das Gemeinwohl heteronom bzw. absolut bestimmbar, etwa in der humanistischen Tradition der Perfektionierung der Individuen oder ihrer Gesamtheit.99 Wie auch das BVerfG ausführt, hat die freiheitlich demokratische Ordnung die bestehenden, historisch gewordenen staatlichen und gesellschaft­ lichen Verhältnisse und die Denk- und Verhaltensweisen der Menschen als gegeben weder zu sanktionieren noch schlechthin abzulehnen, sondern davon auszugehen, dass sie verbessert werden können: Damit ist eine nie endende, sich immer wieder in neuen Formen und unter neuen Aspekten stellende Aufgabe gegeben; sie muss in Anpassung an die sich wandelnden Tatbestände und Fragen des sozialen und politischen Lebens durch stets erneute Willensentschließungen gelöst werden.100 Jedenfalls kann Fortschritt niemals entgegen der Werte der Menschenwürde gedeutet werden, etwa im Sozialdarwinismus oder „Nietzscheanismus“.101 Er kann indes verstanden werden als Bestreben, Mängel abzubauen und Güter zu steigern.102 Insoweit hat er im Sozialstaatsprinzip einen erweiterten Akzent erhalten.103 Wiederum könnte in rein pluralistisch-prozeduralen Gütern wie Frieden, allgemeiner Freiheit oder gemeinsamen demokratischen Staatszielen wie Umweltschutz, Emanzipation und Inklusion etc. ein allgemeiner Fortschritt gesucht werden. Allgemeinverbindliche Indikatoren und dahingehende Aggregation sind indes erneut unmöglich. Vielmehr gilt auch hier: Was jeweils praktisch zu geschehen hat, wird also in ständiger Auseinandersetzung aller an der Gestaltung des sozialen Lebens beteiligten Menschen und Gruppen ermittelt. Die staatliche Ordnung der freiheitlichen Demokratie muss demgemäß systematisch auf die Aufgabe der Anpassung und Verbesserung und des sozialen Kompromisses angelegt sein. Fortschritt bedeutet damit vor allem die Veränderungsfähigkeit im Gegensatz zu Statik und Zirkularität. Die Freiheitlichkeit bedingt die Innovationskraft und Dynamik.104 Ihrer „Vitalität“ dienen etwa die Wissenschafts- und Kunstfreiheit in Art. 5 III GG,105 ebenso wie die Kommunikationsfreiheiten speziell und die offene 99

Vgl. hierzu bereits der Ansatz oben unter II. 2.; dementsprechend etwa noch Kant, Idee; vgl. dazu Höffe, Geschichtsphilosophie; Hoesch, Vernunft; Kleingeld, Fortschritt; allgemein Kuhn / Wiedmann, Philosophie; Meyer, Problem; Mittelstaedt, Fortschritt; Rapp, Fortschritt; auf die FDGO bezogen Dettling, Demokratie, S. 64; kritisch insgesamt heute etwa Strasser, Drama. 100 BVerfGE 5, 85 (197). 101 Vgl. hier nur Boventer, Grenzen, S. 147 zu Recht gegen den sozialdarwinistischen Evolutionismus von Spencer, Statistics, S. 3 ff.; ders., Biology I, S. 444; Bagehot, Développement, S. 45 ff., 223 ff. 102 Vgl. zur Suche nach Indikatoren etwa BT Drs. 17/13300, S. 232 ff.; zu ersterem die historische Definition von Tönnies, Fortschritt, S. 5, 36 ff. 103 Vgl. auch zum folgenden Zitat BVerfGE 5, 85 (198). 104 Vgl. Hayek, Verfassung, S. 37; zust. Schmitt Glaeser, Staat, S. 51; Voßkuhle, Freiheit, S. 23 ff. et passim; historisch-empirisch nur etwa Fahrner, Funktion, S. 13 ff. m. w. N. 105 Vgl. zu den intensiven Beratungen der Einschränkungen in Art. 5 III 2 GG Carlo Schmid, JöR NF 1 (1951), S. 90 ff.; Fromme, Verfassung, S. 184 f.; vgl. zum Ganzen hier auch Wehrhahn, Lehrfreiheit, S. 12 ff.

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C. Funktionsanforderungen

Demokratie allgemein zur Fortentwicklung des staatlichen Gemeinwesens per se.106 Die Probleme der Starrheit einer unabänderlichen Verfassung, namentlich in der Ablösung von den tatsächlichen Verhältnissen und daraus dem Dilemma einer faktischen oder rechtlichen Derogation107 war in der Grundgesetzgenese sehr bewusst.108 Auch daraus sind die Schranken der Selbstbindung, die das demokratische Gemeinwesen sich namentlich in Gestalt der Regeln und Prinzipien der FDGO auferlegt, auf das unabdingbar rechtfertigbare Maß zu minimieren.109 Jedenfalls wäre eine Selbstbindung unzulässig, wenn sie allein den Informationsfluss behindern und „die Lernfähigkeit des Souveräns“ ersticken würde, nicht aber, wenn sie beide tatsächlich erhält und sichert.110 Keinesfalls darf die FDGO gegen sich selbst – nämlich gegen bloß divergierende Meinungen, die ihre Funktionen nicht angreifen – gewendet werden.111

IV. Friedensfunktion 1. Anspruch an die FDGO im Hinblick auf Friedlichkeit a) Bedeutung und Begriff der Friedlichkeit Endlich soll die FDGO nach dem Willen ihrer Schöpfer – nach dem Scheitern des Ansatzes der Verfassung von Weimar – dauerhaft den Frieden innerhalb des staatlich verfassten Gemeinwesens sichern. So zielt nach dem BVerfG etwa das Parteiverbot nach Art. 21 GG „auf den Schutz der grundlegenden Werte, die für ein friedliches Zusammenleben unverzichtbar sind“ und rechtfertigt nur daraus den Ausschluss bestimmter politischer Auffassungen aus dem Prozess der poli­ tischen Willensbildung.112

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Dettling, Demokratie, S. 65; Ladeur, Verfassungstheorie, S. 324; vgl. auch für die USA Dennis et. Al v. US 341 U. S. 494 (1951), dazu Boventer, Grenzen, S. 14 ff. 107 Vgl. ausführlich Holmes, Vorentscheidung, S. 133 ff. 108 Vgl. auch Fromme, Verfassung, S. 192 m. w. N. 109 Vgl. namentlich Holmes, Vorentscheidung, S. 133 ff.; Dettling, Demokratie, S. 65; Zacha­ rias, Ewigkeitsgarantie, S. 60 f.; Polzin, Verfassungsidentität, passim.; Dorn, Verfassungssoziologie, S. 50; Fraenkel, Demokratien, S. 73: „Nur dann ist eine Verfassungsordnung lebensfähig, wenn die Verfassungsnormen ausreichend elastisch sind, um eine Fortentwicklung der ‚lebenden Verfassung‘ in einer Richtung zu gestatten, von der die Verfassungsväter häufig nichts geahnt haben und die im Verfassungstext keinen Niederschlag gefunden hat“. 110 Vgl. Frankenberg, KJ 35 (2002), S. 297 (298 ff.); Holmes, Vorentscheidung, S. 162; Engel­ mann, Demokratie, S. 80. 111 Vgl. Thiel, Demokratie, S. 20. 112 BVerfGE 144, 20 (195 ff.); Doehring, Staatslehre, Rn. 381 f.

IV. Friedensfunktion 

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aa) Abgrenzung und Kontext Umfasst ist damit primär nicht die Friedlichkeit der Bürgergesellschaft nach außen, etwa im Sinne Kants.113 Stattdessen steht im Fokus, Gewalt (denkbar nicht nur im manifesten, sondern ebenso strukturellen Sinn) im Inneren des Gemeinwesens zu minimieren.114 (1) Gleichwohl geht das innerstaatliche in das internationale friedliche Zusammenleben über, wie es etwa Art. 26 GG, Art. 1 f., 33 ff. UNCh als verbindliches Leitziel festschreibt. Der Abschichtung durch den Staat zum Trotz lassen sich beide Sphären nicht dauerhaft trennen, kann im Inneren nicht friedlich sein, was nach außen Aggression betreibt. Die internationale Aggression kann nicht dazu dienen, innerstaatliche Konflikte nach außen zu lenken und vermeintlich innere Friedlichkeit um den Preis äußerer Unfriedlichkeit erkaufen.115 (2) Jede neuzeitliche staatliche gewährleistete Friedlichkeit ist zwingend mit dem (später geprägten) Begriff des Pluralismus verbunden.116 Frieden muss in die­ sem Sinn namentlich Religions- und Weltanschauungsfrieden sein.117 Die europä­ ische wie globale Geschichte spiegelt den Prozess das friedliche Zusammenleben als gemeinsamem zentralen Wert zu erkennen. Stationen auf diesem Weg sind etwa der Absolutismus nach den religiös begründeten Kriegen bis ins 17. Jahrhunderts und im Anschluss die Durchsetzung weltanschaulicher Toleranz und Pluralität.118 Der staatlich-politische Frieden findet hier nicht nur eine besondere Dimension, sondern Begrenzung, muss er doch als unabdingbare Voraussetzung und Gemeinsamkeit über unterschiedliche Welt-, Gemeinwohl- und Verfassungsanschauungen hinweg Geltung beanspruchen. (3) Die FDGO stellt durch ihre Stabilität und Offenheit zur Sicherung und Verteidigung der inneren Friedlichkeit eine eigene – aus den Erfahrungen der „entarteten“ Staatswesen – neue Stufe dar, die in der gesamtgeschichtlichen Tradition der politischen Friedenssuche steht.119 Indem sie den Frieden – innerhalb eines konsequent prozeduralen und damit pluralistisch-subjektiv offenen Konzepts – endgültig 113

Erster Definitionsartikel, Kant, Frieden, S. 12 ff.; vgl. dazu unten D. IV. 2. Vgl. Galtung, Frieden, S. 32; dazu Fahrner, Gewaltlosigkeit, S. 247 (250 ff.); vgl. zum Staatszweck des Friedens Schöbener / Knauff, Staatslehre, § 4 Rn. 87 ff. 115 Vgl. hier nur bereits exemplarisch Fahrner, Höhepunkt, S. 213 ff. 116 Vgl. auch bereits oben II. 1. 117 Vgl. auch Fahrner, HdbSiStR § 33 Rn. 4 ff.; sowie die Habilitationsschrift zu §§ 166 ff. StGB. 118 Vgl. etwa „Die Religionen müsen alle tolleriret werden und mus der Fiscal nuhr das Auge darauf haben, das keine der andern abrug tuhe, den hier mus ein jeder nach seiner Fasson selich werden.“ Friedrich II. von Preußen, Rand-Verfügung des Königs zum Immediat-­Bericht des Geistlichen Departements, Berlin 1740 Mai 22: Katholische Schulen und Proselyten­ macherei, zit. nach Lehmann, Acten, S. 4. 119 Vgl. insbesondere Sternberger, Antrittsvorlesung: Friede als Sinn allen Politischen und Zweck des Staates u. a. gegen die Freund-Feind-Selektion von Schmitt. 114

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C. Funktionsanforderungen

von allen weltanschaulich gebundenen Vorstellungen eines moralischen oder sonst „guten“ Ziels des Gemeinwesens trennt, schließt sie diese gewissermaßen ab. Begonnen hat dieser Ablösungsprozess maßgeblich im Früh- und Spätmittelalter bei Cassiodorus und Marsilius von Padua. Bereits der Erstgenannte, auf den sich letzterer in seinem Defensor Pacis als Ausgangspunkt beruft,120 hatte das christliche Ziel transzendenten Friedens vereint mit der antiken augusteischen pax Romana (nach außen wie innen) und weiter begründet als nötiges Zwischenziel allen Wohlergehens und Wohlstandes im Gemeinwesen.121 Marsilius wiederum isoliert (vor allem gegenüber Aristoteles) pax et tranquilitas klar als zentralen eigenständigen, notwendigen, staatlich zu gewährleisteten Gegenstand der guten Ordnung und Ziel des Politischen. Die antik-mittelalterlichen Endziele des Gemeinwesens (hier bereits wieder profan verstandene ausreichende Lebensverhältnisse zum bürger­ lichen Glück), leben zwar noch fort, sie treten aber hinter ihn bereits zurück. Schon hier begründet der rein prozedural verstandene Wert des Friedens die Herrschaftslehre. Allerdings, darin (noch) in Tradition der Patristik (v. a. von Augustinus),122 tritt noch die innere (substantielle und religiöse) Begründetheit des Friedens, weit stärker als in der klassischen römischen Staatsphilosophie, in den Vordergrund.123 bb) Historische Entwicklung des Friedensbegriffs Aus den zahllosen Versuchen, den Begriff des Friedens zu fassen, kann jene in der Tradition von Marsilius herausgegriffen werden. Sie geht über die Bestimmung als Abwesenheit manifester Gewalt hinaus.124 Gleichwohl setzt sie entgegen den Funktionsanforderungen des Pluralismus verabsolutierte, gar metaphysische Festlegungen nicht voraus. Dabei ist der Kontext des Staates als säkular-profane politische Friedensordnung bzw. -garant seit Beginn der Neuzeit aufzunehmen.125 Nur als erste Stufe erscheint hier die faktisch wirksam durchsetzbare physische Gewalt.126 Sie spiegelt sich in einem Monopol der Gewaltausübung gegenüber fremden Mächten ebenso wie der unterdrückten privaten Selbsthilfe und Eigenmacht innerhalb des jeweiligen staatlichen Herrschaftsbereichs.127 Weiteres Gegenbild 120

Marsilius, Defensor, cap. I 1 § 1. Cassiodorus, Varia, I 1, vor allem in seinem Bezug auf die pax Augustana und den christlichen Frieden, um einen friedlichen Ausgleich gegenseitiger Anerkennung zwischen Theoderich d. Gr. und dem oströmischen Kaiser Anastasios I. zu vermitteln; vgl. Kakridi, Variae, S. 346; zum Ganzen Boßhammer, Frieden passim. 122 Augustinus, Civitas, XIX 13: Frieden in der „geordneten Zusammenstimmung der Teile“, vgl. Looney, Lehre, S. 225 (226); Fahrner, Landfrieden, S. 2 f. m. w. N. 123 Marsilius, Defensor, cap. I 1 § 1. 124 Vgl. Galtung, Frieden, S. 32; dazu Fahrner, Gewaltlosigkeit, S. 247 (250 ff.). 125 Vgl. Sternberger, Staatsfreundschaft, S. 293 ff. 126 Vgl. etwa Heller, Politische Wissenschaft 5 (1928), 35. 127 Vgl. bereits Marsilius, Defensor, Cap. I 4 § 4 ff.; sodann Hobbes, De cive, cap. IV, 3; ders., Leviathan, cap. II, 17; Grotius, Jus, cap. I, 3; vgl. zum Ganzen Dickmann, Friedensrecht, S. 79 ff.; Fahrner, Landfrieden, S. 1 ff. m. w. N. 121

IV. Friedensfunktion 

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zur Friedlichkeit, also unfriedlich, ist für die so Unterworfenen eine Gewalt- und Willkürherrschaft durch den Staat selbst.128 Vor allem ist dieser weite Friedensbegriff unter enger Verknüpfung zur Gerechtigkeit verstanden worden.129 Sie kann allerdings eben nicht (mehr) als ex ante definierter Zielzustand oder antiplural bestimmt werden,130 sondern muss, er- und vermittelt werden. Hinter der vermeintlichen Verbindung zu einem Gerechtigkeitsziel tritt mit dem suum cuique tribuere die einer Legitimation durch das Verfahren hervor, mit nicht von vorn herein fixiertem, inhaltlichem Ziel. Dies gilt in den vielfältigen Traditionen der Friedensidee, namentlich der mittelalterlichweltlichen als „ungebrochenes Recht des autonomen freien Mannes“, der kirchlichen – letztlich göttlichen – Gerechtigkeitsgabe sowie der antiken als politisch durchgesetztem Frieden. In dieser prozeduralen Form lassen sich auch die weiten aktuelleren Friedensbegriffe in der Reihe etwa von Spinoza,131 Luther King,132 oder Einstein133 bis zu Galtung134 lesen – als Respektierung der Positionen der Einzelnen in den Konflikten des Gemeinwesens und sozusagen deren Inklusion und in diesem Sinn „Empowerment“. Diese Ermächtigung zur Selbstverantwortlichkeit kann wiederum zeitlich zurückgehend, auf ein erstes Minimum reduziert, in alten zivilisatorischen Wurzeln gelesen werden: Christlicher Frieden ist etwa bereits dem gegeben, der entscheiden kann, wem er vergibt und wem nicht.135 cc) Definition des Friedens Individueller und kollektiver Frieden namentlich in einer freiheitlich demokratischen Verfassungsordnung kann, auf dem zuvor entwickelnden aufbauend, wohl am besten wie folgt begriffen werden: Frieden ist der Zustand, welcher durch Ohnmacht negiert wird.136 Unter Ohnmacht ist dabei ein Zustand (oder 128

Vgl. dazu bereits oben B. II. 2. Vgl. hierzu und zum Folgenden im Einzelnen bereits Fahrner, Landfrieden, S. 1 ff. 130 Vgl. oben II. 1. 131 Spinoza, Traktat, S. 65: „Friede ist nicht Abwesenheit von Krieg. Friede ist eine Tugend, eine Geisteshaltung, eine Neigung zu Güte, Vertrauen, Gerechtigkeit.“ 132 Luther King jr., Peace, S. 257 (258): „But peace is not merely to absence of this tension, but the presence of justice. And even if we didn’t have this tension, we still wouldn’t have positive peace. Yes, it is true that if the Negro accept his place, accepts exploitation, and injustice, there will be peace. But it would be an obnoxious peace“. 133 Einstein, Peace, S. 371: „Peace is not merely the absence of war but the presence of justice, of law, of order – in short, of government“. 134 Vgl. Galtung, Frieden, S. 32; dazu Fahrner, Friedensforschung, S. 250 ff. 135 Joh. 20, 21–23, prominent als Quintessenz der Pfingstbeauftragung. 136 Dies lässt sich durchaus im Sinn einer Falsifikation der Friedensvermutung durch nachweisbare Ohnmacht entsprechend rationaler Erkenntnis- und Wissenschaftstheorie, oder aber in Kontinuität zum hegelianisch-normativen Verständnis begreifen; vgl. als Gedanke bereits aufkommend bei Dettling, Demokratie, S. 74 f., jedoch dort über deskriptive Sozialbeobachtung nicht tiefergehend verfolgt; den inhaltlichen Ansatz der Ohnmacht als Gegenbegriff der 129

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C. Funktionsanforderungen

Eindruck) zu verstehen, ohne absehbare effektive Hilfsmöglichkeit fremder Macht (als solcher) zu unterliegen. Sie kann in unterschiedlicher Weise, wie vor allem von ­Popitz herausgearbeitet, vermittelt werden:137 Erstens, als Gewalt physischer oder psychisch-körperlicher Art. Zweitens durch andere unmittelbare Wirkungen, wie die Minderung der sozialen Stellung oder den Entzug der Verfügungsmöglichkeit über sachliche Ressourcen. Dritten schließlich kann bereits in Angst davor wirkende instrumentelle Macht ausgeübt werden. Dadurch kann nicht nur die nackte Macht, sondern auch die durch Gehorsam formal etablierte Herrschaft im Sinn Webers138 unfriedlich sein. Weiter lässt sich bestimmen:139 Gewalt erzeugt Ohnmacht, Ohnmacht erzeugt Gewalt. Gewaltkreisläufe und -ausbrüche aus Ohnmacht sind fast ebenso wie Ohnmacht aus Gewalt zahllos belegter menschheitsgeschichtlich historisch und literarisch kultureller Topos.140 Psychologisch können unter den Faktoren gewaltsamen Verhaltens solche der eigenen Ohnmachtserfahrung in verschiedenen Ausprägungen erkannt werden, etwa als verbleibende Triebverarbeitung, Frusterfahrung oder erlerntes Verhalten.141 Durch letztere beide reproduziert sich Gewalt. Für politisch relevante Gewalt kann Ohnmacht als notwendige Bedingung (oder zumindest wesentlicher Faktor neben weiteren) innerhalb von meist komplexen Eskalationsprozessen eingeordnet werden.142 Ähnliches gilt für die Gegenüberstellung von friedlichem und revolutionär-gewaltsamem Konfliktaustrag etwa nach Freiheit und des Friedens hat wohl erstmalig Grotius, Jus, cap. I, 5 unter anderem mit der (noch partiellen) Definition von Freiheit als Macht über sich selbst in losem Zusammenhang mit dem Frieden deutlich gemacht, vgl. dazu Preuß, Superlegalität, S. 445 (446). 137 Vgl. Popitz, Macht, S. 24 ff., 43 ff. hier ähnlich wie Galtung, Gewaltstruktur, S. 121 ff.; vgl. Fahrner, Gewaltlosigkeit, S. 247 (252); zur Macht im Kontext der FDGO, indes aus systemtheoretischer Verengung vgl. Nichelmann, Grundordnung, S. 150 ff.; zur regulatorischen Freiheitsbeeinträchtigung vgl. ausführlich die anstehende Habilitationsschrift sowie bereits Fahrner, Vulnerabilität, S. 44 f. 138 Weber, Soziologie, S. 210 ff. (i. e. Wirtschaft und Gesellschaft, Urfassung, Dritter Teil), S. 311 (Neufassung Erster Theil § 16); vgl. auch Preuß, Reich, S. 325 (zu Art. 1 Rn. VII): „­oboedientia facit imperantem“; sowie der spätere Ansatz von Luhmann, Politik, S. 27 f.; Di Fabio, Herrschaft, S. 30. 139 Ohne darauf im Einzelnen eingehen zu können, vgl. hier nochmals Fahrner, Landfrieden, S. 1 ff., 45 ff., 50 ff. m. w. N. 140 Etwa unter so verschiedenen Topoi wie dem Sklaven- oder Bauernaufstand, des (Haus-) Tyrannenmordes oder der Rache, zur Überwindung der Gewaltkreisläufe nur exemplarisch Aischylos, Orestie, Schlusschor; ansonsten etwa Sofsky, Traktat. 141 Vgl. etwa aus Sicht der Selbstbestimmungstheorie Ryan / Deci, American Psychologist 55 (2000), 68 ff.; Überblick zu den Gewalttheorien aus Sicht auf politischen Fragen allgemein ­Gugel, Gewalt, S. 60 ff.; Krahé, Aggression, S. 13 (14 ff.) sowie die weiteren Beiträge des Sammelbandes; der Ansatz der Trieberfahrung basiert auf Freud, Lustprinzip, die Frustrationstheorie namentlich auf Dollard u. a., Frustration, weitergeführt etwa von Berkowitz, Aggression; zur Lerntheorie grundlegend zusammenfassend Bandura, Aggression; allgemeine Modellierung etwa bei Anderson / Bushman, Annual Review of Psychology 53 (2002), 27; zur Gewaltursachenforschung etwa Trotha, Gewalt, S. 9 (16 ff.). 142 Vgl. hier nur den Überblick bei Enzmann, Gewalt, S. 43 (55 ff., 62 f.) m. w. N.

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Dahrendorf143 oder über die Idee der verweigerten Anerkennung nach H ­ onneth.144 Allgemein soll Revolution als umwälzende Gewalt i. w. S. wesentlich mit der Unzufriedenheit und Entfremdung der Bevölkerung von Eliten, mithin der Ohnmacht in Gestalt fehlenden politischer Responsivität und Möglichkeiten der Einflussnahme für große bzw. entscheidende Bevölkerungsteile zu erklären sein.145 Die Befreiung von „Zwangsherrschaft“ erkennt ähnlich etwa Arendt, wie zuvor Hegel als Wesen von Revolutionen.146 Umgekehrt kann nach Weber nur legitime Herrschaft, die nicht als Ohnmacht empfunden wird, stabil gegen Umsturz und Aufbegehren sein.147 Auch Paretos Rat an Mussolini, eine Scheindemokratie zu wahren, kann als Vertuschen der Ohnmacht des Volks gegenüber dem autoritären Regime verstanden werden, um dieses zu stabilisieren.148 b) Friedensschaffung Da Gewalt auch ohne Ohnmacht entstehen kann, muss ihr, um Gewaltkreisläufe zu verhindern und Frieden zu schaffen, darin entgegengewirkt werden, ohne dass die Bekämpfung wieder selbst Ohnmacht hervorruft. aa) Frieden als Staatsgrund In seiner bemerkenswerten Analyse der vielfältigen prämodernen Begriffs­ dimensionen erklärt Hobbes eben den Frieden (nicht die Sicherheit!) zum eigent­ lichen Grund des Staates: Es handele sich um die Zeit, „in der nicht im Krieg durch Worte und Taten der Wille, mit Gewalt zu streiten, ausreichend erklärt wird.“149 Vielmehr bedarf das menschliche Handeln – namentlich vor dem allein maßgeblichen inneren (Natur-)Recht der Vernunft – einer weitergehenden Rechtfertigung 143

Dahrendorf, Konflikt, S. 8 ff.; vgl. auch die auf Freiheitswiederherstellung gerichtete Reaktanztheorie bei Zerback, Vielfalt, S. 48 m. w. N. 144 Honneth, Anerkennung, S. 107 ff., 227 ff. 145 Vgl. etwa Zimmermann, Revolutionstheorien, S. 231 (235 ff.); Enzmann, Revolution, S. 205 (209 ff.), dort auch zum Problem der Gewalt i. w. S. bei den „friedlichen Revolutionen“ um 1989 im europäischen sowjetischen Machtraum; vgl. etwa auch den „Widerspruch zwischen Natur und Handeln“ bei Hindrichs, Revolution. 146 Arendt, Revolution, S. 12 f.; Hegel, Vorlesungen, S. 920 ff. 147 Weber, Wirtschaft, S. 140 ff.; Baumann, ZfSoz 22 (1993), 355 (364 ff.). 148 „Massen, die demokratischen Gefühlen zuneigen, seien am besten durch ein Organ neutralisierbar, das ihnen die Illusion einer Beteiligung an der staatlichen Macht vermittelt. Nicht die gänzliche Abschaffung des Parlaments mache den Neuen Staat stark, sondern die Verlegung der Entscheidungsbefugnisse vom Parlament in den engeren Kreis nicht öffentlich tagender ‚Eliten‘.“, zit. nach Agnoli, Neue Kritik 9 (1968), 24 (25); vgl. dazu Kraushaar, ZParl 38 (2007), 160 (169 ff.). 149 Hobbes, de Cive, cap. I, 12 a. E. ; vgl. auch Schöbener / Knauff, Staatslehre, § 4 Rn. 53 ff., 87 ff. hier auch bedeutsam der Querbezug zum Rechtfertigungsliberalismius Hildt, Pluralismus, S. 182 ff.; Gaus, Liberalism, S. 160.

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C. Funktionsanforderungen

als des bloßen Verweises auf Gewalteinsatz zum Selbsterhalt. Diesen Status gilt es zu erreichen, da der ewige Krieg aller gegen alle, in denen das Recht zum Selbsterhalt alle Taten abdeckt, auf Dauer zur Vernichtung aller führt.150 Folgt aus der friedlichen Reaktion für ein Individuum oder eine Gruppe nur eigene Ohnmacht, kann dies entscheidend zur zunehmenden Gewaltbereitschaft beitragen. Das wiederum kann kollektiv in eine Revolution oder einen lokalen oder generellen „Bürgerkrieg“ führen.151 Auch in diesem Sinn können sich Gewalt und Unfrieden reproduzieren152 oder aber erst an die Oberfläche treten. Friede erfordert insoweit in erster Linie die „Sicherheit“ jedes Menschen, dass er soweit vor der Gewalt anderer Menschen geschützt ist, dass er keinen gerechten Grund hat, andere Menschen zu fürchten, solange er selbst es unterlässt, ihnen irgendein Unrecht zuzufügen.153 Dazu sei, so Hobbes weiter, das einzig denkbare Mittel, dass jedermann sich selbst eine geeignete Hilfe verschaffen könne, sodass der Angriff des einen auf den anderen so gefährlich werde, dass beide Seiten es für besser hielten, die Gewalt zu unterlassen, statt sie anzuwenden. Am Ende verbleibe gegen immer größere und verheerende kollektive Parteiungen allein das allen übermächtige legitime Gewaltmonopol des Staats als einzige Lösung. Denn die Menge und damit Macht möglicher Vergeltung von An- und Übergriffen müsse unübersehbar sein, damit nicht mit ihr und ihrer Antwortstärke hinsichtlich eines Angriffs kalkuliert werde.154 bb) Wirkungsweisen und Mittel der Friedensschaffung im Gemeinwesen allgemein Daran schließt sich die entscheidende Frage an, wie bewerkstelligt werden kann, dass der Einzelne nicht wiederum die Unterwerfung unter den souveränen Leviathan als unfriedlich empfindet.155 Der Lösungsansatz lässt sich wie folgt zusammenfassen: Ist die Negation des Friedens die Ohnmacht, ist wiederum ihre die befriedende, akzeptable Entscheidung.156 Eine tatsächliche Befriedung, die empirisch nachgewiesen ist, kann zwar in letzter Konsequenz nicht in jedem Einzelfall erreicht werden. Dazu steht die Konfliktverarbeitung zu sehr (im Bild der Systemtheorie an der Schnittfläche) zwischen innerem psychischem System des 150

Hobbes, de Cive, cap. I, 12 f. Vgl. etwa Heller, Politische Wissenschaft 5 (1928), 35 (36 f.). 152 Vgl. etwa nur exemplarisch die frühe literarische Darstellung bei Aischylos, Orestie. 153 Hobbes, de Cive, cap IV, 3 auch zum Folgenden. 154 Hobbes, Leviathan, cap. II, 17. 155 Wie im Übrigen historisch im unmittelbar der Veröffentlichung des Werks auch als Apologie der absoluten Monarchie folgenden Englischen Bürgerkrieg. 156 Auch hier wieder namentlich verstehbar im Sinne einer objektivierenden Falsifikation; vgl. unter vielen etwa den Ansatz bei Kelsen, Wesen, S. 90 ff.; sowie Dreier, RW 2010, 11 (34 ff.) m. w. N. 151

IV. Friedensfunktion 

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Individuums gegenüber den sozialen politischen und Rechtssystemen.157 Gemeint ist damit, dass der Einzelne gleichwohl noch Ohnmacht empfinden kann, obwohl er effektive Möglichkeiten hatte, auf die Entscheidung einzuwirken und diese ihm plausibel gemacht ist. Gleichwohl kommt der „Legitimierung durch Verfahren“ entscheidende Bedeutung zu.158 Die konkrete Hinnahme der Entscheidung hat demgegenüber letztlich immer einen verbleibenden formalen normativen Aspekt, der sich etwa mit dem der Geltung des Rechts deckt.159 Maßgeblich ist somit, dass es möglich ist, die Konfliktlösung innerlich anzunehmen, da sie äußerlich akzeptabel ist. Die Wiederherstellung des Zustands ohnmachtsfreien inneren Friedens kann dabei auch über den Prozess der äußerlichen entscheidenden Konfliktlösung hinaus Zeit in Anspruch nehmen.160 Als wesentliche Gründe der Akzeptanz erscheinen die Autorität hinter der Entscheidung, ihre Responsivität und Plausibilität. Alle drei greifen ineinander und müssen allen Beteiligten des Konfliktes grundsätzlich gemein sein, um eine allseitig friedliche Lösung zu erreichen. Fehlen etwa allen Akteuren gleichermaßen zugängliche Begründungspotentiale zur überzeugenden Konfliktlösung, ergibt sich letztlich kein Unterschied zum weiteren parteiischen, unfriedlichen Konfliktaustrag. (1) Die Autorität der Entscheidungsinstanz kann im Längsschnitt etwa durch ihre hohe (oder fehlende) Responsivität bzw. die (fehlende) Plausibilität ihrer Entscheidung gesteigert (oder verringert) werden. So wäre in „autoritären Ordnungen“, die sich lediglich auf die Stellung der Entscheidungsinstanz in Gestalt der Person oder des Amts berufen, die Akzeptanzwirkung von Entscheidungen beschränkt, welche aufgrund fehlender Begründung und Responsivität als willkürlich erschienen. Die Art und das Maß der Legitimität der Entscheider (etwa im Sinn Webers)161 zeigt sich somit als ein tatsächlicher Faktor, allerdings nur unter anderen. (2) Im Sinn der Responsivität kann einerseits erfasst werden, in welchem Umfang der Konflikt in seiner gesamten Dimensionalität und Komplexität Eingang in die Entscheidung gefunden hat. Andererseits ist bedeutsam, wie sehr im Verfahren die Betroffenen Beachtung gefunden haben162 und versucht wurde, eine angemessene Entscheidung zu finden. (3) In der Plausibilisierung der Entscheidung spiegeln sich wiederum sowohl eine inhaltliche wie prozedurale Dimension. Eine ratio scripta (etwa besonderer 157 Vgl. Luhmann, Gesellschaftsstruktur II, S. 99 ff.; ders., Recht, S. 38 ff.; vgl. dazu etwa Horster, Luhmann, S. 113 ff. auch zu den Verbindungen zu Habermas. 158 Luhmann, Legitimation, S. 11; vgl. dazu van Ooyen, Sicherheit, S. 55 ff. 159 Vgl. Habermas, Faktizität, S. 70 ff., 90 ff., 141 ff., passim, ersteres in ausdrücklicher Auseinandersetzung mit weiteren Werken Luhmanns. 160 Namentlich in der Bearbeitung bereits manifester Konflikte oder Verletzungen im Rechtsgang oder politischen Verfahren. 161 Vgl. nochmals Weber, Soziologie, S. 211 ff., 312. 162 Der Verweis auf den psychologischen Rapport liegt hier nahe, vgl. etwa Katz / Koppelman Sweedler / L awyer, Communication, S. 10 ff.

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C. Funktionsanforderungen

Normtexte)  kann auch als zusätzlich sachliche neben der personellen Autorität zur Akzeptanz beitragen, wenn sie nicht lediglich als Ersatz für Plausibilität und Responsivität gebraucht wird. (a) Die inhaltliche Plausibilität stützt sich namentlich auf die Rationalität der Begründung, etwa im Sinn der Verarbeitung der ermittelten Wahrheit und der Entscheidungsgründe nach plausiblen Gerechtigkeits-/Vergleichbarkeitssätzen.163 Dabei sind die Grundsätze der Pluralität zu achten. Verabsolutierte religiöse und weltanschauliche sowie a priori festgelegte Kriterien des Gemeinwohls und der Rechtsauffassung etc. scheiden dabei aus.164 Gerade die Willkür, gegen die die FDGO gerichtet ist,165 stellt einen zentralen Gegenbegriff zur Ohnmacht beseitigenden Plausibilität dar: Willkür liegt etwa nach dem BVerfG vor, wenn die fehlerhafte Rechtsanwendung oder das eingeschlagene Verfahren deswegen bei verständiger Würdigung (der das Grundgesetz beherrschenden Gedanken) nicht mehr verständlich sei und sich daher der Schluss aufdränge, dass sie auf willkürlichen, d. h. sachfremden Erwägungen beruhten.166 Demgegenüber muss die Folgerung plausibel rational abgeleitet werden. Dazu wird man (wie etwa im Hinblick auf die Begründung eines Gerichtsurteils) verlangen müssen, dass alle als relevant erkannten Erkenntnisse lückenlos gewürdigt werden,167 die Folgerung nicht gegen die Gesetze der Logik,168 Naturgesetze und anerkannte Ergebnisse der Wissenschaft verstößt,169 in sich widerspruchsfrei170 und als solche in sich nachvollziehbar ist.171 (b) Allgemein folgt eine prozedurale Plausibilisierung aus der Kommunikation der dafür erforderlichen Informationen. Diese erstreckt sich einerseits von der Information der Betroffenen über die Gründe der Entscheidung bis hin zur responsiven Aufnahme ihrer Gesichtspunkte, etwa insoweit im Sinn der Diskurstheorie.172

163

Vgl. hierzu und zum Folgenden Habermas, Moral, S. 11 f.; ders., Faktizität, S. 151 ff. Vgl. hier nochmals auch Dworkin, Virtue, S. 6. 165 Vgl. oben B. II. 2. 166 Vgl. etwa BVerfGE 4, 1 (7); 18, 85 (96); 42, 64 (73 f.), st. Rspr. 167 Vgl. nur BGH NStZ 1990, 496; wistra 1982, 32, NStZ-RR 2003, 271; 2000, 45; 1997, 269; Miebach, NStZ-RR 2016, 329; Dahs, Revision, Rn. 430, 439, 441. 168 Vordermayr / von Heintschel-Heinegg / Schnabl / Eschelbach, HdbStA, IV Rn. 3 m. w. N. 169 BGH NStZ 2002, 48; Meyer Goßner / Schmitt § 337 Rn. 31 m. w. N.; KK-Gericke § 337 StPO Rn. 28; Dahs, Revision, Rn. 434, 446. 170 Dahs, Revision, Rn. 433, 443. 171 Vgl. BGH NStZ-RR 1996, 109, StV 1984, 64; KK-Kuckein § 267 StPO Rn. 8 ff.; LR /  Franke § 7 Rn. 73 ff., 82 ff.; Hoven, NStZ 2014, 361 (363 f.). 172 Vgl. weitergehend bereits Fahrner, Vulnerabilität, v. a. S. 91 ff. auch als Folgerung aus dem Vorangehenden. 164

IV. Friedensfunktion 

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c) Erwartungssicherheit und prohibitive Sicherheit aa) Erwartungssicherheit Welche Faktoren dazu beitragen, dass Individuen keine eigenmächtige Gewalt gebrauchen, sondern auf friedliche Konfliktlösungen vertrauen, kann mit Hilfe der systemtheoretischen Soziologie weiter erklärt werden.173 Eine besondere Bedeutung hat dabei, wie sehr die einzelne Konfliktpartei auf die friedlichen Reaktionen des Gegenübers vertrauen wird (und kann). Dafür ist entscheidend, wie sehr dessen Verhalten vorhersehbar, d. h. berechenbar ist. Je wahrscheinlicher ein bestimmtes Verhalten ist, umso mehr kann von einer Komplexitätsreduktion für die einzelnen Akteure im System gesprochen werden. Ihre Folgen sind nicht nur, dass die Kosten für die potenzielle Verteidigung sinken. Vielmehr steigern sie das längerfristige Vertrauen in gewaltfreie Lösungen und damit eben die Bereitschaft dazu. Diese Komplexitätsreduktion durch erwartbares Verhalten erfolgt vor allem durch Verhaltensnormen, egal wie diese rechtlich oder außerrechtlich begründet seien, in dem Maß in dem sie faktisch gelten. In diesem Sinn kommt besonders der reaktiven Erwartungssicherheit bezüglich der Antwort des Gemeinwesens auf eigenes und drittes Verhalten zentrale Bedeutung zu. Für die eigenen Handlungswahl der Konfliktparteien ist umso mehr relevant, wie sicher bzw. wahrscheinlich die Gemeinschaft auf verschiedene Handlungsalternativen reagieren wird, mit denen sie im Konflikt friedlich oder unfriedlich agieren und reagieren kann. Dies kann etwa im Sinne einer Norm­ sicherheit und jener der Normdurchsetzung gedeutet werden, ersteres wieder etwa Existenz, Bestimmtheit, Erkennbarkeit, Konsistenz und Nachhaltigkeit der Normen begründen.174 bb) Prohibitiv-präventive Sicherheit und Gefahrenbekämpfung Von dieser Funktionsweise der Erwartungssicherheit und des Friedens nach Hobbes grenzt sich klar ein präemptives Sicherheitsversprechen ab. Es erfordert letztlich, bereits durch v. Humboldt eindrücklich abgelehnt,175 zuvorderst ein Sicherheitsverständnis eines prohibitiv-interzedierenden Präventionsstaates,176 der

173

Vgl. zum Ganzen etwa Baer, Rechtssoziologie, § 4 Rn. 79, 103; Röhl, Rechtssoziologie, S. 389 ff., 403 m. w. N.; Rüthers / Fischer / Birk, Rechtstheorie, § 3 Rn. 87; Habermas, Faktizität, S. 68 ff.; Nichelmann, Grundordnung, S. 37 ff., 63, 128 ff. auch mit Überblick in das Werk Luhmanns aus Sicht einer Systemtheorie der FDGO. 174 Vgl. hier nur umfassend Arnauld, Rechtssicherheit, S. 101 ff.; Baer, Rechtssoziologie, § 4 Rn. 30 ff. 175 von Humboldt, Ideen, S. 187 ff. 176 Vgl. näher etwa Lisken / Denninger PolR-HdB Rn. B14 ff.; Würtenberger, HdbZSich, Kap. 30 Rn. 1 ff.

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C. Funktionsanforderungen

dem Einzelnen durch vorheriges Einschreiten gegen diesen die freie Entscheidung für oder gegen das Recht unmöglich macht.177 Wie bereits Hobbes (unter Rückgriff auf Cicero und Thukydides) geleistet hat, ist eine prohibitive Erwartungssicherheit gegenüber dem Verhalten des Gegenübers nur im Maß der vollständigen Unterwerfung zu garantieren. Andererseits bleibt sie bereits für ihn Fiktion: „Es ist in der Tat unmöglich, die Menschen vor jeder Art von gegenseitigem Schaden zu schützen, sodass sie nicht zu Unrecht verletzt oder getötet werden können. Daher ist dies auch kein Gegenstand unserer Erwägung.“178 Ist Freiheit allgemein die Möglichkeit, vom Determinierten abzuweichen, steht die – völlige oder angestrebte – p r o h i b i t i v e E r w a r t u n g s s i c h e r h e i t zu ihr unauflösbar in absolutem (oder graduellem) Gegensatz. Die Sicherheit populistischer und irreführender Verlautbarungen führt in die Totalität und ist nicht zuletzt häufig Mittel von Gruppen, denen sich die FDGO gerade entgegenstellen soll und stellt.179 Aus diesen Gründen lehnte der Parlamentarischen Rat mit seinem Redaktionsausschuss den Entwurf eines Grundrechts auf Sicherheit eindeutig ab: „Unklar ist, welchen Inhalt das Recht auf Sicherheit haben soll … Es kann doch nur ein Ausfluss der persönlichen Freiheit sein.“180 Juristisch sinnvoller Begriff kann ein absoluter Wert der Sicherheit – mit allen nötigen caveats gegen Missdeutung – nur relativ und hinsichtlich freien menschlichen Verhaltens prinzipiell allein reaktiv sein: erstens bezogen auf den Staat selbst, nämlich seine Sicherungen gegenüber fremden Mächten; zweitens die Rechts­ sicherheit des Individuums gegenüber staatlichem Handeln; drittens schließlich durch Aufklärung über den Gegenüber und Komplexitätsreduktion, letztes namentlich durch staatlich durchgesetzte Rechtsnormen.181 Die präventive Gefahrenabwehr wird dadurch aber nicht generell ausgeschlossen. Dies gilt auch dann, wenn die Prävention von Gefahren und Störungen solche trifft, die nicht z. B. von Naturkräften, sondern Verantwortungsbereichen Einzelner oder deren eigenen Verhalten ausgehen. Darauf gerichtete Maßnahmen werden allerdings in dem Maß unfriedlich, indem sie, ohne eine Entscheidung, oder erkennbares Verhalten abzuwarten, noch davor von vornherein Handlungen Einzelner präemptiv unterdrücken oder erzwingen.182 Darin liegt die Durchsetzung prohibitiver Sicherheit ebenso wie die Zuspitzung der Unfriedlichkeit, mit der Gefahr einer Eskalationsspirale, etwa in einem „Polizeistaat“. In ihm verbinden sich stark

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Vgl. Fahrner, HdbSiStR, § 4 Rn. 10 ff. m. w. N. Hobbes, de Cive, cap. IV, 3. 179 Vgl. etwa auch Fahrner, betrifft justiz 139 (2019), 105 ff. 180 Ursprünglich sah Art. 2 I GG in der Fassung des Hauptausschusses ein Grundrecht auf Sicherheit vor, das wohl aus Art. 3 der AEMR vom 10. 12. 1948 stammte; vgl. zum Ganzen JöR 1 (1951) S. 59 ff., 62; vgl. BVerfGE 6, 32 (39); ferner zum „Grundrecht auf Sicherheit“ nur Fahrner, ZStW 132 (2020), S. 84 (85 ff.). 181 Vgl. gerade oben b). 182 Vgl. BVerfGE 141, 220 (272 f.); allgemein bereits Fahrner, HdbSiStR, § 4 Rn. 11 m. w. N. 178

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prohibitives Einschreiten mit geringer Plausibilisierung und Einflussmöglichkeit des Betroffenen, wenn nicht gar Unberechenbarkeit und Gewalt- und Willkürherrschaft als Steigerung. Gewalt und Bewegungen gegen Polizei auch als „Defund the Police“ können so als Reaktion auf übertriebene Isolierungen der Polizeiorgane und deren Machtverhalten nachvollzogen werden. Dies gilt in einer entsprechenden wechselseitig beförderten Spirale umso mehr bei einem immer engeren und exklusiven „Einigeln“ der Polizei gegenüber Kritik und Kontrolle von außen, etwa undifferenzierten Übergriffen gegen Aufzeichnungen von Diensthandlungen durch Vertreter der Öffentlichkeit oder Betroffene. Derartige präventive Mechanismen stehen damit ebenfalls im Gegensatz zu klassischen polizeilichen Maßnahmen gegen Verhaltensstörer. Sie dienen zwar neben der Störungsbeseitigung dazu, zu verhindern, dass sich Gefahren realisieren. Sie reagieren jedoch auch dabei in einem definierten Rahmen, wenn die Gefahrenschwelle nachweislich überschritten ist, und haben dem Störer grundsätzlich die Selbstbeseitigung zu ermöglichen. Die unmittelbare Maßnahme ist dazu als Notsituation und ultima ratio subsidiär. Dies erwartungs- und rechtssicher auszuformen ist die Bestimmung des klassischen Polizeirechts. Anders als dieses löst ein z. B. auf reinen Vorhersagen und Kategorisierungen beruhendes prohibitives Eingreifsystem gegen algorithmisch identifizierte Personen („Gefährder“) – ebenso wie etwa ethnic profiling ohne deren Möglichkeit zur Einflussnahme und Abwehr – deren grundsätzliche Ohnmacht und Unfrieden mit allen Folgen potentieller Gewaltausbrüche aus.183 cc) Vereinbarkeit von Sicherheit und Freiheit Dies führt wieder auf die gesamte Idee der Sicherheitssteigerung durch den reaktiven bzw. „repressiven“ Friedensmechanismus zurück: Die Entscheidungsund Handlungsfreiheit wird nicht unterdrückt, aber beeinflusst durch die (rechts-) „sicher“ zu erwartenden Nachteile der Normübertretung und Verletzung, so dass auch die Wahrscheinlichkeit der Normbefolgung „sicherer“ wird. Gegenüber der Eigenmacht wird das ursprüngliche und reaktive kooperativ-normale Verhalten für den Einzelnen attraktiver durch wirksame Mechanismen der akzeptablen Entscheidungen von Konflikten.

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Vgl. weiterhin Fahrner, HdbSiStR, § 4 Rn. 8 m. w. N.

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C. Funktionsanforderungen

d) Rechtsstaatlichkeit und Demokratie als Modi der Friedensschaffung und -sicherung Zur Gewährleistung der Friedlichkeit und ihrer Voraussetzungen stellt die FDGO zwei Modi zur Verfügung, jenen der Rechtsstaatlichkeit und jenen der Demokratie.184 Beide verbindet funktional und trennt historisch vor allem das Ge­ setz als sachliche Autorität und Verkörperung der Rechtssicherheit.185 Ursprünglich wurde (idealtypisch) jeder Konflikt unmittelbar „politisch“ entscheiden, etwa in der attischen Volksversammlung (ἐκκλησία). Namentlich die ebenfalls darauf gerichtete römische Magistratsgewalt (coercio),186 wurde durch die Idee der fixierten, publizierten Regelhaftigkeit des Gesetzes, historisch vor allem der Zwölftafeln zum Schutz der Plebs begrenzt, dadurch entstand Rechtssicherheit. Diese Sicherheit des Gesetzes wurde bis zur neuzeitlichen Gewaltenteilung immer mehr aufgespalten in die Rechtsetzung und -anwendung, abstrakte und konkrete Konfliktlösung, zuletzt sichtbar in den mittlerweile ebenfalls weitgehend eliminierten unmittelbaren Justizfunktionen der Parlements bzw. des Parliament.187 Die Rechtsstaatlichkeit ist jedem ohne Ansehen der Person und namentlich auch ihrer Staatsangehörigkeit (allenfalls alleine nach internationalen Konfliktregeln beschränkt) gleichermaßen zu gewähren. Dagegen knüpft die politische Mitgestaltung des Gesetzes an entsprechende staatliche Mitwirkungsrechte an. Erneut kann auf Marsilius wohl als Wurzel dafür zurückgegriffen werden, dass das Gesetz keinerlei metaphysische Dimension aufweist, sondern alleine den Frieden schafft als positives Recht, das in demokratischer Weise gesetzt wird.188 aa) Verhältnis von Rechtsstaatlichkeit und Demokratie in Bezug auf die Friedensschaffung Zunächst ist festzustellen, dass Rechtsstaatlichkeit und Demokratie als Modi komplementär und grundsätzlich nicht gegensätzlich-ausschließend begriffen wer­ den müssen.189 Sie drückt sich etwa im Ineinandergreifen in den Art. 20 II, II GG 184

Vgl. bereits die Ansätze dazu bei Fröbel, System II, S. 154 ff.; Smend, Verfassung, S. 98 ff.; hingegen zu schematisch durch Schmitt geprägt noch etwa Dreier, Art. 20 GG (Demokratie) Rn. 147: Demokratie als Legitimation der Staatsgewalt, Rechtsstaat als dessen Limitation. 185 Vgl. auch Smend, Verfassung, S. 100 ff. m. w. N. zum Diskussionstand der Weimarer Republik mit der besonderen Situation der Richterschaft; vgl. dabei insbesondere die enge „Antiverwandtschaft“ von Gesetz und willkürlicher Maßnahme, etwa im Maßnahmen-/Doppelstaat bei Fraenkel, a. a. O. zurückgehend Schmitt, Verfassungslehre, S. 107 ff. als Gegenbegriff zum Gesetz verfolgen, vgl. auch Ehmke, Verfassungsänderung, S. 45. 186 Vgl. Mommsen, Strafrecht, S. 35 ff. 187 Shennan, Parlement, S. 11 ff.; Baker, History, S. 219 ff. 188 Vgl. ausführlich Marsilius, Defensor, cap. I, 10; Lutz, ZHF 22 (1995), S. 371 (379 ff.) m. w. N. 189 Anders die „absolutisch-exogene Demokratietheorie“ von Schmitt, durch Böckenförde und andere fortgeführt, vgl. Fahrner, Vulnerabilität, S. 55 ff.

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und ihren weiteren verfassungsrechtlichen Ausgestaltungen aus. Beispielsweise folgt die sachliche Autorität des Gesetzes den Entscheidungskriterien des demokratischen Prozesses seiner Entstehung. Auch der Gesetzgeber ist, wenn auch weit weniger dich als die Rechtsprechung, an rechtsstaatliche Kriterien gebunden und umgekehrt jene weniger als er unmittelbar an demokratische. Der Gesetzgeber verfügt über die höchste demokratische Legitimation, die Rechtsprechung hat und erfordert unter den anerkannten Staatsgewalten die geringste, leitet sie doch ihre Autorität nur ergänzend von der Bestellung und vor allem aus den rechtstaatlichen Verfahrens- und inhaltlichen Entscheidungsgrundsätzen ab.190 Gerade in der Abstraktion der Rechtsprechungsentscheidung von einem aktuellen „demokratischen Willen“ liegt die besondere Bedeutung auch für die Friedlichkeit. Der Einzelne wird eben nicht einfach ostrakisiert, d. h. durch ein politisches Scherbengericht nach augenblicklichem Mehrheitswillen verbannt, sondern soll durch ein Gericht „sine ira et studio“191 beurteilt werden. bb) Friedensfunktion der Rechtsstaatlichkeit Die moderne befriedete Ordnung wurzelt daher wesentlich im Rechtsstaat, namentlich der Gewaltenteilung und unparteiischen richterlichen Kontrolle in Verbindung mit der Öffentlichkeit.192 (1) Er bietet in der Rechtsanwendung wirksame Wege gewaltfreier Konflikt­ lösung und -prävention, welche die Betroffenen innerhalb der Gemeinschaft nicht dem Eindruck von Ohnmacht überlassen, auch wenn auf sie Übergriffe erfolgt oder versucht worden sind.193 Mit Strafausspruch oder sonstigem Urteil erhalten die so Verletzten zuvorderst gegen den Gegner die Anerkennung, „im Recht“ der Gemeinschaft zu sein.194 Hinzu treten durchsetzbare Wiedergutmachungen und andere Sanktionierungen des Widersachers und daraus wirksame Abschreckungen primärer Eigenmacht. Der Staat effektiviert mit seinem Gewaltmonopol das Recht weiter. Er unterstellt sich aber selbst auch dem Recht, und eröffnet anhand des Rechts und eigener Kontrollinstanzen die Überprüfung, sodass niemand über dem Recht steht und seine Opfer ohnmächtig im Unrecht zurücklässt, habe er auch staatliche Macht. Zentral sind damit die umfassende Justizgewährung als Spiegelbild des staatlichen Gewaltmonopols195 und die Konstituierungen und Sicherungen der un-

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Vgl. Fahrner, Vulnerabilität, v. a. S. 126 ff., 189 ff. Vgl. zum Grundsatz „ohne Zorn und Eifer zu richten“ etwa bereits Fahrner, Ausfälle, S. 145 ff.; ders., Landfrieden, S. 82 ff.; ders., betrifft justiz 144 (2020), 393 (394). 192 Vgl. Art. 19 IV, 20 III GG, dazu etwa Fraenkel, Demokratien, S. 69 f.; Kriele, Staatslehre, S. 101 ff.; Fahrner, HdbSiStR, § 4 Rn. 17 ff. m. w. N. 193 Vgl. auch Fahrner, HdbSiStR § 4 Rn. 26 f., 48 ff. m. w. N. 194 Vgl. auch Conze, Art. „Sicherheit“, S. 837; Fahrner, Landfrieden, S. 1 ff., passim.; Schmidt-Aßmann, HdbStR II, § 26 Rn. 11. 195 Vgl. nur Badura, StaatsR, Rn. H.23; Zippelius / Würtenberger, DtStR, § 12 Rn. 114. 191

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abhängigen Kontrollfunktion der Gerichte, ausgestaltet im Grund­gesetz etwa mit dem Rechtsprechungsmonopol (Art. 92 f. GG) und Unabhängigkeit (Art. 97 GG) des gesetzlichen Richters (Art. 101 GG), rechtlichem Gehör (Art. 103 I GG), fairem Verfahren (im Verbund mit Art. 6 I EMRK),196 Rechtsfriedensschutz durch Rechtskraft z. B. im Strafrecht (ne bis in idem, Art. 103 III GG) und weiteren Verfahrensrechten auch aus der prozeduralen Dimension der einzelnen Grundrechtsverbürgungen. Sie dienen, verbunden mit dem Recht des Einzelnen auf einen wirksamen Rechtsweg gegen Verletzungen durch die Exekutive (Art. 19 IV GG), auch der Gewaltenteilung und wechselseitigen Kontrolle (Art. 20 II 2 GG).197 (2) Die Regelhaftigkeit im Sinne der Rechtssicherheit ist der Kern ihrer Fried­ lichkeit, wie er auch in Art. 1, 3, 20 III GG etc. zum Ausdruck kommt. Der Rechtsstaat muss „rule of law, not empire of men“ sein. Darin liegt zum einen die rechtliche Rechtsbindung aller Unterworfenen ebenso wie der öffentlichen Gewalt selbst.198 Es ist die Trennung von aktueller politischer Entscheidung durch die Gewaltenteilung, jenes „government by laws, not by men“, welches sich etwa in den USA von John Adams Verfassung von Massachusetts199 über Marbury v. Madison200 bis zum „Saturday Night Massacre“ zieht.201 Dazu zählt zwingend das Rechtsprechungsmonopol der unabhängigen Gerichte, weshalb etwa der Gesetz-

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Vgl. BVerfGE 38, 105; 46, 202 (210); 57, 250 (274 f.); BGHSt 32, 345 (350); 37, 10 (13); StV 2010, 285; Badura, StaatsR, Rn. H35; Beulke / Swoboda, Strafprozessrecht, Rn. 28. 197 Vgl. BVerfGE 3, 225 (249); 9, 267 (279); 95, 1 (15); Schmidt-Aßmann, HdbStR II, § 26 Rn. 49 f., 56 ff.; Di Fabio, HdbStR II, § 27 Rn.18 ff. 198 Vgl. nur im Bezug zur FDGO BVerfG 144, 20 (210); zu den Wurzeln bereits Aristoteles, Politik, cap. III, 16 (1287b20; S. 196). 199 „In the government of this commonwealth, the legislative department shall never exercise the executive and judicial powers, or either of them: the executive shall never exercise the legislative and judicial powers, or either of them: the judicial shall never exercise the legislative and executive powers, or either of them: to the end it may be a government of laws and not of men.“ Art. 30 Constitution of the Commonwealth of Massachusetts (1780). 200 Marbury v. Madison, 5 U. S. (1 Cranch) 137 (1803): „The very essence of civil liberty certainly consists in the right of every individual to claim the protection of the laws, whenever he receives an injury. One of the first duties of government is to afford that protection. [The] government of the United States has been emphatically termed a government of laws, and not of men. It will certainly cease to deserve this high appellation, if the laws furnish no remedy for the violation of a vested legal right …“ 201 Vgl. Cox, Archibald zit. u. a. in: Oelsner, Lesley: „Cox Office Shut On Nixon’s Order“, The New York Times, 21. 10. 1973, S. 60; aufbauend wohl auf Gaynor, The North American Review 176, (1903), S. 282 (283 f.): „No one should forget for a day that our government, like all free governments, is one of laws and not of men. The people enact their laws, and then put some of their number in official positions to carry them out. They do not put persons in office to do as they please, but to keep within the laws. They do not tolerate that persons put in office to enforce the criminal laws shall themselves exceed or violate the laws defining their powers and duties, and the method and procedure they must follow … When officials assume to override the law and do as they please, instead of following and carrying out the law, they pervert the government into one of men and not of laws.“; vgl. weiter Choate, Writings, S. 194: „Government of laws, not of men; of reason not of will; of justice, not of fraud“.

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geber daran gehindert ist, den Gerichten den Kernbereich des Strafrechts zu entziehen und der Verwaltung zuzuweisen.202 Im Rechtsstaat werden Maßnahmen – statt willkürlich durch den Machthaber – unabhängig von der konkreten Person des Rechtsanwenders und nur im Hinblick auf den Betroffenen nur anhand legitimer, voraussehbarer und bestimmter Merk­ male differenzierend, mithin willkür- und insoweit gewaltfrei getroffen.203 Daraus lässt sich zunächst im Sinne der Radbruchschen Formel ableiten: Auch inhaltlich ungerecht und unzweckmäßig erscheinendes Recht ist solange zu befolgen, bis sein Widerspruch zur Gerechtigkeit ein unerträgliches Maß erreicht.204 Wenn das für eine jede pluralistische Demokratie essentielle Bekenntnis zur unverbrüchlichen Geltung der positiven Rechtsordnung mehr als ein Lippenbekenntnis darstellen soll, müssen die Normen des positiven Rechts auch auf die Gefahr hin respektiert werden, dass ihre Anwendung im Einzelfall zu Entscheidungen führen mag, die gegen die Gebote der Billigkeit verstoßen.205 Die Grenze Radbruchs darin, wo Gerechtigkeit nicht einmal erstrebt wird, wo die Gleichheit – die den Kern der Gerechtigkeit ausmacht  – bei der Setzung positiven Rechts bewusst verleugnet wurde, führt zurück zur Friedlichkeit, namentlich zur Akzeptierbarkeit und Legitimität des Rechts. (3) Die gerade zur Abwehr und Abgrenzung der Gewalt- und Willkürherrschaft konstruierte FDGO kann und muss hierfür wesentliche Bereiche der sonst moralischen Fragen206 noch „rechtsintern“ einfangen, mit den Komponenten der Menschenwürde, der Grundrechte sowie formellen Rechtsstaatlichkeit. Dies gilt auch für die Rechtssetzung selbst. Sie komplementiert die rein demokratische Legitimierung des Gesetzgebers: Seine demokratische Bestellung und Rückbindung wird beglaubigt durch die dabei befolgten Rechtsnormen und deren rechtlich kontrollierte Einhaltung. Gleiches gilt für die Beachtung der „Spielregeln“ bei der staatlichen Entscheidungsfindung und deren Verankerung im Gesetz, einschließlich dessen Bindung an bestimmte Grundregeln wie Grundrechte, Verfassungsprinzipien etc., die sich wiederum als Ausprägung der Menschenwürde und Freiheits- und Gerechtigkeitsorientierung darstellen.207 In der Rechtsanwendung etwa erfolgt die prozedurale Plausibilisierung der Entscheidung durch das rationale Verfahren mit den Rechten auf Information und rechtliches Gehör bzw. „Fairness“ und eben die Ableitung aus dem Gesetz.

202 Degenhart, StaatsR I, Rn. 300; Amnestiegesetze greifen jedenfalls dann, wenn sie ein laufendes Verfahren betreffen, in den Zuständigkeitsbereich der Strafjustiz ein, BVerfGE 10, 234 (246); v. Münch / Kunig / Kotzur, Art. 20 GG Rn. 134. 203 Vgl. Hesse, Grundzüge, Rn. 187, 189 f.; Doehring, Staatslehre, Rn. 425. 204 Radbruch, SJZ 1946, 105 (107); ders., Vorschule, S. 34. 205 Fraenkel, Demokratien, S. 357. 206 Vgl. etwa Dreier, Moral, S. 197 f. 207 Vgl. dazu umfassend bereits Fahrner, Vulnerabilität, v. a. S. 162 ff.

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(4) Gerade eine pluralistische Demokratie kann nur mit der festen Rechts­ sicherheit der Verfahrensnormen auch in der demokratischen Entscheidungsfindung bestehen, damit faire Kompromisse zustande kommen. Diese müssen wiederum effektiv durchgesetzt werden, worauf im Einzelnen noch einzugehen ist.208 (5) Namentlich diesen Kern der effektiven friedensschützenden Rechtsstaatlichkeit hat die FDGO dauerhaft zu gewährleisten. cc) Friedensfunktion der Demokratie Das politische System soll als Demokratie komplementär ermöglichen, ein ungerecht scheinendes Recht zu ändern oder ergänzend andere politische Entscheidungen im Rechtsrahmen friedlich beeinflussen zu können.209 (1) Durch die individuelle Chance der Mitwirkung soll niemand als bloßes Objekt gesellschaftlicher Verfügungsgewalt behandelt werden.210 Gerade in der freiheitlichen Demokratie müssen in weitem Maße Kritik am Bestehenden, Unzufriedenheit mit Personen, Institutionen und konkreten Entscheidungen positiv verarbeitet werden. Weil die Entscheidenden erkennen müssen, wie labil ihre Machtposition ist, sollen sie gezwungen sein, die Interessen der Minderheiten ebenfalls grundsätzlich zu berücksichtigen.211 Die demokratischen Mitwirkungsmöglichkeiten in ihren unterschiedlichsten Formen, bis hin etwa zum Demonstrations­ recht unter freiem Himmel, wirken der Ohnmacht und desintegrierenden Staatsverdrossenheit entgegen.212 (2) Die Demokratie muss so ausgestaltet sein, dass die Gemeinschaftsentscheidungen inhaltlich jedem das größtmögliche Maß an Freiheit belassen, mindestens aber ihm stets zumutbar bleiben.213 Sie müssen also etwa die grundrechtlich verbürgte Freiheit beachten und sich an den rechtsstaatlichen Grundsätzen auch daraus messen lassen. Dadurch und durch andere Formen des Minderheitsschut-

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Vgl. unten E. I. 2., II. sowie bereits Fahrner, Vulnerabilität, v. a. S. 75 ff., 87 ff., 126 ff., 266 ff. 209 Dies folgt selbst aus gegen die Friedlichkeit der Demokratie gerichteten Entwurf der politischen Willkür und Homogenisierung des Demos bei Schmitt, Verfassungslehre, S. 225 f., 232 ff., bei dem diese letztlich auch der (vermeintlichen) Stabilität der homogenisierten identitär-volksabsolutistischen Herrschaft dienen sollen; vgl. umfassend bereits Fahrner, Vulnerabilität, v. a. S. 75 ff.; zum Bezug zur FDGO bereits etwa Dettling, Demokratie, S. 66 ff. 210 Kielmansegg, Demokratie, S. 18; Enzmann, Schlechtwetterdemokratie, S. 143 (148); ­Habermas, Faktizität, passim. 211 Vgl. bereits BVerfGE 5, 85 (199) unter der damaligen Terminologie der Willensbildung der Mehrheit. 212 BVerfGE 69, 315 (346 ff.). 213 Vgl. etwa BVerfGE 5, 85 (197 f.); insoweit kann der Ansatz der Minimierung der Heteronomie entgegen der Fiktion der kollektiven Identität richtig fortgeführt werden, vgl. auch Dreier, RW 2010, 11 (35) m. w. N.; dazu bereits Fahrner, Vulnerabilität, S. 57 ff.

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zes, den die FDGO zu sichern hat, wird eine Gesellschaft vermieden, welche sich weitgehend unfähig zur friedlichen kollektiven Konfliktlösung zeigt durch das gegenseitige Misstrauen und eine „Stasis antagonistischer Kräfte“.214 Derartige demokratische Komponenten sind insbesondere solche, die dafür sorgen, dass die unterlegene Minderheit auch eine faire Chance hat, zukünftig durch friedfertiges Verhalten zur entscheidenden Mehrheit zu werden. (3) In diesem Sinn bleibt es legitim begrenzte Voraussetzung der freien poli­ tischen Individual- und Parteibetätigung, als solche anzuerkennen, dass andere ebenso frei zur Mehrheit werden dürfen und können, wenn sie selbst gerade die Regierung innehaben.215 Damit bleibt die eigene politische Gewaltfreiheit der Akteure zentrale Schranke auch politischer Verfassungsordnungen. So taten sich auch relative Demokratien der Zwischenkriegszeit zu keinem Zeitpunkt schwer, gewaltsame Angriffe auf Staat, Verfassung oder gesellschaftliche Gruppen auch strafrechtlich zu sanktionieren.216 Es bleibt dabei allenfalls eine genaue Grenze im Weiteren zu bestimmen.217 Gerade die dauerhafte Sicherung der politischen Gewaltfreiheit wird zu einem wesentlichen Ansatzpunkt der „militant democracy“, um sich im o.g. Sinn die Offenheit für friedlichen Wandel und Konfliktlösung auch gegen autoritäre und totalitäre Bestrebungen und Begehren zu erhalten.218

2. Integrationsfunktion a) Notwendigkeit der Integration Vor allem die Staatslehre der Weimarer Republik musste leidvoll erfahren, dass die Friedlichkeit des Gemeinwesens nicht aufrechterhalten werden kann bei innerer Abkehr oder Passivität großer, etwa religiös, großbürgerlich oder monarchistisch ausgerichteter Gesellschaftsgruppen angesichts übermächtiger zentrifugaler Kräfte.219 Zu letzteren zählten damals und zählen bis heute etwa Separatismus und politischer Radikalismus, zuerst vor allem kommunistischer und nationalistisch-völkischer Prägung. Neuerdings ergänzen sie weitere Formen vor allem des religiösen, weltanschaulichen oder sonst evident diskriminierenden Extremismus.

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Vgl. etwa Hennis, Amtsgedanke, S. 323 (345). Vgl. hier nur Leibholz, DVBl. 1951, 554; ders., 38. DJT (1951), C S. 28, Rinck, DVBl. 1958, 221 (224 f.). 216 Vgl. bereits oben B. I. 3. a). 217 Dies wird eben das zentrale Ziel der ausstehenden Habilitationsschrift sein. 218 Vgl. bereits oben B. I. 3 b). 219 Auf die aus der allgemeinen Geschichtsforschung umfassend dokumentierten und bekannten zentrifugalen Kräfte der zahllosen Putschversuche von „links“ und „rechts“, Freikorps, Räterepubliken, der Separatismusbestrebungen im Rheinland, Bayern und Schlesien etc. muss hier nicht weiter eingegangen werden. 215

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Die Integration der einzelnen Individuen in den Staat hat sich daraus seit den 1920er Jahren zu einem Paradigma der Staatslehre entwickelt.220 Sie sieht sich vor den Herausforderungen rationalistischer Entfremdungseffekte und der (zunächst noch als „Wertverfall“ gedeuteter) empirischen Lebensformpluralismen.221 Neben der extremen antiparlamentarisch-diktatorischen Homogenitätslehre Schmitts222 und der sozialdemokratischen von Heller223 entwickelte vor allem Smend einen anti-positivistischen und anti-idealistischen Ansatz unter Beachtung der Psychologie und Soziologie.224 Prägend geblieben ist daraus die Erkenntnis, dass alle politischen Systeme – Demokratien nur in besonderem Ausmaß – auf eine Grundakzeptanz der Betroffenen angewiesen sind.225 Fehlt sie in erheblichem Umfang, weil sich politisch relevante Volksteile in der politischen Einheit in keiner Weise mehr wiedererkennen, kann die Friedlichkeit und letztlich auch äußere Stabilität des Gemeinwesens nicht erhalten werden.226 Konzept und Ausgestaltung des freiheitlich demokratischen Gemeinwesens müssen daher dauerhafter Desintegration entgegenwirken und damit Integration und Reintegration möglichst umfassend ermöglichen und befördern – bis, wie die FDGO verkörpert, vor die Grenzen der eigenen erheblichen Selbstgefährdung durch einen laissez-faire-Relativismus.227 Die notwendige Integration kann wiederum vor allem im weitgehend allgemei­ nen Vertrauen auf friedliche Konfliktlösung innerhalb des konkreten politischen Systems erkannt werden.228 Die Motivation, die Verfassungsordnung zu unter 220 Allerdings scheint die Integration und ihre Beziehung zur Friedlichkeit relativ wenig explizit reflektiert. Stattdessen findet sich am Eingang der Rechtsdogmatiken die soziologische Theorie der des Staates als Willensvereinheitlichung und „Willensverband“, vgl. dazu bereits Fahrner, Vulnerabilität, v. a. S. 101 ff.; hier etwa nur Smend, Verfassung, S. 8 ff., 48 sozio­logisch maßgeblich beruhend auf Litt, Individuum; vgl. etwa weiter Denninger, Ethisierung, S. 95 (97); Dworkin, Gleichheit, S. 171 (196); Ladeur, Verfassungstheorie, S. 304 (323); ­Dettling, Demokratie, S. 61 f. 221 Vgl. Smend, Verfassung, S. 58 ff. 222 Siehe sogleich unten b). 223 Vgl. etwa Heller, Politische Wissenschaft 5 (1928), 35; sowie ders., Homogenität und bereits angedeutet bei ders., Souveränität. 224 Smend, Verfassung, S. 18 ff. passim. 225 Vgl. BVerfGE 5, 85 (379): „Insoweit ist richtig, dass die Legitimität der Verfassungsordnung ist auch abhängig von der (weit) mehrheitlichen Akzeptanz ihrer Wertsetzungen entsprechend der darin in Folge der aufklärerisch-liberal-rechtsstaatlichen Tradition erreichten Kulturzustands.“; ähnlich der „demokratische Grundkonsens“ in BVerfGE 44, 125 (147); in diesem Sinn lassen sich auch zumindest zu einem wesentlichen Teil die Theorien des consensus omnium verstehen, vgl. oben II. 2., 3. 226 Vgl. auch Heller, Politische Wissenschaft 5 (1928), 35 (36); Die Friedlichkeit wird vor allem gefährdet an Bruchstellen der Akzeptanz von Entscheidungen und der sie fällenden Autoritäten und Identifikation der Gruppen mit dem Gesamtgemeinwesen und dem Vertrauen, darin zu partizipieren und nicht ohnmächtig zu sein, ebenso allerdings auch durch manifeste Macht- und Gewaltakte, die dem folgen können, aber auch unabhängig autonom oder gezielt geschürt entstehen können. 227 Vgl. dazu unten e) v. a. ee). 228 Durch dieses weit umfassendere, gerade bereits begründete Konzept bedarf es der nicht weiter ausgefüllten Prämisse des Staates als Willensvereinheitlichung und „Willensverband“

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minieren oder zu sprengen, muss eingedämmt werden. Sie muss jedenfalls auf ein Maß reduziert werden, dem durch unterdrückende Maßnahmen, als ultima ratio des präventiven und strafrechtlichen Staats- und Verfassungsschutzes beigekommen werden kann, ohne die generelle Friedlichkeit und Freiheitlichkeit zu verlieren. Diese Integrationsaufgabe ist aber nicht nur eine solche der Demokratie, sondern ebenso der Rechtsstaatlichkeit verbunden. Gerade die Überspitzung in der prädiktatorischen dezisionistischen Staatstheologie Schmitts hat gezeigt, wie verheerend sich die dichotomische Abtrennung der Rechtspflege und Rechtsstaatlichkeit vom politischen Subsystem auswirkt, welche etwa Smend betont hatte.229 Sie kann als überholt gelten: Alle Staatstätigkeit ist sowohl dem rechtsstaatlichen als auch dem demokratischen Prinzip im Rahmen der FDGO unterzuordnen, beide Komponenten trifft gleichermaßen und gemeinsam die Integrationsaufgabe.230 b) Irrweg der materiellen Homogenität aa) Den Ansatz „materieller Volkshomogenität“ verkörperte vor allem Schmitt in seiner Staatslehre, die als neoidentitärer Demokratieansatz in der BRD besonders in seinen Schülern und Teilen der Judikatur des BVerfG fortwirkt(e).231 Er wurzelt in den materiellen völkischen Ideen des 19. Jahrhunderts, im Gedanken einer nicht nur über eine Staatsangehörigkeit formal, sondern (auf welche dubiose Weise auch immer) substantiell verbundenen Nation.232 Bekanntermaßen schon vor 1933 übersteigert bis zur reinen Fiktion biologischer nationaler Rassen233 oder eines esoterisch verstandenen „Volksgeistes“, versucht die gemäßigt neoidentitäre Theorie, Maßstäbe einer außerrechtlichen Homogenität (in „gemeinsam durchlebetwa bei Smend, Verfassung, S. 8 ff. nicht, diese kann als heute zurecht überholt gelten.; vgl. in diese Richtung bereits Heller, Politische Wissenschaft 5 (1928), 35: „Solange an … geglaubt und angenommen wird, es gäbe eine Möglichkeit, durch Diskussion mit dem Gegner zur politische Einigung zu gelangen, solange kann auf Unterdrückung durch physische Gewalt verzichtet werden“; ähnlich unter direktem Bezug zur FDGO etwa Dettling, Demokratie, S. 69 ff. 229 Smend, Verfassung, S. 98 ff.; insoweit gefolgt von Böckenförde, HdbStR, § 24 Rn. 47 ff. 230 Vgl. gerade oben 1. d) sowie Fahrner, Vulnerabilität, v. a. S. 126 ff. 231 Vgl. Schmitt, Lage, S. 14, 232 ff.; ders., Verfassungslehre, S. 232 ff.; vgl. krit. Dorn, Verfassungssoziologie, S. 140 ff.; van Ooyen, Sicherheit, S. 24 ff. 232 Vgl. insbesondere zurückgehend auf die „Weckrufe“ einer deutschen levée en masse nationale in der Befreiung von der napoleonischen Herrschaft namentlich Fichte, Reden; sowie etwa die erste nationalpatriotische Dichtung etwa unter Ernst Moritz Arndt, vgl. Jansen, HdbVölkWiss I, S. 39 ff.; dabei ist insbesondere, vorbehaltlich weiterer Darstellung, auf die anderweitig nachgewiesen Bedeutung im Rahmen des Rechtsterrorismus, namentlich des sogenannten „NSU“ hinzuweisen; vgl. im Übrigen noch die irreführend falsche Annahme gemeinsamer (Mutter-)Sprache bei Dreier, RW 2010, 11 (36). 233 Vgl. Die Widerlegungen namentlich bereits 1942/1945 bei Montagu, Myth; anhand biologischer DNA-Studien etwa Reich, Who, 2018; vgl. auch Lipphardt, Biowissenschaften, S. 223 ff.; United Nations Educational, Scientific and Cultural Organization, Erklärung.

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ter Geschichte“, „mental verfestigtem kulturellem Erbe“ oder schlicht: „Volkstum“) zu erhalten, denen in dieser retrospektiven Gedankenwelt maßgebliche Bedeutung der Integration zugesprochen werden soll.234 bb) Alle derartige Fiktionen einer „Homogenisierung“ der Glieder des Gemeinwesens nach an diesen vorgefundenen Eigenschaften wie („blutmäßige“ oder „kulturelle“) Abstammung sind indes als vermeintlich zwingende Integrationsgrundlage in einer menschenwürdigen pluralen FDGO ausnahmslos zu verwerfen.235 (1) Sie erweisen sich als kaum mehr als zeitgebundene (fiktive) Konstrukte des 19. Jahrhunderts.236 Ihren Ausgang kann man erkennen mit der Auflösung des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation, der deutschen levée en masse na­ tionale,237 des Nationalismus der Restauration und des Triumphs nationaler Einigung bis 1871.238 Bemerkt werden muss in der „Alldeutschen“-Propaganda auch in den relativ immigrationsruhigen Phasen im 19. Jahrhundert (bei hoher deutscher Auswanderung v. a. in den „melting pot“ der USA) ein gezieltes Ausklammern der tatsächlichen erheblichen ethnischen Vielfalt noch zwischen deutschen Volksgruppen und zahlreichen tatsächlichen (z. B. Elsässer, Dänen, Wenden, Jenische, Polen, Schlesier) und deklarierten (v. a. jüdisch-gläubigen) ethnischen Minderheiten.239 234

Böckenförde, HdbStR, § 24 Rn. 47, 57 ff. unter Berufung vermeintlich auf Heller, Homogenität, der jedoch anders als der von Böckenförde (möglicherweise dissimulierend) nicht genannte Schmitt nicht auf eine national-völkische, sondern soziale Homogenität abstellte. 235 Vgl. bereits dagegen überzeugend insoweit die Argumente von Renan, Nation, S. 6 ff., allerdings nicht die antisemitische und antiislamische christliche Überhöhung sowie die romantische Organmodellierung der Demokratie; ebenso kritisch Heller, Politische Wissenschaft 5 (1928), 35 ff.; Kelsen, Rechtslehre, S. 15 f., 149; dazu auch van Ooyen, Sicherheit, S. 165; dagegen probl. etwa Kaufmann, Volkswillen, S. 7; Böckenförde, HdbStR, § 24 Rn. 47, 57 ff. 236 Auf in diesem Sinn nicht gemeinte Vorformen wie das Regnum Teutonicum (für die Erzkanzlei und die Reichsteile jenseits Italiens und Burgunds), folgend die nationes als Studentenverbindungen in den ersten mittelalterlchen Universitäten und die Postulation des heiligen Römischen Reiches deutscher Nation im 16. Jh. und Anrufung des entsprechenden Adels durch Luther können hier ausgespart bleiben, verstanden sich diese doch nie im Sinne einer materiellen und exklusiven völkischen Homogenität. 237 Vgl. Fichte, Reden, 14. Rede, S. 452 ff. 238 Darin liegt die Auseinandersetzung mit einem französischen Gegen- und italienischen Vorbild. Wesentlich trugen weiter die Radikalisierungen in der K. u. k.-Donaumonarchie anhand völkischer Grenzen bis 1919 bei, sowie die wilhelminischen Unternehmungen um national-imperiale Einheit gegen zunehmende soziale Spannungen. Ersteres vor allem Folge einseitiger nationaler Unterdrückungs- und Bevorzugungspolitik, in beiden aber eben auch Verdeckung und Verdrängung von v. a. sozialen Konflikten (Armut, deviant-progressive Lebens- und Kulturformen etc.) aus der politischen Auseinandersetzung mit den Folgen gerade auch des Ausbruchs der Revolutionen von 1918/19 usw.; vgl. zu letzterem etwa auch bereits Preuß, Reich, S. 327 (zu Art. 1 Rn. VIII); im Übrigen sei auf die überaus breite allgemeine historische Forschung verwiesen, sowie exemplarisch Fahrner, Höhepunkt, S. 213 ff. 239 Sowie namentlich die gesamte Tradition der deutschen Geschichte mit rein fiktivem „Germanentum“ und „Germanensprache“ bei tatsächlich bis über das Mittelalter hinaus fortwirkenden vielfältigen Stammeswurzeln und oft früherer und engerer Verschmelzung mit Slawen, Romanen etc., der übergreifenden Staatsordnung im Deutschen Bund usw. usf.

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(2) Derartige Homogenitätspostulate sind gerade Gegenteil der Friedlichkeit und Pluralität des Gemeinwesens: Sie bedeuten die Ohnmacht der „Ungenügen­ den“ alleine aufgrund der für sie unveränderlichen Eigenschaften, damit daraus deren sachwidrige Benachteiligung. Der Versuch, nicht unmittelbar, sondern an die Verhaltensunsicherheit des „Fremden“ anzuknüpfen, wäre vor allem nationalistisch gewendet, letztlich nichts anderes als das „ewige“ Vorurteil, Andersstämmige oder „-artige“ würden sich nicht an Regeln halten, oder aber der nicht irgendwie weiter plausible reine Wunsch, vermeintlich nicht Homogene per se zu diskriminieren. Warum umgekehrt aus solchen eindimensionalen Eigenschaften der Homogenität gerade ein Ausschluss von tatsächlichen politischen „Feindschaften“ folgen sollte, ist jenseits der genannten völkischen Tautologien nie plausibel begründet worden.240 Die Verhaltenssicherheit des Gegenübers als Anknüpfungspunkt selbst macht sich an rationalen oder habituierten Regelbeachtungen, nicht aber etwa unterstellten, etwa nationalen, Stereotypen oder „blut- oder betmäßigen Verbundenheiten“ fest. Die eigene Integrationsleistung des Staates per se, der nur zufällig im Kern auf einer Nation aufbaut, ist dafür ebenfalls kein Argument.241 Ursache und Wirkung werden schließlich vertauscht, wenn die Unfriedlichkeit z. B. von homogenisierenden „Reinigungen“, Verfolgung von „Sündenböcken“, Externalisierung von Aggression und eigener Ausgrenzungsangst als terreur gegen „Nicht-Homogene“ und vermeintliche Belege ihrer Nicht-Kompatibilität mit der restlichen Gesellschaft angeführt werden.242 Gerade jede Form der Homogenisierung ist Inbegriff der Unfriedlichkeit, niemals ein Lösungsansatz, völlig unabhängig von der Unvereinbarkeit mit der Menschenwürde. c) Rational-emotionale Integrationswege Stattdessen ist v. a. Renan und Smend zunächst einerseits darin zuzustimmen, dass Integration verstanden werden kann als „un plébiscite de tous les jours“, welches sich als individuell-psychologische, das Gemeinwesen akzeptierende Entscheidung bei allen Interessensspaltungen beständig „dynamisch“ von neuem stellt.243 Dieses plebiszitär fundierte Gemeinwesen verlangt zunächst die grundsätzliche rationale Verständigungsfähigkeit untereinander. Dazu gehört als Basis die sprachliche Kommunikation, durch gemeinsame, jedenfalls (wie in multilingualen Staaten wie der Schweiz oder Kanada sowie der EU) durch Übersetzung verstandene Sprache. Weiterhin erfordert es eine grundlegende Offenheit der

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Im Sinn des Schmitt’schen Freund-Feind-Denkens, Auch eine Homogenisierung durch außerrechtliche Leitkultur, wie nur etwa von Schmitt Glaeser, Staat, S. 127 f. stößt an die Grenzen des Pluralismus. 242 Vgl. weiter umfassend bereits Fahrner, Vulnerabilität, v. a. S. 75 ff., 84 ff. 243 Vgl. zuerst Renan, Nation, S. 27; Heller, Souveränität, S. 82; Weber, Staatsdenken, S. 35 f.; Smend, Verfassung, S. 16 ff., 69: Wirklichkeit des Staates als das tägliche Plebiszit; vgl. auch Thoma, HdtStR, § 16, S. 189. 241

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kulturellen, weltanschaulich-religiösen und politischen Hintergründe.244 Andererseits trifft zu, dass diese Entscheidung über die Selbstintegration bei weitem nicht alleine anhand voll individuell rationaler Nutzenerwartung getroffen wird, ins­besondere wenn die aktuelle Zahl der vermittelnde Elemente den Einzelnen rational überfordert.245 Aus welchen Gründen jeweils beim einzelnen Individuum per se aktuell die Integration gelingt, ist für das Gemeinwesen unbeachtlich, jedoch hat es möglichst effektiv die Integrationsleistung für alle Betroffenen zu adressieren und zu aktivieren.246 aa) Damit geht es darum, dass Individuen bzw. einzelne Gruppen, in die erstere wiederum integriert sind, einerseits rational durch reale Machtaussichten immer wieder aktiv in das staatliche Leben hineingezogen werden.247 In diesem Verständnis müssen nach dem Eindruck der tatsächlicher Einflussmöglichkeit im friedlichen System diese in der Gesamtabwägung aller (rechtlichen wie außerrechtlichen) Risiken und Nutzen (auch ggf. langfristig) attraktiver als gewaltsame Eigenmacht oder Umsturz der Ordnung erscheinen.248 Integration bedeutete so bereits für Preuss vor allem die tatsächliche oder jedenfalls glaubhaft in Aussicht gestellte Überwindung ungerechtfertigter Diskriminierung im Sinn der tatsäch­ lichen Gleichberechtigung statt fingierter (formaler und außerrechtlich projizierter) Gleichheit.249 Ähnlich formuliert zutreffend etwa Neumann: „Während häufig der Wesenspunkt der Demokratie in ihrer Mehrheitsentscheidung gesehen wird, ist es für die Lebensfähigkeit des Systems viel ausschlaggebender und charakteris­ tischer, dass das Recht der Minorität garantiert wird. In dieser Weise ist nicht nur ein Wechsel der Oligarchien ständig möglich, sondern selbst in ihrer Opposition ist die gegenwärtig benachteiligte Gruppe mit ihren legitimen Ansprüchen in das System zur Genüge eingefügt.“250 bb) Ergänzt wird dies andererseits durch das durchaus e m o t i o n a l e Wieder­ finden in der konkreten Herrschaftsordnung, das auch über längere Phasen der Majorisierung hinwegtragen kann.251 Hier kann die gefühlsmäßige Identifizie 244

Vgl. insoweit zutreffend Dreier, RW 2010, 11 (36 ff.). Insoweit richtiger Ansatz bei Renan, Nation, S. 24; Smend, Verfassung, S. 14 ff., 47 f., 72 ff. m. w. N. auch mit der Kritik an der zu rationalitätsfixierten liberalen Staatstheorie jedoch im zu Recht überholten Modell des Staates als Willensverband (s. o. a)); maßgeblich dürften wohl geringe Informationen, hohe Informationskosten, geringe Informations- und Entscheidungsgewinnerwartung sein, vgl. zusammenfassend bereits Fahrner, Vulnerabilität, v. a. S. 47 ff., 104 ff. im Vorgriff auf die umfassendere Analyse in der anstehenden Habilitationsschrift. 246 Vgl. auch Smend, Verfassung, S. 41 f.; v. Wieser, Gesetz, S. 23. 247 So grundlegend Smend, Verfassung, S. 40 f. 248 Heller, Politische Wissenschaft 5 (1928), 35 (37); zur psychologischen und ökonomischen Diskontierungstheorie vgl. Pfister / Jungermann / Fischer, Psychologie, S. 64 ff.; Beck, Economics, S. 197 ff. 249 Vgl. Preuß, Reich, S. 326 ff. (zu Art. 1 Rn. VIII). 250 Neumann, Dekalog, S. 347 (355). 251 Vgl. auch Heller, Politische Wissenschaft 5 (1928), 35 (37); Preuß, Reich, S. 330 f. (zu Art. 1 Rn. VIII). 245

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rung mit dem Gemeinwesen eine wesentliche Rolle spielen, ebenso wie Formen der Habituierung der Akzeptanz. Insofern kann Demokratie auf vielerlei Ebene auch als Sinngebung des Individuums verstanden werden, als seine Integration als soziales Wesen.252 d) Mittel der Integration Die Wirkung der unterschiedlichen Werkzeuge und Mechanismen der Integration macht sich an diesen kombinierten rational-emotionalen Ebenen in Perspektive auf die ganze Bevölkerung als solcher fest.253 aa) Zu den daraus folgenden Ansatzpunkten sind vorab beeinflussbare Grund­ voraussetzungen politischer Prozesse innerhalb der Bevölkerung zu zählen. Zu ihnen gehören namentlich die soziale Kohärenz ebenso wie die faktische recht­ liche Gleichheit: gerade in stark plutokratisch abgeschichteten Gesellschaften kann integratives, demokratisch-friedliches Verhalten für die unprivilegierten bzw. ärmeren Schichten eine geringere langfristige Nutzenerwartung gegenüber gewaltsam-revolutionären Alternativen aufweisen. In diesem Sinn hat bereits Heller den Begriff der innergemeinschaftlichen „Homogenität“ verstanden,254 eben nicht als eine völkisch-ethnischen Scheinidentität.255 Die nationalistische „andersfeindliche Homogenitätsfiktion“ wurde damit bereits 1928 von ihm und Kelsen ebenso angegriffen, wie nach 1945 exemplarisch durch Hesse und andere.256 Heller folgerte vielmehr vor allem die Integrationsleistung in sozialstaatlicher Hinsicht: Gerade die ressourcenschwächeren Schichten, die meist die Mehrheit in einem Gemeinwesen darstellen, dürfen die Erwartung an den Nutzen friedlicher evolutiver Fortentwicklung, etwa soziale Aufstiegschancen und sonstigen Fortschrittsanteil, nicht dauerhaft verlieren; ansonsten lässt sich – jedenfalls im Rahmen einer freiheitlichen Demokratie! – das Verfassungssystem, etwa durch machtmäßige regulative oder rationale Freiheitsbeeinträchtigung, nicht nachhaltig friedlich bewahren.257

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Vgl. bereits u. v. a. Cicero, Res, cap. I, 39; Neumann, Dekalog, S. 347 (366). Smend, Verfassung, S. 40 ff. 254 Vgl. zum Ganzen unter den bereits oben genannten v. a. zusammenfassend Heller, Politische Wissenschaft 5 (1928), 35. 255 Instrumentalisierungen von Heller im Sinn einer re-nationalistischen Deutung v. a. nach Gründung der BRD sind demgegenüber irreführend. Es lässt sich dabei von einer gewissen Kontinuität des nationalistischen „Framing“, i. S. einer bewussten Umdeutung der sozialen auf die nationale Dimension sprechen, welche bereits im Deutschen Kaiserreich häufig unternommen wurde, vgl. Fahrner, Höhepunkt, S. 213 ff.; so ist auch der Gegensatz Bürger-Fremde bei Rousseau gräzisierend als primär soziales Bild vor einer formalen Volkszugehörigkeit zu deuten, vgl. zum Ganzen Fraenkel, Pluralismus, S. B18 ff. 256 Heller, Politische Wissenschaft 5 (1928), 35 (37); Kelsen, Wesen, S. 26 ff. 257 Abendroth, Demokratie, S. 156 (163, 169); Kahler, Schicksal, S. 35 (50 f.). 253

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bb) Als zweites Mittel zielt die symbolische Integration vor allem auf emotional-habituelle Ebene und bewirkt eine komplexitätsreduzierende Konzentration.258 Die namentlich von Habermas im geschichtlichen Wandel ihrer Funktionen weiter untersuchten Repräsentationsformen259 hat bereits Smend identifiziert als sachliche Repräsentation. Sie erfolgt namentlich durch Flaggen bzw. Fahnen, Wappen und Hymnen.260 Sie ergänzen personale Repräsentanten wie das Staatsoberhaupt261 und prozedurale wie möglichst regelmäßigen Rituale262: Die gesteigerte Integrationskraft eines symbolisierten Sachgehalts beruht allerdings nicht nur darauf, dass er mit irrationaler und individueller Fülle in einer besonderen Intensität erlebt wird, sondern wirkt auch darin, dass er in dieser Gestalt zugleich elastischer ist, als in bloßer extensiver, rationaler, gesetzlicher Formulierung.263 Bedeutsam erweist sich die personelle Integration über alle Amtswalter in ihrer Amtsführung gegenüber dem Publikum, der Öffentlichkeit.264 Auch andere Akte der Staatsrepräsentation, vor allem in der Herrschaftsausübung265 ebenso wie die Beteiligung in Vorgängen der staatlichen Willensbildung können neben ihrer realen Mitbestimmungsfunktion wesentlich zur funktionalen Integration beitragen. Hier reihen sich etwa Wahlen, Abstimmungen, darauf gerichtete Wahlkämpfe und Vorwahlprozesse ebenso ein wie weitere informellere Formen der Beteiligung, etwa in Parteien, Verbänden, Kommunen, Demoskopie oder in der Öffentlichkeit, egal ob aktiv oder bloß passiv konsumierend.266 Bedeutsam ist dabei, dass die spezifische Form der Integration den Adressaten jeweils erreicht. Mithin ist zu beachten, dass sie dort entsprechende Rationalität umso mehr voraussetzt, je mittelbarer und weniger direkt erlebbar sie ist.267 Nach Smend können Wahlkampf und Mehrheitsentscheidung  – analog zum Rechtsgang, gemeint wohl vor allem habituierender systemimmanenter Friedlichkeit  – als „befriedende Kampfentscheidung“ im Sinn funktionaler Integration gedeutet werden, die dem gewaltsamen Kampf vergleichbare psychologische Funktionen wie ein Entladen von Spannungen usw. erfüllen: „Der tiefere Grund dieser wohltuenden, kathartischen [sic!] Wirkung ist unabhängig von der Genugtuung über ein sachlich richtiges Ergebnis und von der Befriedigung über die Herstellung und Bewährung der formalen Einheit: Der Austrag ist ein wesentlicher integrierender Lebensakt der Gemeinschaft und deshalb zugleich eine Erhöhung 258

Vgl. näher auch Fahrner, ZIS 16 (2021), 365; Smend, Verfassung, S. 48. Habermas, Öffentlichkeit; vgl. für die aktuelle historische Forschung weiter prägend Althoff, Rituale. 260 Smend, Verfassung, S. 28, 48 ff. 261 Vgl. Smend, Verfassung, S. 25 ff., 139 f.; auch insbesondere BVerfGE 136, 323 für den Bundespräsidenten; nicht im Sinn plebiszitär-identitärer Konzepte wie bei Schmitt. 262 Smend, Verfassung, S. 34 ff. 263 So ebd., S. 49. 264 Ebd., S. 30 f. 265 Ebd., S. 42 f. 266 Vgl. ebd., S. 34 ff., 41 zur passiven Beteiligung als Öffentlichkeit. 267 Ebd., S. 41 f. 259

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des Lebensgefühls des Einzelnen, einerlei ob er zur Mehrheit oder Minderheit gehört“.268 Die symbolische Integration wirkt im Hinblick auf die FDGO durchaus am­ bivalent: Tatsächlich erweist sich Smend mit dem Argument überzeugend, dass alleine auf die rationale funktionelle Integration der Staatstätigkeit (und etwa des Parlaments), d. h. ohne jede symbolische Flankierung, kein Staat gegründet werden kann.269 Jedoch gehört die überhöhte Symbolik zu gerade den besonderen Techniken speziell faschistischer und kommunistischer Machtherrschaft, und allgemein zur Sicherung solcher politischer Machtsysteme, die eben keine FDGO, sondern deren Gegenbild darstellen.270 Gerade derartige Regime stabilisieren sich regel­ mäßig, indem sie den symbolischen Integrationsgehalt entweder bloß „simulierter“ demokratischer Akte wie „Pseudowahlen“ und „Pseudoparlamente“ „nachspielen“ oder alternative Rituale, etwa folkloristische oder propagandistische Massenereignisse schaffen:271 „Das Drückende des ‚Obrigkeitsstaats‘ wird nicht so sehr darin gefunden, dass er sachlich Unrecht hätte, als darin, dass er im Namen von Sinnzusammenhängen und politischen Wertewelten schaltet, die die Regierten nicht mehr als ihre eigenen, von ihnen hervorgebrachten oder aktiv gebilligten empfinden.“ Indes dienen ihre repetitiven funktionalen wie sachlichen Elemente ebenso wie „Führerpersönlichkeiten“272 und entsprechende „Kulte“ im Sinne Löwensteins aber auch regelmäßig dazu, Gruppen im für sie regelmäßig irrationalen Kampf gerade gegen die FDGO zu integrieren.273 cc)  Der rationale Kern der Integration (um Konflikte in die formalisierten, friedlichen Bahnen des konkreten politischen Systems der Verfassungsordnung lenken, statt darauf, diese zu sprengen) ist indes die zumindest mittelfristig r e a l e Chance auf politische Gestaltungs- und Mitbestimmungsmöglichkeit.274 Daher haben nach Smend „Staatsformen, die von Verfassungs wegen integrierende Kämpfe vorsahen, den Vorzug leichterer Verhinderung dauernder Minderheitenstellung bestimmter Volksteile, die in statischen Verfassungen mit dauernder Repräsen 268

Vgl. ebd., S. 35 f.; vgl. in diese Richtung auch BVerfGE 69, 315 (346 ff.). Smend, Verfassung, S. 112, 127. 270 Vgl. bereits Smend, Verfassung, S. 23, 42, 60 ff. v. a. 62; Bernhard, Mussolini, S. 93 ff.; weiter v. a. Löwenstein, vgl. oben B. I. 3 c). 271 In diesem Sinn bereits Smend, Verfassung, S. 115, sowie S. 38 f. gegen Thoma und Kelsen einer- und Schmitt andererseits; vgl. auch Agnoli, Neue Kritik 9 (1968), 24 (25) zum Rat von Pareto an Mussolini 1922, das „Parlament am Leben zu lassen“, da die Massen demokratischen Gefühlen zuneigten, seien sie am besten durch ein Organ neutralisierbar, das ihnen die Illusion einer Beteiligung an der staatlichen Macht vermittelt, während die Entscheidungsbefugnisse in andere Kreise verlagert seien. 272 Vgl. etwa Weber, Soziologie, S. 271 ff., 312 zur charismatischen Herrschaft; v. Wieser, Gesetz, S. 47 ff.; Geyer, Führer, S. 10 ff.; zum „Führer“ bereits Le Bon, Psychologie, S. 83 ff.; Freud, Massenpsychologie, S. 78 ff.; dazu weiter bereits Fahrner, Vulnerabilität, v. a. S. 81 ff., 106 ff. 273 Vgl. Smend, Verfassung, S. 25 ff., 33 ff. „Hineinzwingen der Masse in einen geradezu militärischen Gleichtritt von Gefühl und Wollen“; vgl. v. Wieser, Gesetz, S. 23. 274 Stark auf individuelle Freiheit verengt der „Grundkonsens“ von BVerfGE 44, 125 (147). 269

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tation bestimmter von ihnen abgelehnter objektiver Werte dauernd in Minderheitsstellung sein und dadurch dauernd entfremdet werden können, während der immer erneute Kampf um die Herrschaft etwa im parlamentarischen Staat sie mit der Möglichkeit künftiger Machtbeteiligung beruhigt und durch den Kampf um diese Beteiligung immer wieder aktiv in das staatliche Leben hineinzieht.“275 Dazu wesentliche Grundlage ist wiederum „der Glaube an die Existenz einer ge­ meinsamen Diskussionsgrundlage und damit die Möglichkeit eines fair play für den innerpolitischen Gegner, mit dem man sich unter Ausschaltung der nackten Gewalt einigen zu können meint“, wodurch das „Volk als Vielheit … sich bewusst zum Volk als Einheit bilden“ kann.276 Gerade in einem pluralistisch offenen Gemeinwesen bedeutet Integration weiter, dass allgemein akzeptierte gemeinsame Verfahren der Konfliktregelung bestehen und Instanzen vorhanden sind, die die Respektierung dieser Verfahren garantieren.277 e) Bedeutung der FDGO im Hinblick auf die Integration Der FDGO kommt eine besondere Bedeutung im Hinblick auf die Integration zu: aa)  Zunächst leistet die FDGO einen Orientierungspunkt aus pluralistischer wechselseitiger Akzeptanz, indem sie ein „gemeinsames Gutes“ in rein prozeduraler Art weltanschaulich-religiös etc. neutral postuliert. Ob darüber vollständig Einigung besteht, ist insoweit sekundär, da alleine durch die Begrifflichkeiten, Kategorien und Funktionen eine gemeinsame Diskussionsgrundlage gegeben ist – erinnert sei an das Eingangszitat von Cicero.278 Am friedlichen Diskurs inkludierend nimmt prima facie teil, wer die Grundlagen der FDGO – zumindest nach dem BVerfG und hier bereits funktional plausibilisiert: Menschenwürde, Demokratie und Rechtsstaat – sowie die weiteren Ausprägungen aufnimmt, und es exkludiert sich, wer diese negiert. Nicht umsonst versuchen auch extremistische Gegner der Verfassung nicht selten, sich durch Umwertung der Begrifflichkeiten wie etwa der „Volksherrschaft“ oder „Freiheit“ im religiösen oder rein antiliberalen marxistischen Sinn zu kreditieren, oder die Menschenwürde in ihrem Sinn zu deuten. Solange damit eine Diskussion über die Begrifflichkeit noch geführt werden kann, kann indes eine Integrationswirkung, wenn auch in unterschied­lichem Maß, noch stattfinden. bb) Zu wesentlichen Voraussetzungen der Integration gehört aber auch – trotz und gerade – in einem pluralistischen Gemeinwesen eine klare Identifikation in 275

So grundlegend Smend, Verfassung, S. 40 f.; vgl. auch BVerfGE 69, 315 (346 ff.). Heller, Politische Wissenschaft 5 (1928), 35; Neumann, Dekalog, S. 347 (356). 277 Dettling, Demokratie, S. 69; wie namentlich unter dem GG das BVerfG und das Rechtssystem mit Gewaltenteilung und unabhängigen Gerichten insgesamt, vgl. bereits Fahrner, Vulnerabilität, v. a. S. 91 ff., 126 ff.; hierin ist auch der Gesamtbezug zur Friedlichkeit (s. o. 1.) nochmals klar erkennbar. 278 Vgl. nochmals A. I. 1. 276

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tegrierender und desintegrierender Prozesse. Es bedarf damit einer Bewertungs­ grundlage, die es rational zu vermitteln gilt. Sie kann sich nur unter Beachtung des Pluralismus behaupten, muss mithin auf verabsolutierte Gemeinwohlziele, Weltanschauungen, Verfassungsauslegungen ebenso verzichten wie auf nicht zu rechtfertigende Vorfestlegungen, etwa eine außerrechtliche Leitkultur oder Homogenität beispielsweise nach klassenmäßigen Einordnungen, biologischen Eigenschaften oder Vorurteilen.279 Diese Funktion kommt jedenfalls der FDGO zu, da sie den unverzichtbaren, unveräußerbaren Kern des so ausgestalteten Gemeinwesens beschreibt. Sie kann daher gerade jenen Fixpunkt der Integration liefern, der von der Weimarer Staatslehre noch für unmöglich gehalten wurde.280 Dies hat das BVerfG mit Bezug auf die Friedlichkeit früh so gefasst: Nach ihm könne die verfassungsmäßige Ordnung nur bestehen, wenn ihre letzten Prinzipien, die FDGO, von allen wesentlichen politischen Kräften bejaht werden. Es gehöre deshalb zu den ungeschriebenen, aber fundamentalen Voraussetzungen des Grundgesetzes und damit zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung selbst, dass auch im Kampf um die politische Macht keine Partei diese Basis negieren dürfe. Jede Partei müsse deshalb auch die Variationsbreite der in der freiheitlichen demokratischen Grundordnung zulässigen Gestaltungen des Gemeinschaftslebens und damit die Möglichkeit verschiedener verfassungsmäßiger politischer Wege und Ziele anerkennen und ihren politischen Kampf auf dieser Basis führen.281 Wo immer diese Gemeinschaft geschwächt und in ihrer Verbindlichkeit angezweifelt werde, sei der demokratische Staat zutiefst bedroht.282 cc) Damit dies wiederum im Sinn der Integrations- und Friedensfunktion gesichert ist, muss sich der Integrationskern allerdings selbst auf das unumgängliche Notwendige beschränken.283 Das scheidet nicht nur im Sinne der Pluralität die dort bereits ausgeschlossenen heteronom gesetzten Werte und Ziele aus, sondern auch konkrete Inhalte jenseits der genannten prozeduralen Konfliktregelungen und Minimalgebote.284 Alles darüber Hinausgehende ist den politischen, demokratischrechtsstaatlichen Prozessen zu überlassen, so dass breitest möglich Abweichungen buchstäblich denkbar, vertretbar und inkludierbar bleiben: Der Begriff der FDGO erfordert eine Konzentration auf wenige, zentrale Grundprinzipien, die für den freiheitlichen Verfassungsstaat schlechthin unentbehrlich sind. Die Grundentscheidung der Verfassung für einen offenen Prozess der politischen Willensbildung hat 279

Vgl. nochmals oben II. Etwa durch Heller, Politische Wissenschaft 5 (1928), 35 (36) a. A. allerdings wohl bereits unter Berufung auf Hauriou, Recueil de législation de Toulouse 8 (1912), 1 (16 ff.) Smend, Verfassung, S. 69. 281 BVerfGE 5, 85 (317 f.); vgl. aufbauend der demokratische Grundkonsens bei BVerfGE 44, 125 (147). 282 So Neumann, Dekalog, S. 347 (356) unter Berufung auf Benjamin Franklin. 283 Vgl. etwa auch Voßkuhle / Kaiser, JuS 2019, 1154 (1155). 284 Vgl. bereits Preuß, Reich, S. 328 (zu Art. 1 Rn. VIII): Bereits in Weimarer Republik „formale Demokratie“ im Sinne der Gleichberechtigung, wirtschaftliche Verschiedenheit sei nicht Maßstab der Demokratie. 280

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C. Funktionsanforderungen

zur Folge, dass auch das kritische Hinterfragen einzelner Elemente der Verfassung möglich sein muss. Ein Ausschluss aus dem Prozess der politischen Willensbildung kommt erst in Betracht, wenn dasjenige in Frage gestellt und abgelehnt wird, was zur Gewährleistung eines freiheitlichen und demokratischen Zusammenlebens schlechthin unverzichtbar ist und daher außerhalb jeden Streits stehen muss.285 Aus diesem Grund rechtfertigen sich die Einschränkungen der Parteiensanktionierung, namentlich nach Art. 21 GG das Antragsermessen der dazu Berechtigten sowie das Eingreifen nur unter den Voraussetzungen einer aktiv kämpferischen Betätigung des entsprechenden Überwindungsprogramms286 und der Verhältnismäßigkeit. dd)  Dieser Kern, welcher die FDGO ausmachen muss, ist gerade in jenen zwingenden Konfliktregelungen und ihrer Absicherung gegen „Foulspiel“ durch Gewalt oder Manipulation zu erkennen, der weiter analysiert werden muss.287 Effektiviert werden kann diese Absicherung allerdings nicht nur durch das Konstrukt der FDGO selbst, sondern bedarf weiterer rechtlicher Ausgestaltung, namentlich im Staats- und Verfassungsschutzrecht. ee) Im Sinne der Integrationsoffenheit dürfen diese effektiven Schutzregelungen wiederum nicht dazu führen, die FDGO selbst zu zerstören. Vielmehr müssen sie gegen „dauerhaften Verlust“ den Betroffenen Chancen zu kollektiven und indivi­ duellen Prozessen der (Re-)Integration in das freiheitliche demokratische Gemein­ wesen eröffnen, solange sie nicht durch letzteres ihre eigene Geltung und Faktizität real gefährdet. Daraus folgt im Ergebnis eine möglichst große Toleranz auch gegenüber Verfassungsgegnern, auch jenseits des zwingend durch Pluralismus- und Fortschrittsfunktion gesicherten Bereichs, eben soweit diese tragbar ist.288 Dessen Grenze zieht die Rechtsprechung – unter den derzeitigen weitgehend gesicherten Bedingungen des nach 1945 transformierten Deutschlands – bei einer „aktiv kämp­ ferischen, aggressiven Haltung gegenüber der bestehenden Ordnung“, etwa wenn 285

BVerfGE 144, 20 (205). Vgl. auch Doehring, Staatslehre, Rn. 382 mit ähnlicher Begründung der Privilegierung. 287 Vgl. vor allem E. I. 1., 2. und im Einzelnen hinsichtlich der rechtsstaatlichen Demokratie bereits Fahrner, Vulnerabilität; hinsichtlich der Rechtsstaatlichkeit ders., HdbSiStR, § 4 Rn. 2 ff. 288 Bemerkenswert, jedoch angesichts der Gefahren eher bedenklich erscheinen die Überlegungen, das Parteiverbot im Zuge möglicher Lern- und Reintegrationsprozesse nur auf Zeit aussprechen zu lassen, vgl. Nichelmann, Grundordnung, S. 198 ff. m. w. N.; allerdings wird man mit Boventer, Grenzen, S. 249 entgegenhalten müssen: „Autoritäre und totalitäre Bewegungen lassen sich nicht integrieren, es sei denn, sie änderten sich in ihrer Programmatik. Ansonsten werden ‚Demokratisierungsversuche‘ der disloyalen Opposition nur zu Wandlungen der pluralistisch-freiheitlichen Gesellschaft führen und ihre Institutionen zu ihren Ungunsten verändern. Parteien, die früher für extremistisch befunden wurden, erscheinen plötzlich als hoffähige Vereinigungen. Versuche der Einbindung schaden letztlich der demokratischen Ordnung und werden nicht zu ihrem Nutzen sein. Die Selbstverteidigungsmaßnahmen einer streitbaren Demokratie müssen im weiten Vorfeld eines Machtvakuums eingesetzt werden. Sie sehen sich organisierten extremistischen Kräften gegenüber, die möglicherweise erst vereinzelt und schwach sind, aber die demokratische Ordnung in aggressiver und kämpferischer Haltung angreifen“. 286

IV. Friedensfunktion 

157

eine Partei die verfassungsmäßige Ordnung im Sinne eines „planvoll verfolgten politischen Vorgehens“ fortlaufend untergraben will und die verfassungsmäßige Ordnung nicht lediglich ablehnt und ihr andere Grundsätze entgegenstellt.289

3. Widerstandsrecht a) Das Widerstandsrecht in seiner ganzen reichen historischen Tradition290 ist in mehrfacher Weise bedeutsam für die Funktionen der FDGO. Vor allem für die Friedensfunktion maßgeblich ist dabei zunächst, dass und wie das Widerstandsrecht verfassungsmäßig beschränkt ist.291 Aus dem Recht allgemein zur Erzwingung subjektiver Rechtspositionen archaischer bis mittelalterlicher Gesellschaften, dem religiösen Selbstbehauptungsrecht und dem Recht der neueren Geschichte auf Einforderung von Konvention ist damit (nur) das beschränkte Recht geblieben, die objektive Verfassungsrechtsordnung zu bewahren und wiederherzustellen.292 Die akzeptierbaren Folgen der Ohnmacht gegenüber obrigkeitlicher Gewalt werden damit erkennbar begrenzt fortgeführt:293 Nur wer auf den konservierend-restitutiven Inhalt des Widerstandsrecht abzielt, kann sich daraus rechtfertigen,294 dann allerdings prinzipiell gegen jedermann – berufe er sich auf inländische oder auslän­ dische Hoheitsgewalt oder nicht.295 Das staatliche Gewaltmonopol wird ansonsten dadurch gerade abgesichert gegen die älteren Begründungsmuster legitimer bürgerlicher Eigenmacht und Selbsthilfe.296 Dies gilt unbeschadet davon, dass in der konkreten Situation per se zuerst keine andere Instanz als der Handelnde selbst, eventuell wirkend in der Öffentlichkeit, darüber entscheiden muss. 289

Vgl. hier nur BVerfGE 5, 85 (42 f., 212 f., 233, 235, 348); für Vereinsverbote vgl. BVerwGE 61, 218 (220); 110, 126; siehe weiter dazu unten E. III. 1. c). 290 Vgl. zum geschichtlichen Hintergrund hier nur Ganseforth, Widerstandsrecht, S. 6 ff.; Kern, Widerstandsrecht, S. 122 ff.; Heyland, Widerstandsrecht, S. 5 ff.; Höfling, HdbGR V, § 121 Rn. 1 ff.; Dreier / Wittreck, Art. 20 IV GG Rn. 1 ff.; MKS-Sommermann, Art. 20 GG Rn. 334 ff.; DHS-Grzeszick, Art. 20 GG, IX. Rn. 1 ff. 291 Vgl. BT Drs. 5/2873 S. 8 f.; exemplarisch ausdrücklich aus politisch konservativer Sicht etwa Scholz, NJW 1983, 705. 292 Vgl. jüngst noch BVerfG NVwZ 2019, 161 m. Anm. Hecker, NVwZ 2019, 290; BGH NStZ-RR 2018, 245; allgemein hier nur Hufen, StaatsR II, § 45 Rn. 1 ff.; Schieder, Rechtsungehorsam; zur Entbehrlichkeit des Widerstandsrechts wegen umfassender verfassungsmäßiger Absicherungen der FDGO noch BVerfGE 5, 85 (373). 293 Vgl. auch Merle, Strafen, S. 157 ff. 294 Vgl. bereits vor Regelung BVerfGE 5, 85 (373); allg. DHS-Grzeszick, Art. 20 GG, IX. Rn.  25; vgl. Hömig / Wolff / Antoni, Art. 20 GG Rn. 16; historisch etwa Locke, Government, sect. 155, 211 ff. 295 Vgl. nur Dreier / Wittreck, Art. 20 IV GG Rn. 10; DHS-Grzeszick, Art. 20 GG, IX. Rn. 17. 296 Entgegen eben jener Ängste des parlamentarischen Rates, die seine ursprüngliche Mitfixierung entsprechend den präföderalen Verfassungen, v. a. Art. 147 I LV HE / A rt. 19 LV HB, verhinderten, vgl. Heinemann, Widerstandsrecht, S. 102 m. w. N.; insofern kann die Kritikrichtung, es sei obsolet von v. Münch / Kunig / Kotzur, Art. 20 GG Rn. 182 (in der Tradition von Schnapp a. a. O. Rn. 79 ff.) weiter nicht überzeugen.

158

C. Funktionsanforderungen

In der objektiven Verfassungsordnung des Grundgesetzes sind die Voraussetzungen in Gestalt von Art. 20 IV GG seit 1968 klar herausgearbeitet.297 Im Einzelnen ist das Nothilferecht mehrfach objektiviert rechtlich eingegrenzt, vor allem durch die Voraussetzungen des Widerstandsfalls einschließlich der ebenso zentralen Subsidiarität einerseits und anderseits durch die Frage nach der Begrenzung der Widerstandsmittel. Dabei ist der genaue Bezug des Angriffs auf „diese Ordnung“ noch in anderem Kontext zu klären.298 Die zu restituierende „Ordnung“ muss mit dem Wegfall eines ihrer Kernelemente im Sinne des Unternehmens angegriffen sein. Beim Unternehmen kann auf § 11 I Nr. 6 StGB und die rechtsstaatlichen Versuchsdogmatiken des Strafrechts zurückgegriffen werden.299 Dass andere Abhilfe nicht möglich sein darf, gestaltet das Widerstandsrecht zu einem äußersten und letzten Notmittel.300 Im Einzelnen scheint umstritten, ob die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit von Notstandshandlungen,301 die weiteren „schneidenderen“ Nothilferechte oder gar noch weitere Abgrenzungen von Rechtssphären auch im Verhältnis zu unbeteiligten Dritten greifen sollen, und wie weit strafrechtlich Irrtumsregeln greifen müssen.302 Jedenfalls muss sich das Handeln an rationalen rechtlichen Plausibilitätskriterien messen lassen.303 Zwar dürfen Amtsträger die speziellen verfassungsmäßigen Eingrenzungen der Staatsgewalt nicht durch „pervertierende“ Berufung auf Art. 20 IV GG gegen die Gesellschaft umgehen.304 Ansonsten (wie gerade dem historischen Vorbild des 20. Juli 1944) werden sie wiederum gerade 297

Eingefügt mit dem 17. GGÄG vom 28. Juni 1968 BGBl 1968 I 709 ff., vgl. die Motive in BT Drs. 5/2873 (Einfügung durch Rechtsausschuss, da nicht enthalten im Regierungsentwurf BT Drs, 5/1879); vgl. weiter BT Drs. 5/2973; 5/2917; 5/2873; zudem vgl. Chr. Böckenförde, JZ 1970, 168 ff.; die Kritik vor allem im Hinblick auf die theoretische verfassungsmäßige Regelbarkeit – etwa bei Isensee, Widerstandsrecht, S. 97 ff.; Klein, DÖV 1968, 865; w. N. bei Heinemann, Widerstandsrecht, S. 109 f. – überzeugt angesichts der Konstruktion des GG als abgeschlossene Verfassungsrechtsordnung und vor allem den Gedanken der Rechtssicherheit nicht. 298 Siehe unten D. II. 1. c), 2. a), 3. b), E. II. 299 Vgl. etwa Sachs, Art. 20 Rn. 171 m. w. M.; Dreier / Wittreck Art. 20 IV GG Rn. 19, ganz h. M.; dazu, dass es auf die formelle oder tatsächliche Aufhebung nicht ankommt, vgl. Dolzer, HdbGR VII, § 171 Rn. 27, der allerdings auch zur Ausdehnung ins Vorbereitungsstadium zu tendieren scheint. 300 Vgl. bereits BVerfGE 5, 85 (373); 123, 333; 132, 336; vgl. Hömig / Wolff / Antoni, Art. 20 GG Rn. 16; Höfling, HdbGrR V, § 121 Rn. 26; DHS-Grzeszick, Art. 20 GG, IX Rn. 23; Scholz, NJW 1983, 705 (708). 301 Vgl. ähnlich Heinemann, Widerstandsrecht, S. 125 allerdings gerade widersprüchlich auf die Notwehr bezogen. 302 Dafür zutreffend und überzeugend Dreier / Wittreck Art. 20 IV GG Rn. 21 m. w. N. 303 Vgl. etwa DHS-Grzeszick, Art. 20 GG, IX Rn. 25 ff.; Isensee, Widerstandsrecht, S. 32 ff., 70 ff.; Stern, StaatsR II, S. 1521 f.; Dolzer, HbStR VII, § 171 Rn. 41; MKS-Sommermann, Art. 20 GG Rn. 352; Höfling, HdbGR V, § 121 Rn. 28; Jarass / Pieroth, Art. 20 GG Rn. 117. 304 Vgl. Heinemann, Widerstandsrecht, S. 124 m. w. N.; Jahn, Staatsnotstand, S. 458 ff., passim; Schmahl, JöR 55 (2007), 99 (115 ff.); MKS-Sommermann, Art. 20 GG Rn. 341 ff. mit der Tendenz, ein überpositives Naturrecht und Handeln utra vires mangels fortbestehender Staatsgewalt stattdessen zu berufen; DHS-Greszick, Art. 20 GG, IX Rn. 15 f.; a. A. dagegen etwa Hömig / Wolff / Antoni, Art. 20 GG Rn. 16 in der trad. dieser Kommentierung.

IV. Friedensfunktion 

159

durch ihre Treue auf die Verfassung, und nicht zu blinden Gehorsam und Duldung, zum Widerstand mitverpflichtet.305 b)  Das verfassungsmäßig fixierte Widerstandsrecht tritt  – insoweit als Teil fortwirkender Friedensfunktion der FDGO – vor allem jedem Topos eines archa­ ischen-„rechtlosen“ (etwa vor einem „Gesellschaftsvertrag“ liegenden und daher o. ä.) ungebundenen Ausnahmezustands entschieden entgegen.306 In Letzterem mag auch ein Grund liegen, warum in der Tradition eines Politikdarwinismus weiterhin ein Widerstandsrecht extra constitutionem gesucht wird. Auf die Kategorien des Art. 20 IV GG d. h. in der suspendierten und restituierten Verfassungsordnung als kontinuierliche FDGO, kann dies jedoch keine Auswirkung haben. Wenn man im Bild der Aufklärung bleiben will: Es handelt es sich nicht um eine Aufkündigung, sondern Durchsetzung des contrat social, keinen Eintritt des Volkes in vorbehaltene „Urrechte“.307 Im Rahmen der friedlichen FDGO sind dieser entgegengerichtete Berufungen auf eine Feindschaft, ein leges silent inter arma oder (häufig, wie von Schmitt falsch romantisierten gesetzeslosen) Ausnahme-/ Kriegszustandes308 durch die – fortwirkenden – rechtlichen Maßstäbe eingehegt. Eine Konfliktreproduktion in bello bleibt auch dadurch mittels Deeskalation der akuten Gewaltanwendung „bekämpfbar“. Der Widerstand als Kampf gegen Herrschaftsmacht kann überführt werden in den rechtlichen Diskurs und eine zumindest theoretisch wieder für die Beteiligten akzeptablen Lösung im Recht, ob die Voraussetzungen zur Zielverfolgung „als Retter des Gemeinwesens“ (consultu ultimo) gegeben waren.309 Hierzu dient unter vielem anderen die Klärung in letzter, im Akzeptanzanspruch besonderer, Instanz des BVerfG gem. Art. 93 I Nr. 4 b) GG.310 Ob daher die Widerstandslage im Zeitpunkt des Handelns offensichtlich gewesen sein muss,311 ob und wieweit bereits die nicht in Legalitätszusammenhang

305

Vgl. ausführlich weiter untenf. I. 4. E zeigt sich hier erneut, die enge Verbindung zu den „verfassungsdarwinistischem“ Vorstellungen in Tradition von Schmitt, wenn hier ein „Paradoxon“ und rein symbolische und nicht rechtliche Rolle des Art. 20 IV gesprochen wird, wie etwa bei DHS-Grzeszick, Art. 20 GG, IX Rn. 6 m. w. N. Fn. 1. 307 Vgl. etwa für ein konservierendes Widerstandsrecht jenseits der konstitutionellen Regelung BVerfGE 5, 85 (376 ff.); MKS-Sommermann, Art. 20 GG Rn. 334 ff.; BeckOK-Huster /  Rux, Art. 20 GG Rn. 231.1, jedoch ohne Raum für ein rein naturrechtlich begründetes, dazu a. A. Heinemann, Widerstandsrecht, S. 107 (114). 308 Vgl. allerdings auch die Martialisierung der Widerstandslage bei Heinemann, Widerstandsrecht, S. 106 f. m. w. N. 309 Insbesondere auch als strafrechtlicher Rechtfertigung auch mit gängiger Irrtumsregelung, so zu Recht Heinemann, Widerstandsrecht, S. 118 f. m. w. N. gegen die nicht nachvollziehbaren Befürchtungen namentlich von DHS-Herzog, Art. 20 IV GG, 53. Aufl. 2008, Rn. 44. 310 Insoweit greift die Kritik von Dolzer, HdbStR VII § 171, Rn. 19; MKS-Sommermann, Art. 20 GG Rn. 356; Heinemann, Widerstandsrecht, S. 111 nicht. 311 So noch vor der Regelung BVerfGE 5, 85 (373) als Ausgangspunkt einer nicht weiter fundierten m. M. vgl. dazu Dolzer, HdbStR VII § 171 Rn. 35; MKS-Sommermann, Art. 20 Rn. 349; dagegen ausführlich überzeugend Dreier / Wittreck, Art. 20 Abs. 4 GG Rn. 19 m. w. N. 306

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C. Funktionsanforderungen

und Legitimität stehende neue Machtordnung Geltung beansprucht, ist dafür richtigerweise nicht von Belang.312 c) Schließlich darf auch dabei nicht die entsprechende integrierende prägenderziehende Funktion313 zum Streben nach Handeln im Recht und für das Recht, wo ausnahmsweise nicht friedlich durch das Recht, im Kampf für das schützenswerte freiheitlich-demokratische Gemeinwesen außer Acht gelassen werden. Das Widerstandsrecht symbolisiert insoweit auch die Mobilisierungsmöglichkeit der Bürger zur Verteidigung ihrer Ordnung314 als Teil ihrer gemeinschaftlichen Verteidigungsbereitschaft und deren Anerkennung im Recht durch die freiheitlichdemokratische Verfassungsordnung.315

312 Vgl. auch zum Vorstehenden Dreier / Wittreck, Art. 20 IV GG Rn. 16; Stern, StaatsR II, S. 1517, a. A. Isensee, Widerstandsrecht, S. 26. 313 Vgl. insbesondere die Debatten angesichts der Lesungen im Bundestag bei Heine­ mann, Widerstandsrecht, S. 104 f.; ausführlich zur funktional-symbolischen Deutung Dreier /  Wittreck, Art. 20 IV Rn. 15 m. w. N. 314 Vgl. auch etwas zynisch Isensee, Widerstandsrecht, S. 8: „zur autoritären Peitsche das liberale Zuckerbrot“. 315 Vgl. spezifisch hierzu auch Robbers, NJW 1989, 1325 (1328).

D. Kontext I. FDGO und deutsche Verfassungsordnung im überstaatlichen Rechtskontext Das Verhältnis von FDGO und supra- und internationalen Fundamentalanforderungen der Staatengemeinschaft ist komplex, nicht nur hinsichtlich der Prägung der deutschen Verfassungsordnung.

1. Allgemeines Völkerrecht Im Rahmen des allgemeinen Völkerrechts stellt die FDGO eine Ordnung dar, die mit den Grundsätzen des Selbstbestimmungsrechts1 und dem auf Fortschritt gerichteten Entwicklungsrecht der Völker2 korrespondiert. Sie vermeidet innere Unfriedlichkeit und damit grenzüberschreitende Friedensbedrohung.3 Dies kann hier nicht weiter als mit der Begründung von Kant ausgeführt werden, dass funktionierende demokratische Rechtsstaaten („Republiken“) geringe Anreize zur internationalen Aggression haben. Gleichwohl kann plausibel die FDGO zur internationalen Friedlichkeit,4 Realisierung der international anerkannten Menschenrechte5 und Vermeidung von relevanten Völkerrechtsverbrechen beitragen.6 Teilweise wird zudem angenommen, dass sich die BRD zum Schutz der FDGO völkerrechtlich gegenüber den Hauptsiegermächten verpflichtet habe.7

1

Vgl. nur Art. 1 Nr. 2 UNCh, Art. 1 I, 19 ff. IPBPR; UN GA Res. 45/150, 60/164; Ipsen, VölkerR, § 10 Rn. 1 ff. 2 Vgl. nur Art. 1 I, II IPBPR; UN GA Res. 37/199; A / R ES/41/128. 3 Vgl. Art. 33 f., 39 UNCh und das Problem der humanitären Bedrohung im Rahmen des Interventionsrechts, vgl. etwa UN SC 794 (1992); Ipsen, VölkerR, § 56 Rn. 49 ff., § 57 Rn. 8 ff. 4 Vgl. Erster Definitionsartikel, Kant, Frieden, S. 12 ff.; vgl. dazu die Lehre der demokratischen Friedlichkeit, vgl. nur Hasenclever, Ansätze, S. 223 ff.; Geis, PVS 42 (2001), 282 ff.; Oneal / Russet, World Politics 52 (1999), 1 (37); siehe weiter bereits oben B. IV. 1. a) aa) sowie unten IV. 2. 5 Vgl. etwa AEMR, IPBPR. 6 Vgl. nur Art. 5 ff. Statute of Rome. 7 Vgl. Nr. 3 des Briefes zum Vertrag über die abschließende Regelung in Bezug auf Deutschland vom 12. 9. 1990, BT Drs. 11/7760, S. 353); vgl. Stern, StaatsR III/2, S. 946 m. w. N.; DHS-Dürig / Klein, Art. 18 GG Rn. 56; für die innerstaatliche Geltung bleibt dies randständig, s. u. II. 1.

162

D. Kontext

2. Europäische Menschenrechtskonvention Die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) enthält zentrale zwei Ansatzpunkte zu einem Konstrukt, welches der FDGO vergleichbar ist. Dies geht vor allem auf das Bestreben zurück, „[to] ensure that member states of the Council of Europe are democratic and remain democratic“8: Einerseits stehen namentlich die sozial-kommunikativen Grundrechtsgewährleistungen unter dem Vorbehalt der „in einer demokratischen Gesellschaft not­ wendigen Eingriffe“. Dazu zählen die Menschenrechte auf öffentliches Gerichtsverfahren und -urteil (Art. 6 I 2 EMRK), auf Privat-/Familienleben (Art. 8 II EMRK), die Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit (Art. 9 II EMRK), die Meinungsfreiheit (Art. 10 II EMRK), die Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit (Art. 11 II 1 EMRK) sowie auf Freizügigkeit (4. ZP-EMRK). Andererseits verbietet es Art. 17 EMRK einem Staat oder Dritten, sich auf die Konvention zur Begründung eines Rechts zu berufen, um „eine Tätigkeit auszuüben oder eine Handlung vorzunehmen, die darauf abzielt, die in der Konvention festgelegten Rechte und Freiheiten abzuschaffen oder sie stärker einzuschränken, als es in der Konvention vorgesehen ist“. Letzteres geht zurück auf Art. 30 AEMR, ersteres auf Art. 29 AEMR, wiederum von dort vor allem auf Art. 18 eines Musterentwurfs des American Law Institute von 1944:9 „In the exercise of his rights, everyone is limited by the rights of ot­ hers and by the just requirements of the democratic state.“ Diese aufgenommene allgemeine Einschränkung war als solches ohne Beispiel in damaligen staatlichen Verfassungen.10 Sie bedeute, so die Begründung, dass die Grundrechte keine Äußerungen schützen sollten, die mit der Tendenz, Panik, Mob-Gewalt, Aufruhr oder Krieg zu fördern, abgegeben würden. Ebenso decke die Versammlungs- oder Vereinigungsfreiheit keine Organisation von Parteien, die eine Diktatur errichten wollten.11 Diese Einschränkungen lassen sich wiederum maßgeblich auf den Einfluss 8

Europarat, Travaux IV, S. 50, 60; vgl. Zand, UBJIL 5 (2017), 195 (198); vgl. auch Klamt, Union, S. 212 ff. 9 Vgl. zur Entstehung ausführlich https://www.geschichte-menschenrechte.de/the-statementof-essential-human-rights-1944/; den Text unter https://www.geschichte-menschenrechte.de/ fileadmin/editorial/download/ALI_Statement_of_Essential_Human_Rights.pdf S. 9; beachte erstmalige Anpassung daran in der 2. Session des Drafting Commmittee UN Doc. E / CN.4/95 S. 5 damals noch als „Kopfartikel“ Art. 2. 10 Die Begründung verweist indes auf spezifische Einschränkungen in allen untersuchten Verfassungstexten mit Ausnahme der USConst., ebd. 11 „The Article forbids any person from abusing his rights, whether because of hereditary status, official position, economic power, or other condition. The Article recognizes the general relativity of rights. Any right can be abused by so exercising it that it deprives another individual or the state of important rights. Thus, freedom of religion does not permit practices such as human sacrifice, nor in countries where the prevailing standards profoundly disapprove, of practices such as polygamy. Freedom of speech does not forbid the state from adopting reason­ able laws forbidding libel and slander; nor does it permit blasphemy or utterances tending to

I. FDGO und deutsche Verfassungsordnung  

163

des Konzeptes der „militant democracy“ von Karl Löwenstein zurückführen.12 Vor allem in den ersten Entwürfen der AEMR wurden allgemeine und besondere Grundpflichten, etwa auf Loyalität zum eigenen Staat und der Weltgesellschaft oder verantwortungsvolle und wahrheitsgemäße Medienberichterstattung postuliert.13 Sie ließen sich aber wohl, v. a. unter dem Einfluss der USA und der UdSSR, nicht durchsetzen.14 Daher sind die Einschränkungen in der AEMR generell weniger weitgehend, da zusätzlich gebunden an „the just requirements of morality, public order and the general welfare“, die in unterschiedlicher Abwandlung und Ergänzung nur bei einzelnen Grundrechten der EMRK auftreten.15 Allerdings erscheint weder für die AEMR noch die EMRK grundsätzlich ge­ klärt, was die Erfordernisse einer demokratischen Gesellschaft ausmacht, bzw. wie dies vorausseh- und nachvollziehbar bestimmt werden kann und ab wann von einem Rechtsmissbrauch im Sinn von Art. 30 AEMR bzw. Art. 17 EMRK ge­ sprochen werden kann.16 Bereits als beide Ausgestaltungen formuliert wurden, wurden anscheinend hierzu tiefergehende Reflektionen nicht angestellt oder keine Lösung erreicht.17 Die Organe der EMRK verfolgen traditionell keine in sich geschlossene deduktive Ableitung einer „einzigen“ normativen demokratischen Modellgesellschaft. Sie bewerten (bislang) allerdings auch nicht bei Eingriffen, ob eine demokratische Gesellschaft im beklagten Staat vorliegt, z. B. anhand einer Gesamtschau an Indikatoren. Vielmehr messen sie, vor allem bei der gängigen Individualbeschwerde, lediglich den beklagten Eingriff in eines der Konventionsrechte daran, ob dieser selbst als in einer demokratischen Gesellschaft notwendig gerechtfertigt ist. Entscheidend ist danach lediglich, ob der konkrete Eingriff als solcher noch mit demokratischen Prinzipien vereinbar oder, mehr noch, anhand von ihnen zu rechtfertigen ist.18

3. Unionsrecht Im Rahmen des sich immer weiter verdichtenden europäischen Verfassungsverbunds korrespondieren das Unionsrecht und die deutsche Grundrechtsordnung in vielfältiger Weise miteinander. Primärrechtlich hat dieser Prozess erst mit der promote panic, mob violence, insurrection, or war. The organization of parties seeking to establish a dictatorship is not consistent with freedom of assembly or association because it would tend to destroy the rights of others.“, ebd. 12 Vgl. Greenberg, New German Critique 42 (2015), 169 ff.; Karpenstein / Mayer / Mensching, Art. 17 EMRK Rn. 1. 13 Vgl. UN Doc. E / CN.4/AC.1/3, Art. 1, 18. 14 Vgl. etwa UN Doc. E / CN.4/82 S. 7 ff. 15 Art. 29 II AEMR. 16 Vgl. etwa HK-Neidhardt, Art. 17 EMRK Rn. 2 ff. 17 Vgl. auch United Nations, Yearbook 1948, S. 457 ff.; Morsink, Declaration. 18 Vgl. etwa auch Tumay, Convention, S. 115; zu den weiteren, ebenfalls wenig erkenntnisreichen verbindlichen Rechtstexten des Europarats auszuführen, muss weiterer Forschung überlassen bleiben.

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D. Kontext

Gründung der EU 1992 begonnen, gebunden in einer Dialektik zwischen der Anerkennung der nationalen Identität durch die Union und Verpflichtung der Mitgliedstaaten auf demokratische Grundsätze und Grundrechte in ihrer jeweiligen Tradition und auf die der EMRK.19 Nach Art. 23 I 1 GG muss seitens des deutschen Verfassungsrechts, auch in Fortführung der FDGO, für eine Mitgliedschaft und Öffnung für das Unionsrecht die Union die genannten Grundwerte sicherstellen, die an die Prinzipien von Art. 1, 20, 79 III GG anknüpfen.20 Richtigerweise kann sich diese Gewährleistung nicht nur auf die Unionsebene beschränken, sondern würde versagen, wenn diese im Rechts- und Hoheitsverbund nicht gegenüber den anderen Mitgliedsstaaten durchgesetzt würden. Noch weniger als auf Ebene des Europarats lassen sich die vielfältigen aktuell überaus dynamischen Bemühungen auf Ebene der Europäischen Union um die Gewährleistung von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit etc. in den Mitgliedsstaaten darstellen, ohne den vorliegenden Rahmen völlig zu sprengen.21 Ihre Verankerung beziehen sie aus der gemeinsamen Grundrechtecharta und ihren Grundlagen, der Notwendigkeit gemeinsamer Standards bei der Zusammenarbeit untereinander, etwa im Bereich der unionsweiten arbeitsteiligen Rechtspflege oder gemeinsamen Rechtsnormsetzung.22 Vor allem kann als ihre Basis Art. 2 EUV identifiziert werden. Dieser nennt maßgeblich mit der Menschenwürde, Freiheit, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit unter weiteren verwandten Leitwerten jene, die auch der FDGO eigen sind, ebenso wie mit dem Pluralismus einen gesellschaftlichen Zielwert, der bereits als Funktionsanforderung der FDGO festgestellt wurde.23 Erkennbar ist, dass Deutschland wie die anderen Mitgliedsstaaten trotz ihrer unterschiedlichen Verfassungstraditionen und -ausgestaltungen, die insoweit von der Union geachtet werden, diese Grundwerte dauerhaft erfüllen und Vorkehrungen zu deren zukünftiger Sicherung treffen müssen (Art. 4 II, 7 EUV).24 Wie die FDGO aus deutscher Sicht, soll ebenso Art. 2 EUV einen harten Kern inhaltlich bestimmter Kriterien als einheitsstiftende Ordnungsprinzipien eines ordre public für die Union und ihre Mitglieder bezeichnen: Es soll sich um grundlegende Werte handeln, die das Wesen einer friedlichen und toleranten Gesellschaft ausmachen und „einen eindeutigen und unstrittigen grundlegenden rechtlichen Gehalt haben“.25 19

Art. F I, II EUV i. d. F. 1. 11. 1993, ABl. C 191 vom 29. 7. 1992, S. 1. Vgl. BVerfGE 113, 273 (320); 123, 267 (355). 21 Vgl. etwa VO 2020/2092; Payandeh, JuS 2021, 481 (487 ff.). 22 Vgl. ähnlich v. Bogdandy, ZaöRV 2019, 503 (515 f.); Voßkuhle, NJW 2018, 3154 (3155); Grabitz / Hilf / Nettesheim / Hilf / Schorkopf Art. 2 EUV Rn. 12a m. w. N. 23 In diesem Sinne könnten Nichtdiskriminierung und Toleranz als Ausprägungen erscheinen, Gerechtigkeit, Solidarität und Geschlechtergleichheit allerdings die hermeneutischen Werteprobleme aufwerfen, vgl. sogleich II. 2. c) sowie oben C. II. 1. 24 Beachtlich scheint dabei, dass Art. 7 I EUV bereits von der Gefahr einer Verletzung und nicht einer eingetretenen spricht; zu den Mechanismen und Nutzbarkeiten Klamt, Union, S. 300 ff., 328 ff., 339 ff. 25 Vgl. die zugehörigen Motive des Konvents CONV 528/03, S. 11; Grabitz / Hilf / Nettesheim /  Hilf / Schorkopf Art. 2 EUV Rn. 11. 20

I. FDGO und deutsche Verfassungsordnung  

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Damit greift das Unionsrecht, einschließlich der Grundrechtecharta, über den engeren Anwendungsbereich des Vollzugs von Einzelrechtsakten durch die Mitgliedsstaaten hinaus und in deren allgemeine Staatsorganisation durch.26 Wie auch aus Art. 4 II EUV deutlich wird, erfordert Art. 2 EUV gerade keine Uniformität, sondern beschränkt sich auf die unabdingbare Homogenität im Sinne einer prinzi­ piellen Gleichartigkeit.27 Das Unionsrecht setzt immer weitere Ansätze, um diese Prinzipien gemeinschaftlich auszuprägen. Aktuell ist hier am meisten Augenmerk auf das Rechtsstaatsprinzip gelegt, in dem der EuGH zentrale Bestandteile ausgeformt hat, mit dem effektiven Rechtsschutz der rechtlichen Nachprüfbarkeit aller hoheitlichen Entscheidungen durch tatsächlich unabhängige Gerichte, daneben Rechtsbindung, -sicherheit, Verhältnismäßigkeit und Gewaltenkontrolle.28 Das europäische Demokratieprinzip ist mit der freiheitlichen Demokratie im Sinne der FDGO eng verbunden.29 Es findet wiederum Wurzeln in den repräsentativen und unmittelbaren Formen auf Unionsebene,30 den Wurzeln in den politischen Grundrechten31 sowie den bereits benannten internationalen Vorstellungsbildern und der Tradition der Mitgliedsstaaten.32 Ähnliches gilt für die noch vageren Begriffe der Freiheit33 und Gleichheit34 oder der Menschenwürde in Art. 2 EUV.35 Insgesamt gelangen diese inkrementellen Findungsprozesse der verschiedenen Unionsorgane und sonstigen Akteure bislang zu keinen hinreichend deduktiv-systematischen Ableitungen.36 Hier kann wiederum die deutsche FDGO in ihrer Wesensgleichheit bedeutende Impulse geben, ohne bislang selbst mit den europäischen Standards in zwingenden Konflikt zu geraten.37

26

Vgl. ebenfalls CONV 528/03, S. 11; EuGH C-402/05 Rn. 302 ff., EuZW 2008, 589. Vgl. EuGH Gutachten 2/13 Rn. 168, HRRS 2015 Nr. 172; Grabitz / Hilf / Nettesheim / Hilf /  Schorkopf Art. 2 EUV Rn. 9 m. w. N.; zum Stand unter dem Blickwinkel einer „europäischen streitbaren Demokratie“ noch weitgehend aktuell Klamt, Union, S. 36 ff. 28 Vgl. EuGH C-64/16 Rn. 30 ff., EuZW 2018, 469; detailliert Payandeh, JuS 2021, 481 ff. 29 Vgl. EuGH C-621/18 Rn. 62, NVwZ 2019, 143. 30 Vgl. Art. 9 ff. EUV darunter namentlich auch Art. 11 EUV zur demokratischen Inter­ aktion. 31 Vgl. Art. 6 ff., 39 ff. GRCh. 32 Vgl. etwa Grabitz / H ilf / Nettesheim / Hilf / Schorkopf Art. 2 EUV Rn. 26 ff.; Möllers /  Schneider, Demokratiesicherung, S. 35 ff. 33 Grabitz / Hilf / Nettesheim / Hilf / Schorkopf Art. 2 EUV Rn. 24 f. 34 Vgl. EuGH C-127/07 Rn. 23, EuGHE 2008, I-9895. 35 Vgl. Art. 1 GRCh; zu fehlenden klaren europäischen Bestimmtheit etwa Meyer / Hölscheidt /  Borowsky, Art. 1 GRCh Rn. 27, 39; zum deutschen Vorbild Pechstein / Nowak / Häde / Frenz, Art. 1 GRCh Rn. 5 ff.; zum weiteren Einfluss von Art.1 Präambel AEMR Jarass, Art.1 GRCh Rn. 1. 36 Vgl. zu den Er- und Vermittlungsproblemen v. Bogdandy, ZaöRV 2019, 503; Möllers /  Schneider, Demokratiesicherung, S. 125 ff.; Mandry, Wertegemeinschaft, S. 185 ff. 37 Ein grundlegender Konflikt zeichnet sich indes mit den, der FDGO allerdings ebenfalls wesensfremden Merkmalen aus der Schmitt’schen nationalistischen Rechtstradition der un 27

166

D. Kontext

II. Verhältnis zwischen der bestehenden Verfassungsordnung und der FDGO 1. Verständnis der FDGO in der bestehenden Verfassungsordnung Schließlich ist zu fragen, wie sich das Konstrukt der FDGO zur konkreten geltenden Verfassungsordnung des Grundgesetzes verhalten soll.38 Dabei ist der Hintergrund der Funktionsanforderungen sowie der völker- und unionsrechtlichen Perspektive aufzunehmen. a) Attributiv-prädikative Lösung Das BVerfG hat bereits in seiner ersten Entscheidung zur FDGO anlässlich des Verbots der SRP überzeugend betont: „Die Vorstellung … es könne verschiedene freiheitliche demokratische Grundordnungen geben, ist falsch. Sie beruht auf einer Verwechslung des Begriffs der freiheitlichen demokratischen Grundordnung mit den Formen, in denen sie im demokratischen Staat Gestalt annehmen kann.“39 Damit tritt das Gericht gleichzeitig entschieden der Deutung entgegen, es handele sich bei der FDGO nur um einen Ausschnitt einer jeweiligen Verfassungsordnung „auf gleicher normativer Ebene“.40 Vielmehr soll die FDGO oberste Grundwerte beinhalten, die wiederum der verfassungsmäßigen Ordnung als fundamental zugrunde liegen sollen. Sie ist folglich das Bild der freiheitlichen Demokratie, das dem Grundgesetzgeber als Leitbild vorgeschwebt und das er im Normenkomplex des Grundgesetzes zu realisieren versucht hat.41 aa) Mit der Verwendung des Begriffs charakterisiert das Grundgesetz zunächst attributiv die durch es selbst errichtete Verfassungsordnung, als freiheitlich demokratische Grundordnung. Die FDGO wird folglich (ggf. depiktiv) prädikativ bedingten Legitimationskette, Willensvereinigung und Verfassungsidentität ab, vor allem mit den europäischen Grundwerten der Rechtsstaatlichkeit und der Menschenwürde und -rechten, vgl. umfassend Fahrner, Vulnerabilität, v. a. S. 55 f., passim sowie hier untenf. I. 1.; vor diesem Hintergrund erscheint der Gegensatz von Voßkuhle, NJW 2018, 3154 zwischen „‚Wille des Volkes‘ versus Rechtsstaat“ ironisch gebrochen bzw. stark dem problematischen „Zwischenkriegserbe“ Schmitts verbrämt durch die Konzepte einer „Rahmenordnung“ eines willkür­ lichen Volkswillens-Dezisionismus gegenüber der Zielsetzung der FDGO-Schöpfer verhaftet. 38 Das Problem echter juristischer Geltung, vgl. etwa Rüthers / Fischer / Birk, Rechtstheorie, § 8 Rn. 332 ff.; ergibt sich dabei nur indirekt. 39 BVerfGE 2, 1 (12); eigene Hervorhebung. 40 Unklar insoweit Gusy, AöR 105 (1980), 279 (306): Das Argument scheint der Gleichrangigkeit aller Verfassungsbestimmungen scheint sich vor allem gegen ein übergeordnetes Prinzip der streitbaren Demokratie zurichten, vor allem aber Art. 79 III GG nicht in den Blick zu nehmen und letztlich genau die kritisierte Gelichsetzung von FDGO und aktueller Verfassungsordnung selbst aufzunehmen. 41 BVerfGE 5, 85 (196 f.).

II. Verhältnis zwischen der bestehenden Verfassungsordnung und der FDGO  

167

verstanden. Die verfassungsmäßige Ordnung wird als FDGO beschrieben. Diese Beurteilung beruht für das BVerfG darauf, dass die von ihm ausgestalteten Definitionselemente der FDGO durch die verfassungsmäßige Ordnung erfüllt werden. Die Tatsache, dass beide Ebenen oft nicht präzise getrennt werden, erklärt zum großen Teil die vermittelte Unsicherheit und Unklarheit des Verhältnisses der FDGO zu einzelnen Strukturelementen der konkreten Verfassungsordnung, die das Prädikat insgesamt oder in bestimmten Teilen begründen. Diese attributive Konstruktionsform erweist sich als besonders hilfreich, wenn nicht als allein mögliche, um unterschiedliche Verfassungsordnungen innerhalb und außerhalb der Beschreibung als FDGO einzuordnen: (1) Daraus lassen sich einerseits von individuellen und kollektiven politischen Akteuren erstrebte und unternommene Übergänge in neue politische Zustände des Gemeinwesens im Hinblick auf Art. 18, 21 GG etc. trennen:42 Besteht eine Bestrebung darin, eine Änderung der Verfassungsordnung herbeizuführen, die am Ende dem Garantiebereich der FDGO weiter genügen würde, darf das Tatbestandsmerkmal namentlich in Art. 18, 21 GG nicht erfüllt sein, dürfen diese also nicht ausgelöst werden. (2) Das erscheint auf der anderen Seite in internationaler und unionsrechtlicher Perspektive konsequent:43 Auf diese Weisen können unterschiedlichste Formen der Verfassungsausgestaltung – z. B. des unitarischen, dezentralen, föderalen oder konföderalen Staatswesens, eine parlamentarische Monarchie oder Republik, ein voll oder semi-präsidentielles oder parlamentarisches Regierungssystem – ebenso die Funktionsanforderungen der FDGO erfüllen. Sie können freiheitliche Demokratien sein, die in den Komponenten des BVerfG auch Menschenwürde und Rechtsstaatlichkeit gewährleisten – oder eben nicht. Nicht umsonst sind sie gleichermaßen in den völkerrechtlichen Instrumenten anerkannt und mit der Homogenitätsreichweite in der Union abgedeckt.44 Ein Alleinexistenzmerkmal hat die FDGO des Grundgesetzes gerade vor dem Hintergrund der gegenseitigen Anerkennung als gemeinsame Werte (Art. 2, 2 EUV) und der loyalen Zusammenarbeit (Art. 4 III EUV) ebenso wenig wie vor der friedlichen internationalen Kooperation überhaupt. bb)  Glücklicherweise hat das BVerfG eine demgegenüber missverständliche weitergehende „utopische“ Ausdeutung der FDGO als „Leitbild“ unverzüglich zurückgenommen. In der Auseinandersetzung mit den Behauptungen eines „realexistierenden Sozialismus“ hat es zunächst beim Verbot der KPD ausgeführt, es sei ohne Bedeutung ob die Verfassungswirklichkeit in der Bundesrepublik sich mit diesem Bild der FDGO allenthalben decke „… Dieser Denkweise entspricht es gerade nicht, eine Übereinstimmung von Ideal und Wirklichkeit zu behaupten. Sie

42

Vgl. zum Ganzen v. a. aus historischer Genese bereits oben v. a. B. I. 2., 4., II. 1. Siehe oben I. 44 Vgl. hier auch nochmals die Bedeutung von Art. 23 I 1, 26 GG, siehe dazu oben I. 43

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D. Kontext

hält eine solche Übereinstimmung sogar für unerreichbar, für utopisch. Deshalb kann sie nur fordern, dass das politische und soziale Leben auf dieses Leitbild hin entwickelt werde und dass Institutionen und Rechtsformen bestehen und geschützt werden, die diese Entwicklung ermöglichen und fördern.“45 Zwar bleibt richtig, dass es sich bei der FDGO um eine normative Bewertung (auf noch zu klärender prinzipiengeprägter Konstruktion)46 handelt. Aber diese bezieht sich darauf, ob die konkreten mit politischem Verhalten angestrebten tatsächliche Zustände dieser Bewertung genügen oder nicht, ebenso wie der aktuelle und tatsächliche Zustand der Verfassungsordnung des Gemeinwesens.47 b) Trans- und praeter-konstitutionelle Perspektive aa) Trans- und praeter-konstitutionelles Konstrukt Die FDGO ist bereits aus dem Vorgenannten also nicht bloße attributive Beschreibung des „Seins“ der Verfassungsordnung, sondern eine solche ihres „Seinsollens“. Sie wird zum Maßstab der verfassungsmäßigen Ordnung („wie sie sein soll / muss“) selbst, und zwar in deren rechtsdogmatischer wie -wirklicher Ansicht. Gänzlich unabhängig von den deutschen Traditionen des Idealismus48 erhält die FDGO so einen eigenen konkreten normativen Gehalt, wird zum eigenständigen, von der konkreten Verfassungsordnung abstrahierten normativen (Meta-?)Kon­ strukt. Dieses beschränkt sich nicht auf die Beurteilung zukünftiger Änderungen, sondern kann auch kompetent hic et nunc Antwort auf die Frage geben, ob einzelne Verfassungsnormen oder die Verfassung insgesamt ihren Anforderungen genügen.49 Entscheidend für dieses Urteil ist der Istzustand des verfassten Gemeinwesens, eines Blickes auf dessen verfahrensrechtliche Genese bedarf es zunächst nicht. Insoweit ist die Prüfung verfassungswidriger Verfassungsnormen, auch bereits bei der Verfassungsgebung, durch das BVerfG nur konsequent.50 Ob die aktuelle Verfassungsordnung den Anforderungen einer FDGO genügt oder nicht, unterliegt namentlich der rechtsstaatlichen Prüfung, soweit effektiv möglich im

45

BVerfGE 5, 85 (196 f.). Vgl. insbesondere ausführlich unten E. I. 47 Dies macht bereits die KPD-Entscheidungen im Folgenden ebenfalls deutlich BVerfGE 5, 85 (197 ff.); vgl. etwa auch BVerfGE 144, 20 (195 ff.). 48 Im Sinne der eigenexistenziellen Fragen einer „Wertewelt“, auf die nur im Rahmen der spezifischen strafrechtlichen Relevanz einzugehen ist, siehe dazu die ausstehende Habilitationsschrift. 49 Vgl. unten E. I. 4., II.; vgl. auch Preuß, Superlegalität, S. 445 (453 ff.). 50 Vgl. etwa BVerfGE 1, 14 (32 ff.); 3, 225 (233); BGHZ 1, 274 (276); vgl. insoweit auch die teilweise alternativen Ansätze der konstitutionellen Systemkonformität in BVerfGE 19, 206 (220) m. w. N. sowie den unfundierten Behauptungen einer „Verfassungsidentität“ in der Tradition von Schmitt, Verfassungslehre, S. 101 ff.; vgl. dazu unten E. I. 1., zum ersteren E. II. 2. a). 46

II. Verhältnis zwischen der bestehenden Verfassungsordnung und der FDGO  

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vorgesehenen Verfahrensweg, etwa bis zum BVerfG,51 ansonsten als ultima ratio dem Widerstandsrecht.52 bb) Ausgangspunkte der Fundierung Umso mehr stellt sich daraus konsequent die Frage der Legitimierung und normativen Fundierung der FDGO gegenüber der Verfassungsordnung selbst. Dafür fehlt ebenso ein expliziter Anhalt im Verfassungstext wie anscheinend eine grundlegende Klärung in der Verfassungsdogmatik insgesamt. Es drängt sich zuerst die Parallele zum Verhältnis in Art. 1 I, II GG einerseits der Menschenrechte und andererseits der Grundrechte des Grundgesetzes auf. Nicht zuletzt stellt die Verbindung zu den Menschen- und Grundrechten eine der zentralen Säulen der Entwicklung der FDGO dar:53 Jedenfalls die „Freiheitskomponente“ scheint aus der Absicherung der Grundsätze der grundrechtlichen Freiheit gegen Verletzungen durch Verfassungsänderungen begründet.54 Wie die konkreten Grundrechte der Art. 1 III, 2 ff. GG und die Menschenwürde als Verbindung für verfassungstransiente Menschenrechte,55 erweist sich die Verfassungsordnung in toto als Ausformung der darüber hinausgehend gedachten FDGO. cc) Begründungsansätze Diese über die konkrete Verfassung hinausreichende Wirkung kann in unterschiedlicher Weise begründet werden. (1) Dabei ist zunächst an die naturrechtlichen Grundlagen zu denken,56 die die Genese von Menschenwürde und Art. 1 II, III GG sowie weitere Verankerungen etwa in der Präambel tatsächlich historisch entscheidend geprägt haben. Die

51

Vgl. bereits BVerfGE 1, 14 (32 ff.); 3, 225 (233) sowie für Art. 79 III GG namentlich BVerfG 30, 1; vgl. unten E. 4., II. 2. namentlich auch zur Frage der Rolle der weiteren Ge­ richtsbarkeit bei nicht mehr effektiver Verfassungsgerichtsbarkeit; insoweit auch die Grundlagen in der Resilienz der rechtsstaatlichen Demokratie bereits bei Fahrner, Vulnerabilität, v. a. S. 87 ff., 126 ff., 189 ff. 52 Vgl. oben C. IV. 3. 53 Vgl. oben B. I. 4., 5. 54 Erinnert sei namentlich an Art. 1, 129 LV RP. 55 Vgl. hier nur Gundling, Naturrechtseinfluss, S. 30 ff. m. w. N. zum Diskurs der naturrechtlichen Perspektive der Menschenwürde, der im Übrigen als offenkundig vorausgesetzt werden kann. 56 Vgl. HChBericht, ParlRAkt II, Nr. 14, S. 504 (559): „die Auffassung der Mehrheit, dass nur die freiheitlich-demokratische Grundordnung überpositives Recht ist,“; vgl. Polzin, Verfassungsidentität, S. 31 m. w. N.; neuer wieder der Ansatz von Bydlinski, Rechtsgrundsätze, S. 1, 186 ff.; gegen naturrechtliche Verankerungen im Hinblick auf die FDGO explizit H ­ abermas, Zusammenhang, S. 83 (85).

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D. Kontext

frühe Rechtsprechung57 ebenso wie die Verfassungsschöpfer des Grundgesetzes wie in den Ländern prägte nach der Katastrophe von 1945 das Streben, auch auf rechtstheoretischer Ebene sich von den mutmaßlichen Verhängnissen der Weimarer Republik und des NS-Regimes abzukehren. Sie verorteten den Ursprung des Unheils namentlich im seit dem 19. Jahrhundert völlig dominanten Positivismus. Daher waren sie sich weithin einig, hinter diesen und gar den noch missbrauchsanfälligeren Dezisionismus zurückzugehen auf naturrechtliche, wenn nicht christliche Rechtsverständnisse eines durch den Menschen wirkenden Gottes.58 Dadurch wollten sie in der realen Welt im Verbund mit den einrahmenden Ebenen gegen die reine Rechtshierarchie absichern, dass die Rechtsanwender niemals wieder derart gefügig im reine Rechtsgehorsam gegenüber irgendwie formalen staatlichen Normen die Barbarei erdulden und mittragen würden.59 Namentlich die CDU, das Zentrum und z. T. im politischen Spektrum weiter rechts verortete Parteien (etwa die Deutsche Partei) bemühten sich zu diesem Zweck weiter, Gottesbezüge nicht nur unmittelbar in der Präambel des Grundgesetzes, sondern auch etwa im Konzept der Menschenwürde und der Menschen- und folgenden Grundrechte ausdrücklich zu verankern. Eine liberale, sozialdemokratische und kommunistische Mehrheit lehnte dies allerdings am Ende, in der Rückschau zurecht als antiplural, ab. Eine deutlich größere Mehrheit im Parlamentarischen Rat erkannte indes in der Ausgestaltung der Menschen- und Grundrechte und ihrer Veränderbarkeit eine Positivierung von darin weiter wirksamem Naturrecht, und damit auch im „freiheitlichen“ Teil des Schutzes der FDGO.60 Ansonsten waren sich die Mitglieder des Parlamentarischen Rates allerdings, wie richtig bemerkt wurde, über die konkreten religiösen, humanistischen oder sonstigen Wurzeln der naturrechtlichen Verankerung grundsätzlich uneinig.61 Bei den weiteren „demokratischen“ Teilen der FDGO, entstanden aus dem „staatsrechtlichen Schutzteil“, fehlte erst recht ein präsentes naturrechtliches Konzept, etwa 57

Vgl. nur BVerfGE 3, 225 (232 ff.) zur Radbruch’schen Formel bei der Verfassungsanwendung und zu den Motiven des ParlR; zur Rechtsprechung des spezifisch des BGH vgl. ­Weinkauff, NJW 1960, 1689 (1692 ff.). 58 Vgl. Schmidt, Gesetz; Wolf, Evangelische Theologie 1948, 233 (253); vgl. unter den zeitnahen Überblicken namentlich Würtenberger, ARSP 38 (1949), 98; 40 (1953), 576; zum demokratischen Rechtsstaat als theologisches Problem, Süsterhenn, Durchbruch; sowie aus der Rückschau Heinemann, Lutherische Monatshefte 7 (1968), S. 37 ff. 59 Vgl. Brill, DÖV 1948, 54 (55); ausführlich Gundling, Naturrechtseinfluss, S. 1 ff. m. w. N.; Reese, Verfassung, S. 28; Foljanty, Recht, S. 2 ff.; Schwab, Naturrecht, S. 227 ff. 60 Vgl. von Mangoldt: „Unsere Absicht war, … die vorstaatlichen Rechte so aufzuführen, wie sie die Gegenwart sieht.“, ParlRAkt V, Nr. 5 (S. 68); dazu Isensee, HdbGR II, § 26, S. 41 (84 ff.); Rüthers u. a., Rechtstheorie, 8. Aufl., § 6 Rn. 267; Hufen, NJW 1999, 1504 (1506). 61 Vgl. ausführlich Gundling, Naturrechtseinfluss, S. 33 ff., 42 ff. m. w. N. zur Uneinigkeit zwischen christlichen und historischen Naturrechtsauffassungen, letztere vertreten etwa von Carlo Schmid; daher erfüllte sich das Konsensversprechen des Naturrechts, vgl. Baer, Rechtssoziologie, § 3 Rn. 27 ff., nicht.

II. Verhältnis zwischen der bestehenden Verfassungsordnung und der FDGO  

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aus dem Christentum, an das angeknüpft werden konnte.62 Umso schwerer war, wie bereits dargestellt, die Suche nach dem „Geist“ von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit.63 Bezeichnenderweise wurde auf die Ansätze der christlich-naturrechtlich fundierten „positiven“ Freiheit von Süsterhenn als Teil der Verwirklichung im Gemeinwesen nicht eingegangen.64 Allem Anschein nach ergab sich nicht die Gelegenheit für eine grundsätzliche Klärung über die Bedeutung von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit als naturrechtlich fundierbare Folgen des Menschenbildes von Menschenwürde und -rechten,65 zumal die historischen Vorbilder des 19. und 20. Jahrhunderts erkennbar nahe lagen. Einzig in der, freilich bald in der Auslegung auf einfaches Restgewohnheitsrecht zurückgeführten Begriffspaarung von „Gesetz und Recht“ in Art. 20 III HS. 2 GG kann ein expliziter Rückbezug in der Rechtsstaatlichkeit auf Naturrecht erkannt werden, die im Redaktionsausschuss allerdings ebenfalls geringe Reflexion und wohl gar nicht über die Rolle (in) der FDGO auslöste.66 (2) Das BVerfG hat bald eine kritische Haltung zum Naturrecht erkennen lassen67 und zuletzt, dass es eher von einer „positivistischen“ Begründung der FDGO auszugehen scheint: „Das Grundgesetz nimmt vor diesem Hintergrund aus dem Pluralismus von Zielen und Wertungen, die in den politischen Parteien Gestalt gewonnen haben, gewisse Grundprinzipien der Staatsgestaltung heraus, die, wenn sie einmal auf demokratische Weise gebilligt sind, als absolute Werte anerkannt und deshalb entschlossen gegen alle Angriffe verteidigt werden sollen.“68 Damit könnte zwar auch einmal mehr das Gericht eine unbeschränkte, willkürliche Neusetzungsgewalt eines „pouvoir constituant“ im Sinne Schmitts postuliert haben, die allerdings gerade der Idee einer geschützten FDGO diametral zuwiderläuft.69 Um diesen Widerspruch zu vermeiden, bleibt damit nur übrig, darin eine Referenz auf die Aufnahme in die deutsche Verfassungsdogmatik zu erkennen, die den historischen Prozess als Ausgangspunkt der Anwendung des Konstrukts als Verfassungsmaßstab für die gesamte weitere Zukunft adressiert. Pragmatisch weniger problematisch ist, dass damit Verfassungsänderungen an dem einmal errichteten

62 Es blieb die historische Naturrechtsvorstellung Schmids, die allerdings letztlich in einer historischen Betrachtung und der dort erreichten „Freiheitsniveaus und -standards“ mündete, vgl. ParlRAkt V, Nr. 5 (S. 67); Vgl. ausführlich Gundling, Naturrechtseinfluss, S. 35. 63 Siehe oben B. I. 4., 5. 64 Vgl. Art. 1 LV RP; besonders deutlich wird dies in der Elfes-Entscheidung BVerfGE 6, 32 (36 ff.) auf die in der anstehenden Habilitationsschrift nochmals ausführlich im Verhältnis zu den verschiedenen positiven und negativen Freiheitsbegriffen einzugehen sein wird. 65 Vgl. auch Gundling, Naturrechtseinfluss, S. 53 f., 77 f., 82 ff. 66 Vgl. JöR 1 (1951), 195 ff.; Radbruch, SJZ 1946, 105 ff.; ders., Gesetz, S. 96 ff.; dazu eingehend Hoffmann, Verhältnis, S. 55 ff., 114 ff. m. w. N.; allg. DHS-Grzeszick, Art. 20 GG Rn. 63 ff. m. w. N. 67 Umschwung vor allem seit BVerfGE 10, 59 (81); vgl. Böckenförde, Gewalt, S. 58 (74). 68 BVerfGE 144, 20 (195 f.). 69 Siehe ausführlich Fahrner, Vulnerabilität, v. a. S. 62 ff., 84 ff.

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D. Kontext

Maßstab der FDGO zukünftig zu messen sind und auch die „verfassungswidrige Verfassungsnorm“ mit allgemeinen Auslegungskriterien begründet werden kann.70 Insoweit muss sich auch der Zweckpositivismus die konkreten Bedingtheiten namentlich normativ der Ewigkeitsklausel als Selbstbindung, wie auch die begründenden Gefahren des wertnihilistisch entartenden (Verfassungs-)Gesetzgeber entgegenhalten lassen.71 Bei diesen handelt es sich daraus folgend nicht um reine verfassungsimmanente und damit wiederum verfügungsfähige Werte oder Zwecke; richtig ist vielmehr lediglich der Einwand, dass der Gesetzgeber sich nicht contra constitutionem auf sie berufen könnte.72 Indes, eine durchschlagende Begründung für die Beständigkeit, eben einen erneuten Konstitutionsakt einer Grundordnung, welche die FDGO ersetzt oder aufhebt, mithin dann aber jeden Bezug durch Art. 18, 21 in die Schwebe setzt, vermag der reine Positivismus nicht zu liefern.73 (3) Nachhaltiger baut auch das BVerfG indes auf die historische Tradition auf: „Das Grundgesetz bezeichnet die von ihm geschaffene Staatsordnung als eine freiheitliche Demokratie. Es knüpft damit an die Tradition des ‚liberalen bürgerlichen Rechtsstaats‘ an, wie er sich im 19. Jahrhundert allmählich herausgebildet hat und wie er in Deutschland schließlich in der Weimarer Verfassung verwirklicht worden ist.“74 Ohne dass das Gericht dies weiter ausführt, sind damit die Traditionslinien über das 19. Jahrhunderts hinaus im Hinblick auf zuerst religiöse und weltanschauliche, dann gemeinwohlorientierte und gesellschaftlich-organisatorische Pluralität, Friedlichkeit, Fortschrittlichkeit usw. eröffnet. Über die historische Stabilisierung aktueller Auslegungs- und Konstruktionsmethoden ist damit indes keinesfalls ein Schritt zurück in die historische Rechtsschule mit allen ihren Verbindungen, etwa zur Begriffsjurisprudenz oder gar „nationalen Volksrechtsgeist“ unternommen.75 Das Gericht macht sprachlich bereits selbst deutlich, dass es das historische „Erbe“ in der FDGO nicht exklusiv national versteht. Vielmehr ist auch angesichts der geltenden internationalen und europäischen Wechselbezüge76 auf die gemeinsamen, eng verschränkten Staats- und Rechtstraditionen nament-

70

Siehe bereits oben aa) bzw. BVerfGE 1, 14 (32 ff.); 3, 225 (233). Insoweit erweist sich die Annahme, Art. 79 III GG entziehe dem pouvoir constituant nur selbst instituierterweise etwas, von Wischmeyer, Zwecke, S. 187 Fn. 22, in sich wider­ sprüchlich. 72 Nur insoweit richtig Wischmeyer, Zwecke, S. 187 m. w. N.; Möllers, Staat, S. 196. 73 Vgl. etwa Steinberger, Demokratie, S. 3 ff.; Detjen, Neopluralismus, S. 620 ff., 644 ff.; Fraenkel, Regierungssystem, S. 345: „Das Wagnis, eine heterogene Gesellschaft in einem pluralistischen Staat zu organisieren, konnte und kann nur dann gelingen, wenn das Bewusstsein der Geltung eines Naturrechts als Legitimitätsgrundlage eines jeden positiven Rechts aufrechterhalten bleibt“; ähnlich ders., Reformismus, S. 399; vgl. dazu, zur Kritik und Lö­ sungsansätzen E. I. 74 BVerfGE 5, 85 (197). 75 In gewisser Ironie zur weithin und insbesondere von Böckenförde, Rechtsschule; S. 9 ff. insoweit überzeugend abgelehnten historischen Rechtsschule. 76 S. o. I. 71

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lich Europas zu verweisen.77 Anders als bei den Menschenrechten hat sich für die FDGO im Übrigen kaum eine zusätzliche Begründungsebene aus dem allgemeinen Völkerrecht ergeben. Bis auf vergleichbar wenige, vor allem regionale völkervertragsrechtliche Konventionen zu partiellen Bestandteilen der FDGO, etwa dem rule of law oder good governance findet sich dazu weit weniger.78 Das Unionsrecht ausgehend von Art. 2 ff. EUV korrespondiert im Wesentlichen mit der FDGO im deutschen Verständnis, begründet sie aber nicht.79 Insgesamt bleibt auch dort die Fundierung ebenso mehrschichtig, namentlich unter positivistischen, naturrechtlichen oder historischen Perspektiven. Ebenso sind erneut die Fragen der Transzendenz eines christlichen-humanistischen Naturgesetzerbes aufgeworfen. Ein subjektives Menschenbild und der Pluralismus sind in Art. 2 EUV ebenso verankert, wie mit den weiteren angeführten europäischen Grundwerten von Solidarität und Verantwortlichkeit ergänzende Fragen aufgeworfen, welche im Rahmen des Konstrukts der FDGO weiterer Beobachtung bedürfen.80 dd) Lösung durch vernunftrechtliche Begründung Letztlich scheint der Ansatz der Funktionalisierung, wie er hier vertreten wird, vor allem auf vernunftrechtlicher Basis zu beruhen.81 Dieser muss sich allerdings nicht dem beständigen Einwand der hermeneutischen Projektion gegen das tradierte Naturrecht auseinandersetzen, kann aber auch reinem Positivismus notwendige Verankerung entgegensetzen.82 Letztlich nähern sich beide Auffassungen an, da einerseits stets die individuelle hermeneutische Projektion dem Verständnis verbunden bleibt, andererseits durch einen global weiten, kulturell tradierten Be-

77 Diese breite Grundlage wird damit auch für die nähere Ausdeutung der rechtsstaatlichen liberal-aufgeklärten Demokratie nutzbar, vgl. nur soweit bereits Fahrner, Vulnerabilität, S. 67 ff. 78 Siehe gerade oben I. 1., 2. 79 Siehe gerade oben I. 3. 80 Vgl. sogleich dazu unten 2. 81 Namentlich Popper, Society passim, siehe dazu und dazu den weiteren vernunftmäßigen Verankerungen zur Zeit der Genese schon oben A. I. 3 c) (3); Habermas, Faktizität; Lameyer, Demokratie, S. 94 ff. m. w. N.; vgl. auch z. B. Esser, Grundsatz, S. 1 ff., 73 f., dass allgemeine Rechtsgedanken als Prinzipien unabhängig vom Gesetz wirksam sind und sich aus der Natur der Sache oder Institution, ergeben als notwendige Prinzipen, d. h. solche, die aus den positiv anerkannten Einzelheiten folgen, weil diese ohne sie nicht sachgerecht verstanden würden, und nützlicher Prinzipien, die als Postulate ethischer oder politischer Natur erst in ein positives System hineingetragen werden; in diesem Sinn kann die unter B. umschriebene FDGO als Zusammenschau notwendiger Prinzipien für ein stabiles menschenwürdiges Gemeinwesen vernünftig umschrieben werden; vgl. zum Vernunftargument in der Normbegründung der Demokratie Rüthers / Fischer / Birk, Rechtstheorie, § 17 Rn. 596 ff. 82 Vgl. etwa bereits Steinberger, Demokratie, S. 229, 232 ff. unter Berufung auf Popper, nach dem die Existenz transpositiver Rechtsprinzipien möglich ist, die kein Naturrecht sind, aber in krassen Fällen zur Unverbindlichkeit widersprechenden positiven Rechts führen.

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D. Kontext

griffskonsens die Idee als Kern und Kristallisationsfokus des Diskurses weit fixiert scheint. Damit sind friedlicher deliberativ-diskursiver Zugang und Anwendung weitestgehend möglich.83 Vor allem an dieser Stelle bewährt sich das Konstrukt vor seinen Funktionsanforderungen. Es bildet Projektions- und Integrationsfläche für methodischen Pluralismus, setzt sich nicht dem Vorwurf einseitiger hermeneutischer Projektion aus, lässt sich als rein prozedurale Konstruktion begründen und deliberativ diskutieren.84 Daher kann die von der konkreten Verfassungsordnung gelöste FDGO selbst dadurch weiter zu den Anforderungen namentlich ihrer Pluralismus-, (integrativen) Friedens- und Fortschrittsfunktion und Verstärkung von Akzeptanz und Geltungslegitimierung in den bekannten Formen beitragen.85 ee) Zwischenergebnis: Abstraktion und Konkretheit der FDGO Abschließend klarzustellen ist, dass die FDGO kein isoliertes Konstrukt „im luftleeren Raum“, also keine „existente Idee“ ist. Nur ihre konkrete Positivierung in einer Verfassungsordnung kann unmittelbare Rechtsqualität entwickeln.86 Eine Grundordnung entsteht gerade nur durch Konstituierung, die ureigenster Akt der Verfassungsgebung ist.87 Auch als Hinweis darauf sind o.g. Zitate des BVerfG richtig zu deuten. Die FDGO erscheint daher in allen tatbestandlichen Verwendungen im GG als innerster Kern der konkret bestehenden, durch das GG konstituierten Verfassungsordnung, soweit diese wiederum zur FDGO konform erscheint.88

83 Zwar ist angesichts der zentralen Grundfragen einer menschenwürdigen, friedlichen usw. rechtlichen Ordnung mit der wohl höchsten Rationalität und dauerhaftesten Diskurs zu rechnen, so dass die Kritik an Irrealität der Voraussetzungen des Diskurses, wie etwa bei Rüthers / Fischer / Birk, Rechtstheorie, § 17 Rn. 586 ff. hier wenig überzeugend scheint; jedoch erweist sich der Grundkonsens der Rechtsgemeinschaft als meist sehr oberflächlich, was indes genügen kann. Auch hier kann allerdings der kritische Rationalismus der Strategie der Anwendung bis zur Falsifikation befolgt werden. In diesem Sinn ist die FDGO wohl weniger Evidenz- als Plausibilitätsbasiert, daher Rüthers / Fischer / Birk, Rechtstheorie, § 17 Rn. 604 hier wohl eher wegführend im Sinn fiktiver voller Rationalität in einem politischen System, indem dies empirisch falsifiziert ist, vgl. hierzu ausführlich bereits Fahrner, Vulnerabilität, S. 47 ff., 91 ff., 106 ff. 84 Vgl. auch Rüthers / Fischer / Birk, Rechtstheorie, § 19 Rn. 637. 85 Vgl. zur inneren (moralischen) und äußeren juristischen Geltung hier nur Rüthers /  Fischer / Birk, Rechtstheorie, § 8 Rn. 334 ff., 341. 86 Vgl. für die Menschenrechte DHS-Herdegen, Art. 1 Abs. 2 GG Rn. 16. 87 Vgl. Preuß, Begriff, S. 11. 88 Nicht verwechselt werden darf dies allerdings mit der „freiheitlich demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes“ im einfachen Recht, welche auf die Verfassungstreue in der wehrhaften Demokratie rekurriert, vgl. unten III. 2. a).

II. Verhältnis zwischen der bestehenden Verfassungsordnung und der FDGO  

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c) Folgerungen für die Verwendung im Schutz der Verfassung Die FDGO stellt folglich, wie oben gesehen, einen Maßstab für die konkrete bestehende und für jede von politischen Akteuren erstrebte neue Verfassungsordnung dar. Sie fasst – entsprechend ihrer Wortbedeutung, Genese, verfassungsrechtlichen, sowie internationalen und -temporalen Kontexten sowie Sinn und Zweck – einen (im Inhalt noch näher zu klärenden) absoluten Kern von Anforderungen an Verfassungsprinzipien und ggf. sonstigen Normen zusammen, die ein freiheitlich demokratisches Gemeinwesen auszeichnen und abgrenzen von (v. a. autoritären) Staatssystemen, die dem nicht genügen.89 Damit bilden sie den engsten Anforderungskern der verfassten Ordnung des Grundgesetzes de lege lata et ferenda. aa) Dieser Kern ist, wenn auch nur „indirekt“, wiederum im Schutzbereich der „Ewigkeitsklausel“ der konkreten bestehenden deutschen Verfassungsordnung in Art. 79 III GG enthalten.90 Die FDGO findet sich damit in jenen Verfassungsbestandteilen, die als solche jeder rechtmäßigen Disposition, jeder erstrebten und unternommenen Verfassungsänderung entzogen sind.91 Selbst etwaige Verfassungstextänderungen oder -setzungen können daraus verfassungswidrig sein.92 Darin fügt sich auch Art. 20 IV GG, der jedoch ebenfalls wie Art. 79 I, II GG eine prozedurale Seite aufweist: Beide greifen entweder bei einer entsprechend qualifizierten (formellen) Verletzung der vorgesehenen Verfahren oder aber bei deren sonstigen Einhaltung und jedenfalls (materiellen) Ziels eines Zustandes, welcher der FDGO widersprechen würde.93 Beide Alternativen können gleichzeitig erfüllt sein, wobei aus der materiellen Verfassungswidrigkeit wegen der entsprechenden Kontrollnormen die formelle stets mit folgt. Inwieweit der materielle Schutz von Art. 79 III, 20 IV GG über die FDGO hinausreicht oder diese spiegelt, ist sogleich zu klären.94 bb) Auch in den weiteren ausdrücklichen Nennungen, namentlich Art. 18, 21 II GG, ist die FDGO als aus der Verfassungsordnung herausgehobener und vor­ gelagerter materieller Kern verstehbar. Damit ergibt sich aber eine erste konsistente systematische Verbindung zu Art. 79 III, 20 IV GG. Erstgenannte stellen sich zu letztgenannten als Vorfeld dar, wie im Gesamtsystem der Grundgesetzgenese historisch angelegt.95 In ihrem Bereich des Schutzes der FDGO können danach Bestrebungen, soweit sie zusätzliche die Erfordernisse der Relevanz und „Militanz“ bzw. „Feindlichkeit“ erfüllen, präventiv unterbunden werden. Ebenso in diesem Vorfeld befinden sich die weiteren Normen, die auf die FDGO tatbestand­

89

Vgl. oben B., v. a. auch C. IV. 2. e), D. I., II. 1. a), b). Vgl. hier nur Stern, StaatsR I, S. 552, 564 ff. 91 Vgl. weiter dazu unten 2., E. I., II., III. 1. a). 92 Vgl. BVerfGE 30,1 (25); 84, 90 (121); 109, 297 (310); weiterhin unten E. II. 2. b). 93 Vgl. oben C. IV. 3., E. II. 1. 94 Vgl. sogleich unten 2. 95 Vgl. oben B. I. 90

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lich verweisen.96 Zu klären bleibt bei ihnen allerdings, ob lediglich materiell der FDGO-widrige angestrebte Endzustand im Tatbestand mit umfasst sein soll.97 Der verfassungsfeindliche Umsturz, etwa im Rahmen eines Hochverrats nach § 81 I Nr. 2 StGB hin zu einer anderen, allerdings ebenfalls FDGO-konformen Verfassungsordnung, könnte dann alleine Sache des Straf- und sonst darauf aufbauenden Polizeirechts bleiben. Die abweichenden Begriffsverwendungen im einfachen Recht (z. B. verfassungsmäßige Ordnung oder Verfassungsgrundsätze) legen dies nahe. Der Verfassungsschutz könnte etwa nicht auf Art. 73 I Nr. 10 b), Art. 87 I 2 Var. 4 GG gestützt werden gegen derartige Bestrebungen, ebenso wenig die Grundrechtsbeschränkungen in Art. 10 II 2, 11 II GG oder das geregelte Notstandsrecht der Art. 87a IV 1, 91 I GG. Ob hier die FDGO zusätzlich das formelle Bestehen der aktuellen Verfassungsordnung gegen illegale Änderungsunternehmungen per se schützt, bedarf folglich weiterer Klärung.98

2. Umfang der FDGO und fundamentale Verfassungsprinzipien des GG a) Ablehnung der „(eingeschränkten) Einheitstheorie“ aa) Die (engere) Einheitslehre verfolgt den Ansatz, die Schutzgüter des Verfassungskerns im Grundgesetz einheitlich auszulegen.99 Die genaueste Bestimmung dafür liefert ihr Art. 79 III GG, der auf die Grundsätze der Art. 1 und 20 GG sowie zusätzlich die Verstärkung der Bundesstaatlichen Gewährleistung durch die föderale Gliederung und grundsätzliche Gesetzgebungsmitwirkung der Länder verweist. Neben der in Art. 1 GG adressierten Menschenwürde und Grundrechteverankerung wird Art. 20 GG nach allgemeiner Ansicht als sedes materiae der grundlegenden Staatsstrukturbestimmungen der Republik und Demokratie sowie der gebotenen Rechts-, Bundes- und Sozialstaatlichkeit betrachtet. Einigkeit besteht darin, dass jedenfalls Art. 79 III GG die (konkretisierten) Elemente der FDGO mit in sich aufnimmt, diese also alle in ihm als zu schützendes Substrat enthalten sind.100 Nach der Einheitslehre sollen damit aber auch umgekehrt zumindest alle diese in Art. 79 III GG gewährleisteten Grundprinzipien des Staatsaufbaus wesentliche Elemente der FDGO sein, und zwar an all den Stellen, wo diese als Tatbestandsmerkmal im GG verwendet wird. Daraus ergebe sich auch eine Gleichsetzung der verfassungsmäßigen Ordnung, wo diese im engen Sinn verwendet wird, namentlich in Art. 9 II Var. 2 GG. 96

Eben Art. 10 II 2, 11 II, 73 I Nr. 10 b), Art. 87 I 2 Var. 4, 87a IV 1, 91 I GG. Vgl. unten E. III. 98 Dazu ausführlich unten E. II. 1., III. 99 Vgl. hier nur etwa Schmitt Glaeser, DÖV 1965, 433 (438 ff.); ders., Missbrauch, S. 46 ff.; weiter bereits oben die Darstellung B. III. 1. des Theorieansatzes und seiner Argumentation. 100 Vgl. hier nur etwa Lautner, Grundordnung, S. 63; dazu auch gerade oben 1. c). 97

II. Verhältnis zwischen der bestehenden Verfassungsordnung und der FDGO  

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bb) Trotz ihres Bemühens um einheitliche Verfassungsexegese lehnt nicht nur das BVerfG mit seinen autonomen Definitionen der FDGO in st. Rspr. sondern auch die h. L. diese Ansicht ab.101 (1) Gegen die Theorie spricht bereits die bewusst unterschiedliche Begriffsver­ wendung. Sie legt nahe, darin eine sinngetragene Entscheidung und eine dementsprechende Auslegung zu vermuten. Dazu tritt die Verfassungsgenese zu Art. 108 HChE bzw. Art. 79 III GG, bei dem die FDGO bewusst und nach langer Debatte ersetzt wurde, um die in ihr nach Willen des Konvents nicht enthaltene Bundesstaatlichkeit einzubeziehen.102 Der Schluss, in die FDGO nach Art. 79 III GG nur die Verweise auf Art. 1, 20 GG ohne das Bundesstaatsprinzip aufzunehmen, wird hingegen nicht gezogen. Noch weniger erklärlich erscheint eine Zwischenansicht, die von der FDGO unter den genannten Staatsstrukturprinzipien nicht die Republik, wohl aber Bundes- und Sozialstaat umfassen möchte.103 (2) Das historisch-systematische Argument des Art. 20 IV GG, der zudem später hinzugefügt wurde, kann kaum durchgreifen. In dessen Wortlaut scheint nicht klar, auf welche Ordnung sich das Widerstandsrecht beziehen soll. Nur anscheinend verwenden die Motive des Einführungsgesetzes verfassungsmäßige Ordnung einer- und FDGO andererseits ohne Differenzierung.104 Daraus wird gefolgert, letztere sei insgesamt durch und in Art. 20 I–III GG „definiert“. Die Erwägungen des Rechtsausschusses, welche zudem historisch die bereits lange zuvor verankerte FDGO kaum begründen könnten, bestätigen dies jedoch ebenfalls nicht. Sie nennen nämlich die FDGO als geschütztes Rechtsgut, die verfassungsmäßige Ordnung als Wiederherstellungsziel des Widerstands. Daraus mögen sich Folgeprobleme der Restitution,105 jedenfalls aber keine zwingende Identität beider Begriffe ergeben. (3) Teleologisch können hingegen zwei verbundene Gegenargumente ausschlaggebend gegen die Einheitstheorie angeführt werden: (a) Muss sich die FDGO ihrer Funktion nach auf den zwingenden absoluten Kern – auch historisch gegen Willkür und für ein stabiles friedliches, fortschrittliches und plurales Gemeinwesen  – beschränken,106 scheint die Aufnahme der Prinzipien der Republik, Bundesstaatlichkeit und wohl auch Sozialstaatlichkeit weder notwendig noch zulässig. Gerade im internationalen und historischen Vergleich wird man gemessen an den Funktionsmerkmalen weder Einheitsstaaten und letztlich demokratisch-rechtsstaatlichen parlamentarischen Monarchien ab 101

Vgl. zu den dem widersprechenden Definitionen des BVerfG oben ausführlich B. II., für die Ablehnung der h. L. vgl. B. III. 1. 102 Siehe bereits oben B. I. 5. b) cc). 103 DHS-Scholz, Art. 9 GG Rn. 127. 104 Vgl. BT Drs. 5/2873, S. 9. 105 Siehe dazu auch oben C. IV. 3. sowie unten E. III. 2. d); bestätigt zeigt sich hier das Kon­ zept materieller und formeller verfassungswidriger Bestrebungen, und als Kern ersterer die FDGO s. o. 1. 106 Vgl. nochmals oben, insbesondere C. IV. 2. e).

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sprechen können, eine FDGO zu sein.107 Nicht zuletzt im Sinne der genannten Funktionen und der Integration um den Verfassungskern scheint es umso weniger nachvollziehbar, Bestrebungen, in ein derartiges Staatssystem überzugehen, den Verfolgungsmöglichkeiten und -pflichten zum Schutz der FDGO zu unterstellen. (b) Dies gilt namentlich, da die Einheitstheorie meist mit der pouvoir consti­ tuant-Theorie verbunden wird, wonach Art. 79 III GG durch eine (näher zu präzisierende) Volksentscheidung verfassungslegitim/-konform überwunden werden könnte. Diese Möglichkeit wird damit begründet, dass sonst eine zu große Versteinerungsgefahr einträte, die friedliche Verfassungsfortschritte ausschlösse.108 Dafür wäre allerdings kein Bedarf, wenn man wiederum nicht der Einheitstheorie folgen würde. Wendet man aber erstgenannte Theorie einer Verfassungsfortentwicklung jenseits von Art. 79 III GG an, wäre es aber formell möglich, eine solche Änderung zu erstreben. Es wäre dann kein objektiver Grund ersichtlich, ihn bis dahin materiell als verfassungsfeindlich zu verfolgen. Ansonsten würde die FDGO als ein einseitiges Kampfrecht bis zur Verfassungsfortentwicklung verwendet, aber nicht als stabiler Verfassungsrahmen.109 b) FDGO und fundamentale Staatsorganisationsprinzipien des GG Orientiert man sich stattdessen an den Forderungen aus der Funktionalisierung der FDGO unter internationalem und historischem Vergleich, so ist davon lediglich eine Untermenge unter den Verfassungsstrukturprinzipien des Grundgesetzes umfasst. Zur FDGO zählen, wie bereits vom BVerfG herausgestellt,110 das mit namensgebende Demokratie- sowie das Rechtsstaatsprinzip.111 Fraglich erscheint dies allerdings für die anderen fundamentalen Staatsstrukturprinzipien in und außerhalb von Art. 20 GG.112 aa) Regierungssystem Erstens sind damit konsequenterweise die konkreten Ausformungen des repräsentativen parlamentarischen Regierungssystems nicht von der FDGO umfasst.113 Wie der Rechtsvergleich zeigt, sind ihre Funktionen auch in (semi-)präsidentiellen Systemen, wie etwa den Vereinigten Staaten oder der Französischen Republik glei 107

Vgl. oben B. I. 4. d), II. 1. b), 2., 3. c) (2), III. 1., C. IV. 2 a), D. I. Vgl. zur entsprechenden Kritik etwa Stollberg, Grundlagen, S. 35 f. sowie oben B. III. 109 Dies kann man allerdings wohl als eigentliche souveränitätsdarwinistische Vorstellung der Schmitt-Schule begreifen, vgl. Fahrner, Vulnerabilität, v. a. S. 76 f. et passim. 110 Siehe BVerfGE 144, 20 (207 ff.) sowie oben B. II. 4. 111 Zwingend vor allem im Hinblick auf die Friedlichkeit, vgl. oben C. IV. 112 Zum Begriff in Abgrenzung zu Alternativen vgl. etwa Stern, StaatsR I, S. 551 m. w. N. 113 Vgl. ebenso etwa Stern, StaatsR I, S. 552 f. 108

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chermaßen realisiert. Damit geht auch die insoweit offene Enumerationsdefinition konform, die die Regierungsverantwortlichkeit nicht gegenüber dem Parlament beschränkt.114 Allerdings ergibt sich ein Spannungsfeld zu § 92 II Nr. 4, Alt. 2 StGB, auf das anderweitig noch näher einzugehen sein wird.115 bb) Republik und Bundesstaat Dies setzt aber weiter auch, wie durch Rechtslehre und Rechtsprechung ausgiebig begründet, weder ein Gemeinwesen in Form einer Republik, noch eines Bundesstaates voraus.116 Zwar bieten auch eine formale (und mehr materielle)117 Republik und ein mitwirkender Föderalismus i. S. v. Art. 20, 79 III GG erkennbar zusätzliche Sicherungen für die Stabilität der FDGO. Ihre zusätzlichen checks and balances können und sollen Machtkonzentrationen namentlich in Form von Machtmonopolisierungen sowie Irrationalisierungen personalisierter Herrschaft eines Monarchen, Diktators oder Tyrannen verhindern.118 Das Grundgesetz setzt ihrer Abänderung daher auch im konstitutionellen Rahmen des Art. 79 III GG materielle Grenzen.119 c) Namentlich: (Soziale) Gerechtigkeit und Sozialstaat Diesen rechtlichen Sicherungen gesellt sich in gewisser Weise auch der Sozial­ staat i. S. d. Art. 20 I, 23 I 1 GG hinzu. aa) Vorfeldschutz und Menschenwürde: Kernbereich Der Sozialstaat kann – in Tradition seiner Begründung durch Bismarck – ebenfalls als Vorfeldschutz der Verfassungsordnung begriffen werden, etwa um „proletarische“ Massenerhebungen und -psychologien, wie von Freud und Le Bons geschildert,120 zu verhindern und Integration und weitere Friedlichkeit zu befördern. Allerdings werden soziale Gerechtigkeit und das Sozialstaatsprinzips nicht 114

Vgl. BVerfGE 2, 1 (13) sowie oben A. II. 3. c). Vgl. bereits oben B. II. 3. sowie die anstehende Habilitationsschrift aus strafrechtlicher Sicht. 116 Vgl. etwa BVerfGE 144, 20 (206); Papier / Durner, AöR 128 (2003), S. 340 (357); Groepl, StaatsR I, Rn. 240; Lautner, Grundordnung, S. 59. 117 Vgl. Schmid, Aussprache zu Art. 108 HChE, ParlRAkt V.1, Nr. 11 S. 226 (228 f.), siehe oben B. I. 5. b) aa). 118 Vgl. etwa Lautner, Grundordnung, S. 59 m. w. N.; Schmitt, DÖV 1965, 433 (437 ff.); zum Föderalismus namentlich Stern, StaatsR I, S. 565 f. 119 Daran macht sich dann auch der aktivierende „possessorische Schutz“ der Bürger durch ihr Widerstandsrecht nach Art. 20 IV GG auch fest, vgl. dazu unten E. I., II. 120 Siehe oben B. II. 1. b) und ausführlich bereits Fahrner, Vulnerabilität, v. a. S. 106 ff. 115

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als Zweck des Staatserhalts fundiert, sondern aus dem Selbstzweck des Menschen und seiner Würde, dem wiederum der Staat zu dienen hat.121 Die Pflicht des Staates, für eine gerechte Sozialordnung namentlich durch einen Ausgleich der sozialen Gegensätze zu sorgen, wird neben den Gleichheitsrechten wie Art. 3 I GG vor allem durch das Sozialstaatsprinzip begründet.122 Als zwingendes Minimum sichert in diesem Rahmen das Grundrecht aus Art. 1 I, 20 I GG auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums jedem Hilfebedürftigen diejenigen materiellen Voraussetzungen zu, die für seine physische Existenz und für ein Mindestmaß an Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben unerlässlich sind.123 bb) Staatszielbestimmung: Optimierungsbereich Im Übrigen ist das Sozialstaatsprinzip als Staatszielbestimmung ausgeformt, mithin ein Prinzip, an dem staatliches Handeln sich ausrichten muss, nicht aber eines zur Struktur, in der dieses sich vollzieht. Die Beschäftigung mit der dahinter liegenden Frage, wie Gerechtigkeit in einer Gemeinschaft allgemein beschaffen sein soll, ist so alt wie die Beschäftigung mit den Gedanken von Recht überhaupt. Bis heute erfreuen sich unterschiedlichste Ansätze großer Aktualität,124 ohne dass ein belastbarer Konsens etwa zwischen Formen formaler-abgrenzender oder materiell-ausgleichender Gerechtigkeit absehbarer schiene als bei den antiken oder mittelalterlichen Autoren. Weiterführend bleibt daher die zeitlose, rein prozeduralzielorientierte und bereits antike Definition: iustitia est constans et perpetua voluntas ius suum cuique tribuens,125 also die Gerechtigkeit als den aktuellen Willen bzw. persönliche Richtschnur zu bestimmen, nach Prinzipien der Gerechtigkeit gegenüber allen zu handeln.126

121 Vgl. etwa v. Stein, Gegenwart, S. 214 f.; Ritter, Sozialstaat, S. 69 ff.; Kingreen, Sozialstaatsprinzip, S. 89 ff.; MK-Kotzur, Art. 20 GG Rn. 74 ff.; Dreier / Wittreck, Art. 20 GG (Sozialstaat) Rn. 1 ff., 49 ff. 122 Vgl. BVerfGE 22, 180 (204); 59, 231 (263); 100, 271 (284); 123, 267 (362); zur Diskussion um die mutmaßliche Spannung von Freiheit und Gleichheit vgl. etwa auch Kriele, Staatslehre, §§ 52 ff. 123 Vgl. nur BVerfGE 125, 175 (223); 132, 134 (172); 137, 34 (72); 142, 353 (370). 124 Vgl. hier nur der hervorragende Überblick bei Osterkamp, Gerechtigkeit, v. a. S. 94 ff., 169 ff.; Aristoteles, Ethik, 5. Buch; Platon, Politeia, 433a; Augustinus, civitate, cap. XIX, 4; Rawls, Theorie; ders., Fairneß; Höffe, Gerechtigkeit; Ladwig, Gerechtigkeitstheorien; Herr­ mann, Gerechtigkeit; Empter / Vehrkamp, Gerechtigkeit; Walzer, Sphären. 125 Institutionen des Justinian, I.1.pr. 126 Ebenso stellt sich daraus das Problem der Gleichheit, welches vor allem Leibholz, DVBl. 1951, 554 früh im Rahmen der FDGO thematisiert hat; ihm ist dabei Recht zu geben, dass Gleichheit nicht a priori festgelegt werden kann, wenn gleich er für die „formale demokratische Gleichheit“ der Versuchung selbst und mit ihm die von ihm geprägte Rechtsprechung des BVerfG zu weitgehend unterliegt, vgl. bereit Fahrner, Vulnerabilität, S. 144 ff.

II. Verhältnis zwischen der bestehenden Verfassungsordnung und der FDGO  

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Der Fortschritt in sozialer Hinsicht kann freilich als zentraler Teil des gesamten des Gemeinwesens betrachtet werden. Auch ist es die „Pflichtaufgabe“ des demokratischen Prozesses, Sozialstaat und soziale Gerechtigkeit in eigener Verantwortung zu konkretisieren, namentlich und in erster Linie durch und aufgrund von Gesetzgebung.127 Jedoch verbleibt in der unaufhebbaren und grundsätzlichen Spannungslage zwischen dem Schutz der Freiheit des Einzelnen und den Anforderungen einer sozialstaatlichen Ordnung der demokratischen Entscheidung ein weiter Raum für freie Gestaltung.128 Es ist damit Ausdruck des Strebens nach Gerechtigkeit ebenso wie nach einer sozialen Ausgestaltung der Gemeinschaft, die allerdings über bestimmte Grundregeln gerade nicht  a priori festgelegt werden kann.129 Vielmehr gehört es zu den zentralen Aufgaben des politischen Prozesses im Rahmen des pluralen a posteriori Gemeinwohls, über seine Ausgestaltung und damit die soziale Gerechtigkeit, namentlich die Steuerung der Ressourcenverteilung zu streiten und diese in dafür konstituierten Organen entsprechend den Prinzipien der Demokratie und Rechtsstaats unter Beachtung der Menschenwürde zu entscheiden.130 Auch aus der sprachlichen Verknüpfung im „sozialen Rechtsstaat“ ist deutlich, dass für das Grundgesetz soziale Gerechtigkeit nur im Rahmen bzw. in Abwägung mit den rechtsstaatlichen Prinzipen, namentlich der Rechtssicherheit, verfolgt werden kann,131 was die allgemeinen Funktionen der FDGO im friedlichen Ausgleich und zur Sicherung der Freiheit widerspiegelt.132 Erneut im Bestreben, sich auf den größtmöglichen Konsens zur Verteidigung der gemeinsamen FDGO zu versammeln, muss diese alle Auffassungen, die ihren Kern verteidigen, einschließen.133 Die FDGO ist damit noch offener für wirtschafts- und sozialpolitische Ordnungsvorstellungen, als das Grundgesetz in seiner aktuellen Ausgestaltung, welches bereits das Eintreten einer Partei für einen weiteren Ausbau des Sozialstaates und für Sozialisierungen keineswegs hindert oder die konkreten sozialen und politischen Verhältnisse – auch nicht die heute bestehenden –, insbesondere nicht die bestehende soziale Gliederung und ihre Auswirkungen in der Politik einschließlich der etwa auf ihnen beruhenden politischen Machtverhältnisse schützt, sondern nur bestimmte Wert- und Gestaltungsprinzipien.134 Gerade der Prozess der Auseinandersetzung, Klärung und Entscheidung, nicht ein bestimmtes Ergebnis, ist das Kennzeichen der FDGO.135 127

Vgl. namentlich BVerfGE 22, 180 (204); 123, 267 (362 f.); Hesse, Grundzüge, Rn. 207 ff. BVerfGE 10, 354 (371). 129 Vgl. etwa BVerfGE 65, 182 (193); 71, 66 (80); 110, 412 (445); Doehring, Staatslehre, Rn. 449 ff.; Jarass / P ieroth, Art. 20 GG Rn. 154; MK-Kotzur, Art. 20 GG Rn. 78; Sachs, Art. 20 GG Rn. 47 ff. 130 Vgl. bereits oben C. II. 2. 131 Vgl. etwa besonders Doehring, Staatslehre, Rn. 449 ff.; ders., Sozialstaat, S. 7 f.; Fraenkel, Demokratien, S. 358. 132 Vgl. Hesse, Grundzüge, Rn. 214. 133 Vgl. bereits oben C. IV. 2. 134 BVerfGE 5, 85 (336). 135 BVerfGE 5, 85 (197 f.). 128

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cc) Zwischenergebnis Folglich erscheint auch der Sozialstaat als solches aus den Grundprinzipien der FDGO ausgenommen. Dies gilt jedenfalls, soweit die Grundprinzipien der Demokratie, der Rechtsstaatlichkeit sowie Menschenwürde, und damit eines „Par­ tizipationsminimums“ an Ressourcen nicht berührt werden.136 Das Gemeinwesen bleibt in vielerlei Hinsicht sowohl auf die effektive Gewährleistung (sozialer) Gerechtigkeit sowie deren Erstreben für seinen Bestand als friedliche, freiheitliche und fortschrittliche Ordnung angewiesen. Gerade weil die persönliche Ausrichtung der verantwortlichen Akteure auf das Ziel der sozialen Gerechtigkeit jenseits objektivierter verfassungsrechtlicher Kategorien im Hinblick auf konkrete policies und grober Willkür und Verfälschungen schlecht justiziabel erscheint, kommt der Plausibilität, Stabilität und Integrität des Findungsprozesses im Rahmen der freien Demokratie umso größere Bedeutung zu.137

3. Verhältnis zum Begriff der verfassungsmäßigen Ordnung a) Verwendungen des Begriffs der verfassungsmäßigen Ordnung im Grundgesetz Während das Grundgesetz (nur) in den wenigen, eingangs genannten Stellen von der FDGO spricht,138 gebraucht es häufig und in unterschiedlichsten Zusammenhängen den Begriff der verfassungsmäßigen Ordnung. Ihm liegen nach herrschender Auslegung drei unterschiedliche grundsätzliche Bedeutungsvarianten zu Grunde:139 aa)  Extensiv umfasst er namentlich in Art. 2 I GG als „verfassungsmäßige Rechtsordnung“ die Gesamtheit aller Rechtsnormen, die formell und materiell mit der Verfassung übereinstimmen. Gleiche Bedeutung hat wohl ebenso der Begriff der „verfassungsmäßige Ordnung in den Ländern“ in Art 28 I, III GG.140 bb) In der „mittleren“ Auslegung in Art. 20 III, 20a GG soll er als „Verfassung im formellen Sinn“ die Gesamtheit der Normen des GG erfassen.141 136

Vgl. dazu bereits Fahrner, Vulnerabilität, v. a. S. 132 ff. Fraenkel, Demokratien, S. 358 ff. passim. 138 Vgl. oben B. I. 1. 139 Vgl. grundlegend BVerfGE 6, 32 (38); m. w. N.; zuvor bereits Kaufmann, Grenzen, S. 95 (107 ff.); zusammenfassend DHS-Scholz, Art. 20a GG Rn. 50 m. w. N.; vgl. die unklare Differenzierung des BVerfG 39, 339 (347 f.) zwischen verfassungsmäßig und verfassungsrechtlich spiegelnd Denninger, Grundordnung I, S. 12. 140 BVerfGE 6, 104 (111); Dittmann, HdbStR VI, § 127, Rn. 28; Lenz, ZG 2013, 167 (186); Huber, AöR 126 (2001), 165 (170); Dreier, BayVBl. 1999, 513 (514); ders., Art. 28 GG Rn. 60; DHS-Mehde, Art. 28 Abs. 1 GG Rn. 46. 141 Vgl. DHS-Grzeszick, GG Art. 20 VI. Rn. 30 m. w. N. 137

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cc) Als verfassungsmäßige Ordnung i. e. S. schließlich (im Folgenden auch ohne Zusatz verwendet) wird er nur „mit den elementaren Grundprinzipien“142 der Bundes- bzw. Landesverfassung gleichgesetzt. b) Verhältnis von Art. 9 II Var. 2 GG zu Art. 21 II–IV GG Besondere Bedeutung hat das Verhältnis des grundgesetzlichen Tatbestandsmerkmals der verfassungsmäßigen Ordnung zur FDGO letztlich nur in Art. 9 II GG. Das BVerfG sah dort zunächst als kaum auflösbar an: „Dabei würden im einzelnen schwierige Auslegungsfragen entstehen, namentlich wenn man den in Art. 9 II GG verwandten Begriff der ‚verfassungsmäßigen Ordnung‘ dem Begriff der ‚freiheitlich demokratischen Grundordnung‘ gegenüberstellte und ihr Verhältnis zueinander nur aus dem Wortlaut mit Mitteln der Logik zu bestimmen versuchte“; eine befriedigende Lösung könne nur darin liegen, dass Art. 21 GG den Art. 9 II GG für Parteien insgesamt sperre.143 Mit der Formulierung „Wie die freiheitlich demokratische Grundordnung in Art. 18 und Art. 21 Abs. 2 GG … umfasst dieses Schutzgut die elementaren Grundsätze der Verfassung …, namentlich die Menschenwürde nach Art. 1 Abs. 1 GG, das Demokratieprinzip und den Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit“144 lässt das Gericht noch eine „Hintertüre“ offen, dass Art. 9 II Var. 3 GG doch einen weiteren Schutzbereich haben könnte. aa) Schutz des Bestands Zutreffend wird darauf hingewiesen, dass die verfassungsmäßige Ordnung hier auch den Bestand des Staats145 mitumfassen muss, um insoweit zum Schutzniveau von Art. 21 GG aufzuschließen. Richtig bleibt auch im Ansatz, dass sich Art. 9 II GG verfassungsimmanent, hingegen Art. 21 II GG wie sonst bei Verwendung der FDGO im Wortlaut verfassungstransient zu orientieren scheint.

142 BVerfGE 6, 32 (38) unter Berufung auf BGHSt 7, 222 (227); 9, 285 (286) zur Bedeutung im Staatsschutzstrafrecht, vgl. hierzu auch Fahrner, Staatsschutzstrafrecht, § 6 Rn. 60 ff. 143 BVerfGE 2, 1 (13). 144 BVerfGE 149, 160 (197); noch vor der Komponentendefinition nur im Umfang der FDGO hingegen die zitierte Entscheidung BVerwGE 134, 275 (292 f.) m. w. N. 145 Vgl. DHS-Scholz, Art. 9 GG Rn. 127; Zum Schutzgut des Bestandes siehe unten D. IV. 1. a), sowie hier bereits Fahrner, Staatsschutzstrafrecht, § 6 Rn. 10 ff.

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D. Kontext

bb) Weiterer Inhalt der verfassungsmäßigen Ordnung im Verhältnis zur FDGO Nicht nachvollziehbar scheint allerdings der Schluss, ein Vereinigungsverbot sei danach schon bei Bestrebungen zur Abänderung von irgendeinem Verfassungsstrukturprinzip nach Art. 79 III GG gerechtfertigt.146 Warum es nur in Form einer Partei oder individuell (Art. 18, 21 GG), nicht aber einer sonstigen Vereinigung (Art. 9 II GG) zulässig sein sollte, eine Verfas­ sungsänderung mit dem Ziel einer anderen Ausgestaltung als FDGO jenseits von Art. 79 III GG zu erstreben, erschließt sich nicht. Eine derartige Unterscheidung scheint weder durch Art. 79 III GG oder die FDGO und ihre Funktionsprinzipien geboten, sondern durch letztere im Sinne der Integrations-, Friedens- und Fortschrittsfunktion gerade nicht begründbar.147 Es ist nicht nachvollziehbar, warum z. B. eine monarchistische oder unitarische Vereinigung, nur weil sie mangels Wahlteilnahme nicht die Kriterien einer Partei erfüllt, verboten werden könnte. Da von ihr durch die fehlende Wahlteilnahme – namentlich zudem gerade keine unmittelbare Rekrutierung von Monarchisten in Staatsfunktionen – gerade eine geringere Gefahr für das Schutzgut bei gleichem Nutzen um die Integration etc. ausgeht, muss sie insoweit erst recht dem gleichen materiellen Schutzniveau148 der Betätigung unterliegen.149 Stellt sich die aktuelle Verfassung nicht mehr als eine FDGO dar, so kann der ausdrücklich in Art. 20 IV GG konkretisierte Widerstand auch in Vereinsform erfolgen. Folglich müssen hierin Art. 21 II–IV und Art. 9 II Var. 2 GG praktisch zusammenfallen.150

146 DHS-Scholz, Art. 9 GG Rn. 127 will als Mittelweg zum Umfang der FDGO nur Sozialund Bundesstaatsprinzip hinzunehmen, begründet diese Abgrenzung gegenüber v. a. der Republikgarantie ebenfalls in Art. 20 I GG nicht weiter, was vielleicht als spezifisch bayerischer Blickwinkel verstanden werden darf a. A. zur Reduktion auf den FDGO-Umfang die tradierte h. M. vgl. BGHSt. 7, 222 (226 f.); 9, 101 (103); BVerwGE 47, 330 (351 f.); OVG Rheinland-Pfalz, VerwRspr 13, 580 (588); Stern, StaatsR I, S. 184, 556 f. m. w. N. 147 Dies wohl auch der tiefergehende Grund für das Dilemma BVerfGE 2, 1 (13). 148 Unbeschadet bleiben Fragen der Transparenz, die bei Parteien durch besondere Voraussetzungen und insbesondere im politischen Prozess faktisch weit intensiver geleistet werden und somit im Vereinigungsrecht jedenfalls dahinter zurückbleiben müssen. 149 Insoweit ist auch richtig, auf etwas vorverlagerte (vgl. BVerfGE 149, 160 (197)), jedoch im Hinblick auf den Schutz bloßer rationaler Diskussion die gleichen Anforderungen im Hinblick auf die Verfassungsfeindlichkeit und Gefahr sowie Verhältnismäßigkeit hingewiesen, vgl. etwa BVerwGE 37, 344 (358); 55, 175 (181); 61, 218 (220); Hufen, StaatsR II, § 31 Rn. 15; DHS-Scholz, Art. 9 GG Rn. 128; unklar hingegen noch BVerwGE 1, 184 (186); vgl. auch bereits Fahrner, Vulnerabilität, v. a. S. 194 ff. 150 Vgl. etwa auch für die wohl mittlerweile ganz h. M. vgl. ausdrücklich unter Wiedergabe der Enumerationsdefinition BVerwGE 134, 275; dazu etwa Dreier / Bauer, Art. 9 GG Rn.  57; Sachs / Höfling, Art. 9 GG Rn. 46 jeweils m. w. N.; a. A. Ipsen, StaatsR II, Rn. 599; ­Kingreen / Poscher, Grundrechte, Rn. 869.

II. Verhältnis zwischen der bestehenden Verfassungsordnung und der FDGO  

185

cc) Sonstige Merkmale und Dimensionen von Art. 9 II GG Stärker indes als Art. 18, 21 GG akzentuiert Art. 9 II GG, dass nach ihm Vereinigungen weit konkreter innerhalb der verfassungsmäßigen Rechtsordnung verankert beurteilt werden sollen. Deutlich wird dies namentlich in Art. 9 II Var. 3 GG, der alternativ und zumindest sprachlich vorrangig auf die Straf­gesetze als rechtlichem Rahmen für Vereinigungen, die keine Parteien sind, verweist. Auch wenn die Organisation somit den Test der verfassungsmäßigen Ordnung besteht, kann sie gleichwohl ohne weiteres aufgrund des alternativen Tatbestandsmerkmals verboten werden. Die Vereinigungsfreiheit wird mithin weiter durch die verfassungskonformen Strafgesetze beschränkt. Bereits in dieser Variante können Vereinigungen sanktioniert werden, welche die pluralistische Friedensfunktion verletzen, etwa indem sie auf in der verfassungsmäßigen Rechtsordnung nicht vorgesehene Weise die verfassungsmäßige Ordnung ändern wollen. Darunter fallen etwa hochverräterische, terroristische oder gewalttätige Verbände ohne weiteres, ebenso wie allgemein kriminelle Organisationen ohne primär politische Ziele oder Tätigkeiten (vgl. etwa §§ 129 ff. sowie §§ 30, 83 StGB).151 Ein besonderes materielles Parteienprivileg vergleichbar § 129 Abs. 3 Nr. 1 StGB enthält jedenfalls das Strafrecht ausdrücklich nicht. Dies deutet bereits hin auf einen weiteren wesensmäßigen Unterschied, der sich hier praktisch auswirkt: Während durch Art. 9 II GG verfassungsimmanent die Exekutive (im Rahmen der verfassungsmäßigen Gesetze)152 und ex-post die ordentliche Judikative adressiert sind, bleibt das ex-ante-Prüfungsprivileg der Verfassungsgerichtsbarkeit den Fällen des Art. 18, 21 GG vorbehalten.153 Die Begriff der FDGO und verfassungsmäßigen Ordnung (i. e. S.) trennt damit in der Verwendung im Grundgesetz anscheinend durchgängig der theoretische Ansatz der Verfassungsimmanenz/-transienz ebenso wie praktisch die umgekehrte Beweisführung gegenüber der Vermutung der konstituierten Ordnung, vor allem aber die unterschiedlichen Institution der primären Beurteilung.

4. Folgerung: freiheitlich demokratische Grundund Verfassungsordnung Dieses grundsätzliche Verständnis des Verhältnisses von FDGO und verfassungsmäßiger Ordnung ermöglicht  – im Gegenteil zu Einheitslösungen  – eine präzisere Bestimmung der einzelnen Funktionsbereiche in der geltenden Ordnung des Grundgesetzes:

151

Vgl. zum Ganzen Fahrner, Staatsschutzstrafrecht, § 14. Vgl. zur Allg. A. etwa BVerwGE 4, 188 (189); Hufen, StaatsR II, § 31 Rn. 15. 153 Vgl. insoweit bereits grundlegend BVerfGE 13, 174; BVerwGE 1, 184 (186); 4, 188 (189) st. Rspr. 152

186

D. Kontext

a)  Die begriffliche Unterscheidung der verfassungsmäßigen Ordnung i. e. S. namentlich in Art. 9 II Var. 2 GG zur FDGO kann nicht nur in Bezug auf die theoretische intra- oder transkonstitutionelle Verankerung gedeutet werden. Das Tatbestandsmerkmal der FDGO statt der verfassungsmäßigen Ordnung kann die besondere Zuständigkeit des BVerfG ex ante, als bewusst vom Verfassungsgeber gesetzter Schutz signalisieren, vor allem bei Art. 18, 21 GG. Insoweit auch das Merkmal der „Grundsätze des Grundgesetzes“ in Art. 98 II 1 Var. 1 GG eine Zwischenstellung durch die besondere Zuständigkeit des BVerfG, optional auch für das Landesrecht.154 Ein materiell abweichender Gehalt vom Umfang der FDGO in ihrer im Grundgesetz konkreten realisierten Gestalt scheint auch wegen der Alternative der verfassungsmäßigen Ordnung eines Landes kaum begründbar.155 Allerdings hat diese Verfahrensdimension allenfalls Indiziencharakter, von dem die später eingeführten Verwendungen des Merkmals erkennbar abweichen. Daher ist bei ihnen der materielle Umfang allein prägend, wobei jener der FDGO auf die konkrete bestehende Verfassungsordnung abgebildet erscheint.156 Umgekehrt kann dies bei Art. 79 III GG vermerkt werden, dessen Überprüfung ex post praktisch dem BVerfG zugewiesen bleibt. b) Im Rahmen der Ewigkeitsgarantie schützt Art. 79 III GG auch im Verhältnis zu Art. 146 GG in doppelter Hinsicht: Einerseits legt er erkennbar die äußeren Grenzen des Änderungsverfahrens nach Art. 79 III GG fest, mithin die nach diesem Verfahren der Änderung zugänglichen und unzugänglichen Verfassungsnormen. Eine konsistente Zusammenschau mit Art. 18, 21 GG ist allerdings nur möglich, wenn entsprechend den ursprünglichen Ansätzen des Art. 108 HChE darin kein Umkehrschluss für Art. 146 GG erkannt werden kann: Wie weiter zu begründen ist,157 kann es keine stabile FDGO geben, wenn – letztlich auf die auch so genannten Staatsstreichpläne Bismarcks158 und nicht Sieyès zurückführend – der permanente Umwälzungsvorbehalt eines schrankenlosen pouvoir constituant behauptet wird. Für einen solchen fiktiven Schluss gibt es im Grundgesetz keinerlei Anhalt, weder in Wortlaut, Systematik, Genese oder Telos. Vielmehr bleibt nach allen Auslegungsmitteln klar, dass jede Umwandlung nicht nur im Vorfeld durch alle Instrumentarien, in denen die FDGO genannt wird,159 sondern erst recht beim Vollzug das Fortbestehen einer Ordnung des Gemeinwesens, die den Anforderungen einer freiheitlich demokratischen Grundordnung genügt, gewährleistet sein muss.

154

Art. 98 V 1, 3 GG. Vgl. hierzu ausführlich bereits Fahrner, Staatsschutzstrafrecht, § 4 Rn. 12; Dreier / SchulzeFielitz, Art. 98 GG Rn. 37. 156 Namentlich Art. 10 II 2, 11 II Var. 4, 73 I Nr. 10 b), 87 I 2 Var. 4, 87a IV, 91 I; zur Form der Abbildung sogleich nochmals c). 157 Vgl. zum Ganzen unten E. I. 1. sowie bereits Fahrner, Vulnerabilität, v. a. S. 75 ff. 158 Siehe dazu bereits oben. B. I. 3. a). 159 Vgl. nochmals oben im Einzelnen vorgestellt bei B. I. 1. 155

III. Streitbare und wehrhafte Demokratie 

187

c) FDGO und verfassungsmäßige Ordnung adressieren im Übrigen zwei verschiedene Ebenen: Erfüllt die letztere die Voraussetzungen ersterer, kann mithin abgekürzt von einer freiheitlich demokratischen Verfassungsordnung (fdVO) gesprochen werden. Diese ist am ausdrücklichsten in Art. 9 II Var. 2 GG anvisiert. Gegen sie ist mithin kein Widerstand legitim, Notstandshandlungen haben sich ebenso im Rahmen des verfassungsmäßig vorgesehenen zu halten, wie auch Änderungen des Verfassungsrechts selbst. Die FDGO selbst kann als Auslegungskriterium des Verfassungs- wie „einfachen“ Rechts herangezogen werden, um zu sichern, dass die verfassungsmäßige Rechtsordnung auch dieser innersten Verankerung genügt. Das BVerfG übernimmt dies regelmäßig bei der Auslegung von Regelung von Prozessen, die es für konstitutiv für das Vorliegen einer fdVO ansieht, etwa bei den Kommunikations- oder sonstigen politischen Grundrechten oder aber Sicherung der Staatsfunktionen.160 Hier erhält sie auch eine wesentliche Funktion für die Begründung und Begrenzung des Strafrechts, die im Weiteren zu leisten ist.161 d) Allerdings bleibt der weiteren nötigen Bestimmung des Inhalts der FDGO der umfassende und einfache Rückgriff auf die Dogmatik der Komponenten der Art. 1, 20, 79 III GG verwehrt. Die Annahme, dass eine fdVO aktuell vorliegt, rechtfertigt lediglich den Schluss, den äußeren Umfang der FDGO mit den genannten Prinzipien zu bestimmen. Ansonsten muss eine weitere Klärung autonom im Prinzip der FDGO und seiner Funktionalitäten selbst gesucht werden.

III. Streitbare und wehrhafte Demokratie Unter den, meist als gegenseitig austauschbar verwendeten Begriffen der streitbaren bzw. wehrhaften Demokratie wird im Rahmen der politischen Bildung meist lehrbuchartig ein Gesamtbild des politischen Systems der BRD162 oder aber seiner Gewährleistung163 gezeichnet. Nicht nur innerhalb dieser Darstellungen geht die FDGO in ihm bisweilen auf, liegt ihm zugrunde oder wird mit ihm schlicht synonym gesetzt. Demgegenüber verwendet zumindest das BVerfG alle drei Bezeichnungen mit strikt getrennter Bedeutung. Jenseits von allgemeinem Verfassungspathos und 160

Vgl. etwa weiterhin unten f. sowie im Einzelnen bereits Fahrner, Vulnerabilität, v. a. S. 53 ff., 101 ff., 162 ff., 223 ff. 161 Vgl. hierzu speziell die anstehende Habilitationsschrift. 162 Vgl. etwa Dettling, Demokratie, S. 7 ff., 61 ff.; Jaschke, Totalitarismus und Demokratie 1 (2004), 109 sowie dessen und die weiteren Veröffentlichungen bei den Zentralen für politische Bildung und der Ämter für Verfassungsschutz; daran orientiert etwa https://www. lernhelfer.de/schuelerlexikon/politikwirtschaft/artikel/streitbare-demokratie; ähnlich auch etwa Scherb, Bürger und ders., Demokratie; zum Ganzen vergleiche auch oben die Einlei­ tung A. I. 3. 163 Vgl. etwa Papier / Durner, AöR 128 (2003), 340; Backes / Jesse, Extremismus, S. 461 ff.

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D. Kontext

-lyrik164 erscheint angezeigt, hinter den dadurch erreichten rational-analytischen Stand nicht zurückzufallen. Während die Funktionalität und Ausgestaltung der FDGO bereits vorläufig eingeordnet wurden, sind daher folgend zunächst die streitbare (1.) sowie wehrhafte Demokratie (2.) und sodann ihr Verhältnis zur FDGO, auch unter Auseinandersetzung mit der bereits dargestellten „Einheitstheorie“165 (3.) analytisch zu betrachten.

1. Streitbare Demokratie a) Ausformung Ohne dass er sich selbst im Wortlaut im Grundgesetz findet, verwendet das BVerfG in ständiger Rechtsprechung den Begriff der „streitbaren Demokratie“.166 Sein rechtlicher Gehalt ist dabei besonders in der Literatur umstritten.167 Dort schwanken die Auffassungen von einem Verfassungsprinzip mit eigenem rechtlichen Wirkungsgehalt über Zwischenformen (wie ein „Leitbild“)168 zu einer rein rhetorischen Figur.169 aa) Das Gericht verweist auf den Begriff regelmäßig dort, wo ausdrückliche Einschränkungen – wie etwa in Art. 5 III 2, 9 II, 18, 21 II, III, 79 III, 98 GG – zum Schutz der FDGO in den Normen der Verfassung fehlen.170 Mit ihm argumentiert das Gericht vor allem, dass die Verteidigung gegen die Bekämpfung der FDGO einen hinreichenden Grund für eine Ungleichbehandlung darstellen kann i. S. v. Art. 3 I GG (namentlich auch Art 3 III GG im Hinblick auf die politischen Anschauungen, Art. 33 GG sowie Art. 38 GG oder die Chancengleichheit politischer Par 164

Vgl. etwa Dettling, Demokratie, S. 77 m. w. N.: „die Demokratie hat auf Dauer nur Bestand, wenn sie in den Köpfen und Herzen der Menschen verankert ist … Das Bekenntnis zu einer ‚wehrhaften Demokratie‘ muss deshalb vorrangig die innere, geistige Befestigung des freiheitlichen Rechtsstaates umfassen.“ 165 Vgl. oben B. III. 1. 166 Vgl. dazu ausführlicher Boventer, Grenzen, S. 19, 64 Fn. 134; Sattler, Bedeutung, S. 9; Schmidt, Freiheit, S. 219 ff.; Lameyer, JöR NF 30 (1981), 147 (149 Fn. 7) mit der Rückführung des Begriffs auf die deutsche Übersetzung von Mannheim, Diagnose, S. 17 auf, ob durch den Autor oder Übersetzer erscheint ungeklärt, jedenfalls ist sie dort in ihrem spezifischen Zusammenhang des 3. Weges anders zu deuten vgl. oben B. I. 3. b) bb). 167 Vgl. etwa besonders instruktiv Papier / Durner, AöR 128 (2003), 340 (363 ff.); daneben etwa Schmidt, Freiheit, S. 213 ff.; Dreier / Morlok, Art. 21 GG Rn. 144; Liebscher, Idealisierung, S. 123 ff.; Bulla, AöR 98 (1973), 340 (342) m. w. N. in Fn. 14 ff.; Gusy, AöR 105 (1980), 279 (292 ff.) richtig nicht gegen die FDGO sondern gegen die streitbare Demokratie zu verstehen; zur allgemeineren Diskussion sei bereits auf A. I., B. III. 3. sowie unten 3. verwiesen. 168 Zum möglichen „Leitbild“ der Streitbaren Demokratie ausführlich jüngst Braun, Leitbilder, S. 102 ff. 169 Vgl. auch bereits Scherb, Verfassungsgebung, S. 302; zur Unschärfe der Prinzipialität hier tiefgehend Lameyer, Demokratie, S. 94 ff. m. w. N. zu den vielfältigen vertretenen Ansichten. 170 Zur Wissenschafts- und Vereinigungsfreiheit siehe bereits Fahrner, Vulnerabilität, v. a. S. 225 ff.

III. Streitbare und wehrhafte Demokratie 

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teien); ebenso dient er als Referenz bei der Rechtfertigung von Eingriffen in Freiheitsgrundrechte auch außerhalb von Art. 18 GG.171 Allgemein fasst das BVerfG dabei zusammen: „Der Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung kann ein Grund für die zulässige Beschränkung verfassungsrechtlich geschützter Güter sein. In der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist anerkannt, dass eine Beschränkung von Freiheitsrechten zum Schutz der freiheitlichen demo­ kratischen Grundordnung zulässig sein kann, weil das Grundgesetz sich für eine streitbare Demokratie entschieden hat  … Verfassungsfeinde sollen nicht unter Berufung auf Freiheiten, die das Grundgesetz gewährt, die Verfassungsordnung oder den Bestand des Staates gefährden, beeinträchtigen oder zerstören dürfen (vgl. Art. 9 Abs. 2, Art. 18, Art. 21 GG).“172 Die streitbare Demokratie stelle ihre grundlegenden, für ein friedliches und demokratisches Zusammenleben unverzichtbaren Werte nicht zur Disposition.173 bb) Diese Figur der „streitbaren Demokratie“ ist aus zwei Begründungssträngen zusammengewachsen: (1) Zuerst hatte das BVerfG beim Verbot der KPD festgestellt, aus Art. 21 II GG folge ein Bekenntnis zur „streitbaren Demokratie“ als „Ausdruck des bewussten verfassungspolitischen Willens zur Lösung eines Grenzproblems der freiheitlichen demokratischen Staatsordnung, Niederschlag der Erfahrungen eines Verfassungs­ gebers, der in einer bestimmten historischen Situation das Prinzip der Neutralität des Staates gegenüber den politischen Parteien nicht mehr rein verwirklichen zu dürfen glaubte“.174 In seiner Folgeentscheidung, dass auch Meinungsbekundungen für die verbotene Partei (unter bestimmten Bedingungen) bestraft werden können, baute das Gericht darauf auf.175 Dort allerdings verwendet es das Gebot der „streitbaren Demokratie“ zunächst begrenzend: Nur wenn danach Äußerungen nicht mehr zu dulden wären, da sie als objektive Gefahr im Sinn des ergangenen Parteiverbots zu werten wären, dürfte aus diesem Grund auch die Kommunikationsfreiheit durch entsprechende Strafnormen beschränkt werden.176 (2) Zeitlich zwischen beiden Entscheidungen und von ihnen unabhängig hatte das Gericht mit dem Argument der „streitbaren Demokratie“ geurteilt, dass es 171

Vgl. BVerfGE 13, 46 (51 ff.); vgl. weiter Papier / Durner, AöR 128 (2003), 340 (364), dazu sogleich unten bb) (2). 172 Vgl. hier etwa BVerfGE 134, 141 (179). 173 BVerfGE 144, 20 (196 f.). 174 BVerfGE 5, 85 (139); Diese verfassungsrechtliche Entscheidung sei, so das Gericht mit gewissem möglichem spürbarem Widerwillen, für es bindend. 175 BVerfGE 25, 44 (58). 176 BVerfGE 25, 44 (58 f.): „Ist nach den vorstehenden Darlegungen die Äußerung bestimmter politischer Ideen verfassungsrechtlich zulässig, so kann es nicht darauf ankommen, welcher Willensrichtung die Äußerungen entspringen, d. h. ob der Außenstehende damit die verbotene Organisation fördern wollte oder nicht. Das Parteiverbot soll nur objektive Gefahren abwehren“; zum Problem der Allgemeinheit des Gesetzes hier bereits Fahrner, Vulnerabilität, v. a. S. 243 ff.

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D. Kontext

mit der Verfassung vereinbar sei, staatliche Entschädigungsleistungen für erlittenes NS-Unrecht wegen zwischenzeitlicher Bekämpfung der FDGO durch den Verletzten als verwirkt anzusehen.177 Danach sei es „staatspolitisch geboten und rechtlich vertretbar, Verfolgte … auszuschließen, die durch ihr Verhalten die poli­ tische Ordnung des heutigen Staates gestört haben“.178 Anders als in der Kritik bemängelt, benennt diese Entscheidung indes die „streitbare Demokratie“ gerade nicht.179 Allerdings enthält sie dahingehend wichtige Versatzstücke. Einerseits formuliert sie, dass sich niemand auf Art. 3 I und III GG berufen könne, wenn er es unternehme, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beseitigen oder zu beeinträchtigen. Andererseits sei die Versagung angesichts der in Art. 9 II, 18, 21 II GG „zum Ausdruck gekommenen Grundsatzentscheidung des Verfassungsgebers für eine Bekämpfung der aktiven Feinde der demokratischen Wertordnung“ verfassungsrechtlich unbedenklich.180 cc)  Besondere Bedeutung erlangte die („Abhör“-)Entscheidung zur Verfassungsmäßigkeit der Einführung von Art. 10 II 2, 19 IV 2 GG. Hier prägte das Gericht endgültig die bereits oben zitierte nachfolgend ständig verwendete Formel der „streitbaren Demokratie“.181 Dies fügt sich als Zwischenglied in die Argumentation, die davon ausgeht, dass der Bestand der Bundesrepublik Deutschland und ihre freiheitliche Verfassungsordnung ein überragendes Rechtsgut seien, zu dessen wirksamem Schutz Grundrechte, soweit unbedingt erforderlich, eingeschränkt werden könnten.182 Sie setzt sich fort in der konstitutionellen Aufgabennorm des organisatorischen Verfassungsschutzes, die schließlich die Heimlichkeit der Überwachung mit der Einschränkung des Rechtsschutzes rechtfertigen.183 Freilich weist die abweichende Minderheitsmeinung aus dem Senat darauf hin, dass man mit dem Vorwand der „streitbaren Demokratie“ die darin liegende FDGO gerade nicht aufgeben dürfe.184 177

BVerfGE 13, 46 (51 ff.) zu § 6 I Nr. 2 BEG. BR Drs. 336/55, S. 93 ff. angeführt vom BVerfGE 13, 46 (49 f.). 179 Vgl. zur Kritik Lameyer, Demokratie, S. 42 ff.; Als durchaus problematischer Ausgangspunkt weiter Kritik an einem gesinnungssanktionierenden Gebrauch der FDGO kann die Entscheidung des BVerfG Anlass dazu bieten, die Regierungsbegründung es sowie die Prüfungstechnik der Entscheidung, als legitimes Ziel zu behaupten, „die Entschädigung eines Verdienstes um das Wohl des deutschen Volkes und Staates wegen des geleisteten Widerstands sei aus politischer Unwürdigkeit auszuschließen“, und auch weiter nicht die Verhältnismäßigkeit der Maßnahme zu prüfen, sondern sich lediglich mit möglichen Einwänden auseinanderzusetzen. 180 BVerfGE 13, 46 (49 f.). 181 BVerfGE 30, 1 (19 f.); vgl. gerade oben aa); hier etwas verkürzt: „Verfassungsfeinde sollen nicht unter Berufung auf Freiheiten, die das Grundgesetz gewährt, und unter ihrem Schutz die Verfassungsordnung oder den Bestand des Staates gefährden, beeinträchtigen oder zer­ stören dürfen“. 182 BVerfGE 30, 1 (18). 183 BVerfGE 30, 1 (20): „Es kann nicht der Sinn der Verfassung sein, zwar den verfassungsmäßigen obersten Organen im Staat eine Aufgabe zu stellen und für diesen Zweck ein besonderes Amt vorzusehen, aber den verfassungsmäßigen Organen und dem Amt die Mittel vorzuenthalten, die zur Erfüllung ihres Verfassungsauftrags nötig sind“. 184 BVerfGE 30, 1 (45 f.). 178

III. Streitbare und wehrhafte Demokratie 

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dd) Zudem schwankte das Gericht nicht nur in der Verbindung zur FDGO, sondern zunächst ebenso in der Abgrenzung zur wehrhaften Demokratie. Besonders deutlich wird dies an seinen beiden Entscheidungen zu Äußerungen von Bundeswehrsoldaten, die auf besonders heftige Kritik gestoßen sind.185 In den um 1968 liegenden Fällen unterstellte das BVerfG, wenn auch etwas losgelöst von der konkreten Disziplinarentscheidung: „Ein auf das Prinzip der streitbaren Demokratie gegründetes Gemeinwesen kann es nicht dulden, dass seine freiheitliche Ordnung bei politischen Diskussionen innerhalb der Truppe und während des Dienstes von militärischen Vorgesetzten in Frage gestellt, geschweige denn bekämpft wird“.186 Dabei war in beiden Fällen gerade nicht dargetan, dass durch die Äußerungen des Betroffenen in den vorgelegten Fällen selbst Elemente oder Prinzipien der FDGO angegriffen worden wären. Im ersten gründete sich die Argumentation alleine darauf, dass der Betroffene als Vorgesetzter innerhalb der Bundeswehr die „freiheitlich-demokratische Ordnung diffamiert“ habe.187 Gemeint konnte damit allerdings nur sein, dass er die konkreten Verfassungsorgane oder -ordnung diffamierend kritisch angegriffen hätte (mit Behauptungen, wonach diese die Anforderungen der FDGO nicht erfüllten). Das Gericht verkannte, dass eine konkrete Feindlichkeit gegenüber der FDGO als solcher damit gerade nicht vorlag. Historisch nachvollziehbar erscheint dies allenfalls (neben erkennbaren Anspannungen gegenüber den 1968-er Bewegungen zu den „Notstandsgesetzen“ im Gericht wie der Bundeswehr und der Angst vor linksextremer Subversion) unter disziplinarrechtlicher Sicherung der letztwirksamen Staatsgewalt, die wiederum Ausdruck der fdVO wäre. Demgemäß führen die Gründe die nötige Vollziehung der freiheitlich demokratisch legitimierten Entscheidungen und somit des Schutzes des (konkret freiheitlich demokratischen) Gemeinwesens durch die Befehlskette und den Gehorsam an. Daraus seien die Einschränkungen der politischen Kommunikationsgrundrechte gerechtfertigt.188 Noch apodiktischer (ohne Nennung der streitbaren Demokratie) in gleicher Weise verwarf das Gericht die Verfassungsbeschwerde eines Soldaten, der entlassen worden war, weil er vor der Kaserneneinfahrt andere Soldaten durch Flugblätter aufgefordert hatte, Befehle bei einem Einsatz zu „Häuserkampf und Straßenschlachten“ gegen Demonstrationen zu verweigern, die sich gegen die Notstandsgesetze richteten.189 Er habe damit gegen seine Pflicht zu treuem Dienen (§ 7 SG), zum Eintreten für die freiheitliche Grundordnung (§ 8 185 Vgl. zur Kritik hier nur Bulla, AöR 98 (1973), 340 (357 f.); Preuß, Legalität, S. 24; ­ artmann, Januarbeschlüsse, S. 34 (36 f.); zu weit allerdings Lameyer, Demokratie, S. 48 ff.; H Schneider, Opposition, S. 307; vgl. auch anders BVerwGE 43, 48 unter Anwendung von Art. 17a GG. 186 BVerfGE 28, 36 (49); apodiktisch im Anschluss BVerfGE 28, 51 (54). 187 BVerfGE 28, 36 (50). 188 Insofern rekurrierte die Entscheidung auch alleine, wenn auch zumindest sehr missverständlich, aber darin richtig allein auf die Zurückhaltungspflicht aus § 10 VI SG und nicht § 8 SG; gewissermaßen klarstellend richtigerweise auf die Abwägung militärischer Disziplin und Meinungsfreiheit verweist sodann BVerfGE 28, 55 (63 ff.). 189 BVerfGE 28, 51.

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D. Kontext

SG) und zu soldatenwürdigem Verhalten (§ 17 II SG) verstoßen, die dem Schutz der freiheitlich demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland und der Aufrechterhaltung der notwendigen Disziplin innerhalb der Streitkräfte dienten. b) Diskussion und Kritik Um diese Entscheidungen zur „streitbaren Demokratie“ entwickelte sich eine intensive Debatte und Kritik.190 Sie wurden als Verletzung grundgesetzlicher Freiheiten und konkreten Grundrechtspositionen durch die Rechtsprechung namentlich des damaligen 2. Senats des BVerfG interpretiert. Die Kritiker wandten sich insbesondere gegen eine nicht belastbare Entwicklung des Begriffs als normatives Institut und seine einseitige Ausrichtung zugunsten einer Bewahrung obrigkeitsstaatlicher Positionen.191 aa) Der judizierte Vorwurf lag danach in den beiden Soldatenfällen erkennbar im Angriff auf die konkrete tatsächliche Verfassungsordnung und eine besondere oder allgemeine Pflicht zu deren Wahrung, war aber gerade nicht gegen ein Element oder eine Komponente der FDGO selbst gerichtet.192 Die nur in der ersten Entscheidung angeführte „streitbare Demokratie“ war damit nicht im bereits entwickelten präzisen Sinn betroffen, sondern allenfalls einerseits als rhetorische Reminiszenz an die „militant democracy“, andererseits mit einer weitergehenden besonderen Verfassungstreuepflicht der Staatsdiener.193 Wäre sie ein echtes Verfassungsprinzip, so die Kritik weiter, würden namentlich konkrete Grundrechtspositionen und ggf. Eingriffsvorbehalte in einer zu generellen Abwägung bzw. Generalermächtigung für den Staatsschutz überspielt, wie etwa Art. 17a GG gegen 190 Vgl. zur Kritik allgemein nur ausführlich Schaefer, Verfassungstheorie, S. 595 ff.; ­Ridder, Rechtsfragen, S. 28; Ruland, Grundordnung, S. 16; Stollberg, Grundlagen, S. 33 ff.; Lameyer, Demokratie; S. 36 ff.; Gusy, AöR 105 (1980), 279 (285 ff.); Meier, Parteiverbote, S. 291 ff.; Schnelle, Freiheitsmissbrauch, S. 61; Kalla / Zillmann, BRJ 2012, 176; differenziert Dreier /  Morlok, Art. 21 GG Rn. 144; Morlok, NJW 2001, 2931 (2940); ders., Jura 2013, 317 (321); zustimmend hingegen Peters, Entwicklung, S. 204; Thiel, Demokratie, S. 9; Voscherau, Parteiverbote, S. 93; nunmehr als Prinzip weitgehend aufgegeben von DHS-Dürig / Klein, Art. 18 GG Rn. 10. 191 Vgl. auch jeweils zu den folgenden Aspekten und Argumenten Lameyer, Demokratie, S. 42 ff., 64 ff. passim; Dreier / Wittreck, Art. 18 GG Rn. 27; Denninger, HdbVerfR I, § 16 Rn. 73 ff.; Gusy, AöR 105 (1980), 279 (295 ff.); sowie oben bereits B. III. 2. b). 192 Tatsächlich lässt sich eine zumindest irreführende Verwendung der FDGO in einzelnen älteren Entscheidungen des BVerfG beobachten, die in einer gewissen „Frontstellung“, sowohl des Kalten Krieges als auch er sog. Außerparlamentarischen Opposition (APO) stehen. In ihnen ist nicht tatsächlich konstruktiv nachgewiesen der Schutz der FDGO betroffen, sondern vor allem der geltenden verfassungsmäßigen Ordnung als einer freiheitlich demokratischen. 193 Zumal eine allgemeine Verfassungstreuepflicht, gerade anders als in der Verfassung Hessens, nicht im Grundgesetz verankert sein soll, vgl. unten 2. b) und f. I. 4.

III. Streitbare und wehrhafte Demokratie 

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über Soldaten.194 Dadurch würde einem ungerechtfertigt repressiven politischen System Vorschub geleistet. bb) Die weiteren Diskussionen gegen die Konstruktion der „streitbaren Demokratie“ entzündeten die damals in der ersten in der BRD veröffentlichten „Dissenting Opinion“ zum Abhörurteil artikulierten Warnungen und Bedenken ausdrücklich an der Bestätigung der Rechtswegeinschränkung durch Verfassungsänderung in Art. 10 II 2 GG,195 an dem Vorgehen gegen „bloße“ Anhänger und „passive Mitglieder“ extremistischer Parteien im Staatsdienst, bloße politische Äußerungen von Staatsbediensteten,196 und an „Bestrafungen“ von politischen Aktivisten durch – nicht konnexen – Entzug staatlicher Leistungen. Erheblich kritisiert wurde etwa die vorhandene gefährliche Unschärfe in der überaus martialischen Referenzierung der „streitbaren Demokratie“ auf die kon­ krete Verfassungsordnung und den Bestand des Staates. Sie führe zu einer Versteinerung der Verhältnisse und damit möglichen Verstoß eben gegen die Prinzipien der entwicklungsoffenen und auf den Wesenskern konzentrierten FDGO. Bereits im Minderheitsvotum der Abhörentscheidung wurde die innere Widersprüchlichkeit zur Bewahrung des aktuellen Zustands gegenüber seiner ebenfalls zu schützenden Abänderbarkeit nach Art. 21, 79, 146 GG mit als Teil der zu gewährleistenden FDGO dargestellt.197 Schließlich wurde etwa von Sattler und anderen ausführlich herausgearbeitet, dass die insoweit divergierenden Einzelregelungen des GG keine generalisierende Norm im Hinblick auf die zur Verteidigung anzuwendenden Mittel, erst recht keine eigenständige allgemeine verfassungsmäßige Ermächtigungsgrundlage ermitteln lassen.198 Dies gelte insbesondere für Eingriffe in die gesellschaftliche Sphäre und die Grundrechte. Hingegen ergebe sich eine allgemeine Verpflichtung zur Bewahrung der FDGO für alle staatlichen Stellen, bereits aus dieser selbst, insoweit entsprechend Art. 1 I 2 GG. Das Konstrukt der „streitbaren Demokratie“ sei mithin nicht nur irrig, sondern überflüssig. c) Fortentwicklung Nicht zuletzt unter dem Eindruck dieser kritischen Stimmen und Argumente haben das BVerfG und die weiteren Gerichte ihre Rechtsprechung zur „streitbaren Demokratie“ fortentwickelt.

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Vgl. etwa Schneider, Opposition, S. 305 ff.; Hartmann, Januarbeschlüsse, S. 34 (37); exem­plarisch für Art. 17a GG bei den Soldatenentscheidungen Bulla, AöR 98 (1973), 340 (357); wohl danach auch Gusy, AöR 105 (1980), 279 (299). 195 Siehe unten 3. B) sowie auflösend in E. I. 196 Damit allerdings richtigerweise gerichtet gegen die „wehrhafte Demokratie“, siehe so­ gleich unten 2. 197 BVerfGE 30, 1, 33 ff. 198 Vgl. Sattler, Bedeutung, S. 55 ff.; Müller, Januarbeschlüsse, S. 39 ff. (v. a. 42 f.).

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D. Kontext

aa) So wendet die Rspr. die Argumentationsfigur weiterhin unter anderem beim Partei-199 und Vereinigungsverbot,200 bei der Beobachtung201 und Bericht von Bestrebungen durch den Verfassungsschutz202 auch von Abgeordneten,203 Journalisten usw., sowie bei der Einschränkung politischer Kommunikationsgrundrechte an.204 Allerdings erfolgt diese nicht durchgängig:205 Gerade im Bereich der Kommuni­ kationsgrundrechte und Wirken in die Öffentlichkeit versagt sich das BVerfG in­ des einer erkennbar konsequenten Umsetzung, sondern sieht einen Vorrang des „Kampfes der Meinungen“, ohne selbst auf seinen Topos der „streitbaren De­ mokratie“ überhaupt einzugehen. Erst recht wird der Schutz der Verfassung hier gänzlich an den Rand gedrängt und namentlichen staatlichen Organen und Amtsträgern weitgehend untersagt. bb) Gerade mit dem gesonderten Begriff der „wehrhaften Demokratie“ in der neueren Entscheidung zu den Pflichten von Staatsdienern hat das BVerfG eine erste Konsequenz gezogen: Weg von der kritisierten irreführenden und zu einschränkenden Verortung der Streitbarkeit der genannten Disziplinarentscheidungen macht es damit nicht nur den abweichenden Bezug auf die Grundsätze der konkreten Verfassung (als einer FDGO) deutlich.206 Dieser inhaltliche Bezug ist erkennbar weiter als jener der „streitbaren“, welche sich nur auf den Schutz der FDGO beziehen sollte. Demgegenüber ist der situative Bezug jedoch deutlich enger und klar zu trennen von der „streitbaren Demokratie“, welche sich auf alle Betroffenen ohne Sonderbeziehung zum Staat beziehen kann, aber in der Sache auf die Bewahrung der FDGO durch entsprechende staatliche Eingriffe und gezielte Diskriminierungen konzentriert bleibt. cc) Noch stärker hat das BVerfG die Bedenken im Folgenden in seiner weiteren Judikatur aufgegriffen und eindeutig eingefangen: Nach ihr „darf das Prinzip der streitbaren Demokratie nicht als unspezifische, pauschale Eingriffsermächtigung missverstanden werden. Ob ein Eingriff mit dem Zweck des Schutzes der freiheitlichen demokratischen Grundordnung gerechtfertigt werden kann, ist vielmehr im jeweiligen Einzelfall anhand der Auslegung der konkreten „streitbaren“ Verfas­ sungsbestimmungen zu klären.“207 Als das von der Verfassung anerkannte Rechts­ gut für Grundrechtseingriffe dient ebenfalls eindeutig und ausdrücklich nicht die

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BVerfGE 5, 85 (139); 40, 287 (291 f.); 144, 20 (196). BVerfGE 80, 244 (253). 201 BVerwGE 110, 126. 202 BVerfGE 40, 287; 113, 63 für die Verfassungsschutzberichterstattung; für die Sicherheitsüberprüfung zunächst wohl BayVerfGH DVBl. 1965, 446 f. 203 BVerfGE 134, 141 (179). 204 Vgl. bereits Fahrner, Vulnerabilität, v. a. S. 233 ff. 205 Namentlich auffällig nicht bei kommunikativem Regierungshandeln, vgl. bereits Fahrner, Vulnerabilität, v. a. S. 283 ff. sowie dort allgemein S. 233 ff. et passim auch zum Folgenden. 206 Grundlegend BVerfGE 39, 334 (349), siehe dazu sogleich unten 2. 207 BVerfGE 134, 141 (180), maßgeblich für die weitere Rspr. seitdem; vgl. bereits in diesem Sinn etwa Müller, Januarbeschlüsse, 39 (40). 200

III. Streitbare und wehrhafte Demokratie 

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„streitbare Demokratie“, sondern die freiheitlich demokratische Grundordnung.208 Weiterhin ist stets auch der Gefahr Rechnung zu tragen, dass „die streitbare De­ mokratie sich gegen sich selbst wendet“,209 unter anderem durch strenge Anforderungen an die Verhältnismäßigkeit.

2. Wehrhafte Demokratie und Verfassungstreue a) Ausformungen Wenig in dieser Feinheit bemerkt und bis heute nicht selten in Fachliteratur und Rspr. häufig gleichgesetzt,210 hat das BVerfG seit einer grundsätzlichen Entscheidung den Begriff der „wehrhaften Demokratie“ von der „streitbaren“ konsequent abweichend und weitergehend definiert. Die wehrhafte Demokratie bezieht sich danach nicht (nur) auf die FDGO, son­ dern auf alle in Art. 79 III GG geschützten Grundsätze der Verfassungsordnung. Darunter zählt jedenfalls ebenso der Sozialstaat,211 wie wohl auch Republik und Bundesstaat. An sie sind die „Staatsdiener“ im Amt nicht zuletzt durch Art. 20 III GG gebunden.212 Mit dieser weiten Referenz auf alle so garantierten Grundsätze der konkreten verfassungsmäßigen Ordnung i. e. S. wird korrespondierend auch das, insoweit gröblich irreführende Tatbestandsmerkmal der „freiheitlichen demokratischen

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BVerfGE 134, 141 (181). BVerfGE 134, 141 (181) unter ausdrücklicher Zitierung des Minderheitsvotums BVerfGE 30, 33 (45 f.). 210 Vgl. etwa unzutreffend exemplarisch BVerwG NVwZ 1995, 1134; VerfGH RP DVBl 2008, 193, im Ansatz daher inhaltlich unrichtig VG Neustadt, ZBR1973, 147; vgl. ebenfalls irrig gleichsetzend Kloepfer, Verfassungsrecht, § 28 Rn. 70; aus kritischer Warte Gusy, AöR 105 (1980), 279 (295 ff.); Liebscher, Idealisierung, S. 123 (127 ff.) und aus expansiver Sicht Thiel, Demokratie, S. 7 ff. und passim; Schliesky, HdbStR V, § 277 Rn. 3, 15 ff. unter Berufung auf, die tatsächlich gegenläufig verengende Angleichung der wehrhaften an die streitbare Demokratie bei Papier / Durner, AöR 128 (2003), 340 (354, 364 ff.); sowie aus restriktiver Sicht Dreier / Morlok, Art. 21 GG Rn. 144; Dreier / Wittreck Art. 18 GG Rn. 27; vgl. weiter nur im Ansatz Lameyer, Demokratie, S. 62, 77 ff.; hingegen ausdrücklich beide Modelle – Dienst-/ Gesetzlichkeit gegen Treuverhältnis gerade für Staatsbedienstete gegeneinanderstellend, ­Böckenförde, Einleitung, S. 13 ff.; Boventer, Grenzen, S. 207 ff. zum Vergleich westlicher Staaten m. w. N.; differenzierender aufgrund engeren Begriffs der streitbaren Demokratie bei Sattler, Bedeutung, S. 82 f. Fn. 152 m. w. N.; zur Gleichsetzung außerhalb der Fachliteratur und Rspr. vgl. bereits oben am Kopf des Abschnitts III. sowie in der Einleitung A. I. 3. 211 BVerfGE 39, 334 (349); vgl. auch Rücknahme in der Praxis auf den „Kernbestand der Verfassung“ in den Grundsätzen für die Prüfung der Verfassungstreue, Bulletin BReg 1979 Nr. 6, S. 45. 212 Vgl. dazu ausführlich und überzeugend BVerwGE 47, 330. 209

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D. Kontext

Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes“ im einfachen Recht versehen.213 Auch mit diesem letztgenannten Begriff wird gerade nicht die weit engere FDGO selbst umschrieben, bzw. ihre bloße „heruntergespiegelte“ normative Konkretisierung in der konkreten fdVO, wie man bei unbefangener Lesart annehmen könnte.214 Verwiesen ist vielmehr hier in durchaus nicht unproblematischer Weise auf die „Soldatenentscheidungen“, die Treue müsse der konkreten Verfassungsordnung gelten, weil diese die FDGO spiegele.215 b) Herleitung und Begründung Auch der Begriff der „wehrhaften Demokratie“ ist im Grundgesetz nicht verwendet. Das BVerfG hat seine Rspr. hierzu und namentlich das normative Institut der Verfassungstreuepflicht aus dem Wortlaut von Art. 5 III 2 GG und Art. 33 IV GG abgeleitet und allgemein in Art. 33 V GG verankert.216 Darüber hinaus hat die Rspr. die Herleitung eng mit dem Amtseid verbunden, ohne diesem eine insoweit konstitutive Bedeutung zuzusprechen.217 Historisch ist die Verankerung jenseits der Grundgesetzgenese nicht unproblematisch: Zwar lässt sich die im Amtseid verankerte Treuepflicht in die personale Dienst- und Lehnsbindung des Mittelalters zurück verfolgen.218 Die Pflicht beschränkt sich jedoch spätestens Ende des 19. Jahrhunderts alleine auf die Dienstausübung, nicht das „Privatleben“.219 Das republika­nische Beamtenrecht nach 1919 sah zwar die Pflicht vor, alle nicht mit der Stellung eines Beamten der Republik zu vereinbarenden Handlungen zu unterlassen.220 Es wurde jedoch formalistisch verstanden als Verbot, sich an revolutionären Bestrebungen gegen den Staatsbestand, d. h. auf gewaltsamen Umsturz zielenden Gruppierungen zu beteiligen, oder diese sonst außerdienstlich öffentlich in

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Nur exemplarisch vgl. §§ 7 I Nr. 2; 33 I 3 BeamtStG; §§ 7 I Nr. 2; 60 I 3 BBG usw. auch die entsprechenden Landesvorschriften; vgl. dazu unten f. I. 4. 214 Dahingehend auch irrig etwa Denninger, Grundordnung I, S. 13; ebenso Schneider, Januarbeschlüsse, S. 71 ff., v. a. S. 75 m. w. N.; hingegen im Ansatz explizit richtig Stern, StaatsR I, S. 569. 215 Siehe gerade oben 1. a) dd). 216 Vgl. hierzu grundlegend BVerfGE 39, 334 (349); zum weiteren Überblick zum Ganzen Abschnitt neben dem allgemeinen beamtenrechtlichen Schrifttum aus Sicht der FDGO etwa Rudolf, Verfassungsfeinde, S. 212 ff. m. w. N.; daneben die präzise historische Herleitung bei Schrader, Verfassungstreue, S. 19 ff.; krit. dagegen etwa Abendroth, Stellungnahme, S. 7 ff. 217 Vgl. zur Verbindung namentlich BayVGHE 17, 94 (97 f.) zu Art. 187 LV BY m. Bespr. Podlech, JuS 1968, 120. 218 Vgl. etwa Schrader, Verfassungstreue, S. 129 ff. 219 Vgl. Fenske, Der Staat 12 (973), 339; Schrader, Verfassungstreue, v. a. S. 164 ff.; R ­ ejewski, Treue; Simon / Mommsen / Becker, ZRP 1989, 175 (179); Jellinek, System, S. 197 f.; Laband, StaatsR I, S. 438; zur amerikanischen und französischen Loyalitätspflicht vgl. Boventer, Grenzen, S. 207 ff., 218 ff., 222 ff. m. w. N. 220 § 10a RBeamtG i. d. F. d. RepSchG 1922; vgl. näher auch zum Folgenden namentlich ­Denninger, Grundordnung I, S. 11 ff.; Schrader, Verfassungstreue, S. 190 ff.

III. Streitbare und wehrhafte Demokratie 

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gehässiger oder aufreizender Weise zu fördern.221 Die viel umfassender verpflichtende Gewähr, rückhaltlos für das konkrete politische System einzutreten, stammt hingegen aus dem NS-Maßnahmenrecht.222 Aufgegriffen wurde das jederzeitige Bekenntnis (jetzt) zum demokratisch-konstitutionellen Staat in präföderalen Lan­ desverfassungen sowie einfach- und untergesetzlichen Normen.223 Die Anwendung gegen mutmaßliche rechts- und linksradikale Beamte und Bewerber sowie anderen Organisationen wie „Scientology“ schwankte je nach den politischen Bedrohungen und Konstellationen im Laufe der Zeit und zwischen dem Bund und den einzelnen Ländern.224 Sie gewann vor allem aber durch den gegen den angekündigten „Marsch durch die Institutionen“ der APO gerichteten „Radikalenerlass“ 1972225 bis zur Grundsatzentscheidung des BVerfG Brisanz. Die „wehrhafte Demokratie“ hat das BVerfG auf Disziplinarmaßnahmen und Prüfung und Nichteinstellung von Staatsbediensteten bezogen.226 Weitergehend als sonst in Deutschland rechtfertigte damit der Freistaat Bayern auch ein (mittlerweile aufgegebenes) Verbot parteipolitischer Betätigung überhaupt für Bereitschaftspolizisten.227 Das BVerfG betrachtet die Treuepflicht der Beamten stets gleich intensiv unabhängig von der Art ihrer Tätigkeit.228 Dagegen hat die Arbeitsgerichtsbarkeit 221

PrOVGE 78, 448 (455); Schlink, Der Staat 15 (1976), 339. §§ 4, 15 Gesetz zur Wiederherstellung des Beamtentums vom 7. 4. 1933 (RGBl 1933 I 175); vgl. dazu Simon / Mommsen / Becker, ZRP 1989, 179. 223 Vgl. etwa Art. 96, S. 2 LV BY, Art. 126 I HS 2, Alt. 2 LV RP; § 3 vorl. Bundespersonalgesetz, BGBl 1950 I 207; unter den Beschlüssen und Erlassen von 1950 Beschluss der Bundesregierung vom 19. September 1950 zur Politischen Betätigung von Angehörigen des öffentlichen Dienstes gegen die demokratische Grundordnung und Erlass des Bundesministers des Innern dazu, beide GMBl 1950, S. 93 (sog. „Adenauer-Erlass 1950“), wohl erstmalig mit dem Tatbestand der Organisationen oder Bestrebungen gegen die freiheitlich demokratische Staatsordnung [sic!] nur in ersterem, nur in letzterem als Treupflichtverstoß, in ersterem als schwere Dienstpflichtverletzung ausgestaltet; zu den Weiteren vgl. im Einzelnen Denninger, Grundordnung II, Nr. 37–41 (S. 507 ff.); anders allerdings §§ 4 f. des Entwurfs des Gesetzes gegen die Feinde der Demokratie BT Drs. I/365, wo der strafbare Verfassungsbruch an absichtliches Tun oder Unterlassen und Strafbarkeit von der Demokratie feindliche Verbindungen den jeweiligen Tatbestand begründen. 224 Vgl. Rudolf, Verfassungsfeinde, S. 217 ff., 222 ff. m. w. N. 225 Gemeinsamer Runderlass der Ministerpräsidenten und aller Minister der Länder über die Grundsätze über die Beschäftigung von rechts- und linksradikalen Personen im öffentlichen Dienst vom 18. 2. 1972 (vgl. etwa MBl. NRW 1972, S. 342), aufgrund Beschlusses des Bundeskanzlers und der Ministerpräsidenten zur Mitgliedschaft von Beamten in extremen Organisationen vom 28. 1. 972, ebd. eingerückt abgedruckt; daneben etwa auch bei Bulletin BReg 1972 Nr. 15, S. 142; Denninger, Grundordnung II, Nr. 43 (S. 518 f.); vgl. weitere Borgs-Maciejewski, Radikale; Brand, Treuepflicht, S. 165 ff.; Rudolf, Verfassungsfeinde, S. 219 ff. 226 BVerfGE 39, 334 (349); NJW 2008, 2568 (2570) st. Rspr.; dabei beachtlich die doppelte Verankerung in Hinblick auf künftige Tätigkeit und „habituelle Eignung“, vgl. Rudolf, Verfassungsfeinde, S. 227. 227 Art. 4 II POG BY a. F., vgl. dazu die zust., mit Schutz der FDGO begründende Entscheidung BayVerfGHE 18, 59=DÖV 1966, 95; dazu krit. Lameyer, Demokratie, S. 71 m. w. N. 228 BVerfGE 39, 334 (370 ff.); ebenso BVerwG NJW 1982, 779; vgl. hiergegen die wegen der „Wende“ nicht mehr Gesetz gewordenen Abstufungsbemühungen 1979, Kriele, NJW 1979, 1 (4); Kröger, ZRP 1982, 161 (162 ff.). 222

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D. Kontext

die Pflichten privatrechtlich gebundener Angehöriger des öffentlichen Dientes insgesamt deutlich zurückgenommen und an die Anforderungen der konkreten Tätigkeit gebunden.229 Aus der Auslagerung von Staatsaufgaben an selbständige Unternehmen wurden trotz verschiedener Anmahnungen230 noch keine äquivalenten Konsequenzen namentlich im Vergaberecht gezogen, bei denen wieder fraglich wäre, wie konkret die Gefährdungs- und allgemeine schuldrechtliche Nebenpflichten zu gewichten wären. Da die besonderen Schutzbedingungen des Arbeitsrechts nicht griffen, dürfte die Auswahl unter Vertragspartnern wohl durchaus auf § 241 II BGB zurückgreifen und müsste nicht die Unterstützung verfassungsfeindlicher Bestrebungen beim Vertragspartner ignorieren. c) Kritik und Stellungnahme aa) Ein Großteil der Kritik an diesen Formen der „wehrhaften Demokratie“,231 die auch z. T. bis heute auf das Bild der FDGO durchschlagen, sind von einem weiten politischen Spektrum erfolgt, bis hin zu sozialistischen und kommunis­ tischen Rand- und Außenperspektiven und dann meist polemisch übertrieben.232 Sie fanden ihren Anhaltspunkt im Gegensatz der offenkundig gescheiterten vorangehenden Entnazifizierung und dadurch folgenden Fortprägung von Behörden und Gerichten,233 andererseits den „Radikalenerlassen“ und Überspitzungen des Kalten Krieges seit den 1970er Jahren.234 Die einseitige Anwendung vor allem gegen kommunistische technische Beamte und Angestellte etwa von Post und Bahn sowie die Versagung von Zugängen zum Lehrerberuf und staatlichen Referendariaten wegen studentischer Aktivitäten in sozialistischen Kreisen rechtfertigten ohne weiteres den Protest auf politischen Ebenen, bis hin zu einer französischen Bewegung gegen die deutsche Repressionspraxis.235 Rechtlich hingegen bemühte sich die Justiz insgesamt überwiegend – bis zum BVerfG und EGMR – dem unbilligen ideologischen Versperren von Lebenswegen im Sinne einer (Re-)Integration entgegenzuwirken. 229

Vgl. BAGE 28, 62; 33, 43 ff.; 34, 1; 51, 246 st. Rspr., vgl. ähnliche Tendenz bei BVerwGE 52, 313 ff. 230 Vgl. etwa Rudolf, Verfassungsfeinde, S. 249. 231 Vgl. etwa Lameyer, Demokratie, S. 45 f. an BVerfG 25, 44 (55). 232 Vgl. etwa Hartmann, Januarbeschlüsse, S. 34 ff. m. w. N. 233 Vgl. hier nur die andauernden Studien zu zentralen Behörden und Stellen, namentlich der Justiz, dem BND, BKA und Bundesministerium der Justiz sowie etwa Personen wie neben besonders exemplarisch dem Chef des Bundeskanzleramts Globke etwa dem BMJ-Abteilungsleiter Schafheutle oder den zahlreichen Referenten rund um die Wiedereinführung des Staatsschutzstrafrechts, vgl. nur dazu Hamann, Schafheutle, S. 338 ff.; Farthofer, Neuausrichtung, S. 67 ff.; Görtemaker / Safferling, Rosenburg und die weiteren in der Reihe auch künftig erscheinenden Veröffentlichungen. 234 Vgl. hier nur mit gutem Überblick und m. w. N. Jesse, Überlegungen, S. 29 (53 ff.). 235 Vgl. auch zum ganzen Vorgenannten oben A. I. 3. b).

III. Streitbare und wehrhafte Demokratie 

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bb) Zu Recht werden allerdings gegen die Herleitung aus einer historisch konstanten Treuepflicht des deutschen Beamten gegen den jeweiligen Dienstherrn Einwände erhoben:236 Das Beamtenrecht nach 1945 steht dahingehend (jenseits formaler Normfassungen) inhaltlich in keiner unter der FDGO denkbaren Weise in Tradition zu dem des NS-Regimes. Der Beamte nach 1945 dient nicht jeweils treu ergeben irgendeinem jeweiligen Dienstherrn, sei er gerade Monarch, Reichs­ präsident oder Führer, oder ist gar auf ihn vereidigt.237 Er ist Amtsträger im Dienst des Grundgesetzes (bzw. dazu der zusätzlichen Landesverfassung) als fdVO und auf diese(s) vereidigt238 und verpflichtet. Auch außerhalb der Lehre nach Art. 5 III 2 GG ist er erst recht auf die Treue zur Verfassung verpflichtet. Das heißt auch, dass sein Verhalten daran unmittelbar zu messen ist und nicht mittelbar gegenüber der Treue z. B. zu einer Regierung, die sich nur im Dienst der FDGO wähnt.239 Damit ist kein Freibrief verbunden, jeweils die eigene Anschauung des Dienstlichen an die Stelle der konkreten Dienstpflichten zu stellen. Jedoch ist der rechtliche Maßstab auch nicht monopolisiert in einem Ermessen oder Beurteilung des Dienstherrn. Dies folgt nicht zuletzt aus Art. 20 IV GG mit seiner Genese und Teleologie, ebenso wie zuvor Art. 98 II 2 GG und dazwischen gespannt Art. 33 GG wie durch die Schöpfer des Grundgesetzes verstanden. cc) Dagegen blendet die Polemik nicht nur mit einer Fiktion einer „entarteten Fortentwicklung“ der Gesinnungssanktion für den Staatsdienst in Tradition des NS-Beamtenrechts240 die klar darauf gerichteten Überlegungen und Beratungen der Verfassungsgenese nach 1945 aus.241 Sie negiert ebenso meist die Erwartungen des Gemeinwesens an die Staatsdiener auch zum Erhalt der friedlichen pluralen Verfassungsordnung, die als solche ohne weiteres plausibel und legitim sind.242 236

Vgl. etwa auch Schneider, Januarbeschlüsse, S. 71 ff. m. w. N. Insoweit richtig auch Denninger, Grundordnung I, S. 12 ff. auch zur Verfassungs- statt Staatsstreue. 238 Vgl. etwa jüngst Conze, Treue, S. 241 ff. 239 Ohne, dass dies hier weiter zu vertiefen ist, auf die gängigen Kommentierungen zu Art. 5 III 2 GG kann hier verwiesen werden, ebenso bereits auf Fahrner, Vulnerabilität, S. 239 ff. sowie die Ansätze, ob er sich nur auf den FDGO-Gehalt bezieht, vgl. dazu Papier / Durner, AöR 128 (2003), 340 (354) m. w. N. 240 Vgl. hier für nur nochmals Denninger, Grundordnung I, S. 11 ff. mit den weiteren Beiträgen im Doppelband; Goerlich, ZBR 1975, 100; Schneider, Blätter für deutsche und internationale Politik 20 (1975), 1021. 241 Vgl. bereits oben B. I. 3. 242 Vgl. dazu insbesondere noch die ausstehende Habilitationsschrift aus strafrechtlicher Perspektive; vgl. hier nur etwa Benda, Krise, S. 24, wonach sich ein freiheitlicher Staat, der nicht einmal seine eigenen Eirichtungen gegen seine Feinde absichern könne, gäbe sich auf; weiter Staff, Januarbeschlüsse, S. 81 ff., allerdings mit einer alternativen Formulierung der Gesetzestreue und Verbot der Zugehörigkeit zu einer ordnungsgemäß verbotenen Vereinigung; Schneider, Januarbeschlüsse, S. 71 ff., zwar dem grundsätzlich zustimmend, aber reduzierend auf die FDGO selbst; ähnlich hier die Kritik von Lameyer, Demokratie, S. 72 zu OVG RP VwRspr 16 (1964), S. 160, die schlicht die besonderen Beamtenpflichten nicht von den allgemeinen Bürgerpflichten trennt; vgl. Spranger, Extremisten, S. 278 ff. (282) m. w. N.; zust. dem BVerfG etwa Sattler, Bedeutung, S. 80 ff. 237

200

D. Kontext

Dies gilt auch gerade angesichts dessen, dass damit im Rechtsreflex auch Wirken von Amtsträgern durch, in und für verfassungsfeindliche Parteien beschnitten wird, ohne dass darin eine Verletzung des Parteienprivilegs erkannt wird.243 Die Kritik unterstellt im Übrigen (oft entlarvend nicht klar ausgedrückt),244 es gäbe einen Rechtsanspruch individuell Betroffener, Beschäftigung und dadurch Ali­ mentierung durch den von ihnen bekämpften Staat zu erlangen.245 Dementsprechend hat auch die EMRK in der Anstellung, anders als in der Entlassung keinen Eingriff in das Grundrecht auf Meinungsfreiheit erkannt: Eine Verletzung kann bei bestehenden Rechten auf Alimentierung etc. vorliegen. Die Auswahl anderer Bewerber ohne die Absicht, den Dienstherrn zu bekämpfen, ist indes kein Eingriff in derartige Rechtspositionen.246 Nicht anders gilt dies für zivilrechtliche Vertrags­beziehungen, in beidem jedenfalls, solange das Vorenthalten (oder der Entzug) nicht willkürlich bzw. klar aus dem Schutz der FDGO erforderlich und angemessen ist. Zu einem „Mundtotmachen“ etwa von Kritik und Opposition, mithin wiederum Verletzungen in Freiheitsdimensionen wie Demokratie darf dies nicht führen.247 Dem BVerfG ist mithin jedenfalls recht zu geben, dass Eignung und Befähigung eines Beamten sich auch nach dem Bekenntnis zur Verfassungsordnung bemessen können.248 Wie auch vom Gericht ausgeführt, speist sich eine Gefährlichkeit gerade in Krisensituationen aus der inneren Gegnerschaft zu den Grundprinzipien seines Dienstherrn. Dieser darf und muss ggf. im Sinn der militant democracy begegnet werden, wenn sie einen hinreichenden Bezug zu den konkret und eng gefassten Schutzgütern und einen ebensolchen plausiblen rechtfertigenden Grad der Gefahren aufweist. Eines konkret nachgewiesenen „Schläfertums“ für zukünftige Angriffe von innen bedarf es nicht.249 Vielmehr können und müssen auch Prägungsund Nachahmungseffekte beachtet werden, nicht hingegen eine rein fiktive völlige Spaltung der Persönlichkeit innerhalb und außerhalb des Dienstes. Es versteht sich dabei von selbst, dass bei der Beurteilung in Maßstab und Verfahren die rechtsstaatlichen und demokratischen Anforderungen strikt beachtet werden müssen.

243

Vgl. nur etwa bereits BVerwG NJW 1982, 779 (780) für die st. Rspr.; für die frühesten Bedenken etwa Ule, DVBl. 1951, 304 f. m. w. N.; Hartmann, Januarbeschlüsse, S. 34 (35) m. w. N.; dagegen etwa bereits Grewe, AöR 76 (1950), 335; vgl. auch bereits Frowein, Betätigung, S. 32 f.; Rudolph, DVBl. 1967, 647 (650); für ein Sperren durch Art. 21 IV GG n. F. Kröger, AöR 88 (1963), 121 ff. (153 f.). 244 Vgl. etwa Lameyer, Demokratie, passim, z. B. S. 77 f.; schwieriger gestaltet sich das Verhältnis zu Art. 48 II GG, vgl. hierzu etwa kritisch Meier / Wollenteit, KJ 16 (1983), 22. 245 Vgl. dagegen auch überzeugend BVerfGE 39, 334 (370 f.). 246 Vgl. EGMR Rs. 9228/80, Urt. v. 28. 8. 1986, Glasenapp; Rs. 9704/82, Urt. v. 28. 8. 1986, anders als im Fall Vogt, s. o. 247 Vgl. bereits Fahrner, Vulnerabilität, v. a. S. 144 ff., 178 ff., 283 ff. 248 Vgl. insbesondere bereits Fahrner, GSZ 4 (2021), 6 m. w. N. 249 Vgl. etwa Stalin, Leninismus, S. 9 ff. (45): Zertrümmerung der bürgerlichen Staatsmaschine, der bürgerlichen Armee, des bürgerlichen Beamtenapparats, der bürgerlicher Polizei; vgl. Boventer, Grenzen, S. 203 ff.; Steinberger, Grenzen, S. 525.

III. Streitbare und wehrhafte Demokratie 

201

Die Argumente, es handele sich bei der wehrhaften Demokratie um einen unverankerten Zirkelschluss,250 erscheinen für die Dogmatik der Rspr nicht durchschlagend.251 Insofern greifen auch die Modelle, die Verfassungstreuepflicht der grundsätzlich auf Lebenszeit Beamteten nur im Sinn einer Gefährlichkeit in Bezug auf die konkrete aktuelle oder absehbare Tätigkeit zu beschränken,252 zu kurz. Für das Problem der schlichten Anhänger- oder Mitgliedschaft einer Partei, welche verfassungsfeindliche Ziele verfolgt, ist zwingend auf die zurückhaltenden Auslegungskriterien abzustellen, wonach erwiesenermaßen eine eigene entsprechende Haltung des Betroffenen selbst oder aber ein Verstoß gegen eine Distanzierungspflicht in konkreten Situationen zum Ausdruck kommen muss.253 Dadurch wird allerdings auch dem begründeten Kritikteil Rechnung getragen. Der andere Teil richtet sich, insoweit allerdings nicht gänzlich unbegründet, auf staatliche Stationen zur Erlangung eines praktischen Ausbildungs-/Berufsqualifikationsabschlusses.254

3. Folgerung und Fazit: Streitbare Demokratie und FDGO a) Unhaltbarkeit der extensiven Einheitstheorie Die These der „extensiven Einheitstheorie“, es handele sich bei „der wehrhaf­ ten Demokratie“ um ein überspannendes und die FDGO integrierendes oder spiegelndes Verfassungsprinzip mit eigenem normativem Gehalt,255 ist nicht haltbar:256 aa) Sofern die Einheitstheorie sich zur Begründung der Prinzipienwirkung auf die ständige Formulierung des BVerfG „Verfassungsfeinde sollen nicht unter Berufung auf Freiheiten, die das Grundgesetz gewährt, die Verfassungsordnung oder den Bestand des Staates gefährden, beeinträchtigen oder zerstören dürfen“257 berufen will,258 übersieht sie, die daraus für sie zwingend folgende contradictio in adiecto: Denn gerade der vermeintlich rechtlich einzuschränkende Missbrauch 250

Vgl. etwa Menger, VerwArch 67 (1976), 106 f.; Rudolf, Verfassungsfeinde, S. 233 ff. m. w. N. Anders allerdings für die expansive Einheitstheorie, siehe sogleich unten 3. a) bb). 252 Vgl. Rudolf, Verfassungsfeinde, S. 237 sowie wohl auch die Ansätze der ILO zit. ebd., S. 239 ff.; u. a. wegen der besonderen Lebenszeitbindung und Verwendungsbreite handelt es sich auch um ein völlig anderes System als in den USA, so dass die Beschränkungen des Supreme Court auf streng sicherheitssensitive Tätigkeiten in Cole v. Young, 351 U. S. 536 (1956) u. a., kein zwingendes Argument für das deutsche Beamtenrecht darstellen, zumal dort andere Formen der parteipolitischen Zurückhaltung dies ergänzen, vgl. zum Ganzen Boventer, Grenzen, S. 215 ff. m. w. N. 253 Vgl. BVerfG, NJW 2008, 2568; a. A. im Sinn einer generellen Distanzierung von einer Partei noch BVerwG NJW 1982, 779 (781). 254 Siehe unten f. I. 4., II. 1. 255 Vgl. etwa besonders rezipiert durch Thiel, Demokratie, S. 6 ff., passim; vgl. dazu oben B. III. 2. und bereits die Argumentation gegen die „enge“ Variante oben B. III. 1., D. II. 2. 256 Vgl. etwa auch Papier / Durner, AöR 128 (2003), 340 (363 ff.). 257 Vgl. nochmals etwa BVerfGE 30, 1 (19 f.); 134, 141 (179). 258 Vgl. etwa Schliesky, HdbStR V, § 277 Fn. 1, Rn. 25. 251

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D. Kontext

wäre durch die Aufnahme des Prinzips in die Verfassungsrechtsordnung selbst bereits nicht mehr gewährt. Bereits daher kann die Begründung des BVerfG logisch widerspruchsfrei verstanden werden nur als außerhalb des dogmatischen Rechtsnormsystems stehende, an dieses herangetragene Argumentation.259 Im Ansatz gesteht auch die Einheitstheorie ein, dass es sich bei der „wehrhaften Demokratie“ um ein – im Sinne Kants – rein hypostasiertes Konstrukt handelt, welches sich, im Gegensatz zur FDGO, nirgends im Wortlaut der Verfassung findet.260 Für ein solches Rechtsprinzip kann allerdings auch nicht die Entstehungsgeschichte des GG angerufen werden.261 bb) Durch die extensive Einheitstheorie wird nicht nur, wie bereits bei der engeren versucht, die konkrete, weit vielfältiger geprägte Verfassungsordnung mit der FDGO gleichzusetzen und damit diese ihrer übergreifenden Funktion gerade über die konkrete Verfassung hinaus enthoben.262 Darüber hinaus werden die beiden Ebenen der grundlegenden materiellen Prinzipien der beiden genannten mit den auf deren Durchsetzung und Bewahrung gerichteten Mitteln vermischt, die sich wiederum aufspalten müssen in „wehrhafte“ und „streitbare Demokratie“. Deren (jeweiliger) konkreter rechtlicher Inhalt verschwimmt bis zur Unkenntlichkeit.263 Es bleibt, jenseits des rhetorischen Pathos, ein Amalgamat der verschiedenen eigentlichen Verfassungsnormen, -güter und Prinzipien und der konkreten Fallkonstellationen, die unter das Prinzip gezwängt werden sollen, ohne dass rationale Ableitungsregeln plausibel und, jenseits konservierend wertgefärbter Prämissen, objektivierbar würden.264 Verfolgt die Einheitstheorie ihre Behauptung eines allgemeinen normativen Prinzips in der wehrhaften Demokratie konsequent weiter, sieht sie „die Wehrhaftigkeit“ selbst als innerhalb der allgemeinen konstitutionellen Prinzipienordnung zu optimieren an265 – und nicht etwa die dann – angeblich sekundären – Güter der FDGO.266 Wie eine Wehrhaftigkeit „per se“, zudem in einer FDGO, prinzipiell maximiert bzw. optimiert werden könnte, bleibt gänzlich unklar – bis auf den diffusen Verweis auf politische Aufklärung und Bildung.267 Dies ist aber gerade kein normativer Gehalt. Wehrhaftigkeit könnte normativ im besonders intensiven oder 259

Vgl. insbesondere auch BVerfGE 40, 287 (291 f.). Thiel, Demokratie, S. 5 f. 261 Vgl. oben B. I. sowie oben gerade 1. und 2. 262 Vgl. ausführlich bereits oben II. 2. a); dies bestreitet etwa Schliesky, HdbStR V, § 277 Rn. 15 mit der weiteren kaum nachvollziehbaren Behauptung, das Gericht vermeide eine präzise Definition der beiden Ausformungen. 263 Namentlich bei Schliesky, HdbStR V, § 277 Rn. 15 ff.; Thiel, Demokratie passim mit den dort jeweils unterschiedlich positionierten Beiträgen werden wie zuvor bei Schmitt Glaeser, Missbrauch, S. 33 ff., 46 ff. 264 Vgl. auch Schliesky, HdbStR V, § 277 Rn. 26; so auch das Eingeständnis von Thiel, Demokratie, S. 9. 265 Vgl. zur Prinzipientheorie sogleich unten E. I. 266 So etwa ohne nähere Konsequenz Schliesky, HdbStR V, § 277 Rn. 12 ff. m. w. N. 267 Vgl. Schliesky, HdbStR V, § 277 Rn. 41 ff. 260

III. Streitbare und wehrhafte Demokratie 

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besonders extensiven Zugriff auf deklarierte „Verfassungsfeinde“ erkannt werden, also diese besonders drakonisch zu verfolgen oder besonders früh, im damit negierten „Toleranzbereich“ gegen abweichende Ansichten einzugreifen.268 Beides ist mit den Grundsätzen und Ausprägungen des Rechtsstaats wie der freiheitlichen Demokratie letztlich unvereinbar.269 Dies offenbart auch Schliesky, wenn er sich gegen zu weitgehende Forderungen politischer Mitbestimmung im Zeichen seiner wehrhaften Demokratie wenden will.270 Umgekehrt kann die Behauptung nicht überzeugen, eine derartige optimierte Wehrhaftigkeit könne zu keiner Tyrannei der Werte führen, weil sie strikt verfassungsbasiert sei.271 Auch von daher hat die extensive Einheitstheorie (mancher Behauptung zum Trotz) keinen Beweis erbracht, welche konkreten Inhalte mit welchen transparent begründeten Deduzierbarkeiten in „der Wehrhaftigkeit“ genau liegen sollten.272 Es scheint dies nichts weiter als die (sozusagen „polizeistaatliche“) generalermächtigende Behauptung, dass sich die „wehrhafte Demokratie“ deswegen (im Ausmaß unklar) gegen Angriffe verteidigen dürfe, alleine weil sie sich als FDGO verstehe, verstehen dürfe oder schlicht dies „behaupte“. In der Tat scheint dann, wie weithin kritisiert, eine schrankenlose Selbstermächtigung gegen grundsätzlich alles der eigenen Homogenität-Vorstellung nicht Genügende nahezuliegen.273 Sie würde allen entwickelten Funktionen der FDGO widersprechen,274 darunter namentlich der Fortschrittsfunktion.275 Werte und darauf aufbauende Prinzipien bestehen indes – gerade in einer fortschrittlichen subjektiv-pluralistischen FDGO – nicht in der Wehrhaftigkeit der bestehenden Ordnung per se, sondern nach Wortlaut, Genese und Telos nur in den konkret gefassten Grundsätzen der Verfassungsordnung, die sich ihrerseits als FDGO versteht und daran messen lassen muss und will. Wenn etwa ausgerechnet aus der obskuren Behauptung „der Wehrhaftigkeit“ befürchtet wird, dass das Schutzsubstrat „verschwimme“, wenn mehr demokratische Mitwirkung gefordert werde,276 sollte dies jedenfalls zur kritischen Reflexion Anlass geben. 268

In diesem Sinn Schliesky, HdbStR V, § 277 Rn. 25. Insoweit darf auch Sattler, Bedeutung, S. 36 m. w. N. nicht falsch verstanden werden: optimierbar bleibt das Schutzgut der FDGO, nicht aber die Streitbarkeit in beiden Dimensionen der Wehrhaftigkeit; vgl. insoweit auch „entlarvend“ Thiel, Demokratie, S. 17 der doch „einfach“ aus der verfassungsrechtlichen Aufgabennorm der wehrhaften Demokratie auf die Kompetenz bzw. Befugnis schließen will. 270 Schliesky, HdbStR V, § 277 Rn. 48. 271 So Schliesky, HdbStR V, § 277 Rn. 19. 272 Vgl. etwa beispielhaft Schliesky, HdbStR V, § 277 Rn. 12, 15 zur nicht eingelösten Behauptung und noch weitergehender Hypostasierung als „Staatszielbestimmung“, wenn nicht gar „Staatsidee der BRD“; dazu die Kritik von Lameyer, Demokratie, S. 37 ff.; Dreier / Morlok, Art. 21 GG, Rn. 148; BerlK-Volkmann, Art. 21 GG Rn. 95. 273 Dies zeigt auch die naheliegende Verbindung zur extinktiven Homogenitätslehre Schmitts, s. o. Kap. 2  C. I. 274 Siehe dazu nochmals oben C. 275 Vgl. oben C. III. sowie hier nochmals Hamann / L enz, Art. 18 GG, Rn. B3. 276 Vgl. etwa Schliesky, HdbStR, § 277 Rn. 48 a. E. m. w. N. 269

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D. Kontext

Das Hauptargument, ohne eigene Prinzipienqualität hätte das BVerfG „die wehrhafte Demokratie“ nicht als Auslegungs-, Abwägungs- bzw, Rechtfertigungskriterium heranziehen können,277 ist unzutreffend. Selbst als rechtliche Brückenfunktion, erst recht als rhetorischer Topos kann sie ohne weiteres unmittelbar an den im Grundgesetz genannten Instituten der FDGO und der verfassungsmäßigen Ordnung anknüpfen. Mit Ausnahme der zu Recht weithin abgelehnten und aufgegebenen einzelnen Überdehnungen in den Soldatenentscheidungen278 hat das BVerfG überzeugend gerade keine darüber hinaus gehenden rechtlichen Bedeutungen erkannt. Auch die proaktive Aufklärung und Bildung zu Demokratie, Menschenwürde, Rechtsstaat oder Verfassungsordnung insgesamt ist selbst mit der Integrationsfunktion des Staates Grund und Rechtfertigung der Aufgabe, nicht aber eine obskure „Wehrhaftigkeit per se“.279 b) Replik gegen die generelle Ablehnung Die demgegenüber im doppelten Sinn „kritische“ Ablehnung der Auslegungen des BVerfG zur „streitbaren“ und „wehrhaften“ Demokratie kann in zentralen Punkten als erledigt betrachtet werden, auch wenn dies von ihr teilweise noch nicht reflektiert scheint.280 Dies gilt vor allem für den Anknüpfungspunkt der meisten Vorwürfe, die Begriffe würden in Form von Verfassungsgrundsätzen etc. zu Prinzipien positiviert bzw. sonst aus ihnen verfassungsförmige Regeln ohne objektivierte rationale Methodik abgeleitet bzw. projiziert.281 aa) Für die „streitbare Demokratie“ ist das BVerfG mit dem klaren Verweis auf die jeweils nötige „Einzelermächtigung“ auch durchaus begründeten Bedenken nach einer Umkehr des Regel-Ausnahmeverhältnis mit als Ausnahme abzuwä­ genden besonderen Freibereichen wie die nach Art. 38 I 2 GG selbst entgegengetreten.282 Die abzuwägenden Belange, die an den dafür vorgesehenen Stellen im Sinn einer kohärenten, einheitlichen Verfassungsauslegung und -anwendung einfließen können, sind die im Grundgesetz explizit und anerkannt abgeleitet verankerten Prinzipien. Zu ihnen zählen die Grundsätze des Art. 79 III GG, konkretisiert in ihrem spezifischen Anwendungsbereich durch Art. 9 II, 18, 21 GG und 277

So etwa Thiel, Wehrhafte Demokratie, S. 8. Siehe nochmals oben 1. a) dd). 279 Wie etwa Schliesky, HdbStR, § 277 Rn. 41 ff. ohne weitere Auseinandersetzung annimmt. 280 Vgl. etwa Schulz, Grundordnung, v. a. S. 362 ff., 366; vgl. etwa auch im Gegensatz zum BVerfG Thiel, Wehrhafte Demokratie, S. 8. 281 Vgl. insbesondere Lameyer, Streitbare Demokratie, S. 94 ff., 133 ff. passim. 282 BVerfGE 134, 141 (180 ff.) in ausdrücklicher Anerkennung von BVerfGE 30, 1, 33 (45 f.); damit hinreichend widerlegt die dementsprechenden Bedenken von Lameyer, Demokratie, S. 64 ff., die freilich dessen ungeachtet Autorinnen wie Schulz, Grundordnung, 258 ff., passim weiter als Narrativbegründung dienen; anerkannt wird das Ungenügen des (mutmaßlichen) „Prinzips wehrhafter Demokratie“ für die Eingriffsermächtigung auch zunehmend von der „Einheitstheorie“, vgl. Schliesky, HdbStR, § 277 Rn. 12; Berg, FS Otto, S. 1065 (1067). 278

III. Streitbare und wehrhafte Demokratie 

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die Aufgabennormen des materiellen und organisatorischen Verfassungsschutzes. Auch auf erstere kann – vorbehaltlich spezieller Regelung – unmittelbar etwa im Rahmen verfassungsimmanenter Schranken von Freiheits- und Gleichheitsgrundrechten i. w. S., Befugnissen etc. zurückgegriffen werden, eines rechtlichen „Zwischeninstituts“ der „streitbaren“ Demokratie bedarf es nirgends. Die „streitbare Demokratie“ ist lediglich, wie vom BVerfG auch mithin klargestellt, ein rein rhetorisch verdeutlichender und nicht rechtlicher Topos gegen die Argumentationen einer „selbstschutzlosen, relativistischen“ Demokratie,283 dort aber gegen Angriffe dogmatischer rechter und linker Extreme aller Art durchaus immer wieder gefragt. In diesem Sinn nimmt sie als Chiffre oder Sprachbild die zahlreichen vorhandenen systematischen, historischen und teleologischen Einzelargumente in sich auf. bb) Die wehrhafte Demokratie im Verhältnis des Staates zu seinen Organ- und Amtswaltern kann hiervon nicht klar genug getrennt werden.284 Gerade auch der Gesetzgeber, wurzelnd in abzulehnenden „versteinernden Bestrebungen“, die sich auch in den noch nicht getrennten Soldatenentscheidungen spiegeln, trägt durch eine irreführende Begrifflichkeit der „freiheitlich demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes“ dazu wesentlich bei. Tatsächlich können die allge­ meinen Pflichten von Bürgern, Bewohnern oder externen Besuchern gegenüber dem Gemeinwesen nicht vermischt werden285 mit den besonderen Anforderungen an Staatsdiener in Abwägung mit deren „Grundverhältnis“ als Bürger.286 Die anderweitig rechtlich verankerten und grundsätzlich begründeten Bedürfnisse nach Mindestanforderungen für Träger staatlicher Macht und Verantwortlichkeit in einer FDGO werden, prinzipiell zusammengefasst, durch die Begrifflichkeiten von wehrhafter Demokratie und Verfassungstreue aus unterschiedlichen – kollektiven bzw. individuellen – Blickwinkeln betrachtet und angestrahlt. Beide hermeneutischen „Taschenlampen“ versperren durch ihr Vorverständnis eine volle Ausleuchtung, liefern aber einen guten Ansatzpunkt, zu dem kaum vergleichbar plastische Alternativen bestehen. Überdeckt werden darf dabei nicht die komplexe Bereichsregelung zur Verfassungsloyalität und Sachlichkeit, auf die noch konkret einzugehen ist.287

283 Als nur ein rhetorischer und politischer Topos dafür bzw. verbunden mit der Richtung der Notwendigkeit der (Selbst-)Erhaltung und dem Hinweis auf die historischen Wurzeln und erkannten typischen Gefahrmechanismen, wie etwa bei Partei- und Individualagitation Art. 18, 21; Subversion zur Befehlsverweigerung etc. in den „Soldatenfällen“ usw. 284 Vgl. zum Ganzen Fahrner, GSZ 4 (2021), 6. 285 Vgl. dazu unten f. II. 1. 286 Vgl. dazu unten f. I. 4. 287 Vgl. dazu unten f. sowie bereits unter anderem Fahrner, Vulnerabilität, v. a. S. 233 ff.

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D. Kontext

c) Weitere Kritik Die weitere Kritik ist durchaus ebenso ambivalent wie ihr Gegenstand zu bewerten. Die Behauptungen, es werde im Sinn exekutiver Willkür „Art. 3 III GG übersprungen“288 und die „Zuschreibung des Feindes dem Staat überlassen“,289 verkennen zunächst die verfassungsrechtliche Einbindung und Absicherung, insbesondere auch die rechtliche Beurteilung durch die unabhängige Justiz mit Möglichkeit der Verfassungs- und EMRK-Beschwerde. Allerdings deutet sie zutreffend in die Richtung gefährlicher Tendenzen der Verwendung von „streitbarer“ und wehrhafter Demokratie: aa) Konkret setzt das BVerfG gerade in seiner „Streitbarkeitsfloskel“ seit der Abhörentscheidung den Ausgangspunkt einer Fehldeutung, Freiheit müsse durch das Grundgesetz „gewährt werden“.290 Durch das Sprachbild werden, vormodern, nicht nur gerade Kerndeterminanten, Funktionen und Dimensionen der FDGO, sondern auch die Selbstaussage des Grundgesetzes in Art. 1 II GG negiert.291 Das Grundgesetz g e w ä h r t nicht diese, ursprünglichen, Freiheiten – demokratische wie menschen-/grundrechtliche –, sondern es hat sie z u g e w ä h r l e i s t e n .292 Ebenso ist die verbundene Aussage, die streitbare Demokratie „nimmt einen Missbrauch der Grundrechte zum Kampf gegen die freiheitliche Ordnung nicht hin“293 in dieser Allgemeinheit schlicht falsch. Hier fällt das Gericht in sich widersprüchlich in das gegenteilige Extrem zum „marketplace of ideas“294 und verkennt die zahllosen verfassungsunmittelbaren Schutzmechanismen, wie exemplarisch Art. 21 II–IV GG.295 bb) Die darin anklingende antiliberale Tendenz verstärkt die „militanten“ Per­ spektivik, die sich zwar auf Löwenstein und Mannheim berufen kann.296 Sie öffnet

288

Vgl. Lameyer, Demokratie, S. 62 f.; Rudolf, Verfassungsfeinde, S. 230. Lameyer, Demokratie, S. 62 f. 290 BVerfGE 30, 1 (19 f.). 291 Vgl. insoweit zutreffend bereits Lameyer, Demokratie, S. 66 f. m. w. N.; Rudolf, Verfassungsfeinde, S. 233 f. m. w. N.; Schlink, Der Staat 15 (1976), 339 (361); dagegen ebenfalls im Gedanken einer „Gewährung“ innerhalb der Ordnung des Grundgesetzes wohl Schliesky, HdbStR, § 277 Rn. 28 m. w. N. 292 Ebenso unter Verkennung menschenwürdiger Subjektivität und daraus universell anerkannt originärer Freiheit Dreier, RW 2010, 11 (13); der Verweis auf Gewährung der verfassten Freiheit statt Gewährleistung ursprünglicher FDGO wäre in der konkreten Verwendung allenfalls insoweit gerechtfertigt, wenn man zwingend davon ausginge, dass damit ausgesagt werden sollte, dass auch im Wege von Art. 146 GG sämtliche Schutzgüter des Art. 79 III GG nicht abänderbar seien, was das BVerfG selbst aber weiterhin ausdrücklich als offen in seiner Judikatur ansieht, vgl. dazu aber E. II. 2. b), c). 293 Vgl. etwa nochmals BVerfGE 28, 36 (48) und 2. Leitsatz. 294 Vgl. dazu Fahrner, Vulnerabilität, v. a. S. 104 ff., 243 ff., 283 ff. 295 Vgl. dazu nochmals unten E. III. 1. c) f. I. 2.; vgl. hier auch nochmals BVerfGE 40, 287 (291 f.). 296 Vgl. oben B. I. 3. b). 289

III. Streitbare und wehrhafte Demokratie 

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sich jedoch dann über St. Just in ein personalisiert-kategorisiertes Denken in ausdrückliche „Verfassungsfeinde“ und damit das bekannte proto-totalitäre Schema Schmitts.297 Bereits mit der Berufung gegen behauptet „feindliches“, „kämpfe­ risches“, „missbräuchliches“ Verhalten entstehen gefährliche hoch hermeneutische und empathische Anfälligkeiten, nicht zuletzt für Akzeptanz und Unterstützung unnötiger und schädlicher auch autoritär-antiliberaler Martialität jenseits des rationalen Rechtsdiskures sine ira et studio.298 Besonders verstärkt sich dieses Bild unter einer Prinzipienbehauptung der „wehrhaften Demokratie“ an sich, aus der Selbstrechtfertigung alleine des status quo gegen jeden auf ihn und gerade nicht die FDGO „empfundenen Angriff“. Es wird vielmehr jeder entsprechende kritische Protagonist zu einem „Feind“ erklärt, mit den üblichen Konnotationen, bis dahin, dass er sich außerhalb des Schutzes der Rechtsordnung stelle.299 Unter dem falschen (allerdings durch das BVerfG mittlerweile klar korrigierten) Etikett der „Streitbarkeit“ werden die zumindest missverständlichen Soldatenentscheidungen zum Ausgangspunkt eines allgemeinen Vorgehens gegen Gegner der gegenwärtigen Verfassungsordnung bzw. Machtstruktur. So kann dann auch die (vom BVerfG ebenfalls aufgegebene)  Entschädigungsentscheidung missdeutet werden.300 Die auch in aktuellen Entscheidungen fortgeschriebene Gleichsetzung konkreter Handlungsbeschreibungen extrakonstitutioneller Zugriffe auf die Verfassungsordnung mit der personalisierten Charakterbeschreibung „Verfassungsfeind“ kann sich so als höchst problematischer zivilisatorisch anachronistischer Rückfall in die strafrechtliche Täterlehre ebenso wie das politische Freund-Feind-Schema von Carl Schmitt darstellen.301 „Verfassungsfeindlich“ können allenfalls Bestrebungen, d. h. konkrete Verhaltensweisen sein; Menschen jedenfalls sollte das Attribut tun­ 297

Vgl. auch DHS-Dürig / Klein, Art. 18 GG Rn. 10; überzeugend dagegen Gusy, AöR 105 (1980), 279 (302 ff.); weiter insgesamt Denninger, Grundordnung I, S. 12 ff., etwa exemplarisch auch im S. 39 (43) abgedruckten Offensivkonzept der CDU / CSU zur Bekämpfung des anarchistischen Terrorismus und seiner Grundlagen vom 10. Juli 1975; apologetisch ohne weitere Konsequenz hier Papier / Durner, AöR 128 (2003), 340 (349). 298 Vgl. die Begründung der militant democracy konkret im Kampf des 2. Weltkriegs bei Löwenstein (s. o. B. I. 3. b) aa)) sowie namentlich auch Perry, Perish, S. 141 ff. als echte Gegengewalt; vgl. weiterhin Bulla, AöR 98 (1973), 340 (342 Fn. 15); Lameyer, Demokratie, S. 148 f. m. w. N.; Boventer, Grenzen, S. 63 ff. m. w. N. 299 Vgl. die Anwendung bei Depenheuer, Selbstbehauptung, S. 61 ff.; Henkel, Republik, S. 227 ff.; dagegen die Kritik von Dreier / Wittreck GG Art. 18 Rn. 19, 27; Papier / Durner, AöR 128 (2003), S. 340 (349); Sattler, Bedeutung, S. 31 ff.; Becker, HdbStR X, § 167 Rn. 43 ff.; ­Hartmann, AöR 95 (1970), 567 (571 f.). 300 BVerfGE 13, 46 (51 ff.), siehe oben 1. a) bb) (2); ohne sich den Hintergrund auch des Entnazifizierungsrechts klar zu machen sowie bereits die deutliche Schärfung in der Entscheidung von bloßen Störern der „politische Ordnung des heutigen Staates“ immerhin zu „aktiven Feinden der demokratischen Wertordnung“. 301 Vgl. Schmitt, Begriff, S. 14, 54: am Ende bleibe nur die Liquidierung des „Existentiell Anderen“ bzw. Feindes; dazu im Ansatz bereits Lameyer, Demokratie, S. 208; Steinberger, Demokratie, S. 218 Fn. 907; Rudolf, Verfassungsfeinde, S. 210 ff.; Schlink, Der Staat 15 (1976), S. 335 ff. (S. 336 Fn. 4); Böckenförde, Einleitung, S. 9 ff. (S. 10 Fn. 2); kritisch auch Schmitt Glaeser, Missbrauch, S. 70 ff.

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lichst – gerade mit Blick auf die Lehren aus der Vergangenheit – nicht zugewiesen werden, wenn man im Rahmen einer menschenwürdigen und rechtsstaatlichen FDGO mit ihrer Integrationsfunktion auch der Wandelbarkeit von Individuen Rechnung tragen will.302 Vor allem gibt es im Rahmen der FDGO und konkret des GG kein „Verfassungsfeindesrecht“ eines aufgenommenen Ausnahmezustands in Übertragung Schmitts und Jakobs303 oder der „Staatsnotwehr“.304 Die menschenwürdige, integrative FDGO kann  – im Duktus Jakobs  – nur ein „Verfassungs-­ Bürgersanktionsrecht“ als ziviler durchgehender Normalzustand gegen alle menschenwürdigen Individuen aufgrund konkreten Verhaltens kennen.305 cc) Bemerkenswert ist dabei auch die identitäre Gleichsetzung zwischen einerseits wehrhafter und streitbarer Demokratie von besonderen Treuepflichten zum Staat in konkreten Beamten-, Anstellungs- und Vertragsverhältnissen und andererseits einer allgemeinen Treuepflicht der Bürger.306 Ein solches allgemeines Pflichtmodell geht weit über die für das GG explizit abgelehnte allgemeine Verfassungstreuepflicht hinaus in den Bereich vor 1945 mit seinen allgemeinen Treuebehauptungen, in der zivil wie im Staatsapparat Widerspruch nicht geduldet wird,307 und in die Pflichtverletzungsstrafbarkeit.308 Ein darin auch durchschimmerndes volksidentitäres Denken spiegelt sich auch in der verheerenden und im Ergebnis generell menschenverachtenden Behauptung, die Werte der Menschenwürde (und wohl auch Rechtsstaatlichkeit) im Rahmen der FDGO existierten nur „für den Bürger“.309 dd) Entgegen den Funktionalitäten der FDGO noch weiter auf die Spitze getrieben wird die Übernahme des Schmittschen Fremdguts des „absoluten dezisionistischen Volkssouverän“, wenn einerseits der Schlachtruf eines kompromisslosen Kampfes gegen die „Feinde“ der bestehenden Ordnung ertönt, andererseits daran festgehalten wird, unter Berufung auf einen pouvoir constituant könnte jederzeit ohne Limit die Verfassungsordnung umgewälzt werden. Eine stabile und in sich ruhende FDGO ist damit nicht realisierbar. Es bleibt der mehr oder weniger unterdrückte Kampf der aktuellen konkreten Ordnung gegen die Behauptungen einer zukünftigen. Die martialisch „wehrhafte Demokratie“ erwiese sich, vor allem wenn man ihr umgekehrt kein Vorgehen gegen darauf gerichtete Aktivitäten er-

302

Vgl. auch Dreier, GS Klein, S. 86 ff. (S. 108), dass ein Marsch durch die Institutionen in der Regel weniger die Institutionen als die Marschierenden zu verändern pflege. 303 Vgl. hierzu ausführlich die anstehende Habilitationsschrift. 304 So aber Thiel, Wehrhafte Demokratie, S. 2 f. 305 Der Wortlaut von Art. 21 II–IV GG erweisen sich dabei leichter zugänglich, als Art. 18 GG, dessen Sprache noch sehr vergangenheitsgeprägt scheint, aber doch in klarer Deutung im Hinblick auf die konkrete verhältnismäßige Sanktionierung eines konkreten Verhaltens und keiner generellen Außerrechtsstellung des Verfassungsfeindes interpretiert werden muss und wird. 306 Siehe gerade schon oben b) bb). 307 Vgl. Bulla, AöR 98 (1973), 340 (357 ff.). 308 Vgl. dazu ausführlich die anstehende Habilitationsschrift. 309 Vgl. Schliesky, HdbStR, § 277 Rn. 21.

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laubt,310 als der alte Weimarer Teppichvorleger-Tiger, dem man die Zähne erneut gezogen hat, oder die „wehrhafte Demokratie“ stünde gar in der Kontinuität einer festgestellten Einseitigkeit oder Willkür gegenüber unterschiedlichen Bestrebungen „von rechts oder sonst“. d) Zusammenfassung aa) Zusammenfassend ist die „streitbare Demokratie“ als bloßer rhetorischer Topos entbehrlich und sollte im Hinblick auf die antiliberalen Formulierungen, soweit weiterverwendet, unbedingt entschärft werden.311 bb) Die wehrhafte Demokratie kann dagegen einen – völlig davon getrennten – rechtlichen Gehalt wie die Verfassungstreue ausdrücken. Beide Begriffe erscheinen nicht optimal aufgrund ihrer jeweiligen historisch bedingten Konnotationen, aber durchaus gleichwertig wenn auch nicht im Ausgang identisch. Bessere Alternativen für die damit komplexitätsreduzierenden beleuchteten Prinzipien der detaillierten verhältnismäßigen Ausformungen zwischen Freiheiten und Anforderungen an staatliche Repräsentanten und Amtsträger sind nicht ersichtlich. Beide haben kaum konstruktive Gemeinsamkeiten und sind damit präzise zu unterscheiden, im kon­stitutiven Bezugsobjekt, Adressat und Anforderung. Beide zusammen mit den, jeweils ebenfalls zu trennenden, präzise rechtlich ausformbaren Gehalten von FDGO und Verfassungsordnung zu einem Amalgam einer einheitlichen „wehrhaften Demokratie“ zu vermischen, kann tatsächlich zu einer rechtlich kaum kontrollierbaren und damit höchst missbrauchsanfälligen generellen Selbstrechtfertigung eines Staats führen, welche die vielfältige Kritik behauptet hat. Zusammen mit weiterem Gedankengut Schmitts wird so die damit nur vermeintliche fdVO geradezu in ein Gegenteil einer FDGO pervertiert und die Grundfunktionalität der friedlichen, pluralen, fortschrittlichen Stabilität aufgegeben zu einem labilen Politdarwinismus. Nicht zuletzt treten damit evidente Widersprüche auf, wie zum „marketplace of ideas“ oder den Vorschriften der „wehrhaften Demokratie“ als nicht systemkonsistenten Insellösungen – aller Martialitäts-Rufe zum Trotz. 310

Soweit nicht nur die Einheitslehre selbst anführt, dass der Schutz der FDGO über Art. 18, 21 GG nicht eingreifen dürften, soweit eine Verfassungsänderung materiell nach Art. 79 III GG möglich ist, vgl. etwa Schmitt Glaeser, Missbrauch, S. 46 f.; der wohl, allerdings insoweit missverständlich ebd., S. 54 f., auch Art. 18, 21 GG bei allen aggressiv-kämpferischen Aktionen gegen die Güter in Art. 79 III GG aktiviert sehen möchte. 311 Unbedingt im Hinblick auf konkretes Verhalten, nicht Personen an sich; zudem sollte die Begrifflichkeit von „militant, wehrhaft und streitbar“, eher mit einem wachsamen, abwehrbereit-defensiven Charakter attribuiert werden, etwa im Sinn einer „selbstverteidigenden“, „selbstbehauptenden“ oder „selbstschützenden“ fdVO.

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D. Kontext

cc) All dies erweist sich als vermeidbar bei schlichter Rückbesinnung auf die Genese der FDGO und ihrer Weimarer Vorläufer gerade gegen das prototalitäre Gedankengut Schmitts und die auf Ersterem, nicht Letzterem fußende, konsequente Konstruktion der FDGO und ihrer Wirksamkeit im und durch das Verfassungsrecht. Die fiktive einheitliche „Wehrhaftigkeit“ hat hier keinen dogma­ tischen Raum. Eine rechtliche „streitbare Demokratie“ ist ebenso entbehrlich wie irreführend. Ausgangspunkt der Selbstverteidigung der FDGO ist diese bzw. die Verfassungsordnung selbst als „Verfassungsgut“ und unmittelbar bzw. in den sie verkörpernden konkreten Verfassungsnormen und -grundsätzen. Aus ihnen geht aus dem Grundgesetz, nicht nur in historisch-teleologischer Auslegung, das Ziel und die Selbstverpflichtung hervor, die FDGO – „nach oben und unten“ – zu bewahren, ebenso wie die auf ihr beruhende Verfassungsordnung in ihrer prozeduralen Friedens- und Freiheitsform durchzusetzen.312 Wie weit und wo sie sich als absoluter, nicht zur Optimierung, Konkordanz oder Verhältnismäßigkeitsbeschränkung zugänglicher Kern erweist, ist nachfolgend im Einzelnen zu entwickeln.313

IV. Verhältnis der FDGO zu weiteren Verfassungsgütern 1. Bestand und Sicherheit bzw. „Sicherung“ Zum Verhältnis der FDGO als Schutzgut der Verfassung neben den unmittelbar den Staat selbst schützenden weiteren Merkmalen von Bestand und Sicherheit (bzw. Sicherung) liefert der Text des Grundgesetzes ein heterogenes Bild. a) Dichotomie von FDGO und Bestand und Skalierbarkeit der FDGO Das Begriffspaar von FDGO und Bestand (der Bundesrepublik Deutschland bzw. des Bundes oder eines Landes) ist seit Verabschiedung des Grundgesetzes in Art. 21 II GG sowie 91 I GG für den länderübergreifenden Polizeieinsatz bei einer drohenden Gefahr enthalten. aa) Sie spiegelte sich bereits im (zu diesem Zeitpunkt aufgehobenen) doppelten Tatbestand des Verfassungs- und Bestandhochverrats.314 Später deutlich erweitert in der Notstandsnovelle von 1968 für den Einsatz von Bundespolizei- und Streit 312

In den besonderen Normen und ausdrücklichen Tatbestandmerkmalen wie Art. 18, 21 GG aber auch später Art. 10 II 2, 11 II GG sowie Art. 87a IV, 91 II GG ist dieses allgemeine Prinzip ausdrücklich genannt. Es wirkt aber auch dort, wo es darum geht, legitimierende Gegengüter zur möglichen und nötigen Beschränkung verfassungsrechtlicher Positionen zu verankern, namentlich bei Grundrechtskonstellationen wie z. B. Art. 5 I GG oder Abgrenzung von Organbefugnissen in der Staatsorganisation, s. o. 313 Vgl. unten E. 314 Allerdings gerade nicht in der Übergangsvorschrift des Art. 143 GG, der keinen Bestandshochverrat vorsah, wohl aus Rücksicht auf die Besatzungssituation.

IV. Verhältnis der FDGO zu weiteren Verfassungsgütern  

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kräften in Art. 87a GG und als Einschränkung der Freizügigkeit in Art. 11 II GG, sollte gegen separatistische wie sonstige Umsturzunternehmen vorgegangen werden. Darin drückt sich die Auffassung des Grundgesetzes aus, dass eine Beeinträchtigung des Bestandes nicht notwendig eine solche der FDGO bedeuten müsse, obwohl letztere eine materielle Qualität gegenüber der neutralen Verfassung des tradierten Staatsschutzrechts und deren übergangsmäßige Ausformung in Art. 143 I GG aufweist. Dies ist jedenfalls so zu deuten, dass die Abtrennung eines Teilgebiets die FDGO – bezogen wohl auf den Rest – nicht verletzen müsste. Dagegen nennt Art. 18 GG den Bestand nicht, in die verfassungsmäßige Ordnung nach Art. 9 II GG wird er indes hineingelesen.315 bb) Das Verhältnis beider Merkmale spiegelt nicht nur jahrhundertealte Auseinandersetzungen zur Abgrenzung des Hochverrats von Eingriffen fremder Mächte, sondern auch das Verhältnis des Staats zur Verfassung.316 Zu erheblichen Überschneidungsproblemen kommt es bei stark historisch-etatistischen und sicherheitsexpansiven Interpretationsansätzen. Letztere wollen Bestand und FDGO als Untergliederung der Schutzgüter der öffentlichen Sicherheit, nämlich deren Staats- bzw. Rechtskomponente einordnen.317 Dadurch wird genau jene Bindung an die vorhandene, möglicherweise gerade nicht mehr freiheitlich demokratische Machtordnung erzeugt, die noch über die Idee einer eigenständigen „wehrhaften Demokratie“ in reinen Rechtspositivismus und „blinden“ Herrschaftsgehorsam zurückreichen kann.318 Eine vollständig etatistische Deutung verkehrt auch die Stellung der Staatsangehörigen als Subjekt, nicht Objekt des Staates.319 Die dagegen zunächst historisch richtige Ableitung der Idee des Staatsbestands als Teil der Abschichtung einer inner- und außer- bzw. zwischenstaatlichen Sphäre mit friedensicherndem Gewaltmonopol übersieht mit einem eigenen Schutzgut der „in­ neren Souveränität“320 deren Ausgestaltung in der FDGO. Außerhalb der darauf beruhenden verfassungsmäßigen Ordnung gibt es keinen inneren Staatsbestand, der abstrahiert legitim zu schützen wäre, etwa eine undemokratische und nicht rechtsstaatliche Herrschaft als solche.321 315

Vgl. oben D. II. 3. b) aa). Vgl. hier nur ausführlich Schroeder, Schutz, S. 39 ff., 65 ff. 317 So etwa Schliesky, HdbStR V, § 277 Rn. 22 f.; missverständlich DHS-Dederer, Art. 91 GG Rn. 55, allerdings richtig Rn. 56 m. w. N. 318 Sowohl die Probleme des Widerstandsrechts als auch der Bewahrung der FDGO als Maßstab legitimer Verfassungsordnung und -ausübung und damit die Lehren nach 1945 aus den vorangehenden Zeiten werden damit ignoriert, vgl. bereits oben B. I. 3. c) cc), C. IV. 3. 319 Vgl. dazu oben C. I.; dies wohl nicht reflektierend DHS-Dederer, Art. 91 GG Rn. 57. 320 Vgl. als „auf die Sicherung der Staatsgewalt als effektiver Ordnungsmacht in ihrem elementaren rechtlichen und faktischen Substrat“ bezogen etwa Dreier / Heun, Art. 91 GG Rn. 8 m. w. N. 321 Vgl. für die zutr. wohl mittlerweile auch klar ganz h. M. etwa überzeugend Sachs / Ip­ sen / Koch, Art. 21 GG Rn. 165 f.; MKS-Streinz, Art. 21 GG Rn. 229; daneben Dreier / Morlok, Art. 21 GG Rn. 149 m. w. N.; v. Münch / Kunig / Klafki, Art. 21 GG Rn. 105; Insoweit im Erg. richtig auch DHS-Dederer, Art. 91 GG Rn. 59, wonach Art. 87a, 91 GG nicht eingreifen bei Überschreitung einer nationalen Identität in Art. 79 III GG, allerdings mit tradiert verfangener umfassender Staatlichkeit im Bestand, ebd., Rn. 65. 316

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D. Kontext

Auch lässt der Umsturz im Inneren nicht den Staatsbestand als solches verschwinden und neu entstehen, sodass gegen eine solche Umwälzung im Rahmen des Bestandes zu schützen wäre. Soweit die Mechanismen, Prozesse und Institutionen der fdVO betroffen sind, ist das Schutzgut der FDGO betroffen. Dies gilt gerade auch, um z. B. Bestrebungen zur Einführung einer Monarchie, Präsidialrepublik oder eines Einheitsstaats mit den präzise entwickelten Instrumentarien erfassen zu können und nicht diese durch allgemeine Bestandserwägungen zu überdecken. So würden die gezielt vom Verfassungsgeber verankerten Privilegierungen derartiger Bestrebung nach Art. 9 II, 18, 21 GG usw. vollständig ausgehebelt.322 Es gibt hier auch keine Anwendungslücke bei gewaltsamen Unternehmungen, welche das Ziel haben, diese Formen einzuführen. Halten sie sich nicht an die vorgesehenen Verfahren, sind mithin Art. 79, 146 GG verletzt, ist es auch in diesem Durchgang die verfassungsrechtlich normierte FDGO, ohne dass es auf das Endergebnis ankommt.323 cc) Es gibt insoweit keinen überzeugenden Zweifel daran, dass § 92 I StGB nicht auch den verfassungsrechtlichen Begriff des Bestandes wiedergeben würde.324 Jenseits des Gebietsbestands der Länder nach Art. 29 GG kann der Begriff des Bestandes des Bundes oder eines Landes neben seinem alltagssprachlichen Befund aufgrund seiner lange Begriffstradition – und insbesondere in der systematischen Verbindung in das Staatsschutzstrafrecht – erschlossen werden, zumal besondere verfassungsrechtlich gebotene Abweichungen nicht ersichtlich sind. Er steht so in unmittelbarem Zusammenhang mit der Existenz einer einheitlichen staatlichen Gesamtordnung des deutschen Volkes in seinem überkommenen Staatsgebiet.325 Der Bestand wird somit Ausdruck der Schnittfläche zwischen internationaler und interner Staatlichkeit mit allen völkerrechtlichen Verknüpfungen, die sich daraus, vor allem im Hinblick auf die Friedensfunktion und Art. 1, 2 UNCh ergeben. Die außenpolitische Handlungsfähigkeit etwa ist ein Ausfluss dieser Staatlichkeit.326 Richtigerweise ist wie im Strafrecht der Bestand vor allem als Schutz in Bezug auf das Verfahren und das Ergebnis zu sehen, schließt also etwa in verfassungsmäßigen Verfahren erfolgte Gebietsabtretungen, welche ohne Relevanz für die staatliche Einheit der deutsche Bevölkerung sind, nicht aus.327 Dies macht Art. 29 GG auch für den Gebietsbestand der Länder untereinander deutlich, erlaubt aber eben nur bestimmte Änderungsverfahren und stellt extralegale Eingriffe gerade nicht außerhalb des Bestandsschutzes.328 322

Vgl. bereits oben C. IV. 2. e) und unten weiterhin E. I. 4., II. f. I. 1., 2. Siehe dazu unten E. II. 1. b). 324 Vgl. zum Ganzen auch Folgenden bereits Fahrner, Staatschutzstrafrecht, § 6 Rn. 10 ff. m. w. N.; ders., HdbSiStR, § 33 Rn. 29 ff.; daneben etwa Dreier / Morlok, Art. 21 GG Rn. 149 m. w. N.; vgl. im Ergebnis begründet etwa MKS-Streinz, Art. 21 GG Rn. 230. 325 Vgl. ausführlich Fahrner, Staatschutzstrafrecht, § 6 Rn. 12, 20; ders., HdbSiStR, § 33 Rn. 29 m. w. N. 326 Vgl. bereits Fahrner, Vulnerabilität, S. 53 ff. 327 Vgl. etwa detailliert DHS-Dederer, Art. 91 GG Rn. 59; DHS-Klein, Art. 21 Rn. 520, jedenfalls bei „geringfügigen Korrekturen“; vgl. Fahrner, Staatsschutzstrafrecht, § 6 Rn. 18 ff. 328 Wie etwa Dreier / Heun, Art. 91 GG Rn. 8 anzunehmen scheint. 323

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Eine ökologische Komponente des Bestands als solcher der Lebensgrundlagen hat in diesem System (bislang) keinen Eingang gefunden, Art. 20a GG scheint hier bis auf weiteres die einzige Verortung außerhalb der genannten Kernschutzgüter im Kontext der FDGO. dd) Eine wichtige Erkenntnis liegt indes darin, dass das Grundgesetz Bestand und FDGO jeweils nicht nur auf den Bund, sondern ebenso die Länder bezieht.329 Damit gibt es zum Ausdruck, dass es den Bestand nicht unvereinbar mit der Gliedstaatlichkeit sieht und damit nicht an die abschließende Souveränität knüpft. Das bedeutet nicht nur richtigerweise die weiterhin nicht nur staatstheoretische Verbindung der Länder auch mit ihrem Staatsgebiet.330 Der Bestand muss vielmehr in diesem Sinn einheitlich entsprechend einer restriktiven Interpretation der Freiheit von Botmäßigkeit so verstanden werden, dass er jene Unterordnung unter eine Herrschaftsmacht ausschließt, die „fremd“ ist, d. h. nicht „demokratisch“ aufsteigend legitimiert.331 Daher erklärt Art. 21 GG Parteien zwingend zusätzlich als verfassungswidrig, die sich nicht gegen FDGO-Prinzipien wenden, sondern diese separatistisch nur in einem abgetrennten Teil verwirklichen wollen.332 Dem entspricht die Offenheit und Kooperations- und Delegationsmöglichkeit nach Art. 23 f. GG, und insbesondere dem des Bekenntnisses zu einem vereinten Europa.333 Dies korrespondiert wiederum mit dem Sinn und Zweck der FDGO als friedlicher, fortschrittlicher, freiheitlicher und demokratischer staatlicher Ord­ nung, die sich somit v e r t i k a l s k a l i e r - u n d k o m b i n i e r b a r erweist. Mit anderen Worten: Die FDGO ist nicht an den Bestand des Staates im jetzigen Zustand, auf jetziger Ebene gebunden. Sie verlangt lediglich ein abgrenzbares politisches Gemeinwesen, das wiederum föderal gegliedert sein kann. Daher schließt auch der Bestand jedenfalls eine Verfassungsfortentwicklung nach Art. 146 GG im Sinne eines bloß gliedstaatlichen Fortbestands Deutschlands, soweit nur unter einer nicht fremd erscheinenden, weitergefassten staatlichen bzw. staatsartigen

329

In Art. 10 II 2, 11 II, 73 I Nr. 10 c), 87a IV, 91 I GG; allerdings mit der Ausnahme des Art. 21 GG, der FDGO und Bestand der Länder nicht nennt; dagegen vermeidet das StGB den Begriff „Bestand eines Landes“ etwa in § 82 I Nr. 1 StGB und stellt auf den Bund oder Gesamtstaat ab, vgl. Fahrner, Staatsschutzstrafrecht, § 6 Rn. 10, 26, 30. 330 Wer wie etwa Dreier / Heun, Art. 91 GG Rn. 8 m. w. N. allein auf den parallelen Bundesgebietsbestand blickt, verkennt nicht nur die Bedeutung für die allgemeine Staatslehre, sondern die originäre Abwehr- und Strafgewalt der Länder, z. B. originär im Landesbestandshochverrat gem. § 82 I Nr. 1 StGB und etwa im Landesverfassungsschutz. 331 Vgl. für die ganz h. M. MKS-Streinz, Art. 21 GG Rn. 230 m. w. N.; dagegen wohl aus überkommenem nationalem absoluten und abschließenden Souveränitätsverständnis, nicht näher begründet noch DHS-Klein, Art. 21 GG Rn. 523, der wohl eine nur durch die Europafreundlichkeit gerechtfertigte, jedoch als solche gegebene Botmäßigkeit unterstellt. 332 Vgl. etwa Sachs / Ipsen, Art. 21 GG Rn. 166. 333 Vgl. hierzu und zum Folgenden ausführlich bereits Fahrner, Staatsschutzstrafrecht, § 6 Rn. 28 ff. m. w. N.; daneben etwa Sachs / Ipsen, GG Art. 21 GG Rn. 167; van Ooyen, Sicherheit, S. 65 ff.

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D. Kontext

Rahmenordnung nicht aus.334 Dies gilt, selbst wenn dieser Kompetenz-Kompetenz etc. eingeräumt würde, soweit sie sich zusätzlich wiederum als FDGO darstellt. Demgemäß verletzen solche europastaatlichen Bewegungen weder den Bestand noch die FDGO im Sinn etwa von Art. 21 II, III GG.335 ee) Eine wesentliche Überschneidung beider Merkmale bleibt damit, dass der Bestand jedenfalls die ressourcenmäßigen und regulativen Dimensionen der innerstaatlichen Prozesse der FDGO mitadressiert, also Entzug des Staatsgebiets und Zwang auf die innerstaatliche Entscheidungsfreiheit durch fremde Mächte von außen.336 Insoweit stellen beide Sonderformen der FDGO dar, bei denen dem Bestand als Tatbestandsmerkmal Vorrang zukommt. Konsequent sind Parteien, die dies von innen heraus verfolgen, gesondert von Art. 21 II, III GG umfasst. Dagegen gewährt Art. 18 GG dahin gerichteten Einzelkämpfern keinerlei Schutz, aber auch keine Gefahr der Verwirkung, sondern Behandlung nach dem allgemeinen (Straf-)Recht. Hingenommen werden muss damit die Überschneidung, dass fremde Botmäßigkeit sowohl den Bestand wie die FDGO verletzt und hier beide in einem sehr engen Wechselverhältnis stehen.337 Weil Art. 21 II, III GG klarstellen, dass solche Bestrebungen keine legitimen im Bereich durch den FDGO-Kern geschützten demokratischer Grundentscheidungen sind, können Art. 9 II, 18 GG ohne Erwähnung auf das allgemeine Staatsschutzrecht verweisen. Handlungen, die den Bestand angreifen, können so individuell und kollektiv grundsätzlich normal präventiv und strafrechtlich sanktioniert werden. b) FDGO und Sicherheit Beim materiellen und organisatorischen Verfassungsschutz in Art. 73 I Nr. 10 b) GG sowie seiner Fortsetzung in Art. 10 II 2 GG erscheint eine volle Trias der drei Schutzgüter (neben der FDGO und dem Bestand)  mit der Sicherheit bzw. „Sicherung“ als Aufgabenumschreibung zum Schutz des freiheitlich-demokratischen Gemeinwesens. Während der vor allem im einfachen Recht gebrauchte Begriff der Sicherheit – außer im anderen polizeirechtlichen Sinn der öffentlichen Sicherheit – nur im erst 1970 eingefügten Art. 73 I Nr. 10 b) GG verwendet ist,338 findet sich ansonsten jener der „Sicherung“ in Art. 10 II GG in gleicher Trias

334 Insoweit die klar h. M. so etwa auch v. Münch / Kunig / Klafki, Art. 21 GG Rn. 105; Sachs / Ipsen / Koch, Art. 21 GG Rn. 167; zum gleichen Ergebnis gelangen insoweit auch jene, die das überaus problematische Konstrukt der Verfassungs-/Staatsidentität des BVerfG aus der Lehre Schmitts generell ablehnen, wie etwa Polzin, Verfassungsidentität, S. 160 f.; Jestaedt, Der Staat 48 (2009), S. 497 (507). 335 Vgl. auch DHS-Klein, Art. 21 GG Rn. 522 f.; Zu den strafrechtlichen Auswirkungen siehe hier bereits Fahrner, Staatsschutzstrafrecht, § 6 Rn. 28 ff. 336 Vgl. in der Nähe etwa auch DHS-Dederer, Art. 91 GG Rn. 61. 337 Vgl. Fahrner, Staatsschutzstrafrecht, § 6 Rn. 27 ff. m. w. N. 338 Vgl. hierzu BT Drs. 6/1479, S. 4; 6/3192.

IV. Verhältnis der FDGO zu weiteren Verfassungsgütern  

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mit FDGO und Bestand und vergleichbarer Funktion, somit plausibel gleichem Inhalt.339 Das Verhältnis zur FDGO ist zunächst mit der Definition der Sicherheit selbst unklar. Einigkeit besteht zwar, dass der Begriff zur Vermeidung unkonturierbarer Überdeckung mit den anderen Schutzgütern eng und damit zwingend enger als die öffentliche Sicherheit im Gefahrenabwehr verstanden wird.340 Dabei sucht die Verfassungsliteratur meist die Abgrenzung in einer besonderen Erheblichkeit.341 Unter dem plakativen Etikett der „inneren Sicherheit“ erfolgt zudem weiterhin eine Vermischung auch mit der Einheitstheorie der wehrhaften Demokratie.342 Teilweise werden auch Bestand und Sicherheit miteinander vermengt,343 wobei historisch letztere sozusagen als ein Vorfeld von ersterem erkannt werden kann. Richtig umfasst der Begriff der Sicherheit, wie im Strafrecht, historisch geprägt (nur) den Schutz aller Einrichtungen und Vorkehrungen, die das Gemeinwesen vor einer gewaltsamen Einwirkung v. a. durch fremde Mächte schützen sollen.344 Es handelt sich also um Schutz der „Sicherheit des Staates“, nicht der Betroffenen vor dem Staat und allenfalls mittelbar durch den Staat.345 Er zeigt sich zuvorderst im Schutz der führenden Staatsorgane, der Streitkräfte, sowie der Polizei und Sicherheitsorgane, und hier nicht nur des Bundes oder Gesamtstaats wie im Strafrecht,

339

So auch die Gleichsetzung von BVerfGE 30, 1 (18); Hömig-Wolff, Art. 10 Rn. 15; warum der Rechtsausschuss des BT dies von der Sicherheit im Regierungsentwurf änderte, ist dort nicht begründet, vgl. BT Drs. 5/1879, S. 2; 5/2873, S. 4, 21 und auch ansonsten hier nicht mehr nachvollziehbar, spekuliert werden kann allenfalls, dass damit durch eine neue Begriffsfindung der extensiven Interpretation „innerer Sicherheit“ entgegengetreten werden sollte. 340 Vgl. etwa DHS-Uhle, Art. 73 GG Rn. 244; Dreier / Wittreck, Art. 73 GG Rn. 73. 341 Vgl. etwa ausführend DHS-Uhle, Art. 73 GG Rn. 244 zu einer angeblichen Auffangfunktion des Merkmals, ebenso etwa v. Münch / Kunig / Broemel, Art. 73 Rn. 48 GG; krit. dazu bereits MKS-Heintzen, Art. 73 GG Rn. 116, der über das mögliche Schadensmaß eine Lösung sucht, wie auch Dreier / Wittreck, Art. 73 GG Rn. 73; dagegen bereits etwas enger Sachs /  Degenhart, Art. 73 GG Rn. 50; ähnlich auch BK-Werthebach / Droste, Art. 73 GG, Rn. 186 ff., die allerdings dann erneut weit in allgemeine Aufgabenorientierung diffundieren. 342 Dazu haben wesentlich die expansiven Versuche der Deutungshoheit von „Sicherheitskreisen“ beigetragen, die sogar z. T. Eingang in amtliche Begründungen von Gesetzentwürfen gefunden haben. Namentlich BT Drs. 6/1179, S. 5 versucht zunächst in – falscher, da dort auf die öffentliche Sicherheit bezogener – Anlehnung u. a. an § 14 VereinsG zu behaupten: „Eine Gefährdung der inneren Sicherheit kann in der Gefährdung des friedlichen und freien Zusammenlebens der Bewohner des Bundesgebietes, gleich welcher Herkunft oder Nationalität, ihres Lebens, Eigentums und ihrer Gesundheit liegen, aber auch in der Gefährdung des Staates, seiner Rechtsordnung und des Funktionierens seiner Organe“, kehrt sodann aber zur richtigen engen Definition zurück. 343 Vgl. exemplarisch Schenke / Graulich / Ruthig / Roth, § 4 BVerfSchG Rn. 61: „Äußere Sicherheit ist die Freiheit des Staates von fremder Botmäßigkeit.“ 344 Vgl. grundlegend BT Drs. 6/1179, S. 4. 345 Vgl. zum Ganzen auch Folgenden Fahrner, ZStW 132 (2020), 84 ff. m. w. N.; ders., Staatsschutzstrafrecht, § 6 Rn. 31 ff.

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D. Kontext

sondern auch der Länder.346 Den Kern bilden jene konstitutiven Grundfunktionen des Staates, namentlich sein tatsächliches Gewalt- und Machtmonopol als rechtstaatliche, würdebewahrende Friedensordnung gegen Angriffe von innen wie außen, die dieses tatsächlich gefährden können, d. h. ihre Wirkungsmöglichkeit tatsächlich nehmen können.347 Als solcher liegt er instrumentell im Vorfeld von FDGO und Bestand, ist aber in seiner Legitimität von dieser Beziehung mit abhängig.348 Die Sicherheit erweitert mithin nicht den sachlichen Schutzbereich über die FDGO und den Bestand hinaus oder ist sonst von diesen unabhängig. Sie senkt vielmehr durch das besondere Hervorheben notwendiger Institutionen zum Erhalt die Schwellen zur Gefährdung durch Vorverlagerung.

2. Friedlichkeit Mit der FDGO haben die Prinzipien und Gebote der Friedlichkeit,349 namentlich aus Art. 26 GG der Präambel350 wenige Überschneidungen.351 Nach allen Kriterien ist die Auslegung begründet, dass damit nicht die innerstaatliche Friedlichkeit als Funktion der FDGO, sondern nur die in zwischen- und überstaatlichen Wirkungen,352 ausgehend aus dem Verantwortungsbereich des deutschen Gemeinwesens,

346 Vgl. insbesondere ausführlich BT Drs. 5/1879, S. 12 f. zum Hintergrund des Besatzungsrechts und Schutzes der Besatzungs- und später NATO-Allianztruppen. 347 Vgl. weitere Definitionsansätze zur Verteidigungsfähigkeit bei BT Drs. 16/12428, S. 12; BGHSt 28, 312; NStZ 1988, 215; MK-Anstötz, § 92 StGB Rn. 12, vgl. insbesondere auch die Diskussion, dass „auswärtige Belange nicht ausreichen“, BT Drs. 6/3192, S. 2. 348 Vgl. auch die Diskussionen im Rechtsausschuss des BT, Drs. 6/3192, S. 2. 349 Darin spiegeln sich die völkerrechtlichen Pflichten, etwa nach Art. 1 Nr. 1; Art. 2 Nr. 3, 6 UNCh, Art. 1 ff. NATO, Art. 3 Abs. 1, 5 EUV oder der Schlussakte von Helsinki, schließlich die über den Brian-Kellogg-Pakt, lange dahinterstehende historische Tradition des ius ad bellum iustum, vgl. dazu Cicero, Res, cap. III 23, 34, 97 f.; Augustinus, Questiones 419, cap. IV, 10; Grotius, Jus, cap. II 13, 23; zum Ganzen Ipsen / Heintschel von Heinegg, VölkerR § 55 Rn. 1 ff. 350 Die Selbstverpflichtung „dem Frieden in der Welt zu dienen“ ist in der Präambel, Art. 1 II, Art. 24 II GG, und auch Art. 79 I 2 GG verankert. Um sie zu erfüllen, begründet Art. 26 GG ausdrücklich die einzige explizite Kriminalisierungspflicht in der Verfassung; vgl. Dreier /  Wollenschläger Art. 26 GG Rn. 1. 351 Vgl. allerdings BVerfG NJW 1999, 3325, wonach Art. 26 II GG auch zugleich dem Staatsinteresse am Bestand und der Erhaltung der Wirtschaftsordnung und der Position im Bündnissystem diente, mithin Teil des Schutzes der freiheitlich verfassten Bundesrepublik Deutschland nach außen bilde. 352 Namentlich das moderne internationale Friedensrecht der Konfliktvermeidung und friedlichen -lösung, auf dem Interventions- und Gewaltverbot gem. Art. 2 Nr. 1, 4 UNCh., sowie des Konfliktaustragsrecht (ius in bello); vgl. insbesondere auch Art. 33 ff. UNCh; Art. 39 ff., 65 ff. IGHSt (mit den Ausnahmen der gerechtfertigten, grundsätzlich kollektiven Verteidigung und Intervention), vgl. v.a Art. 39, 51 ff., UNCh; Ipsen / Heintschel von Heinegg, VölkerR, § 56 Rn. 1 ff. mit Überblick über die weiteren z. T. str. Rechtfertigungsgründe wie Einladung, Rettung eigener Staatsangehöriger und humanitäre Intervention.

IV. Verhältnis der FDGO zu weiteren Verfassungsgütern  

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adressiert sind.353 Trotz der berühmten Verknüpfung Kants von innerer Demokratie mit äußerem Frieden354 können die Ausprägungen des Gebots der Friedlichkeit nicht selbst als Teil der FDGO,355 sondern vor allem als weitere Beschränkungen etwa von Kommunikationsgrundrechten und damit der fdVO angesehen werden. Dies drückt namentlich Art. 9 II Var. 2 GG aus.356 Aber auch sonst werden kaum Probleme erkannt, demokratische und rechtsstaatliche Prozesse zum Schutz der Friedlichkeit im erforderlichen Maß einzuschränken.357 Dazu dienen (damit neben dem Schutz der FDGO, Bestand und Sicherheit) namentlich auch beachtliche Teile des Staatsschutzstrafrechts.358 Rationale Kritik ist dabei nicht sanktionierbar.359 Die entsprechenden Einschränkungen werden bis auf Art. 9 II GG dem allgemeinen Recht zugeordnet. Hinzu kommen die Kompetenznormen nach Art. 73 I Nr. 10 c), 87 GG mit der Abgrenzung zu den „auswärtigen Belangen“ der Bundesrepublik Deutschland. Bei Einzelpersonen erfolgt die Sanktionierung nach Art. 26 I 2 GG, Art. 18 GG ist nicht einschlägig. Nicht diskutiert scheint das Verhältnis zwischen Art. 26 und Art. 21 GG.360 Obwohl es nahe läge, verweist Art. 21 IV GG nicht auf die Verfassungswidrigkeit nach Art. 26 I 1 GG. Dieser muss gleichwohl aus Genese und Telos hochrangige Bedeutung zukommen und daher gegen konkrete Handlungen verfolg- und strafbar sein, auch wenn diese im Kontext einer Partei erfolgen, da sie deren zentralem Sinn nicht dienen. Das Verbot einer revanchistischen oder imperialistischen Partei selbst wiederum unter Berufung auf derartige, etwa

353

Vgl. ausdrücklich BVerwG NJW 1982, 194 (195); BayVBl 1982, 571; BeckOK-Heintschel von Heinegg / Frau, Art. 26 GG Rn. 6 ff.; Jarass / Pieroth, Art. 26 GG Rn. 1; Sachs / Streinz, Art. 26 GG Rn. 12 sowie bereits Fahrner, ZIS 16 (2021), 365 (386 f.). 354 Kant, Frieden. 355 Vgl. BT Drs. 6/1479, S. 3, bei der die amtliche Begründung allerdings auf die damals noch vor ausdrücklicher Verankerung zusätzlicher Regelungen in Art. 73 I 10 GG bestehende Unsicherheit verweist, ob die Völkerverständigung unter das Merkmal der FDGO gefasst werden könnte, dagegen allerdings mittlerweile BT Drs. 6/3192, S. 2. 356 Sachs / Höfling, Art. 9 GG Rn. 47, allerdings umfasst sind danach nur die elementaren, für ein friedliches Miteinander der Völker unverzichtbaren Regelungen des Völkerrechts; umfasst sind Zwecke oder Tätigkeiten, die sich gegen die elementaren Regeln der internationalen Ordnung und nicht lediglich gegen einzelne Völkerrechtsnormen richten, auch von nur fremden Staaten untereinander; vgl. DHS-Scholz, Art. 9 GG Rn. 131; aber auch das friedliche Überwinden der Interessengegensätze verfeindeter Völker, v. Münch / Kunig / Winkler, Art. 9 GG Rn. 93; vgl. auch bereits Fahrner, Vulnerabilität, v. a. S. 238 f. 357 Vgl. etwa BVerfGE 47, 327 (382 ff.). 358 Vgl. etwa Dreier / Bauer, Art. 9 GG Rn. 58. 359 Dafür reicht es nicht aus, wenn bloße Kritik an fremden Staaten geübt wird oder Kontakte der Bundesrepublik Deutschland mit bestimmten Staaten abgelehnt werden während BVerwG NVwZ 2005, 1435 (1436, 1439) lediglich ein willensgetragene objektiv gegen die Völkerverständigung gerichtetes Verhalten voraussetzt, übernimmt die wohl h. L. das Kriterium des „aggressiv-kämpferischen“ Vorgehens, vgl. Sachs, JuS 2006, 260; Dreier / Bauer, Art. 9 GG Rn. 58; noch enger v. Münch / Kunig / Winkler, Art. 9 GG Rn. 93; vgl. im Übrigen bereits ­Fahrner, Vulnerabilität, S. 233 ff. 360 Um einheitliche Sichtweise bemüht aber nicht vertieft etwa v. Münch / Kunig / Winkler, Art. 9 GG Rn. 93.

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kommunikative Handlungen ist indes nach geltendem Recht – wiewohl unter dem Gesichtspunkt der Grundsätze der FDGO möglich – wohl nicht vorgesehen.361 Die Missbrauchsgefahr einer solchen Sanktionsnorm wird folglich nach derzeitigem Stand vom demokratischen Gesetzgeber höher bewertet als die Gefahr solcher Bestrebungen für das friedliche Zusammenleben gerade unter der besonderen Organisationsmacht einer Partei. Deren Wirken werden, dessen ungeachtet, zumindest eben der änderbare Art. 26 GG usw. entgegengestellt.

3. Europäische Integration Je weiter die europäische Integration sich im Rahmen der Europäischen Union ausformt und verdichtet, umso mehr muss diese selbst aus der Sicht des Grundgesetzes den Prinzipien einer FDGO genügen, also die so bestimmte deutsche Staatlichkeit konform um- und zunehmend fortsetzen. Dies hebt mittlerweile Art. 23 I 1, 3; 79 III GG klar hervor. Damit korrespondieren die entsprechenden unionsrechtlichen Verankerungen der Prinzipien, welche die Union ebenso wie die FDGO konstituieren.362 Aus deutscher Perspektive erweist sich die FDGO selbst insoweit richtigerweise eindeutig nicht nur als „europaoffen“, sondern als „skalierbar“.363 Das in Deutschland geltende Recht befindet sich auch in diesem Bereich in einem Prozess der Durchdringung, der einen Wandel von einem spezifisch vertikalen Schutzgut der europäischen Integration hin zu einer einzigen gleichgerichteten und verbundenen deutschen und europäischen FDGO beschreibt.364 Als eigenständiges Verfassungsgut greifen dabei primär noch erstere in Abwägungen mit Grundsätzen der FDGO im Prinzipienbereich ein. Konkret bedeutet dies etwa, dass in supranationalen Mechanismen jenseits nationaler Demokratie und Rechtsstaatlichkeit deren Reichweite stark diskutiert wird.365 Diese Prozesse dürften sich zu solchen der Konversion in der Auslegung und Anwendung der europäischen Grundprinzipien wandeln. Dies dürfte auch der richtige und einzige Ausweg sein, entweder den Integrationsauftrag des Grundgesetzes, seine Fortschrittsfähigkeit

361

Vgl. ebenso DHS-Klein, Art. 21 GG Rn. 513. Siehe bereits ausführlich oben D. I. 3.; vgl. zum Problemkreis auch Cramer, Staatlichkeit. 363 Siehe gerade oben 1. a) sowie zur Problematik des wesensfremden Ansatzes der neueren integrationsaversen BVerfG-Entscheidungen bei Art. 79 III GG unten E. I. 1. a) dd); gegen eine identitär-völkische Sicht vgl. auch bereits ausführlich Fahrner, Vulnerabilität, S. 87 ff., 91 ff. 364 Darauf kann hier auch angesichts der konkreten Fragestellung nicht näher eingegangen werden, verwiesen sei vorbehaltlich weiterer nötiger Aufklärung und Durchdringung auf Fahrner, HdbSiStR, § 33 Rn. 81 ff.; ders., ZIS 16 (2021), 365 ff. 365 Erinnert sei nur an die Rechtsprechung zur nationalen Identität, Fahrner, Vulnerabilität, S. 57 ff.; strafrechtliche Relevanz erfährt dies bei zahlreichen Instrumenten des Rechtshilfe-/ Kooperationsrechts, wie dem europäischen Haftbefehl, der Ermittlungsanordnung und allgemein den Grundsätzen der gegenseitigen Anerkennung und Verfügbarkeit, vgl. nur Fahrner, HdbIntErm, Kap. 1 Rn. 38 ff. m. w. N. 362

IV. Verhältnis der FDGO zu weiteren Verfassungsgütern  

219

oder die Stabilität der FDGO und von Art. 79 III GG letztlich aufgeben zu müssen. Umso mehr muss in der vorliegenden Untersuchung nunmehr unternommen werden, die Substanz und Konstruktion der FDGO – herausgelöst aus den gerade herausgearbeiteten vielfältigen Verknüpfungen zur Verfassungsordnung, weiteren Schutzkonstruktionen und -gütern – plausibel zu (er-)klären.

E. Konstruktion I. Die FDGO in einer Theorie der Verfassungsgrundsätze in Art. 79 III GG 1. Herleitung Den Garantiebereich der FDGO präzise inhaltlich zu bestimmen, bleibt (auch) nach den vorangehenden Betrachtungen ein noch ungelöstes Problem. Allerdings wurde die Kontur bereits deutlich geschärft: Wie zuvor festgestellt, müssen namentlich erstens die verfassungsmäßige Ordnung und fdVO mit den Strukturmerkmalen des Sozialstaates, der Republik und des Bundesstaats, zweitens die benachbarten (verfassungs-)rechtlichen Schutzgüter von Bestand, Sicherheit, internationalem Frieden und europäischer Einigung, drittens die Verfassungstreue, wehrhafte Demokratie und „freiheitlich demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes“ und vor allem die Überformungsversuchen darin und in Gestalt der „streitbaren Demokratie“ von ihr klar unterschieden und getrennt werden.1 Substanz und Inhalt der FDGO können danach nur neben den bestehenden Interpretationsansätzen und den als notwendig erkannten Funktionsanforderungen2 geklärt werden, indem erneut auf den Normbestand der Verfassung selbst unmittelbar zurückgegriffen wird. Dabei verspricht für Analyse und Modell­bildung zunächst insbesondere die Auslegung des Art. 79 III GG weiterzuführen, in dem sich die FDGO – jedenfalls als Teilmenge auf die konkrete Verfassungsordnung widergespiegelt – weiterhin wiederfindet bzw. finden soll.3 a) Prinzipieller und normativer Verweisansatz und (national-)identitäre Theorie Allerdings werden auch die konkrete Reichweite und Inhalt der „Ewigkeitsnorm“ des Art. 79 III GG weiterhin stark diskutiert:

1

Vgl. gerade oben Kapitel D. mit den entsprechenden Unterabschnitten. Vgl. gerade oben Kapitel B. und C. mit den entsprechenden Unterabschnitten. 3 Vgl. oben B. I. 1., 4., D. II. 2

I. Die FDGO in einer Theorie der Verfassungsgrundsätze  

221

aa) Überblick Einigkeit besteht zunächst darin, dass Art. 79 III GG nicht vor Veränderung der benannten Verfassungsnormen in ihrem Wortlaut, sondern die in ihnen referenzierten Grundsätze in ihrer jeweiligen Substanz schützen soll.4 Reine Textänderungen ohne Änderung des Gehalts der jeweiligen Norm(en) lösen somit die Sperre der „Ewigkeitsklausel“ nach allgemeiner Ansicht nicht aus. Hingegen ist umstritten, ob generell eine enge Auslegung von Art. 79 III GG als Ausnahmenorm oder eine effektive Interpretation als Schutzvorschrift geboten ist.5 Zurecht wird dabei regelmäßig angemerkt, dass Art. 79 III GG nicht zu einer übermäßigen Sperrung von Verfassungsänderungen führen dürfe, um nicht zu unaufhebbaren Spannungen einer zunehmenden Versteinerung zu führen.6 Zudem werde mit einem zu weiten Verständnis der Norm dem BVerfG eine übermächtige Kontroll- und Vetoposition gegenüber dem Gesetzgeber und darin „dem Volkswillen“ eingeräumt, um Verfassungsänderungen untersagen bzw. für nichtig erklären zu können. Diese Generalaussagen und -forderungen werden, wie im Folgenden sogleich weiter zu belegen ist, indes kaum dogmatisch weitergehend konsequent und widerspruchsfrei – jenseits gewisser Vorfestlegungen – durchdrungen und begründet. Teilweise kann dies mit der zunächst nur seltenen und punktuellen Befassung des BVerfG seit seiner Gründung mit Fragestellungen des Art. 79 GG erklärt werden. Allerdings greift das Gericht mittlerweile geradezu regelmäßig in seinen Entscheidungen auf die Fragen eines Ewigkeitsschutzes des Grundgesetzes zurück, um diesen in Frontstellung gegen die europäische Integration zu bringen. Die ältere wie jüngere Judikatur sowie die dominierenden Ansätze der Staats- und Verfassungslehre können jedoch weitergehend den Eindruck erwecken, als sähe sich die Dogmatik einer weiteren Durchdringungslast des Systems der Art. 1, 20, 79 GG etc. enthoben, wenn nicht von dieser abgestoßen.7 Einerseits drängt sich hierbei die mutmaßliche andauernde Reservefunktion des dezisionistischen „pouvoir constituant“ auf.8 Schließlich müsste er im Selbstverständnis „des Volkswillens“ stets das letzte Wort zu allen seinen – damit letztlich rein vorübergehenden – normativen Selbstbindungen seiner Rahmenordnung haben, wenn nicht in den Schranken des Art. 79 III GG, dann in anderer Weise. Das Paradigma des idealistischen national-identitären, exogen-absoluten dezisionistischen Volkswillens bedingt weiterhin, die „normative Gegenklausel“ möglichst negativ und unbedeutend darzustellen und auszugestalten, etwa auch in 4 Vgl. nur etwa Sachs / Sachs, Art. 79 GG Rn. 39; Stern, StaatsR I, S. 172, III/2, S. 1119; Kunig, Rechtsstaatsprinzip, S. 477; Murswiek, HdbGR II, § 28 Rn. 32. 5 Dafür etwa Jarass / Pieroth, Art. 79 GG Rn. 9 m. w. N. 6 BVerfGE 30, 1 (24 ff.). 7 Vgl. bereits oben A. I. 3. a). 8 Vgl. zum Ganzen Fahrner, Vulnerabilität, v. a. S. 53 ff. sowie oben A. I. 3. b) bb) (1) (a).

222

E. Konstruktion

einem weiteren Rahmen des zusätzlichen Merkmals des „Berührens“.9 Das Gegenbild der „Versteinerung“ ist trefflich und kunstvoll negativ konnotiert gegen den „lebendigen Willen und Geist des Volkes“ gesetzt. Andererseits scheint ein Bestreben durchzuschimmern, an dieser Stelle die frappierend gegenläufigen Traditionslinien vor 1945 für eine kritische Diskussion nicht zu sehr transparent machen zu wollen. Daraus wäre plausibel, dass wiederum über die Versteinerung dieser Auslegung von Art. 79 III GG durch ihre Bindung an jene national-idealistischen und dezisionistischen Denkansätze vor 1945 namentlich im Hinblick auf den europäischen Einigungsauftrag nicht weitergehend reflektiert wird bzw. werden soll. Diese Zurückhaltung (oder Verweigerung) selbst wird folglich als ein Grund sichtbar, der die weiter notwendige Suche nach Kohärenz der offenen Verfassung und der Spannungen zwischen den herangetragenen wiedererstandenen Vorstellungen vor 1933 und nach 1992 und die gebotene Pluralität und Fortschrittlichkeit der Verfassung durch ihre versteinerte, da rückwärtsgewandte und letztlich hinter den Verfassungskonvent zurückfallende Auslegung versperrt. Jedenfalls bleibt so derzeit das Bild einer Auslegung von Art. 79 III GG in Gestalt stark standortgeprägt wertender Versatzstücke, hinter denen ein analytisch durchdachtes Konstrukt, das allgemein anerkannt wäre oder werden könnte, deutlich entfernt scheint. bb) Allgemeine Rechtsprechung des BVerfG Das Bundesverfassungsgericht hat seine Auslegung des Art. 79 III GG zunächst vor allem mit seiner „Abhörentscheidung“ geprägt.10 Die späteren europarecht­ lichen Perspektiven spielten hier für das Gericht keinerlei Rolle, sein Blick war auf rein innerstaatliche Sachverhalte begrenzt. In der genannten Entscheidung legte eine Senatsmehrheit die „Ewigkeitsgarantie“ sehr restriktiv aus, allerdings machte sie dies vor allem an der Negation der enthaltenen Grundsätze am Merkmal des erforderlichen „Berührens“ fest. Daran entzündete sich unmittelbar die zuvor eher eingeschlafene, nunmehr intensive Debatte um die Reichweite von Art. 79 III GG, welche bis heute fortdauert.11 Die Frage, worin sich genau die Grundsätze auf die Art. 79 III GG (neben jenen des Föderalismus) auf Art. 1, 20 GG beziehen, wird darin eher an den Rand gedrängt. Sie wird meist beantwortet, indem auf die allgemeine Verfassungslehre und eben die Auslegung jener Normen verwiesen wird. Das BVerfG hat namentlich die „großen Strukturprinzipien“ des Art. 20 I GG sowie die Menschenwürde12

9

Vgl. unten 4. BVerfGE 30, 1 (17 ff.). 11 Vgl. erneut unten 4. 12 BVerfGE 30, 1 (25 f.). 10

I. Die FDGO in einer Theorie der Verfassungsgrundsätze  

223

als Grundsätze festgestellt.13 Auf anderen Ebenen hat es allerdings ebenfalls etwa Rechtsgleichheit und Willkürverbot,14 sowie aus Art. 1 II GG das Bekenntnis zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage der menschlichen Gemeinschaft in den Kreis des nach Art. 79 III GG Geschützten einbezogen.15 Unklar ist das Gericht sich vor allem beim individuellen Rechtsschutz.16 Beim Demokratiegrundsatz fordert es zwingend ein bestimmtes Legitimationsniveau der Delegationskette.17 Bei der Menschenwürde grenzt es einen gänzlich nicht mit anderen Belangen abwägungsfähigen Kernbereich der Entwürdigung und privater Lebensgestaltung ab.18 Insgesamt wirkt diese Zusammenstellung weit eklektischer als die ursprüngliche Enumerations-Definition der FDGO.19 cc) Prinzipieller und normativer Verweisungsansatz der Literatur Noch vielfältiger scheint das Bild der Literatur mit unterschiedlichsten, meist sehr detailliert gestaffelten Prinzipien auch unter den Komponenten der FDGO, die „im Grundsatz“ in Art. 79 III GG geschützt sein sollen. Zu deren Fundus und Struktur finden sich freilich zahlreiche weithin abweichende Aufstellungen. Sie knüpfen entweder schlicht verweisend an die einzelnen konkreten Normen, namentlich des Art. 20 II, III GG an, oder aber an die Prinzipien, die vor allem in Art. 20 I GG benannt seien.20 Damit werden weite Teile der Grundsätze und der gesamten Verfassungsordnung unter einen Unabänderlichkeitsvorbehalt gestellt.21 Oft geschieht dies unkritisch im Hinblick auf mögliche Kollisionen der einzelnen mutmaßlichen Teile untereinander, also wenn zur Bewahrung des einen ein anderer Teil eingeschränkt werden soll. Die daraus entstehende Spannung in der Verfassungsordnung, aber auch die tatsächlich hohe Versteinerungsgefahr werden allerdings entsprechend der allgemeinen Judikatur des BVerfG entschärft unter anderem durch die erklärte Unverbindlichkeit gegenüber Modifikationen in Gestalt des überaus restriktiv ausgelegten Merkmals des „Berührens“, sowie durch den mutmaßlichen „pouvoir 13

Zum Demokratieprinzip als solches BVerfGE 89, 155 (182 ff.); Rechts- und Sozialstaatsprinzip als solche BVerfGE 84, 90 (121). 14 Vgl. etwa BVerfGE 84, 90 (120 f.); 94, 12 (34). 15 Über Art. 1 II GG, vgl. grundlegend BVerfGE 94, 49 (102 f.). 16 Als zwingend formal gerichtlicher Rechtsschutz abgelehnt BVerfGE 30, 1 (39 ff.); offengelassen als individueller Rechtsschutz überhaupt indes von BVerfGE 94, 49 (104). 17 BVerfGE 89, 155 (182 ff.). 18 BVerfGE 109, 279 (312 ff.). 19 Vgl. oben B. II. 3. 20 Vgl. etwa neben den bereits im Rahmen der FDGO-Enumeration genannten Elemente, siehe oben B. I. 3., III. 3. c), die Auflistungen bei Ehmke, Verfassungsänderung, S. 101 ff.; Hain, Grundsätze, S. 211 ff. 21 Vgl. exemplarisch v. Münch / Kunig / Bryde, Art. 79 GG Rn. 54, 56 ff.; Sachs / Sachs, Art. 79 GG Rn. 64 ff. zu Demokratie bzw. Rechtsstaat.

224

E. Konstruktion

constituant“. Teilweise wird damit das Problem der präzisen Bestimmung der Reichweite von Art. 79 III GG alleine auf den normativen Gehalt der jeweiligen allgemeinen Staatsorganisationsgrundsätze verwiesen.22 Ein anderer Teil bemüht sich zumindest um eine materielle Beschränkung der Verweisung. Danach soll die Gewährleistung der Normen oder Prinzipien, auf die verwiesen wird, als „Schutz des ‚Grundsätzlichen‘ als des die Verfassungsordnung in ihrer Identität prägenden Wesentlichen“ beschränkt zu verstehen sein.23 Auch dieser Ansatz ist allerdings nicht zu einem überzeugenden konsistenten Modell gediehen, wenn auch die Idee der Verfassungsidentität sich besonderer Beliebtheit erfreut. dd) National-identitäre Theorie der jüngeren BVerfG-Rechtsprechung Vor allem als Grenzmauer gegen eine den Verfassungsrichtern zu weitgehend erscheinende europäische Integration hat das BVerfG seit der Lissabon-Entscheidung den Ansatz u. a. von Kirchhof übernommen.24 Danach soll in Art. 79 III GG „die Verfügung über die I d e n t i t ä t der freiheitlichen Verfassungsordnung selbst dem verfassungsändernden Gesetzgeber aus der Hand genommen“ worden sein.25 Gerichtet ist sie als Abwehr einer zu großen Preisgabe nationaler Staatlichkeit. Sie versteht daher die Identität entsprechend „antisupranational“ und nationalstaatlich. Aus dem Verweis auf die Staatlichkeit und Demokratie in Art. 20 I, II, 79 III GG greift diese Theorie – letztlich auch im Wortlaut und Konzept der „Identität“ – auf den Inbegriff der Lehre von Carl Schmitt zurück.26 Die Identitätskonstruktion

22

Vgl. etwa MKS-Hain, Art. 79 GG Rn. 32 m. w. N. So MKS-Hain, Art. 79 GG Rn. 43 im Versuch einer Brücke zur „Verfassungsidentität“ des BVerfG; ders. Grundsätze, S. 87 ff. 24 Vgl. zum Ganzen Kirchhof, HdbStR (1. Aufl.) I, § 19; vgl. im Übergang von und Anschluss an Schmitt Murswiek, Gewalt, S. 172; ders., Der Staat 32 (1993), 161 (165); ders., JZ 2010, 702 (703, 705 f.); Ohler, AöR 135 (2010), 153 (172 ff.); Isensee, ZRP 2010, 33 (35 f.); Grefrath, AöR 135 (2010), 221 ff. 25 Vgl. etwa BVerfGE 123, 267 (343 ff.); 126, 286 (302); 131, 152 (217); 135, 317 (399); 140, 317 (336 ff.); 146, 216; die Berufungen auf die früheren Entscheidungen geben dies so nicht wieder: die Solange I-Entscheidung BVerfGE 37, 271 (279) setzt gerade eine Verfassungsänderung zur Bewahrung der Identität voraus; BVerfGE 75, 223 (242) spricht die Souveränität, nicht die Identität an, BVerfGE 89, 155 (188 ff.) nur die Identitätswahrung als Teil des Unionsrechts; vgl. Mayer, I.CON 9 (2011), 7575 (781); vgl. zum Ganzen weiterführend allerdings weitgehend unkritisch Cramer, Staatlichkeit, S. 22 ff., 141 ff. mit weiterem Literaturüberblick und exemplarisch zur Detailreichweite des BVerfG bis zur konkreten Budgethoheit, allerdings auch bemerkenswertem Verweis der Identitätsbegrifflichkeit auf Art. 4 II EUV. Allerdings erhebt das BVerfG gerade nicht den unionsrechtlichen Begriff, zudem noch in völlig unklarer Kontur zum Prüfungsmaßstab, sondern den nationalen in der weiter genannten Tradition. 26 Vgl. Schmitt, Verfassungslehre, S. 101 ff.; zur unmittelbaren Vereinnahmung durch Schmitt selbst nach 1949 Preuß, Januarbeschlüsse, S. 46 (48) m. w. N.; vgl. auch als Gegenposition Ehmke, Verfassungsänderung, S. 33 ff.; vgl. zum auch ganzen Folgenden ausführlich Fahrner, Vulnerabilität, v. a. S. 55 ff., 67 ff. sowie bereits oben B. I. 3. a) (1). 23

I. Die FDGO in einer Theorie der Verfassungsgrundsätze  

225

war nur vordergründig gegen die Preisgabe der rechtstaatlichen Demokratie durch eine beliebige destruktive Reichstagsmehrheit gerichtet, duldete es aber gerne, dass sie von manchen Verteidigern der Weimarer Republik missverstanden und verbreitet wurde als ein vermeintlich rettender Strohhalm von rechter politischer Seite. Tatsächlich war sie, wie Schmitts Werk, von Beginn an konsequent nur antiparlamentarisch, namentlich gegen den parlamentarischen verfassungsändernden Gesetzgeber, gezielt. Seine Stellung sollte möglichst beschnitten und einem absoluten Willen des Souveräns bzw. Volkswillen oder dessen kommissarischen Diktator untergeordnet sein. Damit öffnete sie der Projektion eines ihn akklamierenden Volkswillens eines pouvoir constituant durch einen Führer zur Änderung der Verfassungsidentität zwar ebenfalls die Türen. Ob dies indes von Anfang an beabsichtigt war, dürfte ungeklärt bleiben. Denn vor allem berief sie sich „reaktionär“ mit Konnotation auf Rechtsvorstellungen des 19. Jahrhunderts und das Konzept der vertraglich begründeten Bundesverfassung des Kaiserreichs. Nach dieser Lehre könnte über eine durch die Verfassungstheorie umschriebene Identität der Verfassung (und souveräne Nationalstaatlichkeit) nicht von den durch diese erst geschaffenen Mechanismen verfügt werden.27 Dafür findet sich indes, wie richtig etwa von Herdegen und Bryde klar fest­ gestellt, nach den gängigen Auslegungsmethoden keinerlei Anhaltspunkt in Art. 79 III GG oder sonst im Grundgesetz.28 Bereits die Reichsverfassung von 1919 gab hierfür keinen Anhaltspunkt, die Vorstellungen etwa eines Volksgeistes wurden nach der Überwindung der historischen Rechtsschule nur noch von der extremen politischen Rechten vertreten. Erst recht liefert Art. 79 III GG hierfür kein Indiz. Im Gegenteil wird dieser geradezu national-identitär in sein Gegenteil verkehrt.29 Eine konsequente juristische Interpretation des Grundgesetzes in Wortbestand, Systematik, historischem Hintergrund und Sinn und Zweck widerspricht vielmehr einer solchen, von außen aus bestimmtem Blickwinkel herangetragenen Konstruktion. Zu diesem Widerspruch bedarf es nicht noch des Rückgriffs auf die Funktionen der FDGO, wie vorliegend entwickelt, mit denen die national-

27

Siehe oben B. I. 3. a); vgl. BVerfGE 123, 267 (343 ff.); Kirchhof, Brauchen, S. 37, 42; Haack, Verlust, S. 396 ff.; Jestaedt, Der Staat 48 (2009), 497 (506); von Bogdandy, NJW 2010, 1 (2); Nettesheim, Der Staat 51 (2012), 313 (318); Ingold, AöR 140 (2015), 1 (28); Gärditz /  Hillgruber, JZ 118 (2009), 872 (875); Polzin, Verfassungsidentität, S. 154 ff. m. w. N.; bedenkenswert allerdings trotz allem Thym, Der Staat 48 (2009), 559 (562) zur „demokratische Reservekompetenz des Nationalstaats“. 28 Vgl. etwa DHS-Herdegen, Art. 79 GG Rn. 76; v. Münch / Kunig / Bryde, Art. 79 GG Rn. 64; Möllers, Staat, S. 376 ff.; Zweifel auch bei Dreier / Dreier, Art. 79 GG Rn. 55 ff.; Jestaedt, Der Staat 48 (2009), 497 (505 ff.); Ipsen, FS Heymanns Verlag, S. 21 (30 f.); van Ooyen, Sicherheit, S. 276; ders., Staatstheorie, passim; differenzierend Franzius, Verfassungsrechtsdenken, S. 61 ff.; krit. ausführlich Polzin, Verfassungsidentität, S. 36 ff., 59 ff., 154 ff. zu Ambivalenzen, sowie allgemein passim; vgl. weiterhin Sachs / Sachs, Art. 79 GG Rn. 38; Wischmeyer, AöR 140 (2015), 415 ff.; Lepsius, JöR nF 63 (2015), 63 ff.; C. Schönberger, JöR nF 63 (2015), 41 ff.; Dietz, AöR 142 (2017), 78 ff.; Janssen, Garant. 29 Überzeugend van Ooyen, Sicherheit, S. 276.

226

E. Konstruktion

identitäre Setzung ebenfalls unvereinbar scheint.30 Alleine der Verfassungstext umschreibt die geschützten Prinzipien selbst präzise und im Sinn enger bzw. effektiver Interpretation ausschließlich.31 Gleiches gilt für Art. 23 GG und andere zusätzliche Grenzen.32 Dies ist auch gerade das Ergebnis der Verfassungsgenese, in der Vorstellungen eines (nationalen) „Geistes der Verfassung“ auch in seinen idealistischen und nationalen Konnotationen explizit bereits in den präföderalen Landesverfassungen abgelehnt wurden, als eben zu unflexibel und unpräzise; die insoweit exakte technische Verweisungstechnik in Art. 79 III GG war gerade die Folgerung des Parlamentarischen Rates daraus.33 Im Übrigen erklärt sich die Verfassung statt rückwärtsblickend national-identitär ausdrücklich als integra­tionsund entwicklungsoffen.34 Dies intendierten ihre Schöpfer im Hinblick auf die Einbindung des besiegten und befreiten Deutschland nach 1945 in die europäische Einigung als Teil der Ordnung des internationalen Friedens, dem das deutsche sich zu dienen bestimmt hat.35 All dies entspricht weiter der erkennbaren Intension im weiter ausgedrückten Sinn und Zweck des Grundgesetzes. ee) Fortentwicklungen einer Verfassungsidentität im weiteren Sinn Fraglich scheint indes, ob eine „Verfassungsidentität“ als weiter gefasster und abstrakter verstandener Ansatz jenseits dieses speziellen nationalen Verständnisses zu einer Klärung des Art. 79 III GG führen bzw. beitragen kann.36 Er könnte dann darin bestehen, in Art. 79 III GG und der FDGO einen – umfassend zu schützenden  – Kernbereich zu suchen. Im Unterschied zum national-identitären Ansatz ist allerdings zu berücksichtigen, dass die FDGO als „skalierbar“ und vom Staat­ bestand unterschieden aufgefasst werden muss, also nicht wesensmäßig alternativlos mit dem souveränen Nationalstaat verbunden ist.37 Dieser Zuordnung entkleidet, bleibt die Behauptung eines absolut zu schützenden Kerns des Demokratieprinzips als solchem möglicherweise weiter nutzbar.38 Dessen Gewährleistung muss dann 30

Namentlich Fortschrittlichkeit und Verfassungsauslegungspluralismus, s. o. C. II. 3., III. sowie integrativem Minimum, IV. 2. 31 Für die vorliegenden Fragen leistet die Argumentationsfigur hingegen über die allgemeine Suche nach „Kernbereichen“ keinen wesentlichen Beitrag vgl. insbesondere Polzin, Verfassungsidentität, v. a. S. 85 ff. m. w. N. 32 Vgl. etwa Sachs / Sachs, Art. 79 GG Rn. 82. 33 Vgl. oben B. I. 4. 34 Vgl. weiter unten II., III. 35 Vgl. bereits den Vorspruch des Grundgesetzes in der Fassung von 1949, sowie die frühen Debatten um Marshallplan, OEEC, EGKS, EVG / EPG und Europarat, anknüpfend an die paneuropäischen Visionen . 36 Vgl. etwa den interessanten Ansatz von Cramer, Staatlichkeit, S. 142 ff. der an die Merkmale des Art. 79 III, 20 I GG anknüpfen will, dann aber doch weitgehend das BVerfG bis hin zur Budgethoheit aufnimmt. 37 Vgl. oben D. IV. 1. a) dd). 38 Allerdings ist festzustellen, dass es sich dabei um aliud handelt, welches nicht aus dem offenen, skalierbaren Demokratieprinzip der FDGO hergeleitet werden kann, jedenfalls so-

I. Die FDGO in einer Theorie der Verfassungsgrundsätze  

227

nicht notwendig letztlich „ewig“ gerade auf einer Ebene des „deutschen“ Staates Bundesrepublik verbunden bleiben, jedoch allgemein mit einer staatlichen Organisation und Durchsetzungsfähigkeit nach außen und innen.39 (1) Tatsächlich werden durch Rechtsprechung und Lehre einige Ansätze unternommen, das geschützte „Grundsätzliche“ in Art. 79 III GG als das „die Verfassungsordnung in ihrer Identität prägende Wesentliche“ zu beschreiben.40 Jedoch hat es sich – ebenso wie bei Art. 19 II GG41 – nicht als weiterführend erwiesen, einen solchen Identitätskern von einem normativ ungeschützten „Vorbereich“ schematisch, statisch und dichotomisch abzutrennen.42 (2) Das gleiche gilt für die Theorie eines Toleranzbereichs gegenüber dem ausgegrenzten Gegenbild des Totalitarismus namentlich bei Dürig und Schmitt Glaeser.43 Dieser Ansatz muss sich nicht nur seine politischen Wirkungen,44 sondern ebenso vor allem objektive Unbestimmtheit und Unbestimmbarkeit entgegenhalten lassen. Eine angemessene Präzisierung, was aus der angeführten reichen historischen Tradition vertretbar oder unvertretbar ist, ist nicht erfolgt. Dies gilt, obwohl Dürig bereits früh Beispiele genannt hat, darunter mediatisierende Repräsentation, Sperrklauseln bei Wahlen, Präsidialsystem oder andere Modifikationen der Gewaltenteilung und der Ausbalancierung von Freiheit und Gleichheit.45 Zudem wird das Problem strategischer autoritären Aushöhlung der Verfassung in Einzelschritten und rein tatsächlichen faits accomplis vollständig ausgeblendet. Weiterführend erweist sich allerdings die Vorstellung eines  – positiv gewendeten – grundsätzlichen Kerns, welcher zudem in die üblichen Verfassungsprinzipien weiter ausstrahlt, dessen Schutz jedoch nicht unvermittelt an einer fest gezogenen Grenze vollständig endet. weit die neue staatliche Ordnung keine wesentlichen strukturellen Defizite im Hinblick auf die Demokratie und anderen FDGO-Komponenten aufweist., vgl. die Begründungen bei Di Fabio, Der Staat 32 (1993), 191 (199 ff.); überzeugend Polzin, Verfassungsidentität, S. 163 ff.; dagegen zunächst im Hinblick auf konkrete und generelle Demokratie BVerfGE 89, 155 (172, 182 ff.). 39 Bei letzterem kann der Einwand von Gärditz / Hillgruber, JZ 118 (2009), 872 (875) begründet aus ersterem daher nicht überzeugen. 40 Vgl. BVerfGE 113, 273 (295) zum Rechtsstaat bei Auslieferung eigener Staatsangehöriger; BVerfGE 125, 260 (324) zur Vorratsdatenspeicherung; MKS-Hain, Art. 79 GG Rn. 43; gegen die EMRK zum Beamtenrecht BVerfGE 148, 296 (355). 41 Vgl. hier nur etwa neben der gleich folgenden Prinzipientheorie Alexys v. Münch / Kunig /  Kerkemeyer, Art. 19 GG Rn. 51 m. w. N. 42 Vgl. etwa Sachs / Sachs, Art. 79 GG Rn. 36; nun in gleicher Richtung etwa DHS-­Remmert, Art. 19 Abs. 2 GG Rn. 40; vgl. weiter Drews, Wesensgehaltsgarantie, S. 189 ff.; Schaks, JuS 2015, 407 (410). 43 Vgl. oben B. III. 1. b); hier nur nochmals DHS-Dürig, Art. 18 GG Rn. 49, z. B. Aufl. 1964 zit. nach Denninger, Grundordnung I, Nr. 11 (S. 156 f.) als wohl erste Fundierung für die bereits oben genannten weiteren Schriften; grundlegend für die Fortentwicklung Schmitt Glaeser, Missbrauch, v. a. S. 138 ff. 44 Vgl. oben A. I. 3. 45 DHS-Dürig, Art. 18 GG Rn. 56, z. B. Aufl. 1964 zit. nach Denninger, Grundordnung I, Nr. 11 (S. 159 f.).

228

E. Konstruktion

b) Ansatz einer Grundsatztheorie der FDGO Vorliegend soll demgegenüber ein neuer Ansatz „von Grund auf“ untersucht werden. Mit ihm sollen die vorgenannten Lehren und daraus gezogenen Folgerungen aufgegriffen werden. Vor allem soll er jedoch unmittelbar an dem Begriff des Grundsatzes vor allem in Art. 79 III GG,46 anknüpfen und ihn als normative Idee würdigen (aa). Danach soll der Ansatz den Begriff in Bezug auf die FDGO und ihre Verankerung in Art. 79 III GG mit Gehalt füllen, indem zunächst relevante Grundsätze identifiziert (bb) und daraus unter Weiterentwicklung der Prinzipientheorie (cc) modellhaft verknüpft werden (dd). aa) Gehalt des Grundsatzes Zum Begriff des Grundsatzes findet sich kaum eine nachweisbare propädeu­tische Befassung der Rechtswissenschaft.47 In der gängigen juristischen Dogmatik wird er regelmäßig unkritisch mit dem Prinzip gleichgesetzt und sodann meist anhand der grundrechtlichen Prinzipientheorie von Alexy auch bei Art. 79 III GG diskutiert.48 Wer den Verfassungstext allerdings ernstnimmt, kommt am eindeutigen Wortlaut nicht vorbei, welcher den Begriff auffallend doppelt bei den Grundsätzen der Art. 1 und 20 und der grundsätzlichen Mitwirkung der Länder an der Gesetzgebung betont. Explizit macht sich der Sinn und Zweck, der Schutz eines Verfassungskerns, an den Grundsätzen (und keiner hypostasierten „(nationalen) Identität“) fest.49 Gleiches gilt für ausstrahlende und fortwirkende Normen wie namentlich Art. 23 I 1, 28 I 1, 98 II 1, 143 I 2 GG und, partiell gewendet, Art. 16 II 2, 21 I 2, 123 II GG. Auch dort werden (die) Grundsätze als Bezugspunkt ausdrücklich genannt oder auf sie Bezug genommen. Von Prinzipien oder ähnlichem ist dort nicht die Rede. Aus der allgemeinen Wissenschaftstheorie, der Verfassungs- und Rechtswissenschaft lassen sich Kriterien gewinnen, die an einen Grundsatz zu stellen sind. Der Gehalt eines Grundsatzes kann für den vorliegenden verfassungsdogmatischen Kontext daraus anhand folgender Kriterien erarbeitet werden: (1) Wissenschaftstheoretisch liegt im Begriff „Grund-Satz“ zunächst vor allem das theologische Dogma nahe als „norma normans“ in Form einer feststehenden 46

Vgl. aber auch Art. 16 II 2, 21 I 2, 23 I 1, 28 I 1, 98 II 1, 123 II, 143 I 2 GG. Auch nicht in der juristischen Methodenlehre oder Wissenschaftstheorie trotz einiger, wenn auch nicht umfassender Recherche; mit der verpönten Begriffsjurisprudenz als letztem Versuch geschlossener deduktiver Systeme und spätestens der rein formal-rechtlichen Grundnorm-Fiktion Kelsens wird im anderen Extrem ein wenig verbindlicher Leitbildcharakter der Grundprinzipien behauptet; die Erörterungen zu den Haushaltsgrundsätzen in Art. 109 IV,109a I Nr. 3 GG sowie zu den Grundsätzen zu bestimmten Sachmaterien, etwa dem Beamtentum in Art. 33 V GG oder dem Naturschutz in Art. 73 III 1 Nr. 2 GG scheinen hierfür wenig ergiebig. 48 Vgl. auch zum Folgenden exemplarisch Hain, Grundsätze, S. 82 ff. 49 Insbesondere die Hypostasierung in BVerfGE 123, 267 (343 ff.) in nicht nur methodisch, sondern auch historisch-teleologisch überaus fragwürdiger Regression auf Carl Schmitt. 47

I. Die FDGO in einer Theorie der Verfassungsgrundsätze  

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Definition oder grundlegenden, normativen Lehraussage. Über den religionswissenschaftlichen Bereich hinaus kann er aufgrund seines Wahrheits- bzw. Richtigkeitsanspruch im weiteren Denksystem als unumstößlich jedenfalls axiomatisch festgestellt verstanden werden.50 Das kunstvolle erkenntnisphilosophische System der Grundsätze, welches vor allem Kant in der Kritik der reinen Vernunft ausbreitet,51 kann für die vorliegende normative Aufgabe trotzdem in den Hintergrund treten. Wichtig bleibt im rechtsdogmatischen Modell, dass Grundsätze extern gesetzt und so an die wissenschaftliche Theorie und ihre Folgerungen herangetragen werden. Das heißt, innerhalb des Modells wird der Grundsatz nicht als solcher abgeleitet, wenn auch durch dessen Einsichtigkeit als Reflex plausibilisiert. Vor allem bedarf das Axiom keines Beweises (sofern dieser überhaupt positiv zu leisten wäre).52 Damit korrespondiert, dass gerade unter Wahrung der hermeneutischen Pluralität53 es im Sinne der Integration und Stabilität der FDGO erforderlich ist, einen zwingend zu schützenden und geschützten Ankerpunkt zu identifizieren, welcher in seiner Existenz  – wenn auch nicht sämtlichen Umfangs und letzter Konkretisierung – außer Streit gestellt ist. (2) In der Rechtswissenschaft hat ein Grundsatz normativ eine eigene, formulierbare grundlegende Sollens-Aussage als Basis von Beurteilung und Handlungsge­ bot zu sein.54 Ohne weiteres kann sie sehr abstrakt gefasst und an unterschiedlichste Adressaten gleichzeitig in verschiedenster Weise gerichtet sein und intensive Konkretisierungen erfordern. Allerdings muss möglich sein festzustellen, wann sie erfüllt und beachtet sind und wann nicht, letztlich als normative Umschreibung ebenso wie bei Subsumtion konkreter empirisch festgestellter Sachverhalte. (3) In einem rationalen System müssen die Grundsätze untereinander konsis­ tent bestehen können und sollen beitragen, die Komplexität reduzieren. Dazu müssen sie auch sprachlich allgemein vermittelbar sein, wenn auch mit weiteren hermeneutisch-methodischen Hilfsmitteln, namentlich der klassischen juristischen Auslegungsmethode. (4) Die Grundsätze dienen ihrerseits als Basis deduktiv ableitbarer Prinzipien und Regeln.55 Sie sind jedoch selbst nicht mehr (allgemein anerkannt) innerhalb 50

Vgl. etwa Rahner, Dogmatik, S. 13 ff. m. w. N. Vgl. Kant, KrV, A158 ff. / B197 ff. 52 Dies erscheint zweifelhaft einerseits wegen der bloßen Falsifizierbarkeit von Vermutungen, andererseits aufgrund der rein normativen nicht-empirischen Anlage, die reale Subsumtion ist davon unabhängig. 53 Vgl. oben C. II. 3. 54 Vgl. für die allg. A. etwa Börner, JA 2014, 1258; Kunz / Mona, Rechtsphilosophie, Rn. 197 ff. jeweils m. w. N. 55 Vgl. etwa auch Jarass / Pieroth, Art. 79 GG Rn. 16; dabei können die Grundrechte mit Alexy und der h. M. durchaus vorrangig prinzipiell verstanden werden, sie sind allerdings keine Grundsätze, da sie weiter rückführbar erscheinen, etwa die Freiheitsrechte auf Art. 2 I GG, dieser wiederum auf die Menschenwürde und Rechtsstaat, der status activus zudem auf das Demokratieprinzip. 51

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E. Konstruktion

des Systems weiter rückführbar und damit möglichst weitgehend in ihrer normativen Aussage auch von einander unabhängig.56 An der Grenze des Modells kann indes durchaus der Vorgang, wie die Grundsätze konkret gesetzt wurden, plausibel gemacht werden. Dazu dienen vorliegend die verschiedenen schwerpunktmäßigen vor allem historischen (siehe oben bereits B.), teleologisch-funktionalen (C.) und weiteren systematischen (D.) Analysen, die bereits oben angestellt wurden, ohne dass diese nochmals im Einzelnen zu berichten sind. Namentlich sollen die Grundsätze und die Grundsatztheorie der FDGO so formuliert sein, dass sie die entwickelten Funktionsanforderungen (C. I.–IV.) erfüllen können. Sie müssen folglich den funktionalen Erfordernissen der Menschenwürde mit dem inhaltlichen und methodischen Subjektivismus, der Pluralität auch in der Verfassungshermeneutik, der Fortschrittlichkeit und der Friedlichkeit genügen. Der Nichtableitbarkeit als Grundsätze steht auch nicht entgegen, dass sie sich als Begriffe teilweise im Wortlaut des Grundgesetzes wiederfinden bzw. als Inbegriff bestimmter Normen allgemein anerkannt gelten. Die präzise Deutung ist letztlich in der Modellkon­ struktion davon grundlegend autonom, folgt jedoch in kritischer Wechselwirkung mit dem Verfassungstext. (5) Grundsätze müssen zwar allgemeine Geltung beanspruchen. Sie tragen jedoch, wie das Prinzip, die mögliche Ausnahme in sich, beide gelten eben im Alltagswortsinn „grundsätzlich“, nicht generell.57 Dies kann vor allem über eine Of­ fenheit, gar Unverbindlichkeit der Ableitung oder aber in Konfliktregeln wie nach der optimierenden Prinzipientheorie begründet werden. Dies trägt auch wesentlich bei, die genannten Funktionsanforderungen der FDGO zu erfüllen, namentlich die Verfassungspluralität. Allerdings müssen Grundsätze in ihrer Verbindlichkeit über unbegrenzt untereinander optimierbare Prinzipien wesentlich hinaus gehen, um überhaupt taugliches Substrat eines Wesensschutzes sein zu können. bb) Identifizierung von Grundsätzen der FDGO Für die vorliegende Aufgabe sind nur die Grundsätze der FDGO selbst weiter zu betrachten. Soweit weitere in Art. 79 III GG hinzutreten, mithin namentlich zur Bundes- und Sozialstaatlichkeit und Republik, sind hier folglich nicht weiter zu identifizieren und zu konstruieren.58 Die vom BVerfG benannten Komponenten der FDGO sollen hier als Ausgangspunkt angenommen werden, mithin Menschenwürde, Rechtsstaat und Demokratie als die Grundsätze der FDGO geprüft 56

In diesem Sinn sind etwa die Grundrechte zwar (vor allem) Prinzipien im Sinn von Alexy, aber keine Grundsätze, da die Freiheitsrechte auf Art. 2 I GG, dieser wiederum auf die Menschenwürde rückführbar sein soll. 57 Vgl. dazu auch sogleich unten cc). 58 Vgl. allerdings bereits oben zum Sozialstaat D. II. 2. c), zur Bundesstaatlichkeit nennt Art. 79 III GG selbst bereits einen Kernbereich in der grundsätzlichen Mitwirkung an der Gesetzgebung und der Gliederung des Bundes in Länder überhaupt.

I. Die FDGO in einer Theorie der Verfassungsgrundsätze  

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werden.59 In Bezug auf Art. 79 III GG wird aus dem bisherigen Erkenntnisstand somit einer prinzipiellen Verweistheorie zunächst einen Schritt gefolgt. Vorbehaltlich weiterer Ausformung sind diese Komponenten-Grundsätze, wie bereits oben gezeigt, zur Komplexitätsreduktion, etwa gegenüber einer ElementeEnumeration, geeignet. Sie sind tauglicher Ausgangspunkt weiterer Prinzipien wie Regeln, weitestgehend von einander unabhängig, nicht sinnvoll weiter dogmatisch reduzierbar und allgemein.60 Die konkreten Ausformungen in Art. 20 II, III GG, wiewohl im Wortlaut des Art. 79 III GG als Referenz benannt, sind hingegen als davon abgeleitete Normen zu bewerten. Denn sie können auf die Grundsätze von Demokratie und Rechtsstaat deduktiv zurückgeführt werden. Die Grundsätze der Demokratie und des Rechtsstaates sind in außerrechtlicher Perspektive namentlich auf die Friedensfunktion als methodische Umsetzungen zurückzuführen.61 In ihrer Komplementarität um das Gesetz sind sie sowohl umfassend wie gemeinsam abschließend zur friedlichen politisch-rechtlichen Konfliktlösung im Gemeinwesen gedacht. Die weiteren Funktionsmerkmale und die Korrespondenz mit dem Verfassungstext bleiben weiter anhand der konkreten Ausgestaltung des Grundsatz-Gehaltes zu überprüfen.62 Allerdings muss dieser normative Befund, um argumentativ zufriedenstellend verwendet werden zu können, die innere Ausgestaltung der Grundsätze im Sinne einer normativen Verweistheorie plausibel widerspiegeln. Die genannten Grundsätze dürfen namentlich keinesfalls hinter dem Garantiegehalt der konkreten Normen, auf den Art. 79 III GG verweist, zurückbleiben. cc) Die Prinzipientheorie und ihre Fortentwicklung Derartig konstruierte Grundsätze der FDGO müssen – ganz im Sinn der Forderung von Cicero im Werk über die Res Publica – gerade angesichts ihrer Funktionen möglichst rechtssicher ausgelegt und angewendet werden, beziehungsweise für zielgerichtete Diskurse über ihren weiteren Inhalt in ihrer Struktur geklärt werden.63 59

Unabhängig von der zusätzlichen transkonstitutionellen prädikativen Ebene, siehe dazu oben D. II.; vgl. die weitgehende Übereinstimmung mit der politikwissenschaftlichen Minimalkonsenstheorie namentlich bei Eisel, Minimalkonsens, S. 50 ff. 60 Vgl. hierzu und zum Folgenden bereits oben B. I. 4., speziell zu Rechtsstaat und Demo­ kratie oben C. IV. 1. d), sowie Fahrner, Vulnerabilität, v. a. S. 87 ff., 126 ff.; die Allgemeinheit ergibt sich aus den genannten Funktionserfordernissen, vgl. oben C. Auf bzw. hinter die Funktionalitäten selbst kann auch juristisch nicht sinnvoll zurückgegriffen werden, da diese sich am Rande bzw. jenseits rechtlicher Dogmatik befinden, die konkreten normativen Inhalte der freiheitlichen rechtsstaatlichen Demokratie, vgl. wiederum die Zusammenschau bei Fahrner, Vulnerabilität, S. 130 ff. und ders., HdbSiStR, § 4 Rn. 2 ff., werden ihrerseits von den genannten Grundsätzen „aufgespannt“. 61 Vgl. nochmals oben C. IV. 1. d). 62 Dazu ist dieser Gehalt zunächst präzise zu konstruieren, vgl. zunächst unten 2. und 3. 63 Vgl. bereits etwa Cicero oben am Kopf von A. I.

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E. Konstruktion

Methodisch kann dazu auf die verfassungsrechtliche Prinzipientheorie aufgebaut werden. Diese stellt einen geradezu mathematisch-logischen Modellrahmen für das Verständnis von Normen der Verfassung in ihrem normativen Gesamtsystem bereit. Als allgemeine Normtheorie auch in der Tradition der zivil- und allgemeinrechtlichen Methodenlehren ist sie namentlich von Alexy und anderen im Bereich der Grundrechte entwickelt worden. Als eine im Kern normative Konfliktund Kollisionslösungslehre sollte sie auch die staatsorganisatorischen Normen des GG mit einbeziehen, hat dies allerdings nie umfassend ausformuliert.64 (1) Rechtsnormen lassen sich nach Alexy im Ansatz unterteilen, ob sie als Gebot und Maßstab stets nur erfüllt oder nicht erfüllt werden können (Regeln) oder auch nur bedingt und graduell, d. h. (nur) eine möglichst hohe Realisierung gebieten (Prinzipien).65 Ein Konflikt zwischen Regeln kann nur gelöst werden, indem eine Ausnahmeklausel oder Ungültigerklärung „unterlegener“ Regeln geschaffen wird. Dagegen sind Prinzipien mit Hilfe von Optimierungsvorgängen in Einklang (Konkordanz) zu bringen.66 (2) Die zunächst behauptete ausschließliche Alternativität von Prinzip und Regel67 muss indes einerseits bereits dahingehend systemimmanent dadurch relativiert werden, dass die Konfrontation von Prinzipien in Regelform dargestellt werden kann.68 Diese reine Abbildbarkeit darf allerdings nicht zu dem Fehlschluss verleiten, dass diese „Prinzipienkonfliktregeln“ allgemeingültig feststehen würden: Wäre das Optimierungssystem aller Prinzipien regelhaft determiniert, ließe es sich zwar insgesamt in ein reines starres Regelsystem übersetzen.69 Allerdings würde gerade der Kern der Prinzipien und der Nutzen ihrer Einrichtung gegenüber Regeln verkannt. Dieser liegt – als Überwindung der hierarchischen Systemversuche zuletzt der Begriffsjurisprudenz – in der Offenheit der Optimierung. Sie ermöglicht unter anderem die Realisierung der verschiedenen Ebenen der Pluralität und Fried­ lichkeit durch offene Diskurse und demokratisch-rechtsstaatliche Entscheidung,

64 Zur Verallgemeinerung vgl. etwa Sieckmann, Regelmodelle; ders., System; ferner die Beiträge in: Borowski / Paulson / Sieckmann (Hg.), Rechtsphilosophie; die von Hain, Grundsätze, S. 118 ff. m. w. N. selbst und rezipierte Kritik hilft insoweit für die Fragestellung nicht weiter, da der rein diskursiv-offene Optimierungsansatz aus Sicht des zwingenden Schutzes der FDGO keine brauchbare Lösung darstellt. 65 Alexy, Theorie, S. 75 f., 87 ff. m. w. N.; vgl. ebd. S. 72 im Überblick zu alternativen Trennungen zwischen Regeln und Prinzipien, die hier weniger weiterführend scheinen. 66 Alexy, Theorie, S. 77 ff.; Sieckmann, Regelmodelle, S. 68; insoweit vor allem Dworkin, Rights, fortentwickelnd; beachte insbesondere die Weiterentwicklung im Hinblick auf Prinzipien als Optimierungsgegenstände Alexy, Struktur, S. 31 (38 f.); ders., Sollen, S. 21 f. 67 „Jede Norm ist entweder eine Regel oder ein Prinzip“, so Alexy, Theorie, S. 77 unter Berufung auf Dworkin, Rights, S. 22 ff., 71 ff. 68 Alexy, Theorie, S. 82 ff. 69 Vgl. etwa Sieckmann, Regelmodelle, S. 65; Poscher, RW 2010, 349 (351 ff. m. w. N.); zu Modifikationen der Theorie im Überblick Borowski, Grundrechte, S. 68 ff.

I. Die FDGO in einer Theorie der Verfassungsgrundsätze  

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auch als Gebot der kreativen Konfliktvermeidung.70 Ebenso ermöglicht die offene Prinzipienoptimierung auch Fortschritt durch Umsetzung von Erkenntniszuge­ winn oder schlicht neuer Ansätze. (3) Andererseits ist bei Anwendung auf das Grundgesetz das im Ansatz hilfreiche Modell weiter fortzuentwickeln. Die Dichotomie von Regel und Prinzip muss bereits modifiziert werden, um die Grundrechte entsprechend ihrer Normtexte erfassen zu können: Sie bleiben zwar zunächst prinzipiell konzipiert; die einzelnen Beschränkungen und Schranken-Schranken, wie der Wesensgehaltsschutz des Art. 19 II GG oder qualifizierte Vorbehalte sind jedoch nur über zusätzliche Regelkomponenten aufzunehmen.71 dd) Konflikt und Konkordanz der Grundsätze Verstünde man die Grundsätze des Art. 79 III GG als reine, offen optimierungsfähige Prinzipien, würde dies Wortlaut und Funktion des Schutzes vor unbegrenzten Verfassungsänderungen und darin der FDGO im Wesen widersprechen.72 70

Prozedural bedeutet etwa die praktische Konkordanz i. S. v. Hesse, zwischen Prinzipien eine möglichst optimierte Anwendung im konkreten Fall zu finden, die nicht nur zwingend im (graduellen) oder völligen Vorrang eines Prinzips über das andere in einem Nullsummenspiel bestehen muss, sondern „in der Problemlösung einander so zugeordnet werden, daß jedes von ihnen Wirklichkeit gewinnt […], damit beide zu optimaler Wirksamkeit gelangen können“, vgl. hierzu und zum Folgenden Hesse, Grundzüge, Rn. 72, 318 ff. m. w. N.; dem zust. etwa BVerfGE 41, 29 (51); 77, 240 (253); 81, 298 (308); Lübbe-Wolff, FS Kirchberg, S. 143 ff.; ähnlich bereits Lerche, Übermaß, S. 125 ff.; Morlok / Michael, Staatsorganisationsrecht, Rn. 94. Dies muss allerdings, im Rahmen der demokratisch fundierten Gewaltenteilung, grundsätzlich im Rahmen der Verhältnismäßigkeit des demokratisch prozedural und nicht a priori materiell rückgebundenen Gesetzgebers (vgl. oben C. II.; Fahrner, Vulnerabilität, S. 53 ff., 91 ff., 162 ff.) und seines bei verfassungsunmittelbarer Kollision ohne gesonderten Gesetzesvorbehalt allerdings mutmaßlich reduzierten jedoch grundsätzlich verbleibenden Beurteilungsspielraums erfolgen, auch um die Fortschrittsfunktion (vgl. oben C. III.) zu wahren vgl. insoweit auch ausdrücklich Fischer-Lescano, KJ 2008, 166 (v. a. S. 171, 173 ff.); Manterfeld, Grenzen, S. 1 ff. m. w. N.; bereits die formal zugewiesene Kompetenz des Gesetzgebers wird in der Perspektive einseitig verkannt, wenn ihr lediglich der Charakter eines formellen Prinzips für die Optimierung, dann also durch vermeintlich allein maßgeblich verantwortliche die (Verfassungs-)Gerichtsbarkeit, zugewiesen wird wie von Alexy, Theorie, S. 89, 120, hingegen S. 100 ff. m. w. N. über den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz als Wesen des Prinzips die Abwägung andeutend. 71 Zwar bleibt Alexy bei der exklusiven Alternativität je konkreter Norm, unterstellt aber der jeweiligen Grundrechtsbestimmung, Normen beider Arten zu enthalten, vgl. Alexy, Theorie, S. 95 ff., 120 ff.; vgl. insoweit auch überzeugend die Kritik Poscher, RW 2010, 349 (363) an der vermeintlichen Doppelnatur der Grundrechte, jedoch die rein konstruktive Natur verkennend. 72 Eine Ähnlichkeit kann dabei in der Abgrenzung eines „Geistes“, „Wesens“ oder „Kerns“ erkannt werden, vgl. oben die historischen Diskussionen B. I. 4.; Dies erscheint bereits rechtstheoretisch (s. obige Definitionen) für (auch „absolute“) Prinzipien ausgeschlossen, in einem pluralen a posteriori-Optimierungsprozess aber erst recht nicht vorherbestimmbar. Die Durchsetzung eines Prinzips lässt sich nur durch eigentlich systemfremde Hierarchisierungen in Prin-

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E. Konstruktion

Unterlägen sie einem hermeneutisch freien und nur begründungsbedürftigen Abwägungsprozess mit der Folge bis zur vollständigen Nichtberücksichtigung im konkreten Fall, gäbe es kein Substrat eines Schutzes. Es sind mithin Konfliktregeln erforderlich, die einen festen Kern der Grundsätze identifizieren und abschirmen.73 Gleichzeitig beschränken sich die Grundsätze nicht nur auf diesen „harten“ Kern. Sie müssen ebenso als Prinzipien in einem Ausstrahlungs- und Ableitungsbereich weiterer Prinzipien und Regeln maßgebend wirken können, und darin beachtet und dies gleichfalls geschützt sein.74 (1) In ihrem Kernbereich gelten die Grundsätze mit regelhaftem absolutem Vorrang nach außen. Sie sind also durch extern angelegte Prinzipien nicht im Rahmen des Art. 79 III GG zu relativieren. Allenfalls gleichermaßen und damit gleichrangig im Kern stehende Grundsätze sind konsistent untereinander in Ausgleich zu bringen, soweit dies ausnahmsweise erforderlich wäre. So könnten auch verfassungsändernd etwa in diesem Kern die gleiche Menschenwürde, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit nicht hermeneutisch offen auf (eben nicht bestehender) gleicher Ebene mit ihnen widersprechenden weltanschaulichen oder religiösen Überzeugungen einer Mehrheit nach Art. 4 I GG optimierend abgewogen werden, sondern es muss ihnen zwingend Vorrang zukommen. Beispielsweise können Folter, Steinigung und Lynchjustiz nicht unter einem absoluten noch so qualifiziert mehrheitlichen Volkswillen und Rechtsüberzeugung eingeführt werden. Dies gilt, wiewohl beide letztgenannten Argumente sich auf Demokratie bzw. Rechtsstaatlichkeit zu berufen suchen und per se auch können. (2) Außerhalb ihres Kernbereichs sind Grundsätze hingegen prinzipienhaft zu optimieren, nicht nur untereinander, sondern auch mit anderen Prinzipien.75 zipiengruppen erhoffen. Um die FDGO wirksam auch vor dem Hintergrund von Art. 79 III GG zu schützen, erwiese sich damit deren reine Zuordnung als Prinzipien ungeeignet; Vgl. Alexy, Theorie, S. 82, 94 ff. auch unter Berufung auf BVerfGE 51, 324 (345 f.); daneben ­D workin, Rights, S. 24 ff.; insoweit gegen das reine Verfassungsprinzipienmodell von v. ­Hippel, Wesensgehalt, S. 15 ff. als Ansatz auch angedeutet von Alexy, Theorie, S. 104 ff. 73 In der klaren Trennung des notwendigen Kerns aber auch möglichst weitgehender Optimierung erweist sich auch die, von Alexy angelegte Abschichtung von mehreren Prinzipien­ gruppen (also nicht nur solcher bezüglich Abwägung mit vorbehaltlosen und solcher unter Gesetzesvorbehalt stehender Grundrechte, sondern etwa solchen innerhalb und außerhalb des Art. 79 III GG oder nur der FDGO) ungeeignet, vgl dazu wohl der Ansatz der Deutung der Abhörentscheidung BVerfGE 30, 1 (25 ff.) von Alexy, Theorie, S. 96 f., 118 ff. m. w. N.; einen ersten Ansatz für die hierarchische Abschichtung einer Ewigkeitsklausel in den Prinzipien liefert etwa Martinico, Hong Kong Journal of Law and Public Affairs 2 (2020), 37 (40). 74 Daraus ergibt sich eine methodische, nicht inhaltliche Parallelität zu Art. 19 II GG, der sozusagen „eine Ebene tiefer“ bei den Prinzipien der Grundrechte angesiedelt bleibt. Systematisch klar ist, dass Art. 19 II GG nicht selbst von Art. 79 III GG umfasst oder auf ihn verwiesen ist, nach ganz h. M. ist, aufgrund der unterschiedlichen Stufen plausibel, der Wesensgehalt weiter zu fassen als der nach Art. 79 III GG für Grundrechte geschützte „Menschenwürdegehalt“, vgl. auch grundlegend BVerfGE 109, 279 (310 ff.). 75 Vgl. etwa für den Prinzipienbereich des Sozialstaatsprinzips den innerstaatlichen Ausgleich von Kriegsfolgeschäden, BVerfGE 84, 90 (125 f.).

I. Die FDGO in einer Theorie der Verfassungsgrundsätze  

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So können etwa Staatsbestand, Friedlichkeit,76 europäische Einigung,77 religiöse Toleranz78 oder Umweltschutz in offener Weise in Konkordanz gebracht werden mit den Ausstrahlungsbereichen von Rechtsstaatlichkeit oder Demokratie, nicht aber etwa mit deren Kernbereich oder jenem der Menschenwürde. Hier kann auf die (im Folgenden weiter auszuführenden) Erkenntnisse zur „prinzipiellen Missachtung“ zurückgegriffen werden, die das BVerfG postuliert und Hain wesentlich präzisiert hat.79 Für die besondere Bedeutung der Grundsätze ergeben sich, um Pluralismus und Fortschrittlichkeit zu wahren, keine weiteren zwingenden Vorrangregeln. Allerdings ist die Plausibilität der gefundenen Optimierung an der verfassungsdogmatischen Methodik und insbesondere auch den funktionalen Erfordernissen der FDGO zu messen. Dabei kann auch gelten, dass ein Grundsatz sich umso mehr durchsetzen muss, je näher der Kern „angetastet“ wird. In der Plausibilisierung können der funktionalen Bedeutung für die Einheit der Verfassung,80 dem vorgefundenen Normensystem, historischen und rechtsvergleichenden Argumenten besondere Beachtung zukommen. Aus Sicht des Schutzes der FDGO kann der weitere Metadiskurs über die plausible Optimierung und damit ihre Rechtssicherheit im Übrigen der allgemeinen Verfassungsrechtslehre und -praxis überlassen bleiben.

2. Grundsatzkern der Komponenten der FDGO Bei der konkreten Suche nach dem Kern der Komponenten-Grundsätze der FDGO ist, wie bereits angedeutet, nach allgemeinen Auslegungskriterien auf die bereits entwickelten Hilfsmittel zurückzugreifen. Dabei sind zunächst Genese und Wortlaut der Verweise von Art. 79 III GG zu beachten. Dazu zählen auch etwa die ergänzten Verfassungsnormen (Art. 10 II 2, 19 IV 3 GG), welche jedenfalls die (umfassende) „Gerichtsweggarantie“ als Teil des Rechtsstaatlichkeitskerns ausschließen. Dies deckte sich insoweit mit der Rechtslage vor ihrer Einführung, da Art. 79 III GG seit jeher statt allgemein auf das Rechtsstaatsprinzip (nur) konkret auf Art. 20 II 2 HS. 2, III GG verweist.81 Gerade auch in Art. 20 I GG wird der Rechtsstaat nicht generell genannt, nur der demokratische und soziale Bundesstaat. Für die Demokratie findet sich dagegen ein doppeltes Verweisungsziel in Art. 20 I und II GG, wobei ersteres weiter gefasst 76

Vgl. etwa BVerfGE 84, 90 (123 ff.); 113, 273 (296 ff.) m. w. N., ohne dass der eigener Grundsatzcharakter außerhalb von Art. 79 III GG hier zu erläutern ist. 77 Grundlegend BVerfGE 89, 155 (183 ff.). 78 Vgl. außerhalb von Art. 79 III GG etwa BVerfGE 32, 98 (105 ff.). 79 Siehe unten 4. 80 Vgl. etwa Ehmke, Verfassungsänderung, S. 136 f., passim. 81 Vgl. insoweit richtig BVerfGE 30, 1 (24 ff.) auch historisch angesichts der klaren Ablehnung entsprechender Anträge im Parlamentarischen Rat, Art. 19 IV GG einzubeziehen, vgl. JöR 1 (195), S. 587.

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E. Konstruktion

erscheint als letzteres. Als Demokratiekern ergibt sich jedenfalls zunächst zentral der Verweis auf Art. 20 II 1, 2 HS 1 GG. Weiterhin kann für alle FDGO-Grundsätze namentlich die Negativdefinition und das Gegenbild der nationalsozialistischen (aber auch stalinistischen) Gewaltund Willkürherrschaft genutzt werden,82 ebenso wie die konkreteren Enumerationsansätze83 und die der Genese vorangehende wissenschaftliche und präföderal-konstitutionelle Befassung.84 Schließlich sind die besonderen, historisch verbundenen Bezüge zu den herausgearbeiteten funktionalen Anforderungen der FDGO mit zu beachten.85 Pluralität, Fortschrittlichkeit und insbesondere Integration bedingen primär die Begrenzung des Kerns. Sie zu sichern, prägt aber auch die Mechanismen und Inhalte der Grundsätze, ebenso wie die Bedingungen der Subjektivität und Friedlichkeit. Aus diesem allen kann ein effektiver „Ewigkeitsgehalt“ begründet werden. Dabei muss der Menschenwürde ein materiell-statischer Ewigkeitskern zukommen. Sie muss als höchster Grundwert zwingend durchgängig und im Kern „absolut“ staatlich respektiert und gewahrt werden.86 Hingegen kann bei Rechtsstaatlichkeit und Demokratie im Sinn der fortschrittlichen Friedlichkeit vor allem die Frage der gewaltfreien Wiederherstellung bzw. Heilung Hilfe leisten:87 So kann eine Demokratie eingeschränkte Repräsentanz, Responsivität und Legitimität dann mit den Funktionen namentlich der grundsätzlichen Friedlichkeit überstehen, wenn nur in absehbarer Zeit eine letztlich friedliche (erneute) Änderung des Regimes im Sinne Poppers (nicht nur theoretisch bzw. praktisch rein fiktiv) möglich ist.88 Einschränkungen der konkreten Ausformungen präventiven und reaktiven Rechtsschutzes sind auf gewisse Zeit hinnehmbar. Es muss allerdings die Friedensfunktion des Rechts als mögliche Behauptung von Rechtspositionen bestehen bleiben und seine Durchsetzung absehbar zukünftig wirksam sein.89

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Vgl. oben B. II. 2. Vgl. oben B. II. 3. 84 Vgl. oben B. I. 3. ff. 85 Vgl. nochmals oben C.; Alle Funktionen wirken prägend ein, so verbietet die subjektive Pluralität jede Verabsolutierung von Welt-, Gemeinwohl und Rechtsanschauungen, zwingt gemeinsam mit der Fortschrittlichkeit zu einer für die genannten und Friedlichkeit zwingend erforderlichen Reduktion. 86 Vgl. nochmals oben C. I. 87 Vgl. zum Ganzen nochmals oben C. IV. 1. 88 Vgl. nochmals oben B. I. 3. b) cc). 89 Das heißt, dass das Unrecht unabhängig von reiner Macht als solches verfolgt und absehbar friedliche geahndet bzw. gelöst werden kann, so dass das Recht damit auch gegenwärtig seinen Garantiefunktionen und Schutzaufgaben, wenn auch eingeschränkt nachkommen kann. 83

I. Die FDGO in einer Theorie der Verfassungsgrundsätze  

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a) Demokratiekern In diesem Sinn kann beim Grundsatzkern der Demokratie primär auf die fried­ liche Rückholung und Redistribution aller Staatsmacht im Sinne von Art. 20 II GG abgestellt werden.90 Sämtliche dieser Handlungen müssen friedlich und individu­ ell ebenso wie kollektiv freiheitlich mit einer dann plausibel festgestellten Mehrheit möglich sein.91 Auf eine dezisionistische aktuelle, sofortige Realisierbarkeit (eines fiktiven „Volkswillens“) kommt es indes bei beiden nicht an. Essentiell ist vielmehr, dass dies absehbar zeitlich möglich ist (auch ausgelöst durch vorgesehene Impulse aus dem Bereich der Entscheidungsträger wie des Volkes) und insoweit auch freie Mehrheiten tatsächlich und nicht nur rein fiktiv organisier­ bar sind. Dazu dienen erstens Wahlen und ihre formale ultimative Bedeutung für die vertikale Rückkopplung.92 Diese müssen also unter der Friedensfunktion zwingend spätestens in absehbaren Zeiträumen hinreichend in einem Minimum effektiv gesichert ergebnisoffen, allgemein, frei und gleich stattfinden. Zweitens müssen sämtliche Machtträger zumindest indirekt einer solchen Neuwahl unterliegen oder – ggf. auch darüber gesteuert – bei hinreichendem Amtsmissbrauch abberufen werden können.93 Drittens muss im Sinn des Selbstbestimmungsrechts eine Revision aller grundsätzlichen politischen Verpflichtungen und Einbindungen möglich sein.94 Dies umfasst etwa die in völkerrechtliche Verträge und Organisationen, namentlich auch in der Form der Europäischen Union, wie über Art. 51 EUV gewährleistet.95 Unter diesem Gesichtspunkt verletzt z. B. ein durch die Staatsangehörigen rückholbares, d. h. unter diesem Vorbehalt eingeräumtes Ausländer-­ Mitwahlrecht (und selbstverständlich erst recht entsprechende minus-Maßnahmen) generell so wenig den Kernbereich wie das in Art. 28 I 3 GG speziell zugelassene kommunale Mitwahlrecht von Unionsbürgern.96

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Vgl. Art. 20 II 1 GG und dazu ausführlich Fahrner, Vulnerabilität, S. 62 ff.; ebenso bereits der Ansatz von Preuß, Zukunft, S. 224 (237) sowie Holmes, Vorentscheidung, S. 133 (151). 91 Vgl. v. a. Fahrner, Vulnerabilität, S. 91 ff., 130 ff. 92 Vgl. ausführlich Fahrner, Vulnerabilität, S. 162 ff., 175 ff. 93 Vgl. v. a. Fahrner, Vulnerabilität, S. 87 ff., 168 ff. 94 Bis zu solchen vorgesehenen absehbaren friedlichen und fairen Mehrheitsbildungen ist die Stabilität der zuvor getroffenen Entscheidungen im Hinblick auf das politische Grundsystem und die legitimierten Entscheidungsträger grundsätzlich zu gewährleisten. 95 Damit ist aber etwa der Demokratiekern noch nicht durch Fortbildung der EU (vgl. oben D. IV. 1. a), 3.), sondern wäre erst dann verletzt, wenn diese nicht mehr revisibel wäre, ohne dass in ihr sich eine eigene FDGO herausgebildet hätte, vgl. insoweit den dahingehenden richtigen Ansatz von BVerfGE 89, 155 (187). 96 Vgl. zur Problematik auch Fahrner, Vulnerabilität, S. 57 ff., 91 ff.; dieses zeigt, dass die Beschränkung des Wahlrechts auf die Staatsangehörigen nicht zum Regelbereich gehört, sondern offen ist für Optimierung mit der friedlichen europäischen Integration. Dies gilt aber wiederum nur unter Rückholbarkeit alleine durch das Staatsvolk, wie ihn eine Rückänderung der Norm ohne weiteres ermöglicht; ebenso VerfG HH NVwZ-RR 2010, 129 (131).

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E. Konstruktion

Die weitergehenden Ausgestaltungen der Demokratie, namentlich im Regierungssystem, sind indes für den so präzisierten Kern nicht weiter beachtlich und dem Prinzipienbereich zuzurechnen.97 b) Rechtsstaatskern Als Kern des Rechtsstaats kann die verbindliche Wirksamkeit eines auf Plau­ sibilität allgemeingültiger Normen angelegten Systems zur friedlichen Konflikt­ prävention und -lösung gegenüber jedermann außerhalb und innerhalb staatlicher Funktion angesehen werden.98 Jede staatliche Machtausübung bzw. Handeln durch alle Gewalten ist am Recht zu bemessen und daran als normatives Hand­ lungsgebot gebunden und in der Einhaltung zu beurteilen. Das Grundgesetz verweist hier präzise in Art. 79 III GG auf die Gewaltendelegation und -teilung in Art. 20 II 2 GG sowie das hierarchische System des Rechts in der verfassungs­ mäßigen Ordnung in Art. 20 III GG. Allerdings sind vor allem die Gewaltenteilung und -kontrolle bereits im Inhalt und Umfang so unbestimmt, dass sie weitgehend dem Prinzipienbereich zugerechnet werden müssen. Letztlich bleibt im Kern: das Bestehen einer in ihrer funktionellen Rechtsprechung von direkten Weisungen unabhängigen dritten Ge­ walt neben der Funktionalität der Gesetzgebung, die funktional und grundsätzlich normativ ebenfalls von der Exekutive abgesondert sein muss. Damit verbunden ist grundsätzlich die mögliche unabhängige Wirkung aller Gewalten. Diese muss sich auf die Wirksamkeit des von ihnen praktizierten Rechts in der Vorbereitung, Verkündung und vor allem Begründung von Entscheidung in die Öffentlichkeit erstrecken, um Legitimität, Akzeptanz und Friedlichkeit zu erzeugen. Weiter zwingend ist die Abstraktion jeder Rechtsprechung von ad hoc-Entscheidungen einer plebiszitären (oder gar fiktiven) Mehr- oder Minderheit. Stattdessen hat sich die Staatstätigkeit aller Gewalten am Recht in seinen nach rechtlich fixierten Prozeduren auf jeweiligen Stufen geschaffenen und gebundenen Normen auszurichten und zu rechtfertigen. Die Negation dieses Rechtsstaatskerns stellen damit jedenfalls gerade Willkür und Gewalt, etwa in „Maßnahmen“, und deren Durchsetzung dar, sowie vor allem

97

Auf die konkrete plebiszitäre oder repräsentative, parlamentarische oder Ausgestaltung kommt es hier daher nicht an. Eine durch demokratische Verantwortlichkeit eingehegte parlamentarische symbolhafte „Monarchie“ erscheint (wohl ggf. auch mit engst möglich begrenzten politischen Reservefunktionen) damit nicht unvereinbar. Einparteiensysteme, autoritäre oder totalitäre Herrschaftsformen und erhebliche Behinderungen freier Meinungsbildung im Volk und ihre -umsetzung im Hinblick auf diese grundlegenden Entscheidungen stellen allerdings deren Negation dar. 98 Vgl. oben C. IV. 1.; auch BVerfGE 94, 49 (104); Fahrner, Vulnerabilität, S. 126 ff., 130 ff.

I. Die FDGO in einer Theorie der Verfassungsgrundsätze  

239

damit die Abschaffung unabhängiger abstrakter Maßstäbe des Rechts und deren Aktualisierung durch Öffentlichkeit und Justiz.99 In diesem Sinn kann etwa auf die Essenz der zweiten Radbruchschen Formel zurückgegriffen werden, mithin ist als Verletzung eindeutig zu werten, wenn die geschaffenen Anordnungen unabhängig von ihrem Anstrich nur Machtsprüche, niemals Rechtssätze sein können.100 Das Ausmaß der funktionalen Verschränkungen, Verbindungen und checks and balances sowie der konkreten Kontrolle und Rechtsschutzes sind wiederum Fragen des Optimierungsbereiches. c) Menschenwürdekern Bei der Bestimmung des Grundsatzkerns der Menschenwürde kann schließlich auf die ausgebildete Dogmatik zurückgegriffen werden.101 Sie umfasst die unmittel­ bare und insoweit vorbehalts- und unterschiedslose Anerkennung aller Menschen als „gattungsmäßig“ verbunden und wesensgleich als zu freiem Willen befähig­ ten rechtlichen und politischen Subjekten.102 Entsprechende Negationen hat das BVerfG aus den historischen Erfahrungen früh festgemacht daran, dass ein Mensch einer Behandlung ausgesetzt wird, die seine Subjektqualität in Frage stellt, oder in der eine willkürliche Missachtung der Würde liegt, namentlich durch Erniedrigung, Brandmarkung, Verfolgung oder Ächtung.103 Gleiches gilt etwa, wenn ein politisches System vom Kollektivismus aufgebaut und dort das Individuum nur in abgeleiteter „dienender“ Funktion verstanden werden soll, wenn die Rechtsgleichheit versagt werden soll, namentlich aufgrund von Eigenschaften, wie sie etwa in Art. 3 III GG ausgeführt sind. Abweichend von den vielen im Ausstrahlungs­bereich einzuordnenden Erscheinungsformen wird man den Schutz eines Bereichs der höchstpersönlichen privaten Lebensgestaltung vor allem in seiner informationellen Freiheitsdimension gegen Totalerfassung, Einschüchterung und Bloßstellung zum

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Vgl. etwa auch BVerfGE 1, 208 (233); 23, 98 (106 f.); 84, 90 (120 ff.). Radbruch, Vorschule, S. 34. 101 Vgl. nur etwa DHS-Herdegen, Art. 79 GG Rn. 114 ff.; v. Münch / Kunig / Bryde, Art. 79 GG Rn. 46, 48; Hain, Grundsätze, S. 212 ff.; zu Gefahren der Überdehnung und Definitionsansätzen zusammenfassend etwa Dreier / Dreier, Art. 1 Abs. 1 GG Rn. 47 ff.; zum Verhältnis zum Menschenwürdekern in Art. 19 II GG vgl. etwa Sachs / Sachs, Art. 79 GG Rn. 51; unzutreffend ist die Behauptung einer m. M., bei der Menschenwürde könne nicht zwischen reduziertem Grundsatz aus Schutzbereich unterschieden werden, vgl. etwa Jarass / Pieroth, Art. 79 GG Rn. 11. 102 Vgl. zur Menschenwürde instruktiv BVerfGE 30, 1 (25 f.); grundlegend ausführend BVerfGE 109, 279 (312 ff.); vgl. auch zum Kernbereich der menschenwürdigen Freiheitlichkeit BVerfGE 84, 90 (121); allg. Linke, JuS 2016, 888. 103 Vgl. etwa BVerfGE 1, 97 (104); 30, 1 (25 f.); 84, 90 (121); 109, 279 (312); zum Diskriminierungs- und Verfolgungsverbot aus politischen und religiösen Begründungen BVerfGE 94, 49 (103) m. w. N.; vgl. zum Ganzen bereits oben C. I. 100

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E. Konstruktion

absoluten Kernbereich zu zählen haben, in den nicht vorsätzlich durch staatliches Handeln eingegriffen werden darf.104

3. Prinzipienwirkung und Optimierung a) Grundlagen In ihrer Prinzipienwirkung können die Grundsätze des Art. 79 III GG zunächst plausibel ausgehend von der Prinzipientheorie der Grundrechte nach Alexy verstanden werden. Sie sollen zwar zunächst in ihren jeweiligen Zielinhalt „in einem relativ auf die rechtlichen und tatsächlichen Möglichkeiten möglichst hohen Maße zu realisieren“ sein. Allerdings muss dieses Gebot im Rahmen der Konkordanz mit anderen Verfassungsprinzipien fortentwickelt werden. Danach sind in diesem Fall bezüglich aller betroffener Prinzipien die methodischen Anforderungen der Optimierung zu erfüllen. Ähnlich dem aus dem öffentlichen Recht weit bekannten Kriterien einer legitimen und plausiblen Abwägung dürfen sie als Prinzipien nicht vollständig ignoriert oder in ihrem Gehalt verkannt werden. Die Abwägung selbst muss objektiv nachvollziehbar und rational begründbar sein. Darüber hinaus muss dazu methodisch gelten: Je höher der Grad der Nichterfüllung oder Beeinträchtigung des einen Prinzips ist, desto größer muss die Wichtigkeit der Erfüllung des anderen sein.105 Weiterhin kann dies durch die Ableitung weiterer Prinzipien und Regeln konkretisiert werden.106 Grundsätze als Prinzipen können damit – zusätzlich – als normative Leitbilder verstanden werden, an denen sich zu beurteilendes Handeln sowohl als Rahmen wie auch als erstrebtes Ziel zu orientieren hat.107 In 104

Um darin „innere Vorgänge wie Empfindungen und Gefühle sowie Überlegungen, Ansichten und Erlebnisse höchstpersönlicher Art zum Ausdruck zu bringen, und zwar ohne Angst, dass staatliche Stellen dies überwachen. Vom Schutz umfasst sind auch Gefühlsäußerungen, Äußerungen des unbewussten Erlebens sowie Ausdrucksformen der Sexualität, vgl. BVerfGE 109, 279 (313) m. w. N.: Würde der Staat in ihn eindringen, verletzte dies die jedem Menschen unantastbar gewährte Freiheit zur Entfaltung in den ihn betreffenden höchstpersönlichen Angelegenheiten. Selbst überwiegende Interessen der Allgemeinheit können einen Eingriff in diesen absolut geschützten Kernbereich privater Lebensgestaltung nicht rechtfertigen. 105 S. o. sowie Alexy, Theorie, S. 75 ff.; vgl. im Übrigen bereits die Bedeutung von Prinzipien gerade gegenüber Auslegungsmethoden Ehmke, VVDStRL 20 (1963), 53 (v. a. 125 ff.). 106 Vgl. etwa Bydlinski / Bydlinski, Methodenlehre, S. 98 ff. 107 Insofern helfen die Vergegenwärtigungsmetaphern namentlich „iustitia est constans et perpetua voluntas ius suum cuique tribuere“ (Inst 1,1; Ulp. D.1.10.), ähnlich das Verständnis auch etwa beider Radbruch’schen Formeln für den Prinzipienbereich des Rechts(staats): „Wo also … Gerechtigkeit nicht einmal erstrebt wird, können die so geschaffenen Anordnungen nur Machtsprüche sein, niemals Rechtssätze …“ Radbruch, Vorschule, S. 34; vgl. mit gleichem Kern bereits ders., SJZ 1946, 105 (107), allerdings mit der Zwischenstufe, des Gerechtigkeit noch erstrebenden, aber unerträglich ungerechten nicht zu befolgenden Gesetzes, die deutlich weitere Beachtung gefunden hat (vgl. etwa BVerfGE 23, 98; 95, 96 u. a.), jedoch in die bereits genannten weiteren allgemeinen Prinzipienwirkungen insbesondere von Menschenwürde und Rechtstaat fällt; sowie zuletzt etwa noch Joh. 3, 18; 5, 25; vgl. dazu etwa Merklein, Studien II, S. 102 f.; Richter, Eschatologie, S. 346 ff.

I. Die FDGO in einer Theorie der Verfassungsgrundsätze  

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dieser Doppelnatur sind die Komponenten der FDGO eigenständige normative Gebote, eben nicht nur „neutraler“ Optimierungsgegenstand108 und können als Leitschnur der Diskurse des pluralistischen, fortschrittlichen und friedlichen Gemeinwesens dienen.109 b) Einzelne Prinzipienbereiche Danach können die Prinzipienbereiche etwa, wie folgt, ohne Anspruch auf Absolutheit, umschrieben werden:110 aa) Demokratiekomponente Zur Demokratiekomponente zählen die bereits anderweitig ausführlich erläuterten Maximen der Diskursivität, Partizipation, Responsivität, Responsabilität etc. des konkreten demokratischen Systems.111 Das Modell der Input- und OutputDimension und der Rationalisierung können hierbei wesentlich zum Verständnis beitragen: Da das Gemeinwohl pluralistisch nur a posteriori verstanden werden kann, kommt der Organisation der demokratischen Entscheidungsprozesse, ihrer Freiheit und Rationalitätsvermittlung in diesem Sinn entscheidende Bedeutung zu. Als zentrale Ableitungen können insbesondere die Anforderungen der Allgemeinheit, Freiheit, Gleichheit usw. an Wahlen, Abstimmungen und alle horizontalen, vertikalen und vermittelten politischen Prozesse gelten. bb) Rechtsstaatskomponente Zur Rechtsstaatskomponente zählen im Hinblick auf das Recht selbst sowie seine Anwendung innere Konsistenz, Plausibilität durch Legitimität wie Gerechtigkeit als System und in der Billigkeit, Wirksamkeit zum Schutz individueller Freiheiten und Rechte namentlich gegenüber allen anderen Formen der öffentlichen Gewalt und schließlich die demokratische Fundierung.112 Sie führen zu Fragen wie der nach möglichst effektiver Gewaltenteilung und -kontrolle, Funktionsfähigkeit der Rechtsanwendung und -durchsetzung im Rahmen der ausgeformten weiteren 108

Wie vor allem die Kritik namentlich von Poscher, RW 2010, 349 (363 ff.) verkennt; vgl. bereits Alexy, Theorie, S. 87 ff. 109 Vgl. ausführlich oben C.; die Funktionen der FDGO wirken damit in den Prinzipien mit. 110 Vgl. unter den zahlreichen weiteren Um- und Beschreibungen Ehmke, Verfassungsänderung, S. 101 ff. 111 Vgl. zum Ganzen Fahrner, Vulnerabilität, S. 91 ff., 162 ff. 112 Vgl. zusammenfassend bereits etwa Fahrner, HdbSiStR, § 4 Rn. 2 ff.; hier lassen sich auch die Abhörentscheidung (s. sogleich nochmals unten 4. a)) und etwa die zur Entschädigungsenteignung (BVerfGE 84, 90 (124 ff.) einordnen.

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E. Konstruktion

Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit, etwa Vertrauensschutz und Verhältnismäßigkeit, sowie namentlich der Menschen- und Bürgerrechte innerhalb und außerhalb der justiziellen Verfahrensdimension. cc) Menschenwürde als Komponente Zur Menschenwürde sind auch als Ableitungen insbesondere die unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechte zu zählen, zu denen sich das Grundgesetz als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit bekennt (Art. 1 II GG).113 Ebenfalls gehören aktive staatliche Schutzpflichten der Menschenwürde gegenüber Dritten zum Prinzipienbereich.114 c) Folgerungen Insgesamt ergeben sich in einzelnen rechtlichen Ausformungen erkennbar Überschneidungen, namentlich in den Menschen- und Bürgerrechten sowie in der demokratischen Fundierung des Rechts. Da diese Institute aus den unterschiedlichen Blickwinkeln komplementär betrachtet werden, widerspricht dies nicht der Unabhängigkeit der Grundsätze untereinander. Im Hinblick auf die vorliegende Fragestellung müssen und können daher hier die abgeleiteten Prinzipien und sonstigen Normen, nicht weiter als zur Deutung des Grundsatzes erforderlich ausgeführt werden. Es ist insoweit auf die allgemeine Verfassungsrechtslehre und die entsprechenden Diskurse zu verweisen. Bedeutsam bleibt hier lediglich, wie Art. 79 III GG auch durch erstrebte Veränderungen im Prinzipienbereich der Grundsätze der FDGO ausgelöst werden kann und muss.

4. Das Berühren der Grundsätze i. S. v. Art. 79 III GG a) Vorhandene Theorieansätze aa) Immunisierungstheorie Das BVerfG hat mit seiner Abhörentscheidung das Merkmal des Berührens in Art. 79 III GG mehrheitlich überaus restriktiv geprägt. Es ist dabei auf scharfe Kritik aus dem Gericht selbst und von außen gestoßen, welche bis heute anhält. 113

Vgl. insbesondere BVerfGE 109, 279 (310 ff.); So hat das BVerfG früh einen Prinzipienbereich darin erahnt: „Der Mensch ist nicht selten bloßes Objekt nicht nur der Verhältnisse und der gesellschaftlichen Entwicklung, sondern auch des Rechts, insofern er ohne Rücksicht auf seine Interessen sich fügen muss.“, BVerfGE 30, 1 (25). 114 Vgl. nochmals oben C. I.

I. Die FDGO in einer Theorie der Verfassungsgrundsätze  

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Nach dem dort vertretenen Immunisierungsmodell der Senatsmehrheit solle die „Ewigkeitsklausel“ lediglich verhindern, „dass die geltende Verfassungsordnung in ihrer Substanz, in ihren Grundlagen auf dem formal-legalistischen Weg eines verfassungsändernden Gesetzes beseitigt und zur nachträglichen Legalisierung eines totalitären Regimes missbraucht werden kann.“115 Daher sei nur „eine prinzipielle Preisgabe“ der Grundsätze verboten. Sie seien aber „von vornherein nicht ‚berührt‘, wenn ihnen im allgemeinen Rechnung getragen wird und sie nur für eine Sonderlage entsprechend deren Eigenart aus evident sachgerechten Gründen modifiziert werden“. Dieser Abkoppelung der Grundsätze von ihrer realen Anwendung ist ein Teil der Lehre gefolgt.116 Wie bereits die abweichende Ansicht im Senat,117 hat ein weitaus bedeutsamerer Teil der Literatur dem entschieden widersprochen.118 Danach werden durch die damalige Senatsmehrheit die Erwägungen der Verfassungsgeber mehrfach verkürzt und verbogen: Zwar spielte die Begründung des „legalen Anstrichs einer Revolution“ als topos eine bedeutsame Rolle in den Beratungen. Allerdings ging es nicht nur um eine Umwandlung in ein totalitäres Regime. Die Aufgabe, zu deren Lösung Art. 79 III GG als letzte normative Grenze geschaffen wurde, war es, jedes staatliche Herrschaftssystem, das den Anforderungen der FDGO nicht genügte, zu verhindern – mithin auch nicht mehr friedlich agierende, zu kontrollierende und abzulösende autoritäre Herrschaftsformen ohne Totalitätsanspruch. Vor allem aber ist die Verengung der Entscheidung auf „ e i n“ e i n z i g e s , d. h. singuläres Umwälzungsgesetz weder mit den historischen Beratungen noch dem Sinn und Zweck des Art. 79 III GG im Gesamtsystem der militant democracy in Einklang zu bringen.119 Jene, welche erstmals rhetorisch den Begriff einer „legalen Revolution“ gebrauchten – darunter in Deutschland zuvorderst Hitler etwa in seinem „Legalitätseid“ im „Ulmer Reichswehrprozess“ – stellten damit jedenfalls auf einen strategisch zukünftig angestrebten, auch längerfristig zu erreichenden Fortgang einzelner geplanter oder spontan aus Gelegenheit ergebender Schritte 115

BVerfGE 30, 1 (24), Hervorhebung hier erfolgt; maßgeblich dafür wohl die finale „Grenzziehung“ vom idealisierten Volkswillen bei Leibholz, DVBl. 1951, 554; abgedruckt auch bei Denninger, Grundordnung I, Nr. 7 S. 82 ff., hier S. 90 f.), welche die nur Möglichkeit totalitärer Herrschaft sehen will, jene autoritärer Regime jedoch vollständig verkennt bzw. ausdrücklich negiert. 116 Vgl. etwa Hain, Grundsätze, S. 165 ff. 117 BVerfGE 30, 1 (38 f.): „Aber es heißt ihre Bedeutung völlig verkennen, wenn man ihren Sinn vornehmlich darin sehen wollte, zu verhindern, dass der formallegalistische Weg eines verfassungsändernden Gesetzes zur nachträglichen Legalisierung eines totalitären Regimes missbraucht wird  … Art. 79 Abs. 3 GG bedeutet mehr: Gewisse Grundentscheidungen des Grundgesetzgebers werden … für unverbrüchlich erklärt“. 118 Vgl. auch sogleich unter cc). 119 Vgl. etwa auch Dreier, Art. 79 Abs. 3 GG Rn. 16, 19; Sachs / Sachs, Art. 79 GG Rn. 35 m. w. N.

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E. Konstruktion

der Machtergreifung ab.120 Dies entspricht auch der tatsächlichen Vulnerabilität der Demokratie, welche historisch und aktuell weltweit absehbar scheint und welche durch eine gegenüber solchen Manipulationen naive bzw. zumindest zu optimistische Sichtweise maßgeblich gesteigert wird.121 bb) Identitätstheorie In seinen weiteren Entscheidungen hat das BVerfG seine Konstruktion nicht durchgehalten,122 sondern sich den Alternativen auch anderer Verfassungsgerichte geöffnet.123 Seine faktische, wenn auch nicht ausdrücklich generelle Abkehr von seinem eigenen restriktiven Immunitäts-Ansatz ist vor allem Reflex der Zuwendung zur Tradition der Verfassungslehre Schmitts mit einer auch in das Grundgesetz hineingelesenen „Verfassungsidentität“.124 Nunmehr will das Gericht auch im Einzelnen jede „unantastbare und nicht abwägungsfähige“ Ausgestaltung und zunehmend alleine an der „Identität“ mögliche Verletzung von Art. 79 III GG messen.125 In anderer Weise und ohne Rückgriff auf das national-identitäre Konzept hat der Bayerische Verfassungsgerichtshof den Schutz der „Substanz“ der Verfassung identifiziert als den aller wesentlichen Merkmale freiheitlicher, rechtsstaatlicher Demokratie in der Ausprägung (und damit Normen), die sie in der bayerischen Verfassung gefunden haben.126 Eine rechtssichere Abgrenzung über Kasuistik hinaus, wann genau der Ewigkeitsschutz ausgelöst werden soll, ist nach beiden Ansätzen, vor allem aber ihrer Postulierung nebeneinander, bislang nicht erreicht. Namentlich das BVerfG scheint in immer gehäufteren Einzelfallentscheidungen nicht nur auf die zunehmende Kollision mit dem Unionsrecht zuzulaufen, die gerne von illiberalen Demokratien als 120 Vgl. etwa im Allgemeinen rechtswissenschaftlich Kontext Scriba, Revolution, v. a. S. 130 ff. auch m. w. N. zur Aussage Hitlers und ihrer genaueren Überlieferungsprobleme m. w. N.; erwähnt sei hier nur die tatsächliche strategische Umsetzung der legalistischen Aushöhlung der Verfassungsordnung, wie in der allgemeinen (rechts-)geschichtlichen Forschung seit langem ausführlich dargestellt. 121 Vgl. umfassend aus Sicht des Autors bereits Fahrner, Vulnerabilität. 122 Bereits in BVerfGE 84, 90 (121 ff.); 113, 273 (295) verwischt die Trennung eines unantastbaren Prinzipienbereichs gegenüber der Anwendung zusehends. 123 Namentlich BVerfGE 137, 108 (114 f.) zu unverhältnismäßigen Beschränkungen oder einer substantiellen Erosion. 124 Richtig bemerkt etwa von Jarass / Pieroth, Art. 79 GG Rn. 10 a. E. 125 Überraschend insoweit auch die Wahl des Verbs „unantastbar“ in BVerfGE 123, 267 (343 ff.) jenseits des Wortlauts der Bezugsentscheidungen und des Grundgesetztextes, abgesehen von „rein emotionaler“ Konnotation auf Art. 1 I GG; vgl. im Anschluss etwa BVerfGE 125, 260 (324); 126, 286 (302); 131, 152 (217); nunmehr wieder al Berühren der Identität schließlich in BVerfGE 140, 317 (336 ff.); 148, 296 (355). 126 Vgl. BayVerfGHE 52, 104 (122 ff.) = NVwZ-RR 2000, 65; BayVerfGHE 53, 42 (60 ff.) = NVwZ-RR 2000, 401.

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Vorwand für nationale Souveränität entgegen dem Urbestand des Vorrangs des Gemeinschaftsrechts seit Van Gend & Loos sowie Costa / ENEL missbraucht wird.127 Es scheint sich in einer Pfadabhängigkeit in eine kaum haltbare Verkehrung des Art. 79 III GG unter einem bestimmten subjektiven Standpunkt in eine Sackgasse zu bewegen, aus der es sich immer schwerer befreien können wird. cc) Zerfallstheorie Dagegen hat sich orientiert an der damaligen Minderheitsmeinung der Abhörentscheidung128 die starke Gegenansicht herausgebildet, dass die „Ewigkeits­garantie“ bereits berührt ist, wenn einer der ihr zugewiesenen Grundsätze in einem seiner konstituierenden Elemente dergestalt verändert wird, dass ein allmählicher Zer­ fallsprozess eingeleitet ist.129 Daher genüge es schon, wenn in einem Teilbereich der Freiheitssphäre des Einzelnen die sich aus Art. 1 und 20 GG ergebenden Grundsätze ganz oder zum Teil außer Acht gelassen werden.130 Dieser Ansatz ist vorliegend weiterhin mit zu verfolgen. b) Auslegung von Art. 79 III GG Bei Art. 79 III GG besteht die Verbindung des konkret zu beurteilenden verfassungsändernden Gesetzesakts mit dem Endpunkt der Beeinträchtigung gram­ matikalisch im Verb „berühren“. Es wird im Alltagsgebrauch konnotiert sowohl mit dem (bloßen) Herstellen eines Kontakts von außen mit der Oberfläche eines Substrats ohne weiteres Eindringen, aber auch daraus ausgelösten Veränderungen in seinem Inneren.131 Der restriktivste Immunisierungsansatz des BVerfG kann sich systematisch auf das Verständnis als Kollisionsregel berufen: Unberührbar erklärte Vorschriften sind nicht an den anderen zu messen, sondern sollen unabhängig und damit grundsätzlich vorrangig bestehen bleiben.132 Allerdings ist der Bezug dort stets – 127 Vgl. nur EuGH Rs. 26/62, EuGHE 1963, 1; Rs. 11/70, NJW 1964, 2371; sowie alle gängigen Darstellungen des Europarechts. 128 Vgl. bereits BVerfGE 30, 1 (41 f., 46 f.). 129 ThürVerfGH LVerfGE 12, 405 (424 ff.) = LKV 2002, 83 (85); Erichsen, VerwArch 62 (1971), 291 (294 ff.); Häberle, JZ 1971, 145 (149); Rupp, NJW 1971, 275; BK-Evers, Art. 79 III GG Rn. 150 m. w. N.; v. Münch / Kunig / Bryde, Art. 79 GG. Rn. 28; Maurer, Staatsrecht I, § 22 Rn. 20; sowie auch Degenhart, Gutachten, S. 15. 130 Vgl. bereits BVerfGE 30, 1 (41); so woh auh Jarass / Pieroth, Art. 79 GG Rn. 1. 131 Vgl. etwa Grimm, Wörterbuch I, Sp. 1536: „berühren“. 132 Weitaus häufigste Verwendung Art. 19 IV 3, 44 II 2, 53a II 2, 91 II 3 HS. 2, 98 V 2, 120 I 5, 120a II, 139, 143c III 3, 143d I 2 HS. 2 GG; vgl. etwa zur Bedeutung v. Münch / Kunig / Groh, Art. 44 GG Rn. 74; DHS-Herdegen, Art. 139 GG Rn. 13; Zur „Immunisierung“ etwa DHSKlein, Art. 44 GG Rn. 219 m. w. N.

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E. Konstruktion

abweichend von Art. 79 III GG – negativ formuliert. Positive Verwendungen im Grundgesetz bezeichnen hingegen konkreten räumlich Kontakt133 oder im übertragenen Sinn Interessen, auf die sich ein Sachverhalt auswirkt.134 Historisch ist der Begriff in Art. 79 III GG Ergebnis einer vielseitigen Suche, u. a. mit den Alternativen des „Widersprechens“,135 „Abgehens“,136 „Verletzens“137, „Abänderns“138 oder „Antastens“.139 Die ursprüngliche Fassung des „Beseitigens“ stellte den unmittelbaren Zusammenhang mit Art. 21 GG auch im Wortlaut her.140 Alle Normen zum Schutz der FDGO legen einen bestimmten Bezug des abzuwehrenden Angriffs zugrunde zu einem erstrebten Endzustand, der mit der FDGO nicht mehr vereinbar ist, mithin ihrem System von Regeln und Prinzipien nicht mehr entsprechen würde.141 So enthielten auch die Beratungen zu Art. 79 III GG zwar ausgehend von der „Beseitigung des Bundestags“142 früh und durchgehend alle Angriffe im Blick, die tatsächlich auf Beseitigung der FDGO hinzielten, allerdings mit deutlicher Fokussierung auf finale Übergriffe.143 Nach Sinn und Zweck schließlich soll jede legalistische Umwandlung in einen Zustand des Gemeinwesens, welcher nicht den Anforderungen der FDGO genügt, wirksam verhindert werden.144

133

Art. 89 II 4 GG mit dem Gegenbegriff nur in einem Land liegend; vgl. MKS-Ibler, Art. 89 GG Rn. 71. 134 Vgl. Art. 23 V 1, 32 II GG; Dreier / Wollenschläger, Art. 32 GG Rn. 46; MKS-Kempen, Art. 32 GG Rn. 75; DHS-Nettesheim, Art. 32 GG Rn. 88. 135 Regelmäßig bezogen auf Änderungsanträge und Geist bzw. Grundgedanken, vgl. etwa Art. 85 I 1 LV-WB; Art. 75 I 2 LV BY. 136 Vgl. Art. 107 HChE zur bundesstaatlichen Grundordnung; JöR 1 (1951), S. 579 ff. 137 Vgl. etwa Art. 20 I LV HB für Grundrechte; Art. 92 III LV BA, vgl. Scherb, Demokratieschutz, S. 106 ff.; Art. 129 II LV RP i. d. F. bis zum 15. 6. 1970 sowie die Entwürfe Schmids und Süsterhenns, dazu oben B. I. 4. a), c). 138 Vgl. für den Grundrechtsteil Art. 26 LV HE; für Staatsprinzipien Art. 20 III, 125 IV LV HB. 139 So der Vorschlag Dehler / T homa in den Verhandlungen des ParlR, vgl. JöR 1 (1951), S. 586 ff. sowie danach im allgemeinen Redaktionsausschuss und weitere Diskussion bis zum Änderungsantrag der DP im Plenum; vgl. heute für den Wesensgehalt der Grundrechte gegenüber dem einfachen Gesetzgeber in Art. 19 II GG; für die Demokratie allerdings auch Art. 150 I 1 LV HE; zum zugrunde liegenden Entwurf Jellineks siehe oben B. I. 4. b) aa) (1). Dem Antasten liegt der direkte Übergriff ins Innere der Substanz etwas näher. 140 Art. 108 HChE; vgl. dazu JöR 1 (1951), S. 585; ähnlich auch mit Untergraben in den Diskussionen in Rheinland-Pfalz, vgl. Scherb, Demokratieschutz, S. 164 ff. m. w. N. 141 Vgl. unten III. 1. 142 Bauer-Kirsch, Herrenchiemsee, S. 134 f.; vgl. auch Im darstellenden Teil zu Art. 108 HChE „Grundgesetz als solches vernichtet würde“, Vgl. JöR 1 (1951), S. 585. 143 Vgl. etwa bereits die dahingehend offene Fassung von Art. 108 HChE, zu den Beratungen im ParlR etwa De Chapeaurouge (CDU), JöR 1 (1951), S. 585. 144 Vgl. ausführlich bereits oben B. I. 3. a) aa), 5. b) cc).

I. Die FDGO in einer Theorie der Verfassungsgrundsätze  

247

c) Berühren aus Sicht des Grundsatzmodells Aus der systematischen Verwendung kann zunächst begründet werden, dass den Grundsätzen ein Vorrang gegenüber den Verfassungsänderungen zukommen soll. Eine solche Kollisionsregel ist sinnvoll auf einen Regelkonflikt oder aber für die Reichweite des Optimierungsraums unter den Prinzipien zu beziehen. Sowie die Grundsätze einen regelhaften Kern abbilden bzw. als Prinzipien der optimierenden Konkordanz nicht zugänglich sind, können sie nicht durch Verfassungsänderungen berührt werden, bzw. sind entsprechende Änderungsversuche nichtig. Damit ist auch die Abschichtung des grammatikalischen Bildes der Sphärengrenzen nachgezeichnet: Berührt wird der Bereich, in dem die Grundsätze nur gegeneinander abwägbar sind, durch Änderungen, die ihn von außen erreichen und dadurch Wirkungen auslösen sollen, nicht aber nachvollziehbaren Optimierungen in den Prinzipienbereichen der Grundsätze untereinander. aa) Missachtung Daraus folgt praktisch: Zunächst kann grundsätzlich dem BVerfG Recht gegeben werden, dass Modifikationen in der Anwendung der Grundsätze diese nicht berühren müssen, andererseits ein Kern der Grundsätze als „veränderungsfest“ beschrieben werden kann. Letztgenanntes betrifft aber jede Form der Veränderung. Eine Verlet­ zung liegt jedenfalls vor, wenn der Grundsatz als Regel oder Prinzip rechtlich nicht beachtet oder faktisch außer Geltung gesetzt werden soll (Missachtungsangriff).145 (1) Wie festgestellt, beschränken sich die Grundsätze eben nicht nur auf einen Prinzipienbereich,146 so dass ebenso ihr jeweiliger Regelkern ohne weiteres missachtet werden kann. Diese Beeinträchtigung der Regel ist dabei evident bzw. einfach subsumierbar entsprechend der allgemeinen Feststellungen der Methodenlehre und Rechtssoziologie für Rechtsnormen: Die Negation der Regel in diesem Sinn liegt vor, wenn (a)  sie oder ihre dogmatische Geltung rechtlich, d. h. im normativen System, ganz oder teilweise aufgehoben werden, (b) oder aber, wenn die Regel schlicht faktisch so nicht beachtet wird, dass sie ihre Geltung, verstanden als normative Kraft der Verhaltenssteuerung und -be­ urteilung verliert.147 Dies ist nicht beim einfachen faktischen Verstoß gegen die Regel der Fall, solange ihr normativer Gehalt fortbesteht. 145 Vgl. insbesondere MKS-Hain, Art. 79 GG Rn. 32: jegliche Verfassungsänderung, die – und sei es nur partiell – nicht mit dem normativen Gehalt auch nur eines der „unberührbaren Grundsätze“ vereinbar ist; Hall, JuS 1972, 132 (136); Häberle, JZ 1971, 145 (149 mit Fn. 61); Kalkbrenner, BayVBl. 1971, 146 (147); Bettermann, AöR 96 (1971), 528 (563). 146 Anders als etwa von MKS-Hain, Art. 79 GG Rn. 49 angenommen. 147 Vgl. hier etwa nur Larenz, Methodenlehre, S. 195; Baer, Rechtssoziologie, § 2 Rn. 18 ff. m. w. N.

248

E. Konstruktion

(2) Für die Prinzipiengeltung hat zusätzlich Hain gut verwendbare Kriterien entwickelt, ob im konkreten Fall die maßgeblichen Prinzipien effektiv spürbar berücksichtigt sind, sodass dessen Regelung insofern als deren Konkretisierung und nicht Missachtung anzusehen ist.148 Diese Berücksichtigung kann wiederum nicht nur in formaler Einbeziehung ohne jede Wirkung bestehen, sondern setzt eine rationale plausible Auseinandersetzung voraus, sowohl bei der Optimierung von Prinzipien untereinander wie bei der Ableitung in konkrete Regeln und Entscheidungen.149 bb) Zeitliche Gesamt- und Perspektivenbetrachtung Indes ist aber aus der bisherigen Auslegung vor allem für Art. 79 III GG nichts über den „gestreckten“ Bezug zwischen Gesetzesakt und Berührungserfolg ausgesagt. Das unternommene Aufheben des Grundsatzes in seinem Kernbereich oder als berücksichtigtes Prinzip zu unterbinden, ist notwendig, aber keinesfalls hinreichend. Hier muss einer naiven Annahme eines alleine zu verhindernden „Letztaktes“ der Beseitigung der zwingende historische subjektive wie objektive Sinn und Zweck entgegenstehen. Um den Schutzzweck der FDGO zu realisieren, kann nicht auf einen letzten Akt der legalen Revolution verwiesen werden, wenn zuvor alle mögliche Kontroll- und Verhinderungsmechanismen effektiv beseitigt wur­ den. Vielmehr muss früher eingegriffen werden. Das Kernproblem liegt – erneut auch in der funktionalen Einbindung – darin, taugliche und belastbare Kriterien für den richtigen Zeitpunkt bzw. Auslöser zu finden. An dieser Stelle hat die Verfassungsrechtslehre wichtige Ansätze entwickelt:150 (1) Dieser Auslöser kann zunächst darin liegen, wenn eine Gesamtstrategie z. B. über ein Partei- oder Regierungsprogramm offenbar ist, die (wenn auch ggf. situativ modifiziert) in klaren aufeinander aufbauenden Einzelschritten verwirklicht werden soll, so dass diese, soweit Art. 79 III GG formal betroffen ist, frühzeitig unterbunden werden kann und ggf. muss (strategischer Angriffspunkt). (2) Ansonsten kann ein Ansatz darin liegen, ob eine konkrete Grundgesetzänderung das in Art. 79 Abs. 3 GG geschützte Leitbild der Verfassung schon beschädigt, oder ob nach bilanzierender Betrachtung die Wirkungskraft eines Grundsatzes als Ordnungsprinzip weiterhin gewahrt ist (normativer Kipppunkt).151

148

Vgl. MKS-Hain, Art. 79 GG Rn. 49 ff.; ders., Grundsätze, S. 185 ff. jeweils m. w. N. Zum ersteren bereits Hain a. a. O., zum letzteren kann diesem entgegen wiederum auf das Kriterium des BVerfGE 30, 1 (24) zurückgegriffen werden, so kann z. B. nicht einfach jede Rechtsstaatlichkeitswirkung pauschal unter Hinweis auf den souveränen Volkswillen dagegen negiert werden. 150 Vgl. hier auch nochmals die Erosionstheorie oben a) cc); namentlich ThürVerfGH LVerfGE 12, 405 (424 ff.) = LKV 2002, 83 (85) unter dort B. II. 6., angewandt unter 11. ff. 151 DHS-Herdegen, Art. 79 GG Rn. 85; umgekehrt gewendet Sachs / Sachs, Art. 79 GG Rn. 37 m. w. N. 149

I. Die FDGO in einer Theorie der Verfassungsgrundsätze  

249

(3) Ebenfalls unabhängig von einer nachgewiesenen Gesamtstrategie des Angriffs wird ergänzend auf einen „effektiven Kipppunkt“ abzustellen sein, ab dem eine wirksame Verhinderung der weiteren Entwicklung rechtlich, vor allem aber tatsächlich nicht mehr gesichert scheint.152 Hierzu muss etwa das Ausschalten einer effektiven wirksamen unabhängigen gerichtlichen, parlamentarischen oder öffentlichen Kontrolle gegen aktuelle und künftige Machtmissbräuche zählen, welche die FDGO bzw. Grundsätze des Art. 79 III GG betrifft.153 Mit der damit dem BVerfG eingeräumten Befugnis werden auch nicht unmäßig politische Prozesse in justizielle Kontrolle und Kompetenz überwiesen. Vielmehr bleibt die Rechtsprechung, wie sonst bei der Nichtigerklärung eines Gesetzes- oder Hoheitsakts selbst zur Plausibilisierung verpflichtet. cc) Kompensation und Revisibilität Vor allem in den letztgenannten beiden Beurteilungen können Kriterien der Kompensation154 und der Revidierbarkeit der Prozesse bedeutsam sein, wobei bei letzterem die hohen Hürden einer erneuten Verfassungsänderung zu bedenken sind. Sie sind vor allem an den Funktionen der FDGO, hier namentlich der Friedlichkeit und Fortschrittlichkeit zu messen. d) Reflexion: Tauglichkeit der Auslegung Mit dem oben ausgeführten Prüfmodell können, wie nachfolgend weiter zu belegen ist, Bestrebungen zur Zerstörung der FDGO im Rahmen des Art. 79 III GG wirksam identifiziert, ihre Bekämpfung rationalisiert und sie so aus rechtlicher Perspektive wirksam aufgehalten werden. aa) Systematische Konsistenz und Anwendbarkeit Die „Ewigkeitsgarantie“ fügt sich damit als Schlussstein ein in die weiteren Schutznormen und -mechanismen.155 In der Praxis der bei deren Anwendung nötigen Beurteilung genügt regelmäßig bereits die Feststellung, dass die erstrebten politischen Zustände mit dem Kernbereich zumindest eines Komponenten-Grund-

152

In diese Richtung auch Sachs / Sachs, Art. 79 GG Rn. 37 a. E. Vgl. dazu insbesondere oben C. IV.; Fahrner, Vulnerabilität, S. 63 ff., 75 ff., 126 ff.; ders., HdbSiStR, § 4 Rn. 29 ff. 154 Beispielsweise, wenn an Stelle der BVerfG ein oberstes unabhängiges, aber völlig unabhängiges Gericht eingerichtet wird; nicht aber bei parteiischer Nachwahl z. B. durch Absenken der Altersobergrenze entbundener Verfassungsrichter usw. 155 Vgl. dazu sogleich unten II., III. und f. für das verfassungsnahe „einfache“ Recht. 153

250

E. Konstruktion

satzes in Widerspruch stehen. So sind islamistische und ethnisch-rassistische Bestrebungen jedenfalls stets mit der universalen Menschenwürde sowie regelmäßig (freiheitlicher) Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und dahinterstehendem Pluralismus unvereinbar. Für einen sozialistisch-kommunistischen Extremismus kann nichts anderes gelten, wenn der Ausgang vom Individuum und der subjektiven Pluralität und seine Absicherung durch wirksame freie Demokratie und Rechtsstaatlichkeit negiert werden sollen.156 bb) Fortschrittlichkeit, Versteinerungsgefahr und Plausibilität bisheriger Judikatur Demgegenüber kommt es trotz Wirksamkeit zu keiner Versteinerung. Die bisherigen Entscheidungen des BVerfG zu Änderungen mit mutmaßlicher Relevanz für diejenigen Grundsätze, welche die FDGO mitbetreffen, fügen sich hier ein. (1) Bei Art. 10 II 2, 19 IV 3 GG besteht der Regelkern fort. Weder wurde eine unabhängige Rechtskontrolle gänzlich unmöglich,157 noch wurde der Menschenwürdekern verletzt. Die Einschränkungen des gerichtlichen Rechtsschutzes sowie der Überwachung betreffen den Prinzipienbereich und konnten gegen gleichrangige Grundsätze u. a. zum Schutz der FDGO selbst optimierend abgewogen werden.158 Weiterhin wurde, was das BVerfG damit auch ausblenden konnte, offenkundig keine Strategie der Aufhebung der FDGO verfolgt, noch sonst in anderer Art der weitere effektive Schutz der FDGO riskiert. (2) Die Änderungen im Asylrecht gestalteten die grundrechtliche Konkretisierung der Grundsätze nachvollziehbar um, ohne sie als solche selbst in einer Weise im o.g. Sinn zu berühren.159 (3) Auch in den weiteren Entscheidungen zu Art. 79 III GG bewährt sich diese Konstruktion vor allem als Optimierungsbereich von Rechtsstaatlichkeit und

156 Vgl. exemplarisch die anschauliche Sammlung von Schenke / Graulich / Ruthig / Roth, § 4 BVerfSchG Rn. 54 ff. m. w. N. 157 Eine unrechtmäßige Überwachung eine solche bleibt und zumindest indirekt, z. B. bei Aufdeckung etwa in der Staatshaftung oder in Strafverfahren gegen die Beteiligten persönlich geahndet werden kann, vgl. auch die Neuregelung von Art. 10 auslösende „Fall Pätsch“ BGHSt 20, 342; BVerfGE 28, 191. 158 Dahingehend kann auch die Argumentation BVerfGE 30, 1 (19 f.) verstanden werden; (nur) für die vorliegende Fragestellung nicht zentralen Diskussionen sind dabei beiseite zu stellen, ob die Anforderungen an diese Rechtfertigung, namentlich der Erforderlichkeit im Einzelnen erfüllt und im Gesetzesvorbehalt hinreichend bestimmt sind; namentlich, ob nicht im Rahmen der gängigen Judikative unter besonderen Vorkehrungen der Geheimschutzwahrung wie etwa bei strafrechtlichen nichtoffenen Ermittlungsmaßnahmen und in anderen Staaten, vgl. z. B. den FISA-Court gem. 50 U. S. C. § 1861, v. a. (c), (d), (f) in den USA, vorgenommen werden könnten. 159 BVerfGE 94, 49 (103).

II. Wirkung der FDGO und ihrer Grundsätze für die Verfassungsintegrität 

251

Menschenwürde: etwa bei der danach gerechtfertigten Einschränkung durch Art. 13 III GG,160 Art. 16 GG161 und nichtwillkürlichen Eingriffen in die Enteignungswirkungen der Bodenreform nach der Wiedervereinigung,162 sowie im Rahmen der Einschränkung des Demokratieprinzips im Rahmen der EU.163

II. Wirkung der FDGO und ihrer Grundsätze für die Verfassungsintegrität 1. FDGO als Kern der Verfassungsordnung a) Das kohärente System des Schutzes der FDGO im Grundgesetz Die FDGO stellt an allen auf sie bezogenen Stellen nach Geschichte, Systematik und Sinn und Zweck den selben Kern der Verfassung dar, den es einheitlich an allen Einsatzorten zu schützen gilt.164 Dazu zählen, erstens, nicht nur die Verfassungsnormen, in denen die FDGO als Tatbestandsmerkmal unmittelbar genannt ist, sondern auch, zweitens, jene Situationen, wo sie konkretisiert (als fdVO) indirekt im Rahmen der Verfassungsgrundsätze und verfassungsmäßigen Ordnung (im engeren Sinn) adressiert ist – sowie drittens allgemein im Rahmen der Einheit der Verfassung. Diese Kette wird nur unterbrochen, wenn die konkrete Verfassungsausgestaltungen nicht mehr den Anforderungen der FDGO entspricht. Aus den Anforderungen an die fdVO folgt nicht nur, dass diese genannte Schutzkompetenz entfällt, soweit die konkrete Ordnung des Gemeinwesens dem nicht mehr genügt, so dass gegen diesen Stand der Restitutionswiderstand zulässig und geboten sein kann. Vielmehr verstehen sich ansonsten die sie schützenden unterschiedlichen Verfassungsnormen ebenso als Einheit auf unterschiedlichen Stufen, die nochmals ins Bewusstsein gerufen seien: aa)  Art. 79 III GG markiert dabei (vor Art. 20 IV GG) die „letzte Verteidi­ gungslinie“ innerhalb der bestehenden Verfassungsordnung. Die systematische enge Verbindung zur FDGO ist uneingeschränkt weiter wirksam. Die ursprüngliche Fassung des Art. 108 HChE drückte sie unmissverständlich klar darin aus, dass Verfassungsänderungen unzulässig seien, „durch die die freiheitliche und demokratische Grundordnung beseitigt würde“. Auch wenn der Parlamentarische Rat sich zuletzt von diesem konkreten Wortlaut gelöst hat, wollte er den Sinn des

160

BVerfGE 109, 279 (310 ff.). BVerfGE 113, 273 (295). 162 BVerfGE 84, 90 (120 ff.). 163 Vgl. BVerfGE 89, 155 (208 f.). 164 Vgl. B. I. 1. a) ff. sowie II. 1. 161

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E. Konstruktion

Schutzes der FDGO dahinter innerhalb des weiter gefassten Art. 79 III GG nicht verändern, sondern nur möglichst präzisieren und umfassender absichern.165 bb) Die fdVO ist weitergehend nicht nur gegen offenbare, gewalttätige Angriffe und dadurch oder legalistisch unternommene Umwälzungen, sondern im Vorgriff auf solche „Entscheidungsfragen der legalistischen Verfassungsrevolution“ zu verteidigen. Daher sieht das GG – dahingehend im Vorfeld zu Art. 79 III GG – in Art. 18, 21 II–IV, 98 II 2 GG, Art. 9 II, 5 III 2 GG usw. als einheitliche Verfassung ausdrückliche materielle Eingriffsnormen vor. Sie sollen gerade politische Bewegungen verhindern, welche den Kern der FDGO im Rahmen der bestehenden Verfassung am Ende – egal in welcher, aber explizit auch zunächst nichtgewaltsamer Weise – gefährden können. Sie richten sich gegen typische Gefahren, den Einzeldemagogen (Art. 5 III 2, 18 GG), die verfassungsbekämpfenden Vereinigungen (Art. 9 II, 21 II–IV GG), Amtsträger „von innen“ (Richter nach Art. 98 II 2 GG, andere im Rahmen der „wehrhaften Demokratie“)166 sowie sonst im Rahmen der Begrenzungen in der politischen Prozesse und Öffentlichkeit.167 Es sollen hier vor allem politische Dynamiken verhindert werden, die entweder zur Außergeltungs­ setzung der Verfassung entgegen ihrer formellen Verfahren oder aber zu ihrer „Entkernung“ im legalistischen Weg führen. In beidem wird der Schutzbereich der militant democracy aufgegriffen. Als Gesamtsystem wird in beiden – gegen jeden Verfahrensbruch und Entkernung im Ergebnis – der Schutz damit mindestens gedoppelt: In ersterem entsteht eine Überlagerung gegenüber dem tradierten Staatsschutzstrafrecht, v. a. gegen Hochverrat. Der eigenständige Vorfeldschutz vor Art. 79 III GG folgt aus der historischen Erfahrung, dass der reaktive und retro­ spektive strafrechtliche Staatsschutz „zu spät“ kommen können, namentlich wenn eine unabhängige Gerichtsbarkeit die Sanktionierung der Normverletzungen nicht mehr durchsetzen könnte. Dass dieser Weg eine reale Gefahr bleibt, zeigen vor allem die zeitgenössischen Ausschaltungen von unabhängigen Gerichten etwa in der Türkei oder der Kampf um sie in Polen und vielen auch europäischen Demokratien. cc) Die sonstigen Verwendungen im Grundgesetz lassen sich als wiederum noch weitergehende Vorverlagerungen begreifen, denen zudem eine dienende Hilfsfunk­ tionen als Werkzeuge der Aufklärung und Abwehr zukommt. Dies gilt zuvorderst für den organisatorisch-formellen Verfassungsschutz (Art. 73 I Nr. 10 b), 87 I 2 Var. 4 GG) und seiner erweitert geschützten Kommunikationsüberwachung zur Aufklärung gegenüber gerichtlicher Nachprüfung (Art. 10 II 2; 19 IV 3 GG). Aber auch die Einschränkung des Rechts auf Freizügigkeit zur Abwehr einer drohenden Gefahr für das Schutzgut (Art. 11 II Var. 4 GG) und schließlich der Einsatz landesfremder und bundeseigener Polizei- und Streitkräfte zur Abwehr einer drohenden 165

Im Redaktionsausschuss des ParlR wurde am 16. 12. 1948 auf das Modell von RheinlandPfalz, wohl als Kompromissvorschlag zurückgegriffen, vgl. ParlR. Drs. 374; JöR 1 (1951), S. 585; oben B. I. 4. c). 166 Siehe gerade oben B. I. 2. 167 Siehe umfassend bereits Fahrner, Vulnerabilität, v. a. S. 132 ff., 144 ff., 198 ff., 233 ff., 283 ff.

II. Wirkung der FDGO und ihrer Grundsätze für die Verfassungsintegrität 

253

Gefahr (Art. 87a IV 1, 91 I GG) ermächtigen zum Schutz in besonderen Gefahrenlagen. Hinzutreten jene Grundsatz- und Prinzipienabwägungen im Rahmen der Konkordanz der Gesamtverfassung etwa bei Einschränkungen von Freiheitsund Gleichheitsgrundrechten ohne ausdrücklichen diesbezüglichen Vorbehalt.168 b) Allgemeingültigkeit und -anwendbarkeit des Grundsatzmodells der FDGO Daraus lässt sich zwischenzeitlich zusammenfassen: aa) Wie aus der Begriffsverwendung, Genese und Teleologie zu vermuten, können und müssen der Schutz und das Merkmal der FDGO als solcher169 einheitlich ausgelegt werden. bb) Entscheidend ist dabei, dass auf dieser Ebene nicht die FDGO in ihrer konkreten Ausgestaltung durch das GG, also konkreter Verfassungsordnung in existu per se geschützt wird, mithin z. B. nicht das parlamentarische Regierungssystem oder der Bundestag als solche, sondern „nur“ (1) ihre nur friedliche, verfassungskonforme Änderung, mithin in den eröffneten demokratisch-rechtsstaatlichen Verfahren (2) und ein Endzustand, der weiterhin bzw. wiederum den Anforderungen der FDGO genügen muss.170 Gemeint ist damit, dass es keine Rolle spielt, ob die FDGO als Endpunkt einer Handlung nicht mehr gegeben sein sollte, oder aber, ob sie im Verlauf zu einer möglicherweise wieder objektiven oder subjektiv beabsichtigten Ordnung, die wieder im Einklang mit der FDGO stünde, in relevanter Weise aufgehoben oder beeinträchtigt worden wäre. cc) An den unterschiedlichen Verwendungsstellen unterscheidet der Begriff der FDGO sich somit nicht. Jenseits der prädikativen und transkonstitutionellen „vertikalen Dimension“ wird der Schutzumfang der FDGO allerdings an den textlich abweichenden Stellen ergänzt, namentlich in Art. 9 II, 20 IV und 79 III GG sowie im Bereich der „wehrhaften Demokratie“ (und der „freiheitlich demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes“). dd) Ansonsten divergieren die einzelnen Befugnisnormen lediglich in der Art, wie sie  – letztlich gegen die fdVO gleichgerichteten  – Gefährdungen begegnen sollen und damit auch, wie diese Gefährdungen des Schutzguts ausgestaltet sind. 168

Vgl. oben D. III. 1., 3. und Fahrner, Vulnerabilität, v. a. S. 132 ff. Von den Modellen der „Einheitstheorie“ unterscheidet sich dies sowohl durch die wahrgenommenen Unterschiede der Ergänzungen etwa in der verfassungsmäßigen Ordnung, aber auch dem Verzicht auf ein hypostasiertes und unumgrenzbares Zwischenrechtsinstitut. 170 Vgl. zu beidem bereits oben a) bb) sowie im Einzelnen noch sogleich unten c) ff. 169

254

E. Konstruktion

ee) Das Grundsatzmodell der FDGO muss folglich an allen diesen Stellen stimmige Verwendung finden und finden können. c) Reichweite und Geltungsdurchsetzung der FDGO in der freiheitlich demokratischen Verfassungsordnung Die FDGO drückt in allen Verwendungen im GG den innersten Kern der kon­ kret bestehenden, durch das GG konstituierten Verfassungsordnung aus, soweit diese wiederum zur FDGO konform ausgestaltet erscheint. aa) Genügt die formal-legale Verfassung ausnahmsweise nicht (mehr) dem normativ engsten Kern – z. B., weil Art. 79 III GG in einem konkreten Änderungsverfahren verkannt wurde oder sonst nicht eingreifen konnte – sind die Staatsorgane verpflichtet, für eine innerhalb ihrer Kompetenzen im Rahmen der Gewaltenteilung möglichst weitgehende Umsetzung der FDGO und Eliminierung der Störungen Sorge zu tragen, insbesondere aus der Wahrung von Art. 79 III GG über Art. 20 III GG. Soweit es ihnen möglich ist, haben sie widersprechend erscheinende Normen möglichst konform mit der FDGO oder gar nicht anzuwenden. Der Verfassungsgesetzgeber hat einen FDGO-konformen Verfassungstextzustand herzustellen. Das BVerfG hat diese anzuordnen oder selbst herbeizuführen. Ansonsten kann schließlich Art 20 IV GG eingreifen, welcher auch die erfolgte Teilbeseitigung umfasst. bb)  Allgemein verpflichtet sind über die Verfassungs- und Gesetzesbindung gem. Art. 20 III GG die („einfachen“) Gesetzgeber auf Bundes- und Landesebene sowie darüber sämtliche Staatstätigkeit zur Einhaltung. Im Fall eines befürchteten Verstoßes gegen die FDGO durch hierarchisch untergeordnete Normen und Entscheidungen stehen unterschiedliche Möglichkeiten innerhalb des Verfassungssystems zur Klärung zur Verfügung, wie etwa Art. 100 GG, bevor als ultima ratio das Widerstandsrecht gem. Art. 20 IV GG eröffnet sind. Verstärkt werden diese durch Pflichten der Amts- und Funktionsträger in perso­ naler Dimension unter anderem durch Art. 33, 98 GG und ergänzend die Einrichtungen der wehrhaften Demokratie.171 Speziell für die Menschenwürde und Grundrechte bestehen zusätzlich die unmittelbaren Pflichten aus Art. 1 I, III GG, der über Art. 19 GG und auch gegenüber dem Bundesgesetzgeber gem. Art. 19 II GG fortgesetzt wird. Das Landesrecht gilt nicht nur im Rahmen des Bundesrechts gem. Art. 31, 70 ff., 123 ff., 142 ff., sondern muss insgesamt bis hin zum Landesverfassungsrecht den Grundsätzen nach Art. 28 I GG genügen, welche die FDGO spiegeln. Soweit nach Art. 79 III GG eine Verfassungsänderung nicht möglich ist, kann eine dessen Inhalten widersprechende Rechtsnorm oder sonstige staatliche Handlung erst recht nicht gültig bzw. rechtmäßig sein. 171

Vgl. oben D. III. 2., 3.

II. Wirkung der FDGO und ihrer Grundsätze für die Verfassungsintegrität 

255

2. Wirkung für die (normative) Verfassung und ihre Änderungsmöglichkeiten a) FDGO und ursprünglicher Verfassungsgeber Der ursprüngliche Verfassungsgeber konnte nach dem Grundsatz der Verfassungseinheit wirksame Ausnahmevorschriften von allen allgemeinen Prinzipien vorsehen, sofern diese nicht evident aus den transkonstitutionellen Begründungen des Naturrechts oder der Radbruchschen Formel als unwirksam anzusehen sind.172 Mit der besonderen Rolle der Grundsätze der FDGO können sich zwar durchaus Verstöße oder Konflikte anderer auch originärer Verfassungsnormen ergeben. Solche sind allerdings beim derzeitigen Auslegungs- und Diskussionsstand nicht erkennbar. b) Geltung von Art. 79 III GG für Verfassungsänderungen Art. 79 GG adressiert unmittelbar mindestens den verfassungsändernden Ge­ setzgeber auf Bundesebene. aa) Fiktion der Volkswillenssouveränität Bereits seit der Verabschiedung des Grundgesetzes wird – insoweit ähnlich zum verfassungsstaatlich-demokratische Verständnis der Weimarer Reichsverfassung – durch immer neue Ansätzen einer absoluten Theorie eines Volkssouveräns dessen Beschränkung auch in Gestalt von Art. 79 III GG angegriffen.173 Neben Versuchen, Art. 79 III GG als „verfassungswidrige Norm“ völlig nichtig174 oder als bloße deklaratorische, aber jederzeit aufhebbare Vernunfterklärung abzustempeln, hat sich in der Verfassungslehre vor allem durchgesetzt, seine Geltung möglichst absondern zu wollen. Dazu wird einerseits versucht, die Grundsätze von ihrer konkreten 172

Vgl. ausdrücklich und ausführlich BVerfGE 1, 14 (61); 3, 225 (231 ff.); daneben bereits BGHZ 1, 274 (276); Schneider, HdbStR XII, § 255 Rn. 36 f.; Kempen, NJW 1991, 964 (966); Waldhoff, Entstehung, S. 289 ff. 173 Vgl. exemplarisch Dreier / Dreier, Art. 79 Abs. 3 Rn. GG 17; ausführlich dazu Fahrner, Vulnerabilität, v. a. S. 55 ff., 87 ff.; vgl. rechtstheoretisch überzeugend dagegen Holmes, Vorentscheidung, S. 133 ff. 174 Vgl. etwa Scriba, Revolution, passim; prägend Tomuschat, Verfassungsgewohnheitsrecht, S. 108 ff., da der Verfassungsgeber seine Kompetenz mit dem Versuch den pouvoir consitutant zukünftig zu binden, überschritten habe; ebenso noch heute Dreier / Dreier, Art. 79 Abs. 3 Rn. GG 17 mit dem Leitbild unzügelbarer Volkswillenssouveränität: „führt … zur Ausblendung des Volkes als realer politischer Größe und zu seiner endgültigen Verbannung in das einmal errichtete Gehäuse der Verfassung“ als Beispiel für die Schmitt-Erben, darunter auch Böckenförde, Gewalt, S. 17; vgl. weiter den „Vermittlungsversuch“ von DHS-Herdegen, Art. 79 GG. Rn. 61; zum Problem insgesamt bereits Fahrner, Vulnerabilität.

256

E. Konstruktion

Anwendung zu isolieren, also letzter faktisch dadurch freizustellen, solange nur der Grundsatz „als solcher“ nicht berührt wäre.175 Anderseits wird Art. 79 III GG praktisch seit seinem Entstehen durch eine Dogmatik-Schule im Ergebnis zu einer bloßen Kompetenznorm nur für den Verfassungsgesetzgeber als pouvoir constitué verklärt,176 die, wie die gesamte Verfassung, stets labil unter dem Aufhebungsvorbehalt einer Dezisions-Maßnahme „des absoluten Volkssouveräns“ als pouvoir constituant stehen würde.177 Allenfalls an Form und Vorbereitung dieser Volksentscheidung werden unterschiedliche Anforderung gestellt, während in Reinform eine einmal, egal wie (vielleicht nach formalen Gesichtspunkten „frei“) zustande gekommene Dezision jenseits Art. 79 III GG eine beliebige neue Verfassung legitimieren würde. Wenn das Volk einen „Dexit“ oder „Duce“ wollte (oder dieses mit Macht behauptet würde?) könne nichts und niemand, auch nicht Art. 79 III GG, es abhalten. Damit soll, nach der „reinen Lehre“ nicht die faktische kontrakonstitutionelle Revolution, sondern eine verfassungskonforme, legale und legitime Neuverfassung eröffnet sein.178 bb) Ablehnung Wie bereits dargestellt wurde, ist diese Fiktion abzulehnen.179 Sie reduzierte nicht nur erkennbar jede Verfassungs-Resilienz zur alltäglichen nackten Macht­ frage – labil angesichts bloß irrealer vollständiger Rationalität der breiten Abstimmungsmehrheit.180 Es ist vielmehr kategorisch mit der Vorstellung der FDGO als solcher nicht in Einklang zu bringen und ihr diametraler Widerspruch.181 Dem Parlamentarischen Rat ging es – ebenso wenig wie der Weimarer Nationalversammlung und ihren jeweiligen tragenden Akteuren und Prozessen – um die 175

Vgl. bereits oben I. 4. Vgl., auch zu Schmitt, insbesondere hier v. Münch / Kunig / Bryde, Art. 79 GG Rn. 32 ff. m. w. N.; sowie exemplarisch für die h. M. der von Schmitt ausdrücklich oder konkludent fortgeprägten Staats- und Verfassungslehre DHS-Herdegen, Art. 79 GG. Rn. 60 ff.; MKS-Hain, Art. 79 GG Rn. 31 ff. 177 So zusammenfassend sowie selbst v. Münch / Kunig / Bryde, Art. 79 GG Rn. 33, 36; Bryde, Verfassungsentwicklung, S. 251; dort auch mit der Ansicht, dass Art. 79 III GG selbst aufhebbar, d. h. „dem Volk“ unter Art. 79 I GG sozusagen selbst „anzuvertrauen“ sei; vgl. weitsichtig die Kritik gegen den beliebigen aklamatorischen Dezisionismus nach Schmitt bereits bei Ehmke, Verfassungsänderung, S. 49 ff. 178 Auf die neuerdings betonte Gegenbewegung einer ewig geschützten „national-völkischen Verfassungsidentität“ v. a. gegen eine transnationale Integration ist unten näher einzugehen. 179 Vgl. umfassend bereits Fahrner, Vulnerabilität. 180 Insoweit erscheint v. Münch / Kunig / Bryde, Art. 79 GG Rn. 36 nur unter vollständiger Ausblendung der gesamten Historie der FDGO zusätzlich zu den Problemen der begrenzten Rationalität, vgl. B., sowie hier nur bereits Fahrner, Vulnerabilität, S. 47 ff., 106 ff. im Vorgriff auf die umfassende Behandlung in der anstehenden Habilitationsschrift, auch nur im Ansatz nachvollziehbar. 181 Vgl. Fahrner, Vulnerabilität, v. a. S. 84 ff. 176

II. Wirkung der FDGO und ihrer Grundsätze für die Verfassungsintegrität 

257

Verwirklichung eines dezisionären absolut und rechtsstaatlich-exogen gesetzten Willens eines identitär-homogen fingierten Volkes. Ersterer wollte gerade, in Abschluss der Entwicklungen bis dahin, explizit eine stabile FDGO absichern, mit den Funktionen ausgehend zentral von der Menschenwürde und den Mitteln insbesondere von sich selbst bewahrendem Rechtsstaat und Demokratie. Dies kommt in der gesamten systematischen Konstruktion des GG sowie nicht zuletzt dem klaren, eindeutigen Wortlaut des Art. 79 III GG, der diese Genese ebenso wie seinen Zweck spiegelt, zum Ausdruck. So kann auch nicht in anderer Weise im Rahmen der bestehenden Verfassung, namentlich nach Art. 23, 24, 59 GG, über die FDGO verfügt werden, wie Art. 23 I 3 GG für die weitreichendste Öffnung verdeutlicht.182 Die Anhaltspunkte für einen Volkswillensabsolutismus in der Verfassung sind hingegen sämtlich bestenfalls schwach und vermeintlich.183 Historisch richtig führen sie zurück maßgeblich auf Carl Schmitts historisch ungerechtfertigte Behauptung des unumschränkten pouvoir constituant als historische Gegentheorie zur konsequent in sich rechtsstaatlich-demokratisch stabilen liberalen Verfassung. Die Übernahme seiner Dogmatik signalisiert auch die Durchsetzung seiner „Follower“, während die ursprünglichen Gegner und Opfer des NS-Systems, welche den Text des Grundgesetzes und seinen „Geist“ prägten, schon bald nach Einrichtung der BRD immer schwächer wurden und historisch zurücktraten. Der unauflösbare Gegensatz beider gegenläufiger Traditionen bricht konsequenterweise stets auf, wenn es um die Bewahrung der FDGO gegen einen behaupteten aktuellen oder herbeizuführenden „Willen des Volkes“ geht. Nicht umsonst scheint das Spannungsfeld der im Grundgesetz durchgängig erkennbaren Bekämpfung von Bestrebungen, die FDGO aufzuheben, gegenüber deren postulierter genereller Aufhebbarkeit evident. Dies gilt, wiewohl er in entsprechenden Diskursen häufig geradezu auffällig verborgen wird, etwa durch Trennen beider Ausdrucksformen der FDGO oder, wenn mittels Vermischung unter einer unklaren „Einheitstheorie der wehrhaften Demokratie“ sogar noch zur konkreten Staatsund Herrschaftsbewahrung umfunktioniert werden soll.184

182

Vgl. nur BVerfGE 113, 273 (295 ff.); 123, 267 (344); 140, 314 (341) m. w. N. für die Europäische Union; BVerfGE 128, 326 (371) für die EMRK; für Art. 24 bereits die Solange I-Entscheidung BVerfGE 37, 271 (279), weiter allgemein etwa BVerfGE 58, 1 (40); 68, 1 (93). 183 Zumal auch häufig Art. 146 GG als Verfassungsnorm jede Normwirkung für den nicht nur vor- sondern parakonstitutionell fingierten pouvoir constituant abgesprochen wird, s. so­ gleich unten c); damit bleiben vor allem Art. 20 II, 21 I 1 GG, die allerdings bereits ausführlich als Indizien für einen absoluten Volkswillen entkräftet wurden, siehe bereits Fahrner, Vulnerabilität, S. 62 ff. 184 Vgl. oben insgesamt D. III.

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E. Konstruktion

cc) Folgerungen Für die Auslegung und Anwendung des Art. 79 III GG gilt zuerst, dass dieser nicht primär – als Einschränkung eines vermeintlichen absoluten Volkswillens – restriktiv, sondern zur Bewahrung einer stabilen Demokratie e f f e k t i v verstan­ den werden muss. (1) Dazu zählt, dass er wirksamer Maßstab zur (rechtsstaatlichen) Prüfung der Verfassungswidrigkeit von verfassungsändernden Gesetzen sein muss und die Kompetenz dazu wie allgemein über die Geltung von Bundesgesetzen, dem bestehenden Gerichtssystem und hier ausdrücklich dem BVerfG zukommt.185 (2) Dies schließt ohne weiteres ebenso zwingend mit ein, dass Art. 79 III GG selbst unter keinerlei Änderungs- sondern Bestandsvorbehalt gestellt ist.186 (3) Schließlich muss die weitere Auslegung namentlich zum Inhalt und Rechtweite der Grundsätze und ihres Schutzes vor berührenden Verfassungsänderungen darauf aufbauen.187 Beschränkt „restriktiv“ verstanden werden kann die Auslegung im reinen tatbestandlichen Anwendungsbereich von der Fortschrittsfunktion, mehr als dem Demokratieprinzip selbst, keinesfalls aber wegen einer absoluten Volkswillkür.188 Keinesfalls in seiner konsequenten Geltung für alle Veränderungsversuche beschnitten bzw. relativierend beeinträchtigt werden darf jener Kernbereich der FDGO-Komponenten, der für die Funktionen der Menschenwürde, sowie pluralen und fortschrittlichen Friedlichkeit elementar ist.189 c) FDGO und neue Verfassungsschöpfung bzw. -ablösung Die Beurteilung im Hinblick auf eine neue Verfassungsschöpfung bzw. -ablösung ist unter Berücksichtigung von Art. 146 GG190 hingegen komplexer, aber widerspruchsfrei möglich:

185

Vgl. Häberle, Grundprobleme, S. 1 (16 f.).; sowie die entsprechende Rspr., mithin BVerfGE 30, 1 (25); 84, 90 (121); 109, 297 (310) etc.; anders dagegen der franz. Conseil Constitutionnel, vgl. Polzin, Verfassungsidentität, S. 138 m. w. N. 186 Vgl. etwa für die ganz h. M. BVerfGE 84, 90 (120) als obiter dictum; Scriba, Revolution, 307 ff.; BeckOK-Dietlein, Art. 79 GG Rn. 16.1; DHS-Herdegen, Art. 79 GG Rn. 77; Hesse, Grundzüge, Rn. 296; richtigerweise ist er damit konsequenterweise seinem Gehalt widersprechender Einengung durch den Verfassungsgesetzgeber und das BVerfG entzogen zu letzterem im Überblick Polzin, Verfassungsidentität, S. 136 ff. m. w. N. 187 Siehe bereits oben I. 188 Vgl. zum Gebot enger Auslegung BVerfG 30,1 (25); 109, 279 (310). 189 Vgl. insoweit auch BVerfGE 123, 267 (343): „der für die Achtung der Menschwürde un­ entbehrliche Substanz elementarer Grundrechte“. 190 Vgl. zur Neufassung BT Drs. 11/7920, S. 14; 11/7760, S 358 f.; zur lediglich politischen nicht rechtlichen Durchsetzbarkeit s. BVerfG NVwZ-RR 2000, 474.

II. Wirkung der FDGO und ihrer Grundsätze für die Verfassungsintegrität 

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aa) Volkswillenssouveränität Keinen Beitrag zur weiteren Klärung können jene Dogmatiken leisten, die jede Bindungswirkung der bestehenden Verfassung für einen (latenten?) parakon­ stitutionellen absoluten Volkswillenssouverän ablehnen und damit Art. 146 GG als wirkungslos, verfassungswidrig, obsolet etc. ansehen.191 Sie sind mit ihrem Ausgangspunkt aus den bereits breit ausgeführten Gründen ohne weiteres Zutun abzulehnen.192 Dies muss auch dann gelten, wenn Art. 146 GG als störend in der Schmittschen Kompetenzverteilungstheorie zwischen unregulierbarem willkür­ lichem Volkswillen und beschränkter parlamentarischer Volksvertretung zerrissen werden soll und dazu als nichtiger Verstoß gegen Art. 79 III GG erklärt wird.193 Das Bild aus der Bismarckschen Reichsverfassung, aktualisiert durch die Staatsstreichpläne durch Neugründung des Reichs durch die Fürsten gegen den parlamentarischen Reichstag war schon für die Weimarer Republik in Art. 76 WRV ebenso unrichtig, wie als Mittel für die gezielten Angriffe bis 1933 gegen sie missbraucht durch ihre Feinde. Im Grundgesetz findet es, wie bereits mehrfach ausgeführt, in

191 Vgl. Roellecke, NJW 1991, 2441 (2444); aus formalen Gründen Kempen, NJW 1991, 964 (966 f.); materiell BeckOK-Hillgruber, Art. 146 Rn. 8.1; Huba, Der Staat 30 (1991), 367 (374); dagegen für die ganz h. M. nur MKS-Unruh, Art. 146 Rn.17 ff. m. w. N.; vgl. prägend bis heute Schmitt, Verfassungslehre, 1928, S. 82 ff. zum „unbändigbaren pouvoir constituant“; fortgeführt namentlich von Murswiek, Der Staat 32 (1993), 161 (171 f.); ders., Gewalt, S. 97 ff.; vgl. weiterhin BVerfGE 123, 267 (405); Sachs, JuS 1991, 985 (987); Zeidler, DVBl 1950, 598 (599); hist. fundierend MKS-Unruh, Art. 146 Rn. 4; Dreier, Art. 146 Rn. 50 mit „faktischem Trost“; dazu abl. Polzin, Verfassungsidentität, S. 119 ff. m. w. N.; Merkel, Gewalt, S. 206; Sachs /  Huber, Präambel GG Rn. 26 f., Art. 146 GG Rn. 12; im Erg. ebenso BK-Michael, Art. 146 GG Rn. 366 f., 541 ff.; gegen einen „quassisakralen“ Voluntarismus gegen den verfassungsrechtlich eingeforderten Normativismus und ein Ausspielen der Volks- gegen die Rechtsherrschaft insoweit überzeugend Isensee, HdbStR XII, § 258 Rn. 70; nichts anders gilt für die Hilfs­ begründung, Art. 146 GG sei heute nach einem ungenutzten zeitlichen Änderungsfenster nach der Wiedervereinigung obsolet, vgl. Herdegen, Verfassungsänderungen, S. 31; Sachs, JuS 1991, 985 (991); ausführlich mit weiterem Literaturüberblick auch die Darstellung von Cramer, Staatlichkeit, S. 195 ff. 192 Siehe hier neben den Ausführungen oben bereits umfassend Fahrner, Vulnerabilität, v. a. S. 62 ff., 75 ff. 193 Wobei dies von der formalen Begründung Art. 146 GG sei eine Neuschaffung des durch die Wiedervereinigung gänzlich erloschenen Art. 146 a. F. GG teilweise überdeckt wird; vgl. etwa Kempen, NJW 1991, 964 (966 f.); Huba, Der Staat 1991, 367 (373 f.); BeckOK-Hillgruber, Art. 146 GG Rn. 8.1.; dazu im umfassenderen Kontext Cramer, Staatlichkeit, S. 198 ff. m. w. N.; die Begründung, die entweder zur Nichtigkeit von Art. 146 GG oder zwingenden Anwendung von Art. 79 III GG in Art. 146 GG führen soll, dient vor allem dazu, dem den auch nicht durch einen Art. 146 GG regulierten und begrenzten weiteren pouvoir constituant gegenüberstellen zu können. Die Prämisse muss dann allerdings das System von pouvoir constituant und pouvoir constitué im Sinn Schmitts bleiben, wobei das Parlament als letzterer begrenzt sei, was Schmitt bekanntermaßen in mehreren Ebenen gegen die parlamentarische Demokratie bis zum Führerstaat ausspielte. In Art. 76 WRV fand dies keinerlei Anhalt, sondern ebenso in Wortlaut wie Genese und System eindeutige Widerlegung.

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E. Konstruktion

Wortlaut, Genese und Teleologie keinen Anhalt, erweist sich als fiktives, nur von außen Hineingelesenes.194 bb) Formelle Mindestfunktion Erkennt man – konsequent im sonst üblichen juristischen Willen zur Rechtswahrung und -effektivierung  – mit der insoweit h. M. dem bewusst durch den parlamentarischen Verfassungsgesetzgeber novellierten Art. 146 GG einen kon­ stitutiven Gehalt zu,195 kann er zunächst jedenfalls als notwendige Bedingung im Umkehrschluss gelesen werden: Jedenfalls verliert das Grundgesetz seine Gül­ tigkeit n i c h t , wenn eine neue „Verfassung“ anders als durch das deutsche Volk in f r e i e r Entscheidung beschlossen würde; insoweit griffe „ex post factum“ jedenfalls das Restitutionswiderstandsrecht aus Art. 20 IV GG.196 Entsprechende Bestrebungen oder Vorbereitungen können und müssen nach den dazu vorhandenen Befugnissen verhindert und sanktioniert werden, etwa mittels klassischem Staatsschutzstraf- und Gefahrenabwehrrecht oder den verfassungsunmittelbaren Präventionsmechanismen. Mehr Beachtung als wohl bislang dürfte aus hier bedeutsamer Sicht dem Erfordernis der freien Entscheidung im Hinblick auf die Dimensionen kollektiver Autonomie und individueller Freiheit, nicht nur in regulatorischer und rationaler Dimension (oder traditionell: Zwang und Täuschung) verdienen.197 Es stellt sich hier das allgemeine Problem der rationalen Freiheit im politischen System, ob und wie ein „Plebiszit“ als Ergebnis einer manipulativ aufgeputschten dominanten politischen Stimmung, gerade aus den Erfahrungen der „militant democracy“, ausgeschlossen werden kann bzw. muss.198 Gerade solche Bestrebungen oder Vorbereitungen, welche die Freiheit der Entscheidung auf dem Weg in die neue Verfassung verletzten, können und müssen nach den dazu vorhandenen Befugnissen verhindert und sanktioniert werden. 194

Vgl. nochmals umfassend Fahrner, Vulnerabilität, v. a. S. 62 ff., 75 ff. sowie ergänzend oben B. 195 Daraus mag man zur befriedenden Wirkung der „Totalrevokation“ der Verfassungsordnung eine zentrale stabilisierende Wirkung für deren Geltung ableiten, vgl. jüngst ausführlich Chatziathanasiou, Verfassungsstabilität aus Sicht ökonomischer Rechtstheorie mit Einschlägen begrenzter Rationalität, wie weiter bereits u. a. in Fahrner, Vulnerabilität, S. 104 ff. ausgeführt. 196 Siehe oben C. IV. 3., E. II. 1. a). 197 Vgl. etwa BVerfGE 5, 85 (131): Freiheit von äußerem und innerem Zwang; Hömig-Wolff Art. 146 GG Rn. 2 f.; DHS-Herdegen, Art. 146 GG Rn. 38 „gesteigerte Legitimation“ gegenüber Art. 79 GG; ausführlich weiterführend im Sinne der allgemeinen freien Demokratie im Verfahren Dreier, Art. 146 GG Rn. 48 ff.; Nettesheim, Der Staat 51 (2012), 313 (318 ff.); MKSUnruh, Art. 146 GG Rn. 29; noch weitergehend auch in Richtung auf Ressourcen- und sittliche Freiheit v. Münch / Kunig-Kirn, Art. 146 GG Rn. 15 ff.; beachte unbedingt die rationale Freiheit, dazu bereits Fahrner, Vulnerabilität, passim, v. a. S. 47 ff., 104 ff. 198 Vgl. insbesondere oben B. I. 3. Sowie umfassend Fahrner, Vulnerabilität, v. a. S. 62 ff.

II. Wirkung der FDGO und ihrer Grundsätze für die Verfassungsintegrität 

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cc) Diskussion um die Schranke des Art. 79 III GG Weniger Belang kommt hier der Frage zu, ob eine solche Entscheidung wiederum eine Verfassungsergänzung nach Art. 79 I, II GG voraussetzen würde.199 Als eine Sicherung gegen Manipulationen im gerade genannten Sinn liegt dies nahe, vor allem da sonstige Normen für Volksabstimmungen mit sehr begrenzten partiellen Ausnahmen (namentlich in Art. 29 GG) im Verfassungsrecht bislang nicht vorhanden sind. Demgegenüber können die entwickelten demokratischen Grundsätze durchaus eine sinnvolle Ableitung ermöglichen.200 Eine rein imperfekte Verfassungsermächtigung ohne Umsetzungsmöglichkeit ist wenig sinnhaft,201 zumal über Art. 79 GG der Weg zu einer Neuabstimmung ohne Rücksicht auf Art. 146 GG gleichermaßen eröffnet wäre. Ihr Zweck kann dann aber gerade als eine letzte Absage an einen ungezähmten Volkswillen jenseits jeder Regulierung verstanden werden. dd) Widersprüche und Probleme Die traditionelle Diskussion, ob Art. 79 III GG bei Vorgehen nach Art. 146 GG mit anzuwenden ist,202 erweist sich als stark schematisch: (1) Würde die vollständige Grenze des Art. 79 III GG pauschal bejaht,203 namentlich während damit gleichzeitig jede „Reservemacht“ eines pouvoir constitu­ ant204 oder anderer Konstruktionen abgestritten würde, wäre nicht nur Art. 146 GG praktisch ohne substantielle Funktion, da mit ihm nichts anderes erreichbar wäre als mit Verfassungsänderungsgesetzen.205 Richtig wird dagegen mit dem auf Effektivität gerichteten Wortlaut und der Neufassung nach 1989 die abschließende, 199

Vgl. etwa Polzin, Verfassungsidentität, S. 126 ff. m. w. N. Siehe vor allem Fahrner, Vulnerabilität, v. a. S. 130 ff. 201 Vgl. allerdings jüngst Chatziathanasiou, Verfassungsstabilität. 202 Offen gelassen noch in BVerfGE 144, 20 (197 f.) m. w. N.; gegen die Anwendbarkeit etwa Maurer, FS Heckel, S. 821 (832 f.); Badura, HdbStR XII, § 270 Rn. 33; Stückrath, Verfassungsablösung, S. 219 f.; vgl. etwa allgemein im Überblick BeckOK-Hillgruber, Art. 146 GG Rn. 6 ff.; DHS-Herdegen, Art. 146 GG Rn. 47 ff.; MKS-Unruh, Art. 146 G Rn. 21. 203 So die traditionell wohl h. M., die sich allerdings durch das Lissabon-Urteil in Änderung befindet, vgl. etwa DHS-Herdegen, Art. 146 Rn. 48 f. Fn. 4; Jarass / Pieroth, Art. 146 GG Rn. 5; Isensee, HdbStR V, § 258 Rn. 69 ff.; einschränkend im Hinblick auf europäische Staatlichkeit v. Münch / Kunig / Kirn, Art. 146 GG Rn. 7 ff. 204 Vgl. etwa Steiner, Verfassungsgebung, S. 209; Polzin, Verfassungsidentität, S. 87 ff.; zur Problematik der Höherwertung Volks im Naturzustand, Tomuschat, Verfassungsgewohnheitsrecht, S. 101 f.; zur „demokratiezerstörenden“ und delegitimierenden Wirkung der Annahme bereits Schmitt, Diktatur, S. 137; Di Fabio, Staatsrechtslehre, S. 43; zur neuen besonderen Brisanz angesichts der Begrenzung der Europäischen Integration durch das BVerfG hier nur Cramer, Staatlichkeit, S. 165 ff., passim m. w. N. 205 So ausdrücklich die Folgerung von Polzin, Verfassungsidentität, v. a. S. 125 ff. m. w. N. namentlich zur Neufassung nach der Wiedervereinigung; ebenso etwa Sachs / Huber, Art. 146 GG Rn. 10; vgl. auch Cramer, Staatlichkeit, S. 201 ff. 200

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klar von der Gesetzgebung getrennte systematische Stellung angeführt.206 Aus hier zentraler Sicht der FDGO wäre allerdings endgültig jedes Bemühen zu einer Überwindung der Bundesstaatlichkeit, Begründung einer parlamentarischen Monarchie oder eines Präsidialsystems im Verfassungsrahmen illegal. Diese wären insoweit der Wiedererrichtung einer Gewalt- und Willkürherrschaft als verfassungsfeindliche Bestrebungen gleichgestellt. Die intensiven Bemühungen des Verfassungsgebers gerade um die Integration dieser Strömungen, die sich im Weiteren etwa im Strafrecht fortsetzt, wäre ohne Grund. Überhaupt bedürfte es der Konstruktion der FDGO als elementarem und essentiellem Ausschnitt eines stabilen friedlichen Gemeinwesens nicht, es bliebe tatsächlich nur der Schutz der konkreten Verfassungsordnung in situ der „erweiterten Einheitstheorie“. Dies freilich wäre, da übermäßig, eine Verletzung der Funktionsanforderungen jedenfalls von pluraler Fortschrittlichkeit und Friedlichkeit durch eben die oft beschworene ungerechtfertigte Versteinerung der Verfassung.207 (2) Würde demgegenüber auch im Rahmen von Art. 146 GG208 jede materielle Begrenzung verneint,209 um die Verfassung legal abzuändern oder insgesamt abzulösen, verlöre – wie unter der Fiktion des unregulierbaren pouvoir ­constituant – das Instrumentarium der militant democracy erneut praktisch jede Verankerung, zudem noch innerhalb des ausdrücklichen Normbestands des Grundgesetzes. Alle präventiven Verfassungsnormen zum Schutz der FDGO stünden einmal mehr (wenn auch zumindest ggf. zu den bereits entwickelten Einschränkungen der freien Volksentscheidung) unter dem bereits entwickelten Vorbehalt der bloßen Volks­ dezision, wären damit tatsächlich nur einseitiges Kampfmittel bis zur erfolgreichen Überwindung.210 (3) In ein ausdrücklich offen gelassenes Dilemma, wieweit Art 79 III GG im Rahmen von Art. 146 GG gelten sollte, gelangt das BVerfG,211 indem es versucht, in der Tradition, im Sinne Schmitts einen pouvoir constituant aufrecht zu erhalten, gleichzeitig das Konstrukt der Verfassungsidentität212 zu reaktivieren, welches allerdings in Wortlaut und Genese des Grundgesetzes ebenso wenig Anhalt findet, wie zuvor in Art. 76 WRV.213

206

Vgl. hier nur erneut Cramer, Staatlichkeit, S. 214 ff. m. w. N. Vgl. ausführlich DHS-Herdegen, Art. 146 GG Rn. 49 auch zum Wandel von Jarass /  Pieroth, Art. 146 GG Rn. 5 nun gegen die Anwendung von Art. 79 III GG. 208 Bzw. als dritte Möglichkeit durch einen ungebändigten pouvoir constituant gegenüber an Art. 79 III GG gebundener bloßer Verfassungsrevision nach Art. 146 GG, vgl. dazu Cramer, Staatlichkeit, S. 204 ff. m. w. N. 209 Vgl. etwa Sachs / Huber, Art. 146 GG Rn. 9 ff. 210 Vgl. nochmals ausführlich Fahrner, Vulnerabilität, v. a. S. 75 ff. 211 BVerfGE 123, 267 (331 f., 347 f., 364); völlig zu Recht insoweit kritisch etwa DHS-­ Herdegen, Art. 146 GG Rn. 47. 212 Vgl. vor allem Schmitt, Verfassungslehre, S. 101 ff. (105), 177 f. 213 Da dieses meist versucht wird, in Art. 79 III GG hineinzulesen, vgl. hierzu bereits auch oben E. I. 1. ff. 207

II. Wirkung der FDGO und ihrer Grundsätze für die Verfassungsintegrität 

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ee) Konsistenter Lösungsansatz durch die FDGO Auch unter dem Gebot einer sinnvollen Zusammenschau und widerspruchsfreien Einheit der Verfassungsnormen bleibt damit nur übrig, entsprechend dem Sinn und Zweck der Schutzregelungen und Funktionen der FDGO, just deren Bewahrung als materielle Grenze innerhalb des Art. 146 GG zu erkennen:214 (1) Dabei ist nicht von Belang, ob man die legitime Verfassungsablösung theoretisch auf einen (beschränkten) pouvoir constituant im Sinn einer fundamentalen Revokation nach Art. 20 II GG zurückführt,215 also Art. 146 GG als einschränkende oder eröffnende Regelung betrachtet.216 Ebenso bedarf es nicht der Annahme eines echten Verfassungsprinzips der „streitbaren Demokratie“. (2) Historisch217 wie systematisch zeigt die Zusammenschau der Verfassungsnormen zum Schutz der FDGO im Vorfeld einer legalistischen Änderung, dass diese effektiv sein sollen, mithin es keinerlei Anhaltspunkt gibt, weshalb diese unter den generellen Vorbehalt der Behauptung gestellt werden sollten, z. B. eine Partei bereite „nur“ eine Aufhebung der FDGO im Wege des Art. 146 GG vor, mithin „im Rahmen der Verfassung“.218 Umgekehrt stünde Art. 146 GG in berechtigtem Verdacht einer ineffektiven Scheinnorm, wenn jeder realistische politische Weg seiner Vorbereitung, d. h. über Parteien und Organisationen bis zum Zeitpunkt eines (so unrealistischen) Erfolgs nach Art. 9 II, 18, 21 GG durch die Organe der bestehenden verfassungsmäßigen Ordnung zu bekämpfen wäre. Die FDGO würde einmal mehr zu einem bloß prä- und allenfalls gewandelt postrevolutionären Kampfmittel, das seine Funktionsanforderungen so nicht erfüllen kann.219 Dies würde sich nicht zuletzt in Art. 20 IV GG fortsetzen, da die formal-legal beseitigte FDGO entweder nicht mehr oder gegen den Willen des neuen Verfassungsgebers zu verteidigen wäre.

214 So insbesondere bereits auch 1953 der, allerdings noch an der Enumerationsdefinition orientierte Ansatz von Ehmke, Verfassungsänderung, S. 100 ff.; ähnlich ebenfalls Laut­ ner, Grundordnung, S. 63; Bryde, Verfassungsentwicklung, S. 251; v. Münch / Kunig / Bryde, Art. 79 GG Rn. 3 f.; Kempen, NJW 1991, 964 (966), allerdings im Ergebnis für die vollständige formelle Verfassungswidrigkeit von Art. 146 GG als ultra vires durch den pouvoir constitué. 215 Vgl. dazu ausführlich Fahrner, Vulnerabilität, v. a. S. 87 ff. 216 Vgl. zur Ablehnung insbesondere Polzin, Verfassungsidentität, v. a. S. 23 ff., 90 ff. zu den Hintergründen von Carl Schmitt m. w. N.; bereits zur WRV ablehnend Hildesheimer, Revision; Kelsen, Staatslehre, S. 253; ähnlich restrospektiv Blumenwitz, ZfP 1992, 1 (5); dagegen begründend auf der Lehre von Sieyès, Tiers-État: „Dans chaque partie la constitution n’est pas l’ouvrage du pouvoir constitué, mais du pouvoir constituant“ jedenfalls Schmitt, Verfassungslehre, S. 91, vgl. weiter ausführlich dazu bereits Fahrner, Vulnerabilität, S. 67 ff. 217 Siehe oben B. I.; Fahrner, Vulnerabilität, S. 63 ff. sowie hier Nawiasky, Grundgedanken, S. 123. 218 Vgl. auch Jestaedt, Verfassung, S. 82 f.; ähnlich Isensee, HdbStR § 166 Rn. 46; angedeutet wohl auch bei Sachs-Huber, Art. 146 Rn. 23. 219 Siehe bereits Fahrner, Vulnerabilität, S. 75 ff.

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E. Konstruktion

(3) Verbunden mit seinen neuen Postulaten zur „nationalen Verfassungsidentität“ sollte auch das BVerfG folgerichtig in seinen zentralen EU-Entscheidungen davon ausgehen, dass Art. 79 III GG jedenfalls nicht vollständig, z. B. im Bereich des Bundesstaatsprinzips oder des Sich-Einfügens des deutschen Staatsvolks und seines Staatsgebiets in einen größeren europäischen Staatsverband, etwa als Gliedstaat, oder gar eines neuen europäischen Staatsvolks220 entgegensteht,221 gleichzeitig aber die FDGO und zusätzlich die friedlichen und freien verfassungsmäßigen Verfahren zur Änderung der Herrschaftsordnung in jedem Fall zu schützen sind.222 ff) Fazit Als Fazit daraus lässt sich auch zur Verfassungsablösung feststellen: (1) Die herausgearbeiteten, sonst nicht schließbaren fundamentalen Bruchstellen innerhalb der Verfassung lösen sich ohne weiteres unproblematisch auf, wenn auf den Fremdkörper eines stets Legalität auslösenden „absoluten Volkswillens“ verzichtet wird.223 Wird damit in Fortsetzung der liberalen Tradition namentlich auch von Fröbel, der Weimarer Verfassungsväter und der Schöpfer des Grund­gesetzes ein stabiler Verfassungsrahmen auch für die legale Revision errichtet, fügen sich die Normen zum dauerhaften Schutz, aber auch zur Fortschrittsfähigkeit der Verfassung nahtlos ineinander. (2) Wegen des Ziels einer Abschaffung des FDGO-Kerns können die darauf gerichteten Bemühungen nach Maßgabe der verfassungsmäßigen Rechtsordnung in den vorgesehenen v. a. (verfassungs-)gerichtlichen Verfahren sanktioniert werden, auch wenn sie sich darauf berufen, dies im Wege einer Revision bzw. Ablösung nach Art. 146 GG zu bewerkstelligen. Sollen durch eine Parlamentsmehrheit zu diesem Zweck Verfahrensvorschriften für die Anwendung von Art. 146 GG geschaffen und ausgeführt, werden erweist sich dies als verfassungswidrig, ihm kann folglich, jedenfalls nach dem Sinn des Art. 79 III GG, entgegengetreten werden.

220

Zu dieser weitestgehenden Disposition, die allerdings vor dem Hintergrund der FDGO wohl ebenfalls denkbar wäre, BVerfGE 123, 267 (347 f.); Penski, ZRP 1994, 192 (194); ­Murswiek, Der Staat 32 (1993), 161 (163); Di Fabio, Der Staat 32 (1993), 191 (205 f.). 221 BVerfGE 123, 267 (343 f.); ausdrücklich weiter offen verhält sich das BVerfG unter Anführung für eine fehlende „Verfügungsbefugnis“ zur Frage, ob der pouvoir constituant materiell verfassungskonform über die Souveränität des deutschen Volkes verfügen könnte, sofern dieses in einer größeren freiheitlichen und demokratischen Ordnung aufginge; a. A. etwa Groepl, StaatsR I, Rn. 850; vgl. auch Isensee, HdbStR VII, § 166 Rn. 61 ff.; Moelle, Verfassungsbeschluss, S. 73 ff.; Stückrath, Verfassungsablösung, S. 240 ff.; vgl. im Übrigen auch BVerfGE 89, 155 (180). 222 BVerfGE 144, 20 (197 f.). 223 Vgl. insgesamt bereits auch zum Folgenden Fahrner, Vulnerabilität, v. a. S. 62 ff., passim; insoweit wird auch etwa das Postulat von Dreier, Ablösungsvorbehalt, S. 159 (182) erfüllt, wenngleich eben nur unter Abkehr vom Erbe Schmitts.

III. Konkrete Ausgestaltung der verfassungsrechtlichen Mechanismen  

265

Hilfsweise, soweit keine andere Abhilfe (mehr) möglich ist, kann dagegen das Widerstandsrecht gem. Art. 20 IV GG ausgeübt werden. (3) Umgekehrt sind jedenfalls Parteien oder andere Bestrebungen, die sich nicht gegen die FDGO, sondern andere von Art. 79 III GG geschützte Güter wenden,224 im Umkehrschluss zu Art. 21 GG nicht verfassungswidrig, jedenfalls soweit sie einen friedlichen und freiheitlichen Weg einhalten. Richtigerweise kann dies nur das Verfahren nach Art 146 GG sein, welches insoweit über Art. 79 GG hinausreicht. Das Grundgesetz kann es unter Beibehaltung seiner Ausgestaltung als FDGO erlauben und ermöglichen, in demokratischer Weise durch ultimative Revokation an das Volk auch von weiteren Strukturprinzipien der konkreten Verfassungsordnung abzukommen, die jenseits der FDGO in Art. 79 III GG vor dem verfassungsändernden Gesetzgeber geschützt sind. Entscheidend bleibt dabei, dass sich diese erstrebte Ablösung mit einer neuen Zielordnung innerhalb der FDGO und als freie Entscheidung des deutschen Volkes darstellt. Dabei ist der Begriff der Freiheit entscheidend und bezieht sich zentral nicht auf das Kollektiv „des Volkes“ sondern auf die einzelnen Staatsangehörigen. Er muss insoweit weit verstanden werden, und namentlich neben Freiheit in regulativer Dimension (gegen Zwang und Gewalt) auch solche in rationaler (gegen Täuschungen) beinhalten. Gewaltsame, erzwungene, aber auch „erlogene“, unter Stress oder sonstiger Weise erheblich manipulierte Entscheidungen können jedenfalls diese Voraussetzungen nie erfüllen – wie etwa unter Botmäßigkeit unter imperialistischem russischem Expansionsstreben im Staatsgebiet seiner Nachbarstaaten. Gleiches gilt für solche, bei denen „nur“ die Prozesse einer freien und fairen Organisation von Mehr- und Minderheiten nicht gewahrt wären, vergleichbar historisch wie etwa in den Situationen nach dem Reichstagsbrand bei der Zustimmung zum Ermächtigungsgesetz, wenn dieses durch Volksabstimmung erfolgt wäre.

III. Konkrete Ausgestaltung der verfassungsrechtlichen Mechanismen des Grundsatzschutzes der FDGO 1. Regelungen der Schutzmechanismen Der Schutz der FDGO durch die unterschiedlichen Mechanismen kann unter den drei Aspekten der Finalität, Modalität und Potentialität der sanktionierten Handlungen weiter analysiert werden:

224 Also namentlich nochmals Monarchisten gegen die formell republikanische Staatsform, Unitaristen gegen den Bundesstaat oder, jedenfalls nach Sicht des BVerfG, Verfechter einer europäischen Staatlichkeit gegen eine deutsche.

266

E. Konstruktion

a) Verfassungsänderungsgesetze, Art. 79 III GG Art. 79 III GG greift jedenfalls ein, wenn ein Zugriff im Rahmen eines sonst formell ordnungsgemäßen verfassungsändernden Gesetzes erfolgen soll. Erfüllt die erstrebte Verfassungsänderung bereits nicht die Anforderung der Textänderung oder der doppelt qualifizierten Mehrheit, muss auf ihn nicht zurückgegriffen werden. Gleichwohl ist er kumulativ zu Art. 79 I, II GG erst recht gegeben, wenn zusätzlich sein Gehalt in formell rechtswidriger Weise verletzt ist. Der Wortlaut ist entsprechend offen bzw. dahingerichtet formuliert und die Ewigkeitsklausel entsprechend effektiv nach ihrem Sinn und Zweck zu verstehen. Wie vom Parlamentarischen Rat gewollt, ist nicht nur die erstrebte Verfassungsänderung nichtig und ohne Wirkung, was in den verschiedenen rechtsstaatlichen Verfahren bis zur Prüfung durch das BVerfG festgestellt werden kann.225 Auch im parlamentarischen Verfahren können entsprechende Anträge und Beschlüsse ohne Weiteres angehalten und geprüft werden.226 Im Streit zwischen den bis zur Verkündung beteiligten Organen und Organteilen wird nach den Regelungen des Grundgesetzes das BVerfG durch übliche Anrufung etwa im Wege der abstrakten Normenkontrolle oder des Organstreitverfahrens eingeschaltet. Ähnliche Absicherungen sind für völkerrechtliche Rechtsinstrumente vorgesehen.227 b) Polizei- und Militäreinsatz zum Schutz der FDGO, Art. 11 II, 87a IV, 91 I GG Bei Polizei- und Militäreinsatz gem. Art. 87a IV, 91 I GG sowie Art. 11 II GG bestimmen sich die drei genannten Aspekte im klassischen polizeirechtlichen Sinn als konkrete Gefahr, die aus Sicht ex ante zu beurteilen ist.228 aa) Die Finalität tritt damit zurück; noch konsequenter als bei den anderen Normen zum Schutz der FDGO kommt es insgesamt auf die Quelle der Gefahr nicht 225 Vgl. etwa BVerfGE 30, 1 (24); Sachs / Sachs, Art. 79 GG Rn. 83; BeckOK-Dietlein, Art. 79 GG Rn. 18.1; MKS-Hain, Art. 79 GG Rn. 39. 226 So jedenfalls die historisch begründete h. M. vgl. etwa BK-Evers, Art. 79 III GG Rn. 108 a. A. BeckOK-Dietlein, Art. 79 GG Rn. 18.3, allerdings scheint der Umkehrschluss jetzt etwa gegen die Vorauflagen von DHS-Herdegen, Art. 79 GG Rn. 84 wackelig, da er nur auf die Einbringung, nicht aber den Umgang damit abstellen kann; vgl. hist. Art. 108 HChE; JöR 1 (1951), S. 584 ff.; auch Art. 75 I 2 LV BY, Art. 150 II LV HE sowie oben B. I. 5. b) cc) m. w. N. zur Genese. 227 Vgl. Art. 23 I 3, 79 I 2 GG. 228 Vgl. grundlegend MKS-Volkmann, Art. 91 GG Rn. 19; Papier / Durner, AöR 128 (2003), 340 (355); sehr umstritten als Erbe auch des Schmitt’schen Ausnahmezustands und leges s­ ilent inter arma ist dabei, ob den Beteiligten aufgrund des politisch-prognostischen Charakters der Entscheidung eine Einschätzungsprärogative zustehen soll, deren Ausübung gerichtlich nur begrenzt nachprüfbar ist, vgl. MKS-Volkmann, Art. 91 GG Rn. 13; Sachs / Windthorst, Art. 91 GG Rn.  9 f.; Dreier / Heun, Art. 91 GG Rn. 10.

III. Konkrete Ausgestaltung der verfassungsrechtlichen Mechanismen  

267

an.229 Sie kann insbesondere auch in Hoheitsträgern liegen.230 Folgerichtig wird der Einsatz ohne Rücksicht auf Art. 21 GG kompetenzrechtlich zu beurteilen und damit anzunehmen sein, auch wenn die Gefahr von einer politischen Partei verursacht wird.231 Die konkreten Maßnahmen, auch nach Art. 11 II GG, werden sich weiter mit den Kriterien zum Schutz der Betätigung der Parteien etwa im Rahmen der Verhältnismäßigkeit auseinanderzusetzen haben. bb) Ob angesichts der Eingriffsreichweite besondere Voraussetzungen an die Beziehung zum Schutzgut gestellt werden müssen, ist umstritten.232 Die Einschränkung wird teilweise an der Wahrscheinlichkeit des Eintritts,233 vor allem aber an der Schwere der drohenden Beeinträchtigung festgemacht, die wiederum durch die herausgehobenen Schutzgüter charakterisiert wird.234 Ansonsten wird ein Überschreiten der Gefahrenschwelle an schwerwiegende Beeinträchtigungen der Funktionen von obersten Staatsorganen oder ganzen Zweigen der Staatstätigkeit gebunden. Dazu zählt etwa, wenn Wahlen gewaltsam behindert oder Parlamente lahmgelegt werden, oder wenn verhindert wird, dass Gerichte einen effektiven Rechtsschutz gewähren können.235 In Fortsetzung der Ansätze zur Abgrenzung zu Maßnahmen etwa nach Art. 18, 21 GG etc.236 kann mit dem vorliegenden Modell diese Umgrenzung durch die Freiheits- und Demokratiedimensionen geschärft werden. Zu den allgemeinen Fragen der Angemessenheit stellen sich jene der Erforderlichkeit und Geeignetheit. So ist der militante Einsatz gegen entsprechende erhebliche regulative Freiheitsentziehungen (d. h. Gewalt und Zwang, ggf. mit Ressourcenentzug) gerichtet. Angriffen auf die FDGO in den rationalen, sittlichen oder informativen Dimensionen (z. B. der Desinformation) kann regelmäßig nur in diesen (z. B. mit Aufklärung und Abstellen von Propaganda im Rahmen der möglichen staatlichen Eingriffe zum Schutz der FDGO in der Öffentlichkeit)237 und nicht mit weitgreifender manifester militärischer oder vergleichbarer polizeilicher Gewalt begegnet werden. Hierfür stehen im Regelfall gänzlich andere „zivilere“

229 Teilweise wird ein individualisierbarer Schädiger gefordert, dessen rein objektiv widerrechtliches Verhalten genügt, Sachs / Windthorst, Art. 91 GG Rn. 9. 230 Vgl. DHS-Dederer, Art. 91 GG Rn. 70 m. w. N. in Fn. 11. 231 Vgl. in gleiche Richtung DHS-Dederer, Art. 91 GG Rn. 70; v. Münch / Kunig / Hernekamp /  Zeccola, Art. 91 GG Rn. 11 m. w. N. 232 Nach wohl h. M. folgt v. a. aus dem „drohend“ keine weitere Vorverlagerung, vgl. DHSDederer, Art. 91 GG Rn. 69 m. w. N. Fn. 3 sowie Rn. 70 Fn. 2, aber auch keine „Unmittelbarkeit“, wie wohl von BK-Evers, Art. 91 Rn. 25. 233 Vgl. noch BeckOK-Epping, Art. 91 GG Rn. 3; jetzt abl. MKS-Volkmann, Art. 91 GG Rn. 20 zu Vorauflagen und so nicht ganz nachvollziehbaren w. N. 234 Vgl. etwa MKS-Volkmann, Art. 91 GG Rn. 20 m. w. N.; so wohl auch Jarass / Pieroth, Art. 91 GG Rn. 1. 235 Dreier / Heun, Art. 91 GG Rn. 10; Jarass / Pieroth, Art. 91 GG Rn. 1; v. Münch / Kunig /  Hernekamp / Z eccola, Art. 91 GG Rn. 10; ausführlich auch DHS-Dederer, Art. 91 GG Rn. 60 f. m. w. N. 236 Dreier / Heun, Art. 91 GG Rn. 10. 237 Vgl. bereits Fahrner, Vulnerabilität, v. a. S. 223 ff.

268

E. Konstruktion

staatliche Institutionen und Mittel, auch im Rahmen des allgemeinen Straf- und Gefahrabwehrrechts und seiner Anwendung u. a. durch die Polizei zur Verfügung. c) Verwirkung und Parteisanktionen, Art. 18, 21 GG Art. 18 und 21 IV GG verbindet die Situation des präventiven Einschreitens, ohne dass eine dringende Gefahr vorliegen muss. Das BVerfG hat im Hinblick auf die qualifizierte Angriffsmodalität die frühere Orientierung des Parteiverbots an der Verwirkung zugunsten einer aus dem Wortlaut des Art. 21 II GG konsequenten Auslegung aufgegeben. aa) Finalität Bei Art. 18 bleibt das Ziel des dort als besonderes Tatbestandsmerkmals verlangten Kampfes vage.238 Es liegt nahe, dabei auf die des Beseitigens und Beeinträchtigens ist Art. 21 II GG zurückzugreifen, welche die relevanten potentiellen Schädigungen präziser beschreiben.239 Diese hat das BVerfG jüngst im NPD-Urteil weit klarer nachvollziehbar konturiert. (1) Danach umfasst das Beseitigen das Abschaffen zumindest eines der Wesenselemente oder Ersetzen der FDGO durch eine andere Verfassungsordnung oder ein anderes Regierungssystem.240 Die Betonung muss hier auf der Negation der FDGO oder einer ihrer Wesenselemente gerade auch durch ein anderes Regierungssystem liegen. Dem genügt es gerade nicht, sie bloß in verfahrenskonformem Verfahren in eine andere Verfassungsordnung abändern zu wollen, welche den Anforderungen der FDGO wiederum bzw. weiterhin genügt.241 (2) Das Beeinträchtigen stellt sich als minus in der Intensität des Schadens dar.242 Angesichts der Funktionalität der FDGO kann aber nicht jede Minderung der Funktionsfähigkeit der fdVO umfasst sein,243 wie es etwa frühere Entscheidungen 238

Dort wird allenfalls der erstrebte Erfolg darin umschrieben, als eine Gestaltung der staatlichen oder gesellschaftlichen Verhältnisse der Bundesrepublik, die mit der so umschriebenen freiheitlichen Grundordnung nicht vereinbar ist, vgl. Dreier / Wittreck, Art. 18 GG Rn. 46 m. w. N. 239 Vgl. etwa v. Münch / Kunig / Krebs / Kotzur, Art. 18 GG Rn. 18; krit. Allerding mit Zuwendung zur Teleologie der Abgrenzung BerlK-Volkmann, Art. 21 GG Rn. 95. 240 BVerfGE 144, 20 (211 Rn. 550); vgl. DHS-Klein, Art. 21 GG Rn. 531 verkennt in seiner Kritik, dass ein Aliud zur FDGO nicht zu konkreter bestehender Verfassungsordnung gemeint sein muss. 241 Vgl. oben D. II.; unten sogleich 2.; ebenso Sachs / Ipsen / Koch, Art. 21 GG Rn. 164. 242 Vgl. BVerfGE 5, 85 (141); Dreier / Morlok, Art. 21 GG Rn. 153. 243 Vgl. bereits historisch im ParlR die Bemühungen um Eingrenzung und weitere Kritik etwa bei DHS-Klein, Art. 21 GG Rn. 529 f. m. w. N., wobei das BVerfG der Theorie eines Redaktionsversehens klar entgegengetreten ist, BVerfGE 144, 20 (211 f.); auch zur sonst folgenden

III. Konkrete Ausgestaltung der verfassungsrechtlichen Mechanismen  

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missverständlich formulierten als Handeln, mit dem einzelne Werte oder alle untergraben, herabgesetzt oder sonst verächtlich gemacht würden.244 Vielmehr hat das BVerfG zuletzt intensiv eine, hier überzeugende, funktionskonforme Auslegung entwickelt. Danach ist das Merkmal erfüllt, wenn es die Partei nach ihrem politischen Konzept qualifiziert betreibt, die bestehende Verfassungsordnung außer Kraft zu setzen, sich dabei gegen zumindest eine Komponente der FDGO wendet und dadurch mit hinreichender Intensität diese spürbar gefährdet.245 Im vorliegenden Rahmen werden damit die Bezüge zur Friedensfunktion der FDGO offen­ gelegt: Solange Übergriffe noch ohne weiteres durch den demokratischen Rechtsstaat ahndbar sind, liegt objektiv keine Beeinträchtigung vor; dies ist z. B. erst der Fall, wenn entsprechende „Machträume“ sich verfestigen, in denen die Grundsätze der FDGO nicht mehr geltend wirken können, d. h. außer Kraft gesetzt sind.246 bb) Modalität Die Modalität der Angriffe in Art. 18, 21 GG sind ähnlich zu beurteilen: (1) Für Art. 18 GG sind sie als Tatbestandsmerkmal des Kampfes, der für ein Vorgehen nach der Norm erforderlich ist und zu dem die genannten Grundrechte missbraucht werden müssen, aus dem Sprachbild weitgehend beschrieben: Er grenzt sich zunächst von der politischen Auseinandersetzung innerhalb von ihr ab und richtet sich darauf, sie zu „besiegen“ bzw. eben durch Beseitigung oder Beeinträchtigung zu überwinden.247 Der Kampf verlangt zudem den aggressiven Angriff auf ihre Geltung, über die bloße Kritik oder Vorstellung und Bewerbung von Gegenbildern hinaus.248 Das Sprachbild setzt weiter aktives, nicht nur situatives, sondern insoweit planmäßig-finales, vorsätzliches, wenn auch nicht sonst schuldhaftes Tun voraus, kompromisslos das so gesetzte Ziel zu verfolgen.249 Mittel dafür können die offene Aggression, namentlich Anwendung, Androhung von

Reichweite etwa für Regierungskrisen Sachs / Ipsen / Koch, Art. 21 GG Rn. 162; zur engen Auslegung der heute ganz h. M. vgl. nur v. Münch / Kunig / Klafki, Art. 21 GG Rn. 104; namentlich gegen die „Zersetzungstheorie“ von BVerfGE 5, 85 (211 ff.) v. a. MKS-Streinz, Art. 21 GG Rn. 228 jeweils m. w. N.; auch Georg, Politik, S. 91. 244 BVerfGE 5, 85 (141); Zirn, Parteienverbot, S. 99; ähnlich auch andere Interpretationen, z. B. W. Schmitt Glaeser, Missbrauch, S. 55 m. Fn. 148, S. 129; dagegen bereits ausführlich Dreier / Morlok, Art. 21 GG Rn. 153. 245 BVerfGE 144, 20 (213 f.); vgl. etwa MKS-Streinz, Art. 21 GG Rn. 228. 246 Vgl. bereits oben B. I. 3. b) aa); C. IV. 1. b) ff.; vgl. auch Fahrner, Vulnerabilität, S. 266 ff. zum öffentlichen Frieden; sowie Art. 14 BayIntG; dazu auch v. Münch / Kunig / Klafki, Art. 21 GG Rn. 110; vgl. weiter dazu aus strafrechtlicher Perspektive bereits Fahrner, ZIS 6 (2021), 365 ff. 247 In diesem Sinn geht er über ein bloßes Kräftemessen im Rahmen der demokratischen Spielregeln hinaus, MKS-Brenner, Art. 18 GG Rn. 32. 248 Vgl. etwa Dreier / Wittreck, Art. 18 GG Rn. 46. 249 MKS-Brenner, Art. 18 GG Rn. 32 ff.; DHS-Dürig / Klein, Art. 18 GG Rn. 44 ff.; Sachs /  Pagenkopf, Art. 18 GG Rn. 11; Dreier / Wittreck, Art. 18 GG Rn. 46.

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E. Konstruktion

Gewalt oder Aufstachelung zur ihr sein,250 aber ebenso ein „geistiger Kampf“.251 Im Rahmen des vorliegenden Modells wird damit vor allem auf die Verletzungen fremder Freiheit in regulatorischer, rationaler, aber durchaus auch in den anderen Dimensionen abgestellt.252 Darin spiegelt sich auch die Diskussion, ob dem weiteren modalen Merkmal des Grundrechtsmissbrauch eine eigene Bedeutung zukommen kann.253 Dies lässt sich mit dem Einwand konsequent ablehnen, dass solche Übergriffe in fremde Freiheiten grundrechtlich nicht abgedeckt sind. Gleichwohl kann ein solcher Übergriff als Missbrauch zwar nicht des Grundrechts, sondern der darin ausgedrückten Freiheiten, wie im Wortlaut des Art. 18 GG bezogen, anerkannt werden.254 (2) Bei Art. 21 GG hat sich das BVerfG in seinem Sachurteil zum NPD-Verbot an seiner früheren Anknüpfung an die kämpferisch-aggressive Haltung in Art. 18 GG255 orientiert und die dortigen Kriterien weiter im Merkmal des „Ausge­ hens“ eingebunden.256 Auch hier ist ein aktives, planvolles und final ausgerichtetes Agieren bzw. Agitieren erforderlich. Dies verlangt, dass die Partei kontinuierlich auf die Verwirklichung hinarbeitet, namentlich durch ihr zurechenbare Handlun 250

Vgl. v. Münch / Kunig / Krebs / Kotzur, Art. 18 GG Rn. 18; MKS-Brenner, Art. 18 GG Rn. 33; BK-Vöneky, Art. 18 GG Rn. 49; Schmitt Glaeser, Missbrauch, S. 135 ff.; ders., HdbGR III, § 74 Rn. 18, 24. 251 Was auch deshalb naheliegt, weil Art. 18 vorrangig und zuerst in Art. 20 HChE ausschließlich auf die Kommunikationsgrundrechte abstellt; darauf konzentriert Schmitt ­Glaeser, Missbrauch, S. 71; zusätzlich etwa MKS-Brenner, Art. 18 GG Rn. 33; DHS-Dürig / Klein, Art. 18 GG Rn. 54. 252 Bemerkenswert erscheinen hier die Regelbeispiele im Entwurf des Abg. Dr. Seebohm (DP), ParlR Drs. 404; JöR 1 (1951), S. 175 zur Verwirkung durch Gewaltanwendung, Missbrauch formaler Rechtsbefugnisse (der Verweis auf die internationalen Normen, namentlich Art. 17 EMRK liegt nahe), Einschüchterung der öffentlichen Meinung und staatsbürgerlichen Entschließungsfreiheit, oder durch Erregung oder Ausnutzung von Massenleidenschaften andere der Missachtung oder Rechtlosigkeit preiszugeben oder in ihren Rechten oder Vermögen zu bedrohen oder diese sonst zu schälern, mithin Freiheitsübergriffe in regulatorischer, ressourcenmäßiger und rationaler Dimension. 253 Für die wohl h. M. bleibt ihm keine eigenständige Bedeutung, vgl. grundlegend prägend Dürig, JZ 1952, 513 (516); DHS-Dürig / Klein, Art. 18 GG Rn. 43 ff.; vgl. auch MKS-Brenner, Art. 18 GG Rn. 34; Dreier / Wittreck, Art. 18 GG Rn. 47 m. w. N., dagegen jedoch ohne weitere Ausführung Sachs / Pagenkopf, Art. 18 GG Rn. 11; Schliesky, HdbStR V, § 277 Rn. 28 mit unklarem und nicht nur von daher problematischem Verweis auf die Verletzung von individuellen oder staatlichen Interessen. 254 Vgl. v. Münch / Kunig / Krebs / Kotzur, Art. 18 GG Rn. 19; Schnelle, Freiheitsmissbrauch, S. 71; weitergehend Sachs / Pagenkopf, Art. 18 GG Rn. 11: nur der missbräuchliche Kampf mit aggressiver verfassungsfeindlicher Zielrichtung; daher greift auch der Einwand der h. M. nicht ein, ein Missbrauch des Grundrechts sei konzeptionell schwer vorstellbar, vgl. etwa BK-­ Vöneky, Art. 18 GG Rn. 53, oder er laufe Gefahr, legitime Verfassungserwartungen an eine loyale Mitgestaltung des Gemeinwesens in rechtlich bewehrte Vorgaben für den Freiheits­ gebrauch umzumünzen, wie etwa von Dreier / Wittreck, Art. 18 GG Rn. 47. 255 Namentlich prägend BVerfGE 5, 85 (141 ff.); vgl. weiterhin Maurer, AöR 96 (1971), 203 (216 f.); Morlok, NJW 2001, 2931; Kunig, HdbStR III, § 40 Rn. 53; krit. aber Koch, DVBl. 2002, 1388 (1389 f.). 256 Vgl. zum ganzen Folgenden BVerfGE 144, 20 (220 ff.).

III. Konkrete Ausgestaltung der verfassungsrechtlichen Mechanismen  

271

gen der Anhänger.257 Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Aktivitäten selbst recht­mäßig, gewaltsam, strafbar oder Ähnliches sind.258 Der Einsatz und die Billigung von Gewalt kann indes als Indiz selbst sprechen dafür, dass die Partei das Rechtsstaatsprinzip nicht anerkennt bzw. bekämpft. Allerdings macht sich diese Hilfstatsache an der Friedensfunktion der rechtsstaatlichen Demokratie fest und nicht, wie vom BVerfG begründet, am formellen staatlichen Gewaltmonopol.259 Denn nicht das Gewaltmonopol irgendeiner staatlichen Herrschaft, sondern nur die fdVO selbst kann in der FDGO als geschützt betrachtet werden. Gewalt, um die FDGO wiederherzustellen, wäre auch als Widerstand gegen das staatliche Gewaltmonopol verfassungskonform und damit gerade kein Indiz, um gegen eine Partei vorzugehen, die diesen organisierte. cc) Potentialität Letztlich wie bei Art. 21 GG wird bei Art. 18 GG auf eine Potentialität des Angriffs abgestellt. Jedenfalls offensichtlich wirkungsloses und untaugliches Handeln kann die Verwirkung, aber auch die Parteisanktionierung nicht rechtfertigen.260 Bei beiden bedarf es konkreter Anhaltspunkte von Gewicht, die einen Erfolg des gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland gerichteten Handelns zumindest möglich erscheinen lassen, auch wenn dadurch eine konkrete Gefahr für die geschützten Rechtsgüter nicht begründet sein muss.261 Richtig kann dafür stark sprechen, wenn die Partei bereits über effektive abgesonderte „Machträume“ verfügt.262 Solche die Staatsgewalt exkludierenden Bereiche können geografischer oder interpersonaler realer Natur sein, oder aber sich angesichts der zunehmend virtualisierten Öffentlichkeit auch dort organisieren, sofern sie nur auf das reale politische Gemeinwesen hinreichend Einfluss gewinnen.263

257

Vgl. zur Zurechenbarkeit etwa zusammenfassend Dreier / Morlok, Art. 21 GG Rn. 152. BVerfGE 144, 20 (222); vgl. bereits zuvor BVerfGE 9, 162 (165); 12, 296 (304 ff.); 13, 46 (51 ff.); BGHSt 6, 318 (320); vgl. dazu DHS-Klein, Art. 21 GG Rn. 533 f. 259 Vgl. oben C. IV. 1., denn z. B. die Ausübung eines legitimen Restitutionswiderstandes würde den Schluss des Gerichts nicht rechtfertigen. 260 Vgl. BVerfGE 38, 23 (25); Dreier / Wittreck, Art. 18 GG Rn. 46; v. Münch / Kunig / Krebs /  Kotzur, Art. 18 GG Rn. 18; letztlich müsse es durch eine gewisse Wirkungsmächtigkeit – allerdings ohne das Resultat eines konkreten Erfolges oder gar Schadens – gekennzeichnet sein; dagegen noch unter dem Begriff der besonderen Gefährlichkeit etwa BVerfGE 11, 282; 38, 23 (24); BK-Vöneky, Art. 18 GG Rn. 49; ferner MKS-Brenner, Art. 18 GG Rn. 33; zusammenfassend DHS-Dürig / Klein, Art. 18 GG Rn. 49 ff., 54; vgl. auch noch Papier / Durner, AöR 128 (2003), 340 (351 f.). 261 BVerfGE 144, 20 (223 ff.); zur indirekten Aufnahme von Kriterien des EGMR zur Verhältnismäßigkeit vgl. hier nur v. Münch / Kunig / Klafki, Art. 21 GG Rn. 111. 262 Vgl. ausführlich v. Münch / Kunig / Klafki, Art. 21 GG Rn. 110. 263 Vgl. Fahrner, Vulnerabilität, v. a. S .114 ff., 266 ff. 258

272

E. Konstruktion

d) Materieller und organisatorischer Verfassungsschutz, Art. 10 II 2, 73 I Nr. 10 b), 87a I 2 GG Die Kompetenznormen des Verfassungsschutzes (Art. 10 II 2, 73 I Nr. 10 b), 87a I 2 GG) orientieren sich bei der Finalität des erfassten Verhaltens an den sonstigen Abwehrmöglichkeiten, denen sie durch Informationssammlung dienen.264 Neben Sonderformen u. a. der Verfassungstreue und wehrhaften Demokratie, sowie des Bestands und der Sicherheit265 bedeutet dies bezogen auf die FDGO gem. Art. 18, 21 GG deren Beeinträchtigung oder Beseitigung.266 Das Verfassungsschutz­ recht transportiert die Finalität in die Verletzung des jeweiligen Schutzguts. Bei der FDGO besteht letztere darin, einen der genannten Verfassungsgrundsätze zu beseitigen oder außer Geltung zu setzen. § 92 III Nr. 3 StGB ergänzt dies durch das Untergraben, ohne dass damit eine wesentliche inhaltliche Änderung bezweckt ist. Die Modalitäten werden im Begriff der Bestrebungen zusammengefasst, die sich wiederum auch ähnlich in § 92 III StGB finden.267 Die Anforderungen erfüllen politisch bestimmte, ziel- und zweckgerichteten Verhaltensweisen in einem oder für einen Personenzusammenschluss, wobei für letzteres eine nachdrückliche Unterstützung nötig ist.268 Verhaltensweisen einer Einzelperson, welche darauf gerichtet sein müssen, die genannten Ziele zu verwirklichen, genügen zudem für Informationsmaßnahmen des Bundesamts für Verfassungsschutz.269 Das Kriterium der Potentialität bildet sich derzeit im Rahmen der Verhältnismäßigkeit der verschieden intensiven Sammlung, Prüfung, offenen und nachrichtendienstlichen Beobachtung weiter aus.

2. Fazit a) Finale Relevanz des Angriffs auf die FDGO Der finale Bezugspunkt der zu bekämpfenden Angriffe kann bei allen Schutzvorschriften einheitlich ausgelegt werden. In allen genannten Schutznormen erfüllt die FDGO folglich die Funktion, das Ziel des Zugriffsversuchs zu messen, mithin die Frage: Würde der – von der Verfassungsänderung (Art. 79 III GG), der Organisation (Art. 21 GG), dem Einzelnen (Art. 18 GG), den Bedrohungen (Art. 91, 87a GG)  – herbeizuführende neue politische Zustand noch dem Maßstab der 264

Vgl. etwa BVerfGE 30, 1 (19 f.); auch BVerfGE 113, 63 (81 f.); BVerwGE 137, 275; Schenke / Graulich / Ruthig / Roth, § 4 BVerfSchG Rn. 53. 265 Zusammengestellt einfachrechtlich in § 3 BVerfschG. 266 BVerfGE 107, 339 (391); 134, 141 (179 f.); Dreier / Wittreck, Art. 73 GG Rn. 73. 267 Vgl. ausdrücklich zum Bezug BVerfGE 113, 63 (81 f.); BVerwGE 137, 275; eindeutig scheidet auch hier bloße Kritik als Grundlage von Bestrebungen aus. 268 § 4 I 1 lit c), 2 BVerfschG; eine hilfreich anschauliche Sammlung konkreter Verhaltensweisen, namentlich Diffamierungen und Emotionalisierungen gegenüber Feindbildern und Staatsrepräsentation, findet sich etwa bei Schenke / Graulich / Ruthig / Roth, § 4 BVerfSchG Rn. 124 ff. m. w. N. 269 § 4 I 3 BVerfschG.

III. Konkrete Ausgestaltung der verfassungsrechtlichen Mechanismen  

273

FDGO genügen? Wenn dies nicht der Fall ist, besteht der Raum für staatliches Eingreifen (und ggf. die Pflicht dazu) nach den weiteren jeweiligen Voraussetzungen der Ermächtigungsnormen.270 Dies gilt für das reine Schutzgut der Gefahren­abwehr in Art. 11 II, 87a IV GG sowie der nachrichtendienstlichen Aufklärungsmaßnahmen nach Art. 10 II 2, 73 I Nr. 10b GG, des Beeinträchtigens und Beseitigens i. S. v. Art. 21 GG (und Art. 18 GG). Es sind die unterschiedlichen Negationen der Grundsätze i. S. d. Art. 79 III GG, welche als wechselseitig verbundene Komponenten die FDGO ausmachen. b) Verletzung der FDGO (nur) im Verlauf des Verfassungsangriffs Der Kern der FDGO ist zu bewahren gegen jeden Aufhebungsversuch, sei er lega­ listisch formal im Rahmen bestehender verfassungsmäßiger Verfahren oder nicht. (1) Es spielt dabei allerdings keine Rolle, ob die FDGO als Endpunkt einer Handlung nicht mehr bestehen soll, oder aber, ob sie im Verlauf zu einer möglicherweise wieder objektiven oder subjektiv beabsichtigten Ordnung, die wieder im Einklang mit der FDGO stünde, in relevanter Weise aufgehoben oder beeinträchtigt worden wäre. Die jeweilige Schwelle der Eingriffsnorm ist dabei für die Qualität dieses Zwischenzustands zu beachten, insbesondere wie lange er voraussichtlich andauern und wie nachhaltig er ausfallen muss, um die Abwehrnorm auszulösen. Unter diesem Gesichtspunkt kann jeder gewaltsam angestrebten Verfassungsänderung, auch wenn diese im Endergebnis wieder mit der FDGO vereinbar sein sollte, gleichwohl nach Art. 87a IV, 91 I GG begegnet werden, wenn eben jedenfalls eine schwerwiegende Beeinträchtigung der demokratischen oder rechtsstaatlichen Verfahren beim Versuch, sie durchzusetzen, vorliegt.271 Dies ist etwa anzunehmen, wenn die Volksvertretung, die legitime Regierung oder die gerichtliche Nachprüfung faktisch ausgeschaltet werden (sollen) und eine entsprechende Gefahr hinreichend groß und konkret ist. Entscheidend ist dabei einmal mehr, dass diese demokratische und rechtsstaatliche Ordnung in keiner Weise, unter Berufung auf einen vermeintlichen Volkswillen, einen fiktiven pouvoir constituant überspielt werden kann. Wer sich auf einen irgendwie behaupteten oder gar festgestellten „Volkswillen“ beruft, und damit die vorgesehene demokratische und rechtsstaatliche Entscheidungsfindung umgeht, verletzt die FDGO, egal wie sehr er noch die „Rückkehr zu verfassungsmäßigen Zuständen entsprechend dem Willen des Volkes“ betonen sollte.272 270

Damit ist auf oben E. I. 4., II., III. 1. verwiesen. Vgl. für dieses Argument gegen eine enge Auslegung der FDGO illustrativ DHS-Dederer, Art. 91 GG Rn. 66. 272 Dies erfasst namentlich den international und historisch so häufigen eines, in aller Regel vom Militär getragenen oder organisierten Putsches unter der Behauptung, z. B. über eine neue Verfassung oder eine Volksabstimmung zu „legitimen staatlichen Verhältnissen zurückzukehren“, selbst wenn diese, was durchaus exzeptionell ist, ernst gemeint sein sollten. Für eine „kommissarische Diktatur“ in diesem Sinn ist richtigerweise keinerlei verfassungslegaler und -legitimer Raum. 271

274

E. Konstruktion

(2) Alleine kurzfristige Verstöße gegen Elemente der in ihrer Geltung gleichwohl fortbestehenden FDGO, z. B. in Gestalt entsprechender politisch gezielter Nötigung oder Gewaltausübung, die die jeweiligen Mindestanforderungen der Potentialität und Modalitäten nicht erfüllen, lösen nicht das besondere Instrumentarium zum Schutz der FDGO aus. Unbeschadet bleiben die allgemeine Gefahrenabwehr und das Strafrecht. Auch dort sind bestimmte Relevanzschwellen vorhanden, etwa bei §§ 81 ff., 105 ff. StGB,273 nicht aber vor allem bei auch individualschützenden Strafnormen oder dem allgemeinen präventiven Polizeirecht. c) Fehlende Relevanz für die FDGO und konkrete Verfassungsintegrität (1) Ausgenommen von den Schutzvorschriften der FDGO ist somit das Herbeiführen eines Endzustands im Einklang mit ihr in einer Weise, welche sie auch zwischenzeitlich nicht verletzt, sich also an die rechtsstaatlichen und demokratischen Rahmenbedingungen und damit Verfahren hält. Dies gilt für alle genannten Ermächtigungsnormen gleichermaßen: Weder kann eine Person mit Verwirkung noch eine Partei sanktioniert, noch Polizei und Militär zur Gefahrenabwehr eingesetzt, noch entsprechende Vorfeldaufklärung durch den Verfassungsschutz gerechtfertigt werden, wenn die aktuelle fdVO im Rahmen der nach Art. 79, 146 GG eröffneten Verfahren umgewandelt werden soll etwa in einen europäischen Einheits- oder Föderalstaats unter Wegfall der Bundesrepublik als Gliederungsebene, in einen unitarischen Staat unter Wegfall der Länder oder in eine parlamenta­rische Monarchie. (2) Damit ist nochmals klargestellt, dass durch das Instrumentarium zur Gewährleistung der FDGO alleine der status quo der konkret bestehenden Verfassungsordnung nicht als solcher geschützt wird. So zeigen vor allem die Normen zum materiellen Verfassungsschutz, dass dieser sich auf den Schutz des Kerns der FDGO beschränken und nicht jede gewaltsame Verletzung der Verfassungsordnung oder Angriff in ihr und auf sie mitumfassen soll: Deutlich wird dies am Zusammenspiel von Art. 73 I Nr. 9a, 10 GG: Die Abwehr des Terrorismus, die Bekämpfung der Kriminalität und der Schutz der FDGO ergänzen sich. Sie überschneiden sich nur teilweise, sind zudem nach dem Trennungsgebot und den jeweiligen Aufgabenfestlegungen unterschiedlichen polizeilichen und strafrechtlichen oder nachrichtendienstlichen Sicherheitsbehörden zugewiesen. Jedenfalls ist nicht jeder im Sinne des Nr. 9a auf das Inland zielende Terrorismus automatisch unter die Abwehr von Gefahren für die Verfassungsordnung unter Nr. 10b zu fassen.274

273 274

Vgl. bereits Fahrner, Staatsschutzstrafrecht, § 9 Rn. 15 ff., § 10 Rn. 42 ff. Vgl. auch BVerfGE 100, 313 (370); DHS-Uhle, Art. 73 GG Rn. 206 ff.

III. Konkrete Ausgestaltung der verfassungsrechtlichen Mechanismen  

275

Konsequent schließen die Aufgaben des behördlichen Verfassungsschutzes etwa parlamentarisch-monarchische, präsidentielle oder einheitsstaatliche und erst recht europastaatliche Bestrebungen, deren Endziele einer FDGO entsprechen würden, gerade nicht ein, wenn sie diese nicht über einen Zustand, der selbst die FDGO verletzen würde, zu erreichen versuchen. Dies gilt namentlich, wenn diese die Änderung innerhalb der verfassungskonformen Verfahren (vor allem des Art. 146 GG) zu verwirklichen erstreben, oder sie hinsichtlich des Zwischenzustands nicht die weiteren Eingriffsschwellen z. B. des aktiv kämpferischen oder des hinreichenden Verwirklichungspotentials erreichen, welche in den Aufgabenund Befugnisnormen des Verfassungsschutzrechts weiter ausgestaltet sind. Sie sind dann allein erfasst durch die allgemeine Gefahrenabwehr der Länder, ergänzt für den Bereich des Terrorismus in Art. 73 I Nr. 9a GG und die Verfolgung von Straftaten, auch etwa im Vorfeld (wie etwa §§ 83, 89aff., 129 ff. StGB), sowie durch Art. 73 I Nr. 10a GG im Bereich der föderalen polizeilichen Zusammenarbeit. Ein zwingendes Bedürfnis, diese dem Verfassungsschutz und etwa der erweitert gesicherten Telekommunikationsüberwachung nach Art. 10 II 2 GG zu unterstellen, ist aus dem Grundgesetz so nicht ersichtlich. Damit besteht wiederum ein Gleichklang mit Art. 18, 21 GG, welche nicht weitere Verfassungsgrundsätze, sondern insoweit alleine die FDGO schützen.275 (3) Wo der Verfassungszustand als solcher gegen jeden illegitimen Angriff geschützt werden soll, verwenden das Grundgesetz und die weitere Rechtsordnung andere Begriffe, namentlich in Art. 79 III GG, damit richtigerweise auch in Art. 9 II GG, im Bereich der Verfassungstreue bzw. wehrhaften Demokratie namentlich mit dem Merkmal der „freiheitlich demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes“276 sowie im Staatsschutzstrafrecht.277 (4) Damit wird der Grundsatz einheitlicher Auslegung der FDGO nicht aufgehoben, sondern bestätigt. Folgerichtig ist der engere Anwendungsbereich auch der Art. 11 II, 87a IV, 91 GG in ihrer bestehenden Fassung hinzunehmen. Sie greifen nicht bei allen Störungen der Verfassungsordnung ein, jedenfalls soweit nicht die FDGO im Verlauf der Änderung hinreichend gefährdet ist.278 Damit scheint hier eine Lücke zwischen der Verteidigung der FDGO und des Bestands für die weitere Verfassungsordnung zu bestehen, innerhalb derer die Sicherheitskräfte nicht entsprechend aktiviert werden könnten. Allerdings angesichts der konkreten Gefahr schwerwiegender Beeinträchtigungen und damit vermutlicher Relevanz für die FDGO im Verlauf fällt diese Lücke praktisch gering und vor allem theoretisch aus. Dies gilt folgerichtig unabhängig davon, ob diese Unternehmen strafbare Handlungen, etwa nach §§ 81 I Nr. 2, 82 I Nr. 2 StGB, darstellten. Gestützt von der Genese 275

Vgl. auch Sachs / Degenhart, Art. 73 GG Rn. 50. Siehe bereits oben D. II., III. 277 Vgl. hier nur bereits Fahrner, Staatsschutzstrafrecht, § 6 v. a. Rn. 60 ff. 278 Vgl. für dieses Argument gegen eine enge Auslegung der FDGO illustrativ DHS-Dederer, Art. 91 GG Rn. 66. 276

276

E. Konstruktion

des Art. 91 GG als überaus enger Ausnahmevorschrift gegenüber der Polizeihoheit der Länder279 scheint dies nicht in sich widersprüchlich. Eine Erweiterung, z. B. stattdessen einen Verweis auf die verfassungsmäßige Ordnung, wäre nicht ausgeschlossen, könnte diese Restlücke im Sinn etwas erhöhter Resilienz beseitigen und wäre, wiewohl nicht kritisch, durchaus wünschenswert. d) Überdeckungen und Konkurrenzen offen gewaltsamer Übergriffe und ihrer Vorbereitung Die einzelnen verfassungsrechtlichen Normen für ein Einschreiten zum Schutz der FDGO schließen grundsätzlich auch gewaltsame Angriffe auf die FDGO ein. Dies wird an allen weiteren Vorschriften deutlich, die an das Tatbestandsmerkmal der FDGO anknüpfen. Es ist aber auch in jenen Ermächtigungsgrundlagen zum Schutz der Verfassungsordnung immanent. Dies hat ebenso das BVerfG zuletzt zu Art. 21 GG klar gemacht, gleiches ist im Begriff des „Kampfes“ in Art. 18 GG zu recht (nahezu) allgemein anerkannt.280 Besonders deutlich wird dies an Art. 87a IV, 91 I GG, die bei bloßen gewaltlosen politischen Bestrebungen zur allmäh­lichen Vergiftung der fdVO keinen klaren Sinn machen, sondern sich primär auf gewaltsame Angriffe und vergleichbare Gefahren richten.281 Allerdings finden sich damit folglich hinsichtlich offener Übergriffe erhebliche Überdeckungen mit dem Gefahrenabwehr- und Strafrecht. Das Konkurrenzverhältnis und insbesondere eine mögliche Privilegierungs- und Ausschlusswirkung bleibt abschließend noch näher zu erörtern.282 e) Bezug des Widerstandsrechts Aus all dem kann sich schließlich das verfassungsmäßig anerkannte Widerstandsrecht in Art. 20 IV GG nur darauf beziehen, Unternehmungen Widerstand zu leisten, die in einem prozedural nicht verfassungskonformen Weg die freiheitlich-demokratische Verfassungsordnung mit ihren Verfassungsgrundsätzen beseitigen, insbesondere endgültig oder vorübergehend einen Zustand schaffen (wollen), welcher die Anforderungen der FDGO nicht erfüllt.283 279

Vgl. ausführlich JöR 1 (1951), S. 661 ff. Vgl. oben 1. c) bb). 281 Vgl. oben 1. b). 282 Vgl. hierzu unten f. 283 Damit ist die offene Frage von Kap. 1 B. IV. 3. in diesem Sinn zu beantworten; vgl. zum Streitstand Dreier / Wittreck, Art. 20 Abs. 4 GG Rn. 18; Heinemann, Widerstandsrecht, S. 107 m. w. N.; Stern, StaatsR II, S. 1512; zum Verhältnis vgl. auch Anding, Spannungsverhältnis; zu breit etwa unter Ausblenden des Art. 146 etwa Schwarz, HdbStR XII, § 282 Rn. 18; vgl. auch MKS-Sommermann, Art. 20 GG Rn. 347; DHS-Herzog, Art. 20 IV GG Rn. 6, 18 f.; schließlich BT Drs. 5/2873 S. 9 mit problematischer Vermischung der FDGO mit der Verfassungsordnung. 280

F. Ausprägung von Schutz und Abwehr Ist aus dem vorangegangenen die Substanz und unmittelbare Reichweite der FDGO herausgearbeitet und konstruiert, kann sie auf dieser Grundlage vertieft in ihrer doppelten Wirkung des Schutzes des freiheitlich demokratischen Gemeinwesens durch und vor dem Staat betrachtet werden. Letzterer wird, nachdem die unmittelbare Eingriffswirkung bereits oben zwingend Gegenstand war, hier vorrangig zu betrachten sein. Damit wird zudem übergegangen zu den Konsequenzen für das „einfache“ Recht auch außerhalb des eigentlichen Verfassungsrechts. Es soll so namentlich der präzise Grundstock gelegt werden für die anschließende gesonderte strafrechtliche Untersuchung1. Weitere Rechtsbereiche in ihrer vielfältigen systematischen Verbindung zu beiden – Verfassungs- und Strafrecht – sind hier bereits, wenn auch angesichts des Fokus der Untersuchung konzentriert, abzuhandeln. Dazu wird nochmals eine doppelte Perspektive gewählt: Zunächst wird aus den verfassungsrechtlichen Instituten zum Schutz der FDGO ein Blick auf das einfache Recht gerichtet, namentlich in den Ermächtigungs- wie Schutzwirkungen (I.) in den Institutionen der Verwirkung nach Art. 18 GG (1.), der Verfassungsregelungen gegenüber den Parteien nach Art. 21 GG (2.), der weiteren Verankerungen, namentlich Art. 98 V GG (3.) und insbesondere der noch vager normierten Verfassungstreue und wehrhaften Demokratie (4.). Sodann wird diese Perspektive sozusagen umgekehrt und werden aus zentralen Bereichen des allgemeinen und Verwaltungsrechts abschließend die verfassungsrechtlichen Vorgaben der FDGO und ihre Umsetzung betrachtet (II.).

I. Doppelte Schutzwirkung der FDGO im politischen Vorfeld Die Verfassungsnormen zum Vorfeldschutz der FDGO namentlich in Art. 18, 21 II–IV und 98 II 2 GG wirken in doppelter Richtung: Einerseits verteidigen sie das Gemeinwesen gegen einzelkämpferische und als Partei organisierte verfassungsfeindliche Bestrebungen. Andererseits schützen und sichern sie Opposition vor einem Missbrauch durch die Exekutive oder eine sie beherrschende

1 Vgl. hierzu, gewissermaßen als abschließender dritter Band die noch ausstehende Untersuchung des Autors zum Strafrecht (in) der FDGO.

278

F. Ausprägung von Schutz und Abwehr

Elite.2 Vor allem mit letzterem dienen beide Normen nicht nur dem Pluralismus und Fortschritt, sondern auch der Friedlichkeit im Gemeinwesen. Inbegriff dessen ist die ex-ante Kontrolle des Bundesverfassungsgerichts. Das Gegenmodell stellt namentlich Art. 9 II GG dar. Allerdings ist dies kein dichotomischer Gegensatz: Auch bei Art. 9 II GG kann das BVerfG als Kontrollinstanz angerufen werden, ebenso wie bei Art. 79 III GG und insbesondere Eingriffen zum Schutz der FDGO in Grundrechte oder Aktivierung von Art. 87a, 91 GG. Dieser Rechtsschutz kann im Bedarfsfall auch einstweilig vorbeugend oder vorläufig gesucht werden und exekutives oder sonst judikatives Handeln interzediert werden, so dass es keine Beeinträchtigung entfalten kann. Art. 18, 21 GG bleiben allerdings verfassungsunmittelbar abgesichert, gegen ein mögliches auch legislatives Ausschalten des BVerfG. Dem Gesetzgeber und erst recht der Exekutive verbietet die Verfassung unmittelbar wie letztgenannten jeden mittelbaren Weg die rudimentärsten Möglichkeiten, demokratischen Wandels zu organisieren, zu verhindern. Jedoch ist auch dieser Schutz löchrig bei Manipulationen der Verfassungsgerichtsbarkeit, einer möglichen oppositionsfeindlichen Judikatur oder aber Vereitelung der Wirksamkeit von Parteien und Einzelkämpfern in ihrem politischen Wirken v. a. durch die Öffentlichkeit.3 In beidem kommt folglich der verfassungsunmittelbaren Verankerung vor allem eine normative, verstanden hier als besondere symbolische, Bedeutung zu. Jedenfalls der Verfassungstext, wenn nicht auch die überformte Dogmatik, betont die FDGO als Anker- und Garantiepunkt des Gemeinwesens für alle politischen Akteure. Eingebracht in den politischen Gesamtprozess wird damit das fixierte und stets objektive, akzeptierbare Beurteilungskriterium mit allen bereits genannten Funktionen, namentlich der Pluralität, Fortschrittlichkeit und Friedlichkeit. Nicht vollständig geklärt ist weiterhin allerdings, wie weit der reale Schutz­ bereich von Art. 18, 21 GG für politische Akteure sich erstreckt und insbesondere allgemeines Abwehr- und Strafrecht verdrängt und verhindert. Zum sogenannten „Parteienprivileg“ findet sich eine recht reiche Rechtsprechungstradition, aber auch gesetzliche Verankerungen, namentlich in § 129 III Nr. 1 StGB.4 Eine solche Fundierung besteht, wenn auch weitaus geringer, zu Art. 18 GG und seiner Sperrwirkung namentlich zu Berufsverboten.5 Weiterhin wirkt dort die Lehre vom Toleranzbereich, namentlich auch bei der Beurteilung von Einwirkungen des Staats gegenüber Betätigungen in der politischen Öffentlichkeit.6

2

Vgl. etwa Lameyer, Demokratie, S. 163 ff.; zur individualschützenden Funktion ohne grundrechtlichen Charakter entspr. der ganz h. M. vgl. etwa Dreier / Wittreck, Art. 18 GG Rn. 32 m. w. N. 3 Vgl. dazu bereits umfassend Fahrner, Vulnerabilität passim. 4 Siehe sogleich unten 2. 5 Siehe sogleich unten 1. 6 Vgl. dazu bereits Fahrner, Vulnerabilität, S. 223 ff.

I. Doppelte Schutzwirkung der FDGO im politischen Vorfeld  

279

1. Rolle der Verwirkung nach Art. 18 GG Um die zuletzt aufgeworfene Fragen nach der Schutzwirkung von Art. 18 GG nicht für das Gemeinwesen, sondern für politische Aktivitäten zu klären, ist die Verwirkungsnorm vor dem Hintergrund der oben ausgeführten Zwecke auszulegen. Sie eint systematisch zwar mit den internationalen Missbrauchsklauseln (z. B. Art. 17 EMRK), dass niemand seine Grundrechte zu ihrer allgemeinen Abschaffung für anderen missbrauchen darf bzw. können soll.7 Die Verwirkung des Grundgesetzes knüpft zwar ebenfalls an einen solchen „Kampf“ an. Art. 18 GG adressiert aber nicht die Rechtmäßigkeit einer konkreten staatlichen Maßnahme gegen die einzelne mutmaßlich missbräuchliche Grundrechtsausübung. Stattdessen will er eine darüber hinaus gehende längerfristige, grundlegende Einschränkung ermöglichen.8 Diese soll aber auf Reintegration gerichtet sein, soweit es die Gefahren des Einzelnen für das Gemeinwesen erlauben.9 a) Unmittelbare Funktionsweise Art. 18 GG will ein direkt an das BVerfG gerichtetes Verfahren schaffen, Einzelpersonen, die missbräuchlich gegen die FDGO kämpfen, im Hinblick auf eine von ihrem Verhalten über den Moment hinausgehende Gefahr durch weitergehenden Grundrechtsentzug10 real und symbolisch11 zu sanktionieren. aa) Dadurch nimmt er der Exekutive die Befugnis, als präventive administrative Maßnahmen mit gleicher Wirkung, also auf Zeit und in am Grundrecht jenseits des konkreten Falls orientierten Umfang Grundrechtsbetätigungen zu untersagen.12 7

Vgl. etwa zum weiteren internationalen Recht v. Münch / Kunig / Krebs / Kotzur, Art. 18 GG Rn. 6 f. 8 Vgl. explizit etwa MKS-Brenner, Art. 18 GG Rn. 87; insoweit ist die weit anzutreffende Einordnung, etwa von Stern, FS BVerfG I, S. 194 (195 f.), als präventive Maßnahme richtig, allerdings knüpft sie an eben den irgendwie gezeigten Kampf als Sanktion an, woraus sich auch die Nähe zum allgemeinen eben auch präventiv wirkenden Strafrecht ergibt, die z. B. von Brenner, DÖV 1995, 60 Fn. 4 m. w. N.; Rupp, FS Küchenhoff, S. 653 festgestellt wurde. 9 Vgl. insbesondere das auch auf Reintegration gerichtete Verfahren der Befristung und Verkürzung auf Antrag, §§ 39 I, 40 BVerfGG; vgl. auch BVerfGE 10, 118 (122); zur Reinte­ gration insbesondere bereits oben C. IV. 2. e) ee). 10 Umstritten ist, ob die Verwirkungsentscheidung des BVerfG auch die Landesgrundrechte gegenüber der jeweiligen Landesstaatsgewalt betreffen würde, dagegen überzeugender Dreier / Wittreck, Art. 18 GG Rn. 18 ff. m. w. N.; jedenfalls unterliegen die supra- und internationalen Grundrechte nur ihren eigenen Einschränkungen, namentlich Art. 17 EGMR, Art. 54 EuGRCh sowie die jeweiligen konkreten Einschränkbarkeiten im Rahmen der Erfordernisse einer demokratischen Gesellschaft vgl. Calliess / Ruffert / Bröhmer, Art. 52 AEUV Rn. 4; ­Isensee, FS Graßhof, S. 289 (311, 314); DHS-Dürig / Klein, Art. 18 GG Rn. 143 f. 11 Vgl. dazu etwa Stern, StaatsR III/2, S. 936; Brenner, DÖV 1995, 60; Thiel, Verwirkung, S. 130 m. w. N. 12 Vgl. insoweit grundlegend explizit zu dieser Konstellation BVerfGE 10, 118 (122 f.); DHSDürig / Klein, Art. 18 GG Rn. 130.

280

F. Ausprägung von Schutz und Abwehr

Somit hat er eine unmittelbare Schutzfunktion zugunsten eines Oppositionellen gegen Unterdrückung der Regierung alleine unter deren Behauptungen. bb) Bislang kommt Art. 18 GG, ersichtlich an den aus unterschiedlichen Gründen gescheiterten Verfahren, lediglich eine Reservefunktion vor allem gegenüber situativen und strafrechtlich-präventiven Sanktionen zu.13 Im Hinblick auf die trotz allem sublime Tendenz zur „Personalisierung des Verfassungsfeindes“ und entlarvend zugeordneten „Maßnahmenstaats“ auch im Sprachbild der „Verwirkung“ ist dies durchaus im Sinne einer liberal-rechtsstaatlichen Verfassungsordnung zu begrüßen.14 b) Weitere Rolle in der Rechtsordnung aa) Dies bedeutet aber kein allgemeines individuelles Immunitätsprivileg gegen anderes staatliches Eingreifen für die Bekämpfung der FDGO generell nach Art. 18 GG,15 weder durch ein Entscheidungsmonopol des BVerfG, noch durch eine Pflicht des Staates und Gemeinwesens, Verhalten hinzunehmen, welches die Schwelle des Art. 18 GG (noch) nicht erfüllt. Letztlich hat sich der Ansatz eines Toleranzbereichs und Art. 18 GG als umfassender Schutznorm gegen das allgemein öffentliche und Strafrecht nicht durchsetzen können:16 Andere staatliche Reaktionen, namentlich beschränkt auf konkrete Situationen, sind dadurch nicht ausgeschlossen, seien sie strafrechtlich17 oder prohibitiv-präventiv.18 Zwar ermöglicht Art. 18 GG nach ausgesprochener Verwirkung einen (im Umfang allerdings nicht völlig geklärten) generellen Wegfall oder eine 13

Vgl. pointiert Dreier / Wittreck, Art. 18 GG Rn. 29: „Netto-Kampfwert gegen Null.“; Thiel, Verwirkung, S. 171; pittoresk Sachs / Pagenkopf, Art. 18 GG Rn. 7. 14 Vgl. etwa zur Diskussion einer Verwirkung der Grundrechte selbst oder richtigerweise nur ihrer Ausübbarkeit, DHS-Dürig / Klein, Art. 18 GG Rn. 74 f. allerdings Rn. 126 mit „historisch entlarvender“ Einordnung von Art. 18 GG als eine Maßnahme“ in die Konnotation des Außerrechtsstaats von Schmitt und Fraenkel; v. Münch / Kunig / Krebs / Kotzur, Art. 18 GG Rn. 22 ff. m. w. N. auch zur weiteren Problemlage der „Rechtlosigkeit“; Von einem „Versagen“ der Norm kann damit gerade nicht gesprochen werden, a. A. Schwabe, ZRP 1991, 361 (362); sowie, noch aus historischer Prägung Friesenhahn, Jura 1982, 505 (512). 15 Vgl. hierzu und zum Folgenden insgesamt Backes, Rechtsstaatsgefährdungsdelikte, S. 114 ff. sowie aus der neueren Literatur die Kommentierungen mit weitern Nachweisen: MKS-Brenner, Art. 18 Rn. 85 ff.; Dreier / Wittreck, Art. 18 Rn. 51; nunmehr DHS-Dürig / Klein, Art. 18 GG Rn. 123 ff. (S. 125: „doppelspuriges Vorgehen“); insoweit greift das Argument, dass es „keinen erweiterten Schutz“ für kämpferische Angreifer gegen die FDGO geben kann, vgl. bereits BGHZ 12, 197 ff. st. Rspr.; a. A. allerdings die mittlerweile kaum mehr vertretene Toleranzbereichslehre namentlich von Schmitt Glaeser, Missbrauch, v. a. S. 138 ff.; vgl. dazu oben B. III. 1. b) sowie die anstehende staatsschutzstrafrechtliche Untersuchung. 16 Vgl. hier nochmals dazu oben B. III. 1. b). 17 Vgl. etwa MKS-Brenner, Art. 18 GG Rn. 88 m. w. N. 18 Vgl. etwa MKS-Brenner, Art. 18 GG Rn. 93 ff. allerdings mit probl. Bezug auf „allgemeine Gesetze“; vgl. weiterhin Fahrner, Vulnerabilität, S. 223 ff.

I. Doppelte Schutzwirkung der FDGO im politischen Vorfeld  

281

Reduzierung des grundrechtlichen Schutzes. Unberührt davon bleibt aber die Rechtfertigung von Grundrechtseingriffen in anderer Weise, namentlich nach den jeweiligen Gesetzesvorbehalten oder nach konkurrierendem Verfassungsrecht. Demgemäß kann das öffentliche Recht präventiv und repressiv einschreiten. Beim Strafrecht stellt sich die Frage der verfassungsmäßigen Legalität und Legitimität im Rahmen der allgemeinen Dogmatik.19 bb) Dies gilt jedenfalls, soweit die Eingriffe nicht (v. a. kumulativ) faktisch einer Verwirkung gleichkämen. Aber auch dort bieten, insoweit durch das BVerfG konsequent begründet, etwa bei spezialpräventiven Maßnahmen nach strafgerichtlicher Verurteilung der gestaffelte Schutz der unabhängigen Gerichtsbarkeit und zuletzt der Zugang zum Verfassungsgericht genügend Schutz gegenüber einem Missbrauch durch die regierenden Gruppen gegen Opposition. Daher sind namentlich zeitweilige, verhältnismäßige Berufsverbote und Entziehungen einzelner staatsbürger­ licher Rechte mit dem Strafurteil insoweit unbedenklich.20 cc) Insgesamt aus Sicht der Funktionen der FDGO dürfte es ausreichen, dass längere, jedoch, soweit hinreichend ungefährlich möglich, auf Reintegration gerichtete Sanktionierung in rechtsstaatlicher Weise kontrolliert vorgenommen werden. Im aktuellen System des Art. 18 GG sind jedenfalls an eine Straftat auch gegen die FDGO anknüpfende Sanktionen in jeder rechtsstaatlichen Form nicht durch Art. 18 GG beeinflusst, egal in welcher Weise die Tathandlung ausgeführt wurde.21

2. Schutz des Bestehens und der politischen Aktivitäten von Parteien a) Überblick Sinn und Zweck von Art. 21 II–IV GG sind ebenfalls doppelt gerichtet und nicht nur auf den Schutz von FDGO und Bestand gegen Parteien, die diese angreifen. Auf der einen Seite hat der Staat derart das Gemeinwesen zu schützen, darf dies 19

Vgl. die anstehende staatsschutzstrafrechtliche Untersuchung. Vgl. grundlegend BVerfGE 25, 88 (95 ff.); BGHSt 17, 38 (40); NJW 1965, 1388 (1389); vgl. Sax, HdbThGR III, S. 965. Ausführlich, allerdings weniger am rechtsstaatlichen Schutz und der Missbrauchsgefahr verortet, DHS-Dürig / Klein, Art. 18 GG Rn. 131 ff. 21 Vgl. zur ganz h. M. etwa Sachs / Pagenkopf, Art. 18 GG Rn. 19; MKS-Brenner, Art. 18 GG Rn. 88 ff. allerdings hinsichtlich des Strafrechts weitaus zu simplizistisch unter Betonung eines so zu einseitigen Unterschieds zwischen Schuld- und Präventionsprinzip; Thiel, Verwirkung, S. 165 ff. m. w. N. auch zur a. A. der „Tatbestandstheorie“, ähnlich Schmitt Glaeser, Missbrauch, S. 138 ff., der unter Art. 18 GG (vielleicht in Anlehnung an den heimlichen Diebstahl zum offenen Raub des „germanischen Rechts“) jede gewaltlose Schleichwerbung fassen will und DHS-Dürig / Klein, Art. 18 GG Rn. 125 ff. mit aus der Zeit vor 1949 herrührenden Unterscheidungsansätzen zwischen „rechtsstaatlichen Crimen und Maßnahme“. 20

282

F. Ausprägung von Schutz und Abwehr

aber nicht selbst als Vorwand benutzen, unliebsame politische Parteien „unter Umgehung eines Verbotsverfahrens aus dem politischen Leben auszuschalten“.22 Die genannten Normen sollen folglich ebenso verhindern, dass Staatsorgane oder durch sie bestimmte Eliten politische Parteien unterdrücken oder den Wettbewerb unter den Parteien zum Erhalt bestimmter Machtkonstellationen beeinflussen, verfälschen oder gar unmöglich machen. Darin drücken sich gleichfalls die Funktionen der FDGO, namentlich die demokratische Integrations- und Friedensfunktion aus, auch radikale Opposition nicht auszugrenzen oder zu sanktionieren und ihr zu ermöglichen, abweichende politische Mehrheiten zu organisieren.23 aa) Aus diesem Grund durchaus mit gewisser Fundierung hat das BVerfG denjenigen Vereinigungen, welche eine bestimmte Bedeutung gemessen an den Wirkungsweisen von Parteien nach § 2 Parteiengesetz nicht erreichen, den Schutz des Art. 21 GG gegenüber Art. 9 GG mangels der „Ernstlichkeit der Mitwirkung an der politischen Willensbildung“ abgesprochen.24 Darin kann man ein Erbe der frühen Diskussionen um extremistische Splitterparteien erkennen.25 Gleichwohl entstehen damit erhebliche Zugangsschranken für neue Oppositionskräfte, vor allem gegen überwältigende politische „Mehrheitskartelle“, die nicht einfach in einer rechtlichen erfassten Einheitsfront wie in der DDR zum Ausdruck kommen müssen.26 Die „Ernstlichkeit der Mitwirkung“ eröffnet zudem einen hohen Begründungs- wenn nicht Beurteilungsspielraum. Beides ist unter den Gesichtspunkten der friedlichen Integration und FDGO insgesamt durchaus bedenklich und insoweit nicht hinreichend gerechtfertigt. bb) Art. 21 IV GG soll nach dem BVerfG zunächst jedes staatliche Einschreiten gegen den Bestand einer politischen Partei schlechthin ausschließen, bis nicht das BVerfG deren Verfassungswidrigkeit festgestellt hat.27 Problematischer ist der Schutz der politischen Betätigung der Partei. cc) Zwar behauptete das Gericht zuletzt, sie solle bis dahin „in ihrer politischen Aktivität von jeder Behinderung frei sein“, dies jedoch selbst bereits auf rechtliche Maßnahmen beschränkt.28 Damit ist selbst nach dem BVerfG nicht nur bestimmtes 22

BVerfGE 9, 162 (166); DHS-Klein, Art. 21 GG Rn. 582. Vgl. nochmals oben C.; in diese Richtung auch BVerfGE 144, 20 (201) allerdings unter den Prämissen des exogenen Volkswillens und „marketplace of ideas“, siehe bereits Fahrner, Vulnerabilität, S. 55 ff. 24 Vgl. BVerfGE 91, 261; 276 (290); dazu van Ooyen, Sicherheit, S. 257 ff., 269. 25 Vgl. oben B. I. 3. c) dd). 26 Vgl. bereits Fahrner, Vulnerabilität, S. 144 ff., 200 ff. 27 Vgl. zum Ganzen bereits Fahrner, Vulnerabilität, S. 194 ff., 283 ff. 67; auch zum Folgenden zuletzt BVerfGE 144, 20 (201) daneben etwa pointiert BVerfGE 40, 287 (291); weiter zum Ganzen etwa Schmidt, Freiheit, S. 187 ff. sowie die Literaturübersicht bei DHS-Klein, Art. 21 GG vor Rn. 485 (Fn. 504); Stollberg, Grundlagen, S. 57 ff. 28 Vgl. zur Inkonsequenz etwa MKS-Streinz, Art. 21 GG Rn. 216; noch verfehlter vor dem Hintergrund der demokratischen Strafgesetzgebungskompetenz ist ebd., Rn. 220 der Ausspruch, dass „das, was die Verfassung duldet, nicht strafbar sein kann“. 23

I. Doppelte Schutzwirkung der FDGO im politischen Vorfeld  

283

kommunikativ-informatives Handeln, sondern auch die Informationssammlung zur Prüfung zulässiger Maßnahmen möglich – und ggf. geboten.29 Die Verwendung unterschiedlicher einerseits öffentlichkeitswirksamer und andererseits nachrichtendienstlicher Mittel unterliegt vor allem der Verhältnismäßigkeit und bedarf zusätzlich eines hinreichenden Anlasses.30 dd)  Insgesamt sind die Sanktionen aus Art. 21 GG im Sinn der Integrationsfunktion31 auf zeitlich begrenzte Sanktionen gerichtet und (folglich) auf den Anreiz, sich durch Ablassen von der kämpferischen Verfassungsfeindlichkeit zu reintegrieren.32 ee) Konsequent weist das BVerfG dem Schutz nichtverbotener verfassungsfeindlicher Parteien durch Beteiligung von Amtsträgern etc. in ihnen keinen generellen Vorrang vor dem Interesse an verfassungsloyalen Staatsbediensteten zu.33 Gleiches gilt für die – in der Praxis extremistischer Parteien für die Verwaltungsbehörden besonders relevante – Unzuverlässigkeit im Waffenrecht, da dies die von Art. 21 GG geschützte Mitwirkung der Parteien an der politischen Willensbildung nicht in rechtserheblicher Weise beeinträchtigt und der Staat aufgrund der extremen Gefährlichkeit des Umgangs mit Waffen verfassungsrechtlich gehalten ist, die Allgemeinheit vor unzuverlässigen Waffenbesitzern wirksam zu schützen.34 Die Kritik, dies stelle einen (faktischen) Eingriff in den im Gegenschluss aus dem formellen BVerfG-Vorbehalt gewonnenen „Garantiebereich“ eines wohl angeblichen grundrechtsgleichen Rechts aus Art. 21 GG dar,35 verkennt, soweit ein solches methodisches Vorgehen überhaupt rationalisiert ist, dass es sich lediglich um Maßnahmen im Prinzipienbereich dieses vermuteten Rechts handeln würde, die wiederum aus dem Schutz der fdVO verfassungsrechtlich gerechtfertigt werden können und regelmäßig sind.

29

Vgl. etwa neben andauernden Verfahren VG Köln 13 K 324/21; weiter allg. Papier / Dur­ ner, AöR 128 (2003), 340 (358) mit zentraler Rspr. in Fn. 103; Jarass / Pieroth, Art. 21 GG Rn.  47; Dreier / Morlok, Art. 21 GG Rn. 158 f.; zum kommunikativen Handeln bereits ausführlich Fahrner, Vulnerabilität, v. a. S. 283 ff.; zum nachrichtendienstlichen BVerfGE 40, 287 (293); 107, 339 (365 ff.); 134, 141 (171 ff.); BVerwGE 110, 126 (130 ff.); v. Münch / Kunig / Klafki, Art. 21 GG Rn. 99. 30 Vgl. neben den vorgenannten etwa zusammenfassend Sachs / Ipsen / Koch, Art. 21 GG Rn. 205, allerdings zu eng auf ein bereits konkretes Parteiverbot gerichtet und dabei etwa die, allerdings dort abgelehnte, wehrhaften Demokratie bzw. Verfassungstreue im öffentlichen Dienst ausblendend, vgl. demgegenüber zutreffend und umfassender BVerwGE 110, 126. 31 Siehe oben C. IV. 3. sowie Fahrner, Vulnerabilität, S. 283 ff. 32 Vgl. die Frist von sechs Jahren für den Ausschluss in § 46a I BVerfGG. 33 BVerfGE 39, 334 (356 ff.); vgl. oben D. III. und unten sogleich 4. 34 Ausdrücklich BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 19. Juni 2019–2 BvR 2299/15 –, juris m. w. N.; ausführlich dazu BVerwG NVwZ-RR 2010, 225 (226 f.); LKV 2019, 458. 35 Vgl. Kersten, NJ 2001, 1 (4); Morlok, NJW 2001, 2931 (2937); Isensee, JuS 1973, 265 (269); Rudolf, Verfassungsfeinde, S. 234 ff. m. w. N.

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F. Ausprägung von Schutz und Abwehr

b) Konkrete Reichweite des Parteienprivilegs gegenüber dem allgemeinen Abwehr- und Strafrecht Neben der bereits zentralen Einschränkung auf das politische Handeln ist anerkannt, dass keine Immunität von „allgemeiner“ strafrechtlicher Verfolgung wegen Zuordnung zu einer Partei besteht. Dies gilt erst recht nicht, wenn das Verhalten von Anhängern, Mitgliedern oder Funktionären der Partei nicht zuzuordnen ist.36 aa) Das BVerfG verweist zur Abgrenzung auf das „allgemeine Strafrecht“37 mit den bekannten Ansätzen, vor allem der „Verletzung ohne Rücksicht auf die Parteistellung“ und den allgemeinen Schutz anderer Rechtsgüter. Diese Delegation an das Strafrecht ist nicht ohne Gefahr, da das Gericht dort dem demokratischen Gesetzgeber eine theoretisch unbegrenzte Befugnis zur Rechtsgutfindung eingeräumt hat.38 Wie der internationale Vergleich zeigt, können zudem auch formal allgemein formulierte Delikte, z. B. der „Terrorismuspropaganda“, stark in poli­ tische Gestaltungsmöglichkeiten von Oppositionsparteien eingreifen. Es ist daher nicht unproblematisch, wenn z. B. jede verfassungsfeindliche Einwirkung auf die Bundeswehr nach § 89 StGB unterschiedslos zur Bestrafung etwa der Werbung für eine politische Partei führen kann.39 bb) Demgegenüber darf eine Partei nicht als unbegrenzter Schutzschild für ter­ roristische und vergleichbare Unternehmungen missbraucht werden, gerade auch, wenn diese durch die Organisation und Führung geduldet oder befördert werden.40 Neben den üblichen rechtsstaatlichen Mitteln der (nachträglichen) richter­lichen 36

Vgl. oben E. III. 1. c) bb) (2). Vgl. „allgemein erlaubte Mittel“, BVerfGE 12, 296 (306 f.); nach der Feststellung sind aber ohne weiteres alle Sanktionen möglich, vgl. nur BGH NJW 1965, 1388; etwas weiterführend hier MKS-Streinz, Art. 21 GG Rn. 220 wonach die Strafnormen kein Sonderrecht gegen die Parteifreiheit i. S. d. Art. 21 GG enthalten dürften; hingegen grob irreführend ist es, von jeder Unterstützung als „entirely lawful“ zu sprechen, wie das 10:9 Votum des EGMR Rs. 17851//91 „Vogt“, Rn. 60, oder etwa mit der materiellen Fiktion der Verfassungsmäßigkeit zu arbeiten, vgl. etwa Groepl, StaatsR I, Rn. 804. 38 Namentlich BVerfGE 120, 224; vgl. im Übrigen die anstehende staatsschutzstrafrechtliche Abhandlung. 39 So aber BVerfGE 47, 130 (139 ff.); dagegen krit. etwa DHS-Klein, Art. 21 GG Rn. 582 m. w. N. in Fn. 809; BK-Henke, Art. 21 GG Rn. 375. 40 Dies muss insbesondere die Lehre aus den Erkenntnissen der NSU-Aufklärung sein (die weiter noch gesondert darzustellen sein wird), wie die NPD in den 1990er Jahren und angesichts der „leben lassen“-Reaktion der Sicherheitsbehörden (Zurückhaltung, „man kennt seine Gegner lieber, als dass sie in den Untergrund gehen“) gezielt als Schutzschild gegen staatliche Überwachung und Sanktionierung als Rekrutierungs-, Kommunikations- und Organisationsplattform gebraucht und von militanten Gruppen wie dem THS genutzt wurde, die intensiven Netzwerke von Parlaments- und Parteimitarbeitern einer großen rechtspopulistischen Partei mit hoch extremen bis terrornahen Hintergründen legen nahe, dass diese Strategie dort weiter planmäßig verfolgt wird; vgl. zur Radikalisierung im Kampf um die Köpfe, die Straße und die Wähler bzw. Parlamente hier nur das Strategiepapier des NPD-Partievorstandes 1997 bei Apfel (Hg.), Sturm, S. 356 ff.; dazu Flemming, NPD-Verbotsverfahren, S. 46 ff. m. w. N. 37

I. Doppelte Schutzwirkung der FDGO im politischen Vorfeld  

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Kontrolle verlangt dies nachvollziehbare und objektiv vermittelbare Kriterien. Betreibt die Partei die Verletzung der formalen Verfahren der Verfassungs- oder Bestandsänderung, namentlich durch Gewalt, liegen die genannten Voraussetzungen vor, die abzuwehrende Gefahr überwiegt das Risiko des staatlichen Missbrauchs erkennbar.41 Auf der anderen Seite darf in keinem Fall strafrechtlich geahndet werden, wenn seitens der nicht verbotenen Partei rein rational-diskursive politische Informationen an die Bürger vermitteltet werden, die also im Sinn des Freiheitsmodells wie der Rspr. des BVerfG deren Rationalität steigern.42 Allerdings beschränkt sich die politische Auseinandersetzung nicht darauf. Im Zwischenfeld v. a. der politischen Propaganda und Aktion, sind die genannten Aspekte möglichst optimiert in Ausgleich zu bringen.43 Hierzu haben Rechtsprechung und Literatur teilweise abweichende deliktsspezifische Abwägungen getroffen.44 Dabei können neben der Missbrauchsgefahr gegenüber Transparenz und Kontrolldichte konkreter Tatbestandsvoraussetzungen, explizite oder faktische Diskriminierungswirkung, normative und faktische Verbindung zur Partei als Organisation und politischen Aktivitäten und Bedeutung dafür wesentliche Kriterien sein. So beeinträchtigt, um erneut ein besonders praktisch relevantes Beispiel zu nennen, die Annahme einer waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit eines Parteimitglieds oder -anhängers nach § 5 II Nr. 3 WaffG die von Art. 21 GG geschützte Mitwirkung der Parteien an der politischen Willensbildung nicht in rechtserheblicher Weise.45 cc) Eine individuelle Bestrafung oder sonstige Sanktionierung alleine wegen der Bildung bzw. Gründung, Zugehörigkeit oder Förderung der Partei als Organisation und ihrer Arbeit vor Feststellung des BVerfG ist somit konsequent ausgeschlossen.46 Das individuelle Tätigwerden als solches darf auch nur soweit bestraft werden, bis der zwingende Schutz der politischen Tätigkeit der Partei beginnt.47

41

Daher ergeben sich keine Bedenken an der Strafbarkeit des Hochverrats und entsprechender Vorbereitung, vgl. nur BVerfGE 9, 162 (165 f.); Fahrner, Staatsschutzstrafrecht, § 7 Rn. 11; zu weit geht allerdings die Deutung von Folgerung von Schmitt Glaeser, Missbrauch, S. 138 ff. wonach Parteien daraus ohne Anwendung von Art. 21 IV GG verboten werden dürften. 42 Siehe Fahrner, Vulnerabilität, v. a. S. 266 ff. 43 Vgl. grundlegend BGHSt 6, 318 (320): „das der Partei in ihrem Aufgabenbereich dienende Tätigwerden ihrer Mitglieder und Anhänger und die verschiedenen Formen einer solchen Tätigkeit, insbesondere die Werbung für die Ziele der Partei in Wort und Schrift“; danach BVerfGE 12, 296 (305 ff.). 44 Vgl. bereits hier Fahrner, Staatsschutzstrafrecht, § 7 Rn. 8 ff. und die anstehende vertiefte strafrechtliche Abhandlung. 45 Vgl. ausdrücklich NVwZ-RR 2010, 225 (226); VGH Kassel NVwZ 2018, 1813 (1814). 46 Nachgezeichnet in § 129 II Nr. 1 StGB, grundlegend BVerfGE 12, 296 (307); 17, 155 (164 ff.) für die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft offen gelassen etwa BVerfGE 63, 266 (296 f.); insoweit kann von einem Anknüpfungsverbot für alle rechtlichen Folgen der behaupteten Verfassungswidrigkeit gesprochen werden, vgl. Dreier / Morlok, Art. 21 GG Rn. 157 m. w. N. 47 Vgl. etwa BVerfGE 12, 296 (305 ff.); allgemeiner u. a. für jede rechtliche Sanktionierung auch BVerfGE 13, 46 (52); 13, 123 (126); 17, 155 (166), das BVerfG verwendet hier seine Grenze des „allgemein Erlaubten“.

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F. Ausprägung von Schutz und Abwehr

Damit reicht der Garantiebereich weiter als bei Art. 18 GG.48 Als bislang besonders problematisch haben sich das Terrorismus- und Propagandastrafrecht erwiesen, auch soweit sie im Einklang mit der „Parteilinie“ stehen.49 Bei ersterem stehen sich, bislang vor allem bei § 129a StGB, der mögliche Missbrauch als Vorwand und andererseits die hohe Gefährlichkeit und die im rechtlichen Tatbestand klare Abgrenzung zu politischem Parteihandeln gegenüber.50 Bei den Propagandadelikten sind die Diskussionen vor allem an deren allgemeine legitime Reichweite gebunden.51 Selbstverständlich können die durch das BVerfG ergangenen Entscheidungen auch strafrechtlich abgesichert werden.52 Allerdings stellt sich erneut beim Vorwurf einer Ersatzorganisation für eine politische Partei die Frage, ob es, wenn diese selbst sonst die Parteieigenschaften erfüllt, einer erneuten Verbotsentscheidung des BVerfG bedarf, um Missbrauch vorzubeugen.53 c) Neuregelung des Art. 21 III GG aa) Für neue Diskussion sorgt die Neuregelung der Art. 21 III GG zum 20. Juli 2017 mit der minus-Maßnahme zum Parteiverbot,54 wonach Parteien, die nach ihren Zielen oder dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgerichtet sind, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden, von staatlicher Finanzierung ausgeschlossen sind und eine steuerliche Begünstigung dieser Parteien und von Zuwendungen an diese Parteien entfällt. Bedeutsam ist, dass es auf die besondere Gefahr und die Verhältnismäßigkeit, anders als nach Art. 11 II EMRK, gerade nicht ankommt, und dass die Hürde des „ausgerichtet sein“ zusätzlich etwas abgesenkt scheint.55 bb) Richtig erscheint, dass das Merkmal in Art. 21 II GG, an das insbesondere das Parteienprivileg in § 129 III Nr. 1 StGB sowie die §§ 84 ff. StGB anknüpfen, bei Art. 21 III GG nicht erfüllt ist. Mithin darf eine solche „bloß materiell verfassungsfeindliche“ (und nicht hinreichend potentiell wirksame) Partei nicht als verfassungswidrig in ihrer Organisation und Fortführung strafrechtlich oder sonst sanktioniert werden.56 48

Vgl. insbesondere zur Sanktionierung durch Entzug staatlicher Leistungen wegen Bekämpfung der FDGO, BVerfGE 13, 46 (51 ff.). 49 Vgl. DHS-Klein, Art. 21 GG Rn. 582. 50 Vgl. als Überblick der Diskussion bereits Fahrner, Staatsschutzstrafrecht, § 7 Rn. 14. 51 Vgl. dazu bereits Fahrner, Vulnerabilität, S. 233 ff.; Fahrner, Staatsschutzstrafrecht, § 7 Rn. 15 ff. sowie die anstehende Habilitationsschrift. 52 Vgl. namentlich §§ 84 ff. StGB; dazu auch etwa MKS-Streinz, Art. 21 GG Rn. 220. 53 Vgl. bereits Fahrner, Staatsschutzstrafrecht, § 7 Rn. 11, § 14 Rn. 74 ff. (83). 54 In der Fassung nach dem Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes (Artikel 21) vom 13. 7. 2017 (BGBl. I 2017, Nr. 47 19. 7. 2017, S. 2346). 55 Vgl. BVerfGE 144, 20 (202); BT-Drs. 18/12357, S. 6; v. Münch / Kunig / Klafki, Art. 21 GG Rn. 118; sowie die Ansätze bei Voßkuhle / Kaiser, JuS 2019, 1154 (1155). 56 Vgl. bereits Fahrner, Staatsschutzstrafrecht, § 14 Rn. 51, 79 ff.

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cc)  Kaum nachvollziehbar erscheint allerdings, wenn selbst bei Feststellung der materiellen Verfassungsfeindlichkeit nach Art. 21 III, IV GG die positiven Beteiligungs- und Leistungsansprüche, soweit nicht aufgeführt, weiter greifen sol­ len, wie eine Ansicht behauptet.57 Damit verlagerte sich das Problem, das Art. 21 III GG gerade beseitigen sollte, dass der Staat „keine Feinde seiner FDGO nähren muss“ nur auf andere Detailfragen. Überzeugend dagegen spricht aber der doppelte Sinn und Zweck der Vorschrift: Der Schutz vor jeder „administrativen Diskriminierung“ unter falschem Vorwand58 ist gerade erreicht durch die notwendige, aber dann bereits erfolgte ex ante-Kontrolle im besonders geschützten Verfahren nach den besonderen materiellen Voraussetzungen vor dem BVerfG.59 Des Weiteren ist eine klare materielle Abgrenzung zu Art. 21 II GG durch das Ausmaß der konkreten Gefährlichkeit im Tatbestand und in der Rechtsfolge ohne weiteres möglich. Durch diesen Wegfall der Subventionierung im weitesten Bereich ist die Fortsetzung von Organisation und Tätigkeit der Partei in keiner Weise gefährdet, es sei denn, dass die Partei gerade von dieser staatlichen Subventionierung darin abhängig wäre. Dann aber wäre es mit dem Dogma der Neutralitätspflicht noch weniger vereinbar, wenn der Staat gezwungen wäre, die Partei, welche die FDGO angreift, selbst aktiv am Leben erhalten zu müssen. Schließlich erscheint es auch auf kommunikativ-symbolischer Ebene angesichts des verbindenden Schutzzwecks des Art. 21 GG im Hinblick auf die FDGO sinnwidrig, dass der Staat die durch das BVerfG festgestellten Verfassungsfeinde ihnen nicht nur volle „Immunität zur aktiven verfassungszerstörenden Betätigung“ zur Verfügung stellen, sondern weiterhin umfassend privilegieren und mithin ihr kämpferisch gegen die FDGO gerichtetes Verhalten im unbedarften Auge in der Öffentlichkeit damit immer aufs Neue konfirmieren müsste.60 Solange dies nicht faktisch einem Verbot der Betätigung der Partei gleichkommt, ist vor diesem Hintergrund nicht erkennbar, weshalb der Entzug positiver staatlicher Leistung in anderer Weise die gegenüber der FDGO feindliche Partei wesentlich schwerer und dadurch ungerechtfertigt diskriminieren sollte.61 Selbstverständlich betrifft die Diskriminierungsmöglichkeit 57 Vgl. vor allem Shirvani, DÖV 2018, 921 (925) allerdings letztlich nur unter Begründung auf den Wortlaut und ohne Reflektion über weiteren Sinn und Zweck der Vorschrift; und darauf referenzierend v. Münch / Kunig / Klafki, Art. 21 GG Rn. 119; MKS-Streinz, Art. 21 Rn. 252d allerdings gerade unter Berufung (wohl nach Shrivani) auf Rspr. und Lit. noch zur alten Rechtslage nach dem NPD-Urteil, die in beide Richtungen mit Betonung auf das formale Merkmal der „Verfassungswidrigkeit“, aber eben auch der Feststellung durch das BVerfG auch nach Art. 21 III GG der Verfassungsfeindlichkeit im Übrigen gelesen werden kann, etwa OVG Saarlouis NVwZ 2018, 183; VGH Kassel NVwZ 2017, 886 (887 f., v. a. Rn. 31). 58 Vgl. etwa BR Drs. 95/71 (B) Nr. 4: „Missbilligung einer Gesinnung oder Weltanschauung“. 59 Vgl. etwa auch BT DRs. 18/12357, S. 6 f.: das sachgebundene Unterscheidungskriterium, welches geeignet ist, eine unterschiedliche Behandlung von Parteien … zu rechtfertigen, liegt gerade darin, dass die davon ausgeschlossenen Parteien sich gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland richten. 60 Vgl. etwa auch BR Drs. 95/71 (B) Nr. 5. 61 So zu Recht etwa bereits Ferreau, DÖV 2017, 494 (500 Fn.85) gegen Morlok, ZRP 2017, 66 (67 f.), zumal es eben die „Punktgleichheit“, wie von Morlok propagiert, nicht gibt, vgl. bereits Fahrner, Vulnerabilität, S. 144 ff.

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F. Ausprägung von Schutz und Abwehr

und ggf. -pflicht zum Schutz der FDGO nicht die Parteien, welche Art. 21 III GG nicht berühren.

3. Weitere doppelter und einseitiger Schutz der FDGO vor „Rettungseingriffen“ a) In gleicher doppelter Richtung wirken Art. 98 II, V GG. Sie gewährleisten einerseits die wirksame auf weitere Prävention gerichtete Sanktionierung gegenüber Richtern, welche mit den Grundsätzen des Grundgesetzes die FDGO verletzen, andererseits den Schutz der Justiz vor willkürlichen Eingriffen durch die anderen Staatsgewalten.62 Dies bildet sozusagen den Schlussstein der richterlichen Unabhängigkeit im Rahmen eines demokratisch wie rechtsstaatlich initiierten und kontrollierten Verfahrens. Beide zählen, die Verfahren im Speziellen wie die Unabhängigkeit im Allgemeinen zu den zentralen Elementen der FDGO.63 b) Zudem sind in diesem Zusammenhang die weiteren Bausteine der rechtstaatlichen Demokratie zu nennen, die selbst für deren Erhalt sorgen und wiederum mit ihr (und über die gerade analysierten spezifischen Mechanismen) zu gewährleisten sind.64 Zu ihnen zählen namentlich die demokratische Kontrolle durch in ihrer Betätigung geschützte Volksvertreter sowie die justizielle Überprüfung insgesamt.65 Beide werden dadurch allerdings nicht zu einem „Sanctum der Vernichtung der FDGO“, sondern gerade funktional abgewogen geschützt, etwa in dem die Indemnität im Parlament nicht zu Ignoranz der Parlamentsreden in der Beurteilung von Parteien führen darf.66 c) Ergänzend ist besonders die Rechtsanwaltschaft mehr vor einseitigen Eingriffen zum mutmaßlichen Schutz der Verfassungsordnung zu schützen, um eine wirksame freie Rechtsstaatlichkeit zu bewahren.67 Gleiches gilt für die besonderen 62 Vgl. bereits Fahrner, Staatsschutzstrafrecht, § 4 Rn. 12; ders., HdbSiStR, § 4 Rn. 23 ff., 59, 67 ff.; ders., GSZ 4 (2021), 6. 63 Vgl. hier nur ergänzend Art. 92 GG sowie oben C. IV. 1. d), sowie Fahrner, Vulnerabilität, S. 189 ff. 64 Vgl. erneut oben C. IV. 1. d); Fahrner, Vulnerabilität, S. 126 ff. 65 Fahrner, Staatsschutzstrafrecht, § 7 Rn. 4 ff.; ders., HdbSiStR, § 4 Rn. 61 ff. 66 Demgegenüber erschient nicht nachvollziehbar, weshalb das Verhalten von Abgeordneten allein aufgrund der öffentlichen Arena des Parlaments nicht für die Beurteilung der Verfassungsfeindlichkeit z. B. seiner Partei im Rahmen der präventiven und staatsschutzstrafrechtlichen Tatbestände mit herangezogen werden dürfte; insoweit unter keinerlei Aspekt nachvollziehbar BVerfGE 134, 141 (181 ff.); vgl. dagegen bereits Fahrner, HdbSiStR, § 4 Rn.  63 ff.; überzeugend ebenso Schenke / Graulich / Ruthig / Roth, § 8 BVerfSchG Rn. 68; ähnlich Morlok / Sokolov, DÖV 2014, 405; Warg, NVwZ 2014, 36 ff. 67 Vgl. BVerfGE 63, 266; 110, 226 (259); Birkhoff / Hawickhorst, StV 2013, 540; Reifner, NJW 1984, 1151; bereits Fahrner, HdbSiStR, § 4 Rn. 79 ff.; ders., Staatsschutzstrafrecht, § 35 Rn. 9 ff.; zum Ausschluss aus Verfahren vgl. etwa auch BVerfGE 15, 226 (234); 50, 16 (29); 63, 266 (284); zuvor allerdings BGHSt 8, 194 (197); 9, 20 Röhmel, JA 1976, 447; Seelmann, NJW 1979, 1128; zum Verfahren Burhoff, StRR 2012, 404; zu den Folgen Frye, wistra 2005, 86.

I. Doppelte Schutzwirkung der FDGO im politischen Vorfeld  

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Vertrauensbeziehungen zwischen Betroffenen und Vertrauensträgern, seien sie persönlich nahe stehend oder in gebotener spezialisierter Unterstützungsfunktion.68 Weiterhin sind mit unmittelbarem Bezug zur Menschenwürde die Kernbereiche privater Lebensgestaltung zu schützen.69 Gleiches gilt für besondere erworbene Rechtspositionen und Statusrechte.70 Eingriffe zum Schutz der FDGO sind in allen genannten Bereichen stets besonders kritisch im Hinblick auf die Angemessenheit zu würdigen.71 Schließlich ist an die allgemeinen Instrumentarien des liberalen Rechtsstaats gegenüber der staatsfernen jedoch nicht -freien gesellschaftlichen Sphäre, wie bereits ausgeführt, zu erinnern.

4. Verfassungstreue als Teil der wehrhaften Demokratie des öffentlichen Dienstes Davon zu unterscheiden sind die ausdifferenzierten Pflichten, die der Staat seinen Amtsträgern,72 Angestellten73 und sonstigen Vertragspartnern74 auch zum Schutz der FDGO auferlegen kann. Sie umfassen einerseits die Pflichten zur Umsetzung und Vollziehung der demokratisch-rechtsstaatlichen Entscheidungen (und damit) entsprechend der fdVO.75 Andererseits kann der Staat seine Partner und Auftragnehmer in den genannten Sonderverhältnissen nach möglichen Gefahren für die fdVO auswählen und ggf. auf solche bis hin zur Beendigung der Zusammenarbeit reagieren.76 68

Vgl. BVerfGE 109, 279 (318 ff.); 129, 208 (258 ff.); hierzu und zum Folgenden etwa ­Fahrner, HdbSiStR, § 4 Rn. 84. 69 Vgl. etwa BVerfGE 141, 220 (276 ff.) zur vertraulichen Kommunikation zusammenfassend etwa Löffelmann, GSZ 2019, 190. 70 Vgl. Hesse, Grundzüge, Rn. 206; Fahrner, HdbSiStR, § 4 Rn. 47. 71 Vgl. etwa nur exemplarisch zum Anwaltsverhältnis BVerfGE 15, 226 (234); 34, 293 (302); 37, 67 (77 ff.); 72, 51 (63 ff.); 110, 226 (252 ff.). 72 Vgl. grundlegend BVerfGE 39, 334 (346); für haupt- und ehrenamtlichen Richter BVerfG NJW 2008, 2568 (2570); für Schöffen etwa OLG Dresden StV 2018, 403; OLG München StV 2016, 637, zum Ganzen insbesondere bereits Fahrner, GSZ 4 (2021), 6; für Soldaten etwa nur BVerwGE 86, 321 (327); 111, 45 (47); für freiwillige Wehrpflichtleistende OVG Bremen NVwZ-RR 2020, 409. 73 Vgl. etwa BVerfGE 39, 334 (355 f.); BAGE 28, 62; 33, 43 ff.; 34, 1; 51, 246 st. Rspr. 74 Vgl. nur zur Ablehnung konkreter daraus folgender Verpflichtungen mangels Bestimmtheit VG Dresden Urt. v. 25. 4. 2012 – 1 K 1755/11, BeckRS 2012, 49970; Ossenbühl, Demokratieerklärungen, S. 19 ff.; zur grundsätzlichen Zulässigkeit der sog. „Bekenntnisklauseln“ bei der Vergabe öffentlicher Finanzmittel zusammenfassend BT WD 3 – 3000 – 245/17; aufbauend auf Kluth, RdJB 61 (2013), 84 (87 ff.); a. A. Battis, Extremismusklausel, S. 9 ff.; BT WD 3 – 3000 – 505/10, S. 8 ff.; vgl. auch Roth / Erben, NZBau 2013, 409; bei Leistungsvergaben setzt das geltende Vergaberecht außerhalb des Sicherheitsbereichs (vgl. §§ 117, 145, 150 GWB) namentlich im Oberschwellenbereich weiterhin Grenzen in Bezug auf die Leistungsbezogenheit, vgl. BeckOK-Opitz, § 128 GWB Rn. 25; allerdings sind zwingende Grenzen über § 123 GWB für nach §§ 89c, 129, 129a StGB Verurteilte festgelegt. 75 Vgl. namentlich §§ 35 ff. BeamtStG, §§ 7, 11 SG. 76 Vgl. bereits oben zu wehrhaften Demokratie D. III. 2., 3.

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F. Ausprägung von Schutz und Abwehr

Vor allem bei Beamten (und Angestellten) ist ihr „Grundverhältnis“, als Bürger an der Meinungsfreiheit in gleicher Weise teilzuhaben, in Ausgleich zu bringen mit der Pflicht, den eigenen Dienstherren und damit die fdVO nicht (übermäßig) anzugreifen. Seine verfassungsrechtliche Verankerung findet dies in Art. 5 III 2, 33 V GG.77 Daraus haben Gesetzgebung und Rechtsprechung unter den Kategorien der „wehrhaften Demokratie“ und Verfassungstreuepflicht ein ausdifferenziertes System an Pflichten und Rechten zur Äußerung politischer Auffassungen geschaffen, um eine stabile, loyale Verwaltung zu sichern, auf die sich das Gemeinwesen gerade auch in politischen Krisenzeiten verlassen kann.78 Dies drückt sich in der Pflicht zur sachlichen Kritik aus.79 Es kommt weiter vor allem in § 33 I 3 BeamtStG80 und der daraus entwickelten Rechtsprechung für dienstliches und außerdienstliches Verhalten zum Ausdruck.81 Zudem strahlen die staatlichen pluralen Friedens- und Integrationsfunktionen in die Personen der Amtsträger aus: Dies gilt namentlich für die Unbestechlichkeit,82 Überparteilichkeit und Allgemeinorientierung in der Amtsausübung,83 die Mäßigung, v. a. einem Rationalitätsgebot,84 sowie neuerdings stark akzentuiert, symbolischen Ausdrucksformen im persönlichen Erscheinungsbild.85 Nach der Entscheidung des EGMR im Fall Vogt86 wird man bloß in der Mitgliedschaft in einer (noch) unter das Parteienprivileg fallenden verfassungsfeindlichen Partei oder darin, sich als deren Kandidat bei Wahlen zu betätigen, die bei der Einstellung bekannt waren, nur eingeschränkt einen erheblichen Treuverstoß durch deren Fortsetzung erkennen können. Eine solche Bedeutung kann mit tat 77

Vgl. auch Fahrner, Vulnerabilität, S. 223 ff.; ders., GSZ 4 (2021), S. 6 ff. Vgl. etwa BVerwG DVBl 2018, 379; Keller, jurisPR-ITR 14/2018 Anm. 3; hilfreich strukturierend insoweit die Stufenfolge bei Denninger, Grundordnung I, S. 23 ff. 79 Vgl. etwa BVerfGE 39, 334 (347 f.): Die Treuepflicht bedeutet explizit nicht die Verpflichtung, sich mit den Zielen oder einer bestimmten Politik der jeweiligen Regierung zu identifizieren, und sogar die Verpflichtung zur Kritik – aber im „Rahmen der Verfassung und mit den verfassungsrechtlich vorgesehenen Mitteln … solange in diesem Gewand nicht eben dieser Staat und seine verfassungsmäßige Grundlage in Frage gestellt werden.“; zur Pflicht zur sachlichen Kritik zum Fortschritt vgl. bereits v. Mangold, ProtGSA 25. Sitzung, S. 54; vgl. Klein, VVDStRL 37 (1979), 53 (89); Scherb, Demokratieschutz, S. 222 m. w. N. 80 Sowie etwa § 8 SG, § 60 I BBG; vgl. auch die Einstellungsvoraussetzungen etwa § 7 I 1 Nr. 2 BeamtStG, § 7 I Nr. 2 BBG, § 9 Nr. 2 DRiG. 81 Vgl. bereits Fahrner, GSZ 4 (2021), 6 m. w. N.; sowie hier nur BVerwGE 86, 99; 114, 37; OVG Berlin-Brandenburg Urt. v. 4. 3. 2020 – 82 D 1.19, BeckRS 2020, 7536 m. w. N. 82 Namentlich § 42 BeamtStG, abgesichert auch durch das Nebentätigkeitsrecht, etwa §§ 40 f. BeamtStG. 83 §§ 33 I 1, 2, 34 I BeamtStG. 84 § 33 II BeamtStG; im Dienst allerdings zum Verbot der Parteiwerbung verdichtet, vgl. BVerwG NJW 1988, 1747 (1748 f.); BeckOK-Werres, § 33 BeamtStG Rn. 24; zusammenfassend aktuell Masuch, NVwZ 2021, 520 m. w. N.; insoweit Fortsetzung der kommunikativen staatlichen Rationalitätspflichten, vgl. Fahrner, Vulnerabilität, S. 233 ff. 85 § 34 II BeamtStG; vgl. Michaelis / Günther, NVwZ 2021, 1115; Wiese, NLMR 2021, 5; Steinbach, ZRP 2021, 56; Roetteken, jurisPR-ArbR 28/2021 Anm 1. 86 EGMR Rs. 17851//91 „Vogt“, Rn. 60. 78

I. Doppelte Schutzwirkung der FDGO im politischen Vorfeld  

291

sächlichen Anhaltpunkten für eine Gefährdung der freiheitlichen Verfassungsordnung in einem Dienstbezug bestehen, oder wenn die Indoktrination Dritter oder die Wirkung als Autorität nicht ausgeschlossen werden können. Im Übrigen hat sich der Beamte eindeutig von Gruppen und Bestrebungen zu distanzieren, die den Staat, seine verfassungsmäßige Organe und die geltende Verfassungsordnung angreifen, bekämpfen und diffamieren; vom Beamten wird erwartet, dass er diesen Staat und seine Verfassung als einen hohen positiven Wert erkennt und anerkennt, für den einzutreten sich lohnt.87 Das bloße Innehaben einer Überzeugung und die bloße Mitteilung, dass man diese habe, ist nicht in jedem Fall eine Verletzung der Treuepflicht, die dem Beamten auferlegt ist; dieser Tatbestand ist aber jedenfalls dann überschritten, wenn der Beamte aus seiner der Verfassung widersprechenden politischen Überzeugung Folgerungen für seine Einstellung gegenüber der verfassungsmäßigen Ordnung der Bundesrepublik Deutschland, für die Art der Erfüllung seiner Dienstpflichten, für den Umgang mit seinen Mitarbeitern oder für politische Aktivitäten im Sinne seiner politischen Überzeugung zieht.88 Dazu gehören etwa beispielsweise das Bekunden rechtsextremer Sympathien oder Nähe zu rechtsextremen Gruppen wie exemplarisch Veranstaltungsauftritte als Künstler in einem klar rechtsextremistischen Rahmen ohne eigene Distanzierung,89 oder militärverherrlichende Spiele und Übungen sowie das Tragen von Uniformen und Symbolen:90 „Wer sich in der Öffentlich­ keit nationalsozialistischer Symbolik bedient, begründet damit für den neutra­ len Betrachter objektiv den Anschein, er stehe nicht mehr hinter dem Staat des Grundgesetzes, und verletzt die Pflicht, sich von derartigen Bestrebungen zu dis­ tanzieren“;91 ebenso wirkt etwa das offene Infragestellen bzw. Ablehnen der BRD als sogenannter „Reichsbürger“.92 Ein Verstoß gegen die Verfassungstreuepflicht setzt weder ein öffentlich sichtbares noch ein strafbares Verhalten des Beamten voraus.93 Ein Dienstvergehen stellt danach ein schuldhaftes pflichtwidriges außerdienstliches Verhalten nur dann dar, wenn es nach den Umständen des Einzelfalls in besonderem Maße geeignet ist, das Vertrauen in einer für das Amt bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen (§ 47 I 2 BeamtStG). Zusätzlich sehen § 24 I 1 Nr. 2, S. 2 BeamtStG bei einer Verurteilung wegen eines vorsätzlichen Staatsschutzdeliktes 87 St. Rspr. BVerfGE 39, 334 (348); NJW 2008, 2568; dabei trifft die Unterstellung einer „Indizwirkung“ der Mitgliedschaft, von Rudolf, Verfassungsfeinde, S. 236, das Problem und die Rechtsprechungslogik nicht. 88 BVerfGE 39, 334 (349 ff.); NJW 2008, 2568 (2571). 89 BVerfG NJW 2008, 2568; ein reiner Konzertbesuch genügt wohl dafür nicht, BVerwG DVBl 2001, 1683. 90 BVerwG DVBl 2001, 1683; OVG Bremen NVwZ-RR 2020, 409. 91 BVerwG, Urteil vom 23. 03. 2017 – 2 WD 16/16 –, Rn. 67, juris. 92 Vgl. etwa VG Ansbach, Urteil vom 26. Februar 2020 – AN 13b D 19.00958 –, Rn. 145, juris m. w. N. 93 BVerwGE 160, 370 st. Rspr.

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F. Ausprägung von Schutz und Abwehr

zu einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten oder Grundrechtsverwirkungs-Verurteilung durch das BVerfG gem. Art 18 GG einen Verlust der Beamtenstellung vor. Schließlich erfassen §§ 47 II BeamtStG; 77 II Nr. 1, 2 BBG als Dienstvergehen im Ruhestand sowohl die Betätigung gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes als auch die Teilnahme an Bestrebungen, die darauf abzielen, den Bestand oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland zu beeinträchtigen.

II. Einwirkung der freiheitlich demokratischen Verfassungsordnung in das Gemeinwesen 1. Allgemeine Schutz- und Treuepflichten gegenüber der Verfassung a) Aus dem Grundgedanken der freiheitlichen Staatsferne in der FDGO folgt, dass Bürger (und ebenso wenig sonstige Betroffene) keine allgemeine Pflicht zum Schutz und Bewahrung der verfassungsmäßigen Ordnung oder FDGO trifft, wiewohl diese bei der Genese des Grundgesetzes intensiv diskutiert wurde.94 Niemand ist im Grundverhältnis als Bürger oder sonst z. B. Bewohner zum Staat verpflichtet, es zu unterlassen, auch grundlegende Wertungen der Verfassung in Frage zu stellen, oder dazu verpflichtet, diese Verfassungsordnung aktiv zu verteidigen, soweit er sich im Rahmen des nach dem allgemeinen sonstigen Recht zulässigen hält.95 So ist auch kein Staatsbürger zur Ausübung des ihm eröffneten Widerstandsrechts gegen die Verletzung der FDGO verpflichtet.96 Ihn treffen lediglich die allgemei-

94

Vgl. anders noch die präföderalen Landesverfassungen, v. a. Art. 146 f. LV HE auch zur Widerstandspflicht sowie noch Art. 19 HChE; vor allem aufgrund des Werben der KPD um solche Pflichten und angesichts möglicher Kontinuitäten zu einem Pflichtstraf- und -sanktionsrecht nahm die Verfassungsgenese des GG davon klar Abstand, auch vor dem Hintergrund, dass die SED in Berlin am 30. 11. 1948 unter Berufung auf eine Widerstandspflicht zum Aufstand gegen den 1946 soweit demokratisch gewählten Magistrat aufgerufen hatte, vgl. Will, Entstehung, S. 102 ff. m. w. N.; Scherb, Demokratieschutz, S. 31 f., 51 ff., 77 ff., 109 ff., 143 f., 207 ff.; vgl. neuerdings auch Schmidt, Grundpflichten, S. 51 ff., 189 ff.; zuvor etwa Stober, Grundpflichten; Klein, Der Staat 1975, 153 f.; ders., VVDStRL 37 (1979), 53; Badura, DVBl 1982, 861 (869 f.); Götz, VVDStRL 41 (1983), 7 (22); Bethge, JA 1985, 249 (256); zur fehlenden Erzwingbarkeit bereits Hoegner, Lehrbuch, S. 152 f.; vgl. oben B. I. 3. c) cc), 5.; zum aktuellen Diskussionsstand vgl. hier nur knapp Dreier, RW 2010, 11 (24 ff.). 95 Hier verallgemeinernd u. a. nach Dreier, RW 2010, 11 (27 f.), der lediglich auf die Gefährdung individueller Rechtsgüter abstellen will, was jedoch den in der weiteren Untersuchung zum Strafrecht dargestellten erheblichen Bedenken begegnet. 96 Vgl. zum ausdrücklichen Verzicht auf die Einführung einer Widerstandspflicht nach Art. 20 IV GG, um unzumutbare Belastungen zu vermeiden nach der Stellungnahme des Rechtsausschusses, BT Drs. 5/2873, S. 9; vgl. dazu etwa DHS-Grzeszick, Art. 20 GG IX. Rn. 12.

II. Einwirkung der Verfassungsordnung in das Gemeinwesen

293

nen Rechtsbefolgungspflichten, mittels derer ihm z. B. im Rahmen der Verhältnismäßigkeit und sonst der FDGO aktive Pflichten zur Mitwirkung beim Schutz des Gemeinwesens, z. B. durch Offenbarung von Informationen oder Mitwirkung als Adressat von Maßnahmen, auferlegt werden können.97 b) Widersprüchlich dazu erscheint allerdings, dass in Entscheidungen zur Einbürgerung die Rechtsprechung ausgeführt hat, dass im Sinn der wehrhaften Demokratie der demokratische Staat des Grundgesetzes von seinen Bürgern eine Verteidigung seiner freiheitlichen Ordnung erwarten dürfe.98 Richtig bleibt allerdings, dass eine Einbürgerung im staatlichen Interesse unerwünscht sein kann, wenn Gefahren für die FDGO (und andere staatliche Schutzgüter) in der Person des Betroffenen bestehen,99 sodass sich daraus gesetzliche Ausschluss- und Versagungsgründe aus Ermessen rechtfertigen.100 Eine Parallele zur wehrhaften Demokratie des Beamtenrechts besteht trotzdem gerade nicht.101

2. Weiterer Schutz der freiheitlich demokratischen Verfassungsordnung Im Gefahrenabwehrrecht findet richtigerweise die (freiheitlich demokratische) Verfassungsordnung selbst unmittelbar Eingang in das Schutzgut der öffentlichen Sicherheit der polizeilichen Generalklauseln.102 Ebenso gelten als wichtige Ausprägung der öffentliche Frieden und weitere Rechtsgüter, die u. a. über das Strafrecht zu formen sind.103 Konsequent daraus kann sich die Verfassungsfeindlichkeit auf die Zuverlässigkeit nach dem besonderen Verwaltungsrecht, etwa dem Waffenrecht gem. § 5 II Nr. 3 WaffG, durchschlagen: Unzuverlässig ist danach in der Regel, wer Bestrebungen verfolgt und solche durch Vereinigungen unterstützt hat, die gegen die verfassungsmäßige Ordnung gerichtet sind. Hierzu zählt auch, wer verfassungsfeindliche Bestrebungen im Rahmen der Mitgliedschaft in einer nicht

97

Vgl. zusammenfassend etwa Schmidt, Grundpflichten, S. 96 ff., 169 ff. Vgl. BVerwG DVBl 1983, 1013 im verkürzenden Leitsatz; daraus noch weiter irreführend VGH Mannheim VBlBW 2001, 492 Rn. 24, 26 nach einem Wortlaut der damaligen entsprechenden Einbürgerungs-Richtlinie (GMBl. BW 1978, S. 16). 99 So richtig BT Drs. 14/533, S. 18 f.; BVerwGE 135, 302 (306); dazu bereits BVerwG NJW 1980, 1246; dies greift auch DVBl 1983, 1013 Rn. 5 f. auf; ausführlich ebenso VGH München Urt. v. 24. 4. 2013 – 5 BV 11.3036, BeckRS 2013, 51521; für Salafismus als Gefahr für den Demokratiegrundsatz vgl. OVG Münster NVwZ-RR 2016, 756; ebenso sind die weiteren Schutzgüter zu betrachten, wie etwa in BVerwGE 128, 140, 142, 132 ausgeführt. 100 Namentlich §§ 10 I 1 Nr. 1, 11 S. 1 Nr. 1 StAG. 101 Dies wird in den Formulierungen der genannten Gesetzesnormen gerade abweichend von jenen im Beamtenrecht deutlich, auch wenn dies die derzeitig untergesetzlichen Vorschriften verwischen. 102 Vgl. bereits ausführlich Fahrner, Vulnerabilität, S. 243 ff., 266 ff. 103 Vgl. dazu systematisch die anstehende Habilitationsschrift. 98

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F. Ausprägung von Schutz und Abwehr

verbotenen politischen Partei verfolgt.104 Entsprechende Bestrebungen bewirken auch die Unzuverlässigkeit im Luftverkehrssicherheitsrecht.105 Ähnlich gilt dies für das Aufenthaltsrecht.106 Im Gewerberecht ist nach der konkreten Tätigkeit zu differenzieren.107

104 BVerwG NVwZ-RR 2010, 225; LKV 2019, 458 sowie darauf BVerfG Nichtannahmebeschluss v. 19. 6. 2019 – 2 BvR 2299/15, BeckRS 2019, 12855. 105 VGH Mannheim Urt. v. 22. 6. 2021 – 8 S 3419/20, BeckRS 2021, 16881. 106 Vgl. etwa §§ 27 IIIa, 53 I Var. 3, 54 I Nr. 2, 3 AufenthG. 107 Vgl. etwa VG Arnsberg NVwZ-RR 2000, 17 für Schriftenhandel wegen Verbreitung neonazistischen Gedankenguts; hingegen nicht das Führen einer „Szenekneipe“ VGH Mannheim VBlBW 2006, 35; VG Schleswig NJW 2001, 387 (388).

G. Ergebnisse und Schluss: Konstruktion der FDGO als Verfassungskern des Gemeinwesens I. Zusammenfassung des Untersuchungsgangs  1. Hintergrund und Fragestellung Die Idee der FDGO fügt sich in die große, freilich nicht lineare, zivilisatorische Entwicklung der Menschheit, stabile freie demokratische politische Ordnungen zu schaffen, um die individuelle Würde, Sicherheit und Streben nach Sinn und Glück für alle zu erhalten und ermöglichen.1 Solche Gemeinwesen gilt es vor allem zu sichern gegen die Bestrebungen einzelner Individuen und Gruppen nach einer dauerhaften Dominanz in einem totalitären oder autoritär kontrollierenden System, welche den Gegenentwurf vermeintlicher Sicherheit darstellen.2 Obwohl die deutsche FDGO nach 1945 von den Schöpfern des Grundgesetzes für seine Verfassungsordnung als grundlegend konstruiert wurde, wird seit langem aus unterschiedlichsten politischen Überzeugungen und Kalkülen um ihren Inhalt auch im Rahmen der Begriffe der streitbaren Demokratie und des Extremismus erbittert gekämpft und gerungen, während sie dogmatisch im Verfassungsrecht stark marginalisiert worden ist.3 All dem scheint vor allem eine Unsicherheit über den Inhalt der FDGO als Ausdruck und Ursache gemein zu sein.4 Daraus folgte die formulierte Aufgabe, einen Ansatz zu einer präziseren juristischen Bestimmung des Inhalts der FDGO für die ihr zugedachte Aufgabe als allgemeiner Kern und Grundlage der Verfassung zu liefern.5 Die rationale Begründung und Konstruktion sollten strikt im Rahmen der rechtswissenschaftlichen Methode erfolgen und außerjuristische Faktoren über die grammatikalische, historische und teleologische Auslegung entsprechend offen gelegten Eingang finden.6

1

A. I. 1. A. I. 2. 3 A. I. 3. 4 A. I. 4. 5 A. II. 1. 6 A. II. 2. 2

296

G. Ergebnisse und Schluss

2. Fundus Als juristischer Ausgangspunkt wurde zunächst als „Befund“ der Fundus der einschlägigen Verfassungsnormen einschließlich einer ersten grammatikalischen, systematischen und historischen Auslegung,7 sodann die gängigen Definitions­ ansätze nach dem Bundesverfassungsgericht8 und die Kritik an diesen9 festgestellt: a)  Danach ist die FDGO im Grundgesetz an zentralen Textstellen als Kernschutzgut für besonders „heikles“ staatliches Einschreiten zunächst historisch als Antwort einer „militant democracy“ auf die staatlichen totalitären Entartungen des NS-Regimes und andere autoritäre Gefahren, insbesondere des damals zeitgenössischen Stalinismus, zu begreifen.10 Sie findet sich so namentlich bei der Verwirkung von Grundrechten (Art. 18 GG), dem Verbot und heute der weiteren Sanktionierung von Parteien (Art. 21 II, III GG), dem „interterritorialen“ Einsatz landesfremder und bundeseigener Polizei und Bundeswehr (Art. 87a IV 1, 91 I GG), der Begründung des Verfassungsschutzes (Art. 73 I Nr. 10 b, 87 I 2 Var. 4 GG) sowie der Einschränkung der Grundrechte der Telekommunikationsfreiheiten (Art. 10 II 2; 19 IV 3 GG) und der Freizügigkeit (Art. 11 II Var. 4 GG). Eng verbunden bleiben der Ewigkeitsschutz des Verfassungskerns (Art. 79 III GG), das Vorgehen gegen Richter (Art. 98 II 1 GG) , das Vereinigungsverbot (Art. 9 II GG) sowie das Widerstandsrecht (Art. 20 IV GG).11 Die Begriffsschöpfung der freiheitlichen (und) demokratischen Grundordnung erfolgte durch den Verfassungskonvent des Grundgesetzes auf der Insel Herrenchiemsee vom 10. bis 23. August 1948.12 Dagegen speisen sich ihre Ansatzpunkte, einen Verfassungskerns zu schützen und demokratische Prozesse zu beschränken, aus unterschiedlichen, teils weit zurückreichenden historischen Wurzeln, besonders verdichtet im 19. Jahrhundert bis vor dem zweiten Weltkrieg.13 Eine grundlegende wissenschaftliche Analyse erfolgte von Emigranten der NS-Herrschaft, namentlich im Rahmen der „militant democracy“ von Karl Löwenstein sowie des kritischen Rationalismus mit dem Kern der Demokratie und der Toleranz durch Karl Popper, zu dem Karl Mannheim im Wesentlichen den Begriff der streitbaren Demokratie beisteuerte.14 Löwenstein erkannte die Techniken der „Irrationalisierung“ des Faschismus zur Machtgewinnung und -sicherung sowie effektive und ineffektive Verteidigungsmöglichkeiten dagegen, welche er für die damalige Zwischenkriegsgeneration im Bild des militärischen Verteidigungs­zustandes veranschaulichen wollte; daraus prägte er den bekannten Schlüsselbegriff der 7

B. I. B. II. 9 B. III. 10 B. I. 11 B. I. 1. 12 B. I. 2. 13 B. I. 3. a). 14 B. I. 3., b) letzterer bb). 8

I. Zusammenfassung des Untersuchungsgangs  

297

(eingedeutschten) „militanten Demokratie“.15 Popper macht vor allem die beiden Erkenntnisse plausibel, dass Demokratie in der effektiven friedlichen Ablösbarkeit der konkreten Herrscher besteht und dass Toleranz gegenüber der Intoleranz intolerant sein muss, um andauern zu können.16 Nicht zuletzt in der Konsequenz daraus fokussierte sich die Diskussion beim verfassungsrechtlichen Wiederaufbau der BRD – auch als Lehren aus der gescheiterten Weimarer Republik – auf die Bewahrung der Verfassungsintegrität, ein kontrolliertes Notstandsrecht, Sicherungen gegen einen „Staatsstreich von oben“ und um verschiedenste weitere Handlungsmöglichkeiten, um im Vorfeld derartige Krisensituationen und Angriffswege zu verhindern.17 In drei zentralen Stufen bereiteten vor allem die Verfassungen der Länder vor 1949 die engere Genese der heutigen verfassungsnormativen Verankerung der FDGO vor, indem sie den Blick von einem vagen „Geist der Verfassung“ auf bestehende konkrete Verfassungsgrundsätze richteten und dabei die individualschützenden Grundrechtsteile mit den freiheitlichen Staatsprinzipien der Demokratie und Republik verbanden.18 Die exakte Begriffspaarung der freiheitlichen (und) demokratischen Grundordnung gelangte in ihrem synthetischen Ansatz über den bayerischen Vorentwurf einer Ewigkeitsklausel in die Beratungen des Konvents und dessen Entwurf; sie sollte dort vor allem dafür stehen, dass die Verfassung auf die allgemeine rechtliche Freiheit und Gleichheit aller Bürger gegründet und Wahlen ohne politische Druck frei sein sollten.19 Im Parlamentarischen Rat verdeutlichten die Verfassungsväter Dehler, Heuss, Schmid und v. Mangold, dass es sich bei Freiheit und Demokratie um komplementäre Begriffe handelt, die auch im Bewusstsein der Bürger zusammenfließen müssen; durch diese untrennbare Verbindung lässt sich die FDGO zu den selbsttitulierten „Volksdemokratien“ unter sowjetisch-stalinistischem Einfluss und allen antiliberalen bis totalitär-identitären Regimen abzugrenzen, welche sich ohne Freiheit und Rechtsstaat auf einen vermeintlichen Volkswillen berufen.20 Trotz der Umformulierung des Art. 79 III GG sollte nach dem Willen des Parlamentarischen Rats die FDGO in ihm weiterhin enthalten, jedoch jedenfalls um die Bundesstaatlichkeit ergänzt sein.21 b) Die heute wirksame verfassungsdogmatische Definition der FDGO ist vor allem durch das Bundesverfassungsgericht in seinen Urteilen zum Verbot der SRP, KPD und NPD maßgeblich entwickelt worden.22 Während die FDGO verfassungsdogmatisch und insgesamt in der deutschen Rechtsordnung einheitlich zu definie-

15

B. I. 3. b) aa). B. I. 3. b) cc). 17 B. I. 3. c). 18 B. I. 4. 19 B. I. 5. a). 20 B. I. 5. b). 21 Ebenda B. I. 5. b). 22 B. II. 16

298

G. Ergebnisse und Schluss

ren ist, hat das Gericht zu diesem Zweck insgesamt drei unterschiedliche Ansätze verfolgt, die jeweils eigene Wurzeln und Gewicht haben:23 – Die Negativabgrenzung benennt seit BVerfGE 2, 1 mit dem als „Ausschluss jeglicher Gewalt- und Willkürherrschaft“ ein Gegenbild, welches einen plastischen Kern der FDGO, eine gewisse Tradition vor 1949 und einen strafrechtlichen Kontext bietet, der umgekehrt wieder in § 92 II Nr. 6 StGB wirkt.24 – Die „positive“ Elemente-Enumeration ist indes bewusst von dem strafrechtlichen Katalog des § 92 II StGB zu trennen und lässt sich vor allem über das Lehrbuch Hoegners sowie Nawiasky unmittelbar in die erste Generation der Verfassungsschöpfer zurückverfolgen.25 – Auch aufgrund der Kritik gegen die, im Übrigen nicht abschließend behauptete, „synkretistische“ Aufzählung und den Vorwurf fehlender theoretischer Begründung und Bezugsrahmen hat das Sachurteil zum NPD-Parteiverbot in BVerfGE 144, 20 die Elemente-Enumeration hinter eine neue, weitaus abstraktere Definition mittels der drei wechselseitig bedingten Komponenten der Menschenwürde, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit zurück treten lassen.26 Dabei betont das Gericht stark seine Lesart der Volkssouveränität.27 c) Angesichts des hohen Abstraktionsniveaus bleibt die Literatur dagegen vor allem dabei stehen, fehlende bzw. schwindende erforderliche Akzeptanz bzw. Versteinerung und schließlich gewaltsamer Überwindungsunternehmungen zu befürchten, ebenso wie den Missbrauchs der FDGO selbst, um autoritäre staat­ liche Maßnahmen zu rechtfertigen.28 Diese Einschätzungen fügen sich in die lange Linie auch zuvor vertretener Kritik, die erhebliche Probleme mit möglicher hermeneutischer Projektionsfläche und „politischer“ Verwendung und Interpretation der FDGO, sowie vor allem der streitbaren bzw. wehrhaften Demokratie und des Extremismus-Begriffs geltend gemacht hat.29 Gleichwohl finden sich kaum wirkliche Alternativentwürfe zu diesen Definitionen des BVerfG:30 Als solche müssen einerseits jene Vereinheitlichungsansätze gesehen werden, die entweder – in enger Ausprägung – sämtliche in Art. 79 III GG genannten Grundsätze als Teil der FDGO verstehen wollen, oder darüber hinaus – in extensiver Ausprägung – die FDGO aufgehen lassen wollen in einem umfassenden konstitutionellen Prinzip der streitbaren bzw. wehrhaften Demokratie.31 Eng damit verbunden ist namentlich in der grundlegenden Kommentierung von Dürig die Theorie eines Toleranzbereichs, 23

B. II. 1. B. II. 2. 25 B. I. 5. c), II. 3. 26 B. II. 4. 27 B. II. 4. b); Fahrner, Vulnerabilität, S. 55 ff. 28 A. I. 3. b), B. III. 2. a), b). 29 A. I. 3. b). 30 A. I. 3. b). 31 B. III. 1., 2. c). 24

I. Zusammenfassung des Untersuchungsgangs  

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aus dem auch auf eine Schutzwirkung (sozusagen als Reflex) in den Eingriffsnormen geschlossen wurde zugunsten bestimmter von der Rechtsordnung zu tolerierenden Angriffen gegen die FDGO.32 Andererseits sind Versuche, die FDGO für demokratisch-sozialistische Interpretationen zu öffnen, randständig und bis zuletzt angreifbar geblieben,33 ähnliches gilt für Ansätze der FDGO als reinem Gegenbild kollektiver Unmenschlichkeit, weiterer Orientierung an Sozial- und Verhaltenswissenschaften und schließlich systemtheoretischer Funktionalisierung.34

3. Funktionale Rückbindung Mit funktionaler Rückbindung an die spezifischen Anforderungen der Menschenwürde und Subjektivität, des Pluralismus, der Fortschrittlichkeit und Friedlichkeit kann nicht zuletzt aus letzteren die Lehre gezogen und eine neue rationale Fundierung verfolgt werden.35 Damit werden die geschilderten Befürchtungen der politischen Vereinnahmung der FDGO aufgegriffen, diese in einen konkreten konstruktiven Zusammenhang gestellt, dadurch begründet und ihre Testbarkeit eröffnet. Die genannten vier Grundfunktionen sind Anforderungen und Bewertungskriterien, die nicht selbst Rechtssätze darstellen, sondern an die FDGO als Teil der Rechtsordnung herantragen werden. Dies gilt, auch wenn sie sich aus ihrer Funktionalität nicht nur aus originären Wertvorstellungen für das Gemeinwesen entwickeln, sondern auch selbst anderweitig aus dem Bild der rechtsstaatlich-freiheitlichen Verfassungstradition rückgebunden erscheinen. Folglich können sich Abbildungen der auf die unverzichtbaren Grundlagen reduzierten Funktionen in der Verfassungsdogmatik auch an anderen Stellen unmittelbar erkennen lassen. Hierzu zählt zuvorderst die zentrale Menschenwürde als oberster Wert, aus dem der konsequente Subjektivismus folgert, der nicht nur für die inhaltliche Normausgestaltung maßgeblich sein muss, sondern an dem durchgehend das methodische Vorgehen gemessen werden muss.36 Daraus ist der Pluralismus in drei Dimensionen abzuleiten, welcher sich unmittelbar in der Religions- und Weltanschauungsneutralität im Verfassungsrecht spiegelt.37 In den anderen wirkt deutlicher die historische Tradition der heutigen Anforderungen an die plurale, friedliche und fortschrittliche Verfassungsordnung. Fragen nach dem Gemeinwohl, Gleichheit, Gerechtigkeit und Sozialstaat werden zwingend verlagert auf eine  a posteriorEbene, die umso mehr prozedural abzusichern ist.38 Gerade auch die Geschichte der universalen Rechts- und Staatsphilosophie und Methodenlehre begründet, dass an 32

B. III. 1. b). B. III. 2. c) aa). 34 B. III. 2. c) bb). 35 C. 36 C. I. 37 C. II. 1. 38 C. II. 2. 33

300

G. Ergebnisse und Schluss

die Stelle eines absolut gesetzten Rechtssystems eine diskursorientierte Pluralität der hermeneutischen Rechtsbildung treten muss.39 Das Gemeinwesen muss insgesamt, auch um Anpassungs- und Überlebensfähigkeit zu behalten, stets möglichst offen bleiben, nicht nur für sozialen, sondern allgemeinen menschenwürdigen Fortschritt, und damit vor allem für die Veränderungsfähigkeit im Gegensatz zu Statik und Zirkularität.40 Vor allem der Friedensfunktion der staatlich-poli­tischen Ordnung kommt in ihrer gesamten Entstehungsgeschichte zentrale Bedeutung zu.41 Aus der vielfältigen Historie, eine taugliche Definition des Friedens zu finden, kann dieser als Zustand definiert werden, der durch Ohnmacht negiert wird, welche wiederum durch akzeptable Entscheidungen gerade im politischen Rahmen negiert werden kann.42 Dadurch ergeben sich Demokratie und Rechtsstaatlichkeit bereits als komplementierende Modi, verbunden durch das Gesetz als Entscheidungsmittel gegen Willkür.43 Zentral bleibt, den Begriff des Friedens des Gemeinwesens, auch mit seiner indirekten präventiven Wirkung, nicht mit falschen Verheißungen präemptiver Sicherheit und ihrer totalitären Tendenzen zu verwechseln.44 Daraus ergibt sich die Erforderlichkeit der Integration, nicht als ausschließende Homogenisierung, sondern notwendigen Zusammenwirkens rationaler und symbolisch-emotionaler, kurzfristig und habituierender Mittel vor gewisser sozialer Kohäsion.45 Darauf hin hat die FDGO als gemeinsame Diskussionsgrundlage, Bewertungsgrundlage zur klaren Identifikation integrierender und desintegrierender Prozesse, und auf das unumgängliche Maß beschränkte (Re-)Integrationsgrundlage zu wirken,46 wie letztlich auch das normierte Widerstandsrecht.47

4. Kontext Im anschließenden internationalen, europäischen und konkreten verfassungsmäßigen Kontext offenbaren sich zunächst komplexe Verknüpfungen rund um die FDGO zu den transnationalen Menschenrechtsgewährleistungen, dem primären Unionsrecht und Schutzgütern sowie Begriffen des deutschen Verfassungsrechts, aus denen sich Umfang und Bedeutung der FDGO weiter herausarbeiten lassen.48 a) Über die Verbindungen zu den Einschränkungen der AEMR und EMRK zum Schutz vor Missbrauch und zu in einer demokratischen Gesellschaft notwendigen

39

C. II. 3. C. III. 41 C. IV. 42 C. IV. 1. a). 43 C. IV. 1. b), d). 44 C. IV. 1. c). 45 C. IV. 2. 46 C. IV. 2. e). 47 C. IV. 3. 48 D. 40

I. Zusammenfassung des Untersuchungsgangs  

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Eingriffen zeigen sich die gemeinsamen Wurzeln zurück zur militant d­ emocracy.49 Weit dichter korrespondieren Art. 23 I 1 GG und Art. 2, 4 II, 7 EUV, trotz der teilweisen Begriffskongruenz befindet sich eine FDGO der Union noch mitten im Werden und erlaubt kaum Rückschlüsse auf die deutsche.50 b) Besonders bedeutsam ist es, die FDGO zu erkennen als „attributiv-prädikative“ und damit selbst normative Sollens-Beschreibung für die konkrete bestehende Verfassungsordnung mit trans- und praeter-konstitutioneller Perspektive.51 Woraus diese wiederum begründet wird  – beispielsweise dem Naturrecht, einem konstituierenden Positivismus, historischer Tradition oder Vernunftrecht – kann einem pluralistischen Diskurs überlassen bleiben.52 Zentral ist allerdings, dass die FDGO einerseits nur unmittelbare Rechtsqualität durch ihre konkrete Positivierung in einer Verfassungsordnung entwickeln kann,53 andererseits mit dieser nicht identisch gesetzt werden kann – sie bleibt ein normatives Maß einer konkreten bestehenden oder erstrebten Verfassungsordnung.54 Die konkrete Ausgestaltung einer Verfassungsordnung, die die Anforderungen der FDGO abbildet, wurde zur Unterscheidung als freiheitlich demokratische Verfassungsordnung (fdVO) bezeichnet. Sie ist eine Untermenge der Verfassungsnormen auf deren Ebene, nicht deren Maßstab. Eine freiheitlich demokratische Verfassungsordnung z. B. einer parlamentarischen Monarchie, einer präsidentiellen und rein parlamentarischen unitarischen, dezentralisierten oder föderalen Republik kann die Erfordernisse der FDGO jeweils abbilden. Übergänge zwischen ihnen verändern ausnahmslos ebenso die konkrete fdVO, wie sie die FDGO aber nicht (notwendig) verletzen. Bereits dadurch wird deutlich, dass nicht der Umkehrschluss der Einheitstheorie gezogen werden kann, wonach nicht nur in Art. 79 III GG alle Elemente der FDGO geschützt sein sollen, sondern zumindest alle diese in Art. 79 III GG gewährleisteten Grundprinzipien des Staatsaufbaus wesentliche Elemente der FDGO wären.55 Befolgt man vielmehr konsequent das Gebot des unverzichtbaren Minimums für die FDGO aus den zuvor entwickelten funktionalen Anforderungen unter internationalem und historischem Vergleich freiheitlich demokratisch zu nennender Verfassungsordnungen, so sind zu ihr einige der Staatsstrukturprinzipien, die in Art. 79 III GG referenziert sind, nicht zu rechnen:56 dazu zählen das repräsentativ-­ parlamentarische Regierungssystems, der formale Republikbegriff und die Bundesstaatlichkeit. Das Sozialstaatsgebot ist als solches ebenfalls nicht Teil der FDGO, jedoch wesentliche Bestandteile wie das menschenwürdige und demokra-

49

D. I. 1., 2. D. I. 3. 51 D. II. 1. a). 52 D. II. 1. b). 53 D. II. 1. c). 54 D. II. 4. 55 D. II. 2. a). 56 D. II. 2. b). 50

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G. Ergebnisse und Schluss

tisch-partizipatorisch notwendige Existenzminimum unmittelbar zu ihr zu zählen; die darüber hinaus gehenden Fragen der sozialen Gerechtigkeit sind im Sinne des Gemeinwohlpluralismus der a posteriori-Klärung innerhalb des politischen Systems zu überlassen.57 Die verfassungsmäßige Ordnung in ihrer engsten Verwendung in Art. 9 II Var. 2 GG nimmt die fdVO sowie den Bestand der Bundesrepublik in sich auf und signalisiert vor allem unterschiedliche primäre Prüfadressaten, nämlich die Exekutive und nur ex post das Verfassungsgericht, im Unterschied zu den Verfahren bei Art. 18, 21 GG.58 c) Die heftig umstrittenen Begriffe der streitbaren und wehrhaften Demokra­ tie59 sind – unter zwingender Ablehnung der extensiven Einheitstheorie – ebenfalls strikt von der FDGO, aber auch untereinander zu trennen:60 Die streitbare Demokratie adressiert den staatlichen Schutz der FDGO gegenüber jedermann, ihr kommt jedoch als bloßer Argumentationstopos kein eigenständiger rechtlicher Prinzipiengehalt zu: Unabhängig von formellen (Gesetzes-)Vorbehalten materielle Grundlage für die Einschränkung von Freiheitsgrundrechten und Diskriminierung gegenüber Gleichheitsgrundrechten sind im Rahmen der Gesamtschau des GG der Schutz und damit die fdVO selbst, eine rechtliche Abstraktion davon und Generalisierung ist weder notwendig noch letztlich gemessen an der FDGO zulässig.61 Die wehrhafte Demokratie dagegen richtet sich einerseits wesentlich weiter als auf die FDGO auf den inneren Selbstschutz des Staates und seiner konkreten Verfassungsordnung, anderseits nur auf die Personen und Mittel, denen er sich bedient, so dass er für die Staatsbediensteten mit den Anforderung und Kontrollmitteln der Verfassungstreue zusammentrifft; die im einfachen Recht verwendete Bezeichnung der „freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes“ ist irreführend und bezieht sich gerade nicht auf die FDGO, sondern diesen weiter und konkret verstandenen Staats- und Verfassungsschutz auf deren Grundlage.62 Die gegen beide in Formulierung und Konstruktion in erheblichen Teilen berechtigte Kritik trifft mithin die vorliegend zu prüfende FDGO nicht selbst.63 Die These der „extensiven Einheitstheorie“, es handele sich bei „der wehrhaften Demokratie“ um ein überspannendes und die FDGO integrierendes oder spiegelndes Verfassungsprinzip mit eigenem normativem Gehalt, ist folglich nicht haltbar.64 d) Im Verhältnis zu tatsächlich begründeten benachbarten Verfassungsgütern lässt sich die FDGO hingegen recht klar positionieren und präzisieren:65 Der in Art. 21 II, III, 91 GG mit ihr alternativ gemeinsam geschützte Bestand der Bun 57

D. II. 2. c). D. II. 3. 59 A. I. b). 60 D. III. 61 D. III. 1. 62 D. III. 2. a), b). 63 D. III. 2. c), 3. 64 D. III. 3. a). 65 D. IV. 58

I. Zusammenfassung des Untersuchungsgangs  

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desrepublik lässt sich mit Hilfe von § 92 I StGB bestimmen, gegenüber ihm erweist sich die FDGO als vertikal skalier- und kombinierbar auf unterschiedlichen politischen, auch transnationalen Ebenen.66 Gleichwohl sind die im Grundgesetz expliziert angesprochene Friedlichkeit davon getrennt international zu verstehen,67 ebenso wie die in der Trias von Art. 10 II 2, 73 I Nr. 10 b) GG als Vorfeld des Staatsbestands genannte staatliche Sicherung bzw. Sicherheit.68 Auch die europäische Integration erweist sich (noch) als eigenes „vertikal“ gerichtetes Schutzgut, trägt aber den Keim einer europäisch verbunden integrierten FDGO bereits deutlich erkennbar in sich.69

5. Konstruktion und Ausprägung a) Obwohl Art. 79 III GG seit den Beratungen im Parlamentarischen Rat nicht mehr ausdrücklich die FDGO benennt, ist er der beste Ausgangspunkt für ihre Konstruktion, da diese nicht nur seit dem ersten Entwurf in ihm aufgenommen ist, sondern am unmittelbarsten als attributiv-prädikativ verstandener Verfassungskern geschützt ist.70 Die Ansätze zur Erfassung des Verfassungskerns in Art. 79 III GG sind bislang stark disparat.71 Dies gilt vor allem für die beiden Lesarten des Bundesverfassungsgerichts, einerseits den Schutz auf eine prinzipielle Missachtung der Grundsätze als solche zu reduzieren, andererseits letztlich die maßgeblichen Gedanken der Schmittschen nationalidentitären Theorie gegen die europäische Integration in Stellung zu setzen, was richtigerweise keinen Anhalt in der Normgenese, -systematik und -teleologie findet und mit weiteren bereits identifizierten Verfassungsgütern und Funktionen der FDGO in Spannung steht.72 Auch sonst hatten bereits die Entwicklungen vor dem Konvent die Überlegungen eines „Geistes der Verfassung“ gerade beim „Ewigkeitsschutz“ bewusst hin zu einer weit rationaleren, objektiveren und präziseren Verweistechnik auf einzelne konkrete Verfassungssätze oder darin enthaltene Normen überwunden.73 Demgegenüber kann, aufbauend auf der Prinzipientheorie von Alexy, ein konsis­ tentes rechtswissenschaftliches Modell der FDGO aus dem Begriff des Grundsatzes entwickelt werden.74 Dem Konstrukt des Grundsatzes selbst können zunächst auf Basis allgemeiner Wissenschaftstheorie und Methodenlehre – zusätzlich zu den bereits inhaltlichen Erfordernissen aus Befund, Funktion und Kontext – methodische rechtswissenschaftliche Anforderungen und Gütekriterien für die Modell 66

D. IV. 1. a). D. IV. 2. 68 D. IV. 1. b). 69 D. IV. 3. 70 B. I. 1., 4., D. II., E. I. 1. 71 E. I. 1. a). 72 E. I. 1. a) dd). 73 B. I. 4., 5., E. I. 1. a) ee). 74 E. 67

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G. Ergebnisse und Schluss

bildung entnommen werden.75 Aus der bereits von Alexy und anderen geleisteten Trennung und Konkretisierung von Regeln und Prinzipien namentlich im Bereich der Grundrechte76 kann ein Grundsatzkern aus einem Prinzipienbereich herauspräpariert werden, die beide sodann jeweils unterschiedlichen Geltungs- und Konfliktregelungen unterliegen.77 Als tauglicher weiter Schritt der Modellbildung erweist sich der inhaltliche Ausgangspunkt von den drei vom BVerfG zuletzt entwickelten Komponenten der Menschenwürde, Rechtsstaatlichkeit und Demokratie als Grundsätze der FDGO in Art. 79 III GG, die durch die entsprechenden Verweise dort auf Art. 1, 20 GG weiter verfassungsimmanent auf ihre Plausibilität gegenprüfbar sind.78 In diesem Sinn kann beim Grundsatzkern der Demokratie primär auf die friedliche Rückholung und Redistribution aller Staatsmacht durch individuell ebenso wie kollektiv freiheitlich mit plausibel festgestellten Mehrheiten im Sinne von Art. 20 II GG abgestellt werden,79 bei der Rechtsstaatlichkeit auf die verbindliche Wirksamkeit eines auf Plausibilität allgemeingültiger Normen angelegten Systems zur friedlichen Konfliktprävention und -lösung gegenüber jedermann außerhalb und innerhalb staatlicher Funktion gem. Art. 20 II 2 HS. 2, III GG80 und bei der Menschenwürde auf die unmittelbare und insoweit vorbehalts- und unterschiedslose Anerkennung aller Menschen als „gattungsmäßig“ verbunden und wesensgleich als zu freiem Willen befähigten rechtlichen und politischen Subjekten i. S. v. Art. 1 GG.81 Die Abgrenzung zwischen der Wirkung des Grundsatzkerns und Prinzipienbereichs führt sodann weiter zu einer plausiblen und stringenten Auslegung des ebenfalls erheblich ungeklärten spezifischen Tatbestandsmerkmals des Berührens bei Art. 79 III GG jenseits der sonst vertretenen Immunisierungs-, Identitäts- und Zerfallstheorien in Einklang mit den allgemeinen Auslegungsmitteln.82 Dabei können die allgemeinen Erkenntnisse zum Außergeltungssetzen von Rechtsnormen zunächst der besonderen Konstruktion eines punktuellen Missachtungsangriffs mit geringem Aufwand angepasst werden, der sowohl bei Art. 79 III GG wie darüber hinaus bei anderen Angriffsformen nutzbar gemacht werden kann.83 Zum spezifischen effektiven Schutz nach Sinn und Zweck des Art. 79 III GG ist eine zeitliche Gesamt- und Perspektivenbetrachtung unter Einschluss möglicher Kompensation und Reversibilität erforderlich.84 Danach können in den nach Art. 79 III GG zu beurteilenden Gesetzgebungsvorhaben über den revolutionären Einzelakt hinaus nach 75

E. I. 1. b) aa). E. I. 1. b) cc). 77 E. I. 1. b) dd). 78 E. I. 1. b) bb), 2., 3. 79 E. I. 2. a). 80 E. I. 2. b). 81 E. I. 2. c). 82 E. I. 4. a), b). 83 E. I. 4. c) aa). 84 E. I. 4. c) cc). 76

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Modellen des strategischen Angriffs- oder aber eines normativen oder effektiven Kipppunkts die Schutznorm auslösen.85 Diese Auslegung fügt sich plausibel in die Gesamtkonstruktion ein und kann die getroffenen Entscheidungen des BVerfG plausibel begründen.86 b) Diese festgestellte FDGO stellt an allen auf sie bezogenen Stellen nach Geschichte, Systematik und Sinn und Zweck denselben Kern der Verfassung dar, den es einheitlich an allen Einsatzorten zu schützen gilt, nicht nur bei den Verfassungsnormen, in denen sie als Tatbestandsmerkmal unmittelbar genannt ist, sondern auch, zweitens, jene Situationen, wo sie konkretisiert (als fdVO) indirekt im Rahmen der Verfassungsgrundsätze und verfassungsmäßigen Ordnung (im engeren Sinn) adressiert ist – sowie drittens allgemein im Rahmen der Einheit der Verfassung.87 Über Art. 79 III GG hinaus ist sie gegen alle Überwindungen zu schützen, die sich entweder im End- oder Zwischenzustand zeigen; mit ihr vereinbar sind mithin solche Veränderungen der politischen Ordnung, die durch friedliche, verfassungskonforme Änderung, mithin in den eröffneten demokratisch-rechtsstaatlichen Verfahren erfolgen und einen Endzustand erstreben, der weiterhin bzw. wiederum den Anforderungen der FDGO genügen muss.88 Genügt die geänderte formal-legale Verfassung ausnahmsweise nicht (mehr) der FDGO  – z. B., weil Art. 79 III GG in einem konkreten Änderungsverfahren verkannt wurde oder sonst nicht eingreifen konnte – sind die Staatsorgane zur Wiederherstellung verpflichtet und hilfsweise der Einzelne im Rahmen des Widerstandsrechts berechtigt.89 Daraus lässt sich schließlich – entgegen der dem entgegengesetzten, von wesentlichen Teilen der zwischenzeitlichen Rechtsprechung Literatur ererbten vorgeblichen „Volkswillenssouveränität“ von Schmitt90 – ein stabiler Rahmen für die Bewahrung der FDGO im Rahmen von Art. 79 III, 146 GG usw. begründen:91 Änderungen der Verfassung im Einklang mit ihr und der FDGO müssen im Rahmen der vorgesehenen Verfahren erfolgen, welche Art. 79 GG und alternativ Art. 146 GG bieten, mithin bei letzterem auch in einem wirklich freien und friedlichen legitimierenden Verfahren, dessen weitere Voraussetzungen entsprechend auszugestalten sind.92 Der Streit über die Anwendung von Art. 79 III GG innerhalb von Art. 146 GG kann schließlich ohne weiteres konsequent dahingehend aufgelöst werden, dass auch nach Art. 146 GG kein Endzustand erstrebt und durchgesetzt werden kann, der keine FDGO mehr darstellt, und dass darauf gerichtete Bestrebungen als Angriff auf die FDGO entsprechend den verfassungsmäßigen

85

E. I. 4. c) bb). E. I. 4. d). 87 E. II. 1. a). 88 E. II. 1. b), III. 2. 89 E. II. 1. c), III. 2. e). 90 E. II. 2. 91 E. II. 2. b). 92 E. II. 2. c). 86

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G. Ergebnisse und Schluss

und gesetzlichen Grundlagen abgewehrt werden können und müssen.93 Umgekehrt sind jedenfalls Parteien oder andere Bestrebungen, die sich nicht gegen die FDGO, sondern andere von Art. 79 III GG geschützte Staatsorganisationsprinzipen wie namentlich formelle Republik, Bundesstaatlichkeit und abschließende Staatlichkeit auf nationaler statt transnational-europäischer Ebene wenden, nicht verfassungswidrig, jedenfalls soweit sie einen friedlichen und freiheitlichen Weg, richtigerweise nur das Verfahren nach Art 146 GG einhalten.94 c) In den weiteren Normen des verfassungsunmittelbaren Vorfeldschutzes wird das materielle Tatbestandsmerkmal der FDGO durch jeweils unterschiedliche weitere Prüfungspunkte der Finalität, Modalität und Potentialität eingerahmt und ergänzt. Bei Polizei- und Militäreinsatz gem. Art. 87a IV, 91 I GG sowie bei Art. 11 II GG bestimmen sich die drei genannten Aspekte im Wesentlichen im klassischen polizeirechtlichen Sinn als konkrete Gefahr ex ante.95 Bei Verwirkung und Parteisanktionen, gem. Art. 18, 21 II, III GG macht sich die Finalität am Beseitigen und Beeinträchtigen, letztlich als Missachtungsangriff im o.g. Sinn fest.96 Die Modalität wird durch das BVerfG vor allem unter dem Gesichtspunkt der (Re-)Integration im Merkmal des Kampfs bzw. der kämpferisch-aggressiven Haltung sowie die Potentialität plausibel, soweit sich dies die FDGO „erlauben“ kann, weiter eingeschränkt.97 Die Finalität der Kompetenznormen des Verfassungsschutzes (Art. 10 II 2, 73 I Nr. 10 b), 87a I 2 GG) als weiterem Vorfeld orientieren sich daran, transportieren diese im einfachen Recht jedoch in die Verletzung des jeweiligen Schutzguts; die Modalitäten werden im Begriff der Bestrebungen zusammengefasst, die sich wiederum auch ähnlich in § 92 III StGB in der Tradition des Staatsschutzstrafrechts finden, die Potentialität wiederum in der Verhältnismäßigkeitsprüfung.98 d) Auch wenn damit die spezifischen Instrumentarien zum Schutz der FDGO nicht weitergehend die konkrete Herrschafts- und Verfassungsordnung sichern,99 kann daraus mit den entsprechenden Eingriffsnormen nicht der Umkehrschluss eines Toleranzbereichs gezogen werden, in dem andere Sanktionen und Abwehr gegen Angriffe auf die staatliche Ordnung generell verboten wären.100 Ein Ausschluss solcher Eingriffe aus Gründen der Normen zum Schutz der FDGO kann nur aus den allgemeinen Auslegungsmittel, namentlich des Gebots effektiver und sinnvoller Konkordanz oder aber der Gewährleistungen der FDGO selbst begründet werden, insbesondere um Menschenwürde, Rechtsstaatlichkeit, aber auch demokratische Revokation durch wirksame Opposition zu gewährleisten. Daher nehmen etwa Art. 18, 21 GG der Exekutive die Befugnis, präventive administrative 93

E. II. 2. c) dd), ee). E. II. 2. c) ff). 95 E. III. 1. b). 96 E. III. 1. c) aa), vgl. auch gerade hier oben a) bzw. E. I. 4. c). 97 E. III. 1. c) bb), cc). 98 E. III. 1. d). 99 E. III. 2. 100 F. I. 94

II. Schlussfolgerungen: Reflexionen und Ausblicke 

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Maßnahmen mit gleicher Wirkung oder solcher gegen die genannten friedlichen demokratischen oder rechtsstaatlichen Handlungen zu treffen, gewähren aber keinerlei allgemeine Immunitätsprivilegien, namentlich gegen strafrechtliche Verfolgung terroristischer oder sonstiger krimineller Handlungen, welche Individual-, staatlich-prozedurale oder Allgemeinheitsrechtsgüter verletzen.101 Dies gilt auch für die Verfassungstreue, die ein Staat von den von ihm entlohnten bzw. alimentierten Bediensteten erwarten kann.102 Aus dem Grundgedanken der freiheitlichen Staatsferne in der FDGO folgt indes, dass Bürger (und ebenso wenig sonstige Betroffene) keine allgemeine Pflicht zum Schutz und Bewahrung der verfassungsmäßigen Ordnung oder FDGO trifft, wiewohl diese bei der Genese des Grundgesetzes intensiv diskutiert wurde.103 Im Gefahrenabwehrrecht findet richtigerweise die (freiheitlich demokratische) Verfassungsordnung selbst unmittelbar Eingang in das Schutzgut der öffentlichen Sicherheit der polizeilichen Generalklauseln, ebenso wie als die wichtige Ausprägung der öffentliche Frieden und weiterer Rechtsgüter, die u. a. über das Strafrecht zu prägen sind.104

II. Schlussfolgerungen: Reflexionen und Ausblicke Es muss als zentrale Aufgabe einer FDGO als Rechtsinstitut verstanden werden, mit den Mitteln, die ihr als Teil einer Rechtsordnung möglich sind, das – im größten erreichbaren Umfang – freiheitliche, fortschrittliche und friedliche menschenwürdige Gemeinwesen zu bewahren und dessen Verteidigung zu fördern.105 Den Staatsorganen müssen daher einerseits auf ihrer Grundlage wirklich effektive Werkzeuge zur Bewahrung gegen alle Bedrohungen an die Hand gegeben werden. Andererseits dürfen diese scharfen Instrumente nicht zur Unterdrückung von Opposition und Ausbildung autoritärer Herrschaft durch die aktuellen Machthaber selbst missbraucht werden können, gerade auch unter dem Vorwand des Schutzes eines solchen Gemeinwesens. Die eingeräumten Mittel müssen sich also materiell rechtlich auf den erstgenannten Zweck begrenzen und gleichzeitig dessen rechtsstaatliche und demokratische Kontrolle sicherstellen. Dabei greifen die beiden letztgenannten Mechanismen der FDGO auch hier komplementierend ineinander: Die rechtsstaatliche Aufsicht verlangt die Herrschaft des Rechts, die normativ gewährleistete Gewaltenteilung sowie die normative und faktische Effektivität vor allem der unabhängigen beurteilenden Gerichtsbarkeit in ihren Entscheidungen und deren Durchsetzung. Letzteres wiederum ist auf das engste verknüpft mit einer wirksamen demokra 101

F. I. F. I. 4. 103 F. II. 1. 104 F. II. 2. sowie die weiteren Analysen, Fahrner, Vulnerabilität, S. 272 ff. und die ausstehende zur FDGO im Strafrecht. 105 Vgl. nochmals oben B. 102

308

G. Ergebnisse und Schluss

tischen Öffentlichkeit und wechselseitig der Möglichkeit effektiver Abwahl der zum Missbrauch ansetzenden Eliten, wie dies bereits an anderem Ort umfassend herausgearbeitet worden ist.106 Es wirken in der FDGO als Rechtsinstitut die drei Ebenen faktisch-prozeduraler Absicherung im politischen Gemeinwesen, materiell-­rechtlicher Präzision und plausibler Rationalisierung zur größtmöglichen Objektivität und generellen Akzeptanz ineinander. Abschließend sollen lediglich nochmals einzelne Fäden als Schlussfolgerungen und weiterführende Gedanken aus den gewonnenen Einzelerkenntnissen in unterschiedliche Richtungen weitergesponnen werden. Besonders sollen dabei namentlich zum vorliegenden konkreten Grundsatzmodell der FDGO seine modellhaftemethodische Güte und Gehalt reflektiert werden (1.), zudem besonders nochmals seine normativ-faktischen Absicherungen gegen Missbrauch, (2.) seine Antworten auf die eingangs aufgeworfenen Vorwürfe und Kontroversen um die FDGO, die streitbare Demokratie und Extremismus (3.) sowie abschließend der Ausblick erfolgen vor allem auf das weiter zu prüfende Strafrecht zum Schutz und innerhalb der FDGO (4.).

1. Methodische Reflexion: die konkrete Konstruktion der FDGO Bezüglich des Wegs zu dem Ziel, eine inhaltliche Definition der FDGO als Grundlage rechtswissenschaftlicher und politischer Debatte im Sinne Ciceros Eingangsforderung zu finden,107 lassen sich rückblickend vor allem folgende Beobachtungen treffen: a) Zunächst ist methodisch-kritisch festzustellen, dass mit der vorliegenden Analyse die FDGO konsequent normativ rechtswissenschaftlich bestimmt wurde. Ihre Konstruktion wahrt die allgemeinen methodischen Vorgaben der juristischen Auslegung, Deduktion und Konstruktion. Die FDGO kann als attributiv-transkonstitutionelles „Metanormsystem“ am umfassenden normativen Gesamtkonstrukt der Rechtsordnung Anteil nehmen, denn sie kann als Verbund von klaren rechtlich einzufordernden und zu beurteilenden Sollens-Geboten umfassend erfasst werden. Erneut108 werden Argumentation aus der weiteren normativen und empirischen „Staatswissenschaft“,109 namentlich den Sozial- und Erfahrungswissenschaften, vor allem über die Schnittstellen der juristischen teleologischen sowie historischen 106

Vgl. umfassend bereits Fahrner, Vulnerabilität. Vgl. nochmals Cicero, De Re Publica, cap. I 38–41; oben A. I. am Kopf. 108 Wie weit stärker in der demokratietheoretischen Untersuchung der Vulnerabilität und Resilienz, Fahrner, Vulnerabilität. 109 Die Anführungszeichen erschließen sich daraus, dass Gegenstand der einzelnen Disziplinen nicht mehr wie noch im 19. Jahrhundert der isolierte Staat, sondert das gesamte politische Gemeinwesen ist, welches in seinen rechtlichen, wirtschaftlichen, sozial- und politikwissenschaftlichen sowie psychologischen und philosophischen und historischen Bezügen ausgeleuchtet und durchdrungen werden soll. 107

II. Schlussfolgerungen: Reflexionen und Ausblicke 

309

und grammatikalischen Auslegung der vorhandenen Verfassungsnormen transparent übersetzt. Freilich war dies in nicht unerheblichem Umfang notwendig angesichts des sparsamen eigentlichen normativen Materials, namentlich in Art. 9 II, 10, 11, 18, 19, 20, 21, 73 I Nr. 10 b), 79, 87a IV 1, 91, 98 II GG. b)  Darüber hinaus ist vor allem die überaus enge Wechselwirkung zwischen funktionaler, methodischer und „substanzieller“ Ebene bei der Entwicklung der FDGO bemerkenswert, die im Lauf der Analyse und Konstruktion zu Tage getreten ist. Methodische und inhaltliche Dimension verbinden sich sozusagen selbstähnlich, die Assoziation zur funktionalistischen Idee der Autopoiesis wie von ­Nichelmann110 und letztlich Luhmann und der weiteren Systemtheorie sind hier nicht ganz fern. Der Ausgangspunkt dafür liegt darin, dass im Ergebnis die FDGO auf objektive Geltung angelegt ist, die sie (neben formaler Legitimierung innerhalb der konkreten Verfassungsgebung des Grundgesetzes) gleichermaßen als Teil des Rechts wie der Rechtswissenschaft durch Akzeptanz und Vermittelbarkeit mittels rationaler Plausibilität zu erreichen sucht. Die FDGO zieht die zivilisatorischen Gedanken der integrativen, überspannenden Friedensordnung in das offene Gemeinwesen fort,111 als deren zentrales Gegenbild neben der unmittelbaren Diktatur namentlich als dessen Vorläufer der Politikdarwinismus und der Dezisionismus auszumachen sind. Auch wenn sich seine verführerische Schlange in der jüngeren Verfassungsgeschichte mehrfach gehäutet haben mag, giftig bleibt ihr Biss allemal, von der Halluzination etwa in Größenwahn oder Depression, der Vergiftung politischen Klimas, Kultur und Rationalität bis hin zum Meucheln der geschwächten rechtsstaatlichen Demokratie. Die FDGO ist dagegen auf das Engste verbunden mit der Idee objektiven Rechts als überspannender Friedensordnung im Gemeinwesen, deren dauerhafte Stabilität sie in unmittelbarem rechtlichem Inhalt wie weiteren Wirkungen gewährleisten soll.112 Die enthaltenen normativen Gebote an die Rechtsstäbe verbinden sich mit rationalen und symbolischen Prozessen, die man im Sinne der Systemtheorie als Stabilisierung durch Sicherung auch mittels Komplexitätsreduktion über ein reines, eben nicht dauerhaftes, Zwangsrecht hinaus verstehen kann. Sie lassen sich mit dem Bild des „pluralistisch-hermeneutischen Ankerpunkts“ ausdrücken. Die ebenfalls systemtheoretisch erkannte Anpassungsfähigkeit einer normativen Ordnung zu Gewährleistung ihrer stabilen Geltung und Faktizität lassen sich unmittelbar in der Funktion der Fortschrittlichkeit, mittelbar aber auch gerade in den Formen des Pluralismus und den weiteren Funktionsanforderungen der FDGO erkennen. Heteronomen, homogenisierenden, autoritären und totalitären Ordnungen fehlen diese entscheidend, jenseits der noch tieferen grundlegenden ethischen Wertungsfragen menschlichen und menschenwürdigen Lebens. 110

Nichelmann, Grundordnung, S. 67 ff., 201, passim. Insoweit erwies sie sich als „Antwort“ und die vorliegende Untersuchung als Fortführung der Dissertation des Autors, Landfrieden, v. a. S. 1 ff. 112 Dazu und zum Folgenden erneut Gedanken unter vielen anderen bereits bei Fahrner, Landfrieden, v. a. S. 1 ff. 111

310

G. Ergebnisse und Schluss

Die FDGO behauptet sich – wiederum als Teil ihrer integrativen Funktion – als der vernünftige notwendige Inhalt des stabilen friedlichen für alle bestmöglichen Zusammenlebens gegen individuelle Angriffe von außen (und innen), und löst damit letztlich auch die Sicherheitsidee von Hobbes angereichert ein. Ebenso wie bei der erneuten Herausbildung der staatlichen Friedensordnung bis zum Beginn der Neuzeit ergibt nur die Synthese von faktischer Macht und innerer, letztlich stets rationaler, Legitimität die stabile Herrschaft des freiheitlichen, demokratischen und rechtsstaatlichen Gemeinwesens; dabei handelt es sich eben nicht bloß um eine subjektive Verteidigungsstellung einer aktuell bestehenden Verfassungsordnung gegen eine zukünftig andere. Darin liegt das Wesen der notwendig nur objekti­ ven, nicht absoluten Rechtsordnung. Eben dieses Wesen fehlte – erhellend in der aufgeklärten Rückschau – einmal nahezu völlig im deutschen Mittelalter, ähnlich wie im traditionellen Völkerrecht der Koexistenz, die als Endpunkt letztlich nur subjektive Rechtspositionen kannten. Gerade auch im Verhältnis bestehender und erstrebter Verfassungsordnungen bedeutet die Feststellung der FDGO eine Zäsur, die eine übergeordnete Bewertung jenseits des uneingeschränkten Kampfes um Legitimität und Legalität behauptet, wie er im Erbe Schmitts noch antiquiert mitschwingt. Einmal mehr: Im Kampf um die Verfassung im Gemeinwesen schweigt das Recht nicht mehr, genauso wenig wie im Krieg zwischen den Staaten. Auch darin wird der Friedensauftrag durch das Recht erfüllt. Die Faktizität, auch die Geltung der FDGO kann weiter bekämpft werden, aber doch in dem Maße im allgemeinen Ansehen und faktisch erfolglos, wie sie als Orientierungsanker trotz des ewigen Flusses der Fortentwicklungen weithin bzw. allgemein überzeugen kann. Die Weise der Begründung der FDGO und ihrer Konsequenz gegenüber dem Inhalt ist damit untrennbar mit ihrer Einsichtigkeit, Akzeptanz, Legitimität und Geltungskraft verbunden.113 Zu dieser Stärke der FDGO dient namentlich der inhaltliche ebenso wie methodisch durchgezogene subjektive Pluralismus, welcher sich aus der Menschenwürde als höchstem Orientierungspunkt zwingend speist. Die FDGO wird begründet als Verständigung des unumgänglichen Maßes eines stabilen gedeihlichen friedlichen Zusammenlebens in Pluralität und Fortschrittlichkeit.114 Sie beschränkt sich damit im Kern auf das erforderliche Minimum und lässt so das Maximum an – nicht zerstörerischem – Dissens, Diskurs, politischem Konflikt und damit Fortschritt zu. Auch in ihrer methodischen Herleitung wie ihrem Inhalt soll und kann sie so integrierend, d. h. zur befriedeten Argumentation – sozusagen mit Worten, nicht mit Waffen – über ihr genaues Wesen und ihren Inhalt dienen. Gleiches gilt schließlich für die Offenheit für „den“ normativen Geltungsgrund der FDGO selbst in den klassischen Diskursen zwischen Positivismus, Naturrecht usw., denen sie die Deutung unter eigenem Blickwinkel überlassen kann. Allein die Methode ist offen für ihre Fortentwicklung und erst recht des konkreten normativen Inhalts bei Verständigung über die Rationalität 113 Vgl. oben C. IV. sowie bereits ausführlicher mit politikwissenschaftlicher Verbreiterung Fahrner, Vulnerabilität. 114 Vgl. oben C. II., III., IV. 2. e) auch zum Folgenden.

II. Schlussfolgerungen: Reflexionen und Ausblicke 

311

der Ableitungen und die funktionalen Ziele als solchen, letztlich der subjektiven Menschenwürde. Vor allem der Prinzipienbereich, aber auch die Präzisierung etwa des notwendigen Maßes und der Gewährleistung der Freiheit der Demokratie oder der Sicherung der Rechtsgeltung erlauben eine methodische Pluralität an Ansätzen und Auslegungen gleichzeitig um einen Anker- und Fokuspunkt. Weit stärker noch werden Weltanschauungs- und Gemeinwohlpluralismus dadurch beachtet, dass notwendige Entscheidungen, welche sie als solche berühren, ganz in die politischen Prozesse innerhalb der FDGO verlagert sind. Gerade die Methodik der Strukturierung und des Prinzipienbereichs erlaubt ebenso ohne weiteres einen Pluralismus juristischer Methoden und Begründungen im größtmöglich integrierenden friedlichen Metadiskurs. c) Durch das Grundsatzmodell kann die rechtliche Geltung für die besondere Konstellation der hochabstrakten und metakonstitutionellen FDGO-Grundsätze aus den allgemeinen Erkenntnissen, namentlich der rechtssoziologischen und -theoretischen Geltungslehre von Normen stringent abgeleitet werden.115 Dabei stellt die klassisch-tradierte Lehre den Ausgangspunkt dar, wonach Normen nicht mehr gelten, wenn sie ihre Bindungskraft verloren haben, also ihre normative Kraft der Verhaltenssteuerung und -beurteilung als Mittel der Erwartungssicherheit, Verhaltensstabilisierung und Komplexitätsreduktion in der consuetudo iuris, der Überzeugung, dass es sich bei ihnen um Recht handele.116 Dies kann namentlich daraus folgen, dass sie formal von der zuständigen Autorität aufgehoben oder sonst faktisch allgemeinwirksam derogiert worden sind – nicht aber durch bloßen Verstoß oder Verletzung bei fortbestehendem verbreitetem Normbewusstsein. Einer hegelianischen Überformung als besonderer und allgemeiner Wille bedarf es hierfür nicht, sie steht mit ihrer homogen-identitären Volkswillensvorstellung in Gegensatz zur hier begründeten FDGO. Die Prinzipientheorie ergänzt dieses gesicherte Fundament für die neu herausgearbeitete Normklasse der Prinzipien durch das Charakteristikum der Missachtung in ihrer speziellen Form der Geltung in den nötigen Abwägungs- und Ableitungsprozessen. Die Grundsatzlehre kann daran wiederum als weitere Ableitung ohne Weiteres anknüpfen, dass der Grundsatz entweder in seinem Kernbereich oder seiner Prinzipienwirkung derart außer Geltung gesetzt wird. Die spezifischen Anforderungen an die Modalitäten der Angriffe in den Schutznormen der FDGO ebenso wie in Art. 79 III GG lassen sich dazu als Anknüpfungspunkte und Ergänzungen erkennen. Grundsätze sind somit ganz im traditionellen Sinn eigene Rechtsnormen, mit autoritativem Gehalt, nicht bloße wissenschaftlich-hilfsweise Rechtssätze. Ihr normativer Geltungs­bereich bestimmt sich aus ihrem Einsatzfeld. 115

Vgl. nochmals oben E. I. 4. Vgl. zum Ganzen oben E. I. 4. c) aa); hier auch zum Folgen nur nochmals die umfassenden nicht reproduzierbaren Diskurse und Erkenntnisse der Rechttheorie, -dogmatik und -soziologie angerissen in Gestalt von Larenz, Methodenlehre, S. 195; Baer, Rechtssoziologie, § 2 Rn. 18 ff. m. w. N.; Habermas, Faktizität, S. 476 ff. passim sowie das Paradigma an den Ursprüngen der Systemtheorie nach Luhmann. 116

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G. Ergebnisse und Schluss

d) Insgesamt konnte das Modell des normativen Grundsatzes sich als taugliche Fortentwicklung der Prinzipientheorie für den Bereich der FDGO behaupten.117 Vor allem für den weiteren Schutzbereich des Art. 79 III GG könnte – vorbehaltlich unabdingbarer weiterer Diskussion und Prüfung – sowohl die Konstruktion des materiellen Substrats wie auch des Berührens nutzbar sein: aa)  Für die Bundesstaatlichkeit erscheinen die ausdrücklichen Tatbestands­ varianten dort geradezu als Beispiel für den Kern gegenüber dem in Art. 20 I GG verkörperten Prinzipienbereich: namentlich die Gliederung des Bundes in Länder und die grundsätzliche Mitwirkung der Länder bei der Gesetzgebung überhaupt. Durch letztere wird erstere gesichert, und durch beide eine gewisse Reversibilität durch garantierte Existenz der Länder als politische Entität auf eigener und Bundes­ebene. Die Geltung vor allem der bundesstaatlichen Gliederung ist als Regel einfach prüfbar. Die „Grundsätzlichkeit“ der Mitwirkung wiederum wäre erneut aus den herausgearbeiteten allgemeinen Kriterien für erstere zu konkretisieren. Dazu könnten etwa die Aspekte der Selbstsicherung der Bundesstaatlichkeit durch zwingende Vetoposition bei der Verfassungsänderung bzw. bloß dahingehenden Gesetzgebung gehören, oder weitergehend sonstige der Verankerung des Bundes und der Reversibilität zentralisierender Entscheidungen. Nicht umsonst hat Art. 79 III GG eine differenzierte Fortsetzung in den konkreten Mitwirkungsrechten in Art. 23 GG gefunden, auf die hier nur hingewiesen werden kann. Die Bundesstaatlichkeit im Übrigen, namentlich Art. 20 I GG richtet sich sowohl auf die partikularautonome wie föderal-kooperative Ausgestaltung, die in vielfältigster Form verfassungspolitischer Alltag ist. Als Prinzip würde sie etwa verletzt, wenn sie nicht mehr in verfassungsrechtlichen Abwägungen aufgenommen würde. bb) Die Sozialstaatlichkeit des (Rechts- und) Bundesstaats in Art. 20 I GG kann wohl ebenfalls als Grundsatz begriffen werden, der sich im Kern aus der Funktion der Menschenwürde ableitet, aber mit dem ebensolchen rechtlichen Grundsatz, der in der FDGO enthalten ist, einige Überdeckungen, jedoch in sozialem Existenz­ minimum, sozialgebundener Freiheit, Solidarität und Sozialität allgemein hinreichende Unterscheidbarkeit im Sinne eines eigenen Grundsatzcharakters aufweist.118 cc) Schließlich könnte das Grundsatzmodell zum etwas eingeschlafenen Streit um den Charakter und Inhalt des Republik-Grundsatzes beitragen.119 Danach kann der formelle Republikbegriff, namentlich der Ausschluss eines, einerseits, nicht ad personam durch das Volk gewählten, sondern ererbten oder anders ernannten und, anderseits, nicht friedlich und verfassungsimmanent absehbar durch das Volk 117

Vgl. insgesamt oben E. Vgl. hier nur etwa v. Münch / Kunig / Kotzur Art. 20 GG Rn. 74 ff. mit weiteren grund­ legenden und weiterführenden Nachweisen. 119 Vgl. hier nur als Einstieg m. w. N. aktuell etwa v. Münch / Kunig / Kotzur Art. 20 GG Rn. 38 ff. für einen materiellen Republikbegriff; Sachs / Sachs, Art. 20 GG Rn. 9 f. und DHSGrzeszick Art. 20 GG Rn. 1 ff. für den formellen vor allem mit dem Argument der Über­ deckung und damit implizierter fehlender Grundsätzlichkeit im Prinzipienbereich. 118

II. Schlussfolgerungen: Reflexionen und Ausblicke 

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absetzbaren Staatsoberhaupts als Kernbereich begriffen werden. Die materiellen Deutungen, zurückgehend auch auf die Position von Carlo Schmid im Sinne der Res Publica Ciceros120 könnten hingegen, soweit allerdings mit Überdeckung zum Demokratiegrundsatz, als optimierbarer Prinzipienbereich verstanden werden. dd)  Ob für Grundrechtslehre mit ihrer verfeinerten Prinzipientheorie diese Grundsatzlehre, namentlich etwa in Hinblick auf Art. 19 II GG und die weiter umstrittene Frage des Wesensgehalts weiteren Gewinn bringen kann, wäre besonders weiter zu prüfen. e) Es wäre zu erwarten, dass die Freiheit selbst als eigener Grundsatz zum normativen Gehalt der FDGO zählen würde. Dies ist jedoch nicht der Fall. Nachdem die Demokratie als der andere terminologische Grundbestandteil der freiheitlich demokratischen Grundordnung klar als Komponente in ihr Konstrukt normativ einbezogen ist, ist dies umso augenfälliger. Dieser Zustand ergibt sich zunächst bei normgetreuer Auslegung als Methode auf Ebene des Normmaterials aus den Verweisen in Art. 79 III GG, welcher nach den Beratungen der Verfassungsgenese gerade nicht Art. 2 GG oder sonst die Freiheitsgrundrechte insgesamt aufnimmt, sondern nur auf die Einleitungsnorm des Art. 1 GG, mithin die Verpflichtung auf die unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechte und die unmittelbare Geltung der verankerten Grundrechte Bezug nimmt.121 Als konkrete grundrechtliche Freiheit teilt sie das Schicksal der allgemeinen und speziellen Freiheits- und Gleichheits- und ggf. ergänzend gesondert eingestuften justiziell-verfahrensmäßigen Grundrechte: Ihr Kern aus Sicht des Ewigkeits- und diesem vorgelagerten Schutzes wird staatsrechtlich verankert eben in der Menschenwürde aber auch, dienend und sichernd, in der Rechtsstaatlichkeit und in der Demokratie. Daher treten sie auch, anders als noch im Enumerationsansatz, in der Komponentendefinition des BVerfG nicht mehr auf.122 Die individuell-subjektive Freiheit ist für die FDGO – wie notwendigerweise für jede fdVO – vorgefunden originär und keinerlei Verfügungsmasse. Durch das Gemeinwesen und seine rechtliche Ordnung ist sie zu gewährleisten, nicht zu ge­ währen.123 Die individuelle Freiheit steht nicht nur im Modell der Rahmenordnung und nach dem Elfes-Urteil,124 sondern in der Tradition des Gesellschaftsvertrags und der Konzeption der Menschenrechte auch nach Art. 1 II GG vor der staat­ lichen (Rechts-)Ordnung, welche die FDGO alleine wiederum normiert. Zunächst schützen damit unmittelbar auf der Ebene der Komponenten die Menschenwürde und der Rechtsstaat vorrangig die privaten Freiheiten, jene der Demokratie vorrangig die politischen. 120

Vgl. ausführlich oben B. I. 5. b) aa) mit der entsprechenden Zitierung. Vgl. oben B. I. 4., 5., II. 4., E. I. 1. 122 BVerfGE 2,1 (13); 144, 20 (207 ff.); siehe oben B. II. 3. c), 4. 123 Vgl. oben E. I. 3. c) aa). 124 BVerfGE 6, 32 (36 ff.). 121

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G. Ergebnisse und Schluss

In allen berührten Facetten im politischen Gemeinwesen sichern jedoch vorgelagert auf erster Stufe alle festgestellten Funktionen der FDGO die Freiheit ab, am unmittelbarsten Subjektivität und Pluralität. Sie machen es erforderlich, gerade bei der empirischen wie normativen Annäherung größtmögliche Vorsicht, Selbstreflexion und Zurückhaltung zu wahren. Die Freiheit selbst erscheint dem erneut vorgelagert. Sie ist nicht selbst als solche unmittelbar, jedoch selbstverständlich überall vermittelter Norminhalt der FDGO, wirksam etwa in Anforderungen an demokratische und rechtsstaatliche Prozesse. Ihre, hier angedeutete und weiter noch zu vertiefende Strukturierung ist ein auf das notwendige beschränkte Hilfsmittel der Objektivierung bei größtmöglicher Subjektivität. Schließlich ist an der Schnittstelle zum Recht über die Grundmaße der Freiheit, rational transportierbar durch die Strukturierung, ebenso wie über Gleichheit und Gerechtigkeit weiter prinzipien- und regelorientiert zu streiten, ausgehend von den rechtlichen Folgen und in den bekannten Funktionen der FDGO, friedlich, fortschrittlich, plural und subjektivistisch.125 Die Beurteilung, wann demokratische Prozesse und individuelle Entscheidungsfindungen in regulatorischer, ressourcenmäßiger, vor allem rationaler und informationeller Dimension (nicht) hinreichend frei sind, ist nicht binär. Sie bewegt sich auf einer zu diskutierenden und immer aufs Neue zu klärenden Skala. Ebenso wenig ist sie ein originäres rechtliches Element, sondern reicht aus der tatsächlich-empirischen Beobachtung in den normativen Bereich hinein. Umso mehr könnte es ein sinnvolles Paradigma weiterer Forschung sein, dazu mittels konkreter Grenzen, Maßstäbe und Indikatoren beizutragen, jenseits der Evidenz fehlender Freiheit und rechtsstaatlicher Demokratie in totalitären und autoritären Systemen.

2. Inhaltliche Reflexion: erreichte Absicherungen, Resilienz und Vulnerabilität Die so konstruierte FDGO bietet – jenseits der methodischen rational- prozeduralen Fundierung – zentrale inhaltliche Sicherungen und damit Resilienz gegen die Vereinnahmung durch autoritäre Bestrebungen, die ihr entgegengerichtet sind. Dies gilt ohne weiteres für außerstaatliche Bestrebungen, zu deren Abwehr sie dem Gemeinwesen die verfassungsrechtlichen Maßnahmen mit konkreter Verankerung liefert. Darüber hinaus stellt sie sich ihrem Missbrauch durch staatliche Macht entgegen. Sie ist damit abweichenden Auslegungen überlegen, welche nicht unerhebliche Ansatzpunkte für dahingehende Vulnerabilitäten der deutschen freien rechtsstaatlichen Demokratie gegenüber Angriffen aller Art bieten. a) Wie bereits anderweitig gezeigt, machen vor allem die Ansätze der Margi­ nalisierung der FDGO, des absoluten pouvoir (re-)constituant, der vorgeblichen

125

Dies auszufüllen ist der abschließenden Analyse zur Freiheit im (Straf-)Recht vorbehalten.

II. Schlussfolgerungen: Reflexionen und Ausblicke 

315

Volkswillenssouveränität oder „umfassenden Toleranz“ und ein Interventionsverbot aus vermeintlicher Neutralitätspflicht in letztlich unverantwort­lichem Maß die friedliche Rechtsordnung der Bundesrepublik hoch vulnerabel.126 All dies bedeutet, die liberale Demokratie verletzbar zu machen gegen jene Angriffe, gegen die die FDGO als die historischen Lehren, im Grundgesetzes durch seine Schöpfer gezogen und als innerster Kern des Grundgesetzes errichtet wurde. Mit ihren Schutzmechanismen droht durch ihre Gegner wie gutgläubigen Gefolgsleute (vor 1933 wie ihren Erben heute) gerade eben die friedliche und stabile offene freie demokratische Selbstregierung preisgegeben zu werden.127 b)  Die doppelte Aufgabe effektiven Schutzes nach „unten“ und „oben“ wird ebenfalls nicht durch einen „Toleranzbereich“ tauglich erfüllt: Eine solche Abgrenzung ist nicht nur letztlich unbestimmt und von aktuellen Beurteilungen abhängig. Der Ansatz versperrt vielmehr statisch auch ohne zwingenden konkreten Grund den Zugriff auf Bestrebungen, welche sich gefährlich auswirken können und schafft einen rechtlichen Leerbereich, der zu zahlreichen Folgeproblemen führt.128 Demgegenüber erweist sich die FDGO mit möglichen Schutzwirkungen weit präziser als inhaltlich auch zum Schutz in beide Richtungen konstruierbar. Die Toleranz gegenüber „Verfassungsfeinden“ ergibt sich hier aus der Menschenwürde, der Rechtsstaatlichkeit, unter anderem mit den verankerten Privilegien der Opposition und im Rahmen des vertretbaren als Teil der (Re-)Integration nicht um den Preis letztlich der Selbstaufgabe.129 Dort, wo der Staat besonderes Vertrauen erfordert, weil er besonderen Einfluss eröffnet, auf die Unterstützung angewiesen ist und diese alimentiert, kann diese Toleranz noch weiter verhältnismäßig zurückgenommen werden, wie es der Begriff der wehrhaften Demokratie ausdrückt.130 c)  Wesentlich für den Schutz der FDGO und ihrer Funktionen namentlich gegenüber unmittelbaren staatlichen Übergriffen mit möglichen direkten oder indirekten zerstörerischen Wirkungen ist es, in den Schutznormen als Prüfungs­ maßstab unmittelbar auf die präzise konstruierte FDGO selbst zurückzugreifen. Entschieden aus ihrer hohen potentiellen Gefährlichkeit zurückzuweisen sind alle Ansätze, diesen originären Maßstab zu überspielen im Sinne eines „Staatsschutzes“ der konkreten Herrschaftsordnung, welche sich (lediglich) selbst als fdVO sieht oder behauptet. aa)  Dies gilt am unmittelbarsten für solche Versuche, welche die FDGO zu verdrängen suchen durch – der Konstruktion des Grundgesetzes fremde – Güter, Werte oder Schutzobjekte, wie etwa einer vermeintlichen unmittelbaren Staats­

126 Vgl. dazu umfassend vor allem Fahrner, Vulnerabilität; hier nur als Ausschnitt und Konkretisierung E. IV. 1. a), 4., II. 2. c). 127 Vgl. oben B. I. sowie umfassend erneut Fahrner, Vulnerabilität, v. a. S. 53 ff., 303 ff. 128 Vgl. oben B. III. 1. b) f. I. 129 Vgl. v. a. oben f. I. 130 Vgl. oben D. III. 2., 3. f. I. 4.

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G. Ergebnisse und Schluss

sicherheit oder staatlichen Stabilität, Nationalität oder Identität jenseits des Bestandes und der weiteren benachbarten Schutzgüter.131 bb) Ebenso zu bekämpfen sind die rechtlichen und außerrechtlichen Ansätze, die streitbare Demokratie mit der FDGO gleich- oder sie als Schutzgegenstand ersetzen zu wollen. Nichts anderes wäre das Überspielen der konkreten und präzise entwickelten Grundsätze der drei Komponenten durch ein nicht weiter objektiv definiertes und definierbares Generalprinzip der Streitbarkeit. Jede solche extensive Einheitslösung ist folglich zurückzuweisen.132 cc) Die Rolle der tatsächlich weiteren Schutzgüter, namentlich der verfassungs­ mäßigen Ordnung im engsten Sinn ist dabei klar zu reflektieren: Nach dem hier entwickelten Konzept ist die Verfassungsordnung, nur soweit sie der FDGO genügt, zu schützen. Im Übrigen sind die Prozesse zur Rückkehr dazu auch als ultima ratio in Form des Widerstands legitim und legal.133 Der Schutz einer Verfassungsordnung, die dem genügt, kann aber deutlich weiter gehen und weitere Bereich abdecken, als die FDGO unmittelbar umfasst.134 Bei der Beurteilung kommt es nicht auf die subjektive Behauptung oder Einschätzung innerhalb oder außerhalb der Herrschaftsträger an, Maßstab bleibt vielmehr die FDGO, namentlich die Bewertung anhand der konkreten Rückkopplungsprozesse zur Sicherung der Funktionen, insbesondere der effektiven rechtsstaatlichen und demokratischen Kontrolle zur Wahrung der auch unmittelbar durchgängig wirksamen Menschenwürde. Die bloße Behauptung, der Staat dürfe, weil er sich als fdVO verstehe, jedes Streben nach Veränderung und jede Kritik, die ihm unliebsam erscheine, sanktionieren, gibt Kontrolle und damit Funktionen der FDGO vollständig preis. Besonders wird diese nötige kritische Rückkopplung verdeckt und aufgehoben durch den Begriff einer freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes, wenn er nicht präzise gebraucht wird, ebenso wie durch die Gleichsetzung von wehrhafter und streitbarer Demokratie. Gleiches gilt schließlich für die Versuche der Gleichsetzung im Rahmen der engen oder erweiterten Einheitslehre.135 Auch gilt nochmals klar zu trennen, dass Anstrengungen, unter Beibehaltung der FDGO in einem verfassungskonformen Verfahren eine andere Verfassungsordnung herbeizuführen, nicht die Instrumentarien zum Schutz eben der FDGO aktivieren können, sondern vielmehr, wenn alleine in dieser Weise betrieben, durch sie geschützt sein müssen.136 dd) Auf anderer Ebene muss auch jede unternommene Vermischung der Funktionalität des Friedens und eine unkritische Verklärung präemptiver umfassender Sicherheit zurückgewiesen werden. Jenseits der konkreten begrifflichen Verwen 131

Vgl. oben D. III. 3. a). Vgl. oben D., v. a. III. und IV., E. I. 1. a), 4., II. 2. 133 Vgl. oben B. IV. 3. f. 134 Vgl. oben D. II. 135 Vgl. oben D. III. v. a. 3. 136 Vgl. oben E. I., II. 132

II. Schlussfolgerungen: Reflexionen und Ausblicke 

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dung im Gefahrenabwehrrecht und als eng verstandenes Schutzgut sowohl im Staatsschutzstrafrecht wie Verfassungsschutzrecht weist der Begriff der Sicherheit mit den in ihm liegenden gefährlichen Suggestionen erhebliche potentielle Gefahren für die FDGO und auf dem Weg zu autoritären und totalitären Herrschaften auf.137 d) Die FDGO verkörpert in mehreren Wirkungen eine durch staatliche Stellen zu widerlegende Vermutung der nicht verbotenen individuellen und vereint ausgeüb­ ten Freiheit. Um Vorgehen gegen Opposition zu rechtfertigen, müssen die Grundsätze der Menschenwürde und Rechtsstaatlichkeit einschließlich der Verfassungsund Gesetzesbindung eingehalten sein, deren Kontrolle wiederum sichergestellt sein muss.138 Es bedarf der an diesen Maßstäben überzeugenden Delegitimierung des sanktionierten Verhaltens unter Beachtung der FDGO. Soweit in den zen­ tralen verfassungsunmittelbar geregelten Eingriffskonstellationen auf die FDGO unmittelbar Bezug genommen wird, müssen die Voraussetzungen, dass diese konkret final, modal und potentiell hinreichend betroffen ist, gegeben sein. Allgemein müssen darüber hinaus alle Eingriffe daran gemessen werden, ob sie selbst den Grundsätzen der FDGO und ihren Funktionalitäten zuwiderlaufen, und zwar auf allen Ebenen der Anwendung und Setzung der ermächtigenden Normen. Es gelten die strikten Bindungen der Normenhierarchie bis zu den Metagrundsätzen der FDGO für die Verfassungsordnung mit Art. 79, 146 GG, sodann etwa Art. 1, 19 II GG, daneben Art. 20 III GG, neben der persönliche Amtsführungs- und demokratische Kontrolle, namentlich eine solche durch unabhängige Gerichte und Gewaltenteilung sowie wiederum funktionierende demokratische Öffentlichkeit und Prozesse. All dies bedingt im Zusammenwirken eine fdVO, bei wesent­lichen Ausfällen kann sich die Frage stellen, ob noch eine FDGO überhaupt vorliegt. e)  Der Schutz der FDGO in der hier nachvollzogenen Konstruktion ist auch darauf gerichtet, effektiv zu sein gegenüber Entwicklungen, die ihre Aufrechterhaltung über bestimmte zeitliche Umstände vereiteln könnten. Darin, entsprechende Vulnerabilitäten im Sinn der militant democracy durch „Verblendung des Volkes“ bzw. den Missbrauch von bereits gewonnener faktischer Macht oder Freiheits­beeinträchtigungen zu verhindern,139 liegt die Bedeutung und wichtiges Auslegungskriterium der Vorfeldbefugnisse zum Schutz der FDGO in mehreren Schutzwällen wie Art. 9 II, 18, 21; 87a, 91 GG und noch weiter vorgelagert dem Verfassungs- und allgemeinen polizeilichen und strafrechtlichen Staatsschutz,140 aber auch bei Art. 79 III GG den entwickelten strategischen Angriffs- und Kipppunkten.141 Wechselseitig verbunden schützen zentrale inhaltliche Ausprägungen der FDGO gegen das Abgleiten in eine Autokratie. Zu ihnen zählen die 137

Vgl. oben B. IV. 1. v. a. c). Vgl. insbesondere oben f. 139 Vgl. insbesondere oben B. I. 1., 3. sowie Fahrner, Vulnerabilität. 140 Vgl. insbesondere oben E. III. 141 Vgl. insbesondere oben E. I. 4. c). 138

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G. Ergebnisse und Schluss

Gewaltenteilung, die Institution der wirksamen Öffentlichkeit, sämtliche rechtsstaatlichen und demokratischen Kontrollprozesse, bis hin zur Durchnormierung der Ausnahme­zustände mit voller gerichtlicher und weitestmöglicher öffentlich-­ demokratischer Kontrolle, sowie schließlich die Fortgeltung der FDGO über Verfassungswechsel.142 Vor allem gegen die Aufhebung durch eine entartende, „nur zeitweise und kommissarisch“ deklarierte Diktatur gilt richtigerweise der unbedingte Schutz der verfassungsimmanenten Verfahren, bei dem auch nicht durch Berufung auf eine künftig wiederherzustellende FDGO deren Fortgeltung legitimerweise überspielt werden kann.143 Auch in diesen Fällen wäre Abwendung und ultimativ Widerstand für staatliche Stellen geboten bzw. jedermann erlaubt. Nochmals handelt es sich um das notwendige Gegenbild des politikdarwinistischen Dezisionismus eines Schmitt und seiner Anhänger.144 f) Jenen hier tatsächlich so zu bezeichnenden, „Fremdkörpern“ mit antiliberalem Ursprung und autoritärer Tendenz auch bei der Interpretation der FDGO muss auch im Übrigen unzweideutig entgegengetreten werden. Dies gilt vor allem noch für den Begriff des „Verfassungsfeindes“, der sich letztlich nicht nur rhetorischen als direkte Anlehnung aus dem proto-totalitären Freund-Feind-Schema Schmitts offenbart, aus zwei zentralen Gründen: aa) Der „Verfassungsfeind“ steht nicht auf gleicher Ebene wie die Verfassung, er kann ihr nicht in die Fehde absagen, wie ein Michael Kohlhaas bzw. Hans ­Kohlhase.145 Auch wer gegen die fdVO kämpft, unterliegt ihrer rechtsstaatlich durchgezogenen Bindung, ihrer normativen umfassenden begründeten Geltung. Es gibt eben die objektiven Normen, gerade basierend auf der für alle geltenden objektivierten FDGO, nicht nur subjektive bestehende und zukünftige konkrete Ordnungs- und Verfassungsüberzeugungen. Diese Überwindung des reinen Kampfes ums Recht ist, wie anderenorts bereits ausgeführt, die Essenz entwickelter Staatlichkeit und ihr ureigenstes Verdienst als Friedensordnung.146 Zwischen den Waffen schweigen die Gesetze nie mehr, nicht mehr die staatlichen und auch nicht mehr die völkerrechtlichen. Der Ausnahmezustand ist rechtlich gebunden, ebenso wie sich der Widerstand und jede andere Bestrebung zur Evolution und Revolution rechtlich messen lassen können und müssen. bb)  Die Kategorisierung von „Verfassungsfeinden“ verstößt gegen die Men­ schenwürde. Wer gegen die Verfassung agiert und agitiert, ist nicht von ihr ausgestoßener Fremder, schon gar nicht als Tätertyp „ewig“ jenseits von Läuterung und Besserung. Eine solche Kategorisierung läuft zudem jeder (Re-)Integrations-

142

Vgl. insbesondere schon oben B. I. 3. c), C. IV. 3. Vgl. insbesondere oben E. II. 1. b). 144 Vgl. insbesondere Fahrner, Vulnerabilität, S. 75 ff. 145 Vgl. zur Novelle von Heinrich von Kleist und seinen historischen Wurzeln Fahrner, Landfrieden, S. 52 ff. 146 Fahrner, Landfrieden, passim. 143

II. Schlussfolgerungen: Reflexionen und Ausblicke 

319

funktion, mithin zentralen Funktionsanforderungen der FDGO, zuwider.147 Sie entstammt der dieser widersprechenden Freund-Feind-Rhetorik zur Rechtfertigung unmenschlichen Kampfes um Homogenisierung in der Tradition Schmitts. Eingeordnet werden kann konkretes „verfassungsfeindliches“ Verhalten, indes es präzise definiert wird anhand der Bestrebungen gegen die Schutzgüter von Bestand, Sicherheit, Frieden sowie die konkrete der FDGO genügende verfassungsmäßige Ordnung. Da der Begriff der staatsfeindlichen Bestrebungen für erstere stark negativ historisch konnotiert ist, bietet es sich an, soweit es unumgänglich erscheint, von verfassungsfeindlichen Verhaltensweisen i. w. S. als Teilen dieser Bestrebungen insgesamt zu sprechen. g) Schließlich kann daraus über die FDGO hinaus für streitbare Demokratie und Extremismus gefolgert werden: Bei beiden ist auf die präzise Verankerung in der FDGO im konkreten Fall sorgfältig Bedacht zu nehmen. Bei der streitbaren Demokratie ist bereits klar gemacht, dass diese von der wehrhaften präzise zu tren­nen und als reiner Topos zu verstehen ist, der zurecht heute praktisch bis auf die verfassungsgerichtliche Überleitungsformel außer Übung gekommen ist.148 Beim weit stärker sozialwissenschaftlich-empirisch ausgelegten Extremismus-­ Begriff muss einerseits ebenfalls klar sein, dass dieser an konkrete aktuell (noch und schon) bestehende Bestrebungen anknüpft, namentlich nicht an eine frühere, längst aufgegebene Einstellung oder Betätigung. Andererseits sollte der Begriff mit Bedacht klar getrennt von außerrechtlichen, rein subjektiven oder alltäglichen Einschätzungen der Einstellungen einer Person als „außenstehend“ präzise verwendet werden, um den (Gefahr-)Bezug eben zur FDGO bzw. Verfassungsordnung oder sonstigen herausgearbeiteten Schutzgütern hinreichend geklärt zu haben. So ist eine Anknüpfung juristisch präzise an die FDGO bzw. Schutzvorschriften Art. 9 II, 18, 21, 98 V GG etc. möglich und zwingend geboten, vor allem, wo diskriminierende Wirkungen, etwa bei Äußerungen aus und zum Verfassungsschutz, die Folge sind oder sein können. Von daher ist das umständliche Adjektiv „extremistisch“ als Fachbegriff dem in der Bedeutung und Überdeckung mit alltäglichen und anderen Wertungen gefährlich unscharfen „extrem“ durchaus vorzugswürdig. Klar ist jedoch die ständige Gefahr einer wertenden Vermischung mit Assoziationen und Begriffsgebräuchen jenseits dieser Definitionen zu erinnern: Nur Handlungen, welche die FDGO oder mit illegitimen Mitteln die dem genügende Verfassungsordnung (oder Bestand und Sicherheit) beseitigen oder beeinträchtigen wollen, sind umfasst. Die sonst dem Pluralismus unterliegenden Auffassungen vom Gemeinwesen können nie in diesem Sinn verfassungsfeindlich sein, auch wenn sie auf ein abweichendes, jedoch freiheitlich demokratisches Gesellschaftssystem in wirtschaftlicher und sozialer Hinsicht abstellen würden.

147 148

Vgl. oben C. IV. 2. e) und speziell bereits dazu umfassend D. III. 3. c) bb). Vgl. oben A. I. 3. b) und D. III. 1., 3.

320

G. Ergebnisse und Schluss

3. Rechtspolitische Reflexion: Bewertung gegenüber den Eingangskontroversen über die FDGO Die in der Einleitung geschilderten Kontroversen149 lassen sich somit am Schluss aufnehmen und weitgehend lösen (soweit sie nicht polemisch-politisch mit anderen Zielen betrieben werden sollen). Sie entscheiden sich danach, dass eben doch wie vorliegend ein Ankerpunkt der FDGO definiert und konsequent und plausibel konstruiert werden kann,150 der zwar weiterhin für Diskurs und plurale Hermeneutik, mithin gegen Versteinerung größtmöglichen Fortschritt offen, aber sicher nicht nur bloße subjektive Meinung oder gar „Staatsmystik“ ist.151 a) Der Marginalisierung der FDGO152 ist damit ihre fortbestehende fundamentale Bedeutung in der Gesamtarchitektur des Grundgesetzes ebenso entgegenzuhalten wie ihre funktionale Rolle für eine stabile menschenwürdige, plurale, fortschrittliche und friedliche Ordnung des Gemeinwesens, die sich nicht zuletzt an wieder so aktuellen zahlreichen Gegenbeispielen in Staaten und Regimen zeigt.153 Nicht die FDGO ist der Fremdkörper im normativen System der Bundesrepublik, sondern jenes vorkonstitutionelle Erbe der „Volkswillensherrschaft“ in ihren unterschiedlichsten Ausprägungen.154 Der hegelianische Ansatz155 ist ebenso wenig wie ein homogen-identitärer mit der nötigen Pluralität in Einklang zu bringen,156 der dezisionistische nicht mit stabiler Friedlichkeit,157 alle praktisch und erst recht nicht „biologistisch-ethnische“158 mit der Menschenwürde.159 Ebenso wenig kann die FDGO ohne falsche Zuschreibung im Ansatz verstanden werden als ein Aus­ grenzungs- oder Kampfmittel für und gegen Identitäten, politische Positionen, kulturelle oder völkische Hintergründe160 – wenn man damit nicht eben gerade die menschenwürdige-subjektivistische, plurale und fortschrittliche friedliche Koexistenz gegen tatsächliche schädliche und gefährliche Intoleranz abgrenzt.161 b) Mit der Behauptung einer allgemeinverbindlichen Wertordnung162 muss sich ein konsequenter subjektivistischer Pluralismus richtigerweise auch innerhalb der 149

Vgl. nochmals oben A. I. 3. Dies der gesamte Verlauf der vorliegenden Analyse, insbesondere oben E. 151 Vgl. nochmals oben A. I. 3. b) bb) (1) (b). 152 Vgl. nochmals oben A. I. 3. b) bb) (1) (a). 153 Vgl. hier nur angedeutet A. I. 2. 154 Vgl. nochmals oben A. I. 3. b) bb) (1) (a); Fahrner, Vulnerabilität auch zum Folgenden. 155 Vgl. nochmals oben A. I. 3. b) bb) (1) (a) namentlich nach Leibholz a. a. O. 156 Vgl. nochmals oben C. II. 3., IV. 1. a) cc) sowie bereits Fahrner, Vulnerabilität, S. 53 ff. und die anstehende nähere Untersuchung unter strafrechtlicher Perspektive. 157 Vgl. nochmals oben A. I. 3. b) bb) (1) (a) namentlich nach Schmitt und Böckenförde, dazu umfassend bereits Fahrner, Vulnerabilität, S. 75 ff. 158 Vgl. nochmals oben A. I. 3. b) bb) (1) (b) (aa). 159 Vgl. hier nur nochmals oben C. I. 160 Vgl. nochmals oben A. I. 3. b) bb) (1) (b) insgesamt. 161 Vgl. oben etwa C. IV. 2. e), E. III. f. 162 Vgl. erneut oben A. I. 3. b) bb) (1) (b). 150

II. Schlussfolgerungen: Reflexionen und Ausblicke 

321

FDGO schwertun, soweit damit nicht rein prozedural zu plausibilisierende „Werte“ wie eben die Funktionen und daraus abgeleiteten Komponenten der FDGO oder die Freiheitlichkeit oder Gleichheit in ihrer jeweiligen übergreifenden strukturellen bzw. a posteriori-Konstruktion gemeint sind.163 Ob es überhaupt einer solchen Kategorie der Werte hier bedarf, scheint selbst fraglich. Jedenfalls sollten im Diskurs eingebrachte subjektive Werte und diese objektiven prozeduralen „Werte“ dringend nicht miteinander vermischt werden, gerade um mögliche Vereinnahmungsversuche der FDGO mit gravierenden Folgen für ihre Funktionalität von vornherein zu verhindern. c) Für einen anti-supranationalen Nationalismus164 lassen sich weder Art. 79 III GG noch die FDGO vereinnahmen.165 Die FDGO hat sich als potentiell, wenn nicht notwendig skalierbar erwiesen, sie kann auch auf überstaatlicher Ebene erreicht und errichtet werden. Auf sie kann sich eine Front national-identitärer Staatlichkeit gegen eine solche Ordnung eindeutig nicht berufen, weder in der systematischen, historischen noch teleologischen Analyse der einschlägigen Verfassungsnormen. Gleiches gilt für Art. 79 III GG für sich und in der Zusammenschau mit Art. 146 GG. Sie bedingen lediglich ein legales und legitimes Verfahren jenseits Art. 79 GG und darin eine Fortführung der FDGO als solcher.166 d) Zum Verhältnis von FDGO und Sozialismus167 kann die klare Definition der Ersteren Entscheidendes beitragen. aa) Wie das Grundgesetz selbst setzt die FDGO keine bestimmte Wirtschafts­ form, namentlich die kapitalistische oder soziale Marktwirtschaft gegen jede Form eines Sozialismus als solchen voraus. Die konkrete Ausgestaltung des Wirtschaftsund Sozialsystems, die Lösung der Solidaritäts- und Gerechtigkeitsfragen sind im Rahmen des fortschrittlichen Pluralismus den freien demokratischen Entscheidungen überlassen,168 ist hier einmal mehr exemplarisch auf Art. 15 GG zu verweisen. Dies gilt auch für die Vermögensverteilung namentlich aus wirtschaftlichen Erzeugnissen und Gewinnen. Aus Sicht der FDGO ist demgegenüber an die Menschenwürde169 und das unabdingbare „politische“ Partizipationsminimum für eine funktionierende Demokratie zu erinnern,170 ebenso wie an die daraus folgende Rolle sozialer Kohärenz und Integration im Sinne Hellers oder Smends.171 Allgemein dahinter bleibt aus der Geschichte zu vergegenwärtigen etwa an die Exempel der römischen Republik 163

Vgl. nochmals oben C. II. Vgl. nochmals oben A. I. 3. b) bb) (1) (b) (aa) und E. I. 1. a), 4. a) bb). 165 Vgl. nochmals oben D. IV. 1. a), 3., E. I. 1. a). 166 Vgl. nochmals oben E. II. 2. 167 Vgl. nochmals oben A. I. 3. b) bb) (2) (b), B. III. 2. m. w. N. 168 Vgl. nochmals oben C. III. 3., D. II. 2. c). 169 Vgl. nochmals oben D. II. 2. c) aa). 170 Vgl. bereits etwa Fahrner, Vulnerabilität, S. 132 ff. 171 Vgl. oben C. IV. 2. 164

322

G. Ergebnisse und Schluss

so, das gängigste Narrativ zur Machtergreifung der NSDAP aus Verarmung durch Versailler Vertrag und Weltwirtschaftskrise172 sowie die Erklärungen zur russischen Oktober-Revolution. Die empirische Lehre daraus scheint, dass ein Proletariat oder Prekariat ohne Vermögensressourcen nicht nur weitgehend unfrei ist,173 sondern als Masse kaum dauerhaft friedlich zu halten wäre. Darin liegt auch die Lehre der funktionierenden sozialen Marktwirtschaft gerade für Wohlhabende, ihre Sicherheit mit der Freiheit für alle durch entsprechende nicht nur psychologisch-symbolische, sondern reale Integrationsmechanismen zu erhalten.174 bb) Richtig ist daher, dass vor allem eine Vereinnahmung der FDGO, etwa durch hypostasierte Zwischenzuschreibungen als nur konkreter Staats-, Wirtschafts- und Sozialordnung namentlich im Kalten Krieg der Systeme, und nicht diese selbst zu deren Ausrichtung gegen linksradikale Forderungen und Ideen beigetragen hat.175 cc) Allerdings setzt die FDGO mit Menschenwürde, freiheitlicher Demokratie und Rechtsstaatlichkeit klare Grenzen, deren Verletzung mit den Wirtschafts- und Sozialmodellen in sozialistischer, kommunistischer, leninistischer und stalinis­ tischer Ideologie verschwimmen. In diesem Hinblick war die FDGO von Beginn an klar und eindeutig gegen die Zerstörung realer freiheitlicher Demokratie im Korea­ krieg, im sowjetischen Besatzungs- und Einflussbereich in Europa und Deutschland und später in der DDR gerichtet, und kann dies Abwehr auch ohne weiteres plausibel aus ihren Grundsätzen und Funktionen teleologisch begründen.176 Jede heteronome Vorgabe eines Gemeinwohls widerspricht der FDGO klar,177 ebenso die Aberkennung des menschenwürdigen Kerns an Freiheiten auch im Hinblick auf persönliche Vermögensressourcen.178 Vollständige ökonomische Kollektivierung würde völlige ressourcenmäßige Unfreiheit in sozialer wie politischer Hinsicht bedeuten. Weit stärker wäre dies noch ausgeprägt, wenn der Einzelnen zwingend heteronom von einem Kollektiv aus gedacht und sein Sinn diesem untergeordnet würde.179 Wesentlich häufiger ist allerdings die Tendenz zu beobachten, die heteronomen Gemeinwohl- und Wertvorstellungen durch Einschränkungen 172

Namentlich die Weltwirtschaftskrise mit dem 24. Oktober 1929, welche mit gewisser empirischer Evidenz als zumindest zentral mitursächlich durch die herrschende Geschichtslehre angesehen wird, auf die hier nur generell verwiesen sein soll. 173 Vgl. bereits Fahrner, Vulnerabilität, S. 45 ff. 174 Der Themenkomplex sprengt klar die vorliegende Fragestellung, hingewiesen sei hier nur noch auf die Frage des Knowledge Gap und der Wissens- und Informationskosten und Anfälligkeiten für die Massenpsychologie und extremistische Beeinflussung, wie u. a. in Fahrner, Vulnerabilität, S. 47 ff., 132 ff. usw. ausgeführt. Ob dauerhaft eine stabilisierende „Sedierung“ pane et circensis erreicht werden kann, dürfte trotz aktueller Protestbewegungen in vielen Bereichen weiterhin eine, wenn nicht die zentrale Frage des 21. Jahrhunderts bleiben. 175 Vgl. nochmals oben bereits A. I. 3. b) bb) (1) cc). 176 Vgl. nochmals oben B. I. 4., 5. 177 Vgl. nochmals oben C. II. 2. 178 Vgl. hierzu bereits Fahrner, Vulnerabilität, S. 45 ff. sowie die anstehende nähere Analyse im Verhältnis zum Strafrecht. 179 Vgl. nochmals oben C. I.

II. Schlussfolgerungen: Reflexionen und Ausblicke 

323

der Demokratie und Rechtsstaatlichkeit absichern zu wollen. Das Bestreben, die eigene Vorstellung von Fortschritt zwingend auch gegen vermeintliche Ignoranz, Irrationalismen und ökonomische Macht durchzusetzen, führt allzu leicht dazu, mit diesem Zweck deren Verletzung zu rechtfertigen, oder sich auch innerhalb von Parteien und Bewegungen undemokratischer Verhaltensweisen zu bedienen. Dies ist mit der FDGO nicht vereinbar.180 d) In diesem Sinn ist auch der Vorwurf des „Normalismus“181 aufzulösen: Die FDGO verlangt einerseits gerade keine Einschränkung einer der Ausprägungen des Pluralismus über das unumgängliche prozedurale Minimum hinaus. Andererseits illustriert, wer die unabdingbare Absicherung des Pluralismus für alle als zu große „Normalisierung“ behauptet, seine eigene Einstellung zu diesem selbst und entlarvt damit regelmäßig, dass an seine Stelle ein intolerantes „Jeder hat das Recht auf meine Meinung“ treten soll, welches wiederum mit der FDOG erkennbar unvereinbar ist. Der richtige Weg in einer pluralen, subjektiven und friedlichen Gesellschaft zugunsten einer gerechteren Verteilung (etwa geringeren Gini-­Koeffizienten) bleibt vor allem die Aufklärung und Stärkung der tatsächlichen individuellen Freiheiten – namentlich in subjektiver sittlicher, rationaler, ressourcenmäßiger und informationeller Dimension – und damit echter Chancen und Sicherheit, aber auch der Kampf gegen die seit lang stark gesteigerte unlautere Marktmacht auf politischen Foren und Arenen und vor allem manipulative Vulnerabilitäten etwa im Bereich der rationalen Freiheitsdimension. e) Die Zuschreibung einer Zivilreligion an die FDGO182 ist als solches ihr nicht schädlich, soweit ihre Anforderungen und „Wesen“ namentlich in der weltanschaulichen Pluralität und daraus folgenden Neutralität nicht dadurch in Vergessenheit geraten. Die symbolische Integration durch den bildhaft festgemachten Wert des friedlichen, pluralen, menschenwürdigen und fortschrittlichen Zusammenlebens kann bei (tendenziell zunehmender) rationaler Überforderung erheblich zur Integration und Stabilität des Gemeinwesens beitragen.183 Die rationale und kritische Reflexion ist dadurch gerade nicht ausgeschlossen, sondern in einer fließenden Skala eröffnet. Aus der positiven Zuschreibung der FDGO als solcher Ordnung etwa früh im Schulalter kann die nötige kritische Beschäftigung gefördert werden. Ein dauerhaft naiver Herrschaftsglaube kann sich richtigerweise daraus gerade nicht ergeben, eben auch anders als bei einer unkritischen Verknüpfung mit dem Staat selbst.184 Gegenüber der symbolischen Identität des Untertanen im Obrigkeitsstaat und der als Volksglied vom berühmten „der Staat sind wir“185 bis zur Identität von Volk – Reich – Führer ist die Identität als menschenwürdiges Subjekt in einer pluralen FDGO eine zentrale zivilisatorische Fortentwicklung. 180

Vgl. nochmals oben E. I. 2., 3. und Fahrner, Vulnerabilität, S. 130 ff., 194 ff. Vgl. nochmals oben A. I. 3. b) bb) (2) (a). 182 Vgl. nochmals oben A. I. 3. a) aa). 183 Vgl. nochmals oben B. IV. 2. d). 184 Vgl. auch Fahrner, Vulnerabilität, S. 106 ff. 185 Vgl. oben C. IV. 2.; Fahrner, Vulnerabilität, S. 66 m. w. N. 181

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G. Ergebnisse und Schluss

4. Rechtswissenschaftlicher Ausblick: Wirkungen für das einfache (Straf-)Recht a) Die FDGO verlangt durchgehende Geltung und Anwendung – nicht nur in verfassungsunmittelbaren, sondern insgesamt allen rechtlichen Beurteilungen im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung im weitesten Sinn. Das „einfache“ unterkonstitutionelle Recht, wie das Strafrecht, und seine Anwendung sind gem. Art. 20 III GG vollständig an das Verfassungsrecht gebunden, entsprechend dem Rechtsstaatsgrundsatz der FDGO in Art. 79 III GG. Vor allem der Gesetzgeber hat die Grundsätze der fdVO fortzuschreiben, ohne dabei seine Beurteilungs- und Gestaltungsräume zu verlieren. Vor allem ist es ihm allerdings versagt, erst recht außerhalb von Art. 79 GG ihren Kern und Prinzipienbereich als solche zu negieren oder diese erkennbar bei nötigen Optimierungen außer Acht zu lassen. aa) Auf der einen Seite kann sich daraus ein Schutzauftrag des Verfassungs­ rechts über den demokratischen Gesetzgeber an das Strafrecht ergeben, dessen weiten Beurteilungsraum allerdings nur ausnahmsweise und selten beschränken und unmittelbar entsprechenden Schutzpflichten dort durchsetzen, wo diese die besonderen rechtsstaatlichen Grundlagen des Strafrechts, vor allem die strenge Bestimmtheit aus Art. 103 II GG beachten, namentlich in verfassungskonformer Auslegung zugunsten des Betroffenen innerhalb der Wortlautgrenzen.186 Insoweit könnte von einer Form des effet utile zugunsten der militant democracy und des verfassungsimmanenten Selbstschutzauftrag der fdVO gesprochen werden. Mögliche aktive Schutz- und Pönalisierungspflichten wären vergleichbar mit jenen beim Grundrechtsschutz. bb) Allerdings darf die Doppelnatur der FDGO gerade gegen den Missbrauch „von oben“ nicht verkannt werden.187 Dem Gesetzgeber kommt damit, auf der anderen Seite, ein Schutzauftrag zur Erhaltung der FDGO durch „Enthaltsamkeit“ gegenüber Sanktionierungen zu, ebenfalls vergleichbar wie beim ursprünglichen Schutz der Grundrechte als Rechte zur Abwehr staatlicher Eingriffe. Auch im Strafsystem sind die effektive Beachtung und Durchsetzung von Menschenwürde, Demokratie und Rechtstaatlichkeit, letztere mit dem effektiven Vorgehen gegen staatlichen Missbrauch, zur Stabilität der friedlichen, fortschrittlichen und freiheitlichen Rechtsgemeinschaft unabdingbar.188 cc) Dazwischen steht etwa das subsidiäre restitutive Widerstandsrecht, das als Rechtfertigungsgrund zu Schutz und Wiederherstellung der FDGO durch das Strafrecht anerkannt werden muss.189

186

Vgl. hier nur etwa Roxin / Greco, AT I, § 5 Rn. 1 ff. Vgl. bereits oben f. I. 188 Vgl. bereits Fahrner, Staatsschutzstrafrecht, § 7 Rn. 1 ff. 189 Vgl. oben C. IV. 3., E. III. 2. e); aus strafrechtlicher Perspektive hier zunächst nur etwa Roxin / Greco, AT I, § 16 Rn. 129 ff. 187

II. Schlussfolgerungen: Reflexionen und Ausblicke 

325

b) Aus dieser Doppelnatur ist die Behauptung einer modernen praesumptio pro libertate im Sinne einer einseitig vermuteten Beschränkung des Strafrechts kritisch zu prüfen im Hinblick auf den effektiven Schutz der FDGO wie auch anderer Schutzgüter. Umgekehrt muss jenseits des Schutzes der fdVO eine strafrechtliche Sanktionierung allgemeiner „Sicherheit“ besonders kritisch gewürdigt werden; jedenfalls als letztlich fiktiver umfassender präventiver „Sicherheitsauftrag“ auch an das Strafrecht wäre sie mit der FDGO unvereinbar. c) Die hier vorgelegte juristische Präzisierung der FDGO kann auch dafür einen Ansatz geben, die Vorgaben für das Strafrecht zum Schutz des Gemeinwesens und allgemein genauer zu fassen und zu begründen. Dies gilt in Verbindung mit den vorhandenen Verfassungsnormen, wie den Privilegien der Öffentlichkeit, des Parlaments, der Parteien oder der Justiz etwa besonders in Art. 5, 8, 9, 21, 38, 46 ff., 92, 97 f. GG, aber auch sonst allgemein durch Rückgriff auf die festgestellten Kernund Prinzipienwirkungen und den Schutz ihres Berührens bzw. ihrer Negation. Im Kern darf etwa das Strafrecht nicht die friedliche Rückholung und Redistribution aller Staatsmacht im Sinne von Art. 20 II GG durch freie Entscheidung und die Organisation alternativer freier Mehrheiten vereiteln helfen, die Rechtskontrolle staatlichen Handelns und unabhängige Gerichtsbarkeit nicht untergraben, die vorbehalts- und unterschiedslose Anerkennung aller Menschen als „gattungsmäßig“ verbunden und wesensgleich als zu freiem Willen befähigten rechtlichen und politischen Subjekten nicht leugnen. Darüber hinaus müssen die FDGO-Grundsätze als Prinzipien auch beim Setzen und bei der Anwendung des Strafrechts einbezogen werden, etwa im Sinn einer möglichst optimierten rechtsstaatlichen, menschenwürdigen und demokratisch in Input und Output fundierten Abwägung durch die dazu berufenen staatlichen Organe – unter Reflexion von Pluralität, Fortschrittlichkeit und Friedlichkeit sowie Integration, Legitimität, Plausibilität und Rationalität. Zwar kann nur ein vollständiges Verkennen (jenseits zeitlicher Gesamtbetrachtungen) die Schwelle des Art. 79 III GG auslösen. Gleichwohl könnten, die Normenhierarchie konsequent fortgedacht, die genannten Prinzipien jenseits ihrer axiomatischen Vernünftigkeit a priori auch daraus tauglich zur weiteren Konstruktion und Interpretation des Strafrechts sein. Wie dies im Einzelnen gelingen und beurteilt werden kann, ist an anderer Stelle weiter zu untersuchen.

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G. Ergebnisse und Schluss

III. Annex: Mögliche Prüfungsschemata 1. Betroffenheit der FDGO I. Negation des Regelkerns: 1. Komponente im Regelkern betroffen: a) Demokratie: aa) Generell: (1) friedliche Rückholung und Redistribution aller Staatsmacht im Sinne von Art. 20 II GG (2) absehbar zeitlich möglich (3) dazu formal freie gefasste Mehrheiten tatsächlich und nicht nur rein fiktiv organisierbar bb) insbesondere: (1) v. a. Wahlen (a) in absehbaren Zeiträumen (b) hinreichend in einem Minimum effektiv gesichert ergebnisoffen, allgemein, frei und gleich (2) Abberufung: sämtliche Machtträger (a) entweder: unterliegen (zumindest indirekt) einer solchen Neuwahl (b) oder können bei hinreichendem Amtsmissbrauch (ggf. auch nach Neuwahl z. B. über neue Mehrheiten in Organen) abberufen werden (3) Revision aller politischen Verpflichtungen und Einbindungen grundsätzlich möglich im Sinn des Selbstbestimmungsrechts (Ausnahme FDGO selbst und faktische Beständigkeit) b) Rechtsstaat: aa) Rechtsgeltung: normativ verbindliche Wirksamkeit eines auf Plausibilität allgemeingültiger Normen angelegten Systems zur friedlichen Konfliktprävention und -lösung gegenüber jedermann außerhalb und innerhalb staatlicher Funktion. Abstraktion jeder Rechtsprechung von ad hoc-Entscheidungen einer plebiszitären (oder gar fiktiven) Mehr- oder Minderheit bb) Rechtsbindung: Jede staatliche Machtausübung bzw. Handeln durch alle Gewalten ist am Recht zu bemessen und daran als normatives Handlungsgebot gebunden und in der Einhaltung zu beurteilen cc) Rechtskontrolle: (1) Bestehen einer in ihrer funktionellen Rechtsprechung von direkten Weisungen unabhängigen dritten Gewalt

III. Annex: Mögliche Prüfungsschemata 

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(2) Funktionalität der Gesetzgebung von der Exekutive abgesondert (3) mögliche unabhängige Wirkung aller Gewalten auf die Wirksamkeit des von ihnen praktizierten Rechts in der Vorbereitung, Verkündung und vor allem Begründung von Entscheidung in die Öffentlichkeit erstrecken c) Menschenwürde: unmittelbare und insoweit vorbehalts- und unterschiedslose Anerkennung aller Menschen als „gattungsmäßig“ verbunden und wesensgleich als grundsätzlich zu freiem Willen befähigten rechtlichen und politischen Subjekten. 2. Negation als Regel, d. h. keine Beachtung mehr, v. a. a) normative Aufhebung als normative Regel (falls Konflikt mit anderer Kernregel → Konfliktlösung nach Prinzipienregeln) b) faktische Derogation als Regel c) faktische Verhinderung der Anwendung II. Negation der Prinzipien 1. Komponente im Prinzipienbereich betroffen: a) Demokratie: Input- und Output-Dimension an Allgemein-/Mehrheit: z. B. Diskursivität, Partizipation, Responsivität, Responsabilität etc. des konkreten demokra­ tischen Systems b) Rechtsstaat: innere Konsistenz, Plausibilität durch Legitimität wie Gerechtigkeit als System und in der Billigkeit, Wirksamkeit zum Schutz individueller Freiheiten und Rechte namentlich gegenüber allen anderen Formen der öffentlichen Gewalt und schließlich die demokratische Fundierung. Sie führen zu Fragen wie der nach möglichst effektiver Gewaltenteilung und -kontrolle, Funktionsfähigkeit der Rechtsanwendung und -durchsetzung im Rahmen der ausgeformten weiteren Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit sowie namentlich der Menschen- und Bürgerrechte innerhalb und außerhalb der justiziellen Verfahrensdimension c) Menschenwürde: auch Ableitung, insbesondere Menschenrechte in allen status, d. h. namentlich auch Schutzpflichten 2. Negation als Prinzip: fundamentaler Abwägungsmängel bei Optimierung: gänzliche Nichteinbeziehung, Verkennung u. a.

328

G. Ergebnisse und Schluss

2. Prüfungsschema Art. 79 III GG I. Gegenstand: formelles Gesetz i. S. d. GG (untergesetzliche Rechtsnormen scheitern bereits an Art. 20 I, 80) II. Unzulässigkeit nach Art. 79 III GG: 1. Gliederung des Bundes in Länder oder grundsätzliche Mitwirkung der Länder bei der Gesetzgebung berührt (hier nicht Gegenstand) 2. Grundsätze der FDGO berührt: a) Betroffenheit der FDGO (s. o.) b) Berühren durch Gesetzgebungsakt: aa) Unmittelbare Missachtung als Regel oder Prinzip bb) Strategischer Angriffspunkt: Beginn Gesamtplan einer Missachtung cc) Normativer Kipppunkt: Wirkungskraft eines Grundsatzes als Ordnungsprinzip dadurch schon in erheblicher Weise beschädigt dd) Effektiver Kipppunkt: wirksame Verhinderung der weiteren Entwicklung zu Missachtung erscheint rechtlich, vor allem aber tatsächlich nicht mehr gesichert 3. die sonst in den Artikeln 1 und 20 niedergelegten Grundsätze berührt (Republik, Sozialstaat ggf. sonst Bundesstaat, hier nicht Gegenstand) III. Rechtsfolge: Nichtigkeit des Gesetzes (im Vorfeld bereits Unzulässigkeit der Vorlage im Gesetzgebungsverfahrens)

3. Prüfungsschema für Eingriffsbefugnisse I. Taugliche Eingriffsnorm, z. B. Art. 18, 21 II, III GG II. materielle Voraussetzungen: 1. Taugliches Tatsubjekt: z. B. einzelner, Partei, Vereinigung usw. 2. Betroffenheit der FDGO (s. o. 1.) 3. Finalität (jeweils nach TB) 4. Modalität (jeweils nach TB) 5. Potentialität (jeweils nach TB) 6. ggf. Ergänzende Schranken-Schranken, v. a. Verhältnismäßigkeit III. Rechtsfolge: Nichtigkeit des Gesetzes (im Vorfeld bereits Unzulässigkeit der Vorlage im Gesetzgebungsverfahrens)

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Stichwort- und Personenverzeichnis 1. StrÄG  89 9. Thermidor II  60 1968-er Bewegung  191 a posteriori – Gemeinwohl 121 Abhörentscheidung  30, 190, 206, 222, 242 – Minderheitsmeinung  193, 245 Ablösbarkeit 66 Abrufbarkeit  71, 109 Absolutheitsanspruch  119, 120 Absolutismus 129 Abstammung 148 Abstimmungen 152 abstrakte Normenkontrolle  266 Abstraktionsniveau 104 Abtrennung eines Teilgebiets  211 Abwägungsprozess – offener und begrenzter  234 Abwehr 63 Abwehrmöglichkeit – Verfassungsschutz 272 Adams 142 AEMR  113, 162, 300 AfD 33 Aggression  129, 269 – Externalisierung 149 Agitation 60 aktiv kämpferisch  156, 275 Akzeptanz  134, 151, 174, 238, 309, 310 Alexy  126, 228, 232, 240, 303 Alimentierung 200 Alldeutsch, sog.  148 Allgemeine Erklärung der Menschenrechte ​ 113 siehe AEMR Allgemeinorientierung in der Amtsausübung ​290 Allmacht 113 Alterungsprozess der Verfassung  107 American Law Institute – Musterentwurf AEMR  162

Amtseid 196 Amtsträger 252 – verfassungsfeindliche Partei  283 Änderungsvorbehalt 258 Angehöriger des öffentlichen Dientes  197 Angriffspunkt – strategischer 248 Anker 85 Ankerpunkt  46, 115, 278, 309, 311, 320 Anpassungsfähigkeit 22 Antifaschismus 110 Antikommunismus 106 antiliberales Regime  297 Antisozialismus 106 Apartheid 84 APO 197 Apostasie 116 Arendt  24, 133 Areopag 20 Aristoteles  19, 130 Art. 48 WRV  69 Asylgrundrecht 43 Asylrecht 250 auctoritas  80, 98 Aufenthaltsrecht 294 Aufklärung  26, 138, 323 Aufklärungsmaßnahme – nachrichtendienstliche 273 Aufstiegschancen 151 Augustinus 130 Augustus 130 Ausgehen – Merkmal Parteiverbot  270 Aushöhlung der Verfassung  227 Aushöhlungsaktivitäten 70 Ausländer-Mitwahlrecht 237 Auslegung – Tradition 114 Auslegungsbedürftigkeit 104 Ausnahmezustand  28, 69, 159, 208, 318 – permanenter 84

Stichwort- und Personenverzeichnis Ausschaltung – unabhängige Gerichtsbarkeit  252 Außergeltungssetzung 252 Ausstrahlungs- und Ableitungsbereich – Grundsatz 234 auswärtige Belange  217 Autokratie  108, 317 Autopoiesis 309 autoritäre Herrschaft  243, 307 autoritäre Ordnung  135 autoritäres Regime  21, 133 autoritäres System  175, 295 Autoritarismus 31 – absoluter 21 – populistischer 22 – Vorwurf 107 Autorität  135, 311 Babeuf 84 Backes 31 Baden 77 Barbarei 170 Bayerischer Verfassungsgerichtshof  244 Bayern  74, 78, 197, 244 Beamtenrecht  49, 196, 199 – Nationalsozialismus 199 Beamter  59, 197, 291 Beeinträchtigen (Def.)  268 befriedende Kampfentscheidung  152 befriedete Argumentation  310 Befriedung 134 Begriffsjurisprudenz  124, 172, 232 Bekenntnis zur Verfassungsordnung  200 Bereitschaftspolizist 197 Berlin 68 Berufsverbot  31, 278, 281 Berühren 304 – Merkmal 222 Besatzung 68 Beseitigen (Def.)  268 Beseitigung des Bundestags  246 Bestand  54, 60, 102, 183, 193, 201, 210, 220, 272, 275, 281, 285, 292, 302, 316, 319 – ökologische Komponente  213 Bestandhochverrat 210 Bestandsvorbehalt 258 Bestimmtheitsgrundsatz 93

371

Bestrebung 272 – FDGO-konforme 265 Beurteilungskriterium 278 Bewertungsgrundlage 155 Beyerle 78 Bilfinger 58 Billigkeit 143 Bismarck  58, 179, 186 Blockpolitik 78 Bloßstellung 239 Böckenförde  34, 37, 124 Botmäßigkeit  213, 265 Bremen 77 Bryde 225 Bulla 102 Bundesamt für Verfassungsschutz  272 Bundespolizei 210 Bundesstaat  80, 85, 99, 176, 177, 179, 195, 220, 235, 262, 264, 297, 301, 306 – Grundsatz 312 Bundesverfassungsgericht  82, 92, 282 – ex-ante Kontrolle  278 Bundeswehr 284 Bürger  119, 160, 292 – Pflicht 205 Bürgerkrieg 134 Bürgerschaft – Rolle 107 – wehrhafte 107 Cassiodorus 130 Catilina 20 Chancengleichheit politischer Parteien  189 Charta der Grundrechte der EU  165 checks and balances  179, 239 Chile 37 Christentum  72, 97, 122, 131, 170 Cicero  19, 138, 154, 231 civitas humana  27 Codierungsansätze 111 coercio 140 Conjuration des Égaux  84 consensus omnium  122, 125 consuetudo iuris  311 consultum ultimum  159 Čopić 110 Coronadiktatur, sog.  27

372

Stichwort- und Personenverzeichnis

Costa/ENEL 245 Council of Europe  162 Crimen Laesae Majestatis  23 DDR  40, 87, 106, 109, 282, 322 Deeskalation 159 Defensor Pacis  130 Dehler  79, 297 Delegitimierung 317 Delegitimierungs-Verdacht 33 deliberative Überzeugungskraft  107 Demagoge 252 Demokratie 304 – Friedensfunktion 144 – Input- und Output-Dimension  241 – Revokation und Redistribution  237 – simulierte 153 – und Rechtsstaat  140 – wehrlose 205 Demokratieformen 109 Demokratielehre 63 Demokratiemodelle – alternative 43 Demokratieprinzip  28, 97 – EU 165 demokratische Grundsätze – Verpflichtung der Mitgliedstaaten  164 demokratischer Geist, sog.  74 demokratischer Grundgedanken der Verfassung 75 demokratischer Sozialismus  106 Denkschablone 114 Desintegration  49, 146 Destabilisierung 63 Deutungsmacht 48 Dezisionismus  35, 170, 222, 237, 256, 262, 309, 318, 320 Dezisions-Maßnahme 256 Dienstpflicht 199 Diktatur  28, 61, 65, 66, 71, 75, 76, 162, 179, 309 – kommissarische 225 – kommissarische, angeblich  318 Diskriminierung 287 Diskurs 174 – Verfassung 242 Diskursivität 241

Diskussionsgrundlage  154, 300 Distanzierungspflicht – Beamte 201 Disziplinarentscheidungen 194 Disziplinarmaßnahmen 197 Disziplinierungswirkung 31 Dürig  35, 49, 86, 99, 100, 227, 298 Dworkin 117 effet utile  324 EGMR 290 Ehmke  35, 124 Eigenmacht  139, 141, 150, 157 Einbürgerung 293 Einflussmöglichkeit 150 Einheit der Verfassung  235, 305 Einheitsfront (DDR)  282 Einheitsliste 78 Einheitsstaat  100, 167, 177, 212, 274 Einheitstheorie  257, 301, 302, 316 – engere  99, 176 – erweiterte 262 – extensive 201 Einigung – Deutsches Reich 1871  148 Einschüchterung  62, 239 Einschüchterungseffekt  45, 110 Einschüchterungswirkung 31 Einstein 131 Einzelkämpfer 277 Eklektizismus 104 Elemente-Enumeration  93, 298 Elite 278 Elitismus 20 Emanzipation – jüdische 117 Emotionalismus 61 Empowerment 131 EMRK  25, 162, 200, 206, 279, 286, 300 Endziel 120 Entartung 72 Entfremdungseffekte 146 Entnazifizierung 198 Entpolitisierung 109 Entschädigungsentscheidung 207 Entscheidungsmonopol des BVerfG  280 Entscheidungsprozess 241 Entspannungspolitik 109

Stichwort- und Personenverzeichnis Entwicklungsoffenheit 226 Entwicklungsrecht der Völker  161 Entziehung einzelner staatsbürgerlicher Rechte 281 equal concern  119 Ermächtigungsgesetz 265 Erniedrigung 239 Erosionsprozess des Grundgesetzes  107 Ersatzorganisation 286 Erwartungssicherheit  137, 311 Erziehung zur Freiheit  72 Eschenburg 72 Eskalationsprozess 132 Eskalationsspirale 138 ethnic profiling  139 EU  149, 218 europäische Einigung  220, 235 – Auftrag 222 europäische Integration  218, 221, 303 Europäische Menschenrechtskonvention siehe EMRK Europäische Union  26, 218, 237 europäischer Einheits- oder Föderalstaat ​274 europäischer Staatsverband  264 europäischer Verfassungsverbund  163 europäisches Staatsvolk  264 Europaoffenheit 218 Europarat 162 europastaatliche Bewegung  214 EUV 25 Ewigkeitsgarantie  55, 99, 186, 222, 245, 249 Ewigkeitskern 236 Ewigkeitsklausel  74, 77, 78, 172, 175, 221, 243, 266, 297 Ewigkeitsnorm, sog.  220 Ewigkeitsschutz  80, 303 Existenzminimum 312 – demokratisch-partizipatorisches 182 – demokratisches  180, 321 – menschenwürdiges 180 Externalisierung – Aggression 149 Extremismus  29, 31, 39, 85, 145, 295, 298, 319 – Begriff 44 – Reaktion auf FDGO  108 – sozialistisch-kommunistischer 250

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Extremist  49, 154 extremistisch 319 Fairness 143 fair play  121, 154 faktische Diskriminierungswirkung  285 Faktizität  156, 310 Fall Vogt  290 Faschismus  25, 61, 82, 296 – Technik 153 FDGO 75 – Europaoffenheit 218 – Skalierbarkeit  213, 218 fdVO  187, 209, 212, 220, 251, 268, 289, 301, 305, 318, 324 Feind  22, 207 Feindbilder 45 Feindschaft  149, 175 Fichte  34, 36 Finalität  266, 268, 272, 306 Flexibilität 50 föderale Zusammenarbeit  54 Föderalismus 222 Föderation 167 folkloristisches Massenereignis  153 Folter 234 Formel der freiheitlich(en) demokratischen Grundordnung 73 Fortbestand 213 Fortschritt  107, 156, 181, 310, 320 – individueller Anteil  151 – menschenwürdiger  127, 300 Fortschrittlichkeit  42, 126, 249, 262 Fortschrittsfähigkeit  218, 264 Fortschrittsfunktion 203 Fortschrittsoffenheit 112 Foucault 39 Fraenkel  24, 119, 121 Frankfurter Dokument  78 Frankreich  57, 60, 68, 77, 82, 178, 198 Französische Republik  60 Freiburger Schule  35 freie Demokratie  78 Freiheit  21, 52, 115 – gewährte, sog.  206 – individuell-subjektive 313 – möglicher Grundsatz  313 – Strukturierung 314

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Stichwort- und Personenverzeichnis

freiheitlich demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes  195, 220, 275, 302 Freiheitsgrundrecht 313 Freiheit von Botmäßigkeit  213 Freizügigkeit  211, 252 fremde Macht  211, 215 Fremdheit 149 Freud  62, 179 Freund-Feind-Rhetorik 319 Freund-Feind-Schema 207 Frieden – als Staatsgrund  133 – christlicher 131 – innerhalb des Gemeinwesens  129 – internationaler  129, 161, 220 – säkular-profan 130 – und Gerechtigkeit  131 – und Ohnmacht (Def.)  131 – und Religion / Weltanschauung  129 – und Sicherheit  134, 137 – und Staat  129 Friedensbedrohung – grenzüberschreitende 161 Friedensfunktion 300 – Völkerrecht 212 Friedensidee 131 Friedensordnung  130, 309, 318 Friedlichkeit  88, 129, 303 – verfassungsrechtliches Gebot  216 Fröbel 264 Frusterfahrung 132 Führer  20, 21, 225, 323 – Persönlichkeit 153 Führer-Willkür 123 Fundamentalnormen 76 Funktionalisierung  173, 299 Galtung 131 Garantiebereich 220 – Parteienprivileg 286 Gebietsabtretung 212 Gebietsbestand der Länder  212 Gefahr  266, 271 Gefährder  32, 139 Gefahrenabwehr  138, 215 – allgemeine 274 – der Länder  275

Gefahrenabwehrrecht 293 Gefahrenschwelle  139, 267 Gegenbild 108 Geheimpolizei 65 Geist  36, 62, 257, 297 – der Verfassung  297, 303 – des Volkes, sog.  222 Geistesfreiheit 114 geistiger Kampf  270 Geltung  156, 230, 309, 311, 324 – Missachtung 247 – Recht 135 Geltungskraft 310 Geltungslegitimierung 174 Gemeinwohl  120, 299 – a posteriori  121 – prozedural 121 Gemeinwohlgenese 122 Gemeinwohlpluralismus  119, 302 Generalermächtigung 42 – Staatsschutz 192 Gerechtigkeit  181, 299 Gericht 109 gerichtliche Nachprüfung  273 Gerichtsbarkeit 307 Gerichtsweggarantie 235 Gesamtstrategie 248 Gesellschaftsvertrag 159 Gesetz 300 – Funktion 140 Gesetzgeber  141, 143 Gesetzmäßigkeit 110 Gesetz und Recht  171 Gesinnungsächtung 46 Gesinnungssanktion 199 Gewalt  119, 134, 156, 238, 270, 271, 285 Gewalt- oder Willkürmaßnahmen  86 Gewalt- und Machtmonopol  216 Gewalt- und Willkürherrschaft  86, 90, 99, 131, 139, 143, 236, 262, 298 Gewaltbereitschaft 45 Gewalteneinheit 109 Gewaltenteilung  140, 238, 241, 307 Gewaltherrschaft  86, 113 Gewaltkreislauf 133 gewaltloser Widerstand  84 Gewaltmonopol  130, 134, 141, 157, 216, 271 gewaltsame Angriffe  276

Stichwort- und Personenverzeichnis Gewaltverbot 107 Gewaltverzicht 119 Gewerberecht 294 Gini-Koeffizient 323 Glaube 116 Gleichberechtigung 150 Gleichheit 299 Gliedstaat 264 Gliedstaatlichkeit  76, 213 good governance  173 Gottesbezug 170 Gottesgnadentum 80 Gramsci 84 grande terreur  60 Grenzproblem 189 Grundakzeptanz 146 Grundgesetzgeber 166 Grundpflicht 163 Grundprinzipien 71 Grundrechte 81 Grundrechtecharta 165 Grundrechtsentzug 279 Grundrechtsinterpretation 124 Grundsatz – Aufhebung 248 – Ausstrahlungs- und Ableitungsbereich ​ 234 – Begriff 228 – erkenntnisphilosophisches System  229 – Kernbereich 234 – Normativität 229 – prinzipielle Preisgabe  243 – Prinzipienwirkung 240 Grundsatzausschuss 79 Grundsätze des Grundgesetzes  54, 288 Grundsatzkern 304 Grundwert  85, 101, 116 – EU 164 Gusy 101 gute Ordnung  130 Habermas 152 Habituierung 151 Hauptsiegermächte 161 Hegel  34, 36, 133 Heiliges Römisches Reich Deutscher Nation ​148 Heller  146, 151, 321

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Herdegen 225 Hermeneutik  115, 320 hermeneutische Projektion  173 hermeneutischer Diskurs  123 Herrschaft  211, 310 Herrschaft des Rechts  307 Herrschaftsausübung 152 Herrschaftsgehorsam – blinder, sog.  211 Herrschaftsglaube 323 Herrschaftslehre 130 Herrschaftsmacht 159 Hessen 74 Heuss  79, 297 Hierarchisierung 45 historische Rechtsschule  36, 172 Hitler 243 Hobbes  20, 133, 137, 310 Hochverrat  23, 60, 71, 176, 210, 252, 275 – Vereinigung 185 Hoegner  28, 81, 90, 93, 298 Höffe 118 Homogenisierung  148, 300, 319 Homogenität  36, 44, 155, 203 Homogenitätsfiktion 151 Homogenitätslehre 146 Homogenitätspostulat 149 Honneth 133 Hufeisen-Metapher 41 Humanismus  72, 122 Idealismus 168 Idee objektiven Rechts  309 Identifikation 300 Identifizierung 151 Identität  45, 228, 316, 320, 323 – völkisch-ethnische Scheinidentität  151 Identitätskern – und Vorbereich  227 Identitätstheorie  224, 244, 304 Ideologie 23 Illusion der Mitbestimmung  22 Immunisierungseffekt 110 Immunisierungstheorie  243, 304 Immunität – Partei, keine umfassende  284 Immunitätsprivileg 307 – nicht durch Verwirkungsnorm  280

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Stichwort- und Personenverzeichnis

Indemnität 288 Individualität  22, 114 Indoktrination 291 in einer demokratischen Gesellschaft notwendige Eingriffe  162 Infiltration 64 Informationen 285 Informationssammlung 283 innere Sicherheit  31, 215 Integration  35, 45, 178, 198, 262, 282, 283, 306, 310, 319 – im Diskurs  44 – Sozialstaat 179 – symbolische  152, 323 Integrationsaufgabe 147 Integrationsfläche 174 Integrationskraft  49, 152 Integrationslehre 35 Integrationsleistung  150, 151 Integrationsmittel 26 Integrationsoffenheit  156, 226 Interessensspaltung 149 Interpretationsmacht 105 Intoleranz  45, 67, 120 Irrationalisierung  72, 84, 296 Irrationalität 108 Islamismus 250 Jakobinerclub 60 Jakobs 208 Jellinek  70, 71, 75, 76 Jesse 31 judicial restraint  114 Justizgewährung 141 justizielle Überprüfung  288 Kägi 35 Kaiserreich  57, 225 Kalter Krieg  30, 40, 82, 106, 322 Kampf  268, 276, 279 – bei Verwirkung (Def.)  269 Kampf der Meinungen, sog.  194 Kampf um die Herrschaft  154 Kampf um die politische Macht  155 Kampf ums Recht, sog.  318 kämpferisch-aggressive Haltung  270, 306 Kampfinstrument  40, 103 Kampfmittel  38, 263, 320

Kanada 149 Kant  129, 161, 217, 229 Kapitalismus 38 Karlsbader Beschlüsse  60 Kaufmann  23, 35 Kelsen  35, 151 Kern  68, 175, 177, 254, 273, 295 – der Verfassung  251, 305 – Grundsätze 234 Kernbereich  226, 248, 249 Kernbereiche privater Lebensgestaltung ​289 Kipppunkt 317 – effektiver 249 – normativer 248 Klasse 120 Kleptokratie 22 Koexistenz 310 Kohärenz 111 – soziale 151 Kohäsion 300 Kohlhase, Hans 318 Kollektivismus  82, 113, 239, 322 Kollisionslösungslehre 232 Kollisionsregel 247 Kommunikationsfreiheiten  59, 71 Kommunikationsüberwachung – zur Aufklärung  252 Kommunismus  109, 145, 322 – Technik 153 Kompensation 249 Kompetenz-Kompetenz 214 Kompetenzverteilungstheorie 259 Komplexitätsreduktion  137, 138, 229, 231, 309, 311 Komponententrias 104 Konfliktaustrag  132, 135 Konfliktlösung 238 Konfliktpartei 137 Konfliktprävention 238 Konfliktregel  155, 304 Konfliktverarbeitung 134 Konföderation 167 Königsteiner Entwurf  71 Konkordanz  232, 235, 240, 306 Konsilium 20 Konsistenz  229, 234, 241 Konstruktionsprinzip 115 Kontrolldichte 285

Stichwort- und Personenverzeichnis Kontrolle  139, 249, 288, 307 Kontrollinstanz 278 Konvent  78, 113, 303 Kooperations- und Delegationsmöglichkeit – supranational 213 Koreakrieg 322 Korsgaard 117 KPD  30, 76, 85, 103, 106, 115, 120, 167, 189, 297 Kreislauf der Verfassungen  23 Krieg aller gegen alle  134 Kriele 126 Kriminalitätsbekämpfung 274 kriminelle Organisation  185 Kritik  144, 217, 269 kritischer Rationalismus  296 Labelling 49 laissez-faire-Gesellschaft 66 laissez-faire-Relativismus 146 länderübergreifender Polizeieinsatz  210 Landesverfassung 68 – präföderal 197 Lautner 109 Lebensformpluralismus 146 Le Bon  62, 179 legale Revolution, sog.  243, 248 legaler Anstrich, sog.  243 legalistische Umwälzung  252 Legalitätseid, sog.  243 leges silent inter arma  159 Legitimation – durch Verfahren  131 Legitimationskette, sog.  97, 223 Legitimationsniveau 223 legitime Herrschaft  133 Legitimierung 121 – durch Verfahren  135 – FDGO 169 Legitimität  160, 216, 236, 238, 281, 310 – Entscheider 135 Lehrer 198 Leibholz 34 Leitbild  108, 166, 167, 168, 240 Leitbildwirkung 108 Leitkultur 155 Leninismus 322 Lernfähigkeit des Souveräns  128

Lessing 125 Letztakt 248 levée en masse nationale  148 Leviathan  20, 134 Lissabon-Entscheidung 224 Logik – Gesetz der  136 Löwenstein  24, 31, 61, 71, 72, 163, 206, 296 Luftverkehrssicherheitsrecht 294 Luhmann  111, 309 Luther King 131 Machtaussichten – als Integrationsfaktor  150 Machtausübung 238 Machtergreifung, sog.  70, 84, 244, 322 Machtfrage 256 Machtmissbrauch 249 Machtraum  269, 271 Machtspruch – und Rechtssatz  239 Magistratsgewalt 140 Mainstream 49 Majorisierung 150 Manipulation  156, 244 – der Verfassungsgerichtsbarkeit  278 Mannheim  65, 206 Marbury v. Madison  142 Marginalisierung  314, 320 marketplace of ideas  206, 209 Marktmacht 323 Marsch durch die Institutionen  30, 197 Marsilius von Padua  130, 140 Märtyrer 64 Massachusetts 142 Masse  62, 120, 322 Massendemokratie 23 Mäßigungsgebot 290 Maßnahmenstaat 280 Maßstab 258 McCarthy 59 Mehrheit 145 Mehrheitsbeschlüsse 71 Mehrheitsentscheidung 150 Mehrheitskartelle – faktische durch Parteien  282

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Stichwort- und Personenverzeichnis

melting pot  148 Menschenbild  114, 173 Menschenrechte 93 Menschenwürde  22, 79, 97, 113, 299, 304 Metadiskurs 235 Metagrundsätze 317 Metanormsystem 308 Michael Kohlhaas 318 Migrant 37 Migrationsmord sog.  27 militant democracy  24, 61, 84, 145, 163, 192, 200, 252, 260, 262, 296, 301, 317, 324 Militanz 175 Militäreinsatz 266 Minderheit – ethnische 148 Minderheitsschutz 145 Minimalkonsens 46 Missachtung  303, 311 – prinzipielle 235 Missachtungsangriff  304, 306 – Definition 247 Missbrauchschutz 83 Missbrauchsklausel 279 Mittelalter 310 Mitwirkung 144 Mitwirkungschance 153 Modalität  269, 272, 274, 306 Monarchie  77, 88, 100, 177, 179, 212, 262, 274 mos maiorum  20 Mussolini  22, 133 Nachahmungseffekt 200 nachrichtendienstliche Aufklärungs­ maßnahme 273 Nation 147 nationale Identität – Unionsrecht 164 Nationalidealismus  35, 222 Nationalismus 148 – anti-supranationaler 321 – völkischer 145 Nationalität 316 Nationalsozialismus  36, 56, 82 Nationalstaat 226 Nationalstaatlichkeit 306 Nationalversammlung 256

Naturgesetz 136 Naturrecht  58, 75, 94, 105, 169, 255, 301, 310 Nawiasky  28, 81, 298 Neugründung des Reichs  58, 259 Neumann 150 Neutralität 83 – weltanschauliche 117 Neutralitätspflicht 39 Neuverfassung 256 Neuzeit  130, 310 Nichelmann  111, 309 Nicht-Homogene, sog.  149 Nietzscheanismus, sog.  127 norma normans  228 Normalismus, sog.  39, 323 normative Kraft  311 Normbefolgung 139 Normbewusstsein 311 Normenhierarchie 317 Normsicherheit 137 Normtheorie – allgemeine 232 Normübertretung 139 Nothilferecht 158 Notstandsgesetze  30, 55, 191, 210 Notstandsrecht  56, 68, 297 Notverordnungen 59 Notverordnungsrecht 69 NPD  48, 96, 270, 297, 298 – Verbotsurteil 48 NS-Beamtenrecht 199 NS-Diktatur 24 NS-Herrschaft  88, 296 NS-Machtergreifung 63 NS-Maßnahmenrecht 197 NS-Menschheitsverbrechen 107 NS-Regime  170, 199, 296 NS-Staat  106, 113 NS-System – Opfer 257 – Unrecht 190 NSDAP  68, 322 NSU, sog.  33, 84, 106 Nutzenerwartung  150, 151 Oberster Gerichtshof für die Britische Zone 87

Stichwort- und Personenverzeichnis objektives Recht  309 Objektivierung – des Menschen  97 Obrigkeit 114 obrigkeitliche Gewalt  157 Obrigkeitsstaat  153, 192, 323 offene Gesellschaft  66 offene Verfassung  103, 222 Offenheit  50, 149, 257 – Prinzipienoptimierung 232 – supranationale 213 öffentliche Sicherheit  211, 293 öffentlicher Dienst  46 Öffentlichkeit  152, 157, 194, 238, 252, 267, 271, 278, 308, 318, 325 Ohnmacht  131, 134, 135, 141, 144, 149, 157, 300 – und Gewalt  132 Ohnmachtserfahrung 132 Oktober-Revolution 322 Oligarchie 150 Opposition  65, 83, 98, 110, 112, 150, 200, 277, 306, 307, 317 – radikale 282 – Schutz gegen Regierung  280 Oppositionspartei 284 Optimierung  232, 248 – methodische Anforderung  240 – plausible 235 Optimierungsraum 247 Optimierungssystem – Determination 232 ordre public – EU 164 Organstreitverfahren 266 Orientierungspunkt 154 Ostblock 79 panes et circenses  22 Pareto 133 Parlament  267, 288 parlamentarische Monarchie  167 Parlamentarischer Rat  55, 72, 79, 100, 170, 226, 251, 256, 266, 297, 303 parlamentarisches Regierungssystem  94, 178 Parlamentarismus 97 Parlement bzw. Parliament  140 Partei  277, 294

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– Amtsträger in verfassungsfeindlicher ​ 199 – Bestand und Betätigung  282 – Schutz gegen sog. Ausschaltung  282 Parteiengesetz 282 Parteienprivileg  185, 200, 278, 290 Parteisanktionierung  156, 214, 271, 286 Parteiverbot  54, 55, 71, 80, 93, 109, 128, 156, 214, 286, 298 – revanchistische oder imperialistische Partei 217 – Verfahren 82 Partikularinteresse 120 Partizipation  118, 241 Partizipationsminimum 321 Pasci 22 Patristik 130 pax Romana  130 Perfektionierung 127 Persönlichkeit 114 Pflicht – Amtsträger zur Restitution und Widerstand ​254 – zum Widerstand  69 – zur sachlichen Kritik  290 Pflichtverletzungsstrafbarkeit 208 Platon 19 Plausibilisierung 235 – Entscheidung 135 Plausibilität  135, 238, 309 – durch Legitimität  241 plébiscite de tous les jours  149 Plebiszit 260 Pluralismus 299 – Lebensformen 146 Pluralismustheorie 46 Pluralität – hermeneutische 229 Plutokratie 151 Polen 252 Politikdarwinismus 159 politische Justiz  41 politische Theologie  27 Polizei  54, 215, 252, 274 Polizeieinsatz 266 – länderübergreifender 210 polizeiliche Zusammenarbeit – föderale 275

380

Stichwort- und Personenverzeichnis

Polizeirecht 176 – präventives 274 Polizeistaat 138 Polybios 23 Pönalisierungspflicht 324 Popitz 132 Popper  24, 66, 83, 236, 296 Populismus  20, 108 Porajmos 24 Positivismus  57, 58, 68, 75, 170, 171, 211, 301, 310 – Verfassungspositivismus 94 Potentialität  271, 272, 274, 306 potestas 80 pouvoir constituant  35, 58, 171, 178, 186, 208, 221, 224, 256, 257, 261, 262, 263, 273, 314 pouvoir constitué  58, 256 Präambel 216 – des Grundgesetzes  170 praesumptio pro libertate  125, 325 präföderale Landesverfassung  68, 73, 226 Präsidialrepublik 212 Präsidialsystem  167, 262 Prävention 288 Präventionsstaat 137 Prekariat 322 Preuss 150 Prinzip  229, 232 – Konfliktregel 232 prinzipielle Missachtung  235 Prinzipienbereich 304 Prinzipiengeltung – Missachtung 248 Prinzipienoptimierung – Offenheit 232 Prinzipientheorie  228, 232, 240, 303, 311 Privatautonomie 110 Privateigentum 110 Projektion 115 Proletariat 322 Propaganda 62 – kommunistische  106, 107 Propagandastrafrecht 286 prototalitäres Gedankengut  210 Prüfungsmaßstab 315 Pseudoparlament 153 Publikum 152

Radbruch 143 Radbruchsche Formel  143, 239, 255 Radikalenerlass, sog.  30, 32, 41, 197, 198 Radikalismus  32, 145 Rahmenordnung  35, 39 Rasse, sog.  147 Rassismus 250 Rationalisierung 308 – Demokratie 241 Rationalität  119, 256, 285 Rationalitätsgebot 290 ratio scripta  135 Rawls  116, 117 Raz 117 Rebellentum 47 Rechtsanwaltschaft 288 Rechtsbefolgungspflicht, allgemeine  293 Rechtsgehorsam 170 Rechtsgleichheit 239 Rechtsklarheit 111 Rechtskontrolle 250 Rechtsnormen 311 Rechtspositivismus 105 Rechtsprechung – weisungsunabhängige 238 Rechtsprechungsmonopol 142 Rechtsschutz  236, 250 Rechtssicherheit  61, 112, 138 – und Friedlichkeit  142 Rechtsstaat  21, 304 – Friedensfunktion 141 – und Demokratie  140 Rechtsstaatsprinzip 98 – EU 165 Rechtsstab 309 Redistribution 325 – demokratische 237 Referendariat 198 Regel  229, 232 Regelkern 250 – Missachtung 247 Regelkonflikt 247 Regierung – legitime 273 Regierungssystem  167, 301 regime change  84 Reichsbürgergesetz 37

Stichwort- und Personenverzeichnis Reichsbürger, sog.  291 Reichstag 259 Reichstagsbrand 265 Reichsverfassung – 1919  126, 225, 255 – Kaiserreich  225, 259 Reintegration  146, 279, 281, 306 Relativismus 72 Religionsfrieden 129 Religionskrieg 117 Renan 149 Repräsentanz 236 Repräsentation 152 Repressionsdruck 110 Republik  80, 167, 177, 179, 195, 220, 301, 306, 367 – Friedlichkeit 161 – Grundsatz 312 – Prinzip 100 republikanische Staatsform  68 republikanische Verfassung  80 Republikschutz 56 Republikschutzgesetz  60, 63 Republikschutzrecht 59 Res Publica  19, 23, 231 Reservefunktion  221, 280 – des Volkes  59 Reservemacht 261 Resilienz 314 Responsabilität 241 Responsivität  135, 236, 241 Restauration 148 Restitutionspflicht 254 Restitutionswiderstand 251 Restitutionswiderstandsrecht 260 Revidierbarkeit 249 Revokation  263, 265, 325 – demokratische 237 Revolution  133, 134, 256, 318 – legale, sog.  243 Revolution von 1918  126 Rheinland-Pfalz  76, 80 Richter  252, 288 Richterschaft 60 Rituale 152 Robespierre 106 römische Republik  19, 321 Rousseau 79

381

Rückkopplung – demokratische 237 Rückkopplungsprozess 316 Ruhestand 292 rule of law  142, 173 Russland  21, 322 Saarland 77 Sanktionierung 141 Satellitenstaat 82 Sattler 193 Saturday Night Massacre, sog.  142 Scheindemokratie 133 Schein der Legalität  68 Scheinidentität 151 Scheinnorm-Verdacht 263 Scherbengericht 141 Schläfer 200 Schliesky 203 Schlussstein 249 Schmid  68, 73, 79, 297 Schmitt  34, 38, 58, 146, 159, 171, 207, 208, 210, 224, 257, 259, 262, 303, 305, 310, 318, 319 Schmitt Glaeser  99, 101, 227 Schönwetterrechtsstaat, sog.  69 Schranken-Schranke 233 Schutzauftrag des Verfassungsrechts  324 Schutzgut  267, 273 Schweiz 149 Scientology 197 Scipio Africanus 20 Securitization 31 SED 80 Selbstbestimmung 98 Selbstbestimmungsrecht 237 Selbstbestimmungsrecht der Völker  161 Selbstbindung  128, 172 Selbsterhalt 134 Selbstermächtigung 203 Selbsthilfe 157 Selbstintegration 150 Selbstmord der Demokratie, sog.  56 Selbstverwirklichung 22 Senat 73 Separatismus  145, 213 Shoa  24, 87 Sicherheit  54, 102, 133, 300, 303, 319

382

Stichwort- und Personenverzeichnis

– der Bundesrepublik Deutschland  292 – Erwartungssicherheit 137 – gewährte 22 – innere 215 – Normsicherheit 137 – öffentliche 293 – öffentliche, Schutzgut  211, 214 – präemptive 316 – Rechtssicherheit 138 – Schutzgut 220 – Schutzgut Verfassungsschutz  272 – Strafrecht 325 – Verfassungsschutzgut 214 Sicherheitsauftrag 325 Sicherheitsbehörde 274 Sicherheitsidee 310 Sicherheitskräfte 275 Sicherheitsorgane 215 Sicherung 214 Sieyès  58, 186 sine ira et studio  141, 207 Sinngebung 151 Skalierbarkeit  218, 226 – FDGO 213 Smend  35, 146, 149, 152, 153, 321 Soldatenentscheidung  191, 204, 205, 207 Solidarität  173, 312 Souveränität 134 – innere 211 sowjetisch besetzte Zone (SBZ)  79 Sowjetkommunismus 82 Sowjetunion  79, 82, 163 Sozialdarwinismus 127 Sozialdemokratie 72 soziale Gerechtigkeit  179 soziale Kohärenz  151 soziale Marktwirtschaft  321 sozialer Rechtsstaat  181 Sozialisierung  126, 181 Sozialismus  38, 109, 167, 322 – und FDGO  321 Sozialistengesetz 60 Sozialistische Reichspartei (SRP)  85 Sozialität 312 Sozialordnung  110, 180 Sozialstaat  99, 176, 177, 179, 195, 220, 299, 301

– Grundsatz 312 – Prinzip  127, 179 Sozial- und Verhaltenswissenschaften  111 Spannung 223 Spielregel  121, 123, 143 Spinoza 131 Splittergruppierungen 71 Sprache 149 Springer-Medien 41 SRP  89, 297 Staatbestand 226 Staatlichkeit  212, 218, 224 – national-identitäre 321 Staatsbediensteter  197, 283 Staatsbestand  211, 235 staatsbürgerliche Rechte – partielle Entziehung durch Strafurteil ​ 281 Staatsdiener  194, 195, 199 staatsfeindliche Bestrebung  319 Staatsferne 307 Staatsgebiet  212, 264 – Entzug 214 Staatsgefährdung 89 Staatsgefährdungsdelikte 91 Staatsgerichtshof  70, 74, 76 Staatskult 26 Staatsnotwehr, sog.  208 Staatsoberhaupt 152 Staatsorgan  215, 267 Staatsräson der Bundesrepublik  26 Staatsrepräsentation, Akte der  152 Staatsschutz  56, 252 Staatsschutzdelikt 292 Staatsschutzrecht 214 Staatsschutzstrafrecht  64, 217, 252, 275, 306, 317 Staatssicherheit 316 Staatsstreich, kommunistischer  106 Staatsstreichplan  58, 186 Staatsstreich von oben, sog.  69, 297 Staatsstrukturprinzip  28, 93, 301 Staatstheologie 147 Staatsverband 264 Staatsverdrossenheit 144 Staatsvolk 264 Staatswissenschaft 308 Staatszweck, transkonstitutioneller  105

Stichwort- und Personenverzeichnis Stabilität  49, 146, 316 Stabilität der FDGO  219 Stalinismus  296, 322 Starrheit – der Verfassung  128 Stigmatisierung  32, 41, 44 St. Just 207 Stollberg 110 Strafausspruch 141 Strafrecht  274, 281, 284 Strategischer Angriffspunkt  248 streitbare Demokratie  29, 83, 111, 204, 209, 220, 263, 302, 316, 319 – Argumentationsfigur 194 – Leitbild 188 – Verfassungsprinzip, mutmaßliches  188 Streitbarkeit 207 Streitbarkeitsfloskel 206 Streitkräfte  211, 215, 252, 274 – Einsatz zum Schutz der FDGO  266 Studentenbewegung 30 Subjektivismus 120 Substanz der Verfassung  244 Substrat 234 Subventionierung – Partei durch Staat  287 Sündenbock 149 Superlegalität 28 Super-Legitimität, sog.  42 Süsterhenn  76, 171 suum cuique tribuere  131 symbolische Integration  152, 323 System – Verfassung 124 Systemgerechtigkeit 111 Systemtheorie  111, 134, 137, 309 Täterlehre, strafrechtliche  207 Tätertyp 318 Täuschung  260, 265 Techniken der Machtergreifung  25 technischer Notstand  69 Telekommunikationsgeheimnis 55 Telekommunikationsüberwachung 275 terreur 149 Terror – stalinistischer 106

Terrorismus 274 – Vereinigung 185 Terrorismuspropaganda 284 Terrorismusstrafrecht 286 Terrorwirkung 22 Textänderungen 221 Thoma 35 Thukydides 138 Toleranz  116, 297 Toleranz-Paradoxon 66 Toleranzbereich  298, 306, 315 – Lehre vom  278 – Theorie  100, 227, 280 Totalerfassung 239 totalitäres Regime  29, 243 totalitäres System  295 Totalitarismus  22, 31 Transformationsstaat  24, 33, 108 Transparenz 285 Trennungsgebot 274 Treue zur Verfassung – Lehre 199 Treuepflicht  196, 198, 291 – allgemeine und besondere  208 Triebverarbeitung 132 Trumpismus 24 Türkei 252 Turner Diaries  84 Tyrann 179 Tyrannei der Werte, sog.  122, 203 Tyrannis 23 Überparteilichkeit 290 Ulmer Reichswehrprozess  243 ultima ratio  139 Umsturz  150, 176, 196, 212 – legaler, sog.  248 Umsturzunternehmen 211 Umsturzversuch  63, 71 Umwälzung 212 Umwälzungsgesetz 243 Umweltschutz 235 Unbestechlichkeit 290 Unbestimmtheit 104 Unfriedlichkeit 149 Uniform 291 Uniformierung 64 Unionsrecht  163, 173, 244

383

384

Stichwort- und Personenverzeichnis

Unterdrückungssystem 84 Untertan  80, 114, 323 Unterwerfung 138 USA  57, 59, 66, 82, 84, 163, 178 US-Verfassung 57 Utilitarismus 120 Van Gend & Loos  245 Veränderungsfähigkeit 127 Verankerung  262, 314 Verantwortlichkeit 173 – Regierung 109 Verblendung des Volkes  317 Vereinheitlichungslehre 99 Vereinigtes Königreich  82 Vereinigungen 59 Vereinigungsprivileg, mutmaßliches  185 Vereinigungsverbot 184 vereintes Europa  213 Verfassung – formal-legale, bloß  254 Verfassung des Deutschen Reiches  57 Verfassung im formellen Sinn  182 Verfassungs-Resilienz 256 Verfassungsablösung  99, 258, 264 – freie Entscheidung  260 verfassungsändernder Gesetzgeber  265 verfassungsänderndes Gesetz – formell ordnungsgemäßes  266 Verfassungsänderung 258 – Ergebnis und Verfahren als Beurteilungspunkt 273 – Verfahren 253 Verfassungsänderungsgesetz 261 Verfassungsausgestaltung  167, 251 Verfassungsbeschwerde 206 Verfassungseinheit 255 Verfassungsergänzung 261 Verfassungsermächtigung 261 Verfassungsfeind  30, 46, 49, 75, 189, 201, 203, 280, 315, 318 – Ablehnung Begriff  207 Verfassungsfeindesrecht, sog.  208 verfassungsfeindliche Bestrebung  207, 262, 293 verfassungsfeindliches Gesetz – parlamentarisches Verfahren  266 Verfassungsfeindlichkeit 293

– bloß materielle, sog.  286 Verfassungsfortentwicklung 213 Verfassungsgegner 156 Verfassungsgenese  177, 199 Verfassungsgesetzgeber  256, 260 Verfassungsgrundsätze  91, 99, 275 Verfassungshochverrat  210, 275 Verfassungsidentität  39, 58, 224, 225, 226, 244, 264 Verfassungsintegrität  68, 297 Verfassungskern  51, 55, 57, 68, 228, 303 Verfassungskommission der Länder der amerikanischen Besatzungszone  73 Verfassungskonvent  55, 72, 296 verfassungsmäßige Ordnung  54, 91, 167, 195, 220, 238, 276, 293, 316 – Definitionen 182 verfassungsmäßige Rechtsordnung  182 Verfassungsneuschöpfung 258 Verfassungsordnung  60, 166, 175, 301 – Bekenntnis zur  200 – Störungen der  275 Verfassungspathos 187 Verfassungspatriotismus 26 Verfassungsprinzipien 175 Verfassungsrahmen 264 Verfassungsrevision 264 Verfassungsrevolution 68 – legalistische 252 Verfassungsschutz  49, 54, 205, 214, 252, 272, 319 – materieller 274 – präventiver 107 Verfassungsschutzrecht 317 – Aufgaben und Befugnisse  275 Verfassungsschutzverbund 31 Verfassungsstrukturprinzipien 178 Verfassungstext 231 Verfassungstextänderung 175 Verfassungstotalitarismus 43 – Gefahr 103 Verfassungstradition 299 – EU 164 Verfassungstreue  39, 71, 205, 209, 220, 272, 275, 302 Verfassungstreuepflicht  192, 196, 201, 208, 291 – allgemeine, keine  292

Stichwort- und Personenverzeichnis – besondere 289 Verfassungsüberzeugung 318 Verfassungsverbund – EU 163 Verfassungsverrat  90, 91 Verfassungsvertrag 58 verfassungswidrige Verfassungsnorm  168, 255 Verfassungswidrigkeit – materielle 175 Verfassungswirklichkeit 167 Verfügungsgewalt 144 Vergaberecht 198 Vergiftung der fdVO  276 Verhaltenssicherheit 149 Verhaltensstabilisierung 311 Verhaltenssteuerung 311 Verhaltensstörer 139 Verhältnismäßigkeit  267, 286, 293 Verhältniswahlrecht 63 Vermittlungszusammenhang 96 Vermittlungszusammenhang, konkreter ​104 Vernunftrecht  58, 173, 301 Versailler Vertrag  322 Verständigung 310 Verständigungsfähigkeit 149 Versteinerung  42, 74, 104, 107, 178, 221, 222, 223, 250, 262, 298, 320 Verteidigungsfähigkeit 25 Verteidigungslinie 251 Verteidigungszustand  61, 296 Vertrauen  137, 146 – naiv 107 Verweislösung 80 Verweistechnik 303 Verweistheorie 224 – prinzipielle 231 Verwirkung  54, 55, 268, 292 – faktische 281 – Grundrechtcharakter 101 – Schutzwirkung 279 v. Humboldt 137 v. Mangold  79, 297 Volk 124 Völkerrecht  161, 173 völkerrechtlicher Vertrag  237 Völkerrechtsverbrechen 161 Völkischer Beobachter  63

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Volksabstimmung  261, 265 Volksdemokratie, sog.  79, 297 Volksentscheidung 256 Volksgeist, sog.  36, 124, 147, 222, 225 – als sog. Volksrechtsgeist  172 Volksglied 323 Volksgruppen 148 Volksherrschaft 154 Volkshomogenität 147 volksidentitäres Denken  208 Volksouveränität 80 Volksrepublik China  21 Volkssouverän  208, 255 – absoluter, vermeintlich  256 Volkssouveränität  28, 34, 93, 97 Volkstum 148 Volksversammlung 140 Volksvertreter 288 Volksvertretung  259, 273 Volkswillen, sog.  44, 221, 225, 234, 237, 259, 264, 273 – Absage des GG  261 Volkswillensabsolutismus 257 Volkswillensherrschaft 320 Volkswillenssouveränität, sog.  259, 305 Volkswillkür 258 von Kahr 63 Vorentwurf 78 Vorfeldbefugnisse 317 Vorfeldschutz  252, 277, 306 Vulnerabilität  244, 314, 317, 323 Waffe 283 Waffenrecht  283, 293 Wahlen  83, 152 Wahlkämpfe 152 Weber  108, 132, 135 wehrhafte Demokratie  29, 40, 46, 83, 191, 195, 209, 211, 220, 252, 272, 290, 298, 302 – Einbürgerung 293 – normatives Prinzip, angebliches  202 – Verfassungsprinzip 102 Wehrhaftigkeit  202, 203 – fiktive 210 Weimar 128 Weimarer Formalismus, sog.  74 Weimarer Koalition  60

386

Stichwort- und Personenverzeichnis

Weimarer Republik  27, 33, 55, 56, 59, 65, 170, 209, 225, 255, 259, 264, 297 – Beamtenrecht 196 – Integrationsparadigma der Staatslehre ​ 145 Weimarer Verfassung  172 Weltanschauung 116 Weltanschauungsneutralität 299 Weltanschauungsoktroi 116 Weltanschauungspluralismus 121 Weltwirtschaftskrise 322 Werte  47, 84, 105, 117, 121, 122 – prozedural plausibilisierte  321 – Tyrannei der, sog.  122 Werteordnung 85 Wertethik 120 Wertfreiheit 36 wertgebundene Ordnung  122 werthafte Demokratie  73 Wertkern 35 Wertkodex 121 wertneutralen Demokratie, sog.  57 Wertneutralität 27 Wertordnung 320 Wertverfall, sog.  146 Wesentlichkeit 77 Widerstand  184, 187, 251, 276, 316, 318 – Pflicht zum  69, 292 Widerstandsrecht  157, 169, 254, 265, 276, 292, 305, 324 Wiedergutmachung 141 Wille des Volkes, sog.  34, 257 Willensbildung 155

Willkür  66, 119, 136, 182, 238, 300 – der Mehrheit  110 – des Führers  88 – des Volkes  258 – exekutive 206 Willkürfreiheit 119 Willkürherrschaft 86 Willkürverbot 223 Wirksamkeit 238 Wirtschafts- und Sozialordnung  50, 110 Wirtschafts- und Sozialsystem  321 Wirtschaftsordnung 110 Wirtschaftsverfassung 77 Wissenschaftstheorie 228 Worten statt Waffen  310 Württemberg-Baden 73 Württemberg-Hohenzollern 77 Xi 21 Zerfallsprozess 245 Zerfallstheorie  245, 304 Zirkularität 300 – und Fortschritt  127 Zivilreligion  26, 323 Zuverlässigkeit 293 Zwang  260, 265 – durch fremde Macht  214 Zwangsherrschaft 133 Zweckpositivismus 172 zweiter Weltkrieg  296 Zwischenzustand 273 Zwölftafeln-Gesetz 140