Innovationen und Institutionen: Eine transaktionskostenökonomische Analyse unter besonderer Berücksichtigung strategischer Allianzen [1 ed.] 9783428480036, 9783428080038

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Innovationen und Institutionen: Eine transaktionskostenökonomische Analyse unter besonderer Berücksichtigung strategischer Allianzen [1 ed.]
 9783428480036, 9783428080038

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CHRISTOF DOMRÖS

Innovationen und Institutionen

Volkswirtschaftliche Schriften Begründet von Prof. Dr. Dr. h. c. J. Broermann t

Heft 436

Innovationen und Institutionen Eine transaktionskostenökonomische Analyse unter besonderer Berücksichtigung strategischer Allianzen

Von

Christof Domrös

Duncker & Humblot · Berlin

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Domrös, Christof: Innovationen und Institutionen : eine transaktionskostenökonomische Analyse unter besonderer Berücksichtigung strategischer Allianzen I von Christof Domrös. - Berlin : Duncker und Humblot, 1994 (Volkswirtschaftliche Schriften ; H. 436) Zug!.: Münster (Westfalen), Univ., Diss., 1993 ISBN 3-428-08003-3 NE:GT

D6 Alle Rechte vorbehalten © 1994 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fotoprint: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0505-9372 ISBN 3-428-08003-3

Meinen Eltern und Geschwistern

Vorwort Diese Schrift entstand als Dissertation am Lehrstuhl fiir Volkswirtschaftstheorie der Universität Münster. Ihr Verfasser wurde im November 1993 nach vierjähriger Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter durch die Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät dieser Universität zum Dr. rer. pol. promoviert. Das Anliegen der Studie besteht darin, die "Neue Institutionenökonomik" zur Erklärung der Kooperation von Unternehmungen im Innovationsprozeß, insbesondere in der Form strategischer Allianzen, aufzubereiten und anzuwenden. Nach dem einleitenden Teil I geht es im Teil II allgemein um Abgrenzungen von Wissen, von Innovationen und deren Charakteristika, ferner um strategische Allianzen als Innovationskooperationen einschließlich ihrer organisatorischen Formen und ihrer nicht-institutionenökonomischen Begründungen. Die Teile III und IV dienen einer gründlichen und umfangreichen Aufbereitung institutionenökonomischer Ansätze. Die Dissertation begründet überzeugend, daß die bisher vorherrschende Transaktionskostenökonomik der vertikalen Koordination wirtschaftlicher Aktivitäten um eine solche der horizontalen Koordination ergänzt werden kann, die fiir Innovationskooperationen konkurrierender Anbieter von besonderer Bedeutung ist. Zu diesem Zweck wird die Williamsonsche Sichtweise von Transaktionen zwischen technologisch separierbaren Aktivitäten durch die allgemeinere Commonssche Sichtweise von Transaktionen zwischen interagierenden Wirtschaftssubjekten ersetzt. Gegenstand des Kapitels V ist die transaktionskostengünstigste Koordination der an Innovationen beteiligten Wirtschaftssubjekte. Systematisch werden die besonderen Probleme berücksichtigt. die sich aus nicht-artikulierbarem und verankertem Wissen, aus Netzwerkextemalitäten, aus komplexen Rückkoppelungen und aus Verbundeffekten systemischer Technologien ergeben. Die komparative Analyse der Koordinationsformen "Markt", "Hierarchie" und "Kooperation" ergibt, daß in vielen Fällen Kooperation in

8

Vorwort

Form einer strategischen Allianz das bestmögliche institutionelle Arrangement ist, das sich durch Flexibilität und Erhalt von Leistungsanreizen auszeichnet.

Prof. Dr. Dr. h.c. Jochen Schumann

Inhaltsverzeichnis

I. Einleitung .... ................. ... .... ........... .. ........... ......... ........ ........ ........... .... ........... . 13 A. Problemstellung.......................................................................................... 13

B. Aufbau der Überlegungen..... ...................................................................... 14

C. Methodologische Vorbemerkungen ............................................................. 20 ll. Innovationsprozeß und Untemelunenskooperationen..... .. .... .............. .. .. ............ 26 A. Innovationen und technologischer Wandel ................................ .................. 26 1. Begriftliche Abgrenzungen ........................ ...... ........ ........... .. ... ........... .. 26

2. Innovationen und Wissen ...................................................................... 27 3. Der Innovationsprozeß .......................................................................... 30 B. Strategische Allianzen im Innovationsprozeß .............................................. 33

1. Begriffe und Formen................................................ ............................. 33 2. Zeitliche Entwicklung.......................................................... ................. 39 3. Begründungsversuche und -deftzite ....................................................... 44 ill. Die vertikale Perspektive: Von der Tausch- zur Vertragstheorie ........................ 49 A. Die Dominanz der Tauschperspektive ......................................................... 49

B. Markt und Untemelunung in der neoklassischen Theorie............................ 54 C. Vertikale Vertragsbeziehungen in der Transaktionskostenökonomik ........... 62 1. Das Problem der Transaktionskosten ......... ...................... ... ...... ..... ....... 62

2. Die Transaktionskostenökonomik von Williamson: Von einer Theorie der Untemelunung zu einer Theorie des Vertrages................................ 65 D. Eine Beurteilung des Transaktionskostenansatzes von Williamson .............. 78 1. Der Einfluß von Produktionskosten auf die Institutionenwahl ................ 78

2. Die Erfassung von Innovationen.............. .... .......................................... 89 3. Horizontales Theoriedeftzit? ................................................................. 95

10

hthaltsverzeichnis

IV. Die Integration der horizontalen Perspektive als vertragstheoretisches Problem........................................................................................................... 99 A. Teamproduktion und die Unternehmung als Markt .................................... 101

B. Die Koalitionstheorie von Alchian ................ ... .............. ... ........ ..... .... ........ 105 V. Eine transaktionskostenökonomische Analyse von Innovationen unter besonderer Berücksichtigung strategischer Allianzen ........................................... 116 A. Ansatzpunkte einer EIWeiterung des transaktionskostenökonomischen lnstrumentariwns........... ... ...................... ... .. .... ..... ... ............... .... .... .. ...... ... 117

I. Williamsons Problemaufriß .................. ..... ... .. ... ................... ... ........ .... 119 2. Die Notwendigkeit systematischer EIWeiterungen .................... ............ 122

B. Die Appropriierbarkeit von lnnovationserträgen ......................................... 123 C. Die Artikulierbarkeit von Neuerungswissen ............................................... 129 I. Das "Überzeugungsproblem" des Innovators ........................................ 129

2. Der Transfer impliziten Neuerungswissens .......................................... 135 D. Die Verankerung von Wissen .................................................................... 139 I. Nicht-Artikulierbarkeit und die Verankerung von Wissen in Teams ..... 140

2. Die Generierung verankerten Wissens ................................................. 143 3. Der Transfer verankerten Wissens ....................................................... 147 4. Wissensverankerungen und kwnulative lnnovationsprozesse ................ 149 E. Systemische Innovationen ............................................................. ............. 150 I. Die ökonomische Theorie der Standardisierung .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. . .. .. .. 151

2. Die Komplexität von Innovationsprozessen .......................................... 157 3. Die Verkettung von Innovationsprozessen ............................................ 161

VI. Fazit. .................................................................................................... ........... 165 Literaturverzeichnis ................................................................................................ 168

Verzeichnis der Abbildungen

AbbildWlg l

Wissenscharalcteristika ... ............... ... ........ .... ......... ...... ... ... ......

27

AbbildWlg 2

Charalcteristika von hmovationsprozessen ........ ....... ...... .. ... ......

30

AbbildWlg 3

Die relative BedeutWlg einzelner Kooperationsfonnen in den Jahren 1985-1988 ....................................................................

37

AbbildWlg 4

Anzahl in den Jahren 1980-1989 neu vereinbarter strategi-

scher Technologieallianzen, allgemein Wld in der Infonnationstechnologie......... .. ......... ........ ... . .. ............. ........ . .... .. . .. . .....

40

AbbildWlg 5

EntwicklWlg der relativen BedeutWlg von Kooperationsformen in den Jahren 1950-1988 . ........ .. ................ ........ ...... .... .... .

41

AbbildWlg 6

Relative BedeutWlg einzelner Technologiekooperationen in den Jahren 1950-1989 in der MaterialforschWlg, der Biotechnologie Wld der lnfonnationstechnologie............................

43

AbbildWlg 7

UnterscheidWlgsmerkmale von Markt, Hybridfonn Wld Hierarchie................................................................................

74

AbbildWlg 8

Transaktions- Wld Produktionskostenvergleich von Markt Wld Hierarchie.........................................................................

75

AbbildWlg 9

Transalctionskostenvergleich von Markt, Hybridfonn Wld Hierarchie................................................................................

77

AbbildWlg lO

Produktionskostenvergleich von Markt wtd Hierarchie I...........

91

AbbildWig 11

Produktionskostenvergleich von Markt Wld Hierarchie li.. .. . .....

92

AbbildWlg 12

Spezifität Wld Imitationsmöglichkeiten .................................... 121

AbbildWlg 13

Spezifität Wld Appropriierbarkeit... .......................................... 127

AbbildWlg 14

Das "ÜberzeugWlgsproblem" des hmovators ............................ 133

AbbildWlg 15

Spezifit!t Wld Artikulierbarkeit................................................ 134

AbbildW1g 16

Vertikale Integration Wld Infonnationskosten........................... 138

Abbi1dWlg 17

Interalctionen im komplexen hmovationsmodell..... ........ .. .... ..... 159

I. Einleitung A. Problemstellung Ausgangspunkt ist das empirische Phänomen, daß Kooperationen zwischen rechtlich selbständigen Unternehmen for die Dauer von Innovationsprozessen eine erhebliche Rolle spielen. Die aktuelle Diskussion darüber findet weitgehend unter dem Begriff der "strategischen Allianzen" statt. In der vorliegenden Arbeit wird untersucht, ob und unter welchen Bedingungen eine ökonomische Begründung für die Vorteilhaftigkeil solcher Unternehmenskooperationen gegeben werden kann. Handlungen von Wirtschaftssubjekten bestehen aus ökonomischer Perspektive grundsätzlich in der Wahl zwischen den in einer Entscheidungssituation gegebenen Alternativen. Aus institutionenökonomischer Sicht können Handlungen zwei systematisch unterschiedlichen Ebenen zugeordnet werden. Demnach ist streng zwischen "choice among rules", also Handlungen, die eine Wahl zwischen Regeln bzw. Institutionen bedeuten, und "choice within rules", also der Wahl von Handlungen im Rahmen gegebener Regeln bzw. Institutionen, zu unterscheiden. I Im Zentrum der folgenden Analyse steht der Ansatz der Transaktionskostenökonomik. Er kann als dominierender Zweig der Forschungsrichtung der Neuen Institutionenökonomik angesehen werden2, und sein Erkenntnisinteresse besteht vor allem darin, die Wahl von Regeln bzw. Institutionen zu erklären, die Wirtschaftssubjekte ihren Interaktionen zugrunde legen. Damit ist die leitende Fragestellung dieser Arbeit, welche Formen institutioneller Arrangements unter welchen Bedingungen von den im Innovationsprozeß agierenden Wirtschaftssubjekten für die Regelung ihrer Interaktionen gewählt werden. Hierzu werden in der Literatur verwendete Ansätze, die sich

1 Vgl. Brennan!Buchanan (1985), S. 9 lUld 28f. 2

Vgl. Schumann (1992), S. 434.

I. Einleitung

14

mit dem Zusammenhang zwischen institutionellen Arrangements und Innovationen befassen, diskutiert und weiterentwickelt. Dabei wird als ein wesentlicher Aspekt herauszuarbeiten sein, daß und warum allein aufgrund der Existenz von Koordinationsnotwendigkeiten im Innovationsprozeß, wie sie unter anderem aus technologischen Nicht-Separierbarkeilen von Aktivitäten folgen, die Wahl eines bestimmten institutionellen Arrangements nicht hinreichend erklärt werden kann. In der Literatur wird, so die These, der "technische Aspekt" des Koordinationsbedarfs nicht genügend von dem "institutionellen Aspekt" der Wahl von Regeln, innerhalb derer eine Koordination erfolgt, getrennt.

B. Aufbau der Überlegungen Die aktuell im Innovationsprozeß zu beobachtenden strategischen Allianzen stellen fur die gegenwärtige transaktionskostenökonomische Forschung in zweifacher Hinsicht eine Herausforderung dar: 1. Es wird ein Ansatz benötigt, mit dem sowohl horizontale und diagonale Vertragsphänomene erklärt werden können als auch vertikale Vertragsphänomene zwischen technologisch nicht-separierbaren Aktivitäten. 3

2. Das theoretische Instrumentarium ist auf seine Leistungsfähigkeit zu untersuchen, die Institutionenwahl auch unter den speziellen Bedingungen des technologischen Wandels bzw. von Innovationsprozessen zu erklären. Nachdem in den - das einleitende Kapitel abschließenden - methodologischen Vorbemerkungen eine Reflexion des Erklärungsanspruchs der nachfolgenden Ausruhrungen vorgenommen wurde, stellt Kapitel II das Untersuchungsobjektder Arbeit vor. In Abschnitt IJ.A werden nach einer Definition des Innovations-Begriffes die Charakteristika von Wissen und Innovationsprozeß dargestellt, die ftir die Wahl institutioneller Regelungen von Inter-

3

Während ersteres die institutionelle Gestaltung von Interaktionen zwischen Wirtschaftssubjekten betriffi, die prinzipiell identische Aktivitäten durchftlhren, ist letzteres auf die institutionelle Gestaltung von Interaktionen zwischen Wirtschaftssubjekten ausgerichtet, die unterschiedliche Aktivitäten eines Produktionsprozesses durchftlhren.

B. Aufbau der Überlegungen

15

aktionen zwischen Individuen - wie es dann in Kapitel V eingehender zu untersuchen sein wird -von Bedeutung sind. Ein Überblick über den empirischen Befund strategischer Allianzen im Innovationsprozeß wird in Abschnitt 1/.B gegeben. Zudem werden in der Literatur vorhandene Versuche einer Begründung für ihre Existenz referiert und deren defizitärer Charakter aufgezeigt, welcher im Verzicht auf eine konsequente komparative Institutionenanalyse begründet liegt. Es wird in dieser Arbeit die Auffassung vertreten, daß die in Abschnitt III.D festzustellenden Defizite auch der Transaktionskostenökonomik von Oliver E. Williamson in bezug auf die zwei eingangs formulierten Herausforderungen darauf zurückgeführt werden können, daß sie explizit als ein Gegenentwurf zur neoklassischen Theorie der Unternehmung ("firm-asproduction-function framework" 4 ) und der darauf aufbauenden Wettbewerbstheorie ("inhospitability tradition" 5) formuliert wurde.6 Um dies zu verdeutlichen, wird in den Abschnitten liLA und B kurz auf Beiträge einzugehen sein, die bereits von der klassischen und der neoklassischen Theorie für die Analyse von Institutionen und Innovationen geleistet waren. In Abschnitt II/.A wird, ausgehend von den Überlegungen Adam Smiths zur Arbeitsteilung, die Auffassung vertreten, daß die ökonomische Theorie Interaktionen im wesentlichen im Rahmen einer Theorie des Markttausches analysiert hat. 7 So wird die institutionenökonomisch interessante Frage, ob die 4 Vgl. z.B. Williamson (1987), S. 807.

5 Vgl. z.B. Williamson (1985), S. 201. 6 Vgl. Coase (1937) und Williamson (1975), S. 1: "The new institutional economics both draw on microeconomic theory and, for the most part, regard what they are doing as complementary to, rather than a substitute for, conventional analysis." Später geht er zunehmend dazu über, das Konkurrenzverhältnis beider Ansätze zu betonen: "neoclassical economics was such a formidable rival"; Williamson (1985), S. 2. Es bleibt nicht viel mehr an Gemeinsamkeit als die Annahme maximierenden Verhaltens der Wirtschaftssubjekte, nun aber auch auf Entscheidungen über die Organisationsform, mithin über Regeln bzw. Institutionen, angewendet: "But economizing, in any form whatsoever, is a purpose with which most economists agree and to which all can relate." Williamson ( 1985), S. xii. 7 Die ökonomische Klassik stellt kein völlig homogenes theoretisch-methodisches System dar. Insofern Adam Smiths Werk" An Inquiry into the Nature and Causes of the Wealth of Nations" allgemein als ihr bedeutendster Beitrag und als klassische

16

I. EinleitwJ.g

Interaktionen an den Schnittstellen zwischen den im Produktionsprozeß sequentiell angeordneten, technologisch separierbaren Aktivitäten über Märkte oder in der Unternehmung geregelt werden, nicht systematisch thematisiert. Markt und Organisation werden demnach nicht als alternative Koordinationsformen angesehen. Arbeitsteilung ist nach Srnith als wesentliche Ursache fiir technischen Fortschritt anzusehen. Innovationen finden dabei autonom auf der Ebene der einzelnen Stufen bzw. Aktivitäten von Produktionsprozessen statt und haben deshalb keine Auswirkungen auf Interaktionen an den Schnittstellen zwischen den Aktivitäten und damit auch nicht auf die Institutionenwahl der diese ausführenden Wirtschaftssubjekte. Die neoklassische Theorie (Abschnitt Ill.B) entwickelte sich als eine reine Tauschtheorie. Durch eine starke Restringierung der Annahmen schnitt sie das Entscheidungsproblern der Wirtschaftssubjekte so zurecht, daß es einer formalisierten Analyse zugänglich wurde. 8 Ihr Ziel ist es, abzuleiten, wie eine gegebene Ausstattung von Ressourcen9 bei gegebener Ausgangsverteilung mittels Tausch optimal genutzt werden kann 10, oder anders ausgedrückt: welches die optimale Allokation der Ressourcen ist. Weil sie von der Existenz infolge von Interaktionsproblernen entstehender Transaktionskosten abstrahiert, ist ihr eine Bestimmung effizienter Unternehmensgrenzen allein auf der Basis technologischer Nicht-Separierbarkeilen und des Strebens nach

Gnmdlage auch der modernen Ökonomik angesehen wird, beschränken sich die folgenden Ausftlhnmgen zur klassischen Theorie allein auf diese Gnmdlage. Vgl. Elsner ( 1986), S. 8. 8 Unter dem Begriff "neoklassische Theorie" soll in dieser Arbeit die Allgemeine

Gleichgewichtstheorie verstanden werden, wie sie von Leon Walras etabliert wurde; zu einer Charakterisierung vgl. z.B. Elsner (1986), S. 284ff. 9 Unter den Begriff der Ressourcen wird in dieser Arbeit die Gesamtheit aller in die Produktion eingehenden Inputs subsumiert. Damit unterscheidet er sich von einer engeren Fassung, die allein von der Natur bereitgestellte Inputs wie Boden und Rohstoffe einschließt. Mit dem Konzept der Haushaltsproduktionsfunktion von Gary S. Hecker (1982) kann auch der Output von Produktionsprozessen, der in Form von Gütern von den Haushalten "verkonsumiert" wird, als Input in einen Produktionsprozeß interpretiert werden, dessen Output der Nutzen des Haushaltes ist. In dieser Sichtweise stellen auch Güter Ressourcen dar. Vgl. hierzu auch Vanberg (1982), S. 11, Fn. 7, und die dort angegebene Literatur. 10 Vgl. Pasineni (1988), S. 46.

B. Aufbau der Über1egwtgen

17

Marktmacht möglich. Für die Bestimmung des Gleichgewichts werden zudem nicht nur die Präferenzen der Individuen als gegeben betrachtet, sondern auch der technologische Stand bzw. die verfügbare Produktionstechnik in einer Volkswirtschaft. 11 Lediglich während des Anpassungsprozesses von einem zum anderen Gleichgewicht sind technologische Vorsprünge denkbar, die aber aufgrund der angenommenen friktionslosen Anpassungsfähigkeit "unendlich schnell" beseitigt werden. In Abschnitt II/. C wird die Transaktionskostenökonomik, wie sie von Coase begründet und von Williamson entwickelt wurde, vorgestellt und in Abschnitt III.D auf ihre Leistungsfähigkeit bezüglich der oben formulierten Anforderungen untersucht. Wie zu zeigen sein wird, nimmt sie die Tauschperspektive von Klassik und Neoklassik auf und formuliert Bedingungen, unter denen eine Integration von Tauschhandlungen vom Koordinationsmechanismus des Marktes in den der Unternehmung erfolgt. M.E. hat diese Perspektive Williamsons dazu geführt, daß der Ansatz im wesentlichen als eine Theorie vertikaler Integration entwickelt wurde und die horizontale Expansion unter Verwendung produktionstechnologisch bedingter Skaleneffekte, also im Sinne der neoklassischen Unternehmenstheorie erklärt wurde (Abschnitt lll.D.3). Gleichzeitig beschränkt sich die Analyse auf bestimmte vertikale Vertragsphänomene. Interaktionen zwischen technologisch nicht-separierbaren Schnittstellen werden ebenfalls auf technologischer Basis erklärt (Abschnitt III.D. 1). Der transaktionskostenökonomische Ansatz von Williamson bleibt also in gewisser Weise der technologischen Perspektive der neoklassischen Unternehmenstheorie verhaftet. Es wird die These vertreten, daß diese Entwicklung bereits durch die Definition des Transaktionsbegriffs vorgezeichnet war. Obwohl die Transaktionskostenökonomik somit das institutionelle Defizit der neoklassischen Theorie überwunden hat, stehen beide genannten Einschränkungen einer Anwendung des Instrumenatariums für die Thematik dieser Arbeit entgegen. Auch in anderer Hinsicht bleibt die Transaktionkostentheorie der Tradition des neoklassischen Ansatzes verhaftet, und auch dies erweist sich für das Thema als unfruchtbar. Denn charakteristisch ist auch für sie ein Interesse an

11 Vgl. Elsner (1986), S. 284. 2 Domrös

18

I. Einleitung

marktliehen Gleichgewichtslösungen 12 und damit notwendigerweise verbunden eine komparativ-statische Betrachtungsweise, fiir die ein Vergleich marktlieber Gleichgewichtslösungen charakteristisch ist. 13 Auch arbeitet sie mit der Annahme, die Wirtschaftssubjekte differierten nicht hinsichtlich ihres technologischen Wissens. In produktionstheoretischer Terminologie bedeutet dies, daß alle Akteure mit der gleichen Produktionsfunktion operieren. Vorsprünge innovativer Unternehmen, und dies ist fiir das Thema der Arbeit von Interesse, können folglich theoretisch nicht erfaßt werden. Der herkömmliche Transaktionskostenansatz von Williamson weist damit ein dynamisches Defizit auf, wie es in Abschnitt III.D.2 erläutert wird. Da die Analyse in Kapitel III Defizite des Williamsonschen Ansatzes fiir eine Bewältigung der eingangs formulierten Anforderungen offenlegt, ist es Aufgabe des IV. und V. Kapitels, zu untersuchen, ob und unter welchen Bedingungen seine Anwendbarkeit dennoch hergestellt werden kann. In Kapitel IV wird der zentrale transaktionskostenökonomische Ansatzpunkt, wonach das Problem der Interaktion von Wirtschaftssubjekten auf der Existenz einseitiger oder gegenseitiger Abhängigkeiten beruht und mit Hilfe von Institutionen bewältigt werden kann, auch fiir die Ebene horizontaler Interaktion formuliert. Hierfiir sind Überlegungen von Bedeutung, die Armen A. Alchian im Rahmen seiner Koalitionstheorie entwickelt hat. Damit kann eine Erklärung horizontaler Vertragsphänomene bzw. insbesondere horizontaler Kooperation geleistet werden, die nicht auf technologischen NichtSeparierbarkeilen beruht. Es folgt ebenfalls, daß vertikale Vertragsphänomene zwischen technologisch nicht-separierbaren Aktivitäten einer institutionenökonomischen Analyse zugänglich sind.

12 In der Transaktionskostenökonomik ist darunter vor allem der Markt ftlr institutionelle Arrangements zu verstehen. 13 Es ist auf die konzeptionelle Differenz zwischen dem Gleichgewicht eines Marktes und dem Gleichgewicht individuellen Verhaltens hinzuweisen. Ersteres liegt vor, wenn eine vollständige Anpassung des Marktes an Datenänderungen erfolgt ist, also keine endogenen Kräfte existieren, die auf eine Änderung des Marktergebnisses hinwirken. Letzteres bedeutet, daß ein Wirtschaftssubjekt sein Verhalten vollständig an Änderungen hinsichtlich seiner Restriktionen angepaßt hat. Die hier geäußerte Kritik bezieht sich ausschließlich auf ersteres. Gleichgewichte im letzteren Sinne werden hingegen auch in dieser Arbeit vorausgesetzt und die neoklassische Theorietradition insofern nicht aufgegeben.

B. Aufbau der Überlegungen

19

In Kapitel V werden Möglichkeiten gezeigt, wie die Auswirkungen technologischen Wandels durch Prozeß- bzw. Produktinnovationen auf die Institutionenwahl berücksichtigt werden können, und damit der statische Charakter des Williamsonschen Modells überwunden werden kann. Dazu ist es erforderlich, die Prämisse aufzuheben, daß alle Akteure über identisches produktionstechnologisches Wissen verfügen. Einleitend werden entsprechende Weiterentwicklungen diskutiert, wie sie skizzenhaft bereits von Williamson selbst geliefert wurden (Abschnitt V.A). In Abschnitt V.B wird gezeigt, wie sich die Aussagen der herkömmlichen Transaktionskostentheorie ändern, wenn nicht mehr angenommen wird, daß Property Rights wohldefiniert und leicht durchzusetzen sind, mithin externe Effekte auftreten. Dieser Aspekt ist fiir Innovationen von erheblicher Bedeutung, weil Anreize zu ihrer Generierung nur dann bestehen, wenn eine Aufrechterhaltung von Informationsasymmetrien bezüglich des Neuerungswissens zwischen dem Ionovator und seinen potentiellen Konkurrenten gelingt. Es wird untersucht, welche Auswirkungen dies allgemein auf die Institutionenwahl von Ionovatoren hat. Für das Ausmaß, in dem es dem Ionovator gelingt, sich die Erträge der Innovation anzueignen, wird der Begriff der Appropriierbarkeit verwendet. Wird berücksichtigt, daß Neuerungswissen teilweise impliziter Natur ist bzw. nicht artikulierbar in Individuen lokalisiert ist, ergeben sich zusätzliche institutionelle Implikationen fiir Phasen technologischen Wandels. In Abschnitt V.C wird untersucht, wie sich Probleme der Artikulierbarkeit einer Neuerungsidee auf die institutionelle Einbindung notwendiger komplementärer Ressourcen in den Innovationsprozeß auswirken. Hier geht es um das Problem, daß die Informationsasymmetrie bezüglich der subjektiven Erfolgserwartungen bewältigt werden muß, damit eine Generierung der Innovation erfolgen kann. Aus der Eigenschaft der Implizitheit von Wissen lassen sich Anhaltspunkte

dafiir ableiten, daß eine Verankerung von Wissen nicht nur in Individuen,

sondern auch in Teams von Individuen erfolgen kann. In Abschnitt V.D werden die Auswirkungen eines sogenannten "organizational knowledge" auf die institutionelle Gestaltung des Innovationsprozesses untersucht. Zum einen betrifft dies die Generierung von Wissen in Teams von Wirtschaftssubjekten und zum anderen den Transfer in Teams verankerten Wissens.

20

I. Einleitung

Systemische Innovationen sind solche, bei denen innerhalb von und zwischen Innovationsprozessen enge technologische Verbundenheilen existieren. So können die Eigenschaften von Gütern und damit ihr Nutzen auch von dem Grad ihrer Verbreitung abhängen. Ionovatoren haben dann ein Interesse, ihre Innovation als Standard am Markt durchzusetzen. In Abschnitt V.E.l werden institutionenökonomische Implikationen der Theorie der Standardisierung fiir den Innovationsprozeß analysiert. Im Kern steht insbesondere die Frage, unter welchen Bedingungen die Effizienz horizontaler Kooperationen begründet werden kann. Komplexe Innovationsprozesse zeichnen sich durch starke Rückkoppelungen und zeitliche Parallelitäten zwischen den Aktivitäten aus. Abschnitt V.E.2 analysiert, inwiefern daraus Implikationen fiir vertikale Vertragsbeziehungen, insbesondere Kooperationsformen, abgeleitet werden können. Verbundwirkungen zwischen den Innovationsprozessen verschiedener Branchen werden in Abschnitt V.E.3 auf die Wahl institutioneller Arrangements untersucht.

C. Methodologische Vorbemerkungen Die folgende Analyse ist vorwiegend positiv ausgerichtet. Ihr Ziel ist die Erklärung des Verhaltens von Individuen mithilfe des ökonomischen Ansatzes, wie er z.B. von Gary S. Becker charakterisiert wurde 14. Ausgangspunkt ist die Annahme universaler Knappheit der Ressourcen in bezug auf die Bedürfnisse der Individuen. 15 Als unmittelbare Konsequenz dieser Annahme folgt, daß Entscheidungen unter den in der Entscheidungssituation existierenden Alternativen getroffen werden müssen. Alternativen werden in der Dimension Nutzen bewertet, wobei der Nutzen allgemein alle Vorteile umfaßt, die ein Individuum in sein Entscheidungskalkül einbezieht. Damit wird bereits deutlich, daß im ökonomischen Ansatz alle empirischen Phänomene letztlich auf individuelles Handeln zurückgefiihrt werden. Diese Vorgehensweise wird als methodologischer Individualismus bezeichnet.

14 Vgl.

Becker(l982).

15 Vgl. hierzu und zum folgenden Homann (1988), S.52ff. und auch die zusammenfassende Darstellung in Wessling ( 1991 ), S. 31-38.

C. Methodologische Vorbemerlam.gen

21

Für das individuelle Verhalten wird die Rationalitätsannahme zugrundegelegt. Demnach handeln die Individuen grundsätzlich nutzenmaximierend unter Beachtung der mit der Entscheidungssituation verbundenen Restriktionen. Nutzen folgt aus der Realisierung von Zielen, die Restriktionen repräsentieren die dem Individuum zur Verfügung stehenden Ressourcen und schränken dessen Handlungsmöglichkeiten ein. Der so modellierte "homo oeconomicus" wägt bei jeder Entscheidung den Nutzen alternativer Ressourcenverwendungen ab und wählt die alternative Handlungsmöglichkeit mit dem höchsten Zielbeitrag. Der Nutzen der nächstbesten Alternative, die es aufgrund der Knappheit an Ressourcen nicht verwirklichen kann, stellt für das Individuum die Kosten bzw. die Opportunitätskosten der Entscheidung dar. 16 Auf der Grundlage des skizzierten Modells kann eine Verhaltensänderung von Individuen grundsätzlich zum einen mit einer Änderung ihrer Ziele und zum anderen mit einer Änderung der Restriktionen in der Entscheidungssituation erklärt werden. Aus forschungsstrategischen Gründen werden Erklärungen auf der Basis von Zieländerungen abgelehnt 17 und statt dessen Erklärungen immer auf Änderungen der Restriktionen bzw. Kosten zurückgeführt. Auf die Erklärung von Entscheidungen über institutionelle Arrangements angewendet, bedeutet dies, die Wahlhandlungen grundsätzlich auf unterschiedliche Kosten bzw. Restriktionen zurückzuführen, denen sich die Wirtschaftssubjekte ausgesetzt sehen, und Änderungen ihres Verhaltens auf Änderungen in den Kosten bzw. Restriktionen zurtJckzufilhren. Eine ökonomische Analyse muß alle Einflußfaktoren der Institutionenwahl demnach systematisch als Kosten interpretieren. 18 Unter den Bedingungen unvollkommenen Wissens sind es die von den Wirtschaftssubjekten erwarteten Kosten.

16 Teilweise wird in der Literatur bereits das solchermaßen skizzierte Handhmgsmodell als "neoklassisch" bezeichnet; vgl. z.B. Neumann (1984). In dieser Arbeit wird der Terminus neoklassische Theorie jedoch enger abgegrenzt, wie es in Abschnitt Ill.B dargestellt wird. 17 Vgl. zur BegrUndung Stigler!Becker ( 1977) und Becker ( 1982 ). 18 Die betriebswirtschaftliche Literatur hat diese Forschungsstrategie allerdings zwischenzeitlich verlassen und entdeckt die Fruchtbarkeit des ökonomischen Ansatzes in seiner modernen Formulierung erst neuerdings wieder; vgl. Albach (1991), S. 3fT.

I. Einleitung

22

Für die nonnative Analyse von Institutionen hat dieser Ansatz die Konsequenz, daß eine eventuelle, wirtschaftspolitisch erwünschte Veränderung des Verhaltens der Wirtschaftssubjekte sich nur erreichen läßt, indem auf die von ihnen erwarteten Restriktionen Einfluß genommen wird. Dies kann entweder durch eine Verbesserung des lnfonnationsstandes bezüglich der Eintrittswahrscheinlichkeit bzw. der Kostenhöhe oder durch eine direkte Beeinflussung der Eintrittswahrscheinlichkeit bzw. der Kostenhöhe durch wirtschaftspolitische Maßnahmen geschehen. Obwohl die Neue Institutionenökonomik sich in der Hauptsache als positive Theorie versteht, werden die abgeleiteten Aussagen über die komparative Effizienz institutioneller Arrangements in der Literatur teilweise auch normativ interpretiert. Diese Vorgehensweise ist u.a. von Ribhegge deshalb kritisiert worden, weil ausschließlich "die Interessen der jeweils direkt Betroffenen" 19, nicht aber die Interessen aller Individuen berücksichtigt werden, und deshalb ein Effizienzvergleich auf der Basis von Transaktionskostenvergleichen nicht sinnvoll sei20. Diese Kritik kann dann als berechtigt angesehen werden, wenn sie auf die normative Rechtfertigung der Bedingungen abzielt, unter denen Effizienz abgeleitet wird. Es ist aber anzumerken, daß ein normativer Anspruch der Institutionenökonomik sowohl für einen gegebenen Rahmen von Bedingungen als auch die Wahl der Bedingungen selbst begründet werden kann. Eine Differenzierung zwischen "Spielregeln" und "Spielzügen" ist für die Argumentation grundlegend. 21 Spielregeln bilden den Rahmen für Spielzüge, d.h. sie legen fest, welche Spielzüge in welcher Weise entweder positiv oder negativ sanktioniert werden. Die Wahl eines bestimmten institutionellen Arrangements durch die Individuen kann entsprechend als Spielzug interpretiert werden, der unter der Restriktion einer gesellschaftlichen Spielregel in Form einer gesetzlichen Regelung bzw. einer Verfassung erfolgt. Auf einer systematisch nachgelagerten Ebene stellt nun das gewählte institutionelle Arrangement selbst eine

19 Ribhegge (1991), S. 41. 20 Vgl. Ribhegge (1991), S. 42. 21 Die Unterscheidung geht aufBuchanan zwilck; vgl. Pies (I 993), S. 156.

C. Methodologische Vorbemerkungen

23

Regel dar, welche das Verhalten bzw. die Spielzüge der beteiligten Wirtschaftssubjekte beeinflußt. Norrnativität kann aus zwei Gründen im ökonomischen Paradigma sinnvoll nur an Spielregeln ansetzen. Erstens kann, solange eine theoretisch leistungsfähige Endogenisierung der Prtiferenzen (noch) nicht möglich ist und Präferenzen somit als exogen betrachtet werden müssen, Verhalten nur über eine Änderung der Restriktionen beeinflußt werden. Dies folgt zwingend aus der oben skizzierten Konstruktion des ökonomischen Verhaltensmodells. Norrnativität, die sich auf Ergebnisse wirtschaftlichen Handeins oder anders ausgedrückt: auf die Konsequenzen von Spielzügen bezieht, setzt daher die Kenntnis der Auswirkungen von Spielregeln auf Spielzüge voraus. Nur dann können die Regeln so gestaltet werden, daß Spielzüge gewählt werden, die zu von allen Individuen gewünschten Ergebnissen fuhren. Im ökonomischen Ansatz läuft der Weg von wünschbaren zu tatsächlichen Zuständen somit immer über die Restriktionen individuellen Verhaltens. Es gibt keinen "direkten" Weg von wünschbaren Ergebnissen zu wünschbarem Verhalten, wie ihn etwa funktionalistische Ansätze in der Soziologie nahelegen. Wird, zum zweiten, im Sinne des methodologischen Individualismus die Möglichkeit bestritten, Normativität an Ergebnissen bzw. Spielzügen anzusetzen, weil eine Bewertung von Handlungsfolgen eine Abkehr vom subjektiven Kostenkonzept impliziert22 und eine Aggregation individueller Präferenzen mit unlösbaren Problemen verbunden ist23 , so können ökonomisch sinnvolle normative Aussagen allein über die Wahl von Spielregeln getroffen werden. Der Sinn einer Analyse der Wirkung von Spielregeln auf Spielzüge liegt dann in der Aufklärung der über die Gestaltung von Spielregeln entscheidenden Wirtschaftssubjekte. 24

22 In Opposition zu einem objektiven Kostenkonzept geht das subjektive Kostenkonzept davon aus, daß die Opportunitätskosten bzw. der NutzeDentgang allein von den Individuen selbst bewertet werden können; vgl. Buchanan ( 1969 ). 23 Vgl. Sohmen (1976), S. 343fT. 24 Ein normativer Anspruch der Institutionenökonomik läßt sich mit der Interdepen-

denz von Zielen und Mitteln begründen. Werden Ziele als Mittel zur Erreichung höherer Ziele interpretiert, so sind auch Ziele einer positiven Analyse zugänglich: Aufgabe der Institutionenökonomik ist es dann, die Geeignetheit von Zielen als Mittel zur Erreichung höherer Ziele zu analysieren; sie beschränkt sich nicht mehr auf eine

24

I. Einleitung

Positive Institutionenökonomik analysiert also quasi von 'oben' nach 'unten' die Determinierung von Spielzügen durch Spielregeln, während die nonnative Analyse an den Konsequenzen ansetzt und von deren Zustimmung durch alle Individuen quasi von 'unten' nach 'oben' die Zustimmung zu Regeln ableitet, die diese Konsequenzen kanalisieren: "Die nonnative Analyse arbeitet also den positiv untersuchten Kausalitätsverlauf in umgekehrter Richtung ab. "25 In dieser Sichtweise stellt die im Rahmen gegebener Regelsetzung operierende institutionenökonomische Analyse einen positiven Ansatz dar, der, versteht er sich zugleich normativ, ein unbegründetes Werturteil zugunsten der aktuell bestehenden Regelsetzung impliziert. Darin ist der Kritik Ribhegges zuzustimmen. Man könnte es auch so formulieren, daß die Normativität nur auf der Ebene der betrachteten Wirtschaftssubjekte als gerechtfertigt angesehen werden kann, nicht aber auf der Ebene aller Individuen einer Gesellschaft. Der Institutionenökonom wird dann zum Berater der betrachteten Individuen und analysiert, wie diese sich unter den gegebenen Restriktionen und damit auch den gegebenen Spielregeln nutzenmaximierend verhalten. Dies bedeutet dann aber folgerichtig auch die normative Anweisung, Transaktionskosten zu minimieren. Unter gegebenen Restriktionen, und das bedeutet hier insbesondere: unter gegebenen Spielregeln, über die auf einer systematisch übergeordneten Ebene entschieden wurde, fallen also positive und normative Analyse systematisch zusammen. Was erfolgreich als nutzenmaximierendes Verhalten unter den gegebenen Restriktionen in der positiven Analyse erklärt wird, kann in nonnativer Analyse sinnvoll nicht anders gefordert werden. Eine normative Analyse, die die Interessen aller Individuen einschließt, muß sich auf die Restriktionen individuellen Handeins beziehen, d.h., sie muß Spielregeln finden, die die Handlungen der Wirtschaftssubjekte so kanalisieren, daß die gewünschten Ergebnisse folgen. Wird dieses Ziel verfolgt, so ist es zwar nicht mehr gerechtfertigt, Ergebnisse der positiven Analyse auf der Ebene einiger Wirtschaftssubjekte mit einem allgemeinen nonnativen

reine Mittelanalyse: "Die Kategorie der Zweckrationalität, die ftlr Ökonomen keine theoretischen Schwierigkeiten enthält, wird auf die Ziele angewandt"; Homann/Pies (1991 ), S. 88ff. 25 Pies (1993), S. 193 (im Original kursiv).

C. Methodologische Vorbemerkungen

25

Anspruch zu versehen, wohl aber, diese Ergebnisse in einer normativen Analyse zu verwerten. Denn die Ableitung geeigneter Regeln setzt Kenntnisse über die Wirkungen von Regeln voraus. Damit ist auch eine Integration von entscheidungsorientierter Betriebswirtschaftslehre und Volkswirtschaftslehre möglich, zumindest, wenn erstere systematisch mit dem ökonomischen Ansatz operiert. Die entscheidungsorientierte Betriebswirtschaftslehre beschäftigt sich unter normativem Gesichtspunkt dann mit der Situation der einzelnen Unternehmung. Die Restriktionen der Entscheidungssituation bestehen unter anderem aus den Spielregeln, denen die Unternehmung unterworfen ist. Im ökonomischen Ansatz wird hergeleitet, wie sich die Unternehmung in Abhängigkeit von den Restriktionen zielmaximierend verhält. Diese positive Analyse ist aber identisch mit einer auf die Unternehmensebene beschränkten normativen bzw. entscheidungsorientierten Analyse. Eine dem ökonomischen Ansatz verpflichtete Analyse wäre demnach in ihrem Status nicht anders zu beurteilen, als dies fiir die Institutionenökonomik begründet wurde. Strategisches Management, Marketing und Organisation als Disziplinen der Betriebswirtschaftslehre könnten dann mit ihren Ergebnissen fruchtbar gemacht werden fiir die Gestaltung von Regeln, z.B. in der Wettbewerbspolitik, weil sie die Konsequenzen von Regelsetzungen offenlegen. 26

26 Zum Verhältnis von allgemeiner Betriebswirtschaftslehre und ökonomischer

Theorie vgl. auch Wenger (1989) sowie Orde/heide!Rudolph/BUsselmann (Eds.) (1991 ).

II. Innovationsprozen und Unternehmenskooperationen A. Innovationen und technologischer Wandel 1. Begriffliche Abgrenzungen

Technologischer Wandel findet durch Innovationen statt. Unter einer Innovation wird in der Literatur im weiteren Sinne die Suche nach neuen Prozessen, neuen Produkten und neuen organisatorischen Strukturen und Prozeduren, sowie ihre Entdeckung, Entwicklung, Verbesserung und ihre Einführung und Durchsetzung am Markt verstanden. 1 In Anlehnung an Schumpeter wird teilweise zwischen Invention, Innovation und Diffusion unterschieden. 2 Für alle Aktivitäten zur Erfindung und Entwicklung einer Neuerung und auch fiir die Neuerung selbst wird der Begriff der Invention verwendet. Die erstmalige Einführung eines neuen Produktes oder eines neuen Prozesses in den Markt wie auch das neue Produkt bzw. der neue Prozeß selbst wird danach als Innovation bezeichnet. Setzt sich eine Innovation am Markt erfolgreich durch, so erreicht sie die Phase der Diffusion. Die Innovation lenkt zunehmend Nachfrage auf sich, und imitierende Allbieter treten konkurrierend auf. Eine solche definitorische Vorgehensweise hat den Nachteil, daß nicht zwischen dem Prozeß, in dem Neuerungen erfolgen, und den Neuerungen selbst, also dem Output der Aktivitäten des Innovationsprozesses, differenziert wird. Im folgenden soll diese Unschärfe vermieden werden, indem nur fiir letzteres der Begriff der Innovation, für ersteres aber der Begriff Innovationsprozeß verwendet wird. Zugleich wird der Begriff der Innovation so weit gefaßt, daß er auch den Output der Inventions- und der Diffusionsphase einschließt. Die fiir die Arbeit bedeutsamen Eigenschaften von Innovationen werden in Abschnitt II.A.2 erörtert, und eine genauere Charakterisierung des Innovationsprozesses wird in Abschnitt II.A.3 vorgestellt.

I Vgl.

Jorde!Teece (1989), S. 5.

2 Vgl. hierzuFreeman (1987), S. 858.

A. Innovationen wtd technologischer Wandel

27

2. Innovationen und Wissen Die Hervorbringung von Innovationen erfordert eine Umsetzung von Wissen. Wissen kann dabei als (hypothetische) Kenntnis allgemeiner Zusammenhänge bezeichnet werden. Der Ionovator besitzt ein Wissen, das ihn von anderen Wirtschaftssubjekten unterscheidet und ihm damit eine Vorsprungssituation einräumt. Sind an einer Innovation mehrere Wirtschaftssubjekte als Ressourcenbesitzer beteiligt, so müssen deren Interaktionen koordiniert werden. Die Koordination erfolgt auf der Grundlage von Institutionen. Welche institutionellen Arrangements von den interagierenden Ressourcenbesitzern gewählt werden, wird von den Eigenschaften des Wissens beeinflußt und zwar so, daß eine - aus Sicht der beteiligten Wirtschaftssubjekte - effiziente Ausnutzung erwartet werden kann. Im folgenden wird ein Klassifizierungsschema von Wissen vorgestellt, auf das die institutionenökonomischen Überlegungen zu Innovationen in Kapitel V bezogen werden können. Wissen kann nach vier Charakteristika differenziert werden, 3 die z.T. in komplexer Beziehung zueinander stehen, aber jedes für sich als Auslöser eines bestimmten institutionenökonomischen Problems betrachtet werden können.

1.

Spezifität:

generell/ spezifisch

2.

Öffentlichkeit:

privat I öffentlich

3.

Artikulierbarkeit:

explizit I implizit

4.

Verankerung:

individuell/ kollektiv

Abbildwtg 1: Wissenscharakteristika

Während generelles Wissen sich durch eine allgemeine Verwendbarkeit auszeichnet, kann spezifisches Wissen nur in einer bestimmten Vertragsbeziehung bzw. Transaktion verwertet werden. Während z.B. naturwissenschaftliche Gesetze oder volkswirtschaftliche Daten ersterem zuzuordnen sind,

3 Vgl. zu einer ähnlichen Systematik Dosi (1988), S. 224.

28

II. Innovationsprozeß Wld Unternehmenskooperationen

besteht letzteres z.B. in Kenntnissen über die speziellen Marktbedingungen oder Produktionstechniken eines bestimmten Wirtschaftssubjekts. Der Spezifitätsgrad ist das kontinuierliche Maß fiir die Ausprägung der Eigenschaft.

Privates Wissen ist nur bestimmten Wirtschaftssubjekten zugänglich. Andere Wirtschaftssubjekte können von der Nutzung des Wissens ausgeschlossen werden. Ein Transfer kann durch Tausch erfolgen. Öffentliches Wissen ist auch ohne Tausch allen Wirtschaftssubjekten zugänglich. Niemand kann von der Nutzung des Wissens ausgeschlossen werden. Der Öffentlichkeitsgrad ist das kontinuierliche Maß fiir die Ausprägung der Eigenschaft. Explizites bzw. artikulierbares Wissen kann schriftlich fixiert werden und, wenn es transferiert wird, von anderen Wirtschaftssubjekten eigenständig genutzt werden. Implizites bzw. nicht artikulierbares Wissen umfaßt demgegenüber alle Kenntnisse, die ein Wirtschaftssubjekt bewußt oder unbewußt durch Erfahrung erwirbt und die nicht schriftlich fixierbar sind. 4 Als Beispiel wird in der Literatur der Bau einer "Stradivari" genannt, dessen Imitation selbst unter Verwendung modernster Fertigungsmethoden als unmöglich

4 Vgl. Polanyi (1985), S. 13fT. Badaracco merkt an, daß bereits von Hayek auf die BedeutWlg des durch Erfahrung in Personen gespeicherten nicht artikulierbaren Wissens hingwiesen hat; vgl. Badaracco (1991), S. 99. "Today it is almost heresy to suggest that scientific know1edge is not the sum of all know1edge. But a little reflection will show that there is beyond question a very important but Wlorganized knowledge which cannot possibly be called scientific in the sense of knowledge of general rules: the knowledge of the particular circumstances of time and place. It is with respect of this that practically every individual has some advantage over all others in that he possesses unique information of which beneficial use might be made but of which use can be made only if the decisions depending on it are left to him or are made with his active cooperation. We need to remernher only how much we have to learn in any occupation after we have completed our theoretical training, how big a part of working life we spend learning particular jobs, and how valuable an asset in all walks of life is knowledge of people, of local conditions, and special circumstances. "; von Hayek (1945), S. 521f. Vgl. auch Streit (1991), S. 4f., der das von Hayeksche Beispiel des Sprachgefilhls anfuhrt. Dies ermöglicht eine Identifikation falscher SprachverwendWlg, ohne daß dies den Urteilenden linguistisch erklärbar sein muß.

A. Innovationen Wld technologischer Wandel

29

angesehen wird. 5 Nur infolge durch jahrelange Fertigung erworbener Erfahrungen im Umgang mit Materialien und Werkzeugen war es Stradivari möglich, Instrumente mit außerordentlichen Qualitätseigenschaften zu bauen. Das dabei angesammelte und verwendete Wissen ist zu einem großen Teil nicht artikulierbar und damit impliziter Natur. 6 Ein Transfer des Wissens in der Form von Blaupausen ist nicht möglich. Eine Ausnutzung impliziten Wissens ist somit nicht unabhängig von dem Wirtschaftssubjekt möglich, das es erworben hat. Das Phänomen des auf Erfahrung beruhenden, nicht kodifizierbaren Wissens wird teilweise auch mit dem Begriff des idiosynkratischen Wissens belegt. 7 Das Ausmaß, in dem Wissen explizite Eigenschaften aufweist, wird als Artikulierbarkeitsgrad bezeichnet. Individuelles Wissen ist separierbar bei einzelnen Individuen lokalisiert und existiert unabhängig von der Interaktion mit anderen Individuen oder Wirtschaftssubjekten. Unter solchen Bedingungen setzt sich das Wissen eines Teams von Individuen additiv aus dem Wissen der einzelnen Beteiligten zusammen. Kollektives Wissen kann demgegenüber nicht einzelnen Individuen separierbar zugeordnet werden, sondern ist in den Routinen gespeichert, die sich unter den Mitgliedern eines Teams im Verlauf ihrer Zusammenarbeit entwickelt haben. Die Wirtschaftssubjekte wissen aus Erfahrung, wie sie interagieren müssen, um ein bestimmtes Ergebnis zu erzielen, ohne daß jedes einzelne Wirtschaftssubjekt sich dessen bewußt ist, warum dies der Fall ist. 8 Als Beispiel kann ein Sportteam dienen, das auch ohne überragende Einzelleistungen allein durch die Art des Zusammenwirkens der einzelnen Sportler Ergebnisse erzielen kann, ohne daß dafiir auch nur ein Spieler ersetzbar wäre. 9 Die Summe des Wissens des gesamten Kollektivs oder Teams ist bei

5 Das Beispiel wurde erstmals von Polanyi (1948), S. viii Wld 17 vorgebracht Wld z.B. von Badaracco (1991), S. 96 Wld Dietl (1993), S. 171, Fußnote 102 aufgenommen.

6 Vgl. Eliasson ( 1990), S. 276. 7 Vgl.

z.B. Williamson ( 1975), S. 35, zitiert bei Bonus ( 1986), S. 328.

8 Vgl. Dosi (1988), S. 1133. 9 Vgl. Badaracco (1991), S. 100.

30

ll. hmovationsprozeß wtd Unternehmenskooperationen

Existenz kollektiven Wissens demnach größer als die Summe des separierbaren individuellen Wissens aller dazu gehörigen Wirtschaftssubjekte. 10

3. Der Innovationsprozeß Nach den im vorhergehenden Abschnitt vorgestellten Charakteristika von Wissen werden nun Eigenschaften von Innovationsprozessen erläutert, fiir die ein Einfluß auf die Struktur institutioneller Arrangements begründet werden kann 11 . Während das Ziel der folgenden Ausruhrungen darin besteht, Bestimmungsgrande for einen Koordinationsbedarf im Innovationsprozeß aufzuweisen, folgt eine systematische Untersuchung ihrer institutionellen Auswirkungen in Kapitel V.

1. Kurnuliertheit:

unkumulativ I kumulativ

2. Autonomie:

autonom I systemisch

a. Vemetztheit:

singulär I vernetzt

b. Komplexität:

seriell I komplex

c. Verkettung:

unverkettet I verkettet

Abbildwtg 2: Charakteristika von hmovationsprozessen

Jüngere Beiträge in der Innovationsforschung betonen, daß Innovationsprozesse häufig in starkem Maße von der technologischen Entwicklung in der Vergangenheit determiniert werden bzw. kumulativen Charakter haben. 12 Entwicklungen auf der Ebene einzelner Technologien verlaufen demnach in

10 In der evolutorischen Ökonomik fmdet dieser Aspekt wtter dem Begriff

"organizational knowledge" starke Berücksichtigwtg; vgl. Nelson/Winter ( 1982).

11 Die folgenden Überlegwtgen wurden in jüngster Zeit vor allem von David J. Teece in die Diskussion eingebracht; vgl. hierzu v.a. Teece (1989), S. 35ff wtd Jorde/Teece ( 1989), S. 13fT. 12 Vgl. zumfolgenden Dosi (1988), S. I 128fT.

A. Innovationen und teclmologischer Wandel

31

relativ geordneten Mustern. Technologischer Wandel verläuft auf sogenannten Trajektorien oder Innovationspfaden und weist entsprechend die Eigenschaft der Pfadabhängigkeit auf. 13 Nicht nur auf der Ebene einzelner Technologien läßt sich dies beobachten, sondern auch fiir Gruppen (clusters) von Technologien. Insofern wird auch von "innovation avenues" gesprochen, die durch ein bestimmtes technologisches Paradigma gekennzeichnet sind. 14 Insbesondere im Zusammenhang mit kollektivem, in Teams verankertem Wissen, resultieren daraus Abhängigkeiten zwischen den am Innovationsprozeß beteiligten Wirtschaftssubjekten, deren Implikationen für die Wahl institutioneller Arrangements in dieser Arbeit zu untersuchen sind. Unter den Begriffsystemische Innovationsprozesse lassen sich verschiedene in der Literatur diskutierte Aspekte subsumieren, die auf horizontale, vertikale und diagonale technologische Interdependenzen von Innovationsprozessen zurückgeführt werden können. Vernetzte Innovationsprozesse betreffen Innovationen, deren Nutzen nicht allein von ihren Eigenschaften, sondern auch von ihrem Verbreitungsgrad abhängig ist. Dies ist dann der Fall, wenn sogenannte Netzwerkextemalitäten auftreten. Der Erfolg einer Innovation hängt dann unter Umständen davon ab, ob es gelingt, sie als Standard gegen konkurrierende Lösungen am Markt durchzusetzen. Es ist daher zu untersuchen, wie die an konkurrierenden Innovationsprozessen beteiligten Wirtschaftssubjekte die horizontalen Interdependenzen mithilfe institutioneller Arrangements bewältigen werden.

Die meisten traditionellen Darstellungen in der Industrial OrganizationsLiteratur gehen explizit oder zumindest implizit von einer seriellen Sichtweise des Innovationsprozesses aus. 15 Demnach kann der Innovationsprozeß in eine Reihe zeitlich aufeinanderfolgender Sequenzen aufgegliedert werden, im einfachsten Fall ohne daß zwischen den Sequenzen zeitliche Überlappungen

13 So ist teclmologischer Wandel in der Mikroelektronik durch eine standige Verbesserung der Relation zwischen der Packungsdichte auf Mikrochips, der Geschwindigkeit der Infonnationsverarbeitung und der Kosten pro Infonnationseinheit gekennzeiclmet. Dosi (1988), S. 1129 nennt dies als Beispiel filr die Entwicklung auf einer exponentiellen Trajektorie.

14 Für die teclmologische Entwicklung können demnach Analogien zur Wissenschaftsentwicklungfestgestellt werden; vgl. Homann (1988), S. 74ff. 15 Vgl. z.B. Grossman/Shapiro(1986), S. 319 und Tirole(1988), S. 389.

32

li. lnnovationsprozeß und Unternehmenskooperationen

oder Rückkopplungen auftreten. An Forschungsaktivitäten schließen dann nacheinander Entwicklung, Design bzw. Konstruktion, Produktion, Marketing und schließlich Verkaufund Serviceleistungen an den Endnutzer an. Das traditionelle Modell wurde in jüngster Zeit jedoch zunehmend der Kritik ausgesetzt, weil es aktuelle Innovationsprozesse nicht adäquat abzubilden in der Lage sei. Die wesentlichen Einwände seien kurz aufgeführt. Demnach besteht das auslösende Element des Innovationsprozesses nicht in der Forschung bzw. einem Forschungsergebnis, sondern in einem bestimmten Zweck bzw. einem Problem, das gelöst werden soll. Problemlösungen beruhen weiterhin nicht ausschließlich auf der Anwendung von Forschungswissen, sondern auch auf Erfahrungen (know-how), für die wissenschaftliche Begründungen (know-why) (noch) nicht gegeben werden können. Das traditionelle Modell kann zwar für die Analyse von Großprojekten geeignet sein, 16 nicht aber für Innovationsprozesse, wie sie aktuell z.B. für die Mikroelektronik als charakteristisch angesehen werden können. 17 Hierbei erfolgt die Generierung einer Innovation nicht in einem seriellen Prozeß, der von einem Forschungsergebnis angeregt wird und beim Nutzer endet. Vielmehr sind schnelle Rückkoppelungen und Korrekturen erforderlich und daher eine Koordination zwischen allen Aktivitäten bzw. den sie ausführenden Wirtschaftssubjekten, einschließlich der Nutzer. Aktuell scheint für einige Industrien daher ein komplexes Innovationsmodell geeignet zu sein. Die verschiedenen Aktivitäten finden dabei zeitlich nicht unbedingt nacheinander statt, sondern teilweise auch parallel. Dadurch wird zum einen berücksichtigt, daß aufgrund von Unsicherheit und Lernprozessen ständig Anpassungsbedarf entsteht, z.B. ausgelöst durch technische Entwicklungen, wissenschaftliche Erkenntnisse oder Änderungen in den Bedürfnissen der Nachfrager. Zum anderen ist die Schnelligkeit des Innovationsprozesses für die Höhe der Innovationsrente von Bedeutung, wenn Konkurrenten die Vorsprungssituation zu verhindem oder abzubauen versuchen. Um Allpassungen flexibel und schnell durchführen zu können, muß eine Koordination zwischen den Beteiligten erfolgen, woraus sich Konsequenzen für die institutionelle Gestaltung der Interaktionen ableiten lassen.

16 Teece ( 1989), S. 35 nennt als Beispiel die 7x7 Flugzeugserie von Boeing und das Computersystem 360 von IBM.

17 Vgl. Jordeffeece (1990), S. 77.

B. Strategische Allianzen im Innovationsprozeß

33

Unverkettete Innovationsprozesse zeichnen sich durch das Fehlen diagonaler technologischer Interdependenzen aus. Demgegenüber wird für einige Industrien die Existenz sogenannter Verkettungswirkungen (chain links) behauptet, aus denen Synergieeffekte bei der gemeinsamen Durchführung von Innovationsprozessen resultieren. 18 Verkettungswirkungen werden in produktionstheoretischer Terminologie als "Economies of scope" oder Verbundeffekte bezeichnet. Auch hier ist eine Koordination des Ressourceneinsatzes erforderlich, die zwischen den Ressourcenbesitzern institutionell bewältigt werden muß.

B. Strategische Allianzen im Innovationsprozeß 1. Begriffe und Formen Kooperationen im Innovationsprozeß werden in der Literatur weitgehend unter dem Begriff der "strategischen Allianz" 19 abgehandelt. Daneben finden sich aber auch Bezeichnungen wie z.B. "strategisches Netzwerk" 20, "strategische Partnerschaft", "strategische Koalition", "strategisches Bündnis", "technologische Kooperation", "Kooperation in F&E". Allgemein werden darunter institutionelle Arrangements verstanden, die eine intermediäre Stellung zwischen reinen Marktlösungen und rein unternehmensinternen Lösungen einnehmen. 21 Eine allgemein anerkannte Differenzierung der Begriffe hat sich noch nicht entwickelt. Vielfach wird als Unterscheidungskriterium von Netzwerken angesehen, daß sie nicht nur zwei, sondern mehr Interaktionspartner einschließen.22 Mit Kooperationen in F&E und auch technologischen Kooperationen werden in der Hauptsache auf die angesprochenen Teilbereiche des Innovationsprozesses beschränkte Interaktionen bezeichnet. Im folgenden soll allgemein der Begriff'' strategische Allianz" verwendet werden.

18 Vgl. Gerybadze (1991 ), S. 145.

Begriff "strategische Allianz" geht nach Albach (1992), S. 664 auf Michael E. Porter zurück. 19 Der

20 Vgl. Jarillo (1988), S. 31fT. undJarillo!Ricart (1987), S. 83fT. 21 Vgl. Sydow(l992), S. 72 WldMariti/Smi/ey (l983), S. 437. 3 Domrös

34

II. Irmovationsprozeß und Unternehmenskooperationen

"An agent is said to act strategically when in choosing an action it takes into account the dependence of the other agents' actions on its behaviour. "23 Strategisches Verhalten resultiert einerseits aus der Abhängigkeit der Allianzpartner untereinander, andererseits aus ihrer Abhängigkeit von dem Verhalten anderer Wirtschaftssubjekte. Mit dem Begriff strategische Allianz wird auf letzteres abgehoben. Die Allianzpartner sind bestrebt, durch ein kooperatives Verhalten untereinander ihre Wettbewerbsposition in der Konkurrenz mit anderen Wirtschaftssubjekten zu verbessern. 24 Das kooperative Verhalten in der Allianz wird durch die Etablierung eines institutionellen Arrangements gewährleistet. Strategisches Verhalten findet zwar auch zwischen den Allianzpartnern statt, wird aber durch Regeln gebunden bzw. kanalisiert. In der Literatur wird vielfach die Auffassung vertreten, strategisches Verhalten sei einer transaktionskostenökonomischen Analyse unzugänglich, da "strategic behavior posits that firms transact by the mode which maximizes profits through improving a firm's competitive position vis-a-vis rivals", aber nicht "by that mode which minimizes the sum of production and transaction costs". 25 Zwar ist es zutreffend, daß strategisches Verhalten nicht mit dem Kalkül der Transaktionskostenminimierung erklärt werden kann. Es ist jedoch prinzipiell möglich, für ein bestimmtes, der Analyse exogen vorgegebenes strategisches Verhalten, die transaktionskostenminimale Struktur der damit verbundenen Koordinationsleistungen zu bestimmen. Letzteres ist, bezogen auf Innovationen, die Fragestellung der vorliegenden Arbeit. Strategische Allianzen im Innovationsprozen können demnach als ein auf die Realisierung oder Erhaltung von Wettbewerbsvorsprüngen ausgerichtetes, explizites institutionelles Arrangement von Unternehmen im Innovationsprozeß verstanden werden, welches sich von der Integration durch die Beibehaltung der rechtlichen Selbständigkeit der Vertragspartner unterscheidet und

22 Fritsch (1992), S. 91.

23 Rarrington (1987), S. 513. 24 Vgl. Hagedoorn/Schakenraad(l992), S. 163 und Gahl (1991), S. 4. Williamson

definiert strategisches Verhalten als: "efforts by established fmns to take up advance positions in relation to actual or potential rivals and/or to respond punitively to new rivalry"; Williamson (1985), S. 373. 2S Kogut ( 1988), S. 322.

B. Strategische Allianzen im Irutovationsprozeß

35

von reinen Marktbeziehungen durch die längerfristige gegenseitige Bindung bzw. die Restringierung zukünftigen Verhaltens in Fonn vertraglicher Regelungen, also einer partiellen Aufgabe ihrer ökonomischen Selbständigkeit. 26 Nach den Aktivitäten, die Kooperationen betreffen, kann zwischen vertikalen, horizontalen und diagonalen Kooperationen unterschieden werden. Führen die Wirtschaftssubjekte verschiedene Aktivitäten eines Produktionsprozesses durch, so liegt eine vertikale Kooperation vor, interagieren sie in gleichartigen Produktionsprozessen auf der gleichen Produktionsstufe, so ist es eine horizontale Kooperation. Sind die Aktivitäten verschiedenen Produktionsprozessen zuzuordnen, so wird eine Kooperation der diese ausfUhrenden Wirtschaftssubjekte als diagonal bezeichnet. 27 Strategische Allianzen beruhen zwar auf expliziten, aber nicht unbedingt auf formellen Vereinbarungen. Informelle Allianzen stellen ein empirisch

26 Vgl. Jarillo (1988), S. 32, Siebert (1991), S. 293 und Sydow (1992), S. 82 Wld 90: Sydow hebt, wie dies in der betriebswirtschaftliehen Literatur verbreitet ist, nicht deutlich genug hervor, daß kooperatives Verhalten die Konsequenz aus der VeränderWlg der Restriktionen durch Regeln ist, nicht aber durch eine Veränder\Ulg der Ziele der beteiligten Wirtschaftssubjekte bewirkt wird. Dieses Defizit weist auch der sogenannte "Netzwerk-Ansatz" auf. Er nimmt eine gegenseitige OrientierWlg an den Interessen der Interaktionspartner an und weist die Opportunismusannahme der Transaktionskostenökonomik explizit zurtlck; vgl. Johanson/Mattson ( 1987), S. 37f. und S. 44. Boettcher (1974) spricht vom "Paradoxon der Kooperation", weil eine gemeinsame AusweitWlg der HandlWlgsmöglichkeiten filr jede beteiligte UnternehmWlg mit einer RestringierWlg der wirtschaftlichen Selbständigkeit bzw. ihrer Handlungsmöglichkeiten verbWlden ist. Diesen Gedanken hat Homann (1988) filr alle Individuen auf die gesellschaftliche Ebene ausgeweitet: Institutionelle Bindung in der Demokratie kann HandlWlgsmöglichkeiten Wld damit Freiheit erweitern. 27 Backhaus Wlterscheidet strategische Allianzen Wld strategische Netzwerke, indem erstere sich allein auf horizontale Interaktionen, letztere allein auf vertikale Wld diagonale Interaktionen beziehen; vgl. Backhaus (1992), S. 230, Backhaus/Meyer (1993) Wld ebenso Voigt (1993), S. 246. Teilweise wird filr einige vertikale Interaktionen auch der Begriff laterale Interaktionen verwendet, so z.B. von Williamson (1985), S. 114ff. Letztere beziehen sich auf kapitalintensive Aktivitäten des Produktionsprozesses. Diagonale Interaktionen werden teilweise auch den horizontalen zugeordnet. 3*

36

II. hmovationsprozeß Wld Unternelunenskooperationen

bedeutsames Phänomen dar, eine Klassifikation und eine genaue Messung ihrer Verbreitung sindjedoch praktisch unmöglich.28 Kooperationen werden im allgemeinen als hybride Organisationsformen behandelt, die Mischungen marktlieber und hierarchischer Elemente darstellen und deswegen auch als "in-between forms" 29 bezeichnet werden. Eine Konsequenz dieser Anschauung ist es, die Eigenschaften von Kooperationen ebenfalls als Mischung der Eigenschaften der darin enthaltenen Markt- bzw. Hierarchieelemente zu betrachten. Kooperationen werden demnach immer dann als die komparativ effiziente Institution betrachtet, wenn unter den gegebenen Bedingungen sowohl Markt als auch Hierarchie einige vorteilhafte Eigenschaften aufweisen. In einer Kooperation, so die Logik, können diese Vorteile gemeinsam realisiert werden. 30 In der Literatur finden sich verschiedene Ansätze zur Klassifikation der rechtlichen und organisatorischen Vielfalt strategischer Allianzen im Innovationsprozeß. Hagedoom differenziert nach dem Kriterium der interorganisationalen Interdependenz zwischen den beteiligten Untemehmen. 31 Je größer die Interdependenz ist, desto intensiver ist die Form der Kooperation und umso weiter liegt sie im Markt-Hierarchie-Spektrum bei der Hierarchie. In dem in Abbildung 3 verwendeten Klassifizierungsschema nimmt von oben nach unten die Interdependenz ab. Die Prozentangaben geben die relative 28 Freeman

(1991), S. 502.

29 Thorelli (1986), S. 37. Imai Wld Itami verwenden den Begriff "intermediate organizations"; vgl. Imailltami ( 1984 ), S. 288ff. 30 Eine Gegenposition vertritt hier z.B. Kay, der betont, in einer Kooperation wür-

den die Nachteile bzw. Kosten von Markt Wld Hierarchie addiert, statt in Form eines Irade-offs ein mittleres Niveau aufzuweisen. Es handele sich bei einer Kooperation demnach nicht um eine institutionelle Zwischenform im Markt-Hierarchie-Spektrum. Obwohl sie marktliehe Wld hierarchische Elemente beinhalte, sei der Schluß, damit vereine sie die Vorteile beider Koordinationsformen, wenn auch naheliegend, nicht zulässig. Er begründet dies mit Ergebnissen der Management-ForschWlg, die nahelegen, daß Kooperationen lediglich ein letztes Mittel darstellen, wenn keine andere sinnvolle institutionelle Alternative verbleibt. Vgl. Kay (1992), S. 210ff. Wld Kay!Robe/Zagnoli (1987). Auch wenn Kay (1992) explizit mit Joint Ventures argumentiert, zeigt er in den einleitenden BemerkWlgen seines Aufsatzes, daß dies als pars pro toto zu verstehen ist; vgl. S. 202. 31 Vgl.

Hagedoom (1990), S. 18.

37

B. Strategische Allianzen im Innovationsprozeß

Bedeutung der jeweiligen Kooperationsformen an der Gesamtheit der Kooperationsformen im Zeitraum von 1985-1988 an, die in der Datenbank MERITCATI erfaßt sind. 32 Gemessen wurde die Gesamtzahl der kooperativen Vereinbarungen. 33

I.

JV und gerneinsame Forschungsunternehmen

17,8%

2.

gemeinsame F&E (Forschungsabkommen und gemeinsame Entwicklungsvereinbarungen)

33,7%

3.

Technologieaustauschvereinbarungen (gegenseitige Vereinbarungen, technology-sharing, wechselseitige Lizensierung, mutual second-sourcing)

8,5%

4.

Direktinvestitionen (Minderheits- und wechselseitige Beteiligungen)

12,2%

5.

Kunde-Lieferantenvereinbarungen (F&E-Kontrakte, Ko-Produktion)

13,7%

6.

einseitiger Technologietransfer ( second sourcing, Lizensierung)

14,0%

Abbildung 3: Die relative Bedeutung einzelner Kooperationsformen in den Jahren 1985-1988 34

Insofern horizontale Kooperationen vertragliche Vereinbarungen zwischen Konkurrenten darstellen, entsteht die Frage, ob und in welcher Hinsicht sie sich von Kartellen unterscheiden. Üblicherweise werden Kartelle durch drei

32 Die Datenbank CATI (Cooperative agreements Forschungsinstituts MERIT an der ökonomischen Limburg/NL enthält Informationen über z. Zt. etwa zwischen Unternehmen von den filnfziger Hagedoorn/Schakenraad ( 1992 ), S. 186f.

and technology indicators) des Fakultät der Universität von 10000 kooperative Abkommen Jahren bis heute. Vgl.

33 Hier geht es nur um den Verbreitunggrad. Eine Beurteilung der ökonomischen Bedeutung der einzelnen Kooperationsformen allein auf der Basis von Angaben über ihre Verbreitung ist problematisch. 34 Zum Inhalt der einzelnen Formen vgl. Hagedoom (1990), S. 20-25, Kappich

(1988), S. 120fT. undSchneider!Zieringer(l991), S. 34ff.

38

II. Innovationsprozeß und Unternehmenskooperationen

Merkmale charakterisiert: "die Beschränkung der wettbewerbsrelevanten Handlungs- oder Entschließungsfreiheit in bezug auf einen oder mehrere Aktionsparameter, durch Vertrag oder Beschluß zu einem gemeinsamen Zweck, zwischen rechtlich selbständig bleibenden Unternehmen, die tatsächlich oder potentiell auf den gleichen Märkten tätig sind. "35 Weil die genannten Merkmale auch fiir Kooperationen charakteristisch sind, können diese grundsätzlich auch als Kartelle bezeichnet werden. Allerdings sind die beiden Begriffe in unterschiedlichen theoretischen Ansätzen entwickelt worden und werden daher fiir unterschiedliche Fragestellungen verwendet. Die Kartellund Wettbewerbstheorie analysiert die Wirkungen der horizontalen Interaktionen auf die statische und dynamische Effizienz von Wettbewerbsprozessen. 36 Die Neue Institutionenökonomik untersucht, inwiefern sie als institutionelle Arrangements zur Transaktionskostenminimierung und damit der Herstellung einzelwirtschaftlicher Effizienz interpretiert werden können. Kooperation und Konkurrenz stellen danach strategische institutionelle Alternativen von Unternehmen dar. Diese können sowohl intratemporal gleichzeitig gewählt werden, wenn Wirtschaftssubjekte nur bei einigen Aktivitäten kooperieren, bei anderen Aktivitäten jedoch konkurrieren. 37 Sie können aber auch intertemporal nacheinander auftreten, wenn z.B. der Sinn einer Kooperation erfiillt ist und die Wirtschaftssubjekte nach Beendigung ihres Vertragsverhältnisses in Konkurrenz zueinander treten. 38 Beide Phänomen sind im Innovationsprozeß verbreitet. 39

35 Schmidt ( 1990), S. 111. 36 Vor allem in der Literatur zu Kooperationen im Innovationsprozeß findet sich

häufig die Auffassung, die Kartelltheorie betrachte horizontale Interaktionen allein als Einschränkungen von Preiswettbewerb und damit als Ursache statischer Ineffizienz. Vgl. z.B. DeBresson/Amesse (1991), S. 373, Jorde!Teece (1991), S. 119, Alchian (1991 ), S. 233 und Alchian (1993), S. 368. Auch wenn dies filr einige Darstellungen zutreffen mag, werden von der Kartelltheorie auch Vereinbarungen untersucht, die andere Aktionsparameter als Preise und Mengen betreffen. In das deutsche Kartellrecht hat dies z.B. durch die Berücksichtigung von F&E-Kartellen Eingang gefunden; vgl.Schmidt(l990),S. 114. 37 Vgl. Doz (1988), S.

175.

38 Vgl. Richardson (1972), S. 895f.; S. 896: "Firms form partners for the dance but, when the music stops, they can change them." Henzler (1992), S. 13 nennt als Beispiel die Kooperationen, die Sandoz mit Sankyo sowie Bayer mit Takedo vereinbarten, um

B. Strategische Allianzen im Innovationsprozeß

39

2. Zeitliche Entwicklung

Strategische Allianzen im Innovationsprozeß stellen kein historisch neues Phänomen dar.40 Allerdings weisen sie aktuell eine erheblich stärkere Bedeutung und Komplexität auf, und dies ist möglicherweise die Ursache dafür, daß erst seit einigen Jahren verstärkt an theoretischen Erklärungen gearbeitet wird. 41 Nach Hagedoom ist seit 1980 ein deutliches Wachstum strategischer Technologie-Allianzen zu beobachten. Über 90% der seit den fünfziger Jahren geschlossenen Vereinbarungen fällt in die achtziger Jahre, fast 50% in die Jahre 1985-1988. 42 Die in den letzten Jahrzehnten wachsende Zahl an strategischen Technologieallianzen wird durch zahlreiche Studien bestätigt. 43 Die Abbildung 4 zeigt den Umfang der in den achtziger Jahren vereinbarten Allianzen im allgemeinen und speziell im Bereich der Informationstechno1ogien. Während zu Anfang der achtziger Jahre ein schwaches Wachstum beobachtet werden kann, steigt die Gesamtzahl von Allianzen zur Mitte des Jahrzehnts stark an. Gegen Ende tritt wieder ein vergleichsweise mäßiges Wachstum auf. Über die zehn Jahre hinweg hat sich die Zahl der Allianzen insgesamt mehr als verdoppelt. Bei Informationstechnologien ist sogar ungefähr eine Verdreifachung aufgetreten.

eine Präsenz am japanischen Markt aufzubauen. Nach Erreichen des Allianzziels wurde die Zusammenarbeit beendet. 39 Vgl. Rath (1990), S. 12ff. 40 Vgl. Freeman (1991), S. 510. Bereits bei Marshall finden sich Überlegungen zu der Bedeutung solcher Kooperationen in Form von Untemehmensnetzwerken, den sogenannten "industrial districts"; vgl. Fritsch (1992), S. 92. 41

Vgl. Rath (1990), S. 23.

42

Vgl. Hagedoom (1990), S. 19.

43 Vgl. Hagedoom!Schakenraad (1992), S. 164. Die Autoren nennen allein acht Studien, die zu diesem Ergebnis kommen. Ihres Wissens gibt es keine empirische Studie, die für zumindest die achtziger Jahre keinen Anstieg der Zahl an technologischen Kooperationen nachweist. Allein Ghematwat!Porter!Rawlinson (1989) konnten keinen eindeutigen Anstieg identifizieren, jedoch bezieht sich ihre Studie auf den Zeitraum von 1970-1982. Vgl. Hagedoom!Schakenraad ( 1990), S. 174ff.

II. Innovationsprozeß Wld Unternelunenskooperationen

40

700.---------------------------------------. 600 ························· ···································· ·············· ····················· ·········:·:::"'' ----····------····· ··--------------·· ......... ~~::::: · -------- ----------·

500 .

400 ·············

300 ··················;".-"' "'"''·····'·· ........................ 200 ························

--==--······················

···········/·=···=···~-

100~············· · ····· · ······ QL---------------------------------------~

1980

1981

1982

1983

1984

1985

1986

1987

1988

1989

( .... ) allgemein, ( _ ) Informationsteclmologie AbbildWlg 4: Anzahl in den Jahren 1980-1989 neu vereinbarter strategischer Teclmologieallianzen, allgemein Wld in der Informationsteclmologie44

Chandler hatte die Entwicklung von der funktionalen zur divisionalisierten bzw. konglomeraten Organisationsstruktur erklärt. Während erstere zur Sicherung von Absatz- und Beschaffungsmärkten durch vertikale Integration eingefiihrt wurde, erlaubte letztere die divisionale Organisation diversifizierter Unternehmen nach diagonaler Integration.45 Nach Bühner zeichnet sich gegenwärtig die Bildung einer neuen, dritten Form von Unternehmensstrukturen ab. Diese kann als eine Strategie der Konzentration auf das Kerngeschäft bezeichnet werden und geht mit der Entwicklung dezentraler Organisationsformen einher, die von Profit-Center-Konzepten bis zur Substitution hierarchischer Organisationsformen durch Netzwerkstrukturen reicht. 46 Ähnlich stellt Backhaus fest, daß der in den achtziger Jahren verbreiteten Mergers and Acquisitions-Euphorie zur Diversifizierung von Unternehmen in den neunziger Jahren ein Trend zu strategischen Allianzen gefolgt ist. 47

44 Vgl. Hagedoom!Schakenraad(1992), Fig. 1, S. 165. 45 Vgl. Bühner (1989), S. 223. 46 Vgl. Bühner(1989), S. 225. 47 Vgl. Backhaus!Plinke (1990), S. 22 sowie Mi/es/Snow (1986), S. 72, die den Beginn des Trends schon in den achtziger Jahren sehen.

41

B. Strategische Allianzen im Innovationsprozeß

Die relative Bedeutung der organisatorischen Formen strategischer Allianzen hat sich im Zeitablauf stark verändert. Dies zeigt Abbildung 5.

50-72

73-76

77-80

81-84

85-88

Total

1.

254 345 858 N und gemeinsame For64 112 83 schungsunternehrnen 53,2% 41,8% 22,6% 20,8% 17,8% 21,6%

2.

Gemeinsame F&E

14 9,0%

255 653 1009 22 65 14,4% 13,1% 20,9% 33,7% 25,5%

3.

Techno1ogieaustauschvereinbanmgen

6 3,8%

4 2,6%

4.

Direktinvestitionen

27 170 237 631 29 168 17,3% 19,0% 33,9% 13,9% 12.2% 15,9%

5.

Kunde-Lieferantenverein5 banmgen 3,2%

19 12,4%

47 9,5%

6.

Einseitiger Technologietransfer

21 13,5%

15 9,8%

637 259 271 71 14,3% 21,2% 14,0% 16,1%

7.

Total

156 100% 3,9%

153 100% 3,9%

1223 1936 3964 496 100% 100% 100% 100% 12,5% 30,9% 48,8% 100%

33 6,7%

152 12,4%

165 8,5%

360 9,1%

469 133 265 10,9% 13,7% ll,8%

Abbildung 5 48 : Entwicklung der relativen Bedeutung von Kooperationsformen in den Jahren 1950-1988

Zwei Entwicklungen sind besonders auffällig. Während vor 1972 Joint Ventures und gemeinsame Forschungsunternehmen mit über 50% den weitaus stärksten Anteil an allen Kooperationen ausmachten, ist ihr relatives Gewicht bis zum Ende der achtziger Jahre stetig bis auf ein Niveau von knapp 18% zurückgegangen. 49 Demgegenüber ist die Bedeutung gemeinsamer F&E von 9% auf fast 34% gestiegen. Diese Organisationsform ist damit aktuell die bedeutsamste von allen. Dies bedeutet, daß bei gemeinsamen F&E-Aktvitäten

48 Vgl. Hagedoom (1990), S. 20. 49 Auf diese Entwicklung weist auch eine OECD-Studie hin; vgl. OECD (1986), zitiert bei bei Hagedoom!Schakenraad ( 1990), S. 176.

42

li. bmovationsprozeß wtd Unternehmenskooperationen

zunehmend darauf verzichtet wird, diese in die Rechtsform einer eigenen Unternehmung einzubinden. Statt dessen werden private Vereinbarungen bzw. private Beherrschungsformen vorgezogen. 50 Für die sektorale Verteilung von Kooperationsaktivitäten haben empirische Untersuchungen folgendes ergeben: Fast 42% aller weltweiten strategischen Technologiekooperationen finden auf dem Gebiet der Informationstechnologie (Computer, industrielle Automation, Mikroelektronik, Software und Telekommunikation) statt. 51 Die Abbildung 6 zeigt den Anteil unterschiedlicher Kooperationsformen in den Bereichen Biotechnologie, Informationstechnologie und Materialforschung. In allen drei Industrien hat gemeinsame F&E ein bedeutendes Gewicht. Joint Ventures und gemeinsame Forschungsunternehmen sowie einseitiger Technologietransfer sind in der Materialforschung die häufigste Kooperationsform. Direktinvestitionen sind in der Biotechnologie relativ verbreitet. Hybride Organisationsformen zwischen Markt und Unternehmung scheinen vor allem ein Kennzeichen von Perioden technologischer, institutioneller und marktlieber Umwälzungen zu sein. Sie bildeten sich zumeist um die Vorreiter technologischer Entwicklung. "Economic and technological history indicate that clusters of innovations associated with networks of innovative firms have been the general rule. "52 Eine Betrachtung der geographischen Verteilung von strategischen Technologiekooperationen in den Sektoren Informationstechnologie und Biotechnologie ergibt, daß 94% der beteiligten Unternehmen ihren Sitz in den USA,

50 Vgl. z.B. Lewis (1991), S. 24.

51 Vgl. Hagedoom!Schakenraad (1992), S. 163. Die Informationstechnologie ist damit zwar der Sektor mit den meisten Kooperationen, es handelt sich dabei aber auch um einen Sektor mit vergleichsweise großem wirtschaftlichen Gewicht. Die relative Bedeutwtg des institutionellen Arrangements Kooperation muß daher nicht größer sein als in anderen Sektoren. 52 DeBresson!Amesse (1991), S. 370. Nach Freeman (1991), S. 504, ist ein starkes Wachstum komplexer Kooperationen vor allem bei neuen Basistechnologien zu beobachten.

B. Strategische Allianzen im hmovationsprozeß

43

Japan oder West-Europa haben, wobei Intra-USA-Kooperationen arn häufigsten sind, danach US-Europäische, US-Japanische und intra-europäische Arrangements. 53

MaterialforschWlg

Bioteclmologie

Infonn.teclmologie

l.

N Wld gemeinsame For-

177 25,7%

164 13,5%

458 16,90/o

2.

Gemeinsame F &E

173 25,1%

362 29,8%

749 27,6%

3.

Teclmologieaustauschvereinbarungen

54 7,8%

84 6,9%

328 12,1%

4.

Direktinvestitionen

65 9,4%

234 19,3%

357 13,1%

5.

KWlde-Lieferantenvereinbarungen

42 6,1%

186 15,3%

245 9,0%

6.

Einseitiger Teclmologietransfer

177 25,7%

183 15,1%

581 21,4%

7

Total

688 100%

1213 100%

2718 100%

schWlgsWlternehmen

AbbildWlg 6 54 : Relative BedeutWlg einzelner Teclmo1ogiekooperationen in den Jahren 1950-1989 in der Materia1forschWlg, der Bioteclmo1ogie Wld der Infonnationsteclmologie

Obwohl ein Wachstum der Menge sowohl internationaler als auch nationaler und regionaler Kooperationsformen beobachtet werden kann, 55 unterscheiden diese sich offensichtlich in der Länge der Vertragsbeziehung. Lokale oder regionale sind tendenziell langlebiger als internationale Kooperationen. 56 Der

53 Vgl. Hagedoom!Schakenraad (1990), S. 185. 54 Freeman (1991), Tab1e 2, S. 504. 55 Vgl. Freeman (1991), S. 502. 56 Vgl. DeBresson!Amesse (1991), S. 370.

ll. Innovationsprozeß und Untemelunenskooperationen

44

Vorteil ersterer wird von einigen Autoren darin vermutet, daß die Vertragspartner ein informelles unartikulierbares Wissen voneinander besser bzw. kostengünstiger entwickeln können oder dieses durch eine vorhandene lokale Identität oder Kultur bereits vorhanden ist. Viele Unternehmen, und dies gilt besonders für große, sind gleichzeitig in mehrere Allianzen mit unterschiedlichen Formen eingebunden. 57 An Kooperationen, untersucht für den Bereich der Informationstechnologie und Biotechnologie, sind vielfach sowohl große diversifizierte als auch kleine HighTech-Unternehmen beteiligt. 58

3. Begründungsversuche und -defizite In den beiden vorangehenden Abschnitten wurde der empirische Befund zu dem Phänomen strategischer Allianzen im Innovationsprozeß kurz skizziert, auf Ansätze einer Erklärung aber verzichtet. In dieser Arbeit wird unter anderem die These vertreten, daß die Literatur zum Thema weitgehend von Erklärungsdefiziten geprägt ist, und zwar in dem Sinne, daß sich die empirischen Arbeiten weitgehend auf eine einfache Erforschung von Motiven beschränken, die von den kooperierenden Unternehmen als für die Institutionenwahl bestimmend angegeben werden59 und die theoretischen Analysen vielfach mit Argumenten arbeiten, die zwar notwendige Bedingungen für eine Koordination darstellen, nicht aber hinreichende Begründungen für die Wahl des speziellen institutionellen Arrangements der strategischen Allianz. Im folgenden wird ein Überblick über die wesentlichen Argumente gegeben, die die Diskussion über strategische Allianzen in der Literatur bestimmen. Wie bereits oben erwähnt wurde, ist es auffällig, daß die meisten Aspekte bereits in den achtziger Jahren als "Erklärungen" für Mergers and Acquisitions gehandelt wurden. 60

57

Vgl. Freeman (1991), S. 502.

S8 Vgl. Hagedoom!Schakenraad ( 1990), S. 185. 59

Vgl. hierzu auch Gerybadze ( 1991 ), S. 147.

60

Vgl. Backhaus/Plinke ( 1990), S. 22.

B. Strategische Allianzen im Irutovationsprozeß

45

Strategische Allianzen stellen demnach ein Mittel zur Reduktion und Streuung von Risiko und Unsicherheit dar. 61 Insbesondere die technologische Entwicklung sei durch eine Beschleunigung des technischen Fortschritts mit einer Zunahme von Risiko und Unsicherheit verbunden, die im Alleingang von Unternehmen nicht mehr bewältigt werden könne. Durch Kooperationen könne dem mit Diversifikationsstrategien begegnet werden. Gleichfalls sei durch Kooperationen eine Teilung und damit auf die einzelne Unternehmung bezogen eine Reduktion von Kosten, insbesondere fiir Forschung und Entwicklung möglich. Dies sei ein in letzter Zeit besonders bedeutsamer Aspekt, weil sich die technologische Entwicklung durch einen säkularen Anstieg der F&E-Ausgaben auszeichne. Strategische Allianzen stellen demnach ein Mittel dar, um sowohl Economies of scale als auch Economies of scope zu realisieren. 62 Weiterhin wird das Argument vorgebracht, Kooperationen ermöglichten den Zugang zu komplementären Ressourcen wie Kapital, zusätzlichen Kapazitäten, Produkten, Technologien und Know-how. So würden Kapitalmärkte insbesondere in Industrien mit hohem technologischen Wandel regelmäßig versagen, jedoch sei innovativen Unternehmen in Kooperationen die Deckung des Kapitalbedarfs möglich. 63 Auch sei eine Beobachtung der technologischen Entwicklung64 und ein Zugang zu neuen Technologien durch Transfer besser möglich, was insbesondere angesichts deren zunehmender Geschwindigkeit eine entscheidende Determinante der Wettbewerbsfahigkeit darstelle. 65 Know-how sei zudem häufig in bestimmten Unternehmen kollek-

61 Vgl. z.B. Mariotti/Ricotta (1986), Hagedoom!Schakenraad (1990), S. 186,

Backhaus/Plinke (1990), S. 23, Rath (1990), S. 223fT., DeBresson/Amesse (1991), S. 367 und Freeman (1991 ), S. 502. Kritisch zu diesem Argument auch Gerybadze (1991), S. 150f. 62 Vgl. z.B. Rath ( 1990), Backhaus/Plinke ( 1990), S. 23, Hagedoom!Schakenraad (1992) S. 163, Freeman (1991), S. 502 undDeBresson!Amesse (1991), S. 364; kritisch auch Gerybadze (1991), S. 148f. 63 Vgl. z.B. Backhaus!Plinke (1990), S. 23; kritisch auch hier Gerybadze (1991 ),

S. 147.

64 Vgl. z.B. Mariotta/Ricotta ( 1986) und Hagedoom!Schakenraad ( 1992), S. 163. 65 Vgl. Mariti!Smiley (1983), die darin den Hauptgrund

scher Allianzen sehen.

filr das Eingehen strategi-

46

II. Innovationsprozeß wtd Unternehmenskooperationen

tiv verankert - in der Literatur hat es sich durchgesetzt, von Unternehmensfähigkeiten (capabilities) zu sprechen- und ein Transfer und eine Zusammenlegung daher nur durch Kooperation möglich. 66 Als Motiv für das Eingehen strategischer Allianzen wird auch ein verbesserter Zugang zu Märkten bzw. eine Verbesserung der Marktposition genannt. So ließen sich Markteintrittsbarrieren überwinden und den Erfordernissen der Internationalisierung der Märkte Rechnung tragen, indem die Allianzpartner lokales Know-how einbringen. 67 Kooperationen stellten dabei auch ein Mittel dar, um staatliche Hemmnisse beim Markteintritt ausländischer Unternehmen zu überwinden. 68 Solche Maßnahmen führten zu einer Verschärfung des Wettbewerbs auf den Weltmärkten, wenn z.B. einem großen Anbieter erst durch eine Kooperation zwischen kleineren und ansonsten im Wettbewerb schwächeren Unternehmen Konkurrenz entgegengesetzt werden. In manchen Fällen jedoch ermöglichten gerade horizontale Allianzen eine Einschränkung von Wettbewerb und damit eine Verbesserung der Wettbewerbsposition der Allianzpartner. 69 Eine Appropriierung von Innovationserträgen sei, so ein weiteres Argument, vielfach nur durch eine Kooperation mit potentiellen Imitatoren von Innovationen möglich. Damit gelinge eine Beteiligung der potentiellen Nutzer an dem Ressourcenaufwand, der zur Produktion des Neuerungswissens aufgewendet werden müsse. 7o Angesichts der Beschleunigung der technologischen Entwicklung und der Diffusion über internationale Märkte bleibe "keine Zeit zum Alleingang", und eine Integration durch Unternehmensübernahmen sei häufig zu kostspielig.71 Kooperationen ermöglichten eine größere Geschwindigkeit des Innovations-

66 Vgl. z.B. Freeman (1991), S. 502. 67 Vgl. Contractor (1986), Hagedoom (1990), S 19f. wtd Freeman (1991), S. 507. 68 Vgl Rath (1990), lhrig (1991), S. 30 wtd Gerybadze (1991 ), S. 147. 69 Vgl. Contractor (1986). 70 Vgl. DeBresson!Amesse (1991), S. 366.

71 Vgl. z.B. Freeman (1991), S. 507f., Hagedoom/Schakenraad (1990), S. 175.

Mariotta/Ricotta

(1986)

wtd

B. Strategische Allianzen im Innovationsprozeß

47

prozesses und der Marktdurchdringung72 und eine erhöhte Flexibilität durch eine Reduktion irreversibler Investitionen. 73 Neben den genannten Aspekten "Geschwindigkeit" und "Flexibilität" prägen gerade aktuelle Veröffentlichungen auch Argumente, die sich auf die zunehmende Komplexität von Innovationen und Innovationsprozessen beziehen. 74 Danach existieren technologische Verbundenheilen in vertikaler, horizontaler und diagonaler Hinsicht, wie sie bereits oben bei der Charakterisierung von Innovationsprozessen erklärt wurden. Der Koordinationsbedarf infolge intersektoraler Verkettungen von Technologien stelle eine mögliche Begründung fiir das Eingehen strategischer Allianzen in den betreffenden Bereichen dar. 75 Gleichfalls werde der bei systemischen Innovationen aufgrund von Kompatibilitätserfordernissen entstehende Bedarf an Informationsaustausch in Kooperationen gewährleistet. 76 Dies könne z.B. durch eine Kooperation zwischen Nutzern und Anbietern geschehen oder zwischen F&E, Marketing und Produktion oder auch zwischen an der Entwicklung von Hardware, der an Software und der Produktion von Serviceleistungen beteiligten Unternehmen. 77 Kooperationen stellten dabei eine institutionelle Umgebung dar, in der interaktives Lernen ermöglicht werde. 78 Horizontale Kooperationen ermöglichten die Erlangung einer Position der Technologie- oder Systemfiihrerschaft. 79 Dies bedeute die Durchsetzung der eigenen Innovation als Standard. Schließlich werden strategische Allianzen auch auf die Existenz staatlicher Förderung zurückgeführt, wie dies z.B. im Rahmen (inter)nationaler Pro-

72 Vgl. z.B. Backhaus!Piinke (1990), S. 23. 73 Vgl. z.B. DeBresson/Amesse (1991 ), S. 364.

z.B. DeBressson/Amesse (1991), S. 367, Hagedoom!Schakenraad (1990), S. 174fT., Freeman (1991), S. 507fT. 74 Vgl.

75 Vgl. DeBresson/Amesse (1991 ), S. 364. 76 Vgl. Freeman (1991), S. 502.

77 Vgl. [mai/Baba ( 1989). 78 Vgl. DeBresson/Amesse (1991), S. 364. 79 Vgl. Hagedoom!Schakenraad (1992), S. 163.

48

II. Innovationsprozell lUld Untemelunenskooperationen

gramme wie Esprit, Brite, Cost, Alvey, Sematech, Race, Eureka oder ICOT geschieht. 80 Die genannten Argumente weisen in institutionenökonomischer Perspektive das Defizit auf, keine hinreichenden Begründungen fiir die (einzelwirtschaftliche) Effizienz der Institution "strategische Allianz" zu liefern. Eine Realisierung der angesprochenen Koordinationserfordernisse ist theoretisch im gesamten Spektrum institutioneller Alternativen zwischen Markt und Hierarchie denkbar. Es mag wohl auf den ersten Blick plausibel erscheinen, marktliehe Lösungen als ungeeignet zu bezeichnen. Eine befriedigende Erklärung liegt allerdings erst dann vor, wenn begründet werden kann, warum die Transaktionskosten marktlieber Interaktion, die sich aus der Abhängigkeit zwischen den Interaktionssubjekten ergeben, höher sind als die anderer Arrangements. Wie schon die Parallelitäten zur Mergers and Acquisitions-Diskussion gezeigt haben, stellen die angeführten Argumente noch keine Begründung dafür dar, warum den Koordinationserfordernissen in Innovationsprozessen nicht transaktionskostengünstiger durch Integrationslösungen begegnet werden kann. Eine solche Erklärung stellt das Ziel der folgenden Ausführungen dar.

80 Vgl. Hagedoom/Schakenraad(I990), S. 171.

m. Die vertikale Perspektive: Von der Tauschzur Vertragstheorie

A. Die Dominanz der Tauschperspektive Ein zentrales Thema der Smithschen Theorie ist das Phänomen der Arbeitsteilung.1 Ausgehend von einer Gesellschaft sich vollständig selbst versorgender Individuen kann diese in einem ersten Schritt so gedacht werden, daß Individuen sich auf die Produktion bestimmter Güter spezialisieren und die über ihren Eigenbedarf hinausgehende Menge an Gütern gegen andere Güter ihres Bedarfes tauschen. In einem zweiten gedanklichen Schritt kann die Produktion der Güter in einzelne, technisch abgrenzbare Sequenzen unterteilt werden, und diese können jeweils von verschiedenen Individuen ausgeführt werden. Zwischen den spezialisierten Individuen sowie zwischen den Produktionsstufen findet ein Austausch statt. Das Ausmaß der Arbeitsteilung ist dann erstens durch den Grad der Spezialisierung, zweitens durch das Ausmaß der Gliederung der Produktionsprozesse in einzelne Produktionsstufen bestimmt. Arbeitsteilung bzw. Spezialisierung wirken produktivitätssteigernd, da die Wirtschaftssubjekte komparative Vorteile bei der Ausübung von Aktivitäten ausnutzen können, die entweder von vomherein bestehen oder durch die Ausübung der Aktivitäten entwickelt werden. 2 Für letzteres nennt Smith im wesentlichen drei Ursachen: die Zunahme an individueller Geschicklichkeit durch die Mechanisierung von Arbeitsabläufen, die aus der Reduzierung von Wechseln zwischen verschiedenen Aktivitäten resultierende Zeitersparnis

1 Aspekte der Arbeitsteilung wurden bereits von den griechischen Philosophen Platon, Aristoteles und Xenophon behandelt; vgl. Groenewegen (1987), S. 901. 2 Allerdings hält Smith die Verschiedenartigkeit der Fähigkeiten zwischen den Wirtschaftssubjekten bei weitem mehr ftlr die Konsequenz als die Ursache der Arbeitsteihng, vgl. Smith (1776), S. 15. 4 Domrös

50

ID. Die vertikale Perspektive: Von der Tausch- zur Vertragstheorie

sowie die Wahrnehmung und Einführung von Innovationsmöglichkeiten, bedingt durch die Konzentration auf eine bestimmte Aktivität. 3 Für das Thema dieser Arbeit liefert Smith damit bereits zwei wesentliche Aspekte, allerdings hat er sie m.W. nicht weiter untersucht. Zum ersten zeigt er, wie aus dem Phänomen der Arbeitsteilung notwendigerweise ein Schnittste/lenproblem resultiert, denn zwischen den spezialisierten Wirtschaftssubjekten wird nunmehr eine Interaktion in Form eines Austausches nötig. Die institutionenökonomische Frage, in welcher vertraglichen Form diese Interaktion geregelt wird, übergeht Smith mit der fiir ihn typischen Argumentation anhand von Beispielen. Während in dem berühmten Stecknadelbeispiel die Spezialisierung offensichtlich innerhalb einer Unternehmung gedacht wird4, steht ab dem zweiten Kapitel der Markt als Ort der Koordination von Interaktion im Vordergrund der Überlegungen.5 Ein expliziter Hinweis, Markt und Organisation als alternative Institutionen der Regelung von Interaktionen zu betrachten, fehlt. 6 Vanberg hat hervorgehoben, daß die Koordination ökonomischen Handeins in der Vorstellung der Schottischen Moralphilosophen im wesentlichen auf dem Mechanismus der wechselseitigen Anpassung durch Leistung und Gegenleistung beruht, und der Koordinationsmechanismus fiir diese Anpassung ist der Markt. Die Entscheidungen über den Ressourceneinsatz werden von den einzelnen Wirtschaftssubjekten dezentral getroffen, und zwar in Abhängigkeit von den auf dem Markt existierenden und fiir sie in der Regel

3 Vgl. Smith (1776), S. 8ff. und Langlois (1988), S. 643. 4 Vgl. Smith (1776), S. Sf. 5 Smith fugt im filnften Buch jeweils auf einzelne Probleme bezogene Überlegungen zu den vergleichsweisen Effizienzeigenschaften von Einzelunternelunen, freiwilligen Mehrpersonengesellschaften, regulierten Untemelunen und Kapitalgesellschaften bei der Erfilllung öffentlicher Aufgaben an. Nach Elsner hat er damit bereits die Konturen der Fragestellungen erarbeitet, die heute die Theorie der Untemelunung ausmachen; vgl. Elsner (1986), S. 265. In der Rezeption des Smithschen Werkes wird allerdings der marktliehen Form von Interaktionen die dominierende Rolle zugewiesen. Zudem untersucht Smith im filnften Buch Untemelunen nicht als alternative Institutionen zum Markt, sondern beschränkt sich auf einen Vergleich der Eigenschaften verschiedener Unternelunenstypen.

6 Vgl. Yarbrough!Yarbrough (1988), S. 3.

A. Die Dominanz der Tauschperspektive

51

unbeeinflußbaren Tauschverhältnissen. 7 Es war vor allem Smiths Erkenntnisinteresse zu zeigen, daß und wie das vom Selbstinteresse geleitete Handeln der Individuen durch die "unsichtbare Hand" des Marktes zum Gemeinwohl aller Individuen führt und somit die Idee der Freiheit des Individuums und der allgemeinen Wohlfahrt als kompatibel betrachtet werden können. Eine Folge der Spezialisierung des einzelnen Wirtschaftssubjekts besteht nun zwangsläufig darin, daß es von den Aktivitäten anderer Wirtschaftssubjekte abhängig wird. Denn das spezialisierte Wirtschaftssubjekt ist auf den Tausch selbstproduzierter gegen fremdproduzierte Güter angewiesen, um nicht eine Nutzeneinbuße gegenüber einer Situation ohne Spezialisierung hinnehmen zu müssen. Die Entscheidung zur Spezialisierung ist also einem Zielkonflikt unterworfen, weil eine Steigerung der Produktivittit eine Steigerung der Abhtingigkeit zur Folge hat. Eine Leistung der klassischen Theorie bestand darin zu zeigen, daß dieser Zielkonflikt bei Vorliegen einer Konkurrenzsituation durch den Mechanismus des Marktes aufgehoben wird. Denn die bei Konkurrenz gegebene Möglichkeit, den Tauschpartner zu wechseln, beseitigt die Abhängigkeit von einem speziellen Tauschpartner und entmachtet die Wirtschaftssubjekte somit untereinander. Die Institution des Marktes unter Konkurrenzbedingungen bietet deshalb gerade die Bedingungen, unter denen eine Spezialisierung der Wirtschaftssubjekte möglich wird. 8 Allerdings läßt eine solche Argumentation einen wichtigen Aspekt des Zusammenhangs von Konkurrenz und Spezialisierung unbeachtet. Spezialisierung bedeutet grundsätzlich eine Reduzierung der Zahl potentieller Tauschpartner und damit eine Abnahme von Konkurrenz. Spezialisierung zugunsten einer Erhaltung von Konkurrenz begrenzen zu wollen, kann ökonomisch nicht sinnvoll sein, weil damit die produktive Wirkung der Spezialisierung unge-

7 Vgl. Vanberg (1982), S. 43ff.

8 Smith hat allerdings das Problem der Marktmacht gesehen, jedoch nur so, wie es

sich z.B. aus kartellartigen Absprachen der Produzenten ergibt. Das Problem, wie der Zielkonflikt zwischen Produktivitat und Abhangigkeit, der im allgemeinen aus der Spezialisierung folgt, bewältigt werden kann, hat er m.W. nicht thematisiert. 4*

52

ill. Die vertikale Perspektive: Von der Tausch- zur Vertragstheorie

nutzt bleiben würde. 9 Das ökonomische Problem sowohl auf der Ebene der gesamten Gesellschaft als auch der einzelnen Wirtschaftssubjekte besteht darin, die sich aus der Spezialisierung ergebenden Abhängigkeiten institutionell zu regeln und damit zu bewältigen. Wie dieses Problem von den Wirtschaftssubjekten gelöst wird, ist Thema der Neuen Institutionenökonomik, wie sie in ihrer Form als Transaktionskostenökonomik in dieser Arbeit das Instrumentarium darstellt. Es wird die These vertreten, daß ein der klassischen ökonomischen Tradition verpflichteter, vom Gedanken der spontanen wechselseitigen Anpassung ausgehender theoretischer Ansatz die vertragliche Bewältigung von Abhängigkeiten nicht zu erklären vermag, sondern daß dies einer Institutionenökonomik bedarf, die Markte und Unternehmen als alternative institutionelle Arrangements interpretiert, deren Nutzung jeweils mit Transaktionskosten verbunden ist. Eine solche Betrachtung knüpft insofern an Smiths Überlegungen an, als dieser bereits die Wirkungen staatlich gesetzter Rahmenbedingungen bzw. Institutionen auf das Verhalten der Wirtschaftssubjekte untersucht hat; dies z.B. bei der Diskussion unterschiedlicher Wirtschaftssysteme 10. Sie geht aber darüber hinaus, weil sie auch die Wahl von Institutionen zur Regelung von Interaktion zwischen und durch private Wirtschaftssubjekte untersucht. Der zweite von Smith bereits angedeutete Aspekt liegt in der Begründung fiir die produktivitätssteigernde Wirkung von Arbeitsteilung. Danach ist Arbeitsteilung die wesentliche Ursache for technischen Fortschritt 11 , denn die Spezialisierung fUhrt aufgrund der Konzentration auf bestimmte Aktivitäten oder Produktionsstufen zu einer Steigerung der Geschicklichkeit und der Erfindung geeigneter Maschinen zur Erleichterung und Beschleunigung von Aktivitäten auf der Ebene der Produktionsstufen. Anders ausgedrückt hat Spezialisierung somit eine innovationsfordernde Wirkung. Sie fUhrt zu Prozeß- und Produktinnovationen. Andererseits resultiert aus bestimmten

9 Dieses Problem ist in der Literatur auch unter dem Aspekt der Inkompatibilität von positiven Skaleneffekten und vollständiger Konkurrenz diskutiert worden. Die Vorteilhaftigkeil von Spezialisierung impliziert positive Skaleneffekte.

10 Vgl. Elsner (1986), S. 257. 11 Vgl. Schumpeter (1965), S. 248.

A. Die Dominanz der Tauschperspektive

53

technologischen Entwicklungen, nämlich einer Verbesserung von Transportund Kommunikationstechniken, eine Vergrößerung des Marktes und damit eine Zunahme der Arbeitsteilung. Denn je größer der Markt ist, desto größer sind die Möglichkeiten, eine über den eigenen Bedarf hinausgehende Menge an Produkten gegen selbst benötigte Produkte einzutauschen. Daraus ergibt sich das berühmt gewordenene Smithsche Theorem: "Die Teilung der Arbeit steht im Verhältnis zur Ausdehnung des Marktes" 12. Innovationen werden nach Smith damit allein durch das Ausmaß an Arbeitsteilung und Spezialisierung bestimmt, nicht jedoch durch die institutionelle Gestaltung der Schnittstelle zwischen den spezialisierten Produktionsstufen, also etwa durch Markttausch oder die Einbindung in eine Organisation. Anders ausgedrückt: Innovation findet autonom auf der Ebene von Produktionsstufen statt. Je arbeitsteiliger eine Wirtschaft organisiert ist bzw. je weiter ihre Märkte ausgedehnt sind, desto innovativer ist diese. In dieser Arbeit wird zu zeigen sein, welche Implikationen für die institutionelle Gestaltung der Schnittstelle abgeleitet werden können, wenn Innovationen nicht mehr autonom auf der Ebene einzelner Produktionsstufen oder Produktionsprozesse eingeführt werden, sondern z.B. systemischen Charakter haben, wie dies in Abschnitt I.C.3 erläutert wurde. Die Dynamik des Konkurrenzmarktes beruht nach Smith darauf, daß unter konkurrierenden Anbietern nur diejenigen bestehen können, die nach der Beurteilung der Nachfrager die leistungsfähigsten Produktionstechnologien einsetzen und somit entweder in Qualität oder Kosten überlegen sind. Das Marktsystem zwingt die von ihrem Selbstinteresse geleiteten Wirtschaftssubjekte also "ständig zu technologischen und strukturellen Änderungen, die zum Gleichgewicht hin oder von ihm weg führen" 13 . In institutionenökonomischer Perspektive wird der marktliehe Ausleseprozeß auch auf die miteinander konkurrierenden institutionellen Arrangements ausgedehnt, von denen sich gleichfalls nur die leistungsfähigsten behaupten können. Ziel der Arbeit ist es zu erklären, worauf die Überlegenheit dieser Lösungen unter den Bedingungen technologischen Wandels zurückgeführt werden kann.

12 Smith (1776), S. 17.

13 Recktenwald(1984), S. 59.

54

III. Die vertikale Perspektive: Von der Tausch- zur Vertragstheorie

B. Markt und Unternehmung in der neoklassischen Theorie Die neoklassische Theorie 14 setzt an der klassischen Tradition an, ökonomische Phänomene grundsätzlich auf das Verhalten selbstinteressierter Individuen zurückzufiihren. In moderner Terminologie wird dies als methodologischer Individualismus bezeichnet. Im Unterschied zur Klassik, deren Erkenntnisinteresse sich zentral auf Fragen der Wirtschaftsentwicklung und des Wirtschaftswachstums richtete, wandte sich die Neoklassik der Untersuchung von Gleichgewichten zu, wie sie im Existenzbeweis von Arrow/Debreu (1954) ihren Höhepunkt fand. Methodologischer Individualismus und Gleichgewichtsidee werden allgemein als der Kern des neoklassischen Paradigmas bezeichnet.l5 Als Verhaltensmodell wird das bereits in Abschnitt I.C erläuterte Modell der Maximierung unter Nebenbedingungen unterstellt. Als Akteure werden private Haushalte und Unternehmen betrachtet. Das Verhalten der privaten Haushalte wird von der Nutzentheorie erklärt. Unter Berücksichtigung der Nutzenfunktion und der fiir den Akteur geltenden Rahmenbedingungen, das sind sein Budget und die Preise der Güter, wird das maximale Nutzenniveau ermittelt. Das Verhalten der Unternehmen wird innerhalb der Produktionstheorie erklärt, indem eine Gewinnfunktion unter Berücksichtigung der Nebenbedingungen, welche durch die Produktionstechnologie und die Faktorpreise gegeben sind, maximiert wird. Die Preise enthalten dabei alle entscheidungsrelevanten Informationen, und das heißt in ökonomischer Perspektive: alle

14 Nach Aspromourgos (1987), S. 625 wird der Begriff "neoklassisch" in der Ökonomik nach dem zweiten Weltkrieg gewöhnlich fllr alle marginalistischen Ansätze verwendet. Die Verwendilllg des Begriffes kann demnach auf Hicks (1932), S. 84 illld Stigler ( 1941 ), S. 8, 13 illld 297 zurückgeftthrt werden. Eine so weite Fassilllg des Begriffs würde auch die Transaktionskostenökonomik einschließen illld ist daher fUr eine vergleichende Analyse beider Ansätze illlbrauchbar. Statt dessen wird hier illlter neoklassischer Theorie allein die auf Walras zurückgehende Theorie des allgemeinen Gleichgewichts verstanden. Auch diese Begriffsfassilllg ist verbreitet.

15 Vgl. hierzu z.B. Neumann (1984), S. 205fT. illld Wessling (1991 ), S. 63fT.

B. Markt Wld UntemelunWlg in der neoklassischen Theorie

55

Infonnationen über die in der Entscheidungssituation herrschenden Knappheitsrelationen.16 Die Produktionsfunktion stellt eine technologische Transformationsbeziehung zwischen Input- und Outputmengen dar und wird als theoretische Repräsentation des realen Phänomens Unternehmung interpretiert. 17 Theorie der Unternehmung und Produktionstheorie sind somit zwei Bezeichnungen desselben Inhalts. Unternehmerisches Verhalten ist - bei gegebenen Absatzund Beschaffungsrestriktionen - mit der Annahme der Gewinnmaximierung eindeutig beschrieben. Es wird reflektiert durch die Angebotsfunktion der Unternehmung, also eine Kombination von Angebotspreisen und Angebotsmengen.18 Eine Unternehmung wird demnach als ein homogenes Wirtschaftssubjekt konzipiert, womit Probleme der internen Organisation aus der Betrachtung ausgeklammert werden. Die Unternehmung ist eine black box, die lediglich eine Transformationsbedingung darstellt. Die Koordinierung des Ressourceneinsatzes erfolgt ausschließlich über das Preissystem19 oder anders ausgedrückt: Die Unternehmung beschafft alle in der Produktion eingesetzten Güter durch Markttausch und setzt die produzierten Güter durch Markttausch ab. Verträge sind hier ausnahmslos Tauschverträge, und sie regeln lediglich Tauschrelationen. Leistungserstellungsprozesse können als eine Abfolge von Sequenzen unterschiedlicher Aktivitäten betrachtet werden. Der Output einer Aktivität geht dabei als Input in die nachgelagerte Aktivität ein. In der Theorie der Unternehmung wird unter anderem die Aufteilung wirtschaftlicher Aktivitäten

16 Vgl. Picot/Schneider/Laub (1989), S. 359. 17 Nach Winter ( 1991 ), S. 186 ist es vor allem in mikroökonomischen Lehrbüchern gängig, Unternelunen allein auf produktionstechnologischer GTW1dlage zu erklären. 18 Dies gilt Wlter der Bedingllllg vollständiger Information über die HandlWlgsbedingWlgen. Zur AbschwächWlg der Annaiunen über Information Wld Wissen in neoklassischen Ansätzen vgl. Wessling ( 1991 ). Das Modell der MaxirnierlUlg Wlter NebenbedingW1gen bleibt davon Wlberührt. Unter bestimmten BedingWlgen kann die Angebotsfunktion auch ftlr lediglich eine Preis-Mengenkombination definiert sein, so z.B. im Falle des (Angebots-) Monopols. 19 Vgl. Coase (1937), S. 332.

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ill. Die vertikale Perspektive: Von der Tausch- zur Vertragstheorie

zwischen Unternehmen untersucht. Es soll erklärt werden, unter welchen Bedingungen welche Aktivitäten in welchem Ausmaß innerhalb von Unternehmensgrenzen durchgeführt werden und unter welchen Bedingungen außerhalb. Dabei kann zwischen einer horizontalen, einer vertikalen und einer diagonalen Perspektive unterschieden werden.

Die vertikale Perspektive erfaßt die Aufteilung unterschiedlicher Aktivitäten zwischen Unternehmen, die technisch separierbare Elemente von Produktionsprozessen darstellen. Diese Aktivitäten können zum Beispiel durch Markttausch oder durch eine hierarchische Einbindung in eine Unternehmung verbunden sein. In horizontaler Perspektive wird die Aufteilung prinzipiell gleichartiger Aktivitäten betrachtet. Hier geht es vor allem um die Frage, ob diese Aktivitäten gebündelt, z.B. innerhalb einer Unternehmung, erfolgen oder isoliert durchgeführt werden. Werden durch die BündeJung Produktionskostenvorteile erzielt, und ist die betrachtete Aktivität Teil nur eines Produktionsprozesses, so spricht man von Skalenvorteilen oder Economies of scale. 20 Die Aufteilung von Aktivitäten zwischen unterschiedlichen Produktionsprozessen betrifft die diagonale Perspektive. Werden bei der BündeJung Produktionskosten eingespart, so wird dies als Verbundvorteil oder Economies of scope bezeichnet. Indem die damit vorgenommene begriffliche Abgrenzung sich auf die einzelnen Aktivitäten innerhalb eines Leistungserstellungsprozesses bezieht, unterscheidet sie sich von einer ebenfalls in der Literatur anzutreffenden Abgrenzung nach dem Ergebnis des gesamten Leistungserstellungsprozesses. 21 Der Unterschied sei am Beispiel der Automobilproduktion erläutert. Der Zukauf eines Automobilwerkes B durch einen Automobilproduzenten A

20 Unter "Economies of scale" sollen in dieser Arbeit grundsätzlich sinkende Durchschnittskosten verstanden werden. Diese können zwn einen auf Fixkostendegression und zwn anderen auf "returns to scale" zurückgeftlhrt werden. Von konstanten, abnehmenden, zunehmenden "returns to scale" wird allgemein bei einer Produktionsfunktion gesprochen, die einen Homogenitätsgrad von l, 1 aufweist. In der Literatur ist diese Defmition verbreitet, zwn Teil wird allerdings ftlr den mit "returns to scale" bezeichneten Zusammenhang ebenfalls der Begriff "Economies of scale" verwendet. Vgl. hierzu Silvestre (1987), S. 80. 21 Vgl. z.B. Schmidt (1990), S.

128fT.

B. Markt wtd Untemelunwtg in der neoklassischen Theorie

57

bedeutet nach der zweiten Abgrenzung eine horizontale Expansion der Unternehmung A. Entscheidend ist hier, daß die Produkte von Automobilwerk A und B gleichartig sind, in diesem Fall also in beiden Fällen Automobile. Wird jedoch die erste begriffliche Abgrenzung gewählt, so muß auf die einzelnen Aktivitäten der verschmolzenen Unternehmen Bezug genommen werden. Hatte zum Beispiel die Unternehmung A bisher keine Entwicklungsabteilung für Motoren, sondern bezog diese von einem Vertragspartner, während die Unternehmung B ihre Motoren selbst entwickelte, so liegt in bezug auf diese Aktivität eine vertikale Integration vor. Andere Aktivitäten mögen hingegen von beiden Unternehmen durchgeführt worden sein, und demnach findet eine horizontale Integration statt. Die Überlegungen zeigen, daß der Umfang der Aspekte, die der horizontalen Perspektive zugeordnet werden können, von der gewählten Definition abhängig ist. Das bedeutet, daß bestimmte Ansätze, die eine Erklärung horizontaler Integration im ersteren Sinne, also mit Bezug auf die Produkte, liefern, nach der zweiten Begriffsfassung als eine Erklärung vertikaler Integration aufgefaßt werden müssen. Während sich die erste Definition für eine Analyse eignet, die auf die Marktmacht des Anbieters auf dem Produktmarkt, hier dem Automobilmarkt, abstellt, ist die zweite Definition vorzuziehen, wenn die Effizienzwirkungen von horizontaler bzw. vertikaler Integration untersucht werden sollen, wie es in der transaktionskostenökonomischen Literatur, und so auch hier, das Ziel ist.22 Es stellt sich nun die Frage, wie die Aufteilung von Aktivitäten zwischen Unternehmen oder anders ausgedrückt: die Grenze der Unternehmung in neoklassischer Perspektive erklärt werden kann.

22 Vgl. z. B. das in dieser Hinsicht fragwürdige Vorgehen von Hennart (1982). Nachdem er ein Kapitel der transaktionskostenökonomischen Erklärung vertikaler Integration gewidmet hat (Kapitel 3), analysiert er wtter der Überschrift "Horizontale Expansion" die Integration von Wissen wtd Firmenimage in die Unternelunwtg (Kapitel 4) wtd damit solcher Produktionsstufen, die die Untemelunwtg vorher nicht ausgeführt hat. Nach obiger Argumentation handelt es sich jedoch um eine Erklärung vertikaler Integration, denn Rennart wttersucht sie wtter dem Gesichtspwtkt von EffiZienzwirkwtgen.

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ill. Die vertikale Perspektive: Von der Tausch- zur Vertragstheorie

Bis in die siebziger Jahre war die Wettbewerbstheorie eine Anwendung der neoklassischen Preistheorie. Die Grenzen der Unternehmung wurden auf der Grundlage produktionstheoretischer Überlegungen analysiert. Eine Erklärung vertikaler Integration konnte demnach auf technologische Beziehungen zwischen aufeinanderfolgenden Produktionsstufen zurückgeftihrt werden, wie es häufig anband des Beispiels der Stahlproduktion verdeutlicht wurde. 23 Danach besteht die Notwendigkeit einer Integration von Hochofen und Walzwerk, da diese aus technischen Gründen in unmittelbarer räumlicher Nähe zueinander lokalisiert sein müssen. Ist eine technologische Begründung nicht möglich, so kann vertikale Integration auf der Grundlage der neoklassischen Preistheorie allein durch das Bestreben von Unternehmen erklärt werden, Preis- bzw. Austauschrelationen zu verändern. Dies ist zu erwarten, wenn dadurch eine Reduzierung von Steuern auf Zwischenprodukte erreicht wird oder Marktmacht auf den Märkten vor- oder nachgelagerter Stufen aufgebaut werden kann. 24 Während die technologische Begründung modelltheoretisch an der Produktionsfunktion ansetzt, beziehen letztere Argumente sich auf die Absatz- bzw. Beschaffungsrestriktionen. Eine Begründung horizontaler und diagonaler Integration beruht ebenfalls entweder auf technologischen oder auf Marktrnacht-Argurnenten. Technologisch bedingte Größenvorteile bzw. Economies of scale oder Econornies of scope werden auf der Grundlage einer bestimmten Produktionsfunktion realisiert, und es wird implizit davon ausgegangen, daß diese technologische Einheit in eine rechtliche Einheit bzw. Unternehmung eingebunden wird. Wie in einem mittlerweile klassischen Artikel von Viner gezeigt wurde, können entsprechend die Anzahl und die Größe der Unternehmen in einer Industrie in Abhängigkeit der realisierbaren Economies of scale bzw. scope abgeleitet werden. 25 Horizontale oder diagonale Integration kann aber auch damit erklärt werden, daß durch eine Änderung der Absatz- und Beschaffungs-

23 Vgl.

Bain (1968), S. 381.

24 Vgl.

Williamson (1990), S. 2.

2S Vgl. Viner (1932) und Tirole (1988), S. 18.

B. Markt und Unternelunung in der neoklassischen Theorie

59

restriktionen der Aufbau von Marktmacht gegenüber vor- bzw. nachgelagerten Produktionsstufen möglich wird. 26 George J. Stigler hat das Smithsche Theorem, nach dem das Ausmaß an Arbeitsteilung durch die Grenzen des Marktes bestimmt ist, aufgenommen und auf der Basis der neoklassischen Produktionstheorie die von Smith unbeantwortet gelassene Frage untersucht, in welcher institutionellen Form die Schnittstellen zwischen Aktivitäten eines Produktionsprozesses ausgestaltet werden. Genauer geht es ihm darum zu klären, in welchen Marktphasen eines Produktes welche Produktionsstufen in einer Unternehmung integriert sind bzw. wann sie von unterschiedlichen Unternehmen durchgefiihrt und durch Markttausch verbunden werden. 27 Damit verbindet Stigler die Theorie des Produktlebenszyklus mit der neoklassischen Preistheorie. 28 Jede Produktionsstufe wird durch eine Kostenfunktion repräsentiert, welche vereinfachend als voneinander technologisch unabhängig angenommen werden. Weiterhin wird ein konstantes Verhältnis zwischen den Outputmengen der Produktionsstufen und der Outputmenge des Endprodukts angenommen. 29 Die Gesamt-Durchschnittskostenfunktion ergibt sich dann durch Addition der Durchschnittskostenfunktionen aller Produktionsstufen. Letztere haben verschiedene Verläufe: Entweder haben sie einen kontinuierlich fallenden oder steigenden Verlauf, oder sie verlaufen in konventioneller Weise U-förmig. Stigler stellt nun fest, daß unter den gegebenen Bedingungen einer vollständigen Integration aller Produktionsstufen die möglichen Skalenerträge der fallenden Kostenfunktionen nicht ausgenutzt werden, wenn deren Output zu einem nicht unerheblichen Ausmaß Input in die Produktion anderer Unternehmen darstellt, eine Nachfrage nach der überschüssigen Menge also vorhanden wäre. Er folgert, daß eine Desintegration dieser Produktionsstufen in eigenständige Unternehmen sinnvoll wäre und deren Output durch Markt-

26 Zwn Zusammenhang von Skalenerträgen und Marktmacht vgl. Marshall (1890) und Baumol!Panzar!Willig ( 1982 ). 27 Vgl.

zwn folgenden Stigler (1951 ).

28 Vgl. Williamson (1987), S. 808. 29 Nach Stigler würde die Aufhebung dieser Annalune zu keinem anderen Ergebnis

führen; vgl. Stigler (1951 ), S. 188.

60

Ill. Die vertikale Perspektive: Von der Tausch- zur Vertragstheorie

tausch bezogen werden sollte. Ähnlich verhält es sich mit steigenden Kostenfunktionen, für die sich eine, diesmal allerdings nicht vollständige Reduzierung der Produktionsmenge und ein teilweiser Bezug von anderen Unternehmen anbieten würde. Durch beide Maßnahmen lassen sich die Gesamtkosten der Produktion für die betrachtete Unternehmung senken. Aus diesen Überlegungen folgt nun, daß in wachsenden Industrien das Ausmaß vertikaler Integration abnimmt, da der wachsende Markt zu einer Zunahme der Arbeitsteilung zwischen den Unternehmen führt, und daß in schrumpfenden Industrien die vertikale Integration wieder zunehmen wird. Diese Überlegungen müssen für alle Ursachen sich ändernder Marktnachfrage gelten und können demnach also auch auf den Produktlebenszyklus einer Innovation bezogen werden. Ohne die Setzung weiterer Annahmen bleibt die Argumentation Stiglers allerdings aus folgenden Gründen unbefriedigend: Erstens, warum sollen bei sinkenden Durchschnittskosten die jeweiligen Produktionsstufen desintegriert werden? Alternativ wäre doch genauso eine Ausnutzung der Skalenerträge möglich, indem die Unternehmung eine über ihren eigenen Bedarf hinausgehende Menge produziert und den Überschuß am Markt absetzt. Möglich wäre ebenfalls eine Kooperation zwischen Unternehmen zur Realisierung der Skalenerträge. Rechtlich unabhängige Unternehmen bringen dann gemeinsam Ressourcen in die Durchführung der jeweiligen Produktionsstufen ein und nutzen das Produktionsergebnis gemeinsam. Die Bildung einer eigenständigen Unternehmung zur Ausnutzung von Größenvorteilen ist daher nicht unbedingt notwendig, eine Erklärung von Unternehmensgrenzen allein aus technologischen Überlegungen bleibt daher unvollständig. Zweitens, warum geht Stigler davon aus, daß ausschließlich steigende bzw. fallende Durchschnittskosten auf einzelnen Produktionsstufen zu vertikaler Desintegration führen? Es ist doch genauso denkbar, daß sämtliche Produktionsstufen vertikal desintegriert und durch Markttausch verbunden sind. Drittens, warum sollen Unternehmen bei steigenden Durchschnittskosten die Aktivitäten auf den betreffenden Produktionsstufen reduzieren und ihren Bedarf durch Fremdbezug sichern? Derselbe Effekt ließe sich doch auch

B. Markt wtd Untemehmwtg in der neoklassischen Theorie

61

innerhalb der Unternehmung erzielen, wenn die Anzahl der betreffenden Produktionsprozesse erhöht wird. 30 Diese Einwände zeigen, daß aus einer rein technologischen, auf die Betrachtung von Produktionskosten beschränkten Sicht eine zureichende Begründung fiir Unternehmensgrenzen nicht gegeben werden kann. Die Durchfiihrung von Produktionsaktivitäten kann grundsätzlich innerhalb unterschiedlicher institutioneller Arrangements im Spektrum zwischen Markt und Hierarchie erfolgen. Darauf war bereits bei der in Abschnitt II.C diskutierten "Begründungsforschung" fiir strategische Allianzen hingewiesen worden. Eine Erklärung von Unternehmensgrenzen muß die Problerne bzw. Kosten berücksichtigen, die bei der Interaktion der am Produktionsprozeß beteiligten Wirtschaftssubjekte entstehen. Dieser Weg wird von der Transaktionskostenökonomik beschritten, die im Zentrum der folgenden Ausfiihrungen steht. Stigler geht in seinen Überlegungen zuletzt ebenfalls in diese Richtung. Er begründet die Institutionenwahl neben technologischen Rivalitäten bzw. Komplementantäten auch mit Koordinationsproblemen: "the wider the range of functions the firm undertakes, the greater the tasks of co-ordination"31 Unter Koordinationsaspekten gibt es demnach grundsätzlich eine Neigung zu vertikaler Desintegration. Unter diesem Gesichtspunkt ist vertikale Integration niemals das kostenminimale institutionelle Arrangement. Allein die Einbeziehung weiterer Argumente von Stigler läßt in frühen Marktphasen vertikale Integration vorteilhaft sein: In jungen Industrien seien neue, am Markt noch nicht verfiigbare Qualitäten an Inputs erforderlich, es müßten technische Probleme der Handhabung eigener Produkte überwunden werden, und ein Verkauf eigener Produkte sei aufgrundvon Informationsproblemen so lange nicht möglich, wie Kunden von der Leistungsfähigkeit der eigenen Produkte noch nicht überzeugt seien. 32

30 Die Produktion in mehreren gleichartigen Produktionsprozessen wäre in einer Untemehmwtg genauso gut möglich wie durch viele wtterschiedliche Unternehmen. Vgl. Lei_jonhufoud (1986), S. 213f. wtd Fehi/Schreiter (1992), S. 163.

31 Vgl. Stigler(I95I), S. 188f. 32 Vgl. Stigler (1951), S. 190. Die von Stigler eingerututen Argumente spielen z.T. in jüngster Zeit in der Diskussion um Institutionen im Innovationsprozeß eine Rolle wtd tauchen entprechend in der Analyse in Kapitel V wieder auf.

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ill. Die vertikale Perspektive: Von der Tausch- zur Vertragstheorie

C. Vertikale Vertragsbeziehungen in der Transaktionskostenökonomik 1. Das Problem der Transaktionskosten

Die neoklassische Konzeption der Unternehmung wird 1937 von Coase zum Ausgangspunkt und zur Grundlage seiner Überlegungen zur "Nature of the Firm"33 genommen. Coase merkt an, die neoklassische Konzeption der Unternehmung sei zwar ein sehr gefiigiges, aber von der ökonomischen Realität weit entferntes theoretisches Konstrukt. Das Bild einer Wirtschaft, in der vollständig spezialisierte Unternehmen sich im Wege des Markttausches sämtliche Inputs beschaffen und Output absetzen und in der alle Allokationsentscheidungen von Marktpreisen gelenkt werden, sei mit der zu beobachtenden Wirklichkeit nicht zu vereinbaren. Denn wenn die Koordination des Ressourceneinsatzes in der Produktion allein durch Preisbewegungen bestimmt wird, "production could be carried on without any organization at all, weil might we ask, why is there any organization at all?" 34 . Damit stellt sich ihm die Frage, was die neoklassische, vorwiegend auf technologischen Argumenten basierende Unternehmenstheorie überhaupt erklärt. Offensichtlich ist es nicht das Phänomen, das im allgemeinen unter einer Unternehmung verstanden wird, nämlich eine rechtliche Einheit, bestehend aus einem Wirtschaftssubjekt oder mehreren Wirtschaftsubjekten, die Güter produziert. 3S Denn zum einen ist nicht einsichtig, warum die Ausnutzung der technologischen Eigenschaften einer Produktionsfunktion eine Unternehmung in diesem Sinne erfordern soll. Dies ist vielmehr theoretisch genauso durch vertragliche Arrangements zwischen rechtlich selbständigen Wirtschaftseinheiten denkbar. 36 Zum anderen kann man beobachten, daß eine ganze

33 So der Titel seines erst spät beachteten Wld für die Transaktionskostenökonomik grwtdlegenden Aufsatzes; vgl. Coase (1937). Zur AuseinandersetzWlg darum vgl. Williamson/Winter ( 1991) Wld zur Wirkoogsgeschichte vgl. in dieser AufsatzsamrnlWlg Coase (1991 ). 34 Coase ( 1937), S. 333. 3S Vgl.

Weise/Brandes/Eger!Kraft(1991), S. 224.

36 Vgl. Tirole (1988), S. 20.

C. Vertikale Vertragsbeziehungen in derTransaktionskostenökonomik

63

Reihe von Inputs nicht über Märkte beschaffi, sondern in der Unternehmung selbst produziert werden. Die Bezeichnung "Unternehmenstheorie" ist somit irrefiihrend, und die Existenz von Unternehmen bleibt in der neoklassischen Theorie unerklärt. Aber nicht nur mit der Realität, sondern auch mit Ansätzen innerhalb der damaligen Wirtschaftstheorie, in denen die koordinierende Funktion des Unternehmers37 und die Bedeutung der Organisation hervorgehoben wurden, sieht Coase die neoklassische Konzeption der Unternehmung im Widerspruch. 38 Diese theoretische Lücke zu schließen, entwickelt er den folgenden Ansatz. In der Unternehmung wird genauso wie auf dem Markt eine Allokation von Ressourcen vorgenommen. Auf dem Markt entscheidet jedes Wirtschaftssubjekt isoliert über Angebots- und Nachfragemengen. Die Koordination erfolgt über den Preismechanismus. In der Unternehmung entscheidet der Unternehmer über die Ressourcenverwendung, und die Koordination erfolgt über Weisungen. Die Erklärung, warum einige Ressourcen über den Markt, andere aber innerhalb von Unternehmen koordiniert werden, sieht Coase darin, daß beide Koordinationsformen mit dem Einsatz von Ressourcen, also Kosten, verbunden sind. Die Entscheidung, Markt oder Unternehmung zu nutzen, kann damit als ökonomisches Problem formuliert werden, fiir das sich Coase nun des genuin neoklassischen Instrumentariums der Marginalanalyse und der Substitution bedient. Das traditionelle Gewinnmaximierungskalkül wird damit auch auf die Wahl zwischen Institutionen angewendet. 39 Eine Unternehmung wird demnach so lange expandieren, bis die Kosten der Organisation einer zusätzlichen Transaktion innerhalb der Unternehmung genauso hoch sind wie die Kosten derselben Transaktion, wenn sie über den

37 Es ist zu beachten, daß Coase den Begriff des Unternehmers ft1r die Person oder Personen verwendet, die anstelle des Preismechanismus die Koordination des Ressourceneinsatzes vornehmen; vgl. Coase (1937), S. 333, Fußnote 10. 38 Als Beispiele werden A. Marshall, J.B. Clark und D.H. Robertson genannt; vgl.

Coase ( 1937), S. 333.

39 Vgl. Pies (1993), S. 22lf.

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m. Die vertikale Perspektive: Von der Tausch- zur Vertragstheorie

Markt abgewickelt oder alternativ in einer anderen Unternehmung organisiert werden. 40 Ein solcher Ansatz erklärt, warum nicht alle Tauschaktionen über Märkte abgewickelt werden, denn dies ist unter Umstanden kostspieliger als die Integration in die Unternehmung; er erklärt aber auch, warum nicht alle Aktivitäten in einer Volkswirtschaft innerhalb einer Unternehmung vorgenommen werden. 41 Auch dies ist der neoklassischen Theorie, die ohne die Annahme von Kosten der internen Koordination operiert, nicht möglich.42 Coase nimmt die klassische Perspektive des sogenannten Austauschmode/ls43 auf und sieht die Unternehmung als einen Zusammenhang von integrierten Austauschbeziehungen, in der der Austausch nicht auf Preissi-

gnalen, sondern auf Weisungen des Unternehmers beruht. Damit löst er sich von der traditionellen neoklassischen Sicht einer technologisch determinierten Unternehmensgrenze: "Coase (1937) argued that the key to understand vertical integration would come not so much from understanding the vertical production relationships, but rather from understanding vertical exchange relationships. "44

Auch in einem aktuellen Überblicksartikel zur Unternehmenstheorie von Holmstrom und Tirole wird der Ansatz dem Tauschparadigma zugeordnet; es sei "Coase's original hypothesis that institutions serve the purpose of facilitating exchange and can best be understood as optimal accommodations to contractual constraints rather than production constraints" 45 . Dies hatte m.E. allerdings zur Konsequenz, daß sich die transaktionskostenökonomische Forschung in der Tradition von Coase auf den Bereich vertikaler Vertragsbeziehungen konzentriert hat. Für horizontale Vertragsbeziehungen, wie sie strategische Allianzen im Innovationsprozeß vielfach

40 Vgl. Coase(1931), S. 341. 41 Vgl. Borchert/Grossekettler ( 1985), S. 20. 42 Vgl. Coase (1937), S. 340 und das sogenannte "puzzle of selective intervention" von Williarnson: vgl. Wil/iamson ( 1985), S. 132fT.

43 Vgl. Vanberg (1982), S. 3 und 41. 44 Perry ( 1989), S. 212. 45 Holmstromil'irole (1989), S. 63.

C. Vertikale Vertragsbeziehllllgen in der Transaktionskostenökonomik

65

darstellen, ergibt sich also die Notwendigkeit, zu prüfen, inwiefern institutionenökonomische Überlegungen auch für diesen Fall formuliert werden können. 2. Die Transaktionskostenökonomik von Wi/liamson: Von einer Theorie der Unternehmung zu einer Theorie des Vertrages

Williamson beginnt Anfang der siebziger Jahre, den transaktionskostentheoretischen Problemaufriß von Coase zu einer der empirischen Überprüfung zugänglichen Theorie zu entwickeln.46 Dies ist im Coaseschen Ansatz aufgrund seiner tautologischen Formulierung noch nicht zu leisten, denn solange über die Bestimmungsgründe von Transaktionskosten keine Hypothesen aufgestellt werden, ist eine institutionelle Struktur stets mit dem Hinweis auf Transaktionskosten zu "erklären".4 7 Daher geht Williamson so vor, daß er die Determinanten von Transaktionskosten systematisch bestimmt und abschätzt, wie sich ihre Ausprägung auf die relative Transaktionskostenhöhe der institutionellen Arrangements Markt und Hierarchie auswirken. Analog zu Coase nimmt Williamson an, daß die Wahl der Arrangements durch die Wirtschaftssubjekte so vorgenommen wird, daß daraus die gewinnmaximale bzw. transaktions- und produktionskostenminimale institutionelle Struktur resultiert. Es ist für die folgenden Überlegungen ohne Bedeutung, die Entwicklung des Williamsonschen Ansatzes bis zum aktuellen Stand ausfuhrlieh darzustellen. Auf zwei Aspekte soll jedoch hingewiesen werden. Zum ersten hat Williamson die Determinanten von Transaktionskosten stetig systematisiert. 48 Zum zweiten, und dies ist für die vorliegende Arbeit von erheblicher Bedeutung, hat er die von Coase anfanglieh übernommene Markt-Hierarchie-

46 Williamson (1971) ist der Ausgangspllllkt dieser Entwicklllllg. Williamson bezeichnet dort neben Coase (1937) den Beitrag von Arrow (1969) zur Wahl zwischen marktlieber Wld nicht-marktlicher Allokation als die wesentlichen Veröffentlichllllgen, auf denen sein Beitrag basiert.

47 Vgl. die Kritik von Alchian!Demsetz (1972), S. 783f.; hierzu auch Williamson (1985), S. 4 WldSchumann (1992), S. 436. 48 Eine kurze Darstellllllg dieser Entwicklllllg findet sich bei Pies (1993), S. 222fT. S Domrös

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III. Die vertikale Perspektive: Von der Tausch- zur Vertragstheorie

Dichotomie überwunden und betrachtet nun alle denkbaren institutionellen Arrangements in einem stetigen Spektrum, in dem Markt und Hierarchie die Extrema darstellen. Dies hat aber auch zur Folge, daß die Bestimmung einer exakten Unternehmensgrenze problematisch geworden ist, worauf später noch näher einzugehen ist. Strategische Allianzen sind im Spektrum zwischen Markt und Hierarchie angesiedelt, denn sie enthalten Eigenschaften beider institutionellen Extremlösungen. Die Transaktion bezeichnet Williamson als das Grundelement der Analyse von Institutionen. Damit greift er explizit auf einen Gedanken zurück, den John R. Commons bereits im Jahre 1934 in das Zentrum seiner Überlegungen gestellt hatte. Für diesen bestand eine Transaktion in der ökonomischen Interaktion von Wirtschaftssubjekten, und Institutionen hatten den Zweck, die Stabi/ittit der Interaktionsbeziehungen sicherzustellen.49 In dem Bemühen, eine empirisch faßbare Definition der Transaktion zu liefern, gibt Williamson dem Begriff allerdings eine Bedeutung, die nur scheinbar mit der von Commons gelieferten übereinstimmt. Es wird an anderer Stelle zu zeigen sein, wie bestimmte Fragestellungen dadurch einer transaktionskostenökonomischen Analyse unzugänglich sind, obwohl dies durch eine sich an Commons orientierende Definition vermeidbar wäre. 50 Offensichtlich setzt Williamson seine Überlegungen an der Vorstellung eines aus mehreren aufeinander aufbauenden, technologisch separierbaren Aktivitäten bestehenden Produktionsprozesses an5 1: "A transaction occurs when a good or service is transferred across a technologically separable interface. One stage of activity terminates and another begins."52 Da ein Transfer von Gütern zwischen aufeinanderfolgenden Aktivitätsstufen ex definitione die vertikale Perspektive betriffi, ist der Fokus des Ansatzes zwingend auf die Erklärung vertikaler Vertragsphänomene beschränkt. Die Annahme einer technologisch separierbaren Schnittstelle verhindert eine Auseinandersetzung mit den traditionellen Ansätzen einer

49 Vgl. Commons (1934), S. 6 und Williamson (1985), S. 3. 50 Vgl. hierzu v.a. Absclmitt III.D.3.b.

51 Vgl. Schumann (1992), S. 437. 52 Vgl. Williamson (1985), S. I.

C. Vertikale Vertragsbezieh\Ulgen in der Transaktionskostenökonomik

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technologisch determinierten Untemehmensgrenze. Die technologisch nichtseparierbaren Aktivitäten selbst stellen eine "black box" dar, und die dabei eingesetzten Ressourcen können offensichtlich nur hierarchisch koordiniert werden. Commons und Williamson unterscheiden sich also bezüglich der Transaktoren, zwischen denen Transaktionen durchgeführt werden. Während Commons darunter Interaktionen zwischen Wirtschaftssubjekten faßt, versteht Williamson darunter die physische Übertragung von Transaktionsobjekten zwischen den Aktivitäten eines Produktionsprozesses. Die Schnittstelle liegt für Williamson zwischen technologisch separierbaren Aktivittiten, für Commons hingegen zwischen interagierenden Wirtschaftssubjekten. Beide Definitionen sind dann kompatibel, wenn aufeinanderfolgende Aktivitäten von verschiedenen Wirtschaftssubjekten, seien dies Individuen oder Organisationen, durchgeführt werden. Eine Transaktion bedeutet nach Williamson dann einen Austausch zwischen Wirtschaftssubjekten. Interagieren Wirtschaftssubjekte jedoch auf der Ebene einer bestimmten technologisch nicht-separierbaren Aktivität, so kann dies nur von der Definition Commons', nicht aber von der Williamsons erfaßt werden. Dieser Unterschied wird insbesondere für die Analyse horizontaler Kooperationen in dieser Arbeit von Bedeutung sein.53 Den Begriff der Transaktionskosten leitet Williamson aus einem Analogieschluß von technologischen auf ökonomische Schnittstellen ab. Mechanischen Reibungen dort entsprechen hier Mißverständnisse und Konflikte zwischen den Tauschpartnem.54 Um diese Mißverständnisse und Konflikte zu bewältigen, werden die Wirtschaftssubjekte ihren Interaktionen geeignete Spielregeln bzw. Institutionen zugrundelegen. Diese können impliziter und expliziter Natur sein und die Handlungsmöglichkeiten mehr oder weniger beschränken. Transaktionskosten sind demnach alle Kosten, die von der Wahl eines institutionellen Arrangements determiniert werden. Im Unterschied dazu fallen unter die Produktionskosten, also die Kostenkategorie, die im Zentrum der neoklassischen Unter-

53 Vgl. hierzu insbesondere die Diskussion in Abschnitt Ill.D.3 Wld Kapitel IV. 54 Vgl. Williamson ( 1985), S. 2.

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ill. Die vertikale Perspektive: Von der Tausch- zur Vertragstheorie

nehmenstheorie steht, alle die Kosten, die von der Wahl der Produktionstechnologie und des Faktoreinsatzes in der Produktion abhängen. Williamson unterscheidet ex-ante- und ex-post-Transaktionskosten. Erstere sind die Kosten ftir Entwurf, Verhandlung und Absicherung der institutionellen Arrangements. Letztere sind die Kosten, die aus der mangelnden Anpassung der Regeln an die vorgesehene Verhandlungslösung und ftir die nachträgliche Anpassung der Regeln entstehen, und die Kosten ftir die Einrichtung und Erhaltung von geeigneten Koordinationsstrukturen sowie die Durchsetzung vereinbarter Beiträge. 55 Das transaktionskostenökonomische Modell setzt sich aus den zwei Verhaltensannahmen "Opportunismus" und "begrenzte Rationalität" und den drei Transaktionsdimensionen "Unsicherheit", "Häufigkeit" und "Spezifität" zusammen. Die beiden Annahmen zum Verhalten der Wirtschaftssubjekte fiihrt Williamson ein, um das Instrumentarium wirklichkeitsnäher zu gestalten. 56 Bei näherem Hinsehen zeigt sich jedoch, daß es sich dabei eigentlich nicht um ein Abweichen von der traditionellen ökonomischen Verhaltensannahme der Gewinnmaximierung handelt, sondern vielmehr um eine Änderung der in der Entscheidungssituation vorliegenden Restriktionen.

Begrenzte Rationalität bedeutet, daß Wirtschaftssubjekte zwar "intendedly rational, but only limitedly so" 51 handeln. Dies liegt darin begründet, daß die kognitiven Fähigkeiten zur Informationsaufnahme und -verarbeitung begrenzt sind und die Verständigung zwischen Wirtschaftssubjekten mit Mängeln des Kommunikationssystems behaftet ist. Eine Interaktion wird durch die Einfiihrung dieser Annahme erschwert, weil das Auftreten von Fehleinschätzungen zukünftiger Entwicklungen und von Verständigungsproblemen möglich wird. Williamson bezeichnet begrenzte Rationalität als eine halb-starke Form von Rationalität und grenzt sie von der in der neoklassischen Theorie üblichen Annahme der starken oder unbegrenzten Rationalität ab.

55 Vgl. Wi/liamson (1985), S. 22. S6 Vgl. Williamson (1985), S. 44.

57 Sirnon (1961), S. xxiv.

C. Vertikale Vertragsbeziehungen in der Transaktionskostenökonomik

69

Der Anspruch Williamsons, eine neue Verhaltensannahme eingeführt zu haben, ist jedoch unplausibel und unbefriedigend. Zum einen begründet er sie mit Grenzen menschlicher Leistungsßlhigkeit, und dies kann im ökonomischen Verhaltensmodell sinnvoller als Restriktion interpretiert werden.SB Das Individuum verhält sich nutzenmaximierend, dies aber in den Grenzen seiner kognitiven Kapazittit. Zum anderen wird die Leistungsfliliigkeit des ökonomischen Verhaltensmodells durch die Einführung einer halb-starken Form von Rationalität unnötig reduziert.S9 Mit der zweiten Verhaltensannahme des Opportunismus grenzt sich Williamson ebenfalls von der Annahme der, wie er es nennt, schlichten Nutzenmaximierung in der Neoklassik ab. Individuen verhalten sich demnach so, daß sie ihren Nutzen auch mit Arglist und Täuschung des Transaktionspartners zu steigern versuchen. Sie verhalten sich stark nutzenrnaximierend. Die Einführung einer neuen Verhaltensannahme ist den oben schon zur begrenzten Rationalität geäußerten Einwänden ausgesetzt. Opportunismus ist das Resultat einer besonderen Entscheidungssituation, die bei vollständiger Konkurrenz in der neoklassischen Theorie nicht auftreten konnte. Denn dort war strategisches Verhalten ex post nicht denkbar, weil keine spezifischen Investitionen betrachtet wurden. Der Opportunismus ist demnach auch hier nicht den Präferenzen, sondern den Restriktionen eines Individuums zuzuordnen.60 Es sind die Eigenschaften von Transaktionen, von denen die Höhe der Transaktionskosten eines institutionellen Arrangements abhängen. Williarnson reduzierte sie im Laufe seiner Theorieentwicklung auf drei Dimensionen: die Spezifität, die Häufigkeit und die Unsicherheit von Transaktionen. Dabei kommt der Spezi.fität fiir seinen Ansatz die dominierende Rolle zu.6 1 Spezifisch ist eine Ressource dann, wenn die Höhe ihrer Entlohnung von der Interaktion mit einem bestimmten Transaktionspartner abhängig ist oder anders ausgedrückt: wenn der Wechsel des Interaktionspartners mit einer

ss Eine solche Interpretation fmdet sich bei Schumann (1992), S. 436. S9 Vgl. Absclmitt I.D.

60 Vgl. Schumann (1992), S. 436f. und Pies (1993), S. 229. 61

Vgl. Williamson (1985), S. 52ff.

70

III. Die vertikale Perspektive: Von der Tausch- zur Vertragstheorie

Änderung der Entlohnung verbunden ist. Im Unterschied zu einer Entscheidungssituation unter Konkurrenzbedingungen ist ein Ressourcenbesitzer dann nicht mehr indifferent bezüglich der Identität des Interaktionspartners und gerät damit in eine Position der Abhängigkeit. Die Abhängigkeit von bestimmten Interaktionspartnern resultiert im Unterschied zu neoklassischen Ansätzen unvollständiger Konkurrenz jedoch nicht aus der Anzahl potentieller Transaktionspartner bzw. Nachfrager, sondern aus der Höhe der Entlohnung, die in einer zweitbesten Alternative von einem Interaktionspartner entrichtet würde. Die zweitbeste Verwendungsmöglichkeit einer Ressource stellt die Opportunitätskosten der Transaktion dar. In Höhe der Differenz zwischen der Entlohnung des Faktors in der ertragreichsten Verwendung und den Opportunitätskosten62 ist der Ressourcenbesitzer von einer Beraubung durch den eigeninteressierten Transaktionspartner bedroht. Die Höhe dieser Differenz oder genauer: ihr Anteil an der gesamten Entlohnung spiegelt also die Abhängigkeit des Ressourcenbesitzers von dem Interaktionspartner wider. Je höher dieser Anteil ist, desto wichtiger ist demnach fiir den Ressourcenbesitzer die Durchfiihrung der ursprünglich vereinbarten Transaktion und desto wichtiger werden deshalb institutionelle Regelungen, die die Stabilität der Interaktion sichern. Das Problem der Spezifität resultiert aus der Tatsache, daß Vereinbarung und Durchfiihrung einer Transaktion zeitlich nicht zusammenfallen. Ein Transaktionspartner investiert zu einem Zeitpunkt in die Produktion der spezifischen Ressource, der vor der Durchfiihrung der Transaktion und der Entlohnung der Investition liegt. Vor Durchfiihrung der Investition sind die Ressourcen ohne Wertverlust in alternativen Verwendungsrichtungen einsetzbar und damit unspezifisch. Es liegt eine polypolistische Konkurrenzsituation vor. Nach der Investition hat sich die Marktform zu einem bilateralen Monopol gewandelt. Die Zahl der Transaktionspartner hat sich auf zwei verringert. Williamson bezeichnet diese Entwicklung als ''fundamentale Transformation". Dem Problem der Abhängigkeit infolge einer spezifischen Investition steht die produktive Wirkung der Spezialisierung gegenüber, da eine spezifische

62 Diese Differenz wird in der institutionenökonomischen Literatur auch als QuasiRente bezeichnet. Allerdings versucht Williamson, die Verwendung des Begriffs zu vermeiden. Vgl. hierzu auch Kap. IV.

C. Vertikale Vertragsbeziehungen in der Transaktionskostenökonomik

71

Ressource in der vorgesehenen Verwendung produktiver ist als eine allgemein einsetzbare Ressource. Obwohl die Durchführung spezifischer Investitionen beiden Transaktionspartnern eine Nutzensteigerung ermöglichen würde, steht deren Realisierung das Interesse an einer Maximierung des eigenen Gewinns auf Kosten des anderen Transaktionspartners entgegen. In Abwesenheit institutioneller Regelungen ergibt sich die klassische Situation eines Gefangenendilemmas: Die Interaktion ist instabil, die produktiven Investitionen werden nicht getätigt. 63 Aus dem Zielkonflikt zwischen Abhängigkeit und Produktivität resultiert das ökonomische Problem der Spezialisierung. In einem streng institutionenfreien Rahmen wäre es unmöglich, Abhängigkeiten einzugehen, weil Wirtschaftssubjekte jede Gelegenheit opportunistisch nutzen würden. Institutionen können Abhängigkeiten reduzieren, vermindern allerdings aufgrund der damit verbundenen Transaktionskosten die Produktivität. Dies fiihrt zu einer Stabilisierung von Transaktionen, die sonst nicht durchgefiihrt würden. Es ist darauf hinzuweisen, daß Williamson vor allem durch die Berücksichtigung spezifischer Investitionen die Leistungsfahigkeit des transaktionskostenökonomischen Ansatzes erheblich steigert. Der Coasesche Problemaufriß sieht die Wahl zwischen Markt und Hierarchie durch Kosten der Preiserrnittlung, der Vertragsverhandlung und des Vertragsabschlusses sowie der begrenzten Leistungsflihigkeit von Unternehmern determiniert. Die ökonomische Funktion von Institutionen, nämlich die (Selbst-)Bindung von Wirtschaftssubjekten ex ante zum Zweck der Stabilisierung produktiver Interaktionen ex post und damit die Überwindung der ohne institutionelle Regeln existierenden Gefangenendilemma-Situation, gelingt es erst Williamson zu thematisieren.64

63 Pies hat darauf aufmerksam gemacht, daß Spezifität nur eine notwendige, nicht aber hinreichende Bedingung filr die Instabilität von Interaktionen ist. Unter Umständen sind spezifische Interaktionen auch in Abwesenheit institutioneller Absicherung stabil. Dies ist der Fall, wenn die erwartete Entlolmung der spezifischen Ressourcen in der zweitbesten Alternative die Entlolmung, die die Ressource olme Investition in Spezifität in der Ausgangssituation erwartet, übersteigt; vgl. Pies (1993), S. 23lff. 64 Williamson sieht den wesentlichen Unterschied beider Ansätze in der bei Coase fehlenden Opportunismusannahme; vgl. Williamson (1985), S. 78, Fußnote 7. Dies ist nicht einsichtig, da eine solche Annahme bei Coase nicht einmal von Bedeutung ware, da spezifische Investitionen und daraus resultierende Abhängigkeiten zwischen den

72

ill. Die vertikale Perspektive: Von der Tausch- zur Vertragstheorie

Abweichend von den Bedingungen des neoklassischen Ansatzes wird ferner die Annahme gesetzt, alle Wirtschaftssubjekte operierten in einer Situation der Unsicherheit.65 Dies bedeutet, daß weder die objektiven Wahrscheinlichkeiten aller denkbaren zukünftigen Zustände noch alle in der Zukunft möglichen Zustände bekannt sind. Dies fuhrt dazu, daß Verträge unvermeidlich unvollständig sind und an Störungen nachträglich angepaßt werden müssen.66 Der Unsicherheitsgrad kann auf zweierlei Weise verändert werden. 67 Zum einen kann die Häufigkeit, mit der Störungen auftreten, größer werden. Anpassungen, die je nach institutionellem Arrangement unterschiedlich zeit- und ressourcenaufwendig sind, müssen entsprechend häufiger vorgenommen werden. Zum anderen können die Störungen folgenträchtiger werden, womit die Bedeutung von Anpassungen steigt. Unsicherheit bezüglich zukünftiger Störungen herrscht sowohl über das Verhalten der an der Transaktion beteiligten Wirtschaftssubjekte als auch äußerer Einflüsse, so z.B. technologischem Wandel. Als dritte Dimension von Transaktionen wird von Williamson die Häufigkeit genannt. 68 Ob die Investitionen in institutionelle Arrangements, also die Transaktionskosten, sich rechnen, ist von deren Nutzen und deren Auslastungsgrad abhängig. Je mehr Transaktionen einer bestimmten Art abgewikkelt werden, desto eher lohnt sich die Aushandlung und Etablierung eines speziellen Arrangements. Die Fixkosten einer institutionellen Regelung führen zu sinkenden Durchschnittskosten in Abhängigkeit von der Anzahl der

Wirtschaftssubjekten nicht betrachtet werden. Die Spezifität ist die entscheidend neue und institutionenökonomisch bedeutsame Dimension in Williamsons Ansatz. Erst mit ihrer Einftlhrung gelingt es, Entscheidungssituationen zu formulieren, in denen der Markt ein relativ ineffiZientes Arrangement darstellt; vgl. Williamson ( 1981 ), S. 1548. 6'5 Vgl. Wi/liamson (1985), S. 56ff. 66 Vgl. Arraw (1974, 1980), S. 32. 67 Williamson (1985) argumentiert mit einem konstanten Grad an Unsicherheit, der so groß ist, daß nachträgliche Vertragsanpassungen unvermeidbar werden. Erst in jüngerer Zeit beschäftigt sich Williamson mit der Frage, wie sich eine Veränderung des Unsicherheitsgrades auf die Institutionenwahl auswirkt. Vgl. hierzu Williamson (1991a), S. 29If. und Williamson (1991c), S. 35. 68 Vgl. Williamson (1985), S. 60f.

C. Vertikale VertragsbeziehlUlgen in der Transaktionskostenökonomik

73

Transaktionen. Bei seltenen Transaktionen wird tendenziell eine standardisierte Form vorteilhaft sein. Die Höhe der Transaktionskosten, und damit die relative Vorteilhaftigkeil der Institutionen, wird von dem Zusammenspiel der fiinf beschriebenen Determinanten bestimmt. Es ist zu beachten, daß keine der Determinanten fiir sich alleine die Notwendigkeit einer die Transaktion absichernden institutionellen Regelung begründen kann. So resultiert zum Beispiel aus der Spezifität allein noch kein Abhängigkeitsproblem. Bei vollständiger Rationalität könnten in der Vertragssituation fiir alle Eventualitäten Lösungsstrategien vereinbart werden, bei fehlender Unsicherheit wäre die Vertragserfiillung im vorhinein gesichert, denn kein Wirtschaftssubjekt würde sich auf einen unvollständigen Vertrag einlassen. Für den Fall einerunspezifischen Investition gäbe es trotz Unsicherheit und Opportunismus alternative Transaktionspartner und daher keinen beraubbaren Teil der Entlohnung. Bei Transaktionskosten in Höhe von Null wäre demnach die Art der Institutionalisierung ökonomischer Aktivitäten irrelevant. 69 Im folgenden wird das fiir Williamson zentrale Modell vertikaler Integration vorgestellt. 70 Untersucht wird dabei der Zusammenhang zwischen dem Ausmaß an Faktorspezifität und den Kosten alternativer Koordinationsstrukturen. Für das Verhalten werden begrenzte Rationalität und Opportunismus angenommen. Unsicherheit existiere in einem solchen Ausmaß, daß eine nachträgliche Anpassung der Vereinbarungen zu erwarten sei. Kostendifferenzen institutioneller Arrangements lassen sich zum einen darauf zurückfuhren, daß sie unterschiedlich gut geeignet sind, Anpassungen an St6rungen bzw. Veränderungen der Transaktionsbedingungen zu ermöglichen. Werden die Wirtschaftssubjekte über solche Veränderungen durch entsprechende Preisänderungen informiert (Störungen vom Typ A), so resultiert aus der autonomen Anpassung jedes einzelnen Wirtschaftssubjektes

69 Vgl. Wi/liamson (1979), S. 233. 70 Vgl. Williamson (1985), S. 90fT. Vgl. auch die ausftlhrlichere HerleitlUlg in Riordan!Williamson (1985), S. 365fT. lUld die DarstelllUlg in Schumann (1992), S. 445fT.

74

III. Die vertikale Perspektive: Von der Tausch- zur Vertragstheorie

über Marktprozesse, oder anders ausgedrückt: aus der Konkurrenz der Wirtschaftssubjekte, der leistungsfähigste Anpassungsmechanismus.71 Werden Informationen über Veränderungen jedoch nicht durch das System der relativen Preise kommuniziert (Störungen vom Typ B), so wird fiir die beteiligten Wirtschaftssubjekte eine koordinierte Anpassung sinnvoll. Denn infolge des fehlenden bzw. unzureichenden Sanktionsmechanismus der Preise entstehen Abhängigkeiten, die einer institutionellen Absicherung bedürfen. Für Veränderungen, die eine koordinierte Reaktion der Wirtschaftssubjekte verlangen, sind also integrierte und mit Einschränkungen hybride Organisationsformen die leistungsfähigsten Anpassungsmechanismen. Williamson geht weiterhin davon aus, daß bei marktlieber Koordination die Leistungsanreize stärker ausgeprägt sind als in Hierarchien, dafiir ist aber eine administrative Kontrolle in Hierarchien einfacher möglich. Bei hybriden Organisationsformen sind beide Eigenschaften mittelstark ausgeprägt. Aus den genannten Merkmalen lassen sich komparative Vorteile und entsprechend Transaktionskostendifferenzen zwischen den betrachteten institutionellen Arrangements Markt, Hybride und Hierarchie ableiten. Die Aussagen sind in Abbildung 7 zusammengefaßt dargestellt. Beherrschungs- und Überwachungsmechanismus Hybridform Hierarchie Markt Instrumente - Anreizstärke -administrative Kontrolle Wirkungsdimensionen Anpassungsllihigkeit -vom TypA -vom TypB

0

++

+ +

++

++

+ +

++

0

0

0

++ keiUlZeichnet sehr gute Eigenschaften in bezug auf die Aspekte, + mäßige und 0 schlechte Abbildung 7: Unterscheidungsmerkmale von Markt, Hybridform und Hierarchie72

71 Zur Funktion von Märkten als Anpassungsmechanismus vgl. Hayek (1945),

S. 519ff. "Hayek's focus ... implies more or less complete atomization ofthe economy. There is no room for the flrm." Williamson (1991 b), S. 163. 72 Williamson (199lc), S. 25, Tabelle 2.

C. Vertikale VertragsbeziehWlgen in der Transaktionskostenökonomik

75

Zum anderen nimmt Williamson an, bei marktlieber Koordination existiere gegenüber der Integration ein Produktionskostenvortei/. Gegenüber der integrierten Selbsterstellung einer Ressource sei auf dem Markt eine Bündelung der Nachfrage möglich, der dort größere Gesamtoutput führe zu niedrigeren Stückkosten. Für jeden denkbaren Grad an FaktorspezifittJt lassen sich die Produktionskosten- und die Transaktionskostendifferenzen ermitteln und die Vorteilhaftigkeit bzw. Effizienz der institutionellen Arrangements vergleichen. Dies kann anhand der Abbildung 8 illustriert werden: LI.C LI.G LI.C+LI.G

LI.C+LI.G

AbbildWlg 8 73: Transaktions- Wld Produktionskostenvergleich von Markt Wld Hierarchie

Auf der Abszisse ist der Spezifitätsgrad k abgetragen. An der Ordinate kann der Kostenvorteil marktlieber gegenüber integrierter Transaktion abgelesen werden. AG stellt den Transaktionskostenvorteil dar, AC den Produktionskostenvorteil und AC+AG den Gesamtkostenvorteil des Marktes.

7 3 Wi/liamson (1985), AbbildWlg 4-2, S. 93.

76

ill. Die vertikale Perspektive: Von der Tausch- zur Vertragstheorie

Der Verlauf der Kurve der Transaktionskostendifferenzen ergibt sich aus der grundsätzlichen Überlegung, daß bei marktlieber Koordination stärker ausgeprägte Anreize existieren als bei interner Koordination, eine nachträgliche Anpassung der Vereinbarungen aber schwieriger ist, da jeder Vertragspartner die Höhe seiner Entlohnung auf Kosten des anderen zu maximieren versucht. Letzteres ist ein umso gravierenderes Problem, je spezifischer die Ressource ist. Mit zunehmendem Spezifitätsgrad wird eine marktliehe Transaktion daher transaktionskostenintensiver. Für einen Spezifitätsgrad kk• ist eine interne Koordination transaktionkostenminimierend. Der Produktionskostenvorteil des Marktes geht mit zunehmendem Spezifitätsgrad gegen Null, da eine Bündelung von Nachfrage immer weniger möglich ist. Ein vollkommen spezifischer Faktor wird in Markt und Hierarchie mit den gleichen Skalen- und Verbundeffekten produziert, und daher sind unter dem Produktionskostenaspekt die Wirtschaftssubjekte gegenüber beiden Arrangements indifferent. Es ist zu beachten, daß sich aus dem Produktionskostenvergleich allein eine Vorteilhaftigkeil von Integration nicht ableiten läßt. Für einen Vorteilhaftigkeitsvergleich der Koordinationsstrukturen sind hingegen die resultierenden Gesamtkosten ~C+~G entscheidend. Bis zu einem Spezifitätsgrad von k•• ist eine marktliehe Transaktion effizient, fiir k>k•• eine hierarchische Koordination. Im Bereich k•>k 0; öV/ök ~ 0 und die marktliehen Transaktionskosten als (Tll =

W (k) mit öW/ök > 0 notiert, wobei öV/ök > öW/ök.

Auf die gewinnmaximierende Wahl zwischen den institutionellen Alternativen Markt und Hierarchie hat die Technologie in diesem Modell somit keinen Einfluß. Die Entscheidung fallt allein auf der Basis von Transaktionskostendiflerenzen, oder genauer: sie wird determiniert durch das Niveau des Parameters ß. In einem zweiten Schritt unterstellen Riordan/Williamson dann Unterschiede hinsichtlich der Produktionskosten zwischen den institutionellen Arrangements Markt und Hierarchie. Allerdings lösen sie mit ihrer Vorgehensweise den explizit vertretenen Anspruch nicht ein, die Auswirkungen technologischer Vorsprünge einzelner Akteure zu analysieren, obwohl dies wegen der Annahme unterschiedlicher Produktionskostenfunktionen auf den ersten Blick so scheint. Diese These ist im folgenden zu begründen. cm = C (X,k;a) mit oCm/oX > 0; oCm/ok < 0; o2Cm/8Xök < 0

104 Vgl. Williamson (1989), S. 155.

D. Eine Beurteilung des Transaktionskostenansatzes von Williamson

91

sei die Funktion der Produktionskosten fiir die marktliehe Koordination, und die fiir die unternehmensinterne Koordination laute: Ci = C(X,k;a) + H(X,k)X

mit 8H(X,k)/8X < 0; 8H(X,k)/8k < 0. H(X,k)X nehme dabei positive Werte an und nähere sich, wenn k gegen unendlich geht, Null an. Der Term H(X,k) gibt die Differenz der durchschnittlichen Produktionskosten zwischen den Alternativen "Hierarchie" und "Markt" an und konvergiert fiir X gegen unendlich gegen Null. Die Funktion der Gesamtproduktionskostendifferenz (Ci-Cm) = H{X,k)X ist dann eine erst steigende und dann fallende Kurve, die ebenfalls fiir X gegen unendlich gegen Null konvergiert. In Abbildung 10 ist der Verlaufbeider Kurven dargestellt.

H(X,k) H(X,k)X

H(X,k)X

H(X,k)

X

Abbildung I 0: Produktionskostenvergleich von Marlct und Hierarchie I

Abbildung 11 zeigt im oberen Teil die Kurve der Durchschnittskostendifferenz und im unteren Teil, worauf diese der Modellkonstruktion zufolge zurückzufiihren ist. Auf dem Markt wird eine um Xo höhere Produktion als bei Eigenerstellung realisiert. cmtx ist die Kurve der Durchschnittskosten bei Fremdbezug der Menge (X-Xo) auf dem Markt. Die betrachtete Unternehmung würde allein die von ihr benötigte Menge (X-Xo) produzieren. Der vertikale Abstand zwischen der Kurve der unternehmensinternen Durch-

92

ill. Die vertikale Perspektive: Von der Tausch- zur Vertragstheorie

schnittskosten Ci/X und der der marktliehen Durchschnittskosten cm/X wird durch H(X,k) dargestellt und gibt die Größenvorteile wieder, die der Markt bei einer Menge von (X-Xo) gegenüber der Unternehmung realisieren kann. Die Durchschnittskostendifferenz ist in beiden Teilen der Abbildung schraffiert eingezeichnet. Mit steigender Menge (X-Xo) wird sie kleiner und konvergiert schließlich gegen Null. Unter den gegebenen Bedingungen ist dies dann der Fall, wenn allein die Unternehmung Abnehmer des Produkts ist und Xo damit einen Wert von Null annimmt.

H(X,k)

/

/

//

H(X,k)

/

X

m

c rx i

crx m

C IX

/

/

i

crx

X

AbbildWlg 11 : Produktionskostenvergleich von Markt Wld Hierarchie ll: Die BedeutWlg der Produktionsmenge Die Argumentation zeigt, daß das vorgestellte Modell keine Differenzen hinsichtlich des technologischen Wissensstandes der Akteure berücksichtigt, sondern daß Differenzen in den Produktionskosten zwischen den Alternativen Markt und Unternehmung hier ausschließlich auf unterschiedliche Outputniveaus zurückgeführt werden können. Diese folgen aus der Annahme, daß die Unternehmung ausschließlich für ihren eigenen Bedarf produziert, während

D. Eine Beurteilung des Transaktionskostenansatzes von Williamson

93

dem Markt eine Bündelung von Nachfrage und damit eine Realisierung von Skalenvorteilen möglich ist. Die Autoren halten die Annahme fUr gerecht· fertigt, denn sie sei "arguably the more realistic"10.5_ In diesem Sinne ist der Anspruch der Autoren, Differenzen zwischen den Akteuren hinsichtlich ihrer Produktionstechnologien zu betrachten, nicht gerechtfertigt und damit eine Analyse von Prozeßinnovationen, die genau dies voraussetzen würde, nicht möglich. Da weiterhin ein Vergleich zwischen marktliebem Bezug und Eigenfertigung allein unter Bezug auf Kostendifferenzen erfolgt, werden Produktinnovationen implizit ebenfalls nicht berücksichtigt. Denn sowohl Markt als auch Hierarchie sind hier prinzipiell in der Lage, die homogene Ressource zu produzieren. Williamson arbeitet demnach in seinem Modell vertikaler Integration mit der Annahme, daß alle Akteure mit der gleichen Produktionstechnik operieren bzw. den gleichen technologischen Wissensstand haben. Innovationen und technologischer Wandel können somit nicht erfaßt werden. Das Modell kann insofern als statisch bezeichnet werden. 106 Williamsons Entwurf der Transaktionskostentheorie ist eine Reaktion auf die bis dahin dominierenden "Monopolansätze" 107 in der Industrieökonomik und der Wettbewerbstheorie. Auf der Basis der neoklassischen Unternehmenstheorie wurde die Unternehmung als Produktionsfunktion betrachtet und soweit wie "the natural boundaries of the firm are therein defined by technology, any effort by the firm to extend its reach by recourse to nonstandard contracting was presumed to have monopoly purpose and effect." 108 Verträge, die von reinen Konkurrenzmarktbeziehungen abweichen, werden demnach auf das Vorliegen von Marktmacht eines der Marktpartner zurückgeführt und dienen deren Ausnutzung und Erhaltung. In Opposition zu dieser Auffassung versucht Williamson die Existenz von Nicht-Standardverträgen mithilfe des

105 Vgl. Williamson (1989), S. 158 und die Ausführungen im vorhergehenden Abschnitt. 106 Vgl. Hay!Morris (1991), S. 291. Dies analog zum neoklassischen Modell der Unternelunung; vgl. Nelson ( 1972 ), S. 36ff.

107 Der Begriff wurde m.W. von Williamson geprägt. Vgl. Williamson (1985), S. 23ff. 108 Williamson (1985), S. 26.

94

m. Die vertikale Perspektive: Von der Tausch- zur Vertragstheorie

Konzepts der Transaktionskosten auf Ej]izienzuberlegungen zurückzuführen.l09

Verträge werden demnach zwischen Wirtschaftssubjekten so geschlossen, daß die ihnen entstehenden Kosten der Interaktion bzw. die Transaktionskosten minimiert werden. Um von diesem auf einzelwirtschaftliche Effizienz abzielenden Kalkül der Wirtschaftssubjekte 110 auf gesamtwirtschaftlich effiziente Wirkungen schließen zu können, konstruiert Williamson sein Modell mit der Annahme einer ganz bestimmtenAusgangssituation. Danach befinden sich anfänglich alle Individuen in einer Situation der Konkurrenz. Spezifische Investitionen sind noch nicht erfolgt, eine Abhängigkeit von speziellen Vertragspartnern existiert also nicht und demnach auch keine Marktmacht einzelner Akteure. Eine Investition in spezifische Ressourcen wird nur dann vorgenommen, wenn die daraus entstehenden Abhängigkeiten zwischen Akteuren in Form vertraglicher Regeln bzw. Institutionen bewältigt werden. Niemand ließe sich unter Konkurrenzbeziehungen auf eine Interaktion ein, die eine asymmetrische Machtverteilung zugunsten des Interaktionspartners bedeuten würde. Eine Vereinbarung von Nicht-Standardverträgen hat demnach das Ziel und die Wirkung, die Entstehung von Marktmacht zu verhindern und gerade nicht, wie in der technologischen Sicht der Unternehmung, Marktmacht auszunutzen und zu erhalten. Der Besitz spezifischer Ressourcen begründet keine Machtposition, sondern eine Abhängigkeitssituation gegenüber unspezifischen Ressourcen. In einer Situation identischen produktionstechnischen Wissens ist die Vomahme spezifischer Investitionen allen Akteuren möglich und damit die Herstellung gleicher Ausgangsbedingungen. Im Unterschied dazu ist aber die Investition in spezifische Ressourcen unumkehrbar und bewirkt dadurch Abhängigkeiten. Der Schluß von einzelwirtschaftlicher auf gesamtwirtschaftliche Effizienz im Ansatz von Williamson kann somit letztlich auf die gleiche Logik zurückgefUhrt werden, die schon Adam Smith mit seiner Vorstellung von der "invisible hand" entwickelte, wonach auf Konkurrenzmärkten die Verfolgung

109 Vgl. Williamson ( 1985), S. 28. 110 Vgl.

Hay/Morris (1991), S. 291, Ribhegge (1991) und die Ausfilhrungen in

Abschnitt I.C.

D. Eine Bemteilung des Transaktionskostenansatzes von Williarnson

95

des Eigeninteresses gleichzeitig auch zur Verfolgung des Gesamtinteresses beiträgt. 111 Diese Vorgehensweise wird aber zumindest dann problematisch, wenn Innovationen bzw. Vorsprünge einzelner Akteure im Wettbewerb in die Analyse mit einbezogen werden. Dann existiert in der Ausgangssituation keine Konkurrenzsituation, sondern notwendigerweise Marktmacht des Jnnovators. Williamson hat sich einer Analyse von Innovationen und deren Implikationen für die Veränderung von Koordinationsstrukturen bislang weitgehend verschlossen. 112 Eine Eliminierung von Marktmacht in den Ausgangsbedingungen, wie es für das gedankliche Konstrukt der "fundamentalen Transformation" charakteristisch ist, hat in einem dynamischen Kontext keinen Sinn. Eine Anwendung des transaktionskostenökonomischen Instrumentariums ist m.E. dennoch möglich, denn auch die Generierung von Innovationen erfordert Interaktionen zwischen Ressourceninhabern, für die Entscheidungen zwischen institutionellen Alternativen getroffen werden. Entsprechende Überlegungen werden in Kapitel V diskutiert. Allerdings wird die Ableitung gesamtwirtschaftlicher Implikationen einzelwirtschaftlicher Effizienz in einem dynamischen Kontext mit temporärer Marktmacht einzelner Akteure problematisch. Dies ist jedoch auch schon für die Argumentation in einem statischen Modell nicht unproblematisch, zumindest dann nicht, wenn auch horizontale Interaktionen in die Analyse integriert werden. 3. Horizontales Theoriedefizit?

Williamson betont das Problem, daß sich im Rahmen der neoklassischen, technologisch orientierten Unternehmenstheorie eine effiziente Unternehmensgrenze nicht bestimmen läßt. Eine Unternehmung kann technologische Prozesse duplizieren und ist daher in ihrer horizontalen Expansion nicht durch abnehmende Skaleneffekte einer Produktionsfunktion beschränkt. Sie kann ebenfalls auch dann vertikal integrieren, wenn die Aktivitäten technolo-

111 Vgl. Schumann (1992), S. 12. 112 Vgl. Schumann (1992), S. 453. Grundsätzlich hierzu auch Lazonick (1991).

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ill. Die vertikale Perspektive: Von der Tausch- zur Vertragstheorie

gisch separierbar sind. Aus einer allein auf die Betrachtung von Produktionskosten beschränkten Perspektive läßt sich nicht überzeugend begründen, warum eine einzelne Unternehmung nicht genau das können soll, was zwei oder mehr Unternehmen können, und eventuell noch etwas darüber hinaus. In der Literatur finden sich demgegenüber Argumente, mit steigender Unternehmensgröße und der Aufnahme weiterer Aktivitäten steige der Bedarf an Organisation und Koordination. Da diese Funktionen nicht beliebig vermehrbar seien oder anders ausgedrückt: sich Kontrollverluste mit steigendem Koordinationsbedarf einstellen, sei die Grenze einer Unternehmung nicht beliebig erweiterbar. 113 Hierbei wird nach Williamsons Auffassung allerdings übersehen, daß aus einer Integration nicht unbedingt eine umfassende Koordination resultieren muß. Vielmehr läßt sich das Regime einer sogenannten "selektiven Intervention" denken, bei der eine Mutterunternehmung ihren Töchtern immer dann Autonomie zugesteht, wenn davon Nettogewinne zu erwarten sind und nur dann interveniert, wenn eine Koordination der Autonomie überlegen ist.114 Es gibt aber noch einen zweiten Grund, warum von der technologischen Argumentation mit Produktionsfunktionen kein Beitrag zu der Frage der effizienten Firmengröße zu erwarten ist. Sowohl in der neoklassischen Theorie als auch der Transaktionskostenökonomik von Williamson wird implizit mit der Annahme gearbeitet, Skalenvorteile ließen sich allein innerhalb von Unternehmensgrenzen realisieren. Die industrieökonomische Diskussion und auch die Erfahrungen in der ökonomischen Realität haben aber gezeigt, daß Skaleneffekte weder notwendige noch hinreichende Argumente für die (horizontale) Größe bzw. Expansion einer Unternehmung darstellen. Denn ihre Realisierung ist grundsätzlich auch außerhalb einer Hierachie unter Verwendung alternativer vertraglicher Arrangements zwischen den beteiligten Ressourcenbesitzern möglich. 115 Das aktuell bedeutsame Phänomen strategischer Allianzen im Innovationsprozeß bietet dafiir, wie bereits in Abschnitt II.B dargestellt, zahlreiche Beispiele.

113 Schon Coase ( 1937) hatte auf steigende Grenzkosten der Koordinationsfunktion hingewiesen. 114 Dies diskutiert Williamson unter dem Begriff des "selective intervention puzzle"; vgl. Williamson (1985), S. 132fT. 115 Vgl. Tirole (1988), S. 20ff., Ricketts (1987), S. 207fT. und Teece (1980), S. 2ff.

D. Eine Beurteilung des Transaktionskostenansatzes von Williamson

97

Williamson erhebt zweifellos den Anspruch, einen allgemeinen Theorieansatz zu entwickeln, der zum Verständnis der ökonomischen Institutionen des Kapitalismus beiträgt.116 Schließlich lautet der Titel seines 1985er Hauptwerkes "The Economic Institutions of Capitalism". Es kann m.E. auch nicht bestritten werden, daß spezifischen Investitionen die zentrale Rolle bei der allgemeinen Erklärung von Institutionen zukommt. Allerdings beschränkt er sich in seinen Ausfiihrungen, von einzelnen Andeutungen abgesehen, auf die Analyse vertikaler Vertragsbeziehungen, und zwar genauso innerhalb unilateraler wie auch konglomerater 117 Organisation. Dies ist auch bei der Diskussion des bereits oben erwähnten "selective intervention puzzle" der Fall. Eine Ursache fur diese Beschränkung kann m.E. darin gesehen werden, daß die Definition des Begriffs der Transaktion von Williamson speziell nur auf vertikale Vertragsbeziehungen zugeschnitten ist. Eine Transaktion findet zwischen technologisch separierbaren aufeinanderfolgenden Aktivitäten eines Produktionsprozesses statt. Dies bedeutet aber nichts anderes, als daß sie zwischen den vertikal angeordneten Produktionsstufen angesiedelt ist und die Differenzierung der Stufen über das Kriterium der technologischen Separierbarkeil erfolgt. Interaktionen auf der Ebene nicht-separierbarer Aktivitäten stellen demzufolge eine black-box dar, die offensichtlich alleine hierarchisch organisiert werden können. Horizontale Interaktionen, fiir die weder das Kriterium technologischer Separierbarkeil noch das aufeinanderfolgender Produktionsstufen zutreffen dürfte, werden demnach aus der Betrachtung ausgeschlossen, genauso aber auch nicht-sep1rierbare vertikale Interaktionen zwischen Akteuren. Einen umfassenderen Ansatzpunkt fiir eine Analyse von Institutionen würde m.E. der Begriff der Interaktion von Individuen implizieren. Verträge werden grundsätzlich zwischen Wirtschaftssubjekten geschlossen und nicht, wie die Williamsonsche Definition nahelegt, zwischen Aktivitäten. 11 8 Einen

116 Vgl. Williamson ( 1985), S. 1. 117 Diese Form nennt Williamson aufgrundder multidivisionalen Struktw- M-Form;

vgl. Wil/iamson (1985), S. 279ff.

118 Williamson rechtfertigt dies mit der Begründung, auf den einzelnen Stufen des Produktionsprozesses stundenjeweils Individuen, die sich verständigen müssen. 7 Domrös

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ill. Die vertikale Perspektive: Von der Tausch- zur Vertragstheorie

solchen Ansatzpunkt hatte bereits Commons gewählt, der den Begriff der Transaktion als die zentrale Untersuchungseinheit der Institutionenökonomik eingefiihrt hatte und auf den sich Williamson bei der Entwicklung seines Ansatzes explizit bezieht. Für diesen bestand, wie bereits oben erwähnt, eine Transaktion in der Interaktion von Wirtschaftssubjekten, und institutionelle Arrangements wurden mit dem Ziel etabliert, die Stabilität von Interaktionen zu gewährleisten. Eine allgemeinere Institutionenanalyse ist demnach möglich, und Ansätze dazu sollen im folgenden Kapitel diskutiert werden.

IV. Die Integration der horizontalen Perspektive als vertragstheoretisches Problem Es ist die These dieses Kapitels, daß das für die Transaktionskostentheorie von Williamson konstatierte Defizit bei der Erklärung horizontaler Interaktionen überwunden werden kann, wenn erstens das Untersuchungsobjekt der Transaktion durch das Untersuchungsobjekt der Interaktion ersetzt wird und zweitens für die Erklärung institutioneller Arrangements zwischen Individuen das Konzept der Quasi-Rente verwendet wird. Zu diesem Zweck werden Überlegungen diskutiert, die Armen A. Alchian seit Anfang der siebziger Jahre zusammen mit verschiedenen Co-Autoren veröffentlicht hat. Seine 1972 mit Harold Demsetz geübte Kritik am transaktionskostentheoretischen Problemaufriß von Coase setzt im Prinzip an dem gleichen Problern an wie ungefahr zeitgleich Williarnson. Sowohl Alchian!Dernsetz als auch Williamson erklären Institutionen als Auswege aus Situationen, deren Eigenschaften in der Spieltheorie mit dem Begriff des Gefangenendilemmas belegt werden. 1 Beide Ansätze thematisieren das Problem, daß potentiell produktive Interaktionen unter den Bedingungen reinen Markttausches instabil sind, d.h. von vomeherein nicht zustande kommen oder abgebrochen werden, weil die Interaktionspartner ihren individuellen Nutzen maximieren. Die individuelle Nutzenmaximierung ist unter diesen Bedingungen zwar individuell, nicht aber auch kollektiv rational. Die Wirtschaftssubjekte könnten ihren individuellen Nutzen noch vergrößern, wenn sie ihre Handlungen koordinieren würden oder anders ausgedrückt: durch institutionelle Regelungen ihren individuellen Handlungsspielraum restringieren, um das individuelle Verhalten so zu kanalisieren, daß daraus für alle beteiligten Wirtschaftssubjekte eine Nutzensteigerung resultiert. Daß Institutionen Instrumente zur Bewältigung von Abhtingfgkeiten zwischen Wirtschaftssubjekten darstellen, hatte im Ansatz von Coase noch

1 DarstellWlgen des Gefangenendilemmas sind in der ökonomischen Literatur Legion; vgl. z.B. Rapoport ( 1987), S. 973fT.

100

IV. Integration der horizontalen Perspektive

keine systematische Bedeutung, während sowohl Williamson als auch Alchian/Demsetz dies in das Zentrum ihres Governance-Ansatzes bzw. Measurement-Ansatzes stellen. Für Williamson wurde dies bereits im vorangegangenen Kapitel dargestellt, die Überlegungen von Alchian werden in diesem Kapitel diskutiert. Zunächst wird gezeigt, warum zumindest der explorative Beitrag von Alchian/Demsetz nicht hinreichend in der Lage ist, institutionelle Arrangements fiir horizontale Interaktionen zu erklären2 . Die Überlegungen, die Alchian seit 1978 zu seiner Koalitionstheorie entwickelt hat, gehen dieses Defizit an. In der Literatur wurde dieser Ansatz m.W. bisher jedoch kaum fiir die Erklärung horizontaler Kooperationen und die wettbewerbspolitische Beurteilung derselben verwertet. Während vertikale Kooperation in der von Williamson inspirierten Literatur mit Effizienzsteigerung erklärt wird, findet die Analyse horizontaler Kooperation - genauso wie in der traditionellen Industrial OrganizationLiteratur - vornehmlich im Rahmen der Kartelltheorie statt. Alchian spricht deshalb von der letzten Bastion der sogenannten "inhospitability tradition". 3 Es ist zu zeigen, daß sich fiir horizontale Interaktion prinzipiell genauso eine Trade-off-Situation zwischen Produktivität und Abhängigkeit ergeben kann, wie dies fiir vertikale Interaktion in der Transaktionskostenökonomik abgeleitet wird. Vertragsphänomene in horizontaler Richtung können daher in ähnlicher Weise als effiziente Absicherungsformen der gegenseitigen Abhängigkeit der Vertragspartner interpretiert werden. Allgemein ist zu zeigen, welche Determinanten Transaktions- und Produktionskosten zugrundeliegen und wie diese auf die Wahl des institutionellen Arrangements wirken. Dabei ist insbesondere zu untersuchen, welche Bedeutung traditionellen Produktionskostenargumenten fiir das Ausmaß an horizontaler Kooperation zukommt, wie sie auch in transaktionskostentheoretisch orientierter Literatur

2 Vgl. die Kritik bei Holmstr(Jm (1982), Zitiert in Tirole (1988), S. 45, Holmstrom!Tirole (1989), S. 66ti undLanglois (1984). 3 Der Begrifffmdet sich schon bei Wi/liamson ( 1985), S. 201. Vgl. Alchian (1991), S. 232f. undJorde/Jeece (1989), S. 13.

101

A. Teamproduktion Wld die UnternehrnWlg als Markt

zu finden ist. 4 Economies of scale bzw. Economies of scope und Risikodiversifizierung können zwar notwendige Bedingungen für die Vorteilhaftigkeit einer Koordination darstellen, sie sind aber keine hinreichenden Bedingungen fiir eine Integrationslösung. Vielmehr lassen sie sich prinzipiell, das heißt ohne Berücksichtigung von Transaktionskosten, mit verschiedenen institutionellen Arrangements im Kontinuum zwischen Markttausch und Integration nutzen.

A. Teamproduktion und die Unternehmung als Markt Alchian und Demsetz haben 1972 einen Ansatz geliefert, mit dem sie die Existenz von Unternehmen auf der Grundlage von Informationskosten zu erklären versuchten.5 Weil sie dabei ein horizontales Interaktionsproblem zugrundelegten, ist ihr Ansatz fiir diese Arbeit von Interesse und wird daher im folgenden untersucht. Alchian/Demsatz gehen von der Überlegung aus, daß durch eine Koordination von Ressourcen, oder anders ausgedrückt: eine Ressourcenzusammenlegung, ein größeres Produktionsergebnis erzielt werden kann als durch den isolierten Einsatz dieser Faktoren in der Produktion. In kostentheoretischer Perspektive bedeutet dies, daß bei Zusammenlegung der Ressourcen eine Einsparung erzielt wird und damit die Produktionskosten geringer sind als bei getrennter Produktion. In der Literatur wird dafiir auch der Begriff der Subadditivität verwendet. 6 Folglich hängt bei dem gemeinsamen Einsatz der Faktoren die Grenzproduktivität des einen Faktors von dem Niveau des anderen Faktoreinsatzes ab bzw. die erste Kreuzableitung der Produktionsfunktion ist ungleich Null. 7

4 Vgl. z.B. Reve (1990).

5 Nachdem eine auf vertraglichen BeziehWlgen basierende Theorie der UnternehmWlg ansatzweise bereits 1937 von Coase formuliert worden war, gehören Alchian!Demsetz zu den ersten Autoren, die einen solchen Ansatz wieder aufgenommen haben; vgl. Moe (1984), S. 750. 6

Zum

Verhältnis

von

Baumol!Panzar/Willig (1982). 7

Subadditivität

Vgl. Alchian!Demsetz (1972), S. 779.

Wld

Economies

of scale

vgl.

102

IV. Integration der horizontalen Perspektive

Damit resultiert aus der unterstellten Team-Produktionsfunktion eine gegenseitige Abhdngigkeit der Ressourceninhaber. Diese Abhängigkeiten werden dann zum Problem, wenn zwei Bedingungen unterstellt werden, die bei vollständiger Information in der neoklassischen Theorie nicht auftreten können. Zum einen wird nun angenommen, daß der Einsatz der Ressourcen von den Anreizen der Ressourceninhaber abhängt, so daß die Grenzproduktivität von der Art und Höhe der Entlohnung abhängig ist8 und nicht, wie in der neoklassischen Produktionstheorie üblich, die Entlohnung von der Grenzproduktivität.9 Zum anderen argumentieren Alchian!Demsetz, daß sowohl der Input als auch der Output eines Faktors nicht immer beobachtbar ist, während in der neoklassischen Produktionstheorie implizit angenommen wird, daß der Input nach Qualität und Menge und der Output nach seiner Grenzproduktivität kostenfrei ermittelt werden kann.l 0 Das in der Folge entstehende Problem verdeutlichen sie an einem einfachen, aber instruktiven Beispiel. Zwei Personen, die einen Gegenstand tragen, ist es kaum möglich, ihren geleisteten Einsatz (Input) gegenseitig zu beurteilen und auch nicht, den Output den Faktoren grenzproduktivitätsgerecht zuzurechnen. Diese Situation fuhrt dazu, daß jeder Faktoreinsatz zur Produktion eines öffentlichen Gutes fuhrt, welches von allen Teammitgliedern gemeinsam genutzt wird. Ein Faktor produziert einen positiven externen Effekt 11 , denn die anderen Faktoren partizipieren kostenlos an der Steigerung des Produktionsergebnisses. Es besteht deshalb fur jeden Faktorbesitzer der Anreiz, seinen Faktoreinsatz zurückzuhalten. Da dies aber alle Faktorbesitzer

8 In späteren VeröffentlichWlgen verwendet Alchian den Begriff der Plastizität fi1r die Fälle, in denen der Einsatz einer Ressource zurückgehalten werden kann. Ein Beispiel daftlr ist ein Forscher, der willentlich (bessere) Forschm1gsleistungen zurückhalten kann, ein Beispiel dagegen ist ein Gnmdstück. 9 Vgl. Alchian!Demsetz (1972), S. 778f. 10 Vgl. Alchian!Demsetz (1972), S. 778. 11 Zum Zusammenhang von externen Effekten Wld öffentlichen Gütern vgl. Bonus (1980).

A. Teamproduktion Wld die UnternelunWlg als Markt

103

tun werden, kommt eine gegenüber dem isolierten Faktoreinsatz produktive

Team-Produktion nicht zustande.l2

Man kann es auch so ausdrücken, daß die produktiven Möglichkeiten der Ressourcenzusammenlegung nicht genutzt werden, weil die Ressourceninhaber wegen dabei entstehender Abhängigkeiten damit rechnen müssen, ihres produktiven Beitrages beraubt zu werden. Es gibt einen Zielkonflikt zwischen Produktivität und Abhängigkeit, der nach Meinung der Autoren folgendermaßen institutionell bewältigt werden kann.

Das Nichtzustandekommen der Team-Produktion liegt in den Kosten begründet, die für die Messung der Grenzproduktivittit jedes Faktors anfallen. Diese Kosten können als Transaktionskosten interpretiert werden, weil sie von der Art des institutionellen Arrangements abhängig sind. 13 Jedes Teammitglied, das diese Kosten tragen wollte, würde damit gleichfalls ein öffentliches Gut für das Team produzieren. Dazu besteht jedoch kein Anreiz. 14 Erst mit der Privatisierung des Meßerfo/gs in der Hand eines Monitors ist ein solcher Anreiz gegeben. Der Monitor zahlt Kontrakteinkommen an die Teammitglieder und hat als "residual claimant" Anspruch auf den Teamgewinn. Die Höhe des Teamgewinns steuert er mit der Zusammensetzung des Teams und der Festlegung der Vertragsbedingungen. Nach Alchian/Demsetz (1972) ist dies die Situation der modernen kapitalistischen Unternehmung. 1S Mit der vorgestellten Erklärung versuchten die beiden Autoren, den auf Transaktionskosten basierenden Ansatz von Coase (1937) zu kritisieren. Dieser hatte die Unternehmung als hierarchische Institution eingeführt, in der - im Unterschied zu der auf Preissignalen basierenden Koordination der Ressourcen auf Märkten - die Koordination der Ressourcen mithilfe von

12 Vgl. 0/son (1985).

13 Langlois interpretiert diese Kosten als Transaktionskosten, im Widerspruch zu Alchian/Demsetz, die den Transaktionskostenansatz von Coase ablehnen; vgl.lAnglois (1984), S. 27. 14 Die BereitstellWlg öffentlicher Güter ist allerdings in einem solchen Umfang zu erwarten, wie der Grenznutzen aus dem Konsum des Gutes die Grenzkosten aus der BereitstellWlg deckt. Wenn dieser Fall empirisch überhaupt von BedeutWlg ist, so ist der Umfang der BereitstellWlg auf jeden Fall suboptimaL 15 Vgl.

Alchian/Demsetz (1972), S. 783.

104

IV. Integration der horizontalen Perspektive

Weisungen erfolgt. Sie betonten hingegen, innerhalb von Unternehmen gebe es keine von Marktbeziehungen abweichenden Austauschverhältnisse, vielmehr seien Unternehmen als ein Zusammenhang kurzfristiger bilateraler Verträge zwischen den Ressourceneignern und dem Monitor zu interpretieren:16 "The firm does not own all its inputs. It has no fiat, no authority, no discipliruuy action any different in the slightest degree from ordinary market contracting between any two people." 17 Der skizzierte Ansatz wurde jedoch als allgemeine Erklärung fiir die Existenz von Unternehmen aus mehreren Gründen als unzureichend zurückgewiesen. 18 Zum ersten existierten auch außerhalb von Unternehmensgrenzen Systeme bilateraler Verträge von Ressourcenbesitzern mit einem zentralen Agenten. Die entscheidende Eigenschaft, die Markt und Unternehmung unterscheiden, liege demnach wohl eher in der Ressourcenzusammenlegung zur Organisation einer Teamproduktion. Zweitens zeichne sich die Realität moderner Unternehmen selten dadurch aus, daß residual claimant und Monitor in einer Person vereinigt sind. Bei einer Trennung von Eigentum und Management sei dies z.B. nicht der Fall. Die Erklärung sei also allenfalls auf einen kleinen Ausschnitt des Untersuchungsobjektes anwendbar. Drittens erfülle nur ein sehr kleiner Teil derbeobachtbaren Unternehmen die Voraussetzung einer Teamproduktionsfunktion. Es gebe sehr viel mehr Fälle interner Organisation als es auf der Basis technologischer NichtSeparierbarkeilen erklärbar sei.

An dieser Stelle ist der Zusammenhang zwischen dem hier behandelten und dem Ansatz von Williamson zu betonen. Williamson klammert technologisch nicht-separierbare Aktivitäten durch die Wahl des Transaktionkostenbegriffs

16 Alchian hat seine strikte Position bereits 1978 aufgegeben und betont nun die Kompatibilität beider Erklänmgsansätze. Vgl. Klein/Crawford!Aichian (1978) und Alchian (1991), S. 233. 17 Alchian/Demsetz ( 1972 ), S. 777. 18 Zum folgenden vgl. z.B. Holmstrom.il'irole (1989), S. 68f., Langlais (1984) und Vanberg (1992).

B. Die Koalitionstheorie von Alchian

105

als ''black box" aus seiner Analyse aus und setzt an der Schnittstelle zwischen technologisch separierbaren Aktivitäten an, über die hinweg Transaktionen stattfinden. Während Alchian/Demsetz zu erklären versuchen, warum die "black box" technologisch nicht-separierbarer Aktivitäten innerhalb einer Unternehmung abgewickelt wird, scheint dies fiir Williamson unstrittig. Er erkennt damit zumindest das Ergebnis der Analyse von Alchian/Demsetz an, jedoch nicht ihren Anspruch, eine umfassende Erklärung von Unternehmen zu liefem. 19 Viertens wurde kritisiert, horizontale Integration könne im Ansatz nur mit positiven Skalenerträgen des Monitorlog erklärt werden. Diese Eigenschaft könne fiir Überwachungsfunktionen jedoch nicht überzeugend begründet werden, sei doch vielmehr Überschaubarkeil und Nähe zum Geschehen eine wesentliche Voraussetzung fiir wirkungsvolles Monitoring. Fünftens schließlich wurde eingewendet, die Funktion des Monitorlog müsse nicht unbedingt innerhalb von Unternehmensgrenzen eingebunden sein. Denkbar sei z.B. auch die Überwachung durch einen externen Akteur, der einen anreizkompatiblen Überwachungsvertrag mit selbständigen Ressourceninhabern schließt, deren Entlohnung ebenfalls vertraglich geregelt ist. Eine Analyse hybrider Organisationsformen zwischen Markt und Unternehmung zur Lösung des Problems - wie sie eine horizontale Kooperation zwischen den Teammitgliedern darstellen würde - fehlt. Denn aus der Ineffizienz marktlieber Koordination schließen sie direkt auf die Effizienz interner Koordination in einer Unternehmung.

B. Die Koalitionstheorie von Alchian Alchian hat ab dem Jahr 1978 mit seiner Koalitionstheorie einen Ansatz entwickelt, der das Problem der gegenseitigen Abhängigkeit von Ressourcen in den Mittelpunkt institutionenökonomischer Überlegungen stellt und m.E.

19 Williamson ordnet den Ansatz von Alchian/Demsetz der Measurement-Richtung der Transaktionkostenökonomik zu, während er selbst sich zum Govemance-Ansatz rechnet. Beide Ansätze hält er ftlr bedeutsam und kompatibel. Vgl. Williamson (1985), s. 29.

106

N. futegration der horizontalen Perspektive

auf eine größere Menge von Problemen angewendet werden kann als der Ansatz von Williarnson. Er ist daher Gegenstand des folgenden Abschnitts. Wie schon in seinem mit Demsetz 1972 veröffentlichten Artikel nimmt Alchian auch in seinen neueren Überlegungen2 Coase zum Ausgangspunkt. Während er dort Coase jedoch noch heftig widersprochen hatte, versteht er seinen Ansatz nun als eine Ergänzung zu dessen transaktionskostenökonomischen Überlegungen.

°

Coase hatte die Vorteilhaftigkeil einer hierarchischen Einbindung von Ressourcen damit begründet, daß im Vergleich zur Marktlösung Such- und Informationskosten sowie Vertragsverhandlungs-, Vertragsabschluß- und Vertragsanpassungskosten reduziert würden. 21 Gegen diese Begründung muß m.E. aber eingewendet werden, daß die genannten Kostenkategorien allein die Notwendigkeit einer institutionellen Regelung nicht hinreichend begründen. Denn wäre die Erhaltung einer vertraglichen Beziehung für alle Vertragspartner zu jedem Zeitpunkt von Vorteil, würde sie auch spontan entstehen und langfristig existieren können, selbst wenn diese Kosten entstehen würden. Für eine produktive langfristige Bindung wäre ein institutionelles Arrangement dann unnötig. Ein Beispiel ist die langwährende freundschaftliche Beziehung zweier sich gegenseitig ergänzender Partner, die niemals einen langfristigen Vertrag schließen brauchen, weil die Weiterführung für beide zu jedem Zeitpunkt vorteilhafter ist als der Abbruch der Beziehung. Die langfristige Beziehung beruht dann lediglich auf einer langwährenden Serie spontaner Markttransaktionen. 22 Ähnlich wie Williamson hält Alchian daher gegenseitige Abhängigkeiten von Ressourcen für die entscheidende Ursache institutioneller Regelungen. Auch er verwendet den Begriff der Spezijität, um das Ausmaß der Abhängigkeit zwischen Ressourcenbesitzern zu bezeichnen. Dabei kann die Spezifität

20 Der sprachlichen Einfachheit halber wird nur von Alchians Ansatz gesprochen, obwohl er diesen in der Folge mit verschiedenen Co-Autoren veröffentlicht hat. Die vorliegenden Ausftlhrungen beziehen sich auf Klein!Crawford/Aichian ( 1978), Alchian (1984), Alchian (1987), Alchian/Woodward (1987), Alchian/Woodward (1988) und Alchian ( 1991 ).

21 Vgl. Schumann (1992), S. 435. 22 Alchian/Woodward (1987), S. 118: "a long Iasting series of spot exchanges, whether or not continously balancing, differs from a long-term contract. •

B. Die Koalitionstheorie von Alchian

107

grundsätzlich in bezug auf die Interaktion mit einem einzelnen Ressourcenbesitzer oder einer Menge von Ressourcenbesitzern existieren. Um den Grad an Spezifität deutlicher zu fassen, greift Alchian jedoch zusätzlich auf das Konzept der Quasi-Rente zurück, wie es bereits von Marshall entwickelt wurde. Allerdings hatte dieser die institutionenökonomische Tragweite des Konzepts noch nicht erkannt. 23 Als Quasi-Rente bezeichnet Alchian danach den Überschuß der Entlohnung, den eine Ressource über ihren Schrottwert hinaus erzielt. Der potentiell appropriierbare Teil der Quasi-Rente ist die Differenz zwischen der Entlohnung einer Ressource und ihrer Entlohnung in der nächstbesten Verwendung. Diese Differenzierung ist kritisiert worden, weil es unsystematisch und zumindest umständlich sei, mit zwei Opportunitäten, d.h. dem Wert der nächstbesten Verwendung und dem Schrottwert, gleichzeitig zu arbeiten.24 Es wird m.E. allerdings verständlich, warum Alchian mehr als eine Opportunität berücksichtigt, wenn folgendermaßen argumentiert wird. Wird der ursprünglich vereinbarte Vertrag nicht eingehalten, ergibt sich für eine spezifische Ressource wiederum eine beste und eine zweitbeste Verwendung. Die nun beste Alternative war in der Situation nach erfolgter Investition die zweitbeste. Die nun zweitbeste Alternative wird bei einem (weiteren) Vertragsbruch bzw. Nichtzustandekommen eines Vertrages zur besten Alternative. Es entsteht ein Regreß, der erst beim Schrottwert der Ressource endet. Für die völlig unspezifische Ressource Schrott gelten die Bedingungen vollständiger Konkurrenz, und das bedeutet, daß ein weiterer Vertragsbruch keine Auswirkung mehr auf die Höhe der Entlohnung hat. Vielleicht schwebte Marshall und in der Folge auch Alchian dieses QuasiRenten-Konzept vor, bei dem als Bezugspunkt ein von der Interaktion mit einem bestimmten Vertragspartner unabhängiger Wert fungiert. Dies ist der Schrottwert der Ressource.

23 Vgl. den expliziten Verweis auf Marshall ( 1890) bei Alchian!Woodward ( 1987), S. 113. Marshall verwendete den Begriff der Quasi-Rente für produzierte Ressourcen, also nicht für den Faktor Boden, für den traditionell der Begriff der Rente verwendet wird. Allerdings ist das der Bodenrente zugrundeliegende ökonomische Problem identisch mit dem der Quasi-Rente, die folgende Argumentation mit Quasi-Renten gilt also auch für den Faktor Boden.

24 Vgl. Pies (1993), S. 230.

108

IV. Integration der horizontalen Perspektive

Nun könnte man argumentieren, eine (zweitbeste) Alternative, die eventuell gefährdet und damit unsicher ist, stelle überhaupt keine Alternative dar und sei damit fiir die Höhe der Quasi-Rente irrelevant. Dann aber stellt man an die zweitbeste Alternative höhere Anforderungen als an die beste Alternative. Denn deren Realisierung wird ja gerade auch als unsicher betrachtet. Die Problematik einer unsicheren zweitbesten Alternative entsteht dann nicht, wenn unterstellt wird, daß der Transaktionspartner zwar noch zu den vereinbarten Konditionen an der Transaktion interessiert ist, die Quasi-Rente aber aus strategischen Gründen zu erpressen versucht, weil er sich damit verbessern kann. Dann stellt die Abwanderungsmöglichkeit zur zweitbesten Alternative eine glaubwürdige Drohung dar, und der Investor kann mindestens eine Entlohnung durchsetzen, die dem Wert der zweitbesten Alternative entspricht. Dies ist m.E. die üblicherweise in der Literatur unterstellte Situation. Wenn nun aber der Transaktionspartner an einer Transaktion nicht mehr interessiert ist, weil sich seine Restriktionen2s geändert haben, so ergibt sich fiir den Investor die oben skizziert Veränderung. Die in der Ausgangssituation zweitbeste Alternative wird nun zur besten Alternative, und die vorher irrelevante, weil drittbeste "Alternative" wird nun zur zweitbesten Alternative. Ein weiterer Aspekt des Alchianschen Konzepts der Quasi-Rente betriffi: den Vergleich zur Dimension der Spezifität in der Transaktionskosteuökonomik von Williamson. Letzterer braucht, wie oben ausgefiihrt, zusätzlich die Dimension der Häufigkeit, um Transaktionen zu klassifizieren. Meiner Interpretation nach geht diese Dimension in der Dimension der Quasi-Rente auf und ist daher in Alchians Konzept überflüssig. Die folgende Argumentation soll diese These verdeutlichen. 26 Auf die Kontrollnotwendigkeiten von Transaktionen mit spezifischen Ressourcen sind spezialisierte Koordinationsstrukturen besser eingestellt als nicht spezialisierte. Allerdings sind spezialisierte Strukturen kostspieliger als

2S Diese Möglichkeit folgt aus der fundamentalen Annalune der Unsicherheit. 26 Den Begriff der Quasi-Rente verwendet Williarnson nicht in seinem Konzept. Er weist nur darauf hin, daß Marshall damit einen ahnliehen Sachverhalt meint, wie er ihn mit Spezifität bezeichnet und darauf, daß der Begriff von Alchian u.a . verwendet wird. Vgl. Williamson (1985), S. 52 und 56, Fußnote 13.

B. Die Koalitionstheorie von Alchian

109

nicht spezialisierte, und daher hängt es von ihrem Auslastungsgrad ab, ob sich die Investition in spezialisierte Koordinationsstrukturen lohnt. Williamson stellt in seiner Argumentation eine explizite Analogie zu der Problematik von Investitionen in spezialisierte Produktionsverfahren her, die bei genügend großem Output eine Senkung der Durchschnittskosten ermöglichen. Je häufiger eine Transaktion durchgefiihrt wird oder je länger eine Interaktion andauert, desto größer ist c.p. die Quasi-Rente27 und desto eher lohnt sich daher der Ressourcenaufwand einer Investition in ein spezialisiertes institutionelles Arrangement, welches vor einer Beraubung der Quasi-Rente schützt. Es reicht demnach aus, allein die Differenz zwischen dem erzielbaren Nutzen in Form abgesicherter Quasi-Renten und den Kosten fiir die Errichtung und den Betrieb von Koordinationsstrukturen zu betrachten, um die Effizienz verschiedener institutioneller Arrangements zur Absicherung eines bestimmten Spezifitätsgrades zu vergleichen. Alchian benötigt also nur eine, Williamson aber zwei Dimensionen fiir den gleichen Sachverhalt. Eine Koalition ist ein institutionelles Arrangement zwischen Ressourceninhabern, das eine Beschränkung und Kontrolle des Verhaltens der Koalitionsmitglieder sicherstellt. Eine Koalition liegt noch nicht vor, wenn allein eine gegenseitige Abhängigkeit von Ressourceninhabern existiert. Vielmehr konstituiert erst die institutionelle Regelung eines Abhängigkeitsverhältnisses eine Koalition.28 Die produktive Wirkung einer Koalition kann zum einen darauf beruhen, daß unter den Koalitionsmitgliedern unterschiedliche Ressourcen ausgetauscht oder von ihnen unterschiedliche Aktivitäten durchgefiihrt werden, die Elemente eines bestimmten Produktionsprozesses darstellen. Die produktive Wirkung beruht dann auf einer Spezialisierung der Wirtschaftssubjekte, zu der diese nur innerhalb des institutionellen Arrangements der Koalition bereit sind. Dies kann als eine vertikale Koalition bezeichnet werden. Zum anderen können die Ressourceninhaber ihre Ressourcen fiir die Durchführung einer Aktivität eines Produktionsprozesses zusammenlegen und damit - bei

Die Quasi-Rente hat hierbei selbstverstandlieh nicht die Dimension "pro Periode", sondern sie bezieht sich auf die gesamte Dauer der Vertragsbeziehung. 27

28

Vgl. Alchian (1984), S. 37.

110

IV. Integration der horizontalen Perspektive

Vorliegen einer Teamproduktionsfunktion29 - einen größeren Output erzielen, als wenn sie ihre Ressourcen separiert in dieser Aktivität einsetzen. In diesem Fall kann von einer horizontalen Koalition gesprochen werden. Durch vertikale und horizontale Interaktion kann folglich eine Koalitionsrente erwirtschaftet werden, die den Ertrag des Ressourceneinsatzes innerhalb der Koalition über den außerhalb der Koalition erzielbaren Ertrag hinaus bezeichnet. Damit stellt die Koalitionsrente die Summe aller von den beteiligten Ressourceninhabern erzielten koalitionsspezifischen Quasi-Renten dar. Das Ziel der Koalitionsbildung besteht in der Maximierung solcher koalitionsspezifischen Quasi -Renten. Der produktiven Wirkung der Koalitionsbildung stehen jedoch die Kosten ihrer Institutionalisierung gegenüber. Diese bestehen in der Suche der für die Erreichung des Koalitionsziels geeigneten Mitglieder und in den Kosten für die vertragliche Regelung. Weil die Suche geeigneter Mitglieder unter den Bedingungen von Unsicherheit Informationskosten verursacht und eine Imitation des Koalitionserfolgs durch Konkurrenten daher kostspielig ist, beruht die Produktivität der Koalition auch auf der gegenseitigen Kenntnis der Koalitionspartner. Der Wert der Koalition besteht dann in der Vermeidung zukünftiger Informationsund Vertragskosten. Es sind zwei mögliche Verhaltensweisen der einzelnen Koalitionsmitglieder zu unterscheiden. Zum einen ein kooperatives Verhalten, das auf die Maximierung der Koalitionsrente ausgerichtet ist, und zum anderen ein kompetitives Verhalten, das auf die Maximierung des individuellen Anteils eines Koalitionsmitglieds am Koalitionswert ausgerichtet ist. Das institutionenökonomische Problem der Koalition besteht darin, das Verhalten der Koalitionsmitglieder so zu kanalisieren, daß je nach Zweckmäßigkeit kooperatives oder kompetitives Verhalten resultiert. Im ökonomischen Verhaltensmodell, das an der Maximierung ihres eigenen Nutzens orientierte Wirtschaftssubjekte annimmt, ist deren Verhalten der Intention

29

Vgl die Ausfilhrungen oben zu Alchian/Demsetz ( 1972 ).

B. Die Koalitionstheorie von Alchian

lll

nach grundsätzlich auf die Maximierung des eigenen Anteils30 an der Koalitionsrente ausgerichtet wtd damit kompetitiv. Kooperation kann darin nicht Ergebnis einer Änderung der Zielfunktion von Individuen sein, sondern ist alleine erreichbar, wenn eine Änderung der Restriktionen erfolgt. Anders ausgedrückt: Kooperatives Verhalten ist kein Input der ökonomischen Entscheidwtgssituation, sondern ein durch angemessene Setzwtg der Rahmenbedingungen bewirkter Output. Die koalitionsspezifische Quasi-Rente, an deren Maximierung alle Koalitionsmitglieder interessiert sind, stellt das Drohpotential zwischen den Koalitionsmitgliedern dar. Einerseits kann ein einzelnes Koalitionsmitglied einen größeren als den vereinbarten Anteil am Koalitionsergebnis erpressen, indem es mit demAustritt aus der Koalition droht. Andererseits kann es möglicherweise seine eigene Leistung fur die anderen Koalitionsmitglieder unbemerkbar zurückhalten und damit die gesamte QuasiRente reduzieren. Ressourcen, fur die dieses möglich ist, werden von Alchian als plastisch bezeichnet. In der Terminologie von Alchian!Demsetz (1972) handelt es sich hierbei um die Möglichkeit des shirking bei Fehlen eines Monitors. Die Koalitionsrente stellt ein öffentliches Gut dar, dessen Nutzung auch ohne Beteiligung an der Bereitstellung des Gutes möglich ist. Wegen der beschriebenen Bedrohung der Koalitionsrente durch kompetitives Verhalten der Koalitionsmitglieder werden Ressourceninhaber nur dann zu einem Eintritt in die Koalition bereit sein, wenn eine geeignete institutionelle Regelung existiert, die die gegenseitige Beraubung der Quasi-Renten wtattraktiv macht. Eine solche Regelung muß gewährleisten, daß sowohl der Verbleib in der Koalition als auch die Erfullung der zugesagten Leistungsabgabe fur die Ressourceninhaber das den individuellen Nutzen maximierende Verhalten darstellt. Bei einer Ressource, deren Entlohnung keine Quasi-Rente enthält, wäre eine institutionelle Regelung über die Bedingungen des Markttausches hinaus selbst bei Unsicherheit ineffizient, weil Investitionen in spezielle Koordinationsstrukturen dann unnötig sind. Erwirtschaftet eine Ressource hingegen

30 Das Wirtschaftssubjekt ist dabei selbstverständlich an dem absoluten Ertrag aus der Koalition interessiert, nicht aber an dem - in bezug auf die anderen Koalitionsmitglieder-relativen Ertrag.

112

IV. Integration der horizontalen Perspektive

eine Quasi-Rente, so wird sie in eine speziellere vertragliche Beziehung mit der Ressource oder dem Bündel von Ressourcen eingebunden werden, in bezug auf die sie spezifisch ist. Je höher der Anteil der Quasi-Rente an der gesamten Entlohnung, desto stärker ist die Abhängigkeit und damit der Absicherungsbedarf, und umso eher lohnen sich Investitionen in spezifische Absicherungsformen. Die gegenseitige Bindung der Ressourcen nimmt also mit der gegenseitigen Abhängigkeit zu. Besteht die Entlohnung zu einem sehr großen Anteil oder ausschließlich aus Quasi-Rente, ist also eine Ressource praktisch vollkommen spezifisch, so wird eine Integration der voneinander abhängigen Ressourcen zu beobachten sein. Das Ausmaß koalitionsspezifischer Quasi-Renten ist demnach in Alchians Konzept die Ursache fiir das Ausmaß der institutionellen Einbindung in den Nexus von Verträgen, den er Koalition nennt. Die Hypothese von Williamson, wonach eine Ressource c. p. umso stärker integriert wird, je höher der Grad ihrer Spezifität ist, kann hier als Spezialfall interpretiert werden. Allerdings ist es in Alchians Ansatz möglich, eine größere Menge empirischer Phänomene zu erfassen. Damit werden die Beiträge, die Williamson zur Erklärung insbesondere der vertikalen Integration geleistet hat, nicht bedeutungslos, sondern es wird vielmehr die These vertreten, daß er die Leistungsfähigkeit seines institutionenökonomischen Ansatzes nicht voll ausschöpft. Für diese Arbeit geht es vor allem um eine Erweiterung der Analyse auf Phänomene, denen sich Williamson mit seiner speziellen Definition des Begriffs der Transaktion verschließt. Dies sind technologisch nicht-separierbare Interaktionen zwischen Individuen, für unser Untersuchungsobjekt vor allem horizontaler Kooperationen. Alchian hatte zwar mit einer Analyse vertikaler Vertragsbeziehungen begonnen, sie dann aber als allgemeine Theorie interpretiert und auch horizontale Vertragsbeziehungen analysiert. Als Beispiele seien Vertragsbeziehungen zwischen Clubmitgliedern, Ehepartnern, Vereinen einer Liga und horizontale JointVentures genannt. 31

31 Vgl. z.B. Klein/Crawford/Aichian (1978), S . 322fT. und Alchian/Woodward (1988), S. 76f.

B. Die Koalitionstheorie von Alchian

113

Im Unterschied zu Williamsons Ansatz werden Unsicherheit und begrenzte Rationalität von Alchian nicht als Annahme eingeführt, allerdings sind beide Konzepte inhaltlich auch in seinem Ansatz integriert. Sie können nämlich aus der explizit formulierten Annahme abgeleitet werden, daß Information ein Gut ist, dessen Aneignung mit Kosten verbunden ist. 32 Einer vollkommenen Informiertheil der Wirtschaftssubjekte und damit der Überwindung von Unsicherheit und begrenzter Rationalität steht somit deren begrenzte Ressourcenausstattung entgegen. Unsicherheit und begrenzte Rationalität sind demnach nicht Input - wie dies bei Williamson in der Form einer zusätzlichen Annahme der Fall ist-, sondern Output seines Ansatzes. Im Prinzip genauso verhält es sich mit der Williamsonschen Opportunismusannahme. Auch hier geht Alchian so vor, daß er die Bedingung als Output einer bestimmten Entscheidungssituation ableitet. 33 Opportunismus ist danach kein Element der Präferenzen, sondern resultiert aus den Restriktionen, die die Möglichkeit einer Aneignung von Quasi-Renten beeinhalten. 34 Das Ziel der Wirtschaftssubjekte besteht weiterhin in der Maximierung ihres individuellen Nutzens, aber im Unterschied zu neoklassischen Bedingungen ist bei Existenz spezifischer Ressourcen dazu eine Aneignung von Quasi-Renten auch unter Einsatz von Hinterlist möglich. Somit wird auch Opportunismus in Alchians Ansatz nicht als Input in der Form einer zusätzlichen Annahme, sondern als Output einer bestimmten Entscheidungssituation konzipiert. Für die systematische Bedeutung von Produktionskosten in der Koalitionstheorie kann auf die Überlegungen verwiesen werden, die in diesem Zusammenhang bereits fur das Modell vertikaler Integration angestellt wurden. 35 Bei einer exogen vorgegebenen Größe der Quasi-Rente ist die Gestaltung der Koalitionsbeziehung allein davon abhängig, welche Regelung die Kosten der Interaktion zu minimieren imstande ist. Ein Zielkonflikt zwischen Produktivität und Abhängigkeit entsteht nur bei einer Endogenisierung der Entschei-

32 Vgl. Alchian (1984), S. llOf. 33 Vgl. zu dieser These auch Pies (1993), S. 229. 34 "The particular circwnstance we emphasize as lilcely to produce a serious threat of this type (gemeint ist opportunistisches Verhalten, C.D.) of reneging on contracts is the presence of appropriable specialized quasi rents." Klein!Crowford!Aichian (1978), S. 298. Vgl. auch die Argwnentation zur Opportunismusannahme in Abschnitt ill.C.2.

35 Vgl. Abschnitt D.l. 8 Domrös

114

IV. Integration der horizontalen Perspektive

dung über den Spezifitätsgrad von Investitionen. Erst dann findet eine Abwägung zwischen den Produktionskostenvorteilen der Spezialisierung und den Nachteilen infolge daraus resultierender Quasi-Renten statt. Während dem Coaseschen Problemaufriß noch eine strikte institutionelle Dichotomie von Markt und Unternehmung zugrundelag, sind die jüngeren Beiträge von Williamson und Alchian darauf angelegt, ein stetiges Spektrum von Arrangements zu untersuchen, in dem Markt und Unternehmung lediglich die gedanklichen Extrempositionen darstellen. Ein Produktionsprozeß beruht grundsätzlich auf einer Kombination von Ressourcen. Bei reinen Markttransaktionen wird über deren Nutzung von Fall zu Fall neu entschieden und werden Leistungen zwischen Ressourcenbesitzern ausgetauscht. Für den Fall der Integration geht das Nutzungsrecht vollkommen auf die Unternehmung über. Eine Entscheidung über den Ressourceneinsatz wird nun allein innerhalb der Unternehmung getr:offen und via Anweisung umgesetzt. Die Grenzen zwischen marktlieber und unternehmensinterner Koordination sind bei Betrachtung nur dieser beiden institutionellen Alternativen klar festgelegt, Grenzen von Unternehmen können folglich eindeutig beschrieben werden. Werden nun auch Koordinationsformen zwischen Markt und Hierarchie betrachtet, so führt dies unvermeidlich dazu, daß diese Grenzen verschwimmen.36 Die Ressourcenbesitzer schränken dann vertraglich ihren zukünftigen Handlungsspielraum ein und binden sich damit aneinander. Eine Unternehmung, die mit einem andere" , Ressourcenbesitzer kooperiert, ist in der Verwendung auch der integrierten Ressourcen nicht mehr vollkommen frei. Gleichzeitig hat die Unternehmung Einfluß auf die Verwendung der kooperierenden Ressource. Dies ist umso stärker der Fall, je näher die Kooperation im Markt-Hierarchie-Spektrum an der Integration angesiedelt ist. Während Alchian den fließenden Übergang zwischen den Koordinationsformen betont, scheint die Analyse bei Williamson durch ihre trichotome Analyse eines Markt-Kooperation-Hierarchie-Spektrums eine klare Abgrenzung der Hierarchie bzw. die Festlegung einer eindeutigen Unternehmensgrenze zu ermöglichen. In der Tat hat aber auch Williamson den Anspruch, ein kontinuierliches Spektrum zu untersuchen, und die trichotome Darstellung

36 Vgl. Milgrom/Roberts (1988), S. 456.

B. Die Koalitionstheorie von Alchian

115

stellt lediglich ein heuristisches Verfahren dar. Da der Übergang zur Integration auch in seinem Ansatz kontinuierlich angelegt ist, kann auch er eine eindeutige Unternehmensgrenze nicht mehr bestimmen. 37 In institutionenökonomischer Perspektive stellt dies jedoch kein Problem dar, ist sie doch darauf ausgerichtet, alternativ mtigliche Regelungen zwischen Individuen auf ihre komparative Effizienz bzw. ihre Zweckmtißigkeit zu untersuchen. Die Frage, ob ein bestimmtes institutionelles Arrangement schon als Integration bezeichnet werden kann oder ob es sich noch um eine hybride Form handelt, kann dabei als unerheblich betrachtet werden.

37 Zur Diskussion wn die Problematik der Grenzen von Unternehmen in institutionenökonomischen Ansatzen vgl. z.B. auch Cheung (1983), Eggertson (1990) und Alston/Gillespie ( 1989). s•

V. Eine transaktionskostenökonomische Analyse von Innovationen unter besonderer Berücksichtigung strategischer Allianzen Im folgenden wird diskutiert, wie die Wahl von Institutionen bei der Realisierung von Innovationsprojekten unter Zuhilfenahme der einleitend vorgestellten Charakteristika von Wissen und Innovationsprozeß institutionenökonomisch rekonstruiert werden kann. Dabei wird als Entscheidungssituation zugrundegelegt, daß ein bestimmtes Innovationsprojekt bereits exogen vorgegeben ist, ftir dessen Realisierung die beteiligten Wirtschaftssubjekte die transaktionskostenminimale Koordinationsstruktur wählen. Die Art der Fragestellung weist damit eine Analogie zu der des Williamsonschen Ansatzes auf. Dort wurde ein bestimmter Grad der SpezifiUJt einer Ressource exogen vorgegeben und ftir diesen das die Transaktionskosten minimierende Arrangement bestimmt. Wie schon dort handelt es sich also auch hier um ein beschränktes EntscheidungsmodelL Es wird hier nicht untersucht, ob ein bestimmtes Innovationsprojekt realisiert werden sollte bzw. einen Gewinn erwarten läßt oder welches aus der Menge alternativ möglicher Innovationsprojekte realisiert werden sollte bzw. den höchsten Gewinn erwarten läßt. Für die Begründung dieser Vorgehensweise kann auf die in Abschnitt III.D.l gelieferten Ausführungen zu Williamsons Modell verwiesen werden. Die Konstruktion eines umfassenderen Modells würde Kenntnisse über die absolute Höhe der erwarteten Erträge und der erwarteten Kosten, mithin der Produktions- und der Transaktionskosten, aller Alternativen erfordern. Zumindest eine Abschätzung der absoluten Höhe von Transaktionskosten kann bisher jedoch kaum geleistet werden. Ein auf qualitativen Überlegungen beruhender Institutionenvergleich verschiedener Innovationsprojekte ist ebenfalls nicht möglich, weil dafUr vorausgesetzt werden müßte, daß Erträge und Kosten in bezug auf die Determinanten negativ korreliert sind und sich damit eine auf komparative Kostendifferenzen reduzierte Analyse rechtfer-

A. Erweiterung des transaktionskostenökonomischen Instnunentariwns

117

tigen ließe. 1 Für eine solche Korrelation gibt es jedoch offenkundig keine Begründung. Somit sind strategische Entscheidungen, soweit es sich nicht um die Wahl von Koordinationsstrukturen handelt, nicht Gegenstand der vorliegenden Analyse. Sie werden vielmehr als bereits getroffen vorausgesetzt. Ziel der Analyse ist es demnach, zu erklären, mit Hilfe welcher institutionellen Arrangements die Interaktionen zwischen den an der Realisierung der Innovation beteiligten Wirtschaftssubjekten koordiniert werden. Die Analyse knüpft damit an die in den Kapiteln III und IV diskutierte statische Transaktionskostenökonomik an, geht aber insofern darüber hinaus, als sie die besonderen Bedingungen einbezieht, die sich aus der Annahme von Innovationen bzw. technologischem Wandel ergeben, bzw. einem unterschiedlichen technologischen Stand der Wirtschaftssubjekte.

A. Ansatzpunkte einer Erweiterung des transaktionskostenökonomischen Instrumentariums In einem Unterabschnitt seines 1985er Hauptwerkes schränkt Williarnson den Geltungsbereich seines Ansatzes selbst ein, wenn er betont, daß " the foregoing makes no reference to innovation. Implicitly product and process innovations are unimportant. "2 Leider unternimmt er sowohl in den dann folgenden Ausführungen als auch in späteren Veröffentlichungen keinen systematischen Versuch, technologischen Wandel in seinen Ansatz zu integrieren. Eine Erklärung für diese Beschränkung könnte zum einen darin liegen, daß Williarnson die wettbewerbspolitische Verwendbarkeit seines Ansatzes gefährdet sieht, wenn strategisches Verhalten nicht mehr nur bei der Wahl geeigneter Institutionen zur Absicherung transaktionsspezifischer Abhängigkeiten auftritt, sondern auch zur Sicherung einer Vorsprungssituation und der damit verbundenen Marktmacht einzelner Unternehmen explizite Berücksich1 Bei positiver Korrelation könnte in der Analyse auf eine Berücksichtigung von Erträgen nicht verzichtet werden, da dann die Differenz von Erträgen und Kosten entscheidend wäre. 2 Williamson (1985), S. 141.

118

V. Transaktionskostenökonomische Analyse von hmovationen

tigung findet. Die Wahl institutioneller Arrangements, die aus der Sicht der beteiligten Wirtschaftssubjekte transaktionskostenminimierend sind, würde in diesem Fall nicht mehr unbedingt gleichzeitig auch gesamtwirtschaftlich optimal sein. Denn zumindest wird die wohlfahrtssteigernde Wirkung einer Diffusion von Neuerungswissen verhindert, wenn dieses, durch institutionelle Arrangements abgesichert, allein von den Ionovatoren genutzt werden kann. 3 Der Ansatz verlöre damit einen Teil seiner normativen Implikationen. In seinem Bemühen, die institutionellen Entscheidungen von Unternehmen auf Effizienz- und nicht auf Marktmachtstreben zurückzuführen und damit eine wettbewerbspolitische Anwendbarkeit seines Ansatzes sicherzustellen, bleibt Williamson deshalb in bestimmter Hinsicht der neoklassischen Theorie vollständiger Konkurrenz gegen Theorien der unvollständigen Konkurrenz verbunden. Er betont, daß die von ihm analysierten organisatorischen Entscheidungen vorwiegend in solchen amerikanischen Industrien beobachtet werden konnten, in denen keine beherrschenden Unternehmen oder engen Oligopole existierten und in denen strategisches Verhalten somit unmöglich war. Darüber hinaus hält er strategisches Verhalten für einen allgemein unbedeutenden Aspekt bei der Erklärung der jüngsten US-amerikanischen Wirtschaftsgeschichte.4 Sein Angriff gegen die neoklassische Theorie vollständiger Konkurrenz ist also nicht so umfassend, wie dies in der Literatur häufig unterstellt wird. Er richtet sich vielmehr allein gegen deren Bemühen, effiziente Unternehmensgrenzen (allein) auf der Basis von technologischen Argumenten bzw. Produktionskosten zu erklären. Als wichtiges Element dieses Ansatzes bleibt aber erhalten, daß sich in der Ausgangssituation alle Wirtschaftssubjekte in einer gegenseitigen Konkurrenzsituation befinden und die Identität der Tauschpartner keine Rolle spielt. Erst die DurchfUhrung einer transaktionsspezifischen Investition durch ein Wirtschaftssubjekt bewirkt eine Asymmetrie in den Wettbewerbsbedingungen zwischen ihm und den Konkurrenten und

3 Wird von Anreizwirkungen auf die Generierung von hmovationen abstrahiert, ist

es aus wohlfahrtsökonomischer Sicht optimal, wenn das Neuerungswissen aufgrund seiner Eigenschaft der Nichtrivalität (von Übertragungskosten abgesehen) kostenlos an die anderen Wirtschaftssubjekte weitergegeben wird bzw. diffundiert; vgl. Arrow (1969), S. 616f. Dieser Aspekt wird von Dietl in seinen Überlegungen zu Institutionen und hmovationen übersehen; vgl. Dietl ( 1993 ), S. 181 f. 4 Vgl. Williamson (1985), S. 128.

A. Erweiterung des transaktionskostenökonomischen Instnunentariums

119

damit die fundamentale Transformation der Marktfonn: "... a large-numbers condition at the outset (ex ante competition) is transfonned into a smallnumbers condition during contract execution and at contract renewal intervals (ex post competition)"s, im Extremfall vollständiger Spezifität eine Situation des bilateralen Monopols. Da die in der Ausgangssituation zahlreichen Konkurrenten zudem über identisches produktionstechnisches Wissen verfügen, wie in Abschnitt III.D.2 gezeigt wurde, kann die Wahl institutioneller Arrangements nicht auf Marktmacht beruhen, sondern ist auf Effizienzüberlegungen zurückzuführen. Sie ist demnach nur in dem Sinne strategisch, als durch sie die Quasi-Renten transaktionsspezifischer Investitionen gesichert werden sollen. Strategische Entscheidungen zur Sicherung von Vorsprüngen in den Produktionsmöglichkeiten gegenüber anderen Unternehmen, wie sie durch Innovationen möglich werden, kommen dagegen im Ansatz von Williamson systematisch nicht vor. Zum anderen verschließt sich Williamson möglicherweise einer systematischen Erweiterung seines Ansatzes, weil "the introduction of innovation plainly complicates the earlier-described assignment of transactions to markets and hierarchies based entirely on an examination of their asset specificity qualities"6 Jedoch liefert Williamson in seinem 1985er Werk einen Problemaufriß zur Integration von Innovationen in den transaktionskostenökonomischen Ansatz, der im folgenden Abschnitt diskutiert wird, weil er einen hilfreichen Ausgangspunkt für den weiteren Gedankengang der Arbeit bildet. 1. Williamsons Problemaufriß

Konsequenterweise formuliert Williamson das Entscheidungsproblem allein aus der vertikalen Perspektive: Soll eine hierarchische Einbindung oder eine Marktbeziehung mit einer vor- oder nachgelagerten F&E-Stufe erfolgen oder anders ausgedrückt: soll F&E selber gemacht oder fremdbezogen werden oder eventuell in einer (vertikalen) Kooperationsbeziehung durchgeführt werden?7 Überlegungen, ob F&E-Aktivitäten mithilfe von Vertragsbeziehungen auf der

S Wil/iamson (1985), S. 12.

6 Williamson (1985), S. 143. 7 So auch die begrenzte Problemstellung der Analyse von

(1991).

Schneider/Zieringer

120

V. Transaktionskostenökonomische Analyse von hmovationen

horizontalen Ebene z.B. gemeinsam mit anderen Unternehmen durchgeführt werden sollen, werden nicht angesprochen. Keine Berücksichtigung findet ebenso der Aspekt, daß die Generierung von Innovationen i.d.R. nicht alleine auf der Ebene von F&E-Aktivitäten stattfindet. sondern in einem komplexen Innovationsprozeß erfolgt. Beide Gesichtspunkte werden in den Überlegungen dieses Kapitels auf ihre institutionenökonomischen Implikationen zu untersuchen sein. Als eine zusätzliche Determinante fiir die Institutionenwahl bei Berücksichtigung von Innovationen fiihrt Williamson die Fähigkeit des Innovators ein, sich die Erträge seiner Innovation anzueignen. Dabei unterscheidet er solche Neuerungen, die von anderen Wirtschaftssubjekten leicht zu erkennen und zu imitieren sind von solchen, bei denen eine Aneignung von Innovationsrenten8 durch andere Wirtschaftssubjekte nicht möglich ist. Letzteres kann z.B. durch Patente oder Copyrights bewirkt werden, also durch den institutionellen Rahmen, in dem die Wirtschaftssubjekte agieren. Die systematische Bedeutung, die diesem Argument fiir die Wahl institutioneller Arrangements zukommt, wird allerdings nicht herausgearbeitet. Williamson konzentriert sich statt dessen auf die Bedeutung des Zielkonflikts zwischen marktliehen Anreizen zur Generierung von Innovationen und dem in Marktbeziehungen auftretendenAbhtingigkeitsproblem. Marktliehe Anreize wirken am stärksten auf die Generierung von Innovationen, denn selbständige Ionovatoren tragen das volle Gewinn- und Verlustrisiko. In Hierarchien ist dagegen eine eindeutige Zurechenbarkeit der Innovationsleistung auf einzelne Abteilungen oder Wirtschaftssubjekte oft nicht möglich, und die daraus folgende Aufteilung von Prämien sorgt fiir eine Abschwächung von Anreizen.

8 Die hmovationsrente wird hier definiert als die Differenz zwischen dem Ertrag, den der hmovator bei Durchführung der hmovation erzielt, und dem Ertrag, den er erzielt, wenn er die Ressourcen der nächstbesten Verwendung zuftlhrt. Die hmovationsrente bezieht sich also auf eine bestimmte sachliche Verwendungsrichtung von Ressourcen. Demgegenüber ist die Quasi-Rente in der Neuen Institutionenökonomik auf eine personelle Verwendungsrichtung hin definiert: Sie bezeichnet die Differenz zwischen dem Ertrag, der in der Transaktion mit einem bestimmten Wirtschaftssubjekt erzielt wird, und dem höchsten Ertrag, der in einer Transaktion mit einem anderen Wirtschaftssubjekt erwirtschaftet werden kann.

A. Erweiterung des transaktionskostenökonomischen Instrumentariums

121

In Abbildung 12 werden die Überlegungen Williamsons zusammengefaßt dargestellt. Ist die Fähigkeit des Innovators, sich vor der Imitation zu schützen, schwach ausgeprägt, so ist je nach Spezifitätsgrad die marktliehe (Quadrant 1) bzw. hierarchische Koordination (Quadrant 2) vorteilhaft. Die starken Anreize zur Ausbeutung von Quasi-Renten führen bei hohem Spezifitätsgrad zur Integrationslösung. Wenn eine Imitation aber nicht möglich ist, so entsteht beim Einsatz spezifischer Ressourcen ein Zielkonflikt zwischen der Setzung von Anreizen zur Generierung der Innovation und dem Abhängigkeitsproblem zwischen Ionovator und Abnehmer. Nur fiir diesen Fall (Quadrant 4) kommt Williamson zu einem von den bisherigen Überlegungen differierenden Ergebnis. Die Bedeutung marktlieber Leistungsanreize fiir die Generierung von Innovationen kann die Absicherungserfordernis spezifischer Investitionen überkompensieren, so daß nicht die hierarchische Einbindung der Innovationsaktivität, sondern möglicherweise ein hybrides institutionelles Arrangement sinnvoll wird. 9

Imitation der Innovation möglich

nicht möglich

Wlspezifisch

1 Markt

Markt

vollkommen spezifisch

Hierarchie

Spezifittit

2

3

4

Hierarchie oder Kooperation

AbbildWlg 12: Spezifität Wld Imitationsmöglichkeiten

Die Annahme, daß in Hierarchien weniger stark ausgeprägte Anreize als auf Märkten existieren, ist allerdings nicht neu, sondern bereits in Williamsons Modell vertikaler Integration enthalten10; genauso wenig neu ist

9 Vgl. Wil/iamson, S. 144. 10 Vgl. Williamson (1985), S. 90: "Markets promote high-powered incentives and

restrain bureaucratic distortions more effectively than internal organization". In Kapitel 6 widmet er sich ausftlhrlich den Anreizllllterschieden von Märkten Wld Hierarchien.

122

V. Transaktionskostenökonomische Analyse von Irutovationen

das aus spezifischen Investitionen resultierende Abhängigkeitsproblem. Neu ist lediglich das Ausmaß, in dem das Argument der Leistungsanreize im Vergleich zu dem Problem der Abhängigkeit bedeutsam wird. Damit aber wendet er ein Modell auf Innovationen an, das er selbst - wie oben zitiert - fiir diesen Zweck als zu wenig komplex ansieht. 2. Die Notwendigkeit systematischer Erweiterungen

Williamson scheint in jüngster Zeit zunehmend den Bedarf zu erkennen, die Wirkung von Innovationen auf die Institutionenwahl zu untersuchen. Zum einen finden sich, wie oben bereits fiir "The Economic Institutions of Capitalism" gezeigt, Versuche, mit Hilfe des herkömmlichen Instrumentariums zu argumentieren. So leitet er aus der Annahme, daß technischer Fortschritt spezifische Investitionen fördert, eine Tendenz zur Integration in Phasen technologischen Wandels ab.11 Zum anderen betont er jedoch die Notwendigkeit einer systematischen Erweiterung des transaktionskostenökonomischen Instrumentariums. Dabei hebt er zwei Probleme hervor, die in seinem herkömmlichen Ansatz noch keine Berücksichtigung fllnden. 12 Erstens sei die Fähigkeit des Innovators, sich die Erträge seiner Innovation anzueignen, in das Modell zu integrieren. Wie bereits ausgeführt, hatte er diesbezüglich bereits 1985 Vorüberlegungen angestellt. Seine systematische Bedeutung formuliert er aber erst jetzt: "The foregoing treatment of vertical and lateral integration assumes that property rights are well-defined and easy to enforce" 13 . Eine Aufhebung dieser Annahme hat zur Konsequenz, daß institutionelle Arrangements als Formen der Absicherung von Innovations-Renten interpretiert werden können. oder genauer: der Anteile von Innovations-Renten, die Quasi-Renten darstellen. Zweitens erfordere die Analyse von Innovationen eine explizite Berücksichtigung der Zeitdimension. Während der herkömmliche Ansatz G/eichgewichtssituationen betrachtet, ist dabei zu erklären, welche institutionellen Arrangements in Ungleichgewichtssituationen gewählt werden, wenn sich

11 Vgl. Wil/iamson (1991c), S. 35.

12 Vgl. Williamson (199la), S. 292. 13 Williamson (199ld), S. 83.

B. Die Appropriierbarkeit von hmovationserträgen

123

Faktoren wie Reaktionsgeschwindigkeit und Flexibilität auf deren Effizienz auswirken. 14 "(A)dded apparatus is needed to deal with the full set of issues that arise when responsiveness in real time, rather than equilibrium contracting, is the centrat concem" 15 Er kommt zu der, von ihm allerdings nicht weiter begründeten These, daß hybride Organisationsformen transitorische Phtinomene darstellen können, die ihren Sinn verlieren, wenn die "Innovationsphase" verlassen wird; dies im Unterschied zu im Gleichgewicht effizienten hybriden Organisationsformen. Die beiden von Williamson angefiihrten Probleme sollen nun zum Ausgangspunkt der folgenden Überlegungen zu institutionenökonomischen Implikationen von Innovationen genommen werden.16

8. Die Appropriierbarkeit von Innovationsertrlgen Der folgenden Argumentation liegt die Annahme zugrunde, daß etruge Wirtschaftssubjekte bereits über Neuerungswissen verfugen, das ihnen eine Vorsprungssituation vor anderen Wirtschaftssubjekten einräumt. Dieses Neuerungswissen ermöglicht entweder die Einfiihrung eines neuen technischen oder organisatorischen Verfahrens oder eines neuen Produktes am Markt, mithin entweder eine Prozeß- oder Produktinnovation. Ausgeschlossen bleiben also Rückwirkungen, die von institutionellen Strukturen auf die Generierung von Neuerungswissen ausgehen. Der Innovator wird die Verbreitung des Neuerungswissens mit dem Ziel zu verhindem suchen, sich einen möglichst großen Anteil der Innovationsrente anzueignen. Für die vorliegende Arbeit ist dabei von Interesse, wie sich dies

14 Vgl. Williamson (1993), S. 57f. 15 Williamson (1991a), S. 293. 16 Dies geschieht insbesondere vor dem Hintergnmd von Überlegungen, die David J. Teece seit Mitte der achtziger Jahre entwickelt hat. Er greift dabei auf die Transaktionskostentheorie Williamsons Wld meines Erachtens auch auf die bereits 1985 angestellten ÜberlegWlgen zu hmovationen zurück, allerdings macht er dies nicht explizit deutlich. In jüngster Zeit erwähnt Williamson den Ansatz von Teece als Beispiel ilir die transaktionskostenökonotnische Analyse von hmovationen Wld nimmt dessen Überlegm1gen teilweise auch auf; vgl. Wi/liamson (l99ld), S. 83.

124

V. Transaktionskostenökonomische Analyse von hmovationen

auf die Wahl institutioneller Arrangements auswirkt, die der Innovator auf der horizontalen und der vertikalen Ebene eingehen kann. Auf der horizontalen Ebene sind es Verträge mit solchen Wirtschaftssubjekten, die prinzipiell gleiche Aktivitäten durchfuhren. Ein Beispiel sind Unternehmen der Mikroelektronik, die genauso wie ein bestimmter Ionovator eine leistungsfähigere Generation von Speicherchips entwickeln. 17 Um Neuerungswissen umzusetzen oder zu verwerten, ist in der Regel der Einsatz verschiedener komplemenUirer Ressourcen notwendig und damit eine Interaktion mit den jeweiligen Ressourcenbesitzern. Komplementäre Ressourcen können nach ihrem Einsatzort in der Wertekette der Aktivitäten klassifiziert werden, die die Umsetzung des Neuerungswissens in eine Innovation erfordern. Nach Porter/Fuller sind dies z.B. Ressourcen, die bei den Aktivitäten Entwicklung, Produktion, Marketing und Logistik eingesetzt werden. 18 Institutionelle Arrangements mit komplementären Ressourcen sind demnach der Ebene vertikaler Interaktion zuzuordnen. Für die Koordination des Ressourceneinsatzes stehen eine Vielzahl an potentiellen institutionellen Arrangements im Spektrum zwischen Markt und Hierarchie zur Verfügung. Der Ionovator wird die Wahl zwischen den Alternativen mit dem Ziel der Gewinnmaximierung treffen bzw., wenn angenommen wird, daß die Höhe des Gewinns unabhängig von der Art des gewählten institutionellen Arrangements ist, unter kostenminimierendem Aspekt. Wie bereits oben erläutert, sind die hierfür relevanten Kosten allein die mit den Koordinationsmechanismen verbundenen Transaktionskosten. In Anlehnung an Williamsons Konzept der Spezifität unterscheidet David J. Teece zwischen unspezifischen, co-spezifischen und spezifischen Ressourcen.19 Das Ausmaß an Spezifität wird von dem Ausmaß der Abhängigkeit

17 Ein Beispiel stellt die Kooperation zwischen IBM, Siemens Wld Toshiba zur Produktion einerneuen Generation von Speicherchips dar, vgl. Lütge (1992), S. 17. 18 Vgl.

Porter!Fuller (1989).

19 Vgl. Teece (1987), S. 67tT. Es ist zu beachten, daß Teece in seinen VeröffentlichWlgen häufig die ProblemstellWlg des strategischen Managements zugrundelegt Diese beschäftigt sich mit der optimalen Strategie der Institutionenwahl aus der Perspektive einer einzelnen UntemehmWlg. In dieser Arbeit geht es demgegenüber um die Stabilität von Transaktionen, wie sie sich aus dem ökonomischen Ansatz herleiten läßt, Wld diese Perspektive bezieht notwendigerweise beide Vertragspartner in die

B. Die Appropriierbarkeit von hmovationserträgen

125

zwischen dem Ertrag des Neuerungswissens und dem Einsatz komplementärer Ressourcen determiniert. Eine komplementäre Ressource, von deren Einsatz der Wert der Innovation unabhängig ist und die zudem ohne Wertverlust in mindestens einer anderen Transaktion eingesetzt werden kann, wird als unspezifisch bezeichnet. Ist die Verwertung des Neuerungswissens vom Einsatz einer bestimmten Ressource abhängig oder ist dies umgekehrt der Fall, so liegt Spezifität vor, ist die Abhängigkeit gegenseitig, Co-Spezifität. Die einseitige Abhängigkeit des Ionovators von einem bestimmten Ressourcenbesitzer beinhaltet die Gefahr einer strategischen Ausbeutung der QuasiRente. Dieser Zusammenhang wurde bereits allgemein in Williamsons Ansatz berücksichtigt. Als zweite Determinante berücksichtigt Teece, im Unterschied zu Williamson nun systematisch, die Bedeutung der Appropriierbarkeit von Innovationserträgen für die Institutionenwahl. 20 Der Grad an Appropriierbarkeit wird zum einen von den Eigenschaften des Wissens bestimmt, das der Innovation zugrundeliegt. Je weniger dieses Wissen impliziter Natur ist, desto leichter ist eine Übertragung auf und eine Verwendung durch Imitatoren. Besonders schwach ist der Schutz, wenn Imitatoren allein durch eine Analyse des neuen Produktes auf das zugrundeliegende Neuerungswissen schließen können. Zum anderen ist die Effizienz des rechtlichen Schutzes z.B. durch Patentgesetze eine Determinante des Appropriierbarkeitsgrads. Je leichter diese umgangen werden können und je schlechter eine Verletzung beobachtet und gerichtlich verfolgt werden kann, desto weniger effizient wird der Ionovator geschützt. Der Ionovator wird nun versuchen, den strategischen Kern der Innovation, der in dem damit verbundenen Neuerungswissen besteht, vor Ausbeutung durch die Besitzer komplementärer Ressourcen oder durch Imitatoren zu schützen. Die im Spektrum von Markt und Hierarchie denkbaren institutionellen Arrangements sind dazu unterschiedlich gut geeignet. Während sich Marktbeziehungen durch vergleichsweise stark ausgeprägte Leistungsanreize auszeichnen, bietet eine Integration bessere Möglichkeiten zur administrativen Kontrolle sowie ein geringeres Risiko der Abschöpfung von InnovationsAnalyse ein, weil jeder nur die Transaktionen durchfilhren wird, von deren Zustandekorrunen er fi1r sich eine Verbesserung gegenüber der Situation des Nichtzustandekorrunens erwartet. 20 Vgl. z.B. Teece (1986), S. 191f.

126

V. Transaktionskostenökonomische Analyse von hmovationen

renten. Durch eine Integration spezifischer komplementärer Ressourcen wird die Gefahr einer Beraubung der Innovationsrente reduziert, weil potentiellen Imitatoren, und dies können auch die Besitzer komplementärer Ressourcen sein, der Zugang zu diesen unverzichtbaren Ressourcen verwehrt wird. Es wird aber auch verhindert, daß die Abhängigkeit des Ionovators von spezifischen Ressourcen dazu genutzt wird, Teile der oder die gesamte Innovationsrente zu erpressen. Einen bestimmten Grad an Unsicherheit angenommen, kann also allgemein vermutet werden: Je größer der Appropriierbarkeitsgrad der Innovationsrente, desto eher werden marktliehe vertikale Vertragsbeziehungen mit komplementären Ressourcen effizient sein. Je höher die Quasi-Rente des Ionovators aufgrund der Spezifität komplementärer Ressourcen, desto eher ist - analog zu Williamsons Ansatz - eine Integration vorteilhaft. Hybride Organisationsformen verbinden, allerdings in abgeschwächter Form, die Eigenschaften von Märkten und Hierarchien und können daher bei mittlerer Ausprägung der Transaktionsmerkmale effizient sein. In Abbildung 13 werden die Transaktionsmerkmale Appropriierbarkeit und Spezifität kombiniert und institutionellen Arrangements zugeordnet. Hybride Formen, wie sie auch strategische Allianzen darstellen, reduzieren bei gegenseitiger Abhängigkeit der Ressourcen in ausreichendem Maße das Risiko einer gegenseitigen Beraubung von Quasi-Renten im Vergleich zur Marktlösung. Gleichzeitig bieten sie im Vergleich zur Integrationslösung stärker ausgeprägte Leistungsanreize. Allerdings muß gewährleistet sein, daß eine Imitation und damit eine Appropriierung von Innovationserträgen nur schwer möglich ist. Die vorstehenden Überlegungen bezogen sich allein auf vertikale Interaktionen, allerdings ergeben sich bei Berücksichtigung der Appropriierbarkeit auch Folgerungen für horizontale Interaktionen, zumindest, wenn auch die Generierung von Neuerungswissen betrachtet wird. Der Ionovator hat, wenn er die Diffusion des Neuerungswissens an seine Konkurrenten nicht verhindem kann, keinen Anreiz, Ressourcen für Forschung und Entwicklung aufzuwenden. Die Innovationsrente würde ein öffentliches Gut darstellen, für dessen Produktion er allein die Kosten zu tragen hätte. In der Literatur zu Marktversagen wird angesichts dieser Problematik auf staatlichen Handlungs-

B. Die Appropriierbarkeit von Innovationserträgen

127

bedarf in Form einer Subventionierung der das öffentliche Gut produzierenden

Wirtschaftssubjekte geschlossen.21

Appropriierbarkeit

schwach

stark

mittel

Spezifität

liDspezifisch

1

4

7

Hierarchie

Kooperation

Markt

co-spezifisch

2 Hierarchie

5 Kooperation

8 Kooperation

vollkommen spezifisch

3 Hierarchie

Hierarchie

6

9

Hierarchie

AbbildWlg 13: Spezifität Wld Appropriierbarkeit

Als Alternative kommt eine vertragliche Übereinkunft bzw. eine horizontale Interaktion unter genau den Konkurrenten in Betracht, die aufgrund ihrer Ausstattung mit komplementären Ressourcen zu einer Imitation der Innovation in der Lage wären. Die beteiligten Wirtschaftssubjekte legen fiir den Zweck der Generierung der Innovation Ressourcen zusammen und vereinbaren dafiir, in welcher Weise bzw. nach welchem Verfahren über den Einsatz der Ressourcen entschieden wird und wie das Ergebnis der Zusammenarbeit verteilt werden soll. Im Extremfall ist zwar eine horizontale Integration der Konkurrenten denkbar, aber fiir den Aspekt der Ressourcenzusammenlegung nicht notwendig. Die Wahl des institutionellen Arrangements wird allein von den mit der Interaktion verbundenen Problemen, insbesondere der Abhängigkeit zwischen den Wirtschaftssubjekten, determiniert oder anders ausgedrückt: von der relativen Höhe der Transaktionskosten. Die Einbeziehung von Innovationen in die Institutionenanalyse erfordert eine Abkehr von der Gleichgewichtsanalyse, wie sie Williamson in seinem

21

Vgl. z.B. Arrow (1969), S. 623 Wld Ewers/Fritsch (1987), S. 112f.

128

V. Transaktionskostenökonomische Analyse von hmovationen

Ansatz vornimmt und dies, wie ausgefiihrt, selbst zuerkannt hat. 22 Teece versucht diesem Umstand dadurch Rechnung zu tragen, daß er institutionelle Arrangements als temporäre Phänomene auffaßt, die an die Erfordernisse der Marktphase einer Innovation angepaßt sind. Er unterscheidet grob zwischen der paradigmatischen Phase, in der sich bereits ein bestimmtes technologisches Paradigma oder ein Standard durchgesetzt hat und das Neuerungswissen unter den Wirtschaftssubjekten diffundiert ist, und der prti-paradigmatischen Phase, die durch das Auftreten von Neuerungswissen und die Konkurrenz verschiedener Lösungsansätze gekennzeichnet ist. Probleme der Appropriierbarkeit ergeben sich naturgemäß vor allem in der prä-paradigmatischen Phase. In dieser herrscht eine Tendenz zu engen vertraglichen Bindungen zwischen den Ressourcenbesitzern, um die Abgabe strategisch bedeutsamen Neuerungswissens kontrollieren zu können. Bei dem Wechsel zur paradigmatischen Phase werden die Bindungen tendenziell gelockert und die Leistungsanreize marktlieber Beziehungen erhalten größere Bedeutung, zumalsich in dieser Phase der Wettbewerb verstärkt vom Design oder den Eigenschaften der Produkte auf die Preise verlagert. Kooperationen stellen vor diesem Hintergrund eine flexiblere Institution dar als eine Integration. Eine Änderung oder ein Abbruch der Kooperationsbeziehung wird im allgemeinen mit weniger Kosten verbunden sein als eine Desintegration. Insofern können z.B. strategische Allianzen transitorische Phänomene bei hoher Technologie- und Marktdynamik darstellen, die sich durch eine vergleichsweise stark ausgeprägte Flexibilität auszeichnen und deshalb einer Integration vorgezogen werden. 23 In der Wirtschaftsgeschichte lassen sich Belege fiir diese These finden. Perioden starker technologischer Turbulenzen fiihrten regelmäßig zu einem Anstieg netzwerkartiger hybrider Organisationsstrukturen. 24 Wie in Kapitel II gezeigt wurde, sind es auch aktuell gerade innovative Branchen, in denen das Phänomen strategischer Allianzen oder strategischer Netzwerke am deutlichsten auftritt.

22

Vgl. Wi/liamson (1993), S. 56f.

23 Vgl. zu dieser These Wi/liamson (1993), S. 57 sowie Gerybadze (1991) Wld Jorrle!Teece ( 1991 ). 24

Vgl. z.B. DeBresson!Amesse (1991 ), S. 370.

C. Die Artilrulierbarkeit von Neuenmgswissen

129

C. Die Artikulierbarkeit von Neuerungswissen Während das Phänomen, daß Neuerungswissen unter Umständen von vielen Wirtschaftssubjekten genutzt werden kann, im vorhergehenden Abschnitt als Problem analysiert wurde, wird im folgenden untersucht, inwiefern sich institutionenökonomische Probleme gerade daraus ergeben, daß ein Transfer von Neuerungswissen an andere Wirtschaftssubjekte mit erheblichen Kosten verbunden ist. Wie bereits ausgefuhrt, erfordert die Umsetzung einer Innovationsidee den Einsatz komplementärer Ressourcen, die zum Teil spezifisch in bezug auf die Interaktion mit dem Ionovator und daher von einer erfolgreichen Interaktion mit diesem abhängig sind. Diese Interaktionen werden nun in zweifacher Weise von dem Phänomen nichtartikulierbaren Wissens tangiert. Zum einen muß der Ionovator andere Wirtschaftssubjekte von den Erfolgsaussichten seiner Neuerungsidee überzeugen, um sie zu Investitionen in komplementäre Ressourcen anzuregen, wenn nicht deren Vornahme in eigener Regie die einzige Möglichkeit darstellen soll. Die institutionenökonomische Bedeutung des "Überzeugungsproblems" wird in Abschnitt C.l diskutiert. Zum anderen ergeben sich Folgerungen aus der Tatsache, daß eine Nutzung von Neuerungswissen durch Interaktionspartner teilweise nur dann möglich ist, wenn eine Übermittlung des mit der Innovation verbundenen impliziten Wissens erfolgt. Dies wird in Abschnitt C.2 untersucht. 1. Das "Überzeugungsproblem" des Innovators

Der Besitz von Neuerungswissen und das Bestreben, dieses umzusetzen, unterscheidet den Ionovator von allen anderen Wirtschaftssubjekten. Schumpeter bezeichnet nur den, der qualitativ neue Kombinationen der in einer Volkswirtschaft existierenden Ressourcen durchführt, als Unternehmer.25 Dies unterscheidet ihn von den sogenannten Wirten, die auf der Basis des allgemein vorhandenen Wissens Ressourcenkombinationen durchführen, die den Gleichgewichtsbedingungen der jeweiligen Märkte entsprechen. 26 Die

2S Vgl.

Schumpeter (1934), S. 120.

Während also innovative (dynamische) Unternehmer den Zustand eines Konkurrenzgleichgewichts beenden, ftlhrt die Imitation der hmovationen durch Wirte bzw. 26

9 Domrös

130

V. Transaktionskostenökonomische Analyse von hmovationen

in Abschnitt III.B vorgestellte Charakterisierung der neoklassischen Unternehmung weist insofern starke Analogien zu dem Begriff des Wirtes auf. Schumpeter geht zwar insofern über die neoklassische Tradition hinaus, als er die Bedeutung der Veränderung des Wissens fiir die wirtschaftliche Entwicklung betont, durch die eine Neukombination von Ressourcen ermöglicht wird. Unbeachtet bleibt aber die Frage, wie ein Unternehmer die Kombination der fiir die Realisierung der Innovationsidee notwendigen komplementären Ressourcen institutionell bewältigt. Ist er doch darauf angewiesen, neue vertikale Produktionsstrukturen aufzubauen oder seine Innovation in etablierte Produktionsstrukturen zu integrieren. 27 Auf diese Problemstellung beziehen sich die folgenden Überlegungen. 28 Eine Investition in spezifische komplementäre Ressourcen wird nur dann vorgenommen werden, wenn die damit verbundenen Opportunitätskosten geringer sind als der Ertrag dieser Investition. Letzterer ist nicht nur durch opportunistisches Verhalten des Interaktionspartners, hier also des Innovators, gefährdet, wie es in der Williamssonschen Analyse im Vordergrund steht, sondern auch durch einen Mißerfolg der Innovation. Denn scheitert das Projekt, so ist die Entlohnung komplementärer Ressourcen nicht mehr sichergestellt. Die Erfolgserwartungen der Wirtschaftssubjekte bezüglich eines bestimmten Innovationsvorhabens beeinflussen damit deren Bereitschaft, in spezifische komplementäre Ressourcen zu investieren, die für die Realisierung der Innovation benötigt werden. Zwischen dem Besitzer einer Innovationsidee und den anderen Wirtschaftssubjekten in einer Volkswirtschaft existiert nun zwangsläufig eine Informationsasymmetrie bezüglich des Neuerungswissens. In der Regel ist es dem Ionovator nicht oder nur zu hohen Kosten möglich, seine Kenntnisse und Erfolgserwartungen an andere Wirtschaftssubjekte zu transferieren. 29 Dies

statische Unternehmer zu einem Abschmelzen der Vorsprungsgewinne und damit einem neuen Konkurrenzgleichgewicht auf einer höheren Entwicklungsstufe; vgl. Schumann (1983 ), S. 411. 27 Vgl. Schneider(199l), S. 354. 28 Vgl. zum folgenden insbesondere Si/ver (1984). 29 Ganz abgesehen von dem Bestreben des hmovators, den Inhalt seiner hmovationsidee geheirnzuhalten, um eine Imitation und damit eine Beraubung seiner hmova-

C. Die Artilrulierbarkeit von Neuenmgswissen

131

beruht zu einem wesentlichen Teil darauf, daß eine - im Schumpeterschen Sinne - Unternehmerische Idee auf subjektiven Einschätzungen beruht, anders ausgedrückt: auf einer Vision, und somit eine "Überzeugung" potentieller Interaktionspartner zur Vomahme von Investitionen in komplementäre Ressourcen nur schwer gelingt.30 Silver zeigt dies anband eines in der Literatur vielzitierten Beispiels, der Einfti.hrung der standardisierten Massenfertigung von Automobilkarosserien aus Metall durch General Motors.31 Bis zu diesem Zeitpunkt hatte die Produktion in der Einzelfertigung von im wesentlichen aus Holz hergestellten Karosserien bestanden. Das Problem von General Motors war es nun, einen Zulieferer davon zu überzeugen, daß die Umstellung der Produktion von Einzel- auf Massenfertigung eine wirtschaftlich erfolgversprechende Innovation darstellt, für die sich eine Investition in Pressvorrichtungen lohnt, die aufgrund des auf General Motors zugeschnittenen Designs der Stanzteile hochspezialisiert waren. In der transaktionskostentheoretischen Literatur wurde das resultierende institutionenökonomische Problem, welche vertraglichen Regelungen zwischen General Motors und den Karosserieproduzenten, in diesem Fall Fisher Body, gewählt werden sollten, alleine vor dem Hintergrund der Transaktionsspezifität diskutiert. Die Abhängigkeit zwischen den beiden Parteien war bilateral. Fisher Body konnte die produzierten Karosserieteile an keinen anderen Automobilproduzenten liefern und General Motors war, zumindest kurzfristig, an die Lieferungen von Fisher Body gebunden. Ein Abbruch der Beziehungen oder ein opportunistisches Verhalten der anderen Vertragsseite wäre für beide mit einem Verlust ihrer Quasi-Rente verbunden gewesen und daher stellte, so die Erklärung von Klein/Crawford/Alchian, eine Integration der Karosserieproduktion durch den Automobilhersteller das kostengünstigste institutionelle Arrangement dar. Eine alternative Erklärung ergibt sich aus der oben erwähnten Informationsasymmetrie zwischen dem Ionovator und den Besitzern komplementärer tionsrente zu verhindern. Auf damit in Zusammenhang stehende institutionelle Aspekte wurde in Absclmitt V.B hingewiesen. 30 Schneider (1991), S. 354 weist darauf hin, daß solche Überzeugungsprozesse

zeitintensiv sind und das heißt ressourcenbindend bzw. kostenintensiv.

31 Vgl. Si/ver ( 1984), S. 23f und Klein/Crawford!Alchian ( 1987), S. 308ff..

132

V. Transaktionskostenökonomische Analyse von hmovationen

Ressourcen. Ist das Neuerungswissen implizit bzw. nicht artikulierbar und damit auch nicht bzw. nur zu extrem hohen Kosten transferierbar, so kann es von anderen Wirtschaftssubjekten als dem Ionovator nicht eigenständig genutzt werden, darüber hinaus kann aber auch dessen Wert nicht beurteilt werden. Wirtschaftssubjekte, mit denen der Ionovator vertikale Vertragsbeziehungen über komplementäre Ressourcen aufnehmen will, müssen aber von dem technischen und marktmäßigen Erfolg der Innovation überzeugt werden, damit sie bereit werden, ihre Ressourcen spezifisch zu binden. Sind die Kosten der Überzeugung oder anders ausgedrückt: der Überwindung der Informationsasymmetrie prohibitiv hoch, ist es fur den Ionovator demnach effizient, zu integrieren und die entsprechenden Ressourcen selbst herzustellen. Gemäß dieser Sichtweise wurde Fisher Body integriert, weil die Transaktionskosten alternativer institutioneller Arrangements in bezug auf die Überwindung der Informationsasymmetrie zu hoch waren. Vertragliche Problerne resultieren aus der Nicht-Artikulierbarkeit von Wissen allerdings nur bei Investitionen in spezifische komplementäre Ressourcen, da unspezifische Ressourcen bei einem Scheitern des Innovationsprojektes ohne Wertverlust in anderen Interaktionen eingesetzt werden können. Es hat somit den Anschein, eine Analyse sei bereits im Rahmen des traditionellen Transaktionskostenansatzes möglich, wonach das entscheidende Problern von Interaktionen aus der Möglichkeit opportunistischen Verhaltens resultiert und die beteiligten Wirtschaftssubjekte daher eine Restringierung ihrer Verhaltensspielräume mit Hilfe institutioneller Arrangements vornehmen, um produktive Interaktionen zu stabilisieren. Eine Berücksichtigung des Phänomens der Nicht-Artikulierbarkeit von Wissen betrachtet demgegenüber allerdings nicht nur die beiden Interaktionspartner und die von ihnen gewählten institutionellen Restriktionen, sondern zugleich auch deren Erwartungen über den Erfolg der Innovation. Dies wird durch die Abbildung 14 illustriert. Grundsätzlich ist folgender Zusammenhang zwischen Artikulierbarkeit und Spezifität plausibel: Für einen bestimmten Spezifitätsgrad komplementärer Ressourcen ist ein urnso höherer Integrationsgrad effizient, je kleiner der Grad der Artikulierbarkeit ist, weil damit ein urnso höherer Partizipationsgrad arn Erfolgsrisiko der Innovation verbunden ist.

C. Die Artikulierbarkeit von Neuerungswissen

133

Erfolg der Innovation (subjektive) ErfolgsetWart\mgen

(subjektive) ErfolgsetWartwlgen (Artikulierbarkeit)

Überzeugung INNOVATOR

Interaktion (SpezifiUJt)

KOMPLEMENTÄRE RESSOURCEN

Abbildung 14: Das "Überzeugungsproblern" des Innovators

Langlois nennt diesen Erklärungsansatz "entrepreneurial version" im Gegensatz zu der im vorhergehenden Abschnitt diskutierten "appropriability version". 32 In beiden Fällen gehe es danach um die Aneignung von Innovationsertrdgen. Währendjedoch Teece den Schwerpunkt auf das Problern lege, daß andere Wirtschaftssubjekte die Innovationsrente des Ionovators zu berauben versuchen und er dies durch adäquate institutionelle Arrangements zu verhindem versucht, betone Silver das Problem, daß durch geeignete institutionelle Arrangements, insbesondere die Integration, Innovationsrenten geschaffen werden, die sonst nicht oder in einem geringeren Ausmaß existieren würden. Silvers Analyse ist dichotom angelegt, indem er allein die Zustände Vorhandensein und Nichtvorhandensein von Nichtartikulierbarkeit analysiert und daraus folgend eine Verteilung von Interaktionen allein auf die Institutionen Markt und Hierarchie abzuleiten imstande ist. Eine stetige Betrachtung von Graden an Artikulierbarkeit ist demgegenüber geeignet, die institutionelle Dichotomie aufzulösen, d.h. auch hybride institutionelle A"angements zwischen Markt und Hierarchie zu betrachten. Im Zusammenhang mit Abstufungen des Spezifitätsgrades wird dies anband von Abbildung 15 illustriert.

32 Vgl.

Langlois (1988), S. 642.

134

V. Transaktionskostenökonomische Analyse von hmovationen

Artikulierbarkeit schwach

mittel

stark

Wlspezifisch

I Markt

4 Markt

Marlet

mittelspezifisch

2 Hierarchie

Kooperation

5

8 Kooperation

vollkommen spezifisch

3 Hierarchie

6 Hierarchie

9 Hierarchie

SpezifiUJt

7

AbbildWlg 15: Spezifität Wld Artikulierbarkeit

Informationsasymmetrien werden zum einen abgebaut, wenn der Ionovator Informationen über seine Neuerungsidee an andere Wirtschaftssubjekte abgibt. In dem Maße, wie er sich damit in die Abhängigkeit von Vertragspartnern begibt, wird er Sicherungsleistungen verlangen und damit Kooperationsformen reinen Marktbeziehungen vorziehen.33 Es entsteht somit ein Problem der Abwägung von in bezug auf die Informationsübermittlung und ihre Absicherung entstehenden Transaktionskosten alternativer institutioneller Arrangements. Nur im Extremfall prohibitiv hoher Transaktionskosten und damit vollständig impliziten Wissens über die Innovation ist eine Integration spezifischer komplementärer Ressourcen effizient (Felder 2 und 3), wie es Silver anband einiger Beispiele aus der Wirtschaftsgeschichte demonstriert hat. 34 Für einen mittelstark ausgeprägten Grad an Artikulierbarkeit sind die Risiken einer innovatorspezifischen Investition komplementärer Ressourcen möglicherweise auch in einer Kooperation ausreichend zu bewältigen (Feld 5), wenn dem nicht wie im Fall vollkommen spezifischer Investitionen die

33 Vgl. Schneider(1991), S. 358. 34 Vgl. Si/ver (I 984), insbesondere Kapitel 4 .

C. Die Artilrulierbarkeit von Neuenmgswissen

135

Notwendigkeit einer Absicherung in Form der Integration entgegen steht (Feld 6). Somit eröffnet sich auch fiir die hier diskutierte Wissenseigenschaft ein Ansatzpunkt fiir die Erklärung strategischer Allianzen im Innovationsprozeß. Ist das Wissen jedoch vollständig explizierbar, was allerdings unter den Bedingungen von Neuerungswissen kaum der Fall sein wird, so ist die institutionelle Entscheidung ausschließlich von dem Kriterium der Spezifität der komplementären Ressourcen abhängig (Felder 7-9). Hier ist der Ansatz der traditionellen Transaktionskostenökonomik von Williamson anwendbar. Informationsasymmetrien werden zum anderen dann abgebaut, wenn nach der Markteinführung der Erfolg der Innovation besser abschätzbar wird. Dies führt zu einer tendenziellen Konvergenz der Erwartungen bei den Wirtschaftssubjekten, und in der Folge verliert das Überzeugungsproblem zunehmend an Bedeutung für die InstitutionenwahL Damit kann erklärt werden, daß fiir innovative Unternehmen ein relativ schnelles vertikales Wachstum beobachtet werden kann und mit zunehmender Diffusionsdauer eine Auslagerung von Aktivitäten. 35 In Abbildung 15 ist dies für komplementäre Ressourcen mittlerer Spezifität nachvollziehbar, für die mit zunehmendem Artikulationsgrad eine Tendenz von Integrations- zu zunehmend marktnäheren Kooperationsformen zu erwarten ist. 2. Der Transfer impliziten Neuerungswissens Der vorhergehende Abschnitt widmete sich dem Problem, daß es einem Innovator teilweise nur schwer gelingt, andere Wirtschaftssubjekte von seinen Erfolgserwartungen bzw. seiner Unternehmerischen "Vision" zu überzeugen, was als ein Problem der Übertragung ökonomischer Informationen bezeichnet werden kann. Demgegenüber geht es im folgenden um das Problem eines Transfers des Neuerungswissens selbst und damit der Übertragung technologischer Informationen. Ein direkter Austausch nicht-artikulierbaren Neuerungswissens kann wenigstens teilweise vermieden werden, wenn ein Austausch von Ressourcen möglich ist, in denen das Wissen bereits veranken ist und die somit, ohne daß ein direkter Wissenstransfer stattgefunden hat, im weiteren Produktionsprozeß

3S Vgl.

Schneider(I99I), S. 359.

136

V. Transaktionskostenökonomische Analyse von hmovationen

eingesetzt werden können. Dies soll unter Bezugnahme auf Überlegungen, wie sie Harold Demsetz geäußert hat, im folgenden diskutiert werden. Dieser stellte sich 1988 der Kritik an seinem 1972 mit Alchian veröffentlichten Artikel, welche explizit und implizit mit der Weiterentwicklung der Neuen Institutionenökonomik in den 70er und 80er Jahren verbunden war. 36 Obwohl er der Transaktionskosten- wie auch der Agency-Theorie ihre Berechtigung nicht abstreiten will, hält er die von diesen Theorien untersuchten Einflußfaktoren auf die institutionelle Struktur der Volkswirtschaft zumindest für unvollständig, wenn nicht teilweise sogar für von allenfalls untergeordneter Bedeutung, wie er es zum Beispiel für die bei Williamson zentrale Kategorie der Spezifität behauptet. 37 Demsetz vertritt die Auffassung, auch in einer Welt ohne Transaktionskosten und ohne monitoring-Probleme38 könne die Existenz von Unternehmen erklärt werden.39 Auch Bruce Kogut kritisiert die Auffassung, institutionelle Entscheidungen, insbesondere bei verankertem Wissen, seien auf Transaktionskostenargumente zurückzuführen. 40 Vielmehr seien kognitive bzw. wissensökonomische Gründe dafür maßgeblich, daß ein Transfer von Wissen schwierig sei, nicht aber opportunistisches Verhalten bei Unsicherheit und Spezifität. Demsetz analysiert die Auswirkungen der Bedingungen von Wissenserwerb und Wissensnutzung auf die Institutionenwahl und kommt zu dem Ergebnis, daß die vertikalen Grenzen der Unternehmung dort liegen, wo die Kosten des

36 Vgl. zur folgenden Argwnentation Demsetz (1991 ). 37 Vgl. Demsetz (1991), S. 167. Demsetz bezweifelt, daß eine vertragliche Absicherung spezifischer Investitionen mit bedeutend höheren Transaktionskosten verbunden ist als ihre vertikale Integration und damit, daß der Spezifitätsgrad eine wesentliche Determinante ft1r den vertikalen Intergrationsgrad von Ressaucen darstellt. 3 8 Dies entspräche gemäß der Transaktions- bzw. der Agency-Theorie den von der

neoklassischen Theorie der Unternehmung unterstellten Bedingungen; vgl. Schumann (1992), S. 435 und 455.

39 Vgl. Demsetz (1991), S. 169. 40 Kogut ( 1988), S. 322ff.

C. Die Artilrulierbarkeit von Neuerungswissen

137

Erwerbs von Wissen, welche aus den Kosten der Wissensproduktion und den Kosten der Wissensübermittlung resultieren, insgesamt minimiert werden.4 1

Ausgangspunkt der Analyse ist die seit Smith bekannte These der produktiven Auswirkungen von Spezialisierung. Die sich aus der Spezialisierung ergebende Arbeitsteilung zwischen Wirtschaftssubjekten führt zur Notwendigkeit des Tausches der Ergebnisse spezialisierter Produktion. Zur produktiven Nutzung des eigenen, speziellen Wissens benötigt ein Wirtschaftssubjekt auch das Wissen anderer Wirtschaftssubjekte. Der Aneignung dieses Wissens stehen nach Demsetz nun besondere Probleme gegenüber: Eignet sich das Wirtschaftssubjekt das Wissen anderer selbst durch Erlernen an, so werden die Vorteile der Spezialisierung aufgehoben. Ein Kauf beziehungsweise Austausch von Wissen ist teilweise möglich, dieser schließt jedoch häufig Elemente des Wissenserwerbsprozesses ein, wenn ohne diesbezügliche Kenntnisse eine Nutzung des Wissens nicht möglich ist. Eine produktive Nutzung des Wissens ist in solchen Fällen nur mit dem Mittel der Weisung bzw. Direktive möglich. Entweder müssen die Aktivitäten von Wirtschaftssubjekten im Produktionsprozeß von solchen Wirtschaftssubjekten angewiesen werden, die über das benötigte Wissen verfügen, oder die Nutzung des in Endprodukte eingebunden Wissens wird über spezielle Gebrauchsanweisungen sichergestellt. Ersteres ist nach Demsetz' Verständnis ein charakteristisches Merkmal von Unternehmen.42 Die vertikale Integration einer Unternehmung kommt demnach dort an ihre Grenze, wo es ökonomisch sinnvoll wird, die Anweisung bestimmter Aktivitäten an Wirtschaftssubjekte durch die Anweisung zur Nutzung von Produkten zu ersetzen. Ökonomisch wird diese Grenze durch einen Trade-o.ffvon Informationskosten determiniert. Die vertikale Vorwärtsintegration ist für eine Unternehmung mit zusätzlichen Informationskosten verbunden, welche mit den Informationskosten abgewogen werden müssen, die dadurch von den potentiellen Nutzern der Produkte eingespart werden, daß

41 Vgl. Demsetz (1991), S. 173: "the vertica1 boundaries ofa flnn are detennined by the economics of conservation of expenditures on knowledge". 42 Demsetz ( 1991) merkt das Problem einer Defmition der Unternehmung an und defmiert eine solche unter folgenden Bedingungen: Spezialisierung, Kontinuität der Bindung und Weisung; vgl. Demsetz(l991), S. 171.

138

V. Transaktionskostenökonomische Analyse von Innovationen

diese sich weniger Wissen über die Produkte aneignen müssen. 43 In Abbildung 16 wird dieser Zusammenhang dargestellt. Auf der Abszisse sind von Null ausgehend die Aktivitäten eines Produktionsprozesses abgetragen. Eine Unternehmung 1, die eine Aktivität At durchführt, hat bei vertikaler Vorwärts- bzw. Rückwärtsintegration die durch die Kurve GK 1 angegebenen Grenzkosten der Information. Analog gilt fiir Unternehmung 2, die die Aktivität A4 durchfuhrt, die Grenzkostenkurve GK2. Bei einer Integration der Aktivität A2 hat Unternehmung 1 geringere Grenzkosten der Information als Unternehmung 2, bei einer Integration der Aktivität A3 hingegen hat Unternehmung 2 einen komparativen Vorteil gegenüber Unternehmung 1. Effizient ist demnach also eine Aufteilung der Aktivitäten At und A2 aufUnternehmung 1 und A3 und A4 aufUnternehmung 2.

GK

GK 1

GK 2

A

AbbildWlg 16: Vertikale Integration Wld Informationskosten

Die von Demsetz und Kogut geäußerte These, für die Institutionenwahl seien Transaktionskosten allenfalls von untergeordneter Bedeutung, ist

43 Auf das Beispiel der Software-Progranunienmg angewendet, bedeutet dies: Eine Softwarefirma entwickle ein Progranun, welches sich in einer speziellen AnwendWlg auch zur Bilanzienmg eignet. Je genauer das Progranun auf die Bedürfnisse eines Allwenders zugeschnitten wird, desto mehr Kenntnisse muß der Programmierer über die Bilanzienmgsvorschriften des Allwenders erwerben, was Informationskosten bedeutet. Dabei spart aber der Anwender Informationskosten fllr die AneignWlg von Kenntnissen über die Programmienmg, die er benötigte, wollte er das Progranun selbständig auf seine Bedürfnisse hin ausrichten.

D. Die Verankerung von Wissen

139

allerdings zurückzuweisen. Hierbei wird nicht genügend zwischen dem technischen Aspekt des Wissenstransfers zwischen den einzelnen Stufen des Produktionsprozesses, aus dem Abhängigkeiten zwischen den beteiligten Wirtschaftssubjekten resultieren, und der institutionentJkonomischen Fragestellung, wie diese Abhängigkeiten in Form von Institutionen geregelt werden, differenziert. Die Analyse von Demsetz übersieht, daß das Problem des Wissenstransfers auch innerhalb der Grenzen von Unternehmen existiert und daher nicht verschwindet, wenn eine Transaktion vom Markt in ·die Hierarchie verlagert wird. Der fur die Institutionenwahl entscheidende Aspekt resultiert aus der Tatsache, daß, wird fur nachgelagerte Aktivitäten Wissen der vorgelagerten Produktionsstufe benötigt, Abhängigkeiten zwischen den beteiligten Wirtschaftssubjekten entstehen, wenn transaktionsspezifische Investitionen vorgenommen werden. So kann die vorgelagerte Stufe notwendiges Wissen vorenthalten und damit die transaktionsspezifische Quasi-Rente der nachgelagerten Stufe zu berauben versuchen. Für die Form der Absicherung von Quasi-Renten und damit die Wahl der institutionellen Arrangements können somit letztlich doch Transaktionskostendifferenzen als determinierend angesehen werden. Während die vorstehenden Überlegungen sich allgemein auf das Phänomen von Wissensdifferenzen zwischen Wirtschaftssubjekten bezogen, sind sie speziell auch fur das Thema dieser Arbeit von Bedeutung, wenn die Existenz nicht-artikulierbaren Neuerungswissens betrachtet wird.

D. Die Verankerung von Wissen In den beiden vorherigen Abschnitten waren institutionelle Auswirkungen fur den Fall diskutiert worden, daß Neuerungswissen nur beschränkt artikulierbar bzw. impliziter Natur ist und damit zwischen Wirtschaftssubjekten nur beschränkt transferierbar ist. Die Analyse setzte voraus, daß nicht artikulierbares Neuerungswissen bereits von bestimmten Wirtschaftssubjekten, den Innovatoren, besessen wird, und es wurden Auswirkungen auf die Gestaltung von Vertragsbeziehungen mit anderen Wirtschaftssubjekten, den Eignern komplementärer Ressourcen, untersucht. In einem weiteren Schritt werden nun spezielle Probleme analysiert, die sich ergeben, wenn implizites Wissen nicht nur auf der Ebene einzelner Individuen oder Wirtschaftssubjekte lokalisiert werden kann. Ist das in einem Team von Wirtschaftssubjekten existierende Wissen umfangreicher als die

140

V. Transaktionskostenökonomische Analyse von Innovationen

Summe des separierbaren Einzelwissens der Beteiligten, so kann die Differenz als das in dem Team verankerte Wissen bezeichnet werden. 44

1. Nicht-Artikulierbarkeit und die Verankerung von Wissen in Teams In organisationstheoretischen und evolutionsökonomischen Beiträgen ist es mittlerweile weit verbreitet, Konzepte wie "firm capabilities" oder "organizational capabilities"45 und "organizational knowledge" 46 oder "firm knowledge" 47 zu verwenden. Das den Konzepten zugrundeliegende Phänomen aberindividuell verankerten Wissens scheint zwar auf den ersten Blick mit einem methodologisch-individualistischen und damit auch dem transaktionskostenökonomischen Ansatz unvereinbar zu sein, kann m.E. aber integriert werden, wenn die Implikationen der Annahme begrenzter Rationalittit der Individuen konsequent berücksichtigt werden. Die Existenz verankerten Wissens hat dann zur Konsequenz, daß die Restriktionen, unter denen individuelle Handlungen stattfinden, verändert werden. 48 Auch unter diesen Bedingungen ist es aber möglich, das Verhalten des gesamten Teams aus dem Verhalten der einzelnen Teammitglieder, und dazu gehört auch die Wahl vertraglicher Regelungen, herzuleiten. Das Forschungsinteresse der

44 Überlegungen dieser Art lassen sich bereits bei Penrose (1959) fmden. Sie verwendete den Begriff der Fähigkeiten (capabilities) einer Unternelunung. Abweichend vom neoklassischen Modell der Produktionsfunktion versteht sie Produktion vor allem als eine Kombination von Erfahrungen, die sich infolge vergangener Aktivitäten zwischen den beteiligten Individuen gebildet haben. Diese sind gerade nicht in Form technischer Beschreibungen explizierbar. Vgl. Langlais (1988), S. 639.

45 Vgl. z.B. Lazonick (1991), S. 203, Langlais (1990), S. 94 und Chondler (1992), S. 488fT. 46 Vgl. hierzu v.a. Nelson/Winter(l982). 47 Vgl. Nelson (1991), S. 189 und aufS. 190: "Firms are repositories ofproductive knowledge". 48 Hier liegt eine Analogie zu der Lösung vor, wie sie Vanberg filr das Problem kollektiver Ziele vorgeschlagen hat. Kollektive Ziele sind demnach konstitutionell verankert und bilden Restriktionen individuellen Handelns. Analog ist kollektives bzw. verankertes Wissen als Restriktion individuellen Handeins zu verstehen. In beiden Fällen wird eine Hypostasierung kollektiver Entitäten vermieden, ohne kollektive Phänome zu vernachlässigen; Vonberg ( 1982) und Vonberg ( 1992 ).

D. Die Verankenmg von Wissen

141

Transaktionskostenökonomik richtet sich dann darauf, welche Wirkungen von diesen Veränderungen auf die institutionelle Gestaltung der Beziehungen zum einen zwischen den dem Team zugehörigen Wirtschaftssubjekten ausgehen und zum anderen zwischen dem Team von Wirtschaftssubjekten und anderen Wirtschaftssubjekten. Sind Individuen unter der Annahme begrenzter Rationalität nur unvollkommen in der Lage, durch Erfahrung angeeignetes Wissen zu reflektieren und zu artikulieren, so gilt dies nicht nur fiir isolierte49, sondern auch fiir interaktive Handlungen. Interagieren Individuen in sogenannten Teams, so bilden sich mit der Zeit zwischen ihnen durch Lernprozesse selektierte Routinen heraus, deren Beitrag fiir das Interaktionsergebnis von den beteiligten Individuen nicht in jedem Fall exakt explizierbar ist. So weiß man zwar, daß ein bestimmter Produktionsprozeß funktioniert, aber nicht genau, warum er funktioniert. Eine Formalisierung in Form von Blaupausen oder Gebrauchsanweisungen hingegen wäre nur unter den Bedingungen unbegrenzter Rationalität möglich. 50 Eine Reduktion auf individuell verankertes Wissen kann nicht durchgefiihrt werden, weil es außerhalb der durch Erfahrung gebildeten Routinen nicht existiert. s1 Demzufolge kann in einem metaphorischen Sinne davon gesprochen werden, daß die Organisation bzw. das Team Wissen gespeichert hat. 52 Als Beispiel wurde einleitend eine Sportmannschaft genannt, die durch ihr Zusammenspiel auf der Basis durch Training erlangten subtilen Erfahrungswissens erfolgreich ist, ohne daß das Ergebnis einzelnen Spielern zugerechnet

49 Als Beispiel für isoliertes implizites Wissen kann ein Zollbeamter angeftUut werden, der durch jahrelange Erfahrung ein sicheres, wenn auch nicht genau artilrulierbares Gespür filr den Typ Drogenschmuggler entwickelt hat. Das Wissen ist in diesem Zollbeamten lokalisiert, aber nur schwer transferierbar. Williamson verwendet filr das Phänomen den Begriff "idiosynkratisches Wissen"; vgl. z.B. Williamson (1985), S. 53.

SO Vgl. Teece (1980), S. 228fundA/ston/Gil/espie (1989), S. 196. SI Vgl. Nelson/Winter(l982), S. 105.

S2 "Tims, routines function as the basis of organizational memory"; Teece (1982),

S. 44.

142

V. Transaktionskostenökonomische Analyse von Innovationen

werden könnte oder die Akteure ein Erfolgsrezept artikulieren können. Das Interaktionsergebnis ist entsprechend nicht in bezug auf die von den einzelnen Individuen geleisteten Inputs separierbar, sondern mehr als die Summe dessen, was die Individuen bei separatem Faktoreinsatz erzielt hätten. SJ In der Terminologie von Alchian und Demsetz liegt eine Teamproduktionsfunktion vor.s 4 Unter der Bedingung begrenzter Rationalität, wie sie Williamson für seinen Ansatz als zentral ansieht, kann somit auch in einem methodologisch individualistischen Ansatz von einem Wissen gesprochen werden, das Teams oder Organisationen in Form von Routinen und Beziehungen besitzen. Während aber die Organisationstheorie und die ökonomische Evolutionstheorie Organisationen oder Institutionen bereits voraussetzen und die Wirkungen des darin lokalisierten Wissens auf ihr Verhalten untersuchen, ist ein transaktionskostentheoretischer Ansatz darauf ausgerichtet, institutionelle Arrangements unter anderem erst aus dem Phänomen der Wissensverankerung zwischen Individuen abzuleiten. Der Grundgedanke ist, daß durch die Verankerung von Wissen teamspezifische Ressourcen gebildet werden und erst die daraus resultierenden Abhängigkeiten der Teammitglieder untereinander nach deren institutioneller Absicherung verlangen. Wie es bereits in Abschnitt III.D.l ausgeführt wurde, stellen technologische Interdependenzen noch keine hinreichende Begründung für die Wahl eines bestimmten institutionellen Arrangements dar. Dieses Defizit haben die genannten Ansätze mit der neoklassischen, allein auf technologischen Argumenten beruhenden Produktionstheorie gemein. Es ergibt sich also die Notwendigkeit, Auswirkungen des Phänomens der Verankerung von Wissen auf die komparativen Kosten alternativer institutioneller Arrangements zu untersuchen. Dazu ist grundsätzlich zwischen zwei Arten von Interaktionen zu unterscheiden: Zum ersten kann in Teams von Wirtschaftssubjekten durch Interaktionen Neuerungswissen generiert werden. Dies wird im folgenden Abschnitt V.D.2 institutionenökonomisch untersucht. Zum zweiten kann die Umsetzung einer Innovation Interaktionen mit Teams erforderlich machen,

S3 Vgl. auch Prescott/Visscher (1980), S. 456. S4 Vgl. die Ausftlhrungen zu Alchian/Demsetz (1972) in Kapitel IV.

D. Die Verankerung von Wissen

143

die verankertes Wissen bereits gebildet haben. Eine Analyse folgt in Abschnitt V.D.3. 2. Die Generierung verankerten Wissens

Wird innerhalb eines Teams von Wirtschaftssubjekten Neuerungswissen geschaffen und ist dieses wenigstens teilweise impliziter oder nicht-artikulierbarer Natur, so fuhrt dies zu der Existenz einer Teamproduktionsfunktion. Der Output des gesamten Teams ist dann größer als die Summe des Outputs, den die Wirtschaftssubjekte in separierter Produktion zu erzielen in der Lage sind. Im Extremfall ist der Output bei getrennter Produktion gleich Null, weil die Wirtschaftssubjekte vollständig auf eine gemeinsame Durchfuhrung der notwendigen Routinen angewiesen sind. Eine technologisch separierbare Schnittstelle ist demnach nicht zu definieren, und es handelt sich daher um einen Aspekt, der einer institutionenökonomischen Analyse im traditionellen Ansatz von Williamson verschlossen bleibt. Wie bereits angefiihrt, scheinen seine Überlegungen fur einen solchen Fall die Hierarchie als einzig mögliche institutionelle Struktur zu implizieren. Einem solchen Schluß steht jedoch zum einen der empirische Befund gegenüber, wonach strategische Kooperationen zur Generierung verankerten Neuerungswissens nicht selten zu beobachten sind. 33 Zum anderen gibt es theoretische Gründe dafiir, daß technologische Nichtseparabilitäten ebenfalls innerhalb einer Vielzahl alternativer vertraglicher Konstruktionen zwischen rechtlich selbständigen Wirtschaftssubjekten geregelt werden können. 36 So sind strategische Allianzen einer Integration von Ressourcen immer dann vorzuziehen, wenn deren Nachteile, die sich insbesondere aus der gegenseitigen Abhängigkeit der Vertragspartner ergeben, deren Vorteile überwiegen. Die Abhängigkeiten resultieren allgemein aus Investitionen in teamspezifische Ressourcen, wie in Kapitel IV ausgefiihrt wurde. Wird im

55 lllustrierend sei auf das Beispiel der strategischen Allianz zwischen General Motors und der japanischen Unternehmung Fanuc hingewiesen, wie es bei Badaracco (1991), S. 129fT. beschrieben wird. Weitere Beispiele ebendort, S. 123fT. sowie Duchi/Bolton (1988), S. 14fT. und Langlois (1990). 36 Vgl. z.B. Foray (1991 ), S. 394.

144

V. Transaktionskostenökonomische Analyse von hmovationen

Team verankertes Wissen geschaffen, so ist es den einzelnen Teammitgliedern bei einer vorzeitigen Beendigung der Interaktion allenfalls begrenzt möglich, das generierte Wissen zu nutzen. Wissensverankerung steigert somit das Problem der Abhängigkeit und damit die Bedeutung einer Absicherung teamspezifischer Quasi-Renten durch institutionelle Regelungen. Das Ausmaß teamspezifischer Investitionen und damit die Höhe der QuasiRente ist von der Entlohnung abhängig, die ein Wirtschaftssubjekt außerhalb der Interaktion im Team erwirtschaften kann. Eine Generierung von Neuerungswissen im Team bewirkt eine vergleichsweise starke Zunahme der Quasi-Rente, weil damit die Erzielung von Vorsprungsgewinnen bzw. Innovationsrenten durch das Team verbunden ist. Die Entlohnung des Teams ist umso höher, je stärker dessen komparative Vorteile im Wettbewerb mit konkurrierenden Teams ausgeprägt sind. Die Generierung von Neuerungswissen durch ein Team eröffnet daher lukrative Möglichkeiten fiir einzelne Teammitglieder, Quasi-Renten anderer Teammitglieder zu erpressen, indem sie mit einem Austritt aus dem Team drohen. Diese Drohung wird dann glaubhaft, wenn sich die Möglichkeit einer hohen Entlohnung auch in anderen Interaktionen bietet und damit dem drohenden Wirtschaftssubjekt bei Zusammenbruch der Interaktion keine Quasi-Rente verloren geht. Eine hohe Entlohnung wird Mitgliedern innovativer Teams schon deshalb von Konkurrenten geboten werden, weil sie damit die Vorsprungssituation beseitigen können. Allein die theoretische Möglichkeit eines solchen Angebotes macht eine Drohung bereits glaubwürdig, sie braucht deshalb de-facto nicht zu existieren. Je umfangreicher Neuerungswissen generiert und damit teamspezifische Investitionen vorgenommen werden, umso mehr werden die beteiligten Wirtschaftssubjekte daher eine Absicherung ihrer Quasi-Rente vornehmen. Allgemein werden sie eine Koalition bilden, die institutionelle Regelungen darüber vorsieht, wie die Entscheidungsrechte über die Verwendung der eingebrachten Ressourcen verteilt werden und nach welcher Regel die Aufteilung des Interaktionsergebnisses erfolgen soll. Letzteres beinhaltet auch die Verteilung von Sicherungsleistungen (hostages) bei Abbruch der Interaktion. Dabei wird dasjenige institutionelle Arrangement gewählt werden, das die Kosten der Interaktion minimiert. Eine Integration stellt unter den alternativ möglichen Arrangements den theoretischen Extremfall dar. Dieser wird dann gewählt werden, wenn ein sehr

D. Die Verankenmg von Wissen

145

hoher Anteil an der Entlohnung der beteiligten Wirtschaftssubjekte eine Quasi-Rente darstellt. Denn durch einen Abbruch der Interaktion würden die eingebrachten Ressourcen praktisch vollständig entwertet, und daher ist eine Absicherung in Form einer Integration notwendig. Der Vorteil von Kooperations/tJsungen gegenüber einer Integration von Ressourcen besteht in der zeitlich und sachlich begrenzten Ausnutzung von Synergien bei der Wissensgenerierung. Ist das Ziel der Interaktion erreicht, kann die Zusammenarbeit mit geringerem Ressourcenaufwand beendet werden, als dies für die Integrationslösung der Fall ist. Gleichzeitig ist eine Beschränkung der Zusammenarbeit auf diejenigen Aktivitäten möglich, bei denen eine Teamproduktion durchgeführt wird, ohne daß dabei auch solche Bereiche integriert werden, fiir die dies nicht der Fall ist. Für den Aspekt der Wissensverankerung ist darüber hinaus von Bedeutung, daß im Vergleich zur horizontalen Integration57 eine Kooperation den Vorteil hat, daß ein Transfer des allianzspezifischen Wissens in die beteiligten Unternehmen durch die institutionelle Einbindung der Allianz gewährleistet wird. Diesem und dem Vorteil der Flexibilität steht allerdings der Nachteil gegenüber, daß die entstehenden Abhängigkeiten regelmäßig schwerer zu bewältigen sind als durch eine Integration. Die voranstehenden Überlegungen bieten die Möglichkeit einer Begründung fiir die in der Literatur weitverbreitete These, daß strategische Kompetenzen bzw. Kernkompetenzen grundsätzlich innerhalb von Unternehmensgrenzen angesiedelt sind. Darunter werden die Fähigkeiten verstanden, die Unternehmen komparative Vorteile gegenüber Konkurrenten sichern. 58 Das in Unternehmen verankerte Wissen beeinflußt ihre Produktionsmöglichkeiten.

57 Hiennit ist eine horizontale Bündelung von Nachfrage innerhalb einer Unternehmensgrenze verbunden. Über den Bedarf der integrierenden Unternehmwtg hinausgehender Output wird am Markt abgesetzt. Es sei darauf hingewiesen, daß die horizontale Integration hier mit einer institutionentJkonomischen Argumentation begründet wird, während dies im Ansatz von Williamson, wie er in Abschnitt III.C dargestellt wurde, systematisch auf produktionstheoretischen Skaleneffekten beruht.

58 Vgl. hierzu z.B. Picot (1991), Prahalad/Hamel (1990), Teece (1988), insbesondere S. 265 und Reve ( 1990), S. 137: "Core skills are of high asset specificity and can only be governed internally." Älmlich kann das Konzept zentraler Faktoren bei Bonus ( 1986) interpretiert werden. 10 Dornrös

146

V. Transaktionskostenökonomische Analyse von hmovationen

und so wie ihr Wissen sind auch die Produktionsmöglichkeiten unter anderem eine Funktion der in der Vergangenheit durchgeführten Aktivitäten. Für die mit der Zeit wachsende Wissensbasis von Unternehmen wird entsprechend auch der Begriff "dynamic capabilities" verwendet. 59 Diese Sichtweise steht in auffallendem Widerspruch zur neoklassischen Unternehmenstheorie, fur die Produktionsaktivitäten auf die Kombination homogener Inputfaktoren bzw. Ressourcen60 durch repräsentative, und damit auf der Grundlage allgemein verfugbarer Technologien operierender6 1 Unternehmen reduzierbar sind, und die demzufolge ein quasi "geschichtsloses" Phänomen darstellen: "(P)roduction functions and hence firms can be eliminated or replicated with amazing alacrity, as when prices a whisker above competitive Ievels attract new entrants."62 Das Konzept des in Teams verankerten Wissens berücksichtigt demgegenüber die Abhängigkeit der in einer Unternehmung verbundenen Ressourcen und erklärt damit, warum zu deren Absicherung institutionelle Arrangements zwischen den beteiligten Ressourcenbesitzern vereinbart werden. Eine Erklärung, welche spezielle Form dabei unter den möglichen institutionellen Alternativen gewählt wird, ist allein innerhalb des Programms einer komparativen Institutionenanalyse möglich, wie sie das Anliegen dieser Arbeit darstellt. Daß eine Verankerung von "dynamic capabilities" in Hierarchien bewältigt wird, ist darin nicht Voraussetzung, wie z.B. in der auf technologischen Argumenten basierenden evolutorischen Ökonomik,63 sondern Ergebnis eines Institutionenvergleichs.

59

Vgl. z.B. Chandler(l992), S. 491.

60 Vgl. Dietl (1993), S. 61 Vgl. Nelson 62

184.

(1972), S. 36ff.

Teece (1982), S. 43.

63 Vgl. die Gegenüberstelhmg von Transaktionskostenökonomik lUld evolutorischer Okonomik bei Winter (1991), S. 186ff. Erstere ordnet er dem Austauschparadigma zu, in dem das Problem der VertragsgestaltlUlg das Problem der Produktion dominiere, letztere demgegenüber dem Produktionsparadigma. Verbindendes Element sei die Annahme begrenzter Rationalität. Während aber filr die Transaktionskostenökonomik die Transaktion das Grundelement der Analyse darstelle, sei es filr die evolutorische Ökonomik die Unternehmung als "repository of productive knowledge". In den voranstehenden Überlegilllgen wurde begründet, daß eine Integration des Konzepts

D. Die Verankerung von Wissen

147

3. Der Transfer verankerten Wissens Nicht nur fur die institutionelle Gestaltung der Generierung von Innovationen in Teams kommt dem Aspekt der Wissensverankerung Bedeutung zu, sondern auch dann, wenn ein Ionovator zur Verwertung seines Neuerungswissens auf komplementäres Wissen angewiesen ist, das außerhalb seiner Grenzen in anderen Teams verankert ist und daher nur schwer austauschbar ist. Eine Übertragung des Wissens in Form kodifizierter Blueprints ist dann nicht möglich, sondern kann nur durch eine direkte Interaktion mit dem Team, das komplementäres Wissen gespeichert hat, erfolgen. 64 Der Ionovator kann nun im vorhinein nicht feststellen, welchen Wert das im Rahmen der Interaktion transferierte Wissen fur ihn haben wird. Der Inhaber komplementären Wissens kann genausowenig abschätzen, welche Kosten ihm fur den Transfer entstehen. Wie bereits in Abschnitt V.C erläutert, ist eine umfassende vertragliche Regelung aufgrund von Informationskosten unmöglich. Zudem ist die Erfiillung von dem möglichen opportunistischen Verhalten der Vertragspartner abhängig. Ist eine Vertragspartei während der Durchfuhrung der Transaktion mit spezifischen Investitionen in Vorleistung getreten, so ist die daraus resultierende Quasi-Rente von einer Beraubung bedroht. Einfache Markttransaktionen stellen hier somit ein ineffizientes institutionelles Arrangement dar, weil dabei eine Absicherung von QuasiRenten nicht gewährleistet wird.65 Eine extreme Alternative stellt die Integration eines Teams dar, das komplementäres Wissen besitzt. Hierdurch werden zwar Anreize zu opportunistischem Verhalten gesenkt und eine Verhaltenskontrolle erleichtert. Als Nachteil sind jedoch die in Hierarchien regelmäßig verminderten Leistungseines in Teams verankerten Wissens in den transaktionskostenökonomischen Ansatz möglich ist, wenn auf die Implikationen abgehoben wird, die das Konzept ft1r die institutionelle Gestaltung der dafllr notwendigen Interaktionen hat. Eine Analyse mit dem Grundelement der Transaktion (in der Interpretation als Interaktion, wie sie in Kapitel IV vorgenommen wurde) ist also auch unter diesen Bedingungen möglich. 64 Vgl. Rennart (1988), S. 366 und Powell (1990), S. 316f.

6 5 Der Wert der Information ist ft1r den Käufer so lange unbekannt, wie er die Information noch nicht besitzt. Hat er sie aber kostenlos erhalten, so wird er nicht mehr bereit sein, einen Preis zu entrichten. Dieses "fundamentale Paradoxon der Infonnation" geht auf Arrow zurück; vgl. Teece (1982), S. 51. 10•

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V. Transaktionskostenökonomische Analyse von Innovationen

anreize zu berücksichtigen, weil eine Entlohnung der Individuen nicht mehr direkt leistungsbezogen erfolgt. Zudem, und dies ist ein fur die Analyse von Innovationen bedeutender Aspekt, ist die Übertragung des Wissens eine temporär begrenzte Transaktion. Eine Integration weist unter diesen Bedingungen Flexibilitätsnachteile gegenüber institutionellen Arrangements auf, die, wenn das Erfordernis der Interaktion nicht mehr besteht, weniger kostspielig beendet werden können. Ein weiteres Argument läßt sich wiederum aus den Eigenschaften impliziten Wissens ableiten. Ist das betrachtete Team Teil einer Unternehmung, so kann eine Aquisition durch eine andere Unternehmung aus folgendem Grund problematisch sein. Auch in der Art der Unternehmensorganisation ist wenigstens teilweise ein Wissen verankert, das nicht artikuliert und transferiert werden kann. Dieses ist in den Routinen gespeichert, die zwischen dem betrachteten Team und anderen Teilen der Unternehmung und zwischen den Teammitgliedern selbst ablaufen. Wenn aber nicht explizierbar ist, warum das Team erfolgreich ist, gehen dessen Fähigkeiten durch eine Integration in eine andere Unternehmung verloren, wenn die erfolgreichen Routinen gestört werden. Dies ist eine Erklärung für das in der Literatur häufig zitierte Phänomen, daß durch eine Integration gerade die Ursachen der Integration bzw. die Fähigkeiten des Teams verloren gehen können.66 Gegen Integrationslösungen werden weiterhin Restriktionen in der Verfügbarkeil von Führungskapazitäten und Kapital vorgebracht. Es sei undenkbar, daß eine Unternehmung sich sämtliches komplementäre Wissen durch Integration beschafft. Diesen Argumenten muß allerdings entgegengehalten werden, daß sie fiir sich genommen keine ökonomische Begründung dafiir liefern, warum nicht letztlich auch alle Aktivitäten in einer Unternehmung zusammengefaßt werden können, wie es Coase bereits in seinem Beitrag von 1937 anmerkte. Kooperationen, wie sie strategische Allianzen darstellen, erlauben eine stärkere Ausnutzung von Leistungsanreizen und eine größere Flexibilität als Integrationslösungen bei gleichzeitiger Verminderung der Gefahr opportunistischer Ausbeutung von Quasi-Renten. Letzteres ist nach Hennart

66 Vgl. z.B. Badaracco (1991), S. 121. Häufig wird dies mit einem Verlust der

Unternehmenskultur bzw. dem Zusammentreffen zweier verschiedener Unternehmenskulturen erklärt. Vgl. z.B. Backhaus (1992), S. 231f.

D. Die Verankerung von Wissen

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insbesondere durch gegenseitige Kapitalverflechtungen gewährleistet. Diese werden urnso eher eingegangen, je mehr ein Transfer solchen Wissens erfolgt, das einen impliziten Charakter aufweist. 67 4. Wissensverankerungen und kumulative Innovationsprozesse

In den beiden vorangegangenen Abschnitten wurde der kumulative Charakter von Wissensverankerungen in Teams von Wirtschaftssubjekten (dynamic capabilities) auf seine institutionenökonomischen Implikationen hin untersucht. Dabei blieb die Perspektive auf den einzelwirtschaftlichen Bereich beschränkt. Auch die gesamtwirtschaftlich ausgerichtete Innovationsforschung analysiert das Phänomen, daß vielfach ein technologischer Zusammenhang zwischen zeitlich aufeinanderfolgenden Innovationsprozessen existiert. Danach vollzieht sich technologischer Wandel auf sogenannten Trajektorien oder Innovationspfaden, deren Verlauf in erheblichem Ausmaß von der technologischen Entwicklung in der Vergangenheit determiniert wird. 68 Eine Ursache kann in der kumulativen Eigenschaft technologischen Wissens gesehen werden. Innovationsprozesse setzen an Problemen an, die nach dem Stand der bisherigen Entwicklung ungelöst sind, und verwenden Problemlösungsstrategien, die auf dem in der Vergangenheit gebildeten Wissen aufbauen. Technologischer Fortschritt weist demnach die Eigenschaft der Pfadabhängigkeit auf. 69 Im Zusammenhang mit einzelwirtschaftlichen Wissensverankerungen können aus solchen gesamtwirtschaftlichen Pfadabhängigkeiten Implikationen für die Institutionenanalyse abgeleitet werden. Die Fähigkeit von Wirtschaftssubjekten, an der technologischen Entwicklung in Form von Innovationen teilzuhaben, ist von deren Zugang zu dem technologischen Wissensstand

67 Vgl. Hennart (1988), S. 366. Milgrom und Roberts nennen als Beispiel die temporäre Kooperation zwischen General Motors und Toyota in Form von New United Motors Manufacturing, Incorporated (NUMMI). Dabei ging es um die Übertragung des in den Produktionsmethoden von Toyota und den Marketing- und Geschäftsmethoden von GM verankerten Wissens, vgl. Milgrom!Roberts (1992), S. 77f. 68 Vgl. Dosi (1988), S. 1128ff. 69 Vgl. Teece (1988), S. 266.

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V. Transaktionskostenökonomische Analyse von Innovationen

abhängig, den der betrachtete Entwicklungspfad erreicht hat. Wissensverankerungen bewirken, daß Teams oder Unternehmen, die nicht an der vorangegangenen Entwicklung partizipiert haben, komparative Nachteile im Innovationsprozeß haben. 70 Eine Beseitigung dieses Nachteils und ein Anschluß an die technologische Entwicklung kann durch Interaktionen mit Teams oder Unternehmen erfolgen, die das notwendige Wissen gebildet haben.71 Dies wurde im vorherigen Abschnitt diskutiert. Erst bei einem sogenannten regime shift, also am Ende eines "alten" und dem Beginn eines "neuen" Innovationspfades, haben neu eintretende Unternehmen keinen Wettbewerbsnachteil mehr gegenüber alteingesessenen.

E. Systemische Innovationen Unter den Begriffsystemische Innovationen lassen sich verschiedene in der Literatur diskutierte Phänomene subsumieren, die horizontale, vertikale und diagonale technologische Interdependenzen von Innovationsprozessen betreffen. Horizontale Interdependenzen existieren, wenn verschiedene innovative Lösungen auf den gleichen Märkten in Konkurrenz zueinander treten. Anband der in jüngster Zeit entwickelten Theorie der Standardisierung werden in Abschnitt V.E.l Bedingungen aufgezeigt, unter denen eine horizontale Interaktion zwischen Ionovatoren zur gemeinsamen Etablierung eines Systemstandards erwartet werden kann. Vertikale Interdependenzen treten immer dann auf, wenn Innovationen in einem Teil eines Systems Änderungsbedarf in anderen Teilen hervorrufen. Dann ist eine Koordination zwischen den beteiligten Wirtschaftssubjekten notwendig, für die institutionelle Auswirkungen in Abschnitt V.E.2 analysiert werden. Wirken sich Innovationen auf verschiedene Industrien aus, weil sie gemeinsame Kerntechnologien betreffen, so kann von diagonalen Interdependenzen gesprochen werden. Die institutionelle Ausgestaltung der daraus resultierenden Interaktionen werden in Abschnitt V.E.3 untersucht.

70 Vgl. Coombs (1988), S. 303.

71 Vgl. Teece (1992), S. 13 und Hladik (1988), S. 190. Dunsch (1992) bezeichnet dies als die Bildung eines Kompetenzverbundes mit der Möglichkeit "strategischen Lernens". Von Hippe/ (1989) analysiert informelle Formen von Know-how-Übertragung zwischen Konkurrenten.

E. Systemische Innovationen

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1. Die ökonomische Theorie der Standardisierung

In den bisherigen Überlegungen wurde implizit angenommen, der Nutzen innovativer Produkte oder Prozesse sei nicht von deren Verbreitungsgrad, sondern allein von deren Produkteigenschaften und deren Verwendungszwecken abhängig. Dies korrespondiert mit der für die traditionelle neoklassische Konsumtheorie charakteristischen Vorgehensweise, soweit sie nicht Mitläufereffekte berücksichtigt. 72 Durch die Beschränkung auf sogenannte Singulärgater73 werden allerdings bestimmte Phänomene einer genaueren Analyse unzugänglich, die sich aus dem Systemcharakter von Gütern bzw. Innovationen ergeben und in jüngster Zeit zunehmend an Bedeutung gewinnen. Bei SystemgUtern ist der Nutzen auch von der Verbreitung des Gutes abhängig, weil sogenannte positive Netzwerkexternalittiten auftreten. 74 Je größer die Gesamtzahl der Anwender, desto größer ist der marginale Nutzen eines einzelnen Anwenders. Damit ist das Verhalten der Nachfrager interdependent. Dieses Phänomen kann z.B. bei der Nutzung von Computersystemen festgestellt werden. So nehmen mit der Zahl der Anwender eines bestimmten Betriebssystems die Möglichkeiten zum Austausch von Daten und Programmen und damit tendenziell der Nutzen jedes Anwendcrs zu. Ein anderes Beispiel sind Kommunikationsnetze: Jeder zusätzliche Nutzer erweitert die Kommunikationsmöglichkeiten der bereits am Netz angeschlossenen Nutzer, und sein Nutzen ist gleichfalls von der Anzahl der bisherigen Netzteilnehmer abhängig. Der so beschriebene Effekt wird in der Literatur auch mit dem Begriff "direkte positive Anwenderexternalitäten" belegt. Dies im Unterschied zu indirekten positiven Anwenderexternalitäten, die aus statischen und dynamischen positiven Skalenerträgen resultieren. Statische Skalenerträge ergeben sich z.B., wenn ein hoher Fixkostenaufwand unabhängig von der Zahl der Teilnehmer für die Installierung eines Netzes getragen werden muß oder die Kosten bei Zunahme der Nutzerzahl unterproportional steigen. Dynami-

72 Vgl. Schumann (1992), S. 95ff.

73 Vgl. Weiber(l992), S. 15. 74 Vgl. Rieck(l993), S. 49.

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V. Transaktionskostenökonomische Analyse von Innovationen

sehe Skalenerträge beruhen auf von der Größe und Nutzungsdauer des Netzes abhängigen Lemkurveneffekten.

Eine Ausnutzung von Netzwerkextemalitäten ist zwingend an die Einhaltung von Standards gebunden, die eine Kompatibilität zwischen den Teilen des Systems sicherstellen. Unter einem Standard werden dabei allgemein "Regeln über die Beschaffenheit von Dingen oder Prozeduren"75 verstanden. Eine Generierung solcher Regeln wird als Standardisierung bezeichnet. Der in den letzten Jahren entwickelte Zweig der "Theorie der Standardisierung" untersucht die Ursachen und Wirkungen der Herausbildung von Standards. 76 Sie ist Grundlage der folgenden Überlegungen. Eine Standardisierung erfolgt entweder durch Marktprozesse oder administrative Prozesse. Ersteres fuhrt zu sogenannten de-facto-Standards, letzteres zu sogenannten de-jure-Standards. Für den vorliegenden Analysezweck ist allein die marktprozeßvermittelte77 Standardisierung von Interesse. Hier wird zwischen geförderten (sponsored) und nicht-geförderten (unsponsored) Standardisierungsprozessen unterschieden. Im folgenden wird zu zeigen sein, warum und unter welchen Bedingungen Ionovatoren Anreize haben, von nicht-gef