Kirche und Praktische Theologie: Eine Studie über die Bedeutung des Kirchenbegriffes für die Praktische Theologie anhand der Konzeptionen von C. I. Nitzsch, C. A. Gerhard von Zezschwitz und Fr. Niebergall [Reprint 2014 ed.] 3110162679, 9783110162677

Frontmatter -- Vorwort -- Inhaltsverzeichnis -- I. Einleitung Drei Konzeptionen evangelischer Praktischer Theologie -- I

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Kirche und Praktische Theologie: Eine Studie über die Bedeutung des Kirchenbegriffes für die Praktische Theologie anhand der Konzeptionen von C. I. Nitzsch, C. A. Gerhard von Zezschwitz und Fr. Niebergall [Reprint 2014 ed.]
 3110162679, 9783110162677

Table of contents :
Inhaltsverzeichnis
I. Einleitung. Drei Konzeptionen evangelischer Praktischer Theologie
1. Das Thema der Studie
2. Die Hauptquellen und ihre Bearbeitung
3. Der Aufriß der Studie
II. C.I. Nitzsch: Praktische Theologie - 1847
1. Der Begriff der Praktischen Theologie
1. Enzyklopädische Bestimmung
2. Der Gegenstand
3. Das Subjekt der kirchlichen Tätigkeiten
4. Der natürliche Klerus
5. Der positive Klerus. Das Amt
Exkurs: Luthers Überlegungen über das Amt in der Kirche
6. Die Einheit der Ämter
7. Amtliche Befähigung: geistliche und wissenschaftliche
8. Notwendigkeit und Selbständigkeit der Praktischen Theologie
9. Die Aufgabe
10. Der bekenntnismäßige und der volkstümliche Standpunkt
2. Differenzierung gegenüber anderen Entwürfen
1. Historische Überlegungen bis zur elementarischen Pastoraltheologie
2. Systematisierte Pastoraltheologie N. Hemming, S. Deyling, P. Roques, J.P. Miller, A.H. Niemeyer, J.F.C. Graeffe, F.H.C. Schwarz, B. Hüffel, F.B. Köster
3. Praktische Theologie im Gefolge Schleiermachers F.D.E. Schleiermacher, J.S. Drey, F.A. Staudenmaier, J.K.F. Rosenkranz, G.C.A. Harleß, L. Pelt, G.P.C. Kaiser, K.R. Hagenbach
4. Über Schleiermacher hinausgehende Entwürfe Nitzsch: Observationes, A. Schweizer, F.F. Zyro, A. Graf, Th.A. Liebner, Ph. Marheineke
3. Methode und Einteilung der Praktischen Theologie
1. § 24 Die empirische Methode
2. § 25 Die Methode des Begriffs, oder die logische
3. § 26 Die technische Methode
4. § 27 Die Einteilung
4. Zusammenfassung und Diskussion
Ebene 1: Primäranforderungen
Handlungstheorie
Ethik und Praktische Theologie
Art der Handlungstheorie
Verhältnis zu den Humanwissenschaften
Ebene 2: Die Funktion des Kirchenbegriffes
Das Subjekt kirchlichen Handelns
Funktion des Platzhalters
Konstitution des Handlungssubjektes
Subjekt der Praktischen Theologie
Ebene 3: Materiale Füllung des Kirchenbegriffes
Ebene 4: Rezeption
Aktueller Bezug
Wirkungen des Entwurfes
Bedeutung für die Einheit der Praktischen Theologie
III. G.v. Zezschwitz: System der Praktischen Theologie - 1876
1. Darstellung des Systems der Praktischen Theologie
Einleitung. Über Begriff und Aufgabe §1-16
1. Kritik der bisherigen Bestimmungen der Praktischen Theologie
2. Aufgabe und Definition der Praktischen Theologie
3. Kurze, vorweggenommene Verteidigung des Kirchenbegriffes
4. Aufbau der Theologie und Funktion der Praktischen Theologie
5. Aufbau der Praktischen Theologie
6. Kunstlehre
7. Abgrenzung
8. Zusammenfassung
Prinzipienlehre Kap. 1
1. Bestimmung des Begriffes ’Reich Gottes’
2. Formaler Kirchenbegriff
3. Das Wesen der Kirche
4. Formen der Kirche: Causal-göttliche Lebenswirkung oder actual-gemeindliches Erscheinungsleben
5. Die kirchlichen Ämter
6. Die Handlungsfelder der Kirche und die praktisch-theologischen Disziplinen
Prinzipienlehre Kap. II
2. Vergleich mit C.I. Nitzsch und Interpretation
1. Theologiebegriff
2. Gruppe statt Einzelperson
3. Katechetik statt Bildungstheorie
4. Ergebnis statt Erarbeitung
5. Methodenerarbeitung
6. Eschatologiesierung und Historisierung
7. Ontologisches statt funktionales Interesse
8. Zusammenfassung
3. Kirchenbegriff und praktisch-theologischer Entwurf
1. Ontologie einer Idealpersönlichkeit Kirche
2. Potentielles Subjekt Kirche und Institution
3. Das Subjekt Kirche als Bekenntniskirche
4. Liturgisch-hierosophische Tendenz
5. Zusammenfassung
IV. F. Niebergall: Praktische Theologie - 1918/19
1. Darstellung der Praktischen Theologie
1. Der äußere Aufbau
2. Der gedankliche Aufbau
3. Das Erziehungshandeln Gottes
3.1. Geschichte
3.2. Jesus Christus
3.3. Kirche
4. Das menschliche Erziehungshandeln
4.1. Bestimmung des Erziehungssubjektes und -Objektes
4.2. Paradigma der Pädagogik
5. Die Methodik der Praktischen Theologie
5.1. Wissenschaftsbegriff
5.1.1. Gegenwartsbezug
5.1.2. Realismus
5.1.3. Interdisziplinärst
5.2. Konkrete Methoden
6. Die Normen - die Mittel
6.1. Normen
6.1.1. Ideal der Hoffnung
6.1.2. Ideal der Wirklichkeit
6.2. Mittel
6.2.1. Freiheit des Willens
6.2.2. Die Lehrbarkeit des Guten und des Glaubens
6.2.3. Erziehung des Glaubens durch das Wort
7. Einteilung der Handlungsfelder
2. Der Kirchenbegriff in Niebergalls Praktischer Theologie
1. Die Tatsächlichkeit der Kirchen
1.1. § 16 Grundformen
Die katholische Kirche
Die lutherische Kirche
Die reformierte Kirche
Religiöse Gemeinschaften in und außer der Kirche
Das neunzehnte Jahrhundert
1.2. § 17 Grundfragen
Die Kirche
Die Volkskirche
Landeskirche und Freikirche
Das Bekenntnis
2. Die Kirche und die Gemeinde
2.1. Die Rückführung des Kirchenbegriffes in den Gemeindebegriff
2.2. Die Aufgaben des landeskirchlichen Regimentes
3. Die Gemeinde als Mittel und Norm
3.1. Mittel
3.2. Norm
4. Die Struktur der Kirche
5. Mögliche Ursachen der Funktionsübernahme des Kirchenbegriffes durch den Gemeindebegriff
3. Zusammenfassung und Vergleich mit den Konzeptionen von C.I. Nitzsch und G. v. Zezschwitz
A: Die Bestimmung des Kirchenbegriffs als Gemeindebegriff
1. Gemeinde statt Kirche
2. Refunktionalisierung: Bildungstheorie und Motivation statt Versorgung
3. Eigenständigkeit der Praktischen Theologie statt Teil des gesamttheologischen Organismus
B: Die Fokussierung auf die Persönlichkeit
1. Persönlichkeitstheorie statt Handlungstheorie
2. Unbewußte Wertschätzung statt begrifflicher Theologie
3. Vermittlung statt Erarbeitung
C: Die aus den Ebenen A und B resultierenden neuen Methoden
1. Erlebnis statt Überlieferung
2. Gegenwart statt Historie
3. Religionswissenschaft statt Geschichtswissenschaft
V. Ergebnisse und Konsequenzen
Anhang
1. Aufrisse der Quellen
2. Literaturverzeichnis
2.1. Verzeichnis häufig verwendeter Sigla
2.2. Quellen
Schriften C.I. Nitzschs
Schriften C.A.G.v. Zezschwitzs
Schriften Fr. Niebergalls
2.3. Sekundärliteratur
3. Namensregister
4. Sachregister

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Lars Emersleben Kirche und Praktische Theologie

1749 ¥ I

1999

Theologische Bibliothek Töpelmann Herausgegeben von O. Bayer · W. Härle · H.-P. Müüer

Band 99

W DE _G Walter de Gruyter · Berlin · New York 1999

Lars Emersleben

Kirche und Praktische Theologie Eine Studie über die Bedeutung des Kirchenbegriffes für die Praktische Theologie anhand der Konzeptionen von C. I. Nitzsch, C. A. G. v. Zezschwitz und Fr. Niebergall

w DE

G_

Walter de Gruyter · Berlin · New York 1999

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Die Deutsche Bibliothek —

CIP-Einheitsaufnahme

Emersleben, Lars: Kirche und praktische Theologie : eine Studie über die Bedeutung des Kirchenbegriffes für die praktische Theologie anhand der Konzeptionen von C. I. Nitzsch, C. A. G. v. Zezschwitz und Fr. Niebergall / Lars Emersleben. — Berlin ; New York : de Gruyter, 1999 (Theologische Bibliothek Töpelmann ; Bd. 99) Zugl.: Kiel, Univ., Diss., 1997/98 ISBN 3-11-016267-9

© Copyright 1999 by Walter de Gruyter GmbH & Co. KG, D-10785 Berlin Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne ZusDmmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Ubersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen Printed in Germany Druck: Werner Hildebrand, Berlin Buchbinderische Verarbeitung: Lüderitz & Bauer-GmbH, Berlin

Vorwort Die nachfolgende Studie wurde von der Theologischen Fakultät der ChristianAlbrechts-Universität zu Kiel im Wintersemester 1997/98 als Promotionsschrift für das Fach Praktische Theologie angenommen und anschließend für den Druck überarbeitet. Mindestens zwei für das Thema ergänzend relevante Untersuchungen sind seither erschienen. Sie konnten nicht mehr für die Druckvorlage berücksichtigt werden, seien aber zumindest genannt: - Markus Ambrosy: Gerhard von Zezschwitz. Leben und Werk, Frankfurt/M. u.a. 1998 (Europäische Hochschulschriften: Reihe 23, Theologie. Bd 643); - Matthias Hesch: Lehrbare Religion. Studien über die szientistische Theorieüberlieferung und ihr Weiterwirken in den theologisch-religionspädagogischen Entwürfen Richard Kabischs und Friedrich Niebergalls, T B T 80, Berlin/New York 1997. Zu großem Dank verpflichtet bin ich meinem Doktorvater Herrn Professor Dr. Reiner Preul. Er hat mich über die Jahre meines Studiums gefördert und begleitet. Ohne seine Anregungen wäre diese Studie nicht entstanden. Daneben gilt mein Dank - nicht nur für die Unterstützung bei der Erstellung von Druckvorlagen - Herrn Professor Dr. Dr. Günter Meckenstock und Herrn Stefan Mann. Eine große Hilfe war mir auch der Bibliothekar der Theologischen Fachbibliothek Kiel, Herr Rolf Langfeldt. Ebenso unvergessen soll auch Frau Roswita Batzer bleiben, die mir oft mit Rat und Tat zur Seite gestanden hat. Für die Mühe mit dem Korrekturlesen danke ich Frau cand. theol. Nicole Thiel. Neben dieser Unterstützung darf auch die finanzielle Hilfe nicht unerwähnt bleiben. Mein Dank gilt hier insbesondere der Nordelbischen EvangelischLutherischen Kirche für einen großzügigen Druckkostenzuschuß und dem Land Schleswig-Holstein, das mir ein Stipendium für zwei Jahre gewährte. Danken möchte ich auch den Herausgebern der Theologischen Bibliothek Töpelmann, die diese Studie so unproblematisch in ihre Reihe aufgenommen haben. Gewidmet ist diese Arbeit meiner Familie, die mich in guten und schweren Zeiten immer liebevoll begleitet hat. Hollingstedt, im Januar 1999

Inhaltsverzeichnis Vorwort

V

Inhaltsverzeichnis

VII

I.

Einleitung Drei Konzeptionen evangelischer Praktischer Theologie . . 1

1. 2. 3.

Das Thema der Studie Die Hauptquellen und ihre Bearbeitung Der Aufriß der Studie

1 6 11

II.

C.I. Nitzsch: Praktische Theologie - 1847

14

Der Begriff der Praktischen Theologie Enzyklopädische Bestimmung Der Gegenstand Das Subjekt der kirchlichen Tätigkeiten Der natürliche Klerus Der positive Klerus. Das Amt

18 18 24 28 33 37

1. 1. 2. 3. 4. 5.

Exkurs: Luthers Überlegungen über das Amt in der Kirche 6. 7. 8. 9. 10.

Die Einheit der Ämter Amtliche Befähigung: geistliche und wissenschaftliche . . . Notwendigkeit und Selbständigkeit der Praktischen Theologie Die Aufgabe Der bekenntnismäßige und der volkstümliche Standpunkt . .

39 48 50 52 56 59

Vili

Inhaltsverzeichnis

2.

Differenzierung gegenüber anderen Entwürfen

1.

Historische Überlegungen bis zur elementarischen

61

Pastoraltheologie 2.

62

Systematisierte Pastoraltheologie N. Hemming, S. Deyling, P. Roques, J.P. Miller, A.H. Niemeyer, J.F.C. Graeffe, F.H.C. Schwarz, B. Hüffel, F.B. Köster

3.

64

Praktische Theologie im Gefolge Schleiermachers F.D.E. Schleiermacher, J.S. Drey, F.A. Staudenmaier, J.K.F. Rosenkranz, G.C.A. Harleß, L. Pelt, G.P.C. Kaiser, K.R. Hagenbach

4.

72

Über Schleiermacher hinausgehende Entwürfe Nitzsch: Observationes, A. Schweizer, F.F. Zyro, A . Graf, Th.A. Liebner, Ph. Marheineke

76

3.

Methode und Einteilung der Praktischen Theologie

87

1.

§ 24 Die empirische Methode

88

2.

§ 25 Die Methode des Begriffs, oder die logische

89

3.

§ 26 Die technische Methode

91

4.

§ 27 Die Einteilung

92

Zusammenfassung und Diskussion

98

4.

Ebene 1: Primäranforderungen

99

Handlungstheorie

99

Ethik und Praktische Theologie

102

Art der Handlungstheorie

107

Verhältnis zu den Humanwissenschaften

114

Ebene 2: Die Funktion des Kirchenbegriffes

115

Das Subjekt kirchlichen Handelns

115

Funktion des Platzhalters

116

Konstitution des Handlungssubjektes

116

Subjekt der Praktischen Theologie

117

Ebene 3: Materiale Füllung des Kirchenbegriffes

117

Ebene 4: Rezeption

121

Aktueller Bezug

121

Wirkungen des Entwurfes

123

Bedeutung für die Einheit der Praktischen Theologie

....

123

Inhaltsverzeichnis III.

1. 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8.

1. 2. 3. 4. 5. 6.

IX

G.v. Zezschwitz: System der Praktischen Theologie - 1876

125

Darstellung des Systems der Praktischen Theologie

132

Einleitung. Über Begriff und Aufgabe § 1 - 1 6 Kritik der bisherigen Bestimmungen der Praktischen Theologie Aufgabe und Definition der Praktischen Theologie Kurze, vorweggenommene Verteidigung des Kirchenbegriffes Aufbau der Theologie und Funktion der Praktischen Theologie Aufbau der Praktischen Theologie Kunstlehre Abgrenzung Zusammenfassung

132

Prinzipienlehre Kap. 1 Bestimmung des Begriffes 'Reich Gottes' Formaler Kirchenbegriff Das Wesen der Kirche Formen der Kirche: Causal-göttliche Lebenswirkung oder actual-gemeindliches Erscheinungsleben Die kirchlichen Ämter Die Handlungsfelder der Kirche und die praktisch-theologischen Disziplinen

146 146 147 149

Prinzipienlehre Kap. II

132 135 137 139 142 143 143 144

150 154 155 159

2.

Vergleich mit C.I. Nitzsch und Interpretation

164

1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8.

Theologiebegriff Gruppe statt Einzelperson Katechetik statt Bildungstheorie Ergebnis statt Erarbeitung Methodenerarbeitung Eschatologiesierung und Historisierung Ontologisches statt funktionales Interesse Zusammenfassung

167 167 168 170 170 172 174 175

X

Inhaltsverzeichnis

3.

Kirchenbegriff und praktisch-theologischer Entwurf

178

1. 2. 3. 4. 5.

Ontologie einer Idealpersönlichkeit Kirche Potentielles Subjekt Kirche und Institution Das Subjekt Kirche als Bekenntniskirche Liturgisch-hierosophische Tendenz Zusammenfassung

180 181 183 183 186

IV.

F. Niebergall: Praktische Theologie - 1918/19

187

1.

Darstellung der Praktischen Theologie

197

1. 2. 3. 3.1. 3.2. 3.3. 4. 4.1. 4.2. 5. 5.1. 5.1.1. 5.1.2. 5.1.3. 5.2. 6. 6.1. 6.1.1. 6.1.2. 6.2. 6.2.1. 6.2.2. 6.2.3. 7.

Der äußere Aufbau Der gedankliche Aufbau Das Erziehungshandeln Gottes Geschichte Jesus Christus Kirche Das menschliche Erziehungshandeln Bestimmung des Erziehungssubjektes und -Objektes Paradigma der Pädagogik Die Methodik der Praktischen Theologie Wissenschaftsbegriff Gegenwartsbezug Realismus Interdisziplinarität Konkrete Methoden Die Normen - die Mittel Normen Ideal der Hoffnung Ideal der Wirklichkeit Mittel Freiheit des Willens Die Lehrbarkeit des Guten und des Glaubens Erziehung des Glaubens durch das Wort Einteilung der Handlungsfelder

197 200 202 203 204 207 208 208 211 215 215 222 225 227 229 232 232 233 235 237 240 243 245 250

....

Inhaltsverzeichnis

XI

2.

Der Kirchenbegriff in Niebergalls Praktischer Theologie . . 253

1. 1.1.

Die Tatsächlichkeit der Kirchen § 16 Grundformen Die katholische Kirche Die lutherische Kirche Die reformierte Kirche Religiöse Gemeinschaften in und außer der Kirche Das neunzehnte Jahrhundert § 17 Grundfragen Die Kirche Die Volkskirche Landeskirche und Freikirche Das Bekenntnis Die Kirche und die Gemeinde Die Rückführung des Kirchenbegriffes in den Gemeindebegriff Die Aufgaben des landeskirchlichen Regimentes Die Gemeinde als Mittel und Norm Mittel Norm Die Struktur der Kirche Mögliche Ursachen der Funktionsübernahme des Kirchenbegriffes durch den Gemeindebegriff

1.2.

2. 2.1. 2.2. 3. 3.1. 3.2. 4. 5.

3.

254 254 256 258 259 261 262 263 263 266 270 273 275 275 278 280 280 281 289 294

Zusammenfassung und Vergleich mit den Konzeptionen von C.I. Nitzsch und G.v. Zezschwitz

A: 1. 2. 3.

B: 1. 2. 3.

302

Die Bestimmung des Kirchenbegriffs als Gemeindebegriff Gemeinde statt Kirche Refunktionalisierung: Bildungstheorie und Motivation statt Versorgung Eigenständigkeit der Praktischen Theologie statt Teil des gesamttheologischen Organismus Die Fokussierung auf die Persönlichkeit Persönlichkeitstheorie statt Handlungstheorie Unbewußte Wertschätzung statt begrifflicher Theologie Vermittlung statt Erarbeitung

310 310 311 313

314 314 . . 317 318

XII

Inhaltsverzeichnis

C: 1. 2. 3.

V.

Die aus den Ebenen A und Β resultierenden neuen Methoden Erlebnis statt Überlieferung Gegenwart statt Historie Religionswissenschaft statt Geschichtswissenschaft

319 319 322 325

Ergebnisse und Konsequenzen

327

Anhang

350

1.

Aufrisse der Quellen

350

2.

Literaturverzeichnis

372

2.1. 2.2.

2.3.

Verzeichnis häufig verwendeter Sigla Quellen Schriften C.I. Nitzschs Schriften C.A.G.v. Zezschwitzs Schriften Fr. Niebergalls Sekundärliteratur

372 373 373 374 375 377

3.

Namensregister

409

4.

Sachregister

412

I. Einleitung Drei Konzeptionen evangelischer Praktischer Theologie 1. Das Thema der Studie "Gedanken, die sich zu einem System zusammenfügen, sind pietätlos. Sie schließen das Unausgesprochene allmählich aus und lassen es hinter sich, bis es verdurstet." * "Ich hasse die Leute, die rasch Systeme bauen, und ich werde dazu sehen, daß meines sich nie ganz schließt." * "Das Hoffnungsvolle an jedem System: was von ihm ausgeschlossen bleibt." 1 Diese Zitate als Motto eines praktisch-theologischen Konzeptes zeigen, wie emotional ein Grundproblem bearbeitet worden ist, das die Debatte der letzten Jahre über die Gesamtheit der Praktischen Theologie bestimmt hat: Ist es überhaupt noch wünschenswert, daß die Praktische Theologie sich als System gestaltet? Obwohl praktisch-theologische Handbücher und Nachschlagewerke, die additiv Felder und Formen pastoralen und kirchlichen Handelns aus der Feder der jeweiligen Spezialisten darbieten, sich gegenüber stringenten Gesamtdarstellungen aus einem Guß in den Regalen des Büchermarktes durchgesetzt haben, möchte ich diese Frage ausdrücklich bejahen. Gerade weil durch die Verselbständigung der praktisch-theologischen Einzeldisziplinen eine starke Spezialisierung stattgefunden hat, besteht die Notwendigkeit, die Ziele unterschiedlicher kirchlicher Handlungsfelder zu koordinieren, wenn man nicht will, daß de facto spezielle Ziele verfolgt werden, die sich gegenseitig ausschließen. 2 Für diese einheitliche Zielkoordination müssen mindestens zwei Bedingungen berücksichtigt werden. Zum einen darf die Einheit der Praktischen Theologie nicht zu Lasten der Spezialisierung und Professionalisierung auf einzelnen Gebieten gehen. Die kritische Einarbeitung interdisziplinärer Erkenntnisse und Methoden erlaubt es der Praktischen Theologie, ihren komplexen und zugleich einheitlichen Gegenstand zu erfassen, ohne die Vielfalt

' 2

Canetti, E.: Die Provinz des Menschen. Aufzeichnungen 1942-1972, München 1973, zit. nach Otto, G.: Grundlegung der Praktischen Theologie, München 1986, S. 5. Der Zielbegriff ist meines Erachtens auch dann angemessen, wenn es um komplexe, dialektische und unabschließbare Prozesse geht, etwa der Bildung. Im Zielbegriff ist keineswegs eine Vorstellung abschließbarer Erreichbarkeit impliziert, im Gegenteil setzt der Zielbegriff gerade seine Dynamik aufgrund von Unerreichbarkeit frei, ohne jedoch seine Orientierungsfähigkeit zu verlieren.

2

Einleitung

der Situationen und Handlungen zu vernachlässigen. Diese wirklichkeitsnahe Arbeit darf nicht eingeschränkt werden. Zum anderen darf sich die Praktische Theologie nicht von ihren theologischen Schwesterdisziplinen isolieren. Die Einheit der Praktischen Theologie kann nur im Zusammenhang mit der Einheit aller theologischen Disziplinen konzipiert werden. Da die Theologie insgesamt eine "scientia eminens practica" ist, muß jede Konzeption der Theologie ebenfalls ein stimmiges, praktisches Gesamtziel theologischer Arbeit etablieren, in dem die Praktische Theologie ihren spezifischen Ort hat. Wie jedoch ist ein System der Praktischen Theologie unter diesen Bedingungen möglich? Die Konzeptionen der Praktischen Theologie haben seit der grundlegenden Bestimmung in der Kurzen Darstellung3 von F.D.E. Schleiermacher (1768-1834) alle Paradigmenwechsel der Theologie durchlebt. Die systematischen Konstruktionen der Konzepte wurden dabei ständig umgeformt. Gemeinsam ist allen frühen Konzeptionen der Versuch, kirchliches Handeln als organisch verbundenes Handeln zu thematisieren und sich so als System zu etablieren. Die Orientierung am "ecclesialen"4 Paradigma ist heute jedoch nicht mehr unumstritten. Beispielhaft für die aktuelle Infragestellung ist wieder die Einschätzung Gert Ottos. Otto sieht in der zentralen Formulierung der Praktischen Theologie als "allgemeine Theorie des kirchlichen Lebens"5 und den sich anschließenden Inhalten eindeutig eine "dogmatisch-ekklesiologische"6 Bindung eines "Systems der Praktischen Theologie"7. Otto zitiert dazu die Forderung von C.I. Nitzsch (1787-1868), die Praktische Theologie müsse es selbst unternehmen, "auf dem Grunde der Idee der christlichen Kirche und des kirchlichen Lebens durch Verständnis und Würdigung des gegebenen Zustandes (sie!) zum leitenden Gedanken aller kirchlichen Amtstätigkeiten zu gelangen".8 Dies interpretiert Otto mit den Worten: "Die Kirche, die Gemein-

3

Schleiermacher, F.D.E.: Kurze Darstellung des Theologischen Studiums zum Behuf einleitender Vorlesungen, Leipzig 1811 1 , Berlin 1830 2 , hrg.v. H. Scholz, Leipzig 1 9 1 0 \ Nachdruck Darmstadt o.J.

4

Zum Begriff "ecclesiales Paradigma" vgl.: Bloth, P.C.: Praktische Theologie, Grundkurs Theologie 8, Stuttgart 1994, S. 4 4 Anm. 2, der auf Ebeling, G.: Studium der Theologie. Eine enzyklopädische Orientierung, Tübingen 1977 2 , S. 115, verweist.

5

Nitzsch, C.I.: Praktische Theologie, 3 Bände, Bonn 1847-1867. 1. Bd.: Allgemeine Theorie des kirchlichen Lebens, 1847; 1859 2 (Kurztitel PTh I). Der Untertitel des 1. Bandes, zitiert bei Otto: Grundlegung, S. 45.

6

Otto: Grundlegung, S. 44. Ebd. Vgl.: Otto, Grundlegung, S. 45 = Nitzsch: PTh I, S. 31. Hervorhebungen und (sie!) durch Otto.

7 8

Das Thema der Studie

3

de wird nun zum 'actuosen Subjekt' gemacht." 9 Schleiermachers Weite würde der Enge "kirchlicher Praxis" 10 geopfert. Wirkungsgeschichtlich normiere auf Nitzschs Fundament der von Nitzsch so genannte "gegebene Zustand" "von nun an immer wieder Reflexion und Darstellung der Praktischen Theologie und so natürlich auch die Möglichkeiten und Grenzen der kirchlichen Praxis in der jeweiligen Gesellschaft". 11 Dazu zitiert Otto dann wiederum Nitzsch mit dem Satz: "Das Subjekt der kirchlichen Ausübung des Christentums ist der ersten Potenz nach weder der einzelne Christ als solcher noch der Kleriker, sondern eben die Kirche .,.".12 Die Praktische Theologie sei somit verengt und müsse sich über eine Orientierung am Subjekt neu konstituieren als kritische Theorie religiös vermittelter Praxis in der Gesellschaft 13 . Ist es wirklich so, daß alle begrifflich-theologischen Strukturtheorien, die am Kirchenbegriff orientiert sind, an geistiger Verengung leiden und an den elementaren menschlichen Vollzügen von Religiosität vorbeigehen? Widerspricht das ecclesiale Paradigma der berechtigten Forderung, daß es das theoretische Ziel eines wie auch immer gearteten Entwurfs der Praktischen Theologie sein muß, "die praktische Sinnganzheit der menschlich-sozialen Lebenswelt von Religion und ihrer Konstitutionsbedingungen unter den transzendentalen Vorzeichen einer solchen theologisch-wissenschaftlichen Theorie zugänglich zu machen, die der Bewußtseins- und Handlungswelt der religiöskirchlichen Subjekte nicht als objektivierte oder entfremdete (Theorie) entgegensteht, sondern sie einschließt, aus der sie selbst als Theorie erst eigentlich freigesetzt wird" 14 ? Wäre nicht gerade die Besinnung auf einen Kirchenbegriff mit explizitem Rückbezug auf reformatorische Einsichten ein sinnvolles und fruchtbares Paradigma, gerade auch um Wege zum Menschen neu zu entdecken? Diese Studie will auf dem Hintergrund dieser Problemzusammenhänge nur eine begrenzte Frage verfolgen und deren Ergebnisse programmatisch vertreten: ob und unter welchen Bedingungen und in welcher Fassung der 9 10 11 12 13

14

Otto: Grundlegung, S. 45. Ebd. Ebd. Nitzsch: PTh I, S. 22. Die Vorarbeiten dazu lieferten B. Päschke: Praktische Theologie als kritische Handlungswissenschaft, in: ThPr 19, 1971, S. Iff und Otto, G.: Praktische Theologie als kritische Theorie religiös vermittelter Praxis in der Gesellschaft, in: ders. (Hrg.): Praktisch-Theologisches Handbuch, Hamburg 1975 2 , S. 9ff. Drehsen, V.: Neuzeitliche Konstitutionsbedingungen Praktischer Theologie. Aspekte der theologischen Wende zur soziokulturellen Lebenswelt christlicher Religion, Gütersloh 1988, S. 7.

4

Einleitung

Kirchenbegriff die Funktion der praktisch-theologischen Systembildung übernehmen kann. Dazu werden drei exponierte Gesamtentwürfe Praktischer Theologie herangezogen, die - teils im Gefolge Schleiermachers, teils eigene Wege gehend - ihr Organisationsprinzip aus dem Kirchenbegriff gewonnen haben. Sie werden daraufhin untersucht, wie die Vorstellung von "Kirche", ob nun begrifflich explizit oder zwischen den Zeilen angedeutet, sich auf die Konzeption der Praktischen Theologie ausgewirkt hat. Anhand der Entwürfe wird deutlich, daß eine Rechenschaft über das, was Kirche sei, grundlegend ist. Und dies gilt sowohl für die Organisationsfähigkeit der Praktischen Theologie als auch für das Verstehen eines praktisch-theologischen Entwurfes. Somit versucht diese Studie, die Notwendigkeit von Kirchentheorie zu unterstreichen, wie sie vor allem durch die kirchentheoretischen Arbeiten von R. Preul 15 und E. Herms 16 vertreten wird. Durch kirchentheoretische Arbeiten kann ein Kirchenbegriff entwickelt werden, der über die reformatorische Offenheit in der Frage, was die Kirche sei, als umfassendes System religiösen Lebensvollzuges definiert werden kann. Er überwindet so einerseits eine dogmatische Verengung und erfüllt andererseits die systemischen Anforderungen, die für eine Grundlegung der Praktischen Theologie gegeben sein müssen. Daß aus komplexen Gründen der Kirchenbegriff als Bezugsgröße der Praktischen Theologie erhalten bleiben sollte, versucht diese Studie zu zeigen. Wenn die Praktische Theologie die Kirche als "System der Kommunikation des christlichen Wirklichkeitsverständnisses" 17 thematisiert, das unterschiedliche Kommunikationspositionen, unterschiedliche Kommunikationssituationen und unterschiedliche Medien umfaßt 18 , dann kann auch das System der Praktischen Theologie alle Aspekte religiösen Vollzuges des Einzelnen und der Kirche insgesamt vollständig in den Blick nehmen, ohne ihre systematische Einheit und damit ihre theoretische Kritikfähigkeit aus dem Blick zu verlieren. Das kirchliche Handeln, um dessen Optimierung es der Praktischen Theologie geht, erhält in diesem System vielfältige, aber nach

15

Vgl. Preul, R.: Kirchentheorie. Wesen, Gestalt und Funktionen der Evangelischen Kirche, Berlin 1997. 16 Vgl. nebenden zahlreichen Veröffentlichungen die Aufsatzsammlungen Herms, E.: Kirche für die Welt. Lage und Aufgabe der evangelischen Kirchen im vereinigten Deutschland, Tübingen 1995 und Herms, E.: Erfahrbare Kirche. Beiträge zur Ekklesiologie, Tübingen 1990. " Preul: Kirchentheorie, § 7. III. Kirche als System der Kommunikation des christlichen Wirklichkeitsverständnisses. 18 Vgl. Preul, R.: Was leistet die Praktische Theologie für die Einheit der Theologie?, in: Pthl 13, S. 77-92.

Das Thema der Studie

5

den Kriterien "Position", "Situation" und "Medium" genau klassifizierbare Gestalt 19 und kann so besser in der Praktischen Theologie reflektiert werden. So gerät die Praktische Theologie gerade nicht in die Gefahr, zur reinen Handlungsanweisung in Form einer an der handelnden Amtsperson orientierten Pastoraltheologie zu werden. Die Definition der Kirche als System der Kommunikation christlichen Wirklichkeitsverständnisses versucht also den theologischen und den institutionell-empirischen Kirchenbegriff aufeinander zu beziehen. Wird dieser Kirchenbegriff grundlegend für das System der praktischen Theologie, dann wäre auch die Spannung zwischen "grundloser Setzung des theologischen Bewußtseins" 20 und "einer auf Konkretion eingeschworenen Pragmatik" 21 besser zu bewältigen. Die aktuelle Differenziertheit kirchlichen Lebens und Handelns wird dabei in den Blick genommen, ohne deren historische Entwicklung zu vernachlässigen. Und durch die verschiedenen Kommunikationspositionen werden nicht nur die institutionell eingebundenen Amtsträger als handelnde Subjekte wahrgenommen, sondern ebenso - oder sogar viel eher - diejenigen des sog. ungebundenen Kirchenregimentes. Die Kommunikationsmedien sollten dabei ebenfalls nicht vernachlässigt werden. 22 Die Formulierung "Kirche als System der Kommunikation des christlichen Wirklichkeitsverständnisses" hat also keine restriktive Bedeutung, sondern alle Möglichkeiten kirchlichen Handelns können in den Blick kommen. Daraus resultiert, daß die Engführung der Praktischen Theologie nicht durch ein Aufgeben des Systemcharakters zu überwinden ist, sondern nur durch eine Rückbindung an einen - gerade auch reformatorischen - Kirchenbegriff, der Offenheit aufweist. Im Laufe der Arbeit an drei Gesamtentwürfen wurde immer deutlicher, daß die Beurteilung der Konzeptionen durch hartnäckige Vorurteile geprägt ist. Diese Einschätzung gilt insbesondere für die Beurteilung der Konzeption von Nitzsch als diejenige, die den kritischen Liberalismus Schleiermachers dem kirchenpolitisch Machbaren geopfert und durch die Anbindung an den Kirchenbegriff die praktisch-theologische Perspektive stark verengt habe. Das Überdenken der Urteile gegenüber allen untersuchten Entwürfen und die

" 20 21

22

Ebd. Pannenberg, W.: Wissenschaftstheorie und Theologie, Frankfurt a.M. 1973, S. 274. Volp, R.: Praktische Theologie als Theoriebildung und Kompetenzgewinn bei F.D.E. Schleiermacher, in: Klostermann, F./ Zerfaß, R. (Hrg.): Praktische Theologie heute, München/Mainz 1974, S. 52-64, hier S. 52. In diesem Punkt wäre auch Rössler, D.: Grundriß der Praktischen Theologie, Berlin 1994 2 ergänzungswürdig, da er auch in seiner 2. Auflage die Medien nicht eigenständig thematisiert.

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Einleitung

Neugier, sie als Quellen gerade auch für die aktuellen Debatten wieder zu entdecken, soll durch diese Studie angeregt werden. Die vorliegende Studie kann dabei durch das Alter ihrer Quellen den Eindruck erwecken, als ob sie vor allem durch ein historisches Interesse geprägt sei. Doch diesem Eindruck möchte ich deutlich widersprechen. Es geht in dieser Studie nicht um die materialen Inhalte der Quellen, die vor allem unter den konkreten Arbeitsfeldern bedacht werden, und ebenfalls nicht um die historischen Hintergründe der Konzeptionen, sondern vielmehr geht es um das Interesse an den theoretischen Konzeptionen Praktischer Theologie, wie sie in den untersuchten Quellen vor allem in den Prolegomena zur Praktischen Theologie entfaltet sind. Die gegenwärtige Bedeutung der theoretischen Konzeptionen zu unterstreichen, ist das wesentliche Anliegen dieser Studie. Sie ist deshalb keine historische Studie, die die synchronen Einflüsse und Beziehungen aufarbeiten will, sondern die die theoretischen Möglichkeiten innerhalb der Entwürfe abstrakt erarbeiten und diachron miteinander vergleichen will.

2. Die Hauptquellen und ihre Bearbeitung Auf die kirchentheoretischen Arbeiten Schleiermachers in bezug auf die Praktische Theologie23 und deren Kirchenbegriff wird in dieser Arbeit nicht eingegangen. Für die interessante Fragestellung seines Kirchenbegriffes und Schleiermachers Überlegungen zum Kirchenregiment bzw. -dienst verweise ich neben der ebenfalls an der Universität Kiel angefertigten Studie von Christoph Dinkel über Schleiermachers Theorie des Kirchenregiments24 auf die übrige Literatur25. An Christoph Dinkels Studie schließt sich das vorliegende

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Schleiermacher, F.D.E.: Die praktische Theologie nach den Grundsätzen der ev. Kirche im Zusammenhange dargestellt, aus dem Nachlasse hrg.v. Frerichs, J. (SW 1/13), Berlin 1850 (die dringend einer kritischen Neuherausgabe in der KGA bedarf) und Schleiermacher: Darstellung. Dinkel, Chr.: Kirche gestalten. Eine Studie zu Schleiermachers Theorie des Kirchenregiments (SchlA 17), Berlin 1996. Dazu gibt es entgegen der Meinung Christoph Dinkels eine vielseitige Literatur: Troeltsch, E.: Schleiermacher und die Kirche, in: Schleiermacher - der Philosoph des Glaubens. Sechs Aufsätze, Berlin 1910; Herpel, O.: Das Wesen der Kirche nach den Voraussetzungen und Grundsätzen des jungen Schleiermacher, Darmstadt 1915; Björklund, Gösta: Schleiermachers kyrkobegrepp, Uppsala 1944; Samson, H.: Die Kirche als Grundbegriff der theologischen Ethik Schleiermachers, Zürich 1958; Spiegel, Y.: Theologie der bürgerlichen Gesellschaft. Sozialphilosophie und Glaubenslehre bei Fr. Schleiermacher,München

Die Hauptquellen und ihre Bearbeitung

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Werk - was seinen Gegenstand und seine Erarbeitung angeht - zeitlich an, auch wenn sich die Methodik und das erkenntnisleitende Interesse unterscheiden. Nach Schleiermacher wurde die Praktische Theologie wesentlich durch C.I. Nitzsch geprägt. Ob er oder Schleiermacher die Praktische Theologie begründet hat, sei dabei dahingestellt.26 Nitzsch sieht sich nicht als Begründer dieser Disziplin, sondern versteht sich im Gefolge Schleiermachers27. Und Nitzschs Programm stellt in der Tat den Versuch der Umsetzung von "Schleiermachers Erbe im Blick auf kirchlichen und geschichtlichen Charakter der Theologie"28 dar, gegenüber der eher durch G.Fr.W. Hegel (1770-1831) beeinflußten, spekulativen Richtung Ph. Marheinekes (1780-1846) 29 . Schleiermacher und Marheineke sind denn auch Nitzschs wesentliche Gesprächspartner. Nitzsch versucht eine Reflexion der Konstitutionsbedingungen der Praktischen Theologie zwischen einem materialtheologischen Sachgehalt auf der einen und einer methodischen Selbstbestimmung vorwiegend nach formalwissenschaftlichen bzw. wissenschafts- und erkenntnistheoretischen Funktionsgesichtspunkten auf der anderen Seite. 30 Wie immer man jedoch seine Stellung gegenüber den beiden Richtungen formuliert, unbestritten veröffentlichte er "die erste Gesamtdarstellung der Praktischen Theologie überhaupt"31: die dreibändige Praktische Theologie von 1847-67 32 . Sie ist die

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1968; Brandt, W.: Der Hl. Geistund die Kirche bei Schleiermacher, Zürich 1968; Doeme, M.: Theologie und Kirchenregiment. Eine Studie zu Schleiermachers praktischer Theologie, in: NZSTh 1968, S. 360-368; Daur, M.: Die eine Kirche und das zweifache Recht. Eine Untersuchung zum Kirchenbegriff und der Grundlegung kirchlicher Ordnung in der Theologie Schleiermachers, München 1970. Vgl. zur Debatte, ob nun Schleiermacher oder Nitzsch Urheber der Praktischen Theologie sei, Drehsen: Konstitutionsbedingungen, S. 137, Anm. 10. U.a. promovierte Schleiermacher als Dekan der theologischen Fakultät in Berlin Nitzsch am 3. November 1817 zum Doktor der Theologie. Eine engere persönliche Bekanntschaft ist auch nicht überliefert in der umfangreichen Biographie von Beyschlag, W.: C.I. Nitzsch. Eine Lichtgestalt der neueren evangelischen Kirchengeschichte, Bonn 1872, 1882 2 . Schweitzer, F.: Kirche als Thema der Praktischen Theologie: Carl Immanuel Nitzsch, sein wissenschaftliches Programm und dessen Zukunftsbedeutung, in: ZThK 90, S. 71-86, Zitat S. 74. Marheineke, Ph.: Entwurf der practischen Theologie, Berlin 1837. Die Formulierung folgt Drehsen, V.: 'Die kirchliche Ausübung des Christenthums'. Programm und Gestalt der Praktischen Theologie von Carl Immanuel Nitzsch, in: Pthl 8, S. 297-316. Wintzer, F.: C.I. Nitzschs Konzeption der Praktischen Theologie in ihren geschichtlichen Zusammenhängen, in: EvTh 27, S. 93-109, Zitat S. 99. Nitzsch, C.I.: Praktische Theologie, 3 Bände, Bonn 1847-1867. 1. Bd.: Allgemeine Theorie des kirchlichen Lebens, 1847; 1859 2 (PTh I); 2. Bd.: Die kirchlichen Verfahren

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Einleitung

Hauptquelle dieser Studie und der Ausgangspunkt der Überlegungen. Frühere Entwürfe im Gefolge Schleiermachers fallen deshalb aus der direkten Bearbeitung heraus.33 Der programmatische Entwurf Nitzschs soll auf seinen Kirchenbegriff und dessen Gebrauch untersucht werden. Der Kirchenbegriff, den C.I. Nitzsch in seiner kirchenpolitischen Arbeit in all seinen Facetten bedacht hat, soll aus den schon genannten Gründen nicht historisch untersucht werden, sondern allein der Begriff und dessen Gebrauch innerhalb des praktisch-theologischen Entwurfes. Die Studie verfolgt dabei zwei Vorgehensweisen. Zunächst soll anhand des Entwurfes der Praktischen Theologie textimmanent dessen Aufbau und darin die Bedeutung des Kirchenbegriffes geklärt werden. Der Sinn dieses textimmanenten Vorgehens liegt darin, nicht etwa aus historischem Interesse zu untersuchen, wie Nitzsch in seinem Gesamtwerk den Begriff Kirche gefaßt hat. In dieser praktisch-theologischen Studie geht es vielmehr darum, Nitzschs Entwurf der Praktischen Theologie auf den systemkonstituierenden Kirchenbegriff hin zu untersuchen und zwar aus seiner Praktischen Theologie heraus und nur aus ihr, weil dadurch stärker herausgearbeitet werden kann, wie der Kirchenbegriff verstanden werden muß, um einen solchen Entwurf überhaupt konstituieren zu können. Aus diesem Grund wird auch auf einen Vergleich der überarbeiteten Auflagen und deren Unterschiede verzichtet. Auch wenn durch dieses Vorgehen vielleicht Unklarheiten bestehen bleiben, sollen diese nicht aus anderen Quellen aufgefüllt werden, sondern vielmehr als Desiderate bestehen bleiben. Daran kann die praktisch-theologische Arbeit sich orientieren, wenn sie denn einen Entwurf der Praktischen Theologie, wie Nitzsch ihn vornimmt, für die Gegenwart konstituieren will, ohne seinen eventuellen Fehlern zu erliegen. Die Mängel im Aufbau treten dadurch schärfer zu Tage. Es wird deutlich, wo Möglichkeiten des Mißverständnisses liegen können, wo Lücken und abstrakte Platzhalter bei Nitzsch von seinen Nachfolgern eigenmächtig theoretisch und material aufgefüllt worden sind

oder die Kunstregeln: 1. Abt.: Der Dienst am Wort, 1848; I860 2 (PTh 11,1), 2. Abt.: Der evangelische Gottesdienst, 1851, 1863 2 (PTh 11,2); 3. Bd. [titellos]: 1. Abt.: Die eigenthümliche Seelenpflege des evangelischen Hirtenamtes mit Rücksicht auf die innere Mission, 1857; 1863 2 (PTh 111,1), 2. Abt.: Die evangelische Kirchenordnung, 1867 (PTh 111,2). Dazu gehört ebenfalls: Register zur Praktischen Theologie von Carl Immanuel Nitzsch, 3 Bde., 1. u. 2. Auflage, aufgestellt durch Schmidt, K.L., Bonn 1872. 33

Dazu gehören Marheineke: Entwurf; Liebner, Th.A. : Die Praktische Theologie, in: ThStKr 16/3, 1843, S. 629-658 + 17/1, 1844, S. 77-136; Schweizer, Α.: Begriff und Eintheilung der praktischen Theologie, Leipzig 1836.

Die Hauptquellen und ihre Bearbeitung

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und wo neu nachgedacht werden müßte, will man den Entwurf auch in der Gegenwart als fruchtbar erweisen. Das andere Vorgehen verfährt diachron. Die Auseinandersetzung der untersuchten späteren Entwürfe der Praktischen Theologie mit Nitzschs Entwurf kann zeigen, wie die Verarbeitung seines Ansatzes sich im Laufe des 19. Jahrhunderts verändert hat. Im einzelnen soll dabei wiederum die Funktion des Kirchenbegriffes für die Organisation der Entwürfe und deren Verhältnis zum Entwurf Nitzschs untersucht werden. Dadurch wird klar, daß sich die folgenden Kirchenbegriffe immer stärker von seinem Kirchenbegriff unterscheiden, und zwar auch, wenn sie sich durchaus mit ihm in Übereinstimmung glauben. Aufgrund der divergierenden Kirchenbegriffe veränderte sich - zwangsläufig, wie sich zeigen wird - auch das gesamte praktisch-theologische Konzept. Diese Entwicklung in Auseinandersetzung mit Nitzschs Konzeption reicht bis in die Gegenwart hinein. Immer wieder wird zwar mit Nitzsch gerungen, aber seine Beurteilung steht und fällt mit dem Kirchenbegriff der jeweiligen Autoren und deren Auffassung über den Kirchenbegriff bei Nitzsch. Wie sich der Kirchenbegriff verändert hat und wie eng Kirchenbegriff und praktisch-theologische Theoriebildung zusammenhängen, wird durch diese diachrone Übersicht deutlich. Dadurch ergeben sich auch Überlegungen, ob sich die Entwicklung als fruchtbar erwiesen hat oder nicht und vor allem, ob sich nicht durchaus wertvolle Aspekte aus den Entwürfen von Nitzsch und seinen Nachfolgern ergeben, wenn man nur den Kirchenbegriff der Entwürfe mit in Rechnung stellt. Die Kriterien, die die weiteren Entwürfe auswählen, sind formaler Art und mußten aufgrund des begrenzten Umfanges dieser Dissertationsarbeit umfangreiche Teile der praktisch-theologischen Arbeiten des 19. Jahrhunderts ausblenden 34 : 1. Die Darstellungen sollten nicht nur Aufrisse oder Teiluntersuchungen sein, sondern vollständige Bearbeitungen des Gesamtgebietes der Praktischen Theologie, jedenfalls nach ihrer eigenen Einschätzung. Dadurch fielen u.a. die enzyklopädischen Überlegungen H.W. Kienlens (18161876) 35 heraus, ebenso diejenigen J.H.A. Ebrards (1818-1888) 36 und

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Dabei habe ich mich von vorneherein auf die deutschsprachigen, protestantischen Darstellungenbeschränkt, weshalb z.B. der Entwurf von Fr.L. Schaumann (1810-1877) unberücksichtigt geblieben ist: Schaumann, F.L.: Praktiska Theologia, Helsingfors 1874ff.

35

Kienlen, H.W.: Encyklopädie der Theologie, Darmstadt 1845, ders.: Über systematische und praktische Theologie, in: ThStKr 26/2, 1853, S. 410ff.

36

Ebrard, J.H.A.: Vorlesungen über praktische Theologie, Königsberg 1854.

10

Einleitung

Fr. Ehrenfeuchters (1814-1878)37. Zugleich sind damit auch alle Teildarstellungen in gesamttheologischen Handbüchern nicht mit bedacht worden. Hier sind vor allem die Darstellungen Th. Harnacks (18171889) bzw. C.A.G.v. Zezschwitzs (1825-1886) im Handbuch der theologischen Wissenschaften von O. Zöckler (1833-1906) zu nennen.38 2. Es sollten keine Pastoraltheologien sein, sondern systematisierte Praktische Theologien. Daher werden u.a. die Pastoraltheologien von Chr. Palmer (1811-1875)39 und Cl. Harms (1778-1855)40 nicht berücksichtigt. 3. Es sollte sich eine - für die Fragestellung nach der Bedeutung des Kirchenbegriffs - ertragreiche Veränderung gegenüber früheren Darstellungen zeigen.41 Deshalb entfiel die Bearbeitung der 1000 Seiten starken Praktischen Theologie W. Ottos (1800-1871) von 186942. Daneben wurde ebenso auf eine eingehendere Untersuchung von Th. Harnacks Praktischer Theologie von 187743 und der dreibändigen Ausgabe der Praktischen Theologie von E.Chr. Achelis (1838-1912) aus den Jahren 1890/9144 verzichtet, weil sie sich - bezüglich der in dieser Studie gewählten Fragestellung - in den Bahnen von Zezschwitzs bewegen. 4. Es erschien sinnvoll, aufgrund der politischen Zäsur des Kriegsendes und des theologischen Umschwungs durch die dialektische Theologie, die Untersuchung nicht über 1919 auszudehnen. Deshalb blieben M. Schians (1869-1938) Praktische Theologie45 und alle folgenden Entwürfe unbearbeitet. Durch diese Kriterien sind nach dem Entwurf Nitzschs zwei epochale Darstellungen zu bearbeiten: der Entwurf von C.A.G.v. Zezschwitz aus dem Jahr 187646 und derjenige Fr. Niebergalls (1866-1932), der 1918/19 erschien47. 37 38

39 40

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Ehrenfeuchter, Fr.: Die praktische Theologie, Bd. I., Göttingen 1859. Zöckler, O. (Hrg.) : Handbuch der theologischen Wissenschaften in encyklopädischer Darstellung mit besonderer Rücksicht auf die Entwicklungsgeschichte der einzelnen Disziplinen, München 1883 (III. Ethik und PTh); München 1885 2 (IV. PTh und Register); München 1890 3 (IV. PTh). Hier ist auch eine interessante, interne Erweiterung der Praktischen Theologie zu beobachten. Palmer, Chr.: Pastoraltheologie, Stuttgart 1860. Harms, Cl.: Pastoraltheologie. In Reden an Theologiestudierende, 3 Bde., 1. Buch: Der Prediger, 2. Buch: Der Priester, 3. Buch: Der Pastor, Kiel 1830-34. Dieses Kriterium läßt sich allerdings erst nach gründlichen Voruntersuchungen sachgemäß anwenden. Otto, W.: Evangelische Praktische Theologie, 2 Bde., Gotha 1869. Harnack, Th.: Praktische Theologie, 2 Bde., Erlangen 1877f. Achelis, E.C.: Praktische Theologie, Leipzig 1890/91; 1911 3 . Schian, M.: Praktische Theologie, Gießen 1921. Zezschwitz, C.A.G.v.: System der Praktischen Theologie. Paragraphen für akademische

Der Aufriß der Studie

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Zwischen den drei Konzeptionen liegt mit 2948 und 42 Jahren ungefähr jeweils eine Generation theologischer Arbeit. Mit diesen wenigen Vertretern aus dem 19. und beginnenden 20. Jahrhundert ist die Reihe der Praktischen Theologieen, die sich mit Nitzsch und seinem Erbe auseinandersetzen, zwar weder vollständig noch abgeschlossen. 49 Aber das 19. Jahrhundert, das in dieser Studie erst mit Ende des Ersten Weltkrieges als wirklich abgeschlossen betrachtet wird, ist mit ihnen durchaus charakteristisch beschrieben. Sie orientieren sich an der durch Nitzsch aufgeworfenen Spannung von empirischem und spekulativem Theorieansatz, den sie jeweils auf ihre Weise akzentuieren. Und sie gewinnen ihr Organisationsprinzip aus dem Kirchenbegriff, den sie auf ebenfalls unterschiedliche Weise bestimmen. An allen drei untersuchten Entwürfen wird deutlich werden, wie stark die Bestimmung des Kirchenbegriffes und die praktisch-theologische Theoriebildung zusammenhängen.

3. Der Aufriß der Studie Die Studie ist in drei Teile gegliedert. Nach der Klärung ihres Zieles, ihres Gegenstandes, ihrer Vorgehensweise und ihres Aufbaus in der Einleitung folgen drei Kapitel, in denen jeweils die ausgewählten Entwürfe bearbeitet werden. Daraufhin folgt ein abschließendes Kapitel, das die Fragestellung dieser Arbeit beantworten soll. Vervollständigt wird diese Studie durch einen

Vorlesungen, 3 Bde.: I. Principienlehre, II. Die Lehre von der Mission, von der kirchlichen Erziehung und vom Communionkultus, III. Seelsorge und Kirchenverfassung, Leipzig 1876-78. Vgl. den Aufriß im Anhang. 47

Niebergall, F.: Praktische Theologie. Lehre von der kirchlichen Gemeindeerziehung auf religionswissenschaftlicher Grundlage, 2 Bde.: 1. Grundlagen. Die ideale und die empirische Gemeinde. Aufgaben und Kräfte der Gemeinde, Tübingen 1918; 2. Die Arbeitszweige. Gottesdienst und Religionsunterricht. Seelsorge und Gemeindearbeit, Tübingen 1919. Vgl. den Aufriß im Anhang.

48

Wenn man die programmatischen Überlegungen Nitzschs 1847 als abgeschlossen betrachtet.

49

Zur Geschichte der Praktischen Theologie im 19. Jahrhundert sind sowohl Einzeluntersuchungen wie auch Längsschnitte verfaßt worden. Vgl. zur grundsätzlichen Orientierung besonders: Drehsen: Konstitutionsbedingungen (v.a. über F.J. Stahl, F. Gogarten, R. Rothe, P. Drews, E. Troeltsch). Einen - wie sich zeigen wird nicht in allen Punkten korrekten - Längsschnitt liefert: Birnbaum, W.: Theologische Wandlungen von Schleiermacher bis Karl Barth. Eine enzyklopädische Studie zur Praktischen Theologie, Tübingen 1963. Komplex und umfangreich an weiterführender Literatur ist Bloth: Theologie.

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Einleitung

Anhang, der neben einem Literaturverzeichnis 50 auch die Inhaltsverzeichnisse der Hauptquellen umfaßt. Der Titel und der Blick auf das Inhaltsverzeichnis dieser Studie machen rasch deutlich, daß sie im wesentlichen durch die Untersuchung der drei genannten Konzeptionen getragen ist. Dabei liegt wiederum der Schwerpunkt auf der Rekonstruktion und Interpretation der Konzeptionen. Folglich werden alle drei Konzeptionen zuerst nachgezeichnet. Dazu lag es für die Entwürfe Nitzschs und v. Zezschwitzs nahe, ihre eigene Systematisierung und Begrifflichkeit aufrecht zu erhalten. Sprachlich unterscheiden sich alle Entwürfe deutlich voneinander, und alle sind wiederum für heutige Leserinnen und Leser gewöhnungsbedürftig. Im Zwiespalt zwischen Originalität und Modernisierung habe ich alle direkten Zitate im Original belassen, da mangelhaftes Zitieren mit dazu beigetragen hat, Mißverständnisse der Interpretation bis in die Gegenwart zu verfestigen. Für das Kapitel über die Praktische Theologie Nitzschs ergibt sich aus dem bewußten Nachzeichnen seines Aufbaus zuerst eine dreigeteilte Darstellung, die sich eng an die von Nitzsch vorgenommene Begrifflichkeit hält. Sein Begriff der Praktischen Theologie, seine Abgrenzung von bisherigen Entwürfen und seine Methode sowie Einteilung bilden die drei Elemente der Rekonstruktion. Darin ist ein Exkurs eingearbeitet, der die Traditionsgebundenheit und gleichzeitige Innovationskraft der Konzeption unterstreicht. An die Rekonstruktion schließt sich eine zusammenfassende Interpretation an, die auf drei Ebenen zuerst die Primäranforderungen seiner Organisation erschließt, dann die Funktion des Kirchenbegriffes klärt und zuletzt dessen inhaltliche Füllung bestimmt. Bei der Konzeption v. Zezschwitzs wird ebenso verfahren. Allerdings schließt sich nach einer dreigeteilten Darstellung seines Systems der Vergleich mit Nitzschs Konzeption an. Abschließend wird wiederum der Kirchenbegriff interpretiert sowie dessen Auswirkungen auf das praktisch-theologische System. Für das Konzept Niebergalls wurde eine andere Vorgehensweise gewählt. Hier mußte aufgrund des vom äußeren Aufriß unterschiedenen Gedankengangs sowohl der äußere Aufriß wie auch der vorangehende innere Gedankengang rekonstruiert werden. Die weitere Darstellung folgt dann dem rekonstruierten Gedankengang, der das Erziehungshandeln Gottes, das menschliche Erziehungshandeln, die Methodik der Praktischen Theologie und die Bestimmung von Norm, Zustand und Mittel umschließt. Daran schließt

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Hier wird nicht nur zitierte Literatur angegeben, sondern auch diejenige Literatur, auf die die untersuchten Konzeptionen verweisen.

Der Aufriß der Studie

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sich eine Darstellung seines in verschiedene Ebenen differenzierten Kirchenbegriffes an. Abschließend wird wiederum ein interpretierender Vergleich mit den Konzeptionen von Nitzsch und v. Zezschwitz erarbeitet. Das letzte Kapitel dieser Studie wird aus allen Entwürfen heraus Anforderungen an den Kirchenbegriff darlegen. Nur wenn mindestens diese Anforderungen erfüllt werden, kann ein Kirchenbegriff für die Konstitution der Praktischen Theologie sinnvoll sein, um über eine einheitliche Zielkoordination mit Hilfe des Kirchenbegriffes einheitsstiftend für die Praktische Theologie zu wirken. Dazu werden in Thesen die Bedingungen dargelegt, unter denen der Kirchenbegriff die Funktion der praktisch-theologischen Systembildung übernehmen kann, so daß die Verbindung zu den übrigen theologischen Disziplinen gefestigt wird und gleichzeitig die Spezialisierung und Professionalisierung der Einzeldisziplinen keinen Schaden erleidet. Mit dieser Zielsetzung ist auch ein Impuls für die heutige Kirchenleitung verbunden. Soll das Schiff der Kirche - kompetent und mit niveauvoller Auseinandersetzung über den Kurs - durch unsere stürmischen Zeiten gesteuert werden, dann muß kirchenleitendes Handeln im Sinne Schleiermachers erlernt und somit auch gelehrt werden. Beides setzt ein differenziertes Verständnis des Organismus Kirche in Ideal und Tatsächlichkeit voraus, das wissenschaftlicher Begleitung durch eine Kirchentheorie bedarf, die mehr ist als eine Theorie des Gemeindeaufbaus - eine umfassende Gestaltungstheorie aller kirchlichen Ebenen, Handlungspositionen und Handlungsmedien. Diese Einschätzung gilt insbesondere, wenn es um die Ausbildung des pastoralen Nachwuchses geht: Die Pastorin und der Pastor gleichen "eben nicht dem Maurer, den man anlernt, wie er Stein auf Stein fügen soll, sondern vielmehr dem Baumeister, der sein Werk von grundsätzlichen Erwägungen aus zu einem geschlossenen Ganzen gestalten will" 51 . Diese noch am Einzelnen orientierte Einschätzung ist auch durch die vielfältige Teamarbeit in den Kirchen keineswegs überholt, sondern eher noch bedeutender geworden. Für eine wissenschaftliche Ausbildung und Begleitung wäre es wichtig, Kirchentheorie innerhalb der theologischen Aus- und Fortbildung als grundlegende Prolegomenadisziplin für Homiletik, Kybernetik, Liturgik, Poimenik und Pädagogik zu etablieren und an der Universität als Hauptvorlesung zu halten. Diese Studie ist weit davon entfernt, alle angesprochenen Probleme zu lösen. Aber sie möchte ein kleiner Impuls sein, den Überlegungen über die fundamentale Bedeutung der Kirchentheorie und des Kirchenbegriffes für die gesamte Praktische Theologie und damit für das kirchenleitende Handeln noch mehr Aufmerksamkeit zu schenken.

51

Schian: Theologie, Vorwort zur 1. Auflage 1921.

Der Gedanke geht der Tat voraus wie der Blitz dem Donner."

II. C.I. Nitzsch: Praktische Theologie - 1847 "Zwar bleibt er in der Klarheit und Weite des Geistes, in der Lebendigkeit der Anschauung und vor allem in der künstlerischen Kraft der Darstellung tief unter seinem Meister. ... Aber Nitzsch eignete eine ebenso temperamentvolle wie warme Persönlichkeit, und seine Gedankenbildung bewegte sich viel mehr im üblichen kirchlichen Geleise als die Schleiermachers. So ist wohl zu erklären, wenn seine Wirkung so mächtig in die Breite ging."1 Nicht so geistvoll, aber sympathisch - im Vergleich zu Schleiermacher wird Nitzsch nicht selten ein solches Urteil zuteil. Wie schon in der Einleitung bemerkt, möchte diese Studie diese Beurteilung in Frage stellen und auch Nitzschs konzeptionelle Verdienste wieder entdecken, denn: "Neben Schleiermacher verdient besonders auch Nitzschs Kybernese rückblickend eine vertieftere Würdigung und Durchdringung." 2 Carl Immanuel Nitzsch studierte ab 1806 Theologie in Wittenberg, wo sein Vater, Karl Ludwig Nitzsch (1751-1831), seit 1790 eine theologische Professur und damit verbunden das geistliche Amt an der Stadtkirche innehatte. Nach Erwerben des Doktorgrades der Philosophie im Sommer 1809 begann C.I. Nitzsch ab 1810 ebenfalls in Wittenberg seine akademische Laufbahn als habilitierter Dozent für Theologie. 3 Dazu kam ab 1811 nach seinem kirchlichen Examen eine kirchliche Tätigkeit im Pfarramt hinzu, die besonders in den schweren Jahren der Belagerung Wittenbergs 1813/144 prägenden

*

Heinrich Heine: Zur Geschichte der Religion und Philosophie in Deutschland, hrg.v. Holtzhauer, Weimar/Berlin 1972 12 , Bd. 5, S. 147.

1

Birnbaum: Wandlungen, S. 40.

2

Jäger, A. : Konzepte der Kirchenleitung für die Zukunft. Wirtschaftsethische Analysen und theologische Perspektiven, Gütersloh 1993, S. 107. Jäger unterzieht die materielle Kybernetik Nitzschs, E.Chr. Achelis' und A.D. Müllers einer knappen Untersuchung, die den historischen Verlauf evangelischer Kybernetik nachzeichnen soll. Dabei unterscheidet er allerdings nicht die konzeptionelle und die materielle Ebene in Nitzschs Praktischer Theologie. Das Potential des Entwurfes schätzt er richtigerweise trotzdem hoch ein.

3

Das Predigerseminar war auf Anregung Schleiermachers gegründet worden. Vgl. dazu Lenz, M.: Geschichte der Königlichen Friedrich-Wilhelms-Universität zu Berlin, Bd. III, Halle a.d.S. 1910, S. 9.

4

Dabei wird ihm zugeschrieben, daß die Schloßkirche die Belagerung überhaupt überstanden hat. Nitzsch hatte zusammen mit einem Kollegen einen Brand des Dachstuhls

C.I. Nitzsch: Praktische Theologie - 1847

15

Einfluß auf ihn ausübte. Er wurde nach seiner theologischen Ehrenpromotion an der Berliner Universität am Reformationsjubiläum 1817 durch Schleiermacher5 im selben Jahr noch Professor an dem durch die politischen Umwälzungen in Wittenberg und der späteren Umwidmung der Universität neu geschaffenen Predigerseminar. Darauf folgte 1820 sein Wechsel als Propst nach Kemberg, von wo aus er 1822 nach Bonn an die Rheinische FriedrichWilhelms Universität als Professor für systematische 6 und praktische Theologie berufen wurde. Dort war er bis 1847 tätig, bevor er auf den Lehrstuhl Marheinekes nach Berlin wechselte. 7 Die beiden ersten Bände der dreibändigen Praktischen Theologie sind aus Nitzschs Bonner Tätigkeit ab 1822 entstanden8. Ihm wurde vom preußischen Minister K. Freiherr vom Stein zum Altenstein (1770-1840) Dogmatik, christliche Moral und praktische Theologie zu lesen angeboten.9 Zugleich nahm Nitzsch zusammen mit K.H. Sack (1789-1875) die Aufgabe der akademischen Gottesdienste wahr. Zusätzlich versah er abwechselnd mit dem Bon-

nach einem Raketenangriff gelöscht. Vgl.: Beyschlag: Lichtgestalt, S. 64f, der Nitzsch, C.I.: Ein Stück Wittenberger Geschichte, Vortrag von 1857, zitiert. 5

Vgl.: Beyschlag: Lichtgestalt, S. 90: "Zum Reformationsjubiläum 1817 promovirte unter Schleiermachers Decanat die Berliner Facultät, damals die erste von Deutschland, den Verfasser der 'Theologischen Studien' 'ob eruditionem theologicam scriptis egregiis comprobatam' honoris causa ['wegen seiner durch treffliche Schriften bewährten theologischen Durchbildung' - ehrenhalber] zum Doktor der Theologie."

6

Aus Nitzschs systematischer Arbeit resultierte unter anderem: Nitzsch, C.I.: Rez. zu A.D.C. Twesten, Vorlesung über die Dogmatik, in: ThStKr 1 (1828), S. 196-246. Ders.: System der christlichen Lehre, Bonn 1829, 1851 6 . Dieses Werk wurde auch im englischen Sprachraum bekannt: System of christian Doctrine by Dr. C.I. Nitzsch, translated ... by the rev. R. Montgomery ... and J. Hennen, Edingburgh 1849. Dazu kommt dann u.a. noch: Nitzsch, C.I.: Uber die Behauptung "weil etwas wahr und vernünftig ist, steht es in der Bibel", in: ThStKr 5 (1832), S. 357-366 und ders.: Eine protestantische Beantwortung der Symbolik Dr. Möhlers, Hamburg 1835.

7

Vgl. zu Nitzschs Biographie und seiner umfänglichen Arbeit neben Beyschlag: Lichtgestalt, vor allem Drehsen, V.: Kirchentheologische Vermittlung. Carl Immanuel Nitzsch 1787-1868, in: F.W. Graf (Hg.): Profile des neuzeitlichen Protestantismus, Bd. 1, Gütersloh 1990, S. 287-318. Dort gibt es auch eine umfangreiche, leider nicht vollständige Bibliographie (Quellen: S. 308-313 und Sekundärliteratur S. 313-318). Vgl. auch die Bibliographie bei: Theurich, H.: Theorie und Praxis der Predigt bei Carl Immanuel Nitzsch, Göttingen 1975 (S. 240-247) und Lohmann, H.: Nitzsch, Carl Immanuel, in: BBKL VI, Sp. 956-959.

8

Vgl. zur Besetzung der Evangelisch-TheologischenFakultät: Renger, Chr.: Die Gründung und Einrichtung der Universität Bonn und die Berufungspolitik des Kultusministers Altenstein, Bonn 1982, S. 92-117. Zu Nitzsch bes. S. 114f.

9

Brief Altensteins an Nitzsch, Berlin, 31.07.1821, Rep. 76 Va Sekt. 3 Tit. IV Nr.l Bd. IX fol. 130-132. So die Angabe bei Renger: Gründung, S. 114.

16

C.I. Nitzsch: Praktische Theologie - 1847

ner Gemeindepfarrer den Predigtdienst an der Schloßkirche. Daneben war er in noch weitere kirchliche Arbeit verwickelt. Alle diese Tätigkeiten sind mit in den Entstehungsprozeß der Praktischen Theologie eingeflossen, was sich gerade in den Überlegungen über die Gemeindepredigt zeigt. Diese Einschätzung wird von W. Birnbaum in negativer Interpretation nicht nur auf sein Denken, sondern auch auf die sprachliche Ausdruckskraft übertragen. Birnbaum hält Nitzsch für sprachlich völlig unbegabt: "Sein bis zur Undurchdringlichkeit gewundener Stil, der oft deutlich das sächsische Idiom durchschimmern läßt, hellt sich bisweilen nur auf, wenn man das Gelesene kundig mit dem Klang dieses Dialekts synchronisiert." 10 Doch dieser Meinung kann ich mich nicht anschließen, vielmehr halte ich die Beurteilung R. Schmidt-Rosts für zutreffend, der Nitzsch für einen Sprachvirtuosen in Bezug auf seine Seelsorgedarstellung hält, "deren Reichtum an Beobachtungen, deren subtile wissenschaftliche Systematik und sprachliche Ausdruckskraft in dieser Disziplin der Praktischen Theologie ihresgleichen nicht hat." 11 Diese Einschätzung trifft meiner Meinung nach auch auf die Sprache der übrigen Teile der Praktischen Theologie zu. Die Form der Darstellung in Nitzschs Praktischer Theologie ist dabei dieselbe wie die Schleiermachers in dessen Lehrbüchern 12 . Nitzsch stellt pro Paragraph eine kürzere oder längere These auf und erläutert sie anschließend im fließendem Text. Die Thesen sind so zu einer Argumentationskette gearbeitet, daß eine klare Argumentation entsteht, die schon aus den Thesen verständlich ist und sich in den Erklärungen gegen Einwände absichert. Die beiden ersten Bände der Praktischen Theologie, zum einen über die "Allgemeine Theorie des kirchlichen Lebens" zum anderen über "Das kirchliche Verfahren oder die Kunstlehren. Der Dienst am Wort." erschienen 1847 bzw. 1848 bei Adolph Marcus in Bonn 13 . Das Vorwort schrieb Nitzsch am 12. Mai 1847 bereits in Berlin, wohin er als Nachfolger Marheinekes durch

10

Birnbaum: Wandlungen. Allerdings ist die Beurteilung Nitzschs durch Birnbaum nicht nur in diesem Punkt unangemessen negativ ausgefallen.

"

Schmidt-Rost, R.: 'Eigenthiimliche Seelenpflege'. C.I. Nitzschs wissenschaftliche Grundlegung einer speziellen Seelsorgelehre, in: Pthl 8, S. 283-296, Zitat S. 283. Es ist keineswegs Voraussetzung solcher Beurteilung, daß man Nitzsch mit sächsischem Akzent synchronisieren müßte.

12

Vgl. z.B. Schleiermacher, F.D.E.: Der christliche Glaube 1821/22, KGA 1/7,1-3, Berlin 1980-83; Schleiermacher: Darstellung. Alternativ dazu vgl. u.a. Marheineke: Entwurf.

13

Der Druck erfolgte in deutscher Fraktur, das Buch hat die Maße von 21 χ 13 cm. Im Durchschnitt hat eine Seite 40 Zeilen inklusive Kopftext mit Angabe des jeweiligen Buches, des Kapitels, des Unterkapitels, des Paragraphen und der Seitenangabe. Pro Zeile sind ca. 6 5 Anschläge zu zählen.

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17

den liberalen preußischen Kulturminister K.Fr. Eichhorn (1781-1854) berufen worden war, nicht ohne kritische Einwände des preußischen Königs und konservativer Kreise. Die folgenden Bände des Gesamtwerkes erschienen aufgrund zunehmender anderer Tätigkeiten mit teilweise großer zeitlicher Verzögerung: "Der evangelische Gottesdienst" erschienen 1851, "Die eigenthümliche Seelenpflege des evangelischen Hirtenamtes mit Rücksicht auf die innere Mission" 1857 und "Die evangelische Kirchenordnung" erst 1867. Besonders die späte Konkretisierung des Kirchenbegriffs hat zu materiellen Veränderungen gegenüber der - zwanzig Jahre und eine Revolution - jüngeren theoretischen Fassung geführt. Ein Registerband wurde 1872 posthum erstellt. In der programmatischen Einleitung zum Gesamtwerk beschreibt Nitzsch in drei Teilen auf 135 Seiten "Begriff", "Geschichte", "Methode und Einteilung der Praktischen Theologie"14. Es werden neben der enzyklopädischen Einordnung innerhalb der Theologie der Gegenstand, die Zielaufgabe und die grundsätzliche Methodik der Praktischen Theologie erläutert und mit historischen Herleitungen und Kritiken untermauert. Anhand dieser 1847 fertiggestellten umfassenden Einleitung und dem Vorwort werden der gesamte Aufbau und die konzeptionelle Bedeutung des Kirchenbegriffes geklärt.

14

Nitzsch: PTh I, S. 1.

18

C.I. Nitzsch: Praktische Theologie - 1847

1. Der Begriff der Praktischen Theologie

1. Enzyklopädische Bestimmung "Durch Theologie gelangt die Kirche zu ihrem wissenschaftlichen Selbstbewußtsein. Sie verständigt sich über die Gründe und Principien ihres Daseins, über ihr Zeitverhältnis und ihren Lehrinhalt. Dieses wissenschaftliche Wissen ist nun zwar unbeschadet seiner Selbstständigkeit, ein Wissen um des Handelns willen und hat in allen seinen Theilen eine weitere Selbstbethätigung der Kirche im Auge, nur ist es noch kein Wissen vom kirchlichen Handeln selbst. Demnach vollendet sich die kirchliche Wissenschaft durch Theorie der kirchlichen Ausübung des Christenthums, und wird so zu einer praktischen Theologie."1

Selbstbewußtsein, Selbständigkeit und Selbstbetätigung - diese drei Begriffe erschließen für Nitzsch die enzyklopädische Struktur der Theologie. Der Gesamtorganismus Theologie diene als Mittel zur Verständigung der Kirche über ihren Ursprung und ihr Dasein, über ihre Beziehungen zu anderen Institutionen und über den Inhalt ihrer Botschaft. Die so verstanden funktionale Theologie fördere damit die Handlungsfähigkeit der Kirche, wobei die Selbständigkeit der Theologie durch ihre Funktionalität gerade nicht eingeschränkt werde. Die Erarbeitung des Selbstbewußtseins der Kirche schließe jedoch nicht das Wissen vom kirchlichen Handeln ein. Dieses Wissen von der Selbstbetätigung der Kirche stelle erst die Praktische Theologie dar. Innerhalb der abstrakten Definitionsthese zur Praktischen Theologie und ihrem Verhältnis zur Gesamttheologie wird der Kirchenbegriff noch unreflektiert gebraucht. Augenfällig ist die Orientierung am Handlungsbegriff. Handeln und die Ermöglichung von Handeln sind das Ziel und der Gegenstand theologischer Wissenschaft. Besonders die Handlungsermöglichung wird auch noch im Hinblick auf den Bildungscharakter der Kirche eine Rolle spielen, denn die drei Themenkreise - "Kirche", "Handeln" und "Bildung" - bestimmen die gesamte Konzeption der Praktischen Theologie Nitzschs. In den erklärenden Ausführungen zur These des §1 bezieht sich Nitzsch auf den von Schleiermacher in seiner Kurzen Darstellung aufgestellten Begriff der Praktischen Theologie2 und verteidigt ihn. Nitzsch wendet sich dabei gegen zwei Mißverständnisse: die Praktische Theologie sei eine Dogmatiksammlung für die Praxis, oder aber sie sei ein Fundus von Praxistips.

1

Nitzsch: PTh I, S. 1, These des §. 1. Hervorhebungen bei Nitzsch.

2

Schleiermacher: Darstellung, §§. 257-338, bes. §. 257 und 275.

Der Begriff der Praktischen Theologie

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Als Analogie zu seiner Argumentation verweist Nitzsch auf die Unterscheidung des grammatischen Subjekts und Objekts der Wortverbindung Theo-logie. Nitzsch unterscheidet 'Wissen an sich' als Subjekt der Wortverbindung und 'Wissen wovon' als Objekt derselben. Diese Unterscheidung ermögliche eine methodisch saubere Widerlegung der beiden Mißverständnisse. Das eine Mißverständnis sei, daß die Praktische Theologie als "Vorrathskammer für den Gebrauch des kirchlichen Lehrers" und als eine "populäre Dogmatik"3 bezeichnet werde. Dieser Einschätzung will Nitzsch mit Hinweis auf das Objekt der Theologie, dem Wissen wovon, begegnen. Mit dem Ausdruck "populäre Dogmatik" hat Nitzsch eine konkrete, historisch benennbare Zielgruppe im Auge. Es handelt sich um diejenigen Theologen, die im Gefolge der Aufklärungstheologie nach dem Bewußtwerden des Auseinandertretens von Religion und Theologie 4 eine praxisfähige und individuell annehmbare Verbindung von Dogmatik und Ethik suchen. Hierbei handelt es sich um eine an den Universitäten vor der Wende zum 19. Jahrhundert sehr aktive Gruppe.5 B. Ahlers6 gibt als Beispiel eine Definition von J.J. Griesbach (1745-1812) wieder: "Die populäre Dogmatik ist der Inbegriff derjenigen theoretischen Religionswahrheiten oder Glaubenslehren, von welchen auch solche Christen, die keine Theologen werden wollen, unterrichtet werden sollen und können. Dahin gehören aber alle Dogmen, welche auf die durch die Religion Jesu zu bewirkende moralische Besserung oder Beglückung der Menschen einen näheren Einfluß haben und dabey einer auch den Nichttheologen verständlichen Behandlung fähig sind. Von der Schuldogmatik unterscheidet sich demnach die populäre durch ihren Zweck, ihren Inhalt oder die Auswahl der abzuhandelnden Lehrsätze, und ihre Behandlungsart. Der Zweck der populären Dogmatik ist, die Bildung einsichtsvoller Christen zu

3

Nitzsch: PTh I, S. 1. Der Begriff begegnet direkt bei dem von Nitzsch später noch eingehender kritisierten A.H. Niemeyer: Populäre und praktische Theologie oder Materialien des christlichen Volksunterrichts, Halle 1792ff. Zu dieser Gattung gehört aber auch: Griesbach, J.J.: Anleitung zum Studium der populären Dogmatik, besonders für künftige Religions-Lehrer, Jena 1779; Less, G.: Christliche Religions-Theorie oder Versuch einer populären Dogmatik, Göttingen 1779; Mosche, G.C.: Theologia popularis, Göttingen 1773.

A

Diese Denkfigur begegnet erstmals begrifflich bei Semler, J.S.: Magazin für die Religion, Bd. 1, S. XXXVI, Halle 1780; als selbständiges Thema erscheint sie bei Tittmanns, K.Chr.: De discrimine theologiae et religionis (1782), in: ders.: Opuscula theologica, Leipzig 1803, S. 537-570.

5

Über sie beklagt sich etwa auch Nösselt, J.A.: Anweisung zur Bildung angehender Theologen, Halle (1786) 1791 2 , Kap. II, § 179.

6

Ahlers, B.: Die Unterscheidung von Theologie und Religion. Ein Beitrag zur Vorgeschichte der Praktischen Theologie im 18. Jahrhundert, Gütersloh 1980.

20

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befördern; dahingegen durch den Vortrag der Schuldogmatik schulgerechte Theologen zubereitet werden sollen." 7

Für Nitzsch stellt sich die populäre Dogmatik als Vermischung von Theologie und Religion sowie als simplifizierte Moral für die Praxis dar. Beides führt er auf ein Ausblenden von Teilen komplizierterer wissenschaftlicher Überlegungen zurück, die wiederum daraus resultiere, daß die Lehrsubjekte Theorie und Praxis zwar unterscheiden könnten, aber unfähig wären, beide handlungsermöglichend und -orientierend zu verbinden. Nitzsch wendet sich entschieden dagegen, daß nach methodisch verantwortbaren Regeln reflektierte und damit sekundäre Inhalte nach einer Simplifizierung für den ethischen Hausgebrauch als unmittelbare Moralvorstellungen dargereicht würden. Mangelnde Unterscheidung von Religion und Theologie würde zudem der Reflexivität der Theologie schaden und gleichzeitig das Vorauslaufen der unmittelbaren Religion vor der Theologie vernebeln. Die Unterscheidbarkeit des Objektes der Wissenschaft von der Wissenschaft selbst müsse gewahrt bleiben. Es fragt sich allerdings, ob Nitzsch mit seiner Kritik die aus der Unterscheidung von Religion und Theologie hervorgehende Theorie der populären Dogmatik wirklich trifft. Falls die Theologie als unmittelbar religiöse Praxis gesetzt würde, dann würde in der Tat Theologie nur noch über sich selbst nachdenken. Diese Entwicklung, die auch V. Drehsen der altprotestantischen Orthodoxie mit einigem Recht, aber auch mit Einschränkungen, unterstellt,8 läßt mangels Objekt den Prozeß der Reflexion zum Stillstand kommen, weil es an lebendigen Gegenständen mangelt. Umgekehrt könnte sich aber auch die unreflektierte religiöse Praxis zur Theologie erheben und so eine kritische Bearbeitung von Fehlformen verhindert werden. Die von Nitzsch kritisierte populäre Dogmatik war jedoch über diese beiden konträren Ansichten längst hinaus und stellt gerade die Anerkennung einer Unterscheidung von Theologie und Religion dar. Sie wollte die ethischen Impulse der Dogmatik vermittelbar machen, ohne in deren theologische Spekulationen zu verfallen. Gleichzeitig setzte sie sich damit jedoch tatsächlich der Gefahr aus, weite Dimensionen des christlichen Wirklichkeitsverständnisses, die keine direkten ethischen Auswirkungen zeigten, auszublenden. Nitzsch wendet sich dann gegen das zweite Mißverständnis: Die theoretische Theologie stünde der praktischen gegenüber, der theoretischen Theologie, die die credenda thematisiere, stünde die Theorie der agenda gegenüber. Das Gegenüber der theoretischen Theologie wäre so die Ethik als Wissen7

Griesbach: Anleitung, S. 1, zit. nach Ahlers: Unterscheidung, S. 160.

8

Vgl. Drehsen: Konstitutionsbedingungen, S. 73-78.

Der Begriff der Praktischen Theologie

21

schaft mit dem Gegenstand der "christlichen Handlungsweise"9. Die Ethik wäre somit die Praktische Theologie. Dieser Einschätzung widerspricht Nitzsch, weil "das Praktische noch in einem anderen Sinne Gegenstand des kirchlichen Wissens werden mußte. In welchem aber?"10 Wieder verweist er auf Schleiermacher: "... die Theologie, zwar noch im Praktischen theoretisch, sei schon im Theoretischen praktisch ..." n . Diese Erkenntnis habe sich auch bei anderen theologischen Strömungen durchgesetzt.12 Weil Marheineke die Konsequenzen dieser Bestimmung nicht konsequent genug umgesetzt habe, will Nitzsch das Konzept Schleiermachers gegen die Definition der Praktischen Theologie Marheinekes verteidigen und so auch versuchen, das Verhältnis von theoretischer und praktischer Theologie zu klären. Marheineke definiert die Praktische Theologie nach Nitzsch folgendermaßen: "Nach diesem Allen ist nun der Begriff der praktischen Theologie dahin zu bestimmen: daß sie die Wissenschaft sei, welche den Zweck hat, mittels des Begriffs aller seiner Functionen den evangelischen Geistlichen in Stand zu setzen, daß er eine seiner Bestimmung angemessene Wirksamkeit in seinem Amt auszuüben vermöge."13 Ohne "gewußte Einheit und gewußten Zusammenhang" steht der Geistliche in seiner Amtsausübung für Nitzsch aber einsam da, ja "gleich einem deus ex machina"14. Nitzsch ist klar, daß es zu dieser gewußten Einheit aber erst kommen kann, wenn sowohl der "Begriff aller Functionen eines evangelischen Geistlichen", also die Idee, wie auch die "Thatsächlichkeiten" in Beziehung gesetzt werden: "Ist die Religion überhaupt nicht nur Idee, sondern auch Thatsache, und das Christenthum die vollendete Thatsächlichkeit der Religion, so muß sie auch Kirche werden, und nur aus diesem Grunde kann sich ein selbstständiges Dasein und ein wirklicher Organismus der Theologie ergeben."15 Nur aufgrund der Kirche gewönne die Theologie organischen Charakter.

9

Nitzsch: PTh I, S. 2. Ebd.

"

Nitzsch: PTh I, S. 3.

12

Nitzsch verweist auf: "Pelt: Theol. Encyclop, S. 560" = Pelt, A.F.L.: Theologische Enzyklopaedie als System, im Zusammenhang mit der Geschichte der theologischen Wissenschaft und ihrer einzelnen Zweige, Hamburg 1843, und auf: "Liebner: Die prakt. Theol. in Theol. Stud. u. Kr. 1843.3." = Liebner: Theologie, in: ThStKr 1843/3, S. 629-658. Die Fortsetzung in ThStKr 1844/1, S. 77-136 erwähnt Nitzsch nicht.

13

Die zitierte Definition stimmt mit Marheineke: Entwurf, § 27 überein. Nitzsch: PTh I, S. 4.

15

Ebd.

22

C.I. Nitzsch: Praktische Theologie - 1847

Somit wird der Kirchenbegriff hier bereits als strukturgebend und grundlegend begriffen, ohne ihn weiter zu reflektieren. Nitzsch hält es dabei für falsch, in der "Einseitigkeit des a priori" zu bleiben, ohne den Tatsächlichkeiten Rechnung zu tragen. Nitzsch sieht zwar gleichzeitig die Notwendigkeit der Idee: "die Kirche muß ihre eigene Erscheinung kritisieren"16. Um das leisten zu können, müßten aber Idee und Erscheinung in Beziehung zueinander gesetzt werden. Die Idee müsse klar sein und ebenso die Erscheinung. Voraussetzung für das Kritisieren der Erscheinung sei die Erkenntnis und das Verständnis der Erscheinung. Als Reflexionsebenen unterscheidet Nitzsch dabei die theologia als scientia ad praxin von der theologia practica als scientia ad praxeos: "Aliud est agentem et ministrantem in ecclesia idonea ad iudicandum praesentem statum facúltate - praemunire, aliud ipsos agendi modos tradere et ministrandi artes"17 = 'Es ist eine Sache, demjenigen, der in der Kirche handelt und ein Amt bekleidet, mit einer Fähigkeit auszustatten, die ihn instand setzt, den gegenwärtigen Zustand zu beurteilen; es ist etwa anderes, die Handlungsweisen selbst und die Kunstfertigkeiten der Amtsführung zu vermitteln. ' Die im Sinne Schleiermachers positive Wissenschaft Theologie ist in allen ihren Subdisziplinen auf einen gegebenen Handlungsbezug ausgerichtet. Aber Theologie und Praktische Theologie unterscheiden sich dennoch. "Sowie nun das Ganze derselben in allen Zweigen sich findet, da alle theologischen Wissenschaften verhältnismäßig apologetisch-polemisch, alle geschichtlich, alle systematisch sind, so sind sie auch sämtlich praktisch und positiv, obwohl theoretisch und rationell. Nur daß es einen großen Unterschied macht, daß der eine Theil durch die Beziehung auf das Handeln der andere durch das Handeln als Gegenstand praktisch ist." 18

Mit Hilfe einer Beschreibung des grammatischen Subjektes des Wortes Theologie, dem "höheren Wissen"19, und mit Hilfe einer diachronen Untersuchung der für ihn wesentlichen Stadien der Theologiegeschichte versucht Nitzsch, seine schon über den Zugang durch das Objekt des Wortes Theolo-

16

Nitzsch: PTh I, S. 5.

17

Vgl. Nitzsch, C.I.: Sollemnia natalitia regis augustissimi et potentissimi friderici wilhelmi III., die III. augusti II. XI. ab universitate fridericia wilhelmia rhenana rite pieque celebranda magnifici rectoris et illustris senatus auctoritate indicit carolus immanuel nitzsch, ordinis theologorum evangelicorum h.a. decanus: Insunt ad theologiam practicam felicius excolendám observationes. Bonnae 1831, p. 1-30; hier p.5.: "Namque aliud est, agentem et ministrantem in ecclesia idonea ad iudicandum praesentem statum facúltate, tarn philosophica quam histórica, praemunire, aliud, agendi modos tradere et ministrandi artes."

18

Nitzsch: PTh I, S. 8.

"

Ebd.

Der Begriff der Praktischen Theologie

23

gie erarbeitete These zu untermauern. Wesentlich ist für ihn dabei der bildende Charakter der Theologie als Bildung zum Lehramt für die Erhaltung der Kirche. Er rekurriert besonders auf die Bemühungen der Reformation, zur theologischen und allgemeinen Bildung beizutragen, auf "das Erfordernis nicht nur eines Gelehrtseins aus Gott und durch Gott", wie es schon vorher angestrebt worden war, sondern "vielmehr auch eines höheren Wissens im natürlichen und menschlichen Sinne" als wissenschaftliche und amtliche Erhaltung der Kirche durch Erhaltung der allgemeinen Bildung20. Den Bildungscharakter der Theologie stellt er in den Mittelpunkt des Subjektes der Theologie. Das fundamentalanthropologische Korrelat dieses Bildungsverständnisses21 ist wiederum der Handlungsbegriff, der sich in der Einheit von

30

Hier befindet er sich auch in Übereinstimmung mit Schleiermacher, F.D.E.: Der christliche Glaube 1821/22, Kritische Gesamtausgabe, Bd. 1/7,1-3, Berlin 1980-83, Bd. 1/7,3, S. 46, Anm. 205: Zu 1. Entwiklung ... Analogie bemerkt NH [= Dogmatikkolleg des WS 1823/24 in der Nachschrift von L.A. Heegewaldt, Schleiermacher-Nachlaßim Zentralen Archiv der Akademie der Wissenschaften der DDR] 53: "[...] - N i c h t daß die Mittheilung des Christenthums gebunden sei an eine bestimmte Stufe der Kultur, allein das müssen wir sagen, daß das Christenthum zugleich Grundlage der Kultur und entwikelter Intelligenz wurde - [...]" In diesem Sinne faßt Schleiermacherdas Christentum als "sprachbildendes Prinzip" auf; vgl. Schleiermacher, F.D.E.: Sendschreiben 521 über seine Glaubenslehre an Lücke, ed. H. Mulert, Gießen 1908, S. 60.

21

Unter Bildung sollte man daher bei Nitzsch nicht das Anhäufen von Wissen und Kenntnissen verstehen, sondern den Bildungsbegriff in seinen mehreren Ebenen ernst nehmen, auch wenn Nitzsch ihn noch nicht vollständig entfaltet. Bildung ist zum einen der Prozeß des Bildens, unterschieden in Selbstbildung von etwas, was in einer Person vorhanden ist, und Ausbildung durch Impulse von außen. Zum anderen ist mit Bildung das Ziel des Bildens gemeint, Handlungsfähigkeit eines psychisch ausgeglichenen Subjekts. Vgl.: Preul, R.: Religion - Bildung - Sozialisation. Studien zur Grundlegung einer religionspädagogischen Bildungstheorie, Gütersloh 1980. Der Rückbezug auf den Handlungsbegriff stellt damit aber auch klar, daß die Ausbildung eines Wirklichkeitsverständnisses zur Bildung elementar dazugehört. Erst auf dem Hintergrund dieses Verständnisses können die Handlungsziele deutlich werden, die für jedwedes menschliche Handeln grundlegend sind. Der Bildungsbegriff ist dem Erziehungsbegriff damit systematisch überlegen, da er nicht nur die Außeneinflüsse beinhaltet, sondern auch die innerpsychischen Prozesse mitbedenkt, Weg und Ziel unterscheiden kann und zudem die Abhängigkeit der Handlungen vom Wirklichkeitsverständnis des Handelnden aufzeigt und bearbeitbar macht. Innerhalb dieser Strukturen kann man dann allgemeine und spezielle Bildung unterscheiden. Allgemeine Bildung meint, was jeder in seinen Handlungszusammenhängen benötigt, jeder für die Bewältigung elementarer Lebensprobleme wissen muß. Dazu gehören die Fähigkeiten zum Durchschauen gesellschaftlicher Handlungszusammenhänge - also zur soziologischen Aufklärung -, zu Differenzierungsvermögenund besonders zur Ausbildung eines Selbst- und Wirklichkeitsverständnisses. Diese Aufzählung erhebt dabei nur den Anspruch der Beschreibung des Minimums. Sie muß im weiteren den wechselnden Anforderungen - gesellschaftlich wie individuell - angepaßt werden.

24

C.I. Nitzsch: Praktische Theologie - 1847

Theoretisieren und Praktizieren aus Deutung (Idee) und Gestaltung (Tatsachen) zusammensetzt22. Für Nitzsch ist das in Anmerkung 22 grob skizzierte Bildungsverständnis zu Grunde zu legen. Theologie hat aus der Perspektive seines Subjektes wesentliche Impulse für die Bildung zu geben, die wiederum zum Erhalt der Kirche dienen. Sein Rückbezug auf Luthers Bildungsinteresse ist dabei angemessen und sachkundig, ist solch ein Bildungsverständnis doch tatsächlich bei Luther erkennbar23. Zusammenfassend ist für Nitzsch schon aus dem Bildungsimpuls der Theologie heraus Theologie immer theologia ad praxin. Praktische Theologie findet ihren enzyklopädischen Ort in der so verstandenen Theologie dadurch, daß das Handeln in Deutung und Gestaltung auch Gegenstand der Untersuchung ist und nicht mehr ausschließlich Zielfunktion.

2. Der Gegenstand Nitzsch entfaltet den Gegenstand der Praktischen Theologie mit Hilfe einer Analogie zwischen der Vermittlung des Reiches Gottes (in Christus zur Kirche durch die Kirche) und der Vermittlung des christlichen Lebens (zum kirchlichen Leben durch kirchliches Leben). Die Analogie bestehe dabei nicht zwischen den einzelnen Elementen, sondern der Prozeß der Vermittlung verlaufe analog. Auf dieselbe Weise, wie sich das Reich Gottes zur Kirche vermittelt, vermittelt sich christliches Leben zu kirchlichem Leben. Das kirchliche Leben werde durch kirchliche Tätigkeiten vermittelt, durch "Inbegriff von Thätigkeiten, welche auf Ueberlieferung und Verbreitung, Zueignung und

Spezielle Bildung meint dagegen, was der Einzelne in seinen jeweiligen Handlungszusammenhängen benötigt, für seine spezielle Lebenssituation. Eine Unterscheidung zwischen formalen und materialen Bildungstheorien, jene als Aneignung methodischer Fähigkeiten, diese als Aneignung von Bildungsgütern ist überwunden. Eine Orientierung an Bildungsgütern ist überwunden, weil sich ein Anhäufen von Bildungsgütern durch das Explodieren der Bildungsmasse inzwischen als nicht mehr machbar erwiesen hat. Beide Verfahren gehören zusammen, weil methodische Fähigkeiten zwar handlungsfähiger machen, jedoch die Bildungsinhalte weiterhin im Hinblick auf die Handlungsfähigkeit von Bedeutung bleiben. Vgl. Preul, R.: Art. Bildung, in: HRPG I, S. 67-74 und dort auch die grundlegende Literatur zum Bildungsbegriff. 22

Vgl. dazu Preul: Art.: Bildung.

23

Vgl. zum Bildungsbegriff bei Luther: Preul, R.: Der Wandel der Kommunikationsbedingungen des Evangeliums seit der Reformation als Problem der Praktischen Theologie; und: ders.: Erziehung bei Luther - Luthers Bedeutung für die Erziehung, beides in: ders.: Luther und die Praktische Theologie. Beiträge zum kirchlichen Handeln in der Gegenwart, Marburg 1989, S. 8-24 und S. 47-70.

Der Begriff der Praktischen Theologie

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Anbildung des Christenthums gerichtet sind." 24 Der Gegenstand der praktischen Theologie ist die Art und Weise, wie aus christlichem Leben kirchliches Leben werden kann, d.h. er ist das kirchliche Leben selbst. In diesem Zusammenhang wird dann erstmalig der Kirchenbegriff reflektiert. Nitzsch betont, daß das Reich Gottes und die Kirche nicht dasselbe seien. Kirche sei bestimmt durch die kirchliche Praxis, sei "Ausübung des Christenthums im Besonderen", was er im zweiten Teil des § 2 erläutert. Das Reich Gottes sei hiervon zwar nicht getrennt, also in Verbindung mit ihr, aber "relativ verschieden" 25 . Das Reich Gottes sei die "Ausübung des Christenthums im Allgemeinen" 26 , sei "sittliche"27 Praxis. Es sei "Gottgemeinschaft der Menschen, göttliches Menschenleben durch Christus vermittelt, also auch Brüderschaft und Familie durch göttliche Kindschaft." 28 Werde nun aus dieser "Wahrheit", wie Nitzsch formuliert, "Wirklichkeit", so vollziehe sich der Übergang von einer geglaubten, existenziellen Erfahrung, einer Idee, zu einem auch historisch und empirisch faßbaren Phänomen. Damit beginne auch die Unterscheidung innerhalb des Kirchenbegriffs. Das erste Moment des protestantischen Kirchenbegriffs stelle die Gemeinschaft der Heiligen, der Gläubigen, dar - in Anlehnung an CA VII und VIII. Sie leben das Christentum individuell und würden "im Zusammenhange des christlich-sittlichen Handelns bereits schon kirchlich handeln", d.h. auch gemeinschaftlich. Nitzsch versucht dabei besonders den allumfassenden Charakter zu unterstreichen, den dieses Leben des Christentums ausmacht. Aber der evangelische Kirchenbegriff, den er nur nominell vom protestantischen unterscheidet, beinhalte noch mehr, nämlich die äußeren Kennzeichen: Predigt und Sakrament. Der Schwerpunkt liege dabei nicht nur auf der bestehenden, wie im ersten Moment beschriebenen, verwirklichten Kirche der Gemeinschaft der Gläubigen, sondern vielmehr auf der Frage, wie sich diese Verwirklichung selbst vermittelt, damit das Reich Gottes entstehen kann: "Predigt und Sakrament; und diese[s] weiset nicht bloß auf die dem verwirklichten Reiche Gottes gleiche Kirche, sondern auch auf Mittel der Verwirklichung, mithin auf das ¡ Werden des Reiches Gottes, auf das sich selbst vermitteln desselben im Individuum und der Gemeinde hin." 29 Der

24

Nitzsch: PTh I, S. 13.

25

Ebd.

26

Ebd.

27

Ebd.

28

Ebd. Hervorhebung von Nitzsch. Die folgenden Zitate ebd.

2

Nitzsch: PTh I, S. 13f.

'

26

C.I. Nitzsch: Praktische Theologie - 1847

Unterschied zum Reich Gottes ergäbe sich daraus, daß die Kirche sich durch die Kirche in der Kirche immer selbst erneuern muß. Die Mittel dazu, Predigt und Sakrament, erzeugten durch den unterschiedlichen Grad der Wirkung in der Kirche eine im Werden begriffene Gemeinschaft unterschiedlicher Reife im Glauben30. Dabei ist Nitzsch klar, daß die Reifegrade nicht offensichtlich zu unterscheiden und zuzuordnen sind31. Nitzsch will nur auf den prinzipiellen Unterschied zwischen dem Reich Gottes und der Kirche hinweisen. "Vermöge dieses Unterschiedes ist und bleibt das kirchliche Leben ein Moment des christlichen, sowie die Kirche Product des Verwirklichungsprocesses des göttlichen Reiches, und doch wieder wird das kirchliche Leben ein den Fortschritt und die Vervollkommnung des christlichen und sittlichen bedingendes Leben." 32

Das Reich Gottes kann sich nur durch die Kirche in der Welt verwirklichen. Die Unterscheidung zwischen sittlicher Ausübung des Christlichen und dessen kirchlicher Ausübung besteht darin, daß die Ermöglichung und deren Bedingungen für das Christliche mitbedacht und mit in die Tätigkeiten einbezogen werden, um für die kontinuierliche Erbauung der Menschen, also für ihre Befähigung zum Handeln zu sorgen. Hierin sieht Nitzsch die Unterscheidung zwischen der Praktischen Theologie und der Ethik, die er noch "MoralTheologie" 33 nennt. Die Praktische Theologie nimmt die Ermöglichungsbedingungen zur Erlangung christlicher und sittlicher Praxis mit in ihren Gegenstandsbereich hinein, weil sie nicht nur die sittliche Praxis, sondern die kirchliche Praxis, die über die sittliche hinausgeht und für eine sittliche erst sorgt, als ihren Gegenstand erkennt. Nitzsch unterscheidet dabei zwei Momente der kirchlichen Ausübung der christlichen Religion, also der Selbstbetätigung der Kirche innerhalb des endlichen Weltgebietes, d.h. der "Praxissituation endlicher Freiheit"34. Grundsätzlich habe die Kirche ihre Voraussetzung im Empfangen von ihrem Herrn her. Aufgrund dieses Empfangens betätige sich die Kirche dann emp-

30

Vgl. zu den Problemen des Wachstums des Glaubens Preul, R.: Wurzel und Wachstum christlicher Freiheit, in: ZThK 92, 1995, S. 251-277.

31

Vgl.: CA VIII: "... jedoch dieweil in diesem Leben viel falscher Christen und Heuchler, auch offensichtlicher Sünder unter den Frommen bleiben, ..." Zum Corpus permixtum vgl.: Härle, W.: Art.: Kirche VII, dogmatisch, in: TRE 18, S. 277-317, bes. 286-289.

32

Nitzsch: PTh I, S. 14.

33

Ebd.

34

Vgl. den Begriff der "Praxissituation endlicher Freiheit" bei E. Herms: Offenbarung und Glaube, Tübingen 1992, Register. Auch Herms verweist auf den Zusammenhang mit dem Handlungsbegriff.

Der Begriff der Praktischen Theologie

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fangend, d.h. sie bezieht sich auf die Ermöglichungsbedingungen des Christlichen, also auf ihre Selbstbegründung. Und sie könne aus dem Empfangen heraus das Ermöglichte expressiv vertreten, also auf dem Grund des Empfangenen sich selbst und die Welt vervollkommnen. Beide Momente seien zu unterscheiden, obwohl sie sich beeinflussen. Nitzsch unterscheidet scharf zwischen sittlichem Handeln und dem Ermöglichungshandeln sittlichen Handelns, das er als kirchliches Handeln definiert. Das kirchliche Handeln stellt die Ermöglichung sittlichen und christlichen Handelns dar und befindet sich selbst innerhalb des sittlichen Handelns. Praktische Theologie fragt also vor allem danach, wie Menschen ermöglicht wird oder werden kann, ethisch zu handeln. Eine Unterscheidung der Handlungssubjekte, d.h. wer ethisch handelt oder wer kirchlich und ob diese Unterscheidung etwa zwischen dem Einzelnen und der Institution Kirche verläuft, spielt hier überhaupt keine Rolle. Nitzsch definiert insofern die Einheit der Praktischen Theologie auf den ersten Blick über den Gegenstand des kirchlichen Handelns. Dieser Gegenstand ist jedoch in sich teleologisch, beinhaltet eine Zieloption und ist so funktional. Der Gegenstand der Praktischen Theologie ist ein Ziel. Deshalb bleibt das einheitsstiftende Band der Praktischen Theologie ihre funktionale Ausrichtung, die sie mit der gesamten Theologie gemeinsam hat. Wenn kirchliches Handeln Ermöglichungshandeln ist, dann ist der Gegenstand Praktischer Theologie für Nitzsch das Bildungshandeln der Kirche, das sich als Reaktion auf das Stiftungshandeln Gottes in Selbstbegründung und -Vervollkommnung der Kirche ausdrückt. Das Bildungshandeln ist aber kein material zu verstehender Gegenstand mit fest umrissenem Inhalt, sondern eine bestimmte Zieloption, nämlich Ermöglichung sittlichen und fortgesetzten kirchlichen Handelns in Verantwortung vor Gott. Kirchliches Handeln ist also nur auf den ersten Blick das Handeln der Institution Kirche und so der Gegenstand der Praktischen Theologie. Weil sich in der Vorstellung Nitzschs die Zieloption und der Gegenstand materialiter decken sollten, kann im Idealfall das tatsächliche kirchliche Handeln als Gegenstand die Einheit der Praktischen Theologie bilden. Das muß aber nicht immer so sein oder bleiben. Das beschriebene Ermöglichungshandeln und das tatsächliche institutionelle Handeln der Kirche kann sich auch zu unterscheiden beginnen. Folgerichtig greift Nitzsch im weiteren Verlauf der Einleitung das Problem auf, wer das Subjekt dieses kirchlichen Bildungshandelns eigentlich ist.

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3. Das Subjekt der kirchlichen Tätigkeiten Die von Nitzsch übernommene Klärung über das Subjekt kirchlichen Handelns und damit über das Subjekt derjenigen Tätigkeit, über die die Praktische Theologie nachdenken soll, wurde zu Recht als Nitzschs bahnbrechende Leistung und als Fortschritt gegenüber Schleiermacher angesehen. F. Uhlhorn (1860-1937) rühmt 1898 als wesentliches Verdienst Nitzschs die klare Bestimmung des Subjektes der kirchlichen Tätigkeiten: "Das Subjekt dieser Tätigkeiten ist die Kirche"35. Gleichzeitig jedoch warf diese Bestimmung die meisten Fragen und Mißverständnisse auf. Im § 3 werden die Mißverständnisse aber ausgeräumt, denen der Entwurf Nitzschs ausgesetzt war und ist. Der Vorwurf der Verengung des Kirchenbegriffes auf das Handeln der kirchlichen Amtsträger läßt sich gerade anhand dieses Paragraphen nicht halten. Im Gegenteil stellt gerade die Akzentuierung Nitzschs gegenüber Schleiermacher klar, daß nicht Hervorragende - etwa die Amtsträger - in der Kirche handeln, sondern die Kirche selbst.36 Es ist eigentlich unmißverständlich, daß die Kirche als Gesamtgebilde Subjekt der kirchlichen Tätigkeiten ist und keineswegs eine einzelne Person. Allerdings ist die Formulierung der These des § 3 nicht problemlos, wenn man sie nicht vollständig zu Ende liest bzw. zitiert.37 Deshalb soll sie komplett wiedergegeben werden: "Das Subject dieser kirchlichen Ausübung des Christenthums ist der ersten Potenz nach weder der einzelne Christ als solcher noch der Kleriker, sondern eben die Kirche, oder die zuerst und im Allgemeinen nur von Christi Stiftung und Amt abhängige Gemeine in der Selbigkeit und Allheit ihrer Mitglieder, es sei daß sie in dem protensiven Existentwerden

Uhlhorn, F.: Die wissenschaftliche Behandlung und Darstellung der praktischen Theologie, in: ZprTh 20, 1898, zit. n. Krause, G. (Hrg.): Praktische Theologie. Texte zum Werden und Selbstverständnis der praktischen Disziplin der evangelischen Theologie, Darmstadt 1972, S. 200-214, hier S. 210. "Wenn Nitzsch die Kirche selbst als 'actuoses Subjekt' bezeichnet, so war das ein Fortschritt gegenüber Schleiermacher, der allzusehr die Kirche als Objekt, d.h. als Gegenstand der Kirchenleitung seitens der 'Hervorragenden' angesehen hatte." Goltz, E.v.d.: Die evangelische Theologie. Ihr jetziger Stand und ihre Aufgaben. Teil 5: Die praktische Theologie, Halle 1929, S. 1-9, in: Krause: Theologie, S. 294-303, hier S. 296. Dem folgen auch Birnbaum: Wandlungen, S. 41; D. Rössler: Der 'ganze' Mensch. Das Menschenbild der neueren Seelsorgelehre und des modernen medizinischen Denkens im Zusammenhang der allgemeinen Anthropologie, Göttingen 1962, S. 6 und Wintzer: Konzeption, S. 102. So geschehen etwa bei G. Otto: Grundlegung, S. 46. Er beendet das Zitat nach dem Wort Kirche und setzt dann Kirche mit Gemeinde gleich.

Der Begriff der Praktischen Theologie

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oder in der extensiven Einheit gedacht werde, es sei daß sie Versammlungsweise und allseitig oder gegenseitig oder einseitig und durch Individuen handle."

Die Kirche wird erst einmal als umfassendes Gesamtsubjekt gefaßt und eben nicht einer bestimmten Sozialform zugeordnet. Gleich zu Beginn der Erläuterungen dieser These macht Nitzsch deutlich, daß er die römische Kirche und die protestantischen Kirchen unterscheidet. In einer Kirche des Gesetzes, wie er die römische Kirche nennt, sei der Klerus die Kirche39. Diese Vorstellung widerspreche eindeutig den Auffassungen der evangelischen Kirchen. Im Gegenteil sei die Kirche hier ein sacerdotium aequale (1. Petr. 2,9). Jede und jeder in der ekklesia sei Kleriker (1. Petr. 5,3). Von elementarer Bedeutung ist hierbei die nicht umzukehrende Denkrichtung. Die Kirche besteht nicht aus dem Klerus und wird so auf wenige reduziert, sondern die ganze Kirche hat die Vollmachten des vormaligen Klerus. Nitzschs Formulierung ist zwar nicht neu, aber auf jeden Fall nicht verengend, sondern erweiternd. Die Kirche gründe nun - wie schon in den Überlegungen zum Gegenstand der Praktischen Theologie angedacht - nicht auf Zufall oder menschlichem Bemühen, sondern existiere aufgrund göttlicher Einsetzung und Erhaltung. So sieht es Nitzsch deutlich in der Unterscheidung zwischen den beiden oben beschriebenen Ebenen im protestantischen Kirchenbegriff von CA VII und VIII ausgedrückt. Das bedeutet aber, daß die historisch existente Kirche nicht nur soziologisch erklärungsbedürftig und erklärbar sei, sondern auch theologisch aus einer solchen Perspektive gesehen werden muß, daß ihr Ursprung und Erhalt nicht nur in den Händen der Menschen, sondern vor allem in Gottes Händen liege, welche Wege die notwendige menschliche Gestaltung der Kirche dann auch nehmen mag.40

38

Nitzsch: PTh I, S. 15.

39

Nitzsch verweist dabei auf die "katholische Lehre zu Mt 18,17": Hört er die nicht, so sage es der Gemeinde. Hört er die Gemeinde nicht, so halt ihn als einen Heiden und Zöllner, "τη ε κ κ λ ε σ ι α d.h. den praepositis". Leider ist nicht mehr nachvollziehbar, auf welche Lehraussage sich Nitzschs Hinweis konkret bezieht.

40

Vgl. Bonhoeffer, D.: Werke. Bd. 1: Sanctorum communio. Eine dogmatische Untersuchung zur Soziologie der Kirche (1930), hrg.v. J. von Soosten, Gütersloh 1986. Zur Wirkungsgeschichte vgl. Lange, E.: Kirche für andere. Dietrich Bonhoeffers Beitrag zur Frage einer verantwortbaren Gestalt der Kirche in der Gegenwart (Mai 1965), in: ders.: Kirche für die Welt. Aufsätze zur Theorie des kirchlichen Handelns, hrg.v. Scholz, R., München 1981, S. 19-62 und bes. Herms, E.: "Kirche für andere". Zur Kritik und Fortschreibung eines epochemachenden ekklesiologischen Programms, in: ders.: Kirche für die Welt. Lage und Aufgabe der evangelischen Kirchen im vereinigten Deutschland, Tübingen 1995, S. 19-77.

30

C.I. Nitzsch: Praktische Theologie - 1847

Für die soziologische Gestalt der Kirche sei aufgrund der Weite des reformatorischen Kirchenbegriffes deutlich zu machen, daß in jedem Einzelnen in dieser Kirche aufgrund seines Glaubens alle Ämter mitgesetzt sind. Nitzsch sieht in den Ausführungen Luthers die unhintergehbare Argumentation über diesen Sachverhalt41. Auch wenn Nitzsch die Debatte um das Verhältnis von Amt und allgemeinem Priestertum als abgeschlossen bezeichnet und die Fragestellung für eindeutig beantwortet hält, wird sie auch heute noch durchaus kontrovers interpretiert. Ohne hier einen erneuten Beitrag zur Debatte über die Stiftung der Kirche als Amt zur Verkündigung des verbum externum in Wort und Sakrament und die prinzipielle Amtsbefugnis eines jeden Gläubigen bei M. Luther42 zu liefern, soll hier nur betont werden, daß sich bei Martin Luther das Handeln Gottes und das Handeln der Menschen klar unterscheiden lassen und in einem ausgewogenen Verhältnis stehen. Gott handelt in der Stiftung und Erhaltung der Kirche, um das verbum externum zu garantieren. Die Menschen antworten darauf, indem sie dieser grundsätzlichen Gegebenheit Gestalt und Struktur geben. In diesem Gefüge müssen sich die Überlegungen zu Kirche und Amt bewegen, ebenso die Überlegungen zur Gestaltung des Zentrums kirchlicher Identität, dem Gottesdienst. Nitzsch hat für seine Darstellung des Subjektes der kirchlichen Tätigkeit naheliegenderweise auf das Motiv des allg. Priestertums bei Luther zurückgegriffen 43 . Die Überlegungen über das Subjekt kirchlichen Handelns setzen

41

Er verweist auf "Luther: Sendschreiben wie man Kirchendiener wählen etc. Th. 10 Walch, S. 1835" = Luther, M.: De Instituendis ministris Ecclesiae[1523], in: WA 12, S. 160-196.

42

S.u. im Exkurs. Als neueste Behandlung dieses Themas steht demnächst die Marburger Dissertation von Harald Goertz über das allgemeine Priestertum und das ordinierte Amt bei Martin Luther zur Verfügung, dessen Untersuchung auch wesentliche Impulse in diesem Punkt liefert für Härle, W.: Dogmatik, Berlin 1995 und Härle, W.: Allgemeines Priestertum und Kirchenleitung nach evangelischem Verständnis, in: MJTh VIII, Marburg 1996, S. 61-81.

43

Nitzsch greift dabei sowohl auf die klassische Begründung zurück (Nitzsch: PTh I, S. 15: "...; die christliche Kirche ist zuerst und im allgemeinen ein sacerdotium aequale 1 Petr. 2,9.;...".), als auch auf das interessante Bild J. Bugenhagens (1485-1558) vom getauften Kind. Vgl.: Mehlhausen, Joachim: Das Recht der Gemeinde: Carl Immanuel Nitzschs Beitrag zur Reform der evangelischen Kirchenverfassung im 19. Jahrhundert, in: ZKG 100/1, 1989, S. 33-57. Zitat auf S. 53: "Im Anspruch des Kindes auf Unterricht und Erziehung zur Mündigkeit des Glaubens begegnet Christus der Gemeinde mitten in der Welt. Grundsätzlich ist die gesamte Gemeinde von diesem Anspruch betroffen, 'sodaß nach diesem Standpunkt zu reden, die ganze mündige Gemeinde Amtlichkeit hat'." Mehlhausen zitiert hier Nitzsch: PTh III, 2, S. 344. Vgl. zu Bugenhagens Motiv die Braunschweiger Kirchenordnung von 1528, in: EKO 6, I, 1, S. 348-455, sowie Müller,

Der Begriff der Praktischen Theologie

31

folgerichtig beim Einzelnen an, der sich innerhalb der Gemeinschaft einer Kirche befindet. Trotzdem dürfe er nicht isoliert betrachtet werden. Nitzsch erklärt deutlich, daß der Kirchenbegriff und das kirchliche Handeln immer falsch verstanden werden, wenn der Einzelne aus der Gemeinschaft herausgelöst wird: "... es läßt sich auch das kirchliche Thun in keinem Puñete richtig verstehen oder beginnen, ohne daß es in jedem Werkzeuge der Einsamkeit entsage." 44 Nur im Konsens mit der Kirche bekomme ein einzeln Handelnder legitime Autorität zu identischem Handeln. Nicht aus dem Handeln eines Einzelnen läßt sich das Handeln der Kirche ableiten, sondern genau umgekehrt: "... der Begriff des amtlichen Thuns kann sich nur durch den Begriff des kirchlichen Thuns begründen und aus ihm entwickeln." 45 Ohne daß dies bei Nitzsch angesprochen wird, wird damit auch einer Gleichsetzung von Kirche und der Einzelperson Christi widersprochen 46 . Explizit spricht er sich aber gegen die gesetzliche Kirche wegen ihrer Ableitung des Klerus aus dem Christusamt über das Petrus- und das röm. Bischofsamt in Form einer hierarchischen Ämterstufung aus. Dieses Modell der konzentrischen Kreise wird abgelehnt - auch ohne den Argumentationsweg über eine Ablehnung der Gleichsetzung von Christus und der Kirche zu beschreiten. Die Rolle des Einzelnen bestimmt Nitzsch nicht über seine institutionelle Position, sondern sie ergäbe sich aus dem gesamten Amt der Kirche. Die Kirche versteht Nitzsch als Gemeinschaft aller Gläubigen, und jede und jeder sind immer schon zum Amt Berufene. Er konzipiert mit Berufung auf Luther die Kirche von unten nach oben und nicht von oben nach unten. Wichtig ist hier wieder die Unumkehrbarkeit der Denkrichtung. Es wird nicht hierarchisch aus dem einen Amt Christi über das römische Bischofsamt immer weiterreichend nach unten und sich dadurch abschwächend das Amt des Einzelnen abgeleitet, wie es in der römischen Kirche nach dem Modell der konzentrischen Kreise der Fall ist, sondern genau umgekehrt. Aus dem Amt der Kirche wird das Amt des Einzelnen direkt abgeleitet und dann jure humano aus Organisationsgründen wieder in Einzelnen gebündelt, sofern man diese Konzentration in der Kirche wünscht, nicht, weil es jure divino so sein

G.: Johannes Bugenhagen. Sein Ansatz - seine Wirkungsgeschichte - Lehren für die Zukunft, in: ZSRG.Kan.Abt. 77, 1986, S. 277-303. 44

Nitzsch: PTh I, S. 16.

45

Ebd.

46

Das ist eines der Hauptprobleme der ökumenischen Debatten zur Ekklesiologie. Vgl. dazu die Überlegungen zum Begriff der "Kirche für andere" bei: Herms, E.: Kirche für die Welt, S. XIV und im Artikel: "Kirche für andere", in: Herms: Kirche, S. 19-78.

32

C.I. Nitzsch: Praktische Theologie - 1847

muß. Die Identifikation des Handelns Einzelner mit dem Handeln der Kirche schafft dabei die Legitimität ihres Handelns. Im Grundriß der Praktischen Theologie von D. Rössler findet sich eine analoge, wenn auch weniger ausführliche Argumentation47. Sein Ausgangspunkt ist, daß sich ohne eine einheitliche Ausrichtung der verschiedenen Rollen des Einzelnen - hier allerdings explizit des Amtsträgers - einzelne, zusammenhangslose Rollen ergeben, die somit nicht mehr auf die christliche Kirche und ihre Aufgabe verweisen (Legitimität des Handelns) und insofern zugleich eine Identität des Amtsträgers (Identität des Handelns) sowie eine Identität von Kirche (Konsens des Handelns) verhindern. Die Kirche würde nicht mehr durch die in ihrem Auftrag Handelnden repräsentiert werden (Autorität des Handelns). Rössler zieht daraus Konsequenzen für die Praktische Theologie. Eine solche einheitliche Praktische Theologie als identitätsstiftende Orientierung hält Rössler für nötig, die die grundsätzliche Ausrichtung kirchlicher Aufgaben thematisiert und klarstellt, welches grundsätzliche Amt die Kirche hat. "Insofern liegt in der Einheit der Praktischen Theologie die Begründung der kirchlichen Identität für die praktisch sehr unterschiedlichen Aufgaben und Tätigkeiten, die im Rahmen des Pfarrberufs auszuführen sind."48 Die Argumentation Nitzschs ist Rösslers jedoch überlegen. Rösslers Argumentation hat ihren Ausgangspunkt bei der Einheit der praktischen Theologie, die so Identität der Handlungsfelder und damit Identität des Amtsträgers herstellt. Nitzschs Argumentation verläuft umgekehrt: In der Einheit der Kirche liegt die Begründung der Einheit des kirchlichen Amtes und damit die Ermöglichung der Einheit der Praktischen Theologie, die dann rückwirkend kirchliches Handeln strukturieren kann. Nitzsch formuliert allerdings seinen Gedanken in diesem Paragraphen noch nicht so weitgehend. Er knüpft vielmehr noch einmal an die Frage nach der Gemeinschaftlichkeit kirchlichen Handelns an, um den Unterschied zwischen sittlichem Handeln und kirchlichem Handeln zu unterstreichen: "Der Christ nach dem bloß sittlichen Gesichtspunkte betrachtet, erreicht die Vollendung seines Thuns möglicher Weise auch außer der Gemeinde und ohne sie. Das kirchliche Mitglied als solches nie; ..."49. Nitzsch sieht klar den Unterschied zwischen dem Einzelnen und der Kirche. Für den einzelnen Christen mag

47

Vgl. Rössler, D.: Grundriß der Praktischen Theologie, Berlin 19942, §4 Einheit der Praktischen Theologie, S. 50-72, bes. S. 65f. Rössler hat die Einleitung im zeitlichen Zusammenhang mit einer Nitzsch-Rezeption seiner Schüler V. Drehsen und R. SchmidtRost geschrieben.

48

Rössler: Grundriß, S. 61.

"9

Nitzsch: PTh I, S. 16.

Der Begriff der Praktischen Theologie

33

zwar eine Vollendung seiner Sittlichkeit möglich sein, aber nicht die Vollendung kirchlichen Handelns, die Nitzsch nicht nur als sittliches Handeln, sondern auch als Ermöglichung von Handeln im oben schon angesprochenen Sinne versteht. Er sieht die Kirche nicht als Summe einzelner Christen, sondern als Potenzierung. Nicht weil sich einzelne zusammenfinden, entsteht Kirche als Summe von Einzelnen, sondern erst in Verbindung mit einer neuen Dimension, die sittliches Handeln möglich macht: die neues Handeln ermöglichende Verbindung mit Christus durch das Wort. Nicht weil zwei oder drei versammelt sind, sondern weil sie in Christi Namen versammelt sind und so neue Möglichkeiten entdecken, sind sie Kirche. Christliches, sittliches Leben lebt von ihrem Handeln. Mit dieser Argumentation ist es Nitzsch möglich, auch kleinere Kirchen als vollgültige Kirche zu sehen, wenn sie die geistliche Verbindung zur ersten und allgemeinen Stiftung Christi, mit der Gesamtkirche, aufrecht erhalten. Soziologische Unterschiede zwischen erst noch zu erbringender Entfaltung oder bereits ausgebreiteter Einheit, oder nach Art der Organisation, hierarchisch oder konziliar, spielen dabei für ihn keine Rolle. Allein die Verbundenheit mit der Kirche Christi konstituiert die Summe von Einzelnen zur Subjekthaftigkeit, zu ihrer Potenz. Daß die Botschaft des Evangeliums auch die Frage der Kirchenverfassung mitbestimmt, wird von Nitzsch hier vorübergehend noch vernachlässigt.

4. Der natürliche Klerus Für Nitzsch schließt sich nach den Überlegungen zum Subjekt kirchlicher Tätigkeit unmittelbar die Überlegung an, wie in einer Gemeinschaft von Gleichen das für die Existenz von Gemeinde wichtige Gegenüber unter den Gleichen gefunden werden kann. Die Argumentation verläuft auch hier analog zu der Luthers 50 . Nitzsch verläßt dabei den Spannungsbogen zwischen Handeln Gottes und Handeln des Menschen und wendet sich der menschlichen Handlungsebene mit der Handlungsfähigkeit der Gemeinde nach innen und außen zu. Nitzsch sieht zwei Gründe für die Notwendigkeit eines Gegenübers. Zum einen, weil nicht allen die gleichen Fähigkeiten innewohnen, wie "Lebendigkeit des Gemeinwillens" und "Gabe für besondere Verrichtungen" 51 . Zum

50

S.u. im Exkurs.

51

Beide Formulierungen bei: Nitzsch: PTh I, S. 16. Diese Vorstellung allein setzt bei Schleiermacherschon eine Kirchenleitungstheorie frei. Vgl. Schleiermacher: Darstellung, § 267: "...: so beruht nun alle eigentliche Kirchenleitung auf einer bestimmten Gestaltung

34

C.I. Nitzsch: Praktische Theologie - 1 8 4 7

anderen, daß die Gemeinde nicht auf die besonderen Fähigkeiten einzelner Mitglieder verzichten kann. Diese beiden Gründe bringen den "natürlichen Klerus" hervor. Dreh- und Angelpunkt der Argumentation Nitzschs ist die Annahme, eine Gemeinschaft sei in sich immer auf Unterschiede angelegt: "Je unwesentlicher ein Gemeinwesen für den Zweck der Menschheit ist, wie irgend eine Gesellschaft, desto weniger Ungleichheit pflegt sie an sich zu haben; j e wesentlicher, wie Familie und Staat, desto mehr." 52 Nur meint Nitzsch mit Ungleichheit nicht eine hierarchische Gliederung, sondern eine Gliederung überhaupt, einen in sich strukturierten Aufbau, der davon lebe, sich durch die Unterschiede zu entwickeln. Nitzsch geht dann auch auf die Qualität der Organisation ein und stellt klar, daß im Unterschied zu Staat und Familie die Kirche sich nicht nach äußeren Notwendigkeiten organisieren müsse. Er verwirft zwar die Begründung, daß Kirche sich aus der Gemeinschaft von neu befruchtetem menschlichem Stoffe in freier Geselligkeit entwickelt, geht aber trotzdem davon aus, daß sich die Kirche auch nach ihren inneren Notwendigkeiten, ihren eigenen Ansprüchen an menschliches Miteinander zu organisieren habe. Die Kirche muß sich organisieren, aber anders als der Staat oder die Familie, "nämlich daß in der Kirche sich das Freie und Ethische des Verhältnisses nicht erst aus dem Grunde und Boden der äußern Notwendigkeit entwickeln, vielmehr selbst den tragenden Grund der ganzen Anordnung und Unterordnung abgeben soll" 53 . Nicht weil Freiheit und Gerechtigkeit notwendig sind, wie in der Familie oder im Staat, soll die Kirche sich frei und ethisch organisieren, sondern, weil es ihr ein inneres Bedürfnis ist, das dem Glauben entspringt. Nitzsch untermauert diese Einschätzung mit einigen Schriftbelegen. 54 "Die Ordnung ist also dem Leben der Gemeinde in gewissem Grade eingeboren; damit wird die Savignysche Erkenntnis vom Wesen des Rechts und des Gewohnheitsrechts aufgenommen." 55 Aus diesem Verständnis des Vorauslaufens der Idee vor den Ordnungen werden auch die Intentionen der Bemühungen Nitzschs um eine eigenständige Kirchenverfassung deutlicher. 56

des ursprünglichen Gegensatzes zwischen den Hervorragenden und der Masse." 52

Nitzsch: PTh I, S. 17.

53

Ebd.

54

Eph. 4 , 3 ; Phil 2 , 1 - 4 ; 1. Petr. 5 , 5 ; Hebr 1 3 , 1 7 ; 1. Kor 1 6 , 1 7 .

55

Vgl. Holstein, G.: Die Grundlagen des evangelischen Kirchenrechts, Tübingen 1 9 2 8 , S.

56

Vgl. ausführlich zum Begriff und Recht der Gemeinde: Mehlhausen: Recht.

178, zitiert hier fehlerhaft statt "in gewissem Grade" - 'in gewisser W e i s e ' .

Der Begriff der Praktischen Theologie

35

Deutlich wird aus dieser Argumentation ebenfalls, daß die Organisationsform der Kirche nicht losgelöst von ihrem Inhalt sein darf, sondern Ausdruck desselben zu sein hat 57 . "Mit anderen Worten, die kirchliche Ordnung muß der Heilordnung dienen und darf in keinem Element unmittelbare Bedingung der letzteren werden." 58 Genauso wenig wie an staatlicher Organisationsform dürfe sich die Kirche an der Familie oder anderswo orientieren. Gibt es dennoch Übereinstimmungen, so gelte es wiederum, die Denkrichtung zu beachten: Nicht die Übereinstimmung der Kirche mit dem Staat z.B. qualifiziert die Kirche als gut, sondern die Übereinstimmung der staatlichen Verfassung mit der kirchlichen, die sich wiederum am christlichen Wirklichkeitsverständnis zu orientieren hat, qualifiziert den Staat als gut organisiert, frei und gerecht. 59 Weiter versucht Nitzsch dann mit Schriftbelegen deutlich zu machen, daß es bereits in der - für ihn als vorbildlich gedachten - Frühzeit der Kirche natürliche Organisationsformen gegeben hat, auf die zurückgegriffen werden sollte. Dabei versucht er seine These des natürlichen Klerus, als clerici spiritualiter nati, innerhalb der Gemeinschaft der Gleichen zu belegen. Über die geistlichen Talente hätte sich schon eine innere Verfassung ergeben, bestehend aus den Ämtern der Lehre und des Zeugnisses sowie der Regierung und Pflege. Diesen natürlichen Klerus der Begabten, der mit theologischer Kompetenz Ausgestatteten, hat es nach Nitzsch schon immer gegeben, neben und innerhalb des geordneten Amtes. Aus ihm hat sich der positive Klerus entwickelt, und auch neben ihm hat er großen Einfluß auf die Kirchenleitung.

"

Später wurde dieser Gedanke anders formuliert. Barmer theologische Erklärung These 3: "Wir verwerfen die falsche Lehre, als dürfe die Kirche die Gestalt ihrer Botschaft und ihrer Ordnung ihrem Belieben oder dem Wechsel der jeweils herrschenden weltanschaulichen und politischen Überzeugungen überlassen." Vgl.: Burgsmüller, A./ Weth, R. (Hgg.): Die Barmer Theologische Erklärung. Einführung und Dokumentation. Geleitwort von Eduard Lohse, Neukirchen 19844, S. 36.

58

Nitzsch: PTh III, 2, S. 10.

59

Nitzsch: PTh I, S. 270ff (3. Verhältniß zum Staat.): "Er [der Staat, L.E.] ist [¡ 271] ... Reflexion auf das Unmittelbare einer m Pietät wurzelnden Sittlichkeit;... [| 272] ... Und so müßte denn, da einerseits weder der Cäsareopapismus oder die Selbigkeit der politischen Herrschaft und des Kirchenregiments noch die hierarchische Politik der Verwirklichung der Idee [des Staates, L.E.] entsprächen, anderseits Corporationen, Gemeinschaften im Staatsbereiche, welche weder den Staat etwas angiengen noch ihn sich etwas angehen ließen, der Einheit wegen aller Oeffentlichkeit und des Staatswesens unzulässig wären, ein Verhältnis von Coordination [von Kirche und Staat, L.E.] durch freie Subordination in verschiednen Beziehungen für das rechte geachtet werden." Hervorhebung von L.E. Staat und Kirche stehen im Verhältnis einer "vorläufigen Erlösung" zum "wirklichen Heil". Von diesem Heil her ist die Angemessenheit des Staates zu beurteilen.

36

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Dieses Phänomen sah Nitzsch in der römischen Kirche seiner Zeit im Rheinland, er spricht sogar von "sprechendsten Erscheinungen dieses Naturverhältnisses"60. Es vollzieht sich in diesem Paragraphen gegenüber den vorherigen eine Fokussierung. Bisher hatte Nitzsch immer nur von "der Kirche" gesprochen, also sowohl vom Stiftungshandeln Gottes als auch vom Gestaltungshandeln der Menschen. Jetzt spricht er von der "Gemeine", setzt das Stiftungshandeln Gottes voraus und blickt im wesentlichen auf das Handeln der Menschen in einer konkreten Gemeinschaft. Vollzieht sich hier die von G. Otto u.a. behauptete Verengung der Praktischen Theologie auf eine Amtsführungslehre in der Gemeinde? Keineswegs. Nitzsch versucht nur durch die Fokussierung und Konkretisierung auf die Gemeinde seine Überlegungen zur Organisationsform innerhalb einer Gemeinschaft zu verdeutlichen. Diese Veranschaulichung ist auf der Ebene der Kirche nicht so einfach möglich, da die Kirche verschiedene Organisationsformen haben kann. Die Notwendigkeiten einer Großorganisation unterscheiden sich von einer sich konkret versammelten Gemeinschaft von konkreten Personen, einer Gemeinde. Außerdem setzt Nitzschs Denkrichtung von unten an den einzelnen Menschen und der Gemeinde an.61 Diese Grundeinsicht kommt nun zum Tragen. Weil nicht die Größe über die Katholizität einer Kirche entscheidet, sondern ihre innere Verbundenheit mit der gestifteten Kirche, sieht Nitzsch schon in der einzelnen Gemeinde die für die gesamte Kirche bedeutsame Frage nach der Organisation aufkommen, im übrigen genau wie Luther62. Von unten könne es dann zu einem wie auch immer gearteten Zusammenschluß von Gemeinden kommen. In der einzelnen Gemeinde träte dabei der Gegensatz zwischen Leitenden und Geleiteten am anschaulichsten hervor: "Es gibt in jeder Gemeine Heranziehende und Herangezogene, obgleich sie alle Heilige heißen Ephes. 4,13.1,63 Schon in den Kleinstrukturen gelte es zu klären, wer zu wem ein Gegenüber darstellt, wer Heranziehender ist und wer Herangezogener. Dann klären sich auch die größeren Strukturen.

60

Nitzsch: PTh I, S. 18.

61

Vgl. Mehlhausen: Recht.

62

Auch Luther sah sich der Frage nach Legitimität des Amtes gerade auf Gemeindeebene ausgesetzt, vgl.: Luther, M.: Daß eine christliche Versammlung oder Gemeinde Recht und Macht habe, alle Lehre zu beurteilen und Lehrer zu berufen, ein- und abzusetzen, Grund und Ursach aus der Schrift (1523), in: WA 11, S. 408-416; und Luther: instituendis.

63

Nitzsch: PTh I, S. 17.

Der Begriff der Praktischen Theologie

37

5. Der positive Klerus. Das Amt Da nun eigentlich alle zum kirchlichen Amt gerufen sind, muß es einen Modus geben, nach dem das Gegenüber aus der Menge heraus bestimmt wird. In dieser rechtmäßigen und notwendigen Unterscheidung sieht Nitzsch eine Übereinstimmung mit der römischen Kirche, aber nicht in der Frage der dafür zu entwickelnden Regeln. Für die Notwendigkeit eines positiven Klerus gibt Nitzsch in seiner These des § 5 zwei Begründungen, die ebenfalls schon bei Luther auftauchen. Zwei Problemen soll begegnet werden: zum einen "Störungen des Gemeinwesens" und zum anderen "Unterbrechung der werkzeuglichen Thätigkeit". Ziel ist die Aufrechterhaltung einer Ordnung und die Kontinuität der Amtstätigkeit. Als Kriterium der Auswahl sieht Nitzsch die Begabung an, die Kompetenz. Der positive Klerus müsse sich innerhalb der Menge des natürlichen Klerus befinden, wenn ein positiver Klerus innerhalb der evangelischen Kirche seine Berechtigung haben soll, die ihm allein aus der Kompetenz erwächst. Aus der Menge des natürlichen Klerus heraus werde durch legitima vocatio, die Ordination, der positive Klerus ausgesondert, das Amt an eine Person übertragen. Die so entstehende Professionalisierung schaffe Kontinuität der Amtsausübung und gleichzeitig ein klares Gegenüber in einer Ordnung. Wer diese Einsetzung in das Amt vornimmt, läßt Nitzsch bewußt offen. Nitzsch sieht sich bezüglich des positiven Klerus in Auseinandersetzung mit Marheineke, der den Begriff aus lutherischer Tradition heraus kritisiert 64 . Marheineke verstünde eine "natürliche" Ordnung im Gegenüber zur "positiven" wie eine "vernünftige und nothwendige" gegenüber einer Ordnung, die "durch Verhältnisse zur Welt und zum Staate bestimmt" sei. Er setze so natürlich mit vernünftig und positiv mit fremdbestimmt gleich. Nitzsch legt dagegen großen Wert darauf, daß sich beide Begriffe - natürlich und positiv - aus der kirchenimmanenten Ordnung ergeben, aus Gründen innerer Organisation. "Das Natürliche ist der immanente Beruf der in der W e i s e der Unmittelbarkeit wirkt, das Positive ist derselbe Beruf, aber der durch die Reflexion und Resolution hindurchgegangene, der erkannte und anerkannte Beruf, Gegensätze und Bestimmungen, welche mit äußern Verhältnissen der Kirche nicht das mindeste zu schaffen haben, sondern ganz und gar ihrem immanenten Entwicklungsgange angehören." 6 5

64

Nitzsch verweist auf Marheineke: Entwurf, S. 78.

65

Nitzsch: PTh I, S. 20f Anmerkung.

38

C.I. Nitzsch: Praktische Theologie - 1847

Diese Einschätzung findet sich explizit im Verständnis Luthers über das Amt und die Ordination. Es soll hier nicht vollständig erörtert werden, aber es ist in bezug auf Nitzsch sehr erhellend. Deshalb soll ein Augenblick bei Luthers Überlegungen verweilt werden.

Der Begriff der Praktischen Theologie

39

Exkurs Luthers Überlegungen über das Amt in der Kirche Die Amtsvorstellung Luthers ist vor dem negativen Hintergrund zweier Gegenpositionen zu verstehen. Bis 1525 wandte sich Luther vor allem gegen die römische Amtsauffassung. In den Jahren 1525-1530 begann dann die Auseinandersetzung mit dem sog. linken Flügel der Reformation. Als positiver Hintergrund ist Luthers Einsicht von Rechtfertigung und Evangelium zu sehen. In diesem Spannungsfeld bewegen sich die Vorstellungen über Wesen und Aufgabe des Amtes. Der römischen Auffassung der potestas ordinis (Sakramentsverwaltung, besonders des Meßopfers) und der potestas jurisdictionis (Lehramt, Lehrverurteilung) wird bis 1525 besonders hart widersprochen. Die potestas jurisdictionis wird der ganzen Kirche, nicht nur dem Klerus zugesprochen 66 . Diese Vorstellung beruht auf seiner Anschauung vom allg. Priestertum. Die Idee des allg. Priestertums wiederum basiert auf Luthers Wiederentdeckung der Rechtfertigung durch den Glauben an Christus. Durch den Glauben und die Taufe ist jeder einzelne Mensch mit Christus vereint, hat Teil an ihm und an seinem dreifachen Amt und damit alle Rechte und Pflichten, die in der römischen Kirche dem Priesteramt vorbehalten waren 67 . Die potestas jurisdictionis gab er damit allen Christen zurück: binden und lösen und Lehre beurteilen 68 . Der Unterschied zwischen Laien und Priestern ist aufgehoben. Folge der Einheit des Christen mit Christus war auch, daß die potestas ordinis an die Christen zurückgegeben wurde. Alle Christen haben in bezug auf das Wort und die Sakramente die gleiche Vollmacht 69 . Die Konsekrationsvollmacht ist auf gleiche Weise allen Christen ohne Ausnahme erteilt worden 70 . Einen Charakter indelebilis der Priester hält Luther für eine Erfindung der Papstkirche, die Kirche Christi kennt dieses Sakrament nicht 71 , und

66

Vgl.: Luther, M.: Ad dialogum Silvestri Prieratisde potestate papae responsio (1518), in: W A 1, S. 655, U f ; Luther: instituendis, S. 184, l l f ; Luther, M.: Predigt am 27. April 1522 in Borna, in: W A 10/3, S. 96, 15ff.

67

Vgl.: Luther, M.: De captivitate Babylonica ecclesia. Präludium (1520), in: W A 6, S. 484-573, bes. S. 564, 6f und S. 566, 26-28.

68

Vgl.: Luther: instituendis, S. 180, 16 - 189, 16.

69

Vgl.: Luther: captivitate, S. 566, 27f.

70

Vgl.: Luther: instituendis, S. 182, 25ff.

71

Vgl.: Luther: captivitate, S. 561, 19-21.

40

C.I. Nitzsch: Praktische Theologie - 1847

er hält es für unbiblisch72. Anstelle der Weihe trat bei ihm die Taufe 73 . Damit ist die Frage nach der geistlichen Vollmacht der Christen geklärt, doch die Frage nach dem besonderen Amt in dieser Gemeinschaft von Gleichen noch nicht. Die in den Bekenntnisschriften ausformulierten Ansichten Luthers über das besondere Amt gehen auf die Vorarbeiten in seinen Schriften der Jahre 1520-1530 zurück. Dort ist schon das Wesentliche gesagt, z.T. auch ausführlicher. Luther wollte keineswegs das besondere Amt aufheben, auch verneinte er niemals die Notwendigkeit eines besonderen Amtes, doch wollte er den Inhalt des Amtes anders auslegen. Bei Luther liegen zwei Stränge zur Frage des besonderen Amtes vor, die aus seiner grundlegenden Erkenntnis vom Zusammenwirken des Handelns Gottes und des Menschen resultieren, so wie es in der Interpretation Nitzschs schon angeklungen ist. Für das Handeln Gottes steht das Verständnis der Stiftung des Amtes. Luther und Melanchthon brachten die Einsicht neu zur Geltung, daß das Amt auf göttliche Stiftung zurückgeht74, weil die Kirche des besonderen Amtes bedürfe, aber nur des einen Amtes, des Amtes der Evangeliumsverkündigung in Wortverkündigung und Sakramentsverwaltung, was beides spätestens seit J.W.Fr. Höfling (1802-1853) häufig funktional verstanden wird75. Dabei stehen Luthers Ständelehre und seine antidonatistische Haltung im Hintergrund. Das Amt selbst ist gestiftet, weil der Glaube das verbum externum braucht. Der Glaube kommt nach Rom 10, 14 aus dem Hören. So sieht das auch die Damnatio von CA V. Hier ist der Zusammenhang vom Handeln Gottes und gestiftetem Amt zu sehen76. Unter diesem funktionalen Aspekt der Evangeliumsverkündigung besitzt das Amt an sich seine Dignität. Doch hat der Amts-

72

Vgl.: Luther: captivitate, S. 563f.

73

Vgl.: Rietschel, G.: Lehrbuch der Liturgik, Bd. 2: Die Kasualien (SLPT III), Berlin 1909, S. 405-439; in Bezug auf Luther, M.: An den christlichen Adel deutscher Nation: Von des christlichen Standes Besserung (1529), in: W A 6, S. 404-469, hier speziell auf S. 470, 22f.

74

Vgl.: CA V, 1-3 (BSLK 58, 2-10): "Ut hanc fidem consequamur, institutum est ministerium docendi evangelii et porrigendi sacramenta."

75

Vgl. Kießig, M.: Johann Wilhelm Friedrich Höfling - Leben und Werk, Gütersloh 1991, S. 149f. Als Quelle vgl.: Höfling, J.F.W.: Grundsätze evangelisch-lutherischer Kirchenverfassung, Erlangen 1853 3 . U.a. spricht für seine funktionale Interpretation der Schwabacher Artikel 7 (BSLK 59, 2-5).

76

Vgl. Härle, W.: Luthers Zwei-Regimenten-Lehre als Lehre vom Handeln Gottes, in: MJTh I, S. 12-32, hier bes. S. 31 und Härle, W.: Der Glaube als Gottes und/oder Menschenwerk in der Theologie Martin Luthers, in: MJTh IV, S. 37-78.

Der Begriff der Praktischen Theologie

41

träger daran keinen Anteil als Person, sondern nur als Botschafter des Evangeliums. Zwar ist die Bedeutung der Person durchaus auch von Melanchthon gewürdigt worden 77 , aber die Person besitzt nichts, was ihre Mitchristen nicht auch besitzen würden und repräsentiert nicht als Person Christus. Eine Vorstellung von kultischer, personeller repraesentatio Christi liegt nicht vor. Das Wort, das Geschehen der Verkündigung ist Repräsentant Christi, nicht derjenige, der verkündigt. "Das Entscheidende ist nicht, was der Priester ist, sondern, was er predigt" 78 . Wenn er Christi Wort predigt, dann tut er es an Stelle Christi 79 . Zu prüfen, ob er es tut, unterliegt der Gemeinde. 80 Das Handeln der Menschen steht dazu in bewußter Korrelation. Luther geht davon aus, daß sich im Priestertum aller Gläubigen alle im Amt befinden und daß es deswegen einer geregelten Form von Amtsübertragung an eine geeignete Person bedarf. Was gemeinsames Eigentum aller ist, darf sich der einzelne nicht selbst anmaßen, sondern die Gemeinde muß ihn dazu auswählen 81 . Dieses geschieht wie bei der Wahl eines Bürgermeisters, der ja selbst Bürger ist und auch im Amt Bürger bleibt 82 . Zwei Gründe sprechen dafür: Zum einen ist, wie Nitzsch es ebenfalls anführt, der Ordnungsgedanke zur Aufrechterhaltung des Predigtamtes zu nennen 83 , zum anderen der Offentlichkeitscharakter des besonderen Amtes, eine Überlegung, die Nitzsch nicht aufgreift. Daß aus diesen prinzipiellen Überlegungen nach den Erfahrungen des Bauernkrieges und den Visitationserfahrungen bereits 1535 wieder eine zentrale Ordination in Wittenberg wurde, ist ein historisches Problem, kein theologisches. Auch heute noch stellt die Landeskirche den Pool von Menschen, die sie nach zentraler Prüfung für die Ordination geeignet hält. Aus diesen kann sich die Gemeinde jemanden wählen. Doch bedeutet dieses Ver77

Vgl. den deutschen Text zu Apol 13,12f (BSLK 294, 2-9): "Dieweil nu solchs sehr tröstlich ist, so wir wissen, daß Gott durch Menschen und diejenigen, so von Menschen gewählet sind, predigen und wirken will, so ist gut, daß man solche Wahl hoch rühme und ehre, ...".

78

Fagerberg, H.: Art.: Amt, Ämter, Amtsverständnis: VI Reformationszeit, in: TRE II, S. 552-574, hier S. 567.

79

Vgl.: Apol 7, 47 (BSLK 246, 17): "..., ministri funguntur vice Christi, ...".

80

Vgl.: Luther: Versammlung, S. 408-416.

81

Vgl.: Luther: instituendis, S. 189, 17ff.

82

Vgl.: Luther, M.: Psalmen-Auslegung, hrg.v. Miilhaupt, E., Göttingen 1965, Bd.3, S. 235ff, hier S. 243.

81

Ordnung ist hier nicht als Selbstzweck zu sehen, sondern ebenfalls funktional zur Sicherstellung, daß das Evangelium rein gelehrt und die Sakramente angemessen dargereicht werden.

42

C.I. Nitzsch: Praktische Theologie - 1847

fahren nicht, daß das prinzipielle Recht einer Gemeinde beschnitten würde, sondern daß dieses Recht84 aus Ordnungsgründen und wegen der theologischen Qualifizierung der Bewerber und Bewerberinnen an eine Zentrale delegiert worden ist.85 Diese Vollmachtsübertragung ist reines jus humanum und kann jederzeit in eine andere Form umgewandelt werden, wenn sich eine Kirche als Gesamtgemeinde darauf einigt. Das Amt erhielt durch die Bindung an die Gemeinde seine ursprüngliche Bedeutung zurück: es wurde wieder Dienst am Wort für die Gemeinde, Dienst am Evangelium86 und konnte dadurch wieder seine von Gott jure divino festgelegte Aufgabe erfüllen. Das Wesen des Amtes ist deshalb eine dienende Tätigkeit87. Die Vollmacht, die ein Amtsträger besitzt, geht allein auf das Wort zurück, dem er dient. Diese Bestimmung unterstreicht den funktionellen Aspekt in Luthers Amtsauffassung. "Während die römische Theologie dem Priester eine vermittelnde Stellung als Führer, Richter und Opferpriester zuwies, legte Luther die vermittelnde Kraft in das Wort"88. Diese funktionelle Sicht hat Konsequenzen: Man ist nur so lange im Amt, wie man es ausübt89. Luthers antidonatistische Haltung, daß die Erlösung des Menschen nicht an der geistlichen Qualifikation des Amtsträgers hängt, kommt deutlich zum Vorschein. Aufgabe des Amtes ist der Dienst am Wort, zu dem die Predigt und die Sakramentsverwaltung gehören90. Nicht mehr zur Aufgabe des Amtes gehört die Ausübung der Gesetzbarkeit, die über die Gewalt des Wortes hinausgeht91, also etwa strafrechtliche Belange bis hin zur Blutgerichtsbarkeit.

84

Recht versteht Nitzsch dabei in Übereinstimmung mit der Reformation als "Befugniß zu Handeln", nicht als Pflicht oder Gesetz. Nitzsch: PTh III, 2, S. 14.

85

Vgl. Nitzsch: PTh III, 2, S. 346f: "Das ordentliche Predigtamt, welches unter den jetzigen Welt- und Geschichts-Umständen ohne Vermittlung der theologischen Bildung, wenn wir nicht wider den Sinn der Evangelischen Reformation dem einseitigen Prophetismus anheimfallen wollen, unhaltbar wird, fordert an sich selbst schon einen möglichst großen kirchlichen Verband, da sich in der bloßen einzelnen Gemeinde die Überlieferung der Wissenschaft nicht fortsetzen läßt." Nitzsch geht hier jedoch nicht nur auf Schleiermacher: Darstellung, § 323-325 sondern wohl noch mehr auf § 3 2 6 ein.

86

Vgl.: Luther: captivitate, S. 566, 32f.

87

Vgl.: Luther: captivitate, S. 564, 11 f.

88

Fagerberg: Art.: Amt, TRE II, S. 558.

89

Vgl.: Luther: captivitate, S. 567, 18f.

90

Vgl.: Luther: captivitate, S. 564. Hierin liegen schon die Grundlagen für CA V,1 (BSLK 58, 2f).

91

Diese Einschränkung bezieht sich vor allem auf das Bischofsamt. Vgl.: CA XXVIII (BSLK 124, 9): "... sine vi humana, sed verbo".

Der Begriff der Praktischen Theologie

43

Diese Trennung von staatlicher Gerichtsbarkeit und kirchlicher Ermahnung hat nicht unwesentlich zur Vereinheitlichung des Rechtes in Deutschland beigetragen. Nach 1525 nimmt die Frage nach dem besonderen Amt noch an Dringlichkeit zu. Gegen die Auffassung des linken Flügels der Reformation, es gäbe ein unmittelbares Gottesverhältnis ohne verbum externum, und eine innere Berufung reiche zum besonderen Amt aus 92 , verstärken sich Luthers und Melanchthons Bemühungen um eine ordentliche Berufung. Es geht hier aber immer nur um Ordnungsfragen, nie um eine prinzipielle Rücknahme seines Amtsverständnisses. Die Berufung kann entweder direkt durch den heiligen Geist in Form von Zeichen geschehen 93 oder durch die Gemeinde 94 und die Obrigkeit. Luther hatte dabei wegen der mangelnden Kontrolle der Zeichen eine deutliche Abneigung gegen die erste Variante. Die funktionelle Berufung und das gestiftete Amt wurden häufig als widersprüchlich verstanden und auch gegeneinander ausgespielt, um das jeweils erwünschte Amtsverständnis zu erhalten 95 . Eine solche Taktik ist weder sinnvoll noch legitim, weil in geradezu klassisch reformatorischer Weise beide Elemente durch die Unterscheidung von Amt und Person scharf getrennt werden: Das Amt ist gestiftet, doch die Person funktional berufen. In den Bekenntnisschriften wird aus historisch-politischen Gründen fast ausschließlich auf die erste Ansicht Bezug genommen. Die Streitfrage über das allg. Priestertum in Form der klassischen Belegstelle 1. Petr 2, 9 taucht nur ein einziges Mal auf (Tractatus 69), allerdings eindeutig im Sinne der brisanten These, daß das Wort 'königlich Priestertumb' für die ganze Kirche gelte

92

Vgl. u.a.: CA V, 4 (BSLK 58, 14-17): "Damnant Anabaptistas et alios, qui sentiunt spiritum sanctum contingere hominibus sine verbo externo per ipsorum praeparationes et opera", sowie Apol 13,13 (BSLK 294, 8-13): Ac prodest, quantum fieri potest, ornare ministerium verbi omni genere laudis adversus fanaticos homines, qui somniant spiritum sanctum dari non per verbum, sed propter suas quasdam praeparationes, si sedeant otiosi, taciti, in locis obscuris, exspectantes illuminationem, quemadmodum olim ε ν θ ο υ σ ι α σ τ α ι docebant et nunc docent Anabaptistae.

93

Vgl.: Luther, M.: Predigten des Jahres 1525 (30. Juli 1525), in: W A 17/1, S. 360, 15-39 und S. 362, 13ff.

94

Vgl.: Luther, M.: Ein Brief D. Mart. Luthers. Von den Schleichern und Winkelpredigern (1532), in: W A 30/3, S. 510-527, hier S. 518, 16.

95

Verschiedene Ansätze bieten: Brunotte, W.: Das geistliche Amt bei Luther, Berlin 1959. Lieberg, H.: Amt und Ordination bei Luther und Melanchthon, Göttingen 1962, S. 104132.

44

C.I. Nitzsch: Praktische Theologie - 1847

und nicht nur für die Pfarrerschaft 96 . Über die konkret berufenen Personen wird nicht verhandelt, nur über das Amt an sich. Und dieses Amt wird auch hier ausschließlich funktional als Ermöglichung des verbum externum verstanden. Diese funktionale Sicht des Amtes ist durchaus auch mit der funktionalen Sicht der Sakramente bei Melanchthon zu verbinden97. Die Frage der Ordination als Berufungsakt konkreter Personen steht in engem Zusammenhang mit den Überlegungen zum Amt. Über die agendarische Praxis einer Ordination innerhalb der Anhänger der Augsburgischen Konfession sagen die Bekenntnisschriften nichts. Gute Quellen aber sind die Aussagen Luthers selbst und die damaligen Kirchenordnungen98. Wesentlich ist für beide Quellen die Berufung innerhalb der Ordination, nicht die Ordinationshandlung selbst, die nur als Bestätigung der Berufung durch die Gemeinde verstanden wurde99. Die Handauflegung wurde zwar empfohlen, doch als nicht ausdrücklich von der Hl. Schrift gefordert angesehen und nicht sakramental verstanden100, was aus dem funktionalen Amtsverständnis unmittelbar einleuchtet. Subjekt der Ordination - in kirchlicher Not, wie auch im allgemeinen ist in den Agenden und den Bekenntnisschriften die Kirche101, verstanden als jeweilige versammelte Gemeinde: congregatio sanctorum. Diese Einschätzung unterstreichen die Bekenntnisschriften u.a. dadurch, daß sogar altgläubigen Bischöfen das Recht zugestanden wird, die Ordination zu vollziehen, wenn sie nur rechte Bischöfe der Kirche - d.h. an die Gemeinde rückgebunden - seien 102 . Von apostolischer Sukzession 103 oder Geist-

96

Vgl. Fagerberg, H.: Die Theologie der lutherischen Bekenntnisschriften von 1529-1537, Göttingen 1965, S. 260.

97

Vgl.: Apol 24, 16 (BSLK 354, 4-8).

98

Vgl.: EKO I, S. 24 + 28; Richter, A. L. (Hrg.): Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts, Weimar 1846, Nachdruck Nieuwkoop 1967, Bd. 1; Rietschel, G.: Luther und die Ordination, Wittenberg 1889 2 ; Luther, M.: Von der Winkelmesse und Pfaffen Weyhe (1533), in: WA 38, S. 195-256; Luther, M.: Das Ordinationsformular (1535), in: WA 38, S. 401-433.

99

Vgl.: Luther: Versammlung, und den Begriff der Wahl in Apol 13 (BSLK 294, 12).

100

Doch dies versucht Lieberg: Amt, S. 348ff zu zeigen und zwar ausgehend von Apol 13, 12 (BSLK 294): "Si ordo hoc modo intelligatur, ñeque impositionem manuum vocare sacramentum gravemur."

"" Vgl. insbesondere den Tractatus de potestate papae (BSLK 491, 66-68): "Nam ubicunque est ecclesia, ibi est jus administrandi evangelii. Quare necesse est ecclesiam retiñere jus vocandi, eligendi et ordinandi ministros." 102

Vgl.: Apol 14 (BSLK 296f.) und Art. Schmal. III, 10, 1 (BSLK 458).

103

Dies zeigt Melanchthon am Beispiel des Paulus in Gal 2 eindeutig: Tractatus (BSLK 473,

Der Begriff der Praktischen Theologie

45

Übertragung ist keine Rede, ebenfalls nicht davon, daß nur ein höherer Amtsträger einen niedrigeren ordinieren könne 104 . Die Frage nach ungültiger Ordination, etwa durch falsche agendarische Praxis, wie das Fehlen der Handauflegung, hat sich auch für Luther gestellt. Er hat sich für seine Argumentation aber sogar auf die römische Ordinationsvorstellung und das römische Kirchenrecht einlassen können: Auch die Personen, die von Ketzern ordiniert worden sind und zwar auch nach ungültigen Ordinationsformularen, haben eine gültige Ordination empfangen, wenn die Gemeinde diese anerkennt 105 . Denn Legitimität erwächst auch einer altgläubigen oder unordentlich vollzogenen Ordination aus der Anerkennung der Ordination durch die Gemeinde. Alles, was eine durch die Gemeinde als ordiniert anerkannte Person tut, hat volle Gültigkeit. Im Kern sind die Reformatoren an einer "Elementarisierung auf den biblisch begründeten Kern der Handlung und an der Beteiligung der Gemeinde" interessiert "bei den ausdeutenden Zeichenhandlungen bis zum völligen Ausscheiden derselben" 106 . Zwar ist die geistliche und rechtliche Bedeutung der Ordination in der evangelischen Kirche heute teilweise umstritten, doch gibt es Grundsätze, über die Einigkeit besteht. Der Mensch als Person ändert sich nicht und wird auch nicht in einen neuen Stand versetzt, den er nicht mehr verlassen kann. Eine Ordination ist aufhebbar, wenn die Kirche dem Ordinierten ihr Vertrauen entzieht: "Weil er im Amt ist, geht er vor; wo er abgesetzt (ist), ist er ein Bauer oder ein Bürger wie die anderen. Also wahrhaftig ist ein Priester nimmer Priester, wo er abgesetzt wird." 107 Die Bedeutung lag und liegt voll auf dem Amt, nicht auf der dieses Amt ausfüllenden Person. Deshalb ist Ordination auch keine Weihe im Sinne eines Charakter indelebilis, also eines höheren geistigen Standes oder besonderen Charismas 108 . Die sog. Laien und die Ordinierten haben denselben Geist, er wird den Amtsträgern nicht erst verliehen.

10). 104

Vgl. Tractatus 63 (BSLK 490, 37f): "Sed cum iure divino non sint diversi gradus episcopi et pastoris, ...". Damit ist jeglicher Art von Ordination von oben nach unten schon an der Wurzel widersprochen.

105

Vgl.: Art. Schmal III, 10, 3 (BSLK 458).

106

Schulz, F.: Ministeria communitatis, in: Archiv für Liturgiewissenschaft 27, 1985, S. 412-424, hier S. 417.

107

Luther: Adel, S. 408.

108

Vgl. Apol 13, 7ff (BSLK 293, 19ff.), die eine Priesterweihe als Sakrament ablehnt.

46

C.I. Nitzsch: Praktische Theologie - 1847

Diese Überlegungen sind in Bezug auf Marheinekes Einwände gegenüber dem Begriff 'Klerus' bei Nitzsch zu beachten. Einen besonderen geistlichen Stand des Klerus gibt es in der Tat nicht, aber das meint Nitzsch mit dem Begriff Klerus ja auch nicht. Er meint eine professionalisierte Gruppe innerhalb des natürlichen Klerus, d.h. eine Gruppe von öffentlich bestätigten Begabten innerhalb einer Gruppe von natürlich Begabten, die sich wiederum innerhalb der Gemeinschaft der Heiligen durch besondere Gaben ausgezeichnet haben. Auch hier kann man von konzentrischen Kreisen sprechen, aber wiederum nicht von oben nach unten, jure divino strukturiert durch gesonderten Anteil am hl. Geist wie bei der römischen Kirche, sondern von unten nach oben strukturiert nach den menschlichen Begabungen. Daß man unter Ordination in ökumenischen Gesprächen auch Geistverleihung verstehen kann, zeigt das Konvergenzpapier "Taufe, Eucharistie und Amt": "Indem sie ordiniert, sorgt die Kirche unter Eingebung des Heiligen Geistes für treue Verkündigung des Evangeliums und schlichten Dienst im Namen Christi. Die Handauflegung ist das Zeichen der Gabe des Geistes."109 Es ist jedoch eigentlich eine der reformatorischen Grundeinsichten, daß es sich bei der Unterscheidung von geistlichem Stand und Laienstand um einen Grundfehler der römischen Kirche handelt. Die reformatorischen Kirchen lehnen eine bipolare Unterscheidung strikt ab. Und ebenso unumstritten sollte eigentlich sein, daß das Handauflegen kein Zeichen der Gabe des Geistes sein kann, denn dieser wirkt in uns schon seit der Taufe. Diese Interpretation wird durch eine interessante etymologische Unterscheidung der historischen Begriffe χειροτονειν und ordo, ordinare gestützt. Der erste Begriff meint zustimmende Wahl einer Person, nach welchen Maßstäben, ist hier noch unbestimmt. Das zweite Wortpaar meint die Aufnahme in einen bestimmten Stand, dessen Qualitäten ebenso noch unbestimmt sind. Das sind genau die beiden Alternativen, die Ordination zu beschreiben, die noch heute bestehen. Aufgrund der im Exkurs dargelegten alternativen Amtsverständnisse reden Marheineke und Nitzsch aneinander vorbei, weil Klerus für beide jeweils etwas Unterschiedliches meint. Marheineke hält das Vorhandensein des Amtes nicht für göttliche Stiftung, sondern für Handeln der Menschen. Das

109

Taufe, Eucharistie und Amt. Konvergenzerklärung der Kommission für Glaube und Kirchenverfassung des ökumenischen Rates der Kirchen, Frankfurt a.M./Paderborn 1982, S. 44. Hervorhebungen vom Verfasser.

Der Begriff der Praktischen Theologie

47

Amt sei durch Verhältnisse zur Welt und zum Staat bestimmt. Nitzsch sieht dagegen nur in der Amtseinsetzung einer Person menschliches Handeln, das Amt hält er für gestiftet. Insofern aber hält er weiterhin die beiden Pole gestiftetes Amt und menschliche Amtseinsetzung auseinander. Da alle Getauften gleiche geistliche Qualitäten haben, wird also gerade jemand gebraucht, der sich professionell um die Verkündigung des Evangeliums bemüht, von der Gemeinde dafür für geeignet gehalten und deshalb dazu berufen wird: "...die Gott mit Verstand erleuchtet und mit Gaben dazu geziert hat" 110 . Der heutige Begriff dafür ist 'theologische Kompetenz' als Kommunikationskompetenz 1 ". Diese Kompetenz wird im Predigtamt besonders wirksam 112 . Kompetenz ist denn auch der Begriff, den Nitzsch mit Begabung meint, die innerhalb der Gemeinschaft der Heiligen unterschiedlich verteilt vorhanden ist und die die natürliche Voraussetzung für die Wahl in den positiven Klerus darstellt. Die Frage der Befähigung führt er denn auch folgerichtig als einen der nächsten Punkte seiner Einleitung aus. Interessant ist neben der Auseinandersetzung, die Nitzsch mit Marheineke führt, daß er die Unterschiede zu Schleiermacher nicht benennt. Während dieser die Unterscheidung zwischen gebundenem und ungebundenem Element erst auf der Ebene des Kirchenregimentes einführt, beginnt Nitzsch mit dieser Unterscheidung. Bei Schleiermacher ist das ungebundene Element von der erbauenden (Liturgie, Predigt 113 ) und regierenden (Seelsorge, Katechetik, Gemeindeleitung 114 ) Tätigkeit ausgeschlossen 115 . Bei Nitzsch ist das nicht so. Er lehnt explizit eine Unterscheidung zwischen Kirchenregiment (= "die

110

11

Luther: Versammlung, in: WA 11, S. 411, 29; vgl. zu der Frage des Vorgangs und der Eignung bei Luther auch Lieberg: Amt, S. 40-103.

' Zum Begriff und der inhaltlichen Füllung vgl.: Herms, E.: Was heißt 'theologische Kompetenz?' und ders.: Der Beitrag der Dogmatik zur Gewinnung theologischer Kompetenz, beides in: ders.:Theorie für die Praxis - Beiträge zur Theologie, München 1982, S. 35-49 und S. 50-77. Zu Problemen von Amt und Kompetenz vgl. Möller, Chr.: Zwischen 'Amt' und 'Kompetenz'. Ortsbestimmung pastoraler Existenz heute, in: PTh 82, S. 460475.

112

Vgl.: Preul: Wandel; und ders.: Pfarrer und Religionslehrer. Ein Vergleich der beiden Berufe, beides in: ders.: Luther und die Praktische Theologie, Marburg 1989, S. 8 - 2 4 und 25-46, zur 'sprachlichen Kompetenz' bes. S. 32-36, 39 u. 42ff.

m

Schleiermacher: Darstellung, § 279ff + 284ff. Vgl. auch Schleiermacher: Theologie, S. 68-326.

114

Schleiermacher: Darstellung, § 290 + 291ff + 303ff. Vgl. auch Schleiermacher: Theolo-

48

C.I. Nitzsch: Praktische Theologie - 1 8 4 7

leitende Tätigkeit mit der Richtung auf das Ganze" 116 ) und Kirchendienst (Tätigkeit "mit der Richtung auf die einzelne Lokalgemeinde" 117 ) ab und beteiligt so auch das ungebundene Amt an allen einzelnen Aufgaben, weil sie alle eine innere Einheit haben.

6. Die Einheit der Ämter Aus den Überlegungen zum Amt resultiert auch, daß die Ämter in sich eine Einheit haben und diese berücksichtigt werden muß. Hier ist scheinbar ein Unterschied zwischen Nitzsch und der lutherischen Amtsvorstellung festzustellen. Für Nitzsch liegt die Einheit der Ämter in der Leitungsfunktion des Amtsträgers in der Gemeinde: "... der Hirte, Führer, Vorsteher giebt die Zusammenfassung der kirchlichen amtlichen Thätigkeiten her". 118 Das Amt ist zwar in vielerlei Ausprägungen vorhanden, aber in der Einheit der Kirche als Einheit der Leitung aufgehoben. So ist es in den Bekenntnisschriften nicht verstanden. Dort ist das gestiftete Amt das Amt der Verkündigung des Wortes in beiderlei Gestalt. Es fragt sich nur, ob diese Formulierung für Nitzsch einen Unterschied ausmacht und ob es wirklich einen Unterschied darstellt. Innerhalb der Argumentation ist vor allem einheitskonstituierend für das kirchliche Amt Wirken kann diese Einheit nicht darstellen, da gesetzlichen Religionen entspreche und nicht Nitzsch das Lehren als einheitsstiftend ab. Für Amt in der Kirche im Leiten, und er sieht sich

interessant, was Nitzsch als ablehnt. Das priesterliche priesterliches Handeln den der Kirche. Ebenso lehnt ihn besteht das eigentliche damit in Übereinstimmung

gie, S. 3 2 7 - 5 2 0 . 115

H. Luther sieht das nicht so. Vgl.: Luther, H.: Praktische Theologie als Kunst für alle. Individualität und Kirche in Schleiermachers Verständnis Praktischer Theologie, in: Z T h K 8 4 , S. 3 9 0 , Anm. 15: "Die Ausführungen über die 'freie Geistesmacht' beziehen sich zwar unmittelbar nur auf das Kirchenregiment. Da aber die Unterscheidung zwischen Kirchendienst und Kirchenregiment keine absolute Trennung bedeutet, sondern zwischen beiden sachliche Interferenzen bestehen (vgl. KD, §§ 2 7 4 f f sowie PT, 32ff), kann davon ausgegangen werden, daß die 'freie Geistesmacht' mittelbar auch für den gemeindlichen Bereich des Kirchendienstes Bedeutung besitzt." Dieser Argumentation kann ich mich, gerade auch aufgrund der Überlegungen Dinkels zur Freien Geistesmacht (Dinkel: Kirche, VI, S. 1 8 8 - 2 0 3 ) , nicht anschließen. Schleiermacher: Darstellung, § 2 7 4 f .

117

Ebd.

"8

Nitzsch: PTh I, S. 2 1 .

Der Begriff der Praktischen Theologie

49

mit dem Neuen Testament sowie mit A. Hyperius (1511-1564)" 9 und Schleiermacher. Erst aus dem Amt des Leiters, in der Versammlung wie in der Gemeinde, haben sich Nitzsch zufolge in der urchristlichen Zeit die anderen Ämter herausgebildet: "Das Lehren aber und Beten, das Unterrichten und specielle Ermahnen, wird erst nach und nach im vollen Sinne amtlich werden."' 20 Vom Leiten aus entstehe alles. Das Lehren stehe ihm am nächsten, sei alleiniges Mittel zur Leitung. Aus dieser lehrenden Leitung heraus erwüchsen dann zur Erbauung der Gemeinde Kultus, Seelsorge, Diakonie. Das Einigende des kirchlichen Amtes sei die Leitung des kirchlichen Lebens. Ein theokratischpriesterliches Amtsverständnis als einigendes Strukturmoment hält Nitzsch für nicht evangeliumsgemäß. In Nitzschs Strukturierung sind durchaus Parallelen zum lutherischen Amtsverständnis zu finden. Interpretiert man das Amt der Verkündigung als Kristallisationspunkt der Kommunikation christlichen Wirklichkeitsverständnisses, dann besteht gerade in der Evangeliumsverkündigung die Leitungsfunktion. Wie schon in bezug auf den Bildungsbegriff Nitzschs angesprochen, ist das Handeln von Personen von ihrem Wirklichkeitsverständnis abhängig und nach Deuten und Gestalten zu unterscheiden. Die Verbreitung sowie Explikation des verbum externum und die Kommunikation über christliches Wirklichkeitsverständnis ist als Deutung menschlichen Lebens coram deo für jegliches Handeln grundlegend und zugleich leitend. Über das Amt der Kommunikation des Evangeliums sollte insofern die Gemeinde geleitet werden. Darin liegt die Übereinstimmung zwischen Nitzsch und Luther. Dabei sollte man Nitzsch nicht unterstellen, er meine mit Leitung bereits eine institutionalisierte, verfaßte Leitung, die qua Amt leite. Wie schon öfter zu beobachten war, ist auch hier die Denkrichtung entscheidend. Nicht das personell und positioneil bestimmte Amt leitet, sondern: Diejenige Position in der Kirche, die das Evangelium den Menschen am eindrücklichsten und wahrhaftigsten nahe bringt, ist eigentlich, nach dem NT und dem Bekenntnis, das legitimierte Amt. So ergibt sich für Nitzsch die Einheit der Ämter. Er unterscheidet damit, ohne es explizit auszusprechen auch schon gebundenes

119

Nitzsch verweist dabei auf seine Schrift von 1831, Nitzsch: Observationes, p. 9. Vgl. dazu Hyperius, Α.: De recte formando theologiae studio, libri IUI, Basel 1556. Im Buch 4 fordert und formuliert er eine neue theologische Disziplin (Ecclesiarum π ρ α ξ ε ι σ ) und zwar in Bezug auf die Kirchenleitung. Vgl.: Krause, G.: Andreas Gerhard Hyperius, Tübingen 1977, S. 139f. Zu seiner Ekklesiologie: Frielinghaus, D.: Ecclesia und Vita. Eine Untersuchung zur Ekklesiologie des Andreas Hyperius, Neukirchen-Vluyn 1966.

120

Nitzsch: PTh I, S. 24.

50

C.I. Nitzsch: Praktische Theologie - 1847

und ungebundenes Leitungsamt, die "freie Geistesmacht"121. Kirchenleitend ist demnach jeder, der sich an der Kommunikation des Evangeliums 'pure et recte' (CA VII) beteiligt und so das Handeln anderer in der Kirche, aber auch außerhalb, beeinflußt. Die in dieser Weise Aktiven kann man mit dem natürlichen Klerus vergleichen. Die dann wiederum professionell und institutionell Eingebundenen stellen den positiven Klerus dar, das gebundene Amt.

7. Amtliche Befähigung: geistliche und wissenschaftliche Konsequenterweise folgt aus den Überlegungen über das Amt anschließend die Frage nach der Art der Begabung zum natürlichen und positiven Klerus. Dabei setzt Nitzsch innerhalb des geschichtlichen Werdeganges der Kirche eine Veränderung voraus. Ursprünglich waren "vorzügliche Christlichkeit, besondere Begabung und wirkliche Anerkennung derselben"122 Erfordernisse des Leitungsamtes. Im Zuge der Veränderungen hin zu einer wissenschaftlich orientierten Welt muß aber auch die "theologische Bildung"123 hinzutreten, ohne freilich die geistliche Tiefe zu verlieren. Aus seinen Überlegungen über das Amt heraus sieht Nitzsch durchaus die Möglichkeit, die praktische Theologie als Wissenschaft des geistlichen Berufes zu verstehen, als Pastoral. Diese Definition hält er zwar für möglich, aber auch für überholt. Man "konnte" die Praktische Theologie so nennen, man sollte es aber nicht mehr. Ursprung der Praktischen Theologie sei vielmehr die zunehmende Notwendigkeit einer wissenschaftlich-theologischen Befähigung. Wichtig ist ihm dabei, daß die Begabungen nicht gegeneinander ausgespielt werden. Theologische und sittliche, geistliche, charismatische Begabungen stünden sich nicht gegenüber und sollten nicht gegeneinander ausgespielt werden, weil sie sich ergänzen. Nicht allein die wissenschaftliche Begabung könne zur Leitung qualifizieren, aber auch nicht allein die geistliche. "Damit aber streitet nicht, daß sich der Geist des Herrn, der heilige, der Geist der Wahrheit und des Zeugnisses, der Weisheit und des Verstandes in dem natürlichen, menschlichen und mit ihm entwickelt. Allen geistlichen Talenten liegen natürliche zum Grunde, und die allgemeinen Bestimmungen des Menschengeistes, zu denen Wissenschaft und Kunst, Schule, Lehre, Literatur gehören, können nicht wider, müssen für die kirchliche Ausübung sein, ja

121

Schleiermacher: Darstellung, § 328.

122

Nitzsch: PTh I, S. 26.

123

Ebd.

Der Begriff der Praktischen Theologie

51

als Erfordernis und Bedingung derselben erscheinen, wenn man sich die Kirche in der ihr im ganzen zukommenden Entwicklung denkt." 1 2 4

Diese Sätze sind eine, wenn nicht die Schlüsselstelle in der Einleitung von Nitzschs Praktischer Theologie. Von hier aus entwickelt er die Notwendigkeit einer theologischen Bildung, ja der Praktischen Theologie überhaupt. Das leitende Lehren setzt ein Wissen des Christentums voraus, das in der Lage ist, sich aus der Binnenperspektive zu lösen und, wie Schleiermacher es ausdrückt, einen "Standpunkt über dem Christentum" einzunehmen.125 Damit ist - wie auch bei Schleiermacher schon - nicht gemeint, sich auf eine inhaltlich höhere Stufe zu stellen, sondern nur, eine theoretische Außenperspektive einzunehmen, um das Ganze besser reflektieren zu können126. Die ständig zu vollziehende kritische Leitung der Kirche bedarf dabei der wissenschaftlichen Bearbeitung ihrer Geschichte, ihres Zustandes und besonders ihrer Norm. Das gelte besonders dann, wenn es sich bei der Kirche um eine Bildungsinstitution handelt:

124

Nitzsch: PTh I, S. 27. Diese Einschätzung steht in Übereinstimmung mit den Vorstellungen von Luther und Schleiermacher über die Bildungsleistung, die ein Amtsträger zu erbringen hat. Allerdings gibt es auch die Meinung, Luther und Schleiermacher würden sich in diesem Punkte unterscheiden. Vgl.: Härle: Priestertum, bes. S. 77f. Härle sieht in der Bindung der kirchenleitenden Funktion an die wissenschaftliche Theologie bei Schleiermacherund an den Glauben bei Luther einen fundamentalen Unterschied. Meiner Meinung nach ist schon bei Luther die kirchenleitende Funktion ebenfalls an einen Glauben gebunden, der in der Lage ist, sich zu artikulieren, zu explizieren sowie apologetisch zu verteidigen, und der somit eigentlich die Kriterien der Wissenschaftlichkeit erfüllt. Theologische Kompetenz und geistliche Kompetenz sollte man bei Luther wie bei Schleiermacher - in genau dem gleichen Sinne wie es Nitzsch formuliert - nicht auseinanderrücken.

125

Vgl.: Schleiermacher: Darstellung, § 33. Siehe dazu auch die in diesem Punkt widersprechende Rezension von Schwarz, F.H.Chr. in: Heidelberger Jahrbücher der Literatur, Heidelberg 1812, S. 511-530, bes. 525.

126

Vgl. dazu auch die Debatte über den Bildungsbegriff bei Hegel, der das Einnehmen einer Position außerhalb meiner Selbst und das von dort aus geschehende Nachdenken, man kann das auch Abstraktion nennen, für die Bildungsleistung schlechthin hielt. Pleines, J.E.: Studien zur Bildungstheorie, Darmstadt 1989, S. 154ff zitiert dazu aus Hegel, G.F.W.: Vorlesungen über die Philosophie der Weltgeschichte. Bd. I: Die Vernunft in der Geschichte, (ed. Joh. Hoffmeister, Ph.B. 171a), Hamburg 1980, S. 65 (vgl. Jub.Ausg. 10.9-11) und legt die Probleme der Interpretation dar. Das Verlassen der eigenen Perspektive gilt auch nach Hegel noch als die Bildungsleistung schlechthin, wenn etwa R. Rothe (1799-1867) meint, es sei nichts ungebildeter, "als von seinem armseligen lieben Ich nicht los und über dasselbe nicht hinauskommen zu können". Rothe, R.: Theologische Ethik, 3 Bde. 1845-48, 5 Bde. 1869-71 5 (vollendet von H. Holtzmann), Nachdruck der 2. verm. Auflage 1869-71, Waltrop 1991, § 970.

52

C.I. Nitzsch: Praktische Theologie - 1847

"Je weniger eine Religion, die kirchlich ausgeübt werden soll, rituell und symbolisch, je mehr sie didaktischer Art ist, in desto höherem Grade bedürfen und erzeugen die Leiter der Kirche eine kirchliche Wissenschaft, welche zwar durch geistliche Talente, durch Gesinnung und Charakter gefördert und gesegnet, aber im Allgemeinen nicht ersetzt noch erzeugt werden kann."1

Dabei sieht Nitzsch nicht nur die Notwendigkeit der wissenschaftlichen Arbeit auf dem Gebiet der Aneignung des Inhalts des christlichen Wirklichkeitsverständnisses aus der Schrift128, gegenwärtig wie historisch, sondern besonders auf dem Gebiet der Auseinandersetzung mit den sonstigen wissenschaftlichen Ergebnissen, also der Anknüpfungsfähigkeit der Kommunikation über das Evangelium an die Lebenswelt129, an "das Menschliche in allen Beziehungen"130. Dadurch entsteht eine mannigfaltige Beziehung zwischen christlichem Wirklichkeitsverständnis hier und Wissenschaft und Praxis aufgrund anderer weltanschaulicher Prägung dort131. Wenn in diesem Beziehungsgeflecht besonnenes kirchliches Handeln und Lehren aufscheinen soll, dann ist dazu die Unterscheidung von zufällig Treffendem und planbar Richtigem, die wissenschaftliche Durchdringung nötig. Nitzsch hält es für grundsätzlich notwendig, daß in jeder Gemeinde mindestens eine Person zu solcher Tätigkeit in der Lage ist.

8. Notwendigkeit und Selbständigkeit der Praktischen Theologie Nitzsch legt hier den Schwerpunkt seiner Argumentation auf die Vollständigkeit der Praktischen Theologie als Wissenschaft und damit auf ihre Selbständigkeit gegenüber den anderen theologischen Disziplinen. Er wiederholt z.T. noch einmal, wenn auch aus anderer Perspektive, die Überlegungen aus

127

Nitzsch: PTh I, S. 28.

128

Nitzsch verweist hier auf Luthers Anschauung über die Notwendigkeit von Kenntnissen in den biblischen Sprachen, vgl. Luthers Schulschriften: Luther, M.: An die Ratsherren aller Städte deutschen Landes, daß sie christliche Schulen aufrichten und halten sollen (1524), in: WA 15, S. 27-53; und: ders.: Eine Predigt Martin Luthers, daß man Kinder zur Schule halten solle (1530), in: WA 30, 2, S. 517-588.

129

Vgl. den auch schon vorher angesprochenen Begriff der Kommunikationskompetenz bei E. Herms und R. Preul.

130

Nitzsch: PTh I, S. 28.

131

Jede wissenschaftliche Tätigkeit geschieht unter weltanschaulichenPrämissen und persönlicher Perspektive. Damit ist jedoch keineswegs ihr Wahrheitsanspruch widerlegt. In besonderer Weise gilt das für die wichtigen Anknüpfungswissenschaften der Theologie, wie etwa die Philosophie, Soziologie, Politikwissenschaften etc. Vgl. dazu Herms: Kirche für die Welt, Einleitung, S. VII-X.

Der Begriff der Praktischen Theologie

53

§ 1 über den enzyklopädischen Standpunkt der Praktischen Theologie. Sie ist nicht praktisch gegenüber der theoretischen Theologie, sondern beinhaltet beides. Sie will nicht nur Anwendungswissenschaft sein, sondern sowohl theologischen Inhalt als auch Regeln der Anwendung mit hervorbringen und in Beziehung zu den Tatsächlichkeiten setzen. Diese Struktur hat zwei Gründe. Zum einen hat die Praktische Theologie die Leitung der Gemeinde, also das, was Nitzsch unter Amt versteht, als unmittelbaren Gegenstand. Nach Meinung Nitzschs erreicht die Praktische Theologie das Niveau einer selbständigen theologischen Disziplin erst, wenn die "Aufgabe des Pfarrers ... aus der Aufgabe der Gemeinde und der ganzen Kirche abgeleitet" werde, also genau umgekehrt wie es bisher in der Pastoraltheologie geschah. 132 Zum anderen unterhält die Praktische Theologie durch ihre Erforschung von Kunstregeln und Theorieverfahren andere Außenbeziehungen als etwa die Exegese in bezug auf die Philologie oder die Systematische Theologie in Bezug auf die Philosophie. Soweit die These Nitzschs. In seiner Erläuterung geht er nochmals auf die Notwendigkeit der Praktischen Theologie ein. Sie liegt in der "theologischen Bildung für den kirchlichen Führer" 133 . Wieder legt Nitzsch den Handlungsbegriff zugrunde, wenn er die theologische Bildung ausführt. Das kirchliche Handeln methodisch zu Bewußtsein zu führen, d.h. seine Reflexion kontrolliert und theologisch verantwortbar zu betreiben, dazu dient die Praktische Theologie. Besonders gegen drei Tendenzen wendet er sich entschieden: Wenn methodische Reflexion a) durch das "bloße Talent" und b) durch "gesetzliche Vorschriften" ersetzt wird, und c) wenn es ausschließlich aus der Systematischen Theologie erwächst. Zusammenfassend wendet sich Nitzsch prinzipiell gegen Simplifizierungen. 134 132

Nitzsch: PTh I, S. 78 u. 101.

133

Nitzsch: PTh I, S. 30.

134

R. Preul hat diese Simplifizierungsrezepte widerlegen können. Preul, R.: Was leistet die Praktische Theologie für die Einheit der Theologie?, in: Pthl 13, 1993/1, S. 77-92: Seine fünf Gefahren seien hier kurz skizziert: a) das Loblied auf den Charismatiker, der intuitiv das Richtige tut, b) die Aussage, alles sei eigentlich ganz einfach, weil letztlich eine Sache des Herzens oder der inneren Einstellung oder auch der Stärke des Glaubens, c) ein unsinniges Vertrauen auf eine Berufsroutine (Dabei kann die Praxis, auf die ich mich berufe, auch das sein, was ich jahrelang verkehrt gemacht habe.), d) Rückzug auf ein wie auch immer verstandenes theologisches Proprium gegenüber anderen weltlichen Konkurrenten, und zuletzt e) die Erklärung einer Berufsfunktion des Pfarrers zur umfassenden und aller anderen zu deren Spezialfall: "1st es eigentlich ein Zufall, daß unter dem direkten Einfluß der Dialektischen Theologie kein einziger Grundriß der Praktischen Theologie, kein System der Praktischen Theologie entstanden ist, das sich etwa den

54

C.I. Nitzsch: Praktische Theologie - 1 8 4 7

Nitzsch sieht - über die von R. Preul dargelegten Rezepte der Simplifizierungen hinaus - noch die Vergesetzlichung der Praxis durch verordnete Handlungsschemata als Gefahr an.135 Sie könnten zwar die heftigsten Verirrungen verhindern, bedürften aber ebenfalls eines verantwortbaren Maßstabs, nach denen beurteilt werden kann, was denn eigentlich die Verirrung ist, gegen die sich mit welchen Mitteln gewehrt werden muß. Diese Beurteilung unterliege also der gleichen praktisch-theologischen Arbeit, wie jegliche kirchliche Tätigkeit: "... und wir müssen, was der Synodalis oder der Aufseher und Gesetzgeber in der Kirche zu thun hat, nicht weniger als was der Pastor oder Prediger, in den Kreis unsrer Untersuchung ziehen" 136 . Nitzsch wendet sich also besonders gegen eine kirchliche Praxis gesetzlicher Verordnungen !37 , d.h. ohne praktisch-theologische Überlegungen in Verwaltungsangelegenheiten zu verfahren, etwa in Form einer einsamen bischöflichen oder verwaltungstechnischen Anordnung, wie in der Kirche mit dem Problem X umzugehen sei. 138 Doch Nitzschs Hinweis ist heute auch noch in eine andere Richtung zu interpretieren, die der Vereinfachungstendenz widersprechen will. Die häufig unter Studierenden der Praktischen Theologie festzustellende Suche nach konkreten Handlungsanweisungen für die spätere Berufspraxis sollte nicht durch konkrete Handlungstips beantwortet werden. Dadurch würden sich unreflektierte Handlungsmuster einstellen, die der sich ständig verändernden Praxis nicht gerecht zu werden vermögen. Gegen diese Tendenz sollten vielmehr Zugänge zu eigenen Entscheidungen für oder gegen Handlungsmöglichkeiten eröffnet werden, um der sich verändernden Praxis gewachsen zu sein. Dadurch muß die Praktische Theologie zwar auf den ersten Blick praxisfern erscheinen, sie ist es aber nicht, da sie zur Bearbeitung der Praxis befähigt,

Entwürfen von Schleiermacher, Gerhard von Zezschwitz, Ernst Christian Achelis oder Friedrich Niebergall an die Seite stellen läßt?" Preul: Theologie, S. 8 4 . 135

R. Preul thematisiert diese Gefahr leider nicht. Vgl.: Preul: Theologie.

136

Nitzsch: PTh I, S. 31.

137

Nitzschs Ablehnung richtet sich insbesondere gegen Eingriffe der Regierung in kirchliche Angelegenheiten, wie etwa im Agendenstreit.

118

Zwar ist heute eine Verordnung kirchlicher Praxis, etwa durch Synodenbeschluß, die nicht der praktisch-theologischen Reflexion unterlag, nicht zu befürchten, j a auch durch die Verfassungen der Kirchen nicht ohne weiteres möglich, aber trotzdem ist Nitzschs Hinweis auf eine mögliche Regulierung kirchlichen Handelns durch Verordnungen, etwa aus finanztechnischen Erwägungen, wichtig. Auch die Mitarbeit der Verwaltung am kirchlichen Handeln muß praktisch-theologischen Überlegungen unterliegen und darf keine Eigengesetzlichkeit entwickeln, die die Verwaltungsakte durch Hinweis auf angebliche Sachzwänge aus der theologischen Verantwortung heraushalten will.

Der Begriff der Praktischen Theologie

55

auch wenn sie nicht unbedingt konkrete Anweisungen ausgibt. Praktische Theologie ist nicht praktisch, weil sie Praxis ist, sondern weil sie dazu anleitet und ausbildet, die Praxis selbständig zu bearbeiten. Diesen Auftrag hat Nitzsch schon im § 1 mit Recht klar dargelegt. In eine nur scheinbar andere Richtung geht Nitzschs weitere Befürchtung, die Praktische Theologie könnte, wie etwa in der Enzyklopädie von G.J. Planck (1751-1833) 139 , nur als ein Ausfluß aus der sonstigen Theologie, aus der theoretischen Gottes-Wissenschaft, angesehen werden. Dieses Problem stellt sich heute nicht mehr in der gleichen Dringlichkeit. Trotzdem ist auch heute zu beobachten, daß die Praktische Theologie angesehen wird als diejenige Unterdisziplin der Theologie, die das, was die theoretische Theologie erarbeitet hat, nun praktisch zu erproben habe. Es ist wiederum die gleiche Anfrage an die Praktische Theologie, wie die nach praktischen Handlungsanweisungen, nämlich die theoretisch erarbeiteten Erkenntnisse der übrigen Theologie doch endlich in die Praxis umzusetzen. Auch hier spricht ein falsches Praxisverständnis, wie Nitzsch schon in § 1 ausgeführt hat140. Wichtigstes Argument gegen ein solches falsches Verständnis der Praktischen Theologie als jeweilige Anwendung theoretischen Wissens ist für Nitzsch, daß damit kein organisiertes, methodisches Bewußtsein kirchlichen Handelns entstehen könne, was unentbehrlich sei, soll verantwortbares Handeln durch kritische Ausbildung ermöglicht werden. Nur wenn sich die einzelnen Teile zu einem organisierten System zusammenbringen ließen, könne dies aber geschehen. Die Frage, ob ein organisiertes System förderlich oder hinderlich ist, stellt sich für Nitzsch nicht. Für ihn ist allein ein organisiertes System fähig, das nötige methodische Bewußtsein zu stützen. Aber auch diese Frage wird noch eingehender behandelt werden, wenn Nitzsch auf seine Methoden eingeht. Die Selbständigkeit der Praktischen Theologie läßt sich zudem noch aus den gegenüber den sonstigen theologischen Disziplinen feststellbaren Außenbeziehungen zu anderen Wissenschaften begründen. Als Korrelat bietet

119

Planck, G.J.: Grundriß der theologischen Enzyklopädie, Göttingen 1813 und ders.: Einleitung in die Theologische (sie!) Wissenschaften, 2 Bde., Göttingen 1794/95.

140

Als Nebeneffekt dieser Forderungen nach mehr Praxis in der Praktischen Theologie ist hinsichtlich der Orientierung an den Humanwissenschaftenein gänzlich anderes Problem aufgetreten. Es ist eine starke Vernachlässigung theologischer Überlegungen über menschliches Handeln coram deo zu beobachten. Die Unterfütterung der Praktischen Theologie als theologische Disziplin mit den Ergebnissen der sonstigen theologischen Arbeit muß gewährleistet sein. Bei einem Hinweis auf einen solchen Mangel soll es hier bleiben. Nitzsch geht ausführlicher auf dieses Problem ein, wenn er seine Methoden der Praktischen Theologie erläutert.

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C.I. Nitzsch: Praktische Theologie - 1847

Nitzsch die schon von Schleiermacher festgestellten Wissenschaften an, nämlich, mit dem übergeordneten Begriff, die praktische Philosophie. Konkret sieht er die Wechselbeziehungen zwischen Homiletik und Rhetorik, zwischen Katechetik und Didaktik, zwischen Religionspädagogik und Pädagogik, zwischen Seelsorge und Psychologie und zwischen Kybernetik und Politikwissenschaft.141 Dabei dürfen die damit verbundenen Risiken aber nicht verschwiegen werden' 42 .

9. Die Aufgabe Die These über die Aufgabe der praktischen Theologie spricht für sich. Ihre Aufgabe bestehe darin, "auf dem Grunde der Idee der christlichen Kirche und des kirchlichen Lebens durch Verständnis und Würdigung des gegebnen Zustandes zum leitenden Gedanken aller kirchlichen Amtsthätigkeiten zu gelangen"143. Aufgabe der praktischen Theologie ist also die Erarbeitung einer Zieloption für kirchliches Handeln. Dabei bewegt sich die Praktische Theologie zwischen der gegebenen, vorlaufenden Praxis, die erkannt und auch auf ihre positiven Seiten hin zu untersuchen ist, und der Idee kirchlichen Handelns, also den theologisch zu erarbeitenden Inhalten und Maßstäben, was als christlich und kirchlich angesehen werden kann und was nicht. Bemerkenswert ist dabei, daß Nitzsch von einer dynamischen Dialektik ausgeht. Er sieht sich hier im Unterschied zu Schleiermacher. Wenn es nach diesem ginge144, so Nitzsch, dann gehe es in der Praktischen Theologie nur

141

"Eine Homiletik ist nur durch Zurückführung der kirchlichen Rede auf die allgemeine Idee der öffentlichen Rede, Katechetik nur in Verbindung mit didaktischen Gesetzen möglich; ohne Psychagogik, Pädagogik, Politik giebt es auch keine geistliche Pädeutik, keine Theorie der Kirchenverfassung.", Nitzsch: PTh I, S. 31.

142

Es besteht insbesondere die Gefahr, daß unkritisch "mit einem jeweiligen methodischen Instrumentarium, das man aus den Humanwissenschaften übernimmt (etwa aus der Psychoanalyse), auch bestimmte Leitannahmen anthropologischer Art mit übernommen werden, ohne daß diese zu einem ausformulierten christlichen Verständnis menschlichen Seins und Handelns klar ins Verhältnis gesetzt werden. Auch bei dieser kritischen Aufgabe bedarf die mit den Humanwissenschaften sich einlassende Praktische Theologie noch einmal der Hilfe von Seiten der Systematischen Theologie als Dogmatik und Ethik." Preul: Theologie, S. 87.

143

Nitzsch: PTh I, These § 9, S. 32.

144

Nitzsch verweist auf Schleiermacher: Darstellung2, § 257: "Wie die philosophische Theologie die Gefühle der Lust und Unlust an dem jedesmaligen Zustand der Kirche zum klaren Bewußtsein bringt: so ist die Aufgabe der praktischen Theologie, die besonnene Tätigkeit, zu welcher sich die mit jenem Gefühl zusammenhängenden Gemütsbewegun-

Der Begriff der Praktischen Theologie

57

darum, "Verfahrensweisen für Erreichung der gestellten Ziele zu finden". Nitzsch versteht die Aufgabe der praktischen Theologie anders. Er unterscheidet drei Ebenen: das Handeln selbst [1], die an einer Idee reflektierte Kunstregel [2] und die Kunsttheorie [3]. Die Kunstregel leite sich aus der Idee des Handelns in bezug auf das Handeln selbst ab. Die Kunsttheorie wiederum überlege, wie die Erstellung der Kunstregel zu geschehen habe, ermittele so auch die Stellung der Idee in Bezug auf das Handeln und auch die Veränderungen des Verständnisses der Idee, die aus der Praxis resultieren könnten. Diese Überlegung taucht in der Methodendiskussion erneut auf (vgl. II. 3.) und bedeutet für Nitzsch: "Daß die Kunstregel aus der Idee eines Thuns abgeleitet werde, gehört selbst mit zur Kunsttheorie. Die Feststellung des Begriffs des Cultus selbst mit zur Liturgik, die Anwendung des Begriffs auf das gegebne und herrschende ebenfalls." 145 Das Herausarbeiten des Maßstabs des Handelns, der Ziele kirchlichen Handelns gehören mit in die Praktische Theologie hinein und können nicht unreflektiert aus anderen Disziplinen übernommen werden, seien es nun theologische, etwa die systematische, oder humanwissenschaftliche, etwa die Soziologie oder Psychologie. Diese Forderung wird dadurch unterstützt, daß sich die theologische Disziplin "Philosophische Theologie" an deutschen Universitäten nicht ausgebildet habe, und zudem kaum Einigkeit über die Art der Erarbeitung der Ideen - geschweige denn über diese selbst - vorhanden sei. Insofern gehörten die Aufgaben der philosophischen Theologie Schleiermachers mit in die Überlegungen der Praktischen Theologie Nitzschs. 146 Darin liegt die besondere Qualität des Entwurfes und der berechtigte Hinweis, daß Nitzsch wirklich der Begründer der praktischen Theologie sei.147 Für Schleiermacher stellt sich das Verhältnis von Praktischer Theologie und Philosophischer Theologie 148 im wesentlichen als das Verhältnis zwischen "Technik der Gemüthsbewegung zu der Reflexion über das diesen

gen entwickeln, mit klarem Bewußtsein zu ordnen und zum Ziel zu führen. Wie die philosophische Theologie hier aufgefaßt ist. in der Einwirkung ihrer Resultate auf einen unmittelbaren Lebensmoment: so auch die praktische, wie ihre Resultate in einem solchen Lebensmoment eingreifen." 145

Nitzsch: PTh I, S. 32.

146

Zu Schleiermachers Verständnis der Philosophischen Theologie vgl.: Rössler, M.: Schleiermachers Programm der Philosophischen Theologie, SchlA 14, Berlin 1994.

147

Vgl. den frühen Hinweis Palmers auf diesen Sachverhalt: Palmer, Chr.: Rezension über Wilhelm Otto, Evangelische praktische Theologie, 1869/70, in: Krause: Theologie, S.

148

Zum Verhältnis zwischen Philosophischer Theologie und Praktischer Theologie vgl. Rössler: Programm, S. 140f.

113ff.

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C.I. Nitzsch: Praktische Theologie - 1847

Bewegungen zum Grunde liegende Gefühl" 149 dar. Aufgabe der Philosophischen Theologie sei es, die "Norm"150 der Praktischen Theologie zu erarbeiten. Zur besonnenen Gestaltung der Praktischen Theologie würden die Gefühle der Lust und Unlust gegenüber bestehenden Erscheinungen zu Bewußtsein gebracht und Prinzipien für die Urteilsbildung erarbeitet. Der Zustand werde mit der kritisch gewonnenen Formulierung des Wesens verglichen, um eine Normierungsleistung zu erbringen. Die Philosophische Theologie sei also Voraussetzung für die Praktische. Da diese Arbeit aber nicht geleistet worden sei, versuchte Nitzsch das normative Grundproblem von der positioneil bestimmten Dogmatik zu lösen und integriert sie systemkonstituierend in die Praktische Theologie. Man kommt um eine Normendebatte nicht mehr herum. Das ist seine ganz große Leistung. Nun stellt sich aber die Frage, wie eine Erarbeitung der Normen geleistet werden soll. Die Praktische Theologie soll nun nicht die Arbeit der Systematischen Theologie ersetzen oder verwerfen, sie sollte sich aber zu ihr in ein Verhältnis setzen. Die Praktische Theologie darf nicht nur Erfüllungsgehilfin der Ideen der Systematik sein, weil eine Einbahnstraße aus der Idee in die Praxis der dynamischen Dialektik zwischen Idee und Praxis nicht gerecht wird. Vielmehr hat auch die Praktische Theologie der Systematischen etwas zu sagen. Das schwierige Verhältnis zwischen den beiden theologischen Disziplinen und ihre jeweiligen Ergebnisse gehören mit in den Bereich der Praktischen Theologie, wie auch in die Prolegomena der Systematik. Dieses Problem wieder zu bearbeiten, ist auch in der heutigen Debatte erneut gefordert worden. "Es erneuert sich bei näherem Zusehen ebenso jedoch das Problem, daö auch eine induktiv ansetzende, erfahrungsoffen operierende und dem Prozeß gesellschaftlicher Differenzierung durch eigenen Perspektivenreichtum Rechnung tragende Praktische Theologie die Frage nach ihrer dogmatischen Grundlegung, nach ihrer Selbstverständigung im Zusammenhang christlicher Lehre nicht unerledigt liegen lassen kann. Sie stößt erneut auf ihr normatives Grundproblem, kann es jedenfalls, soll ihre Praxisreflexion nicht die Orientierungsfunktion verlieren, nicht einfach umgehen."' 51

Daß Nitzsch hier das Hauptproblem der Aufgabe der Praktischen Theologie registriert, zeigt, welche wirklichkeitsnahe Sicht Nitzsch von den Problemen der Aufgabe der Praktischen Theologie hatte. Er selbst versteht sich in der

149

Nachschrift Jonas: Theologische Encyclopädie nach dem Vortrage des Herrn Dr. Schleiermacher. Wintercursus 1816/17. Jonas, Archiv der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Nachlaß Schleiermacher 547/1, S. 124.

150

Vgl.: Rössler: Programm, S. 140f.

151

Vgl. Gräb, W.: Dogmatik als Stück der Praktischen Theologie. Das normative Grundproblem in der praktisch-theologischen Theoriebildung, in: ZThK 85, 1988, S. 474-492.

Der Begriff der Praktischen Theologie

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Frage nach der Erarbeitung der Normativität durch die Praktische Theologie selbst in Übereinstimmung mit Marheineke 152 , nicht mit Schleiermacher.

10. Der bekenntnismäßige und der volkstümliche Standpunkt Durch seine kirchenpolitischen Aktivitäten sieht sich Nitzsch dazu in der Lage, die Situation der evangelischen Kirche in Deutschland zu seiner Zeit auch im Ganzen zu überblicken. Er sieht allerdings auch die Schwierigkeiten, die sich ergeben können, wenn eine Praktische Theologie die Unterschiede der kirchlichen Landschaft ignorieren würde. Weder die kirchliche Situation, noch die für die Kritik notwendigen Maßstäbe oder sich daraus ergebenden Leitlinien der Kirchenleitung könnten in Absehung von der Zersplitterung der Kirchen - regional wie konfessionell - sinnvoll bearbeitet werden. Nitzsch will deshalb betont eine Praktische Theologie der deutschen, evangelischen Kirchen betreiben. Dabei unterstellt er aus seinem unierten Engagement eine Übereinstimmung der reformierten und lutherischen Kirchen in Deutschland in den Hauptfragen, die für die Kirchenleitung und das Gemeindeleben eine Rolle spielen. Gegen zwei Handlungsmuster setzt sich Nitzsch dabei bewußt ab: zum einen gegen eine Marginalisierung der konfessionellen Gegensätze - in Idee und Tatsache - und zum anderen gegen Bekehrungsversuche von Mitgliedern anderer Konfessionen. Darin zeigt sich, daß Nitzsch die Ökumene nicht als Aufgeben der Identität der einzelnen Kirchen versteht, sondern als gleichberechtigtes Miteinander einzelner Identitäten, die sich einer höheren Einheit verpflichtet wissen, welche jedoch jenseits institutioneller, ökumenischer Konkretionsmöglichkeiten liegt. In jeder einzelnen Kirche ist die Totalität der Kirche vorhanden, jede ist vollgültig Kirche. Nitzsch versteht die Ökumene weder als Summe sich selbst aufgebender Kirchen, noch als Konkurrenzverhältnis bezüglich der Repräsentanz der eigentlichen Kirche in einer einzigen, etwa der römischen. Für die Zusammenarbeit innerhalb einer Konfession, aber auf globaler Ebene, stellt Nitzsch die richtige Perspektive in der Ausrichtung auf eine Weltgemeinschaft fest. Die Ursachen für die regionale Begrenzung lägen in den besonderen kirchlichen Situationen, die sich historisch ergeben hätten,

152

Vgl.: Marheineke: Entwurf, §§ 27: "... Den bestimmten Gedanken der Kirche und des Amtes in ihr und aller Erscheinungen auf dem Gebiete beider in ihrem Einfluß auf die gegenwärtige Thätigkeit hervorzubringen, ist die Abz weckung der practischen Theologie

60

C.I. Nitzsch: Praktische Theologie - 1847

und besonders in der sprachlichen Begrenztheit der Kirchen. Einem Vorwurf der Provinzialität ist trotzdem zu widersprechen, nimmt Nitzsch doch durchaus eine Notwendigkeit der Berücksichtigung weltumspannender Einheit und Gültigkeit christlicher Theologie wahr. Interessant ist, daß er eine "Allgemeinheit des protestantisch-evangelischen Kirchenwesens" postuliert, welches sich seiner ökumenischen Bedeutung bewußt sein solle. Den Grund für dieses globale Selbstbewußtsein sieht er in der prinzipiellen Tendenz einer Allgemeingültigkeit dieses Kirchenmodelles. Das ist allerdings eine zu diskutierende Annahme, wittert ein Bürger des nachkolonialen Zeitalters hier doch die Gefahr eines imperialistischen Denkens, das europäische, deutsche Modelle zur globalen Richtschnur aufzubauen scheint. Und solche Vorstellungen hat es gerade in der Zeit Nitzschs ja noch ungebrochen gegeben. Diese Tendenz hat Nitzsch jedoch keineswegs. Vielmehr sieht er in der reformatorischen Formulierung des Kirchenbegriffs, den er allerdings hier nicht weiter entfaltet, diejenige Gestalt von Kirche zum Tragen kommen, die sich - natürlich aus seiner Binnenperspektive - in größter Übereinstimmung mit der Idee Kirche befindet und deshalb universale Maßstäbe setzen kann. Diese Binnenperspektive ist selbstverständlich nicht auf andere übertragbar, ist aber durch einen Hinweis auf ihre Perspektivität auch keineswegs widerlegt. Nitzschs Vorstellungen sind vielmehr immer wieder neu zu überdenken und zu überprüfen, auch im Hinblick auf die Einflüsse des gegebenen Zustandes, auf die Vorstellung der Idee. Das ist aber ja gerade auch ein wesentliches Anliegen von Nitzschs praktisch-theologischer Arbeit überhaupt, die gegenseitige Dialektik in die Reflexionstheorie zu integrieren. Vor einer vorschnellen Verurteilung Nitzschs als Protagonist des kirchlichen Imperialismus ist also zu warnen. Nitzsch schließt die Überlegungen zu der konfessionellen und regionalen Gestalt der Kirchen in Deutschland mit der Analyse ab, daß wohl kaum eine Region dieser Welt eine solche konfessionelle und theologisch qualifizierte Gemengelage aufweist, wie die deutschsprachige. Nicht nur synchron, sondern auch diachron läge größte Vielfalt vor. Deshalb setzt Nitzsch seine Überlegungen zu den Prolegomena Praktischer Theologie auch mit einer Untersuchung ihrer Geschichte fort, von der er sich abzusetzen versucht.

Differenzierung gegenüber anderen Entwürfen

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2. Differenzierung gegenüber anderen Entwürfen Vor dem Hintergrund der bisherigen Bemühungen um die Konstitution einer Praktischen Theologie werden die Anforderungen deutlich, denen sich Nitzsch ausgesetzt sah. Obwohl eine Geschichte der Praktischen Theologie auch nicht in Ansätzen vorhanden sei, wolle er versuchen, eine Übersicht über die Epochen der Praktischen Theologie zu erstellen, die an den biblischen Zeugnissen ansetze und bis in seine Gegenwart reiche, damit daran die Erfordernisse eines praktisch-theologischen Gesamtwerkes gezeigt werden könnten. Seine Vorgehensweise ist dadurch geprägt, die bisherigen Bemühungen durch knappe Vorstellungen der herausragenden Literatur zugänglich zu machen und die entscheidenden Punkte zu kommentieren. Die Übersicht hat dadurch streckenweise - besonders in den vorderen Teilen - den Charakter eines Literaturberichtes. Nitzschs gesamte Übersicht der Geschichte der Praktischen Theologie möchte ich in dieser Studie nicht vertieft diskutieren. Für die Themenstellung sind vor allem die letzten, "liebevollen"1 Ausführungen über die "systematisierte Pastoral"2 entscheidend, die Nitzsch als direkte Vorläufer einer organisierten Praktischen Theologie ansieht und kritisiert. Vor dem Hintergrund dieser Kritik demonstriert er eindrücklich, wovon er sich abgrenzen will. Nitzschs Darstellung bis zu dieser Entwicklungsstufe sei deshalb nur knapp umrissen. Mit der "substanziellen Erscheinung oder biblischen Begründung" 3 im Alten und Neuen Testament beginnt Nitzsch, um dann mit "elementarischen Erscheinungen - innerhalb der kirchlichen Gesetzgebung und Verordnung" 4 bzw. "innerhalb der bischöflichen Briefe und theologischen Gutachten"5 fortzufahren.

1

Zezschwitz, C.A.G.v.: Die praktische Theologie. 1. Einleitung, 2b. Katechetik, 2c. Homiletik, 2d. Geschichte der Predigt, in: Zöckler, O. (Hrg.): Handbuch der theologischen Wissenschaften in encyklopädischer Darstellung mit besonderer Rücksicht auf die Entwicklungsgeschichte der einzelnen Disziplinen, Nördlingen 1883 (III. Ethik und PTh), Nördlingen 1885 2 (IV. PTh und Register); München 1890 3 (IV. PTh). Zitat aus der Auflage 1890 3 , S. 8.

2

Nitzsch: PTh I, § 18, S. 78-91.

3

So zu lesen in der Überschrift: II. Geschichte der Praktischen Theologie. 1. Substanzielle Erscheinung oder biblische Begründung. Nitzsch: PTh I, § 11, S. 39-42.

4

Nitzsch: PTh I, § 12, S. 42-46.

5

Nitzsch: PTh I, § 13, S. 46-48.

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C.I. Nitzsch: Praktische Theologie - 1847

1. Historische Überlegungen bis zur elementarischen Pastoraltheologie "Ansätze zur Wissenschaft"6 sieht Nitzsch im Ausgang des 4. Jahrhunderts beginnen, und zwar anfangs noch "nach dem Gesichtspuncte der Seelsorge und des Lehramtes"7, später dann "nach dem Gesichtspuncte des Spenders der Sacramente"8. Als herausragende Vertreter der ersten Linie nennt er Ambrosius (ca. 340-397)9, Johannes Chrysostomus (ca. 344-407)10, Gregor von Nazianz (t um 390)11 und Augustin (354-430)I2. Die spätere Linie bewege sich zwischen Gregor dem Großen (t 604)13 und Duranti von Mende14 (t

6

Nitzsch: PTh I, S. 48.

7

Nitzsch: PTh I, § 14, S. 48-53.

8

Nitzsch: PTh I, § 15, S. 53-59. S. 54: "... (de officiis ecclesiasticis, de divinis ministeriis, de observationibus ecclesiasticis)...".

9

Nitzsch: PTh I, S. 48. Ambrosius von Mailand: Von den Pflichten der Geistlichen, lat: De officiis ministrorum, libri tres, in: PL XVI, S. 25-193.

10

Ebd. Chrysostomus: Über das Priestertum, gri.: Περι Ι ε ρ ω σ υ ν η ς , lat.: De sacerdotio libri sex, in: PG V, S. 623-692. Nitzsch verweist dabei auf das Buch seines Berliner Kollegen in der Kirchengeschichte J.A.W. Neander (1789-1850): "Chrysostomus I, 1 1 3 " = Neander, J.A.W.: Der hl. Johannes Chrysosthomus und die Kirche, bes. des Orients, in dessen Zeitalter (1822), Berlin 1848 3 . Neander gab nach 1849 mit Nitzsch und Jul. Müller (18011878) die Deutsche Zeitschrift für christliche Wissenschaft und christliches Leben heraus.

11

Nitzsch bezieht sich auf "den Nazianzener in der Antrittspredigt" Nitzsch: PTh I, S. 50. Gemeint ist damit Gregor von Nazianz: Rede II, Oratio II, in: PG XXXV, S. 407-514. Weiter verweist Nitzsch auf C. Ulimann (1796-1865): "Gregor von Nazianz, S. 509ff" = Ulimann, C.: Gregorius von Nazianz der Theologe, Darmstadt 1825, 2. Auflage Gotha 1866. Die Rede II stellt wohl den Klassiker altkirchlicher Überlegungen über das Priestertum dar und hat etwa auch starke Einflüsse auf Chrysostomus ausgeübt. Vgl. Volk, J.: Die Schutzrede des Gregor von Nazianz und die Schrift über das Priestertum von Johannes Chrysosthomos, in: ZPrTh 17, 1895, S. 56-63; und aktuell: Lochbrunner, M.: Über das Priestertum. Historische und systematische Untersuchungen zum Priesterbild des Joh. Chrysosthomos, Hereditas 5, Alfter 1993, bes. Kap. 3, S. 39-66, der die wesentliche Funktion des Priesters bei Gregor in der Gemeindeleitung sieht.

12

Nitzsch: PTh I, S. 49. Aurelius Augustinus: Die christliche Lehre, lat: De doctrina Christiana, libri quattuor, in: PL XXXIV, S. 16-121; ders.: Vom Unterricht der Katechumenen, lat.: De catechizandis rudibus, liber unus, in: PL XL, S. 309-344.

13

Nitzsch: PTh I, S. 48. Gregor I., der Große: Über die hirtenamtliche Seelsorge, Liber regulae pastoralis, in: PL LXXVII, S. 14-127.

14

"Bereits damals [z.Z. Gregors, L.E.] fühlte sich die Kirche weniger im Wort stark als in dem Zauber des Werkes." Nitzsch: PTh I, S. 54. Nitzsch nennt: "Duranti von Mende: Rationales, enchiridion divini officii" = Durandus d.Ält., Wilhelm (Speculator) [Bischof von Mende, t 1296]: Rationale divinorum Officiorum, ed Mogunt 1459 u.ö., neu Neapel 1855.

Differenzierung gegenüber anderen Entwürfen

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1296). Hrabanus Maurus (776-856) sei dabei der bedeutendste Vertreter 15 zusammen mit Isidor von Sevilla (t 636) 16 . In der Reformation sieht Nitzsch dann durch die "Herstellung der Hirtenamtslehre durch den evangelischen Begriff von Amt und Kirche, und Ausbildung einer vollständigen Pastoraltheologie" 17 eine neue Epoche eröffnet. 18 Diese Epoche gliedert er inhaltlich, nicht chronologisch, in "Erneuerung des Wissens vom Wesen des Amtes" 19 , in "die elementarische Pastoraltheologie" 20 und "die systematisierte Pastoral" 21 . Den wesentlichen Umschwung der Pastoraltheologie in der Reformation stellt für Nitzsch die Wiederherstellung der evangelischen Kirche durch Besinnung auf das Wesen des Amtes dar. Der Umschwung von einer gesetzlichen zu einer evangelischen Kirche habe sich seitdem verteidigen müssen gegen zwei gegensätzliche Spannungspole. Einmal "gegen das ausschließliche Vertrauen auf Rechtgläubigkeit und Amtsgnade durch Spener und Franke, das andere Mal gegen oberflächlichen Moralismus oder Eudämonismus durch Herder und die folgenden" 22 . Aus den sich aus den reformatorischen Einsichten entwickelten Kirchenordnungen habe man dann versucht, elementare Leitlinien für das Amt zu erarbeiten. Kennzeichnend für diese elementarische Pastoraltheologie sei, wie schon in den frühkirchlichen Ansätzen zur Wissenschaft, die Orientierung am Vorbild der herausragenden Mitarbeiter der Kirche gewesen, d.h. der Reformatoren. Den Weg auf eine systematische Sichtung ihrer kirchlichen Amtstätigkeit sieht Nitzsch noch nicht beschritten, sondern eher eine beispielgebende Aneinanderreihung ihrer Tätigkeiten. 15

Nitzsch: PTh I, S. 57: "Institutio clericorum" = Hrabanus Maurus: De clericorum Institutione ad Haistulphum, libri tres, in: PL CVII, S. 293-418; zudem auch ebd.: "liber poenitentialis" = ders.: Poenitentiale, ex Canis.Basnay.Lect.Antiq, in: PL CX, S. 467-492.

16

Nitzsch: PTh 1, S. 56 nennt "Isidor v. Sevilla: De officiis ecclesiaticis, libri II, z.B. Löwen 1564. von Joh. Cochläus herausgegeben" = Isidor v. Sevilla: De officiis ecclesiasticis. Liber II: De origine ministrorum, in: PL LXXXIII, S. 737-824. Die Literaturangabe zur Ausgabe von Cochläus ist seltsam, ist Joh. Cochläus doch bereits 1552 in Breslau gestorben, vgl.: Koehler, W.: Art.: Cochläus, in: RGG 2 , I, 1699.

" Nitzsch: PTh I, § 16, S. 59ff. 18

Hier bleibt Erasmus von Rotterdam (1466-1536) unerwähnt. Erasmus von Rotterdam: Ecclesiastae sive De ratione concionandi, in: Desiderii Erasmi Operum omnium Tomus Quintus, S. 767-1099, Leiden 1704 = Hildesheim 1962 (photomechanischeReproduktion).

" Nitzsch: PTh I, § 16, S. 59-74. 20

Nitzsch: PTh I, § 17, S. 74-78.

21

Nitzsch: PTh I, § 18, S. 78-91.

22

Nitzsch: PTh I, § 16, S. 59f.

64

C.I. Nitzsch: Praktische Theologie - 1847

2. Systematisierte Pastoraltheologie Die elementarische Pastoraltheologie sei dann nicht nur chronologisch 23 , sondern qualitativ durch die systematisierte Pastoraltheologie abgelöst worden. Nitzsch sieht diese Entwürfe als direkte Vorläufer seiner Konzeption an. Seine Kritik an diesen Konzepten ist deshalb besonders zu beachten. Als erstes wichtiges Beispiel für systematisierte Pastoraltheologie geht Nitzsch auf den Entwurf von N. Hemming (1511/13-1560) ein24. Dabei kritisiert er, daß nur einer der vier Teile 25 sich dem kirchlichen Handeln des Amtsträgers widme 26 , überdies in völlig unbefriedigendem Aufbau. Erst in dem Unterkapitel der Amtstätigkeit dringe Hemming in das Wesentliche vor27. Selbst hier bleibe seine Untersuchung jedoch ohne alle katechetischen oder liturgischen Elemente, auch wenn es unter den Überschriften nicht unbedingt zu vermuten sei, beinhalte doch das Lehren der Herde gerade auch die Katechetik, nicht nur die Homiletik, und umfasse doch die Sakramentsverwaltung als nonverbale Kommunikation gerade auch die Liturgik. Den Grundfehler solcher Pastoraltheologie sieht Nitzsch darin, daß der Amtsträger im Mittelpunkt stehe und zwar weniger sein Handeln als vielmehr seine

23

Seiner Meinung nach kommt es zwischen beiden Phasen zu Überschneidungen.

24

"Nicolaus Hemming: Pastor oder Unterrichtung, wie ein Pfarrherrund Seelsorger in Lehr, Leben und allem Wandel sich christlich verhalten soll... Leipzig 1566". Nitzsch lag der lateinische Text vor. Der deutsche Text war unter dem Namen Niels Hemmingsen bereits 1562 erschienen, vgl. Waschnitius, V.: Art.: Hemmingsen, in: RGG 2 , II, 1795. Besonders in den nordischen Ländern beschäftigte man sich mit seinem Ansatz. Vgl. die für Nitzsch zeitgenössische Dissertation von J.H. Paulli: Dr. Niels Hemmingsens Pastoraltheologie. Et Bidrag til den praktiske Theologies Historie. Kjobenhaven 1851. Eine der Promotionsthesen war übrigens: "2. Quam distinctionem Nitzschius inter actiones ecclesiae magis fundamentalis et magis conservatices statuii, ea ad theologiam practicam recte construendam parum est idonea." - Jene Unterscheidung, die Nitzsch zwischen der fundamentalen und der konservativen Tätigkeit der Kirche bestimmt, ist nicht ausreichend geeignet, die Praktische Theologie angemessen zu konstruieren.

25

Der Aufriß gliedert sich in: 1. Privatleben, 2. häusliche Verhältnisse, 3. öffentliches Leben, 4. Amtsthätigkeit.

26

Vgl. Nitzsch: PTh I, S. 80: "das amtliche Thun, die Gewalt, der Lohn (zeitlicher und ewiger), die Strafe der Untreue".

27

Unter Punkt 4 entfaltet Hemming: 1. docere gregem 2. administrare ei sacramenta 3. regere disciplina 4. precari pro grege 5. curam pauperum gerere 6. formam gregis esse

= = = = = =

Lehren der Herde Verwalten der Sakramente Regierung durch Anwendung von Kirchenzucht Fürbitten für die Gemeinde Verrichten der Armenfürsorge Vorbild der Gemeinde sein.

Differenzierung gegenüber anderen Entwürfen

65

Person. Viel Mühe würde verwendet, sich mit seinem persönlichen Verhalten zu beschäftigen. Deshalb bewertet es Nitzsch als Fortschritt, daß sich die Pastoraltheologie von der Sittenlehre bzw. der Ethik zu lösen und sich zu den anderen Wissenschaften in ein Verhältnis zu setzen beginne. 28 Die ethischen, asketischen, rechtlichen und künstlerisch-technischen Ebenen müßten differenziert betrachtet und Ethik sowie kirchliches Handeln unterschieden werden. Für einen Fortschritt auf dem Weg zu einer systematisch geschlossenen Darstellung hält Nitzsch deshalb das Werk von Sal. Deyling (1677-1755) 29 , der über den Begriff der Klugheit [φρονιμον είναι, Mt 10,16] ein System pastoraler Tätigkeiten entwickeln wollte. Das sei ihm zwar gelungen, doch träte wieder eine Vermischung verschiedener Ebenen ein: "So ist es denn dem Verfasser in der That gelungen eine vorher nicht erreichte Vollständigkeit zu erreichen, freilich nur scheinbar gelungen, ein Lehrgebäude zu errichten oder gar eine wirkliche Theorie des kirchlichen Thuns herzustellen." 30 Hauptsächlich kritisiert Nitzsch, daß wieder Tätigkeiten auf gleiche Ebenen gesetzt würden, die auf völlig verschiedenen angesiedelt seien.31 Ebenfalls würden tätige Subjekte, die sich auf verschiedenen Ebenen befänden, pauschal zusammengefaßt. 32 Die Ebenen, auf denen die jeweiligen Subjekte der kirchlichen Handlungen sich bewegen, müssen für Nitzsch klar differenziert werden. Nicht alle kirchlichen Tätigkeiten lägen auf einer Ebene und könnten ohne weiteres den gleichen Maßstäben unterliegen. Deylings einzige Ebene sei jedoch die rechtliche, und er reduziere damit die Pastoraltheologie auf eine kirchliche Amtsverwaltungslehre. Ebenfalls werde so die Differenzierung des Tätigkeitsfeldes auf eine Tätigkeit reduziert, die sich dann in allen anderen wiederfinden soll. Die nächste Entwicklung in eine differenziertere Richtung sieht Nitzsch bei P. Roques (1685-1748) 33 und J.P. Miller (1725-1789) 34 . Sie entwickel-

28

Vgl. Nitzsch: PTh I, S. 80f.

29

Deyling, Salomo: Institutionesprudentiaepastoraiis, hrg.v. Küstner, Chr.W., Leipzig 1734, 1768'.

30

Nitzsch: PTh I, S. 82, Hervorhebungen bei Nitzsch.

31

Als Beispiel gibt er an: das churfürstlich-sächsische Eherecht und das pädagogische Verhalten gegen leichtsinnige Gemeindeglieder.

32

Als Beispiel nennt er das Subjekt des gesetzmäßig handelnden Pastors und das Subjekt der gesetzgebenden Kirchenbehörde.

33

Roques, P.: Pasteur évangélique, ou Essais sur l'excellence et la nature du St. ministère sur ce qu'il exige de ceux, qui en sont revêtus et sur les sources du peu de progrès que

66

C.I. Nitzsch: Praktische Theologie - 1847

ten beide differenziert dargelegte historische, sittliche und künstlerisch-technische Ebenen. Beide haben für Nitzsch aber einen wesentlichen Mangel: sie erklärten, wie schon Deyling, eine Berufsfunktion des Pfarrers zur umfassenden und alle anderen zu deren Spezialfall 35 - Roques das Predigtamt, Miller den Unterricht -, und ordneten die anderen Elemente nur insoweit zu, als sie dem Zentrum zuarbeiten. Das dürfe ebenfalls nicht geschehen. Die Ebenen seien vielmehr so zueinander zuzuordnen, daß sie nicht eine hierarchischzwanghafte Struktur ergäben, sondern dem gesamten Spektrum kirchlicher Tätigkeiten entsprächen. Zudem würden die Ebenen der Subjekte bei Miller wieder nicht richtig zugeordnet, wenn er Handlungsfelder zwischen Individuen und der Gemeinschaft verteile, die sich so getrennt nicht verstehen ließen.36 Nitzsch beurteilt das Handbuch von A.H. Niemeyer (1754-1828) ebenso37. Auch hier würde eine Tätigkeit als Zentrum angesehen, das Lehren, um darum herum einen Kreis von Handlungsfeldern zu erweitern38. Die Ratschläge würden aber weder historisch noch begrifflich erarbeitet. Eine Ableitung aus einem Begriff der kirchlichen Tätigkeit erfolge nicht. Nitzsch vermißt ebenso eine Kybernetik, die die kirchenrechtlichen bzw. -regimentlichen Handlungen thematisiere. Nitzsch resümiert: "Es blieb also den Göttingern und andern schon in Bezug auf Vollständigkeit etwas zu thun übrig."39

fait aujoud'hui la prédication de l'évangile, Basle 1733, holländische und dänische Übersetzungen, deutsch Halle 1741, übersetzt von Diacon F.E. Rambach [nicht I.I. Rambach, Prof. in Halle!], mit einem Vorwort von Sigism. Baumgarten. 34

Miller, Johann Peter: Ausführliche Anleitung zur weisen und gewissenhaften Verwaltung des evangelischen Lehramtes, Leipzig 1774.

35

Dazu hat sich Nitzsch schon im Begriff der Praktischen Theologie kritisch geäußert. Vgl. Nitzsch: PTh I, § 8, S. 29ff.

36

Vgl. Nitzsch: PTh I, S. 84f: "Nachdem er das Lehramt abgeleitet und begriffen hat, theilt er die Pflichten in allgemeine d.h. auf die ganze Gemeinde, und besondere, auf Individuen gerichtete, erkennt aber nicht, daß Unterricht und Sacramentsverwaltung, Ceremonien und Gebete, welches alles er zum Allgemeinen ziehet, auch auf Individuen gerichtet sein kann."

37

Niemeyer, A.H.: Handbuch für christliche Religionslehrer, Bd. 2: Homiletik, Pastoralwissenschaft und Liturgik, Halle 1792. Vgl. dazu auch ders.: Theologie; und ders.: Briefe an christliche Religionslehrer über populare und praktische Theologie, Halle 1796ff. Besonders bei ihm und bei Samuel Mursinna (1717-1795) studierte Schleiermacher zwei Jahre, vom Sommersemester 1787 bis einschließlich des Wintersemesters 1788/89 in Halle Theologie, vgl. die historische Einführung des Bandherausgebers von KGA I, 2, S. 17f.

38

Diese Handlungsfeld besteht aus Homiletik, Pastoral (Poimenik), dann neu Liturgik und Katechetik. Es fehlt nur die Kybernetik.

39

Nitzsch: PTh I, S. 86.

Differenzierung gegenüber anderen Entwürfen

67

Die erste wirklich vollständige Pastoraltheologie liefere 1803 J.F.C. Gräffe (1754-1816) 40 . Er ergänze Millers und Niemeyers Aufbau um Volkspädagogik und Kirchenrecht. Die Handlungsfelder des Predigers würden nach der Zielgruppe bestimmt und kämen so zu einer für Nitzsch vollständigen Darstellung.41 Aber: "Um die organische Vermittlung der Theile sieht es desto mißlicher aus."42 Wiederum würde nicht aus einem Begriff heraus eine differenzierte Sicht der kirchlichen Tätigkeit entwickelt. Unverbunden stünden die Ausbildung des Predigers und das Kirchenrecht nebeneinander auf einer Ebene. Die gesamte Darstellung wird von Nitzsch denn auch als theologische "Dürre" bezeichnet43. Den neuen Geist des 19. Jahrhunderts spürt Nitzsch bei F.H.C. Schwarz (1766-1837) 44 . Hier sei die stark ethische Komponente der Pastoraltheologie mit der aufklärerischen Volkserziehung verbunden, ja "so fällt die Pastoral mit der Volkserziehung zusammen"45. Aber auch hier gäbe es systematische Mängel durch die Konzentration auf das Lehrhafte, die die übrigen Handlungsfelder zu stark bestimme.

40

Graffe, Joh.Fr.Chr.: Die Pastoraltheologie in ihrem ganzen Umfange, 2 Bde., Göttingen 1803. Er definiert Pastoraltheologie in § 5: " Die Pastoraltheologie ist eine wissenschaftliche Anleitung, was und wie der Prediger in allen Verhältnissen seines Predigtamtes zu lehren und zu thun hat, damit die Menschen durch Hülfe der Religion für die Zeit und für die Ewigkeit recht gebildet werden." Zu den nun folgenden Entwürfen sind, falls es sich um Monographien handelt, im Anhang zum Vergleich die Inhaltsverzeichnisse dargestellt.

41

A. in bezug auf die Religion öffentlich praktischer Religionslehrer I. für die ganze Gemeinde: 1. für die Erwachsenen = Homiletik 2. für die Jugend durch Unterricht = Katechetik durch Erziehung = Volkspädagogik 3. für alle durch Gottesdienst und Verwaltung der Sacramente = Liturgik II. für Einzelne = Seelsorge B. in bezug auf die Kirchengüter = nicht benannt C. in bezug auf seine besonderen gesellschaftl. Verbindungen = nicht benannt D. in bezug auf Vollmacht des Predigers = nicht benannt C. in bezug auf das äußere Recht = Kirchenrecht

42

Nitzsch: PTh I, S. 86.

43

Ebd.

44

Schwarz, Fr.Heinr.Chr.: Der christliche Religionslehrer in seinem moralischen Daseyn und Wirken, 2 Bde., Gießen 1798-1800. In ihm sieht Fr. Niebergall den Gedanken der Volkspädagogik verkörpert.

45

Nitzsch: PTh I, S. 87.

68

C.I. Nitzsch: Praktische Theologie - 1847

Als sehr ähnlich in der Geisteshaltung versteht Nitzsch den Entwurf von L. Hiiffel (1784-1856)46. Aber er habe nicht die systematischen Mängel. Der entschiedene Fortschritt sei, daß er den Kirchenbegriff und das Bekenntnis zugrunde lege, um das Wesen des Amtsträgers und dessen Handlungsfelder daraus abzuleiten. Da die Darstellung aber nicht über die Fixierung auf den Pastor hinausgehe, bleibe Hüffel, wie er im Vorwort der 4. Auflage selbst bemerke, in Problemen stecken, wie sie die landeskirchliche Zersplitterung aufwerfe. Dadurch träte ein Fehler zu Tage, "der der Pastoral durch ihre ganze Geschichte hindurch anhängt, und darin besteht, daß sie den Pastor in ein Amtsrecht oder Verhältnis stellt, sowie in eine Verfassung, welche sie selbst nicht, wie es der Wissenschaft gebühren würde, mit erzeugt, oder doch nach Idee und Regel beurtheilen und fortzubilden unternehmen will."47 Auch das Kirchenrecht, die gesellschaftlichen und kirchlichen Umstände gehörten mit in die Reflexion der Praktischen Theologie über den Kirchenbegriff, das Amt und dessen Handlungsfelder, weil sie diese beeinflussen. Der Göttinger Theologe F.B. Köster (1791-1878)48 habe diese Beeinflussung zwar gesehen, sei aber trotzdem bei einer Darstellung der landeskirchlichen Anordnungen stehengeblieben und käme so nicht zu einer prinzipiellen Erarbeitung des Kirchenrechtes aus dem Kirchenbegriff, sondern blende Teile aus. Nitzsch bemerkt bissig, wie denn nur irgendein Teil des Kirchenrechtes den praktischen Theologen nichts angehen könne49. Trotzdem hält Nitzsch Kösters Entwurf für den gründlichsten bezüglich der Begriffsanalyse, historischen Herleitung, dogmatischen Richtigkeit und kritisch-objektiven Kirchenverbundenheit. In einer zusammenfassenden These zeichnet Nitzsch den Entwicklungsgang nach: E s "geschieht, was in den besten Zeiten der Kirchenväter geschehen ist, man faßt den Pastor in den sittlichen, ascetischen und wissenschaftlichen Erfordernissen für das Amt der Lehre und Seelsorge. Um noch mehr, um möglichst das Ganze umgreifen zu können, wirft sich die sächsische Schule (Deyling) auf den rechtlichen Standpunct. Die jüngeren Fakultäten, Halle und Göttingen, lassen fürs erste diesen außer Acht, entwickeln die Didaktik und Pädeutik vollständiger (Miller, Niemeyer, Schwarz), verknüpfen mit diesen Theilen die Liturgik

46

Hüffel, L.: Über das Wesen und den Beruf des evangelisch-christlichen Geistlichen, Gießen 1822 (Drehsen: Konstitutionsbedingungen, Anm. 12, Anm.-Bd. S. 145 nennt 1821), 1843\

47

Nitzsch: PTh I, S. 89.

48

Köster, F.B.: Lehrbuch der Pastoralwissenschaft mit besonderer Rücksicht der PastoralWeisheit, Kiel 1827.

49

Nitzsch: PTh I, S. 90. Er nennt hier interessanterweise eben nicht nur die Pastoren, sondern: "Prediger, Superintendenten, Consistorialis, Synodalis, Facultisten".

Differenzierung gegenüber anderen Entwürfen

69

(Niemeyer, Gräffe, Köster), und nehmen endlich die Oekonomie, und die rechtlichen Begriffe in das System auf (Gräffe, Schwarz, Hüffel, Harms)." 5 0

Zusammengefaßt richtet sich die grundsätzliche Kritik Nitzschs an der systematisierten Pastoraltheologie dagegen, daß nicht alle Beziehungen, in denen die Handlungen der Amtsträger stehen, mit in den Blick kommen. Er wird zu isoliert gesehen. 51 Dadurch werden die verschiedenen Ebenen seiner Handlungen und der anderer Subjekte kirchlicher Tätigkeit nicht differenziert genug betrachtet und das strukturierte Feld, in dem sich Kirche, kirchliche Amtsträger und einzelne Christen bewegen, nicht systematisch entfaltet. Das geschieht gerade auch dort, wo nur eine Tätigkeit ins Zentrum gerückt wird, zu der die anderen hilfsweise zugeordnet werden - eine Kritik, die Nitzsch schon vorher geäußert hatte, als er sich gegen Simplifizierungen wendete. 52 Nitzsch kritisiert also die pastorale Systematisierung an sich gerade nicht, sondern, daß die Systematisierung nicht ihrem Gegenstand entspricht. Der Begriff treffe nicht die Wirklichkeit. Offensichtlich seien die Entwürfe schlecht organisiert, d.h. die Systematisierung habe Löcher, blende manches aus, stelle Falsches in den Mittelpunkt oder hinterlasse sogar "Reste" 53 . Der Hauptvorwurf bei einer auf den Amtsträger zugeschnittenen Pastoraltheologie richtet sich aber gegen einen Mangel, aus dem die anderen Fehler hervorgehen: die mangelhafte Bestimmung des Subjektes kirchlichen Handelns und innerhalb dieses Subjektes die mangelnde Ebenendifferenzierung. Dazu müßten der Amtsbegriff und seine Handlungsfelder aus dem Kirchenbegriff und dessen Handlungsfeldern erarbeitet werden. Wie schon angesprochen, ist die Denkrichtung dabei entscheidend: aus dem Kirchenbegriff ist der Amtsbegriff herzuleiten und aus dem Handeln der ganzen Kirche das Handeln des Beauftragten. Dabei geht es weniger um den Umfang, als vielmehr um die konzise Systematisierung, die dann auch den Umfang richtig bestimmen kann - ein Umfang, zu dem mehr gehöre "als sich in das pastoralische Handeln aufnehmen läßt" 54 . 50

Nitzsch: PTh I, S. 79.

51

Vgl. Nitzsch: PTh I, S. 101: Das unbefriedigende der Pastoral besteht darin, "daß die kirchliche Thätigkeit ausschließlich im Pastor angeschaut, den Pastorat selbst unverständlich macht". Auch hier tritt die Notwendigkeit der Unterscheidung von Amt und Person scharf zu Tage.

52

S.o. und abschließend auch Nitzsch: PTh I, S. 101: Es ist das Unbefriedigende an der Pastoraltheologie, daß "zuweilen darunter nur ein Theil, zuweilen das Ganze der Theorie des Lehramtes begriffen wird, in beiden Fällen aber die einen Functionen nur als n o t w e n dige, andere als zufällige gelten, ...".

53

Nitzsch: PTh I, S. 101: "... wohl gar Capitel für 'gemischtes' und 'übriges' angehängt werden."

54

"Denn auf der einen Seite umfaßt das theologische Handeln und umfaßt die Anwendung

70

C.I. Nitzsch: Praktische Theologie - 1847

Der gängige Vorwurf gegenüber der Pastoraltheologie mag zwar lauten: Was die Pastoraltheologie von der Praktischen Theologie trennte, war ihre Bindung an das Amt, statt die gesamte Wirklichkeit der Kirche zum Objekt ihrer wissenschaftlichen Arbeit zu erheben. Das würde Nitzsch aber so nicht formulieren. Es ist weniger die Konzentration auf das Amt und die damit verbundene Beschränkung des Gegenstandsumfangs, die Nitzsch kritisiert, als vielmehr die nicht vorhandene differenzierte Ableitung des Amtes des Einzelnen aus dem Amt der Kirche. Diese Ableitung würde die verlangte Subjektund Ebenendifferenzierung von selbst hervorbringen, das gesamte kirchliche Handeln thematisieren und andererseits den Amtsträger auch von vielem befreien, was eigentlich nicht seines Amtes ist. Auch Nitzsch nimmt eine Rückbindung an das Amt vor, er leitet allerdings das Amt vom Amt der Kirche ab und erfaßt so deren Handeln - und zwar in allen ihren Subjektsebenen. Nötig ist keine Debatte über den Umfang des zu behandelnden Gegenstandes, sondern eine Diskussion über eine teleologische Systematisierung, die die kirchliche Wirklichkeit - im theologischen und soziologischen Sinne - angemessen in differenzierte Ebenen und Subjekte kirchlichen Handelns strukturieren soll. Darüber hinaus kritisiert Nitzsch noch einen anderen wesentlichen Punkt: Das ganze Konzept der Pastoraltheologie "enthält zunächst eine polemische Spitze gegen das vorherrschende kirchliche Praxisverständnis der Pastoraltheologie, in der die Mannigfaltigkeit kirchlicher Amtstätigkeit vorwiegend unter dem Gesichtspunkt ihrer Pragmatik oder zu systematisierenden Zersplitterung reproduziert wird"55. Die kritisierte Pastoraltheologie liegt zwar dahingehend richtig, daß sie das Vorauslaufen der Praxis akzeptiert, aber sie vernachlässigt dabei - neben den schon angesprochenen Kritikpunkten - auch völlig die Dialektik von Praxis und Theorie im Reflexionsprozeß, die für eine gelungene Systematisierung von entscheidender Bedeutung ist. Die Pastoraltheologie leistet gegenüber der Praktischen Theologie keine kritische Normbestimmung für die zukünftige Gestaltung kirchlichen Handelns. Aus den gesamten Kritikpunkten entwickelt Nitzsch konkrete Anforderungen, die eine Struktur der Praktischen Theologie leisten müsse:

der vom Hrn D. Köster anerkannten theologischen Disziplinen noch weit mehr als sich in das pastoralische Handeln aufnehmen läßt, und andrerseits wüßte der Pfarrer von seinem Amte noch keineswegs genug, wenn er um Exegese, Kirchengeschichte, Dogmatik und Ethik recht viel wüßte." Nitzsch, C.I.: Uebersicht der Erscheinungen in der praktischen Theologie von Juli 1828 bis Ende 1829, in: ThStKr 3, 1830, zitiert nach Krause: Theologie, S. 15-18, Zitat S. 15f. 55

Drehsen: Konstitutionsbedingungen, S. 137; mit fehlerhaftem Hinweis auf Nitzsch: PTh I, S. 75f. - richtig S. 78.

Differenzierung gegenüber anderen Entwürfen

71

A: Es sind verstärkt Differenzierungsleistungen zu erbringen 1. Es muß eine klare Differenzierung der Handlungssubjekte erfolgen 56 , die Positionen der Subjekte im Organismus der Kirche müssen richtig zugeordnet werden, und deren Verbindungen müssen deutlich werden. Damit würde eine unselige Isolierung und Überforderung der Amtsträger vermieden. 2. Es bedarf einer klaren Differenzierung der Handlungsebenen - zum einen zwischen ethischem und kirchlichem Handeln und zum anderen innerhalb des kirchlichen Handelns 57 . 3. Es darf keine Simplifizierung durch Reduktion auf ein Proprium (Lehre, Recht, Liturgik etc.) geben. Zur Erfüllung dieser Anforderungen müssen die Ebenen- und Subjektunterscheidungen umfassend und angemessen sein, und das Phänomen Kirche als Handlungssystem muß in seiner tatsächlichen Struktur erfaßt, seine theoretische Bestimmung geklärt und die Möglichkeiten zukünftiger Gestalt erörtert werden. B: Das Verhältnis zur "theoretischen Theologie" muß bedacht werden 1. Die übrigen theologischen Disziplinen arbeiten dem kirchlichen Handeln zu. Deshalb sollten ihre Arbeitsweisen und Ergebnisse auch genutzt werden. 2. Die gegenseitigen Einflüsse der Theorie auf die Praxis und der Praxis auf die Theorie müssen dafür in die Praktische Theologie integriert werden. 3. Sie muß ebenfalls für die gegenseitigen Einflüsse Regelwissen anbieten, um einerseits zu verhindern, daß die Praxis nur reproduziert wird und so die Theorie ihre Bedeutung für die Praxis verliert, und andererseits, daß die Theorie nur reproduziert wird und so die Praxis ihre Bedeutung für die Theorie verliert. C: Dazu muß eine Orientierung am Handlungs-, Kirchen- und Subjektbegriff stattfinden 1. Der allgemeine Handlungsbegriff muß als Grundlage des kirchlichen Handelns bestimmt werden. Seine Struktur von Deuten und Gestalten ist dabei zu bedenken und somit seine Beziehungen zum Bildungsbegriff. 2. Die Kirche ist theologisch wie soziologisch zu untersuchen.

56

Zu diesem Mangel in den bisherigen Entwürfen vgl. Nitzsch: PTh I, S. 102: "Wie ihm Alteste und Diakonen, wie ihm Synoden, Consistorin, Bischöfe ect. vor oder nach arbeiten, was Theologen und Facultäten für ihn thun oder in der Kirche bedeuten sollen, wird in keinen Betracht genommen."

57

Vgl. Nitzsch: PTh I, S. 101: Es ist das Unbefriedigende, daß "...inneres und äußeres, Pflichten und Verhältnisse unthunlich entgegengesetzt..." werden.

72

C.I. Nitzsch: Praktische Theologie - 1847

3. Das Subjekt des Handlungsbegriffes ist genau zu bestimmen. Das Subjekt kann dabei nicht nur ein Einzelner sein, sondern auch eine Gruppe.

3. Praktische Theologie im Gefolge Schleiermachers Weil diese Anforderungen nicht erfüllt worden seien, grenzt sich Nitzsch bewußt von den geschilderten Entwürfen ab und stellt sich in die Reihe derjenigen, die eine organisierte Praktische Theologie versucht haben. Nach exkursartigen Gedanken über die "Theilnahme der katholischen Theologie an dieser Entwickelung" 58 kritisiert er schließlich auch die zeitgenössische Praktische Theologie, die sich durch die Begriffe der Theologie und der Kirche organi59

siere . Mit dem Programm von Schleiermacher-60 beginnt Nitzsch die Reihe der organisierten Entwürfe. In ihm sieht Nitzsch die bahnbrechende Errungenschaft in der Darstellung einer sich selbst organisierenden Struktur, die das gesamte Phänomen religiöser Betätigung im Christentum umspanne. Er skizziert einige Grundregeln des schleiermacherschen Systems, um diesen Durchbruch zu verdeutlichen. Als abstraktes Ergebnis der Grundregeln bleibe, daß das religiöse Leben die unmittelbare Ebene (1. Stufe) darstelle. Die Theologie (2. Stufe) reflektiere sie. Die Praktische Theologie (3. Stufe) wiederum bedenke das Handeln selbst, sowie die Impulse der Reflexion über den Glauben in die Praxis und umgekehrt, also die Beziehungen der 1. zur 2. Stufe, um der übrigen Theologie Impulse zu geben. Am Handlungsbegriff spanne sich das Netz der Handlungsfelder auf, um zu klären, wer in welcher Position an wem mit welchem Ziel handelt. Die Handlungsebenen strukturierten sich deshalb mehrdimensional: zum einen nach dem Objekt (etwa: Einzelner - Gruppe - Gemeinde - Gesellschaft), zum anderen nach dem Subjekt (etwa: gebundenes Amt - ungebundenes Amt), nach der Handlungsposition (etwa: als Predigerin, als Lehrer, als Seelsorgerin) und als letztes nach der inhaltlichen Zielsetzung der Arbeit (etwa: Einführung oder Vervollkommnung, Ermahnung und Tröstung). Vorgenommen werde die Strukturierung dieses Ebenensystems durch die grundlegenden

58

Nitzsch: PTh I, § 19, S. 91-100.

59

Vgl. Nitzsch: PTh I, § 20, S. 100-110.

60

Schleiermacher: Darstellung.

Differenzierung gegenüber anderen Entwürfen

73

Ausgangsposition : die Religion hat das Prius vor der Wissenschaft = > Organisation der Theologie von unten

Grund: 1. Ebene: das religiöse Leben 2. Ebene: dieses muß reflektiert werden = > Ausbildung einer Theologie = > diese Reflexion ORGANISIERT sich = > Bildung von Leitungsstrukturen, Lehramt etc. = > der Klerus muß erst erzeugt werden 3. Ebene: Organisierte Analyse der Beziehung zwischen 1. und 2. Ebene

Ergebnis: A: die Gemeinde hat Prius vor Staat und Klerus. B: die Theologie hat Bezug zu Reflexion und Handeln C: die Praktische Theologie bildet die 3. Ebene

Abb. 1: Grundregeln des Systems von F.D.E. Schleiermacher nach Nitzsch

Maßstäbe des Zustandekommens von Entscheidungen und Positionen in der Kirche, also vom Kirchenrecht als Verfassungs- und Ordnungsfunktion. 6 1 Bedeutsam an diesem System ist - und darin liegt eigentlich auch seine bis heute fesselnde Faszination -, daß es das Netz von zusammenhängenden Handlungsfeldern innerhalb der Kirche - nach Ebenen, Objekten und Subjekten - vollständig umspannen kann. Zudem werden die Beziehungen zwischen den Stufen aufgezeigt. Es ist aber auch deutlich, wie abhängig dieses Netz vom Kirchenbegriff ist. Das soll hier nicht ausführlich am System Schleiermachers anschaulich gemacht werden, aber es ist offensichtlich, daß der durch dieses Netz umspannte Raum nur dann die Wirklichkeit widerspiegeln kann, wenn unter Kirche auch ein solcher Raum verstanden wird. Falls diesem System ein anderer Kirchenbegriff unterlegt wird, der Momente religiösen Lebens ausblendet, dann wird es der religiösen Lebenswelt nicht mehr gerecht. Daran ist offensichtlich, daß die Definitionsarbeit des Kirchenbegriffs - nach Ebenen, Subjekt, Objekt - grundlegend sein muß. Zudem m u ß auch das Ziel der inhaltlichen Arbeit bestimmt werden.

61

Erweitern läßt sich dieser Organismus noch um weitere Dimensionen, etwa durch die Frage nach den Mitteln/Methoden oder externen Befindlichkeiten (psychisch/finanziell etc).

74

C.I. Nitzsch: Praktische Theologie - 1847

Nach der Interpretation Schleiermachers stellt Nitzsch weitere Entwürfe vor, die seiner Meinung nach Schleiermacher zu folgen versuchen62: in der These von § 20 nennt er die Autoren J.S. Drey (1777-1853) 63 , dessen Schüler F.A. Staudenmaier (1800-1856) 64 sowie J.K.F. Rosenkranz (18051879) 65 , G.C.A. Harleß (1806-1879) 66 und L. Pelt (1799-1861) 67 ; in seinen Ausführungen geht er auch auf G.P.C. Kaiser (1781-1847) 68 und KR. Hagenbach (1801-1874) 69 ein. 62

Nitzsch mangelnder Systematisierung dieser Nachfolger Schleiermachers ist heute der Einteilung der Geschichte der theologischen Enzyklopädie im 19. Jahrhundert in drei klare Gruppen gewichen: 1. Schleiermacherund Vermittlungstheologie: Planck: Grundriß, den Nitzsch nicht erwähnt; J.S.v. Drey, K.R. Hagenbach, A.F.L. Pelt, R. Rothe: Theologische Enzyklopädie, Wittenberg, die aber wesentlich später (1880) herausgegeben wurde. 2. die hegelianisch orientierten Entwürfe: K. Rosenkranz, F.A. Staudenmaier, Nitzsch nennt nicht Noack, L.: Die Idee der speculati ven Religionswissenschaft. Plan und Entwurf einer neuen Grundlegung der theologischen Encyklopädie als System, Darmstadt 1846, wohl, weil sie ihm noch nicht bekannt war. 3. die sog. Erlanger Schule: G.C.A.v. Harleß, später dann u.a. Hofmann, J.C.K.v.: Encyklopädie der Theologie - nach Vorlesungen und Manuskripten hrg.v. H.-J. Bestmann, Nördlingen 1879. Vgl. dazu die knappe Charakterisierung bei Hummel, G.: Art.: Enzyklopädie, 3.3. Zur Geschichte der theologischen Enzyklopädie, in: TRE 9, S. 732-735.

63

Drey, J.Seb.: Kurze Einleitung in das Studium der Theologie mit Rücksicht auf den wissenschaftlichen Standpunkt und das katholische System, Tübingen 1819. Jetzt neu zugänglich als fotomechanische Reproduktion hrg. und eingel. von F. Schupp, Darmstadt 1971. Vgl.: Ruf, W.: J.Seb. von Dreys System der Theologie als Begründung der Moraltheologie, Göttingen 1974.

64

Staudenmaier, F.Α.: Encyclopädie der theologischen Wissenschaften als System der gesamten [bei Nitzsch = gesammten] Theologie, Mainz 1834. Die zweite Auflage von 1840 lag Nitzsch nicht vor. Staudenmaiers Werk ist das römisch-katholische Gegenstück zu Rosenkranz' Entwurf.

65

Nitzsch: PTh I, S. 108 nennt "Encyclopaedicd. th. WW. von Rosenkranz (Halle 1830)"= Rosenkranz, J.K.F.: Encyklopädie der theologischen Wissenschaften, Halle 1831. Es gibt dazu eine zweite, gänzlich umgearbeitete Auflage von 1845, die Nitzsch nicht vorliegen hatte. Interessanterweise hat Rosenkranz eine sehr moderne Begründung, warum "es in der evangelischen Kirche keine Pastoraltheologie geben kann; denn, seinem Amt mit Würde und Erfolg vorzustehen, kann der Prediger keiner besonderen Moral genießen." Rosenkranz: Encyklopädie, S.XXXI. Mit ihm beginnt in hegelianischer Prägung die theologische Wissenschaftstheoriedes 19. Jahrhunderts.

66

Harleß, G.C.A.: Theologische Enzyklopädie und Methodologie vom Standpunkt der protestantischen Kirche, Nürnberg 1837.

67

Pelt: Enzyklopaedie.

68

Nitzsch: PTh I, S. 108 nennt "Kaiser ... Entwurf der Pastoraltheologie, Erlangen 1816" = Kaiser, G.Ph.Chr.: Entwurf eines Systems der Praktischen Theologie, Erlangen 1816.

69

Ebd. Hagenbach, K.Rud.: Encyklopädie und Methodologie der theologischen Wissenschaf-

Differenzierung gegenüber anderen Entwürfen

75

Obwohl sie alle sich auf Schleiermacher bezögen, hätten sie zwei aus der systematisierenden Pastoraltheologie übernommene Mängel: die eingeschränkte Sicht des Amtsbegriffes und die mangelhafte Unterscheidung der Ebenen und Subjekte. Was ihnen durch ihre Überlegungen gelänge, sei die Unterscheidung von Ethik und Praktischer Theologie, allerdings ohne Konsequenzen für die Zentrierung auf das Pastorenamt, und die Verbindung mit den anderen theologischen Wissenschaften. Nitzsch thematisiert erstaunlicherweise die mangelnde Beachtung der Dialektik von Theorie und Praxis nicht. Im Einzelnen schneiden die Entwürfe von Harleß und Pelt in Nitzschs Kritik noch am besten ab. Aber die Überlegungen von Harleß blieben durch "die Beschränkung der kirchlichen Thätigkeit auf den pastoralen Stand einigermaßen gehindert" 70 , ebenso durch eine mangelnde Ebenen- und Subjektunterscheidung aufgrund der Konzentration auf das "ordnende Prinzip" 71 . Er ist also der oben schon beschriebenen Simplifizierungstendenz erlegen, die eine Funktion zur umfassenden erklärt und alle anderen zu deren Unterstützungsfunktion. Der Entwurf von Pelt hat in den Augen Nitzschs alle bis dato gelungenen Fortschritte in sich aufgenommen. Seine Mängel lägen eher woanders: Seine Organisation entspreche nicht der kirchlichen Wirklichkeit, so wie sie Nitzsch beurteilt. "Die praktische Theologie soll zeigen, wie sich die Kirche in ihren Begriff hereinbilde...", so zitiert Nitzsch Pelt. 72 Im Rahmen der Begriffe von Pelt sähe für Nitzsch die Skizze kirchlichen Handelns dann so aus, wie in Abb. 2 dargestellt. Faktisch vollziehe Pelt die inhaltliche Füllung aber ganz anders, nämlich so, wie in Abb. 3 dargestellt. Nitzsch kritisiert also besonders, daß Pelt nicht konsequenter seinen Aufriß verfolgt. Besonders zu kritisieren sei, daß ein Handlungsfeld zweimal auftauche und daß Kirchenrecht und Seelsorge unter dem Kirchenregiment zusammenkämen. "Man traut kaum seinen Augen." 73

ten, Leipzig 1832. Ein trotz der systematischen Mängel - etwa in der Abtrennung der Biblischen Theologie und der atl. und ntl. Geschichte von den exegetischen Fächer - sehr oft aufgelegtes Werk vgl. etwa 1886" rev. ν. E. Kautzsch. 70

Nitzsch: PTh I, S. 109. Kursive Hervorhebungen von Nitzsch.

" Nitzsch: PTh I, S. 109. 72

Nitzsch: PTh I, S. 110, nach Pelt: Encyclopädie.

71

Nitzsch: PTh I, S. 110. Eine Erklärung für diesen Tatbestand ist vielleicht, daß sich Pelt Seelsorge nur hierarchisch vorstellen konnte als Sorge eines Höheren gegenüber seinen Schutzbefohlenen, denen er auf der Grundlage eines Rechtsverhältnisses entgegentritt. Diese merkwürdige Definition von Seelsorge kann hier jedoch nicht eingehender untersucht werden.

76

C.I. Nitzsch: Praktische Theologie - 1847

A. Organisation (Verfassung) - innere Verfassung - äußere Beziehungen

Α. Organisation - Fundamentallehre - gesetzgeb. Liturgik - (nicht ausgeführt)

B. Kirchenregiment (Regierung)

B. Kirchenregiment - Kirchenrecht - Seelsorge

C. Kirchendienst (Erbauung) - gründend - darstellend - erhaltend

C. Kirchendienst - (nicht ausgeführt) - ausgeübte Liturgik - (nicht ausgeführt)

Abb. 2: System Pelt nach Nitzsch (Soll)

Abb. 3: System Pelt nach Nitzsch (Ist)

Auf die übrige sehr ins Detail gehende Untersuchung zu den genannten Entwürfen sei hier verzichtet. Sie bietet gegenüber den schon besprochenen Hinweisen auf die Notwendigkeiten eines differenzierten Systems keine Neuerungen. Wesentlich bleibt nur die positive Würdigung des Entwurfes von Schleiermacher. 4. Über Schleiermacher hinausgehende Entwürfe Nitzsch schildert im folgenden § 21 die auf andere Weise organisierten Systeme74. An dieser Stelle geht er auch auf seine eigenen Vorarbeiten zur Konstitution der Praktischen Theologie von 1831 ein.75 Er skizziert zuerst seinen eigenen Entwurf und stellt ihm dann die Bemühungen von A. Schweizer (1808-1888) 76 , F.F. ZyroΊ\ A. Graf (1814-1867) 78 und Th.A. Liebner (1806-1871) 79 gegenüber.

74

Vgl. Nitzsch: PTh I, § 21, S. 111-118.

75

Nitzsch: Observationes.

76

Schweizer: Begriff. Nitzsch schlägt hierzu auch einen Vergleich mit den Theologischen Studien und Kritiken 1838.1 vor = Schweizer, Α.: Abhandlung über die wissenschaftliche Konstruktion der praktischen Theologie, in: ThStKr 11/1, 1838, S. 7-53.

77

Zyro, F.F.: Versuch einer Revision der christlich theologischen Encyklopädie, in: ThStKr 10/3, 1837, S. 689-725.

78

Graf, Α.: Kritische Darstellung des gegenwärtigen Zustandes der praktischen Theologie, Tübingen 1841.

79

Liebner: Theologie.

Differenzierung gegenüber anderen Entwürfen

77

Nitzsch legt kurz die Intentionen seiner Observationes dar. Zum einen wollte er den Fortschritt Schleiermachers verdeutlichen, zum anderen einen darüber hinausgehenden Gesichtspunkt, den Nitzsch für entscheidend hält, ergänzen bzw. berichtigen: das Problem des Subjektes kirchlichen Handelns. Es wird von ihm durch zwei Fragen umrissen: Ist das Subjekt der Pastor? 80 Kann der Pastor alle kirchlichen Handlungen tragen?81 Für eine in sich schlüssige Theorie dieser Problemstellungen sei der Rahmen der Pastoraltheologie zu eng geworden. Diese Beurteilung unterstreiche die Intention, die Arbeit Schleiermachers fortzuführen - was in seinen Augen dann auch gelang: "Dieses Programm hat das Glück gehabt die von Schleiermacher ausgehenden Bestrebungen in neue Bewegung zu setzen."82 Die Observationes sind in der Tat ein theologischer Klassiker, der in allen Untersuchungen des 19. Jahrhunderts zur praktisch-theologischen Theoriebildung herangezogen wird.83 Den Aufbau seiner Observationes beschreibt er folgendermaßen: Ausgehend von der Bestimmung des actuosen Subjekts der Praktischen Theologie, werde eine Unterscheidung der Ebenen nach Leitenden und Geleiteten, sowie nach gebundenem und ungebundenem Amt vorgenommen. Aus dieser Differenzierung des kirchlichen Handelns nach dem Subjekt werde eine inhaltliche Ableitung nach Handlungsermöglichung und -Verwirklichung abgeleitet, die den Aufbau der Praktischen Theologie darstelle. Eine nochmalige, aber differenziertere Bestimmung der Aufgaben des gebundenen, leitenden Amtes schließe sich daran an. Sie verstünde er allerdings nicht als übriggebliebenen Rest innerhalb eines Systematisierungsversuches, sondern als detailliertere Darstellung eines Unterpunktes. Besonders interessant an Nitzschs Bonner Programm ist, daß er das Geleitetsein als aktives Handeln versteht, nicht als Passivität. Ja, es ist geradezu durch die Einordnung in das fundamentale Handeln grundlegend für die Kirche. Hier liegt ein wesentlicher Fortschritt vor gegenüber Entwürfen, die nur das als praktisch-theologisches Handlungsfeld verstehen, was sich in Beziehung zur Kirchenleitung setzt. Die annehmende Tätigkeit - das Geleitetwerden - ist hier hingegen zentral mit in das zu reflektierende Handeln der Kirche hineingenommen. Geleitetsein degradiert nicht zum Objekt, sondern wird als annehmende Tätigkeit verstanden.

80

Vgl. Nitzsch: PTh I, S. 111: "... daß ihr Pastor noch nicht festgestellt sei ...".

81

Vgl. Nitzsch: PTh I, S. 111 : "... nicht zu tragen vermögen, was ihm als Aufgabe aufgebürdet werde, ..." .

82

Nitzsch: PTh I, S. 112.

83

Eine lateinisch-deutsche Ausgabe der Observationes ist bereits in Planung.

78

C.I. Nitzsch: Praktische Theologie - 1847

Ausgangspunkt: actuoses Subjekt = Kirche, Gemeine Differenzierung: gebunden (clerus positivus)

Leitende ungebunden Geleitete

Ableitung der Differenzierung: I. Theorie der fundamentalen Thätigkeiten: (sich selbst Begründen der Kirche) A. lehrende + verkündigende Thätigkeit = Didaktik = Ermöglichung (zusammengesehennach mission. Intention): -> unterschieden nach Objekt: Gruppe: Predigt Einzelner: Katechese B. annehmende Thätigkeit = Litureik = Vollzug (Einssein durch das und mit dem Wissen) Gebet - Sacrament - Segen II. Theorie der conservativen Thätigkeiten: (sich selbst Bewahren der Kirche) A. festigende, befreiende Thätigkeit = Seelsorge B. ordnende Thätigkeit = Kirchenrecht Gesonderte Ausführungen über das Amt Abb. 4: Aufriß der Praktischen Theologie nach den Observationes 1830

Voraussetzung dafür ist die von Nitzsch ja schon an den anderen praktisch-theologischen Entwürfen vermißte Subjektdifferenzierung. Das Subjekt 'Kirche' wird in menschliche Subjekte differenziert, in Leitende und Geleitete sowie Gebundene und Ungebundene. Die Frage, ob der Pastor das Subjekt kirchlichen Handelns sei, ist damit in die Frage an jeden Einzelnen überführt, welche Rolle er oder sie in der Kirche zu übernehmen bereit ist. Dadurch wird das einzelne Subjekt differenziert gesehen und gewinnt innerhalb der Kirche größere Freiheit. Jede und jeder ist nicht immer auf ein Handlungsmuster festgelegt, sondern kann verschiedene Positionen - gleichzeitig und zu verschiedenen Zeiten - innerhalb der Kirche einnehmen. Damit wäre der Anknüpfungspunkt der Pastoraltheologie (Pastor/Pastorin) in plurale Anknüpfungspunkte der praktischen Theologie überführt (der Einzelnen, die Gruppe, die ganze Kirche). Als ersten Vergleich zu seinen eigenen Bemühungen zieht Nitzsch die Überlegungen von Schweizer heran. Lobend erwähnt er dessen Anerkennung seiner Ableitung des Amtsbegriffes und die Übernahme bzw. Fortführung dreier Momente: 1. Voranstellung der Verfassungslehre vor der Amtsbestimmung, d.h. die Differenzierung des Kirchenbegriffes in Leitende, Geleitete, Gebundene, Unge-

79

Differenzierung gegenüber anderen Entwürfen

Ausgangspunkt: Verhältnis von Wissen und Glauben

Aufbau: I. Theorie der constituierenden Thätigkeit II. Theorie der klerikalischen Thätigkeit: Erhaltung 1. Cult (Objekt -> ganze Gemeinde) ungebunden

- Liturgie 2. Seelsorge (Objekt -> auf einzelne Individuen gerichtet) ungebunden

- persönliche Erneuerung 3. Katechese (Objekt -> Individuen + Gemeinde) ungebunden

- Mission

gebunden - Homilie gebunden - pfarramtliche

gebunden - Katechese

Abb. 5: Schweizer: Pr. Theologie nach Nitzsch

bundene, sowie die Generalisierung der Unterscheidung von gebundenem und ungebundenem Handeln in jeglicher praktischen Wissenschaft. 2. Unterscheidung von grundlegenden und erhaltenden Tätigkeiten. Und über Nitzsch hinaus: 3. die Ausbreitung des "halieutischen" Prinzips über die Predigt hinaus in jedes Gebiet der Lehre (Katechetik, Mission, Conversion). 84 Den Aufbau des kleinen Heftchens stellt Nitzsch dann kurz dar (Vgl. Abb. 5) und kritisiert, ohne hier ins Detail zu gehen, wieder die mangelnde Stringenz der Systematisierung. Sie läßt für Nitzsch einiges zu fragen übrig. Letztlich läuft seine Kritik auf die Frage hinaus, ob aus protestantischer Sicht und nach Schleiermacher sich solche von Schweizer aufgebauten Gegensätze noch vertreten ließen.

84

Vgl. Nitzsch: PTh I, S. 113: "halieutische (das geeignete zum Seelen-Fischen, zum Gewinnen für das Reich Gottes)". Nitzsch verweist auf G.A.F. Sickel (* 1799), der dies für die Predigt, die er als Wort Gottes versteht, eingefordert hat. Vgl.: Wintzer, F.: Die Homiletik seit Schleiermacher bis in die Anfänge der 'dialektischen Theologie' in Grundzügen, Göttingen 1969, S. 86f.

80

C.I. Nitzsch: Praktische Theologie - 1847

Ausgangspunkt: 1. Ziel kirchlicher Tätigkeit: sich in die Zukunft bildende Kirche 2. Factoren und Principien: Wille Christi, der Gemeinde und einzelner 3. Mittel kirchlicher Tätigkeit: - Gewinnung aus Principien: Verkündigung, Cult, Disciplin - in den Händen der Geistlichen (aus dem Willen Christi hervorgegangen): Hierarchie: Papst, Bischof, Pfarrer, Missionar, Theologe Aufbau: I. Theorie des Kirchenregiments II. Theorie des Dienstes

1. fiir die Gemeinde/fiir die Versammlung - für die Unmündigen: - für die Mündigen: - für die Einzelnen:

Wort + Cult + Disciplin . Homilie + Liturgie + Disciplin Seelsorge

2. an den Ungläubigen 3. fiir die Bildung des Klerus

Abb. 6: Graf: Darstellung nach Nitzsch

Dem Aufriß von Graf widmet Nitzsch mehr Aufmerksamkeit. An diesem Aufriß wird die Intention Nitzschs deutlich, die grundlegenden Überlegungen zur Praktischen Theologie am Kirchenbegriff durchzuführen. Grafs Konzept kann diesbezüglich als römisch-katholische Parallele zu Nitzschs Ansatz verstanden werden. Grafs Grundbeurteilung der Praktischen Theologie zitiert er denn auch als eine Einschätzung, die er übernehmen könne: "Die prakt. Theol. ist noch etwas gesuchtes. Schon ihr Begriff, die Bestimmung ihres Umfangs, ihrer Gliederung, ihrer Nothwendigkeit; ihres Verhältnisses zur theoretischen, namentlich zur Moral; sie hat fremdes noch nicht ausgeschieden, führt vieles willkürliche, oder geradezu unwahre, das dennoch als gültiges in Umlauf gesetzt worden ist, mit sich, während ihr sogar noch Hauptteile fehlen; und fast in allen diesen Beziehungen geht ihr eine tiefere, christliche und kirchliche Auffassung des Gegenstandes noch ab." 8

Aus dieser Beurteilung leite Graf schlüssig die zu erforschenden Phänomene ab. Nitzsch nennt: "...Bestimmung des Zieles der kirchlichen Tätigkeit, der Mittel, die ihr zu Gebote stehen, der Factoren und Principien..."86. Graf legt ebenso wie Nitzsch den Kirchenbegriff für die Beantwortung der Frage zugrunde, allerdings eben seinen römisch-katholischen und kommt deshalb zu gänzlich anderen Ergebnissen als Nitzsch. Nitzsch benennt diese Unterschiede

85

Nitzsch: PTh I, S. 115, Zitat aus: Graf: Darstellung, S. 8.

86

Nitzsch: PTh I, S. 117.

Differenzierung gegenüber anderen Entwürfen

81

denn auch: Graf halte an einem hierarchischen Kirchenbegriff fest und könne deshalb auch Ungebundenes und Gebundenes nicht als weitere Dimension erfassen, sondern nur als oben oder unten in der Hierarchie. Das ist der Hauptkritikpunkt Nitzschs an Graf, dem er sonst einen gewaltigen Fortschritt, gerade in der römischen Praktischen Theologie zuschreibt. Ausgangspunkt: Gegenstand der Prakt. Theol. ist Selbstthat der Kirche Aufbau: I. Form: Kirchliche Verfassungslehre A: Regiment B: Dienst II. Inhalt: Kirchlicher Lebensprozeß A: Bekenntnis: ideele Verwirklichung des ATi'rcAenbewußtseins > Katechetik = praktische Symbolik B: Cultus: reelle Bethätigung des Gememdebewußtseins = Gottesdienst -> Liturgik Ermöglichung und Entwicklung des Wissens -> Homiletik = Predigt (aus Wissen/Bekenntnis erwachsend) C: Disziplin: verläßliche Bethätigung -> Poimenik = Seelsorge = Kirchenrecht Abb. 7: Liebner: Theologie nach Nitzsch

Liebner attestiert Nitzsch ein ebenso "lebendiges Interesse für methodisches Verfahren"87. Gegenstand der Praktischen Theologie sei "die Selbstthat der Kirche, die thätige Gemeinde in erster Potenz"8*, und als aus ihr selbst hervorgebracht und selbst gegeben das Amt - wesenhaft, nicht durch Äußeres bedingt - als "organisiertes Thun"89. Dabei gelinge ihm zwar die Herausarbeitung des Amtsbegriffes, jedoch kein organischer Übergang aus dem Gemeindebegriff zum Amt mit Hilfe der Selbstunterscheidung innerhalb der Gemeinde aufgrund bestimmter Gaben und Talente. Dadurch werde eine zu starke Trennung zwischen dem Handeln der Gemeinde und dem Handeln des Amtes heraufbeschworen, die nicht angemessen sei. Für bedeutsam hält Nitzsch im Entwurf Liebners aber die Differenzierung des "kirchlichen Lebensprozesses"90 in Bekenntnis - Kultus

87

Nitzsch: PTh I, S. 116.

88

Ebd.

89

Ebd.

90

Nitzsch: PTh I, S. 117.

82

C.I. Nitzsch: Praktische Theologie - 1847

- Disziplin. Dabei ist Nitzsch jedoch der Zusammenhang zwischen Disziplin und Seelsorge nicht ersichtlich. Es werde zwar eine Ebenenunterscheidung versucht, unklar bliebe aber, nach welchen Kriterien sie vorgenommen werde. Für wesentlich problematischer hält Nitzsch aber Liebners Voranstellung der Verfassungslehre als Unterscheidung von Dienst und Regiment. Auf der Ebene der Kirche sei die Verfassung zwar reine Form, aber ob das auch für die Unterscheidung von Dienst und Regiment auf Gemeindeebene gelte, stellt Nitzsch in Frage, weil eine Theorie der Kirchenordnung inhaltlich geprägt und keinesweg reine Formsache sei.91 Sie erwachse aus der katechetischen, liturgischen und seelsorgerlichen Arbeit und gehe ihr keineswegs voraus. Das gäbe Liebner auch zu, was sich zumal an der Behandlung des Kirchenrechts am Schluß unter der Disziplin zeige. Die Frage, welche Stellung eine Kirchentheorie in bezug auf das System der Praktischen Theologie habe, bleibt für Nitzsch bei Liebner jedoch ungeklärt. Nitzsch versucht dazu eine Antwort zu skizzieren, die die Spannung verdeutlicht. Die Kirche ist bereits existent, die Praxis läuft der Theorie voraus, deshalb braucht man eine Bestandsaufnahme. Gleichzeitig brauchen die Beurteilung und die zukünftige Gestaltung theoretische Maßstäbe und Zieloptionen. Deshalb kann man die Kirchentheorie nicht an einem Ort, gar als prius behandeln, sondern muß der wechselseitigen Beeinflussung von Sein und Sollen an verschiedenen Orten Raum geben. Ob es faktisch dann so gelöst wird, daß man Verfassungsfragen voranstellt und das Kirchenrecht dann als letztes behandelt, läßt Nitzsch dabei nur scheinbar offen, weil er schließlich an Liebner die mangelhafte Ortsbestimmung kritisiert. Eine Alternative bietet Nitzsch hier zwar noch nicht, sie wird erst unter dem Gesichtspunkt der Methoden behandelt. Aber deutlich wird an seiner Kritik: Kirchentheorie ist keine Unterdisziplin der Praktischen Theologie wie die Homiletik oder die Liturgik, sondern eine grundlegende Theorie, über die enzyklopädisch die Fächer der Praktischen Theologie zu erschließen sind. Kirchentheorie als Kybernetik ist nicht bloß eine Lehre des technisch-formalen Umgangs mit Themen und Problemen des Kirchenrechts, der Kirchenverfassung, von Kirchengesetzen und -Verwaltungen oder des Gemeindeaufbaus, sondern eine integrale, systematisch-enzyklopädische Theorie der Leitung der Kirche.92

" Vgl. dazu auch die schon ausgeführten Überlegungen Nitzschs über die Übereinstimmung von Form und Inhalt in Bezug auf die Kirchenordnung in Kap. II. 1. Begriff der PTh. 92

Vgl. dazu ähnlich: Jäger: Konzepte, S. 108.

Differenzierung gegenüber anderen Entwürfen

83

Zieloption: Instandsetzung des Geistlichen zu angemeßner Wirksamkeit Ausgangspunkt: Kirchenbegriff Aufbau: I. Kirchenbegriff - Entwicklung des Kirchenbegriffs aus dem Religionsbegriff - Unterscheidung der Glieder - Einheit der Kirche mit dem Staat II. Regiment und Dienst - Gottesdienst - Prinzip, Mittel, Organismus III. Einzelner A: in der Gemeinde - Bildung im Jugendunterricht - Versammlung für die Predigt B: allein - Bekehrung, Segnung, Weihung

Abb. 8: Marheineke: Entwurf nach Nitzsch

A l s a b s c h l i e ß e n d e s B e i s p i e l e i n e s "methodisch a u s g e f ü h r t e n Systems" 9 3 kritisiert er d e n Entwurf Marheinekes9*.

S e i n S y s t e m sei d e s h a l b v o n ande-

rer Qualität als d i e bisher kritisierten, da e s als erstes v o l l s t ä n d i g a u s g e b i l d e t sei. Hier l i e g e das Ziel in der "Instandsetzung d e s G e i s t l i c h e n zu a n g e m e ß n e r Wirksamkeit". 9 5 G l e i c h z e i t i g sei d i e s e r A n s a t z aber nicht auf d i e s e l b e W e i s e beschränkt w i e d i e Pastoraltheologie, da seine organisierte Struktur U r s a c h e und Ziel der A m t s t ä t i g k e i t m i t in d e n B l i c k n ä h m e und s o d e n o r g a n i s c h e n Charakter kirchlicher T ä t i g k e i t e n b e r ü c k s i c h t i g e . G l e i c h z e i t i g w ü r d e der B e g r i f f der Kirche bis in d i e E i n z e l h e i t e n expliziert und "in g e g e n s e i t i g e r D u r c h d r i n g u n g

93

Nitzsch: PTh I, § 22 Erstes Beispiel eines methodisch ausgeführten Systems. Marheineke. S. 119-122.

94

Marheineke: Entwurf. Vgl. den Aufriß im Anhang. Als einzige mir bekannte Rezension vgl. Erdmann, J.E.: Ph. Marheineke, Entwurf der praktischen Theologie, 1837, in: JWK 1839/1, S. 481-504.

,s

Nitzsch: PTh I, S. 119. Vgl. Marheineke: Entwurf, § 27: "Nach diesem allen ist nun der Begriff der practischen Theologie dahin zu bestimmen, daß sie die Wissenschaft sei, welche den Zweck hat, mittels des Begriffes aller seiner Functionen den evangelischen Geistlichen in den Stand zu setzen, daß er eine seiner Bestimmung angemessene Wirksamkeit in seinem Amt auszuüben vermöge."

84

C.I. Nitzsch: Praktische Theologie - 1847

des Gedankens und des empirischen Stoffes und in der Tendenz zum zweckmäßigen Thun zur Anschauung gebracht ..."96. Nitzsch hält dabei Marheineke für stilistisch gelungen: es sei die "Sprödigkeit des empirischen Elementes vielfach überwunden und die begriffliche Erklärung des gegebnen reich an angedeuteter Vervollkommnung des Verfahren ,.."97. Den einzigen, jedoch sehr gravierenden Kritikpunkt sieht Nitzsch in der Sach- und Begriffsgemäßheit der Organisation. Grundfehler sei bei Marheineke die 'Instandsetzung des Geistlichen zu angemeßner Wirksamkeit' als Definition des Gegenstandes der Praktischen Theologie. Er rügt ihn als Schritt hinter Schleiermacher zurück, als Verengung auf den beschränkten Standpunkt der alten Pastoraltheologie. Zwar wird der Rahmen des Phänomens, mit dem sich die Praktische Theologie befaßt, theoretisch weit gespannt als "Erkenntnis der Wahrheit des Lebens und Handelns in der christlichen Kirche", eine Formulierung, die sicher auch für das System Schleiermachers gelten könnte. Aber Marheineke reduziere dann das Subjekt des Handelns, was Nitzsch zu recht beklagt: "Hat denn aber dieses Handeln kein andres Subjekt als den lutherischen Pfarrer oder Geistlichen?"98 Die wichtige Unterscheidung der Subjekte innerhalb des in seinen Ebenen durchaus erfaßten Kirchenbegriffes wird in der Tat nicht geleistet, dadurch werden aber die Ebenen falsch eingeteilt. Gleichsam würde, so Nitzsch, das empirische Regelwissen gegenüber dem Begriff vernachlässigt. Der Entwurf bleibe im Theoretischen stecken. Die gegenseitige Beeinflussung von Begriff und Tatsächlichkeit werde nicht reflektiert, sondern bereits ein fertiges Ergebnis von Überlegungen vorausgesetzt, das aus der hegelschen Schule mit einem Übergewicht des Theoretischen gesetzt wird. Gleichzeitig kommt es zu einer Vermischung von Moral/Ethik und Praktischer Theologie. Moral/Ethik sei für Marheineke, "was alle Christen als solche von wegen der Religion und der Kirche zu thun haben"99, praktische Theologie dagegen, "was der Theolog und kirchliche Beamte"100 tue. Marheineke nimmt durch eine Subjektunterscheidung die enzyklopädische Trennung vor. Das Handeln des Theologen habe dabei seinen Rückbezug in der

96

Nitzsch: PTh I, S. 119.

97

Nitzsch: PTh I, S. 120.

98

Nitzsch: PTh I, S. 121.

99

Ebd.

,0

°

Ebd.

Differenzierung gegenüber anderen Entwürfen

85

theoretischen Theologie und zudem in der Moral. Damit hätte die Praktische Theologie den größeren Umfang als die Ethik. Nitzsch erkennt zurecht, daß damit vielschichtige Probleme aufgeworfen werden, besonders die Frage: Wie unterscheiden sich sittliche und kirchliche Ausübung des Christentums - und insofern auch Ethik und praktische Theologie? Nur durch die Unterscheidung von Amtsträgern und sog. Laien, weil die Amtsträger engeren Bezug zur theoretischen Theologie hätten? Sittliche Praxis werde doch nicht dadurch kirchliche Praxis, daß sie sich in ein Verhältnis zur Exegese, Dogmatik und den anderen theologischen Disziplinen setzt. Diese sind doch nur Explikationen eines christlichen Wirklichkeitsverständnisses, das auch jeglicher sittlichen Praxis von Christinnen und Christen zugrunde liegen sollte. Für Nitzsch, dem die Differenz zwischen Amt und sog. Laien zu groß ist, ist Marheinekes Bestimmung nicht einsehbar. Eine klare Unterscheidung von Ethik und Praktischer Theologie wird für ihn nicht durch Unterscheidung von Amtsträgern und sog. Laien geleistet. Ein weiterer Kritikpunkt, der aus derselben mangelnden Berücksichtigung des Tatsächlichen erwächst und sich deshalb wieder auf die Angemessenheit des Systems bezieht, ist die Ineinssetzung von lutherischer Kirche und allgemeinem Begriff der Kirche. Hier meint Nitzsch nicht, daß der lutherische Kirchenbegriff in der Formulierung der Bekenntnisschriften zu kritisieren sei, sondern die Gleichsetzung des theologischen Begriffs mit der tatsächlichen Füllung, d.h. eine Gleichsetzung von Staat und Kirche nach dem Modell des landesherrlichen Kirchenregiments in der Prägung des ancient régime. Nitzsch führt die Selbstverständlichkeit an, daß es eine Kirche schon vor der Verbindung mit dem Staat gegeben hat, auch eine Kirche im lutherischen Sinne, versucht doch die lutherische Formel, etwa der CA, gerade die Anknüpfung an altkirchliche offen-dynamische Traditionen ohne Anbindung an staatliche oder römische Verfassungsstrukturen. Für Nitzsch ist vor dem Hintergrund seiner Überlegungen zum Recht einer Verfassungsgebung in Staat und Kirche vor 1848 die Zielrichtung klar. Er beurteilt deshalb eine enge Verbindung zwischen Volksgeist und Kirche auch ganz anders als eine Verbindung von Staat und Kirche. Über den Volksgeist ist eine Deckung von Kirche und Gesellschaft vielleicht möglich, ja sogar anstrebbar, aber nicht in bezug auf die Verfassungsstruktur der Kirche. Eine Theorie der Kirchenordnung, die Begriffsfindung und den Einfluß der Tatsächlichkeit auf diesen Prozeß mitbedenkt, vermißt Nitzsch deshalb aus seiner Sicht zu Recht. Aus Nitzschs Beurteilung der vorgestellten Programme haben sich wiederum einige weitere Anliegen ergeben, die zu seinen bislang gestellten Forderungen hinzukommen:

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C.I. Nitzsch: Praktische Theologie - 1847

1. Die Orientierung am Handlungs-, Kirchen- sowie Subjektbegriff sichert noch keine in sich stimmige und dem Phänomen entsprechende Struktur. Die Begriffe müssen angemessen bestimmt und in ein richtiges Verhältnis zueinander gebracht werden. 2. So etwas kann nur gelingen, wenn eine organische Verbindung zwischen den Begriffen hergestellt ist. 3. Die Außenbeziehungen der Begriffe müssen klar sein. Dazu gehört vor allem die Randschärfe bezüglich der Frage: Was ist nicht mehr Kirche, was nicht mehr Handeln und was nicht mehr Subjekt? 4. Alle Überlegungen müssen synchron und diachron erfolgen, also konfessionell sowie historisch differenziert.

Methode und Einteilung der Praktischen Theologie

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3. Methode und Einteilung der Praktischen Theologie Nachdem sich Nitzsch dem Begriff und der Geschichte der Praktischen Theologie zugewandt hat, erörtert er die Methode der Praktischen Theologie. Über die Methodik erschließt er auch deren Einteilung, da er die methodische Struktur sowohl auf die Untersuchung wie auch auf deren Darstellung anwendet. Unter Methode versteht Nitzsch den sach- und gesetzmäßigen Gang einer Untersuchung nach Maßgabe eines Zieles. 1 Bestimmend ist für ihn dabei die Steuerung der praktisch-theologischen Wissenschaft durch die Zieloption: "Das Wissen und das Lehren von der Praxis wird sich immer ein bewußtes Thun zum Zwecke setzen und anweisend sein, ..."2. Aus diesem Zweck heraus ergäben sich Verfahrensweisen auf diesen Zweck hin, die auf drei Ebenen arbeiteten: "gegebnes erklären", die empirische Methode, "es auf Gründe zurückführen", die begriffliche Methode, und "Principien entwikkeln" 3 , die regulative Methode. D.h. es sind drei Phänomenebenen methodisch zu untersuchen: a) vorfindlicher (gegebener) Zustand, b) begrifflicher Anspruch an die Gestalt (Idee) und c) aus der Spannung beider hervorgehendes künstlerisches Verfahren zur Herstellung des Bestmöglichen. Nitzsch nimmt diese Unterteilung zu Recht vor, weil er die notwendige Übereinstimmung zwischen der teleologischen Struktur des Phänomens und seiner Bearbeitung beachtet. Es kann nur dann eine solche methodische Ebenenstruktur geben, wenn das Phänomen ebenfalls in dieselben Ebenen strukturiert ist.4 Und diese Bedingung ist erfüllt: Das kirchliche Handeln ist orien-

1

Insofern definiert Nitzsch 'Methode' im allgemeinsten Sinne als "ein mehr oder weniger genau beschreibbarer W e g (d.h. eine endliche Folge von mehr oder weniger konkreten Handlungsanweisungen oder strategischen Maximen) zur Realisierung eines bestimmten Zieles bzw. zur Lösung einer bestimmten Aufgabe." Karnitz, R.: Art.: Methode/Methodologie, in: HwthB 2, S. 430. Nitzsch argumentiert dabei ebenso etymologisch wie Caws, P.: Scientific Method, in: Encyclopedia of Philosophy, Vol. 7, ed. by Edwards, P., Chicago 1967, p. 339: "The term 'method', strictly speaking 'following a way' (from the Greek μετα, 'along', and ο δ ο σ , 'way'), refers to the specification of steps wich must be taken, in a given order, to achieve a given end." Allerdings führt Nitzsch nicht μ ε τ α + Substantiv, sondern μ ε τ α + Verb ε ρ χ ε σ τ α ι , ι ε ν α ι an, was Nitzschs Orientierung am Handlungsbegriff unterstreicht.

2

Nitzsch: PTh I, S. 123.

3

Alle Zitate ebd.

4

Eine Untersuchung in teleologischerOrientierung ist nur dann nicht bloß "aus forschungsstrategischen Gründen der Organisation des Gegenstandes an diesen von außen herangetragen", wenn das "betreffende System", das untersucht wird, "ohnehin teleologisch

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C.I. Nitzsch: Praktische Theologie - 1847

tiert an einer Idee, hat konkrete Gestalt und bedarf wegweisender Regeln. Gleichzeitig ist es zielorientiert, nämlich auf Ermöglichung, Darstellung und Perspektive christlichen Handelns unter den Bedingungen endlicher Freiheit in der Welt. Die methodische Ebenenunterscheidung vollzieht Nitzsch also nicht willkürlich, sondern in Übereinstimmung mit dem zu bearbeitenden Phänomen. 5 Er wendet sich nach diesen grundsätzlichen methodischen Überlegungen den einzelnen Methoden zu.

1. § 24 Die empirische Methode Aus dem soziologischen Gegebensein der Kirche als menschlicher Gemeinschaft folgert Nitzsch die empirische Methode. Kirche hat eine konkrete Gestalt, die es empirisch zu klären gilt. Dazu ist auch eine Analyse der Kirche als Institution im Institutionengefüge der Gesellschaft nötig. Soweit seine grundlegende Einsicht. Nitzsch sieht darüberhinaus aber auch eine Tendenz, die das Maß der Empirie gegenüber den anderen Methoden charakterisiert. Je weiter sich eine Kirche zu einer konkreten Erscheinung herausgebildet habe und je mehr ordnende Tätigkeiten sich in ihr ergeben hätten, desto mehr sei die Praktische Theologie, die sich auf eine Kirche bezieht, auf empirisches Erklären angewiesen. Empirisches Erklären versteht Nitzsch als "Lehren und Wissen von dem was die Kirche erfahrungsmäßig thut und gethan will"6. Wieder ist das Handeln Grundlage der Bearbeitung, diesmal aber nicht aufgrund zukunftsorientierter theologischer Arbeit, sondern in bezug auf Gegenwart und Vergangenheit7 aufgrund von Erfahrung. Die Ursachen für die Entstehung solstrukturiert ist". Erst dann "decken sich Ursache-Wirkungszusammenhänge mit MittelZweckzusammenhängen". Engels, E.-M.: Teleologie - eine "Sache der Formulierung" oder eine "Formulierung der Sache"?. Überlegungen zu Ernest Nagels reduktionistischer Strategie und Versuch ihrer Widerlegung, in: ZaWTh 1978, S. 225-234, Zitate aus S. 224 und 234. 5

Den Nachweis der teleologischen Struktur der Kirche führt Nitzsch im Rahmen der begrifflichen Methode mit Hinweis auf den "praktischen Geist" des Kirchenbegriffs.

6

Nitzsch: PTh I, S. 124. Was aber 'gethan will' heißen soll, entzieht sich meiner grammatischen Fähigkeit. Hier muß ein Druckfehler vorliegen, 'will' ist durch 'hat' zu ersetzen, 'gethan' gegen irgend ein anderes Wort, gerade auch 'thun', zu tauschen, würde dazu führen, eine futurische Komponente in diesen Satz zu legen. Die Zukunft gehört ja aber gerade nicht in den Bereich der empirischen Methode. Krause: Theologie, S. 73 zitiert hingegen ohne jede Bemerkung den Satz als "... was die Kirche erfahrungsgemäß tut und getan wissen will, ...". Wie er darauf kommt, ist mir leider nicht einsichtig.

7

Historisch muß nicht vergangen meinen, sondern ist wie schon bei Schleiermacher als

Methode und Einteilung der Praktischen Theologie

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cher Erfahrung fallen ebenso mit in den Bereich der Praktischen Theologie, speziell der historischen Aufarbeitung der Disziplin. 8 Nitzsch sieht bei dieser Methode besonders zwei sich dialektisch bedingende Gefahren. Empirie und Norm dürften sich nicht unbedacht vermischen, so daß sich beide nicht mehr unterscheiden lassen. Zum einen besteht die Gefahr, daß eine historische Tatsache ohne ideellen Rückhalt als Norm angesehen wird, ohne es zu sein. Der Begriff wird von den Tatsachen überlagert. Darin sieht er einen Hauptmangelpunkt der Pastoraltheologie der vorangegangenen Zeit. Zum anderen aber - und damit geht er schon auf die begriffliche Methode zu - muß der synchron und diachron umfassende Zustand auch in der Untersuchung der Begriffsbildung berücksichtigt werden. Auch die Anschauung der Idee, die Begrifflichkeit, ist durch historisches Gewachsensein beeinflußt. Der Einfluß sei klar zu benennen, damit nicht der geschichtlich gewachsene Zustand der Begriffsbildung oder des Begriffsverständnisses die Empirie verzerre.

2. § 25 Die Methode des Begriffs, oder die logische Nitzsch hält eine Durchdringung jeglicher Tätigkeit nur durch Berücksichtigung ihrer Entstehung aus Geist und Natur für möglich. Hier steht er auch philosophisch in enger Abhängigkeit von Schleiermacher. 9 Man könnte diesen Gedanken auch als Erkenntnis formulieren, daß nur in Verbindung von reflektierter Handlungsentscheidung aufgrund einer Vorstellung vom Ziel des Handelns (Geist) und gegebenen Handlungsmöglichkeiten (Natur) Handeln

Vergangenheit und Gegenwart zu verstehen. Vgl. Schleiermacher: Darstellung, § 81 f. bzw. § 195-250. 8

Das kann in größerem wie kleineren Rahmen geschehen. Vgl. etwa das Monumentalwerk V. Drehsens und zur Notwendigkeit der Aufarbeitung der Geschichte der Diakonie: Herrmann, V.: Die Aufgabe der Geschichtsschreibung der Inneren Mission. Zum diakoniegeschichtlichen Lebenswerk Martin Gerhardts aus Anlaß seines 100. Geburtstags, in: Diakonie 6/1994, S. 391-395 sowie: Bibliographie zur Geschichte der deutschen evangelischen Diakonie im 19. und 20. Jahrhundert, hrg.v. V. Herrmann/ J.-Chr. Kaiser/ Th. Strohm, Stuttgart 1997.

9

Vgl. etwa Schleiermacher: Glaube 1821/22, S. 77: "Anm. Es ist immer übel die Wörter Natur und Vernunft gebrauchen ohne sie erklärt zu haben, aber jede Erklärung, die wir angeben wollten unvorbereitet und außerhalb eines größeren Zusammenhanges würde doch immer willkührlich erscheinen und Mißdeutungen unterworfen sein. Es mag also daran genügen, ihr Füreinandersein bemerklich zu machen, indem das Sein überhaupt für den Menschen nur ist, sofern es Natur ist, und die Natur für den Menschen nur ist, sofern er Vernunft ist." Nitzsch verwendet jedoch Geist statt Vernunft.

90

C.I. Nitzsch: Praktische Theologie - 1847

möglich ist. Aus diesem Grund ist der Kirchenbegriff und seine Ausformulierung bis in die letzte Konsequenz entscheidend für das Gelingen der Praktischen Theologie. Aus den Handlungsmöglichkeiten [Was kann die Kirche tun?] muß eine Auswahl nach einer Situationsanalyse [In welcher Welt befindet sich welche Kirche?] und einer Zielvorstellung [Welche Aufgabe /welches Ziel hat sie in dieser Welt?] erfolgen. In dieser Ausformulierung der Durchdringung jeglicher Tätigkeit durch Berücksichtigung ihrer Entstehung aus Geist und Natur kann die "vollständigste Vorbildung der Selbstbethätigung enthalten" sein. 10 Nun sei zu beachten, daß der "concrete Begriff" 11 , der Kirchenbegriff, ein "praktischer Geist" sei. Die Definition des Begriffes ist denn auch ein weiterer Schlüsselsatz der Einleitung: "Der concrete Begriff ist allerdings selbst praktischer Geist; er stärkt den Willen zu Handeln, er treibt zum methodischen Thun; er lehrt, daß etwas Aufgabe sei und wie" 12 . Nitzschs Kirchenbegriff hat also drei Konsequenzen: a) Der Kirchenbegriff ist aufs Engste mit dem Handlungsbegriff verbunden. Er ist ein praktischer Begriff, der verantwortungsvolle Handlungsbereitschaft hervorrufen kann. 13 - Was kann die Kirche tun? b) Der Kirchenbegriff ist in sich so organisch strukturiert, daß er teleologische Impulse enthält und zu einer Ausbildung von differenzierten Subzielen in der Lage ist. Das Besondere der Aufgaben kann aus dem allgemeinen Begriff, der allgemeinen Aufgabe abgeleitet werden. - Welche grundsätzliche Aufgabe / welches Ziel hat die Kirche in dieser Welt und welche untergeordneten Ziele sind dazu nötig? c) Der Kirchenbegriff beinhaltet bereits die Aufgabe, die kirchlichen Arbeitsbedingungen und -möglichkeiten zu erschließen. D.h. er enthält in sich bereits die Anknüpfungspunkte für die empirische und technische Methode. In welcher Welt / in welchen Möglichkeiten befindet sich die Kirche? So ermöglicht der Kirchenbegriff im Anschluß an die genannten drei Methoden die Einteilung der Praktischen Theologie. In der begrifflichen Methode allein kann nie die vollständige Praktische Theologie liegen, weil sonst das geschichtliche "Neben- und Nach-Einander der Dinge" 14 , die Natur, nicht genug in den Blick kommen kann. Und ein Begriff an sich ist zu 10

Nitzsch sieht diese Methode besonders bei Marheineke: Entwurf, aber auch bei Liebner: Theologie, und Graf: Darstellung. Vgl. Kap. II. 2.

"

Nitzsch: PTh I, S. 126.

12

Ebd.

11

Vgl. Kap. II. 1.

14

Nitzsch: PTh I, S. 126.

Methode und Einteilung der Praktischen Theologie

91

diesen differenzierten Leistungen nicht in der Lage. "Nur bringt das bloß logische Gesetz der Betrachtung an sich gar keine Anweisungen hervor; ..."' 5 . Lediglich weil es sich bei diesem konkreten Begriff um einen Begriff mit bestimmten strukturellen und inhaltlichen Qualitäten handelt, ist solche Theorieleistung möglich. Der Kirchenbegriff könne nicht so aufgefaßt werden, als seien seine Strukturmomente die Kirche, dann die evangelische Kirche, dann die Ortsgemeinde etc. Solch logische Betrachtung führe zu nichts anderem als dazu, daß die Praktische Theologie in der Einleitung stecken bleibe. 16 Vielmehr muß und kann der Kirchenbegriff die oben angesprochene Qualität haben. Er schließt die methodische Einteilung bereits in sich durch seine Vielschichtigkeit - Vielschichtigkeit in bezug auf seine Idee, diachron und synchron, auf seine konkrete Erfahrbarkeit, historisch, konfessionell und regional sowie auf seinen Handlungsbezug, der Kunstregeln erforderlich macht. Nitzsch will untersuchen, ob das mit dem Begriff beschriebene Phänomen Kirche in seiner soziologischen und theologischen Gestalt mit solch einem Begriff übereinstimmt. 17 Umgekehrt muß sich aber auch das beschriebene Phänomen Kirche am Begriff messen lassen.

3. § 26 Die technische Methode Bei der Beschreibung der Methoden hat sich Nitzsch am wenigsten auf eine eigenständige inhaltliche Füllung der technischen Methode eingelassen. Er beruft sich nur kurz auf die wissenschaftlichen Ausführungen Schleiermachers über das Handeln 18 . Wichtiger ist ihm, noch einmal auf die Notwendigkeit des Ineinandergreifens der drei genannten Methoden hinzuweisen.

15

Ebd.

16

So die Kritik von Nitzsch an Marheineke. Nitzsch: PTh I, S. 127.

17

Der Kirchenbegriff darf keine Fiktion sein, die aus wissenschaftstheoretischenÜberlegungen heraus einen Begriff konstituiert, der mit der Tatsächlichkeit des beschriebenen Phänomens nichts zu tun hat.

18

Auf die komplexe Struktur des Handlungsbegriffes bei Schleiermacher kann hier nicht eingegangen werden, daher verweise ich auf: Moxter, M.: Güterbegriff und Handlungstheorie. Eine Studie zur Ethik Friedrich Schleiermachers, Morality and the Meaning of Faith 1, Kampen 1991; Birkner, H.-J.: Schleiermachers Christliche Sittenlehre im Zusammenhang seines philosophisch-theologischen Systems, Berlin 1964 und Herms, E.: Reich Gottes und menschliches Handeln, in: Friedrich Schleiermacher 1768-1834. Theologe Philosoph - Pädagoge, hrg.v. Lange, D., Göttingen 1985, S. 163-192.

92

C.I. Nitzsch: Praktische Theologie - 1847

Der Handlungsbezug als eine Säule der Praktischen Theologie fordere das Ausbilden von Kunstlehren zur Erreichung der aus dem Kirchenbegriff erarbeiteten Ziele. Nitzsch versteht hier genau wie Schleiermacher Kunst als Technik 19 . Dafür müssen jedoch sowohl die zu erreichenden Ziele erarbeitet als auch die Durchdringung der Tatsächlichkeiten bereits geschehen sein. Diese Voraussetzungen sieht er auch bei Schleiermacher gefordert. Aber Nitzsch setzt sich aus organisatorischen Gründen von Schleiermacher ab. Weil es nicht zu einer Ausbildung der Philosophischen Theologie im Sinne Schleiermachers gekommen sei und so die Zielfunktion und der Kirchenbegriff darin nicht erarbeitet würden, müsse diese Arbeit in die Praktische Theologie integriert werden in Anknüpfung an die übrigen theologischen Disziplinen. Das sieht Schleiermacher aus seinem System der Theologischen Enzyklopädie heraus natürlich nicht so. Für ihn haben die Philosophische und Historische Theologie ihre Arbeit schon getan. Der konzeptionelle Unterschied zwischen Nitzsch und Schleiermacher besteht deshalb darin, daß Nitzsch die von Schleiermacher auf die Gesamttheologie verteilten Aufgaben in die Praktische Theologie integriert und nur auf die Arbeit der anderen Disziplinen zurückgreift, aber sie nicht unbearbeitet übernimmt. Sie bilden nur das Material eigener Verarbeitung.

4. § 27 Die Einteilung Nitzsch beginnt die Einteilung der Praktischen Theologie im Gegensatz zu seiner Methodendarstellung mit der begrifflichen Methode, geht dann zur empirischen und dann zur technischen Methode über. Er sieht darin den logischen Verlauf vom Allgemeinen über das Historische zum Kunstbegriff. Der vorfindliche Gegenstand, die "kirchliche Ausübung des Christentums" 20 , wird nach den Methoden im Allgemeinen (Begriff) untersucht, dann historisch (Tatsächlichkeiten) und zuletzt in Hinblick auf den Kunstbegriff (Kunstregeln). Jede Methodenanwendung verfährt intern wiederum nach der triadischen Struktur von Begriff, Tatsache und Kunstregel.

19

Vgl.: Schleiermachen Theologie, S. 25; ders.: Darstellung, § 133. Vgl.: Dinkel: Kirche, S. 108-115, bes. 111.

20

Nitzsch: PTh I, S. 128. Er selbst setzte dies schon in Anführungszeichen.

93

Methode und Einteilung der Praktischen Theologie

1. Tatsächlichkeit (T)

-> Tt + Tb + Tk

2. Begriff bzw. Idee (B)

-> Bb + Bk + Bt

3. Kunstregel (K)

> Kk + Kt + Kb

Abb. 1 : Methodenaufbau nach Nitzsch

Die Benennung nimmt Nitzsch folgendermaßen vor: 1. urbildlicher Begriff vom kirchlichen Leben [=B]21 2. jetziger Zeitpunkt seiner protestantischen Entwicklung [=T]22 3. leitender Gedanke für alle zu erfüllenden Aufgaben [=K]23. Nitzsch gliedert dann den urbildlichen Begriff wiederum in drei Ebenen: 1. A. Selbstbegründung der Gemeinde [=Bb]24 B. Entwicklung der Tätigkeiten [=Bt]25 C. Verhältnis zu anderen Institutionen [=Bk]26. Der jetzige Zeitpunkt der protestantischen Entwicklung des kirchlichen Leben wird ebenso gegliedert: 2. A. Kritische/positive Grundsätze der Evang. Kirche [Tb]27 B. Konfessionelle und regionale Vielfalt [Tt]28 C. Entwicklungsmöglichkeiten [Tk]29. An die Entwicklungsmöglichkeiten knüpft Nitzsch dann den leitenden Gedanken für die zu erfüllenden Aufgaben [=K], also für die amtliche Tätigkeit der Kirche an.

21

Nitzsch: PTh I, S. 136-351.

22

Nitzsch: PTh I, S. 352-506.

23

Nitzsch: PTh II + III.

24

Vgl.: Nitzsch: PTh I, S. 128: "..., wie sich die Gemeinde überhaupt begründe, ...".

25

Vgl.: Nitzsch: PTh I, S. 128: "..., zu welcher Thätigkeit sie sich entwickle, ...".

26

Vgl.: Nitzsch: PTh I, S. 128: "..., in welchem Verhältnisse dieses Gemeinleben zu anderen Arten von Gemeinschaften und Gemeinbestimmungen, nämlich zu Staat und Cultur stehe."

27

Vgl.: Nitzsch: PTh I, S. 128: "... die Grundsätze, die kritischen und positiven, ...".

28

Vgl.: Nitzsch: PTh I, S. 128: "... Mannichfaltigkeit der confessionellen und landeskirchlichen Erscheinung, ...".

2

Vgl.: Nitzsch: PTh I, S. 128: "... Tendenz zur Selbstvervollkommnung, die dem Protestantismus eigen ist und sich thatsächlich spüren läßt." Diese Möglichkeit sieht er besonders in der Union gegeben. Vgl. Nitzsch: PTh I, S. 131: "... Selbstvervollkommnung, vornehmlich in der Union, ...".

'

94

C.I. Nitzsch: Praktische Theologie - 1847

"Dieser [leitende Gedanke, L.E.] muß sich nach der schon früher erkannten Mannichfaltigkeit der letztern [der amtlichen Tätigkeit, L.E.] dergestalt specialisieren, daß sich für jede Aufgabe der urbildliche Begriff mittels des protestantischen in kritischer und vorbildlicher Kraft bis zur Erkenntnis der Verfahrensweisen entfaltet." 30 D i e s e Vielfalt der A u f g a b e n teilt sich in z w e i Bereiche 3 1 , die unmittelbare und die r e f l e x i v e Erbauung: "Eine Predigt halten und ein Mitglied vermahnen, das Abendmahl feiern und einem Kranken zusprechen sind offenbar unter einander viel verwandtere Handlungen als irgend eine von diesen mit einer Pfarrerwahl oder einer Kirchenvisitation oder einem Synodalvortrage ist. Dort ist doch Alles unmittelbar auf erbauende Darstellung und Einwirkung gerichtet, hier nur mittelbar; die Gemeinde-That wendet sich hier auf ihr Werk zurück."32 Eine Einteilung w i e in Schleiermachers Konzept in Dienst und Regierung lehnt er ab 33 , z u m einen w e i l die Kirche sich als selbst regelndes S y s t e m j e w e i l s selbst strukturiere und d e m g e g e n ü b e r die Formulierung 'Kirchenregiment' nahe lege, daß die Kirche v o n außen regiert werde, zum anderen, weil Dienst b z w . Erbauung und Regierung nahe beieinander stünden. Der leitende Gedanke gliedert sich also in die beiden Bereiche der unmittelbaren und r e f l e x i v e n Erbauung. D i e unmittelbare Erbauung differenziert er in "Dienst am Worte, oder Feier oder eigenthümliche Seelenpflege" 3 4 . Dabei handelt e s sich um eine Gleichordnung 3 5 , die allerdings nicht trennscharf aufzufassen ist, sondern als Unterscheidung v o n Schwerpunkten, da alle M o m e n t e eigentlich untrennbar miteinander verbunden seien. "Gerade dieser Umstand nun, daß die Ganzheit und Einheit des kirchlichen Thuns so sehr in allen einzelnen Functionen wiederkehrt, und die daher rührende Unzertrennlichkeit derselben, kurz die nicht durchzuführende absolute Ausscheidung einer einzelnen, macht es so schwierig eine schlechthin objektive Ordnung und Eintheilung des Kreises der Erbauung zu finden."

30

Nitzsch: PTh I, S. 128.

31

Warum Nitzsch hier nicht ebenfalls drei Bereiche sieht, bleibt leider unklar.

32

Nitzsch: PTh I,· S. 131. Das Kursive ist im Original gesperrt gedruckt.

33

Vgl. Nitzsch: PTh I, S. 131. Er wendet sich dabei explizit gegen eine Unterscheidung nach Kirchendienst und Regiment, wie Schleiermacher sie in § 279 der Darstellung verwendet. Schleiermacher habe "in die Erbauung nur Cultus, in die Regierung auch Seelsorge aufgenommen" und sei damit "zu eng und weit".

34

Nitzsch: PTh I, S. 128.

35

Zwar weckt auf den ersten Blick die Interpunktion den Eindruck, als ob Nitzsch den Dienst am Wort in Feier und Seelenpflege aufteilt, aber es handelt sich grammatisch um ein ausschließendes Oder. Nitzsch gliedert die Erbauung in die Richtungen Homiletik, Liturgik und Poimenik, wobei faktisch die Ränder fließend zu verstehen sind.

36

Nitzsch: PTh I, S. 131.

Methode und Einteilung der Praktischen Theologie

95

Aufgrund der besseren Darstellbarkeit der Schwerpunkte wendet sich Nitzsch in der konkreten Einteilung wieder der Dreiteilung zu. Damit nimmt er aber nicht seine theoretischen Überlegungen zurück37. Bezüglich der reflexiven Erbauung oder Ordnung unterscheidet er grundsätzlich zwei Bereiche: inneres und äußeres Kirchenrecht. Noch in der These differenziert er dann Regierung/Verfassungsbildung als subjektives Kirchenrecht gegenüber der Gesetzgebung als objektivem Kirchenrecht: These B. reflexive Erbauung oder Ordnung: inneres Kirchenrecht: äußeres Kirchenrecht: - subjektiv: Regierung,Verfassungsbildung - subjektiv: Regierung, Verfassungsbildung - objektiv: Gesetzgebung - objektiv: Gesetzgebung

Im Sinne seiner Formulierungen in den Erläuterungen38 strukturiert Nitzsch seine Überlegungen allerdings über die Unterscheidung von objektivem und subjektivem Kirchenrecht, um dann innerhalb der objektiven Ordnung zwischen den inneren und äußeren Rechtsbeziehungen zu unterscheiden. Die ausgeführte Darstellung hat naturgemäß wesentlich mehr inhaltliche Geschlossenheit als die knappe Darstellung der These. Nitzsch konkretisiert seine Überlegungen zur Kirchenordnung wie folgt: Erläuterung B. reflexive Erbauung oder Ordnung: materielles/objektives Kirchenrecht: formelles/subjektives Kirchenrecht: - Lehrordnung - Gesetzgebungsverfahren - Cultusordnung - Regierungsverfahren - Sittenordnung - Verfassungslehre - Haushaltung - Theorie kirchlicher Gewalt

Mit subjektiver und objektiver Bezogenheit benennt er in der Erläuterung den Unterschied zwischen persönlicher und sachlicher Ordnung, d.h. zwischen formalem und materiellem Kirchenrecht. Zum formalen Kirchenrecht gehört -

37

Es wird hier schon am Rande eine Problematik deutlich, die die gesamte Darstellungsfähigkeit der Praktischen Theologie in einem Lehrbuch aufwirft. Die fließenden Übergänge und Überlappungen der Arbeitsbereiche lassen sich nicht anders darstellen als immer wieder darauf hinzuweisen, daß sie sich überschneiden. In der Darstellung der jeweiligen Schwerpunkte wird aber auf eine lineare, abgrenzende Darstellung zurückgegriffen werden müssen, damit die Schwerpunkte der Arbeit klarer hervortreten. Dabei ist es völlig irrelevant, ob man sich Handlungsfelder der Amtsträger als Thema wählt oder Handlungsvollzüge des einzelnen Subjektes oder gesellschaftliche religiöse Vollzüge. Immer wird durch eine systematische Darstellung der Eindruck geweckt werden, daß die verschiedenen Themen voneinander abgegrenzt sind. Daß diese Abgrenzung nicht der Fall ist, kann man nur benennen. Die Qualität und Klarheit der Darstellung erfordert aber eine Unterscheidung.

38

Nitzsch: PTh I, S. 133f.

96

C.I. Nitzsch: Praktische Theologie - 1847

zweifelsfrei auch nach heutiger Anschauung - das Verfassungsrecht, die "Theorie kirchlicher Gewalt"39 als Erläuterung des Rechtssubjektes. Diese Theorie thematisiert die Verfahrensweisen zur Beschaffung von Ordnungen, dem materiellen Recht, und bestimmt so die Methode der Gesetzgebung und Regierung. Beide Bereiche des Rechts haben eine innere und äußere Funktion. Letztere äußert sich etwa in Verträgen in der Ökumene, mit dem Staat, den Institutionen etc. In der Einlösung seines Aufrisses im dritten Teil seiner Praktischen Theologie hat er sich 1867 zu folgendem Aufbau der "ordnenden Thätigkeit" entschlossen: [Einleitung] A. Objective Kirchen-Ordnung I. Ordnung nach Innen II. Ordnung nach Außen B. Subjective Kirchen-Ordnung 4 0 .

Die Ausführung der subjektiven Kirchenordnung als Verfassungsentwurf wird allerdings 1867 noch zurückgestellt bis eine Klärung über die Verfassung in Preußen erfolgt sei: Wir tun "nichts Ungereimtes, wenn wir gewisse Fragen über Kirchengewalt und Kirchenregiment bis zum Verfassungsabschluß verschieben. Unsere abschließenden Forderungen können erst am Platze sein, wenn alle Voraussetzungen, auf die sie warten müssen, erfüllt sind."41 Aus diesem Grund nimmt die Verfassungslehre innerhalb der subjektiven Kirchenordnung nur wenig Raum ein. Die graphische Darstellung [Abb. 2] zeigt den Aufbau der Praktischen Theologie nach Nitzsch.42 Er wird durch die Prolegomena eröffnet. Voran steht darin die Klärung des Begriffs der Praktischen Theologie, also der Zieloption, des Gegenstandes und des Subjektes. Das Subjekt der Praktischen Theologie - die Kirche - wird dann ausdifferenziert. Nitzsch stellt also eine Kirchentheorie mitten in die Prolegomena, Kirchentheorie ist keinesfalls eine Unterdisziplin der Praktischen Theologie, sondern grenzt an die Kybernetik. Durch eine historische Auseinandersetzung mit anderen praktisch-theologischen Konzeptionen werden seine Überlegungen dann noch einmal präzisiert. Abschließend wird das methodische Vorgehen gewonnen. Es wird sofort deutlich, daß Nitzsch konsequent von der Idee

39

Nitzsch: PTh I, S. 134.

40

Nitzsch: PTh III, 2, S. XV. Vgl. Anhang.

41

Nitzsch: PTh III, S. XI.

42

Zur kompletten Inhaltsangabe vgl. den Anhang.

Methode und Einteilung der Praktischen Theologie

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der Kirche ausgeht. D i e Idee des christlichen G e m e i n w e s e n s "fällt mit der Urerscheinung so zusammen, daß sie von dieser nur das zufällige abstreift und d a g e g e n das beständig zu verwirklichende herausleuchten und den jetzig e n Zustand sich darin spiegeln läßt; ,.." 43 . D a s W e s e n des christlichen Glaubens soll ermittelt werden, um durch den kritischen U m g a n g mit d i e s e m Begriff und mit H i l f e seiner A n w e n d u n g auf den ermittelten Zustand der Kirche Handlungsanleitungen zu erarbeiten, die die kirchliche Zukunft gestalten können und sollen.

Einleitung A. Begriff der Praktischen Theologie - Enzyklopädie, Gegenstand - Subjekt: natürlicher Klerus, positiver Klerus - Amt, Einheit der Ämter, amtliche Befähigung - Selbständigkeit der Praktischen Theologie = Abgrenzung gegenüber Ethik und theoretischer Theologie - Aufgabe der Praktischen Theologie = Zieloption - konfessionelle und regionale Bedingungen B. Geschichte der Praktischen Theologie C. Methode und Eintheilung der Praktischen Theologie I. urbildlicher Begriff vom kirchlichen Leben A. Selbstbegründung der Gemeinde B. Entwicklung zu welcher Tätigkeit C. Verhältnis zu anderen Institutionen II. jetziger Zeitpunkt seiner protestantischen Entwicklung A. kritische und positive Grundsätze der Evangelischen Kirche B. Konfessionelle und regionale Vielfalt C. Entwicklungsmöglichkeiten III. leitender Gedanke für alle zu erfüllenden Aufgaben A. unmittelbare Erbauung: Dienst am Worte, Feier, eigenthümliche Seelenpflege B. reflexive Erbauung oder Ordnung: Objektive Kirchenordnung I. Ordnung nach Innen - Lehrordnung, Cultusordnung, Sittenordnung, Haushaltsordnung II. Ordnung nach Außen - Subjective Kirchen-Ordnung

Abb. 2: Methodenbereiche der Praktischen Theologie nach Nitzsch

43

Nitzsch: PTh I, S. 129.

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C.I. Nitzsch: Praktische Theologie - 1847

4. Zusammenfassung und Diskussion Nitzsch verfolgt in der Konzeption seiner Praktischen Theologie ein starkes theologieinternes, enzyklopädisches Anliegen. Er will die Praktische Theologie definieren und in ein klares Verhältnis zu den anderen theologischen Disziplinen setzen, insbesondere zur theologischen Ethik. Gleichzeitig bearbeitet er durch seine Überlegungen über die empirischen Tatsachen und die Normativität theologischer Begriffe aber auch die Frage des Verhältnisses zu den nichttheologischen Humanwissenschaften. Übertragen auf die heutige Debatte bedeutet das: Definition der Praktischen Theologie - binnentheologisch gegenüber der theologischen Ethik, interfakultativ gegenüber der Soziologie und den anderen Humanwissenschaften, ohne sich von beiden zu isolieren. Nitzschs Lösungsversuch ist dabei am Handlungs-, Bildungs- und Kirchenbegriff orientiert. Es scheiden sich bis heute die Geister an der Frage, ob ihm durch diese Orientierung eine Lösung gelungen ist, oder noch weitergehend, ob eine Lösung besonders durch eine Orientierung am Kirchenbegriff überhaupt gelingen kann. Dieses Ringen zeigt die Wirkung und Aktualität seiner bis heute gültigen Problemanalyse: "Welche Fassung der Begriff kirchlicher Praxis und die ihm angemessene Wirklichkeitserfassung für die praktische Theologie bei der Bestimmung ihres bündigen Themas annehmen kann, - eben diese Frage kennzeichnet denn auch zwischen dem gegenwärtigen Selbstverständnis der Praktischen Theologie und einem ihrer ersten ausgeführten Entwürfe eben durch Carl Immanuel Nitzsch ein wesentliches Moment der Kontinuität; wenn auch nicht unbedingt in den Problem/ö.?«ngen, so doch in der Problemstellung, die für das Programm und die Gestalt der Praktischen Theologie insgesamt prägend werden sollte."

Nun direkt an Nitzschs Kirchenbegriff und seiner Angemessenheit zu arbeiten, führt aber schnell von Nitzschs wesentlichen Impulsen weg, die ihn erst sekundär auf die Spur des Kirchenbegriffs als strukturgebendes Fundament der Praktischen Theologie geführt haben. Diese Spur sollte man zur Beurteilung Nitzschs erst einmal mitverfolgen. Seine Problemanalyse und -lösung erweisen sich nämlich als sehr differenziert, wenn man sich seine untergeordnet erscheinenden, aber primären Anfragen und Forderungen an eine Praktische Theologie vor Augen führt, die erst sekundär zum Kirchenbegriff führen.

Drehsen: Ausübung, S. 299f.

Zusammenfassung und Diskussion

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Da es das Ziel der Zusammenfassung und Interpretation sein soll, den Kirchenbegriff Nitzschs in seiner Bedeutung für seine Organisation der Praktischen Theologie zu bestimmen und nach der Angemessenheit der materialen Füllung dieses funktionalen Platzhalters zu fragen, soll bei den von Nitzsch genannten Anforderungen an eine Organisation der Praktischen Theologie begonnen werden (Ebene 1), um von dort aus den funktionalen Platzhalter zu bestimmen (Ebene 2). Es wird dann die interessenleitende Frage sein, ob die inhaltliche Bestimmung eine solche Funktion ermöglicht oder nicht, d.h., ob die Ordnung der Praktischen Theologie über einen bestimmten Kirchenbegriff angemessen ist oder nicht (Ebene 3).

Ebene 1: Primäranforderungen Handlungstheorie Das Universitätsfach Theologie insgesamt wird eindeutig im Sinne Schleiermachers als positive Wissenschaft 2 verstanden. Diese Bestimmung wurde zu Recht von H. Scholz (1884-1956) als "gleichbedeutend mit der prinzipiellen Überwindung der rationalen und spekulativen Theologie und ein epochemachender Fortschritt von allerhöchster Wichtigkeit"3 bezeichnet. Interessenleitende Funktion dieser positiven Wissenschaft ist Handlungsorientierung 4 . Die Praktische Theologie soll nach Nitzsch innerhalb dieses nicht diskutierten Rahmens dann nicht mehr nur Wissen zum Handeln, sondern explizit Wissen

2

Vgl.: Schleiermacher: Darstellung §§ 1+28.

3

Schleiermacher: Darstellung, Einleitung S. XXVII. Mit dieser Formulierung könnte man auch das Anliegen Nitzschs bezeichnen. Treffend hat Scholz die Bewertung des schleiermacherschen Konzeptes durch Nitzschs Observationes seiner Ausgabe vorangestellt.

4

Praktische Theologie stellt daher in der Interaktionsordnung eine Brückenfunktion dar zwischen dem "System der wissenschaftlichen Interaktion, die auf technisch orientierende Gewißheiten zielt", und dem "System der Kommunikation religiös-wissenschaftlicher Gewißheiten, die ethisch orientierend fungieren", denn sie dient der technischen Handlungsorientierung in der Erarbeitung von Kunstregeln, die aber aus einer begrifflichen Norm erarbeitet wurden, die explizit und direkt in der Kommunikation religiös-wissenschaftlicher Gewißheiten angesiedelt ist. Vgl.: Herms, E.: Die Lehre von der Schöpfungsordnung, in: Offenbarung, S. 431-456; die Zitate stammen von S. 452.

100

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vom Handeln, eine "Handlungstheorie"5 sein. Dieser Ansatz am Handlungsbegriff ist heute sehr aktuell.6 Auf den ersten Blick läuft über die Explikation des Handlungsbegriffs bei Nitzsch die gesamte Konstituierung des Systems der Praktischen Theologie als Teil einer handlungsorientierenden Gesamttheologie. Doch was ist mit dem Begriff "Handeln" bei Nitzsch gemeint? Versucht man unabhängig von der Position Nitzschs einen allgemeinen, also relativ unbestimmten Handlungsbegriff zu erarbeiten, mit dem man dann Nitzsch vergleichen könnte, stößt man schnell auf die aristotelische Unterscheidung von πραξις und ποιεσις. Diese Problemstellung zu übernehmen ist jedoch höchst fragwürdig, spiegelt sich doch in diesem Entwurf ein bestimmtes gesellschaftliches, ja kosmologisches Weltbild wider, das weder aus einem christlichen Wirklichkeitsverständnis übernommen werden kann, noch mit den neuzeitlichen Erkenntnissen zu vereinbaren ist7. Zudem hat sich die heutige Beschäftigung mit Handlungstheorie in vielerlei Richtungen aufgespalten. Was Handeln ist, welche Unterscheidungen es innerhalb des Hand-

5

Als Begriff gängiger ist "Handlungswissenschaft". Er stammt angewandt auf die Sozialwissenschaften von Schelsky, H.: Einsamkeit und Freiheit, 1970 2 , S. 211, und wurde dann von Krause, G.: Probleme der Praktischen Theologie im Rahmen der Studienreform (1967), in: Krause: Theologie, S. 418ff, auch für die Praktische Theologie empfohlen. Vgl. auch R. Zerfaß: Praktische Theologie als Handlungswissenschaft, in: Praktische Theologie heute, hrg.v. Klostermann u. Zerfaß, R., 1974; und Daiber, K.-F.: Grundriß der Praktischen Theologie als Handlungs Wissenschaft, München 1977. Gegen diese Definition hat sich auch schon sehr unterschiedliche Kritik erhoben. Vgl. Pannenberg: Wissenschaftstheorie, S. 433ff, sowie Herms, E.: Theologie - eine Erfahrungswissenschaft, München 1978. Wichtig ist aber, daß es nicht um eine Theorie zum Handeln geht, die Theologie immer ist, sondern innerhalb dieser Theorie um eine Theorie vom Handeln. Deshalb trifft Herms' Kritik jedenfalls nicht Nitzsch.

6

Dies hat sich, gerade auch ökumenisch, seit etwa 15 Jahren durchgesetzt; vgl.: Mette, N.: Praktische Theologie als Handlungswissenschaft, in: Diakonie 10 (1979), S. 190-203; Fuchs, O. (Hrsg.): Theologie und Handeln. Beiträge zur Fundierung der Praktischen Theologie als Handlungstheorie, Düsseldorf 1984. Umstritten ist eher die Frage nach Art des Handelns und Art der Theorie: Höhn, H.-J.: Kirche und kommunikatives Handeln. Studien zur Theologie und Praxis der Kirche in der Auseinandersetzung mit den Sozialtheorien Niklas Luhmans und Jürgen Habermas', Frankfurt a.M. 1985; Lämmermann, G.: Praktische Theologie als kritische oder als empirisch-funktionale Handlungstheorie?, München 1981. Bei Lämmermann sind allerdings die kritischen Anmerkungen Grabs zu beachten. Vgl. Gräb, W.: Rez. Lämmermann, in: ThPr 1984, S. 56-61.

7

Vgl. zur historischen Problematik und zum Einfluß der Antike noch auf das heutige Problembewußtsein: Weil, E.: Art.: Politique, Pratique, Raison, in: Enzyklopaedia Universalis, Paris 1968. Dabei wird deutlich, wie stark diese Begriffe von der gesellschaftlichen Schichtung von Sklavenhandlung, Arbeiterhandlung und Handlung der freien Herren in der Polis beeinflußt ist.

Zusammenfassung und Diskussion

101

lungsbegriffes gibt, ist höchst umstritten.8 Grundsätzlich bleibt allein die Annahme, Handlung sei "... eine konkrete Tätigkeit,... eine ... Zustandsänderung eines Systems in einem bestimmten Zeitraum."9 Mit dieser Definition ist aber noch nichts gewonnen. Aufbauend darauf nennt Chr. Schwöbel zur Bestimmung des Handlungsbegriffes drei weitere formale Merkmale10: - Das Subjekt einer Handlung verfolgt eine Absicht (Intention) und kann sein Handeln zur Realisierung dieser Absicht regulieren. - Das Verfolgen der Absicht und ihre Realisierung durch bestimmte Mittel sind das Ergebnis bewußter Wahl. - Ein Ereignis ist nur dann das Ergebnis einer Handlung, wenn diese Handlung eine notwendige Bedingung für das Eintreten des Ereignisses darstellt." Damit werden vielfältige Tätigkeiten aus dem Handlungsbegriff verabschiedet. Wenn eine theoretische Reflexion sich auf diesen Handlungsbegriff einließe, dann wären Tätigkeiten, die unabsichtlich geschehen oder durch unbewußte Wahl zustande kommen, nicht mehr im Blick. Damit würde ein Teil kirchlichen Wirkens ausgeblendet und zudem ein wesentlicher Erkenntnisfortschritt verspielt: die Möglichkeit der Bewußtmachung unbewußten Handelns. Das Interessante ist gerade, daß Nitzsch so nicht vorgeht. Er hat ein anderes Interesse. Für ihn geht es darum, bestimmte Handlungen von anderen Handlungen zu unterscheiden, unabhängig davon, ob diese Handlungen nun intendiert sind oder nicht. Wichtig ist ihm ja gerade, das Bewußtsein für die Wirkungen des Handelns zu schärfen. Eine Unterscheidung zwischen Handlung und Nichthandlung über Absicht, Wahl und notwendige Bedingung trifft er nicht. Seine Unterscheidung verläuft nicht zwischen Handeln, Machen, Tun, Wirken o.ä., sondern innerhalb eines unbestimmten Handlungsbegriffes. Unter diesem Dach werden dann zwei Arten von Handlungsebenen unter-

8

Vgl. Lumer, Chr.: Art.: Handlung, in: EEPhW 2, S. 499-511.

9

Lumer: Handlung, S. 499. Damit ist keineswegs eine Beschränkung auf intentionalesoder wirksames Handeln ausgesagt.

10

Vgl. Schwöbel, Chr.: Die Rede vom Handeln Gottes im christlichen Glauben, in: MJTh I, S. 56-81, bes. S. 71f. Er verweist in seiner Beschränkung auf intentionales Handeln auf die Arbeiten von Kenny, Α.: Will, Freedom and Power, Oxford 1975, S. 56; und Anscombe, G.E.M.: Intention, Ithaca 1963 2 .

"

Zusammenfassung Schwöbeis bei Härle: Dogmatik, S. 284. Härle sieht in dieser Definition allerdings eine Bestimmung von "Wirken". "Handeln" setzt für ihn in Anschluß an Preul: Problemskizze, noch zwei weitere Bedingungen voraus: Körperlichkeit und Vorgegebensein von Handlungsmöglichkeiten. Daß diese Begriffsdefinitionen aus dem Problem der Gotteslehre stammen und die Rede vom Handeln Gottes problematisieren, kann hier vernachlässigt werden.

102

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schieden, die erst danach die Subjekte der Handlungen auf den Ebenen konstituieren. Nitzsch gerät so aber auch auf problematische Weise in die Nähe der Ethik, wohl auch, weil er eben nicht die gesamttheologische Fundierung wie Schleiermacher diskutiert. Wie diese Ebenenunterscheidung geschieht, welche Subjekte er welchem Handeln zuordnet, wird an der Unterscheidung von Ethik und Praktischer Theologie deutlich.

Ethik und Praktische Theologie Theologische Ethik und Praktische Theologie gehen erst einmal gemeinsame Wege. Es stellt sich für beide Disziplinen dieselbe Frage nach der Integration und Abgrenzung gegenüber den nichttheologischen Humanwissenschaften. 12 Und die Praktische Theologie und die theologische Ethik sind keine historischen Disziplinen 13 . Beide spitzen die Handlungsorientierung aller Theologie letztlich zu. Sie sind beide damit in ihrer Entstehung - wie für die Praktische Theologie schon vielfach erörtert wurde14 - auch Ausdruck des neuen Bewußtseins der Theologie der Moderne. Beide Disziplinen laufen allerdings Gefahr, sich nicht mehr auseinanderhalten zu können.15 Dieses interessante Verhältnis galt es für Nitzsch zu klären. Von erheblicher Bedeutung ist dabei, daß sich beide Disziplinen bei Nitzsch zu unterscheiden beginnen, bevor eine Subjektanalyse stattfindet.

12

Vgl.: Lesch, W.: Theologische Ethik als Handlungstheorie, in: Arens, E.: Gottesrede Glaubenspraxis. Perspektiven Theologischer Handlungstheorie, Darmstadt 1994, S. 89109, bes. S. 98ff.

13

Dem ist zuzustimmen, doch positiv bedeutet es nicht, daß Praktische Theologie "mit der Wahrnehmung der Sache der Theologie in ihrer Gegenwärtigkeit" beschäftigt ist. Rössler: Grundriß, S. 7 zitiert in diesem Sinne Ebeling: Studium, S. 118. Die gegenwärtige Sache ist doch nur ein Aspekt, auf den die Praktische Theologie bezogen ist. Hauptsache der Praktischen Theologie ist m.E. die Gestaltungsermöglichung der Zukunft, wobei durch die Dialektik von Begriff und Tatsächlichkeit die Gegenwart in der von Rössler/Ebeling benutzten Definition mit in den Blick kommt. Will man wirklich eine zeitliche Kategorisierung der theologischen Disziplinen vornehmen, dann beziehen sich die historischen Fächer (AT, NT, Kirchengeschichte) auf die Vergangenheit, die Systematische Theologie auf die Gegenwart und eben die Praktische Theologie auf die Zukunft, allerdings eben nur in der Tendenz. Wer wollte etwa der systematischen Theologie historische Arbeit und zukunftsweisende Tendenzen absprechen, wer den historischen Fächern ihren Bezug zur Gegenwart?

H

U.a. von Drehsen: Konstitutionsbedingungen.

15

Dieses Dilemma wird etwa aus römisch-katholischer Sicht auch institutionell deutlich: "Während die Moraltheologie traditionell der systematischen Theologie zugeordnet wird, schwankt der Status der Sozialethik j e nach Hochschule zwischen systematischer und praktischer Theologie." S. Lesch: Ethik, S. 87.

Zusammenfassung und Diskussion

103

"Das kirchliche Handeln, das den Gegenstand der Praktischen Theologie bilde, sei nicht einfach das Handeln aller Christen (Ethik), sondern das, was im Namen aller Christen von einigen Berufenen zu tun ist. Diese Beauftragung setze eine einheitliche Theorie des entsprechenden Tuns voraus." 16 Diese Einschätzung D. Rösslers ist aus der Sicht Nitzschs nicht richtig. Kirche ist "die zuerst und im Allgemeinen nur von Christi Stiftung und Amt abhängige Gemeine in der Selbigkeit und Allheit ihrer Mitglieder, es sei daß sie in dem potensiven Existentwerden oder in der extensiven Einheit gedacht werde, es sei daß sie Versammlungsweise und allseitig oder gegenseitig oder einseitig und durch Individuen handle" 17 , d.h. Kirche wird in sich noch völlig indifferent gedacht. Wenn das Subjekt kirchlichen Handelns die Kirche ist, so wird die allgemeine Verantwortung nicht dadurch eingeschränkt, daß einige berufen werden. Kirchliches Handeln als Gegenstand der Praktischen Theologie ist das Handeln aller, allein oder in Gemeinschaft, nicht nur das Handeln der Berufenen, wie immer sie auch das Handeln aller repräsentieren mögen. Das etwa von D. Rössler ins Feld geführte Argument, "die Aufgaben der Praktischen Theologie, so ist zu sagen, stellen sich gewiß nicht jedem Glied der Kirche schon deswegen, weil es Glied der Kirche ist" und "im Amt und in der Person des Pfarrers [sei der, L.E.] exemplarische[n] Fall für die Verantwortung und damit für die Aufgaben der Praktischen Theologie zu sehen" 18 , verschleiert ein wesentliches Moment der Praktischen Theologie, diese Verantwortung aller in Auseinandersetzung von Norm und Tatsachen erst zu erarbeiten, um sie dann - vielleicht aus pragmatischen Gründen - in die Hände einiger Berufener zu legen. Die Unterscheidung von Subjekten kann erst nach dieser Erarbeitung geschehen, sonst werden Verantwortlichkeiten eventuell vergessen. So ist etwa bei D. Rössler zu fragen, warum weder ein verantwortlicher Umgang mit den Medien vorkommt, noch etwa die Frage der christlichen Erziehung in Hinblick auf die Eltern als Thema der Praktischen Theologie; vielleicht, weil man es nicht delegieren kann. Es drängt sich bei Rössler schon die Frage auf, ob Praktische Theologie nicht doch nur das Handeln der Amtsträger

16

So geben A. Beutel und R. Schmidt-Rost D. Rösslers Grundsatzreferat zur Einheit der Praktischen Theologie auf der Jahrestagung der Fachgruppe Praktische Theologie der Wissenschaftlichen Gesellschaft für Theologie vom 1.-5. Sept. 1988 in Göttingen wieder. Vgl.: Beutel, A./Schmidt-Rost, R.: Die Einheit der Praktischen Theologie. Nachlese von einer Fachtagung, in: Pthl 8/2, S. 343-345, Zitat S. 344.

17

Nitzsch: PTh I, S. 15.

18

Beide Zitate Rössler: Grundriß, S. VI.

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reflektieren soll, zwar auf dem Hintergrund der allgemeinen Lebenswelt, aber doch in bezug auf die theologische Ethik subjektdifferenziert. Ein möglicher Vorwurf der Verengung wird dabei unnötig heraufbeschworen. Die Unterscheidung verläuft bei Nitzsch zwischen den Ebenen des Handlungsbegriffes, unabhängig von der Anzahl der Handelnden. Nitzsch unterscheidet scharf zwischen Handeln an sich und Handeln zur Ermöglichung von Handeln. Hier liegt die Unterscheidung von sittlichem und kirchlichem Handeln. Praktische Theologie unterscheidet sich von der Ethik, weil sie die Ermöglichung sittlichen Handelns, ob nun individuell oder gemeinschaftlich in den Blick nimmt und zum wesentlichen Thema erklärt. Gegenüber klassischen Handlungsunterscheidungen verhält sich Nitzschs Handlungsbegriff damit einerseits kompatibel andererseits sperrig. Einerseits läßt sich die Unterscheidung von instrumentellem und kommunikativem Handeln, zwischen Subjekt-Objekt-Handeln und Subjekt-Subjekt-Handeln 19 auf Nitzschs Vorstellungen vom kirchlichen Handeln übertragen. "Die Thätigkeiten, aus welchen das kirchliche Leben besteht"20, versteht er als Handlungen zwischen Subjekten. Zwar ist diese Konstellation durch Entfremdungszustände gefährdet. Aber die Einführung des Glaubens als Möglichkeit gegen diese Entfremdung 21 - und damit als Handlungsermöglichung zu weiterem kommunikativem und auch instrumentellem Handeln läßt schon die inhaltliche Bestimmung der Handlungsermöglichung in den Blick kommen, die im Verlauf der Interpretation noch weiter verfolgt werden soll. Auf der anderen Seite wird die Unterscheidung Schleiermachers zwischen wirksamem und darstellendem Handeln22 nicht berührt. Die Ebenenunterscheidung verläuft quer zu der Unterscheidung Schleiermachers.23 Eine be-

"

Vgl. (im Anschluß an J. Habermas): Peukert, H.: Was ist eine praktische Wissenschaft?, in: Fuchs: Theologie, S. 64-79, bes. 73. Peukert sieht mit Recht das Wagnis, den anderen als ein solches Subjekt zu sehen, im Glauben zur Möglichkeit gewandelt.

20

Nitzsch: PTh I, §§ 41-46, S. 213-265. Lehre, Feier, Eigenthümliche Seelenpflege, Zucht, Haushaltung, Regierung.

21

Vgl. Peukert: Wissenschaft, S.76 und Peukert, H.: Sprache und Freiheit, in: Ethische Predigt und Alltagsverhalten, hrg.v. Kamphaus, F./Zerfaß, R., München/Mainz 1977, S. 44-75, bes. S. 66.

22

Vgl.: Schleiermacher, F.D.E.: Christliche Sittenlehre. Wintersemester 1826/27, hrg.v. Peiter, H„ Stuttgart 1983 (CSI). Peiter versteht Schleiermachers Sittenlehre als analytische Handlungstheorie.

21

Wirksames Handeln wird nochmals unterschieden in gegenwirkendes (kritisches) und positiv wirksames (konstruktives) Handeln. Sie treten jedoch niemals isoliert auf. "Jedes darstellende Handeln muss zugleich ein wirksames Element haben als minimum und

Zusammenfassung und Diskussion

105

sondere Affinität zwischen kirchlichem Handeln und darstellendem Handeln ist bei Nitzsch nicht formuliert. Sie ist auch aus seiner Forderung nach Handlungsermöglichung als Gegenstand praktischer Theologie nicht ersichtlich. Handlungsermöglichung erfolgt nicht nur durch darstellendes Handeln, sondern gleichwertig auch durch wirksames Handeln. Wenn der Gegenstand der Praktischen Theologie im Unterschied zur Ethik nicht das Handeln überhaupt ist, sondern die Ermöglichung von Handeln durch kommunikatives Handeln, dann tritt die Bildung in den Mittelpunkt, mit den Worten Nitzschs die Selbstbegründung und -Vervollkommnung der Kirche. Nitzsch setzt sich selbst dabei nicht in Beziehung zu den klassischen Bildungstheorien zwischen 1770 und 1830. 24 Den Begriff Bildung kann man, wie in Kap. II. 1. bereits ausführlicher dargestellt, als Bezeichnung eines Prozesses verstehen, unterschieden in Selbstbildung und Ausbildung, und als Bezeichnung eines Ziels. Das Ziel ist Handlungsfähigkeit eines psychisch ausgeglichenen Subjekts 25 . Kirchliches Handeln dient in der Definition Nitzschs genau diesem Ziel: dem Menschen durch die Verkündigung der Botschaft Christi zu selbstverantworteten Antworten auf seine existenziellen Fragen zu verhelfen und ihm - so gerechtfertigt - Handeln zu ermöglichen. Insofern stellt kirchliches Handeln ein wesentliches Element zur individuellen und auch gesellschaftlichen Handlungsermöglichung dar. Da der Mensch nicht allein, sondern nur in Interaktion zur Wahrheitsfindung in der Lage ist, gehört die kommunikative Verständigung über die Existenz elementar dazu, d.h. Bildungsleistung ist eine kommunikative Handlung. Bildung ermöglicht Handeln und Handeln ermöglicht Bildung. Am Ansatz Nitzschs ist wesentlich zu unterstreichen, daß verantwortbares Handeln möglich wird aufgrund einer Erfassung der Situation [T], der Bewußtmachung des Zieles [B] - ob nun durch innere Intention oder äußere Norm -, der Wahl der Handlungsmöglichkeiten [K] und nicht zuletzt durch

umgekehrt." (CSI 96, 40f) "Jedes darstellende Handeln ist a potiori per accidens ein wirksames." (CSI 98, 5f). Dies gilt insbesondere für den Gottesdienst. "

Zu nennen wären etwa: Jean Jaques Rosseau, Antoine de Concordet, J.H. Pestalozzi, J.G. Herder, W. v. Humboldt, J.F. Herbart, F. Fröbel, Ludolph v. Beckedorf, G.F.W. Hegel. Zu den Möglichkeiten, aus ihnen Gewinn für eine heutige Bildungstheorie zu ziehen, vgl. Klafki, W.: Die Bedeutung der klassischen Bildungstheorien für ein zeitgemäßes Konzept allgemeiner Bildung, ZfPäd 32/1986, S. 455-476.

25

Vgl.: Preul: Religion. So kann man seine Ergebnisse zusammenfassen.

106

C.I. Nitzsch: Praktische Theologie - 1847

Überwindung der Gegenimpulse in mir und von außen [T].26 So wird Wesentliches zur realistischen Einschätzung von Wirklichkeit geleistet. Kirchliches Handeln findet also dort statt, wo Handlungsermöglichung durch Bildung in umfassendem Sinne stattfindet.27 Nitzsch ist als ein Theologe erkannt worden, der diesem allgemeinen Bildungsprozeß u.a. auch in der Seelsorgelehre wesentliche Bedeutung beigemessen hat.28 Hier schimmert schon durch, worin die Handlungsermöglichung durch kirchliches Handeln eigentlich liegt: in Zuspruch und Annahme der Rechtfertigung. Der Unterschied zur Ethik besteht im Unterschied zwischen dem Woher des Handelns und dem Wohin. Wenn am Ansatz Nitzschs eine mangelhafte Unterscheidung zwischen Ethik und Praktischer Theologie kritisiert werden kann, dann allein in der Frage, ob man Handeln an sich und Handlungsermöglichung voneinander trennen kann, etwa wenn das Handeln des Subjektes A der Handlungsermöglichung des Subjektes Β dient. Die Einschätzung W. Birnbaums, die Unterscheidung zwischen dem Handeln des Einzelnen (Ethik) und Handeln der Kirche (Praktische Theologie) sei bei Nitzsch die Unterscheidung zwischen den Disziplinen, ist deshalb falsch. Der Vorwurf Birnbaums geht in völliger Verkennung Nitzschs in dieselbe Richtung weiter: "Denn wenn Nitzsch darauf hinweist, daß sich eine christliche Persönlichkeit 'auch außerhalb der Gemeinde vollenden' könne, eine kirchliche dagegen nur innerhalb, und er damit seine Unterscheidung von sittlichen und kirchlichen Lebensäußerungendes Christentums umgrenzt, so erkauft er diese für die praktische Theologie lebenswichtige Unterscheidung durch eine Beschränkung des Begriffs Kirche, die willkürlich und in der Sache nicht gegeben ist."

Ebenso verfehlt die Kritik Birnbaums das Konzept Nitzschs, wenn er meint: "Denn auch in dem Falle, daß das rein sittliche Handeln des Christen nicht in der Absicht geschieht, zu missionieren, und damit 'Kirche zu gründen' oder 'zu vervollkommnen', so hat es doch auch diese Wirkung; zudem ist alles, was aus der Christusgemeinschaft heraus geschieht, eben 'kirchlich'." 3

26

Vgl.: Preul, R.: Die Bedeutung des Gewissensbegriffs für die Seelsorge, in: Luther, S. 71-83, hier S. 73f. Ich habePreuls Analyse um die Bewußtmachung der Wahlmöglichkeiten erweitert.

27

Vgl. zum Verhältnis von Bildung und Kirche: Preul, R.: Christentum und Bildung oder Bildungschristentum? Ein Programm, in: Liberale Theologie. Eine Ortsbestimmung, hrg.v. Graf, Fr.W., Gütersloh 1993, S. 149-167, bes. 165ff.

28

Vgl. Schmidt-Rost: Seelenpflege,bes. S. 285. Dabei ist allerdings Schmidt-Rosts Analyse des Handlungssubjektes der Seelsorge problematisch.

29

Birnbaum: Wandlungen, S. 42.

10

Ebd. Hervorhebungen bei Birnbaum.

Zusammenfassung und Diskussion

107

Nitzsch sieht das ganz anders. Nicht alles, was aus der Christusgemeinschaft geschieht, ist kirchlich, sondern es kann auch sittlich sein, wenn es nicht der Handlungsermöglichung dient. Wäre eine Unterscheidung nach dem Kriterium Birnbaums vorzunehmen, wäre eine theologische Sozialethik neben der Praktischen Theologie nicht denkbar. Birnbaum unternimmt eine Subjektunterscheidung, die nur auf den ersten Blick mit der Unterscheidung Nitzschs identisch ist. Für Nitzsch geschieht Handlungsermöglichung nicht aus dem Einzelnen, sondern nur aus der Gemeinschaft heraus, das Handeln jedoch auch ohne sie, auch in Vollendung. Dieses Handeln untersucht aber nicht die Praktische Theologie, denn dieses Handeln ist eine sittliche Lebensäußerung. Es ist jedoch noch keine kirchliche Lebensäußerung, da es nicht auf Handlungsermöglichung hin angelegt ist. Damit trennt Nitzsch keineswegs sittliches Handeln vom kirchlichen ab und beschränkt den Kirchenbegriff unangemessen. Die sittlichen Lebensäußerungen des Christentums werden nicht als unabhängig von der Kirche beschrieben, im Gegenteil. Nur wird beides klar unterschieden. Nicht jede Handlung aus einem christlichen Wirklichkeitsverständnis heraus, ob gemeinschaftlich oder allein, ist schon kirchliches Handeln. Dazu gehört vielmehr der das Handeln anderer in diesem Wirklichkeitsverständnis ermöglichende Charakter, ob nun intendiert oder zufällig, ob nun gemeinschaftlich oder nicht. Ziel Praktischer Theologie ist es dabei, die Zufälligkeit möglichst gering zu halten und zum reflektierten, intendierten Handeln anzuleiten. Dieser Gedanke beinhaltet primär aber nicht die Unterscheidung nach den Handlungssubjekten. Zu klären wäre im Problemkomplex des Verhältnisses zwischen Ethik und Praktischer Theologie die Frage, ob man diese Art der Ebenenunterscheidung so überhaupt vornehmen kann oder nicht. Es ist aber nicht eine Frage nach dem Handlungssubjekt. Worin das kirchliche Handeln besteht, bestimmt sich nicht über das Subjekt, sondern über den Handlungsbegriff: kirchliches Handeln ist Handlungsermöglichung.

Art der Handlungstheorie In die drei wesentlichen Arten der modernen Handlungstheorien 31 läßt sich Nitzschs Theorieentwurf nicht eintragen. Allerdings gibt es einige inhaltliche Berührungspunkte zur Kritischen Theorie der Frankfurter Schule, die nach

1. Empirische Handlungstheorie; 2. Rationale Handlungstheorie; 3. Normative Handlungstheorie. Vgl.: Lumer, Chr.: Art.: Handlungstheorien, in: EEPhW 2, S. 511-514.

108

C.I. Nitzsch: Praktische Theologie - 1847

einer Darstellung Nitzschs kurz angezeigt werden sollen, um zu bestätigen, daß Nitzsch keineswegs unkritisch vorgegangen ist. Tt

Bt

Kt

Tb

Bb

Kb

Tk

Bk

Kk

Abb. 1 : Methodensystem der PTh

Ausgehend von seinem Methodenverständnis, nach dem eine Methode der sach- und gesetzmäßige Gang einer Untersuchung nach Maßgabe eines Zieles ist, ordnet er dem dreigestaffelten Phänomen drei Methoden zu: a) Untersuchung des gegebenen Zustands = empirische Methode [Tatsächlichkeit], b) Untersuchung des begrifflichen Anspruchs an die Gestalt = logische Methode [Begriff] und c) Erarbeitung des aus der Spannung beider hervorgehenden künstlerischen Verfahrens zur Herstellung des Bestmöglichen = technische Methode [Kunstregel]. Jeweils innerhalb der Methoden gibt es dann wieder die gleiche Dreiteilung. Durch diese Methode wird eine kritische Erstellung des Handlungsfeldes abgesteckt, auf dem sich jegliches kirchliche Handeln wiederfinden kann und auf dem brachliegende Flächen ersichtlich werden. Nitzsch integriert dabei durch die interne Bestimmung der begrifflichen Methode die Philosophische Theologie Schleiermachers in die Praktische Theologie. Er selbst sieht sich in der Frage nach der Erarbeitung der Normativität durch die Praktische Theologie in Übereinstimmung mit Marheineke32. Gleichzeitig bleibt er über die empirische Methode für die übrigen Humanwissenschaften offen. Nitzschs Konzept ist eine kritische Handlungstheorie, weil sie nicht ausschließlich bestehende Tatsächlichkeiten reaktiv bearbeiten will. Zwar geht die Praxis der Theorie voraus, aber aus diesem richtigen Grundsatz nun dem

32

Nitzsch bezieht sich auf §§ 26+27. Vgl.: Marheineke: Entwurf, § 26: "Den bestimmten Begriff der Kirche und des Amtes in ihr und aller Erscheinungen auf dem Gebiete beider in ihrem Einfluß auf die gegenwärtige Thätigkeit hervorzubringen, ist die Abzweckung der practischen Theologie." Dabei sollte man diesen Bezug nicht überstrapazieren. Vgl.: Grab: Rezension Lämmermann. Nitzsch steht nicht stärker in der Linie Marheinekes als in der Schleiermachers. Es ist vielmehr umgekehrt.

Zusammenfassung und Diskussion

109

Lauf der Praxis keine Impulse mehr geben zu wollen, ist nicht sein Interesse. Den Lauf kirchlichen Handelns dem sog. freien Spiel der kirchlichen Kräfte zu überlassen, bedeutet ihm keineswegs Freiheit der Kirche. Nitzsch versucht vielmehr progressiv, neue Handlungsimpulse freizusetzen und Kirche sowie damit auch Gesellschaft offensiv zu gestalten. Es ist eine Aufgabe der Praktischen Theologie eine Zieloption kirchlichen Handelns zu erarbeiten. Anders ausgedrückt handelt es sich bei Nitzsch - durch die Bestimmung der Theologie als positive Wissenschaft und in bezug auf seine Dialektik von Begriff und Tatsächlichkeiten - um eine frühe Variante des "soziologisch-kulturtheologische[n]"33 Theorietyps, dessen Entdeckung V. Drehsen auf E. Troeltsch (1865-1923) zurückführt.34 Der Sinn dieser zu einer "empirischinduktiven" und einer "ethisch-spekulativen" Praxistheorie alternativ entworfenen Struktur liege darin, zu verhindern, daß sich die Praktische Theologie "auf bloße Empirie verlegen kann"35. Ebensowenig sei es ihr aber auch nicht mehr möglich, sich "rein logisch aus gewissen Grundaperçus zu deduzieren"36. Sie müsse sich "in fortwährender gegenseitiger Berichtigung"37 strukturieren und arbeiten. Insofern ist die Praktische Theologie Nitzschs eine kritische und dialektische38 Handlungstheorie39.

31

Drehsen: Konstitutionsbedingungen, S. 164f. Für die Soziologie hat H. Schelsky diesen Theorietyp beschrieben: "Kulturanalyse und Zeitkritik sind ihr Anliegen und das Diktat, unter dem sie steht." Schelsky, H.: Ortsbestimmung deutscher Soziologie, Köln 1959, S. 21. Drehsen sieht darin wohl zu Recht das wesentliche Anliegen E. Troeltschs.

34

Drehsen: Konstitutionsbedingungen, S. 164.

35

Zitate bei: Drehsen: Konstitutionsbedingungen S. 164.

36

Troeltsch, E.: Aufsätze zur Geistesgeschichte und Religionssoziologie (1925), in: Gesammelte Schriften, Bd. IV, Aalen 1966, S. 15.

37

Ebd.

38

Nitzsch hat die Dialektik von Idee und Tatsache nicht nur in der Praktischen Theologie angewandt, sondern auch in seiner Systematischen Theologie. "Sind nun die einzelnen Bestandteile des Systems christlicher Lehre durch diese Dialektik von Idee und Tatsache, welche dem Prozesse der Selbstvermittlung der Idee in dem Gesamtstoff des geistigen Lebens nachgeht, gebildet: so liegt dann notwendig in derselben Grundform das systematische Band des Ganzen; die einzelne Tatsache des christlichen Bewußtseins, zunächst durch Intuition aufgenommen, erhält ihre Stelle durch den Nachweis ihrer Angemessenheit an die konkrete Idee der vollkommenen Religion, die Idee verhält sich zu ihr zugleich ordnend, erklärend und kritisch." Dilthey, W.: Carl Immanuel Nitzsch, in: Gesammelte Schriften 11. Vom Auf gang des geschichtlichen Bewußtseins - Jugendaufsätze und Erinnerungen, Stuttgart 1936, S. 39-56, hier S. 51.

39

Damit ist ein Begriff gewählt, der noch ziemlich unbestimmt ist und den ich ausdrücklich nicht im Gefolge der "Frankfurter Schule", des dialektischen Materialismus oder der dialektischen Theologie verstehe.

110

C.I. Nitzsch: Praktische Theologie - 1847

Allerdings ist die Begrifflichkeit Troeltschs im wesentlichen durch die Theorie-Praxis-Problematik bestimmt, die Begrifflichkeit Nitzschs von der Dialektik Begriff - Tatsachen - Kunstregel. Begriff, Tatsache und Kunstregel beinhalten jeweils Theorie und Praxis, sind also andere Kategorien als die beiden anderen Begriffe. Die Theorie-Praxis-Debatte führt deshalb für die Analyse Nitzschs auch nicht weiter40. Jede Praxis hat eine Theorie, ob nun ausdrücklich oder nicht. Für Nitzsch ist bereits die Erarbeitung einer Theorie wiederum wissenschaftliche Praxis. Verlagert sich damit nicht die Unterscheidung in den Bereich von begrifflicher Abstraktion sowie wahrzunehmenden und zu gestaltenden Tatsachen zwecks handlungsleitender Regeln? Und ist nicht insofern Nitzschs Konzept eine von der Struktur her wesentlich leistungsfähigere Theorie, weil es genauer die Elemente der ablaufenden Prozesse schildert und so bearbeitbar macht? Der Vorwurf, Nitzsch hätte bestehende Zustände legitimiert, ist aufgrund seiner Theoriekonzeption völlig unzutreffend. G. Otto zitiert zwar Nitzschs Forderung, die Praktische Theologie müsse es selbst unternehmen, "auf dem Grunde der Idee der christlichen Kirche und des kirchlichen Lebens durch Verständnis und Würdigung des gegebenen Zustandes (sie!) zum leitenden Gedanken aller kirchlichen Amtstätigkeiten zu gelangen"41. Schleiermachers Weite würde der Enge "kirchlicher Praxis"42 geopfert. Wirkungsgeschichtlich normiere auf Nitzschs Fundament der von Nitzsch so genannte "gegebene Zustand" "von nun an immer wieder Reflexion und Darstellung der Praktischen Theologie und so natürlich auch die Möglichkeiten und Grenzen der kirchlichen Praxis in der jeweiligen Gesellschaft"43. Aber hier handelt es sich zweifelsfrei um eine falsche Interpretation, ist die Norm doch gerade nicht der gegebene Zustand, von dem gerade Nitzsch behauptete, er sei eben gar nicht gegeben, sondern zu gestalten. Die Norm ist der theologisch zu erarbeitende Begriff. Beide Pole werden dann nochmals

1,0

Im Gegenteil verschleiert sie, daß es für Nitzsch zwischen Praxis und Theorie nur theoretisch eine Schwerpunktverteilung gibt, praktisch jedoch nicht. D.h. jede Theorie ist auch schon Praxis, besonders dann, wenn das Subjekt der Praxis sich selbst zum Objekt hat, wie es bei der Kirche der Fall ist. Vgl. dazu Adorno, Th.W.: Marginalien zu Theorie und Praxis, in: Gesammelte Schriften, Bd. 10.2, hrg.v. R. Tiedemann, Frankfurt a.M. 1986, S. 757-782, hier 761: "Denken ist ein Tun. Theorie eine Gestalt der Praxis. ... Soweit ein [theoretisierendes, L.E.] Subjekt... sein Objekt ist, soweit es ins Objekt fällt, soweit ist es vorweg auch praktisch."

41

Vgl.: Otto: Grundlegung, S. 45 = Nitzsch, PTh I, S. 31. Hervorhebungen und (sie!) durch Otto.

42

Otto: Grundlegung, S. 45.

43

Ebd.

Zusammenfassung und Diskussion

111

nicht im luftleeren Raum erarbeitet, sondern diachron und synchron immer in Hinsicht auch auf die jeweiligen gegenseitigen Einflüsse, in denen sich die praktisch-theologische Arbeit bewegt. Von einer betonierenden Struktur kann bei Nitzsch in gar keiner Weise gesprochen werden, im Gegenteil. 44 Die von Drehsen erarbeitete These, daß die Praktische Theologie nur dann eine sinnvolle Theorie sei, wenn sie die soziologisch-religionssoziologisch reflektierte Praxis der Religion in die Theorie integriere, ist genau hier erfüllt. Über die Erfassung der Tatsächlichkeiten als unaufgebbarer Spannungspol des ganzen Systems wird diese Leistung erbracht, ohne den Gefahren einer kritiklosen Übernahme weder der institutionell-kirchlichen noch der nichtinstitutionellen religiösen Praxis des Christentums zu erliegen. Eine dialektische Struktur, wie sie Nitzsch zu entfalten versucht, gilt denn auch zu recht als wesentliches Kennzeichen der Handlungswissenschaft Praktische Theologie. Die Theologie "muß (1) die Überlieferung als kritische Potenz in den Streit um die Gegenwart und Zukunft einbringen; sie muß (2) die Bedürfnisse der Gegenwart ernst nehmen, theologisch identifizieren und als Anfrage an die Überlieferung vermitteln; sie muß schließlich (3) Impulse zur konstruktiven Veränderung kirchlicher Praxis, wie sie sich aus dieser Konfrontation ergeben mögen, in ihrer Realisierungsphase kritisch begleiten." 4 5

Hier sind wesentliche Elemente der dialektischen Theorie Nitzschs vorhanden. Die Bestimmung des Begriffs wird durch die Überlieferung repräsentiert, wenn man davon ausgeht, daß mit Überlieferung das christliche Wirklichkeitsverständnis gemeint ist. Die Überlieferung als Prozeß wird von der Gegenwart in Frage gestellt. Dabei werden die Tatsächlichkeiten in zwei Relationen gedacht: als Ernstnehmen der Bedürfnisse und als theologische Identifikation derselben. Nitzschs Kunstregeln sind dann mit den Impulsen zur konstruktiven Veränderung identifizierbar 46 . Dieses auf den ersten Blick schlüssige Verfahren ist im Vergleich zu Nitzsch aber von reduzierter Komplexität und Stimmigkeit. Die Überlieferung wird nämlich nicht praktisch-theologisch erhoben, d.h. die begriffliche Methode ist nicht mehr Teil der Praktischen Theologie. Gerade das aber war Nitzsch wichtig, damit steht und fällt bei ihm der ganze Aufbau. Wenn Nitzsch aufgrund seiner komplexen Struktur nun aber der Vorwurf einer Legitimierung gängiger Praxis nicht gemacht werden kann, wie ist es

44

Dies stünde auch im völligen Widerspruch zu seiner gesamten kirchenpolitischen Arbeit, die man hier nicht vernachlässigen sollte.

45

Zerfaß: Theologie, S. 164.

46

Zerfaß hat seine Struktur auch graphisch dargestellt. Vgl.: Zerfaß, R.: Gottesdienstliches Handeln, in: Arens: Gottesrede, S. 110-130, Graphik S. 111.

112

C.I. Nitzsch: Praktische Theologie - 1847

dann zu der Verkennung Nitzschs bei G. Otto gekommen? Möglich wäre eventuell tatsächlich die zu unkritische Übernahme der Beurteilung Nitzschs durch Niebergall 47 . Schwerwiegender ist aber in der Darstellung Nitzschs bei G. Otto 48 , daß es Otto nicht so sehr um Nitzschs eigene Vorstellungen geht, sondern um seine Wirkungsgeschichte: "Die Frage, ob Nitzsch dies so gewollt hat - sein Geschichtsdenken spricht eher dagegen -, ist müßig, denn er hat so gewirkt." 49 Otto muß sich deshalb schon aus diesen wenigen Eindrücken heraus fragen lassen, ob er nicht Nitzsch zu sehr von dessen Wirkungen her beschreibt, anstatt ihm dasselbe Recht zukommen zu lassen, wie er es für Schleiermacher - und sicher auch für sich selbst - einklagt, nämlich von den angelegten Intentionen und aus sich selbst heraus gelesen zu werden. Otto sieht in der zentralen Formulierung Nitzschs, daß die Praktische Theologie eine "allgemeine Theorie des kirchlichen Lebens" 50 sei, und den sich daran anschließenden Inhalten eindeutig die "dogmatisch-ekklesiologische" 51 Einbindung eines "Systems der Praktischen Theologie" 52 . Er unterstellt dabei, daß eine Systematisierung zwangsläufig zu einem Korsett systematischer Zwänge führe, in dem eine kritische, umfassende Bearbeitung der religiösen Lebenswelt nicht stattfinden könne. Dieses Urteil ist jedoch in bezug auf Nitzsch unhaltbar. Im Gegenteil ist durch die dialektische Systematisierung der Methoden eine angemessene Bearbeitung erst möglich geworden. Nitzsch hat - aufgrund seiner Orientierung am Handlungs-, Bildungs- und Kirchenbegriff - die Dialektik jedweden Handelns zwischen Empirie und Norm nicht nur offengelegt, sondern auch in das System der Praktischen Theologie, die ja selbst kirchliches Handeln ist, fruchtbar integriert. Allerdings sind das gleich zwei Momente, die es auseinanderzuhalten gilt. Zum einen entfaltet sich bezüglich des zu untersuchenden Handelns die Dialektik zwischen dem tatsächlichen Zustand, den Bedingungen, unter denen zu handeln ist, und dem Normativen, das von Nitzsch das Begriffliche genannt wird. Eigentlich ist dieses Prinzip simpel, aber durch die gegenseitige Beeinflussung, die Nitzsch unterstellt, bekommt es seine Brisanz und seine

47

Daß Ottos und Luthers Urteil über Nitzsch von dem Niebergalls geprägt ist, ist auch schon Grab aufgefallen, vgl.: Grab: Dogmatik, S. 478, Anm. 24.

48

Otto: Grundlegung.

49

Otto: Grundlegung, S. 45.

50

Nitzsch: PTh I, Untertitel der Einleitung des 1. Buches von Band I, zitiert bei Otto S. 45.

51

Otto: Grundlegung, S. 44.

52

Ebd.

Z u s a m m e n f a s s u n g und Diskussion

113

Berechtigung. Es stellt den Versuch dar, das "normative Grundproblem" 53 zu lösen. Und es wird nur so zu lösen sein. Das andere Moment ist die Gliederung der Praktischen Theologie in Norm, Tatsache und Kunstregeln, die sich analog daraus ergibt. So ist das System der Praktischen Theologie nicht wirklichkeitsfern, sondern im eigenen Vollzug dem sinnvollen Ablauf menschlichen Handelns angepaßt. Das System von Begriff, Tatsächlichkeit und Kunstregel ist nach innen durch Abhängigkeiten gekennzeichnet und reflexiv. Erkenntnisse anderer theologischer Disziplinen können über das normative Grundproblem integriert werden - was nicht blinde Übernahme bedeutet, allerdings auch nicht doppelte Arbeit. Der Ausgangspunkt ist dabei der Begriff, der die stärkste Nähe zur Systematischen Theologie darstellt. Hier gelingt die Anbindung an die Theologie. Nach dieser Darstellung werden, wie schon angekündigt, auch über den großen historischen Abstand und andere Differenzen doch einige sachliche Berührungspunkte zu einer Kritischen Theorie der Frankfurter Schule sichtbar54. Zum einen gibt es sachliche Nähe im Verständnis der Berücksichtigung der Tatsächlichkeit. Unter Berücksichtigung ist nicht Legitimierung zu verstehen, sondern gerade auch die Verurteilung der Tatsächlichkeiten im Licht der Idee aufgrund von Nichtübereinstimmung mit der Idee. "Zugleich erscheint es als die gröbste Unwahrheit, die Geltung einfach h i n z u n e h m e n : die kritische A n e r k e n n u n g der das gesellschaftliche Leben beherrschenden Kategorien enthält zugleich seine V e r u r t e i l u n g . " 5 5

Zum anderen ist als Berührungspunkt die dialektische Polarisierung von Idee und Tatsächlichkeit zu nennen. "Sind T h e o r i e und Praxis w e d e r unmittelbar eines noch absolut verschieden, so ist ihr Verhältnis eines von Diskontinuität. Kein stetiger W e g führt von der Praxis zur Theorie. ...

53

Grab: Dogmatik, S. 474-492.

54

Dabei ist diese Schule w i e d e r u m in sich personell und historisch zu breit, um sie eindeutig zu identifizieren. Nur die Hauptlinien sollen hier grob skizziert und in bezug zu Nitzsch gesetzt werden. Vgl.: Wiggershaus, R.: Die Frankfurter Schule. Geschichte, theoretische Entwicklung, politische Bedeutung, M ü n c h e n 1986. Zum Versuch, die Praktische T h e o l o g i e und die Kritische Theorie in eine B e z i e h u n g zu setzen vgl.: Heyl, A.v.: Praktische T h e o l o g i e und Kritische Theorie. I m p u l s e für eine praktisch-theologische Theoriebildung, Stuttgart 1994. D a ß Nitzschs T h e o r i e k o n z e p t i o n auch eine kritische T h e o r i e im Sinne Schleiermachers ist, weil sie Idee und Tatsache a u f e i n a n d e r bezieht, um den Zustand kritisch zu prüfen, d ü r f t e inzwischen hinlänglich deutlich g e w o r d e n sein. Z u m W i s s e n s c h a f t s s y s t e m S c h l e i e r m a c h e r s v g l . Herms, E.: Herkunft, Entfaltung und erste Gestalt des Systems der W i s s e n s c h a f t e n bei Schleiermacher, Gütersloh 1974.

55

Horkheimer, M.: Traditionelle und kritische Theorie, in: ders.: Kritische Theorie 2, Frankfurt 1968, S. 137-191, hier 157.

114

C.I. Nitzsch: Praktische Theologie - 1847

Trotzdem verläuft die Praxis nicht unabhängig von Theorie, diese nicht unabhängig von jener. ... Das Verhältnis von Theorie und Praxis ist, nachdem beide einmal voneinander sich entfernten, der qualitative Umschlag, nicht der Übergang, erst recht nicht die Subordination. Sie stehen polar zueinander." 5 6

Ein weiterer Berührungspunkt ist das Ziel der Überwindung von Entfremdung zu herrschaftsfreier Kommunikation. Dort allerdings, wo Habermas das Nichtgeiingen als Normalfall konstatiert, setzt Nitzsch das vorauslaufende Handeln Gottes und damit die Rechtfertigung als Befähigung zur Selbstannahme und damit wiederum zur Annahme des anderen als Subjekt voraus. Die fundamentale Aufgabe kirchlicher Arbeit ist damit aber wiederum formuliert: das vorauslaufende Handeln Gottes zu verdeutlichen und annehmbar zu vermitteln. Ich möchte es bei dieser sehr knappen Bezugnahme auf die Kritische Theorie belassen. Die drei genannten Punkte haben ausschließlich hinweisenden Charakter und sind nicht als inhaltliche Übereinstimmungen zu verstehen. Trotzdem zeigen schon diese Punkte, daß man Nitzsch in keiner Weise den Vorwurf geistiger Enge und mangelnder Kritik an den Tatsächlichkeiten machen kann.

Verhältnis zu den Humanwissenschaften Das skizzierte System Nitzschs ist dynamisch-stabil, weil eine klare Zieloption theologisch hergestellt ist, aber gleichzeitig auch offen - entgegen der Beurteilung G. Ottos. Offenheit wird nicht durch die Preisgabe der theologischen Zieloption vorgenommen, sondern über die theologische Feststellung der Tatsächlichkeit mit Hilfe der Humanwissenschaften erreicht. Mehr als Hilfswissenschaften können sie in dieser Ordnung allerdings nicht sein. Mit ihrer Integration gelingt jedoch die Wahrung der Differenzierung und Spezialisierung praktisch-theologischer Arbeit. Die aus der Spannung von Begriff und Tatsache herausfließenden Handlungsregeln stellen denn auch keineswegs ein festes Disziplinengerüst für alle Zeiten dar. Im Gegenteil wird über die Spannung ein flexibles Netz ausgespannt, in das nicht nur die bestehenden Handlungsfelder eingetragen werden können, sondern vielmehr auch die Desiderata, die vernachlässigten Momente kirchlichen Handelns deutlich werden können, wenn - etwa auch durch die Humanwissenschaften - im Bereich der Tatsächlichkeiten Lücken offenbar werden. Das gelingt allerdings nur, wenn wirklich der Begriff im Mittelpunkt steht und nicht die bestehenden Tatsachen.

56

Adorno, Th.W.: Stichworte. Kritische Modelle 2, Frankfurt 1969, S. 189f.

Zusammenfassung und Diskussion

115

Stellt man aber nun die Tatsächlichkeiten - ob nun historisch ergründet oder psychologisch-soziologisch nachgespürt - ins Zentrum, dann bilden die Normen und die Kunstregeln die Außenbeziehungen. Inhaltlich bekommt die Struktur einen gänzlich anderen Charakter. Sie wäre deshalb unangemessen, weil gerade in der begrifflichen Methode das Theologische der Disziplin zum Tragen kommt. Es gibt weder theologische Kunstregeln, noch theologische Tatsächlichkeiten. Soll also das Theologische das Zentrum der Praktischen Theologie bleiben, dann muß die theologisch-begriffliche Norm im Mittelpunkt stehen, wenn man sich auf die dreiteilige Struktur, wie Nitzsch sie vorsieht, einlassen will.

Ebene 2: Die Funktion des Kirchenbegriffes Erst jetzt kann innerhalb des gesteckten Feldes von Handlungs- und Bildungsbegriff die Frage nach dem Subjekt des Handelns und dessen Funktion in Nitzschs Handlungstheorie gestellt werden. Interessant ist die Frage, ob sich das Subjekt nicht erst über das Handeln konstituiert. Verschärft werden diese Fragen durch die Erkenntnis, daß in der Subjektanalyse die grundlegendsten Fehler in der Geschichte der Pastoraltheologie gemacht wurden und in der heutigen Debatte über die Praktische Theologie die meisten immer noch gemacht werden.

Das Subjekt kirchlichen Handelns Nitzsch kennzeichnet das Subjekt kirchlichen Handelns mit dem Platzhalter 'Kirche'. Der Platzhalter wird von ihm durchgängig verwendet. Der Platzhalter ist jedoch nicht monolithisch zu verstehen, sondern ist - phänomenanalog - organisch strukturiert nach Handlungspositionen und Handlungsebenen. Nitzsch weiß durchaus, daß Abstrakta und Systeme nicht handlungsfähig sind, sondern allein immer nur Menschen handeln 57 als "Vernunftwesen oder Personen" 58 , allerdings in verschiedenen Positionen, auf verschiedenen Ebenen und nicht immer allein, sondern auch gemeinsam, in Gruppen und in 57

So gegen den "subjektlosen Handlungsbegriff" in Luhmann, N.: Soziale Systeme, 1984, S. 153, 167, 229 u.ö.

58

Herms, E.: Das Selbstverständnis der Wissenschaften heute und die Theologie, in: Kirche für die Welt, S. 349-387, hier S. 361 in bezug auf Husserls Rückbindung von Wissenschaft und Lebenswelt, in: Husserl, E.: Die Krisis der europäischen Wissenschaften und die transzendentale Phänomenologie (1934-37), hrg.v. Biemel, W., Husserliana VI, 1962 2 , S. 48ff, 123ff.

116

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Institutionen. Deshalb hält er eine genaue Kirchentheorie, die den Platzhalter und dessen Handeln bis in die personale Ebene hinein differenziert, mit Recht für unerläßlich.

Funktion des Platzhalters Der Platzhalter Kirche hat dabei folgende Funktionen für die Organisation der Praktischen Theologie 59 : 1. konstitutiv: Kirche ist das Konstitutionsprinzip der Disziplin Praktische Theologie gegenüber der Pastoraltheologie und den anderen theologischen Wissenschaften, weil kirchliches Handeln vom Handeln des Amtsträgers oder der Amtsträgerin und von sittlichem Handeln unterschieden wird. 2. orientierend: Die Tatsächlichkeit der Institution Kirche ist der empirische Gegenstand, über den die Praktische Theologie informiert. 3. normierend: Kirche ist der begriffliche Gegenstand, durch den kritisch das Gegebene theologisch bearbeitet werden soll, an dem die Tatsächlichkeit kritisch zu messen ist und durch den die Spannung erzeugt wird, die Kunstregeln ermöglicht. 4. regulierend: Kirche ist die Zieloption auf die sich die Praktische Theologie bezieht. Damit erfüllt sie gleichzeitig auch wieder die konstitutive Funktion.

Konstitution des Handlungssubjektes Ausgehend von der Unterscheidung zwischen Handeln an sich und Handlungsermöglichung wird die Konstitution des Subjektes durchgeführt. Nicht dort, wo 'die Kirche' handelt, findet per definitionem kirchliches Handeln statt. Es geschieht umgekehrt. Kirche konstituiert sich dort, wo solche Handlungsermöglichung erfolgt. Diese Definition basiert strukturell auf dem Kirchenbegriff der C A , die dort Kirche sieht, wo das Evangelium rein verkündet und die Sakramente dem Evangelium gemäß gereicht werden. Das ist für Nitzsch der kritische Maßstab, an dem sich jede Tatsächlichkeit von Kirche zu messen hat. Diese Bestimmung des Handlungssubjektes in der Gesamtheit der Kirche stellt gegenüber Schleiermacher klar, daß nicht Hervorragende in der Kirche handeln, sondern die Kirche selbst.60

59

Vgl.: Schweitzer: Kirche.

60

Vgl.: von der Goltz: Theologie; Birnbaum: Wandlungen, S. 41; Rössler: Mensch, S. 6; Wintzer: Konzeption, S. 102.

Zusammenfassung und Diskussion

117

Subjekt der Praktischen Theologie Gleichzeitig ist aber auch zu fragen, wer das Subjekt der Praktischen Theologie eigentlich ist - ist es auch hier die 'Kirche', oder ist es nur eine Elite innerhalb der 'Kirche' und wer oder was ist darunter zu verstehen? Nitzsch sieht auch die praktische Theologie als Teil kirchlichen Handelns und somit ist auch deren Subjekt die ganze 'Kirche'. Sie verschafft sich mit Hilfe der Theologie und gerade der Praktischen Theologie ein Bewußtsein ihrer selbst und ermöglicht somit auf der Basis göttlicher Erhaltung ihr eigenes Ermöglichungshandeln. Angelegt ist die Praktische Theologie, die Handlungsermöglichung zu reflektieren und trägt somit einen wesentlichen Teil zur Erbauung der Kirche und zur kirchlichen Arbeit bei. Insofern zeigt sich hier eine dreistufige Handlungspyramide. Ermöglicht wird das sittliche Handeln der Einzelnen und damit der Gesellschaft (1) durch das kirchliche Handeln (2). Dieses Handeln wird wiederum durch die Theologie und ganz besonders durch die praktische Theologie ermöglicht (3). Auf die Frage, wer in der Kirche an welchem Ort Praktische Theologie betreiben soll, geht Nitzsch nicht ein. Er setzt allerdings einiges stillschweigend voraus. Zum einen den Ort der Universität. Praktische Theologie ist eine akademische Disziplin. Zum anderen setzt er damit voraus, daß diejenigen, die sich professionell mit der Praktischen Theologie befassen, akademisch gebildete Theologen sind. Übertragen auf ihre Position innerhalb der Kirche gehören sie demnach aufgrund ihrer Kompetenz zum natürlichen oder positiven Klerus. Durch die Dreiteilung der Handlungspyramide hat Nitzsch gegenüber Schleiermacher aber für das kirchliche Handeln alle in der Kirche in die Verantwortung genommen. 61 Nur deren Instandsetzung zum kirchlichen Handeln wird durch Hervorragende übernommen.

Ebene 3: Materiale Füllung des Kirchenbegriffes Der Kirchen- und der Gemeindebegriff bei Nitzsch sind durchaus schon untersucht worden, historisch 62 wie wissenschaftstheoretisch 63 . Historisch sei nur eine kleine Randbemerkung erlaubt. Nitzschs wissenschaftstheoretisches Programm hängt enger mit den Liberalisierungstendenzen vor 1848 zusammen, als Mehlhausen es darstellt. Auch wenn Nitzsch - etwa in der Generalsynode

"

Vgl. Kap. II. 1. 3. Das Subject der kirchlichen Tätigkeiten.

62

Vgl.: Mehlhausen: Recht.

63

Vgl.: Schweitzer: Kirche.

118

C.I. Nitzsch: Praktische Theologie - 1 8 4 7

- versucht, sich dem Liberalismusvorwurf zu entziehen, wurde er mit Recht als Liberaler und als Demokrat verdächtigt64. Mehlhausen unterstellt, daß Nitzsch aufgrund seiner gemäßigten Haltung gegenüber der Abschaffung des landesherrlichen Kirchenregiments nicht zu den Demokraten und Liberalen gehöre. Das ist parteipolitisch sicher richtig. Aber wer sich dafür einsetzt, "die Gemeinden aus der Passivität in ein mitwirkendes Interesse" zu führen, und eine "geordnete Freiheit des Theilnehmens an dem wesentlichen kirchlichen Thun als Ziel" verlangt, also eine Beteiligung am kirchlichen Handeln von unten für jeden Einzelnen und zwar über die Idee des allgemeinen Priestertums fordert, versucht wesentliche Forderungen der vormärzlichen Demokratiebewegung innerhalb der Kirche zur Geltung zu bringen. Nitzsch hat damit in der Kirche die Demokratisierung Deutschlands vorwegzunehmen versucht, auch wenn es ihm vielleicht nicht bewußt war. Den Gegnern dieser Forderungen war es offensichtlich. Sie haben vielleicht besser als er selbst gewußt, welche politische Sprengkraft seine Forderungen hatten. Doch war die Demokratiebewegung nicht der Grund, weshalb Nitzsch so auf dem Recht des Einzelnen und der Gemeinde bestand. Zu behaupten: "De facto jedoch orientierte sich das Leitbild einer Volkskirche an der liberalen Vorstellung einer egalitären Gesellschaft, die mit der Berufung auf das Wesen der christlichen Liebe in die kirchliche Gemeinschaft übertragen wurde"65, verkennt, daß diese "liberalen" Vorstellungen auf der immer wieder gegen zahlreiche Widerstände wachgehaltenen theologischen Idee des allgemeinen Priestertums basieren. Daß nun endlich diese Idee auch in die soziologische Gestalt der Kirche und der gesamten Gesellschaft Wirksamkeit entfalten sollte, war folglich eine Konsequenz theologischer Erkenntnis und keine politische Übernahme des Demokratiegedankens in die Kirche. Die Konkretion des Kirchenbegriffs wird dann näher ersichtlich, wenn man innerhalb des Handlungsbegriffes zwischen Handeln an sich und handlungsermöglichendem Handeln differenziert. Die Kirche ist handlungsermöglichendes Subjekt und zwar wiederum auf zwei Ebenen. Aus der "logischen Analyse des Kirchenbegriffs" 66 ermittelte Nitzsch "diejenigen Handlungen, durch welche sie [die Kirche, L.E.], was Christi Vermächtnis ist, empfängt,

64

Wobei mit aller Deutlichkeit gesagt werden muß, daß das auch in bezug auf die damaligen Verhältnisse keineswegs etwas Ehrenrühriges darstellt, im Gegenteil.

65

Jäger: Konzepte, S. 104. Jägers Urteil über Nitzsch basiert auf dem Vorurteil, Nitzsch habe aus politischen Gründen vor 1 8 4 8 auf die Demokratie gesetzt und nach ihrem Scheitern wiederum aus politischen Gründen den Kompromiß im Kirchenregiment nach Hausvätersitte gesucht.

66

Nitzsch: PTh III. 2, S. X .

landesherrlichen

Zusammenfassung und Diskussion

119

genießt, gewährt und mittheilt" 67 . Die kirchliche Ordnung habe in allen Ebenen diesen Funktionen des Kirchenbegriffes zu folgen. Die Handlungsermöglichung erfolgt also zum einen durch Annahme des Evangeliums und zum anderen durch Verbreitung desselben. Der empfangende Charakter ist dann wiederum die Handlungsermöglichung der Verbreitung. Damit wird die Einsicht unterstrichen, daß die Kirche nicht aus sich selbst heraus lebt, sondern aus dem, was ihr und allen Menschen geschenkt ist, die Zuwendung Gottes zum Menschen. Entscheidend in der Analyse des Kirchenbegriffs über den Handlungsbegriff ist wiederum die Denkrichtung. Es ist wichtig, daß nicht dort, wo 'die Kirche' handelt, kirchliches Handeln stattfindet, sondern umgekehrt: Kirche konstituiert sich dort, wo solche Handlungsermöglichung im Sinne des Evangeliums geschieht, wo über Annahme und Zuspruch Freiheit aus Rechtfertigung 68 wirksam wird. Alle Handlungspositionen des Gesamtsubjekts 'Kirche' gewinnen hierüber ihre kirchliche Identität, Legitimität, und Autorität. Geschieht diese Handlungsermöglichung nicht mehr, dann ist das, was als Kirche gilt, keine Kirche mehr. Durch die richtige Formulierung des Kirchenbegriffs über die Handlungsermöglichung werden falsche Ausgrenzungen vermieden, und zugleich wird eine Randschärfe erzeugt. Der Kirchenbegriff bleibt jedoch dynamisch genug, Veränderungen der Anforderungen verarbeiten zu können. Diese handlungstheoretische Bestimmung des Platzhalters Kirche wird dann in Beziehung zum ekklesiologischen Kirchenbegriff gesetzt. Hier orientiert sich Nitzsch wie schon angemerkt an CA VII und VIII. 69 Annahme und Verbreitung des Evangeliums erfolgen durch Wort und Sakrament. Damit wird eine weitere Unterscheidung eingeführt. Zum einen ist Kirche die Gemeinschaft der Heiligen, die sittlich handeln als individuelle und gesellschaftliche Größen. Zum anderen aber definiert der Kirchenbegriff Kirche als kon-

67

Nitzsch: PTh III. 2, S. 10.

68

Wenn man das christliche Wirklichkeitsverständnis so zusammenfassen will. Ob man es kann, ist aber ja wiederum durch die Theologie, auch durch die Praktische, zu erweisen. Daß es so sinnvoll geschehen kann, haben Härle, W./ Herms, E.: Rechtfertigung. Das Wirklichkeitsverständnis des christlichen Glaubens, Göttingen 1979, gezeigt.

69

Vgl. zur Bedeutung der CA im beginnenden 19. Jhdt. Mehlhausen, J.: Zur Wirkungsgeschichte der Confessio Augustana im 19. Jahrhundert. Eine historisch-theologische Skizze, in: MEKGR 30, 1981, S. 41-71. Mehlhausen verweist auch auf die beiden Festpredigten Nitzschs von 1830: "Die Freude an der Gemeinde-Wahrheit" (1. Petr 1,25) und "Wie segensreich ist die zu Augsburg behauptete Reformation für Schule und Erziehung geworden", beide in: Nitzsch, C.I.: Predigten aus der Amtsführung in Bonn und Berlin. Neue Gesammt-Ausgabe, Bonn 1867, S. 165-181.

120

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stituiert aus Predigt und Sakrament zur Verwirklichung des Gottesreiches, als creatura verbi divini, als konstituiert über Handlungsermöglichung. Somit ist sowohl Ursprung und Funktion wie auch die Gestalt von Kirche vollständig beschrieben, jedenfalls in ihren notwendigen Grundvoraussetzungen. Beide Elemente sind in CA VII und VIII als konstitutive und vollständige Definition angesprochen: "congregado sanctorum, in qua evangelium pure docetur et recte administrantur sacramenta" 70 - so die vollständige Definition, wie es das "satis est" 71 nicht nur konfessionsapologetisch, sondern auch kirchentheoretisch deutlich zum Ausdruck bringt. Gerade in der dynamischen Stabilität dieser Begriffsdefinition liegt die Stärke von CA VII und VIII. 1530 wandte sich die Formulierung gegen eine Monopolisierung der Kommunikation des Evangeliums in römischen Vollzügen, und auch heute wendet sich die Formulierung gegen ein Festlegen in verfaßte Formen. Verbindet man nun Nitzschs Definition mit der der CA, dann wird deutlich, daß dort, wo Predigt und Sakramentsausteilung nicht geschehen, das, was sich Kirche nennt, aufhört Kirche zu sein. Konkreter Ort dieses Geschehens ist für Nitzsch die Gemeinde und das hat zu Mißverständnissen geführt. Bezüglich des Platzhalters 'Kirche' als Subjekt des zu untersuchenden Handelns zitiert z.B. G. Otto Nitzsch mit dem Satz: "Das Subjekt der kirchlichen Ausübung des Christentums ist der ersten Potenz nach weder der einzelne Christ als solcher noch der Kleriker, sondern eben die Kirche ...". 72 Es ist dabei interessant, daß das Zitat hier abbricht und die restlichen wichtigen Interpretamente des Kirchenbegriffes gar nicht mehr auftauchen. Otto interpretiert Kirche bei Nitzsch als Gemeinde, als lokal gebundene Ortsgemeinde. 73 Ottos Vorwurf, diese Bestimmung würde der komplexen Wirklichkeit, auf die sich die Praktische Theologie heute beziehen muß, nicht gerecht, ist aus diesem Verständnis des Kirchenbegriffs heraus natürlich richtig. Alle übergemeindlichen Handlungen, kirchlich nicht verfaßten Subjekte, gesellschaftliche Phänomene außerhalb der verfaßten Kirche etc. würden dann vernachlässigt oder gar nicht erfaßt. Nur hat Nitzsch mit Kirche

70

B S L K 61.

71

Ebd.

72

Nitzsch: PTh I, S. 22.

73

S o zitiert übrigens auch Niebergall Nitzsch. Ich will G. Otto nicht unterstellen, er habe das Zitat von Niebergall kritiklos übernommen. Trotzdem wäre es besser, er hätte den Satz zu Ende zitiert, denn der Zusammenhang mit Niebergall drängt sich auf. Vgl. Niebergall: Theologie, S. 5f. Er setzt ebenfalls Kirche mit Gemeinde gleich und weiß sich deshalb in diesem Punkt von Nitzsch und Achelis unterschieden, auch wenn er noch auf S. 3 meint, er stimme mit dem Inhalt der Praktischen Theologie Nitzschs überein.

Zusammenfassung und Diskussion

121

weder Gemeinde gemeint, noch statt Kirche Gemeinde geschrieben. Wo er von der Gemeinde eine Linie zur Kirche zieht, geschieht es zur Unterstützung der Rechte der Gemeinde gegenüber einer Konsistorialverfassung, also in einem völlig anderen Zusammenhang als die Überlegungen zum Subjekt kirchlichen Handelns. Diese Mißverständnisse zeigen auch, wie wichtig Subjektsanalyse gerade in Hinblick auf den Platzhalter 'Kirche' in der Praktischen Theologie ist. Daß es eigentlich keine Mißverständnisse geben kann, wird noch unterstrichen, wenn man die Argumentationskette Nitzschs in der Frage des Amtes verfolgt. Nitzsch geht in der Frage der materiellen Füllung des Subjektes von unten an das Problem heran. Über den Gedanken des allgemeinen Priestertums sieht er jedes Mitglied der Kirche prinzipiell als Amtsträger oder Amtsträgerin. Er folgt dabei seiner Grundüberzeugung, daß eine Gemeinschaft von Menschen immer eine in sich strukturierte Organisation ist. Deshalb differenziert er das Subsystem 'Amt' weiter nach gebundenem und ungebundenem Amt im Gefolge Schleiermachers. Eine weitere Differenzierung nimmt er dann nicht vor. Beide Ämter werden aber nicht qualitativ unterschieden, sondern nur nach dem Gesichtspunkt der formalen Anerkennung. 74 Als Handlungsebenen ergeben sich aus dieser Unterscheidung nur zwei: 1. gebundenes Amt; 2. ungebundenes Amt. Anstatt vom Amtsträger der Ortsgemeinde aus, etwa dem Pastor oder der Pastorin, das Amt oder die Ämter der Kirche zu definieren, geschieht es hier genau umgekehrt. Hier liegt auch der gewichtige Unterschied gegenüber der Pastoraltheologie. Damit ist jede Art des Vorwurfs zurückzuweisen, Nitzsch hätte die Praktische Theologie aus der Weite Schleiermachers in die Enge ekklesiologischer Dogmatik getrieben.

Ebene 4: Rezeption Aktueller Bezug Die aktuelle Bedeutung des Entwurfes ist von Fr. Schweitzer zu Recht darin gesehen worden, daß der Ansatz "die angemessene Bearbeitung von Aufgaben und Problemen verspricht, die sich damals wie heute als unausweichlich bezeichnen lassen" 75 . Dem Kirchenbegriff als Kernstück der Praktischen Theologie gelingt es nämlich, zum einen dem theologischen Anspruch des reformatorischen Kirchenverständnisses gerecht zu werden und zum anderen zu14

Vgl. dieses Kriterium schon in Nitzschs Observationes von 1831.

75

Schweitzer: Kirche, S. 77.

122

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kunftsweisend nach vorne die Bedingungen der Moderne aufzugreifen. Über Schweitzer hinaus sehe ich die wesentliche Bedeutung der Bestimmungen Nitzschs in seiner Dialektik und in der Bestimmung des Kirchenbegriffs über den Handlungs- und Bildungsbegriff. Von diesem begrifflichen Zentrum aus sollte eine Bestimmung kirchlichen Handelns und eine Konstituierung der Praktischen Theologie ausgehen. Wichtig sind dabei die dialektischen Beziehungspole, die Herangehensweise selbst. Nitzsch wollte mit seinem dialektischen Ansatz bestimmte Problemkonstellationen bearbeiten, die sich auch heute noch stellen. Bearbeitbar werden dadurch zumindest zwei Problemkreise. Zum einen das Auseinandertreten von christlicher Religionspraxis und wissenschaftlicher Theologie, wie sie in der Moderne aufgebrochen sind. Damit zusammen hängt die Vernachlässigung der subjektiven Religiosität, die einseitig als Gegensatz von persönlicher Erfahrung gegenüber theologischer Theorie verstanden wird. Eine weitere aktuelle Frage ist, wodurch Handeln ermöglicht wird. Hier muß sich Nitzsch Kritik gefallen lassen. Die "äußeren Kennzeichen"76 "Predigt und Sacrament" sind für Nitzsch die entscheidenden "Mittel der Verwirklichung", da das "Reich Gottes ... in dieser Welt keine andre Pforte des Eingangs und Zuganges als die Kirche selbst"77 besitze. Nitzsch sieht im "Dienst am Wort ... immer wieder das sich selbst begründen der Kirche"78. Handlungsermöglichung erfolgt in zu fest gedachten Strukturen. Wenn man die Begriffe, die er benutzt, im Zusammenhang mit den festen äußeren Kennzeichen liest, bleibt mancher Dienst am Wort auf der Strecke. Historisch ist vielleicht in der vollständigen Definition der CA VII nur an die Sonntagspredigt und die gottesdienstliche Abendmahlsfeier als Monopolfall von evangelium pure docetur et recte administrantur sacramenta gedacht. Doch kann sich diese Bestimmung eben auch historisch verändern. Es ließe sich spekulieren, ob das Reich Gottes sich in der Welt nur durch Predigt und Sakrament verwirklicht. Wenn man die Argumentationsrichtung wo Handlungsermöglichung im Sinne des Evangeliums geschieht, ist Kirche konsequent sieht, dann gehört mehr dazu als Predigt und Sakrament, etwa die Erziehung im Elternhaus, in Familie und Schule. Der Bildungsaspekt greift über die institutionelle Kirche hinaus und kritisiert die bestehenden Strukturen mehr, als es bei Nitzsch geschieht. Hier wäre der stärkste Kritikpunkt an Nitzsch, daß er seinen kritischen Ansatz nicht weit genug auf die bestehenden

76

Nitzsch: PTh I, S. 13.

77

Nitzsch: PTh I, S. 13f.

78

Nitzsch: PTh I, S. 112.

Zusammenfassung und Diskussion

123

Strukturen angewandt hat. Er rechnet zwar in seinen Formulierungen damit, daß die Gemeinschaft der Heiligen als sittlich Handelnde auch im ethisch verstandenen Christentum über die Kirche hinausgeht, aber das weist er der theologischen Ethik zu. Weiter bedacht werden müßten mit Hilfe dieser Bestimmung die Fragen nach einer integrativen Sicht der Gemeinschaft der Heiligen neben der institutionellen Kirche. Das Subjekt des Handelns, der Platzhalter 'Kirche', ist heute zudem in weiterer Vertiefung zu thematisieren, etwa im Hinblick auf die Systemtheorien, die Institutionentheorien und auf die Fragen nach dem Handlungs-, Subjekt- oder Personenbegriff. Hier ist die wissenschaftliche Arbeit weiter vorangeschritten.

Wirkungen des Entwurfes Geht man noch einmal auf die Wirkungsgeschichte Nitzschs ein, dann fällt auf, daß die Vorgehensweise Nitzschs nicht eingehalten wurde. Es wurde keine dialektische Vorgehensweise praktiziert. Es ist nicht bei der spannungsvollen Einheit der Methoden und der systematischen Behandlung der Praktischen Theologie geblieben. Vielmehr haben sich die Einzeldisziplinen stark verselbständigt und zudem ist eine Rückkehr zur Pastoraltheologie zu verzeichnen. Die Gründe für dieses Verhalten seien erst einmal dahingestellt, klar ist aber, daß keiner das Programm konsequent in Nitzschs Konstruktion als Spannungsbogen weitergeführt hat. Kein Entwurf hat sich der Tendenz entziehen können, sich entweder in der logischen Methode oder der empirischen zu verlieren, allerdings eben in ihren verkürzten Versionen, nämlich als dogmatische Ekklesiologie oder als kirchliche Soziologie. Als Vertreter der ersten Richtung sind G.v. Zezschwitz, Th. Harnack, Chr. Achelis und später E. Thurneysen anzusehen, Vertreter der zweiten Tendenz sind O. Baumgarten, P. Drews und F. Niebergall. Eine Methodik und ein Reichtum an Ergebnissen wie bei Nitzsch ist im ganzen 19. Jahrhundert allerdings nicht mehr zu sehen. Nitzsch geht mit seinen Überlegungen systematisch weit über das hinaus, was in seinem Gefolge angetreten ist, darin liegt seine bleibende Bedeutung.

Bedeutung für die Einheit der Praktischen Theologie Die größte Bedeutung Nitzschs liegt in seiner dialektischen Methode mit einer theologisch erarbeiteten Begrifflichkeit. Hier findet die Praktische Theologie auch ihre kritische Begrenzung. Die über die Außenbeziehungen

124

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feststellbaren Tatsächlichkeiten werden dann zur Praktischen Theologie, wenn sie in ein Verhältnis zum Begriff gesetzt werden. Damit ist eine Einheit gegeben, ohne die Ordnung nach außen abschließen zu müssen. Die gesamte Ordnung ist dabei einig in der Zielfunktion, der Handlungsermöglichung. Der zweite wichtige Punkt ist, daß die Zielfunktion auch die Einheit der Kirche herstellt. In der Einheit der Kirche liegt dann wiederum die Begründung der Einheit des kirchlichen Amtes und damit die Ermöglichung der Einheit der Praktischen Theologie, die dann rückwirkend kirchliches Handeln strukturieren kann. Damit ist in Hinblick auf die Beziehung zwischen Kirchenbegriff und Ordnung der Praktischen Theologie zu sagen, daß Nitzsch nicht vom Kirchenbegriff ausgegangen ist, sondern vom Handlungsbegriff und von der inhaltlichen Funktion der Kirche, die damit kompatibel ist. Die Denkrichtungen Nitzschs sind zu beachten. Er geht nicht vom ekklesiologischen Begriff aus, sondern immer von den kategorialen Grundbegriffen, um von dort aus dann wieder in seiner gewohnt dialektischen Weise zu einer Definition des Kirchenbegriffes und der Praktische Theologie zu kommen.

"Wenn einer eine Leiter emporgeklettert ist und sie nicht mehr braucht, dann kümmert's ihn auf der Höhe auch nicht, wenn ein anderer die Leiter wegträgt und seinerseits sie zum Emporklettern an eine andere Wand lehnt. "*

III. Gerhard v. Zezschwitz: System der Praktischen Theologie - 1876 Während C.I. Nitzsch immer an preußischen Fakultäten tätig war1 und insofern durch die preußische Kulturpolitik beeinflußt wurde, gehört der Wirkungskreis v. Zezschwitz's 2 in den sächsisch-bayerischen Raum, insbesondere nach Erlangen: Von Zezschwitz gehört wie Th. Harnack zur sog. "Erlanger Schule"3. Der praktisch-theologische Lehrstuhl in Erlangen war in augenfälliger Parallele zur Errichtung des Lehrstuhls in Berlin eingerichtet worden4. In der Auseinandersetzung zwischen dem Oberkonsistorium und der Fakultät im Vorfeld der Errichtung betonte die Fakultät die Notwendigkeit, die Anleitung zum Amt durch die Praktische Theologie zu unterfüttern, denn: "...; erst die Praktische Theologie erkläre die Bedeutung der kirchlichen Praxis und stelle ihren Zusammenhang mit der theologischen Wissenschaft her."5 Die Fakultät konnte sich im Wesentlichen durchsetzen, und der Lehrstuhl wurde unter ausdrücklichem Rückgriff auf Schleiermachers hermeneutische Prinzipien und

* Wilhelm Raabe: Notizbucheintrag 7. Februar 1876. 1

Wittenberg, Bonn und Berlin, vgl. Kap II, Anm. 7.

2

Es gibt zu von Zezschwitz allgemein oder zu seiner Praktischen Theologie nur wenige Monographien o.a. In den Hochschulschriften der Deutschen Bibliothek 1945-1992 werden nur Antony, Ζ.Α.: Die Lehre vom Katechumenat bei Gerhard von Zezschwitz, ErlangenNürnberg 1959 - IV, 221 S.; Theol. Diss. ν. 24. April 1959 und Koziol, Kl.: Der Katechumenat bei C.A.G. von Zezschwitz und in der Gegenwart, Greifswald 1964 - 205 Bl. in getr. Pag.; 4 [Maschinenschr.] Theol. Diss. ν. 28. Jan. 1964 (Nicht f. d. Aust.) genannt. Neu hinzugekommen ist jetzt allerdings Markus Ambrosy: Gerhard von Zezschwitz. Leben und Werk, Frankfurt/M. u.a. 1998 (Europäische Hochschulschriften: Reihe 23, Theologie. Bd.643). Dieses Werk konnte jedoch nicht mehr eingearbeitet werden.

3

Vgl. Beyschlag, K.: Die Erlanger Theologie, Erlangen 1993, S. 83-118, bes. zu v. Zezschwitz S. 111-118. Harnack war ab 1853 Ordinarius in Erlangen.

4

Zu den Problemen mit der reaktionären Politik in Preußen bzw. Erlangen vgl. Klaus, B.: Die Anfänge der Praktischen Theologie in Erlangen, in: ZbKG 32, S. 296-314.

5

Klaus: Anfänge, S. 302 faßt so die Meinung der Fakultät zusammen nach den Quellen: LandeskirchlichesArchiv Nürnberg, Prot. Oberkonsistorium, Nr.: 768 und 769 (Gutachten der Fakultät vom 24.11.1832, Stellungnahme Niethammers über Winers Bericht vom 30.06.1830, die Eingabe des Oberkonsistoriums an das Kultusministerium vom 11.07.1832 und das Votum Niethammers vom 02.09.1832).

126

G. v. Zezschwitz: System der Praktischen Theologie - 1876

auf J.A.W. Neander und Fr. Lücke (1791-1855)6 am 30.05.1833 mit der Berufung J.W.F. Höflings errichtet. Dabei sollten jedoch pastoraltheologische Momente ebenfalls mit in die Gesamtkonzeption einbezogen werden. Die Praktische Theologie in Erlangen steht insofern in einer modifizierten Linie Schleiermacher/Nitzsch. Darüber hinaus gab es auch persönliche und kulturpolitische Verbindungen zu Nitzsch. Nitzsch verbindet mit Höfling u.a., daß Höfling sich in seinen liturgischen Grundsätzen 7 ausdrücklich auf Nitzsch berief 8 . Und das Münchener Protestantische Konsistorium war dem Ansatz Nitzschs so stark verbunden, daß es 1839/40 und noch 1848 sogar Nitzsch selber dazu bewegen wollte, nach Erlangen zu kommen, auch wenn man diesen Plan wieder aufgab 9 . "Jedenfalls wurde die durch Nitzsch erfolgte Modifizierung des schleiermacherschen Verständnisses der Praktischen Theologie für die Erlanger wegweisend und fand ihre besondere Ausprägung bei Höflings Nachfolgern Theodosius Harnack und Gerhard von Zezschwitz."10 Begonnen hat Gerhard von Zezschwitz's Laufbahn 1852 als Hilfsgeistlicher in Großzschocker (bei Leipzig). Er hat danach während seiner Zeit in Leipzig von 1856 bis 1861 zusammen mit dem späteren Erlanger Systematiker F.H.R. v. Frank (1827-1894) über G.C.A. Harleß (1806-1879) Zugang zum konfessionellen Luthertum gefunden und war zuletzt in Leipzig a.o. Professor für Neues Testament und Katechetik geworden. 1861 ließ sich v. Zezschwitz für zwei Jahre aus gesundheitlichen Gründen beurlauben, ging nach Neuendettelsau und hatte engen Kontakt zu W. Löhe (1808-1872)11. Über verschiedene Wirkungen in Frankfurt a. M., Basel und Gießen kam v. Zezschwitz 1867 nach Erlangen: Nachdem Th. Harnack 1866 nach Dorpat wechselte, wurde v. Zezschwitz nach Erlangen auf den Lehrstuhl für Praktische Theologie berufen, allerdings nicht ohne Probleme12. 6

So ausdrücklich im Gutachten der Fakultät vom 21.11.1832: LkA Prot. Oberkons. Nr. 769. Vgl. dazu auch Simon, M.: Die innere Erneuerung der theologischen Fakultät Erlangen im Jahr 1833, in: ZbKG 30 (1961), S. 51-69, bes. 62.

7

Die praktisch-theologische Reflexion über den Gottesdienst ist bei Höfling dabei kein Randthema der praktischen Theologie, sondern deren zentraler Ausgangspunkt. Vgl. Klaus: Anfänge, S. 310. Höfling sieht sich selbst also in wesentlicher Übereinstimmung mit Nitzsch.

8

Vgl. Kreßel, H.: Die Liturgik der Erlanger Theologie, Göttingen 1946, S. 31.

9

Vgl. LkA Prot. Oberkons. Nr. 769 und 771.

10

Klaus: Anfänge, S. 304.

"

Vgl.: Zezschwitz: System der Katechetik, S. XVf: Seine Beziehung zu Löhe hatte ihn in München politisch verdächtig gemacht.

12

Vorgesehen war vom Oberkonsistorium eigentlich Adolf Stählin (1823-1897), die Fakultät

G. v. Zezschwitz: System der Praktischen Theologie - 1876

127

Von Zezschwitz übernahm mit dem Lehrstuhl für Praktische Theologie zugleich die vakante Dozentur für Pädagogik an der Philosophischen Fakultät und ab 1868 auch das Amt des Universitätspredigers13, erst neben, dann nach G. Thomasius (1802-1875). Er war nebenbei noch als Betreiber eines Studentenwohnheims 14 , als Studentenseelsorger und an einer von ihm mitgegründeten Mädchenschule als Lehrer für Literatur und Kunstgeschichte tätig15. Von Zezschwitz wirkte in Erlangen bis zu seinem Tode 1886. 16 In seine Erlanger Zeit fällt sein hauptsächliches literarisches Schaffen: das "System der christlichen kirchlichen Katechetik" (1863-72) 17 , das "System

favorisierte v. Zezschwitz. Nur aufgrund eines Sondervotums von Harleß wurde v. Zezschwitz dann berufen, obwohl er als politisch verdächtig galt und zu wenig Praxiserfahrung in Bayern hätte. In der ausführlichen Begründung der Ablehnung des Oberkonsistoriums werden die Befürchtungen so formuliert: "Darin irren wir wohl nicht, wenn wir glauben, daß das Lehrfach der pract. Theologie in der Hand von Männern, welche vermöge persönlicher Neigung mehr gelehrten Studien zugewendet, gar nie oder nur zu kurze Zeit im pract. Amt gestanden, vorwiegend in wissenschaftlicher, gelehrter, historischer, zu wenig in practischer Richtung behandelt worden ist." Vgl. Klaus: Anfänge, der die politischen Probleme der Berufung ausführlich schildert. Dazu vgl. auch: Kolde, Th.: Die Universität Erlangen unter dem Hause Wittelsbach 1810-1910, Erlangen 1910, 1991 2 , S. 440, sowie Heckel, Th.: Adolf v. Harleß. Theologie und Kirchenpolitik eines lutherischen Bischofs in Bayern, München 1933, S. 54. 13

Vgl. die von seinem Sohn Gerhard herausgegebenen Universitätspredigten: Zezschwitz, A.G.V.: Der Hirt und seine Herde, Erlangen 1891.

14

Das Haus für 12 Studenten lag hinter dem Garten des Wohnhauses von Zezschwitz's, das wiederum direkt neben dem Delitzschs an der Neustädter Kirche lag. Vgl. Zezschwitz, G.V.: Das theologische Studienhaus zu Erlangen, Erlangen 1869.

15

Daraus resultierten u.a. auch seine mediävistischen Monographien über das deutsche Kaisertum: Zezschwitz, G.v.: Vom römischen Kaisertum deutscher Nation. Ein mittelalterliches Drama, nebst Untersuchungen über die byzantinischen Quellen der deutschen Kaisersage. Mit Facsimile in Lichtdruck, Leipzig 1877 (VIII. 248 S. 8). Dazu gibt es eine Rezension im LZD vom 4. August 1877, Sp. 1063-1065. Von Zezschwitz hat dieses Thema noch einmal aufgenommen in: ders.: Das Drama vom Ende des römischen Kaisertums und von der Erscheinung des Antichrists nach einer Tegemseer Handschrift des 12. Jahrhunderts, Leipzig 1878; ders.: Der Kaisertraum des Mittelalters nach seinen religiösen Motiven, Leipzig 1877. Für das letzte auf einen Vortrag in Stuttgart am 3. Januar 1877 zurückgehende Büchlein (31 S. kl.8, 0,60 M) gibt es ebenfalls eine kurze Rezension in der ThLBl (B) 1877, Sp. 211. An diesen historischen Studien wird zweierlei deutlich: v. Zezschwitz's "historisches Naturell" (Beyschlag: Theologie, S. 111) und seine deutsch-nationale Gesinnung (vgl. die Charakterisierung durch den Rezensenten im Literarischen Centralblatt).

16

Zu Biographie und Bibliographie vgl.: Ficker, Th.: Art.: Zezschwitz, von, in: RE 3 XXI, S. 670-673.

"

Zezschwitz, G.v.: System der christlichen kirchlichen Katechetik. Bd. 1: Der Katechumenat oder die Lehre von der kirchlichen Erziehung nach Theorie und Geschichte,

128

G. v. Zezschwitz: System der Praktischen Theologie - 1876

der Praktischen Theologie" (1876-78) 18 , das "Lehrbuch der Pädagogik" (1882) und einige Teile in Zöcklers "Handbuch der theologischen Wissenschaften"19. Einen Namen hat er sich besonders durch seine Katechetik gemacht. Aus der Beschäftigung mit der Katechetik heraus sind ihm auch wesentliche Überlegungen zum gesamten Feld der Praktischen Theologie erwachsen. Heute noch ist seine Untersuchung zur Geschichte der Katechetik ein Klassiker.20 Wirksam wurde sein Ansatz des Systems der Praktischen Theologie als Theorie der Selbstverwirklichung der Kirche im 20. Jahrhundert besonders bei A.D. Müller (* 1890) 21 . Für die Fragestellung dieser Arbeit soll analog zum Verfahren bei Nitzsch allein der Entwurf des Systems der Praktischen Theologie von 1876-78 untersucht werden. Von Zezschwitz's akademische Antrittsrede von 1867 22 , in der er sich mit dem damaligen Wissenschaftsbegriff, der Stellung der Theologie und der Geschichte der Praktischen Theologie auseinandersetzt und seine eigene Stellung in dieser Struktur zu charakterisieren versucht, soll nur für die Frage der Beurteilung Nitzschs durch v. Zezschwitz als Glosse hinzugezogen werden, da v. Zezschwitz sich in seinem System der Praktischen Theologie nicht ausführlich zur Geschichte der Disziplin äußert und auch Nitzschs Entwurf nicht diskutiert. Ebenfalls sollen die in §§ 1-5 des ersten Bandes des

Leipzig 1863; Bd. 2,1: Der Katechismus oder der kirchlich-katechetischeUnterricht nach seinem Stoff, Leipzig 1864; Bd. 2,2: Die Katechese oder der kirchlich-katechetische Unterricht nach seiner Methode, Leipzig 1869/72. 18

Zezschwitz, G.v.: System der Praktischen Theologie. Paragraphen für akademische Vorlesungen, 3 Bde.: I. Principienlehre, II. Die Lehre von der Mission, von der kirchlichen Erziehung und vom Communionkultus, III. Seelsorge und Kirchenverfassung, Leipzig 1876-78. Das vorliegende Exemplar ist in einem Band gebunden. Das Vorwort zur Gesamtausgabe ist vor dem letzten Band eingebunden und stammt vom November 1877.

19

Zezschwitz: Die Praktische Theologie. 1. Einleitung, 2b. Katechetik, 2c. Homiletik, 2d. Geschichte der Predigt, in: Zöckler: Handbuch, Nördlingen 1883 (III. Ethik und PTh), Nördlingen 1885 2 (Bd. IV. PTh und Register); München 1890 3 (IV. PTh).

20

Vgl. in bezug auf "Zezschwitz: System der Katechetik, Bd. 1. Der Katechumenatoder die Lehre von der kirchlichen Erziehung, Leipzig 1863", Rössler: Grundriß, S. 521: "Im Blick vor allem auf die Erschließung der älteren Quellen ist die überaus eingehende Geschichte der Katechetik von G. v. Zezschwitz noch unüberboten".

21

Vgl. die übereinstimmende Theologie, Berlin 1954, S. theologische Lehre von der und durch die Kirche in der

22

Zezschwitz, G.v.: Der Entwicklungsgang der Theologie als Wissenschaft, insbesondere der Praktischen. Eine akademische Rede, Leipzig 1867.

Formulierung bei Müller, A.D.: Grundriß der Praktischen 17: "Dann kann, ... , unter Praktischer Theologie nur die richtigen Verwirklichung des Reiches Gottes in der Kirche Welt verstanden werden."

G. v. Zezschwitz: System der Praktischen Theologie - 1876

129

Systems der Katechetik bereits 1862 formulierten Gedanken über die "Ableitung der praktischen Disciplinen aus dem Wesen der Kirche" und die gesamte Praktische Theologie ebenfalls nur als glossarische Anmerkungen die Gedanken des Systems der Praktischen Theologie begleiten. Von Zezschwitz's System der Praktischen Theologie erschien zwischen 1876 und 78 in drei Bänden in der J.C. Heinrichs'sehen Buchhandlung, Leipzig23. Er nennt seinen Entwurf nicht Lehrbuch, sondern ausformulierte Paragraphen für seine Vorlesungen über Praktische Theologie. Wohl aus diesem Grund ist die Lektüre keinesfalls ein Vergnügen: "Die Paragraphen sind, wie Z. selbst sagt, 'stoffreicher, als man dieses liebt', zudem ist 'die Form des Ausdruckes nicht ohne Absicht so gehalten, daß sie zu denken gibt', und die Darstellung des Verf. zeichnet sich ohnehin nicht nur durch Leichtfaßlichkeit und Durchsichtigkeit aus." 24 Tatsächlich ist die Sprache kompliziert, der Satzbau extrem verschachtelt, das Vokabular in keiner Weise so neuzeitlich, wie etwa dasjenige Nitzschs, teilweise sind Begriffe/Fremdworte nicht einmal in umfangreichen Lexika zu finden. Die sprachliche Ausformulierung und die Stoffülle resultieren aus dem Anspruch, nicht nur Resultate zu präsentieren, sondern auch nachvollziehbar zu halten, wie diese zustande gekommen sind 25 . Die Sprache und die Stoffülle beruhen aber auch auf einer komplizierten Herleitung der Gedanken. Auf Anmerkungen wurde verzichtet. Personen, auf die v. Zezschwitz sich bezieht, werden in Klammern genannt, die Literaturangaben finden sich am Schluß der jeweiligen Abschnitte. Auf ein Register wurde - wie bei seiner Katechetik - zugunsten eines fast 60 Seiten langen ausführlichen Inhaltsverzeichnisses verzichtet. Von Zezschwitz unterteilt sein dreibändiges Werk in zwei inhaltliche Teile. Den ersten Teil bilden die "Einleitung: Begriff und Idee der prakt. Theologie" und die "Principienlehre". Den zweiten Teil bildet das eigentliche

23

Der Druck ist nicht wie bei Nitzsch oder dann wieder bei Niebergall in deutscher Fraktur, sondern wie bei Achelis in lateinischer Druckschrift ausgeführt. Der Spiegel hat die Maße 18 χ 10 cm, 37 Zeilen mit ca. 65 Anschlägen inklusive wechselseitigem Kopftext, links den Buchteil (z.B. Einleitung), rechts das jeweilige Unterkapitel. Rezensionen sind mir nur vier bekannt: Löber, R. (Erlanger Theologe): Rezension zu Zezschwitz: System der praktischen Theologie, in: ThLZ 1877, Sp. 527-531 bzw. 1878, Sp. 475f; Reusch, F.H. (Altkatholik in Bonn): Rezension zu Zezschwitz: System der praktischen Theologie, in: ThLBl (B), 1877, Sp. 175-178; Rezension zu Zezschwitz: System der PTh, 1. Abth., Leipzig 1876, in: LZD vom 27. Mai 1876, Sp. 715f sowie Rezension zu Zezschwitz: System der Pth, 2. Abth., Leipzig 1877, in: L Z D vom 28. April 1876, Sp. 586f. Die wohl tiefsinnigste Rezension stammt von Paul Kleinert: Zur praktischen Theologie, in: ThStKr 53 (1880), S. 273-333.

24

Reusch: Rez. zu Zezschwitz, S. 176.

25

Zezschwitz: System, S.I.

130

G. v. Zezschwitz: System der Praktischen Theologie - 1876

Bd. 1: Einleitung. § 1-16 Begriff und Idee der Praktischen Theologie. Principienlehre. §. 17-128 1. Kirche und Reich Gottes. 2. Die geschichtliche Auswirkung der Kirche nach ideellen Wesensgesetzen. 3. Geschichtliche Auswirkung der Kirche in tatsächlichen Lebensund Culturformen. 4. Die wesentlichen Lebensfunctionen der Kirche in der Reihenfolge der Disciplinen der Praktischen Theologie. System oder Wesens- und Naturlehre der prakt. Theologie. Bd. 2. §. 129-421 A. Keryktik. B. Katechetik als Katechumenatslehre und kirchliche Pädagogik. C. Der Kultus der Communiongemeinde. Bd. 3: D. Poimenik. E. Kybernetik, oder Lehre von Verfassung und Regierung der Kirche. Systematisches

Inhaltsverzeichnis

S. 1-11

S. 11-152 § 17-34 § 35-74 § 75-110 § 111-128

S. 153-658 § 129-155 § 156-196 § 197-283 § 284-380 § 381-421 S. 659-718

Abb. 1: G.v. Zezschwitz: System der Praktischen Theologie, 1876-78.

"System oder Wesens- und Naturlehre der prakt. Theologie". 26 Der innere Aufbau gleicht insofern dem Aufbau Nitzschs, weil er nach einer Einleitung, in der der Begriff und die Idee der Praktischen Theologie erläutert werden, über eine Untersuchung des Kirchenbegriffs zu den Disziplinen der Praktischen Theologie kommt. Nun ist noch formal weiteres auffällig. Eine kritische Geschichte der Praktischen Theologie als Randschärfenbestimmung fehlt. Damit wird eine wesentliche Leistung Nitzschs, nämlich eine Auseinandersetzung mit Alternativen, nicht vollbracht. Eine Folge davon ist, daß eine direkte Auseinandersetzung mit Nitzsch in v. Zezschwitz's Hauptwerk zur Praktischen Theologie nicht explizit erfolgt.27 Als zweites fällt auf, daß das Problem konfessio26

Vgl. den Aufriß im Anhang.

27

Von Zezschwitz setzt sich mit dem maßgeblichen Repräsentanten der damaligen Praktischen Theologie in seiner Darstellung der Entwicklungsgeschichte der Theologie auseinander, vgl.: Zezschwitz: Entwicklungsgang.

G. v. Zezschwitz: System der Praktischen Theologie - 1876

131

neller und regionaler Unterschiede nicht mehr als eigenständiges Thema diskutiert wird. Bei diesen kurzen formalen Beobachtungen soll es vorerst bleiben. Im Folgenden wird mit der Darstellung des Programms der Praktischen Theologie von v. Zezschwitz nach Spekulation und apostolisch-historischem Ideal (§§ 1-41) begonnen werden (III. 1.). Daran schließt sich der Vergleich mit Nitzsch an (III. 2.), in dem drei Fragestellungen behandelt werden sollen: Zum einen, wie die von Nitzsch geäußerten Probleme der Praktischen Theologie durch v. Zezschwitz beurteilt werden, zum anderen, welche Probleme es scheinbar nicht mehr gibt, d.h. was bei v. Zezschwitz fehlt, worauf Nitzsch aber noch großen Wert gelegt hat. Drittens ist zu fragen, was als Problem neu in den Horizont getreten ist. Zusammenfassend soll dann die Frage nach dem Kirchenbegriff und seinen Auswirkungen untersucht werden, weil an ihm ein wesentlicher Umschwung bemerkbar ist (III. 3.).

132

G. v. Zezschwitz: System der Praktischen Theologie - 1876

1. Darstellung des Systems der Praktischen Theologie Einleitung. Über Begriff und Aufgabe § 1-16 "Wird die handelnde Kirche als das Ableitungsprincip für die Disciplinen der praktischen Theologie bezeichnet, so muß, um die Gefahr der leeren Abstractionen zu vermeiden, näher bestimmt werden, in welchem Sinn diese selbst als handelndes Subjekt aufgestellt werden kann."1

Von Zezschwitz versucht, die von Nitzsch angestoßenen Überlegungen zur Kybernetik in seinem System der Praktischen Theologie zu konkretisieren. Die 16 Paragraphen der Einleitung seines Werkes skizzieren seine Vorgehensweise und sind gegliedert in "Begriff der Praktischen Theologie" [§§ 1-11] und "Die Aufgaben der Praktischen Theologie" [§§ 12-15]. Eine Literaturübersicht schließt die Einleitung ab [§ 16]. Diese Einteilung hat v. Zezschwitz zwar weiter differenziert, aber ohne für die Unterteilungen eigene Bezeichnungen zu nennen. Anders als bei der Untersuchung des Konzeptes von Nitzsch wird aus diesem Grund für die Überschriften nicht die Begrifflichkeit des Quellenwerkes verwendet. Innerhalb der Einleitung werden grundsätzliche Fragestellungen aufgegriffen und später durch v. Zezschwitz in der Prinzipienlehre ausführlicher dargelegt. Um Zezschwitz Gedankenverlauf nicht aufzulösen, werden trotzdem Einleitung und Prinzipienlehre aufeinanderfolgend dargestellt.

Kritik der bisherigen Bestimmungen der Praktischen Theologie Anhand einer sehr knappen Auseinandersetzung mit bisherigen Konzeptionen Praktischer Theologie eröffnet v. Zezschwitz seine Ausführungen. Zwei enzyklopädische Problembereiche stehen dabei im Mittelpunkt: zum einen die Unterscheidung zwischen Praktischer Theologie und den übrigen beiden theologischen Wissenschaften, der historischen und der systematischen/spekulativen Theologie, zum anderen die Aufrechterhaltung des wissenschaftlichen Charakters der Disziplin Praktische Theologie. Zweierlei Anschauungen widerspricht v. Zezschwitz und bearbeitet so die Voraussetzung für die Stellung der Praktischen Theologie zur historischen und systematischen/spekulativen Theologie. Die eine Anschauung bestehe darin, daß die Praktische Theologie nur als "eine gemeinverständliche und nicht streng wissenschaftlich gehaltene Darstellungsform der Theologie" 2 ver-

1

Zezschwitz: Katechetik, Bd. 1, S. 35.

2

Zezschwitz: System, S. 1.

Darstellung des Systems der Praktischen Theologie

133

standen werden sollte. 3 Die Ursache für diese Ansicht liegt für v. Zezschwitz in der Bestimmung der gesamten Theologie als "habitus practicus" 4 in der lutherischen Orthodoxie. Dabei erkennt v. Zezschwitz durchaus die Notwendigkeit des praktischen Bezuges aller Theologie. Doch er kritisiert, daß der praktische Bezug so auf die Systematisierung durchgeschlagen habe, daß eine Unterscheidung selbst von Ethik und Dogmatik innerhalb der theologischen Disziplinen unmöglich geworden wäre. Nach einer Unterscheidung von Moral/Ethik und Dogmatik wäre dann die Ethik fälschlicherweise als theologia practica behandelt worden. 5 Auffälligerweise liegt für v. Zezschwitz die Ursache des Fehlers der mangelnden Unterscheidung von Ethik und Praktischer Theologie in der mangelnden Unterscheidung von "individueller Bethätigung und kirchlicher Auswirkung des Christenthums" 6 , die er bis in seine Gegenwart in Wirkung sieht. 7 Damit unterscheidet er Ethik und Praktische Theologie durch eine Subjektanalyse, durch die Unterscheidung vom Handeln einzelner und dem kirchlichen Handeln als gemeinschaftlichem Handeln. Pointiert wirft v. Zezschwitz J. Hoornbeek (1617-1666), J.H.A Ebrard und Ph.Th. Culmann (18241863) vor, anstelle einer Praktischen Theologie eine Standesethik für Pfarrer zu entwerfen. Das mit der pietistischen und altorthodoxen Theologie gemeinsame Resultat sei jeweils, daß eine eigenständige Praktische Theologie so auch weiterhin unmöglich gemacht würde. Die zweite Ansicht gegen die sich v. Zezschwitz wendet, ist eine Pastoraltheologie, die eine praktische Theologie als "Amtstechnik für den prakti-

3

Er nennt - wie es schon 1848 Nitzsch getan hat - die "populäre Auffassung" und bezieht sich auf G.J. Planck als herausragendsten Vertreter. Hier ist wieder auf Plancks Bezeichnung der praktischen Theologie als "Anhang" zu den theologischen Wissenschaften hinzuweisen. Vgl.: Planck: Einleitung, die Schleiermacher noch vor seiner eigenen Enzyklopädie für die ersten Vorlesungen zu diesem Thema herangezogen hat, so H. Scholz in der Einleitung zu Schleiermacher: Darstellung, S. XXIV. Von Zezschwitz hat sich schon in seiner Katechetik mit diesem Problem auseinandergesetzt. Vgl. Zezschwitz: Katechetik, S. 26-32.

4

Diese Begrifflichkeit tritt schon früh bei J. Gerhard (1582-1637) auf, vgl. Rössler: Grundriß, S. 27. Von Zezschwitz urteilt so bereits in: Entwicklungsgang, S.10: "Erklärten doch unsre alten grossen Dogmatiker die Theologie überhaupt nur für einen habitus practicus des Theologen - ... ".

5

Von Zezschwitz nennt "Joh. Hoornbeek. Frkf. 1698" = Hoornbeek, J.: Theologia practica cum irenica, Frankfurt a.M. 1698.

6

Zezschwitz: System, S. 2.

7

Er nennt "Ebrard, prakt.theol. Königsberg 1854. Culmann, die christl. Ethik. Stuttg. 1864" = Ebrard: Vorlesungen + Culmann, Ph.Th.: Die christliche Ethik, 1. Bd, Stuttgart 1864, 2. Bd aus dem Nachlasse, Stuttgart 1866, 1927 5 .

134

G. v. Zezschwitz: System der Praktischen Theologie - 1876

sehen Kirchendiener" verstehe8. Interessanterweise beurteilt er diese Tendenz als "unüberwunden auch bei Schleiermachers formell wissenschaftlicheren Voraussetzungen"9. Schleiermacher opfere die Wissenschaftlichkeit der Theologie überhaupt, wenn er sie "selbst nur für einen Inbegriff von Kenntnissen und Kunstregeln erklärt, wie sie für eine zusammenstimmende Kirchenleitung unentbehrlich seien"10. Er erniedrige "die gesammte Theologie zu einer höheren Technik und die Dogmatik selbst zu einer wesentlich historischen Disciplin."11 Von Zezschwitz spricht sich gegen eine Verortung der Theologie unter die positiven Wissenschaften aus12, die er auch "practische" nennt.13 Er will dagegen auf die prinzipielle Gleichstellung der Theologie neben der Philosophie hinaus, da die Theologie es ebenfalls mit "denselben allgemeinen, höchsten und letzten Ideen der Menschheit zu tun"14 habe, allerdings unter Ansehung des durch die Erlösung erneuerten menschlichen Bewußtseins.15 Er versteht Theologie damit als ethisch orientierende Funktion - zusammen mit der Philosophie. Sie sei allerdings nur eine partikulare Orientierung, die Bewußtseinsbildung einer Gruppe, die sich im Gegensatz zur Welt befände. 16 Damit wird die Kirche als Gegenüber zur übrigen Welt verstanden. 8

Zezschwitz: System, S. 1.

9

Ebd.

10

Zezschwitz: Entwicklungsgang, S. 3. Daß diese Analyse Schleiermachersso nicht stimmt, hat neben anderen auch wieder Dinkel: Kirche nachgewiesen.

"

Ebd. Vgl. Zezschwitz: Entwicklungsgang, S. 20: "Näher besehen bezahlte die Theologie als Wissenschaft dabei die Kosten. Wenn die ganze Theologie nur Technik war für Kirchenleitung und Kirchendienst, so versteht man leicht, dass es der praktischen Theologie zufiel, alle andre theologische Arbeit zu krönen."

12

So bereits in Zezschwitz: Entwicklungsgang, S. 7f. Dort reicht nur die Praktische Theologie in den Bereich der positiven Wissenschaften hinein.

13

Er beruft sich dabei auf Schleiermachers "Gedanken über Universitäten, Berlin 1808" = Schleiermacher, F.D.E.: Gelegentliche Gedanken über Universitäten in deutschem Sinn. Nebst einem Anhang über eine neu zu errichtende, Berlin 1808, u.a. in: Idee und Wirklichkeit einer Universität. Dokumente zu einer Geschichte der Friedrich-Wilhelms-Universitätzu Berlin, hrg.v. Weischedel, W., Berlin 1960, S. 106-192. Die negative Beurteilung Schleiermachers ist allerdings weniger als Kritik an Schleiermachers Ausführungen zu sehen, sondern als prinzipiell anderer Ansatz der Wissenschaftlichkeit der Theologie.

14

Zezschwitz: System, S. 3.

15

Birnbaum kommentiert diesen Satz nicht zu Unrecht mit den Worten: "Damit war Schleiermacher begraben. Bei ihm hatte die Philosophie eine religiöse Dignität. ... niemand wäre damals auf den Gedanken gekommen, prinzipiell zwischen Theologie einerseits und Philosophie in toto andererseits als zwischen 'gläubiger' und 'ungläubiger' Wissenschaft von den höchsten Ideen zu unterscheiden." Birnbaum: Wandlungen, S. 113.

"

Damit wird Theologie zur Partikularphilosophie einer Gruppe mit besonders erneuertem

Darstellung des Systems der Praktischen Theologie

135

Birnbaum zitiert v. Zezschwitz dazu mit den Worten: "Lebensformen stehen hier Lebensformen gegenüber." 17 Auf diese Weise wird Schleiermachers Einheitskonzept der theologischen Wissenschaft anhand der positiven Aufgabe der Kirchenleitung freilich verworfen. Nun ist Theologie nicht mehr Wissenschaft für die Kirche, sondern Bewußtseinsbildung durch die Kirche, kirchliche Philosophie. Damit werden deutlich mehr nachfolgende Probleme geschaffen als gelöst. Während sich eine Wissenschaft für die Kirche alle menschliche Erkenntnis für die Kirche und ihre Aufgabe zunutze machen konnte, ist sie nun auf kirchliches Bewußtsein beschränkt. Sie kann zwar Anleihen bei nichtkirchlicher Philosophie machen, diese kann jedoch nur beschränkt Gültigkeit für die kirchliche Philosophie erlangen. Ein Einheitsprinzip läßt sich hieraus nur insofern gewinnen, als nicht mehr jegliche Erkenntnis, die der Kirche nützt, Theologie sein kann, sondern nur derjenige Erkenntnisprozeß Theologie genannt werden darf, der durch die Kirche betrieben wird. Hier liegt tatsächlich eine Veränderung und Verengung gegenüber dem Einheitsprinzip Schleiermachers vor. Die Kirche und die übrige Welt treten innerlich auseinander, die Theologie isoliert sich und läßt wesentliches Potential ungenutzt zurück. Ausgehend von diesen Bestimmungen versteht v. Zezschwitz die Definition der Theologie als Wissenschaft folgendermaßen: "Dann darf es als adäquater Ausdruck für den Wissenschaftsanspruch der Theologie überhaupt gelten, sich als das wissenschaftliche Bewußtsein der Kirche, und auf der Höhe desselben, als das wissenschaftliche Bewußtsein von der Idee des Christenthumes und dem Ideale des christlichen Lebens zu definieren." 1 8

Innerhalb dieses Rahmens etabliert sich die Praktische Theologie.

Aufgabe und Definition der Praktischen Theologie Das Grundstreben der Theologie ist für v. Zezschwitz, "den Glauben in Erkennen und den einwohnenden Geist als christliches Lebensprinzip in sittliches Bewußtsein umzusetzen" 19 . Die Aufgabe der Dogmatik sei in diesem Bewußtsein.

17

Birnbaum: Wandlungen, S. 113.

18

Zezschwitz: System, S. 4.

"

Ebd. Birnbaum: Wandlungen, S. 112, kritisiert bei v. Zezschwitz, daß "die 'Erkenntnis des Glaubens' allein der Dogmatik zugewiesen" werde, die Ethik ihren Gegenstand jedoch im Streben nach der Umsetzung des einwohnenden Geistes in sittliches Bewußtsein fände. Dem kann ich nicht zustimmen. Im Gegenteil hält v. Zezschwitz an der Verbindung von Ethik und Dogmatik innerhalb der spekulativen Theologie fest. Würde man die Parallelisierung Birnbaums übernehmen, würde sich bereits auf der obersten Ebene der

136

G. v. Zezschwitz: System der Praktischen Theologie - 1876

Grundstreben, "die Idee der Gottmenschheit als die absolute Wahrheit" in Geltung zu behaupten, die Aufgabe der Ethik sei dagegen, "das Ideal des Gottmenschen als die absolute Vollkommenheit" zu behaupten. Erhaltung der Wahrheit und Leben in Vollkommenheit seien die Ziele der Unterdisziplinen der spekulativen Theologie. Beide Disziplinen hätten "ihren Ausgangspunkt an geschichtlichen Thatsachen in individueller Erfahrung" 20 . Damit sei die Unterscheidung benannt zwischen dem Christentum als "historischer Thatsache und Entwicklung" (Tatsachen) sowie "dem wesentlichen menschlichen Bewußtsein von dem, was das Christentum seiner Idee nach für die gesammte Weltentwicklung ist"21 (Begriff). Dieser Erkenntnis, die von Schleiermacher aufgebracht worden sei, wäre erst zum Durchbruch verholfen worden durch das Bewußtsein einer "selbständigen Lebensmacht des Christenthums als Kirche für das Volksleben"22. Auch hier unterscheidet v. Zezschwitz Kirche und Volksleben. Zwar hat die Kirche große Bedeutung für das Volksleben, sie steht ihm aber doch gegenüber, ist nicht Teil des Volkslebens. Von Zezschwitz ist sich dabei sehr wohl bewußt, daß diese Erkenntnis eine Erscheinung der neueren Zeit ist. "Die neue Formulierung für den selbständigen Inhalt der praktischen Theologie neben der historischen und spekulativen erschien damit selbst als ein in geschichtlicher Entwicklung begründeter Fortschritt des theologischen Zeitbewußtseins." 23

Die Konstitutionsbedingungen dieser Entwicklung verfolgt er allerdings nicht weiter. Wissenschaftsgeschichtliche Ursache der Entstehung der Praktischen Theologie ist für v. Zezschwitz die von ihm wieder auf Schleiermacher zurückgeführte Unterscheidung zweier Gesichtspunkte: zum einen die normative wie zufällige - Wirklichkeit des Christentums in der Welt, die von der historischen Theologie bearbeitet wird, und zum anderen die Idee des

Definition von Theologie eine Spaltung in Ethik und Dogmatik festmachen, die v. Zezschwitz nicht meint. Das wissenschaftliche Bewußtsein von der Idee des Christentums und dem Ideal christlicher Lebensführung ist Gegenstand der gesamten Theologie, es wird nicht auf Dogmatik und Ethik verteilt. Die Formulierung "vom Glauben zum Erkennen" ist wiederum schon in Zezschwitz: Entwicklungsgang, S. 7 gebraucht. 20

Zezschwitz: System, S. 4.

21

Ebd.

22

Ebd. Er nennt die Daub'sehe Schule in Heidelberg, besonders Marheineke, Ph.: Aphorismen zur Erneuerung des kirchlichen Lebens im protestantischen Deutschland, Berlin 1814. Auf diese beiden geht er auch schon in Zezschwitz: Entwicklungsgang, S. 31 und davor ein.

21

Zezschwitz: System, S. 4f.

Darstellung des Systems der Praktischen Theologie

137

Christentums, die aufrechterhalten und bewußtgemacht wird in der spekulativen Theologie. Aus der Spannung zwischen diesen Größen ergäbe sich für die Praktische Theologie "die Stelle und Bedeutung der abschliessend trilogischen Synthese als Bewusstsein der Kirche von ihrer Aufgabe, sich fortgehend in der Welt zu verwirklichen, wie in Anknüpfung an die vorliegende Wirklichkeit, so nach Massgabe der erfassten Idee des Christenthumes und der Kirche." 24 Die historische Theologie als Wirklichkeit der Vergangenheit, spekulative Theologie als gegenwärtige Idee und Praktische Theologie als Gestaltung der Zukunft bilden "die drei beherrschenden Hauptgebiete der theologischen Wissenschaft". 25 Diese Einteilung registriere er in allen "neueren systematischen Darstellungen" 26 . Ausgehend von diesen Bestimmungen setzt v. Zezschwitz sich sowohl von einer Definition der Praktischen Theologie als Ethik, deren "Gegenstand das individuelle Handeln nach dem Ideale christlicher Lebensvollkommenheit" 27 sei, als auch von einer Definition als Pastoralklugheit ab. Die Praktische Theologie definiert er innerhalb der wissenschaftlichen Theologie als die Disziplin, die "die Theorie von demjenigen Handeln ist, welches in Form von wesentlichen Lebensthätigkeiten aus dem Wesen der Kirche selbst erfliesst und aus der Idee derselben sich ableitet. Oder kürzer: praktische Theologie ist die Theorie der fortgehenden Selbstverwirklichung der Kirche in der Welt." 2 8

Kurze, vorweggenommene Verteidigung des Kirchenbegriffes Von Zezschwitz begegnet dann dem Einwand Molls 29 , das kirchliche Subjekt sei zu unbestimmt, nur ein römischer Katholik könne sich etwas darunter vorstellen, das kirchliche Subjekt schlechthin sei Christus, der Herr der Kirche. Von Zezschwitz bietet zwar eine vorläufige Entgegnung 30 , ver-

2i

Zezschwitz: System, S. 5.

25

Ebd.

26

Ebd. Er nennt am Ende des Paragraphen dann Rosenkranz: Encyklopädie und Liebner: Theologie. Nitzsch nennt er erstaunlicherweise nicht.

27

Ebd.

28

Ebd. So auch die Formulierung in Zezschwitz: Entwicklungsgang, S. 21 f: "Die Kirche ist es, die in fortschreitender Entwicklung ihres selbständigen Principes und ihres Geistes in Dogmatik und Ethik auf ihre Idee, in den historischen Disciplinen auf Wirklichkeit in Ursprung und Entwicklung, in der praktischen Theologie endlich auf ihre durch Idee und Geschichte bestimmte Selbstverwirklichung in der Welt sich bezieht und für sie arbeitet."

29

Moll, C.B.: Das System der praktischen Theologie im Grundriß, Halle 1853, §. 12.13.

30

V. Zezschwitz kommt Moll entgegen, indem er einräumt, Christus sei zwar durch den in

138

G. v. Zezschwitz: System der Praktischen Theologie - 1876

schiebt die Auseinandersetzung jedoch 31 . Dabei ist die Begründung wesentlich und auch heute noch gültig: die letzte Entscheidung über diesen Einwand sei "von der näheren Formulierung des Kirchenbegriffs bedingt"32. Dessen Erarbeitung schließt sich deshalb bei v. Zezschwitz unmittelbar an. Er formuliert einen, von ihm "organisch" genannten33, Ansatz der Selbstverwirklichung der Kirche. Aus der Wesensanlage und der Lebensunmittelbarkeit heraus bestimme sich der organische Charakter der Selbstverwirklichung nach den Wirkungskräften sowie Wesens- und Entwicklungszielen, die in dem Wesen der Kirche selbst angelegt seien. 34 "Von der spekulativen Theologie entlehnt dabei die praktische vor Allem den Wesensbegriff der Kirche, dessen Correktheit sich daran erproben muß, dass eine Selbstverwirklichung solchen Kirchenwesens Verwirklichung des Christenthumes selbst für das ihm eigene Menschheits- und Weltziel ist." 3 5

Selbstverwirklichung der Kirche habe Verwirklichung des Christentums zu sein und zwar so, daß es dem ihm eigenen Menschheits- und Weltziel dient.36 Dieses Ziel von Welt und Menschheit wird von ihm eschatologisch bestimmt als Vollendung und Erscheinung des Reiches Gottes in der Welt. In der Prinzipienlehre, die sich an die Einleitung anschließt, formuliert v. Zezschwitz die differenziertere inhaltliche Bestimmung des Kirchenbegriffs.

den Gläubigen einwohnenden Geist das immanente Prinzip der Kirche. Aber er hält dieses Argument für schwach. Die genaue Subjektbestimmung bleibe wichtig, weil Molls Argument der Konzentration auf den handelnden Christus für v. Zezschwitz keinesfalls eine Hilfe gegen römische Tendenzen ist, Kirche über die Ämter Christi hierarchisch zu konstituieren. Genau dieses Prinzip würde nämlich bei Staudenmaier aus dem christologischen Ansatz resultieren. Tatsächlich hat dieser Gedanke in der Pastoraltheologie römischer Prägung eine weite Wirkung gehabt. Vgl.: Birnbaum, S. 91, der Staudenmaiers 2. Auflage zitiert: "die Einzeldisziplinen der praktischen Theologie ergeben sich aus den 'Funktionen, durch deren ununterbrochene Übung Christus als Prophet, Hohepriester und König lebendig durch die Kirche hindurchgeht, also durch die lehrende, priesterliche und regierende Tätigkeit.'" 31

Er hat sie bereits in seiner Katechetik ausführlicher geführt. Vgl.: Zezschwitz: Katechetik, S. 36ff.

32

Zezschwitz: System, S. 6.

33

Ebd.

M

Er grenzt sich dabei von einem Ansatz ab, der die Praktische Theologie nicht aus inneren Wesensanlagen der Kirche bestimmt, sondern nach Grundsätzen und Maximen, die von außen herantreten. Leider benennt er keine Vertreter dieses Ansatzes.

35

Zezschwitz: System, S. 6.

36

So schon formuliert in Zezschwitz: Entwicklungsgang, S. 30: "Wenn praktische Theologie fortschreitende Verwirklichung der Idee der Kirche in der Welt ist, so ist in ihr die Reformation permanent geworden."

Darstellung des Systems der Praktischen Theologie

139

Schon aus dem hier Genannten wird allerdings deutlich, daß die futurischeschatologische Orientierung eine gänzlich andere Bestimmung ist als die Orientierung am Handeln des Menschen in der Gegenwart, wie Nitzsch sie vorgenommen hat. Die eschatologische Perspektive bei Nitzsch ist nicht von den Endpunkten der Geschichte der Kirche - originale Verwirklichung und futurische Eschatologie - geprägt, sondern von einer Funktion der Kirche für die Gegenwart. Der entscheidende Unterschied zu Nitzsch liegt in der Frage nach der Wesensbestimmung der Kirche und der eschatologischen Dimension ihres Wesens. Nitzschs Konzeption Praktischer Theologie bestimmte das Wesen der Kirche selbständig und über den Handlungsbegriff funktional. Das Wesen der Kirche war ihre Funktion und über die Erfüllung dieser Funktion ließ sich ihre korrekte Verwirklichung messen. Das Wesen der Kirche läßt v. Zezschwitz dagegen eschatologisch-ontologisch durch die speculative Theologie bestimmen. Hier geht es um Bewußtsein, Selbstverwirklichung und eschatologische Vollendung, während es bei Nitzsch um Handeln, Handlungsermöglichung und ständige Unabgeschlossenheit ging. Dieser Unterschied ist fundamental. Birnbaum beschreibt ihn auch als Übergang von der Idee zum Stoff 37 , ich halte eine Formulierung "von der Funktion zum Sein" für angemessener. Die Beobachtung des Übergangs vom funktionalen zum ontologischen Ansatz ist ein wesentliches Indiz, auf welche Pfade sich die Praktische Theologie hier begeben hat. Die Bestimmungen v. Zezschwitzs haben aber noch eine weitere Bedeutung: Die Aufgabe der Praktischen Theologie orientiert sich nicht mehr am Einzelnen und an dessen Gottesverhältnis, sondern an der eschatologischen, vielleicht sogar kosmologischen Verwirklichung des Gottesreiches. An die Stelle gelingender individueller Existenz tritt die Vollendung der Welt, an die Stelle der Versammlung Einzelner tritt die personifizierte Einheit Kirche.

Aufbau der Theologie und Funktion der Praktischen Theologie Die Verwirklichung der Kirche (V) setzt für v. Zezschwitz an dem "von ihrer bereits erreichten Verwirklichung erhobenen Wissen von der kirchengeschichtlichen Wirklichkeit" 38 an, d.h. am Wissen von den geschichtlichen (g) und jetzigen (j) Tatsachen der Kirche (Tg+j). Diese Tatsachen sollen durch fortlaufende Verwirklichung verändert werden. Die Tatsachen werden dabei doppelt kritisiert: zum einen durch die in der spekulativen Theologie erhobe-

37

Birnbaum: Wandlungen, S. 106f. Birnbaum sieht den Prozeß allerdings in der gesamten Zeit von 1870 bis 1914 fortschreiten.

38

Zezschwitz: System, S. 7.

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G. v. Zezschwitz: System der Praktischen Theologie - 1876

Tatsache (T): erreichte Verwirklichung Norm 1 (N,): Idee des Wesens der Kirche = speculative Theologie Norm 2 (N2): erste originale Verwirklichung = Historische Theologie zukünftige Verwirklichung (V) (N,)

(N2)

Abb. 1: G.v. Zezschwitz: System - Methodenaufbau

ne Idee (N,) der Wahrheit (Dogmatik) und Vollkommenheit (Ethik), zum anderen "von der original ersten Selbstverwirklichung des Christenthumes in der Welt"39, der Norm (N2) der frühen, apostolischen Kirche (Kirchengeschichte). Beide Normen sollen verhindern, daß es zu einer falschen Bestimmung des Wesens der Kirche kommt. Die Idee (Nt) soll gegenüber der originalen Norm (N2) dafür sorgen, daß die Wesensbestimmung nicht auf "irrigen begrifflichen Consequenzen aus der originalen Selbstverwirklichung der Kirche beruht", d.h. auf einer falschen Abstraktion historischer Erkenntnisse: zeitlose Wahrheit ist von historisch Bedingtem zu trennen. Die Bestimmung der originalen Selbstverwirklichung (N2) soll demgegenüber dafür sorgen, daß die spekulative Wesensbestimmung nicht losgelöst von der ursprünglichen Wesensanlage verfährt. 40 Die Praktische Theologie hat ihren wissenschaftlichen Sinn in der Aufund Anweisung der Selbstbetätigung der Kirche41 in der "organischen Fort-

39

Ebd.

40

Problematisch ist hieran jedoch, daß so immer das Historische ein Übergewicht gegenüber dem Spekulativen erfährt, wie sich später noch weiter zeigen wird, etwa an der heilsgeschichtlichen - aber eben geschichtlichen Herleitung der Phasen des Reiches Gottes.

41

Vgl. Zezschwitz: Entwicklungsgang, S. 8: Praktische Theologie ist die "Wissenschaft des Lebens und der Bethätigung der Kirche".

Darstellung des Systems der Praktischen Theologie

141

bewegung zwischen Wesensanlage und vollendetem Lebensziele der Kirche" 42 . So ergibt sich ein Spannungsgefüge von Tatsächlichkeiten und Normen zur Verwirklichung. Die Verwirklichung geschieht in bezug auf die Tatsachen unter der Maßgabe von Idee und historischer Wesensanlage 43 . Interessant ist dabei, welche theologischen Disziplinen die Erarbeitung der Normen übernommen haben. Bei v. Zezschwitz bestimmt zum einen die Speculative Theologie, d.h. die Dogmatik und Ethik - und hier vor allem die Ekklesiologie (N,) -, die Wesensanlage, d.h. den Kirchenbegriff, die Idee; zum anderen ist daran korrektiv die Historische Theologie (N2) beteiligt. Sie bearbeitet jedoch nicht mehr die Bestimmung der gegenwärtigen Tatsächlichkeiten. Welche theologische Disziplin die Tatsächlichkeiten gewinnt, interpretiert oder bearbeitet, wird von v. Zezschwitz überhaupt nicht erwähnt. Anstatt die Verwirklichung zwischen Normen und Tatsächlichkeiten in Spannung zu sehen, wird eine unbestimmte Gegenwart durch abstrahierte Historie und historisch kontrollierte Idee kritisiert. Die Tatsächlichkeiten fallen aus der praktischen Theologie heraus. 44 Die Gegenwart wird in ihrer Bedeutung für das Zustandekommen der Normen, Ideen und Anschauungen über die originale Selbstverwirklichung nicht integriert. Den Tatsächlichkeiten wird keine Kritikfähigkeit gegenüber den Normen und den Verwirklichungsregeln mehr zugestanden. Ein mögliches Gleichgewicht von Gegebenem und Gefordertem wird zugunsten des spekulativ und historisch Geforderten verschoben. Dabei steht im Hintergrund, daß nur an den beiden Extrempunkten der kirchlichen Verwirklichung eine anerkennenswerte Verwirklichung stattgefunden habe bzw. stattfinden wird. Dazwischen haben tatsächliche Kirche und ihre eventuellen Errungenschaften keinen Einfluß, weder auf die historische, noch auf die spekulative Norm. Dem Jetzt wird gegenüber dem Damals 42

Zezschwitz: System, S. 8.

43

Zezschwitz: Entwicklungsgang, S. 21 definierte noch unterschiedlich: "Mit der Idee, so lässt sich der neugewonnene Standpunkt klar und kurz bezeichnen, - mit der Idee hat es die systematische Theologie, als speculative, zu thun; mit der Wirklichkeit, jenerden Weg bahnend, die historische; - mit der fortschreitenden Verwirklichung auf Grundlage jener beiden endlich die praktische Theologie." Daß die historische Theologie der speculati ven 'den W e g bahnt', stellt bereits die wesentliche Neuerung dar, wenn hier die historische Theologie nur aus der Vergangenheit heraus die Idee beeinflußt, wie es dann in v. Zezschwitz's System auch geschehen wird.

44

Anscheinend stehen sie dem kirchlichen Bewußtsein gegenüber, vielleicht sind die Tatsachen sogar das, was v. Zezschwitz mit Welt bezeichnet, das prinzipielle Gegenüber, das es durch die Normen zu verbessern gilt, wodurch sich die Kirche verwirklicht. Diese Spekulation soll hier nicht weiter verfolgt werden, um v. Zezschwitz nicht mit einem Argumentum e silentio Unrecht zu tun.

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G. v. Zezschwitz: System der Praktischen Theologie - 1876

und der eschatologischen Zukunft kein positiver Wert zugesprochen, schon gar keiner, der auf die Normen und ihre Entstehung wirken könnte. Damit verläßt v. Zezschwitzs Ansatz die von Nitzsch dargestellten Bedingungen praktisch-theologischer Arbeit und setzt völlig anders an.

Aufbau der Praktischen Theologie Zusätzlich zu dieser Loslösung von Nitzschs Konzept, ist ebenfalls eine Distanzierung von Schleiermachers Aufbau der Theologie und der praktischtheologischen Unterdisziplin zu beobachten. Statt wie Schleiermacher nach den verschiedenen Handlungssubjekten bzw. -Objekten zu fragen, versucht v. Zezschwitz einen anderen Ansatz: "Es ist Zezschwitz zum entschiedenen Verdienst anzurechnen, daß er die Fessel des Schleiermacher'schen Schematismus kurzer Hand abgeworfen und sich ganz und voll auf den Boden gestellt hat, die Theile des Systems nicht principiell nach der Verschiedenheit der Objecte bzw. Subjecte des Handelns, sondern nach den Wesensunterschieden der verschiedenen Gebiete des Handelns zu bestimmen." 45

Von Zezschwitz nannte schon in seiner Katechetik die Erarbeitung der praktisch-theologischen Disziplinen "Ableitung der praktischen Disciplinen aus dem Wesen der Kirche" 46 . Er versucht in seinem neuen Ansatz zu zeigen, daß die Theorie der organischen Selbstverwirklichung der Kirche in zwei Teile zerfällt. Im ersten Teil stehen die Einleitung und die Prinzipienlehre. Die Einleitung soll zum einen den Begriff sowie die Aufgabe der Praktischen Theologie und somit deren Aufbau klären. Die Prinzipienlehre soll das Wesen der Kirche bestimmen und daraus feststellen, "was Wesensthätigkeit in der Kirche zu heißen verdiene, und welche sie sind, und wie sie sich in organischer Folge ordnen"47. Im zweiten Teil werden diese Tätigkeiten als Arbeitsfelder der Praktischen Theologie mit den dazugehörigen Kunstlehren angeschlossen.48 Diesen zweiten Teil bezeichnet v. Zezschwitz auch als "Wesens- und Naturlehre der praktischen Theologie" 49 . Das Wesen und die Natur der Kirche, die in

45

Kleinen: Theologie, S. 306.

46

Zezschwitz: Katechetik, § 3., S. 35-50.

47

Zezschwitz: System, S. 8.

48

Diese Kombination aus Prinzipienlehre und Kunstlehre entspricht denn auch den schon in der Einleitung zu Kap. III dieser Studie angesprochenen Grundentscheidungen über den Inhalt der Praktischen Theologie in Erlangen.

49

Zezschwitz: System, S. 8.

Darstellung des Systems der Praktischen Theologie

143

der Prinzipienlehre zu erarbeiten sind, sind das Einheitsprinzip der Praktischen Theologie.

Kunstlehre An der Ebenenunterscheidung zwischen Prinzipien sowie Wesens- bzw. Naturlehre orientiert sich die Kunstlehre. Damit es zu einer systematisierbaren Ordnung der organischen Selbstverwirklichung kommen kann, muß es eine klare Unterscheidung geben zwischen dem, was als Wesens- und Naturlehre sich an Handlungsfeldem aus dem Kirchenbegriff ergibt, und dem, was als Kunstlehre für das konkrete Handeln innerhalb dieser Handlungsfelder zu beachten ist. Letzteres ist für v. Zezschwitz an einzelne Personen gebunden. Auf der prinzipiellen Ebene ist das "selbstwirkende Subjekt aller Kirchenthätigkeit" 5 0 die Kirche. Die Kirchentätigkeit ist das Mittel der Selbstverwirklichung der Kirche in der Welt. Auf der Ebene der Kunstlehre sollen dann die Möglichkeiten und Konkretionen der Einzelausführung durch Einzelsubjekte dargestellt werden, und zwar so, daß der konkrete Vollzug der allgemeinen Aufgabe, die aus dem Wesen der Kirche resultiert, entspricht und zum angestrebten Ziel führt. D.h. die Kunstlehre soll darstellen, daß und wie die Kirche selbst in den Einzelhandlungen und durch sie handelt, soll den Einzelnen Beispiele für Handeln bringen, die mit dem Wesen der Kirche identisch sind. Die Kunstlehre muß sich dazu aus der Wesenstätigkeit der Kirche ergeben.

Abgrenzung Am Schluß seiner Einleitung grenzt sich v. Zezschwitz bezüglich seiner Intention von den Arbeiten der Entstehungszeit der Praktischen Theologie ab. Er problematisiert für seine Gegenwart, daß sich - aufgrund der Auseinandersetzung mit der Pastoraltheologie - zu sehr um die Theorie des Systems gekümmert würde. Es gehe aber nun vielmehr um die Frage, wie die Identität kirchlichen Handelns praktisch erreicht werden kann 51 . Seine Einschätzung zeigt, daß sich für ihn die Problemstellung seit den Anfängen der Praktischen Theologie bei Schleiermacher und Nitzsch stark verschoben hat, als es vor allem um die Frage nach dem einheitlichen Prinzip der Praktischen Theologie ging gegenüber der Ethik oder der Pastoralklugheit. Vielleicht ist aus seiner Einschätzung der zeitbedingten Notwendigkeiten auch zu erklären, daß die

50

Zezschwitz: System, S. 9.

51

Ebd.

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G. v. Zezschwitz: System der Praktischen Theologie - 1876

Frage nach der prinzipiellen Anerkenntnis des Kirchenbegriffs als Kristallisationspunkt hier gar nicht mehr diskutiert wird, sondern vorausgesetzt ist. Es stellt sich nun viel eher die Frage, wie das Wesen und Ziel der Kirche zu bestimmen sei und wie es sich praktisch vermitteln lasse.

Zusammenfassung Für die grundlegende Fragestellung dieser Studie nach der Bedeutung des Kirchenbegriffs im System der Praktischen Theologie ergeben sich schon aus der Bestimmung des Begriffes und der Aufgabe der Praktischen Theologie durch v. Zezschwitz einige Antworten: 1. Der Ausgangspunkt der Praktischen Theologie ist der Kirchenbegriff. Das actuóse Subjekt des von der Praktischen Theologie zu untersuchenden Handelns wird als Kirche gesetzt, nicht über einen Bildungs- oder Handlungsbegriff erarbeitet. 2. Der Kirchenbegriff wird durch eine Untersuchung des Wesens der Kirche bestimmt. Die Bestimmung des Kirchenbegriffs, des Wesens der Kirche, wird historisch und ekklesiologisch-eschatologisch vorgenommen. Das wird auch an der Delegierung der Normenbestimmung an die entsprechenden theologischen Disziplinen deutlich. 52 3. Zugleich wird die Problematik der Unterscheidung von Ethik und Praktischer Theologie durch eine Subjektbestimmung bearbeitet. Es wird durch eine schlichte Subjekttrennung zwischen Kirche und Individuum die Disziplinengrenze gezogen. Dadurch wird jedoch eine christliche Sozialethik unmöglich gemacht und einer Individualisierung der christlichen Ethik Vorschub geleistet. Der Zusammenhang christlicher Ethik mit kirchlicher Gemeinschaft wird nicht mehr als zentrale Aufgabe Praktischer Theologie bedacht. 53 4. Es wird ein Spannungsgefüge zwischen Tatsachen, Norm und Kunstregel errichtet, allerdings ohne eine praktisch-theologische Bestimmung der

52

Vgl. dazu: Zezschwitz: System, S. 11: "Da jedoch die vollendete Selbstauswirkung der Kirche gleichsteht mit der Selbstaufhebung der letzteren in der Erscheinung des Reiches Gottes (§ 11), wird die Wesensbestimmung des letzteren als Idealbegriff und Entwicklungsziel voraus- und zur Bestimmung des Kirchenbegriffs hinzuzunehmen sein und als der umfassende und allgemeinere Begriff die oberste Basis für die Entwicklung aller hier in Frage kommenden Principbegriffe zu bilden haben. Mit der Annahme dieser beiden Grundbegriffe setzt die praktische Theologie da ein, w o die speculative Theologie wesentlich ihr Ziel erreicht, in der Darstellung der Idee der Gottmenschheit nach Seite ihrer Aneignung für die Welt und Vollendung in der Welt."

53

Vgl. hierzu in Kap. II. 1.

Darstellung des Systems der Praktischen Theologie

145

Tatsachen. Von Zezschwitz benutzt dabei eine eindimensionale, lineare Verfahrensweise: Die Tatsachen (ohne Einfluß auf die Normen) werden durch zwei Normen - aus Historie und Spekulation - kritisiert. Daraus werden dann die Verwirklichungsstrategien für die Zukunft entwickelt. Die historische Herleitung erhält starkes Gewicht, wohingegen die gegenwärtigen Impulse zurücktreten. Dadurch verschiebt sich innerhalb der Disziplinen das Gewicht auf die historischen Fächer, und es entfällt jeglicher Impuls der Praktischen Theologie an die anderen theologischen Disziplinen, da die gegenwärtigen Tatsachen eine völlig untergeordnete Rolle spielen. Die Praktische Theologie wird Organ der praktischen Umsetzung historisch und spekulativ erarbeiteter Modelle. 5. Von Zezschwitz greift die in den Universitäten bestehenden Verhältnisse oder aufziehenden Gewichtungen auf, wie etwa das langsame Zurücktreten einer Einheit von Theologie und Philosophie, der Bedeutungsgewinn der historischen Theologie wie der Wissenschaften der Natur und der Geschichte. Er verstärkt jedoch durch den Gegensatz von Kirche und Nichtkirche/Welt diese Tendenzen auch, so daß sich kirchliches Handeln gegenüber sonstigem gesellschaftlichem Handeln isoliert, bzw. Doppelstrukturen aufbaut 54 , was eine Isolation der Kirche von der Gesellschaft verstärkt. Zugleich verschiebt sich innerhalb der Praktischen Theologie der Blick von der zu gestaltenden Zukunft auf die zu beachtende Vergangenheit, der Schwerpunkt verlagert sich von den gegenwärtigen Tatsächlichkeiten auf die normierende Vergangenheit. Sie scheint ja - im Gegensatz zum Eschaton - wissenschaftlich ergründbar zu sein. Dadurch kommt es aber zu dem Effekt, daß die historische Dimension der Norm eklatant durchschlägt und die angeblich zu beachtende Stoffmenge künstlich aufgebläht wird.

54

Vgl. Birnbaum: Wandlungen, S. 113: "Damit ist der Weg eingeschlagen, auf dem nicht mehr das Ineinander und Miteinander, sondern das 'Gegenüber' des Verhältnisses der im Leben einander durchdringenden Lebensformen wie Kirche und Staat bestimmte, was dann z.B. in der Sozialarbeit zu reiner Verdoppelung, zur Parallelbildung in beiden Gebieten führte, so daß neben Hilfsorganisationen der Inneren Mission und der Caritas solche des Staates parallel, ja als Konkurrenz gesetzt wurden. Die Signatur der Zeit ist: ein Spaltpilz ist eingedrungen, der zum Zerfall führen wird." Ganz so dramatisch würde ich diese Entwicklung zwar nicht beurteilen, aber prinzipiell legitimiert v. Zezschwitz mit seinem Ansatz diese gesellschaftlich bedingten Prozesse.

146

G. v. Zezschwitz: System der Praktischen Theologie - 1876

Prinzipienlehre Kap. I. Seine Ausführungen setzt v. Zezschwitz mit einer spekulativen inhaltlichen Bestimmung von Kirche und Reich Gottes (N,) im Kap. I. der Prinzipienlehre fort.55 In ihnen verhandelt er, wenn man sich an den Kopftiteln orientiert, den Begriff des Reiches Gottes [§§17-19], den Begriff der Kirche [§§20-23] und die Erscheinungsseiten der Kirche [§§24-27], Er schließt Kap. I. mit einer Definition von Kirche [§§28+29] und Überlegungen zum Kirchenamt [§30-34] ab.

Bestimmung des Begriffes 'Reich Gottes' Der Begriff des Reiches Gottes geht bei v. Zezschwitz von der βασιλεία τοϋ θεοΰ aus. Er definiert sie als "allumfassende und Alles durchdringende Gottesherrschaft"56. Als universale Bestimmtheit allen Seins durch Gottes Willen (ό θεός τα πάντα εν πάσιν, 1. Kor 15, 28) findet sie ihre Vollendung im Eschaton, das ausschließlich futurisch gedacht wird. Die Kirche ist von dort aus als "Vorgestalt" "überwiegend auf ihre Zukunftsausrichtung" und "an dem Mangel der Erscheinung in Totalität und Universalität zu bemessen"57. Die Kirche ist damit grundsätzlich defizitär. Die Orientierung am Reich Gottes soll erreichen, daß die "Form und das Gesetz der Selbstauswirkung" die Umsetzung nichtkirchlicher Realität "in das verborgene innerliche Wesen der Kirche"58 sind. Erscheinungsformen, die diesen Prozeß nicht vollzogen haben, sich jedoch als Kirche bezeichnen, lehnt v. Zezschwitz ab. Für die Beurteilung des Kirchenbegriffs und des Kirchenwesens hält er die Unterscheidung dreier Epochen des Reiches Gottes für unentbehrlich: "a) (Alttestamentliche Theokratie) ... b) (Die neutestamentliche Gottesherrschaft

55

Es sind die §§ 17-128, S. 11-152: "1. Kirche und Reich Gottes als Grundbegriffe für die Selbstauswirkung der Kirche. §. 17-34 2. Die geschichtliche Auswirkung der Kirche nach ideellen Wesensgesetzen §. 35-74 3. Geschichtliche Auswirkung der Kirche in tatsächlichen Lebens- und Culturformen §. 75-110 4. Die wesentlichen Lebensfunctionen der Kirche in der Reihenfolge der Disciplinen der praktischen Theologie. §. 111-128."

56

Zezschwitz: System, S. 12.

57

Alle Zitate ebd.

58

Beide Formulierungen ebd.

Darstellung des Systems der Praktischen Theologie

147

AT-Zeit > Pfingsten/Himmelfahrt

¡ ¡

I Tod Jesu Christi — I

Kirche > Wort und Sakrament

Originale Verwirklichung

Abb. 2: Phasen des Reiches Gottes bei G. v. Zezschwitz

oder die Kirche) ... c) (Die Enderscheinung)... ."59 Diese drei heilsgeschichtlichen Phasen unterscheidet er durch die Kriterien der Sichtbarkeit, Innerlichkeit und Vollendung. Die Sichtbarkeit ist dabei gekennzeichnet durch ihre Partikularität und "blosse[r] Unterpfandlichkeit" 60 , die als "blosse Erscheinung oder Schatten vom Wesen als vorbereitende Epoche" 61 verstanden ist. Die Innerlichkeit zeichnet sich durch Unsichtbarkeit und "realpräsente[r] Heilsvermittlung" 62 aus. Die Vollendung vereinigt Sichtbarkeit und Universalität in sich. Diese Phasenunterscheidung biete bei der Bestimmung der Kirche zwei Vorteile: Sie zeige die Kirche als Mittleres in einer Entwicklung zu Höherem, und sie zeige, daß bei der Kirche auf das richtige Verhältnis zwischen Erscheinung (= Sichtbarkeit) und Realität (= Innerlichkeit) zu achten sei. Das Verhältnis beider Elémente entscheide dann vor allem darüber, wie die Kirche als Institution bestimmt werden könne. Von Zezschwitz nennt hier die Alternative zwischen der Kirche als öffentlicher Institution durch kirchlichsymbolische Formulierungen oder als Verein ohne öffentlichen Charakter durch privat-theologische Formulierungen.

Formaler Kirchenbegriff Zu Beginn weist v. Zezschwitz die Vorstellung zurück, die Kirche sei eine Heilsanstalt, "mittels welcher dieselbe die Vermittlung für die Zugehörigkeit

59

Zezschwitz: System: S. 13.

60

Zezschwitz: System, S. 15.

61

Zezschwitz: System, S. 18.

62

Zezschwitz: System, S. 15.

148

G. v. Zezschwitz: System der Praktischen Theologie - 1876

zum Reiche Gottes bildet, in der Zeit für die innerliche, für die vollendete und allseitige Zugehörigkeit in der Ewigkeit"63. Die Kirche ist keine Heilsanstalt in diesem Sinne.64 Sein Hauptargument steht wiederum im Zusammenhang mit der Unterscheidung der Phasen der Heilsgeschichte. Die Phase der Kirche beginnt für ihn mit Pfingsten/Christi Himmelfahrt, "das heisst mit dem Wendepunkt, an dem das Haupt der Kirche selbst aus der Sichtbarkeit in die Unsichtbarkeit zurückgetreten und an die Stelle der Heilsvermittlung im Werke sichtbarer Offenbarung [wie nach v. Zezschwitz in alttestamentlicher Zeit, L.E.], die Heilsgegenwart als innere und unsichtbare und die Geistesherrschaft als verborgene Gottesherrschaft mitten unter bestehende Gegensätze der Erscheinung eingetreten ist"65. Gleichzeitig setzt aber der "neutestamentliche Charakter der universalen Heilspräsenz und -Realität"66 noch vor dieser Grenze mit dem Tode Jesu ein67. Die Sakramente Taufe und Abendmahl greifen auf dieses absolute Heilsmittel zurück, sind "Individualisierung und Concretisierung ... des Todes Christi"68, sie sind aber nicht das Wesen der Kirche, sondern eine vom Wesen zu unterscheidende Erscheinungsform, wie die Versöhnung Gottes in Jesus Christus als Heilsrealität das Ursprüngliche und die Sakramente das dazu Sekundäre sind. Daß die Kirche aus einer Mischung besteht zwischen Sichtbarkeit und Innerlichkeit, wird unterstrichen, gleichzeitig aber auch, daß der Schwerpunkt nicht auf der Sichtbarkeit liegt, sondern auf der Innerlichkeit. Zwischen den sichtbaren Sakramenten sowie deren Verwaltung auf der einen und dem innerlichen Wesen der Kirche auf der anderen Seite ist zu unterscheiden. Das

61

Zezschwitz: System, S. 14.

64

Vgl. dazu Rössler: Grundriß, S. 45: "Im Mittelpunkt steht die Lehre von der Kirche, bei v. Zezschwitz deutlicher, bei Harnack zurückhaltender als Heilsanstalt, deren Lebensäußerungen und Lebensvollzüge Thema der Praktischen Theologie sind. " Diese pauschale Einschätzung Rösslers entspricht nicht der differenziert zu sehenden Konzeption v. Zezschwitz's, auch wenn dieses Mißverständnis öfter begegnet. Vgl. u.a. Beyschlag: Theologie, S. 115 mit Anmerkung 217: "Nicht die Projektion menschlicher 'Activität' auf den kirchlichen Betrieb, sondern die 'Selbstauswirkung' der Kirche als göttlich/menschliche 'Heilsanstalt' bestimmt also das praktisch-kirchliche Handeln." Die Anmerkung bezieht sich auf Zezschwitz: System, "S. 5ff, 125, 177; Bd. II, S. 48 usw." Auf keiner dieser Seiten nennt v. Zezschwitz die Kirche eine Heilsanstalt, vielmehr gebraucht er diesen Ausdruck und den Ausdruck "Gnadenmittelanstalt" für die durch Gott gestiftete Sakramentsverwaltung. Das ist aber nur ein Aspekt seines Kirchenbegriffes.

65

Zezschwitz: System, S. 15.

66

Ebd.

67

Sinnfällig wird das am Zerreißen des Tempelvorhangs Mk 15,31 par.

68

Zezschwitz: System, S. 16.

Darstellung des Systems der Praktischen Theologie

149

sieht v. Zezschwitz in der Bestimmung von CA VII bestätigt, die nicht die Gnadenmittel als solche zum Wesensmoment der Kirche erklärt, sondern den rechten Umgang mit ihnen. Obwohl er die Beziehung beider Momente in CA VII nicht für "schlechthin durchsichtig" 69 hält, sieht er trotzdem seine These bestätigt, daß durch das Hineinreichen des schlechthinnigen Heilsmittels, des Todes Jesu, in die Phase II der Heilsgeschichte "zwei ganz verschiedene Seiten des innerweltlichen Erscheinungslebens der Kirche" 70 zu unterscheiden sind. Die Differenzierung des Kirchenbegriffs beginnt also mit der Unterscheidung von Wesen und Erscheinungsleben der Kirche.

Das Wesen der Kirche Die Kirche ist ihrem Wesen nach realisierte Gottesherrschaft. Sie ist "zeitgeschichtlicher, concreter und charakteristischer Ausdruck" 71 der neutestamentlichen Erfüllung. Das wirkliche Sein der Kirche ist "die neutestamentliche Realisierung des Geistes in der Welt" 72 . Insofern wird an der Kirche besonders das Moment der Geschlossenheit betont. Gleichzeitig ist sie "als Frucht des Todes Jesu Rechtfertigungsleben und Kindschaft der Gläubigen" 73 . Hier liegt als Gegengewicht die Betonung auf den Einzelnen innerhalb der Gruppe "Kirche". Die Gerechtfertigten sind nicht Resultat der Kirche 74 , sondern "sie sind die Kirche selbst als neutestamentliche Geistesrealität" 75 . Als Wesensbegriff kann jedoch durch diese Bestimmung nicht mehr eine funktionale Sicht der Kirche für die Bildung des Einzelnen, ob nun allein oder in einer Kirchengemeinschaft, angenommen werden. Der Wesensbegriff der Kirche liegt, "worin ihr Sein liegt" 76 . Die Kirche ist als "innere GeistesRealität im Unterschiede von bloß sinnbildender Erscheinung darzustel-

69

Ebd.

70

Ebd.

71

Ebd.

72

Ebd.

73

Zezschwitz: System, S. 6 6 0 [Systematisches Inhaltsverzeichnis],

14

Diese Formulierung spricht im übrigen wiederum gegen eine pauschale Einschätzung des Charakters der Kirche als Heilsanstalt.

75

Zezschwitz: System, S. 17.

76

Ebd.

150

G. v. Zezschwitz: System der Praktischen Theologie - 1876

len"77. Was konkret jedoch mit dem Begriff Geistesrealität gemeint ist, läßt v. Zezschwitz offen.

Formen der Kirche: causal-göttliche Lebenswirkung oder actual-gemeindliches Erscheinungsleben Die Erscheinung, die Form der Kirche sei dann von ihrem Wesen zu unterscheiden und wiederum über die Bestimmung der Charakteristika der heilsgeschichtlichen Epochen in zwei Seiten der Sichtbarkeit zu differenzieren, die jeweils auf die vorherige und folgende verweisen. Von Zezschwitz unterscheidet hier die Erfahrung der causal-göttlichen Lebenswirkung von der actual-gemeindlichen Seite des kirchlichen Erscheinungslebens. Die göttlich-causale Erscheinungsseite "dient der Vermittlung, resp. der Herstellung innerer Realitäten und grenzt daher so zu sagen mit dem alttestamentlichen Vorbereitungs- und Anstaltscharakter."78 Damit ist dasjenige Handeln gemeint, mit dem Gott an die Kirche herantritt, die sich als Empfängerin dieses Handelns zu verstehen hat. Obwohl das diakonische und seelenversorgende Handeln der Kirche mit diesem liebevollen Handeln Gottes korrespondiere, könne sie es nicht selbst erzeugen, sondern schöpfe aus ihm. Die so gekennzeichnete Vermittlung des Geistes durch Wort und Sakrament halte sich dabei an das Geschöpfliche, nutze die gegebenen menschlichen Möglichkeiten, auch wenn damit nur eine "begrenzte Darstellung des Unendlichen capax divini"79 möglich sei. Die Vermittlung des Geistes habe wie die Heilsgeschichte eine Stufung durchlaufen. Der Unterschied zwischen der alttestamentlichen Phase und der kirchlichen Phase der Vermittlung bestehe darin, nicht mehr nur durch Sinnbild zu vermitteln, sondern "vorschreitend, zum Mittheilen und Ineinanderleben, ... zum thatsächlichen Vehikel der Geistesberührung und Geisteswirkung"80 gelangt zu sein. Wort und Sakrament seien diese Vehikel. Dabei versteht er die "sacramentlich reale[n] Vermittlung"81 als Ausdruck dieser neuen Stufe, die sich zwar "nicht minder der sinnbildenden (symbolischen)

77

Zezschwitz: System, S. 19.

78

Zezschwitz: System, S. 18.

79

Ebd.

80

Ebd.

81

Ebd.

Darstellung des Systems der Praktischen Theologie

151

Vermittlung und Darstellung" 82 bedient, sich jedoch nicht zwanghaft-magisch, also wirksam ex opere operato verstehen kann. Für die Kirche sei dieses Erscheinungsmoment von Wort und Sakrament ein "angestiftetes und mit der Kirchenschöpfung selbst gesetztes, als unveräußerlich nothwendig, wenn auch ebensowenig legal begründet ..."83 anzusehendes Kennzeichen, in dem die Universalität der Kirche zum Ausdruck komme als eine "allgemeine und eine" 84 Kirche. Wo Wort und Sakrament überhaupt noch, wenn auch verkümmert oder mißdeutet, vorkämen, dort sei Kirche, weil dort Gottes Handeln noch greife. Die Stiftungsformulierung ist für v. Zezschwitz Ausdruck dafür, daß jedem Handeln der Kirche das Handeln Gottes vorausgeht. Die "richtige Bestimmung von dem Verhältnisse, ... von Geist zu Geist, so von dem des Geistes zum Stoffe" 85 , die Frage also, wie das Herangetretene durch das Handeln der Kirche sich verbreitet, neu wirksam werden kann und sich so selbst verwirklicht, ist für v. Zezschwitz die Grundlage aller weiteren Überlegungen, es sei die Prinzipienfrage für die Praktische Theologie. Zu der Erfahrung der causal-göttlichen Lebenswirkung verhalte sich die zweite Seite des innerweltlichen Erscheinungslebens der Kirche wie eine selbständige Antwort. Sie werde durch das actual-gemeindliche Handeln der Kirche gebildet. Von Zezschwitz versteht darunter, daß neben dem Handeln Gottes die Kirche selbst handelt und geistwirkend tätig ist, "während sie an den Gnadenmitteln nur diakonisch wirkend thätig ist"86, also nur Hilfestellung leiste. Den Prozeß des Übergangs vom äußeren Anstoß Gottes zum eigenen Anstoßen der Kirche beschreibt v. Zezschwitz analog zum Prozeß der Geistwirkung im Menschen. In "verborgener Umwandlung des menschlichen Geistesund Personlebens" 87 liegt für ihn das Paradigma der Erscheinungsweise des

82

Zezschwitz: System, S. 19.

83

Ebd.

84

Ebd.

85

Zezschwitz: System, S. 20. Interessant ist seine parallele Formulierung über das Verhältnis von Theologie und Empirie in der akademischen Rede von 1867. Empirie und Theologie berühren sich in einem Punkt: "Ueber der Frage nach den letzten Gründen besinnt sich, wie der Geist auf den Stoff, so der Stoff auf den Geist; die Hand am Schleier - erkennen sie einander gegenseitig als Wissenschaft." Zezschwitz: Entwicklungsgang, S. 6.

86

Zezschwitz: System, S. 21.

87

Zezschwitz: System, S. 19.

152

G. v. Zezschwitz: System der Praktischen Theologie - 1876

Geistesberührung -> Wandlung in Receptivität -> Glaube: er ist auch Erkennen -> Erkenntnis -> erhebt zu erscheinendem Geist -> Geist macht sich Äußerliches dienstbar -> ermöglicht so neue Geistberührung

Abb. 3: Stufen der Erscheinung bei G. v. Zezschwitz

Geistes. Gegenüber einer Person beginne die Erscheinung des Reiches Gottes zuerst durch Äußerlichkeiten, das Wort bzw. das Sakrament, um sich dann rein annehmend mit einer Wandlung fortzusetzen, mit dem Glauben. Zugleich mit dieser "Geistberührung" komme es jedoch bereits zum Erkennen, da Glaube immer auch Erkennen sei.88 Dadurch werde der Glaube selbst wieder erscheinender Geist. Durch dieses "innere Verklärungswirken" zu einem neuen heiligen Geistesleben erhoben, mache dieses Geistesleben sich wieder das Äußerliche dienstbar, verkläre es und trete so in Erscheinung. Dieser innere Drang zur Erscheinung sei wesentlich im Reich Gottes der neutestamentlichen Stufe angelegt. So vollziehe sich auch das Zusammenspiel beider Erscheinungsseiten der Kirche. An die Kirche sei der gestiftete Geist in Wort und Sakrament herangetreten, um dann durch die evangeliumsgemäße Verkündigung und angemessene Darbringung der Sakramente wiederum Geist zu wirken. Mit diesem "Formgesetz"89 der Erscheinungsseiten unterscheidet v. Zezschwitz pneumatologisch das Handeln Gottes als Geisteswirkung und das Handeln der Kirche als sekundäres Handeln aus dem Glauben durch Menschen zur Vorbereitung und Pflege des Glaubens. Deshalb lautet seine erste Definition der Erscheinung Kirche: "Die Kirche sind die Glaubenden oder die Gemeinschaft der Glaubenden."90 Erste Form des Erscheinens von Kirche, des actual-gemeindlichen Handelns ist für ihn daraus direkt folgend "das Bekenntniss oder der bekennende Glaube"91, der die Evangeliumsverkündigung sicherstellt. So versteht er auch die Intention von CA VII, allerdings durch zeitgeschichtliche Einflüsse "mit er- und bekenntnissmässig correcter Verwaltung

88

Damit ist die wissenschaftliche Theologie prinzipiell im Glauben angelegt.

89

Zezschwitz: System, S. 21.

90

Zezschwitz: System, S. 22.

91

Ebd.

Darstellung des Systems der Praktischen Theologie

153

identificiert" 92 . Als wesentliche Konsequenz sieht er wieder die Unterscheidung der göttlichen Stiftung der Kirche von der Setzung eines Bekenntnisses. Die Stiftung der Kirche sei wesentlich universell, das daraus resultierende Handeln der Menschen sei jedoch sowohl synchron als auch diachron in ihrem Reifegrad differenziert zu sehen. Damit versucht v. Zezschwitz falsche Definitionen zu verhindern: zuerst die Bestimmung, die die Stiftung der Kirche als Handeln Gottes mit einer Heilsanstaltlichkeit der menschlichen Form verwechselt, dann die Definition, daß "die Gemeinschaft von schriftgemäß Bekennenden mit der Kirche κ.ε. identificiert erschiene; ..."93 oder etwa daß Verfassungsfragen zu Wesenfragen werden. Er wendet sich also gegen eine Vermischung des Wesens und der beiden Erscheinungsformen, einer Vermischung göttlichen und menschlichen Handelns. "Für das dogmatische Interesse genügt es vielmehr, dem [sie!] Wesensbegriffe: 'Die Kirche ist die von Christo durch den Geist in der Welt hergestellte Gemeinde der Gläubigen', nach Seite der charakteristischen Geistesvermittlung: 'durch die Gnadenmittel des Wortes und der Sacramente' näher zu bestimmen." 9 4

Die Praktische. Theologie füllt diese Definition des Wesens unter Einbeziehung der doppelten Erscheinungsseite der Verwirklichung, also dem Stiftungsurgrund und Ziel sowie dem Weg dorthin, weiter aus: "Kirche ist die von Christo durch den Pfingstgeist ins Leben gerufene Gemeinde der Gläubigen, welche sich durch die Gnadenmittel dieses Geistes fort und fort in der Welt erzeugt und auf Grund dieser Geisteswirkung erscheinend bethätigt bis zur vollendeten Erscheinung des seinem verklärten Haupte entsprechenden Leibes Christi." 95

Aus dem Spannungsgefüge von Wesen und doppelter Form fließt die besondere Aufgabe der Praktischen Theologie, wie sie v. Zezschwitz schon in der Einleitung umrissen hatte. Die Praktische Theologie soll den Unterschied zwischen der Idealebene, dem "Idealsubject", und dem epochalen Charakter der Kirche, der "Erscheinung als unmittelbar wirkendes und ausführendes Handeln" 96 reflektieren. Der Maßstab des unmittelbaren Handelns gewinnt sich so direkt aus dem Ideal, das aus der Reflexion des eigentlichen Idealsubjektes resultiert.

92

Ebd.

93

Ebd. Hier liegt übrigens dieselbe Intention vor wie bei Nitzsch, der die Kirche auch nicht als Summe, sondern als Potenz ihrer Glieder betrachtet. Vgl. Kap. I M . Kirche geht über eine rein menschliche Gemeinschaft hinaus, hat ihr Haupt im Himmel.

94

Zezschwitz: System, S. 22f.

95

Zezschwitz: System, S. 23.

96

Vgl. Zezschwitz: System, S. 24.

154

G. v. Z e z s c h w i t z : S y s t e m der Praktischen T h e o l o g i e - 1 8 7 6

Eine Definition von Kirche als Leib Christi lehnt v. Zezschwitz ab, weil der Leib Christi kein Begriff sei, der sich auf die Kirche beschränke, sondern auch für "alle in den Stand der himmlischen Seeligkeit versetzten alttestamentlichen Gläubigen" 97 gelte. Der Begriff treffe vielmehr die Idealebene des Reiches Gottes, das jenseits der Epochenunterscheidung läge. Hierunter fielen sowohl die alttestamentliche Epoche, die Kirche, wie die eschatologische Gemeinschaft. Das Bild des Leibes Christi sei deshalb eher verwirrend als klärend. Erst wieder die Epochenunterscheidung bewähre sich zur Klärung.

Die kirchlichen Ämter 98 In der sich daran anschließenden Frage nach dem Amt stimmt v. Zezschwitz nicht den Argumentationen F. Schweizers und Nitzschs zu. Sie gehen für ihn zu schnell von der Gemeinde zum Amt über, weil sie es als positiv gegeben verstünden und als die wesentlich handelnde Instanz sähen. Unmittelbar handelndes Subjekt ist für v. Zezschwitz jedoch die Gemeinschaft. Insofern ist das handelnde Subjekt in der Form des Amtes immer in das höhere Subjekt der Kirche eingefaßt, "... dass wo das Kirchenamt als selbständig ausführendes auftritt, dieses immer noch in jenes Subjekt [die Kirche, Gemeinde bzw. Gemeinschaft, L.E.] als das höhere und allgemeine eingefaßt erscheint." 99 Diese Definition wird in späteren Paragraphen konkreter deutlich: "In letzterer Hinsicht steht zunächst der Grundsatz fest, dass alles sacrificiellen Thuns schlechthin bedingende Subject die Gemeinde als die Glaubende ist, ... Auch das Amt ist in diesem Falle nur Vertreter, ..." 10 °. Von Zezschwitz überführt dagegen die Gegenüberstellung von Amt und Gemeinde, die für Nitzsch, im Gefolge Luthers, die wesentliche Gegenüberstellung war, in die Gegenüberstellung von Welt und Kirche. Er versteht

"

Z e z s c h w i t z : S y s t e m , S. 2 3 .

98

Der Plural ist hier bewußt gewählt, obwohl Z e z s c h w i t z im Singular bleibt. T r o t z d e m ist seine B e s t i m m u n g des einen A m t e s als Freisetzung pluraler O r g a n e keine singulare A m t s bestimmung.

99

Z e z s c h w i t z : S y s t e m , § 3 0 , S. 2 5 . D a ß dies nicht von der Position N i t z s c h s abweicht, sondern im Gegenteil g e r a d e sein A n l i e g e n war, n i m m t v. Z e z s c h w i t z nicht wahr. Gründe für seine A n s i c h t über Nitzsch und S c h w e i z e r nennt er leider nicht. V g l . zu Nitzsch: M e h l h a u s e n : R e c h t , und die erarbeiteten E r g e b n i s s e z u m Amtsverständnis N i t z s c h s in III.l.

100

Z e z s c h w i t z : S y s t e m , § 2 1 8 , S. 2 7 9 . P. K l e i n e n faßt es so z u s a m m e n : " D a s A m t ist in allem, w a s sacrificiellen C h a r a k t e r s ist, selbst in der Predigt und an der Spendung des S a k r a m e n t e s , nur Vertreter der G e m e i n d e . " V g l . K l e i n e n , T h e o l o g i e .

Darstellung des Systems der Praktischen Theologie

155

Kirche in diesem Gegensatz monolithisch, weil sie in sich nicht "besondere Instanzen der Thätigkeitsorgane unterscheidet" 101 . Die Ursache dafür liegt in der grundsätzlichen Beurteilung der Stellung des Reiches Gottes innerhalb der Phase II (Kirche) als Auseinandersetzung mit der Nicht-Kirche, der Welt. Gegenüber der Nichtkirche, der Welt, sei jeder Christ als Anteilhabender am Reich Gottes vollberechtigt Amtsträger. So versteht v. Zezschwitz aus dem Wesen der zweiten Phase des Reiches Gottes heraus die Kirche als universell, monolithisch. Er versteht "die Kirche also schlechthin als Christenheit" 102 . Innerhalb dieser Größe sei die Kirche analog zur Welt differenziert, ein "organisiertes und verfaßtes Gemeindeleben" 103 , wenn "die Kirche ebenso sich selbst Object wird als sie Subject allen Handelns ist"104. Da jedoch der wesentliche Gegensatz zwischen dem Reich Gottes und der Welt, zwischen Kirche und Nichtkirche, besteht, treten die inneren Differenzierungen gegenüber einer integrierten Sicht der Einzelorgane zurück, d.h. jedes Handeln von Einzelorganen oder -personen ist nur legitimiert als kirchliches Handeln, wenn es sich als in Verbindung zum eigentlichen actual-gemeindlichen Erscheinungsleben der Kirche, dem Bekenntnis stehend definieren läßt105: "... aber dabei schliesst auch hier der die Thätigkeit bestimmende reine Gegensatz von Kirche und Nichtkirche jede isolierte Verselbständigung wirkender Einzelorgane aus"106. Die Auswirkung der Kirche, das kirchliche Handeln steht folglich in zwei Spannungen: einmal als "Selbstbezeugung der Kirche von ihrem Heilsbesitze" als Totalität gegenüber der Nichtkirche und dann aufgrund dieses Heilsbesitzes in sich differenziert durch gemeindliches Handeln als organisches System.

Die Handlungsfelder der Kirche und die prakt.-theolog. Disziplinen Von Zezschwitz hat eine Herleitung der kirchlichen Handlungsfelder vorgenommen, die von seiner Bestimmung der praktisch-theologischen Disziplinen

101

Zezschwitz: System, S. 25.

102

Zezschwitz: System, S. 26.

,03

Ebd.

104

Zezschwitz: System, S. 27.

105

Vgl. die Frage von Identität, Legitimität, Autorität und Konsens in bezug auf den Amtsträger bei Rössler: Grundriß, S. 65f.

106

Zezschwitz: System, S. 26.

156

G. v. Zezschwitz: System der Praktischen Theologie - 1876

abweicht. Deshalb werden beide Fragestellungen getrennt dargestellt und dann miteinander verglichen. A: Central bestimmte Lebensthätigkeit der Kirche: (Innenleben) I. Central: Gottesbeziehung statt Weltbeziehung Idee der realisierten Gottesherrschaft = Gegenwart Gottes = Cultusleben der Kirche unterschieden nach den Erscheinungsformen in: 1. Mehrung des Heilslebens durch Gnadenmittel (Wort und Sakrament) = Homiletik + Liturgik 2. Selbsbejahung der Gemeinde (Gebet und Lobgesang = Liturgik) daraus ergibt sich die Vermittlungs- und Werdestufe: II. Weiterführung in diesem Centraileben (Objekt = Kircheseiende, L.E.) = Seelsorge III. Einfügung in dieses Centralleben (Objekt = Kirchewerdende) = Katechumenat B: Aus der Spannung Kirche Welt entstandene Lebensthätigkeit (Außenleben) I. Mission = Keryktik II. Verfassungsfragen = Kybernetik

Abb. 4: Lebenstätigkeiten der Kirche nach G. v. Zezschwitz

Aufgrund der primären Differenzierungserfahrung der Kirche zur Welt und der erst sekundären, innerkirchlichen Differenzierung stellt sich die Frage des Amtes als Kernfrage der Systematisierung der Handlungspositionen innerhalb der Kirche für v. Zezschwitz ebenfalls erst sekundär.107 Primär ergäben sich aus dem Verhältnis zwischen der Kirche (in ihren beiden Erscheinungsformen) und der Welt "drei Grundformen central bestimmter Lebensthätigkeiten der Kirche", die durch zwei weitere "peripherisch zu bezeichnende" 108 Tätigkeiten ergänzt würden, die aus dem Verhältnis der monolithischen Kirche zur Welt entstanden seien. Die Lebenstätigkeiten liegen also wie konzentrische Kreise um den Kern herum. Kern der Lebenstätigkeiten der Kirche bildet in dieser Struktur die causalgöttliche Lebenswirkung in der Gegenwart Gottes, das Kultushandeln der Kirche mit dem Zweck der Mehrung des Heilslebens und der Selbstbejahung der Gemeinde, d.h. mit dem Zweck der Erbauung der Gemeinde aus der Got-

107

Dies läßt sich allerdings über die Aussagen Nitzschs zum Amt ebenfalls behaupten.

108

Zezschwitz: System, S. 27.

Darstellung des Systems der Praktischen Theologie

157

tesbegegnung in Wort und Sakrament und der Antwort in Gebet und Lobgesang. 109 Darum herum liegen die anderen Tätigkeiten, weil sie entweder den Eingeführten zu einer solchen Lebenstätigkeit verhelfen wollen, die wiederum das Erscheinen des Reiches Gottes ein Stück weit möglich macht, oder in diese Tätigkeit einführen wollen. Die Überlegungen zur Mission und zur Verfassung, die sich direkt aus dem Gegensatz von Kirche und Welt herleiten lassen 110 , werden zum einen als grundsätzliches Handeln der Kirche (Mission) verstanden, andererseits als Schlußpunkt gesehen (Verfassung). 111 Aus diesen Handlungsfeldern und deren organischen Verbindungen leitet v. Zezschwitz ab, daß es einen "positiv gegebenen Klerus" 112 nicht geben könne. Damit ist nicht 'positiver Klerus' im Sinne Nitzschs gemeint, also als öffentlich anerkannter natürlicher Klerus. Der Schwerpunkt liegt auf dem 'gegeben'. Der Klerus steht nicht als Kaste gestiftet der Kirche gegenüber. Vielmehr wird er sekundär aus den Lebenstätigkeiten der Kirche, die gestiftet ist, freigesetzt: "... auf dem Wege der Weltauswirkung selbst und zwar auf der jeweiligen centralen Höhestufe derselben setzt die Kirche als Christengemeinde aus sich heraus und erzeugt - auch in diesem Stück sich selbst auswirkend - fort und fort im Leben, was ihr um ihrer selbst willen unveräußerlich und gerade auf der Höhestufe für ihr Selbstleben unentbehrlich ist."' 13 Die durch die gestuften Lebenstätigkeiten der Kirche hervorgebrachten Organe, d.h. Ämter, sind in sich analog der primären und sekundären Ebene gestuft: 1. als Amt gegenüber der Welt und den "Erziehungsbedürftigen" 114 , das die Kirche ununterschieden innehat, also jeder einzelne Christ; 2. dann innerkirchlich als Gegenüber zur Gemeinde aus dem Cultusleben heraus.

109

Diese Interpretation des Gottesdienstes bietet u.a au.ch die sog. Torgauer Formel Luthers, vgl. Luther, M.: Predigt am 17. Sonntag nach Trinitatis, bei der Einweihung der Schloßkirche zu Torgau gehalten, in: W A 49, 588-615.

110

Das ist bei v. Zezschwitz völlig unproblematisch gedacht, stellt aber einen wesentlichen Schwachpunkt des Aufbaus dar, weil hier seine grundsätzliche Einteilung vom Reich Gottes, von Kirche und Welt sich als nicht schlüssig erweist, wie im späteren noch zu zeigen sein wird.

111

Kleinen: Theologie, S. 302: "An den Anfang hat die Selbsteinpflanzung der Kirche in die Welt durch die Mission zu treten, an's Ende die Darstellung ihrer Geistesherrschaft durch Verklärung der Weltverhältnisse: die Kirchenverfassung (§ 121.125). Zwischen Keryktik als Missionstheorie und Kybernetik als Verfassungstheorie verläuft das Ganze."

112

Zezschwitz: System, S. 29.

113

Ebd. Dies hätte allerdings auch Nitzsch nicht bestritten, vgl. Kap. II.l.

114

Zezschwitz: System, S. 30.

158

G. v. Zezschwitz: System der Praktischen Theologie - 1876

Dabei fällt zum einen auf, daß der "natürliche Klerus" der primären Ebene nicht weiter nach der theologischen Kompetenz unterschieden wird, wie es bei Nitzsch geschah.115 Zum anderen jedoch fällt eine weitere hierarchische Stufung analog zu den hierarchischen Handlungsfeldern auf: Das "... ideell höchste ... wesentliche ...1,116 Kirchenamt ist das Amt der Cultusstufe, weil es "in Form thatsächlich vorliegender Wirkung das wesenhafte Kirchesein überhaupt repräsentiert"117, d.h. weil es das göttliche Geben, das causale Wirken vertritt. Dieses Amt handele dann sowohl dort, wo es dieses Geben an die Gemeinde repräsentiert, als auch dort, wo die Gemeinde als Subjekt gegenüber Gott handelt und zwar als Führer und Vorgänger. Unterschieden werden innerhalb des Kultusamtes dann nur jeweils diese unterschiedlichen Aspekte: als Vertretung göttlichen Lebenswirkens, oder eben als Führer und Vorgänger, nicht anders priesterlich als die restliche Gemeinde auch. Mit dieser Hierarchisierung wird auch in der Amtsfrage eine besondere Stellung des Kultus unterstrichen. Zu diesen Bestimmungen verhalten sich die praktisch-theologischen Disziplinen, wie sie v. Zezschwitz auf S. 140ff seines Buches bestimmte, sperrig. Er versucht die Gliederung nach individueller Glaubensentwicklung genetisch zu ermitteln118 und beginnt dabei, wie in seiner Katechetik119, von der zentralen Taufe aus. So wie die individuelle Glaubensentfaltung die Stufung Berufung, Erleuchtung und Rechtfertigung durchläuft, so gliedert sich auch die Praktische Theologie in Keryktik als Heranrufung, in Katechetik als Unterricht, in Cultuslehre als Ausdruck der Gotteskindschaft, in Poimenik als seelsorgerliche Aufrechterhaltung dieses Zustandes und in Kybernetik, die durch äußere Ordnung diesen Prozeß zu stärken versucht120. Insofern versteht v. Zezschwitz die Kirche als idealisierte Person, die eine Glaubensentwicklung durchläuft: sie ist "die personifizierte Idee der Kirche, welche sich selbst hervorbringt, sich selbst zur Communionsreife heranführt, und auf dieser angelangt sich in der Verfassung ihre Form gibt."121

1,5

Vgl. Nitzsch: Observations, und Kap. II.l.

116

Zezschwitz: System, S. 30.

117

Ebd.

118

Zezschwitz: System, § 119.

1,9

Vgl. Beyschlag: Theologie, S. 116.

' 20 Die Homiletik wird kein eigenes Thema, zum einen, weil sie auf der einen Seite in jeder der Disziplinen als Wortverkündigung vorzukommen hat und auf der anderen Seite, weil sie wesentlich zum Cultusleben gehört. 121

Kleinert: Theologie, S. 307.

Darstellung des Systems der Praktischen Theologie

159

Im Gegensatz zu J.F.W. Höfling ist so nicht mehr die theologische Erfassung des Kultus Ausgangspunkt der praktischen Theologie, sondern "vielmehr die Theorie der missionierenden Thätigkeit der Kirche, weil die praktische Theologie darzulegen hat, wie die Kirche als Gemeinde der Gläubigen in der Welt sich auswirkt" 122 . Die Sperrigkeit der sich zueinander verhaltenden Handlungsfelder und Disziplinen resultiert daraus, daß zwei unterschiedliche Vorstellungen von Kirche - idealisierte, sich entwickelnde Persönlichkeit sowie bereits bestehende Institution - ineinander greifen. Hier liegt das Hauptproblem des Entwurfes v. Zezschwitzs. 123

Prinzipienlehre Kap. II. An die Überlegungen zum Kirchenamt schließt v. Zezschwitz die §§ 35-41 über "das apostolische Kirchenideal" in Cap. II124 an - als nun nicht mehr spekulative, sondern historische Untersuchung der Kirche. Die erste und originale Verwirklichung des Christentums als kanonischer Normalcharakter wird hier dargestellt, die in Übereinstimmung mit der entwickelten Idee der Kirche stehe. An diesem historisch feststellbaren Maß müßten sich alle späteren Entwicklungen ebenfalls messen. Von Zezschwitz ist sich darüber im klaren, daß es gerade der Ausnahmecharakter der apostolischen Zeit ist, der sowohl die Normativität begründet, als auch die Unvergleichlichkeit nahelegt. Der Ausnahmecharakter der kirchlichen Frühzeit liege in ihrer fundamentalen Bedeutung. Diese Bedeutung resultiere aus der Überlappung der alttestamentlichen Phase des Reiches Gottes bis Pfingsten/Himmelfahrt (Sichtbarkeit) und der schon eingesetzten kirchlichen Phase mit dem Kreuzestod Jesu (Universalität). Die Kirche der apostolischen Zeit sei eine "originale Verwirklichung des Christenthums", weil sie durch diese Überlappung der direkten Verbindung mit Christus in Sichtbarkeit und der universellen Geistverleihung zu Pfingsten eine "innerweltliche Geschichtsparallele zur vollendeten Erscheinung des Reiches Gottes

122

Löber: Rez. zu Zezschwitz, 1877, S. 530.

123

Die daraus resultierenden Probleme hat Kleinen: Theologie, deutlich gemacht und werden in der Interpretation (III.3.) ausführlich aufgegriffen.

12,1

Zezschwitz: System, S. 3Iff: "Die geschichtliche Auswirkung der Kirche und die ideellen Wesensgesetze derselben".

160

G. v. Zezschwitz: System der Praktischen Theologie - 1876

am Ende" 125 darstellt, an der endlich die Universalität und Sichtbarkeit des Gottesreiches eintrifft. Es handelt sich aber - wie schon dargelegt wurde - trotzdem um kirchliche Zeit, denn sie gründet zwar in der alttestamentlichen Zeit der sichtbaren Gegenwart Christi, hat jedoch Pfingsten zur Gründungsvoraussetzung und ist Beginn von Neuem. Deshalb ist analog die Kirche ihrem Wesen nach nicht mehr nur versammeltes, berufenes Volk, wie im Alten Testament, sondern versteht sich als "die Gemeinde des den Gläubigen einwohnenden Pfingstgeistes"126. Diese in den Augen v. Zezschwitzs historisch hergeleitete Wesensbestimmung findet ihren Ausdruck im Katechumenat (für alle Berufenen) zur Aufnahme in das Cultusleben der Gemeinde (der mit dem Geist gesegneten Gläubigen). Die "doppelartige Natur" 127 der apostolischen Zeit expliziert v. Zezschwitz an den Aposteln. Sie seien ebenso alttestamentlich wie kirchlich: Die Apostel sind zum einen als Jüngerkreis das alttestamentliche Heilsvolk, sind aber auch nach Pfingsten Träger des neutestamentlichen Geistes, stehen in der "Erstlingsschaft des Geistes" 128 . Sie seien also die Gemeinde, aber sie stünden ihr auch als Vorgestalt gegenüber, als "Stellvertreter der centralen Heilswirkung Christi in dem universalen Sinne, daß sie es bleiben für die Kirche aller Zeiten" 129 . Die Apostel seien zudem "die erste und für alle Zeiten absolute Personification des Geistes" 130 , während in der folgenden, nachapostolischen Zeit die Gemeinde nur sekundär aus der geordneten Gnadenmittelwirkung lebe. Die Wundertätigkeit als kirchliches "Gemeingut der apostolischen Offenbarungsepoche" 131 werde in der nachapostolischen Zeit "zum außerordentlichen und rein individuellen Gabenerweis" 132 . Die Heilsvermittlung sei "in die geordnete Vermittlung durch fixierte Gnadenmittel" 133 übergegangen. Der Unterschied zwischen apostolischer Zeit und der Zeit der späteren Kirche ist also der Übergang von außerordentlichem Geisterweis in den Aposteln und der

125

Zezschwitz: System, S. 33.

126

Zezschwitz: System, S. 34.

127

Ebd.

128

Zezschwitz: System, S. 35.

129

Ebd.

1.0

Ebd.

1.1

Ebd.

112

Zezschwitz: System, S. 36.

m

Ebd.

Darstellung des Systems der Praktischen Theologie

161

Pfingstgemeinde zur sekundären, geordneten Vermittlung durch die Gnadenmittel des Wortes Christi und der Apostel: "So geht wie die Vermittlung des persönlichen Geistbesitzes überhaupt insbesondere die Personification des Geistes in den Aposteln über in die fortwährende und fortwirkende Gegenwart des apostolischen Wortes wie des durch die Apostel vermittelten Wortes Christi." 134 Ebenso geht die originale Erscheinung des Pfingstgeistes in die "der Gemeinde zu eigenen Händen und fortgehendem Gebrauch befohlenen" Sakramente über, in denen "sich das absolut vermittelnde Werk Christi organisch aneignend individualisiert" 135 . Aus der Personifikation des Geistes in den Aposteln wird deren Wort und Verkündigung, aus dem Werk des Lebens Christi die Sakramente. An Wort und Sakrament "zeigt sich doch nun ... Alles abgestreift was zu dem besonderen Charakter der originalen Verwirklichung der Kirche und dem dieser Epoche für sich eignenden Erscheinungscharakter gehörte" 136 . Was sich nun darauf an Erscheinungsleben aufbaut in Cultus- und Verfassungsgemeinschaft, ist "freilich nur relativ giltige Norm für alle weitere Verwirklichung" 137 . Teilt man also mit v. Zezschwitz die Phasen des Reiches Gottes und die Phasen der kirchlichen Zeit einander zu, so ergibt sich, daß die aus der Überlappung von alttestamentlicher und kirchlicher Zeit entstehende Offenbarungszeit bzw. erste originale Verwirklichung als Zeichen die Wundertätigkeit als "Naturverklärung in geistlichen Gaben und Wunderkräften" 138 trägt. Darin liegt als Verbindung von Universalität und Sichtbarkeit des Reiches Gottes die Idealität dieser Zeit. Der Wert dieser Zeit liegt also darin, "in offenbarungsmässiger Erscheinungsform das Princip der neuen Epoche zu idealem und principiellen [sie!] Ausdrucke gebracht zu haben" 139 . Die pneumatologische Qualität der zeitlichen Abfolgen ist in sich gestuft: "Erscheinend wird zuerst der Geist selbst als Princip einer actuell verwirklichten Gemeinde Jesu auf Erden; menschliche Personification des Geistes in den Aposteln bildet weiter den idealen Principausdruck, wie der Geist actuell in der Kirche sich ausleben und seine Welterscheinung vermittelt sehen will; in der Naturverklärung endlich, wie sie in den geistlichen Gaben und Wunderkräften der apostolischen Zeit eine erste Principerscheinung in der Gemeinde Jesu selbst gewinnt, liegt das Endziel erscheinender Gottesherrschaft präformiert.

134

Ebd.

135

Ebd.

136

Ebd.

137

Zezschwitz: System, S. 36f.

138

Zezschwitz: System, S. 35.

139

Zezschwitz: System, S. 37.

162

G. v. Zezschwitz: System der Praktischen Theologie - 1876

als in der Wesensanlage des auf Grund innerlich realisierter Gottesherrschaft zur Erscheinung drängenden Geistesprincipes." 140

Diese historisch-pneumatologische Herleitung versucht, wie schon die begriffliche Herleitung, die verschiedenen Handlungssubjekte und -felder abzustecken. Analog zu seiner begrifflichen Herleitung versucht v. Zezschwitz nun historisch die Phasen des causal-göttlichen Handelns und des gemeindlich-actualen Handelns zu unterscheiden. Er kommt - wie anzunehmen war - zu demselben Ergebnis: Das causalgöttliche Handeln gehe dem gemeindlich-actualen voraus. Ursächlich für alles menschliche Handeln bleibe das Handeln Gottes. Bezogen auf die schon dargestellten Zeitläufe141 geschehe dieses causal-göttliche Handeln im Handeln Christi bis Pfingsten/Himmelfahrt. Wort und Sakrament hätten ihre Wurzeln davor, im Kreuzesgeschehen. Dazwischen sei der eschatologische Zustand vorweggenommen. Sowohl das Wort wie auch das Sakrament würden nach Pfingsten jedoch erst durch das diakonische Handeln der Gemeinde individualisierend wirksam, mit Pfingsten sei also "jene principielle Gemeinde-Actualität eröffnet" 142 . Dadurch sei die actúale Gemeinde selbst als Trägerin des Geistes geistwirksam tätig geworden, trüge fortan Wesen und Formen der Kirche aus der idealen originalen Verwirklichungsform in sich. Das göttlich-causale Handeln habe sich an das gemeindlich-actuale Handeln gebunden. Der Praktischen Theologie stellt sich daraus eine grundlegende Aufgabe. Sie soll das Verhältnis zwischen göttlich-causalem Handeln und gemeindlichactuale Handeln korrekt bestimmen. Dabei bleibt es allerdings nicht allein bei dieser analytischen Aufgabe. Durch eine korrekte Bestimmung des beschriebenen Phänomens soll zugleich auch die Spannung von bereits angebrochenem Handeln Gottes und noch zu geschehendem Handeln der Menschen fruchtbar gemacht werden, ohne der Gefahr zu erliegen, das menschliche Handeln ersetze nun vollständig das göttliche Handeln. Dies wäre eine falsche Bestimmung des ursächlichen Zusammenhangs zwischen beiden Handlungsweisen. Aus diesen Bestimmungen ergeben sich auch enzyklopädische Folgen für die Praktische Theologie. Die differenzierte Bestimmung der miteinander verbundenen Handlungsweisen und die Darstellung des Verwiesenseins

, 10

'

Ebd. (Zusammenfassender Abschluß der §§ 35-41).

"" Vgl. Abb. 2, S. 147. 142

Zezschwitz: System, S. 37.

Darstellung des Systems der Praktischen Theologie

163

menschlichen Handelns auf das ursächliche göttliche Handeln stellen auch das einigende Band und Gliederungsprinzip der Praktischen Theologie dar. Zuerst sei das Zusammenkommen beider Handlungsweisen im Cultusleben der Kirche zu thematisieren. Das soll geschehen in der Unterscheidung von Erscheinungsformen am Thema der Gnadenmittel (Wort und Sakrament). Daran schließe sich dann die Selbsvergewisserung der Gemeinde (Gebet und Lobgesang) an. Für die in diesem aufgespannten Wirkungsrahmen lebenden Menschen ist der Zusammenhang zwischen Handeln Gottes und menschlichem Handeln immer wieder heilsam ins Gespräch zu bringen (Seelsorge) bzw. andere Menschen sind in diesen Wirkungsrahmen einzuüben (Katechumenat). Daran schließen sich direkt die Außenbeziehungen der Kirche an. Sie eröffnen die Handlungsfelder von Mission (Keryktik) und - aufgrund der Verbindungen zur restlichen Geselligkeit in der Form des Staates - die Verfassungsfragen (Kybernetik).

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G. v. Zezschwitz: System der Praktischen Theologie - 1876

2. Vergleich mit C.I. Nitzsch und Interpretation Zu Beginn möchte ich die beiden zu vergleichenden Ansätze noch einmal zusammenfassend skizzieren. 1. Jeder Mensch ist zum Handeln berufen 2. Theologie ist eine darauf bezogene positive Wissenschaft -> Handlungsbegriff grundlegend Ethik PTh Handeln Handlungsermöglichung -> Bildungsbegriff Methodendefinition: Τ - Β -> Κ -> Subjektbegriff: Subjekt der Bildung ist Kirche 1. Konstitutivum der Praktischen Theologie 2. Objekt der empirischen Praktischen Theologie 3. theologische Norm der Praktischen Theologie 4. Zieloption der Praktischen Theologie -> Kirchenbegriff bzw. -theorie: Von der Handlungsermöglichung zur Kirche, nicht von den Kirchen zur Handlungsermöglichung Anknüpfung an CA VII: Kirche handelt empfangend und austeilend -> Amtsbegriff: gebunden - ungebunden

Abb. 1: Gedankenverlauf in C.I. Nitzschs Praktischer Theologie

Für C.I. Nitzsch war die enzyklopädische Bestimmung der Praktischen Theologie gegenüber der theoretischen Theologie und besonders der Ethik ursächlich. Er ging dabei davon aus, daß die Praktische Theologie eine Disziplin der positiven Wissenschaft Theologie ist, die sich auf das Handeln Gottes bezieht und auf das Handeln des Menschen, zu dem dieser berufen ist. Deshalb ist der Handlungsbegriff grundlegend, die Praktische Theologie ist eine Handlungstheorie. Innerhalb des Handlungsbegriffs unterscheidet er Handeln an sich (Th. Ethik) und Handlungsermöglichung (Praktische Theologie), die wiederum eng mit dem Bildungsbegriff verbunden ist. Bildung spielt sich im Spannungsfeld von drei sich dialektisch aufeinander beziehenden Polen ab: Lebenswirklichkeit (Tatsache), Norm (Begriff) und daraus resultierendem Verhalten (Kunstregeln). Nitzsch leitet aus dieser bildungstheoretischen Trias

Vergleich mit C.I. Nitzsch und Interpretation

165

seine drei Methoden der Praktische Theologie - als somit kritischer Handlungstheorie - ab: empirische Methode, begriffliche Methode, daraus resultierende technische Methode. Erst nach dieser Ebenenunterscheidung innerhalb des Handlungsbegriffs erfolgt eine Subjektanalyse: Subjekt der Handlungsermöglichung/Bildung ist die Kirche. Sie als actuoses Subjekt zu entdecken, hat wissenschaftstheoretisch vier funktionale Folgen: 1. Konstitution der Praktische Theologie gegenüber der Pastoraltheologie; 2. Kirche wird empirisches Objekt der Untersuchung; aber auch 3. Norm und 4. Zieloption. Dabei ist wichtig, daß dort Kirche sich konstituiert, wo Handlungsermöglichung durch das Evangelium stattfindet, nicht automatisch jedes Handeln einer Kirche schon Handlungsermöglichung ist. Damit bestimmt sich das Wesen der Kirche aus ihrer Funktion für die Handlungsermöglichung der Menschen. Das Subjekt Kirche teilt sich dann wiederum auf in empfangende und austeilende Kirche, in die Unterscheidung des Handelns Gottes und der Menschen. Der Handlungs-, Bildungs- und Kirchenbegriff stellen die Grundpfeiler der Überlegungen dar, bilden gleichzeitig das grundsätzliche Definitions· und Systematisierungsproblem. Von diesem Gedankenverlauf unterscheidet sich derjenige v. Zezschwitzs in vielerlei Hinsicht. Er geht davon aus, daß wissenschaftliche Theologie Bewußtsein der Kirche sei, eine kirchliche Wissenschaft. Deshalb schließt sich an den Theologiebegriff direkt der Kirchenbegriff an. Er nimmt Überlegungen zur Bildungs- und Handlungstheorie nicht mehr in den Blick. Die Frage der Unterscheidung der Ethik von der Praktischen Theologie wird über die Subjektbestimmung unmittelbar an diese Grundentscheidung angehängt. Ethik behandelt das Handeln des Einzelnen und die Praktische Theologie das Handeln der Kirche. Die drei theologischen Disziplinen ergeben sich dann aus der Bearbeitung der Idee und dem Wesen der Kirche (spekulative Theologie), der normativen wie historischen Wirklichkeit der Kirche in der Welt (historische Theologie) und der Spannung, die zwischen Idee und Wirklichkeit der Kirche besteht (praktische Theologie). Dabei wird die Spannung von Idee und Wirklichkeit auch als Spannung von Kirche und Welt verstanden. Damit ist der grundsätzliche Aufbau der Theologie und der Platz der Praktischen Theologie beschrieben. Innerhalb der Prinzipienlehre wird dann der Begriff Kirche in Wesen und Erscheinungsformen unterteilt. Das Wesen resultiert aus der Stellung der Kirche als mittlerer heilsgeschichtlicher Epoche des Reiches Gottes zwischen alttestamentlicher und eschatologischer Zeit. Die Erscheinungsformen unterscheiden sich in causal-göttliche und actual-gemeindliche. Daraus gehen die kirchlichen Handlungsfelder und die Ämterstruktur hervor.

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G. v. Zezschwitz: System der Praktischen Theologie - 1876

Theologie ist kirchliches Bewußtsein Ethik PTh (Wissenschaft der Kirche) einzelner Kirche Kirchenbegriff: 1. Idee der Kirche: spekulative Theologie Aufgabe: Erhaltung der Wahrheit + Leben in Vollkommenheit = wesentliches menschliches Bewußtsein der Idee des Christentums -> Wesen der Kirche: heilsgeschichtliche Epoche zwischen Sichtbarkeit/Vorläufigkeit (AT) und endgültiger Sichtbarkeit (Eschaton) -> Erscheinungsformen: causal-göttlich und actual-gemeindlich 2. Wirklichkeit der Kirche in der Welt: historische Theologie = historische Untersuchung der Kirchen-/Theologie-/Dogmengeschichte Besonderheit: Untersuchung der normativen apostolischen Zeit Spannungsbearbeiter: praktische Theologie zwischen Idee und Wirklichkeit also zwischen Kirche und Welt = Verwirklichung der Kirche in der Welt zum Ziele der Vollendung und Erscheinung des Reiches Gottes in der Welt. aus dem Wesen der Kirche resultieren dann: Handlungsfelder und Ämter

Abb. 2: Gedankengang v. Zezschwitz

Grundsätzlich haben beide Ansätze das gleiche Anliegen, nämlich die Praktische Theologie als theologische Wissenschaft in ihrer Einheit und in ihren Grenzen durch Bestimmung des Gegenstandes, der Methoden und ihrer Aufgabe zu bestimmen. Der Aufbau der Theologie wird weiterhin durch die drei Disziplinen (Historische, Spekulative und Praktische Theologie) bestimmt. Die Probleme, die von Nitzsch und v. Zezschwitz unterhalb dieser pauschalen Absicht gemeinsam bearbeitet werden, sind die enzyklopädische Unterscheidung von Ethik und Praktischer Theologie, bzw. von Praktischer Theologie und Pastoraltheologie, zum anderen die Erarbeitung der praktischtheologischen Methodik aus der Spannung zwischen Begriff/Idee und Tatsachen/Wirklichkeit für die Zielorientierung der praktisch-theologischen Arbeit, aus der sich dann die Handlungsfelder und der Ämterbegriff ergeben. Gemeinsam ist ihnen dabei die von Nitzsch in seinen Observationes angestoßene zentrale Stellung des Kirchenbegriffs für die Praktischen Theologie. Die Lösungsversuche für die von Nitzsch und v. Zezschwitz beobachteten Probleme der Praktischen Theologie fallen jedoch sehr unterschiedlich aus.

Vergleich mit C.I. Nitzsch und Interpretation

167

1. Theologiebegriff Die Unterschiede beginnen schon beim Theologiebegriff. Während Nitzsch Theologie in der Tradition Schleiermachers als positive Wissenschaft versteht, setzt v. Zezschwitz die Theologie als kirchliche Wissenschaft in gleichwertiger Gegenüberstellung zur Philosophie. Der Unterschied zur Philosophie besteht in der Beschränkung auf ein Gruppenbewußtsein, das Bewußtsein der Kirche, das allerdings als das umfassendere Bewußtsein verstanden wird. Theologie wird nicht mehr durch das funktional einigende Band der Kirchenleitung zusammengehalten, sondern durch ein einheitliches Subjekt. Damit steht v. Zezschwitz auch nicht allein. P. Kleinen formulierte es 1880 sehr ähnlich: "Nur unter der äußeren Voraussetzung der bestehenden Kirchengemeinschaft, für die der Betrieb dieser Studien ein Lebensinteresse ist, können sie faktisch ihr Existenzrecht behaup-

2. Gruppe statt Einzelperson Zur Konsequenz hat diese Bestimmung des Theologiebegriffs - eventuell aber auch als Voraussetzung -, daß v. Zezschwitz gegenüber Nitzsch den Einzelnen nicht so stark im Blick hat. Es geht nicht mehr um den Einzelnen, sondern um die Gruppe Kirche. Von der bestehenden Kirche wird schon im Theologieverständnis ausgegangen 2 , während bei Nitzsch die Kirche eine sekundäre Größe gegenüber dem Handeln und Denken des Einzelnen und dann der Gemeinde war. Von Zezschwitz geht also nicht vom Kleinen ins Große, sondern vom Großen ins Kleine. Diese Richtung wird an der Unterscheidung von Ethik und Praktischer Theologie noch verstärkt deutlich. 3 Von

1

Kleinen: Theologie, S. 277.

2

Das wird besonders problematisch, wenn - wie Kleinert es nachgewiesen hat - v. Zezschwitz doch eigentlich gar nicht von einer bestehenden Bekenntnis- oder Volkskirche, sondern von einer erst werdenden Missionskirche ausgehen will.

3

Die Unterscheidung zwischen Pastoraltheologie und Praktischer Theologie ist bereits abgeschlossen. Bei v. Zezschwitz hat sich der Partner der Auseinandersetzung deutlich von dem äußeren Gegner, der Pastoraltheologie, auf einen inneren Gegner verschoben: eine zu sehr auf die Frage der Systematisierung konzentrierte Praktische Theologie. Zezschwitz: System, S. 9: "... Wie dies im Einzelnen erreicht werde, praktisch zu lehren, ist in dem Maasse Bedürfniss als das System der Praktischen Theologie als solches nur die Theorie des Handelns aus dem Wesen und Ziele der Kirche zu entwickeln hat, und die überwiegend einseitige Arbeit der Gegenwart um die Theorie des Systemes in die entgegengesetzte Gefahr gerathen ist von der, welcher die ältere rein praktische Technik

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G. v. Zezschwitz: System der Praktischen Theologie - 1876

Zezschwitz unterscheidet sie durch die Unterscheidung vom Handeln einzelner und dem kirchlichen Handeln als gemeinschaftlichem Handeln. Damit unterscheidet er sie nicht wie Nitzsch innerhalb des Handlungsbegriffs durch die Unterscheidung von Handeln an sich (Ethik) und Handlungsermöglichung (Praktische Theologie). Bei Nitzsch begannen sich beide Disziplinen zu unterscheiden, noch bevor eine Subjektanalyse stattfand. Material mag die Differenzierung v. Zezschwitzs noch in Beziehung stehen zu Nitzsch, weil für Nitzsch Handlungsermöglichung vor allem in der Kirche geschah und Handeln selbst wesentlich beim Einzelnen. Doch war diese Zuordnung bei ihm keineswegs festgelegt. Bei v. Zezschwitz ist die Grenzziehung eindeutig, und es könnte die skurril anmutende Konsequenz gedacht werden, daß die Kirche nicht mehr ethisch handeln könne. Oder etwa, daß der Einzelne nicht kirchlich handeln kann. Wie steht es dann aber mit dem Handeln der Amtsträger? Kritik an dieser Unterscheidung v. Zezschwitzs taucht schon bei P. Kleinen auf: "Aber auch die Grenze, welche Zezschwitz zwischen beiden Gebieten zieht, wird als eine zutreffende nicht bezeichnet werden können. Ihm zufolge hat die Ethik lediglich die Aufgabe, 'das individuelle Handeln nach dem Ideal christlicher Lebensvollkommenheit zu schildern' (§ 9). Da fällt denn freilich die Kirche, welche Gemeinschaft ist, als Subject eines von der Ethik zu beschreibenden Handelns einfach aus, und bleibt im ganzen Umfang ] ihres Functionskreises der praktischen Theologie reserviert. ... Ferner aber würde mit jener Differenzbestimmung folgerichtig nicht bloß die Kirche, sondern auch Staat und Familie aufhören, als handelnde Subjecte für die Ethik in Betracht zu kommen; das große mit der individuellen Ethik gleichwiegende Gebiet der Socialethik wäre ohne wissenschaftliche Berechtigung und encyklopädische Stellung. Daß diese Verhältnisbestimmung nicht die richtige sein kann, leuchtet von selbst ein; daß sie für die Ausführung eines Systems praktischer Theologie verhängnisvoll ist, wird sich bald nachher erhellen." 4

3. Katechetik statt Bildungstheorie Die Verschiebung des Interesses von der Existenz des Einzelnen zur Gruppe macht sich auch noch an anderer Stelle bemerkbar: die implizite Bildungstheorie Nitzschs kommt nicht mehr zum Tragen. Während bei Nitzsch der Kirchenbegriff über einen umfassenderen, impliziten Bildungsbegriff erschlossen wurde, thematisiert v. Zezschwitz den Bildungsauftrag nur innerhalb

unterlag." Wichtig sei nun die Umsetzung der systematisch organisierten Praktischen Theologie. Das war bei Nitzsch noch ganz anders, steht aber in der Erlanger Tradition der Integration der Pastoraltheologie in die Praktische Theologie, wie es bei der Errichtung des Lehrstuhls ausdrückliches Ziel war (vgl. Kap. III.). 4

Kleinen: Theologie, S. 284f.

Vergleich mit C.I. Nitzsch und Interpretation

169

seines katechetischen Ansatzes, also schon innerhalb des Kirchenbegriffs. Der Bildungsauftrag der Kirche ist bei ihm ganz in der kirchlichen Katechetik, also innerhalb der Praktischen Theologie, aufgegangen. Die Katechetik wird dabei verstanden als "die Theorie der Thätigkeit zur unmittelbar factischen Verwirklichung der Kirche und ihrer Idee in den der Kirche neu anzubildenden Gliedern"5. Dabei wird sie unterschieden in "die Theorie der gesammten Behandlung und Bereitung der Katechumene für die Erlangung voller Kirchengliedschaft"6 und zum anderen als "die Kunstform speciell unterrichtlicher Bereitung in pädagogisch grundlegender und entwickelnder Methode für das Ziel der kirchlichen Mündigkeit"7. Insofern werden bildungstheoretische Überlegungen nur noch innerhalb der Institution der Kirche in Hinblick auf expansive Mission und auf die Konfirmation angestellt. Schon in seiner Katechetik hat v. Zezschwitz dargelegt: "Der Katechumenat ist dem Verfasser diejenige von dem Herrn selbst stiftungsmäßig geordnete Veranstaltung der Kirche, durch welche solche, die nach der Aufnahme in die gliedliche Gemeinschaft der Kirche begehren, auf dem W e g e einer lehr- und erziehungsmäßigen Bereitung in ein directes Verhältnis zu den der Kirche anvertrauten Heilsmitteln versetzt werden zu dem Zwecke, daß die Aufnahme zur vollen gliedlichen Gemeinschaft der Kirche zugleich Einpflanzung in den vollen subjectiven Heilsstand eines Christen und Einführung in den Vollgenuß desselben, wie in die entsprechende gliedliche Bethätigung der Communiogemeinde sei." 8

Es geht also nicht mehr um Handlungsfähigkeit in der ganzen menschlichen Existenz, sondern um Zulassung zum innerkirchlichen Handeln in Form des Empfanges der Heilsmittel. Diese Definition kirchlicher Bildung hat nur dann noch etwas mit dem zu tun, was Nitzsch unter dem Bildungsauftrag der Kirche verstand, wenn der Empfang der Heilsmittel als Voraussetzung für die Handlungsfähigkeit in der gesamten menschlichen Existenz gedeutet würde. Diese durchaus mögliche Überlegung stellt v. Zezschwitz aber nicht an. Nitzschs implizite Bildungstheorie, die am Einzelnen ansetzte, wird nicht mehr als umfassender Ausdruck für die Grundaufgabe der Kirche in der Gesamtgesellschaft verstanden. Die bei Nitzsch wesentliche Dimension kirchlichen Handelns wird vollständig in einer Unterdisziplin aufgesaugt und umfunktioniert.

5

Zezschwitz: Katechetik, § 2., S. 26.

6

Zezschwitz: Katechetik, § 1., S. 10.

7

Ebd.

8

Löber: Rez. zu Zezschwitz, 1877, S. 529f.

170

G. v. Zezschwitz: System der Praktischen Theologie - 1876

4. Ergebnis statt Erarbeitung Von Zezschwitz setzt bei einem möglichen materialen Ergebnis Nitzschs an, ohne dessen Vorarbeiten zu benennen oder mitzugehen, die auch andere Konsequenzen zuließen: statt vom Handlungsbegriff über eine implizite Bildungstheorie zu einem - logischerweise funktionalen - Kirchenbegriff zu kommen, wird ein ontologisch orientierter Kirchenbegriff gesetzt. Vielleicht liegt dies an dem grundsätzlichen Charakter des Buches als Vorlesungsergänzung, wollte v. Zezschwitz den Leser doch gerade durch seine Fülle am Erarbeiten der Gedanken teilhaben lassen9. Aber der Schwerpunkt hat sich gegenüber Nitzsch verschoben. Von Zezschwitz hat versucht, das von Nitzsch bestimmte Subjekt desjenigen Handelns, von dem in der praktischen Theologie die Rede sein soll - das Subjekt Kirche -, inhaltlich zu füllen. Er hat jedoch nicht dieses Subjekt erarbeitet.10 Diese Unterscheidung zwischen Nitzsch und v. Zezschwitz, die Unterscheidung von Problemerarbeitung/Problemorientierung sowie Ergebnispräsentation, gilt es denn auch in den einzelnen Unterkapiteln zu verfolgen.

5. Methodenerarbeitung War für Nitzsch noch der Handlungs- bzw. Bildungsbegriff primärer Ausgangspunkt, ist es für v. Zezschwitz das Subjekt Kirche. Der Quereinstieg in Nitzschs Gedankenverlauf an der Position des Kirchenbegriffs hat zahlreiche Konsequenzen. Hier sind vor allem die Veränderungen der dialektischen Spannung in den Methoden zu nennen. Nitzsch legte die dialektische Spannung von Idee, Tatsache und Kunstregel zugrunde, die er zuerst am Einzelnen und dessen Handeln feststellte. Diese Struktur fand er auch im Bildungsbegriff. Er konnte die Struktur auf die Kirche übertragen, weil er sie als handelndes Subjekt, ja als Bildungsinstitution verstand. Nicht weil sie Kirche ist, hat sie eine triadische Struktur aus Idee der Kirche, Tatsache der Kirche und zukünftiger Kirchengestaltung, sondern weil sie ein handelndes Subjekt ist.

'

Vgl. Zezschwitz: System, S. I.

10

Die Bestimmung des Subjektes setzte er bereits in Zezschwitz: Entwicklungsgang, S. 21 voraus: Das höhere Subjekt des Handelns ist eines und "nicht mehr, wie man sonst sagte, der Pastor. Es ist die Kirche. Für unsere Disciplin hat, nach C.I. Nitzsch's bahnbrechendem Vorgange, Liebner in seinen lehrreichen Aufsätzen der principiellen Umgestaltung den lichtvollsten Ausdruck gegeben."

Vergleich mit C.I. Nitzsch und Interpretation

171

Von Zezschwitz schneidet die beiden ersten Herleitungen über den Handlungs- und Bildungsbegriff ab. Der noetische Zugriff Nitzschs auf das Gesamtproblem der praktisch-theologischen Arbeit wird so bei v. Zezschwitz nicht mehr geleistet. Die in jeglichem Handeln feststellbare Spannung von Idee und Tatsachen wird nur noch innerhalb des Kirchenbegriffs problematisiert. Innerhalb der Überlegungen der Prinzipienlehre werden in einem Dreischritt ideelles Wesen, Verwirklichungs- und Kulturformen, sowie daraus resultierende Lebensfunktionen der Kirche in Spannung zueinander gesetzt. Aus Idee wird Idee der Kirche, aus Tatsachen wird Wirklichkeits- und Kulturform der Kirche und aus Kunstregel wird die Verwirklichung der Kirche wenn auch zur Verwirklichung des Menschheits- und Weltzieles. Der Methodenaufbau hört sich zwar wie die dialektische Spannung an, die Nitzsch als wesentlich für die praktisch-theologische Arbeit angesehen hat, es handelt sich jedoch um etwas gänzlich anderes. Für v. Zezschwitz geschieht die Verwirklichung in bezug auf die Wirklichkeit unter der Norm von Idee und historischer Wesensanlage. Es gibt damit entscheidende Unterschiede in der Aufgabenverteilung der theologischen Disziplinen gegenüber Nitzsch. 11 Der Begriff wurde bei Nitzsch von der Praktischen Theologie mit Hilfe der Philosophischen Theologie in Spannung zu den Tatsächlichkeiten, die die historische Theologie betrachtete, erarbeitet. Nun erarbeitet die Praktische Theologie bei v. Zezschwitz den Kirchenbegriff zum einen unter Zuhilfenahme der Speculativen Theologie (d.h. Dogmatik und Ethik - und hier vor allem die Ekklesiologie (N^) ohne Beteiligung der gegenwärtigen Tatsächlichkeit. Der Kirchenbegriff, d.h. die Wesensanlage wird weitestgehend aus der Dogmatik übernommen. Zum anderen ist daran korrektiv die Historische Theologie (N2) beteiligt. Sie hat im Gegensatz zu Nitzsch oder auch Schleiermacher kaum noch etwas mit der Bestimmung der gegenwärtigen Tatsächlichkeiten zu schaffen. Eine theologische Disziplin, die die Tatsächlichkeiten in den Blick nimmt, wird von v. Zezschwitz nicht erwähnt 12 . Die Normen werden dialektisch aus Spekulation

"

Zezschwitz: Entwicklungsgang, S. 21 definierte ebenfalls schon unterschiedlich: "Mit der Idee, so lässt sich der neugewonnene Standpunkt klar und kurz bezeichnen, - mit der Idee hat es die systematische Theologie, als speculative, zu thun; mit der Wirklichkeit, jener den Weg bahnend, die historische; - mit der fortschreitenden Verwirklichung auf Grundlage jener beiden endlich die praktische Theologie." Daß die historische Theologie der speculativen 'den Weg bahnt', stellt bereits die wesentliche Neuerung dar, wenn hier die historische Theologie nur aus der Vergangenheit heraus die Idee beeinflußt, wie es dann in Zezschwitz's System auch geschehen wird.

12

Die Tatsächlichkeiten scheinen dem kirchlichen Bewußtsein gegenüber zu stehen. Möglicherweise sind sie das, was v. Zezschwitz mit Welt bezeichnet, das prinzipielle Gegen-

172

G. v. Zezschwitz: System der Praktischen Theologie - 1876

und Historie gewonnen. Anstatt die Verwirklichung zwischen Idee und Tatsächlichkeit in Spannung zu sehen, wird sie nur zwischen abstrahierter Historie und historisch kontrollierter Idee gesehen. Konsequenz dieser neuen Konstellation ist: Die Tatsächlichkeiten fallen weitestgehend aus. Daraus ergeben sich zweierlei Folgen. Zum einen werden die Erarbeitungsbedingungen der Normen - der historischen wie der ideellen nicht mehr bedacht. Erkenntnisleitende Interessen der Gegenwart fallen aus dem Blick. Sie sind jedoch wichtig und wurden bei Nitzsch noch über die Tatsächlichkeiten integriert, v. Zezschwitz vollbringt diese Integrationsleistung nicht mehr. Die Gegenwart wird in ihrer Bedeutung für das Zustandekommen der Normen und Ideen (Speculative Theologie) und für das Zustandekommen der Anschauungen über die originale Selbstverwirklichung im Neuen Testament (Historische Theologie) nicht mehr integriert. Zum anderen wird den Tatsächlichkeiten keine Kritikfähigkeit gegenüber dem Begriff und den Kunstregeln mehr zugestanden. Die Tatsächlichkeiten stehen nicht in Wechselwirkungen zum Begriff, sondern nur in einseitiger Kritik. Das Gleichgewicht von Gegebenem und Gefordertem wird zugunsten des spekulativ und historisch Geforderten verschoben. Gleichzeitig wird das komplexe System Nitzschs vereinfacht, und dieses vereinfachte System wird nur noch linear gebraucht.

6. Eschatologisierung und Historisierung Damit können zwei neue Momente durchschlagend wirksam werden. Das eine ist die Eschatologisierung. Von Zezschwitzs Norm ist nicht nur gegenwärtig bestimmt unter Berücksichtigung der Tradition, wie die Idee bei Nitzsch, sondern stark eschatologisch unter Abwertung der Gegenwart und starker Aufwertung der normativen apostolischen Zeit, die als Vorwegnahme des Eschatons verstanden wird. Die Kirche als Durchgangsphase der Heilsgeschichte hat eine wesentlich eschatologische Komponente. Die Rückbindung des Kirchenbegriffs an den Begriff des Reiches Gottes und das Motiv der Eschatologie ist eine gänzlich andere Verankerung als eine Rückbindung an das Handeln des Menschen in der Gegenwart, wie Nitzsch sie vorgenommen hat13. Falls im Kirchenbegriff Nitzschs eine eschatologische Komponente

über, das es durch die Normen zu verbessern gilt. Durch diesen Prozeß verwirkliche sich dann die Kirche. Damit wäre eine möglichst exakte und umfassende Bestimmung der Tatsächlichkeiten für die Praktische Theologie aber um so dringender erforderlich. 11

Das Stichwort Eschatologie, Eschaton o.ä. kommt bei C.I. Nitzsch gar nicht vor. Reich

Vergleich mit C.I. Nitzsch und Interpretation

173

liegt, dann ist sie bei Nitzsch nicht von den Endpunkten der Geschichte der Kirche - originale Verwirklichung und futurische Eschatologie - geprägt, sondern von einer Eschatologie, die jedenfalls in bezug auf die Funktion der Kirche präsentisch ist. Da Nitzsch vom Handlungsbegriff ausging und analog dazu das Handeln der Kirche verstanden wurde, kommt eine eschatologische Komponente des kirchlichen Handelns nur soweit zum Tragen, wie sie auch beim Handeln des einzelnen Menschen, der sich jeglicher Vorläufigkeit seiner Erkenntnis und seines Handelns ja bewußt sein kann, zum Tragen kommt. Eine darüber hinausgehende, besondere eschatologische Komponente der Struktur Kirche gegenüber den Menschen wird nicht angenommen. Von Zezschwitz ergänzt seine Eschatologisierung durch eine historisch erarbeitete Norm aus der apostolischen Zeit. Die apostolische Zeit spielt zwar auch bei Nitzsch eine vorbildliche Rolle, allerdings wird ihr wesentlich weniger Bedeutung beigemessen, als es bei v. Zezschwitz geschieht. Die gewachsene Bedeutung resultiert sicherlich nicht nur aus einem persönlichen Interesse v. Zezschwitzs an historischer Forschung, sondern war sowohl durch die heilsgeschichtliche Konzeption bedingt als auch Ausdruck der weitverbreiteten Ansicht, daß sich das Wesen einer geschichtlichen Erscheinung in ihrer Entstehungssituation am klarsten ausprägt. Unterstützung finden diese Überlegungen zur Klarheit durch das allgemein gewachsene Interesse an historischer und archäologischer Forschung überhaupt, die ungeheuerlich viel neues Material über das frühe Christentum und die Antike zu Tage förderte. Gleichzeitig ist das verstärkte Bemühen um das Historische aber auch eine Reaktion auf die wachsende Konkurrenz der Naturwissenschaften. Die durch den naturwissenschaftlichen Zweig der positiven Wissenschaften hervorgebrachten Ergebnisse über die "Gegebenheiten" forderten eine Reaktion des geisteswissenschaftlichen Zweiges geradezu heraus und dessen Antwort war die verstärkte Erforschung des - im Rückblick - einzig wirklich Gegebenen in den Geisteswissenschaften: der Geschichte. Durch das Zusammenwirken all dieser Faktoren kommt es bei v. Zezschwitz zu verstärkten Überlegungen über die historische Dimension des Handelns und der Wirklichkeit, in der gehandelt wird. Er sieht den historischen Rahmen zwischen Offenbarung und Eschaton. Nitzsch ist vielmehr an dem jetzigen Handeln interessiert. Somit kommt es bei v. Zezschwitz zu gänzlich anderen Bewertungen und Gewichtungen als bei Nitzsch. Grund-

Gottes o.a. kommt nur auf zwei Seiten in bezug auf "Reich Gottes in Beispielen aus der heil. Geschichte" vor. Vgl. Register: S. 19. Und das liegt nicht an der Art der Erarbeitung des Registers, sondern am geringen Interesse des ganzen Entwurfes an dieser Fragestellung.

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sätzlich unterscheidet Nitzsch und v. Zezschwitz die Bewertung des gegenwärtigen Zustandes, der Tatsachen kirchlichen Handelns. Zwar ist für beide das kirchliche Handeln nicht perfekt, aber bei v. Zezschwitz schlägt bis in die letzten Winkel seines Systems die Historisierung und Eschatologisierung des Kirchenbegriffs und damit die negative Bewertung des Gegenwärtigen durch. Nitzsch sind diese Tendenzen zwar nicht unbekannt, aber längst nicht so wichtig.14 Die unterschiedliche Bewertung der eschatologischen Perspektive läßt bei Nitzsch die Kirche in den Blick kommen als synchrone Gemeinschaft der Gläubigen, während die diachrone Perspektive zurücktritt, wenn auch nicht verschwindet. Demgegenüber ist die diachrone Perspektive bei v. Zezschwitz sehr stark und drückt die gegenwärtige Kirche gegenüber den Tugenden und Fehlern der Vergangenheit in den Hintergrund.

7. Ontologisches statt funktionales Interesse Der Wechsel der Perspektive aus der Gegenwart in die vergangene und kommende Zeit bewirkt ebenfalls eine Verschiebung des weiteren Interesses. Nitzschs Ansatz der Praktischen Theologie ist durch und durch funktional. Die Kirche hat ihre Bedeutung nur in ihrer Funktion für das gegenwärtige bzw. zukünftige Handeln des Menschen, der auf das Handeln Gottes antwortet. Die Theologie ist deshalb positive Wissenschaft zum Zwecke der richtigen Instandsetzung der Kirche zu dieser Funktion. Alles hat sich dieser Zielrichtung zu unterwerfen, die Einheit der Praktischen Theologie liegt in diesem Ziel, der Handlungsbefähigung, auf den Ruf des Evangeliums mit einem angemessenen Leben - auch in Schuld und Scheitern - zu antworten. Was kirchliches Handeln heißt, definiert sich - wie schon gesagt - über den Handlungsbegriff, nicht über den Begriff 'kirchlich'. Wie die Kirche ist, welche Charakteristika - über den funktionalen Aspekt hinaus - die Kirche sonst hat, ist interessant, weil es aus der Funktion heraus eventuell zu kritisieren ist bzw. aufschlußreich für die richtige Herleitung des Begriffs sein kann, aber es hat nur sekundäre Bedeutung für die Gegenwart. Für v. Zezschwitz ist dagegen das Sein der Kirche als Phase der Heilsgeschichte die Grundlage der Überlegungen. Insofern sind die realexistierenden

14

Die mentalitätsgeschichtlichen Ursachen bleiben hier unberücksichtigt. Interessant wäre die Frage, ob nicht die allgemeine politische und geistige Situation des Vormärz' und der Zeit der Reichsgründung und Reaktion die unterschiedlichen Bewertungen der Gegenwart und der Vergangenheit hervorgerufen haben.

Vergleich mit C.I. Nitzsch und Interpretation

175

Kirchen per se Kirche, weil sie durch die Zeit - wenn auch unterschiedlich verwirklicht - das Sein der Kirche in sich tragen. Dieses Moment wird durch die in CA VII genannten Vollzüge gewährleistet 15 . D.h. jedoch für die Praktische Theologie, daß das kirchliche Handeln immer das Handeln der realexistierenden Kirchen ist. Innerhalb der Vollzüge dieser Kirchen differenzieren sich dann Handeln Gottes und Handeln der Menschen, läßt sich Empfangendes und Austeilendes unterscheiden und nach den erarbeiteten Normen kritisch bewerten. Die Praktische Theologie beschränkt sich damit auf das Handeln der verfaßten Kirchen. Daraus ergeben sich dann die bis heute bestehenden Probleme, wie das Handeln von Menschen - und nur sie handeln - mit dem Handeln der Kirchen in Verbindung gebracht werden kann. Daß v. Zezschwitz sich über genau dieses Grundproblem im Klaren ist, zeigt u.a. seine Einschätzung der in seiner Zeit gegenwärtigen Notwendigkeiten praktisch-theologischer Arbeit: "im gegebenen Falle soll daher der Vollzug der Aufgabe durch Einzelorgane allzeit erkennen lassen, dass nur die Kirche selbst in ihnen und durch sie handele. Wie dies im Einzelnen erreicht werde, praktisch zu lehren, ist in dem Masse Bedürfniss als das System der praktischen Theologie als solches nur die Theorie des Handelns aus dem Wesen und Ziele der Kirche zu entwickeln hat, und die überwiegend einseitige Arbeit der Gegenwart um die Theorie des Systems in die entgegengesetzte Gefahr gerathen ist von der, welcher die ältere rein praktische Technik unterlag."

Von Zezschwitz sieht bei seinem Ansatz nicht zu Unrecht das Hauptproblem in der Umsetzung des Handelns der Kirche in Handeln von Personen, ob nun allein oder in Gruppen. Umgekehrt könnte man aber auch sagen, daß v. Zezschwitz seinen Ansatz gewählt hat, weil er in diesem Problem die hauptsächliche Schwierigkeit praktisch-theologischer Arbeit sah und in seinem Ansatz eine Möglichkeit zur Lösung dieses Problems.

8. Zusammenfassung 1. Der Ausgangspunkt der Praktischen Theologie v. Zezschwitzs ist nicht der Handlungsbegriff und dessen Ebenen, aus denen sich dann der Kirchenbegriff ableitet. Der Kirchenbegriff ist der Ausgangspunkt, der zudem anders herge15

Vgl.: Zezschwitz: System, S. 19: "Eben daher kommt es, dass in diesem Erscheinungsmomente gerade die universale Heilsanlage zum Ausdrucke kommen muss, so dass die Kirche die allgemeine und eine zunächst als die Christenthumsanstalt zum Heile der Menschheit heisst, die auch bei aller Trennung der Kirchenfractionen in Erkenntniss und Bekenntniss soweit thatsächlich Universalität bewährt, als überhaupt noch Wort und Sacramente, wenn auch nicht rein und unverkümmert, vorhanden sind und zur Wirkung kommen."

176

G. v. Zezschwitz: System der Praktischen Theologie - 1876

leitet ist. Der Ansatz ist nicht mehr funktional und synchron, sondern ontologisch und diachron. Das actuóse Subjekt des zu untersuchenden Handelns wird nicht über den Handlungsbegriff bestimmt, sondern als Kirche zwischen den Zeiten gesetzt. 2. Dieser eschatologisch ausgerichtete Kirchenbegriff wird durch Untersuchungen über das Wesen der Kirche bestimmt, die ebenfalls nichts mit einem funktionalen Ansatz oder dem Handlungsbegriff zu tun haben. Die Bestimmung des Kirchenbegriffs wird nicht mehr handlungstheoretisch vorgenommen, sondern historisch und ekklesiologisch, eschatologisch. Diese Entscheidung wird auch an der Delegierung der Normenbestimmung an die entsprechenden theologischen Disziplinen deutlich.16 3. Theologie wird nicht mehr als positive Wissenschaft verstanden, sondern als kirchliche Bewußtseinsbildung. Nicht was der Kirche nützt ist Theologie, sondern nur, wo das Subjekt reflexiven Bewußtseins die Kirche ist, kann von Theologie gesprochen werden. 4. Die Problematik der Unterscheidung von Ethik und Praktischer Theologie wird durch eine Bestimmung des Subjektes des zu untersuchenden Handelns übersprungen. Anstatt wie bei Nitzsch die Spannung innerhalb des Handlungsbegriffs aufzugreifen, wird durch eine schlichte Subjekttrennung zwischen der Kirche und dem Individuum die Disziplinengrenze aufgezogen. Dadurch wird jedoch eine christliche Sozialethik unmöglich gemacht und einer Individualisierung der christlichen Ethik Vorschub geleistet, die die Basis christlicher Ethik in der kirchlichen Gemeinschaft nicht bedenkt.17 5. Aufgrund der genannten Voraussetzungen wird Nitzschs dialektische Spannung, in der sich jegliches Handeln befindet, auf eine innerkirchliche Wesensbestimmung reduziert. Aus Norm, Tatsache und Kunstregel wird Idee der Kirche, (geschichtliche) Wirklichkeit der Kirche und Verwirklichung der Kirche. Insofern hat v. Zezschwitz nur Nitzschs Rahmung übernommen, aber mit anderen Positionen gefüllt, die eine Rückkopplung nicht zulassen. Statt der auch in sich wieder dialektischen Trias Tatsachen, Norm und Kunstregel, die eben auch auf die Idee zurück und sogar auf die Wahrnehmung der Tatsachen reflektierte, wird nun eine eindimensionale, lineare Verfahrensweise benutzt: Die nicht wissenschaftlich erfaßten Tatsachen, die zudem ohne Einfluß auf die Normen sind, werden durch eine - aus Historie und Spekula-

16

Vgl. Kap. III. 1. Anm. 52 (Zezschwitz: System, S. 11: "Da jedoch die vollendete Selbstauswirkung der Kirche gleichsteht mit der Selbstaufhebung der letzteren in der Erscheinung des Reiches Gottes (§. 11), ...").

"

Vgl. Kap. II. 1.

Vergleich mit C.I. Nitzsch und Interpretation

177

tion vermischt gewonnene - Norm kritisiert. Daraus werden dann die Verwirklichungsstrategien für die Zukunft entwickelt. 6. So erhält die historische Herleitung und die eschatologische Ausrichtung massives Gewicht, wohingegen die gegenwärtigen Impulse zurücktreten. Dadurch verschiebt sich innerhalb der Disziplinen das Gewicht auf die historischen Fächer, da eine eschatologische Bestimmung über die historische Vorwegnahme des Eschatons im Christusgeschehen und dessen Quellen vorgenommen werden kann. 7. Es entfällt jeglicher Impuls der Praktischen Theologie an die anderen theologischen Disziplinen. Sie wird Organ der praktischen Umsetzung historisch und spekulativ erarbeiteter Erkenntnis. 8. Von Zezschwitz greift dabei bestehende Zeitgeistverhältnisse auf, wie etwa die zunehmende Trennung von Theologie und Philosophie, den Bedeutungsgewinn der historischen Theologie. Er verstärkt jedoch durch den Gegensatz von Kirche und NichtkircheAVelt auch Tendenzen, daß sich kirchliches Handeln gegenüber sonstigem gesellschaftlichen Handeln isoliert, bzw. Doppelstrukturen aufbaut 18 , was eine Isolation der Kirche von der Gesellschaft verstärkt. Zugleich verschiebt sich innerhalb der Praktischen Theologie der Schwerpunkt von der zu gestaltenden Zukunft auf die zu beachtende Vergangenheit und von den gegenwärtigen Tatsächlichkeiten auf die normierende Vergangenheit. 9. Durch die Historisierung schlägt die historische Dimension der Norm eklatant durch und bläht die angeblich zu beachtende Stoffmenge künstlich auf. Der Übergang von der - tendenziell gegenwärtigen - Funktion zum heilsgeschichtlich-historisch verstandenen - Sein ist vollzogen.

18

Vgl. Kap. III. 1. Anm. 54 (Birnbaum: Wandlungen, S. 113: "Damit ist der Weg eingeschlagen, auf dem nicht mehr das Ineinander und Miteinander, sondern das 'Gegenüber' des Verhältnisses der im Leben einander durchdringenden Lebensformen wie Kirche und Staat bestimmte, ...").

178

G. v. Zezschwitz: System der Praktischen Theologie - 1876

3. Kirchenbegriff und praktisch-theologischer

Entwurf

Zwischen C.I. Nitzsch und G. v. Zezschwitz sind in bezug auf die Systematisierung ihrer jeweiligen Praktischen Theologie die gravierenden Unterschiede herausgearbeitet worden. Sie resultieren aus den auf drei Ebenen angesiedelten und im vorigen Kapitel genannten Differenzen: erstens aus einem unterschiedlichen Interessenansatz1, zum anderen aus einem unterschiedlichen Theologie- und Bildungsbegriff und drittens aus einer aus beidem resultierenden, unterschiedlichen Methodendialektik. Hierbei ist bezüglich des unterschiedlichen Interessenansatzes und des unterschiedlichen Theologie- bzw. Bildungsbegriffes die Frage, welche Ebene die primäre und welche die sekundäre sei, schwer zu klären. Es ist durch die gegenseitige Abhängigkeit nicht feststellbar, ob der unterschiedliche Theologie- bzw. Bildungsbegriff aus dem unterschiedlichen Interessenansatz abzuleiten ist, oder umgekehrt. Zwar sind die von mir als erste Ebene bezeichneten Unterschiede meiner Meinung nach elementarer als die komplexeren Probleme der zweite Ebene, aber das begründet keineswegs die Ursächlichkeit der ersteren. Nur die dritte Ebene der Methodenerarbeitung kann als sekundär gegenüber den beiden vorhergehenden Problemkomplexen angesehen werden. Die gleiche Problematik ist auch bezüglich der Ursächlichkeit des unterschiedlichen Kirchenbegriffs für die Unterschiede im Theologie- bzw. Bildungsbegriff festzustellen. Das Verhältnis zwischen Kirchen-, Theologie- und Bildungsbegriff bleibt wechselseitig. Letztlich jedoch halte ich den unterschiedlichen Kirchenbegriff für die Ursache der folgenden Unterschiede, denn ursächlich für ihre gesamte Arbeit ist beiden Autoren ein gemeinsames kritisches Interesse am Handeln ihrer Kirche. Alle Überlegungen über die Praktische Theologie haben ihre Wurzel in dem Interesse, das Handeln der Kirche, wie immer man sie verstehen mag, positiv zu beeinflussen. Dieses Interesse - und damit auch die Vorstellungen, wie die Kirche sei und wie sie eigentlich sein sollte - ist primär. Es setzt die folgenden Überlegungen frei, die dann allerdings wieder auf den Kirchenbegriff rückwirken. Für den Kirchenbegriff bei v. Zezschwitz hat die Untersuchung von P. Kleinert schon wesentliche Punkte herausgearbeitet. Auch er hat die bisher erarbeiteten Probleme gesehen.2 Allerdings beachtet Kleinert nicht das Verhältnis v. Zezschwitzs zu Schleiermacher. Beziehungen zwischen Schleiermacher und v. Zezschwitz ergeben sich besonders bezüglich des Gegenübers von

'

Kirchenbegriff statt Handlungsbegriff; Ergebnis statt Erarbeitung; Gruppe statt Einzelner; OntologiestattFunktionalität;Eschatologie/HistoriestattGegenwart/unmittelbareZukunft.

2

Vgl. Kleinert: Theologie, in: ThStKr 53, S. 273-333.

3. Kirchenbegriff und praktisch-theologischer Entwurf

179

Welt und Kirche3, in bezug auf das einheitliche Wesen der Kirche und ihr Zusammensein mit der Welt4, bezüglich der Voraussetzung der übrigen Theologie für die Praktische Theologie 5 , in Hinsicht auf die Vorstellung eines Selbstzwecks des Kultus6 und auf das zu klärende Verhältnis der Kirche zum Eschaton7. Das Verhältnis zwischen dem System v. Zezschwitzs und Schleiermachers Glaubenslehre kann hier nicht ausführlicher bearbeitet werden. Von Bedeutung ist jedoch, daß Kleinert diese Bezüge aus dem Blick verliert und deshalb v. Zezschwitz zu negativ beurteilt, versucht dieser doch, den schwierigen Drahtseilakt zwischen einer pneumatologischen Abstraktion im Gefolge Schleiermachers und einer historischen Konkretion zu vollbringen.

3

Vgl. u.a. Schleiermacher: Glaube, § 145, S. 210: "Das Wort Welt ist hier in dem engem Sinne genommen, wo nämlich darunter das sündhafte Gesammtieben der Menschen verstanden wird, wie es seit der Begründung der Kirche mit derselben und im Gegensaz zu ihr fortbesteht. Daß diesem von der Kirche noch ausgeschlossenen Theile des menschlichen Geschlechtes der Name Welt bleibet ist in der Ordnung, weil dieser Theil dasselbige bleibt, was vor der Erlösung das Ganze war."

4

Vgl. u.a. Schleiermacher: Glaube, § 133, S. 155: "Wenn der Saz behauptet, nur das Gesammtieben der Christen sei dasjenige in der Welt, was das Bewußtsein des Christen so afficire, daß er es auf die Erlösung als ihre Ursache zurükführen müsse: so schließt er hievon den Einzelnen an und für sich betrachtet und abgesehen von der Gemeinschaft völlig aus. Dies scheint auffallend, muß aber doch genauer betrachtet vollkommen eingeräumt werden. Denn schon allgemein gilt, daß nichts einzelnes in der Welt, ausgenommen sofern es in eine größere Organisation verflochten ist, einen so festen und bestimmten Eindruk macht, daß wir es mit Zuversicht auf seine Ursache zurükführen könnten."

5

Vgl. Schleiermacher: Darstellung.

6

Vgl. u.a. die Beurteilung des darstellenden Handelns in: Schleiermacher, F.D.E.: Die christliche Sitte nach den Grundsätzen der evangelischen Kirche, hg.v. L. Jonas, Berlin 1843, S. 505ff, und die Einschätzung des Gottesdienstes als rein darstellendes Handeln: "Der Freude am Herrn an sich, abgesehen von aller Differenz als Lust oder Unlust, entspricht das rein darstellende Handeln, dessen allgemeiner Typus der Gottesdienst ist." Schleiermacher: Sittenlehre, Beil. 17. Allerdings hat auch das darstellende Handeln bei Schleiermacher funktionale Aspekte, der Gottesdienst weist über sich selbst hinaus. Vgl. CSI 96, 40f, CSI 98, 5f sowie Kap 11.4. Anm. 23. Über den Gottesdienst bei Schleiermacher vgl. Rößler, D.: Unterbrechung des Lebens. Zur Theorie des Festes bei Schleiermacher, in: In der Schar derer, die da feiern. Feste als Gegenstand praktisch-theologischer Reflexion, hrg.v. P. Comehl, M. Dutzmann u. A. Strauch, Göttingen 1993, S. 33-40.

7

Vgl. Schleiermacher: Glaube, §§ 173-179.

180

G. v. Zezschwitz: System der Praktischen Theologie - 1876

1. Ontologie einer Idealpersönlichkeit Kirche Ausgehend von einer problematisch vorgenommenen Unterscheidung von Ethik und Praktischer Theologie durch eine Subjektunterscheidung kritisiert Kleinert, daß bei v. Zezschwitz das System der Praktischen Theologie als Wesenslehre einer Kirche definiert sei, die nicht durch einzelne Menschen oder gemeinsam nach einer Idee gestaltet wird, sondern die sich quasi zwangsläufig selbst verwirkliche. "Von da aus gestaltet sich denn der weitere Systembau dergestalt, daß die überall ideal definierte Kirche, aus ihrem dogmatisch-ethischen Begriff personifiziert und als handelnde Einzelperson eingeführt, sich selbst setzt, erzeugt, verwirklicht, gestaltet, auf der Höhe der Gestaltung behauptet. Da ist also die Kirche nicht mehr eine Gemeinschaft, der von ihrem Stifter und durch seinen Geist ihre Idee gewiesen ist, der gemäß sie in der Form geordneter Freiheit ihre Gestaltung, ihre Aufgaben, ihre Verfahrensweisen bestimmt. Sondern sie ist eine Idealpersönlichkeit, die aber eine Natur hat, kraft derer sie sich in wesensgemäße Erscheinung umsetzt und nach Art eines natürlichen Lebewesens fortgehend verwirklicht." 8

Der von Kleinert zu recht festgestellte Unterschied zwischen einer in sich differenziert ausgebildeten Gemeinschaft Einzelner und einer monolithisch gesetzten Idealpersönlichkeit hat zahlreiche Konsequenzen. Das Problem ist hierbei nicht die Geschlossenheit der Kirche, sondern ihre Betrachtung als Person mit menschlichen Entwicklungsstufen 9 . Die Ansicht v. Zezschwitzs, daß die Kirche sich wie eine Person durch den Geist angestoßen religiös entwickele, ist durchaus zu bezweifeln und wird von v. Zezschwitz auch keineswegs plausibel gemacht. Seine Behandlung der Kirche als geistbegabte Person führt zudem dazu, daß er nicht mehr die Spannung zwischen Idee und Erscheinung bearbeitet, sondern in einer pneumatologisch begründeten Idealität verbleibt10. Den gegen Moll eingewandten Gedanken v. Zezschwitzs, "daß in dem den Gläubigen einwohnenden Geiste Christi dieser selbst als der Kirche immanentes Princip erkannt werden muß, das sich im kirchlichen Handeln schlechthin menschlich auslebt", hält Kleinert allerdings zu Unrecht für falsch. Das Problem besteht wiederum nicht darin, daß der Geist sich im kirchlichen Handeln durch Menschen auslebt, sondern abermals darin, daß die 8

Kleinert: Theologie, S. 287f.

9

Gegen einen Gedanken der Geschlossenheit gegenüber der Umwelt ist nichts einzuwenden. Aber diese Geschlossenheit hat innere Differenzierungen und unterliegt insofern keineswegs denselben Entwicklungsmechanismen wie ein menschliches Wesen. Das kirchliche Handeln als Ausdruck innerer Differenz zu begreifen, kennzeichnet den Unterschied zwischen Schleiermachers und v. Zezschwitzs Vorstellung.

10

Von Zezschwitz bleibt bei seiner pneumatologischen Bestimmung der Kirche zudem weit hinter der Differenzierungsleistung Schleiermachers zurück.

3. Kirchenbegriff und praktisch-theologischer Entwurf

181

Kirche als eine geistbegabte, einzelne Idealpersönlichkeit verstanden wird. Nur in dieser Hinsicht ist Kleinerts Kritik berechtigt11. Durch eine nicht differenziert genug betriebene Verhältnisbestimmung von Pneumatologie und Kirchentheorie wird im Konzept v. Zezschwitzs eine klare Unterscheidung zwischen Idee und Erscheinung nicht geleistet. Das Subjekt des Handelns wird entgegen seinem ausdrücklichen Wunsch verdunkelt. So gerät v. Zezschwitz bei Kleinert in den Verdacht, daß Erscheinung und Idee "identisch gedacht werden"12.

2. Potentielles Subjekt Kirche und Institution Die Bestimmung der Kirche als idealisiertes Subjekt bei v. Zezschwitz steht aber noch in einer weiteren Spannung, die den gesamten Rahmen seines Aufrisses durchzieht. Die Kirche ist in der genetischen Betrachtung v. Zezschwitzs erst ein "potentielles Subjekt"13, das sich noch verwirklichen muß, denn das idealisierte Subjekt muß ja seine Konkretheit erst erreichen. Dabei unterlegt v. Zezschwitz der gesamten Verwirklichung jedoch einen Missionsbegriff, der eigentlich eine bereits in ihrer Verwirklichung vorangeschrittene Kirche voraussetzt. "Es leuchtet allerdings sofort ein, daß, wenn die Kirche zuerst als potentielles Subject gedacht ist, das sich erst noch zu realisieren hat, die Mission als die Aufgabe dieser Selbstsetzung an die Spitze alles Kirchenhandelns treten muß; es leuchtet aber nicht minder ein,

11

Kleinert: Theologie, S. 289: "Ein einfaches, naturmäßiges Sichausleben ist die Thätigkeit des Geistes Christi ebenso wenig in der Kirche wie im einzelnen Gläubigen; und wenn dieser Geist sicher immanentes Princip der Kirche ist, so folgt daraus noch keineswegs das Recht, an seiner Statt die Kirche als handelndes Idealwesen einzusetzen, oder gar das Handeln, welches praktische Theologie von der Kirche fordert, als Naturact dieser Idealpersönlichkeit der Kirche zu beschreiben." Kleinert verweist auf den möglichen Ursprung dieses Gedankens bei Liebner: Theologie, der sich Kleinerts Meinung nach j e d o c h gegen v. Zezschwitzs Interpretation klar verwahrt hätte.

12

Kleinert: Theologie, S. 290. Kleinert zieht daraus dann allerdings die interessante Konsequenz, als handelndes Subjekt die Gemeinde, und zwar die Einzelgemeinde [Kleinert: Theologie, S. 291] zu benennen. Diese Lösung Kleinerts ist keineswegs zwingend, läßt sich die handelnde Kirche doch, wie Nitzsch klar gezeigt hat, auch durch prinzipiellere handlungstheoretische Überlegungen klar benennen. Kleinert ist sich dabei durchaus bewußt, daß mit seiner Bestimmung das Problem des Kirchenganzen verstärkt einer Klärung bedarf.

13

Kleinert: Theologie, S. 308.

182

G. v. Zezschwitz: System der Praktischen Theologie - 1876

daß, die Kirche als gegebene angesehen, die Mission als ihre Selbstausbreitung logisch erst ihrer Arbeit an sich selber nachfolgen kann und an den SchluB treten muß." 1 4

Von Zezschwitz hat sich so durch den Verlauf 'Mission - Taufe - dann erst Katechese' in die Spannung begeben, beide Kirchenarten, die Missionskirche und die vorfindliche Kirche15 vermischt zu haben. Das wird besonders dort ersichtlich, wo v. Zezschwitz ein konkreteres Subjekt nötig erscheint, nämlich am Punkt der Konfirmation, die bei einer Entscheidung zugunsten der Missionskirche nicht nötig wäre. Kleinert legt zu Recht den Finger auf den wunden Punkt: "Die scheinbare Genetik des Aufbaus erweist sich also als Nöthigung, im Lauf des Aufbaus unvermerkt ein anderes Subjekt einzuschieben, als das wovon man ausgegangen war: statt der durch Mission sich setzenden Kirche die gesetzte; statt der Idealkirche, die sich zunächst als Missionskirche fragmentarisch verwirklicht, die ausgereifte Gestalt der Volkskirche. Dadurch ist Einheit der Darstellung unmöglich geworden, und eine schillernde Doppelheit unvermeidlich, deren Incongruenzen alle Kunst des Autors nicht zu decken vermag." 1 6

Die Spannung zwischen "noch nicht" (Idee) und "schon da" (Tatsache) ist jedoch nur dann sinnvoll beschreibbar, wenn man es aufgibt, den Selbstverwirklichungsprozeß der Kirche als kontinuierlichen, geschlossenen, genetischen Verlauf analog zu einer bruchlosen individuellen Glaubensentwicklung zu verstehen. Wenn man bildungstheoretische Überlegungen in eine Selbstverwirklichungstheorie der Kirche integrieren und das Idealsubjekt Kirche als sich analog zum einzelnen Subjekt entwickelnd verstehen will, dann gehören zur Bildungsleistung des Einzelnen wie der Kirche wesentlich nicht nur Differenzen nach außen - zur Welt -, sondern gerade auch innere Differenzen. Beide Subjekte entwickeln sich durch deren Ausgleich - überwiegend mitteilend, überwiegend empfangend - in kontinuierlichem Fluß zwischen Tradition, Gegenwart und Zukunft. Vor allem aber hat sich v. Zezschwitz nicht darauf eingelassen, die strukturellen Unterschiede zwischen individueller

"

Ebd.

15

Kleinert nennt sie in diesem Zusammenhang "Volkskirche", vgl. Kleinert: Theologie, S. 308ff.

16

Kleinert: Theologie, S. 309f. Kleinert hat dabei jedoch einen grundsätzlichen Punkt der Systembildung der Praktischen Theologie nicht erkannt. Ob man nun die Missionskirche oder die Volkskirche als Ausgangspunkt wählt, ist beides eben nicht "a priori möglich" (Kleinert: Theologie, S. 310). Es kommt vielmehr darauf an, das von Kleinert verleugnete "Verhältnis des zugleich Möglichen und der gegenseitigen Ergänzung im Rahmen einer einheitlichen Gliederung des Ganzen" zu bedenken. Nur darf es dabei nicht zu zwei völlig unterschiedlichen, parallel laufenden Kirchentheorien kommen, sondern zu einer Theorie, die die innere Differenz der Kirche bedenkt. Eine solche Theorie hat v. Zezschwitz allerdings nicht geleistet.

3. Kirchenbegriff und praktisch-theologischer Entwurf

183

Bildung und kirchlicher Selbstverwirklichung zu thematisieren. Er bleibt zwar bei Nitzschs richtigem Ansatz, daß sich die Praktische Theologie an der Bildung des einzelnen Subjektes orientieren kann. Aber v. Zezschwitz setzt als Subjekt eine sich selbst organisch wie eine Einzelperson bildende Kirche und kommt damit in eklatante Schwierigkeiten.

3. Das Subjekt Kirche als Bekenntniskirche Auch Kleinert hat schon bei v. Zezschwitz belegt, daß dieser an Stellen, wo sich ein konkretes Subjekt nicht umgehen läßt, in der Tat eine ganz bestimmte Vorstellung von dem Subjekt Kirche hat und als Subjekt einsetzt, nämlich eine "verfaßte Bekenntniskirche" 17 . Sie unterscheidet sich nach Meinung v. Zezschwitzs insofern von den Landeskirchen, als sie sich über eine bestimmte Lehrgrundlage definiert, nicht über territoriale Bestimmung. Tatsächlich befindet sie sich andererseits jedoch in einer verfaßten Form, die historisch gesehen nur über eine einheitliche territoriale Ordnung zu erreichen war. Aus diesem Grund hält Kleinert die Bestimmung denn auch für in sich widersprüchlich und will, seine Forderung nach Konkretisierung unterstreichend, die einzelne Gemeinde innerhalb verfaßter Landeskirchen als konkret handelndes Subjekt ansehen. Wiederum fällt an v. Zezschwitzs Bestimmung auf, daß er die Spannung zwischen Bekenntniskirche und Landeskirche nicht thematisiert und als Spannung zwischen Idee und Tatsache fruchtbar macht. Vielmehr unterlegt er als tatsächliches Subjekt eine spekulative Größe.

4. Liturgisch-hierosophische Tendenz Parallel zu dieser Einschätzung haben sowohl der Rezensent im Literarischen Centralblatt von 1877 als auch Kleinert einen weiteren Kritikpunkt deutlich erkannt. Von Zezschwitzs System hat einen eigentümlichen Hang zum Litur-

17

Kleinert: Theologie, S. 296. Vgl. dazu auch Beyschlag: Theologie, S. 115 Anm. 217: "Von Nitzsch unterscheidet sich Zezschwitz freilich darin, daß er das kirchliche 'Subjekt' als konfessionelle Einheit versteht."

184

G. v. Zezschwitz: System der Praktischen Theologie - 1876

gischen. Der Rezensent beschreibt drei Beispiele 18 mit denen er zeigen will, daß v. Zezschwitz in eine eigentlich überholte Kultvorstellung zurückfällt: "Aus diesem allen wird es deutlich, daß der Verf. nicht eine Fortbildung, sondern eine Rückführung des Cultus anstrebt. Wir müssen daher auch gerechten Zweifel hegen, ob sich diese praktische Theologie in der Praxis bewähren werde." 9

Eine fundamentalere Kritik leitet der Rezensent daraus nicht ab. Hier geht Kleinert eindeutig weiter, weil er ein Ausbreiten des Liturgischen über das ganze System befürchtet. Er nennt das System v. Zezschwitzs in seiner Tendenz "liturgisch-hierosophisch"20. Zwar lehnt v. Zezschwitz die sog. "Cultusidealisten"21 genauso ab wie die Liturgik als eine besondere Disziplin der Praktischen Theologie 22 und verdrängt die Liturgik als "Lehre vom Ritual der heiligen Handlungen"23 aus der dann breit besprochenen Cultuslehre. Kleinert weist sehr schön nach, daß in bezug auf sog. heilige Handlungen wie Taufe, Konfirmation, Trauung, Beerdigung eine Tendenz (seelsorgerlich/katechetisch) gegenüber dem Hauptanliegen der Handlungen (kultisch darstellendes Handeln) zur Hauptsache gemacht wird.24 "Sollen erst nebensächliche Momente für die Classifikation maßgebend werden können, so würden zahlreiche Gründe sich finden lassen, diese Handlungen ebensowohl der Kirchenordnungslehre zuzuweisen, als der Katechetik und Poimenik."

18

Vor allem spielen das Knien und Handauflegen eine dominante Rolle: "knieende Fürbittengebete" [Zezschwitz: System, S. 236], "der Hauptpathe könnte [sie!] dann mit dem Kinde bei dem Segen auf den Altarstufen knieen [Zezschwitz: System, S. 238, Sic vom Rezensenten], Verleihung eines besonderen Charismas durch Handauflegung [Zezschwitz: System, S. 239] und "nach correkt lutherischer Tradition" soll "das Offertorium in der Form des sogenannten Opferliedes" gesungen werden [Zezschwitz: System, S. 358 vgl. auch S. 413],

19

Rezension zu Zezschwitz: System, in: LZD 1877, Sp. 587.

20

Kleinert: Theologie, S. 323.

21

Kleinert: Theologie, S. 323 bezieht sich auf die Vorrede v. Zezschwitzs zur Gesamtausgabe von 1878, S. V.

22

Vgl. Zezschwitz: System, § 117.

23

Kleinert: Theologie, S. 323. Taufe + Confirmation -> kirchlicher Unterricht; Beichte, Trauung, Begräbnis -> Seelsorge; Ordination -> Cultuslehre. Diese Tendenz hat auch Harnack: Theologie übernommen.

24

In bezug auf die Konfirmation: "Nicht daß der Unterricht zu seinem Abschluß kommt, sondern daß dieser Abschluß vor Gott und der Gemeinde gottesdienstlich dargestellt und ihm seine ekklesiastische Ausprägung und Folgen gegeben wird, darum handelt es sich in der Confirmation, u.s.f." Kleinert: Theologie, S. 325.

25

Kleinert: Theologie, S. 325.

3. Kirchenbegriff und praktisch-theologischer Entwurf

185

Aber durch diese Verdrängung tauchen die sonst in der Liturgik üblichen Themen auch in der Katechetik bzw. der Seelsorge auf und beeinflussen so auch den Charakter dieser Disziplinen. Das Ausfallen einer liturgischen Disziplin, das auf den ersten Blick wie eine Zurückhaltung wirkt, hat Kleinert zu Recht als unterschwelliges kultisches Proprium entlarvt. Das Abdrängen kultischer Elemente aus der Kultuslehre in andere Disziplinen wird nach Meinung Kleinerts nicht vorgenommen, um ein Ausweiten des Kultischen zu vermeiden und die sonstigen Elemente zu stärken, sondern, "um das ganze System, nachdem Homiletik und Katechetik als Kunstlehren von ihm ausgeschieden sind, als Liturgik auszubauen"26. Kleinert weist die Konsequenzen an zahlreichen Belegen nach.27 Diese Zentralstellung des Kultushandelns der Kirche bedeutet ein weiteres Indiz dafür, daß ein funktionales Denken kirchlichen Handelns als Handlungsermöglichung abgelöst ist durch ein Verständnis der Kirche als eine in sich selbst Wert besitzende Institution. Kleinert formuliert es so: "Die Setzung des Cultischen als erfüllender Endform alles Kirchenhandelns ist ein Ideal ästhetischen Charakters. Das Handeln geht darin auf, Form zu sein."28 In den §§ 35-128 stellt v. Zezschwitz diese Formwerdung denn auch eindrücklich dar, zudem mit der durchgehenden Tendenz, daß sich die Kirche im Kultus vollende. Das Kultushandeln ist "pleromatisches Idealziel des Kirchenlebens"29. Es wird jedoch nicht als der Welt zugewandt und handlungsermöglichend verstanden30, sondern mit Begriffen wie "Weltabgeschlossenheit" und "Weltentnommenheit" charakterisiert und ohne Thematisierung einer impliziten Funktion des Kultus für den Gottesdienst im Alltag. So verstandener Selbstzweck kann jedoch nicht allein Sinn kirchlicher Verwirklichung sein. Die Kirche erschöpft sich nicht in ästhetischem Sinn, sondern hat eine zu erfüllende Aufgabe: die Glaubensweckung und -Stärkung ihrer Glieder durch Wort und Sakrament zu selbstverantwortetem Handeln im 26

Kleinert: Theologie, S. 325. Hervorhebungen bei Kleinert.

27

Die Lehre vom heiligen Ort, heiliger Zeit, heiligen Symbolen wird in der systematischen Grundlegung (§87ff. 99ff. 69) als Voraussetzungen aus dem Grundwesen der Kirche statt aus dem Bedürfnis des Kultus erarbeitet. Die Katechumenatslehre verläuft innerhalb der Lehre von Taufe, Konfirmation und erster Kommunionfeier, "wobei die Bedeutung der begleitenden Symbole des Kreuzeszeichens und der Handauflegung in eine ganz unverhältnismäßige Höhe gerückt wird", Kleinert: Theologie, S. 325.'Die Seelsorge wird als Erhaltung der geistlichen Reife zur Kommunionshandlung, also als Erhaltung der kultischen Handlungsfähigkeit, aus der Privatbeichte erarbeitet.

28

Kleinert: Theologie, S. 326. Hervorhebung bei Kleinert.

29

Kleinert: Theologie, S. 332.

10

So etwa die Vorstellung bei Nitzsch wie auch bei Schleiermacher. S.o.

186

G. v. Zezschwitz: System der Praktischen Theologie - 1876

Sinne des Evangeliums. "Wir feiern den Sonntag nicht als Schlußziel, sondern als Ausgangspunkt der Woche."31 Insofern unterschlägt v. Zezschwitz hier - wie an vielen anderen Stellen seines Systems auch - den entscheidenden Teil des Wesens der Kirche, nämlich ihre Funktion.

5. Zusammenfassung Gegenüber Nitzschs Praktischer Theologie hat das System v. Zezschwitzs eine wesentlich idealisiertere Sicht der Kirche. Sie ist als Phase des Reiches Gottes von eigener Dignität und Ästhetik. Eine funktionale Sicht der Kirche tritt dahinter fast vollständig zurück. Das kirchliche Handeln wird nicht mehr als Ausdruck der Bearbeitung innerer Differenzierung verschiedener individueller Bildungsstufen verstanden, sondern als Selbstverwirklichung einer vorwiegend monolithischen Größe gegenüber der Außenwelt. Die selbst eingeforderte klare Unterscheidung von causal-göttlichem und actual-gemeindlichem Handeln als einziger innerer Differenz wird nur unzureichend fruchtbar gemacht. Mit diesen Bestimmungen verwandelt sich das offene, funktionale System Nitzschs von klar unterschiedenem Handeln Gottes und Handeln des Menschen in eine Verbindung von sakral-ästhetischen und institutionellen Momenten. Die Füllung der Struktur von Nitzsch durch einen konfessionell-institutionell verfestigten und ontologischen Kirchenbegriff führt zu gänzlich anderen Vorstellungen. Über den Kirchenbegriff v. Zezschwitz's läßt sich ein praktisch-theologisches Gesamtbild weder schlüssig noch sinnvoll entwerfen.

31

Kleine«: Theologie, S. 332.

Meine Herren, sie notieren zu voreilig. Blut und System! Mensch und System! Der Satz ist brüchig. Ein Fußtritt und die Mechanik ist zerbrochnes Kinderspielzeug. ... Meine Herren: Menschen. Ich wiederhole: Menschen."

IV. Friedrich Niebergall: Praktische Theologie - 1918/19 Durch das System der Praktischen Theologie von G.v. Zezschwitz wurde eine Weiche gestellt. Der Perspektivenwechsel von der Funktion zum Sein stellte eine einseitige Weiterentwicklung des Entwurfes von C.I. Nitzsch dar. In den auf v. Zezschwitzs System folgenden Entwicklungen sollte dann die stark idealistische Ontologie der Kirche bei v. Zezschwitz durch historische Arbeit geerdet werden. Diese Tendenz mit vielerlei Spielarten findet sich in zahlreichen, zeitlich folgenden Entwürfen bis zum I. Weltkrieg, die vor allem durch ihre historische Aufarbeitung der kirchlichen Praxis neben einem dogmatisch geprägten Kirchenbegriff gekennzeichnet sind.1 Aber in der Auseinandersetzung mit dem System v. Zezschwitzs tritt bereits eine andere Akzentuierung des Entwurfes von Nitzsch auf: das Subjekt kirchlichen Handelns sei doch die konkrete Ortsgemeinde.2

Toller, Ernst: Masse Mensch, Oktober 1919, Zweites Bild. '

Die sich an die Konzeption v. Zezschwitzs anschließenden Arbeiten werden von W. Birnbaum durchaus treffend benannt und charakterisiert: Birnbaum: Wandlungen, S. 106-120. Er nennt für die "Zeit der großen Lehrbücher" nach G.v. Zezschwitz: Harnack: Theologie; Osterzee, J.J.van: Praktische Theologie, 2 Bde., Deutsch von Mathiä und Petry, Berlin 1878/79; Achelis: Lehrbuch; Knoke, K.: Abriß der Praktischen Theologie, Göttingen 1886 (ab 1889 2 als Grundriß der Praktischen Theologie); und ders.: Herr D. Achelis und mein Grundriß der Praktischen Theologie, Göttingen 1890; Krauss, Α.: Lehrbuch der Praktischen Theologie, Bd. 1, Freiburg 1890; Bd. 2 (hrg.v. H. Holtzmann), Freiburg 1893 und Zöckler: Handbuch. Eine Darstellung dieser Entwürfe erfolgt deshalb nicht, weil der Umfang dieser Studie nicht noch mehr ausgedehnt werden soll. Zu den Entwürfen wäre eine weiterführende intensive Untersuchung der Detailprobleme zwar wünschenswert, kann hier aber nicht geleistet werden. Als Beispiel solcher Detailuntersuchungen vgl. über die Frage des Kirchenbegriffs bei Th. Harnack mit Bezug auf dessen Auswirkungen auf Harnacks praktisch-theologisches System: Wittram, H.: Die Kirche bei Theodosius Harnack. Ekklesiologie und Praktische Theologie, Göttingen 1963.

2

So in der Rezension des Systems von Zezschwitzs durch Kleinen: Theologie, S. 290f: "Allerdings erwächst von da aus nunmehr die Nöthigung, die Frage zu beantworten, welches denn nun die empirische, gegebene, erscheinende Kirche sei, deren Umrisse wir in der Grundlegung bei Zezschwitz vermissen und ohne deren Aufzeigung doch eine praktische Theologie nicht denkbar ist. Evangelisch, im Sinne sowohl des neutestament-

188

Fr. Niebergall: Praktische Theologie - 1918/19

Auf der Suche nach der konkreten Kirche als actuosem Subjekt tritt in der reformorientierten Praktischen Theologie die Einzelgemeinde verstärkt in den Blick, um den historischen Ansatz zugunsten psychologischer und soziologischer Erkenntnisse zu kritisieren und zu ergänzen.3 Exemplarisch kann der Artikel Otto Baumgartens (1858-1934) 4 in der RGG1 diese Position beleuchten. Es ging um "die Uberwindung des von der Beschäftigung mit der systematischen Theologie nahegelegten Dogmatismus und Absolutismus einer für alle unterschiedslos gültigen Norm des Denkens und Handelns durch ein stetes Rücksichtnehmen auf die Mannigfaltigkeit der nach Ort, Landschaft und Bevölkerungsgruppen verschiedenen religiösen Nötigungen" 5 .

Eine grundlegende Analyse der theologiegeschichtlichen Epoche um 1900 kann hier auch nur in Auszügen nicht geliefert werden.6 Trotzdem seien einige Grundlinien erwähnt, die für die Interpretation der Praktischen Theologie Niebergalls von Bedeutung sind. Die beschriebene reformorientierte Theologie nannte sich selbst "moderne Theologie". V. Drehsen sieht mit Recht Friedrich Niebergall eng mit dieser Selbstbezeichnung verbunden7. Der eigentlich epochale Unterschied gegenüber der herkömmlichen Theologie bestand darin, nicht mehr begrifflichdeduktiv zu verfahren, sondern untraditionalistisch-induktiv. Anstelle der Stimmigkeit innerhalb einer Systematisierung entschied nun die Plausibilität und Funktionalität über die Richtigkeit der Aussagen, die empirisch gewonnen und erst dann systematisiert und an normativen Intentionen eingeschätzt

lieh Begründeten, als des in den Principien der Reformation geschichtlich Gewordenen, muß gesagt werden, daß jede Begriffsbestimmung der erscheinenden Kirche, wenn sie nicht in unevangelische Irrtümer verfallen will, ausgehen muß von der Gemeinde, und zwar von der Gemeinde als Einzelgemeinde." Er verweist dabei auch auf Rosenkranz: Encyklopädie, 1845 2 , S. 338. 3

W. Birnbaum nennt zu Recht Paul Kleinen, Heinrich Bassermann (1849-1909): Beiträge zur Praktischen Theologie, Leipzig 1909 und besonders Paul Drews (1858-1912): Das Problem der Praktischen Theologie. Zugleich ein Beitrag zur Reform des theologischen Studiums, Tübingen 1910.

4

Vgl. zu Person und Werk: Otto Baumgarten. Studien zu Leben und Werk, hrg.v. W. Steck, Neumünster 1986 sowie Bassi, H.v.: Otto Baumgarten. Ein "moderner Theologe" im Kaiserreich und in der Weimarer Republik, Frankfurt a.M. 1988.

5

Baumgarten, O.: Art.: Praktische Theologie, in: RGG', Bd. 4, Sp. 1720ff, hier Sp. 1726.

6

Hier sei besonders auf die Ergebnisse der Forschungsgruppe zum deutschen Protestantismus um 1900 der Wissenschaftlichen Gesellschaft für Theologie verwiesen: Der deutsche Protestantismus um 1900, hrg.v. F.W. Graf und H.M. Müller, Gütersloh 1996.

7

Vgl.: Drehsen, V.: Fachzeitschriftentheologie. Programm und Profil eines Gattungstyps moderner Praktischer Theologie, am Beispiel der "Monatsschrift für die kirchliche Praxis" (1901-1920), in: Graf/Müller: Protestantismus, S. 67-100, bes. 67A.

Fr. Niebergall: Praktische Theologie - 1918/19

189

wurden. Die 'empirische Wende' (V. Drehsen) verstand sich als Bedarfsanalyse und als normativ bejahte Darstellung einer neuprotestantischen kirchlichen Frömmigkeit in gesellschaftlicher Umbruchssituation.8 Ihre Gegner waren sowohl die positive Altgläubigkeit wie auch die pietistische Erwekkungsbewegung 9 . Modernisierung wurde dabei keineswegs als negativ zu beurteilende Anpassung verstanden, sondern explizit bejaht, um in einer sich nicht mehr in automatischer Kontinuität zur Vergangenheit umgestaltenden Gesellschaft die sich bietenden Chancen für die Geltung des Christlichen zu nutzen. Dem "modernen Menschen" in der "modernen Gesellschaft" eine "moderne Theologie" zu erarbeiten, war wesentliches Anliegen der Reformtheologen. Die Kennzeichen der Moderne gewinnen erst vor der Negativfolie des unmodernen Menschen Profil. Während der Grundnenner des modernen Menschen seine individuelle Frömmigkeit darstelle, sei der unmoderne Mensch "durch geringeren Bildungsgrad und entsprechend weniger ausgeprägte Mündigkeit und Selbständigkeit"10 gekennzeichnet, "durch einen Mangel an abstrakter Lebenswahrnehmung, die den Menschen dazu befähigen würde, sich den wechselnden Lagen kreativ und selbständig anpassen zu können, der darum auf Außenlenkung ('Fremdbestimmung') in patemalistisch-protektionistischen Personal Verhältnissen angewiesen bleibt: ..."". Diese "unmodernen" in "moderne" Menschen, die Unmündigen in Mündige durch Erziehung zu überführen, stellt das grundsätzliche Programm der modernen Theologie dar, das den Pastor zu dieser Erziehungsleistung durch "kommunikative Kompetenz"12 in die Lage versetzen sollte. In bezug auf die Interpretation von Nitzschs Konzept handelt es sich bei den Veränderungen, die die "moderne Theologie" angesichts der Moderne einbringen will, um Impulse, die die bisherigen Interpretationen zwar überwinden wollen, sich andererseits dabei aber ebenfalls explizit auf - einen freilich neu interpretierten - Nitzsch berufen. Als typischer und wirkungsmächtiger Vertreter dieser neuen Interpretation in der Praktischen Theologie

8

Vgl. Drehsen, V.: Art.: Neuprotestantismus, in: TRE XXIV, S. 363-383.

9

Drehsen: Fachzeitschriftentheologie, S. 85 mit Bezug auf: Graf, F.W.: Protestantische Theologie in der Gesellschaft des Kaiserreichs, in: ders. (Hrg.): Profile des neuzeitlichen Protestantismus, Bd. 2/1, Gütersloh 1992, S. 12-117.

10

Drehsen: Fachzeitschriftentheologie, S. 88.

"

Ebd.

12

Drehsen: Fachzeitschriftentheologie, S. 89. Dazu gehört vor allem die Fähigkeit, sich den kritischen Anfragen sozialer Lebenswelt zu stellen, zu verarbeiten und Lösungsmöglichkeiten in die Gemeinde einfließen zu lassen.

190

Fr. Niebergall: Praktische Theologie - 1918/19

kann Friedrich Niebergall gelten13. Er rang mit den bisherigen Interpretationen Nitzschs und bediente sich dabei dessen bildungstheoretischer Grundlegung der Praktischen Theologie. Er "wollte in einer Zeit, in der volkskirchliche Formen zusehends an Bedeutung verloren, im Kampf gegen kirchliche Illusionen und pastorale Resignation wissenschaftliche Theologie in Verbindung mit Psychologie und religiöser Volkskunde für die kirchliche Praxis fruchtbar machen".14 Niebergall rückt dabei den Erziehungsbegriff in den Mittelpunkt seiner Praktischen Theologie und versucht über ihn eine moderne Interpretation. Damit gelingt ihm die Verbindung zwischen dem unmittelbar existenzieüen und praktischen Charakter des Glaubens und der reflexiven theologischen Praxis. Gleichzeitig durchdringt der Gedanke der Erziehung nicht nur die Religionspädagogik, sondern strukturiert auch die Subdisziplinen Liturgik, Homiletik und Seelsorgelehre. Friedrich Niebergall wurde 1866 geboren und war ab 1892 Pastor in Kirn (Nahe). Bis zu seiner Tätigkeit als Privatdozent 1903 in Heidelberg veröffentlicht er schon zahlreiche Artikel und auch Monographien. 1908 wurde er ao. Professor für Praktische Theologie in Heidelberg. Während der durch den Krieg und die übrigen politischen Umwälzungen in Deutschland unruhigen Zeit bis zu seiner Berufung 1922 an die Universität Marburg entstanden neben der Praktischen Theologie weitere, fast unüberschaubar viele Arbeiten zu allen Gebieten der Praktischen Theologie. 15 Im Gegensatz zum System v. Zezschwitzs ist die Praktische Theologie Niebergalls keineswegs ein wenig bearbeitetes Feld. Neben J.V. Sandberger16 hat sich vor allem H. Luther mit dem Gesamtwerk Niebergalls ausführlich beschäftigt. 17 Für die werkhistorische Plazierung der Praktischen

13

Dies gilt vor allem, weil er als einziger "moderner praktischer Theologe" eine Gesamtdarstellung der Praktischen Theologie vorgelegt hat.

14

Sandberger, J.V. : Pädagogische Theologie. Friedrich Niebergalls Praktische Theologie als Erziehungslehre, Göttingen 1972, rückseitiger Klappentext.

15

Zu Biographie und Bibliographie vgl. Luther, H.: Religion - Subjekt - Erziehung. Grundbegriffe der Erwachsenenbildung am Beispiel der Praktischen Theologie Friedrich Niebergalls, München 1984 [vollständige chronologische und systematische Bibliographie der 580 Titel S. 379-393]. Vgl. weiter Jannasch, W.: Art. Niebergall, in: RGG3, IV, Sp. 1457f und Wesseling, K.-G.: Art. Niebergall, Friedrich, in: BBKL VI, Sp. 708-717.

16

Sandberger: Theologie.

17

Luther: Religion. Daneben auch ders.: Praktische Theologie als Praktische Wissenschaft. Werk und Konzeption Friedrich Niebergalls, in: ZThk 82, S. 430-454.

Fr. Niebergall: Praktische Theologie - 1918/19

191

Theologie hat H. Luther sorgfältig einen Abriß der wissenschaftlichen Entwicklung Niebergalls erarbeitet 18 , der hier kurz skizziert werden soll. "Die erste Phase des literarischen Wirkens Niebergalls fällt noch in die Zeit seiner Pfarramtstätigkeit in Kirn" 19 (1892-1903). Hier sind seine wissenschaftstheoretischen und fundamentaltheologischen Grundsätze bereits feststellbar, die sich an der Auseinandersetzung mit E. Troeltsch (1865-1923) um die Frage der Absolutheit des Christentums entzünden und seine Orientierung an "Bildung und Erziehung" 20 verursachen. Kennzeichen der zweiten Phase, die mit seiner Tätigkeit als Privatdozent in Heidelberg 1903 beginnt, ist die intensive Beschäftigung mit der Homiletik, in der er versucht, die Probleme der Beeinflussung des Menschen sowie die Voraussetzungen des Wirkens der Verkündigung auf den Menschen zu klären. Im Rahmen seiner Untersuchungen kristallisierten sich zwei Prinzipien heraus, die die gesamte praktisch-theologische Arbeit beachten müsse: die "hermeneutische Rekonstruktion der praktischen Intentionen christlicher Überlieferung für die je gegenwärtige Situation" 21 und die Kenntnisnahme der Bedingungen, unter denen Verkündigung wirken soll. 22 Unter Kenntnisnahme ist zweierlei zu verstehen: Kenntnis des Einzelnen und des sozialen Umfelds. "Praktische Theologie, die sich theoretisch um das Problem der Beeinflussung bemüht, hat damit zugleich eine psychologische und volkskundlich-soziologische Aufgabe. " 23 An diese Erkenntnisse schließt sich die dritte Phase an, in der er versucht, die hermeneutischen Probleme kirchlicher Verkündigung zu lösen. "Es geht ihm darum, die objektive Überlieferung mit der subjektiven Aneignung hermeneutisch und die historisch abständige Vergangenheit mit der engagierten Interessiertheit der Gegenwart dialektisch zu vermitteln." 24 Durch intersubjektive Kommunikation soll der intentionale Charakter der Bibel zur

18

Luther: Theologie, S. 431-446. Obwohl sich Phasen beobachten lassen, ist das Gesamtwerk Niebergalls von innerer Geschlossenheit. Vgl.: Zilleßen, D.: Friedrich Niebergall (1866-1932), in: H. Schröer/D. Zilleßen (Hrgg.): Klassiker der Religionspädagogik. Klaus Wegenast zu seinem 60. Geburtstag von seinen Freunden und Schülern, Frankfurt a.M. 1989, S. 161-180, bes. S. 162f.

"

Luther: Theologie, S. 431.

20

Niebergall, F.: Über die Absolutheit des Christenthums, in: T A R W P V N F 4, S. 46-86, hier S. 55.

21

Luther: Theologie, S. 434.

22

Vgl. ebd.

23

Ebd.

24

Ebd.

192

Fr. Niebergall: Praktische Theologie - 1918/19

Wirkung kommen. Die Praktische Theologie habe hierfür Deutungsperspektiven zu entwickeln, die "die Kraft zur gegenwärtigen Beeinflussung besitzen"25. Unterstützt werden soll die Praktische Theologie dabei durch eine "praktische Dogmatik", die die Verbindung zwischen Theologie und Praxis erleichtern soll, indem sie dogmatische Inhalte für die praktischen Bedürfnisse umsetzt26. Durch diese Arbeiten wurde die vierte Phase vorbereitet, in der Niebergall sich besonders den wissenschaftlichen Grundlagen der Praktischen Theologie widmet27. Das von Niebergall als stark belastet empfundene Verhältnis von akademischer Theologie und pastoraler Praxis versuchte er durch eine "religionswissenschaftlich begründete Religionspädagogik"2* zu lösen, die als eine Gesamttheorie für alles kirchliche Handeln als erziehendes Handeln entwickelt werden solle. Religionswissenschaftlich begründete Religionspädagogik ist dabei ein Synonym für Praktische Theologie, die dasjenige Handeln zum Thema hat, "bei dem es um Erweckung und Pflege christlicher Religion zu tun ist"29. Im Mittelpunkt dieser Theorie steht nicht die Anweisung für kirchliche Handlungsfelder, sondern das möglichst vollständige Erfassen der praktischen Wirkung von Religion und Theologie auf das Handeln der Menschen und die dadurch ermöglichte Beeinflussung dieses Handelns. Das Problem der Wissenschaftlichkeit dieses Ansatzes wird dabei durch die wissenschaftliche Methodik gelöst, die sowohl die Theologie auf ihre praktischen Momente untersucht als auch die religiöse Praxis auf Möglichkeiten der Einwirkung. Diese Grundlegung wird dann in der Praktischen Theologie, die die vierte Phase seines Wirkens beschließt, "entfaltet und kon25

Luther: Theologie, S. 435.

26

Niebergall, F.: Die Aufgabe der praktischen Dogmatik, in: FG Julius Kaftan, Tübingen 1920, S. 243-251.

27

Dazu gehören nach H. Luther: Theologie, S. 436 Anm. 29: "Die wissenschaftlichen Grundlagen der Praktischen Theologie, in: MKP 3, S. 268-281; Die evangelische Kirche und ihre Reformen, [Leipzig, L.E.] 1908; Fragen und Aufgaben der praktischen Theologie in der Gegenwart, in: Die Studierstube 7, S. 339-345. 407-413. 459-464. 508-513. 592-599; Die Bedeutung der Religionspsychologie für die Praxis in Kirche und Schule, in: ZThK 19, S. 411-474; Alte und neue Grundlagen der praktischen Theologie, in: EvFr 10, S. 176-179; Zwei Stimmen zur Reform der praktischen Theologie (Roger, Baumgarten), in: EvFr 13, S. 305-312; Grundlinien zu einer neuen praktischen Theologie, in: Der dritte siebenbürgisch-sächsische Pfarrertag, Hermannstadt 1914, S. 103-118; Die neue Forschung zur Praktischen Theologie und ihrer Reform, in: Geisteswissenschaften 1, S. 406-410."

28

Niebergall, Fr.: Theologie und Praxis. Hemmungen und Förderungen der Predigt und des Religionsunterrichts durch die moderne Theologie, Göttingen 1916, S. 1.

29

Ebd.

Fr. Niebergall: Praktische Theologie - 1918/19

193

kretisiert" 30 . Das in zwei Bänden gebundene Werk hat H. Luther zu Recht innerhalb der "Arbeiten zu den Grundlagen, zu Ansatz und Gesamtverständnis der Praktischen Theologie" 31 angesiedelt. Es ist zeitlich wie inhaltlich eine abgeklärte Darstellung der von Niebergall entworfenen Praktischen Theologie im neuen Stil, sie war allerdings auch bei Zeitgenossen nicht unumstritten. 32 Ab 1920 folgt dann die letzte Phase seines Wirkens, in der er religionspädagogische Probleme und Lösungsansätze thematisiert sowie bildungstheoretische Konkretionen anschließt. Niebergalls Schaffen ist treffend bei H. Luther zusammengefaßt: "Als Grundtenor des literarischen Schaffens Niebergalls hält sich somit die These vom praktischen Charakter der christlichen Religion durch. Er entfaltet diese These - dem Schema der Norm-Zustand-Mittel-Beziehung folgend - auf der analytischen Ebene, der Ebene der theologisch-hermeneutischenund kritisch-philosophischen Reflexion sowie auf der Ebene der konkreten pädagogischen Handlungsorientierung. Das leitende Interesse wird dabei von den Intentionen der letzten Ebene bestimmt." 3 3

Soweit soll erst einmal das Grundgerüst skizziert sein, in dem die Darstellung der Praktischen Theologie sich bei Niebergall bewegt. Wie allerdings in den vorhergehenden Untersuchungen auch, soll hier wiederum der Entwurf der Praktischen Theologie textimmanent auf dessen Struktur, den Kirchenbegriff und dessen Konsequenzen untersucht werden. Dabei ist wie bei den Entwürfen Nitzschs und v. Zezschwitzs bereits am Aufbau formal einiges auffällig. Die Ausgabe in zwei Bänden ergibt sich aus der Gliederung in Grundlagen und Arbeitszweige, vor allem aufgrund ihres etwa gleichen Umfangs. Der erste Band teilt sich dann in die Einleitung und vier Hauptteile auf: Die Gemeinde als Ziel der Gemeindearbeit; die gegebene Gemeinde; die Gemeinde als Trägerin der Arbeit; die Gemeinde als Inhaberin der Kräfte. Daran schließen sich Literaturhinweise zu den einzelnen Gebieten an. Im zweiten Band geht Niebergall dann auf die konkreten Arbeitszweige

10

Luther: Theologie, S. 438.

31

Luther: Religion, S. 393.

32

Rezensionen und Reaktionen hat Niebergalls Praktische Theologie reichlich hervorgerufen. Davon beurteilen das Werk positiv: Uckeley, Α.: II. Praktische Theologie 1919, in: ThG 14, S. 47-50. (Ausführlichere Kritik nach einer kurzen Anzeige in ThG 13/2, S. 51); Baumgarten, O., in: ThLZ 13/14, Sp. 163-165; Rezension in: LZD vom 4. Mai 1918, S. 353f, 20. März 1920, S. 243f, 18. Dezember 1920, S. 970, und 13. August 1921, S. 609f; Eger, K.: Drei neue Lehrbücher der Praktischen Theologie (Niebergall, Schian, Meyer), in: MPTh 20, S. 55-58 und ders.: in: DLZ vom 29. November 1919, Sp. 931-933; Moering, E.: Friedrich Niebergalls Praktische Theologie, in: ChW 1920, Sp. 550-553. Negativ fällt die Kritik aus bei: Rendtorff, Fr.: Die neue Praktische Theologie, in: ThLBl vom Mai 1922, Sp. 145-152, 161-167.

33

Luther: Theologie, S. 445.

194

Fr. Niebergall: Praktische Theologie - 1918/19

Bd. 1: Grundlagen - Die ideale und die empirische Gemeinde. Aufgaben und Kräfte der Gemeinde Einleitung 1. Die Gemeinde als Ziel der Gemeindearbeit. 2. Die gegebene Gemeinde. Religiöse Seelen- und Volkskunde. 3. Die Gemeinde als Trägerin der Arbeit. 4. Die Gemeinde als Inhaberin der Kräfte. Praktische Dogmatik. Die persönlichen Kräfte. Die Gestaltung der Umwelt. Bd. 2: Arbeitszweige - Gottesdienst und Religionsunterricht. Seelsorge und Gemeindearbeit Einführung. 1. Der Gottesdienst. - Einleitung. Voraussetzung für die Erkenntnis des christlichen Kultus. Voraussetzungen für die Gestaltung des Gottesdienstes. - Die Predigt. Voraussetzungen der Predigtarbeit. Die Aufgabe der Predigtarbeit. Der Stoff der Predigt. Die Form der Predigt. - Liturgie. Die Gestaltung der Feiern. 2. Der Religionsunterricht. Allgemeiner Teil. Stoffe. Methode. Besonderer Teil. 3. Seelsorge und Gemeindearbeit. Einzelne. Gruppen. Gemeinde. Kirche. Welt.

Abb. 1: Aufriß von Fr. Niebergall: Praktische Theologie

in der Gemeinde ein: Gottesdienst, Religionsunterricht, Seelsorge/Gemeindearbeit.34 Der Gottesdienst wird nach einer prinzipiellen Einleitung in Predigt und Liturgie untergliedert. Der Religionsunterricht gliedert sich in einen allgemeinen Teil und in einen besonderen Teil, der die institutionellen Arbeitsfelder des Religionsunterrichts beschreibt. Seelsorge und Gemeindearbeit ent-

14

Die Lieferungen kamen folgendermaßen heraus: Die erste Lieferung des ersten Bandes erschien im Mai 1918 bei J.C.B. Mohr (Paul Siebeck) in Tübingen mit dem Titel: "Praktische Theologie. Lehre von der kirchlichen Gemeindeerziehung auf religionswissenschaftlicher Grundlage. In zwei Bänden. 1. Lieferung: Die ideale und die empirische Gemeinde." (216 S., Gr. 8). Die zweite Lieferung erfolgte noch im selben Jahr: "Aufgaben und Kräfte der Gemeinde." (VII, S. 217-506, Gr. 8). Der zweite Band über die Arbeitszweige erschien ebenfalls in zwei Lieferungen Ende 1919 bei Mohr: "3. Lieferung: Gottesdienst und Religionsunterricht." (364 S., Gr. 8). Die letzte Lieferung umfaßte dann: "Seelsorge und Gemeindearbeit." (VIII, S. 365-524, Gr. 8).

Fr. Niebergall: Praktische Theologie - 1918/19

195

falten ihre Wirksamkeit in konzentrischen Kreisen vom Einzelnen über Gruppen, Gemeinde und Kirche bis in die Welt hinein. Da die Gemeinde den Kirchenbegriff dominiert, gliedert sich das Werk in Grundlagen, in die Klärung des Kirchenbegriffs als Gemeindebegriff und in die Handlungsfelder, die wie bei den Einteilungen Nitzschs und v. Zezschwitzs die üblichen Handlungen des Pastors umfassen. 35 Neu und programmatisch ist dagegen schon der Untertitel. Die Erziehung der Gemeinde auf religionswissenschaftlicher Grundlage wird in den Mittelpunkt gestellt. Die Praktische Theologie soll sich also ähnlich wie bei Nitzsch als Erziehungstheorie für kirchliches Handeln verstehen. Niebergall versteht jedoch auf den ersten Blick die Kirche als Gemeinde. Die ganze Theorie soll sich dabei auf eine noch näher zu bestimmende religionswissenschaftliche Arbeitsmethode stützen. Gegenüber den Entwürfen von Nitzsch und v. Zezschwitz ist somit neu, daß die Kirche als Gemeinde verstanden wird und eine neue Methodik programmatischen Charakter erhält. Stilistisch ist an der Praktischen Theologie von 1918/19 auffällig, daß Niebergall seine Thesen oft wiederholt, dasselbe noch einmal anders formuliert oder in anderem Zusammenhang darbietet. Das wurde schon von den Rezensenten angemerkt: Er verfalle manchmal in "gemütvoll plaudernden" 36 Ton, sein Stil sei zwar "ungemein flüssig, zumeist fesselnd, nur manchmal zu weitschweifig und überflüssig psychologisierend, nie aber abstrakt gelehrt, ... sachen- wie ideenreich, ... voll neuer Einfälle und ethischer Impulse" 37 . Das Buch sei eine "durch und durch impressionistische und feuilletonistische" Leistung, eine Novelle inmitten von Abhandlungen. 38 Vergleicht man die Praktische Theologie Niebergalls etwa mit der von Achelis oder von v. Zezschwitz, dann ist dieser Beurteilung zuzustimmen. Obwohl es leicht fällt, Niebergalls Buch zu lesen, ist die Argumentation dafür jedoch nicht immer gradlinig. Das Nachzeichnen des Gedankengangs ist keineswegs einfacher, kann man doch schnell der Gefahr erliegen, das Gesamtkonzept aus den Augen zu verlieren - nicht nur wegen der Menge an Ideen und des Umfangs der Darstellung. Eine weitere Auffälligkeit ist das Mengenverhältnis zwischen dem Programmaufriß und der inhaltlichen Füllung. Die einleitenden ersten drei Paragraphen geben das Programm Niebergalls auf nur 13 Seiten wieder. Aller35

Vgl. den genauen Aufriß der Praktischen Theologie Niebergalls im Anhang.

36

Wurster, P.: Rez. zu Niebergall: Praktische Theologie, in: MPTh 16, S. 46. So urteilen auch Baumgarten: ThLZ 13/14, Sp. 165 und das L Z D vom 13.08.1921.

37

Baumgarten: Rezension, in: ThLZ, S. 164.

38

Rendtorff: Theologie, Sp. 166.

196

Fr. Niebergall: Praktische Theologie - 1918/19

dings sind die Bestimmungen so offen und durch neue Begrifflichkeit geprägt, daß dann rund 500 weitere Seiten nötig sind, um das Programm inhaltlich zu bestimmen und strukturell zu entfalten. Auf über 500 weiteren Seiten wird dann eine anwenderorientierte Darstellung der konkreten Handlungsfelder angeschlossen, in denen auch heute noch lesenswerte Einsichten gebracht werden. Im folgenden soll analog zu den bisherigen Kapiteln dieser Arbeit versucht werden, den Entwurf darzustellen (IV. 1.) und den Kirchenbegriff in seiner Formulierung als Gemeindebegriff zu klären (IV.2.) Die Frage nach der Herkunft der Ideen Niebergalls, etwa die Verbindungen zu Julius Kaftan (1848-1926)39, sollen hierbei vernachlässigt werden, soweit sie nicht als Verstehenshilfe dienen. Abschließend wird eine Interpretation versucht, die die Bedeutung des Kirchenbegriffes für das System deutlich machen und Niebergalls Entwurf mit den Entwürfen Nitzschs und v. Zezschwitzs vergleichen soll (IV.3.).

39

Vgl. Sandberger: Theologie.

Darstellung der Praktischen Theologie

197

1. Darstellung der Praktischen Theologie Zuerst möchte ich den Aufbau (1) und den Gedankengang in Niebergalls Praktischer Theologie (2) skizzieren. Vor diesem Hintergrund nimmt der grundlegende Gedanke des Erziehungshandelns Gottes Gestalt an (3). Aus seinen Überlegungen über den allgemeinen Erziehungsgedanken entwickelt Niebergall die These der Praktischen Theologie als Erziehungstheorie für die Gemeinde. Die Struktur der Erziehung bei Niebergall wird deshalb ausführlicher dargestellt (4). Der methodischen Erarbeitung der Elemente seines triadischen Erziehungsbegriffs soll aufgrund ihres großen Gewichtes bei Niebergall eigener Raum gewidmet werden (5). Die materiellen Überlegungen zu Norm und Mittel kirchlicher Erziehung erschließen sich daraus (6). Abschließend sollen die Konsequenzen des erziehungstheoretischen Ansatzes für den Aufbau seiner Praktischen Theologie erörtert werden (7).

1. Der äußere Aufbau Den Aufriß des kurzen Programms gliedert Niebergall in drei Schritte. Nach Klärung der Aufgabe der Praktischen Theologie (§ 1) werden drei Kernfragen in einem historischen Rückblick beantwortet: die Frage nach der Kirche als Gemeinde, nach der Wissenschaftlichkeit der Praktischen Theologie und nach der neuen religionswissenschaftlichen Methodik (§ 2). Daran schließt sich die daraus abgeleitete Anordnung und die Gestaltung an (§ 3). Niebergall verfährt dabei sachlich wie konzeptionell konsequent. Er liefert: 1. eine Zieldefinition praktisch-theologischen Handelns, 2. eine begriffliche Präzisierung des Gegenstandes und 3. methodische Erklärungen zu einzelnen, neuartigen Problemkreisen. Diese kurzen Grundsätze bestimmen die Überlegungen im ersten Band 1 . Dabei lassen sich tendenziell normative und empirische Abschnitte unterscheiden. Der erste Hauptteil hat normativen Charakter, er beschreibt das Ziel der Gemeindearbeit in Form der Darstellung der idealen Gemeinde und der idealen Persönlichkeit in ihr. 2

'

Vgl. den detaillierten Aufriß im Anhang.

2

Die Vermischung von Ziel und Gegenstand ist dann legitim, wenn das "betreffende System", das untersucht wird, "ohnehin teleologisch strukturiert ist". Engels: Teleologie, S. 234. Daß Niebergall den Gegenstand so versteht, wird im Verlauf dieser Untersuchung noch gezeigt werden müssen und auch gezeigt werden können.

198

Fr. Niebergall: Praktischen Theologie - 1918/19

Den Gegenstand, das kirchliche Handeln der vorfindlichen Gemeinde, thematisiert Niebergall dann im zweiten und dritten Hauptteil. Die Gemeinde wird im zweiten Hauptteil mit Hilfe der religiösen Seelenkunde sowie durch die religiöse, sittliche und kirchliche Volkskunde beschrieben. Innerhalb des dritten Hauptteils werden dann die konfessionellen Grundformen, die strukturellen Verfaßtheiten der Kirchen und schließlich die anzustrebende Form dargelegt. Aus diesen normativen und empirischen Bestimmungen ergibt sich dann im vierten Hauptteil die Entfaltung der Mittel. Gleichzeitig wird eine weitergehende Aufgabendefinition bestimmt. Die Mittelbestimmung beinhaltet die Klärung des ersten Subzieles der Praktischen Theologie: die Stärkung der Kräfte der Gemeinde. Diese Stärkung als Beeinflussung zum Glauben geschieht grundsätzlich durch das Wort, das in drei konkreten Mitteln erscheint: in der Lehre (Praktische Dogmatik), der Persönlichkeit (Subjekt der Beeinflussung = Pfarrer und andere) und der Gestaltung der Umwelt (Sozialisation = Volkserziehung, Sitte, Ordnung, Gemeindepflege). 3 Wo die Beeinflussung praktisch geschehen kann, wird an den klassisch kirchlichen Handlungsfeldern verdeutlicht (Gottesdienst; Religionsunterricht; Seelsorge und Gemeindearbeit). An allen Feldern wird eine dem ersten Subziel zugeordnete Aufgabenbestimmung des jeweiligen Handlungsfeldes vorgenommen (zweites Subziel). Die erste Bestimmung erfolgt an der "Predigt. § 39. Die Aufgabe" 4 , die zweite am "Religionsunterricht. Einführungen. § 64. Geschichtliche Wegleitung. § 65. Das Ziel der religiösen Erziehung. § 66. Schülerseelenkunde. § 67. Die Lehrbarkeit der Religion."5 und die dritte an der "Seelsorge und Gemeindearbeit. § 77. Einführung. Einzelne. § 78. Allgemeines. ... Die Aufgabe" 6 . Daran ist auffällig, daß zwei der drei Handlungsfelder ihre Aufgabe explizit noch einmal definieren, was bei der gottesdienstlichen Feier jedoch erst sekundär an der Predigt erfolgt. So erscheint auf den ersten Blick nur die Predigt in direkter Beziehung zum grundlegenden Erziehungsgedanken zu stehen.7

3

Dabei ist interessant, daß Umwelt und Gemeinde nicht gegensätzlich oder unabhängig gedacht werden, wie dies etwa bei v. Zezschwitz grundlegend war. Das Verhältnis Gemeinde - Umwelt wird in der Untersuchung des Kirchenbegriffs noch deutlicher werden.

4

Niebergall: PTh II, S. 65-67.

5

Niebergall: PTh II, S. 249-270.

6

Niebergall: PTh II, S. 379-381.

7

Es hat den Anschein, als würde Niebergall die erzieherische Funktion des Gottesdienstes nur an der Predigt faßbar machen können und damit die Predigt als das eigentliche Erzie-

Darstellung der Praktischen Theologie

199

An der Struktur von Ziel (ideale Gemeinde/Persönlichkeit), erstem Subziel (Stärkung der Gemeindekräfte) und zweitem Subziel (Beeinflussung zum Glauben) wird deutlich, daß sich das Ziel der kirchlichen Arbeit von den konkreten Aufgaben der Arbeit, der Beeinflussung zum Glauben, unterscheiden kann. Die Beziehungen innerhalb der Zielstruktur müssen deshalb im Verlauf der Darstellung noch genauer bestimmt werden. Zu den Gegenstands- und Zielbestimmungen erfolgen jeweils auch methodische Erläuterungen. Das ist besonders im zweiten Hauptteil offenkundig. Die gegebene Gemeinde wird religionspsychologisch (§ 7-9), religionsgeschichtlich (§ 10), religionssoziologisch (§ 11), sozialpsychologisch (§ 12.13) und kirchensoziologisch (§ 14.15) untersucht. Diese Methoden und Quellen8 werden eigens thematisiert.9 Der dritte Hauptteil verfährt mit typologisch-kirchengeschichtlicher Methodik10 in dialektischem Gebrauch von Idee und Verwirklichung des Typus". Die typologische Methode ist von Max Weber und Ernst Troeltsch beeinflußt. 12 Im vierten Hauptteil kommt Niebergalls religionspädagogische Methodik zum Zuge. Zur Erreichung des Zieles der konkreten Gemeindearbeit (zweites Subziel) setzt er auf die Pädagogik als Beeinflussung: "Vierter Haupttheil. Die Gemeinde als Inhaberin der Kräfte. § 19. Die Beeinflussung." 13

hungsgeschehen des Gottesdienstes ansehen. Doch das stimmt so nicht. Die erzieherische Funktion des gottesdienstlichen Erlebens als darstellendes Handeln bei Niebergall wird unter den konkreten Handlungsfeldern gezeigt werden. 8

Als Quellen dienen die persönliche Begegnung, die Belletristik und die volkskundlichen Schilderungen der Fachliteratur, vgl.: Niebergall: PTh I, S. 35f.

9

Niebergall: PTh I, S. 31-36: "Zweiter Hauptteil. Die gegebene Gemeinde. Religiöse Seelen- und Volkskunde. § 6. Einführung. Methode und Quellen."

10

Niebergall: PTh I, S. 217: "Einen Begriff der beiden Größen [Kirche, Gemeinde, L.E.] und eine Erkenntnis von ihrem jetzigen und ihrem idealen Verhältnis zueinander bekommt man aber bloß aus der Geschichte.... kann es weniger unsere Aufgabe sein, die ganze kirchliche Entwicklung vorzuführen, die alle jene Größen zum Daseyn gebracht hat, als die großen Linien aufzuweisen, die zu jenen Größen, soweit sie Typen sind, geführt haben."

"

Niebergall: PTh I, S. 218: "Wir wollen demgegenüber so verfahren, daß wir jede größere Neubildung, die einen Anfang und damit einen neuen Typus darstellt, zuerst von der Seite des Ideals und des Begriffs zu erfassen suchen, um dann zu einer Beschreibung ihrer wirklichen Erscheinung überzugehen."

12

Vgl.: Sandberger: Theologie, S. 77f und Luther: Religion, S. 226ff.

13

Niebergall: PTh I, S. 285-313.

200

Fr. Niebergall: Praktischen Theologie - 1918/19

An der Bruchstelle zwischen den beiden Bänden seiner Praktischen Theologie reflektiert Niebergall kurz über das Theorie-Praxis-Problem: "Einführung. § 28. Theorie und Praxis"14.

2. Der gedankliche Aufbau Im folgenden sollen die skizzierten Bestimmungen durch Niebergalls Gedankengang erhellt werden. Der Gedankengang ist nicht der Verlauf, in dem Niebergall die Praktische Theologie darbietet. Es wird vielmehr für den Aufbau bereits vieles vorausgesetzt, was sich erst später erschließen läßt. Die implizierten Voraussetzungen bestimmen dabei den Verlauf des Gedankengangs. In Anlehnung an das Erziehungshandeln Gottes stellt Niebergall den Erziehungsbegriff an den Ausgangspunkt seiner Überlegungen15. Pädagogik und Erziehung können für ihn "nicht nur Technik, sondern Kunst, nicht nur Abrichtung, sondern geist- und gemütvolle Erweckung von allem Großen und Guten bedeuten, was in einer Menschenseele dem Tage entgegenschläft."16 Über die Idee der Cooperatio Dei wird auch das Ziel kirchlichen Handelns als Auftrag zur Erziehung zum Glauben bestimmt. Daran schließt sich die weitergehende Frage nach dem Subjekt/Objekt der Erziehung an. Das Objekt Kirche wird als Gemeinde definiert und stellt zusammen mit dem Amtsträger zugleich auch das Subjekt des Erziehungsbegriffes auf der Ebene menschlichen Handelns dar. Dazu tritt zusätzlich als Objekt auch die Welt. In Anschluß an den Erziehungsgedanken bekommt die Pädagogik paradigmatischen Charakter, "dient die Pädagogik der Praktischen Theologie insgesamt als Strukturvorbild. Mit dieser teilt nach Niebergall die Praktische Theologie die Struktur des teleologischen Dreischritts (Ziel - Ausgangspunkt - Mittel/Wege)"17. Über eine so strukturierte Pädagogik erschließt Niebergall dann ebenH

Niebergall: PTh II, S. 1-3.

15

"Der Erziehungsbegriff ermöglicht die systematische Beziehung zwischen dem existentiel 1-praktischen Charakter des theologischen Themas und der theologischen Dimension der Praxis. Er erweist sich als Schlüssel nicht nur zur Religionspädagogik, sondern ebenso zur Liturgik, Homiletik und Seelsorgelehre." Sandberger: Theologie, Rückentext.

16

Niebergall: PTh I, S. 2. Dies erinnert nicht nur an J.F. Herbart, Niebergall beruft sich im weiteren auch explizit auf die herbartsche Pädagogik, etwa PTh I, S. 11. Dabei ist der Unterschied zwischen der herbartschen Pädagogik in der Bestimmung z.Z. Niebergalls und der heutigen Beurteilung J.F. Herbarts zu beachten. Vgl.: Schwenk, B.: Das Herbartverständnis der Herbartianer, Weinheim 1963. Der Erziehungsbegriff ist dabei nicht im Gegensatz zum Bildungsbegriff zu verstehen, sondern wird bei Niebergall synonym verwendet.

17

Luther: Religion, S. 95 mit Anmerkung 110: "Vgl. aaO. [Niebergall: Stimmen, S. 311,

Darstellung der Praktischen Theologie

201

Erziehungshandeln Gottes: a) Geschichte, b) Jesus Christus, c) Kirche Erziehungsbegriff (Handeln der Menschen): a) Bestimmung des Subjekts: Gemeinde - Amtsträger b) Bestimmung des Objekts: Gemeinde - Welt c) Paradigma aus der Pädagogik -> teleologische Struktur: Norm - Zustand - Mittel -> Wissenschaftsbegriff Methodik zur Bestimmung von: Norm - Zustand - Mittel Mittel der Beeinflussung zum Glauben - Das Wort als: - Lehre, - Persönlichkeit, - Sozialisation Handlungsfelder

Abb. 1: Niebergalls Gedankengang falls s e i n e M e t h o d i k zur Ermittlung der p ä d a g o g i s c h e n E l e m e n t e N o r m - Z u stand - Mittel und s e i n e n W i s s e n s c h a f t s b e g r i f f . A u s der k o m p l e x e n M e t h o d i k wird dann der A u f b a u p r a k t i s c h - t h e o l o g i s c h e r Arbeit abgeleitet. 1 8 N i e b e r g a l l "findet d e n E r z i e h u n g s b e g r i f f in der T h e o l o g i e s e i n e s Lehrers Julius K a f t a n vor und ü b e r n i m m t ihn z u s a m m e n mit anderen Strukturelementen" 19 . S c h o n bei K a f t a n lassen sich E l e m e n t e aus der z e i t g e n ö s s i s c h e n Päda g o g i k f i n d e n . Sandberger w e i s t n e b e n d e n kulturhistorischen Stufen 2 0 und der A u f s t e l l u n g religiöser T y p e n 2 1 auf das Interesse an echter A n e i g n u n g 2 2 hin. D a z u k o m m t - d a s ist für d i e w e i t e r e Arbeit b e s o n d e r s w i c h t i g - d i e

L.E.] sowie Fragen und Aufgaben der praktischen Theologie in der Gegenwart, aao. 345.". 18

Vgl. zu den damit berührten Problemkreisen: Luther: Religion, S. 72: "Stichwort 'Erwachsener/Subjekt'; - Stichwort 'Bildung/Erziehung'; - methodologische Probleme der Praktischen Theologie". Im Unterschied zu H. Luther soll jedoch das Problem des Erwachsenen als Subjekt eine geringere Rolle spielen gegenüber der Bestimmung des kirchlichen Subjektes als Gemeinde.

"

Vgl. Sandberger: Theologie, S. 24.

20

Vgl.: Kaftan, J.: Dogmatik, Tübingen-Leipzig 1897, S. 366.

21

Sandberger nennt Niebergall, Fr.: Der neue Religionsunterricht, Bd. I, Langensalza 1922, S. 109 als Quelle für den Beleg der Übernahme von J. Kaftan.

22

Vgl.: Kaftan, J.: Theologie und Kirche, in: ZThK 1, S. 8.

202

Fr. Niebergall: Praktischen Theologie - 1918/19

Verwendung der Trias Norm, Zustand, Mittel bis in die Entfaltung des Kirchenbegriffs hinein23. Niebergall ist trotzdem als selbständig gegenüber Kaftan anzusehen, denn er formt den Erziehungsbegriff um und weitet seine Funktion aus. Deshalb soll die Darstellung seines Erziehungsbegriffs nicht durch das Aufzeigen der Beziehungen zu Kaftan unnötig belastet werden. Die Beziehungen hat Sandberger bereits ausführlich dargestellt.24

3. Das Erziehungshandeln Gottes Niebergall sieht die praktisch-theologische Arbeit in den großen Zusammenhang des erziehenden Handelns Gottes eingebettet. Gott wirke als "Erzieher des Menschengeschlechts"25. Diesen Grundgedanken hat Niebergall schon 1910 am Beispiel der Person Jesu entfaltet: "Jesus ist der Pädagog des Glaubens; so denkt er über Gott als Erzieher, so erzieht er selbst, so will er, daß wir erziehen sollen." 26 Hierin werden drei Kategorien des Erziehungshandelns Gottes deutlich, die trinitarisch strukturiert sind und über das Handeln der Kirche im Geist bis in die Praktische Theologie hinein wirken. Zum Verständnis der Unterscheidung von Geschichte, Jesus Christus und Kirche nicht als Phasen, sondern als Erscheinungsformen des Erziehungshandeln Gottes bei Niebergall ist das Denkmodell des kategorialen Unterschieds hilfreich. Die Kategorie Geschichte ist grundlegend. In der zweiten Kategorie Jesus Christus ist Geschichte impliziert, war Jesus doch eine historische Erscheinung. In der dritten Kategorie Kirche ist wiederum Geschichte impliziert und gleichzeitig die Kategorie Jesus Christus als Verkündigter ebenfalls weiterhin präsent. Trotzdem sind Geschichte, Jesus Christus und Kirche

23

Vgl.: Kaftan: Dogmatik, S. 579. Dieser Punkt wird noch eingehender zu betrachten sein.

24

Vgl.: Sandberger: Theologie, S. 24-109.

25

Vgl. Sandberger: Theologie, S. 36. Hierbei lehnt sich Niebergall an Lessing, G.E.: Die Erziehung des Menschengeschlechts (1777), in: Gotthold Ephraim Lessing. Werke. Siebenter Band: Theologiekritische Schriften I und II, Darmstadt 1996, S. 476-488 an. G.E. Lessing stellt dort keineswegs die empirische Vernunft über die Offenbarung, wie es Sandberger: Theologie, S. 42 erklärt. Für Niebergall geht es auch mehr um die Frage des Geschichtsverständnisses G.E. Lessings (vgl. Schmidt, M.: Die Interpretation der neuzeitlichen Kirchengeschichte, in: ZThK 54, S. 174-212, bes. 186) und um die Frage nach einer aufstrebenden Zielrichtung der Offenbarung (vgl. Thielicke, H.: Vernunft und Offenbarung. Eine Studie über die Religionsphilosophie Lessings (1936), Gütersloh 19472, S. 149ff).

26

Niebergall, Fr.: Jesus im Unterricht. Ein Handbuch für die Behandlung der neutestamentlichen Geschichte, Göttingen 1910', S. 73.

Darstellung der Praktischen Theologie

203

keine Einheit und auch keine sich ablösenden Phasen, d.h. Gott erzieht weiterhin durch die historische Entwicklung und weiterhin durch Christus.

3.1. Geschichte Gott erzieht nach Niebergall die Menschheit in der Geschichte zum einen durch die geschichtliche Tendenz des sittlichen und geistigen Fortschritts, die auf ein aus diesen aufsteigenden Tendenzen erschließbares Ziel zulaufe. Die Geschichte der Offenbarung sei Erziehung der Menschheit durch ihren Herrn und Lenker. Fortschritt versteht Niebergall dabei nicht als linear, vielmehr verlaufe er in Wellen: "Abgesehen davon, daß die Wogen der Zeit auch an den festen Quadern der Strandwege nagen, so sorgt immer einmal wieder eine geistige Umwälzung dafür, daß Altes abgetan und Neues aufgebracht wird. Sind aber die Stürme solcher kritischen und prophetischen Zeiten verbraust, treten bald wieder die ruhigen pädagogischen ein, die zu Gewohnheiten und Sitten verarbeiten, was da errungen worden ist, bis der Vorgang von neuem beginnen muß."

Die Geschichte werde dabei nicht unabhängig vom Betreiber der Geschichtsphilosophie erschlossen, sondern durch seine interessengeleitete Auswahl des Stoffes und durch seine Interpretation. Die Erkenntnisse und Maßstäbe der Gegenwart "bestimmen Auswahl und Deutung der geschichtlichen Stoffe" 28 . Diese Erkenntnisleistung würden aber nicht alle Menschen erbringen. Hier verweist Niebergall besonders auf die alttestamentlichen Propheten. Sie hätten versucht, die Erziehung Gottes den Menschen - durch ebenfalls erzieherisches Handeln - zu verdeutlichen und umzusetzen. 29 Dabei prägte die geschichtsphilosophische Betrachtung auch die Gegenwartsanalyse. Für die alttestamentlichen Propheten bedeute es, daß sie von Gottes bisherigem Heilshandeln und seinen Forderungen Rückschlüsse auf die Gegenwart zogen. Deshalb bestehe nur eine geringe Gefahr, jede Gegenwart immer als zielgeleitetes Ergebnis geschichtsmächtigen Handelns Gottes zu verstehen, weil die Erkenntnis der Gegenwart durch die Vergangenheit geprägt ist. Die Erziehung Gottes in der Geschichte "kann vom modernen Menschen nur verstanden werden mit den Erkenntnismitteln seiner Zeit, die aber als Ergebnis 27

Niebergall: PTh I, S. 209. Diese Vorstellung findet sich auch schon bei Schleiermacher: Darstellung, §§ 71-74 (Phasen und Epochen).

28

Sandberger: Theologie, S. 41.

29

Vgl.: Niebergall, Fr.: Die Heilsnotwendigkeit des Kreuzestodes Jesus Christi, in: ZThK 7, S. 461-512, hier S. 479: "Können wir nicht auch sagen, daß der Prophet selbst der Ausdruck der gnädigen Gesinnung ist und daß seine erzieherische Thätigkeit, sein Bußund Mahnwort eine Art von Garantie enthält gegen den Leichtsinn, ...".

204

Fr. Niebergall: Praktischen Theologie - 1918/19

der Erziehung durch geschichtliche Mächte anzusehen sind." 30 Der moderne Mensch müsse ebenfalls aus dem bisherigen Handeln Gottes, aus dem historischen und kulturellen Fortschritt auf ein bestimmbares Ziel hin, seine Zeit deuten.

3.2. Jesus Christus Gottes Erziehungshandeln wird für Niebergall nach der vorbereitenden alttestamentlichen Erziehung durch das Christusgeschehen letztgültig offenbart. Niebergalls Interpretation versteht den Kreuzestod als Erziehungshandeln. Er setzt sich in dieser Interpretation sowohl vom klassischen Typus der griechischen Kirche wie auch vom lateinischen Typus Anselms von Canterbury, den Kreuzestod und die Auferstehung Christi zu deuten 31 , ab. "Die metaphysische Satisfaktionstheorie soll durch ein pädagogisches Denken ersetzt werden." 32 Niebergalls Interpretation ist jedoch entgegen der Meinung Sandbergers keineswegs eine Marginalisierung des Kreuzesgeschehens, sondern eine in sich konsequente und auch stark an der neutestamentlichen Überlieferung orientierte Interpretation, die Niebergall bereits sehr früh entworfen hat. 33 Dabei versucht Niebergall zu zeigen, daß es sich in der Kreuzigung um ein Erkenntnisgeschehen handelt, nicht um das Heilsgeschehen selbst: "Ja in Rücksicht auf eine Reihe von Aeußerungen der hl. Schrift müssen wir sogar behaupten: Der Heilstod Christi ist nicht einmal Bedingung für das Kommen der Heilsgnade selber in die Welt." 3 4

Denn nicht die Umwandlung der Gesinnung Gottes war seiner Meinung nach der Zweck des Kreuzestodes, sondern die Veränderung des Menschen. Die gnadenhafte Zuwendung Gottes wurde im Kreuz nur letztgültig verdeutlicht.

30

Sandberger: Theologie, S. 44.

31

Vgl. zu den Möglichkeiten, den Kreuzestod Jesu zu interpretieren, Becker, J.: Die neutestamentliche Rede vom Sühnetod Jesu, in: Beiheft zur ZThK 8, S. 29-49. Klassisch ist diesbezüglich der Artikel von Aulen, G.: Die drei Haupttypen des christlichen Versöhnungsgedankens, in: ZSTh 8, S. 501-538.

12

Sandberger: Theologie, S. 36.

33

Vgl.: Niebergall: Heilsnotwendigkeit, S. 4 6 1 f f .

34

Niebergall: Heilsnotwendigkeit, S. 476.

Darstellung der Praktischen Theologie

205

"Der Kreuzestod ist das letzte und höchste Glied in der Reihe der Offenbarungsmedien und Garantieen des göttlichen Erbarmungswillens." 3 5

Niebergall unterscheidet zur Untermauerung seiner These innerhalb der neutestamentlichen Traditionen vier Gruppen von Interpretationsversuchen, die vier unterschiedliche Gottes- und Menschenbilder implizierten. 36 Zur Überprüfung der Heilsnotwendigkeit unterscheidet Niebergall zudem zwei Arten von Notwendigkeiten. Das Gesetz habe nach gültigem heiligen Recht Jesus ans Kreuz gebracht, der dem Willen Gottes gehorchte. Er war durch das Gesetz gestorben. 37 Niebergall nennt es zwar Notwendigkeit - im Sinne der konsequenten Folge bestimmbarer Ursachen: "Sie mußten ihn kreuzigen" 38 , aber es ist nicht die gesuchte Notwendigkeit, die sich auf das Heil bezieht. Nur bei zwei der geschilderten Modelle sei eine wirkliche Notwendigkeit gegeben: "Nur da können wir von der Heilsnotwendigkeit des Todes Jesu Christi reden, wo er unter ein allgemeines Gesetz gestellt wird, das vor ihm feststeht und an dem er sich als das einzige Mittel, die Menschen zu erlösen, bewährt." 3 9

Nur im Modell der Orthodoxie anselmscher Prägung und in dem des Rationalismus seien diese Bedingungen erfüllt. Das erste Modell verwirft er jedoch als menschliche Erfindung, als "Daten der natürlichen Vernunft" 40 . Das soziologisch bedingte Welt- und Menschenbild wird "metaphysiziert und zur Regel für Gott gemacht" 41 . "Es ist ein Selbstbetrug, aus dem Begriff herauszuholen, was man hineingelegt hat, um dann von einer Notwendigkeit zu sprechen." 4 2

Die von Niebergall als rationalistisch bezeichnete Interpretation des Kreuzestodes Jesu sei dagegen angemessen und ruhe auf zwei Momenten: zum einen auf Jesu Selbstvollendung im Tode und zum anderen auf seiner Wirk15

Niebergall: Heilsnotwendigkeit, S. 477.

36

1. 2. 3. 4.

37

So die paulinische Formel Gal 2,19: εγω γ α ρ ita ζησω.

Opfer: Reinigung durch Blut Identifikation/Stellvertretung Paradoxie: Stärke durch Schwachheit Pädagogik: Gehorsam bis zum Tod

38

Niebergall: Heilsnotwendigkeit, S. 473.

39

Niebergall: Heilsnotwendigkeit, S. 493.

40

Niebergall: Heilsnotwendigkeit, S. 495.

41

Ebd.

42

Niebergall: Heilsnotwendigkeit, S. 496.

= = = =

nach Niebergall zahlreiche Belege (Anselm) 2. Kor 5,21; Gal 3,13; 1. Petr 3,18 bes. Mk 12,2-12 Phil 2,8.9; Rom 5,19 (Rationalismus). νομον ν ο μ ω α π ε θ α ν ο ν , i v a θ ε ω

206

Fr. Niebergall: Praktischen Theologie - 1918/19

samkeit kraft seiner Selbstvollendung. Weil er sich im Gehorsam gegenüber Gott bis in den bitteren Tod vollendet habe, sei er in der Lage, die seinen "so gerecht zu machen, wie die Gnade sie schon ansieht"43 und sie so zu sich zu ziehen. "Die Gerechtigkeit zeigt sich nicht im Straftod des unschuldigen Jesus, sondern in der Darbietung seiner Person als einer Hilfsleistung, aus der Macht der Sünde in die Botmäßigkeit des gehorsamen Herrn zu kommen." 4 4

Daß die Hinrichtung nach heiligem Gesetz Jesus tötete, habe deutlich gemacht, daß das Gesetz auch dem vor Gott Gerechtesten, ja Gott selbst nur den Tod bringen kann. "Weil das Gesetz kein anderes Wort für ihn hatte, als den Tod, so war es in seinem Tod gerichtet; er wurde des Gesetzes Ende, weil der offenbare Eindruck der Göttlichkeit nicht auf der Seite des wider ihn ausgespielten Gesetzes, sondern auf der seinen war." 4 5

Der Tod Jesu habe offenbart und den Menschen bewußt gemacht, daß das Gesetz nicht der Weg des Heils ist. Positiv habe Gott dann in der Auferstehung als Annahme des vom Gesetz Verworfenen gezeigt, daß er andere Maßstäbe setzt als die Menschen, daß nur das glaubende Vertrauen auf ihn Leben und Heil bringen kann. Niebergalls Hauptinteresse und seine Begründung der Heilsnotwendigkeit liegt allerdings auf einer anderen Ebene. Er will deutlich machen, daß nur durch ein so drastisches Geschehen diese Erkenntnis zu anhaltender Begeisterung für die Liebe und den Geist gegen das Gesetz und die Selbstsucht führen kann. Das konnte nur im Kreuz geschehen. "So begreifen wir, daß die radikale Umwertung, der vollständige Umsturz aller Maßstäbe, daß die hohe Begeisterung für alles Heilige und Große auch für Jesus nicht allein durch Lehren und Erziehung zu erreichen war. Er mußte zeigen, wie viel ihm die Güter wert waren, für die er begeistern wollte. Nur durch die offenbare Hingabe der geringeren Güter, der Ehre und des Lebens, konnte er die gleiche aufopferungsvolle Begeisterung auch in anderen zu erwirken hoffen. Das Verständnis für hohe Werte geht leichter durch die Anschauung mit dem leiblichen oder geistigen Auge in die Seele ein als durch Erfassung großer Schlußketten mittels des Verstandes."

Obwohl Sandberger in dieser Interpretation eine Marginalisierung sieht, wird durch sie gerade das eigentliche Ärgernis des Kreuzes evident: es liegt in der Umkehrung der bisher glaubhaften Maßstäbe des Rechts in die Maßstäbe der Liebe und Annahme der Unannehmbaren, es liegt in der Recht-

43

Niebergall: Heilsnotwendigkeit, S. 484.

44

Niebergall: Heilsnotwendigkeit, S. 496.

45

Niebergall: Heilsnotwendigkeit, S. 503.

46

Niebergall: Heilsnotwendigkeit, S. 504.

Darstellung der Praktischen Theologie

207

fertigung des Sünders, nirgendwo sonst. Das Modell hat darüberhinaus den entschiedenen Vorteil, daß es ohne die - von Niebergall noch als stark belegt beurteilte 47 - Argumentation der Sühneopfervorstellung auskommt und nahe am neutestamentlichen Text liegt. Diese Interpretation des Kreuzesgeschehens als Erziehungshandeln wird dann, wie schon angedeutet, durch zwei Argumente im Bild des historischen Jesus gestützt: 1. daß auch der irdische Jesus selbst sich als Erzieher verstand und 2. daß diese Interpretation ein Gottesbild impliziert, das der Verkündigung Jesu, soweit wir sie erschließen können, nahekommt. Sie hat das Ende des Gesetzes schon enthalten, wenn Jesus von Nazareth von dem neuen gesetzesfreien Reich Gottes, etwa in den Gleichnissen, sprach.

3.3. Kirche Im Anschluß an diese Interpretationen versteht Niebergall dann auch das Handeln der Kirche als Erziehungshandeln Gottes. Die Kirche setzt das Erziehungshandeln Jesu und durch Interpretation des Christusgeschehens als Erziehungshandeln zugleich auch das Handeln Gottes in der Geschichte fort. Kirche wird somit funktional innerhalb eines größeren Bestimmungsrahmens verstanden. Niebergall begreift das Handeln der Kirche vom Inhalt ihrer Verkündigung her. Die Praktische Theologie habe das Handeln der Kirche so zu thematisieren, daß sie es als Erziehungshandeln des Geistes durch das Wort versteht. Sie müsse sich deshalb als Erziehungstheorie konstituieren, die dieses Erziehungshandeln theoretisiert und der Kirche auf diese Weise für die Konkretisierung hilfreich zur Seite steht. Wie das geschehen kann, ist das grundsätzliche Problem, das Niebergall in seinem Entwurf zu entfalten sucht. Mit dieser trinitarisch-kategorialen Struktur beschreibt Niebergall das Erziehungshandeln Gottes. Das reagierende richtige Handeln des Menschen auf Gottes Handeln sei der Glaube. Dies ist für ihn jedoch keineswegs ein abstrakter, sondern ein konkreter, ethischer, praktischer Begriff, der beide Seiten, Vertrauen auf Gott und Optimismus, beinhaltet. Niebergall formuliert die zu Vertrauen und Optimismus in Beziehung stehenden Überlieferungen mit den religionspsychologischen Ausdrücken Quietive und Motive 48 .

47

Vgl. die gegensätzliche Meinung bei Becker: Rede.

48

Vgl. den Untertitel von Niebergall, Fr.: Wie predigen wir dem modernen Menschen? Untersuchung über Motive und Quietive, Leipzig/Tübingen 1902. Die Begrifflichkeit stammt wahrscheinlich vom dänischen Bischof Hans Lassen Martensen (1808-1884), vgl.: Wesseling: Niebergall, Sp. 709. Vgl. auch die Verwendung dieses Begriffspaares bei:

208

Fr. Niebergall: Praktischen Theologie - 1918/19

"Der Glaube bezieht Gott in zweifacher Weise auf Geschehen und Geschichte. Im Erleben erhebt das religiöse Bewußtsein Gott zum Subjekt und Urheber des Geschehens; die Rätselhaftigkeit und drohende Sinnlosigkeit wird gebannt durch die Quietive der christlichen Überlieferung. Der Glaube bewährt sich als Vertrauen. Im Handeln erhebt das religiöse Bewußtsein Gott zum Dativ des Geschehens; Gott ist dann derjenige, um dessen willen etwas getan wird. Gott erscheint als Ziel und Sinngeber des Handelns, die Überlieferung bietet die handlungsorientierenden Motive. Der Glaube bewährt sich als Verantwortung."

Zwischen diesen Polen bewege sich das religiöse Bewußtsein des Menschen und an diese Pendelbewegung schließe sich die Erziehung an, die ein schädliches Ausschlagen des Pendels in eine Richtung verhindern und gleichzeitig die motivierenden Aspekte der Religiosität stärken soll, um eine Welt zu gestalten, in der auch andere Menschen den Geist Gottes erfahren können. Die Erziehung soll dabei auf das Personzentrum des Menschen zielen, das Niebergall als Willen bezeichnet im Gegensatz zum Wissen.50 "Gott erzieht uns, wie Pestalozzi seine Armen erziehen wollte, durch das Leben für das Leben ohne allzuviele Worte"51. Hier stimmt Niebergall mit den zeitgenössischen Überlegungen der Pädagogik überein, die nicht über das Wissen, sondern über die Beeinflussung des Willens durch Werte erziehen wollte. Damit befinden wir uns mitten in der Frage nach dem konkreten, menschlichen Erziehungsgeschehen, das mit der göttlichen Erziehung des Menschengeschlechts kooperiert. Zu bestimmen wäre dabei: das Subjekt, das erzieht, das Gegenüber, das erzogen werden soll, - und die Methodik der Erziehung.

4. Das menschliche Erziehungshandeln 4.1. Bestimmung des Erziehungssubjektes und -Objektes Niebergall beginnt bereits auf der ersten Seite seines Werkes mit dem Hinweis, daß seine Praktische Theologie ihren Bezugspunkt weder im Amt noch in der gesamten Kirche fände, sondern in der Ortsgemeinde52. "Wie diese Fr.W. Schmidt: Art.: Glaube, V. Dogmatisch, in: RGG2, Sp. 1212-1223, bes. 1218. 49

Luther: Religion, S. 140, Hervorhebungen dort. Er sieht Niebergall hier zwischen Kant (aktives Glaubensverständnis) und Schleiermacher (passives Glaubensverständnis).

50

Vgl. zu einem unterschiedlichen Begriffsverständnis Härle: Dogmatik, S. 66f, 478-480 u.ö., der die Einheit von Gefühl, Vernunft und Willen als Personzentrum ansieht und so die Vernunft integriert, die Niebergall als Intellekt nicht dazuzählt.

51

Niebergall: PTh I, S. 345.

52

Er spricht zwar nur von Gemeinde, aber in einem Sinne, der nicht die heutigen Wahlformen von Arbeits-, Person- oder Funktionsgemeinden einschließt: "Jene [Menschen, L.E.] sind damit gekennzeichnet, daß wir es mit Leuten zu tun haben, die nicht von uns nach

Darstellung der Praktischen Theologie

209

Gemeinde erzogen werde, darüber soll nachgedacht werden." 53 Die Ortsgemeinde sei das Erziehungsobjekt. "Gemeindeerziehung meint nicht - nach dem Modell des Lehrer-Schüler-Verhältnisses gedacht - die 'Ausbildung' der nachwachsenden Generation und der 'unvollkommenen' Gemeindeglieder zu Christen, sondern sie meint den Entwicklungsprozeß in der Gemeinde selber, der durch die Diskrepanz zwischen Ideal und Wirklichkeit herausgefordert wird."

Dabei bleibt allerdings vorerst noch offen, ob die Erziehung auf die Gemeinde als Gruppe oder auf den Einzelnen in dieser Gemeinschaft gerichtet ist. Es wird in der Darstellung des konkreten Erziehungsgeschehens jedoch deutlich werden, daß der Einzelne als Zielperson der Erziehung gegenüber der Gemeinschaft die Priorität besitzt. Die Gemeinde will Niebergall sowohl über die historische Dimension wie auch über die landeskirchliche Organisation mit den anderen Gemeinden verbunden sehen. Diese Verbindungen will er mit in das Erziehungsgeschehen integrieren. Für ihn ist wichtig, "daß unter den religiösen und besonders christlichen Einwirkungen auf Menschen nur die erfaßt und dargestellt werden kann, die im Zusammenhang mit der großen Überlieferung und der umfassenden Gemeinschaft unsrer größten kirchlichen Organisation ihre Arbeit tut" 55 . Das Erziehungssubjekt ist wiederum die Gemeinde, die sich selbst erziehen kann. Dabei kann Niebergall Bildung der Einzelpersönlichkeit und Gemeindebildung deshalb in eins setzen, weil er in der Bestimmung von Persönlichkeit und Gemeinschaft bereits auf die Zusammenhänge zwischen beiden hingewiesen hat 56 . Die Gemeinde ist die Inhaberin der Kräfte 57 , die sich dann allerdings wesentlich in der Gestalt des Pfarrers personalisiert. Dieser bilde gegenüber den "andern persönlichen Kräftefn]" 58 das eigentliche Subjekt. 59 Träger der Arbeit sind für Niebergall in der Gegenwart und in der

bestimmten Gesichtspunkten ausgesucht noch von selbst zur Gemeinschaft gekommen sind. Sondern wie sich ihr zufälliges Zusammenwohnen gefügt hat, so gehören sie zu unserm Arbeitsfeld." Niebergall: PTh I, S. 29. "

Niebergall: PTh I, S. 1.

54

Luther: Religion, S. 144.

55

Niebergall: PTh I, S. 1.

56

Vgl. Niebergall: PTh I, S. 16ff, 21ff, 26ff.

57

Vgl. Niebergall: PTh I, 4. Hauptteil: Die Gemeinde als Inhaberin der Kräfte, S. 285-498.

58

Vgl. Niebergall: PTh I, § 24.

59

Das Verhältnis zwischen Pfarrer und den anderen Kräften ist schon über die Seitenzahl, auf der deren Mitarbeit behandelt wird, deutlich gewichtet, nämlich 53 : 3. Das ist auch den Rezensenten schon aufgefallen und wurde sogar als wesentlicher Rückschritt betrach-

210

Fr. Niebergall: Praktischen Theologie - 1918/19

Zukunft die Pfarrer. Der Praktischen Theologie erwachsen daraus zwei zentrale Aufgaben: über die theologischen Fähigkeiten der Amtsträger hinaus deren instinktive Fähigkeiten methodisch bewußt zu machen und sie gleichzeitig dadurch zu unterstützen, daß Ziele für ihre Tätigkeit erarbeitet werden. Die praktisch-theologische Ausbildung soll das "Genie klären" 60 und stärken, wie es durch die Ausbildung der Lehramtskandidaten am Lehrerseminar geschieht. Sinn dieser Ausbildung sei es, die Persönlichkeit des Amtsträgers auch zu eigener Weiterbildung in der Gemeinde zu befähigen, denn "Selbsterziehung des Erziehers motiviert zur Selbsterziehung des Anderen" 61 . "Die Gemeindeglieder können zu selbständigen Urteilen in Glaubensdingen nur unter der Voraussetzung erzogen werden, daß der Gemeindeerzieher zuerst selbst zu eigenem Urteil gekommen ist." 6 2

Die pfarramtliche Ausbildung steht dabei in didaktischer Spannung zwischen Gelehrsamkeit und Handreichung. "Bleibt die Gelehrsamkeit zu weit vom Gegenstande entfernt, so rückt die Handreichung oder die Summe vom Fingerzeigen zu nahe an ihn heran; beide Male bleibt die Uebersicht und das Verständnis aus, wie sie jenen Instinkt geleiten oder gar schaffen helfen können."

Die Modelle solcher Ausbildungstheorie stellt - wie schon gezeigt - die Pädagogik bereit. Der Gegenstand der Praktischen Theologie "ist die Arbeit des Pfarrers an seiner Gemeinde, seine unmittelbare und persönliche Arbeit, samt dem geordneten Dienst von Gemeindegliedern und Gemeindehelfern, die er zu erwecken und zu leiten hat." 64 Niebergall beschreibt hier eigentlich das traditionelle Ideal der Pastoraltheologie, weitet deren Konzentration auf den Pfarrer jedoch auf alle in der Ortsgemeinde ordentlich Mitarbeitenden aus, d.h. das bezahlte oder ehrenamtliche, auf Zeit gebundene oder ungebundene Element. "Das Ziel dieser Arbeit ist die Erziehung der Gemeinde zu einer lebendigen Gemeinde, einerlei, wie weit die Wirklichkeit dieses Leitbild erreichen läßt."

tet. Vgl. das Resümee bei Rendtorff: Theologie, Sp. 152. Bei anderen Rezensionen werden die übrigen Kräfte gar nicht erwähnt. Vgl. z.B.: Uckeley: Theologie, S. 49. 60

Niebergall: PTh I, S. 2.

61

Luther: Religion, S. 149.

62

Sandberger: Theologie, S. 135.

63

Niebergall: PTh I, S. 2.

64

Niebergall: PTh I, S. 10.

65

Ebd.

Darstellung der Praktischen Theologie

211

Zusammenfassend besteht für Niebergall die Aufgabe der Praktischen Theologie somit darin, auf dem Boden der religionswissenschaftlichen Erfassung der Tatsächlichkeiten eine Bildungstheorie für die Gemeinde zu entwerfen, nach der die Amtsträger ihre Arbeit ausrichten und durch die die Amtsträger zu ihrer Tätigkeit gebildet werden, um die Gemeinde so zu beeinflussen, daß sie sich selbst wie auch ihre Umwelt im Sinne des Evangeliums gestalten können. Insofern ist die Gemeinde Subjekt und Objekt, Mittel und Ziel der Erziehung, die wesentlich angeregt werden soll durch den Amtsträger. Diese kurzen Bestimmungen sollen vorerst hier genügen, da die Problematik der Beziehungen zwischen Kirche, Gemeinde, Amtsträger und den anderen Kräften in der genaueren Bestimmung des Kirchenbegriffs eingehender untersucht werden sollen.

4.2. Paradigma der Pädagogik Nachdem Niebergall die ideale Gemeinde als Ziel der Arbeit und die durchschnittliche wirkliche Gemeinde als gegebenen Zustand gegenüber gestellt hat, will er zeigen, daß die Gemeinde selbst in der Lage sei, "dieses Ist zu einem Soll emporzuführen ... Auf dieser teleologischen Grundlage ruht unser ganzes Werk." 66 Im menschlichen Erziehungsvorgang spielen psychologische und pädagogische Überlegungen eine herausragende Rolle. Sie thematisiert Niebergall vor allem im vierten Hauptteil seiner Praktischen Theologie. 67 Um zu Persönlichkeiten in Gemeinschaft zu erziehen, setzt er auf die Pädagogik als Beeinflussung 68 . Dieser Abschnitt ist der Schlüsseltext für seinen Erziehungsbegriff innerhalb seiner Praktischen Theologie. Dabei ist eine Proble-

66

Niebergall: PTh I, S. 285.

67

Niebergall: PTh I, §§ 19-27, S. 285-497: Die Gemeinde als Inhaberin der Kräfte.

68

Niebergall: PTh I, S. 285-313, § 19. Die Beeinflussung. Als Literatur verwendet Niebergall: Steinmann, Th.: Naturgesetz, Gott und Freiheit, in: ZThK 17, S. 90-142; Wentscher, Max: Ethik, Bd. 1, Leipzig 1902; Windelband, W.: Über Willensfreiheit, Tübingen 1904; Rolffs, E.: Schuld und Freiheit, in: ZThK 9, S. 183-249; Gottschick, J.: Schuld und Freiheit. Kritische Bedenken, in: ZThK 9, S. 316-356; Fuchs, E.: Gut und Böse. Wesen und Werden der Sittlichkeit, Tübingen 1906; Förster, F.W.: Jugendlehre. Ein Buch für Eltern, Lehrer und Geistliche, Berlin 1907 und Kabisch, R.: Wie lehren wir Religion? Göttingen 1917 bzw. in: ZThK 12.

212

Fr. Niebergall: Praktischen Theologie - 1918/19

matik grundsätzlich zu behandeln, der auch Niebergall größere Aufmerksamkeit schenkt: Ist Glaube lehr- und lernbar? Voraussetzung für die Übernahme pädagogischer und psychologischer Überlegungen ist der dargelegte Grundgedanke, daß es sich weder beim kirchlichen Handeln (als Gegenstand) noch im Vollzug der Praktischen Theologie selbst um etwas Theoretisches handelt, sondern um unmittelbare bzw. sekundäre Praxis erzieherischen Handelns. In der sekundären Praxis der Praktischen Theologie geht es um "Grundsätze der Beeinflussung eines im stetigen Fluß befindlichen Objektes, nämlich von Menschen, die einem praktischen Ziel sollen genähert werden."69 Niebergall übernimmt deshalb aus der zeitgenössischen Pädagogik und aus derjenigen J.F. Herbarts (1776-1841), auf den er sich explizit beruft 70 , die pädagogische - oder fundamentaler ausgedrückt: die erkenntnis- und handlungstheoretische71 - Trias von Norm Zustand - Mittel72. Bei Herbart kommt die pädagogische Trias bereits deutlich zum Tragen, daneben aber auch andere Momente, die Niebergalls Ansatz prägen. Im Gegensatz zu I. Kant (1724-1804) sieht Herbart in der wahrnehmenden Erfahrung das a priori gegenüber den Entscheidungen des Willens. Diese Entscheidung hat für die pädagogischen Bemühungen zur Konsequenz, daß die Vermittlung von Einsicht durch Erziehung wesentlich zur Fähigkeit, seinen Willen durch Einsicht bestimmen zu lassen, beiträgt und damit zur Willensbildung. Die Frage nach dem Zustandekommen von Einsicht und die sich daran anschließende Frage nach der Verbindung des Willens mit den vorhergehenden Einsichten wird zum einen durch die Bildung eines vielseiti-

69

Niebergall: Grundlagen, (nach Krause: Theologie, S. 227).

70

Vgl. Niebergall: PTh I, S. 11; PTh II, S. 311.

71

Vgl.: Niebergall: Grundlagen, (nach Krause: Theologie, S. 232): "notwendige Erkenntnis der Grundsätze des Handelns".

72

Diese Elemente können dabei von ihm auch durch andere Begrifflichkeiten ausgedrückt werden. Vgl. schon in § 1. Die Aufgabe: "Ziel" - "gewachsene und gewordene Religion" - "Dienste, Hilfe". Auch die Methode selbst wird in der Forschung unterschiedlich bezeichnet: "Als die dem Praktischen angemessenste Methode sieht Niebergall das zweckrationale Verfahren an, die finale oder teleologische Methode, wie sie etwa auch die Rationalitätstruktur der Pädagogik als Wissenschaft kennzeichnet." Luther: Religion, S. 238. Vgl. dazu bei H. Luther auch das Kapitel 5.3. "Zur pädagogischen Rationalitätsstruktur der Praktischen Theologie (Zweck/Zustand/Mittel)".

Darstellung der Praktischen Theologie

213

gen Interesses und zum anderen durch Zucht 73 , Charakterstärke der Sittlichkeit und Tugend 74 beantwortet. Tugend ist "die in einer Person zur beharrlichen Wirklichkeit gediehene Idee der inneren Freiheit"75. "...; innere Freiheit ist ein Verhältnis zwischen zwei Gliedern: Einsicht und Wille; ..."76 Dabei geht es nicht um einen Gegensatz von Wollen und Einsicht, etwa im Sinne von Spontaneität, sondern: "Von innerer Freiheit kann nicht die Rede sein, wo das Wollen nicht im Verhältnis zur Einsicht steht."77 Tugend ist also die Übereinstimmung des Wollens mit der Einsicht. Das vielseitige Interesse wird gebildet, indem eine umfassende Grundstruktur des Wissens so offen und gleichzeitig so fordernd im Menschen angelegt wird, daß sich neue Inhalte an sie angemessen anschließen lassen, ja sie diesen Anschluß geradezu herausfordert. Der Unterricht soll der Entstehung solchen Wirklichkeitsverständnisses "als Nachkonstruktion der Welt zur soliden inhaltlich bestimmten Motivierung des Handelns dienen" 78 . Dies trägt Wesentliches zur Normbildung bei und kann nur gelingen, wenn auch emotional dieser unabschließbare Prozeß unterstützt wird 79 . Die in jedem Menschen vorfindliche innere Spannung von äußerer Norm und innerem

73

Zucht meint dabei nicht äußeren Zwang. Die Aufgabe der Zucht definiert er anders: "Machen, daß der Zögling sich selbst finde, als wählend das Gute, als verwerfend das Böse: dies, oder Nichts, ist Charakterbildung. ... Der Sittliche gebietet sich selbst." Herbart, J.F.: Sämtliche Werke, hrg.v. Karl Kehrbach, Otto Flügel u. Theodor Fritzsch, Langensalza 1887-1912, Bd. I, S. 261f zitiert nach Geißler, E.E.: Johann Friedrich Herbart, in: Klassiker der Pädagogik, Bd. I.: Von Erasmus von Rotterdam bis Herbert Spencer, hrg.v. Hans Scheuerl, München 1979, S. 234-248, hier S. 244.

74

Vgl. Herbart, J.F.: Umriß pädagogischer Vorlesungen, in: Sämtliche Werke, hrg.v. Karl Kehrbach, Otto Flügel u. Theodor Fritzsch, Langensalza 1887-1912, Bd. X, S. 65-206, hier §. 8: "Tugend ist der Name für das Ganze des pädagogischen Zwecks."

75

Ebd.

76

Ebd.

77

Herbart, J.F.: Sämtliche Werke, hrg.v. Karl Kehrbach, Otto Flügel u. Theodor Fritzsch, Langensalza 1887-1912, Bd. II, S. 410, zitiert nach Geißler: Herbart, S. 240.

78

Geißler: Herbart, S. 240.

7

Die antipathetische Laune verfälscht die Erkenntnis: "Unmuth, der habituell wird, ist die Schwindsucht des Charakters." Vgl.: Herbart, J.F.: Allgemeine Pädagogik, aus dem Zweck der Erziehung abgeleitet (1806), in: Sämmtliche Werke in chronologischer Reihenfolge, hrg.v. Karl Kehrbach, Bd. II, Leipzig 1885, S. 1-170, hier S. 124, im Kap. 4.1. Handeln ist das Prinzip des Charakters.

'

214

Fr. Niebergall: Praktischen Theologie - 1918/19

Drang 80 kann nur durch emotionalen Drang nach dem Guten positiv genutzt werden. Diese Überlegungen setzen also mindestens dreierlei voraus: die Nachkonstruktion der Wirklichkeit muß umfassend sein, sie muß Entscheidungen herausfordern, und psychische Blockaden gegen Lernprozesse müssen verhindert bzw. ausgeräumt werden. Dies versucht Herbart durch die Durcharbeitung von besonders angemessenen Sachthemen in seinen vier Formalstufen zu erreichen. 81 Dabei ist grundlegend, daß durch die Wärme fürs Gute, die aus der Charakterbildung sich ergab, eine Zielbestimmung eigenen Handelns erfolgt, aus dessen Perspektive dann die bestehenden Zustände, die zur umfassenden Nachkonstruktion dazugehören, betrachtet und bewertet werden. Aus der Spannung des normativen und gegebenen Poles ergibt sich automatisch die Herausforderung der Entscheidung und die Handlungsmotivierung, die sich in angemessenen Mitteln kreativ zu entfalten versucht. Zusammenfassend läßt sich damit - nach J.F. Herbart, aber auch allgemein formal - Erziehung als dasjenige Handeln verstehen, in dem die Erzieher den Edukanden 1. im Rahmen gewisser Lebensvorstellungen (Erziehungsnormen) und 2. unter Anknüpfung an seinen gegenwärtigen Zustand sowie 3. mit bestimmten Aufgaben (Erziehungsgehalten) und Maßnahmen (Erziehungsmethoden) in der Absicht einer Veränderung (Erziehungswirkungen) zur eigenen Lebensführung verhelfen. Dies hat in Übereinstimmung von funktionaler und intentionaler Erziehung so zu geschehen, daß die Edukanden auch emotional das erzieherische Handeln der Erziehenden als notwendigen Beistand für ihr eigenes Dasein erfahren, kritisch zu beurteilen und selbst fortzuführen lernen. 82 Gleichzeitig beeinflussen sich die drei Pole von Norm Zustand - Mittel gegenseitig. Niebergall greift diese Bestimmung auf: Jegliches Handeln - als auf praktische Veränderung angelegtes Handeln - basiere auf dieser Grundstruktur. Aufgabe einer Praktischen Theologie, die sich auf diese in der Pädagogik besonders ausformulierte Struktur einläßt, sei es, die Elemente der Trias (Norm - Zustand - Mittel) richtig zu bestimmen, sie in ein angemessenes Verhältnis zu setzen und nicht zuletzt die Möglichkeiten der Beeinflussung offenzulegen und gegebenenfalls zu verbessern. Zur Bestimmung der drei

80

Vgl. schon bei Schleiermacher, F.D.E.: Die Vorlesungen aus dem Jahre 1826. Allgemeiner Teil, in: Pädagogische Schriften, Bd. 1, hrg.v. Erich Weniger und Theodor Schulze, Düsseldorf 1966 2 , S. 66-149.

81

Vgl. die Darstellung bei Geißler: Herbart, S. 243f.

82

Vgl. Bokelmann, H.: Art.: Pädagogik, in: HPG I, S. 185f.

Darstellung der Praktischen Theologie

215

Elemente bedürfe es einer angemessenen Methodik. Sie soll im folgenden erläutert werden, bevor die Bestimmung der Elemente erfolgt.

5. Die Methodik der Praktischen Theologie Die Grundlage seiner Praktischen Theologie versteht Niebergall pauschal als religionswissenschaftlich. Religionswissenschaftlich meint dabei keine parteitheologische Bezeichnung 83 , sondern eine Charakterisierung der Methoden. Niebergalls Methodik ist wesentlich durch ein Verständnis der Religionswissenschaft als Wissenschaft der religiösen Lebenswirklichkeit des Menschen geprägt. Seine Praktische Theologie will sich methodisch der empirischen Wissenschaften zur Bestimmung der religiösen Lebenswelt bedienen. Dabei empfand Niebergall, daß die Erarbeitung des gegenwärtigen Zustandes in der bisherigen praktischen Theologie stark vernachlässigt worden sei. Um diesen Mißstand zu beheben, schenkt er der Erarbeitung des gegenwärtigen Zustandes die größte Aufmerksamkeit und führt hier die umfangreichste methodische Diskussion. An diesen allgemeinen Aussagen müssen drei Ebenen der Methodik unterschieden werden. Auf der obersten Ebene bewegt sich die prinzipielle Grundstruktur der Erziehung, wie Niebergall sie aus der Pädagogik in seine Theorie übernommen hat. Hier bleibt Niebergall formell in der Trias von Norm - Zustand - Mittel, die bei Niebergall als Zweck - Zustand - Mittel beschrieben wird (s.o.) und legt den Schwerpunkt auf den Zustand. Innerhalb dieser Bestimmung kommt dann Niebergalls Wissenschaftsbegriff (1) zum Tragen. Die darunter anzusiedelnde Ebene ist geprägt durch die übernommenen konkreten Methoden (2) der Religionswissenschaft, die er weiter differenziert.

5.1. Wissenschaftsbegriff Niebergall beginnt seine Debatte über die Wissenschaftlichkeit praktischtheologischer Arbeit mit einem Abriß der bisherigen wissenschaftstheoretischen Überlegungen zur Praktischen Theologie. Dabei sieht er sich in der Darstellung ihrer Wissenschaftsgeschichte bis in den Beginn des 19. Jahrhunderts in Übereinstimmung mit der Darstellung Nitzschs 84 . Niebergall ver81

So sieht es beispielsweise Jannasch: Niebergall, RGG 3 .

84

Niebergall: PTh I, S. 3: "Für den größten Teil jener geschichtlichen Entwicklung können

216

Fr. Niebergall: Praktischen Theologie - 1918/19

sucht allerdings erst gar nicht, wie Nitzsch die Theologie als Wissenschaft und die Praktische Theologie als Teildisziplin auszuweisen 85 , sondern entzieht sich durch eine Parallelisierung von Wissenschaftstheoretikern und Pharisäern der Frage nach der Wissenschaftlichkeit: "Denn die Disziplin ist um der Menschen und nicht sind diese um der Disziplin willen da." 8 6 Insofern ist seine Darstellung der Gegner, wenn sie denn erfolgt, auch nicht unbedingt frei von Polemik. Niebergall beginnt seine Darstellung an der üblichen Grenzmarkierung. Die Wissenschaftlichkeit wäre erst im 19. Jahrhundert wirklich thematisiert worden. Sie ergäbe sich bei Schleiermacher aus der Funktion der Theologie für die Kirchenleitung, und Nitzsch gäbe der Praktischen Theologie dann die "besondere Aufgabe der Darstellung der Kirche und ihrer Tätigkeiten ..., die aus ihrem Begriffe abzuleiten sind" 87 . Dabei hätte die Arbeit auch einen stark historischen Impuls bekommen. Die Wissenschaftlichkeit wäre auf die systematische Ableitung aus dem Begriff der Kirche und die historische Arbeit gegründet worden: "Systematisch und geschichtlich, das waren die Merkmale wissenschaftlichen Arbeitens, denen die Praktische Theologie gerecht werden mußte, um sich nicht vor ihren theologischen Schwestern als Aschenbrödel schämen zu müssen" 8 8 .

Obwohl sich gegen diese Bestimmungen auch Widerstand geregt habe 89 , sei die Arbeit im gesamten 19. Jahrhundert so vor sich gegangen.

wir uns auch darum an die ausführliche Darstellung von C.I. Nitzsch anschließen, weil wir mit ihm in dem Inhalt der Praktischen Theologie und deswegen auch in seiner Einteilung ihrer Geschichte übereinstimmen." Der "größte Teil" meint dabei keine inhaltliche, sondern eine zeitliche Größe bis 1847. Niebergall bezieht sich dabei auf Nitzsch: PTh I, II. Geschichte der Praktischen Theologie, S. 39-122. Vgl. 3.1.2. 85

Zum Verhältnis der Praktischen Theologie zu den anderen theologischen Disziplinen äußert sich Niebergall nicht. Nur über die Bestimmung der 'Praktischen Dogmatik' und der 'Praktischen Auslegung' sind Rückschlüsse möglich. Vgl. Sandberger: Theologie, S. 128f.

86

Niebergall: PTh I, S. 12.

87

Niebergall: PTh I, S. 6.

88

Ebd.

89

Niebergall verweist auf die Darstellung dieser Kritik bei Eckert, Α.: Einführung in die Prinzipien und Methoden der evangelischen Theologie, Leipzig 1909. Als Beispiele nennt er dann die Definitionen Th. Harnacks (Niebergall: "Theologie als Lebensbetätigung der Kirche") und A. Dorners (Niebergall: "Selbstzweck im Geist der allgemeinen Wissenschaft"). Vgl.: Domer, Α.: Grundriß der Enzyklopädie der Theologie, Berlin 1901, § 2+3, bes. S. 6.

Darstellung der Praktischen Theologie

217

Erst die R e f o r m b e w e g u n g versuche hier neue W e g e zu gehen. Ihre Kritik ließe sich zusammenfassen in den Vorwürfen, die Praktische T h e o l o g i e sei nicht praktisch, sie sei zu sehr mit den Prinzipien und der Geschichte beschäftigt, sie sei für den Pfarrberuf entbehrlich. 9 0 D a g e g e n hätten die Ref o r m t h e o l o g e n ein zentrales Vorhaben: "sie w e i s e n die Praktische T h e o l o g i e ins L e b e n hinein und damit von den Prinzipien und der Geschichte weg." 9 1 Dabei ist ein konkreter Vorschlag für die Problemlage dieser Arbeit besonders interessant: Man habe "ganz vergessen, daß Nitzsch mit einer Kirchenkunde b e g o n n e n habe, weil man die Kirche wieder nur aus d e m dogmatischen Begriff abzuleiten unternahm". 92 Kirchenkunde müsse dabei mit religiöser Volkskunde, R e l i g i o n s p s y c h o l o g i e und religiöser Seelenkunde verbunden werden. Der H i n w e i s auf die Bedeutung der Tatsächlichkeiten bei Nitzsch und ihrer bisherigen mangelnden Beachtung ist in der Tat eine klare

90

Niebergall nennt in PTh I, S. 7 differenziert die Vorwürfe einiger Reformvertreter: zu Rade, M. : Zur Frage nach dem richtigen Betrieb der Praktischen Theologie, in: ZprTh 1894 und Bornemann, W.: Die Unzulänglichkeit des theologischen Studiums. Ein Wort an Dozenten, Pfarrer und Studenten, Leipzig 18862: "Immer wiederkommt der Vorwurf, daß die Praktische Theologie unpraktisch sei (Rade, Bornemann); dazu sei sie langweilig und überflüssig mit ihren spekulativen Ableitungen und geschichtlichen Begründungen und langgewundenen Einteilungen"; nur zu Rade: "Man könne ein guter Pfarrer werden, ohne sich je um sie gekümmert zu haben"; zu Mix, S.: Zur Reform des theologischen Studiums. Ein Alarm-Ruf, München 1908: sie bestünde dagegen doch "im wesentlichen (sie!) aus geschichtlichen Reminiszensen und etwas gesundem Menschenverstand"; zu Drews: Problem: "Dinge, die sich von selbst verstehen, suche sie langstielig zu deduzieren, und solche, die nicht zusammenpassen, in ein System zu bringen"; zu Frühauf, W. : Praktische Theologie! Kritiken und Anregungen, Berlin 1912; "Der Historismus aber biete gar keine Begründung, dazu erschwere er alle Reformen", "Sie habe sich nur um die Ideen, aber nicht um die Menschen bekümmert, die die Kirche ausmachen, um die Vergangenheit, aber nicht um die Gegenwart"; zu Freytag, H.K.E.: Moderne Strömungen auf dem Gebiet der Praktischen Theologie, Studierstube 1908·. "sie wolle ... gar keine Pfarrer, sondern Professoren erziehen, ...".

"

Niebergall: PTh I, S. 7. Für konstruktive Vorschläge nennt er wiederum dieselben Veröffentlichungen von Rade, Drews, Mix, Freytag und Frühauf. Zu Rade: "Darum müsse sie vor allem eine beschreibende Wissenschaft werden, die die Gemeinde darstellt, wie sie ist."; zu Drews: "... das Ziel der theologischen Bildung [ist, L.E.] zwar nicht das Brauchbare, aber das Gegenwärtige..."; zu Mix: "die Seele der Leute müssen wir studieren...in ihren örtlichen und zeitlichen Verhältnissen ...,; das gibt einen psychologischen Unterbau für die wichtigste Frage, wie man an die Seele der Leute herankomme"; zu Freytag·, "das habe man ganz vergessen, daß Nitzsch mit einer Kirchenkunde begonnen habe, weil man die Kirche wieder nur aus dem dogmatischen Begriff abzuleiten unternahm" [s.o.] und zu Frühauf. "Die Menschennaturen gilt es ohne kirchliche Brille anzuschauen in einem gesunden Realismus, weil Psychologie und Pädagogik auch erwachsenen Menschen gegenüber am Platze ist".

92

Niebergall: PTh I, S. 7 bezieht sich auf Freytag: Strömungen.

218

Fr. Niebergall: Praktischen Theologie - 1918/19

Beschreibung der bislang einseitigen Lesart Nitzschs in der Praktischen Theologie des 19. Jahrhunderts. In der neuen Praktischen Theologie sollen nun auch die Tatsächlichkeiten, die Nitzsch in seinen Entwurf so kunstvoll integriert hatte, wieder mehr zum Tragen kommen. 93 Hier verweist Niebergall besonders auf die Verdienste P. Drews, der das religionswissenschaftliche Bestreben des Rationalismus in eine religiöse Volkskunde münden ließ.94 Der Rationalismus ist denn auch die theologische Tradition bzw. Position, in der Niebergall sich sieht95, allerdings in dessen Idealität, nicht dessen Karikatur. Sowohl dessen Methoden als auch dessen volkspädagogische Ideale seien die seinen.96 Einzige Abweichung sei, daß er die ethische Lehre durch die praktische Dogmatik, die Darstellung des Evangeliums für die Praxis, ersetze.97 Als Abschluß seiner Darstellung der Wissenschaftsgeschichte der Praktischen Theologie definiert Niebergall dann seinen Wissenschaftsbegriff: "Wissenschaft ist nicht System, ist nicht Historie allein, sondern Wissenschaft besteht in der Erfassung des Wirklichen und des in der Erfahrung gegebenen Stoffes" 9 8 .

93

Im weiteren Verlauf der Praktischen Theologie Niebergalls möchte ich im Auge behalten, was Niebergall unter der Kirchenkunde versteht, ob sich dies mit den Tatsächlichkeiten Nitzschs wirklich deckt und ob die Bewertung der Tatsächlichkeiten und ihre Funktion für das System noch übereinstimmen.

94

Zum praktisch-theologischen Programm P. Drews vgl.: Drehsen: Konstitutionsbedingungen, S. 349-513: Die integrative Funktion der Volkskirche im Prozeß moderngesellschaftlicher Differenzierung. Zur empirisch-pragmatischen Ekklesiastik von Paul Drews. Es bestehen dabei durchaus auch Unterschiede zwischen P. Drews und Fr. Niebergall. Vgl.: Sandberger: Theologie, S. 118-120.

95

Zur zeitgenössischen Sicht des Rationalismus vgl.: Steinmann, Th.: Art.: Rationalismus I. Erkenntnistheoretisch, in: RGG 1 , Sp. 2038-2040 + Mayer, E.W.: Art.: Rationalismus II. Philosophiegeschichtlich, in: RGG', Sp. 2040 + Hoffmann, H.: Art.: Rationalismus III. Rationalismus und Supernaturalismus, in: RGG 1 , Sp. 2040-2052.

96

"Darum übernehmen wir nicht nur seinen Sinn für Religionspsychologie und Religionswissenschaft, sondern auch seine volkspädagogischen Ideale, sofern sie nicht durch die Entwicklung überholt oder andern Gebieten zugefallen sind." Niebergall: PTh I, S. 10. Hier ist besonders G.E. Lessings Erziehung des Menschengeschlechts gemeint (s.o.).

97

"Hatte er [der Rationalismus, L.E.] den Wunsch, klar zu sagen, was den Inhalt der Verkündigung bilden solle, um es nicht bei allgemeinen Worten zu lassen, so tun wir gerade so; nur daß wir, statt seiner populären Glaubens- und Sittenlehre, eine Darstellung des Evangeliums einfügen, die zu unsrer Aulfässung von der Erziehung einer gegebnen Gemeinde gehört." Niebergall: PTh I, S. 10.

98

Niebergall: PTh I, S. 8. Vgl. zum zeitgenössischen Verständnis der Theologie als Wissenschaft in diesem Sinne: Pfleiderer, G.: Theologie als Wirklichkeitswissenschaft. Studien zum Religionsbegriff bei G. Wobbermin, R. Otto, H. Scholz u. M. Scheler, Tübingen 1992. Das Umfeld Niebergalls wird dort eingehend besprochen, allerdings kommt er

Darstellung der Praktischen Theologie

219

Von hier aus versucht er die bisherigen Ergebnisse der Reformbewegung zu charakterisieren. Die vor allem von den "eigentlich Sachverständigen", den "temperamentvollen Pfarrern"99 angeführte Reformbewegung sei in der Gefahr, im universitären Kompromiß zwischen den neuen und alten Verfahrensweisen aufgerieben zu werden. Am Beispiel von C. Clemen (1865-1940)' 00 und dem Loccumer Stiftprediger Lie. Peters101 versucht Niebergall zu zeigen, daß die nötige aber zu begrenzende historische und systematische Arbeit wieder das Eigentliche verschluckt habe, auch wenn die Kirchen- und religiöse Volkskunde - besonders bei Clemen - integriert worden ist.102 In G. Rietschel (1842-1914) 103 und Baumgarten104 sieht er dagegen zwei Vertreter der kompromißloseren Richtungen, Rietschel im alten, Baumgarten im neuen Stil. Baumgarten habe einen wesentlich anderen Wissenschaftsbegriff als die überkommene Praktische Theologie: "Wissenschaft soll die Praktische Theologie nicht im alten Sinne sein, der einen vornehmen Organismus innerlich verbundener Handlungsweisen aus dem Prinzip der evangelischen Heilsgemeinde erfordert, sondern nur in dem Sinn, daß mit historischer und psychologischer Orientierung die Aufgaben der Kirche erfaßt und dargestellt werden, wobei künstlerische Intuition bessere Dienste tue als sog. Wissenschaftlichkeit. Ihr Wert liege in der Durchbildung des Pfarrers zu einem charaktervollen Vertreter einer klar erfaßten religiösen Grund-

selbst nicht in den Blick. G. Wobbermin wird von Niebergall in Zusammenhang mit der "Erfassung des im besondern Sinn religiösen Lebens in seiner Eigentümlichkeit" im § 7 'Religionspsychologisches' PTh I, S. 36 genannt mit Bezug auf: Wobbermin, G.: Über das Archiv für Religionspsychologie, in: ThLit 3, S. 25f und mit Hinweis auf seine religionspsychologische Methode in PTh II, S. 424. R. Otto wird in demselben Zusammenhang mit Hinweis auf Otto, R.: Das Heilige. Über das Irrationale in der Idee des Göttlichen und sein Verhältnis zum Rationalen, München 1917 genannt sowie in PTh II, S. 43 in bezug auf das numinose Wesen liturgischer Handlungen, in bezug auf ein singbares Bekenntnis auf S. 217 und in bezug auf eine religionspsychologische Methodik wie schon bei Wobbermin auf S. 424. H. Scholz und M. Scheler finden keine Erwähnung. " ,0

Beide Begriffe vgl.: Niebergall: PTh I, S. 8. ° Clemen, C.: Zur Reform der Praktischen Theologie, Gießen 1907.

I0

' Lic. Peters: Zur Reform der Praktischen Theologie, in: NKZ 21, 1911, S. 205-253.

102

Peters weise zu Recht auf Vorläufer der Kirchenkunde hin: die Statistik bei F.D.E. Schleiermacherund die Holsteinische Kirchen- und Schulkunde bei Cl. Harms. Peters habe jedoch gerade in bezug auf die religiöse Volkskunde Vorbehalte, wolle sie ans Predigerseminar verweisen. Die Religionspsychologie könne ebenfalls nur sehr vorsichtig hinzugezogen werden. So jedenfalls beschreibt Niebergall die Bewertungen Peters'.

103

Rietschel, G.: Der Betrieb der Praktischen Theologie auf der Universität, Erlangen 1910.

, leben von = überwiegend empfangend -> leben für = überwiegend mitteilend Gemeindeaufbau: konzentrische Kreise der Mitarbeit - Amtsträger (Professionalität und Kontinuität) - hohe religiöse Motivation/Mitarbeit und damit Kompetenz (Gemeindekern) - geringe religiöse Motivation/Mitarbeit/Kompetenz - Mitgliedschaft

Abb. 1 : Struktur der Gesamtkirche bei Niebergall

Eine klare Unterscheidung zwischen dem Handeln Gottes und dem Handeln des Menschen ist damit jedoch noch nicht möglich. Die Frage, ob die Mittel nicht bereits aus dem Handeln des Menschen geschaffen wurden, letztlich die Frage, wie weit sich selbst im biblischen Zeugnis Handeln Gottes und Handeln des Menschen vermischen, bleibt offen. Niebergall läßt diese Frage aber bewußt offen. Seine Entscheidung hat zweierlei Gründe. Einmal hält er die Überlegungen über die Wirkungsweisen der Gotteskräfte für nicht endgültig zu klären. Er bemüht sich zwar weitgehend, Klarheit über die Beeinflussung durch das Wort zu liefern, kann aber - wie schon Generationen vor und wohl auch nach ihm - nicht mit Eindeutigkeit sagen, durch welche Kräfte Glauben geweckt wird. Deshalb zieht sich Niebergall auf eine deskriptive Phänomenologie der Beeinflussung zum Glauben durch das Erlebnis zurück. Vor allem aber akzeptiert Niebergall die gewachsenen Überlieferungen als Ergebnis der Erziehung des Menschengeschlechts, als Handeln Gottes. Welche Norm die Überlieferungen zu sichten und zu reinigen habe, bleibt unterbestimmt, weil jeder Mensch in seiner Zeit diese Norm neu bestimmen müsse. Niebergall zäumt hier das Pferd von hinten auf. Das Ergebnis - die christliche Persönlichkeit - bestimmt die Normativität der Mittel. All das, was

304

Fr. Niebergall: Praktische Theologie - 1918/19

zu diesem Ergebnis führe, könne für sich in Anspruch nehmen, Gotteskraft zu sein. Genau hier jedoch liegen die verborgenen Probleme, weil so das normative Grundproblem unterbestimmt bleibt. Eindeutiges Handeln des Menschen ist für Niebergall dann die Institution Kirche, die er als vorauslaufende Ermöglichung religiösen Erlebens in Gemeinschaft versteht. Ihre Existenzform sei die Volkskirche, die sich nach Landeskirche und Gemeinden gliedere. Die Grundfrage nach der Notwendigkeit institutioneller Religiosität beantwortet Niebergall positiv. Da jede wichtige Seite am menschlichen Seelen- und Kulturleben der besonderen Pflege bedürfe, müsse es zwangsläufig zu institutionellen Zusammenschlüssen kommen, sei es in Form kleinerer oder größerer Institutionen. Die Aufgabe der Institution Kirche ist für Niebergall dabei im Rahmen des allgemeinen Erziehungsauftrags der Kirche klar: Die Institution Kirche will dem Einzelnen eine gesicherte Grundlage von Wahrheit anbieten, um ihm ein beständiges Neuanfangen zu ersparen. Als eine solche Bildungsinstitution kann sie aus der Sicht Niebergalls - hier ist die Kriegssituation deutlich spürbar - ein Gegengewicht bilden gegen die politische Dominanz des selbstsüchtigen Nationalismus. Dabei ist jede Institution der Gefahr der institutionellen Erstarrung ausgesetzt. Niebergall legt für die weitere Differenzierung die religionssoziologische Institutionentypologie von E. Troeltsch zugrunde. Die katholische Kirche stellt darin den Inbegriff des Typs Kirche dar. Definiere sich die Kirche allerdings nicht mehr typologisch, sondern theologisch als Gemeinschaft mit der Funktion, Nährgrund für die Bildung von Persönlichkeiten zu sein, dann disqualifiziere sich die ideale typologische 'Kirche' als Mittel und damit auch als Norm, weil sie die von Niebergall geforderte Funktion nicht erfüllen kann. Der römische Kirchentyp mit seinem Leitungsstil und seiner im wesentlichen passiven Gemeinde sei nicht in der Lage, Persönlichkeiten zu bilden. Er hätte zwar durch seine sinnenhafte Bilderfülle Anziehungskraft und schaffe so auch Gemeinschaft und auch Gläubige, es fehle jedoch an echter Mitarbeit. 2 Im Unterschied dazu sei nach lutherischem Verständnis die Kirche das Volk Gottes und so eine zwar gegenwärtige, aber geistige Größe. Die Differenz zur Sekte bestehe darin, daß sie als vorangehende Stiftung viel mehr die Gläubigen trage, als daß diese Kirche von ihnen getragen würde, die ver-

2

Hier widerspricht sich Niebergall selbst. Er ordnet ja gerade dem Katholizismus die Gestaltung der Welt mit Hilfe des Vereinswesens zu. Und genau hier hätte ihm auch auffallen müssen, wieviele Persönlichkeiten gerade aus dem Bereich des katholischen Vereinswesens gekommen sind. Vgl. dazu auch Nitzschs Beurteilung der Persönlichkeiten im Römischen Katholizismus: Nitzsch: PTh I, S. 18.

Zusammenfassung und Vergleich

305

gebende Kraft des Evangeliums frage gerade nicht nach der sittlichen Beschaffenheit der Menschen. Es komme nicht auf das an, was die Menschen für die Kirche tun, sondern sie leben von ihr. Die Kirchengemeinde als reine Organisationsform habe dabei keinerlei Dignität, sie diene nur als Raum der Predigt des Wortes. Durch diese Vernachlässigung der Sozialform beraubten sich die lutherischen Kirchen einer wichtigen beeinflussenden Möglichkeit, der Gestaltung (Sozialisation). Nach der Reformation hätten sich die lutherischen Kirchen organisatorisch stark an der Typologie der römischen Kirche orientiert. So sei nur noch in der Bibel, dem Gesangbuch und den Katechismen etwas der Kraft des zwanglos überwindenden Wortes in Form von Lehre übrig geblieben. Doch sie allein könne die Rechtfertigungsbotschaft den Menschen nicht so nahebringen, daß Persönlichkeiten gebildet würden. Die Lehre allein sei als Mittel zu kraftlos. Erst die reformierten Kirchen, die sich aus der Kraft göttlicher Erwählung als Gemeinschaft verstünden, würden programmatisch Persönlichkeiten gründen. Sie könnten diese Funktion erfüllen, weil fundamental-programmatisch die Erwählungslehre nach einem geordneten Gemeinwesen (Sittlichkeit, Sozialisation) und Mitarbeit in der Gemeinde (Gestaltung) zusätzlich zur Lehre und zu den schon vorhandenen Persönlichkeiten verlange. Hieran könnten die berechtigten Forderungen des Spenerschen Pietismus anknüpfen. Für beide reformatorischen Kirchentypen gilt, daß Niebergall sie als Volkskirchen versteht. Volkskirche ist dann für Niebergall der Ausdruck für die Richtung kirchlichen Handelns. Die Zuwendung zum "Volk" soll durch den Gedanken des Gemeinschaftsgefühls ein dogmatisches Parteiwesen innerhalb der evangelischen Kirche und gegenüber den anderen Konfessionen beseitigen und eine ethisch fundierte Arbeitsgemeinschaft für das "Volk" aufbauen. Dogmatische oder soziologische Richtungskirchen dürfe es nicht geben, sondern innerhalb der Gesamtgemeinschaft sei Vielfalt positiv zu bewerten, da entgegengesetzte Richtungen einander benötigten, um sich gegenseitig zum Besseren zu reizen. Vielfalt kollidiert deshalb nicht mit dem einheitlichen Bekenntnis, weil Niebergall die begrifflich-dogmatische Einheit durch eine gefühlsorientierte Ethikgemeinschaft ersetzt. Nicht das begrifflichdogmatische Bekenntnis, sondern der psychologische, lebhaft ausgebildete Sinn für die Gemeinschaft ist das gemeinsame Band. Die Bekenntnisgemeinschaft wird durch eine Gemeinschaft sittlichen Gefühls ersetzt. Niebergall nennt dazu zwar geschickt unbestrittene Grundsätze, wertet aber eigentlich nur die theologischen Begrifflichkeiten gegenüber den unreflektierten Ausdrücken des Gefühls ab. Eine benennbare und konfliktfähige Basis der Gemeinschaft wird so aber beseitigt. Ohne Konfliktfähigkeit wird jedoch eine Notwendigkeit jeder Erziehungsarbeit verhindert: die gedankliche

306

Fr. Niebergall: Praktische Theologie - 1918/19

Auseinandersetzung mit den Anschauungen einer Person, ohne deren Gefühle zu verletzen. Person und Sache werden bei Niebergall untrennbar verbunden. Gleichzeitig begibt sich Niebergall mit seiner Verlagerung des Gruppenkonstitutivums auf psychologisch noch sehr unerforschtes Gebiet. Die Beeinflussung des Gefühls und deren vermutete Regeln werden von ihm zwar ausdrücklich behandelt, jedoch befindet sich die Psychologie noch in den Kinderschuhen. Hier wirkt Niebergall aus heutiger Sicht etwas zu euphorisch. Im Gegensatz dazu sieht Niebergall die Volkskirche sehr nüchtern. Sie vertrage keinerlei Idealisierung und habe sich an den Bedürfnissen der Gesamtheit und des Einzelnen zu orientieren, um so das Volk durch die Kirche heranreifen zu lassen und zu verkirchlichen. Die Volkskirche sei Bildungsinstitution für die Gesamtgesellschaft. Aus diesem Grund sei sie offen für alle, die im Glauben wachsen wollten. Deshalb dürfe sie nicht durch selbstgewählte Isolation die Verbindung zur Kultur verlieren, um sie gestaltend und kritisierend beeinflussen zu können. Die Forderung nach Korrelation gilt besonders für das sozialpraktische Gebiet. Die mittelbare Arbeit gegen alles, was den Menschen um seine Persönlichkeit und seine Würde bringen könne, und für eine positive Umgebung sei die eigentliche Arbeit der Kirche zu letztlich unverfügbarem Glauben. Die Ursache liege darin, daß zwar die kognitive Präsenz der Christusbotschaft in der Gesellschaft vorhanden sei, aber deren Wirksamkeit in den Menschen und in der Gesellschaft durch psychologisch oder soziologisch bearbeitbare Hindernisse beeinträchtigt würde. Problematisch ist an Niebergalls Volkskirchenbegriff aus heutiger Sicht ein Begriff des Volkes, der falsche Assoziationen freisetzen kann. Die Entfernung alles Fremdvölkischen aus der deutschen Frömmigkeit und die Kriegsfrömmigkeit selbst sind eine gefährliche Verengung und Verfälschung des an alle Menschen gerichteten Evangeliums. Der Begriff Volk gerät damit in gefährliche Verbindung mit nationalistischen Begriffsschablonen. Die institutionalisierte Volkskirche differenziert Niebergall in Landeskirche und Gemeinde. Die Landeskirche regele die Angelegenheiten "circa sacra", die Gemeinde die Angelegenheiten "in sacra". Die Landeskirche sei jedoch zwischen die Gemeinden und die unsichtbare Kirche getreten und hätte sich zu einer religiösen Größe mit Bekenntnis und Lehrordnung etc. gemacht. Diese Entwicklung hätte zu einer Entmündigung der Gemeinden und der Pfarrer geführt, die den Ruf nach einer vollständigen Trennung von Staat und Kirche immer lauter werden ließ. Hier sieht Niebergall das wesentliche Problem der Landeskirche: ihre Verbindung zur Regierung des Staates. Die Landeskirche als staatliche Institution schwäche ihre eigentliche theologische Funktion.

Zusammenfassung und Vergleich

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Die Lösung in Form einer Freikirche lehnt Niebergall ab. Ihre Hauptprobleme lägen zum einen in der inneren Zwanghaftigkeit, zum anderen in ihrer Ansicht der Religion als Privatsache ohne öffentliche Relevanz. Die Verbindung unverfügbarer privater Gewißheiten mit deren gleichzeitiger öffentlicher Relevanz würde zerrissen. Zudem verlöre die Kirche als Zersplitterung von Kleinkirchen ihre Sozialisationsfähigkeit. Stärkung und Autonomie der landeskirchlichen Gemeinde sind für Niebergall die Lösung und bilden den Rahmen für Handlungsermöglichung zum Glauben. Die ideale Gemeinde vollbrächte durch ihre Liebes- und Seelsorgetätigkeiten Vermittlung des Glaubens und ermögliche religiöse Identitätsbildung aus dem Bewußtsein der Rechtfertigung mit Hilfe des Wortes in Form von Lehre, Persönlichkeiten und Gestaltung. Der Schwerpunkt liegt dabei auf der Gestaltung und der Persönlichkeit. Dazu sei diejenige Gemeinde fähig, die infolge des calvinistischen Ideals die sog. Laien möglichst stark in die Arbeit miteinbeziehe und gleichzeitig durch Konstitution eines Gemeindegefühls als Heimatgefühl sittliche und religiöse Bindung der Entwurzelten erreiche. So verbessere sie die Voraussetzungen für die Wirksamkeit des Wortes. Volkskirchliche Zwanglosigkeit und Freiheit in ihr seien gleichzeitig hilfreich für den Einfluß in weite Volkskreise hinein. Die congregatio sanctorum als Gemeinschaft der lehrenden, einen Ort gestaltenden und Gottesdienst feiernden Persönlichkeiten ist das Subjekt der Handlungen, die Niebergalls praktische Theologie thematisiert. Niebergall verhindert mit seiner erziehungstheoretischen Bestimmung des Kirchenbegriffes als Gemeindebegriff einen Klerikalismus genauso wie eine subjektlose, hypostasierte Kirche. Abstraktion oder Amtszentrismus disqualifizieren sich aufgrund ihrer Mängel in bezug auf die Funktion der Kirche, Menschen zum Glauben zu beeinflussen. Erst die aktive Mitarbeit der zu Erziehenden befähigt die Gemeinde dazu, da die Gemeinde als Objekt nicht in der Lage ist zu lernen, sondern nur als Subjekt. Die Ortsgemeinde - in der genannten Definition als congregatio sanctorum - überwindet die Abstraktion wie auch die Ämterfixierung und kann, durch die persönlichen Kräfte gestaltend, lehrhaft Menschen zum Glauben beeinflussen. Allerdings wird hier auch ein Problem deutlich. Ohne konkrete Persönlichkeiten wird die von Niebergall als Erziehungsarbeit verstandene Funktion der Kirche für die Welt stark geschwächt. Die in seinem Erziehungsbegriff liegende Bindung der Beeinflussung an das Wort als Lehre, Persönlichkeit und Gestaltung bedarf der Ergänzung durch eine Institutionentheorie, in der diejenigen Aufgaben und Möglichkeiten der Kirche bestimmt werden, die über das Handeln einzelner Persönlichkeiten hinausgehen bzw. die die medialen Strukturen kirchlicher Arbeit in einer von Informationen überfluteten

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Gesellschaft aufarbeitet. Die Gemeinde tritt dort in Erscheinung, wo es um die konkrete Begegnung mit Persönlichkeiten, deren Lehre und deren Gestaltung geht, und sie ist der Ort, an dem solche Persönlichkeiten erwachsen können. Was geschieht jedoch mit denjenigen Menschen, die, aus welchen Gründen auch immer, ihren zwischenmenschlichen Kontakt zur Gemeinde verloren haben und Kirche überwiegend medial wahrnehmen? Damit auch hier die Gemeinde Inhaberin der Kräfte und Trägerin der Arbeit bleibt, sind Überlegungen über mediale Vermittlung von Lehre, Gestaltung und Persönlichkeit nötig. Gleichzeitig ist Niebergalls Programm in einem anderen Zusammenhang anfällig. Es lebt davon, daß allein die Selbsttätigkeit lebendige und von der Religion Christi durchdrungene Persönlichkeiten hervorbringe. Selbsttätigkeit setzt jedoch Raum für selbstbestimmtes Handeln bereits voraus. Hier müßten nicht nur diejenigen Kapazitäten, die sich heute in Arbeitswelt und Freizeitstreß verschleißen, neu orientiert und aus äußeren und inneren Zwängen befreit werden, sondern auch innerkirchliche Kompetenzstreitigkeiten müßten abgebaut werden, damit Kirche als Gemeinde wieder als Raum der Freiheit wahrgenommen wird und die realexistierende Kirche das vorauslaufende Subjekt kirchlichen Handelns werden kann. Erst wenn die Kirche angstfreier Raum ist, kann die Gemeinde ihr eigenes Mittel sein und zugleich als gegebene Gemeinde auch das nachlaufende Objekt des eigenen erzieherischen Handelns. Abschließend ist also festzuhalten, daß Niebergall den Erziehungsbegriff zum Mittelpunkt seiner Überlegungen macht, die auf seiner grundlegenden Auffassung des menschlichen Lebens vor Gott als lernendes Leben fußen. Dieser Gedanke legt den Zusammenhang zwischen dem Handeln Gottes und dem Handeln der Menschen als aufeinander bezogenes Erziehungshandeln dar und hat mindestens drei Konsequenzen: 1. Das kirchliche Handeln in trinitätstheologischer Fundierung setzt das Handeln Gottes als Erziehungshandeln fort. 2. Weil Niebergall so die praktisch-theologische Arbeit als reflexive Praxis versteht, verschiebt sich das Theorie-Praxis-Problem auf eine pädagogische Frage und öffnet damit die Praktische Theologie in Richtung auf die pädagogischen Wissenschaften, die Humanwissenschaften. 3. Der Erziehungsgedanke strukturiert durch seine Anbindung an die Trias Zweck - Mittel - Zustand auch den Aufbau der Praktischen Theologie als Erarbeitung aller drei Elemente. Gleichzeitig hat Niebergalls besonderes Erziehungsverständnis (als Vermittlung von Wert und Wille - für praktisches Handeln - durch eindringliche Erlebnisse) mindestens drei weitere Konsequenzen:

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1. Die glaubende Persönlichkeit tritt in den Mittelpunkt des Interesses, denn über das Phänomen Erlebnis/Schlüsselszene ist die Vermittlung und Annahme von Wert und Wille durch eine Person an ein konkretes menschliches Gegenüber gebunden. Hier haben sich bis heute entscheidende Dinge geändert, denn Erlebnisse bzw. Schlüsselszenen werden heute weit häufiger als in Niebergalls Zeit medial vermittelt, und es bedarf einer kirchlichen Einflußnahme auf diese Medien, wenn sein Konzept heute konsequent weiterverfolgt werden soll. 2. Das wechselseitige Einflußgeschehen von Individuum und Gemeinschaft wird bei Niebergall zentrales Thema. Hier ergeben sich durch die Veränderungen der Gesellschaft neue Inhalte und Perspektiven, ebenso durch die weitergehende Forschung im Bereich der Subjektkonstitution. 3. Die methodischen Fragen gewinnen besondere Bedeutung. Die Strukturen der Mittel als Wort, Persönlichkeit und Gestaltung der Umwelt bringen allerdings inkonsequenterweise nicht die Handlungsfelder hervor. Diese Inkonsequenz wäre heute neu aufzuarbeiten. Wenn nun abschließend Niebergalls Konzept mit den Konzepten Nitzschs und v. Zezschwitzs verglichen wird, dann soll es unter der Fragestellung dieser Arbeit geschehen: Wie hat sich eine Verschiebung des Kirchenbegriffes auf die Konzeption ausgewirkt. Hierbei sind drei Ebenen zu unterscheiden: A: Die Bestimmung des Kirchenbegriffs als Gemeindebegriff B: Die Fokussierung auf die Persönlichkeit C: Die aus beidem resultierenden neuen Methoden Dabei ist - wie schon bei den vorherigen Konzepten - nicht zu klären, welche Ebene in Niebergalls Konzept nun ursächlich für eine andere ist. Prägt der Kirchenbegriff den Persönlichkeitsbegriff oder umgekehrt? Es ist aufgrund der gegenseitigen Abhängigkeiten schwierig zu klären, was primär und was sekundär ist. Aber ich halte das von Niebergall lebhaft beschriebene Bild der lebendigen Gemeinde und den Ansatz des kirchlichen Handelns als Erziehungshandeln für elementarer und wirkmächtiger als die komplexeren Probleme des Persönlichkeitsbegriffes. Zudem hat Niebergall schon in seiner programmatischen Betitelung besonderen Wert auf den unterschiedenen Kirchenbegriff, auf die Funktion der Kirche als Bildungsinstitution und auf die neuen Methoden gelegt. Die Persönlichkeit wird erst später eingeführt. Und Niebergalls Überlegungen über die Praktische Theologie haben ihre Wurzel primär in dem Interesse, das Handeln der Kirche, auch wenn man sie als Gemeinde versteht, durch die neue Methodik positiv zu beeinflussen. Dieses

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primäre Interesse setzt die folgenden Überlegungen über die Persönlichkeit frei, die dann allerdings wieder auf den Kirchenbegriff rückwirken. Unstrittig ist meiner Ansicht nach, daß die dritte Ebene der konkreten Methodenerarbeitung erst aus den beiden vorhergehenden Problemkomplexen abgeleitet wurde, allerdings mit dem nun neuen Impetus, sie seien das wesentlich Neue an Niebergalls Entwurf.

A: Die Bestimmung des Kirchenbegriffes als Gemeindebegriff 1. Gemeinde statt Kirche Die Unterschiede der Kirchenbegriffe Niebergalls, Nitzschs und v. Zezschwitzs sind schon im vorherigen Kapitel deutlich geworden. Klar dürfte dabei geworden sein, daß sowohl für Nitzsch wie auch für v. Zezschwitz die Definition desjenigen Subjektes, dessen Handeln Niebergalls Praktische Theologie beschreibt, defizitär wäre. Für Nitzsch wäre eine Aufspaltung des Gesamtphänomens Kirche in Gemeinde und Landeskirche nicht sinnvoll: "Das Subject dieser kirchlichen Ausübung des Christenthums ist der ersten Potenz nach weder der einzelne Christ als solcher noch der Kleriker, sondern eben die Kirche, oder die zuerst und im Allgemeinen nur von Christi Stiftung und Amt abhängige Gemeine in der Selbigkeit und Allheit ihrer Mitglieder, es sei daß sie in dem protensiven Existentwerden oder in der extensiven Einheit gedacht werde, es sei daß sie Versammlungsweise und allseitig oder gegenseitig oder einseitig und durch Individuen handle." 3

Unter diese Definition fallen sowohl die Landeskirche wie auch die Gemeinde. Und dieses Gesamtphänomen unterliegt dann der Überprüfung nach Tatsächlichkeit und Norm sowie der daraus resultierenden Mittel. Keinesfalls jedoch dürfte man der Gemeinde oder Landeskirche einen Hang zu einem der drei Elemente der teleologischen Trias unterstellen. Die Differenzierung Niebergalls und ihre tendenzielle Zuordnung passen nicht in Nitzschs Konzept. Niebergall ordnet die Kirche den Tatsächlichkeiten zu, während die Ortsgemeinde als Norm, Tatsächlichkeit und Mittel untersucht wird. Damit reduziert Niebergall seine eigenen strukturellen Möglichkeiten unnötig. Auch die über die Ortsgemeinde hinausreichenden "Teile" der Kirche sind in bezug auf ihr Ideal und ihre Mittel bedenkenswert. Auch für v. Zezschwitzs Konzept wäre ein solches Auseinanderdividieren der kirchlichen Ebenen nicht tragbar.

3

Nitzsch: PTh I, S. 15.

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Niebergall nutzt seine Unterscheidung dazu, die Verantwortung für die problematischen Zustände den Tatsächlichkeiten der Landeskirche und dem für diese verantwortlichen Kirchenregiment des Staates zuzuschieben, um demgegenüber die neutestamentlich und ethisch legitimierte Funktion der einzelnen Gemeinde als Ort der Persönlichkeitsbildung hervorzuheben. Damit ergeben sich zwei weitere Momente: er will zum einen mit dieser Differenzierung erreichen, daß die landeskirchliche Ebene durch die Gemeinde als Norm kritisiert werden kann. Diese Kritik stellt ja den wesentlichen kirchenpolitischen Impuls Niebergalls dar. Sie kommt jedoch nur wenig zum Zuge, da das Problem der Normativität neben der Beschreibung der Tatsachen verblaßt. Zum anderen stellt der Rückzug auf die Gemeinde den Versuch dar, auch die Gesamtkirche als Bildungsinstitution wieder auf ihre eigentliche Aufgabe zu verweisen, nämlich nicht ihre Schäfchen zu versorgen, sondern durch sog. religionswissenschaftliche Methoden sie wieder instand zu setzen, sich selbst als Gemeinde und Gesamtkirche zum Subjekt und Objekt ihrer eigenen Bildungsarbeit zu machen. 2. Refunktionalisierung: Bildungstheorie und Motivation statt Versorgung Die Rückbesinnung auf den Bildungsauftrag der Kirche führt dazu, daß die Funktion der Kirche gegenüber dem Entwurf v. Zezschwitzs wieder in den Vordergrund tritt. Das Ziel kirchlichen Handelns strukturiert den Gesamtaufbau der Kirche wie der Praktischen Theologie und setzt Überlegungen über die möglichst effektive Umsetzung des kirchlichen Auftrages frei. Interessant ist dabei im Gegensatz zu v. Zezschwitz, daß zwar eine Bestimmung des kirchlichen Auftrages über die Trinitätstheologie geschieht, aber eben nicht in zeitlich sich ablösenden Phasen, sondern über eine kategoriale Unterscheidung. Sie kann die Probleme zeitlicher Strukturierung, wie sie bei v. Zezschwitzs Differenzierungen offenkundig waren, vermeiden und ist darüber hinaus sachlich angemessener. Das Ziel kirchlichen Handelns ist für Niebergall die Persönlichkeitsbildung. Praktische Theologie thematisiert deshalb das Handeln der Kirche so, daß sie es als Erziehungshandeln - des Geistes durch das Wort - versteht. Über die Bestimmung des kirchlichen Auftrages werden weitere Subziele, die die Persönlichkeitsbildung ermöglichen sollen, freigesetzt: 1. Persönlichkeitsbildung geschieht durch Erziehung zum Glauben. Subziel 1 der Praktischen Theologie ist somit, sich als religionswissenschaftliche

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Bildungstheorie zu entwickeln und die Kirche als religiöse Bildungsinstitution zu verstehen. 2. Persönlichkeitsentwicklung geschieht in dazu zu erziehenden Gemeinden. Subziel 2 ist damit die Umstellung kirchlichen Handelns von einer Versorgungsstruktur lutherischer und römischer Prägung zur Motivationsstruktur idealer Gemeinden, wie Niebergall sie vor allem in der reformierten Tradition stehen sieht. 3. Die Motivationsstruktur ist dann Ausgangspunkt für vielschichtige Überlegungen über das Mittel, diese Motivation in idealen Gemeinden zu erreichen: Subziel 3 ist damit die praktisch-theologische Bestimmung eines funktionierenden Mittels. Hier stellt Niebergall das Wort in seinen drei Erscheinungsformen Persönlichkeit, Lehre, Gestaltung in den Mittelpunkt. Deutlich ist damit die Einheit der Praktischen Theologie im Gegenstand, wie sie v. Zezschwitz favorisierte, aufgehoben und wieder in den Bereich der Zieloption gerückt. Diese Umstellung hat noch eine andere Folge. Weil Niebergall den Gegenstand nicht zum Konstitutivum macht, muß er ihn nicht wie v. Zezschwitz fast kosmologisch weit bestimmen, sondern kann ihn als Ortsgemeinde eng festlegen. Obwohl Niebergall Kirche vor allem als Ortsgemeinde versteht, verliert er die größeren Bezüge nicht aus den Augen, was der Offenheit des Ansatzes sehr zugutekommt. Zugleich braucht er auch keine prinzipielle Gegenüberstellung von Kirche und Welt zu postulieren wie v. Zezschwitz. Die Besinnung auf die Funktion der Kirche für die Welt setzt eine völlig gegensätzliche Beurteilung des Verhältnisses der Kirche zur Welt frei. Das Kirchenverständnis Niebergalls ist der Welt bewußt offen zugewandt, während v. Zezschwitz die Unterschiede und die Gegenüberstellung betonte. Auch hier sind sich Nitzsch und Niebergall wieder wesentlich näher. Die Orientierung an der Funktionalität wirkt sich leider nicht bis in die Handlungsfelder aus, und Niebergall ist dort zudem einer konsequenten Systematisierung durch das Wort nicht nachgegangen. Diese Inkonsequenz entspringt zwar seiner grundsätzlichen Zurückhaltung gegenüber jeglicher Systembildung, doch hätte Niebergall die Funktionalisierung und Systematisierung auch auf die Handlungsfelder ausdehnen sollen. So wäre eine wirkliche Offenheit auch für neue, moderne Anforderungen an die kirchliche Praxis zustande gekommen, die über die Ortsgemeinde hinausgegangen wären. Der Gedanke, daß durch das Wort - in seinen drei Erscheinungsweisen als Persönlichkeit, Lehre und Gestaltung - erzogen wird, hätte dazu führen können, Überlegungen über die von Nitzsch noch politica sacra genannten Fragen der kirchlichen Verwaltung und der Kirchenpolitik mit einzubeziehen. Hier blendet Niebergall durch seine pastoraltheologisch anmutende Reduktion auf die Praxis der Ortsgemeinde die neuen Möglichkeiten aus, die sich dann

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gerade auch aus der neuen Lage nach dem Weltkrieg zwingend ergeben haben.

3. Eigenständigkeit der Praktischen Theologie statt Teil des gesamttheologischen Organismus Die Einschränkung des Kirchenbegriffs auf einen Gemeindebegriff, der die Funktion der Gemeinde in den Vordergrund stellt, hat auch zur Folge, daß die Stellung der Praktischen Theologie innerhalb der Theologie auf andere Weise bestimmt wird, als dies bei Nitzsch geschah. Ungeachtet des gemeinsamen funktionalen Ansatzes unterscheiden sich Niebergalls und Nitzschs Ansätze in ihrer enzyklopädischen Motivation. Während Nitzsch bewußt die Bestimmung Schleiermachers, daß Theologie eine positive Wissenschaft sei und deshalb die Einheit der Theologie wie der Praktischen Theologie in der Funktion läge, mit dem Ziel aufgreift, die Praktische Theologie gegenüber der Ethik und der Pastoraltheologie zu etablieren, werden solche Überlegungen von Niebergall erst gar nicht angestellt. Der umkämpfte Raum der universitären Welt wird verlassen, und es wird innerkirchlich argumentiert. Die Praktische Theologie ist etabliert und gewinnt ihre Funktionalität nicht über die Bestimmung als eine spezifische Art von Wissenschaft, sondern weil die Kirche als Gemeinde eine Funktion hat und die Praktische Theologie sich - binnenkirchlich gesehen - selbstverständlich auf diese kirchliche Funktion bezieht und das kirchliche Handeln kritisch zu begleiten hat. Unterstützt wird diese Haltung durch Niebergalls Einschätzung, daß allein dann ein funktionaler Ansatz zu rechtfertigen sei, wenn auch der Gegenstand, mit dem sich eine Wissenschaft beschäftigt, selbst funktional zu verstehen ist. Aus der funktionalen Systematisierung der Kirche resultiert ihre eigene Einheit - und damit auch die analog funktionale Systematisierung der Praktischen Theologie und deren Einheit. Die mangelnden enzyklopädischen Überlegungen haben jedoch gleichzeitig zur Folge, daß das Verhältnis von Ethik und Praktischer Theologie bei Niebergall ungeklärt bleibt, genauso wie die gesamte Struktur der Theologie als Organismus und der Platz der Praktischen Theologie in ihr. Durch die Bestimmung der Kirche als ethische Gemeinschaft statt als Bekenntnisgemeinschaft wird sowohl der Versuch v. Zezschwitzs aufgegeben, die Theologie als das reflektierte Wirklichkeitsverständnis einer Gruppe zu verstehen, in dem dann die Praktische Theologie ihre spezifische Funktion hat. Gleichzeitig wird so aber auch die bei Nitzsch geltende Unterscheidung der Ebenen von

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ethischem Handeln und Handlungsermöglichung durch den Glauben fallen gelassen. Niebergall integriert über den Kirchenbegriff als Ethikgemeinschaft und über den Gedanken der Kompetenzgewinnung durch Mitarbeit die Ethik in die Praktische Theologie. Ethik wird ganz explizit auf das Werturteil der Persönlichkeit zurückgeführt. Damit wird die Persönlichkeit zur Verbindung beider ursprünglich unterschiedener Disziplinen, weil das Handeln der Persönlichkeit (Ethik) auf ihre kirchliche Bildung (Praktische Theologie) zurückgeführt werden kann. Diese Bestimmung steht noch in Übereinstimmung mit Nitzsch. Gleichzeitig ist aber im Gefolge des Gedankens, daß Mitarbeit kompetent macht, auch die Ethik in Form von Sozialisation und Persönlichkeit Voraussetzung für kirchliche Bildung. Ethik und Praktische Theologie beginnen zu verschmelzen. Mit der Integration der Ethik in die Praktische Theologie über den ethisch geprägten Persönlichkeitsbegriff erreicht Niebergall, daß die Voraussetzung für das Handeln, die Handlungsermöglichung, zwar im Gegensatz zum Konzept v. Zezschwitzs wieder Thema wird. Allerdings hat die gegenseitige Verbindung von Ethik und Praktischer Theologie im Persönlichkeitsbegriff den enzyklopädischen Nachteil, daß Überlegungen über das Verhältnis von Praktischer Theologie zur Pastoraltheologie in dem untersuchten Werk Niebergalls vernachlässigt werden. Damit werden jedoch auch die gesamttheologisch notwendigen Überlegungen zur eigenständigen Bedeutung der theologischen Ethik und Sozialethik erschwert. Deutlich wurde an der Reduktion des Kirchenbegriffs auf den Gemeindebegriff und dessen Konsequenzen (Refunktionalisierung, Eigenständigkeit der Praktischen Theologie), daß weitere Überlegungen in bezug auf das kirchliche Handeln nun auf den Persönlichkeitsbegriff zulaufen und sich über ihn weitere Unterschiede des Konzeptes gegenüber den Konzeptionen Nitzschs und v. Zezschwitzs ergeben.

B: Die Fokussierung auf die Persönlichkeit 1. Persönlichkeitstheorie statt Handlungstheorie Der auffälligste Unterschied der Praktischen Theologie Niebergalls gegenüber v. Zezschwitzs Konzept ist die Besinnung auf die schon von Nitzsch untersuchten Elemente, die dem Kirchenbegriff vorangehen: das Handeln und das Subjekt. Niebergall steigt nicht wie v. Zezschwitz quer in Nitzschs Ansatz ein, um den Kirchenbegriff als Bezeichnung dessen zu klären, was das Sub-

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jekt kirchlichen Handelns sei, sondern Niebergall will wie Nitzsch elementar beginnen. Die Frage nach der inhaltlichen Füllung des Subjektes Kirche bei Nitzsch, die v. Zezschwitz vorrangig beschäftigte, wird bei Niebergall über die typologische Beschreibung der Tatsächlichkeiten beantwortet. Die Differenz zu Nitzsch besteht darin, daß Niebergall statt am Handlungsbegriff am Persönlichkeitsbegriff ansetzt. Damit verwandelt sich Nitzschs handlungstheoretischer Ansatz, der offen war für das Handeln Einzelner wie das von Gruppen oder der Kirche, in einen auf den Einzelnen beschränkten, subjekttheoretischen Ansatz. Dadurch treten Verengungen auf, die auch dadurch nicht aufgehoben werden können, daß Niebergall die Persönlichkeit eng mit der Gemeinschaft verbindet. Niebergall versteht das einzelne Subjekt als Ansatzpunkt seiner Handlungstheorie und thematisiert und charakterisiert es eingehender als Nitzsch. Für Niebergall ist das Subjekt in seinem Ideal der Hoffnung die glaubende Persönlichkeit in einer neue Persönlichkeiten ermöglichenden Gemeinschaft. Die Subjektkonstitution als religiös motivierte Identitätsbildung wird ins Zentrum der Überlegungen gestellt. Nitzsch und Niebergall unterscheiden sich dabei neben den schon genannten Unterschieden auch im Persönlichkeitsbegriff selbst, weil für Niebergall Persönlichkeit mehr meint, als der bei Nitzsch durch Glauben befreite, damit handlungsfähige und insofern gebildete Mensch. Für Niebergall sind sittliche und charakterliche Eigenschaften mit dem Begriff Persönlichkeit unmittelbar verbunden. Zwar treten die sog. Verhärtungstendenzen im Persönlichkeitsbegriff (H. Luther 4 ) in der Praktischen Theologie von 1918/19 gegenüber seinen sonstigen Veröffentlichungen zurück, und die Frage der Interdependenzen zwischen Persönlichkeit und Gemeinschaft wird stärker betont, aber trotzdem meint Niebergalls Persönlichkeit mehr als der handelnde Einzelne bei Nitzsch. Es liegt hier nahe, in Niebergalls reformiertem Gemeindebild eine Tendenz zu sehen, Sittlichkeit und Frömmigkeit so eng zu verbinden, daß Werk und Person verschmelzen. Damit wiederholt sich hier im Persönlichkeitsbegriff die schon unter enzyklopädischer Perspektive beschriebene, mangelnde Trennschärfe von Ethik und Praktischer Theologie. Damit treten jedoch Probleme auf, die schon Martin Luther in seiner Problemanzeige zur Verbindung von Glaube und guten Werken beschrieben hatte. Der Glaube, so Luther in seiner Vorrede zum Römerbrief, "ist ein göttlich werck in uns, das uns wandelt und new gebirt aus Gott" 5 , ist ein Ge-

4 5

Luther: Religion, S. 177. Luther, M.: Aus der Bibel 1546. Vorrede auf die Epistel St. Pauli an die Römer, in: W A D B 7, S. 11, Z. 6-8.

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schehen, das den Menschen "von Christus her konstituiert und identifiziert" 6 . Durch diese neue Subjektkonstitution wird der Mensch handlungsfähig. So folgen aus dem Glauben selbstverständlich gute Werke als seine Früchte: "opera sequuntur iustificationem fidei" 7 bzw. "Opera enim non faciunt bonum, sicut nec fructus faciunt bonam arborem, sed fructum facit bona arbor et bonum opus facit vir bonus." 8 Die beiden Grundkonstanten einer Handlung, die Deutung der Wirklichkeit und die Gestaltung derselben, werden von Nitzsch, v. Zezschwitz und Niebergall unterschiedlich gewichtet. Während für Nitzsch und v. Zezschwitz der Schwerpunkt auf der Vermittlung von Deutungsmöglichkeiten lag, die Gestaltung dann ermöglichten, knüpft Niebergall konkretes Gestalten an den Willen zur Mitarbeit an, das dann Kompetenz zur Deutung freisetze. Insofern kehrt sich das Verhältnis von Glaube und Werken zwar nicht völlig um. Aber Deutungskompetenz ist nicht mehr Voraussetzung für das Handeln. Somit bleibt innerhalb des kirchlichen Handelns die Glaubensdeutung auch nicht mehr Voraussetzung für die Ethik, sondern umgekehrt. Akademische Nachdenklichkeit in Glaubensfragen verliert so neben konkretem Machen an Bedeutung. Und Glaube und Ethik werden kaum noch unterscheidbar. Auch wenn Niebergall die Kirche als feiernde Gemeinschaft von Menschen mit bestimmbaren Werten versteht, definiert Niebergall die Kirche als eine Ethikgemeinschaft und schenkt der konkreten ethischen Gestaltung mehr Aufmerksamkeit als der ihr zugrunde liegenden, begrifflichen Deutung. Meiner Meinung nach liegt hier die Schwäche des Ansatzes, weil Niebergall durch die zu starke Betonung der vorausgehenden Sozialisation und der Mitarbeit - die Persönlichkeitsbildung über begriffliche und abstrakte Erkenntnis vernachlässigt und so einem wichtigen Teil der Persönlichkeitsvoraussetzungen zu wenig Beachtung schenkt, obwohl das seiner eigenen Intention widerspricht. Gleichzeitig wird dadurch das Ineinandergreifen intentionaler und funktionaler Bildung einseitig gewichtet, denn das Gleichgewicht von Erziehung zum Deuten und Erziehung zum Gestalten wird verschoben. Für Niebergall ist diese Verschiebung gewollt, sah er doch beide Elemente keineswegs im Gleichgewicht, sondern die Schwerpunktverlagerung durch die mangelhafte Gestaltungsleistung der Christen in der Gesellschaft geradezu herausgefordert. Fraglich bleibt dabei jedoch, ob seine Neubestimmung die Sache wieder ins Lot gebracht hat oder ob nicht vielmehr durch den erhöhten Handlungsdruck

6 7 8

Härle: Glaube, S. 53. Luther, M.: Resolutio disputationis de fide infusa et acquisita 1520, in: W A 6, S. 95, 6. Luther: Resolution, in: W A 6, S. 95, 15ff.

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unter Zurückdrängung der Deutungsleistung neue Gefahren - besonders der Gesetzlichkeit - heraufbeschworen werden. Aufgrund der Fokussierung auf den Persönlichkeitsbegriff und der Schwerpunktverlagerung auf die Gestaltung werden mindestens zwei miteinander verbundene Folgeprobleme aufgeworfen: der andersartige Glaubensbegriff und davon abhängig die Fragen der Vermittlung und Rezeption von Werten. Hierdurch ergeben sich weitere Unterschiede zu Nitzsch und v. Zezschwitz.

2. Unbewußte Wertschätzung statt begrifflicher Theologie Eine Annahme ist mit Niebergalls Kritik an der tatsächlichkeitsfernen, konfessionell bestimmten und historisierenden Praktischen Theologie eng verbunden: daß sich ihr gesamtheologischer Hintergrund - die begrifflich-universitäre Theologie, die er wesentlich im Bekenntnis kristallisiert sieht - als hinderlich für die Kirche erwiesen habe. Demgegenüber setzt er auf die ethisch orientierte Basisgemeinschaft der Ortsgemeinde, in der neben dem konkreten Handeln die unbewußte Wertschätzung gepflegt wird. Glaube ist ein ethisch-praktischer Begriff, der beschreibt, wie Menschen richtig auf das Handeln Gottes an ihnen reagieren: mit einer personalen Beziehung zu Gott, die in einem Lebensgefühl des Vertrauens und des Optimismus ihren Ausdruck findet (Quietiv - Motiv). Der Glaube ist ein Phänomen individueller Frömmigkeit und nicht kognitiv ausgerichtet. Niebergall trennt bewußte und begrifflich reflektierte Glaubensanschauungen des Verstandes von der unbewußten, aber existenziellen Wertschätzung ab, aus der dann erst kognitive Vorstellungen gewonnen werden. Der Schwerpunkt liegt auf der existentiellen statt auf der intellektuellen Bedeutung des Glaubens. Auch hier sind die Gestaltungen den Deutungen vorgeordnet. Die Differenzierung unmittelbarer und reflexiver Ebenen (Frömmigkeit Prinzipien - Theologie) als ein wesentliches Kennzeichen wissenschaftlicher Theologie soll dazu dienen, die ursprüngliche Frömmigkeit, die im Unbewußten läge, innerhalb des Ebenengefüges zielbewußt stärken zu können. Das unbewußt Kirchliche in Form verinnerlichter Werte sei auf der Ebene der Frömmigkeit eine legitime Ausdrucksform dessen, was Niebergall Glauben nennt. Gerade die unbewußte Wertschätzung verdiene größte Anerkennung. Kirchliche Sitten und Gewohnheiten zu stärken, ist das Ideal der Wirklichkeit. Unbewußte Wertschätzung unterscheidet sich vom reflexiven Wissen jedoch auch noch insoweit, als in ihm das Werturteil, das als Wertschätzung

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und als emotionales Vorstellungsgeschehen von Werten den Kern der Persönlichkeit bildet, gegenüber einem distanzierten Sachurteil überwiegt. Fraglich ist jedoch dabei, ob und wieweit unbewußte Wertschätzung der Überprüfbarkeit durch das Subjekt unterliegt. Die Frage nach der Benennung der Bilder und Vorstellungen und die kritische Distanz zur Tradition und eigenen Werteordnung wird bei Niebergall erschwert. Wenn die Handlungen zur Kompetenz führen, kann leicht die Normativität das Faktischen Raum greifen. Die Kritik an den Werten und die wichtige Distanz des Subjektes zu seinen eigenen Überzeugungen wird nur noch künstlich und im Nachhinein bearbeitbar, weil die Gestaltung der Deutung vorgeordnet wird. Kritik und Distanz oder klassischer formuliert meditatio und tentatio in Auseinandersetzung mit der Schrift - in eine unbewußte Provinz des Gemütes zu verlegen, scheint keine weise Entscheidung zu sein, kann beides doch nur in sehr bewußter Weise geschehen. Das Anliegen Niebergalls, die affektiven Impulse innerhalb eines Entscheidungsprozesses ebenfalls bearbeitbar zu machen, ist zwar keineswegs falsch. Und die daraus entstehenden Risiken versucht er ja auch mit Hilfe der Lehre als Ausdruck für begriffliche Benennung wieder zu integrieren. Das bei Niebergall zu recht stark ausgeprägte Interesse daran, wie denn eine Persönlichkeit und ihre Wertvorstellungen zustande kommen, führt ihn wieder zurück auf die vorauslaufende Bildungsleistung durch das Wort. Aber die Lehre wirkt neben der Gestaltung und der Persönlichkeit arg reduziert und künstlich. Niebergall unterschätzt letztlich mit seiner Nachordnung die auch emotionale Bedeutung der begrifflichen, kognitiven und systematisierten Glaubensvorstellungen der Überlieferung.

3. Vermittlung statt Erarbeitung Niebergall will die kognitiv-begriffliche Glaubensvermittlung - mit Hilfe der Übersetzung fremder, begrifflicher Überlieferung in eine verstehbare Sprache - durch eine persönliche, emotional-bildliche Vermittlung ersetzen, weil für ihn die Frage nach der Vermittlung und Rezeption von bereits erarbeiteten Inhalten im Vordergrund steht. Ausführlich beschäftigt er sich mit der Frage nach der Lehrbarkeit der Religion und nach den Mitteln zur Beeinflussung des Personzentrums, das er als Wille beschreibt. Diese Fragen werden sowohl bei Nitzsch als auch bei v. Zezschwitz weder so ausführlich beschrieben noch als so dringlich angesehen. Während v. Zezschwitz seine bildungstheoretischen Überlegungen weitestgehend in der Unterdisziplin der Katechetik

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thematisiert, ist bei Nitzsch die Frage nach der Vermittlung der Inhalte ein sekundäres Problem, die Erarbeitung der Inhalte selbst steht im Vordergrund. Für Nitzsch und v. Zezschwitz kam es darauf an, das normative Grundproblem zu lösen, d.h. die Frage nach der Legitimität kirchlichen Handelns zu beantworten. Für Niebergall kommt es vor allem darauf an, dasjenige, was sich als Norm durch seine Funktionalität bewährt hat, nun auch endlich in kirchliches Handeln umzusetzen. Das Problem kirchlichen Handelns wird somit aber auch aus dem Bereich der Wissensvermittlung in den Bereich der Willensbildung verlagert. Eine Verschiebung auf die Niebergall großen Wert legt und die er unterstreicht: Es ist bereits bekannt, was gut ist, nun müssen wir endlich dafür sorgen, daß es auch getan wird!

C: Die aus den Ebenen A und Β resultierenden neuen Methoden 1. Erlebnis statt Überlieferung Für Niebergall stellt sich damit vorrangig das Problem, die auf dem Gefühl basierenden, aber weitgehend unbewußt bleibenden Glaubens Vorstellungen in konkrete Handlungen umzusetzen. Zu dieser Vermittlung dient das Erlebnis. Aus den Überlegungen über den Glauben und die begriffliche Theologie resultiert, daß die persönliche Aneignung des Glaubens durch religiöse Erlebnisse die kognitiv orientierte, begriffliche Überlieferung verdrängen muß, die sowohl Nitzsch wie auch v. Zezschwitz vorausgesetzt haben. Die begriffliche Theologie der Überlieferung ist in den Augen Niebergalls für die Persönlichkeitsbildung ungeeignet, denn Erziehung geschieht nicht kognitiv, sondern emotional künstlerisch als Erweckung der im Menschen schlummernden Werte und Fähigkeiten. Wie schon beschrieben verschieben sich somit intentionale und funktionale Bildung. Niebergall ist dabei einem Problem ausgesetzt, daß alle Theorien der Religionspädagogik beschäftigen muß. Zwar ist der Glaube als existentielle Gewißheit letztlich unverfügbar, in der Definition Niebergalls wie auch in derjenigen Martin Luthers, aber er ist soziologisch gesehen offensichtlich auch vermittelbar. Hier versucht Niebergall nun Vorstellungen zu bieten, die selbst wiederum emotionale Szenen neu in den zu Erziehenden erzeugen. Dazu diene die ganze Bilder- und Vorstellungswelt des Christentums. Niebergall verneint eine Lehrbarkeit des Glaubens, aber er unterscheidet zwischen diesem unverfügbarem Glaubensgeschenk und vermittelbaren bzw. interpretierbaren Erlebnissen, die Religiosität und Glauben ermöglichen.

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Ein Erlebnis kann durch vermittelte Erlebnisse ermöglicht werden, Wertvorstellung durch vermittelte Wertschätzung. Persönlichkeiten leben die Wertschätzungen selbst und bieten geistliche Reize in Form von Szenen an, die für die Lebensbedürfnisse der Menschen Entscheidungen und Erziehung zu eigener Entwicklung ermöglichen. Sie tragen von außen heran, was dann in den zu Erziehenden einen Antrieb zu eigener Entwicklung auslöst. Gleichzeitig sind sie nicht nur sittliches Vorbild, sondern unsere Vorstellung von dem, wie die Persönlichkeiten seien, soll Identifikation mit den sie leitenden Werten hervorbringen. Das Erlebnis wird von Niebergall beschrieben als Durchbruch von theoretischem Wissen zu einer existenziellen Erkenntnis und Wertschätzung, als Offenbarungsgeschehen. 9 Dieses Ereignis des Geistes kann kontinuierlich oder punktuell oder erinnerungsfähig und damit wiederholbar geschehen10. Niebergall erweist sich hier als etwas theoriemüde, weil er über den Erlebnisbegriff nicht hinauskommt. Zwar sind Erlebnisse vorbereitbar, aber der Zusammenhang zwischen vermittelten Erlebnissen und damit eigentlich gewünschten Ergebnissen bleibt verhüllt. Hier liegt wie schon in dem Problem der unbewußten Wertschätzung ein weiteres Grundproblem Niebergalls. Die bildhafte Vorstellungswelt und die begriffliche Benennung der Bilder stehen nicht im Einklang zueinander. Die Vorstellungswelt der Bilder meint dabei zuerst den Glaubensgegenstand und dann das angemessene Medium, in dem der Glaube - innerpsychisch wie interpersonell - kommuniziert wird. Problematisch ist bei Niebergall, daß er keine schlüssige Theorie entwickelt, wie ein Erlebnis und das Klar- und Wahrwerden einer Gewißheit miteinander verbunden sind. Eine schlüssige Analyse des Erlebnischarakters und des Mediums der Offenbarung bietet E. Herms11. Ausgehend von seinen Überlegungen wird in bezug auf den Einsatz des Erlebnisses für die Werterziehung bei Niebergall deutlich, daß im Erlebnis Gefahren einer Vereinnahmung verborgen liegen, die dem Anliegen Niebergalls nach freier Persönlichkeit diametral widersprechen. Ausgehend von dem Ineinandergreifen mimetischer Indikatoren und der

9 10

"

Vgl.: Herms, Offenbarung, S. XVf u.ö. Vgl.: Niebergall: PTh I, S. 388: "Besonders spürbar ist er an seinen Wirkungen: wenn ein Choral durch eine Versammlung braust, wenn jemand im Sinn Jesu eine Anzahl von Menschen im Gemüt und Gewissen packt, wenn jemandem ein Wort der Schrift langsam oder plötzlich klar wird; oder wenn einer innere Stimmen des Trostes und der Mahnung vernimmt oder langsame Fortschritte auf dem Weg zu Gott und allem Guten macht; wo nur irgend etwas von dem Heil dem einzelnen Ich persönlich nahe kommt, ...". Herms: Sprache. Diese Ansätze müßten in der Praktischen Theologie noch weiter vertieft und konkretisiert werden.

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Benennung innerhalb eines kommunikativen Erlebnisses, das Niebergall zur Reizung der Erziehenden bieten will, entscheidet die Qualität der verbalen Interaktion (Benennung), ob die wegen ihrer durchschlagenden Wirkung eingesetzte mimetische Kommunikationsform nur der Vereinnahmung dient oder einen Impuls zu selbstverantworteter Entscheidung darstellt. Die Benennung "erlaubt die intersubjektive Artikulation der von allen Situationsteilnehmern gemeinsam erinnerten Handlungsmöglichkeiten und die Vorverständigung über die dann jeweils kooperativ zu realisierende Wahl." 12 , d.h. sie ermöglicht Freiheit. Übertragen auf die Einteilung der Beeinflussungsmittel bei Niebergall bedeutet dies: Ob ein zu Erziehender noch die Wahl hat, sich dem Eindruck eines Erlebnisses zu entziehen, sich zu distanzieren und sich eventuell gegen das Erlebnis zu entscheiden, wird erst dann ermöglicht, wenn neben den stark wirksamen Eindrücken der Persönlichkeiten und der Gestaltung eine so kräftig wirkende Benennung durch die Lehre erfolgt, daß die Erlebnisse auch anhand der Normen des Wortes kritisiert werden können. Insofern muß die Bedeutung des Gleichgewichtes zwischen Gestaltung, Lehre und Persönlichkeit noch einmal unterstrichen werden. Sich aufgrund schwindenden Einflusses der mimetischen Kommunikation zu bedienen, damit Wirkung erzielt wird, kann nicht die Lösung sein, weil Entscheidungsfreiheit untrennbar mit der Evangeliumsbotschaft verbunden ist. Zweierlei ist deshalb zu beachten. Zum einen, daß aufgrund der höheren Wirksamkeit der mimetischen Kommunikation die Bedeutung der begrifflichen Benennung gestärkt werden sollte. Zum anderen aber auch, daß verbale Kommunikation ebenfalls durch den starken Gebrauch von Konventionen mimetischen Charakter annehmen kann und umgekehrt unkonventionelle Erlebnisse diese Konventionen aufbrechen können. Begrifflichkeit ist insofern kein Garant für Freiheit. Ausgehend von diesen Überlegungen bleiben für die Gegenwart drei Impulse bedeutsam: 1. Die Frage nach einem wirksamen Mittel der Beeinflussung ohne Vereinnahmung. 2. Die Verbindung subjektiver Erfahrung mit überlieferter Erkenntnis. 3. Die Überprüfung kirchlichen Handelns in Form von Gestaltung, Lehre und Persönlichkeit auf eine anzustrebende Einheit von Lebensführung und Lebensdeutung.

12

Herms: Sprache, S. 241.

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Die Bearbeitung dieser drei Impulse über eine Problemanzeige hinaus kann hier nicht geleistet werden. Deutlich geworden ist aber, daß mit den Überlegungen Niebergalls eine gegenüber den Konzepten Nitzschs und v. Zezschwitzs neue Epoche eröffnet wurde. Wie Glauben dem Einzelnen vermittelbar wird, ohne sich auf die Selbstverwirklichungskraft des verbum externum zurückzuziehen, stellt ein bleibendes Problem dar. Der gesamte Komplex der Glaubensvermittlung durch Erlebnisse wird bei v. Zezschwitz und Nitzsch nicht thematisiert. Aufgrund der fehlenden Voraussetzung, daß ethisches Handeln zu unbewußtem Glauben und letztlich zu wirklicher Glaubensüberzeugung führe, setzen beide Konzepte bei einem durch das Hören des Wortes hervorgebrachten Glauben an, der aus der Überlieferung seinen Inhalt und aus diesem glaubwürdigen Inhalt sein Vertrauen gewinnt. Dieser Glaube führt, wie Martin Luther es beschrieb, mit gewisser Zwangsläufigkeit zu guten Werken. Das Vertrauen auf die Kraft der verkündigten Worte und auf die unmittelbare Zwangsläufigkeit von Erkenntnis zum Handeln ist hier größer als es bei Niebergall der Fall ist, der in konsequenter Differenzierung des Wortes die Worte durch unbewußte Reize der Sozialisation und Persönlichkeiten ergänzt wissen will.

2. Gegenwart statt Historie In engem Zusammenhang mit den Verschiebungen auf das Erlebnis steht ein Bedeutungswandel der Gegenwart. Niebergall greift für seine Konzeption die Programmatik Nitzschs wieder auf, die an Gegenwart und Zukunft besonders interessiert ist. Er greift sie auf, um sie gegen die historisierende Praktische Theologie v. Zezschwitzs und Achelis' einzusetzen. Insofern sind die Gegner Niebergalls gänzlich andere, als die, gegen die sowohl Nitzsch wie auch v. Zezschwitz arbeiteten. Im Gegensatz zu beiden Ansätzen sollen nicht mehr begrifflich-deduktive Systeme erarbeitet werden. Vielmehr soll deskriptive Empirie mit normativen Intentionen verbunden werden. Die Gegner Niebergalls waren politisch verstanden die Konservativen, die weiterhin in vormodernen Strukturen leben wollten. Hierin liegt durchaus auch eine politische Verbindung zu Nitzsch. Innerhalb der kirchenpolitischen Landschaft wendet sich Niebergalls Programm gegen eine Theologie der zeitlos eleganten Wahrheiten. Die gesellschaftlichen und kirchlichen Tatsächlichkeiten sollten stärker in den Blick kommen, weil jede Generation ihre Vorstellungen vom Handeln Gottes in ihrem Leben selbst explizieren soll. Durch den beschriebenen Modernisierungsschub hindurch sollten die sich bietenden Chancen für eine

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erneuerte volksnahe Christlichkeit genutzt werden, um moderne Persönlichkeiten in dieser modernen Gesellschaft zu ermöglichen. Interessant ist in diesem Zusammenhang ein wörtliches Zitat Niebergalls aus der Praktischen Theologie Nitzschs (Abb. 2). Niebergall will mehr deskriptive Tatsachenbeschreibungen aus der Gegenwart aufgreifen und legitimiert diese Entscheidung mit einem Hinweis auf Nitzschs vorrangiges Interesse an den Tatsachen. Niebergall weist darauf hin, daß sein Methodenaufbau der teleologischen Trias von Ideal, Tatsachen und Mittel in direkter Abhängigkeit von Nitzsch formuliert sei. Gleichzeitig legt er aber seinen Hauptschwerpunkt auf die Tatsachen und beruft sich dafür auf Nitzsch. Die Faktoren des Begriffs vom kirchlichen Tun sind immer Idee und Tatsache. Dem Urbild entspricht oder widerspricht die zeitliche Erscheinung. Die Bedingungen der Erscheinungen und des in ihnen zu verwirklichenden Begriffes sind nicht nur allgemeine, sondern auch wechselnde; z.B. volkstümliche; die Zukunft der Kirche ruht auf der Basis der Gegenwart, diese wird durch die Vergangenheitbegreiflich. Folglich gehört das e m p i r i s c h e Wahrnehmen und das Erklären des Gegebenen zur wahren Methode und Einteilung, und nicht nur der gegebene Standpunkt des Kirchenwesens muß ein Moment der Theorie werden, sondern auch jeder integrierende Teil der Tätigkeit durch Erkenntnis des Jetzt zu seinem Regulativ gelangen.

Abb. 2: Niebergall: Pr. Theologie I, S. 11.

Die Factoren des Begriffs vom kirchlichen Thun sind immer Idee und Thatsache; dem Urbild entspricht oder widerspricht die zeitliche Erscheinung; die Bedingungen der Erscheinung und des in ihr zu verwirklichenden Begriffs sind nicht nur allgemeine, sondern auch besondre, wechselnde z.B. v o l k s t ü m l i che; die Zukunft der Kirche ruhet auf der Basis der Gegenwart; diese wird durch das Vergangene begreiflich. Folglich gehört das empirische Wahrnehmen und das Erklären des gegebnen zur wahren Methode und Eintheilung, und nicht nur der gegebne Standpunkt des ganzen Kirchenwesens muß ein Moment der Theorie werden, sondern auch jeder integrirende Theil der Thätigkeit durch Erkenntnis des Jetzt zu seinem Regulative gelangen.

Abb. 3: Nitzsch: PTh I, §. 24.

Im Vergleich zu Nitzsch (Abb. 3) fallen im Zitat einige Details auf: Zum einen glättet Niebergall den Text orthographisch, was ein durchaus legitimes Verfahren ist. Dabei sind jedoch zwei inhaltliche Auffälligkeiten in den Text geraten. Niebergall spricht zum einen von den Erscheinungen (Plural), während Nitzsch den Singular benutzt. Hier kommt bei Niebergall eventuell

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die stärkere Betonung der empirischen Pluralität und Vielfalt gegenüber einer bereits reflexiv verarbeiteten Ebene der Erscheinung zum Ausdruck.13 Zum anderen ersetzt Niebergall das Vergangene durch Vergangenheit. Hier wird dieselbe Tendenz deutlich - allerdings in spiegelbildlicher Weise. Niebergall interpretiert Nitzsch's Ebene der einzelnen vergangenen Elemente bereits als reflektierte und interpretierte Gesamtheit. Diese beiden Punkte möchte ich nicht überinterpretieren. Aber es hat den Anschein, als ob Niebergall Nitzschs Praktische Theologie tendentiell liest wie schon v. Zezschwitz vor ihm, allerdings mit anderer Zielrichtung. Niebergall interpretiert Nitzsch als Vertreter einer modernen empirischen Praktischen Theologie, der leider eine Tendenz zur Historisierung hätte. Doch die Beurteilungen Niebergalls wie auch die v. Zezschwitzs sind nicht richtig. Trotzdem hat mindestens Niebergalls Interpretation eine starke Wirkungsgeschichte bis in die heutige Praktische Theologie hinein.14 Zu diesen textkritischen Details kommt nun allgemein hinzu, daß Niebergall das Zitat aus dem zweiten Unterpunkt von Nitzschs methodischer Trias, aus der empirischen Methode, zur Zusammenfassung der gesamten praktisch-theologischen Methodik Nitzschs proklamiert. Diese Beurteilung entspricht jedoch keineswegs Nitzschs Selbstverständnis. Hätte Niebergall z.B. mit § 25 einen anderen Unterpunkt der praktisch-theologischen Methodik zitiert, dann hätte dort gestanden: "Da eine Thätigkeit nur durch ihren Grund in Geist und Natur ... als Erscheinung verstanden oder gewürdigt... werden kann: so kommt es für eine Methodik der praktischen Theologie auf den theologischen Begriff von der Kirche zuerst und am meisten an, ..." .

Niebergall legt auf die empirische Methode zu Recht großen Wert, aber das System Nitzschs ist in dieser Einseitigkeit nicht richtig wiedergegeben. Vielmehr wird durch die einseitige Lesart Niebergalls Tendenz deutlich, Nitzsch als Vater der Empirie in der Praktischen Theologie zu interpretieren. Diese Interpretation kann jedoch wie die vorherige historisch-systematische Ontolo-

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Wie diese Erscheinungen zur Erscheinung werden, gibt Nitzsch gut in § 25 wieder: Erscheinungen werden zur Erscheinung, wenn sie in Zusammenhang mit ihrem Grund in Geist und Natur gebracht werden. D.h. erst durch ein reflexives Verständnis der Möglichkeitsbedingungen, Regeln und genetischen Zusammenhänge ergibt eine Deskription der Erscheinungen ein Gesamtbild der Erscheinung, das es möglich macht, in verantwortungsvoller Weise so auf die Erscheinung einzugehen, daß sie wirklich nach den gesetzten Zielen steuerbar wird. Vgl. die Beurteilung Nitzschs durch H. Luther und dann durch G. Otto, die beide ihre Beurteilung vom Urteil Niebergalls abhängig gemacht haben. Nitzsch: PTh I, S. 126.

Zusammenfassung und Vergleich

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gisierung des Kirchenbegriffs nur eine einseitige Lesart der Konzeption Nitzschs sein. Alles in allem wird Niebergalls Konzeption jedoch dem Ansatz Nitzschs gerechter als eine historisierende Praktische Theologie. Niebergall stellt zwar Nitzschs Aufgabenverteilung innerhalb der Theologie, die durch die zeitliche Perspektive strukturiert war, nicht wieder gänzlich her, aber er remoduliert sie und gibt der Gegenwart ihr Gewicht zurück. Das Übergewicht der historischen Perspektive in der Praktischen Theologie tritt wieder zurück. Ihre Aufgabe übernimmt wieder die historische Theologie. Es wird der Systematischen Theologie als Phänomenologie des Glaubens demgegenüber wenig Gegenwartsreflexion zugetraut. Diese Aufgabe soll die Praktische Theologie wieder selbst übernehmen, d.h. die Normbildung wird in die Praktische Theologie reintegriert. Allerdings wird der Ethik als Phänomenologie der Werke ebenso wenig zugetraut, die Tatsachenerfassung zu übernehmen. Besonders aus diesem Grund nimmt die Tatsachenbeschreibung bei Niebergalls Entwurf breiteren Raum ein als in der Praktischen Theologie Nitzschs.

3. Religionswissenschaft statt Geschichtswissenschaft Eng mit der Gegenwartsbedeutung der Praktischen Theologie ist dann auch deren interdisziplinäre Beziehung zu den Religionswissenschaften verbunden. Im Vergleich zu Nitzsch und v. Zezschwitz sind nicht mehr die historischtheologischen Wissenschaften die Partner der Praktischen Theologie, sondern nun die deskriptiven Religionswissenschaften, die Niebergall als religiöse Wirklichkeitswissenschaft versteht. Synonym gebraucht er auch den Begriff Psychologie. Psychologie ist der Überbegriff für all das, was heute mit Humanwissenschaften bezeichnet wird. In Verbindung mit dem Begriff der Religionswissenschaften wird der Gegenstand der Psychologie auf die Phänomene religiöser Anschauungen des Menschen begrenzt. Gleichzeitig erlauben es die in Kapitel IV. 1. beschriebenen Differenzierungen der Religionswissenschaften in Religionspsychologie und Religionsgeschichte, diachron und synchron sowohl individuelle als auch öffentliche Formen der Frömmigkeit zu erfassen und damit ihrer Aufgabe als Wirklichkeitswissenschaften umfassend nachzukommen. Insgesamt stehen die Stärken des Konzeptes Niebergalls in engem Zusammenhang mit der grundlegenden Konzeption Nitzschs. Der Entwurf Niebergalls stellt den Versuch dar, die Konzeption Nitzschs zu erneuern. Da Niebergall sich in wesentlicher Frontstellung gegenüber einer historisch und

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dogmatisch verfestigten Theologie sah, griff er zu Recht auf die grundsätzlich mit seinem Entwurf übereinstimmende Konzeption Nitzschs zurück, die er wie seine eigene Konzeption auf einer Bildungstheorie basieren sah. Praktische Theologie als Bildungstheorie zu verstehen und damit das Handeln der Kirche als Handeln einer Bildungsinstitution, führt konsequenterweise zu den weiteren Überlegungen bei Nitzsch wie Niebergall. Da Niebergall jedoch besonderes Gewicht auf die Gegenwart legte, glaubte er in Nitzsch bereits Tendenzen zu einer historisierenden Form der Praktischen Theologie zu spüren und interpretierte ihn deshalb einseitig. Über Nitzsch hinausgehend versuchte er angesichts des schwindenden Einflusses der Kirche und ihrer Lehre den modernen Erkenntnissen über die Rezeption der Werte durch Persönlichkeit und Sozialisation angemessene Bedeutung neben der Lehre einzuräumen. Ihm kommt also mit Sicherheit das Verdienst zu, gegenüber Nitzsch die Frage "Wie geht Religiosität, religiöse Erziehung und Rezeption eigentlich vor sich?" eindringlicher zu stellen. Niebergall versuchte, sie durch die Integration humanwissenschaftlicher Überlegungen über theoretische und praktische Lernvorgänge in die Praktische Theologie zu beantworten. Dadurch kommt der Einzelne stärker in den Blick als in der Praktischen Theologie Nitzschs. Wirklich gelungen ist darüberhinaus Niebergalls Verbindung von Phänomenologie und Differenzierungsfähigkeit. Zwar setzt die Deskription das Buch auch dem historischen Zerfall aus, denn die Phänomene haben sich verändert, aber die Zuwendung zu den konkreten Menschen und deren religiösen Anschauungen macht es möglich, die prinzipiellen, heute immer noch gültigen Problemstellungen in den Blick zu bekommen.

V. Ergebnisse und Konsequenzen Ist es überhaupt noch wünschenswert, die Praktische Theologie als System zu gestalten? Diese Frage war der Ausgangspunkt für die vorliegende Studie. Wenn man diese fundamentale Frage, die noch keine Aussagen über die Art und Weise der Systematisierung macht, positiv beantworten will, dann sind die in der Einleitung genannten, spezifischen Anforderungen an eine Organisierung der Praktischen Theologie hilfreich und sollten nicht vernachlässigt werden: 1. Erhalt der Spezialisierung und Professionalisierung auf einzelnen Gebieten. Erst die kritische Einarbeitung interdisziplinärer Erkenntnisse und Methoden erlaubt es der Praktischen Theologie, ihren komplexen und zugleich einheitlichen Gegenstand zu erfassen, ohne die Vielfalt der Situationen und Handlungen zu vernachlässigen. 2. Erhalt des Zusammenhangs mit den theologischen Schwesterdisziplinen. Die Einheit der Praktischen Theologie kann nur in der Einheit aller theologischen Disziplinen konzipiert werden. 3. Jede Konzeption der Theologie steht vor der Aufgabe, ein stimmiges, praktisches Gesamtziel theologischer Arbeit zu etablieren, in dem die Praktische Theologie ihren spezifischen Ort hat. Weitergehend stellt sich dann die Frage, ob eine Systematisierung, die sich als begrifflich-theologische Strukturtheorie etabliert und am Kirchenbegriff orientiert ist, zwangsläufig zu perspektivischen Verengungen führt und so an den elementaren menschlichen Vollzügen von Religiosität vorbeigeht. Wenn diese Frage verneint werden kann, d.h. wenn ein einheitsstiftendes Band einer dynamisch-stabilen Praktischen Theologie im Kirchenbegriff liegen kann, dann wäre es sinnvoll, die Bedingungen zu klären, unter denen der Kirchenbegriff seine Leistungsfähigkeit entfalten kann, und es sollte diejenige Fassung des Kirchenbegriffs bestimmt werden, die für diese Leistung erforderlich ist. Der Rekurs auf die ausgewählten Konzeptionen lieferte für die gegenwärtigen Debatten über die Konstitution der Praktischen Theologie und über die Notwendigkeit, Kirchentheorie als fundamentales Thema der Praktischen Theologie wie der Theologie überhaupt zu begreifen, einen durchaus wichti-

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Ergebnisse und Konsequenzen

gen Beitrag. Für sie alle steht außer Frage, daß ein jeweils spezifisch erarbeiteter Kirchenbegriff für eine kritische Beurteilung und Verbesserung kirchlichen Handelns unumgänglich ist. Dennoch sind ihre spezifischen Beiträge besonders durch ihre unterschiedlichen Zielrichtungen verschieden akzentuiert. Zum einen entstanden die Konzeptionen unter stark unterschiedlichen historischen Bedingungen, denen in dieser typologisch verfahrenden Studie programmgemäß nicht die volle Aufmerksamkeit geschenkt worden ist. Nitzsch schrieb seine Praktische Theologie 1847 vor dem Versuch der Revolution, v. Zezschwitz veröffentlichte seine Konzeption 1876 nach der Reichsgründung und Niebergall 1918 im Zusammenbruch dieser nationalen Idee. Andererseits sind die Autoren auch regional und konfessionell verschieden geprägt. Nitzsch sah in der jungen Union sein Vorbild und schrieb in preußischen Diensten. Von Zezschwitz arbeitete vorwiegend im bayerisch-sächsischem Raum und war durch die Konfessionalität des Luthertums, besonders der Erlanger Schule, beeinflußt. Niebergall wiederum wurde durch die rheinischen Reformierten geprägt und arbeitete an der reformiert ausgerichteten Universität Heidelberg. Zusätzlich haben alle drei unterschiedliche Nebeninteressen. Nitzsch interessierte sich neben der Theologie auch für die Pädagogik und die Ethik, v. Zezschwitz für die Ekklesiologie und die Geschichtswissenschaft, Niebergall für Pädagogik und Psychologie. Aus diesen Gründen widmeten sich die in dieser Studie untersuchten Konzeptionen unterschiedlichen Fragestellungen, die nicht kurzschlüssig auf die heutige Debatte zu übertragen sind. Nichtsdestoweniger kann die Aufarbeitung praktisch-theologischer Gesamtkonzeptionen, die am Kirchenbegriff orientiert sind, die heutige Debatte davon entlasten, bereits gemachte Erfahrungen noch einmal machen zu müssen. Aus den Fehlern und den Qualitäten der in dieser Studie bearbeiteten programmatischen Versuche können auch unter veränderten historischen Bedingungen wertvolle Einsichten gewonnen werden. Allerdings sollen hier die Detailfragen nicht noch einmal repetiert werden. Vor allem, weil sich Argumentationszusammenhänge nicht kürzen lassen, ohne daß Lücken entstehen, sollen hier nur die wichtigsten Ergebnisse und ihre Konsequenzen für die heutige Debatte in einen Argumentationszusammenhang gestellt werden. Er verläuft dabei nicht linear, sondern setzt teilweise schon voraus, was im späteren Verlauf expliziert wird. Diese Vorgehensweise läßt sich in einem organischen Ganzen nicht vermeiden. Ich möchte in diesem Argumentationszusammenhang die in der Einleitung aufgeworfenen Fragen, ob, unter welchen Bedingungen und in welcher Fassung der Kirchenbegriff die Funktion der praktisch-theologischen Systembildung übernehmen kann, im folgenden in der Form von Thesen und

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Problemanzeigen beantworten. Naturgemäß wird besonderer Wert auf die grundlegenden Thesen gelegt, die deshalb mit ausführlicheren Erläuterungen versehen sind als die aus ihnen folgenden Thesen. Die materiellen Unterfütterungen zu den Thesen und den Problemanzeigen können aus den genannten Gründen hier nicht noch einmal erfolgen, sie sind in den vorangehenden Kapiteln dieser Studie zu finden. Dies gilt ebenso für Anknüpfungsmöglichkeiten und Literaturhinweise. Anhand der Thesen und ihren Erläuterungen wird deutlich werden, daß die Orientierung am Kirchenbegriff und seine möglichst umfassende Erarbeitung und differenzierte Bestimmung nicht nur für die Konstitutionsdebatte der Praktischen Theologie sinnvolle Impulse liefern kann, sondern darüber hinaus auch imstande ist, die Relevanz der Praktischen Theologie für die kirchliche Praxis wieder sichtbarer zu machen. Gerade die Besinnung auf einen Kirchenbegriff mit explizitem Rückbezug auf reformatorische Einsichten läßt Wege zum Menschen neu entdecken. Gleichzeitig wird deutlich werden, daß Kirchentheorie nicht als kybernetische Theorie des Gemeindeaufbaus mißverstanden werden darf, sondern weitmehr als verbindende Funktion der Systematischen und Praktischen Theologie das fundamentale Thema aller praktisch-theologischen Disziplinen und zugleich aller theologischen Überlegungen überhaupt darstellt.

These 1: Theologie ist eine - im Sinne Schleiermachers - 'positive' Wissenschaft. Sie soll das Handeln der Kirche ermöglichen und hat sich deshalb am HandlungsbegrifT zu orientieren. Mit Recht hat H. Scholz die Orientierung der Theologie an einem ihr anvertrauten Aufgabengebiet durch F.D.E. Schleiermacher als bedeutenden Durchbruch bezeichnet. Dieser Durchbruch ist durch die Veränderungen des Selbstverständnisses der Wissenschaften bestätigt worden. 1 Die Akzeptanz wissenschaftlich theologischer Arbeit - und damit ihre Wirksamkeit über den akademischen Raum hinaus -gewinnt die Theologie über ihre praktische Relevanz für die Bewältigung von Praxisproblemen. Der vornehmliche Ort theologischer Praxis ist die Kirche als Gemeinschaft der Glaubenden, die verläßliches Nachdenken über ihren Glauben selbständig in die Hand nehmen und auch in die Hände dazu Berufener gelegt haben.

1

Vgl.: Herms, Selbstverständnis, bes. S. 359-379.

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Ergebnisse und Konsequenzen

"Von ihrem im neutestamentlichen Kanon greifbaren Anfängen an ist christliche Theologie faktisch die explizite Selbstreflexion des christlichen Glaubens, deren Ergebnisse stets die Doppelfunktion erfüllt haben, nach außen hin Rechenschaft über das Wesen des Glaubens zu sein, und nach innen Orientierungsinstrument für das praktische Leben, den praktischen Selbstvollzug des Glaubens." 2

Rechenschaft und Orientierung für die theologische Praxis der Kirche zu erarbeiten, ist die grundsätzliche Aufgabe der Theologie, die dadurch verantwortliches kirchliches Handeln möglich machen soll. Aufgrund des konkreten Auftrags ist die Theologie auf ein spezifisches Handeln bezogen. Deshalb muß der Handlungsbegriff expliziert und jeglicher enzyklopädisch-theologischen Überlegung zugrunde gelegt werden. Schleiermachers theologische Enzyklopädie, die sich durch eine spezifische Zeitperspektive auszeichnet, erfüllt diese Bedingungen. Für Nitzsch beginnen die Überlegungen zur Praktischen Theologie deswegen auch nicht direkt am Kirchenbegriff, sondern am Handlungsbegriff, der über die Erforschung der Handlungsermöglichung eng mit dem Bildungsbegriff verbunden ist. Nicht gleich am Kirchenbegriff zu beginnen, sondern sich aufgrund funktionaler Perspektiven dem Handeln wie auch seinen Ermöglichungsbedingungen zuzuwenden und gleichzeitig grundlegendes Handeln Gottes und antwortendes Handeln des Menschen zu unterscheiden, stellt eine wesentliche Errungenschaft der Konzeption von Nitzsch dar. Von Zezschwitz kommt dabei das Verdienst zu, auf die heilsgeschichtliche und eschatologische Perspektive menschlichen Handelns und auf die Vorläufigkeit menschlicher Lösungen verstärkt hinzuweisen, ungeachtet seiner leider zu stark futurisch-eschatologischen Tendenz. Niebergall verwandelt v. Zezschwitzs temporale Perspektive in eine kategoriale und integriert gleichzeitig den Sinn der Heilsgeschichte als Lernprozeß. Die bei v. Zezschwitz belastende historische Dimension wird allerdings nur in unzureichendem Maße berücksichtigt. Dadurch kommen die glaubens- und damit handlungsrelevanten Momente der Tradition zu kurz. Hier muß sich Niebergall kritisieren lassen. Insgesamt jedoch ergeben sich durch die Überlegungen über das grundsätzliche Verhältnis vom Handeln Gottes und Handeln der Menschen in allen drei Konzeptionen die fundamentalen Erkenntnisse über das Ziel theologischen Nachdenkens über den Glauben und den Gegenstand der Praktischen Theologie. Deshalb ist es problematisch, sich vom funktionalen Ansatz Schleiermachers abzuwenden und wie v. Zezschwitz die Theologie als kirchliche Philosophie, d.h. als reine Wissenschaft, anzusehen. Theologie gerät dann in die

2

Herms: Selbstverständnis, S. 379.

Ergebnisse und Konsequenzen

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Gefahr, nicht mehr durch das funktional einigende Band zusammengehalten zu werden, das das Handeln der Kirche erfaßt und verbessern soll, sondern durch ein einheitliches Subjekt. Eine nicht verengte Anbindung an kirchliches Handeln wird so stark erschwert. Die Folge kann eine Beschränkung kirchlichen Handelns auf das Handeln der Vertreter der Amtskirche sein. Ebenso ist es problematisch, daß aufgrund historischer und futurisch-eschatologischer Perspektiven das gegenwärtige und die nahe Zukunft entscheidende Handeln marginalisiert wird. Dies gilt ebenso für die Vernachlässigung der Überlieferung zwecks Formulierbarkeit des Glaubens. Glaube benötigt das überlieferte verbum externum, dessen gruppenkonstitutive Explikationen in den Bekenntnisschriften und den Reichtum des Nachdenkens vergangener Zeiten. Die Überlieferungen zu vernachlässigen, kann nicht nur für den Bestand der creatura verbi divini, sondern gerade auch für deren Handlungsfähigkeit nur schädlich sein.

These 2: Die Praktische Theologie hat sich in ein klares Verhältnis zur Ethik, besonders zur Sozialethik zu setzen. Die Unterscheidung verläuft innerhalb des Handlungsbegriffes und kann nicht durch eine Subjektunterscheidung vorgenommen werden. Theologische Ethik bzw. Sozialethik von der Praktischen Theologie zu unterscheiden, war das zentrale Anliegen von Nitzschs Konzept, aber auch desjenigen v. Zezschwitzs. Der Grund dafür liegt weniger in der wissenschaftstheoretischen Systematisierung oder in der universitätspolitischen Notwendigkeit zur Etablierung einer theologischen Praxisdisziplin, sondern vielmehr in der Nötigung, das sittliche Handeln als Gegenstand von seiner Ermöglichung zu unterscheiden. Geschieht diese Unterscheidung nicht, dann werden die Ermöglichungsbedingungen nicht gezielt förderbar. Kirchliches Bildungshandeln als Förderung gebildeter Innerlichkeit und innerer Struktur und damit als cura animarum will aber genau diese Ermöglichung leisten. Jede Praktische Theologie muß klären, wie sie sich zu diesem Verhältnis von Handeln und Handlungsermöglichung/Bildung durch die Kirche stellt. Was sittliches Handeln möglich macht, ist die zentrale Frage, die sich schon im Handlungsbegriff selbst sowohl von der ausführenden Tat, als auch von den Zielen des Handelns unterscheidet. Zu Recht wird innerhalb des Handlungsbegriffes überwiegendes Gestalten und handlungsermöglichendes überwiegendes Deuten unterschieden. In bezug auf die Unterscheidung zwischen Ethik und Praktischer Theologie ist festzuhalten, daß aus dem kirchlichen Handeln als überwiegendem Deutungshandeln und damit als cura animarum sittliches Handeln als Gestaltung erst erwachsen kann, wenn man

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Ergebnisse und Konsequenzen

sittliches Handeln als verantwortetes Handeln aufgrund gebildeter Innerlichkeit beschreiben will. Konsequenz dieser Unterscheidung ist damit aber auch, daß die Kompetenz kirchlichen Handelns Deutungs- und Kommunikationskompetenz ist. Diese Kompetenz bedarf der akademischen Ausbildung, allerdings mindestens ebenso der innerkirchlichen Anerkennung als akademischer Beruf. Pastorale Tätigkeiten sind wesentlich der verantwortlichen und kommunikablen Deutung der Wirklichkeit im Licht des Evangeliums verpflichtet. Erst in zweiter Linie kann dann das Gestalten selbst Auftrag der Kirche sein, das allerdings aus diesem Deutungshandeln mit gewisser Zwangsläufigkeit entspringt. Zugleich wird es möglich, mit Hilfe der Unterscheidung innerhalb des Handlungsbegriffes auch das wesentliche Anliegen einer Praktischen Theologie einzulösen, die an den religiösen Vollzügen des Einzelnen interessiert ist: der Einzelne kann über den Handlungsbegriff mindestens genauso in den Blick kommen wie Menschengruppen, die sich organisieren oder institutionalisieren. Nitzschs Ansatz ist deshalb keineswegs nur am Subjekt Kirche als Institution interessiert. Aus diesen Gründen ist es schwierig, eine Unterscheidung von Ethik/Sozialethik und Praktischer Theologie über das Subjekt der Handlung vorzunehmen, wie es v. Zezschwitz getan hat. Damit wird sowohl ethisches Handeln der Kirche wie auch kirchliches Handeln des Einzelnen stark erschwert, wenn nicht unmöglich gemacht, was schon in den Rezensionen der Konzeption v. Zezschwitz' vorgeworfen wurde. Wenn man eine Subjektdifferenzierung als Grenzkriterium wirklich ernst nimmt, wird es unmöglich, innerhalb der Praktischen Theologie auch den einzelnen Menschen in den Blick zu nehmen.

These 3: Die Praktische Theologie spitzt den Handlungsbezug zu, weil sie nicht nur kirchliches Handeln zum Ziel hat, sondern auch das kirchliche Handeln als Bildungshandeln in Form der cura animarum selbst zum Gegenstand einer differenzierten Gesamttheorie macht. Die Praktische Theologie nimmt die Ermöglichungsbedingungen zur Erlangung christlich sittlicher Praxis mit in ihren Gegenstandsbereich hinein, weil sie nicht nur die sittliche Praxis, sondern die kirchliche Praxis, die über die sittliche hinausgeht und für eine sittliche erst sorgt, als ihren Gegenstand erkennt. Das Handeln Gottes trinitätstheologisch als Erziehungshandeln zu deuten, daraus den kirchlichen Auftrag abzuleiten und wiederum aus dieser Bestimmung konsequent ein praktisch-theologisches Gesamtkonzept zu

Ergebnisse und Konsequenzen

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erarbeiten, ermöglicht es, das kirchliche Handeln als Gegenstand faßbar und damit verbesserbar zu machen. Dasjenige Handeln, das in der Praktischen Theologie thematisiert wird, die cura animarum, bedarf einer umfassenden Gesamttheorie, um den verlockenden Gefahren einer Simplifizierung, wie sie geschildert worden sind, nicht zu erliegen. Die Seelsorge als kirchliche Grundaufgabe darf etwa keineswegs als therapeutisches Proprium gedeutet werden, sondern als Bewältigung von Lebenssituationen durch realistische Einschätzung der eigenen Möglichkeiten im Rahmen der Praxissituation endlicher Freiheit. Und dazu bedarf es - wie schon gesagt - gebildeter Innerlichkeit. Die umfassende Theorie kirchlichen Handelns muß in sich in Abstraktionsebenen differenziert sein. Wie übereinstimmend bei Nitzsch und Niebergall gezeigt worden ist, sind 1. Frömmigkeit, 2. Kunstregeln und 3. Kunsttheorie zu unterscheiden. Die Praktische Theologie hat in sich Kunstregeln und Kunsttheorie zu erarbeiten. Es ist problematisch, die Praktische Theologie nur als praktische Verlängerung der Theologie zu betrachten. Sie soll keineswegs nur die in den übrigen Disziplinen erarbeiteten Erkenntnisse in die Praxis umsetzen. Dadurch käme es zu Verkürzungen. Die komplexen Ergebnisse der Gesamttheologie ergeben keine konkreten Handlungsanweisungen, Glaubensaussagen sind nun einmal keine Moralanweisungen.

These 4: Der Gegenstand der Praktischen Theologie ist religiöse Bildung als fundamentale Handlungsermöglichung durch das Rechtfertigungsgeschehen, das durch das Wort vermittelt wird. Damit sind der Gegenstand der Praktischen Theologie und die Funktion der allgemeinen Theologie deckungsgleich, die die Evangeliumsbotschaft der Rechtfertigung zu explizieren hat. Zu einer umfassenden Gesamttheorie kirchlichen Handelns gehört die Erfassung und Formulierung ihres Gegenstandes. Religiöse Bildung als fundamentale Handlungsermöglichung geschieht durch das Erleben des Rechtfertigungsgeschehens. Das Erleben von Rechtfertigung in Form der Annahme als Unannehmbarer durch Gott und damit auch als Selbstannahme jenseits allen Leistungsdrucks wird durch das Wort vermittelt, das in Form von interpretierter Überlieferung (Lehre), Persönlichkeit und konkreter Gestaltung an uns Menschen herantritt. Die Rechtfertigungsbotschaft des Evangeliums birgt in sich eine neue Identitätsermöglichung und ist von Paulus wie Luther explizit gegen eine

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Ergebnisse und Konsequenzen

Gesellschaft formuliert worden, in der das Leistungsdenken auch das Gottesverhältnis dominieren wollte. Das Rechtfertigungsgeschehen bewegt sich dabei im Spannungsfeld zwischen dem Handeln Gottes und dem Handeln des Menschen. Im Kern stellt es die Subjektkonstitution durch den Glauben innerhalb dieses Spannungsgefiiges dar. Der Glaube ist ein Geschehen, das in ein neues Sein stellt, das den Menschen "von Christus her konstituiert und identifiziert"3. Der Glaube, so Luther in seiner Vorrede zum Römerbrief, "ist ein göttlich werck in uns, das uns wandelt und new gebirt aus Gott"4. Versöhnung mit Gott kann deshalb von menschlicher Seite nicht erbracht werden, leben wir doch vor Gott nur durch seine Vergebung, die uns befreit und aufrichtet. Durch das Handeln Gottes als Glaubensstifter durch das Wort (Rom 10,17, sola scriptura) wird der Mensch als Glaubender in die Lage versetzt, sich selbst als ein neuer Mensch zu begreifen. Ein neuer Mensch wird der Glaubende dadurch, daß er durch Gottes Gnade (sola gratia) mit Christus (solus Christus) identifiziert 5 und so als Unannehmbarer angenommen wird. Konkret bedeutet dies, daß der Mensch als Sünder von Gott gerecht gesprochen und damit auch gerecht gemacht wird. Durch das Handeln des Menschen erfolgt dann, daß er sich selbst als so Gerechtfertigter im Glauben (sola fide) zu verstehen lernt. Er ist zwar Peccator in re, kann sich jedoch als iustus in spe verstehen, kann sich als Unannehmbarer angenommen fühlen. Die Subjektkonstitution erfordert also nicht nur das vorauslaufende gnadenhafte Handeln Gottes - offenbart im Christusgeschehen -, sondern auch das "passive Handeln", das An-sich-geschehenlassen des Menschen, das Sich-der-Gottesbotschaft-aussetzen, damit diese sich in uns als wahr erweisen kann. Gleichzeitig bleibt dieses Geschehen allerdings unverfügbar, d.h. es ist nicht erzwingbar, sondern ereilt den Menschen von außen.6 Das Erlebnis als Synonym für Schlüsselszenen kann den Menschen dem Evangelium nicht nur kognitiv, sondern auch emotional aussetzen. Allerdings 1

Härle: Glaube, S. 53.

4

Luther: Bibel, S. 11, 6-8.

5

Vgl.: Luther: Freiheit, These 12: "So hat Christus alle Güter und Seligkeit; diese sind auch der Seele zu eigen. So hat die Seele alle Untugend und Sünde auf sich; die werden Christus zu eigen. Hier erhebt sich nun der fröhliche Wechsel und Streit. ... So wird die Seele von allen ihren Sünden durch ihren Brautschatz geläutert, das heißt: des Glaubens wegen ledig und frei und begabt mit der ewigen Gerechtigkeit ihres Bräutigams Christus." Zitat nach der Ausgabe von Karin Bornkamm und Gerhard Ebeling, Frankfurt a.M. 1983 2 .

6

Durch diese Selbstannahme kann es auch gelingen, die Leistungsgesellschaft als Trug zu entlarven und die eigene Leistung realistisch, ohne Versagensängste einzuschätzen.

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sind hier die angesprochenen Gefahren der Vereinnahmung zu beachten. Wichtig ist eine Distanzierungsmöglichkeit durch begriffliche Benennung der Erlebnisse. Ein durch den Glauben neu konstituierter Mensch kann sich seiner Sündhaftigkeit und seiner Schuld stellen, statt incurvatus in se'ipsum in seiner verfehlten Identität zu verharren und gefangen zu bleiben. Er wird also aus seinen verkrampften Lebens-, Denk-, und Verhaltensweisen erlöst und kann umkehren. "Erst die Erfahrung von Vergebung, also der Zuspruch der Rechtfertigung des Sünders ermöglicht die Unterscheidung zwischen Person und Sünde, aufgrund deren diese Zerrissenheit tatsächlich angeschaut werden kann, ohne daß dies einen Menschen in eine Situation trostloser Verzweiflung treiben muß." 7

Die Umkehr ist gleichzeitig in ihrer neuen Richtung durch die Umkehrbotschaft der alttestamentlichen Propheten und Johannes des Täufers, sowie letztgültig durch das Vorbild Christi inhaltlich bestimmt. Das Rechtfertigungsgeschehen ermöglicht somit eine realistische Einschätzung eigener Schuld gegenüber dem Mitmenschen und existenzieller Sündhaftigkeit in Bezug auf die Gottesbeziehung. Sie ermöglicht die Einsicht in die Notwendigkeit zur Umkehr, zur Buße auf beiden Beziehungsebenen. Die Sündhaftigkeit stellt dabei keinen moralischen Begriff dar, sondern eine Existenzialaussage. Der Mensch ist aufgrund seiner Geschöpflichkeit als imago Dei mit der Freiheit der Wahlmöglichkeit innerhalb des oben beschriebenen Möglichkeitsgefüges beschenkt und beauftragt. Die Sünde liegt nicht darin, eine Wahl treffen zu müssen und zu können, sondern darin, daß das Personzentrum "das Beziehungsgefüge von Gefühl, Vernunft und Wille des Menschen" 8 bereits durch an sich selbst erfahrener Sünde besetzt ist. Es ist besetzt durch Angst und Mißtrauen gegenüber dem Mitmenschen und Gott. So trifft es falsche Wahlen, die nicht der menschlichen Bestimmung als Kind Gottes entsprechen und den Menschen so von Gott entfremden. Aus diesen falschen Entscheidungen gegenüber dem Willen Gottes resultiert die Schuld gegenüber dem Mitmenschen. Schuld ergibt sich also, wenn der Mensch auf die Bedingungen der Freiheit aus Angst unangemessen reagiert, d.h. wenn er tendenziell entweder keine Wahl treffen will (Verantwortungslosigkeit), oder glaubt, alles wählen zu können (Hybris) oder, wenn die Wahl qualitativ lieblos ist und damit nicht dem zugedachten Wesen des Menschen entspricht. Der richtige Maßstab ethischen Handelns wird dabei nicht abstrakt gewonnen, sondern an der 7

Härle: Dogmatik, S. 456.

8

Härle: Dogmatik, S. 487.

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Lebensdienlichkeit, wie sie durch Jesus Christus exemplarisch gelebt worden ist. Buße ist Umkehr des Menschen aufgrund seiner Neukonstitution durch Gottes barmherzige Zuwendung. Sie ist Anfechtung als Erkenntnis des falschen Weges angesichts der Identifikation mit Christus, der daran empfundenen eigenen Mangelhaftigkeit und Schuld (contritio) bei gleichzeitigem Vertrauen auf die überwältigende Gnade Gottes (absolutio9). Buße ist also innerhalb des von Luther beschriebenen Dreischritts von Meditatio, Tentatio und Oratio die Mitte. Sie setzt das Nachdenken über die eigene Befindlichkeit coram Deo anhand der Schrift voraus und aus ihr folgt das Gebet, verstanden als Antwort auf das Angesprochensein. Deshalb ist Buße unmittelbar mit Selbstkritik und Klage verbunden, vertraut aber auf die Gnade Gottes und kann so in Bitte, Dank und Lob münden, die mit einer wirklichen Handlungsänderung und Besserung verbunden sind.10 Buße so verstanden sagt sich los von allen Forderungen von Ersatzleistungen11 und Strafe, versteht sich als Sinnesänderung12. Versöhnung zwischen den Menschen wird innerhalb dieses Prozesses durch die Erkenntnis möglich, daß jeder Mensch als Unannehmbarer trotzdem von Gott angenommen wird und insofern die gleiche unveräußerliche Würde besitzt wie ich selbst, ich mich insofern mit ihm identifiziere und uns beide mit Christus. Dadurch werden konkretes Gegenüber und eigene Person so miteinander verbunden, daß ich meine Ängste und Aggressionen nicht unkontrolliert nach außen trage, sondern meine Schuld und die Schuld anderer realistisch einschätzen kann, dem anderen nicht Verantwortungen aufbürde, die ich selbst zu tragen habe. Schuld wird dadurch nicht verdrängt, sondern benennbar. Mit der Identifikation des anderen als ebenfalls unter der Gnade Gottes stehend, wird die Würde aller Menschen impliziert. Damit wäre die

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Nicht die Reue, sondern das Vertrauen auf Gottes Gnade ist der Ort, an dem die Absolution empfangen wird. Vgl. CA XII: "Constat autem poenitentia proprie his duabus partibus: altera est contritio seu terrores incussi conscientiae agnito peccato, altera est fides, quae concipitur ex evangelio seu absolutione et credit propter Christum remitti peccata et consolatur conscientiam et ex terroribus libérât. Deinde sequi debent bona opera, quae sunt fructus poenitentiae." BSLK 66f.

" Vgl. gegen die Buße als Ersatzleistung: Luther, Martin: Disputation zur Erläuterung der Kraft des Ablasses (1517), in: WA 1, 233, lOf. 12

Vgl.: Michel: Art.: μ ε τ α μ έ λ ο μ α ι ώμεχαμέληχος, in: ThWNT 4, S. 630 und exemplarisch Joh 8,11.

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Rechtfertigungsbotschaft indirekt wesentlich eher die Keimzelle der Demokratie als das antike Griechenland. 13 Dieser Prozeß der Identitätsgewinnung, Umkehr und Versöhnung ist jedoch nicht punktuell als Bekehrungserlebnis zu verstehen, sondern als unabgeschlossener Lebensprozeß, weshalb auch Getaufte der begleitenden Auseinandersetzung mit sich selbst und dem Evangelium bedürfen, um sich unter den Einfluß der beständig erneuernden und sie aufrichtenden Rechtfertigung zu stellen, derer wir alle bedürfen. In dieser Unabgeschlossenheit der Subjektkonstitution liegt der Grund der Aufgabe der Kirche, der cura animarum. Die Aufgabe der Kirche ist nach ihrem theologisch formulierten Selbstverständnis als gestiftetes Amt der Versöhnung durch Verkündigung des Evangeliums die kritische und konstruktive Begleitung gesellschaftlicher Entwicklungen durch das Wort. Die wohl eindrücklichste Erkenntnis aus dem Konzept Niebergalls ist sein differenziertes Wortverständnis. Das Wort tritt durch die interpretierte Überlieferung (Lehre), Persönlichkeiten und Gestaltung an uns heran. Die Aufgabe der Kirche in Form interpretierter Überlieferung kristallisiert sich zuerst im Gottesdienst. In ihm kommt Gott durch sein Wort auf den Menschen zu. Der Gottesdienst versteht sich als freie Gestaltung dieses dialogischen Kommunikationsgeschehens, welches Gottes Wort für alle Teilnehmer verstehbar zugänglich machen will, damit die Menschen ihren Alltag als Glaubende gestalten können. Er ist somit Kristallisationspunkt der Identitätsbildung und gleichzeitig durch seine aufklärerische Funktion politisch wirksam. Dies kann aber nur gelingen, wenn die Gestaltung des Gottesdienstes dieser Funktion wirklich entspricht. Der zweite Punkt, an dem sich die Kirche ihrer lehrhaften Aufgabe zu stellen hat, ist die über den Gottesdienst hinausgehende, öffentliche, offensive Darlegung ihrer Einsichten in bezug auf Mensch und Gesellschaft. Dazu sind besonders die Denkschriften und ähnliche schriftliche Publikationen zu zählen. Ihre wertvollen Beiträge wirken allerdings zumeist nicht auf die breite Bevölkerung, sondern auf die Kreise, die sich bereits mit dem verhandelten Problem beschäftigen. Deshalb müssen sie durch kirchliche Öffentlichkeitsarbeit in den Medien unterstützt werden. Die Öffentlichkeitsarbeit darf sich dabei ebenfalls nicht defensiv, sondern muß sich offensiv verhalten. Da die öffentlichen Medien, besonders Fernsehen und Hörfunk, in unserer Gesellschaft die erste Informationsquelle der Öffentlichkeit sind, prägt auch das Bild, das von Kirche in den öffentli-

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Vgl. Maron, G.: Allgemeines Priestertum im Protestantismus, in: JEB 33, S. 67-79.

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chen Medien gezeichnet wird, die Einstellung der Gesellschaft zur Kirche. Gelingt es unserer Kirche hier, unverfälscht ihre Identität und ihren Beitrag zum Gedeihen der Gesellschaft einzubringen, könnte sich unserer Kirche in der Gesellschaft mehr Gehör verschaffen. Zu Recht hat Niebergall die Bedeutung der Persönlichkeiten für das Rechtfertigungsgeschehen besonders hervorgehoben. Das Evangelium begegnet uns vorbildlich in der Person Jesu, mediatisiert durch die neutestamentlichen Geschichten. Gleichzeitig aber ermöglichen Menschen, die diese Geschichten vermitteln und leben (funktionale und intentionale Überlieferung), Identifikation mit Personen, die in diesen Geschichten vorkommen, und sie werden auch mit Jesus oder Gott selbst insoweit identifiziert, daß ihre explizierten oder gelebten Werte und Wirklichkeitsvorstellungen - ihr Glaube verbindliches Zeugnis sein können. Insofern ist - wie in allen Zeiten zuvor daran festzuhalten, daß die Personen, die kirchliches Handeln konkretisieren Eltern, Amtsträgerinnen und Amtsträger, Religionslehrerinnen und Religionslehrer -, ermutigt, gestärkt und zugerüstet werden, ihren Glauben von Herzen zu vermitteln und zu leben. Wichtig ist also, diese Persönlichkeiten und ihr Handeln als kirchliches Handeln zu begreifen und somit auch zu thematisieren, etwa in einer über die üblichen Grenzen hinausgehenden Thematisierung der Ermöglichung christlicher Kindererziehung. Neben diesen beiden Formen des Wortes, ist auch die Bedeutung des konkreten gestalterischen Handelns der Kirche zu beachten: sich selbst und die Gesellschaft so zu gestalten, daß das Wort in seinen beiden anderen Formen auch wahrgenommen werden kann. Da oftmals zu beobachten ist, daß auch kompetente Worte - nicht nur der Kirche - in der Öffentlichkeit ungehört verhallen, müssen die beiden anderen Formen des Wortes durch wirksames Handeln ergänzt werden. Dies ist u.a. sowohl in den Zeichenhandlungen der alttestamentlichen Propheten verankert als auch in einer als Zeichen verstandenen Diakonie und als Zeichen verstandenen politischen Initiative der Kirche ausgeführt, etwa bezüglich der Frage politischer Kultur, der Menschenrechte und der globalen Überlebensfragen. Bedeutsam ist an einer solchen Erfassung des Gegenstandes, daß er teleologisch strukturiert ist. Ziel und Gegenstand der Praktischen Theologie sind deckungsgleich. Die Praktische Theologie kann sich also ohne Verlust ihres Gegenstandes funktional als theologische Bildungstheorie strukturieren. Über die funktionale Einheit ist ihre Struktur offen für die deskriptiven Erkenntnisse der Humanwissenschaften und gleichzeitig in sich nach Subzielen strukturierbar, die sich nach dem Maß an Abstraktion staffeln, wie es beispielsweise Niebergall getan hat - ohne nun seine Ziele unhinterfragt übernehmen zu wollen.

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Aus diesen Gründen ist es nicht richtig, den Gegenstand der Praktischen Theologie auf das Handeln der Amtsträgerinnen und Amtsträger zu beschränken, oder die Praktische Theologie über einen geschlossenen Gegenstand, etwa das Handeln der Amtsträger (Pastoraltheologie) oder das Handeln der vorfindlichen kirchlichen Institutionen oder der religiösen Vollzüge einer fiktiven Einzelpersönlichkeit (Individuelles Subjekt) zu konstituieren. Hierbei würde immer die dynamische Stabilität eines umfassenden Systems einem starren Korsett gesetzter Wirklichkeit geopfert, die der Normativität des Faktischen zum Sieg verhelfen würde. So würden wichtige Überlegungen zum kirchlichen Handeln verdrängt und damit der Verbesserung entzogen. Gleichzeitig werden damit auch ungebunden kirchlich Handelnde aus ihrer Verantwortung dafür entlassen, welche Rolle sie unter welchen Zielvorstellungen in der Kirche zu übernehmen bereit sind. Dies gilt insbesondere für diejenigen Kräfte innerhalb des kirchlichen Handelns, die die institutionellorganisatorischen Rahmenbedingungen für die kirchliche Arbeit schaffen, etwa durch Verwaltungsmaßnahmen, Finanzpolitik o.ä. Auch hier bedarf es praktisch-theologischer Impulse.

These 5: Die triadische Struktur der Bildung als Handlungsermöglichung ist auch die Struktur der Praktischen Theologie, weil beide aus der Spannung von Idee und Tatsachen leitende Gedanken für die Zukunft erarbeiten. Durch die Konstitution der Praktischen Theologie über Handlungsermöglichung ist sie als theologische Bildungstheorie pädagogisch strukturiert, d.h. sie hat die Idee, die Tatsächlichkeiten und die daraus resultierenden leitenden Gedanken und Mittel kirchlichen Handelns zu bestimmen und in ein kritischdialektisches Verhältnis zu setzen. Die Systematisierung der Praktischen Theologie wird so ihrem Gegenstand gerecht, der ebenfalls teleologisch strukturiert ist. Für die Bestimmung der Idee kirchlichen Handelns sind die Erkenntnisse der übrigen theologischen Disziplinen, insbesondere der Systematischen Theologie leitend. Deren Theorie für die Praxis ist dann so mit den Tatsächlichkeiten zu verbinden, daß die leitenden Notwendigkeiten, die Verbesserungen des Zustandes mit Hilfe der bereits genannten Mittel, möglich werden. Gleichzeitig kritisiert aber nicht nur die Idee den Zustand, sondern das Gebildetwerden der Ideen wird durch die Praxis in Frage gestellt und beeinflußt, so auch die Theoriebildung der Systematischen und der übrigen Theologie.

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Die Systematisierung der Praktischen Theologie als teleologisch-organische Kooperation entspricht damit dem Gegenstand und läßt ihn komplett zu Wort kommen. Gleichzeitig aber zeigt sie auch bislang Vernachlässigtes auf und ist insofern zukunftsweisend für die praktisch-theologische Theorie wie für die kirchliche Praxis. Es ist also unangemessen, die leitenden Gedanken für das kirchliche Handeln ohne Berücksichtigung des vorfindlichen Zustandes allein aus historischer Idee und spekulativ-eschatologischer Perspektive zu gewinnen. Wenn man dem zu kritisierenden Zustand nicht dieselbe Sorgfalt zukommen läßt wie den Ideen, führt das zu einer unangebrachten Idealisierung kirchlichen Handelns und der Kirche und zu einer Marginalisierung der übrigen Lebensbezüge in der Praxissituation endlicher Freiheit (v. Zezschwitz). Gleichzeitig werden die Entstehungsbedingungen der Ideen nicht mehr reflektiert. Ebensowenig aber dürfen die Tatsächlichkeiten so großes Gewicht gewinnen, daß die theologische Bewertung des Zustands durch die mit Recht verbindlichen Grundannahmen der Rechtfertigung soweit in den Hintergrund tritt, daß ein Gestalten der Tatsächlichkeiten erschwert wird.

These 6: Erst aus der Spannung zwischen der Idee und den Tatsachen gewinnt die Praktische Theologie ihren Antrieb zum bildenden Handeln. Die nicht zu überbrückende Spannung idealer Vorstellungen und vorfindlicher Praxis setzt Veränderungen frei. Insoweit ist jedes Handeln und damit auch jedes kirchliche Handeln semper reformandum. Es wäre falsch, aufgrund der Unerreichbarkeit eines aus dem Evangelium heraus formulierten Ideals seine motivierende Kraft zu zerstören, indem ein niedrigeres Ideal gesetzt wird. Zwar ist eine Strukturierung des Ideals möglich und sinnvoll, die die möglichen Voraussetzungen und Etappen in Form von Subzielen formuliert. Aber gleichzeitig muß das letztliche Ideal der Hoffnung deutlich genug erarbeitet und vermittelt werden, um Orientierung auf allen Handlungsebenen zu ermöglichen. Dabei ist zu bedenken, daß die Idee theologisch zu gewinnen ist, d.h. auf dem Grund der Offenbarung in Jesus Christus, soweit diese zu erschließen ist. Sie zu bestimmen, zu explizieren und zu vermitteln, ist lebenswichtig für die kirchliche Praxis wie auch für die Theologie. Mit ebensolcher Energie aber ist auch der tatsächliche Zustand zu erfassen. Sowohl Nitzsch als auch Niebergall haben zu Recht gefordert, daß die Tatsachen realistisch eingeschätzt werden. Und hier liegt Niebergalls Stärke, die auf die Etablierung der Humanwissenschaften zurückzuführen ist:

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Mit großer Differenzierungsfähigkeit beschreibt er die kirchlichen Tatsachen. Allerdings beschreibt er die Menschen und die Phänomene, in denen sie leben, zu typologisch. Die Idee trifft nicht auf irgendwelche Typen, sondern die Christusbotschaft begegnet Menschen. Die Typologie darf nicht so konkret sein, daß das Raster, in dem die Menschen gesehen werden, zu eng wird. Daneben hat schon Niebergall selbst ja darauf hingewiesen, daß die für die Beschreibung des Menschen herangezogenen Humanwissenschaften keinen normativen Charakter haben sollten. Vielmehr dürfen sie vor dem Hintergrund der theologischen Bestimmung des menschlichen Lebens coram Deo allein deskriptiv verwendet werden. Erst wenn die aus dem Evangelium heraus formulierte einheitsstiftende Idee und die Tatsächlichkeiten kirchlicher Praxis miteinander kritisch und dialektisch verbunden sind, kann es sowohl in der Wissenschaft als auch in der kirchlichen Praxis gelingen, den wirklichen Zustand des Einzelnen, der Kirche und der Gesellschaft zu verändern und zu verbessern. Das letztliche Ziel kirchlichen Handelns muß in allen Bezügen kirchlichen Handelns deutlich zu spüren und zu benennen sein. Es führt deshalb in eine falsche Richtung, die Ausgewogenheit des grundsätzlichen Entwurfes von Nitzsch durch eine tendenziell zu normative oder zu empirisch-typologische Theorie zu ersetzen. Dieser Vorwurf ist einerseits v. Zezschwitz und andererseits Niebergall zu machen.

These 7: Die Explikation desjenigen Handelns, auf das die Theologie im allgemeinen ausgerichtet ist und das die Praktische Theologie im besonderen thematisiert, erschließt die Kirche als Subjekt. Bislang ist allein über den Gegenstand und das Ziel kirchlichen Handelns gesprochen worden, was dem Ansatz am Handlungs- und Bildungsbegriff Rechnung getragen hat. Erst jetzt kann - wie es Nitzsch unmißverständlich klar gemacht hat - über das Subjekt kirchlichen Handelns gesprochen werden. Kirchliches Handeln als Bildungshandeln macht deutlich, daß dasjenige Subjekt, welches dieses Handeln betreibt, Kirche genannt zu werden verdient und nicht umgekehrt jedes Handeln einer Kirche auch an sich schon kirchliches Handeln ist. Dieses kritische Potential der Konzeption Nitzschs ist dabei nicht allein auf die realexistierenden Kirchen anzuwenden, sondern besonders auf praktisch-theologische Konzeptionen, die das Handeln der Amtsträger zum Konstitutionsprinzip der Praktischen Theologie gemacht haben.

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Das Subjekt der Praktischen Theologie ist also nicht über eine Wesensbestimmung im Sinne v. Zezschwitz' zu ermitteln oder über eine Bestimmung als konkrete Ortsgemeinde, wie bei Niebergall, sondern nur über die Bestimmung ihrer Aufgabe, d.h. funktional. Insofern ist die Kirche eine auf Tradition basierende Bildungsinstitution. Es ist deshalb problematisch, ohne Herleitung des Kirchenbegriffs aus der Funktion der Kirche für die gelingende Bildung aller Menschen das praktisch-theologische System direkt aus dem Wesensbegriff der Kirche herzuleiten und nach den Kennzeichen der Kirche zu strukturieren. Eine Ontologie der Kirche ohne funktionale Aspekte beraubt die Kirchentheorie ihrer innovativen, kritischen Kraft und ihrer Systematisierungsfähigkeit. Grundlegend für die organisch-teleologische Struktur der Praktischen Theologie ist der Handlungs- und Bildungsbegriff, aus dem heraus der Kirchenbegriff zu entwickeln ist. Die Kennzeichnung der Kirche als Phase der Heilsgeschichte, deren Ziel allein futurisch-eschatologisch gedacht wird (v. Zezschwitz), verdrängt die Gestaltungsaufgabe der Kirche in der Welt und gleichzeitig die Aufgabe und Chance der Gestaltbarkeit der Kirche selbst. Damit wird eine innere Differenzierung und so auch eine Entwicklung der Kirche verhindert. Es ist nicht richtig, das Wesen des Handlungssubjektes Kirche allein historisch zu bestimmen.

These 8: Für den Handlungsbezug der Praktischen Theologie muß das Subjekt der Handlungen umfassend und differenziert erfaßt werden. Es ist nicht der Amtsträger, und es sind nicht die Hervorragenden, sondern es ist die ganze Kirche. Deutlich sei noch einmal wiederholt: Das Subjekt kirchlichen Handelns ist nicht allein der Amtsträger oder die Amtsträgerin, die in der institutionalisierten, vorfindlichen Gestalt der Kirche ihren Dienst tun. Das Subjekt ist vielmehr die ganze Kirche, also diejenigen Personen, die - einzeln oder gemeinschaftlich - kirchlich handeln, d.h. im oben genannten Sinne handlungsermöglichend das Evangelium der Rechtfertigung durch das Wort vermitteln. Schon in seiner Auseinandersetzung mit der Pastoraltheologie hatte Nitzsch die mangelnde Differenzierungsfähigkeit pastoraltheologischer Ansätze kritisiert: Es muß eine klare Differenzierung des Handlungssubjektes Kirche erfolgen, die Positionen einzelner Subjekte im Organismus der Kirche müssen richtig zugeordnet und deren Verbindungen zueinander müssen deut-

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lieh werden. Damit würde auch eine unselige Isolierung und Überforderung der Amtsträger vermieden. Und es bedarf einer klaren Differenzierung der Handlungsebenen innerhalb des kirchlichen Handelns. Zur Erfüllung dieser Anforderungen müssen die Ebenen- und Subjektunterscheidungen umfassend und angemessen sein, und das Phänomen Kirche als Handlungssystem muß in seiner tatsächlichen Struktur erfaßt, seine theoretische Bestimmung geklärt und die Möglichkeiten zukünftiger Gestalt erörtert werden. Diese Leistungen werden dadurch erbracht, daß die pädagogische Strukturierung das Paradigma kirchlicher Struktur abgibt. Die Kirche als Bildungsinstitution ist aufgrund ihrer funktionalen Bestimmung in sich pädagogisch strukturiert: in überwiegend Empfangende und überwiegend Austeilende, in überwiegend Mitteilende und überwiegend Zuhörende. Die genauen Positionen müssen nach dieser Struktur geklärt werden. Die Kirche lebt aus der Spannung zwischen diesen Positionen. Wichtig ist dabei, wie Nitzsch zu erkennen, daß sowohl die überwiegend Heranziehenden als auch die überwiegend Herangezogenen aktiv handeln. Es kommt in der Kirche nicht nur darauf an, daß das Evangelium verkündet wird, sondern ebenso darauf, daß es auch gehört und daß darauf gehört wird. Beides ist fundamentales Handeln für die Kirche wie für jede Verbesserung vorfindlicher Zustände. Daraus wird aber ebenso deutlich, daß in der Kirche - gerade aufgrund des allgemeinen Priestertums innerhalb der congregatio sanctorum - die Unterschiede zwischen ihren Gliedern nicht verwischt, sondern konstruktiv genutzt werden. Gerade aus Unterschieden und Spannungen kann das kritische Potential für Verbesserungen gewonnen werden. Grundsätzlich wird die Legitimität, Autorität, Identität und auch der Konsens jedes kirchlichen Handelns nicht durch Einheitlichkeit, sondern durch seinen Bezug auf die fundamentale Bestimmung des kirchlichen Auftrages der cura animarum gegründet. Hieraus leitet sich das Amt nach dem Grade der Professionalisierung gestuft ab. So wäre eine Positionsbestimmung der einzelnen Handlungsträger möglich. Gleichzeitig wird damit auch deutlich, daß das wichtigste Amt innerhalb der Handlungsebenen dasjenige ist, das den Menschen durch Deutung am wahrhaftigsten und wirkungsvollsten Handeln ermöglicht. Bislang war es unstrittig, daß diese Bildungsleistung durch möglichst umfassende Deutungsund Kommunikationskompetenz erbracht wird und deshalb einer akademischtheologischen Ausbildung bedarf. Dieser Einschätzung gilt es verstärkt Geltung zu verschaffen gegenüber Bestrebungen, die in der Gestaltungsleistung und dem Aktivismus die wesentliche Aufgabe kirchlichen Handelns sehen. Kirchliches Handeln ist eine nachdenkliche Tätigkeit und erst sekundär eine Gestaltungsleistung.

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Es ist damit zum einen abzulehnen, daß das allgemeine Priestertum und das professionelle, akademisch-theologisch kompetente Amt gegeneinander ausgespielt werden. Vielmehr unterstreicht der Zusammenhang von überwiegend mitteilend und überwiegend auf das Gesagte hörend als jeweils aktives Handeln das Aufeinanderbezogensein beider Handlungen. Zum anderen darf dasselbe nicht mit der Nachdenklichkeit und der Gestaltung geschehen. Die scheinbare Alternative von Gottesdienst und Menschendienst ist eine falsche Sicht der Zusammenhänge. Vielmehr ist zu unterstreichen, daß erst aus dem kirchlichen Handeln als nachdenklichem Deutungshandeln das gestalterische Handeln erwachsen kann. Wird das erste vernachlässigt, wird auch das zweite auf der Strecke bleiben.

These 9: Für den Handlungsbezug der Praktischen Theologie muß das Objekt der Handlungen ebenso umfassend und differenziert erfaßt werden. Dazu muß das Verhältnis zwischen der Kirche und dem Einzelnen geklärt werden. Aufgrund der Erkenntnis, daß das überwiegend empfangende Handeln ebenso grundlegend für den Glauben und damit für die Kirche ist, ist die Frage nach dem Objekt kirchlichen Handelns elementar. Was schon für die Beziehung von Idee und Tatsache galt, gilt auch hier: So viel Bemühungen um das realistische Erfassen des Handlungssubjektes betrieben werden, so eingehend müssen auch die Bemühungen zur realistischen Erfassung der Handlungsobjekte erfolgen. Und es gibt noch eine weitere Parallele gegenüber der Bestimmung des Handlungssubjektes: Das Handeln bringt nicht nur sein Subjekt, sondern auch sein Objekt erst hervor, d.h.: Diejenigen Menschen, die sich dem kirchlichen Handeln aussetzen - und das im positivsten Sinne - sind die Objekte kirchlichen Handelns, also alle diejenigen, die der cura animarum bedürfen und sich darum auch bemühen. Die Bezüglichkeit auf das Volk als Formulierung dafür, daß das kirchliche Handeln gegenüber allen Menschen offen ist, die sich diesem Handeln aussetzen wollen, ist deshalb zu begrüßen. Aufgrund der Bildungsbemühungen ist somit weniger an eine Selbstverwirklichung der Kirche zu denken, als vielmehr an den einzelnen Menschen. Hierauf hat Niebergall im Unterschied zu v. Zezschwitz deutlich hingewiesen. Der Einzelne darf allerdings nicht zum alleinigen Objekt kirchlichen Handelns gemacht werden, ohne seine Verflechtungen innerhalb seiner sozialen Systeme in die praktisch-theologischen Reflexionen zu integrieren.

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Es ist also abzulehnen, in Gruppen und Blöcken zu denken. Weder die Kirche, noch die Welt oder das Volk sind als Block denkbar, sondern sind plural zu verstehen. Unter dem Begriff Volk eine nationale oder gar rassische Einheit zu verstehen, führt deshalb in die Irre. Kirchen, Lebenswelten und Völker bzw. Volksgruppen und - noch weiter differenziert - einzelne Menschen stehen in vielfältigen Wechselbeziehungen zueinander. Zwar bedürfen diese Wechselbeziehungen, die gesellschaftlichen Verhältnisse und sozialen Systeme der Gestaltung nach christlichen Maßstäben, aber ein undifferenziertes Blockdenken ist dazu nicht hilfreich. Das Gestalten sozialer Systeme ist im Zusammenhang mit dem konkreten Deuten und Gestalten einzelner Menschen zu sehen. Problematisch ist also, zum einen das Objekt kirchlichen Handelns pauschal in einer monolithisch verstandenen Welt zu sehen, die der Kirche gegenübersteht (v. Zezschwitz). Zum anderen ist es abzulehnen, das Volk ebenso als einheitliche Größe im Gegenüber zur Kirche zu verstehen.

These 10: Zusammenfassend ist die Praktische Theologie also in Form einer kybernetischen Bildungstheorie über ihre Zielfunktion als dialektisch-kritische Theorie kirchlichen Handelns zu konstituieren. Daraus erwächst der Praktischen Theologie ihre Einheit, mit ihr die Einheit der gesamten Theologie und die einheitliche Bestimmung des kirchlichen Auftrages in der Welt. Bedeutsam für die heutige Debatte ist in der Konzeption Nitzschs dessen oftmals gegenüber heutigen Beiträgen gegensätzliche Denkrichtung. Das gilt auch für die Frage nach der Einheit der Praktischen Theologie und der Theologie überhaupt. In der Einheit der Kirche liegt die Begründung der Einheit des kirchlichen Amtes und damit die Ermöglichung der Einheit der Praktischen Theologie, die dann rückwirkend kirchliches Handeln strukturieren kann. Damit liegt die Einheit der Praktischen Theologie letztlich in der Rechtfertigung. Abzulehnen ist also besonders, mit Hilfe wissenschaftstheoretischer Überlegungen eine "künstliche" Systematisierung und Ableitung aus einem Prinzip vorzunehmen. 14 Damit wird weder der kirchlichen Praxis noch der Theologie ein guter Dienst erwiesen, wird doch sowohl deren positive Bestimmung verlassen als auch kirchliche Praxis konstruiert, die doch erst kritisch rekonstruiert werden sollte. 1,1

Vgl.: Herms: Selbstverständnis, S. 372.

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These 11 : Für das Gelingen einer so bestimmten Praktischen Theologie ist eine Kirchentheorie fundamental bedeutsam. Wie schon Nitzsch ausführte, bezieht die Kirchentheorie die Idee kirchlichen Handelns auf den vorfindlichen kirchlichen Zustand zum Zwecke eines kritischen Urteils und einer Verbesserung kirchlichen Handelns. Deutlich dürfte aus den Thesen 1-10 geworden sein, wie wichtig die Bestimmung der Idee und der Tatsächlichkeit kirchlichen Handelns ist. Dazu bedarf es einer wissenschaftlichen Kirchentheorie. Die Idee kirchlichen Handelns ist dafür die Grundlage. Das ideelle Wesen der Kirche liegt in der reformatorischen Grundbestimmung der kirchlichen Funktion in der Welt: im Bildungshandeln als cura animarum.15 Diese Idee zu entdecken und zu explizieren, gehört in die Praktische Theologie hinein und hat ihren Rückbezug in der Ekklesiologie. Hier liegt der große Unterschied der Konzeption von Nitzsch gegenüber der dreiteiligen Konzeption in historische, philosophische und praktische Theologie bei Schleiermacher. Während Schleiermacher immer davon ausging, daß ein praktischer Theologe schon sowohl historischer als auch philosphischer Theologe sei, und seine Dreiteilung sich auf das theologische Handeln ex officio bezieht, beschreibt Nitzsch, wie es zu den Entscheidungen kommt, d.h. wie im Kopf praktisch-theologischer Entscheidungsträger historisch-theologische und philosophisch-theologische Überlegungen anhand von tatsächlichen Handlungsnotwendigkeiten zum Tragen kommen. Die Tatsächlichkeiten der Kirche müssen ebenfalls in schon angesprochener Weise durch die Kirchentheorie erfaßt werden. Hier sind die Humanwissenschaften als beschreibende Kommentatoren anzusiedeln. Die Bestimmung der Idee kirchlichen Handelns aus der Praktischen Theologie in die Ekklesiologie zu entlassen, ist deshalb zurückzuweisen. Hiermit würde die dialektische und kritische Struktur der Konzeption Nitzschs zerbrochen. Eine eventuelle Doppelung theologischen Nachdenkens ist hierzu kein Argument, da die Unterscheidung von Nachdenken zu kirchlichem Handeln (scientia ad praxin) und über kirchliches Handeln (scientia praxeos) gewahrt bleiben muß.

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Herms, E.: Luther als Seelsorger, in: Erfahrbare Kirche, S. 232ff.

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These 12: Kirchentheorie ist damit als praktisch-theologische Prolegomenadisziplin wieder in Verbindung mit der Kybernetik und vor diejenigen praktisch-theologischen Disziplinen zu stellen, die konkrete Verbesserungsvorschläge entwickeln können. Wenn die Kirchentheorie die Voraussetzungen schafft für die Verbesserungsvorschläge der einzelnen praktisch-theologischen Disziplinen, so stellt sie nicht nur die Prolegomena der Praktischen Theologie dar, sondern ist - wie bei Prolegomena üblich - auch in jeder Überlegung der praktisch-theologischen Subdisziplinen zu bedenken. Das gilt insbesondere bezüglich der Denkstruktur von Idee - Tatsache - leitende Gedanken/Mittel. Gleichzeitig hat sie eine besondere Affinität zur Kybernetik, die das ordnende Handeln als Rahmenbedingung für das eigentliche kirchliche Handeln, das erbauende Handeln, thematisiert. Durch die Überlegungen über das Mittel der Handlungsermöglichung - das Wort - können sich tendenziell die praktisch-theologischen Subdisziplinen ergeben. Die interpretierte Überlieferung wird überwiegend in der Homiletik angewendet, die Persönlichkeiten kommen verstärkt in der Religionspädagogik zum Tragen und das Gestalten hat in der Diakonie, aber auch in der Liturgik besondere Bedeutung. Diese Einteilung ist jedoch nur nach überwiegenden Momenten vorzunehmen und soll hier kein enzyklopädischer Ausflug sein. Letztlich hat Niebergall nicht Unrecht, wenn er darauf hinweist, daß die Felder durchaus bestehen bleiben können - wenn sie denn dem Gesamtziel der Praktischen Theologie dienen. Zu ihnen können durchaus auch noch andere Disziplinen gestellt werden, die diesem Ziel in unterschiedener Weise dienen wollen, etwa eine Disziplin, die die mediale Vermittlung gesondert thematisiert. Abzulehnen ist die irrige Annahme, Kirchentheorie sei nur ein anderes Wort für Kybernetik und diese sei eine Theorie des Gemeindeaufbaus. Dies greift zum einen zu kurz. Zum anderen kann die Fixierung auf die Gemeinde kein Ausweg aus der scheinbaren Wirkungslosigkeit der Gesamtkirche in der Gesellschaft sein. Die Gemeinde als Rückzugsort in schwierigen Zeiten kann einer solchen Belastung nicht standhalten, weil sie durch die kirchenpolitische Großwetterlage immer betroffen sein wird - wenn auch vielleicht weniger direkt. Niebergalls Rückzug auf ein Gemeindeideal ist deshalb ausdrücklich zu mißbilligen.

These 13: Es dürfte deutlich geworden sein, daß die Einheit der Praktischen Theologie allein in einer einheitlichen Zielvorgabe liegt, die sich

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aus einer theologisch zu formulierenden Aufgabe der Kirche in der Welt ableitet. Der Gegenstand der Praktischen Theologie ist das kirchliche Handeln, das dem Ziel dient, Menschen durch das Wort in Form von Lehre, Persönlichkeiten und Gestaltung das Rechtfertigungsgeschehen so zu Herzen zu bringen, daß ihnen daraus handlungsermöglichende Freiheit zuwächst. Dazu konkrete Vorschläge zu erarbeiten ist das einigende Ziel der Praktischen Theologie, die damit dem fundamentalen Auftrag der Kirche nachkommt, der cura animarum. Somit ist es nicht richtig, die Praktische Theologie über eine angeblich theologische Methode zu konstituieren. Nicht bestimmte Verfahrensweisen kennzeichnen kirchliches Handeln, etwa ein besonderer Umgang mit ethischen Problemen oder eine Sonderhermeneutik, sondern allein die genannte spezifische Zielsetzung.

These 14: Basierend auf der handlungstheoretischen Struktur ist damit zusammenfassend festzuhalten: Das Fundament aller Überlegungen ist das menschliche sittliche Handeln coram Deo in Form von Deuten und Gestalten. Das sittliche Handeln, dessen Theorie die Ethik übernimmt, wird durch das kirchliche Handeln ermöglicht. Die Theologie ermöglicht als Anleitung zum kirchenleitenden Handeln dieses kirchliche Handeln. Dazu dient speziell die Praktische Theologie, die das funktionale Handeln der Kirche auch zum Gegenstand hat. Bezüglich der praktisch-theologischen Verbesserungsvorschläge für dieses Handeln ist die Erfassung des Zustandes und der Idee kirchlichen Handelns, die die Kirchentheorie leistet, fundamental bedeutsam.

These 15: Kirchentheorie ist ein dringendes Desiderat der Praktischen Theologie. Insofern ist die Kirchentheorie der Dreh- und Angelpunkt jeglicher Bemühungen für das Gelingen in sich stimmigen kirchlichen Handelns in der Welt und so zugleich elementar bedeutsam für ein enzyklopädisches System der Theologie. Aus diesem Grund ist Kirchentheorie als praktisch-theologische Prolegomenadisziplin innerhalb der Universitätsausbildung sowohl für das universitäre System der Theologie als auch für das Gelingen kirchlichen Handelns

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unbedingt erforderlich. Kirchentheorie ist damit auch grundlegend für die Anerkennung praktisch-theologischen Nachdenkens innerhalb der Kirche.

These 16: Der Kirchenbegriff konstituiert die Einheit der Praktischen Theologie, er konstituiert sie durch seine reformatorische Fassung. Damit kann die Frage, ob der Kirchenbegriff die Praktische Theologie strukturieren kann, mit einem deutlichen Ja beantwortet werden. Bedingung dafür ist, daß er an die reformatorischen Grundeinsichten über das Handeln Gottes und des Menschen und die daraus abgeleitete Bestimmung der Kirche anknüpft. Bedingung für die Einheit der Praktischen Theologie ist also ein Kirchenbegriff in der funktionalen Bestimmung der Reformation. Dann können die Spezialisierung und Professionalisierung auf einzelnen Gebieten genauso erhalten bleiben wie der Zusammenhang mit den theologischen Schwesterdisziplinen. Die Einheit der Praktischen Theologie wird so in der Einheit aller theologischen Disziplinen als Bildungstheorie konzipiert. Über den Handlungs- und Bildungsbegriff wird ein stimmiges, praktisches Gesamtziel theologischer Arbeit etabliert, in dem die Praktische Theologie ihren spezifischen Ort hat.

A n h a n g 1. Aufrisse der Quellen Nitzsch, C.I.: Praktische Theologie, 3 Bände, Bonn 1847-1867: 1. Bd.: Allgemeine Theorie des kirchlichen Lebens, 1847; 18592 (PTh I) 2. Bd.: Die kirchlichen Verfahren oder die Kunstregeln: 1. Abt.: Der Dienst am Wort, 1848; I860 2 (PTh 11,1) 2. Abt.: Der evangelische Gottesdienst, 1851, 18632 (PTh 11,2) 3. Bd.: [titellos]: 1. Abt.: Die eigenthümliche Seelenpflege des evangelischen Hirtenamtes mit Rücksicht auf die innere Mission, 1857; 18632 (PTh 111,1) 2. Abt.: Die evangelische Kirchenordnung, 1867 (PTh 111,2). [Fett gedruckte Wörter sind im Original gesperrt gedruckt; Das Symbol ¡ kennzeichnet einen Seitenumbruch im Original.]

Einleitung. I. Begriff der praktischen Theologie. §.1. Encyclopädische Bestimmung. S.l. §.2. Der Gegenstand. S.12. §.3. Das Subjekt der kirchlichen Thätigkeit. S.l5. §.4. Der natürliche Klerus. S.16. §.5. Der positive Klerus. Das Amt. S.18. §.6. Die Einheit der Aemter. S.21. §.7. Amtliche Befähigung, geistliche und wissenschaftliche. S.25. §.8. Nothwendigkeit und Selbstständigkeit der praktischen Theologie. S.29. §.9. Die Aufgabe. S.31. §.10. Der bekenntnißmäßige und der volksthümliche Standpunkt. S.33. II. Geschichte der praktischen Theologie. 1. Substanziele Erscheinung oder biblische Begründung. §.11. Im A. und N. Testament. S.39.

Aufrisse der Quellen

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2. Elementarische Erscheinungen. §.12.a. innerhalb der kirchlichen Gesetzgebung und Verordnung. S.42. §.13.b. innerhalb der bischöflichen Briefe und theologischen Gutachten. S.46. 3. Ansätze zur Wissenschaft. S.48. §.14.a. nach dem Gesichtspuncte der Seelsorge und des Lehramtes. S.48. §.15.b. nach dem Gesichtspuncte des Spenders der Sacramente und des Liturgen. S.53. 4. Herstellung der Hirtenamtslehre durch den evangelischen Begriff von Amt und Kirche, und Ausbildung einer vollständigen Pastoraltheologie. §.16. Erneuerung des Wissens vom Wesen des Amtes. S.59. §.17. Die elementarische Pastoraltheologie. S.74. §.18. Systematisirte Pastoral. S.78. §.19. Theilnahme der katholischen Theologie an dieser Entwickelung. S.91. 5. Organisierung der ¡ praktischen Theologie durch die Begriffe von Theologie und Kirche. §.20. Innerhalb der theologischen Encyclopädie. Schleiermacher und die folgenden. S.100. §.21. Andere fortschreitende Versuche, die Organisation zu vervollkommnen. S.lll. §.22. Erstes Beispiel eines methodisch ausgeführten Systems. Marheineke. S. 119.

§.23. §.24. §.25. §.26. §.27.

III. Methode und Einteilung der praktischen Theologie. Verhältnißmäßiger Unterschied. S.123. Die empirische Methode. S.124. Die Methode des Begriffs, oder die logische. S.126. Die technische Methode. S.127. Die Eintheilung. S.128.

Erstes Buch. Das kirchliche Leben. Erster Abschnitt. Die Idee des kirchlichen Lebens oder der urbildliche Begriff. Erstes Hauptstück. Die Begründung der Gemeine. §.28. Religion und religiöse Gemeinschaft. S.136.

352 §.29. §.30. §.31. §.32. §.33. §.34. §.35. §.36. §.37. §.38.

Anhang

Christenthum und Kirche. S.142. Die Grundbestandteile des kirchlichen Lebens. S.160. Das gesellige Element. S.174. Die formlose Gemeinschaft und die gestaltete Gemeine. S.179. Die Gemeine und das Amt. S.182. Die Einzelgemeine und der kirchliche Verband. S.183. Der Kanon und die Gemeinde-Gewalt. S.188. Die Gemeine in der Gemeine. S.192. Separation und Union. S.197. Tradition und Reformation. S.201.

Zweites Hauptstück. Die Thätigkeiten, aus welchen das kirchliche Leben besteht. §.39. Die Einheit. S.204. §.40. Der Unterschied. S.208. §.41. Die Lehre. S.213. §.42. Die Feier. S.218. §.43. Eigenthümliche Seelenpflege. S.225. §.44. Die Zucht. S.231. §.45. Haushaltung. S.244. §.46. Die Regierung. S.250. Drittes Hauptstück. Das Verhältnis der christlichen Gemeine zu den anderen Arten von menschlicher Gemeinschaft, welche im Natur- und Culturleben gegründet sind, j §.47. Grund des Verhältnisses; Möglichkeit eines gegenseitigen Verhaltens. S.265. §.48. Allgemeine Bestimmungen. S.273. §.49. Verhältniß zum Staate. S.277. §.50. Verhältniß zu andern Religionsgemeinschaften. S.285. §.51. Verhältniß zur Familie. S.289. §.52. Verhältniß zur Wissenschaft, deren Werkstätten und Organen. S.300. §.53. Die Widerstreit zwischen Kirche und Wissenschaft. S.307. §.54. Die Lösung desselben. S.312. §.55. Verhältniß zur Kunst. S.318. §.56. Verhältniß zu den sogenannten materiellen Interessen; zur Arbeit, zu Spiel und Lustbarkeit. S.343.

Aufrisse der Quellen

353

Zweiter Abschnitt. Das evangelische kirchliche Leben, und der jetzige Zeitpunkt. Erstes Hauptstück. Die Grundsätze des evangelischen kirchlichen Lebens. §.57. Einheit und Selbigkeit des christlichen Kirchenwesens. S.352. §.58. Verschiedne Arten des christlichen Kirchenthums. Hauptunterschied: gesetzliches und evangelisches. S.355. §.59. Die protestantisch-katholischen Principien des evangelischen Kirchenthums. S.382. I. Die protestantischen Grundsätze der evangelischen Kirche. §.60. Protest gegen Hierarchie. S.386. §.61. Protest wider die Paradose. S.386. §.62.-§.66. Protest gegen Hierurgie. S.387. §.67. Protest gegen den Monachismus. S.390. II. Die katholischen Grundsätze der evangelischen Kirche. §.68. Behauptung einer Einigen, allgemeinen christlichen Kirche, welche seit den Aposteln allezeit war und sein wird. S.392. §.69. Die Behauptung einer auf dem Grunde der h. Schrift stattfindenden katholischen Entwickelung und Ueberlieferung der christlichen Lehre. S.394. §.70. Behauptung der unentbehrlichen Vermittelung der Heilslehre und der Gnade des h. Geistes durch das äußere Wort. S.394. §.71. Behauptung des dauernden und unveräußerlichen Gebrauches der Sacramente, aber auch Zulassung der Taufe unmündiger Kinder. S.396. §.72. Behauptete Nothwendigkeit einer evangelischen Kirchen-Ordnung. S.398. §.73. Behauptete Christlichkeit und Göttlichkeit der häuslichen und weltlichen Stände, der Ehe, Obrigkeit, Schule. S.400. Zweites Hauptstück. Die bekenntnismäßigen und volks- ¡ thümlichen Unterschiede des evangelischen Kirchenwesens. §.74. Die Unterschiede im Allgemeinen. S.402. §.75.-§.78. Unterschied in Ansehung des Lehrwesens. S.427. §.79. In Ansehung des Cultus im Allgemeinen. S.435. §.80. In Ansehung der einzelnen Cultus-Elemente. S.439. §.81. Unterschiede in Ansehung der sacramentlichen Handlungen. S.444.

354

Anhang

§.82. §.83. §.84. §.85.

In In In In

Ansehung andrer Cultus-Handlungen. S.448. Hinsicht der eigentümlichen Seelsorge. S.450. Ansehung der Sitte und Disciplin. S.451. Ansehung der Haushaltung. S.456.

§.86.-§.87. In Ansehung des Kirchenregimentes und der Verfassung. S.458. Drittes Hauptstück. Die Spuren der Verjüngung und fortschreitenden Entwickelung des evangelischen Kirchenwesens. §.88. Nachweisung und Begründung solcher Erscheinungen im Allgemeinen. S.464. §.89. Erstes Moment. Vertiefung der Theologie in ihren Lebensgrund und Verinnigung der christlichen Gemeinschaft auf diesem Grunde. S.470. §.90. Zweites Moment. Ausbreitung christlicher Erkenntniß und evangelischen Gemeindelebens; Entwickelung des seelsorgerischen Amtes. Aeußere und innere Mission. Vereinswesen. S.479. §.91. Drittes Moment. Wiedervereinigung getrennter Theile vermöge theologischer und religiöser Vertiefung in den Grund Christi zu gemeinsamem Fortschritte. Die positive evangelische Union. S.491. Band II, Buch 1, Bonn 1848 [PTh 11,1]: Zweites Buch. Das kirchliche Verfahren oder die Kunstlehren. §.92. S.l. Erster Abschnitt. Die unmittelbar auf Erbauung der Gemeine gerichteten Thätigkeiten. §.93. S.l. Erstes Hauptstück. Von der Lehre oder dem Dienste am Wort. §.94. Die kirchliche Rede und der kirchliche Unterricht. S.2. Erste Abtheilung. Die kirchliche Rede. Einleitung. §.95. Die Idee der Rede S.3. §.96. Die Geschichte der öffentlichen Rede. S.7. §.97. Die Idee der Beredsamkeit. S.24. §.98. Unterschied der staatlichen und kirchlichen Beredsamkeit. S.31. §.99. Homiletische Bildung. S.36. §.100. Eintheilung der Homiletik. S.45.

Aufrisse der Quellen

355

Erster Artikel. Vom Begriffe und Zwecke der Predigt. S.47. §.101-119. Zweiter Artikel. Die Bestimmung des Inhalts. S.70. §.120-136. Dritter Artikel. Der Entwurf. S.102. §.137-146. Vierter Artikel. Die Ausführung. S.120. § 147-155. Fünfter Artikel. Die homiletische Sprache. S.125. § 156-166. Sechster Artikel. Der Vortrag. S.136. §.167-170. Zweite Abtheilung. Der kirchliche Unterricht. Einleitung. §.171. Idee des Unterrichts. S.139. §.172. Geschichte des kirchlichen Unterrichts. S.144. §.173. Fortsetzung. Die Reformation. S.149. §.174. Fortsetzung. Spener und Mosheim. S.153. §.175. Beschluß. Beginn einer neuen Entwicklung ¡ im 19. Jahrhundert. S.157. §.176. Bildung zum Katecheten. S.160. §.177. Eintheilung der Katechetik. S.164. Erster Artikel. Vom katechetischen Zwecke. S.166. §.178-184. Zweiter Artikel. Der katechetische Stoff. I. Art und Quelle. S.175. §.185-191. II. Der Umfang des katechetischen Stoffes. S.181. §.192-195. III. Textuelle Erscheinung. S.186. §.196-199. Dritter Artikel. Die Anordnung. I. Die Stufen des kirchlichen Unterrichts. S.198. §.200-202. II. Das Lehrgebäude. S.203. §.203-207. III. Die einzelne Katechisation. S.213. §.208. Vierter Artikel. Katechetische Aneignung, empirische, dialektische und ethische. S.214. §.209-229.

Band II, Buch 2, Bonn 1851 [PTh 11,2]: Zweites Buch. Das kirchliche Verfahren oder die Kunstlehren. Erster Abschnitt. Die unmittelbar auf Erbauung der Gemeine gerichteten Thätigkeiten. Zweites Hauptstück. Von der kirchlichen Feier. Einleitung. I. Die Idee der Feier. S.245. §.230-237. II. Geschichte des Cultus. Arten und Stufen. S.255. §.238-249. III. Die liturgische Bildung und Wissenschaft. S.295. §.250-54.

356

Anhang

Erste Abtheilung. Von den Grundsätzen der evangelischen Feier. S.300. §.255. I. Der Grundsatz der Freiheit. S.301. §.256.257. II. Der Grundsatz der Wahrheit und Wahrhaf- tigkeit. S.304. §.258-260. III. Der Grundsatz der Gemeinsamkeit. S.307. §.261-263. IV. Der Grundsatz der Ordnung. S.309. §.264.265. V. Der Grundsatz der Feierlichkeit. S.310. §.266. Zweite Abtheilung. Von den Bestandtheilen des evangelischen Gottesdienstes. S.312. §.267. I. Das liturgische Wort. S.312. §.268. A. Die Vorlesung der heiligen Schrift. S.312. §.269-277. B. Das liturgische Bekenntniß. S.325. §.278-284. C. Das liturgische Gebet. S.327. §.285-295. D. Der liturgische Spruch und die verba solemnia. S.338. §.296. 297. E. Das Kirchenlied. S.340. §.298-309. F. Gesang und kirchliche Tonkunst im Allgemeinen. S.361. §.310-317. II. Das liturgische Thun. S.372. §.318.319. A. Das liturgische Symbol. S.373. §.320-326. B. Das liturgische Personal und ¡ die liturgische persönliche Erscheinung. S.380. §.327-330. C. Die liturgische Zeit. S.384. §.331-335. D. Der liturgische Raum und Bau. S.396. §.336-342. Dritte Abtheilung. Von den Handlungen des evangelischen Gottesdienstes. S.402. §.343.344. I. Die Handlungen der Communion. S.404. §.345-347. Α. Der Hauptgottesdienst. S.409. §.348-355. B. Die Communion im engeren Sinne: das heilige Abendmahl. (Die Zurüstung. Die Weihung. Die Ausspendung. Die Danksagung.) S.423. §.356-362. C. Vorbereitung zum h. Abendmahl. S.428. §.363. D. Ergänzungs-Gottesdienste. S.430. §.364.365. E. Die Betstunde und die sogenannte liturgische Andacht. S.432. §.366-369. II. Die Handlungen der Initiation. S.437. §.370.371. A. Die Handlung der Taufe. S.439. §.372-376. B. Die Handlung der Confirmation. S.446. §.377-380. C. Die Handlung der Ordination. S.452. §.381-385. III. Die Handlungen der Benediction. S.458. §.386-388.

Aufrisse der Quellen

357

A. Die Handlung der ehelichen Trauung. S.460. §.389-391. B. Die Begräbnißfeier. S.467. 392-397

Band III, 1. Abtheilung, Bonn 1851 [PTh 111,1]: Zweites Buch. Das kirchliche Verfahren oder die Kunstlehren. Erster Abschnitt. Die unmittelbar auf Erbauung der Gemeine gerichteten Thätigkeiten. Drittes Hauptstück. Von der eigenthiimlichen Seelenpflege mit Rücksicht auf innere Mission. Einleitung. I. Die Idee der Seelenpflege. S.l. §.398-416. II. Die Geschichte der christlichen Seelsorge. S.19. §.417-436. III. Die Bildung zum Amte der eigenthümlichen Seelenpflege. S.54. §.437-439. Erster Artikel. Begriff. S.70. §.440. Zweiter Artikel. Nothwendigkeit, Grund und Zweck der eigenthümlichen Seelsorge. S.76. §.441. Dritter Artikel. Rechte Ausdehnung und rechte Grenze der seelsorgerlichen Wirksamkeit. S.81. §.442. Vierter Artikel. Gelegenheiten und Anlässe. S.86. §.443-445. Fünfter Artikel. Von den persönlichen Bedingungen gesegneter Seelenpflege. S.94. §.446. Die Momente der seelsorgerlichen Persönlichkeit. S.96. §.447. Vom guten Namen des Pastors. S.97. §.448. Von der Gabe und Bildung. S.107. §.449.450. I. Die diagnostische Befähigung. S.l 18. §.451.452. II. Die therapeutische Tüchtigkeit. S.l30. §.453. 1. Die Lebhaftigkeit. S.l32. §.454. 2. Die Gabe des Gebetes. S.l35. §.455. 3. Das begleitende Handeln. S.l37. §.456. Sechster Artikel. Von den Helfern und den litterarischen Hülfsmitteln der Seelsorge. S.142. §.457. 1. Die Seelsorge und die h. Schrift. S.144. §.458-460.

358

Anhang

2. Die h. Schrift und die Tractate. S.155. §.461. 3. Die h. Schrift und die Andachts-Schriften. S.159. §.462. 4. Anweisung und Rathgebung in Ansehung der erbaulichen und anderer Leserei im Allgemeinen. S.163. §.463.464. Siebenter Artikel. Von der Orthotomie, oder von der rechten Austheilung und Anwendung des göttlichen ¡ Wortes in Bezug auf die Eigentümlichkeit der Zustände und Anlässe. Die seelsorgerische Orthotomie im Allgemeinen. S.168. §.465-467. Der leidende Mensch. S.171. Der sündige Mensch. S.173. Der irrende Mensch. S.178. Die parakletische Seelsorge (Wohl und Weh). S.178. §.468.469. Objective Entwickelung des göttlichen Trostes. S.181. §.470. Die subjective Entwickelung der christlichen Paraklese. S.188. §.471.472. Die Trostlehre in Bezug auf besondere äußere Zuständlichkeit. 5.201. §.473. Für Kranke, Sieche, Sterbende, Irre, Melancholische. 5.202. §.474-484. Für Arme. S.211. §.485.486. Wie lernt und lehrt man beten? S.218. §.487. Die pädeutische Seelsorge. S.219. §.488. Die actuelle Sünde. S.219. Verhütende Seelsorge. Eidesvermahnung. Ehe- Sühneversuch. Erweckende und Bekehrende. Für Gefangene und Verurtheilte. §.489-495. Gewohnheits- oder Standes-Sünde und Laster. S.240. Allgemeine Bestimmungen §.496-499. Die zuchtlosen, ehrlosen, lieblosen Laster. S.253. §.500-506. Die didaktische Orthotomie. S.266. §.507. Unwissenheit, Zuvielwissen, Grübeln. §.508. Separatistische Irrungen, Baptisten, Irvingianer. §.509. Zweifel, Unglaube, Aberglaube. Lehre vom Teufel und Dämonen. §.510. 511. Apologetische Gespräche: Das Uebernatürliche. Jesus-Glaube und Christus-Glaube, Dreieinigkeit, der persönliche Gott, Versöhnung, Kirche, Sacrament, Auferstehung. S.287. §.512-522.

Aufrisse der Quellen

359

Band III, 2. Abtheilung, Bonn 1867 [PTh 111,2]: Zweites Buch. Das kirchliche Verfahren oder die Kunstlehren. Zweiter Abschnitt. Die ordnende Thätigkeit.

Einleitung. S.l. I. Die Idee der Ordnung, insbesondere der Kirchenordnung. S.l. §.523-533. II. Geschichte der Kirchenordnung im kurzen Grundrisse. S.17. §.534-552. A. Die apostolische Ordnung. S.17. §.535-542. B. Die altkatholische Kirchenordnung. S.26. §.543. C. Die kanonische Kirchengesetzgebung. S.28. §.544-546. D. Die Kirchenordnung des Papstthums. S.31. §.547-551. E. Die evangelische Kirchenordnung. S.37. §.552. A. Objektive Kirchen-Ordnung. S.40. I. Ordnung nach Innen (Jus ad intra). S.40. Erster Titel. Die Lehre und das Lehramt. S.40. § 553-579. Lehramtsverfassung. S.75. §.559-579. Befähigung und Wählbarkeit. S.78. §.560-561. Berufung und Wahl. S.89. §.562-569. Amtspflichten. S.96. §.570-578. 1. Die Lehramtspflicht im engsten Sinne. S.98. §.572-574. A. Die homiletische Pflicht. S.98. §.572. B. Die katechetische Pflicht. S.101. §.573-574. 2. Die liturgische Pflicht. S.l05. §.575-577. 3. Die seelsorgerische Pflicht. S.107. §.578. Amts- und Standes-Rechte. S.l 11. §.579. a. Rechte des Unterhalts. S.l 12. b. Privilegium fori. S.l 17. Die Scheidung vom Amte. S.l 18. Zweiter Titel. Die Parochie und der Gottesdienst. S.l24. §.580-628. Gottesdienst, sacrtamentliche und Gegenstandshandlungen. S.128. §.586-628. Das Taufrecht. S.l30. §.590-599.

360 Das Das Das Das

Anhang

Confirmation- oder Einsegnungsrecht. S.138. §.600-607. Trauungsrecht. S.145. §.608-621. Communions- und Beichtrecht. S.162. §.622-627. Begräbnißrecht. S.169. §.628. ¡

Dritter Titel. Die kirchliche Sitte und die kirchliche Zucht. S.172. §.629-640. Allgemeine Bestimmungen. S.172. §.629-630. Geschichte der Kirchenzucht. S.175. §.630-632. Verfahren und Grundsätze. S.188. §.633-640. Vierter Titel. Der kirchliche Haushalt und die Armenpflege. S.210. §.641-658. Allgemeine Bestimmungen und Geschichtliches. S.210. §.641-648. Kirchenfabrik. S.220. §.649-652. Baurecht. S.220. §.649-650. Baustil. S.220. §.651. Kirchenstuhlordnung. S.224. §.652. Armenpflege. S.225. §.653. II. Ordnung nach Außen (Jus ad extra). S.228. Erste Beziehung. Die evangelische Kirche und der Staat. S.229. §.655-664. Allgemeine Bestimmungen. S.229. §.655. Schule. S.232. §.656. Ehe. S.237. §.657-663. Armenpflege. S.245. §.664. Zweite Beziehung. Die evangelische und römische Kirche. S.248. §.665-667. Dritte Beziehung. Die evangelische Kirche und die protestantischen Secten. S.258. §.668-674. Vierte Beziehung. Die evangelische Kirche und ihre inneren Unterschiede, ohne oder mit Union. S.262. §.675-683. Fünfte Beziehung. Die evangelische Kirche und der Evangelische Bund. S.279. §.684-687. Sechte Beziehung. Die evangelische Kirche und die nichtchristlichen Religionen. S.283. §.688-690. a. Verhältniß zu den Juden. S.284. §.689. b. Verhältniß zu den übrigen nichtchristlichen Religionen. S.290. §.690.

Aufrisse der Quellen

361

B. Subjective Kirchen-Ordnung. S.293. Vorbemerkungen. S.293. §.691. Die wesentlichen Elemente des Amtswesens. S.293. §.692-697. Der kirchliche Verband. S.306. §.698-701. Superintendentur. S.308. §.702.703. Kreissynode. S.312. §.704-712. Des kirchlichen Verbandes höhere Stufe. S.320. §.713. Generalsuperintendentur. S.321. §.714. Consistorium. S.322. §.715-717. Provincialsynode. S.327. §.718-721. Die Kirchengewalt, sonderlich die landesherrliche. S.332. §.722. Grundsätze der evangelischen Gesammt-Kirchenverfassung, mit besonderer Rücksicht auf unsere Gegenwart und Zukunft. S.344. §.723. - Anhang. S.359. Nachträgliche Bemerkungen. S.363.

362

Anhang

Zezschwitz, C.A.G.v.: System der Praktischen Theologie. Paragraphen für akademische Vorlesungen, 3 Bde., Leipzig 1876-78: I. Principienlehre II. Die Lehre von der Mission, von der kirchlichen Erziehung und vom Communionkultus III. Seelsorge und Kirchenverfassung. [Da der ausführliche Aufriß nach allen Paragraphen im Original 59 Seiten einnimmt, werden hier nur die in der Prinzipienlehre verwendeten Kopftitel aufgeschlüsselt.]

Vorwort

S. MI

I.

Einleitung. Über Begriff und Aufgabe. § 1-16 S. Begriff der prakt. Theologie. Die Aufgaben der Praktischen Theologie. Literatur zur Einleitung

1-11

II.

Principienlehre der Praktischen Theologie. §. 17-128 S. 11-152 1. Kirche und Reich Gottes als Grundbegriffe für die Selbstauswirkung der Kirche. § 17-34 Begriff des Reiches Gottes. Begriff der Kirche. Die Erscheinungsseiten der Kirche. Definition von Kirche. Kirchenamt. 2. Die geschichtliche Auswirkung der Kirche nach ideellen Wesensgesetzen § 35-74 Das apostolische Kirchenideal. Römische Kirchenpraxis. Die beiden reformatorischen Richtungen. Die Probe an den theokratischen Grundgesetzen. Das Recht des symbolischen Handelns. Das Symbolische in der morgenländischen Kirche. Die Culturwirkungen des Christenthumes. 3. Geschichtliche Auswirkung der Kirche in tatsächlichen Lebensund Cui turformen § 75-110 Die Kirche und die Volksart. Die Kirche und die Volkssprache. Cultus- und Kirchensprache. Die drei heiligen Sprachen. Die national primären Culturfactoren. Israelitische Cultureinflüsse.

363

Aufrisse der Quellen Die national-GriechischenCultureinfliisse. Die national-Römischen Cultur-

Die Entwicklung der Kirche in Raum und Zeit. Die Kirche und der heilige Raum.

einflüsse. Germanisch-Slavische Cultureinfliisse.

Romanischer Kirchenbau. Byzantinischer Kirchenbau. Die abendländische Entwicklung. Der Gothische Baustil.

Die Idee der heiligen Zeit.

Die

Zeitmasse Israels und der Kirche. Das christliche Zeitmass. Das heilige Jahr bei Israel. Der neue und der alte Festkreis. Die Entwicklung des Kirchenjahres. Der christliche Winterfestkreis. Das morgenländische Kirchenjahr. Das abendländische Kirchenjahr. Die reformatorische Behandlung der heiligen Zeit.

4. Die wesentlichen Lebensfunctionen der Kirche in der Reihenfolge der Disciplinen der praktischen Theologie. § 111-128 Der irrige Ausgangspunkt von der Verfassung. Der irrige Ausgang vom Sündenbekenntnisse. Die irrige Voranstellung der cultischen Disciplin. Die Liturgik keine selbständige Disciplin. Ob die Cultuslehre die Reihe der Disciplinen eröffne. Die genetische Behandlung der Disciplinen. Die bestimmenden Pole: Welt und Kirche. Die Mittelglieder zwischen Peripherie und Centrum. Die kirchlich erziehenden Functionen. Abschluß und Reihenfolge der Disciplinen. Die Disciplinen in Übersicht. Literatur der Praktischen Theologie.

System oder Wesens- und Naturlehre der prakt. Theologie §. 129-421 S. 153-658 A. Keryktik 5. Principien der Missionsthätigkeit § 129-146 6. Vollzugsformen der Mission in Wechselbeziehung zu anderen Kirchentätigkeiten. § 147-155 B. Katechetik als Katechumenatslehre und kirchliche Pädagogik. 7. Fundamentallehre der kirchlichen Erziehung. § 156-167 8. Geschichte der Praxis kirchlicher Erziehung § 168-183 9. Die organische Durchführung der Kirchlichen Erziehung § 184-189 10. Die principgemäße Gestaltung der liturgischen Akte des Katechumenats § 190-196 C. Der Kultus der Communiongemeinde. 11. Principien des Communioncultus

§ 197-222

364

Anhang

12. Die Durchführung des Cultuslebens 1. Bestellung des Cultusamtes § 223-232 13. 2. Die Gottesdienste der Communionsgemeinde § 233-283 a) Die Wortgruppe des Hauptgottesdienstes b) Die Sacramentsgruppe des Hauptgottesdienstes. D. Poimenik. 14. Begriff und Einteilung der seelsorgerlichen Tätigkeit § 284-294 I. Die prophylaktische Seelsorge 15. a) Die dynamisch seelsorgerlichen Vorbedingungen § 295-301 16. b) Die prophylaktische Seelsorge in anstaltlichen Formen § 302-331 II. Die progressive Seelsorge 17. Die seelsorgerl. Beziehung zu Haus und zur Familie als christlicher § 332-344 18. Die über die Grenzen der Parochie und des irdischen Lebens hinausbegleitende Seelsorge § 345-356 III. Die disciplinar-reconciliatorische Seelsorge. 19. Die disciplinarische Seelsorge im engeren Sinne § 357-372 20. Die innre Mission als seelsorgerlich reconciliatorische Freitätigkeit § 372-380 E. Kybernetik, oder Lehre von Verfassung und Regierung der Kirche 21. Begriff und Principien der verfassenden Kirchentätigkeit. § 381-392 22. Die allgemeinen Normen und Formen der Kirchen-Verfassung nach evangelischem Kirchenbegriff und apostolischem Kirchenideal § 393-406 23. Die Verfassungsentwicklung der Kirche in ihrem Verhältnis zum Staate und bürgerlichem Gemeinwesen § 407-412 24. Verfassung und Verwaltung der Kirche in ihrer Bedingtheit durch die Macht und Consequenz des christlichen Geistes § 413-421.

Systematisches Inhaltsverzeichnis

S. 659-718

Aufrisse der Quellen

365

Niebergall, F.: Praktische Theologie. Lehre von der kirchlichen Gemeindeerziehung auf religionswissenschaftlicher Grundlage, 2 Bde.: 1. Grundlagen. Die ideale und die empirische Gemeinde. Aufgaben und Kräfte der Gemeinde, Tübingen 1918; 2. Die Arbeitszweige. Gottesdienst und Religionsunterricht. Seelsorge und Gemeindearbeit, Tübingen 1919.

Vorwort

III

Einleitung § 1. Die Aufgabe § 2. Geschichtlicher Umblick

1-15 1 3

Die Gemeinde 3; Praktische Wissenschaft 6; Die religionswissenschaftliche Grundlage 9;

§ 3. Anordnung und Gestaltung

10

Erster Hauptteil. Die Gemeinde als Ziel der Gemeindearbeit. § 4. Das Ideal der Hoffnung

14

Die Persönlichkeit 16; Die Gemeinschaft 21; Persönlichkeit und Gemeinschaft 26

§ 5. Das Ideal der Wirklichkeit

28

Zweiter Haupttheil. Die gegebene Gemeinde. Religiöse Seelen- und Volkskunde. § 6. Einführung

31

Methode und Quellen 33

§ 7. Religionspsychologisches § 8. Naturgrundlage

36 50

Rasse, Volk und Gegend 51; Abnorme Geisteszustände 53; Alter und Geschlecht 55; Das Geschlecht 59; Die Temperamente 63; Sinnlichkeit 66; Phantasie 68; Verstand, Gedächtnis, Gemüt 69

§ 9. Charakter A. Naturanlagen

70 71

Stärkegrad 71; Selbständigkeit 74; Ausdehnung 82; Echtheit 84

B. Frömmigkeit und Sittlichkeit

86

366

Anhang

§ 10. Geschichte

94

Aberglaube 96; Katholizismus 109; Mystik 113; Luther 114; Lutherisch und reformiert 115; Täufertum 116; Gemeindorthodoxie 117; Pietismus und Gemeinschaften 118; Aufklärung 126; Idealismus und Romantik 129; Die moderne Welt 131; Orts- und Personalgeschichte 142

§11. Stand und Beruf

144

Die gebildeten und besitzenden Kreise 144; Der Bürgerstand 146; Die Kleinen Leute 147; Der Bauer 150; Die Arbeiter 160

Sittliche Volkskunde. §12. Gesinnungen Der natürliche Mensch

167 168

Persönliches Leben 168; Das Verhältnis zu den anderen 181; Der geistige Mensch 184

§13. Formen und Regeln

189

Kirchliche Volkskunde. §14. Die Leute und die Kirche §15. Einzelbilder und Zahlen

205 211

Dritter Haupttheil. Die Gemeinde als Trägerin der Arbeit. Einführung § 1 6 . Grundformen

217 218

Die katholische Kirche 218; Die lutherische Kirche 223; Die reformierte Kirche 228; Religiöse Gemeinschaften in und außerhalb der Kirche 231; Das neunzehnte Jahrhundert 233

§17. Grundfragen

235

"Kirche" 235; Die Volkskirche 241 ; Landeskirche und Freikirche 250; Das Bekenntnis 238 [sie!]

§ 1 8 . Kirchenbaupläne

265

Die Kirche der Arbeit und der Liebe 265; Das Ideal der lebendigen Gemeinde 268; Gemeinde und Kirche 276

Anhang. Kirchenkunde.

367

Aufrisse der Quellen

Vierter Haupttheil. Die Gemeinde als Inhaberin der Kräfte. §19. Die Beeinflussung

285

Die Frage 285; Die Freiheit des Willens 287; Erziehung zum Glauben 303; Das Wort 306

Praktische Dogmatik. Methodisches § 20. Die ewige Welt.

313 316

Der Himmel 316; Gott 324

§21. Das Heil.

339

Gottes Leitung: Vorsehung und Wunder 339; Schöpfung 348; Erlösung von Sünde und Schuld: Sünde 349; Vergebung 362; Wiedergeburt 366; Erlösung von der Welt 368; Kindschaft Gottes 371

§ 22. Jesus Christus.

374

Der Heiland 374; Der Sohn Gottes 385; Heiliger Geist und Dreieinigkeit 387; Die letzten Dinge 389

Die persönlichen Kräfte. § 23. Der Pfarrer

393

Priester und Pfarrer in der Vergangenheit 394; Der Pfarrer in der Gegenwart 409; Inhalt und Umfang des Amtes 416; Der Pfarrerstand 423; Die Persönlichkeit des Pfarrers 429; Das Pfarrhaus 439; Die Bildung zum Pfarrer 441

§ 24. Die andern persönlichen Kräfte

446

Die Gestaltung der Umwelt. Einführung § 25. Volkserziehung § 26. Darstellung

449 451 459

Die Sitte 470

§ 27. Organisation

474

Rechtliche Ordnungen 477; Freie Ordnungen 483; Gemeindepflege 495

Literaturnachweis.

498-506

368

Anhang

Bd. 2: Arbeitszweige - Gottesdienst und Religionsunterricht. Seelsorge und Gemeindearbeit, Tübingen 1919. Einführung. § 28. Theorie und Praxis

1

Der Gottesdienst. Einleitung. § 29. Die Bedeutung des Kultus § 30. Die Erbauung § 3 1 . Geschichtliche Wegleitung

§ § § §

32. 33. 34. 35.

Voraussetzung für die Erkenntnis des christlichen Kultus. Christentum und Religionen Glaube und Kult Kult und Kunst Kult und Kirchengemeinde

Voraussetzungen für die Gestaltung des Gottesdienstes. § 36. Die Liturgie als Ergebnis der Geschichte

3 9 12

15 20 26 33

37

Die Anfänge des christlichen Kultus 38; Der altkatholische und griechische Kult 39; Die römische Messe 41; Die lutherische Ordnung 43; Die reformierte Ordnung 45; Neuere Zeit und Gegenwart 47

§ 37. Das Kirchenjahr § 38. Der Kirchenraum

52 57 Die Predigt.

§ 39. Die Aufgabe

§ § § §

40. 41. 42. 43.

Voraussetzungen der Predigtarbeit. Der Kultus Das Evangelium Die Gemeinde Die Eigenart des Predigers

Die Aufgabe der Predigtarbeit. § 44. Die Lehren der Geschichte § 45. Die Predigtaufgabe als Ganzes § 46. Die Einzelpredigt

65

67 72 77 90

98 108 112

Aufrisse der Quellen

369

§ 47. Die Persönlichkeit des Predigers § 48. Das Leben und das Predigtamt § 49. Bildung zum Redner

114 121 126

Der Stoff der Predigt. Allgemeines § 50. Die Bibel § 51. Die Umwelt § 52. Die Persönlichkeit des Predigers § 53. Das Kirchenjahr § 54. Predigttypen

131 134 139 145 149 159

Normen 159; Zustandspredigten 161; Hilfen 164; Bibelpredigten 167; Ort und Zeit 171; Erlebnispredigten 172; Kasualreden 180

Die Form der Predigt. § § § §

55. 56. 57. 58.

Der Text Das Thema Die Disposition Die Ausführungen

Liturgie. § 59. Im Namen Gottes Schriftlesung, Schriftworte, Formeln 208 § 60. Die Stimme der Gemeinde Gebete 211; Bekenntnisse 215; Kirchenlied 219 Die Gestaltung der Feiern. Allgemeines 225 §61. Predigtgottesdienst

183 193 198 202

208 211

228

Hauptgottesdienst 228; Festgottesdienst 235; Nebengottesdienste 236

§ 62. Kasualien

237

Allgemeines 237; Taufe und Konfirmation 239; Trauung und Begräbnis 240; Einführung und Einweihung 241

§ 63. Feiern ohne Wort Abendmahl 242; Liturgische Andachten 246 Der Religionsunterricht. Einführungen § 64. Geschichtliche Wegleitung § 65. Das Ziel der religiösen Erziehung

242

249 250 259

370

Anhang

§ 66. Schülerseelenkunde § 67. Die Lehrbarkeit der Religion

§ § § § §

68. 69. 70. 71. 72.

Allgemeiner Teil. Stoffe. Unmittelbare religiöse Erziehung Die unterrichtliche Erziehung Gegenwartsstoffe Geschichtliche Stoffe Die Lehrbücher

266 268

271 275 280 284 292

Biblische Geschichte und Lesebuch 292; KirchengeschichtlicheHilfsbücher 296; Katechismus 298; Gesangbuch 302

Methode. § 73. Geschichtliche Wegleitung § 74. Die einzelnen Stoffe

305 312

Biblische Geschichte 312; Bibel 319; Kirchengeschichte 319; Katechismus 320; Kirchenlied 323; Psalmen und Sprüche 324

Besonderer Teil. § 75. Kirchlicher Unterricht

326

Kinderlehre 326; Konfirmandenunterricht 329; Christenlehre 349

§ 76. Der Schulunterricht

350

Volksschule 350; Fortbildungschule 354; Höhere Schulen 355; Anhang 362

Seelsorge und Gemeindearbeit. § 77. Einführung

365 Einzelne.

§ 78. Allgemeines

371

Geschichtliche Übersicht 371; Grenzen und Möglichkeiten 374; Die Aufgabe 379

§ 79. Das Ergehen Aeußere Fragen und Nöte 381; Glück und Unglück 384; Krankheit 391; Leibliche Hilfe 391; Seelsorgerliche Behandlung 394; Armut 401

381

Aufrisse der Quellen

§ 80. Das Verhalten

371 404

Sünde 404; Schuld 404; Versuchung 410; Böses 412; Förderung 414

§ 81. Das Glauben

418

Anfechtung und Zweifel 418; Irrglauben 424

§ 82. Hilfsmittel und Helfer

428

Gruppen. § 83. Vereine

435

Vom Wesen der Organisation 435; Die männliche Jugend 438; Die Männer 446; Die weibliche Jugend 448; Die Frauen 450; Die Gemeinschaft 452; Der evangelischer Arbeiterverein 454

§ 84. Losere

455

Gemeinde. § 85. Voraussetzungen

459

Personen 459; Organisationen 460; Gemeindehaus 461

§ 86. Wege in die Gemeinde

462

Gemeindebücherei 462; Gemeindeabende 466; Evangelisation 468

Kirche. § 87. Die verfaßte Kirche

475

Leistungen 475; Aufbau 477

§ 88. Die kirchlichen Organisationen

481

Die Mission 481 ; Der Gustav-Adolph-Verein 483; Die Innere Mission 485; Der Evangelische Bund 489; Die Theologie 492

Welt. § 89. Das Ergehen

494

Die soziale Frage 494; Soziale Organisation 498

§ 90. Das Verhalten

501

Kampf 501; Bauen 505

§ 91. Das Denken Literatur-Nachweis Namenregister Sachregister

506 512 519 520

372

Anhang

2. Literaturverzeichnis Alle benutzten Kurztitel verfahren nach dem preußischen System. Abkürzungen richten sich nach dem Abkürzungsverzeichnis: Schwertner, S.: Internationales Abkürzungsverzeichnis für Theologie und Grenzgebiete (IATG2), Berlin/New York 19922. Alle nicht im IATG vorkommenden Abkürzungen werden in eckigen Klammern angegeben. 2.1. Verzeichnis häufig verwendeter Sigla: BBKL

BSLK CSI EKO KGA

PG PL RE1

RE2

RE 3

RGG1 RGG2

Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon, begr. u. hrg. v. F.W. Bautz, fortgef. v. T. Bautz, Hamm 1975-1990, ab 1990 Herzberg. Bekenntnisschriften der Evangelisch-Lutherischen Kirche, Göttingen 198610. Schleiermacher, F.D.E.: Christliche Sittenlehre. Wintersemester 1826/27, hrg.v. Peiter, H„ Stuttgart 1983. Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts, hrg.v. Seling, E„ Bd. I, Leipzig 1902. Schleiermacher, F.D.E.: Kritische Gesamtausgabe, in 5 Abteilungen, hrg.v. H.-J. Birknert, G. Ebeling, H. Fischer, H. Kimmerle, K.-V. Selge, Berlin/New York 1980ff. Patrologiae cursus completus. Accurante Jaques-Paul Migne. Series Graeca, Paris 1857ff. Patrologiae cursus completus. Accurante Jaques-Paul Migne. Series Latina, Paris 184Iff. Realencyklopädie für protestantische Theologie und Kirche, Begr.v. Johann Jakob Herzog, Hg.v. A. Hauck, Gotha 1854681. Realencyklopädie für protestantische Theologie und Kirche, Begr.v. Johann Jakob Herzog, Hg.v. A. Hauck, Gotha 187718882. Realencyklopädie für protestantische Theologie und Kirche, Begr.v. Johann Jakob Herzog, Hg.v. A. Hauck, Gotha 189619133. Die Religion in Geschichte und Gegenwart. Handwörterbuch für Theologie und Religionswissenschaft, Tübingen 19131. Die Religion in Geschichte und Gegenwart. Handwörterbuch für Theologie und Religionswissenschaft, Tübingen 19272.

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RGG

TRE WA

373

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374

Anhang

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376

Anhang

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Anhang

409

3. Personenregister C.I. Nitzsch, C.A.G. von Zezschwitz und Fr. Niebergall sind nicht im Regi ster verzeichnet. Biblische Personen sind ebenfalls nicht aufgenommen. Achelis, E.C. 10, 123, 129, 195, 276, 322 Ahlers, B. 19 Aisted, J.H. 277 Altenstein, K. 15 Ambrosius von Mailand 62 Anselm von Canterbury 204 Augustinus, A. 62

Ehrenfeuchter, Fr. 9 Eichhorn, K.Fr. 17 Erasmus von Rotterdam 63, 240 Erdmann, J.E. 83

Bassermann, H. 188 Baumgarten, O. 123, 188, 192, 219 Birnbaum, W. 16, 106, 107, 134, 135, 139, 187 Bugenhagen, J. 31

Graf, A. 76, 80, 81 Gräffe, J.F.C. 67, 69 Gregor von Nazianz 62 Griesbach, J.J. 19

Chrysosthomos, J. 62 Clemen, C. 219 Cochläus, J. 63 Culmann, Ph.Th 133 Curtius, Fr. 271 Deyling, S. 65, 66, 68 Dilthey, W. 226 Dinkel, Chr. 6, 48 Dörries, B. 287 Dorner, A. 216 Drehsen, V. 20, 32, 109, 111, 188, 189 Drews, P. 123, 218 Drey, J.S. 74 Duranti von Mende 62 Ebrard, J.H.A. 9, 133 Eger, K. 223

Förster, E. 243, 265 Förster, F.W. 271 Frank, F.H.R. v. 126

Habermas, J. 100,114 Hagenbach, K.R. 74 Härle, W. 51, 101 Harleß, G.C.A. 74, 75, 126, 127 Harms, Cl. 10, 69, 219 Harnack, Th. 10, 123, 125, 126, 148, 187 Hegel, G.F.W. 7, 51, 105 Heine, H. 14 Hemming, Ν. (Hemmingsen) 64 Herbart, J.F. 212-214, 228, 243 Herms, E. 4, 26, 244, 262, 296 Herrmann, E. 278 Höfling, J.F.W. 40, 126, 159 Hofmann, J.C.K, v. 74 Hoornbeek, J. 133 Horneffer, E. 264 Hrabanus Maurus 63 Hilffei, L. 68, 69 Hyperius, A. 49, 278

410

Personenregister

Isidor von Sevilla 63 Jäger, A. 14, 118 Kabisch, R. 211, 243 Kaftan, J. 196, 201, 202 Kaiser, G.P.C. 74 Kant, I. 208, 212 Kienlen, H.W. 9 Kierkegaard, S. 264 Kleine«, P. 167, 168, 178-186, 188 Köster, F.B.

68-70

Lämmermann, G. 100 Lange, E. 29 Lessing, G.E. 202, 218 Leute, J. 256 Liebner, Th.A. 76, 81, 82, 170 Löhe, W. 126 Lücke, Fr. 126 Luhmann, N. 100 Luther, H. 47, 190, 193 Luther, M. 24, 30, 31, 33, 36-45, 47-49, 51, 52, 157, 199-201, 226, 228, 233, 239, 240, 250, 251, 315, 316, 322, 324, 333, 334 Mahling, Fr.

283

Marheineke, Ph. 7, 16, 21, 37, 47, 59, 83, 84, 108, 136 Matthes, H. 285-287 Meckenstock, G. 295 Mehlhausen, J. 117-118 Melanchthon, Ph. 40, 41, 43, 4 4 Miller, J.P. 65, 66, 68 Moering, E. 224 Moll, C.B. 137, 180, 276 Müller, A.D. 128 Müller, J. 264

Neander, J.A.W. 126 Niemeyer, A.H. 66, 68, 69 Nitzsch, K.L. 14 Oettingen, A. v. 296 Otto, G. 1-3, 36, 110, 112, 120, 324 Otto, R. 218, 219 Otto, W. 10 Palmer, Chr. 10 Pauli, A. 2 6 4 Paulli, J.H. 64 Pelt, L. 74-76 Pestalozzi, J.H. 105, 208 Peukert, H. 104 Planck, G.J. 55, 133 Preul, R. 4, 52-54, 105, 106, 267 Quenstedt, J.A.

238

Rade, M. 282 Rendtorff, Fr. 223 Richter, R. 234 Rietschel, G. 219 Rogers, Cl. 220 Roques, P. 65, 66 Rosenkranz, J.K.F. 74 Rössler, D. 32, 102, 103, 148 Rothe, R. 51 Sack, K.H. 15 Sandberger, J.V. 190, 201, 202, 204, 206, 228, 247, 253 Schaumann, F.L. 9 Scheler, M. 218, 219 Schelsky, H. 99, 109 Schian, M. 10, 286, 287 Schleiermacher 2, 3, 4, 5-7, 8, 11,

411

Anhang

14, 15, 16, 18, 21-23, 28, 47-51, 56-59, 66, 72, 73, 75-77, 79, 84, 88, 89, 91, 92, 94, 99, 102, 104, 108, 110, 112, 113, 116, 117, 121, 125, 126, 134-136, 142, 143, 167, 171, 178, 179, 208, 216, 219, 225, 228, 251, 276, 279, 292, 299, 313, 329, 346 Schmidt-Rost, R. 16, 32, 103, 106 Schoen, P. 279 Scholz, H. 99, 133, 219, 329 Schwarz, F.H.C. 51, 67-69 Schweitzer, F. 121, 122 Schweizer, A. 8, 76, 78, 80, 79, Schwobei, Chr. 101 Simons, E. 260, 271 Sohm, R. 271 Staudenmaier, F.A. 74 Sülze, E. 234, 285, 295, 300

Thomasius, G. 127 Todt, R. 296 Toller, E. 298 Traub, G. 263, 287 Troeltsch, E. 109, 191, 199, 231, 254, 255, 271, 304 Uhlhorn, F. 28 Ullmann, C. 62 Wagner, A. 249 Waitz, E. 287 Weber, M. 199, 231 Weil, E. 110 Windelband, W. 241 Wolff, G. 278 Zerfaß, R. 111 Zöckler, O. 10, 128 Zyro, F.F. 76

412

Sachregister

4. Sachregister (in Auswahl)

Absolutio 336 actual-gemeindlich 150-152, 155, 165, 166, 186 allgemeines Priestertum 30, 39, 43, 121, 292, 337 Amt 21, 22, 28, 30-32, 37-50, 53, 63, 68-70, 72, 74, 77, 81, 83, 85, 97, 103, 121, 125, 127, 154, 156-158, 208, 220, 260, 264, 275, 276, 278, 279, 284, 294, 310, 337, 343, 344 - Amtsbegriff 69, 164 - Amtsträger 5, 28, 41, 42, 45, 51, 64, 69-71, 85, 95, 103, 121, 155, 168, 200, 201, 210, 211, 237, 242, 252, 277, 285, 294, 303, 338, 339, 341-343 Apostel 160, 161 Apostolikumsstreit 287 apostolische Zeit 173 Ausbildungstheorie 210 Austeilende 165, 343 Autorität 31, 119, 155, 243, 257, 265, 280, 343 Bedarfsanalyse 189 Beichte 184, 257 Bekenntnisschriften 40, 43, 44, 48, 85, 273, 274, 331 Beruf 37, 259, 284, 299, 332 Bevölkerungsgruppen 188 Bewußtseinsbildung 134, 135, 176 Bildung 1, 18, 19, 23, 24, 42, 50, 51, 53, 73, 80, 83, 105, 106, 149, 164, 165, 169, 182, 183, 191, 201, 209, 212, 217, 233,

251, 293, 299, 304, 314, 316, 319, 331, 333, 339, 342 - Bildungsbegriff 23, 24, 49, 51, 71, 115, 122, 164, 168, 170, 171, 178, 200, 330, 341, 342, 349 - Bildungshandeln der Kirche 27, 331, 332, 341, 346 - Bildungsinstitution 51, 170, 267, 268, 299, 303, 304, 306, 309, 311, 312, 326, 342, 343 - Bildungsleistung 51, 105, 182, 318, 343 - Bildungstheorie 105, 168-170, 211, 299, 311, 312, 326, 338, 339, 345, 349 Bischofsamt 31, 42 Buße 335, 336 causal-göttlich 150, 151, 156, 162, 165, 166, 186 Charakter indelebilis 39, 45 circa sacra 280, 303, 306 clerici spiritualiter nati 35 Confessio Augustana 25, 26, 29, 40, 42, 43, 50, 85, 116, 119, 120, 122, 149, 152, 164, 175, 287, 336 congregatio sanctorum 44, 120, 276, 307, 343 contritio 336 creatura verbi divini 120, 258, 288, 331 Cultuslehre 158, 184 Cultusordnung 95, 97 cura animarum 331-333, 337, 343, 344, 346, 348

Anhang

Deduktion 225 Denkrichtung 29, 31, 35, 36, 49, 69, 119, 293, 345 Deutung 24, 49, 203, 297, 316, 318, 332, 343 - Deutungskompetenz 316 - Deutungsperspektiven 192 Diakonie 49, 89, 249, 338, 347 Dialektik 56, 58, 60, 70, 75, 102, 109, 110, 112, 122 Didaktik 56, 68, 77 Disziplin 81, 82 - Disziplinargewalt 279 Dogmatik 15, 19, 20, 56, 58, 70, 85, 121, 133-137, 140, 141, 171, 192, 194, 198, 216, 218, 220, 245, 247, 249, 250, 292 - Dogmatik, populäre 19, 20 - Dogmatik, praktische 192, 194, 198, 216, 218, 245, 247, 249, 250 Ebenendifferenzierung 69, 70 ecclesiola 292 Einzelgemeinde 181, 188, 261, 278, 279, 299, 300 Ekklesiologie 31, 49, 123, 141, 171, 328, 346 Empfangende 119, 165, 343, 344 Empirie, deskriptive 322 Empirismus 223 Enzyklopädie, theologische 55, 74, 92, 97, 133, 216, 330 Erbauung, reflexive 94, 95, 97 Erlanger Schule 74, 125, 328 Erlebnis 238, 239, 244, 251, 303, 309, 319-322, 334 Ermöglichungsbedingungen 26, 27, 330-332 Erscheinungsseiten 146, 152

413

Erwählungslehre 259, 260, 305 Erweckungsbewegung 189 Erziehung 30, 67, 103, 119, 122, 189-191, 195, 197, 198, 200-204, 206, 208-215, 218, 227, 231, 233, 239, 244-246, 248, 251, 253, 267, 277, 296, 299, 302, 303, 311, 316, 319, 320, 326 - Erziehungsanstalt 267 - Erziehungshandeln Gottes 12, 197, 200-208, 248, 331 - Erziehung des Menschengeschlechts 202, 208, 218, 246, 296, 299, 302, 303 - Erziehungstheorie 195, 197, 207 Eschatologie 139, 172, 173, 178, 255, 256 - Eschatologisierung 172-174 Ethik 19-21, 26, 56, 65, 70, 75, 84, 85, 97, 98, 102-107, 123, 133, 135-137, 140, 141, 143, 144, 164-168, 171, 176, 180, 220, 226, 228, 231, 232, 255, 256, 259, 313-316, 325, 328, 331, 332, 348 - Ethikgemeinschaft 268, 305, 314, 316 Evangelium 39, 41, 42, 49, 52, 116, 120, 122, 165, 227, 230, 239, 257, 258, 271, 283, 288, 334, 337, 338, 340-343 Exegese 53, 70, 85 Familie 25, 34, 35, 122, 168, 259, 271, 284, 300, 301 Finanzpolitik 339 Fortschritt 26, 28, 65, 68, 77, 81, 99, 136, 203, 204, 246, 260 Frankfurter Schule 107, 109, 113

414

Sachregister

freie Geistesmacht 48, 50 Freiheit 34, 78, 88, 109, 118, 119, 180, 213, 233, 239-243, 246, 252, 264, 265, 271, 272, 280, 297, 298, 307, 308, 321, 333, 335, 340, 348 Freikirche 263, 270-272, 307 Freiwilligkeitskirche 267 Frömmigkeit 189, 220, 221, 231, 232, 238, 247, 264, 268-270, 272-274, 285, 286, 292, 306, 315, 317, 325, 333 Fundamentallehre 76 Funktion 4, 9, 12, 13, 51, 62, 75, 96, 99, 115-117, 120, 124, 134, 139-141, 165, 173-175, 177, 185, 186, 198, 199, 202, 216, 218, 221, 222, 229-231, 247, 251, 257, 277, 282, 285, 288, 289, 302, 304-307, 309, 311-313, 328, 329, 333, 337, 342, 346 Funktionalität 18, 178, 188, 277, 312, 313, 319 Gebundene 50, 78, 120, 193, 210 Gegenstand 1, 7, 17, 18, 21, 22, 24-29, 53, 69, 81, 92, 97, 103, 105, 116, 135-137, 179, 197, 198, 210, 212, 220, 227, 236, 249, 284, 312, 313, 325, 1!, 330-333, 338-341, 348 Gegenwart 8, 9, 12, 61, 88, 89, 102, 111, 133, 139, 141, 143, 156, 160, 161, 167, 172, 174, 175, 178, 182, 191, 203, 217, 222-225, 228, 230, 231, 241, 246, 248, 259, 275, 278, 279, 285, 287, 321-326 - Gegenwartsanalyse 203

- Gegenwartsbezug 222 - Gegenwartsreflexion 325 Geist 14, 43, 45, 46, 50, 67, 88-90, 135, 138, 151-153, 160, 161, 180, 181, 200, 202, 206, 208, 216, 236-238, 241, 244, 245, 257, 258, 262, 268, 273, 274, 284, 288, 324 - Geistberührung 152 Geleitete 77, 78, 276 Gemeinde 3, 11, 25, 28-30, 32-34, 36, 41-45, 47-49, 52, 53, 64, 66, 67, 72, 73, 79-81, 83, 93, 94, 97, 106, 118-121, 153, 154, 157, 156-163, 167, 181, 183, 184, 189, 194, 193-195, 197-201, 208-211, 217, 218, 224, 225, 227, 231-236, 238, 240, 246, 250, 251, 253, 254, 256, 257, 2 5 9 - 2 6 1 , 263, 2 7 4 - 2 9 5 , 300, 302-311, 313, 347 - Gemeindehaus 237 - Gemeindeleitung 47, 62, 293 - Gemeindepflege 198, 224 Gemeingeist 236, 287-289 Gemeinschaft 25, 26, 31, 33-36, 40, 46, 47, 66, 88, 103, 107, 118, 119, 121, 123, 144, 152-154, 168, 169, 174, 176, 179, 180, 209, 211, 233-235, 237, 238, 240, 253, 255-257, 261, 263-266, 271, 273, 2 8 1 - 2 8 8 , 2 9 0 - 2 9 2 , 294, 298, 300, 302-305, 307, 309, 313, 315, 316, 329 Generalsynode 117 Gesangbuch 254, 259, 274, 290, 302, 305

Anhang

Geschichte 11, 17, 51, 60, 61, 68, 75, 87, 89, 97, 115, 127, 128, 130, 137, 139, 145, 173, 199, 201-204, 207, 208, 216, 217, 223-229, 231, 244-246, 248-250, 275, 297 - Geschichtsphilosophie 203 Geselligkeit 34 Gesetzgebung 61, 95, 96 - Gesetzgebungsverfahren 95 Gestaltung 24, 29, 30, 33, 58, 70, 82, 137, 180, 194, 197, 198, 226, 231, 242, 245, 248, 250-252, 266, 268, 277, 280, 281, 285, 289, 297, 298, 303-305, 307-309, 312, 316-318, 321, 331, 333, 337, 344, 345, 348 Glaube 152, 233, 265, 319,

16, 23, 26, 40, 46, 89, 179, 207, 208, 211, 221, 238, 239, 242, 243, 258, 271, 282, 292, 315-317, 320, 322, 331, 334, 338

- Glaubenslehre 179 Gottesdienst 8, 11, 17, 30, 67, 81, 83, 105, 126, 194, 198, 250, 251, 261, 288, 290, 303, 307, 337, 344, Gottesherrschaft 146-149, 157, 161, 162 gratia praeveniens 267 Grundsätze der Evang. Kirche 93 Gruppe 19, 46, 72, 77, 78, 134, 149, 167, 168, 178, 209, 268, 272, 313 habitus practicus 133 halieutisches Prinzip 79

415

Handeln, kirchliches 2, 27, 32, 52, 56, 65, 103, 105-107, 112, 116, 119, 124, 145, 155, 174, 177, 195, 263, 319, 330-332, 338, 341, 343, 345, 346, 348 - Handlungsebenen 71, 72, 101, 115, 121, 340, 343 - Handlungsermöglichung 18, 77, 104-107, 116, 117, 119, 120, 122, 124, 139, 164, 165, 168, 185, 259, 272, 307, 314, 330, 331, 333, 339, 347 - Handlungsfähigkeit 18, 23, 24, 33, 105, 169, 185, 241, 281, 293, 299, 331 - Handlungsfelder 1, 32, 66-69, 72, 95, 114, 143, 155, 159, 163, 165, 166, 192, 195, 196, 198, 201, 250, 252, 276, 309, 312 - Handlungssubjekte 27, 71, 162 - Handlungstheorie 99-102, 104, 107-115, 164, 165, 314-317 Haushaltung 95, 104 Heilsanstalt 148, 149, 256, 257, 284 Heilsgeschichte 148-150, 172, 174, 330, 342 Heilsmittel 148, 169 Heilsnotwendigkeit 203-206 Heimat 236, 286, 288, 299, 300 Herangezogene 36 Heranziehende 36, 294 Hervorragende 28, 116, 117 Historische Theologie 92, 137, 140, 141, 165, 166, 171, 172, 277, 325 Historisierung 172, 174, 177, 324

416 Homiletik 13, 56, 64, 67, 81, 94, 128, 157, 158, 185, 191, 200, 225, 226, 238, 253, 347 Humanwissenschaften 55, 56, 102, 108, 114, 226, 308, 338, 340, 341, 346

Sachregister

82, 190, 251, 98, 325,

Ideal 13, 131, 136, 153, 168, 180, 185, 209, 210, 224-229, 232-236, 240, 242, 253, 254, 256, 257, 278, 281-284, 286, 310, 315, 317, 323, 340 - Idealpersönlichkeit 180, 181 - Idealsubject 153 Idee 2, 21, 22, 24, 25, 34, 35, 39, 56-60, 68, 87-89, 91, 93, 96, 97, 109, 110, 113, 118, 129, 130, 134-141, 144, 157-159, 165, 166, 169-172, 176, 180-183, 199, 200, 213, 231, 258, 323, 328, 339-341, 344, 346-348 Identifikation 32, 111, 205, 249, 320, 336, 338 Identität 30, 32, 59, 119, 143, 155, 297, 298, 335, 338, 343 - Identitätsbildung 233, 282, 289, 307, 315, 337 Ideologie 226 imago dei 335 in sacra 280, 303, 306 incurvatus in se'ipsum 240, 335 Individualisierung 144, 148, 176, 246 Individuum 25, 144, 176, 260, 309 Industrialisierung 295, 297 Innere Mission 8, 17, 296 Innerlichkeit 147-149, 331-333

Institution 27, 88, 116, 147, 159, 169, 181, 185, 259, 267, 270, 300, 304, 306, 332 - Institutionengefüge 88 - Institutionentheorie 307 - Institutionentypologie 304 Interdisziplinarität 222, 227 iustus in spe 334 Jugend 67, 282 Jüngergemeinde 256 jure humano 31 jus humanum 42 Katechetik 47, 56, 64, 66, 67, 79, 81, 126-130, 133, 138, 142, 158, 168, 169, 184, 185, 253, 318 Katechismus 128, 290 Katholizismus 255-258, 261, 269, 297, 304 Katholizität 36 Keryktik 130, 157, 158, 163 Kirche, katholische 254, 256-258, 262, 304 Kirche, lutherische 256, 258-259, 284 Kirche, reformierte 256, 259-260 Kirche, Wesen der 129, 137-139, 142, 143, 146, 148, 149, 165, 166, 176, 179, 346 - Kirchenamt 146, 154, 158, 159 - Kirchenbaupläne 253, 282 - Kirchenbegriff 3-6, 8, 9, 11-13, 18, 22, 25, 29, 31, 68, 69, 73, 80, 81, 83, 85, 90-92, 98, 99, 107, 112, 116-121, 124, 131, 137, 141, 143, 144, 148-150, 164-166, 168, 170-172, 175, 176, 178-186, 187, 193, 195, 196, 237, 252, 253-301, 275,

Anhang

277, 302, 309, 310, 314, 327-330, 342, 349 - Kirchendienst 48, 76, 94, 134, 276 - Kirchenkunde 217-219 - Kirchenleitung 13, 28, 33, 35, 49, 59, 77, 134, 135, 167, 216, 293 - Kirchenordnung 17, 30, 82, 85, 95-97 - Kirchenrecht 45, 67, 68, 73, 75-77, 81, 82, 95, 271 - Kirchenregiment 6, 48, 75, 76, 94, 96, 118, 276, 278-280, 311 - kirchensoziologisch 199, 225, 231 - Kirchentheorie 4, 13, 82, 96, 116, 181, 263, 267, 278, 299, 327, 329, 342, 346-349 - Kirchenverfassung 30, 33, 34, 56, 82, 128, 157, 291 - Kirchenzucht 64, 261 Kleinkirchen 271, 307 Klerikalismus 276, 307 Kleriker 3, 28, 29, 120, 310 Klerus 29, 31, 33-35, 37, 39, 45-47, 50, 73, 80, 97, 117, 157, 158, 267, 285 - Klerus, natürlicher 33, 97, 157, 158 - Klerus, positiver 35, 37, 97, 157 Kommunikation 4, 5, 49, 50, 52, 64, 99, 114, 120, 191, 300, 321 - Kommunikationskompetenz 47, 52, 189, 332, 343 Kompetenz 35, 37, 47, 51, 117, 158, 189, 303, 316, 318, 332 Konfession, Konfessionen 44, 59, 252, 253, 256, 266, 289, 305 Konfirmation 169, 182, 184, 185

417

Kongregationalismus 261 Konsekrationsvollmacht 39 Konsistorial Verfassung 121 Kontinuität 37, 98, 189, 293, 303 Konventikel 266 Krieg 190, 224, 265, 294 Kriegsfrömmigkeit 270, 306 kritische Theorie 3, 113, 114, 345 kultisches Proprium 185 Kultur 23, 257, 260, 262, 266, 268, 269, 300, 306, 338 Kultuslehre 185 Kunst 48, 50, 92, 182, 200, 249, 251, 274, 280, 283, 297 - Kunstgeschichte 127 - Kunstlehre 142, 143 - Kunstregel 57, 92, 93, 110, 113, 144, 170, 171, 176 - Kunsttheorie 57, 333 Kybernetik 13, 14, 56, 66, 82, 96, 130, 132, 157, 158, 163, 293, 347 Laien 39, 45, 85, 261, 267, 289, 292, 307 Landeskirche 41, 183, 253, 254, 262, 270-273, 278-280, 283, 286, 287, 289, 290, 294, 300, 303, 304, 306, 310, 311 Landschaft 59, 188, 322 Lebenswelt 52, 73, 104, 112, 115, 189, 215, 297 Legitimität 32, 36, 45, 119, 155, 277, 282, 319, 343 Lehrbarkeit der Religion 198, 243250, 318 Lehrbarkeit des Glaubens 239, 243-250, 319

418

Sachregister

Lehre 29, 35, 39, 50, 58, 68, 71, 79, 82, 104, 109, 130, 148, 184, 185, 198, 201, 218, 227, 242, 245-249, 255, 256, 263, 272, 277, 278, 280, 281, 289, 296, 301-303, 305, 307, 308, 312, 318, 321, 326, 333, 337, 348 - Lehrgrundlage 183 - Lehrordnung 95, 97, 262, 306 Leib Christi 154, 278 Leitende 48, 51, 77, 78, 94, 193, 276, 339, 347 Liebe 118, 206, 234, 255, 282-284, 287, 288, 292 Literatur 6, 11, 24, 50, 51, 61, 127, 211, 238, 265, 271, 278, 280, 298 Liturgik 13, 57, 64, 67-68, 71, 76, 77, 81, 82, 94, 157, 184, 185, 190, 200, 251, 253, 347 Luthertum 126, 255, 260, 285 Maßstäbe 59, 60, 73, 82, 203, 206, 269, 270 Medien 4, 5, 103, 297, 309, 337, 338 meditatio 318, 336 Medizin 258 Meinungsfreiheit 265 Menschenrechte 338 Methode 12, 17, 87-97, 108, 111, 115, 123, 165, 169, 194, 199, 212, 219, 222-226, 231, 323, 324, 348 - Methode, begriffliche 87, 89-91, 111, 165 - Methode, empirische 87, 88, 108, 165, 324 - Methode, regulative 87

- Methodik 7, 12, 17, 87, 123, 166, 192, 195, 197, 199, 201, 208, 215, 219, 222, 225, 229, 230, 309, 324 Mission 17, 77, 79, 89, 128, 145, 157, 163, 169, 181, 182, 231, 279, 296, Mitarbeit 54, 209, 231, 248, 257, 260, 276, 277, 287, 291, 292, 294, 303-305, 307, 314, 316 Mittel 12, 18, 25, 26, 49, 80, 83, 88, 101, 122, 143, 193, 197, 198, 200-202, 205, 211, 212, 214, 215, 221, 227-229, 232, 234, 235, 237, 242, 244, 246-252, 253-255, 257, 259, 263, 272, 275, 277, 280, 281, 286, 290, 297, 299-301, 302-305, 308-310, 312, 321, 323, 339, 347 moderne Theologie 188, 189, 192, 262 Moderne 74, 102, 122, 188-190, 192, 204, 217, 226, 262, 265, 295, 298, 300, 301, 312, 323 Modernisierungsschub 322 Moral 15, 20, 26, 74, 80, 84, 85, 133, 220, 250, 292 Moralismus 63 motiv 30, 172, 252, 317 Motivation 291, 303, 311-313 Motive 207, 208, 251, 252, 282 Mündigkeit 30, 169, 189 Mystik 255, 256 Nationalismus 265, 297, 298, 304 Nationalsozialismus 298 Naturlehre 130, 142, 143

Anhang

Norm 12, 51, 58, 89, 99, 103, 110, 112, 113, 115, 140, 144, 145, 161, 164, 171-173, 176, 177, 188, 197, 201, 202, 212-215, 226, 227, 229, 232, 233, 254, 275, 277, 280, 281, 302-304, 310, 311, 319

105, 141, 165, 193, 224, 253, 289,

- normatives Grundproblem 58 - Normativität des Faktischen 339 - Normbestimmung 70 Oberkonsistorium 125, 126 Observationes 22, 49, 76, 77, 99, 121, 158, 166 Offenbarung 148, 173, 202, 203, 248, 257, 340 - Offenbarungszeit 161 Ökonomie 297 Ökumene 59, 96 Opferpriester 42 Optimismus 207, 301, 317 Ordination 37, 38, 41, 44-46, 184 Ordnung 34, 35, 37, 41, 94-97, 99, 114, 119, 124, 143, 158, 179, 183, 198, 250, 260, 263, 280 Organisation 9, 12, 33, 34, 36, 37, 73, 75, 76, 84, 87, 98, 99, 116, 121, 179, 209, 234, 237, 245, 249, 252, 258, 260, 262 Organismus 13, 21, 71, 73, 83, 219, 234, 254, 313, 342 Orientierungsfähigkeit 1, 299 Ortsgemeinde 91, 120, 121, 187 208-210, 245, 259, 278, 301, 307, 310, 312, 317, 342 Pädagogik 13, 56, 127, 128, 130, 199-201, 205, 208, 2 1 0 - 2 1 5 , 217, 222, 229, 243, 328

419

Parochialgemeinde 287 Passivität 77, 118 Pastoral 50, 66-69 - Pastoral, systematisierte 61, 63 - Pastoralklugheit 137, 143 - Pastoraltheologie 5, 10, 53, 62-70, 74, 75, 77, 78, 83, 84, 89, 115, 116, 121, 123, 133, 138, 143, 165-168, 210, 253, 313, 314, 339, 342 peccator in re 334 persönliche Kräfte 245 Persönlichkeit 106, 159, 197-199, 201, 209, 210, 224, 227, 233-235, 237, 238, 241, 242, 245, 246, 248, 253, 257, 264, 269, 271, 273, 277, 281-283, 286, 289, 294, 298, 300, 301, 303, 3 0 6 - 3 1 0 , 312, 3 1 4 - 3 1 8 , 320, 321, 326, 333 Pfingsten 146, 148, 159, 160, 162 Phänomen 25, 36, 71, 72, 86, 87, 88, 91, 108, 221, 228, 233, 266, 300, 309, 317, 343 - Phänomenologie 303, 325, 326 Philologie 53 Philosophie 14, 52, 53, 134, 135, 145, 167, 177, 241 - Philosophie, kirchliche 135, 330 - Philosophie, praktische 56 Philosophische Theologie 56-58, 92, 108 Pietismus 234, 252, 261, 269, 286, 305 Pluralismus 266, 268, 272 Pneumatologie 181 Poimenik 13, 66, 81, 94, 130, 158, 184 politica sacra 312

420

Sachregister

Politik 35, 56, 125, 249, 295, 297 - Politikwissenschaft 56 potestas jurisdictionis 39 potestas ordinis 39 Praxis, kirchliche 25, 26, 54, 85, 190, 227, 312, 329, 332, 340, 345 Praxis, sittliche 26, 85, 332 Predigt 25, 26, 42, 47, 77, 79, 81, 83, 94, 120, 122, 128, 154, 157, 194, 198, 229, 236, 238, 239, 251, 258, 283, 305 Priester 10, 39, 41, 42, 45, 256 - Priesteramt 39, 256 Primärsozialisation 295, 299 Prinzipien 58, 126, 142, 191, 216, 217, 221, 225, 226, 232, 317 - Prinzipienlehre 132, 138, 142, 145, 159, 165, 171, Professionalisierung 1, 13, 37, 327, 343, 349 Prolegomena 6, 58, 60, 96, 347 Propheten 203, 245, 335, 338 Psychologie 56, 57, 190, 217, 222, 225-229, 306, 325, 328 Quietiv 207, 208, 251, 317 Realismus 217, 222, 225, 230 Rechtfertigung 39, 106, 114, 119, 158, 207, 221, 247, 260, 267, 276, 281, 284, 289, 307, 333, 335, 337, 340, 342, 345 Reformation 2, 23, 24, 39, 42, 43, 63, 119, 138, 234, 252, 259, 282, 284, 297, 305, 349 - Reformationszeit 41, 258 Reformbewegung 217, 219, 220 Regierung 35, 54, 64, 76, 94-96, 104, 130, 270, 306

- Regierungsverfahren 95 Reich Gottes 24-26, 79, 122, 130, 145, 146, 152, 155, 157, 173, 207, 272, 289 Religion 3, 19-21, 26, 52, 67, 73, 84, 109, 111, 192, 193, 198, 239, 243, 244, 262, 271, 297, 301, 307, 308, 315, 318 - Religionsgeschichte 230, 231, 325 - Religionspsychologie 217-219, 229-231, 325 - religionssoziologisch 111, 199, 225, 231 - Religionswissenschaft 215, 218, 220, 230, 325 repraesentatio Christi 41 Revolution 17, 328 Rhetorik 56 sacerdotium aequale 29, 30 Sakrament 25, 26, 30, 39, 45, 119, 120, 122, 146, 150-152, 157, 161-163, 185, 257, 258 Schule 50, 119, 122, 243, 262, 280, 301 Schülerseelenkunde 198 scientia ad praxeos 22 scientia ad praxin 22, 346 scientia eminens practica 2 Seelenkunde 198, 217 Seelenpflege 17, 94, 97, 104 Seelsorge 47, 49, 56, 62, 67, 68, 75-77, 79-82, 94, 106, 157, 163, 184, 185, 194, 198, 250-252, 261, 286, 333 Seelsorgelehre 106, 190, 200 Segen 77, 184, 269, 280 Sekte 255, 256, 259, 261, 268, 286, 304

Anhang

Selbständigkeit 18, 52, 55, 97, 189, 231, 233, 262, 271 Selbstbegründung der Gemeinde 93, 97 Selbstbegründung der Kirche 27, 105 Selbstbetätigung 18, 26, 140, 260, 277 Selbstbewußtsein 18, 60 Selbstverwirklichung 140, 172, 186 - Selbstverwirklichungstheorie 182 - Selbstverwirklichungsprozeß 182 - Selbstverwirklichung der Kirche in der Welt 137, 143 Sitte 198, 235, 241, 279, 292 - Sittenlehre 65, 218 - Sittenordnung 95, 97 - Sittlichkeit 33, 35, 213, 220, 231, 241, 264, 287, 305, 315 Sonntagspredigt 122 Sozialarbeit 145, 249 Sozialdemokratie 269, 282 Sozialethik 102, 107, 144, 176, 314, 331, 332 Sozialgesetzgebung 295 Sozialisation 198, 202, 236, 237, 241, 249, 289, 299-301, 302, 305, 314, 316, 322, 326 Sozialkritik 269 sozialpsychologisch 199, 225, 231 Soziologie 52, 57, 98, 109, 123 - soziologisch 29, 71, 109, 111, 115, 205, 268, 276, 300, 306, 319 Staat 34, 35, 47, 73, 83, 85, 93, 96, 145, 168, 177, 254, 259-263, 271, 283, 284, 290, 298-300, 306 Ständelehre 40

421

Standesethik 133 Stiftung 28, 33, 36, 40, 47, 103, 153, 246, 256, 258, 294, 304, 310 Subjektanalyse 102, 115, 133, 165, 168 Subjektkonstitution 233, 240, 309, 315, 316, 334, 337 Subjektunterscheidung 75, 84,107, 180, 331 Systematische Theologie 53, 102, 141, 171, 246, 247 Systematisierung 12, 69, 70, 74, 79, 112, 133, 156, 167, 178, 188, 312, 313, 327, 331, 339, 340, 345 Tatsächlichkeit 13, 84, 85, 91, 93, 102, 113, 114, 116, 171, 172, 230, 253, 254, 256, 302, 310, 346 tentatio 318, 336 theologia practica 22, 133 Theologie der Moderne 102 Theologiebegriff 165, 167 Theologiegeschichte 22 Theorie der Selbstverwirklichung der Kirche 128 Theorie kirchlicher Gewalt 95, 96 Toleranz 297 Total itarismus 271, 272 Totalität 59, 146, 155 Tradition 37, 167, 168, 172, 182, 184, 218, 249, 266, 269, 312, 318, 330, 342 Trauung 184 Tugend 213 Typen 199, 201, 231, 232, 255, 256, 341

422

Sachregister

Typologie

254, 255, 257, 284,

Volkskirche

118, 167, 182, 218,

254, 263, 266-270, 277, 292,

302, 305, 341

303-306 Ungebundene 47, 48, 78, 210 Universalität

146, 147, 151,

Volkskunde

217-219, 225, 227-229, 231 Volksleben

159-161, 175 Universität 6, 13, 15, 117, 190,

190, 194, 198, 199, 136

Volkspädagogik

67

328 urbildlicher Begriff Utopie

93, 97

274

Weihe 40, 45 Weltabgeschlossenheit Weltentnommenheit

verbum externum 30, 40, 43, 44, 49, 239, 322, 331

Wertschätzung

185

185

238, 241-244, 317,

318, 320

Vereins wesen 249, 263, 295

Wirklichkeitswissenschaft 225, 325

Verfassung 35, 68, 76, 130, 158,

Wissenschaft 18, 20-22, 42, 50-52,

291

55, 62, 63, 68, 73, 79, 83, 87,

- Verfassungsbildung

95

99,

- Verfassungsfragen 82, 153, 157,

137,

109, 125, 128, 134, 135, 140,

151, 164-167,

- Verfassungslehre 78, 81, 82, 95, 96

297, 313, 329, 330, 341 - Wissenschaft, positive 22, 99,

Verklärungswirken

152

Vermögensverwaltung

109, 134, 164, 167, 174, 176,

279

Vernunft 89, 202, 205, 208, 335 Versöhnung

148, 334, 336, 337

Verstädterung

295

Verwaltungsmaßnahmen

313, 329 - Wissenschaftsbegriff

128, 201,

215, 218-220 - Wissenschaftsdefinition 222

339

-Wissenschaftsgeschichte 215,218

Volk Gottes 258, 304

- Wissenschaftspraxis 221

Volkserziehung

Wortverkündigung

Volksgeist

174,

176, 212, 215-222, 225, 230,

163

85

67, 198

40, 158, 258,

259, 275 Zucht

104, 213, 257, 260, 261

FRIEDRICH DANIEL ERNST SCHLEIERMACHER

Kritische Gesamtausgabe Zweite Abteilung (Vorlesungen) Band 8: Vorlesungen über die Lehre vom Staat Herausgegeben von Walter Jaeschke 1998. 24 χ 16 cm. LXIII, 968 Seiten. Leinen. D M 458,-/öS 3343,-/sFr 408,-/approx. US$ 269.00 • ISBN 3-11-015644-X Aus dem Inhalt: Erster Teil: Manuskripte Schleiermachers · Frühe Aphorismen · Fragmente zur Politik • Die Lehre vom Staat 1829-1833 · Notizen zum Kolleg 1822 Zweiter Teil: Vorlesungsnachschriften • Kolleg 1817 (Nachschrift Varnhagen) · Kolleg 1817/18 (Nachschrift Goetsch) · Kolleg 1829 (Nachschrift Heß und Willich) · Kolleg 1833 (Nachschrift Waitz). From the contents: Part One: Manuscripts of Schleiermacher • Early aphorisms • Fragments on politics • Doctrine of the state, 1829-1833 • Notes on the course of lectures, 1822.

I

Part Two: Transcripts of lectures • 1817 course of lectures (Varnhagen transcript) • 1817/1818 course of lectures (Goetsch transcript) • 1829 course of lectures (Heß and Willich transcript) • 1833 course of lectures (Waitz transcript). Prof. Dr. Walter Jaeschke ist wissenschaftlicher Angestellter der BerlinBrandenburgischen Akademie der Wissenschaften.

Preisänderung vorbehalten

Paul Tillich · Main Works / Hauptwerke Volume 3/Band 3: Writings in Social Philosophy and Ethics / Sozialphilosophische und ethische Schriften Herausgeber: Erdmann Sturm 1998. 2 3 χ 15,5 c m . V I , 7 1 2 Seiten. Leinen. D M 2 9 8 , - / ö S 2 1 7 5 , - / s F r 2 6 5 , - / a p p r o x . U S $ 1 8 6 . 0 0 • I S B N 3-11-011537-9 Textkritische E d i t i o n der wichtigsten sozialphilosophischen u n d ethischen Schriften Paul Tillichs. Kollationierung der Erstveröffentlichung d u r c h Paul Tillich. Eine E i n l e i t u n g f u h r t in das Sachgebiet des Bandes ein. Ediert werden u.a. „ D e r Sozialismus als Kirchenfrage", „Masse u n d Geist", „Das Problem d e r M a c h t " , „ D i e sozialistische E n t s c h e i d u n g " , „Love, Power a n d Justice", „Morality a n d Beyond". D e r H e r a u s g e b e r ist Professor f ü r Evangelische T h e o l o g i e u n d ihre D i d a k t i k (Systematische T h e o l o g i e u n d Religionspädagogik) an der Evangelisch-Theologischen Fakultät d e r Universität M ü n s t e r . M i t B a n d 3 ist d i e E d i t i o n d e r s e c h s b ä n d i g e n H a u p t w e r k e abgeschlossen. Bisher erschienen: Band 1 : P h i l o s o p h i c a l W r i t i n g s / P h i l o s o p h i s c h e S c h r i f t e n Herausgeber: G u n t h e r W e n z 1989. XIV, 4 2 4 Seiten. D M 1 4 9 , - / ö S 1 0 8 8 , - / s F r 1 3 3 , - / a p p r o x . U S $ 9 3 . 0 0 • ISBN 3-11-011533-6 B a n d 2: W r i t i n g s in t h e P h i l o s o p h y of C u l t u r e / K u l t u r p h i l o s o p h i s c h e S c h r i f t e n Herausgeber: Michael Palmer 1 9 9 0 . XIV, 3 8 0 Seiten. D M l 4 6 , - / ö S 1 0 6 6 , - / s F r 1 3 0 , - / a p p r o x . U S $ 9 1 . 0 0 • I S B N 3-11-011535-2 Band 4: W r i t i n g s in t h e P h i l o s o p h y o f Religion / R e l i g i o n s p h i l o s o p h i s c h e S c h r i f t e n Herausgeber: J o h n C l a y t o n 1987. IV, 4 2 2 Seiten. D M 1 3 1 , - / ö S 9 5 6 , - / s F r 1 1 7 , ~ / a p p r o x . U S $ 8 2 . 0 0 • ISBN 3-11-011342-2 Band 5: W r i t i n g s o n Religion / Religiöse S c h r i f t e n Herausgeber: Robert P. S c h a r l e m a n n 1988. XVI, 3 2 5 Seiten. D M 1 0 9 , - / ö S 7 9 6 , - / s F r 9 7 , - / a p p r o x . U S $ 6 8 . 0 0 • I S B N 3-11-011541-7 Band 6: T h e o l o g i c a l W r i t i n g s / T h e o l o g i s c h e S c h r i f t e n Herausgeber: G e r t H u m m e l 1992. XIV, 4 4 6 Seiten. D M 1 8 7 , - / ö S 1 3 6 5 , - / s F r 1 6 6 , - / a p p r o x . U S $ 1 1 7 . 0 0 • ISBN 3-11-011539-5 Preisänderungen vorbehalten