Marktorientierte Bankenregulierung: Eine ökonomische Analyse unter besonderer Berücksichtigung der Einlagensicherung [1 ed.] 9783896448873, 9783896731579

Durch Verknüpfung der modernen Banktheorie mit der Institutionenökonomik werden Grundlagen für die Diskussion und Forten

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Marktorientierte Bankenregulierung: Eine ökonomische Analyse unter besonderer Berücksichtigung der Einlagensicherung [1 ed.]
 9783896448873, 9783896731579

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Marktorientierte Bankenregulierung

Schriftenreihe Finanzierung und Banken Herausgegeben von Prof. Dr. Detlev Hummel

Band 2

Philip Steden

Marktorientierte Bankenregulierung eine ökonomische Analyse unter besonderer Berücksichtigung der Einlagensicherung

Verlag Wissenschaft & Praxis

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Steden, Philip: Marktorientierte Bankenregulierung : eine ökonomische Analyse unter besonderer Berücksichtigung der Einlagensicherung / Philip Steden. - Sternenfels : Verl. Wiss, und Praxis, 2002 (Schriftenreihe Finanzierung und Banken ; Bd. 2) Zugl. : Potsdam, Univ., Diss., 2001 ISBN 3-89673-157-2

ISBN 3-89673-157-2

© Verlag Wissenschaft & Praxis Dr. Brauner GmbH 2002 D-75447 Sternenfels, Nußbaumweg 6 Tel. 07045/930093 Fax 07045/930094

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Printed in Germany

Geleitwort des Herausgebers Im vorliegenden Band der Schriftenreihe Finanzierung und Banken wendet sich der Autor der „marktorientierten Bankenregulierung“ zu. Staatliche Regu­ lierungen konnten Bankenkrisen oder auch signifikante Probleme im Banken­ sektor nicht verhindern. So erscheint es notwendig, nicht nur die Corporate Governance Strukturen und Risikomanagementsysteme, sondern auch die An­ sätze der Bankenaufsicht und die Sicherungseinrichtungen zu überprüfen. Die Frage nach der Art und Weise von Bankenregulierungen für eine volks- und betriebswirtschaftliche Schadensminderung und Stabilisierung des sich stark verändernden Finanzdienstleistungssektors erhält eine herausragende Bedeutung.

Wissenschaft, Verbände, Regulierungsbehörden und das Bankmanagement müssen sich den neuen Rahmenbedingungen und dem Wettbewerb sowie den unausweichlichen Risiken der Märkte stellen. Über bewährte und neue Konzepte der Bankenaufsicht muß im Interesse der Effizienz und systemischen Stabilität nachgedacht werden. Dies zeigen die schwierigen Anpassungsprozesse im Ban­ ken- und Finanzsektor auf dem Wege zu „Basel 11“, da marktgerechte, risikosen­ sitive Management- und Aufsichtspraktiken überholte Pauschalbewertungen ersetzen müssen. Dabei sind die Hauptfragen nicht im Bereich der mathematisch-statistischen Methodik zu lösen, sondern eher in der Generierung repräsentativer Datenmen­ gen und der praktischen Umsetzung. Vor allem aber muß in der Diskussion zukunftsfähiger, neuer Ansätze für eine adäquate Bankenregulierung ein Forschungsschwerpunkt liegen. Angesichts des dynamischen Strukturwandels der internationalen Finanzmärkte und der sich auflösenden nationalen Bankenund Börsensysteme gerade in Europa eine große Herausforderung.

Der Autor wendet sich gegen allumfassende staatliche Regulierungen des Bankensektors. Die Instabilität von Bankensystemen oder Schieflagen von Kre­ ditinstituten sind nicht einer unzureichenden Regulierungsdichte geschuldet. Regulierungen können auch falsche Anreize setzen. Dies zeigen internationale Vergleiche im Rahmen der Theoriediskussion und Praxis. Der Autor leistet einen wichtigen Beitrag zum ganzheitlichen Umgang mit Banken- und Finanzmarktri­ siken und legt theoretische Grundlagen für die Fortentwicklung der Bankenregu­ lierung. Insbesondere werden zudem unterschiedliche Ansätze für die Absicherung von Bankeinlagen und die sich daraus ergebenden Konsequenzen untersucht. Einlagensicherungssysteme existieren mittlerweile in fast allen Staaten der Welt. Die Frage nach deren Effizienz und Ausgestaltung muß trotz ihrer hohen

Sensibilität und gerade wegen der hohen politischen Bedeutung immer wieder ökonomisch gestellt werden. Gestaltungsparameter, organisatorische Veranke­ rung, Prämienstruktur u. a. Fragen der Einlagensicherungssysteme werden kri­ tisch beleuchtet. Aus den theoretischen und empirischen Analysen werden interessante und originelle Erkenntnisse und Reformvorschläge, selbstverständ­ lich aber keine endgültigen statischen Lösungsvorschläge, abgeleitet. Marktori­ entierte Regulierungsansätze, kooperative Formen oder freiwillige Selbstkontrollen sowie die Regulation durch Marktdisziplin u. a. Thesen sind keineswegs unproblematisch. Die Gestaltung und Anpassung der Bankenregulie­ rung sowie der Einlagensicherung als deren Teilbereich ist gemäß sich verän­ dernder Geschäftsbanken und Märkte als Prozeß zu verstehen.

Ich wünsche der außerordentlich interessanten Arbeit eine gute Aufnahme in der Wissenschaft, bei interessierten Praktikern in der Bankwirtschaft und Regulierungsbehörden, darüber hinaus generell allen an den Finanzmärkten Interessierten.

Potsdam, im März 2002

Prof. Dr. Detlev Hummel

Vorwort

“The best time to fix a hole in the roof ofyour house is when the sun is shining. ” volkstümliches amerikanisches Sprichwort

Bankenregulierung ist ein spannendes und aktuelles Thema. Zu Beginn mei­ ner Beschäftigung mit dem Bereich der Bankenregulierung war das Thema je­ doch nicht besonders en vogue in der Wissenschaft. Auch in der Politik und der Regulierungspraxis glaubte man gerne an das bewährte deutsche System der Bankenregulierung und sah wenig Grund, es fortzuentwickeln oder gar prinzi­ piell in Frage zu stellen. Durch die Schieflagen und Beinahe-Pleiten mehrerer Institute in den letzten Jahren ist dieser Glaube ins Wanken geraten. Das obige Sprichwort hat sich daher gegen Ende der Forschungsarbeit bewahrheitet: Wenn wenig Bankeninsolvenzen zu konstatieren sind, läßt sich noch lange nicht fol­ gern, daß die vorherrschende Bankenregulierung eine gelungene Konstruktion darstellt! Reformen der Bankenregulierung sind leichter und in größerer Ruhe durchzuführen, wenn die Kreditinstitute nicht unter Druck stehen.

Das vorliegende Buch liegt an der Schnittstelle zwischen der Betriebswirt­ schaftslehre und der Volkswirtschaftslehre und behandelt weniger Details der Bankenregulierung, als vielmehr die grobe Konzeption und Denkrichtung der Beeinflussung des Bankverhaltens. Im Laufe der Arbeit wurde immer klarer, was staatliche Regulierung leisten kann, wo ihre Grenzen liegen und welche uner­ wünschten Begleiterscheinungen auftreten können, insbesondere auch, welchen positiven Einfluß allein Marktdisziplin auf das Bankverhalten ausüben kann. Dieser auch ohne staatliches Tun funktionierende regulative Wirkungszusam­ menhang wird leider häufig übersehen, besonders dann, wenn die Beschäftigung mit Detailregelungen den Blick fürs Wesentliche verstellt und aktuelle Krisen die Politik scheinbar zum Handeln und Konzipieren neuer Regeln zwingen. Trägt dieses Buch zur Verbreitung von mehr Vertrauen in die Marktdisziplin bei und schärft den Blick für ungewollte Seiteneffekte der Regulierung, dann ist ein we­ sentliches Ziel dieser Arbeit erreicht. Die vorliegende Doktorarbeit ist in Rahmen meiner Zeit als wissenschaftli­ cher Mitarbeiter an der Universität Potsdam entstanden, deren offene Diskus­ sionsatmosphäre viel zum Gelingen der Arbeit beigetragen hat.

Großer Dank gebührt meinem Doktorvater, Prof. Dr. Detlev Hummel, der meine Arbeit rückhaltlos unterstützte und der mir die Freiräume ließ, meiner wissenschaftlichen Neugier freien Lauf zu lassen - was auch gelegentliche Irr­ wege einschloß. Auch sprach er mir in „Durststrecken“ gut zu und ließ nie Zwei­ fel daran, daß er mit einem erfolgreichen Abschluß fest rechne.

Daneben möchte ich Prof. Dr. Bürklin für die Übernahme des Zweitgutach­ tens danken.

Viele andere haben ebenfalls zu der erfolgreichen Promotion und der interes­ santen Doktorandenzeit beigetragen. Meine „härtesten“ Kritiker und Freunde Dr. Hans-Jörg Aleff und Dr. Christoph Barth, die mit ihrer kontinuierlich skepti­ schen Grundhaltung viel Input während unserer unvergeßlichen, intensiven abendlichen Diskussionsrunden lieferten. Herausstellen möchte ich neben HansJörg Aleff auch Dana Tschirpig, die ebenfalls das Manuskript kritisch durchge­ sehen hat und wertvolle Kommentare geliefert hat, darüber hinaus bei der nächtlichen Endproduktion der Arbeit eine große Hilfe war, meine beiden dama­ ligen Mitbewohner, die gelegentlichen Frust abfangen durften, Alice Wichelhaus für das Vorangehen mit gutem Beispiel und Frau Steinbock als gute Seele und Integrationsfigur des Lehrstuhls. Stephan Dreyhaupt, Ulrike Weber und die ehe­ maligen Kollegen Dipl.-oec. Dirk Einicke, Dr. Ricardo Giucci, Dr. Cyrus de la Rubia sowie einige studentische Hilfskräfte wissen schon, warum Sie meine Pro­ motionszeit bereichert haben.

Vor allem aber möchte ich auch meinen Eltern danken, die mich die ganze Zeit moralisch unterstützt haben. Meiner Mutter, Dr. Elke Steden, auch für ihre Appelle zu mehr statischer und dynamischer Effizienz beim Promovieren und meinem Vater, Prof. Dr. Werner Steden, der über den gesamten Entstehungspro­ zeß der Arbeit ein intellektuell herausragender Diskussionspartner und Motivator war und ohne den ich vermutlich nie die Neugierde entwickelt hätte, wissen­ schaftlich zu arbeiten. Ihnen sei diese Arbeit gewidmet. Berlin, im März 2002 Philip Steden

IX

Inhaltsverzeichnis Abbildungsverzeichnis......................................................................... XIV

Tabellenverzeichnis.............................................................................. XVI

Abkürzungsverzeichnis....................................................................... XVII

I. Einleitung.............................................................................................. 1 1.

Einführung in die Problemstellung.................................................................. 1

2.

Zielsetzung und Aufbau der Arbeit................................................................. 4

2.1 Begriffsabgrenzung..................................................................................... 4 2.2 Gang und Ziele der Untersuchung.............................................................. 7

II. Theoretische Vorüberlegungen zu einer Analyse der Bankenregulierung.................................................................................. 11 1.

Vorbemerkung................................................................................................ 11

2.

Institutionenökonomik ................................................................................... 12

2.1 Charakterisierung der Neuen Institutionenökonomik............................. 13 2.2 Ansätze der Neuen Institutionenökonomik und Bezug zur Bankenregulierung.............................................................................. 16 3.

Regulierungstheorie und Theorie des Marktversagens ................................ 20 3.1 Normative Theorieund Marktversagen.....................................................20

3.2 Positive Theorie und Politikversagen.......................................................26 4.

Die Rolle von Bankinstitutionen im Finanzsektor und der Volkswirtschaft......................................................................................... 28

4.1 Tätigkeitsfelder......................................................................................... 28 4.2 Funktionen................................................................................................. 30

X

Inhaltsverzeichnis

III. Analyse traditioneller Bankenregulierung......................................35 1. Überblick und Ziele des Kapitels................................................................... 35

2. Mögliche Begründungen einer Regulierung.................................................. 36 2.1 Gläubigerschutz und Informationsasymmetrien..................................... 36

2.2 Schutz des Bankensystems zur Verhinderung von Instabilität, systemischen Bankenkrisen und resultierenden externen Effekten. 38 2.3 Kosten-Nutzen-Überlegungen zur Bankenregulierung......................... 42

2.3.1 Nutzen der Regulierung................................................................... 42 2.3.2 Regulierungskosten......................................................................... 44 2.3.3 Trade-off der Regulierung: Krisenkosten versus Regulierungskosten................................................................46

3.

Gründe für Bankzusammenbrüche............................................................... 49

3.1 Bankbetriebliche Risiken als Auslöser von Bankenkrisen......................50

3.2 Ursachen von Bankenkrisen..................................................................... 54

3.2.1 Makroökonomische Ursachen........................................................ 54 3.2.2 Mikroökonomische und firmenindividuelle Ursachen: Instabilität einer Bank........................................................... 55 3.3 Evidenz von Bankzusammenbrüchen...................................................... 58

4.

Vorgehensweise traditioneller Regulierung................................................. 60 4.1 Grundsätzliche Ansatzpunkte................................................................... 60

4.2 Quantitative Regulierungenspraxis inDeutschland..................................61

5.

Kritik an der Regulierungspraxis..................................................................64

5.1 Bewertungskriterien..................................................................................64 5.2 Effektivität................................................................................................ 65 5.3 Effizienz.................................................................................................... 69

IV. Alternative Regulierungskonzepte................................................... 73 1.

Vorüberlegungen........................................................................................... 73

2.

Wandel im Bankgeschäft und die Eröffnung neuer Regulierungsmöglichkeiten.......................................................................... 75

Inhalis Verzeichnis

XI

2.1 Technologischer und ökonomischer Wandel...........................................75

2.2 Empirische Trends in Deutschland...........................................................78 2.3 Konsequenzen........................................................................................... 84 3.

Marktorientierte Reformansätze.................................................................... 86

3.1 Qualitative Regulierung und Selbstregulierung...................................... 87 3.1.1 Grundüberlegung............................................................................ 87

3.1.2 Ansätze........................................................................................... 89

3.1.3 Das Konzept des Value-at-Risk als internes Risikomodell...........................................................91 3.1.4 Exkurs: „Basel II“- Der Reformvorschlag der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich................................ 93 3.1.5 Kritische Diskussion...................................................................... 98

3.2 „Regulierung“ durch den Finanzmarkt und Marktdisziplin.................. 103 3.2.1 Der Ausgangspunkt.......................................................................103 3.2.2 Das Grundkonzept.........................................................................104

3.2.3 Verzicht auf staatliche Regulierung und Ansätze freiwilliger Selbstkontrolle................................. 106 3.2.4 Ansätze zur Verbesserung der Marktdisziplin............................ 109

3.2.5 Kritische Diskussion alleiniger Regulierung durch Marktkräfte......................................................................... 112 4.

Empirischer Ländervergleich zu den Auswirkungen der Regulierungsintensität.................................................................................. 115

5.

Zwischenfazit............................................................................................... 120

V. Analyse der Einlagensicherung...................................................... 123 1.

Überblick und Ziele des Kapitels................................................................ 123

2.

Überlegungen zur Notwendigkeit einer Einlagensicherung....................... 125

2.1 Entstehung eines Runs infolge von Informationsmängeln und möglicher Instabilität im Bankensektor.................................... 125

2.2 Das Sicherheitsnetz zur Überwindung möglicher Instabilität im Bankensektor............................................................ 127 2.3 Funktion und Nutzen der Einlagensicherung......................................... 129

XII

Inhalts verzeich n is

3. Stand der deutschen Einlagensicherung im internationalen Vergleich.................................................................. 132

3.1 Evolution des deutschen Einlagensicherungssystem............................ 132

3.2 Regelungen auf europäischer Ebene....................................................... 136 3.3 Heutiger Stand der Einlagensicherung...................................................137 3.4 Vergleich zum amerikanischen Einlagensicherungssystem.................. 140 3.5 Internationaler Vegleich.......................................................................... 142

4. Aus der Einlagensicherung resultierende Probleme.................................... 144

4.1 Vorbemerkungen..................................................................................... 144 4.2 Fehlanreize.............................................................................................. 145

4.2.1 Theoretische Überlegungen zu Risikoanreizen........................... 145

4.2.2 Empirische Belege für zunehmendes Risikoverhalten............... 152

4.3 Belastbarkeit des Sicherungssystems..................................................... 157 4.3.1 Generelle Aussagen....................................................................... 157 4.3.2 Belastbarkeit der deutschen Einlagensicherung und Höhe der Sicherungstöpfe........................................... 159

VI. Lösungsvorschläge für die aufgeworfenen Probleme und Gestaltungsmöglichkeiten der Einlagensicherung........ 165 1.

Modellüberlegungen.................................................................................... 166

2.

Reduktion des Sicherungsniveaus............................................................... 170 2.1 Vollständiger Verzicht auf Einlagensicherung...................................... 170

2.2 Teilweiser Verzicht und begrenzte Absicherung................................... 176 3.

Risikobasierte Prämien................................................................................ 179

3.1 Vorbemerkung......................................................................................... 179 3.2 Aktuelle Prämienstruktur in Deutschland.............................................. 181 3.3 Kennzahlenorientierte Prämienberechnung........................................... 182 3.4 Kapitalmarktorientierte Prämienberechnung......................................... 186

3.4.1 Bewertung mit Bondspreads......................................................... 186 3.4.2 Der optionspreistheoretische Bewertungsansatz......................... 187

Inhalts Verzeichnis

XIII

3.5 Kalkulation risikoadäquater Prämien für deutsche Banken.................. 190

3.6 Zwischenfazit........................................................................................... 198 4. Weitere Optionen der Ausgestaltung der Einlagensicherung...................... 199

4.1 Direkte oder indirekte Sicherung........................................................... 199 4.2 Freiwillige oder erzwungene Einlagensicherung .................................. 200

4.3 Staatliche oder private Sicherung...........................................................203 4.4 Rückversicherung und gegenseitige Absicherung................................ 205 5. Kompensation der Fehlanreize durch marktorientierte Regulierungen und durch nachrangige Verbindlichkeiten....................206

6. Zusammenfassende Empfehlungen.............................................................. 209

VII. Zusammenfassung und Schlußbemerkung................................215

VIII. Summary....................................................................................... 221 Anhang.................................................................................................... 225

Literaturverzeichnis............................................................................... 229

XIV

A bbildungsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis Abb. 1: Marktliche Lösungen für das Problem der Informationsasymmetrie.................................................... 25

Abb. 2: Kosten der Bewältigung ausgewählter Bankenkrisen........................... 44

Abb. 3: Soziale Kosten und Nutzen der Regulierung......................................... 47 Abb. 4: Unternehmensfinanzierung in Deutschland.......................................... 78

Abb. 5: Prozentuale Unterbringung deutscher Aktien- und Rentenwerte........ 79 Abb. 6: Geldvermögen des inländischen nichtfinanziellen Sektors................... 80 Abb. 7: Zinsspanne deutscher Banken von 1970 bis heute............................... 81 Abb. 8: Um Zinsniveaueinflüsse bereinigte Zinsspanne der Banken.................83

Abb. 9: Alternative marktorientierte Regulierungsansätze............................... 86 Abb. 10: Eigenkapitalrentabilität vor Banken im internationalen Vergleich............................................. 116

Abb. 11: Streudiagramm Economic Freedom-Index versus

Financial Strength Rating von Banken............................. 119 Abb. 12: Systematik der Sicherungssysteme..................................................... 131 Abb. 13: Wert der Einlagensicherung gemäß derOptionspreistheorie............ 147 Abb. 14: Verteilungsfunktion des Eigenkapitals...............................................152 Abb. 15: Eigenkapitalquote deutscher Banken im Zeitablauf....................... 154

Abb. 16: Entwicklung der EK-Quote des Bankensektors in den USA

und Kanada....................................................................... 155 Abb. 17: Entwicklung der Passivpositionen aller Bankengruppen................. 160 Abb. 18: Trade-off zwischen Absicherungsgrad der Einlagensicherung

und Stabilität des Bankensystems......................................167 Abb. 19: Zielkonflikt zwischen Rendite und Risiko.......................................... 168

Abb. 20: Einfluß der Sicherungshöhe auf den Risikograd der Banken......... 177

Abbildungsverzeichnis

XV

Abb. 21: Mittlere Ausfallwahrscheinlichkeit von Unternehmen im Zeitraum 1920-1998..................................................... 185

Abb. 22: Risikoprämien bei Anleihen in Abhängigkeit vom Rating................ 187 Abb. 23: Geschätzte risikoadäquate Prämien versus Financial Rating..........194

Abb. 24: Renditeaufschlag versus Longterm-Rating....................................... 195 Abb. 25: Volatilität versus BIZ-Eigenkapitalquote.......................................... 196 Abb. 26: Geschätzte risikoadäquate Prämien versus Renditespread.............. 196 Abb. 27: Analyserahmen des Sicherheitsnetzes............................................... 210

XVI

Tabellen verzeichn is

Tabellenverzeichnis Tab. 1: Bonitätsgewichtungsfaktoren der Risikoaktiva.....................................64 Tab. 2: Risikogewichte der Risikoaktiva nach "Basel II"................................ 95

Tab. 3: Ergebnisse der Regressionsrechnung zum Einfluß der Regulierung auf die Rentabilität.......................................... 117

Tab. 4: Vergleich der Einlagensicherung in 21 Ländern................................ 143

Tab. 5: Moral Hazard und Investitionsentscheidung...................................... 149 Tab. 6: Höhe der Beitragsprämien der FDIC (Cents pro 100 $)................... 184 Tab. 7: Geschätzte risikobasierte Beitragsprämien zur Einlagensicherung

deutscher Banken nach dem Optionspreisansatz................................ 192 Tab. 8: Ausgewählte Risikokennziffern deutscher Banken.............................. 193 Tab. 9: Rangkorrelationsmatrix zwischen den Risikomaßen...........................197

Ahkürzungsverzeiehnis

Abkürzungsverzeichnis BAKred

Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen

BCG

Boston Consulting Group

Bd.

Band

BdB

Bundesverband deutscher Banken

BIF

Bank Insurance Fund

BIP

Bruttoinlandsprodukt

BIS

Bank for International Settlement, (siehe auch BIZ)

BIZ

Bank für Internationalen Zahlungsausgleich

BSP

Bruttosozialprodukt

CAPM

Capital Asset Pricing Model

DB

Zeitschrift „Die Bank“

DBW

Zeitschrift „Die Betriebswirtschaft“

DSGV

Deutscher Sparkassen- und Giroverband

EAG

Einlagensicherungs- und Anlegerentschädigungsgesetz

EdW

Entschädigungseinrichtung für Wertpapierhandelsunternehmen

EinlSR

Einlagensicherungs-Richtlinie

EK

Eigenkapital

EK-Quote Eigenkapitalquote et al.

et alteri

EU

Europäische Union

FAZ

Frankfurter Allgemeine Zeitung

FDIC

Federal Deposit Insurance Corporation

FDICIA

Federal Deposit Insurance Corporation Improvement Act

FED

Federal Reserve System (Notenbank der USA)

FIRREA

Financial Institutions Reform, Recovery, and Enforcemen Act

FSLIC

Federal Savings and Loans Deposit Corporation

IMF

International Monetary Fund

XVII

XVIII

A hkiirzungs Verzeichnis

IT

Informations-Technologie

IWF

Internationale Währungsfonds

JgJITE

Jahrgang

KfW

Kreditanstalt für Wiederaufbau

KonTraG

Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmen

KWG

Kreditwesengesetz

LLR

lender of last resort (Geldgeber der letzten Instanz)

MaH

Mindestanforderungen an das Betreiben von Handelsgeschäften

MFIs

Monetäre Finanzinstitute

MIS

Management-Informationssystem

NIÖ

Neue Institutionenökonomik

NYSE

New York Stock Exchange

ÖBA

Österreichisches Bankarchiv

OECD

Organisation for Economic Co-operation and Development

S & Ls

Savings and Loan Associations (amerikanische Sparkassen)

SAIF

Savings Association Insurance Fund

VaR

Value at Risk

VÖB

Bundesverband Öffentlicher Banken

WiSt

Zeitschrift ’’Wirtschaftswissenschaftliches Studium"

WISU

Zeitschrift ’’Wirtschaftsstudium’’

ZfgK

Zeitschrift für das gesamte Kreditwesen

Journal of Institutional and Theoretical Economics

I. Einleitung 1. Einführung in die Problemstellung Das Bankgeschäft ist risikobehaftet, die Bankensysteme der meisten Länder haben sich als fragil herausgestellt. Seit Beginn der 70er Jahre haben ca. 80 Län­ der trotz staatlicher Regulierung schwerwiegende Bankenkrisen erlebt.1 Der IWF stellt fest, daß seit 1980 von seinen 181 Mitgliedsländern 133 signifikante Pro­ bleme im Bankensektor hatten.2 Dabei waren Entwicklungs- und Industrieländer in gleichem Maße betroffen.3 Bankenkrisen führten zu volkswirtschaftlichen Schäden und Vermögensverschiebungen in beträchtlichen Dimensionen. Die Bewältigung der Bankenkrisen hat in vielen Fällen Kosten zwischen 20 % und 50 % des Sozialprodukts eines Landes verursacht.4 Von wenigen ist daher die Notwendigkeit bezweifelt worden, die Tätigkeit von Banken im Interesse größe­ rer Stabilität und Schadensminderung zu überwachen. Die entscheidende Frage ist stets nur gewesen, wer die Aufsicht übernehmen und auf welche Art und Weise die Regulierung erfolgen sollte. Für den Staat wird allgemein anerkannt, daß es seine Aufgabe sei, die Grund­ regeln für alle ökonomischen Aktivitäten festzulegen. Wegen der Fragilität des Bankensystems wird dies von Befürwortern staatlicher Bankenregulierung auch für die ökonomischen Aktivitäten der Banken anerkannt. Doch in der Rolle des ’’institutionellen Designers” hat der Staat im Bereich der Bankenregulierung und anderer Maßnahmen zur Sicherung der Stabilität des Bankensystems vielfach äußerst kontroverse und kostenträchtige Entscheidungen getroffen. Obwohl er große Anstrengungen zur Erhöhung der Stabilität einzelner Banken und des Ban­ kensystems unternahm und der Bankensektor wie kaum eine andere Branche umfassenden Regulierungsvorschriften unterworfen ist, waren Finanz- und Ban­ kenkrisen fast alltäglich. Das läßt den Erfolg staatlicher Bemühungen in diesem Bereich in kritischem Licht erscheinen.

1 2 3 4

Vgl. Stiglitz. (1999). Vgl. LINDGREN/GARCIA/SAAL (1996). Vgl. Goodhart et al. (1998), S. 1 f., S. 34. Vgl. BIZ (2000).

2

Kapitel /

Gleichwohl galt jede neue Schieflage von Kreditinstituten den Befürwortern staatlicher Bankenregulierung5, die meist von einer Instabilität des Bankensy­ stems ausgehen, als Beweis für eine noch immer unzureichende Regulierungs­ dichte. Gefordert wurden trotz der ständig zunehmenden Komplexität des Bankaufsichtsrechts eine Verfeinerung der Aufsichtsregeln, die Ausweitung der Kompetenzen der staatlichen Aufsichtsbehörden, universelle Mindeststandards und eine Harmonisierung der Bankenregulierung auf internationaler Ebene.

Demgegenüber wird in der vorliegenden Arbeit die These vertreten, daß die Bankenregulierung in der heute praktizierten Form keineswegs der effektivste und effizienteste Ansatz zur Lösung des beschriebenen Problems ist. Zwar zeigt sich, daß Finanzkrisen und Bankenkrisen häufig zusammenfielen.6 Jedoch waren dabei Banken nicht nur Opfer der Krisen; Bankzusammenbrüche waren häufig gerade die Ursache von Wirtschaftskrisen. Eine theoretische Analyse der Anreiz­ strukturen, denen das Bankenverhalten unterliegt, zeigt jedoch, daß Regulierung in derartigen Fällen vielfach falsche Anreize setzt, Banken zu dem Eingehen hoher Risiken verlockt und damit gerade zur Instabilität des Bankensystems beiträgt.

Paradoxerweise liegt eines der Hauptprobleme gerade in den Regulierungs­ maßnahmen, die geschaffen wurden, um ein Bankensystem sicherer zu machen. Banken sind deswegen inhärent instabil, weil sie das Versprechen machen, Sichteinlagen jederzeit auf Verlangen auszubezahlen. Das begründet ihre Anfäl­ ligkeit für sog. Runs7. Um einen Run zu vermeiden und das Vertrauen in das Bankensystem aufrecht zu erhalten, haben fast alle Staaten ein System aufgebaut, das die Verbindlichkeiten der Banken gegenüber den Einlegern garantiert, ent­ weder explizit durch ein Einlagensicherungssystem oder implizit durch das Ver­ sprechen, illiquide oder insolvente Banken zu retten. Was jedoch wie eine gute Nachricht für Einleger klingt, ist ein schlechtes System für alle anderen: Es schafft Anreize zu risikoreichem Verhalten der Banken. Der ungewollte Anreiz zu riskantem Verhalten entsteht wie folgt: Sind Bank­ einlagen abgesichert, so gibt es für die Einleger keinen Grund mehr, sich um ein vernünftiges Verhalten ihrer Bank zu sorgen. Wird eine Bank infolge einer leichtsinnigen Kreditvergabepolitik insolvent, so sind es nicht die Einleger, die den Schaden tragen müssen, sondern das (Einlagen-) Sicherungssystem oder der

5 6 7

Vgi. K.INDLEBERGER (1989). Vgl. Caprio/Klingebiel (1996). Unter einem Run (Bank-run) wird in Anlehnung an den angelsächsischen Sprachgebrauch der massenhafte Schalteransturm von Einlegern verstanden, die aus Furcht vor einem Zusammenbruch ihrer Bank ihre Einlagen abrufen wollen.

Einleitung

3

Staat. Für die Banken selbst bedeutet dies, daß sie in einer kritischen Situation weniger mit einem Abwandern ihrer Kunden bzw. einem Abzug von Einlagen rechnen müssen. Es ist daher keine allzu große Übertreibung zu sagen, daß Ein­ lagensicherung eine Bankenregulierung erst notwendig macht. Die Bankenregu­ lierung in ihrer bestehenden Form kommt aufgrund ihrer anreizinkompatiblen Ausgestaltung ihrem Ziel nicht besonders gut nach. In Hinsicht auf dieses Problem stellt sich die Frage, ob nicht eine weniger intensive Art der Regulierung besser geeignet ist, das Stabilitätsziel zu erreichen, was gleichzeitig mit einer Förderung der Effizienz des Finanzsystems, besserer Ressourcenallokation und Anpassungsfähigkeit des Bankensystems an verän­ derte Umweltbedingungen verbunden sein könnte. Auch stellt sich die Frage, inwieweit eine effektive Regulierung der Banken realisiert werden kann, ohne die Finanzinstitute in ihrer Aktivität stark zu behindern. Marktorientierte und kooperative Regulierungsansätze scheinen diesbezüg­ lich ein Potential für Lösungsansätze zu bieten. Ziel eines marktorientierten Re­ gulierungsansatzes müßte es sein, ein stabiles Finanzsystem zu schaffen, in dem Marktkräfte die Finanzströme und -preise bestimmen und in dem Banken im freien Wettbewerb miteinander stehen. Die Lösung müßte darauf hinaus laufen, die Verantwortung auf interne Kontrollen und Marktdisziplin zu übertragen. Daß trotz Bankenregulierung Bankenkrisen zustande gekommen sind, ist nämlich auch die Konsequenz herabgesetzter Marktdisziplin infolge der Einlagensiche­ rung.

Obwohl das Konzept der Einlagensicherung leicht verständlich ist, sind Sys­ teme der Einlagensicherung relativ komplexe Mechanismen. Sind sie schlecht konzipiert, sind sie nicht nur ein ineffektives Mittel zur Verhütung von Banken­ krisen, sie richten darüber hinaus Schaden an. Die Wirtschaftsgeschichte scheint dies zu belegen. Die Krise der japanischen Banken und die Sparkassenkrise der USA, bei der die von staatlichen Garantien ausgehenden Fehlanreize Banken zu übertriebenen Risiken veranlaßten und hohe Kosten beim Staat bzw. den Steuer­ zahlern verursachten, sind hierfür gute Beispiele.8 Daher müssen auch im Be­ reich der Einlagensicherung marktorientierte Konzepte entworfen und daraufhin überprüft werden, ob sich mit ihrer Hilfe die von der Einlagensicherung ausge­ henden Probleme besser lösen lassen.

Die relevanten Gestaltungsparameter und Konsequenzen eines Einlagensi­ cherungssystems sind vielfältig. Neben der Frage, welche Einlagen in welcher Höhe gesichert sein sollen, ist eine zentrale Frage, wie ein solches Sicherungssy-

8

Vgl. J()Ni:s/K()kATC H (1999), S. 3.

4

Kapitel I

stem organisatorisch verankert sein und wie sich die Ermittlung der Beitrags­ prämien bestimmen soll. Gerade das in Deutschland praktizierte System einer flachen Prämienstruktur bei der Finanzierung der Sicherungssysteme stellt auf­ grund seiner Anreizverzerrung ein großes Problem dar.

Aufgrund der Interdependenzen zwischen Einlagensicherungssystem, Bank­ verhalten und Bankregulierung muß jedoch zunächst das Problem der Bankenre­ gulierung abgeklärt werden. Die Frage nach der optimalen Gestaltung der Einla­ gensicherung ist nämlich nur in Verbindung mit einer Analyse der Bankenregulierung allgemein zu beantworten. Erst aus der Analyse stärker marktorientierter Regulierungen (Selbstregulierung, kooperative Ansätze, frei­ willige Selbstkontrollen, Marktdisziplin) lassen sich Aussagen ableiten, die eine notwendige Basis für die Analyse der Einlagensicherungssysteme bilden. Auf dieser Basis kann gezeigt werden, daß Einlagensicherungssysteme sich stärker marktorientiert ausgestalten lassen und zu einer besseren Lösung der aufgezeig­ ten Probleme beitragen können. Ziel dieser Arbeit ist es zu prüfen, ob ein derar­ tiger Ansatz der Bankenregulierung, der sich radikal vom bisherigen Konzept der Einlagensicherung unterscheidet, möglich und wünschenswert ist. Drohende Instabilität des Bankensektors scheint im Moment nicht von akuter Bedeutung in Deutschland zu sein.9 Trotzdem sollte sich gerade in „ruhigen44 Zeiten mit dem Problem beschäftigt werden, um nicht im Fall einer sich anbah­ nenden Krise zu hektischen, interventionistischen Maßnahmen greifen zu müs­ sen. Daher, und auch angesichts einer breiten Deregulierungstendenz in vielen anderen Branchen, sollte das Thema „Bankenregulierung und Einlagensiche­ rung” in Angriff genommen werden.

2. Zielsetzung und Aufbau der Arbeit 2.1 Begriffsabgrenzung Regulierung ist mittlerweile ein häufiges Thema in privaten und öffentlichen Diskussionen. Unter Regulierung, speziell dem Terminus „Bankenregulierung44, der sich von der „Bankenaufsicht44 abgrenzt, wird hier folgendes verstanden: Der Begriff der Regulierung kann aus ökonomischer Perspektive als ein spezieller Bereich der Wirtschaftspolitik bezeichnet werden. Folgt man der dreiteiligen for­ malen Klassifikation der wirtschaftspolitischen Instrumente in Ordnungs-,

Wenn man einmal von den Problemen der Bankgesellschaft absieht.

Einleitung

5

Struktur- und Prozeßpolitik, so ist die Regulierung der Ordnungspolitik zuzuord­ nen.10 Ordnungspolitik zeichnet sich dadurch aus, daß sie auf Dauer angelegt ist,11 und durch sie der Bedingungsrahmen wirtschaftlicher Beziehungen durch verbindliche, allgemeine und eindeutige Verhaltensregeln normiert wird.12 Staatliche Regulierung stellt einen direkten13, branchenspezifischen Eingriff des Staats in die Gewerbe- und Vertragsfreiheit und damit eine zielgerichtete staatli­ che Kontrolle und Steuerung der ökonomischen Unternehmensaktivitäten dar.14 Insbesondere ist die „...Reglementierung von Marktzutritten, Investitionen, Ka­ pazitäten, Produktions- und Absatzmengen, Preisen, Qualitäten sowie Kondi­ tionen...“15 gemeint. Natürlich sind Banken16, wie alle Unternehmen auch, durch Steuer-, Wettbewerbs- oder Umweltgesetze etc. reguliert. Hieran ist jedoch we­ niger gedacht. Bankenregulierung bezeichnet demnach Eingriffe des Staats, die das Handeln von Kreditinstituten in der oben beschriebenen Weise begrenzen. Sie umfaßt neben den oben genannten Reglementierungen insbesondere auch die Begrenzungen von Zinssätzen, Zulassungsvorschriften, Bankrisiken und Vor­ schriften zur Einlagensicherung. Neben der Bankenregulierung, als der Etablierung von Gesetzen und Regeln, wird in dieser Arbeit der Begriff der Bankenaufsicht benutzt. Unter Bankenauf­ sicht wird der Prozeß der Beobachtung („Monitoring“) und Überwachung des Bankenverhaltens verstanden, der u. a. sicherstellen soll, daß die Regulierungen befolgt werden. Stellvertretend für viele andere findet man in einem Standardle­ xikon den Begriff Bankenaufsicht definiert als: „...von staatlicher Stelle ausgeübte Tätigkeit mit dem Ziel, insbesondere Kreditinstitute i. S. des KWG vom Geschäftsbeginn an fortlaufend zu über­ wachen und ggf. auf sie einzuwirken, um die Einhaltung der den Aufsichts­

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Vgl. Tuch ri ELDT (1982), S. 193. Demgegenüber ist die Prozeßpolitik auf eine Steuerung der kurzfristigen Auslastung des ge­ samtwirtschaftlichen Produktionspotentials ausgerichtet. Strukturpolitik bemüht sich um eine kurz- bis mittelfristige Anpassung einzelner Branchen. Vgl. Thieme (1985), S. 27. Im Gegensatz dazu handelt es sich um indirekte Eingriffe des Staats, wenn der Staat selbst als Marktteilnehmer auftritt, wie z. B. bei Offenmarktgeschäften der Bundesbank. Vgl. Brander (1992), S. 213. Eickhoe (1997), S. 563. In der vorliegenden Arbeit wird ein volkswirtschaftlicher Bankbegriff verwendet, der auf die Bankfunktionen abstellt, (vgl. Kap. II. 4 dieser Arbeit, „Die Rolle von Bankinstitutionen“)

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Kapitel I

zwecken (...) dienenden Rechtsvorschriften und sonstiger Regelungen zu gewährleisten.“17 Diese Funktion wird von Bankenaufsichtsbehörden ausgeübt. Häufig findet man in der Literatur die Verwendung des Begriffs Regulierung auch als Oberbe­ griff, der die Regeln und Vorschriften sowie die Bankenaufsicht abdeckt.18 Die­ ser Begriffsauffassung schließt sich die vorliegende Arbeit an. Allerdings muß darauf hingewiesen werden, daß im deutschsprachigen Raum die beiden Begriffe teilweise auch synonym oder in umgedrehter Ordnung verwendet werden.19

In der englischsprachigen Literatur werden die Begriffe Bankenaufsicht (ban­ king supervision) und -regulierung (regulation) in leicht anderer Form benutzt und abgegrenzt. Wissenschaftler und Vertreter der Regulierungsbehörden hatten in der Vergangenheit häufig die Begriffe formal unterschieden und dabei unter „regulation“ das Konzipieren und Aufstellen vernünftiger Gesetze und Regeln verstanden. „Supervision“ dagegen bezeichnete den Prozeß der Überwachung („monitoring“), der sicherstellen soll, daß die Regulierungen befolgt werden. Mittlerweile hat sich jedoch mehr und mehr durchgesetzt, anders als im deut­ schen den Begriff der „supervision“ als den übergeordneten Gattungsbegriff für beide Aspekte zu benutzen, der die Begriffe „regulation“ und „monitoring“ ab­ deckt und in der weitesten Abgrenzung auch den Anlegerschutz mit umfaßt.20 Der Marktorientierung kommt in dieser Arbeit große Bedeutung zu. Marktorientiert heißt, ein Bankensystem so zu regulieren, daß weitestgehend Marktkräfte die Finanzflüsse und Preise bestimmen und Finanzinstitute im freien Wettbewerb bei der Bereitstellung von Finanzdienstleistungen miteinander ste­ hen. Einlagensicherung hingegen kennzeichnet allgemein Maßnahmen, mit de­ nen die von Banken entgegengenommenen Kundeneinlagen gegen Ausfallrisiken geschützt werden. Dabei wird zwischen expliziter und impliziter Einlagensiche­ rung sowie zwischen direkter und indirekter Sicherung unterschieden. Explizite Sicherung bezeichnet einen gesetzlichen oder vertraglichen Anspruch auf Ent­ schädigung im Fall des Einlagenverlusts, während bei impliziter Sicherung da­ von ausgegangen wird, daß der Staat bei einer Bankinsolvenz die Einlagen er­

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O. V. (1999a), Stichwort „Bankenaufsicht“, S. 138. Vgl. Hartmann-Wendels et al. (1998), S. 319-345. So kümmert sich der Basler Ausschuß für Bankenaufsicht zum großen Teil auch um Regulie­ rungsfragen. Auch der Begriff Sclbstregulierung, auf den später eingegangen wird, müßte ei­ gentlich besser Selbstaufsicht heißen, da es um keine staatliche Regulierung geht. Vgl. Gardener (1994), S. 156. Anders allerdings Goodhart et al. (1998), der eine Begriffs­ verwendung ähnlich dieser Arbeit vornimmt.

Einleitung

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setzt, ohne dazu verpflichtet zu sein. Im Fall direkter Sicherung gewährleistet eine externe Institution die Rückzahlung der Einlagen, im Gegensatz dazu wird bei indirekter Sicherung der Fortbestand einer Bank garantiert und die Einlagen werden dadurch mittelbar geschützt.

2.2 Gang und Ziele der Untersuchung Die These, daß die bestehende staatliche Bankenregulierung und das System der Einlagensicherung nicht der effizienteste und effektivste Ansatz zur Lösung des Problems der Intstabilität im Bankwesen darstellt und durch Anreizinkompa­ tibilität gerade zur Krisenanfälligkeit beiträgt, soll in dieser Arbeit wie folgt ent­ wickelt werden: Zunächst wird die theoretische Basis für die Analyse der Bankenregulierung gelegt (Kap. II): In der Arbeit wird der Ansatz der institutionenökonomischen Regulierungstheorie zur Analyse der Bankenregulierung herangezogen. Obgleich „Regulierung“ zu den zentralen Themen der Neuen Institutionenökonomik (NIÖ) gehört21, haben Vorreiter dieses Denkstils den Bereich des Bankwesens unbe­ rücksichtigt gelassen. Bisher liegen nur vereinzelt Arbeiten vor, die institutio­ nenökonomische Ansätze auf die Bankenregulierung, speziell die Einlagensiche­ rung anwenden.22 Jedoch existieren verschiedene theoretischer Ansätze, die in der Lage sind, die komplexen Mechanismen der Regulierung und Einlagensiche­ rung zu erklären. Vor einer detaillierten Analyse der Bankenregulierung und der Einlagensicherung soll daher in Kap. II zum Einstieg ein Überblick über die bereits vorhandenen theoretischen Grundlagen der Untersuchung gegeben wer­ den. Zentral sind die Institutionenökonomik, die moderne Regulierungstheorie und, da eine Analyse der Bankenregulierung Verständnis der Funktionen der Institution der Bank erfordert, die Theorie der Bank. Des weiteren sind für den Fortgang der Überlegungen finanzwirtschaftliche Theorien wichtig, wie die Risi­ kotheorie, die Portfolio Selection Theory von Markowitz (1952), die die Kombi­ nation von Risiken behandelt, und die Optionspreistheorie von Black/Scholes (1973), die es ermöglicht, den Wert einer Option in Abhängigkeit von Marktund Unternehmensdaten zu berechnen und die dazu benutzt wird, Risiken von

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Vgl. Williamson (1976) und Goldberg (1976). Beispiele im deutschsprachigen Raum sind HARTMANN-WENDELS et al. (1998) sowie ZIMMER (1993), vor allem aber RICHTER (1989/90, 1991, 1996). In der angelsächsischen Literatur finden sich institutionenökonomische Arbeiten zur Regulierungsproblcmatik z. B. bei Williamson (1976) und GOLDBERG (1976), die jedoch den Bereich der Banken unberücksichtigt lassen.

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Kapitel 1

Banken abzuschätzen. Diese finanzwirtschaftlichen Theorien werden im folgen­ den nicht weiter ausgeführt, und es wird auf einschlägige Lehrbücher verwiesen.

Wie bereits in „Einführung in die Problemstellung“ angedeutet, ist die Frage nach der Ausgestaltung der Einlagensicherung nur in Verbindung mit einer Analyse der Bankenregulierung zu beantworten23, da wirtschaftliche und rechtli­ che Rahmenbedingungen und ihre Veränderung eine zentrale Rolle spielen und zudem Interdependenzen zwischen Einlagensicherung und Bankenregulierung bestehen. Daher ist der grundsätzliche Aufbau der Arbeit so gestaltet, daß sich zunächst mit der Analyse der traditionellen Bankenregulierung, ihrer Begrün­ dung, Ausgestaltung und Schwachstellen beschäftigt wird (Kap. III). Kurz dis­ kutiert werden in diesem Kapitel zunächst die Auslöser für die Insolvenz einer Bank. Zu betrachten sind in diesem Zusammenhang außerdem mögliche Ursa­ chen von Bankenkrisen. Sind die Risiken, die zu Bank-insolvenzen führen, erar­ beitet, kann im Fortgang des Kapitels zunächst generell aus Sicht der NIÖ unter­ sucht werden, ob hinsichtlich der Bankwirtschaft ein staatliches Handeln begründbar und erforderlich ist. Anschließend wird geprüft, wie der Staat zur Zeit die Banken reguliert und wie die Vorgehensweise zu beurteilen ist. Kap. III stellt dazu Grundzüge der traditionellen Regulierungspraxis in Deutschland dar. Anhand verschiedener ökonomischer Kriterien wird die aktuelle Regulie­ rungspraxis kritisch analysiert und Schwachstellen der Regulierung aufgezeigt. Aufbauend auf dieser Kritik an der Bankenregulierung wird im Anschlußka­ pitel IV. die Möglichkeit genereller Alternativen erörtert, und es erfolgt eine Analyse und Diskussion alternativer Regulierungskonzepte. Ziel ist es, gestützt auf institutionenökonomische Argumentationen, Empfehlungen zur besseren Ausgestaltung der Regulierung zu entwickeln. Insbesondere qualitative Ansätze, zu denen auch die Selbstaufsicht zählt, und marktorientierte Ansätze könnten die traditionelle kennzahlenbasierte Regulierung ablösen oder teilweise ersetzen. Diese werden dargestellt und bewertet. In einem empirischen Ländervergleich wird überprüft, inwieweit sich Bankenregulierung auf die Rentabilität und Kri­ senanfälligkeit des Bankensektors auswirkt. Wegen der eher grundsätzlichen Ausrichtung der vorliegenden Arbeit und der großen Dynamik der Finanzmärkte wird, wie in vielen anderen Beiträgen24, auf die detaillierte Darstellung aller konkreter Einzelregeln der Bankenregulie­ rung bewußt verzichtet und Bankenregulierung auf der grundsätzlichen bankt­

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24

Vgl. hierzu Lereah (1985), S. 27ff. Eine Analyse der Einlagensicherung kann danach nur im Zusammenspiel mit der Regulierung zu fruchtbaren Ergebnissen fuhren. Vgl. Padoa-Schioppa (1997), Bonn (1998), Langer/Weber (2000).

Einleitung

9

heoretischen Ebene analysiert. Mit dem Wissensstand des Kap. VI ergibt sich allerdings in Kap. V und VI eine Vertiefung durch eine detaillierte Betrachtung der Einlagensicherung. Diese erscheint zentral für die Regulierungsproblematik.

Der Aufbaulogik der Arbeit folgend wird in Kap. V. der Blickwinkel auf Fragen der Einlagensicherung gelenkt. Da eigentümlicherweise die institutio­ nenökonomische Regulierungstheorie in der Auseinandersetzung mit der Einla­ gensicherung bisher kaum eine nennenswerte Rolle gespielt hat, stellt die vorlie­ gende Arbeit einen Versuch dar, diesen Mangel zu beheben. In Kap. V werden Überlegungen zur Notwendigkeit der Einlagensicherung angestellt und aus öko­ nomischer Sicht ihre Funktion und Wirkungsweise analysiert. Nach Schilderung des Stands der deutschen Einlagensicherung im internationalen Vergleich wer­ den Probleme der Einlagensicherung theoretisch herausgearbeitet und überprüft, ob sie in der Realität tatsächlich nachweisbar sind. Kap. VI beschäftigt sich mit Lösungsmöglichkeiten für die aufgeworfenen Probleme und Empfehlungen zur Ausgestaltung der Einlagensicherung. Empi­ risch setzt die Arbeit bzgl. der Einlagensicherung an verschiedenen Stelle ein, so bei der Abschätzung der Belastbarkeit der deutschen Sicherungssysteme, der Möglichkeit zur Berechnung risikoadäquater Beitragsprämien und den Auswir­ kungen der Einlagensicherung auf den Bankensektor.

An verschiedenen Stellen der Arbeit ergeben sich politische Empfehlungen aus der Analyse und Diskussion. Diese werden am Ende in einem abschließen­ den Kapitel (Kap. VII) zusammengebracht, um einen Gesamtansatz zu formulie­ ren. Kap. VII stellt gleichzeitig eine Zusammenfassung der Arbeit dar. Kap. VIII gibt eine englische Zusammenfassung der Arbeit.

II. Theoretische Vorüberlegungen zu einer Analyse der Bankenregulierung 1. Vorbemerkung In diesem Kapitel wird ein Überblick über die theoretischen Grundlagen der Untersuchung gegeben. Zunächst muß geklärt werden, welche Theoriebausteine für eine Untersuchung der Bankenregulierung notwendig sind, mit der sich die vorliegende Arbeit befaßt.

Die Bankenregulierung ist in Deutschland und anderen Ländern historisch gewachsen und nicht das Ergebnis eines theoretischen Konzeptes, quasi einer „Blaupause“. Die erste allgemeine Bankenaufsicht wurde in Deutschland 1931 infolge der Bankenkrise erlassen, die mit der Schließung der „Danatbank“25 be­ gann und der Weltwirtschaftskrise 1929 bis 1933 einherging. Sie hatte das Ziel, das Bankensystem sicherer zu machen. Eine angebliche Instabilität im Bankwe­ sen wurde von vielen als zentrale Ursache der Weltwirtschaftskrise diagnosti­ ziert, zumindest als Hauptgrund für ihre ungewöhnliche Schärfe angesehen.26 Die damalige Bankenkrise dient bis heute vielen Ökonomen, politisch Verant­ wortlichen und der Öffentlichkeit als Beleg für ein Marktversagen im Bankwe­ sen und als Rechtfertigungsgrund für eine intensive Regulierung.27

Die Begründung für die Einführung vieler Aufsichtsregeln war pragmatischer Natur, womit man sich zufrieden gab. Eine wirtschaftstheoretische Fundierung der Regeln fand überwiegend nicht statt. Das ist auch nicht verwunderlich, da es damals kaum theoretische Instrumente gab, um Bankenregulierung zu analysie­ ren, zu begründen und Empfehlungen zur Ausgestaltung zu geben. Aufgrund der Weiterentwicklung der Wirtschaftswissenschaften stehen jedoch mittlerweile theoretische Instrumente zur Verfügung. So z. B. ermöglichen Entwicklungen in der Entscheidungstheorie bei ungleicher Information (Agency Theorie) eine systematische Untersuchung der Funktionsweise von Institutionen, indem das

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„Danatbank“ steht für Darmstädter und Nationalbank. Vgl. Kindleberger (1989). Vgl. Knorr (1999), S. 345.

12

Kapitel II

Zusammenspiel unterschiedlicher Akteure und Akteursgruppen berücksichtigt wird.28

Das Feld der Bankenregulierung ist ein Problem der institutionellen Ausge­ staltung des Bankensektors. Ziel ist es, das Verhalten von Banken, Bankmitar­ beitern aber auch Bankkunden so zu beeinflussen, daß ein optimal funktionieren­ des und stabiles Banksystem resultiert. Die verhaltensprägende Wirkung von institutionellen Arrangements auf Individuen und Unternehmen ist gerade Ge­ genstand der Institutionenökonomik (NIÖ). Die NIÖ ist daher ein notwendiger Theoriebaustein für die Untersuchung der Bankenregulierung, und es sind einige institutionenökonomische Vorüberlegungen notwendig.

Mit staatlichen Eingriffen in einzelne Wirtschaftsbereiche generell beschäf­ tigt sich die Regulierungstheorie, die in den letzten Jahrzehnten deutliche Fort­ schritte gemacht hat. Mit der modernen Theorie des Markt- und Wettbewerbs­ versagens29 kann erklärt werden, unter welchen Bedingungen eine staatliche Regulierung einer Branche gerechtfertigt sein kann. Banken weisen gegenüber anderen Unternehmen und Branchen aber deutliche Besonderheiten auf. Sie er­ füllen spezielle Aufgaben in der Volkswirtschaft, haben eine besondere Bilanz­ struktur und sind eng mit den Finanzmärkten verzahnt. Die Besonderheiten des Bankensektors verdienen ebenfalls eine kurze Betrachtung. Damit bewegt sich die Untersuchung im Spannungsfeld zwischen den drei Feldern Institutionenökonomik, Regulierungstheorie und der Theorie der Bank, die in der gleichen Reihenfolge im folgenden beleuchtet werden sollen.

2. Institutionenökonomik Die Betrachtung der Bankenregulierung erfolgt in dieser Arbeit vorwiegend aus einem institutionenökonomischen Blickwinkel. Die folgende Skizzierung der Neuen Institutionenökonomik (NIÖ) geht kurz auf ihren Charakter und die Ab­ grenzung zu anderen Theorien, den Institutionenbegriff, ihre Ansätze und den Bezug zur Bankenregulierung ein.

28 29

Vgl. Krahnen (1993), S. 804. Vgl. Eickhof (1986, 1993).

Theoretische Vorüberlegungen zu einer Analyse der Bankenregulierung

13

2.1 Charakterisierung der Neuen Institutionenökonomik Bei der Neuen Institutionenökonomik (NIÖ) handelt es sich um eine Theorie, die als kritische Reaktion auf behaviouristische und systemtheoretische Ansätze der 60er und 70er Jahre entstand.30 Die NIÖ bildet kein einheitliches Gedanken­ gebäude, sondern besteht vielmehr aus verschiedenen Strömungen und Ansätzen. Ihnen ist gemein, daß sie die verhaltensprägenden Wirkungen von wirtschaftli­ chen und politischen Institutionen betonen.31 Daher wird die NIÖ häufig als ein Gebäude betrachtet, das die Wirtschaftstheorie in eine allgemeine Organisationsund Ordnungstheorie zu integrieren versucht.

Die Ansätze der NIÖ befassen sich mit der Untersuchung von Situationen unvollständiger Information in Austauschverhältnissen (Transaktions- oder Principal-Agent-Beziehungen). Hierbei ist grundsätzlich opportunistisches Verhalten möglich, d. h. das Ausnutzen von Informationsvorteilen auf Kosten und zum Nachteil anderer. Ein Merkmal NIÖ ist, daß sie das individuelle Verhalten und damit auch das Verhalten der Institutionen als nicht vollständig determiniert sehen, so daß den Akteuren ein Handlungsspielraum verbleibt. Die NIÖ unterscheidet sich von anderen Ansätzen insbesondere dadurch, daß sie die folgenden Sachverhalte berücksichtigt:32

(1)

Institutionen können nicht als neutrale Elemente des ökonomischen Funk­ tionssystems angesehen werden, sondern haben einen wesentlichen Einfluß auf das ökonomische Verhalten. Indem Institutionen die Verhaltensmög­ lichkeiten der Akteure einschränken, ermöglichen sie oft erst eine Trans­ aktion.33

(2)

Das Wirtschaftssystem funktioniert nicht friktionslos. Bei Tauschvorgän­ gen entstehen Transaktionskosten, deren Größenordnung die Art und Weise der Organisation und Durchführung der Wirtschaftstätigkeit beein­ flußt.

Dem Institutionenbegriff kommt dabei natürlich zentrale Bedeutung zu. In sehr allgemeiner Charakterisierung können Institutionen gesehen werden als:

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Wesentliche Schrittmacher waren die Arbeiten von Coase (1937, 1960), Williamson (1975), Alchian/Demsetz (1972), und Jensen/Meckling (1976). Vgl. Brandt (1993), S. 271. Vgl. Richter/Furubotn (1996), S. 479. Vgl. Krahnen (1993), S. 794.

14

Kapitel 11

„Regeln (Normen) für das individuelle Verhalten in rekurrenten Entschei­ dungssituationen, die soweit allgemeine (soziale) Gültigkeit besitzen, daß relativ stabile reziproke Verhaltenserwartungen bestehen (...) und - in ko­ gnitiver Hinsicht - Unsicherheit und Komplexität von Entscheidungssitua­ tionen reduziert werden.“34 Ein vollkommen einheitlicher Institutionenbegriff hat sich bisher allerdings noch nicht durchgesetzt.35 Werden Institutionen konstruktivistisch36, also als intendiertes Ergebnis von individuellen oder politischen Entscheidungen, aufge­ faßt, so bildet der Institutionenbegriff Gebilde wie Unternehmen, Verbände, Eigentumsrechte oder eine Staatsverfassung ab. Dagegen sieht der evolutionisti­ sche Institutionsbegriff in Institutionen zwar auch das Ergebnis menschlichen Handelns, welches jedoch nicht bewußt und geplant, sondern spontan und durch wiederholte Erfahrungen gebildet wird.37 Beispiele hierfür können Gebräuche, Normen oder Märkte sein. Demgegenüber wird unter einer Organisation ein konkretes soziales Gebilde, also eine Institution einschließlich der sie benutzen­ den Personen, verstanden.38 Entsprechend stellen auch Einlagensicherung und das Bankensystem eigenständige Institutionen dar. In der Bankenregulierung finden kontrakttheoretische Erklärungen bei Entscheidungen zwischen Einlegern und Bank Anwendung, evolutionistische Entwicklungserklärungen können z. B. bei regulierungsbedingten Ausweichreaktionen der Banken (Aufsichtsarbitrage) zutreffen.

Von der neoklassischen Theorie unterscheidet sich die Institutionenökono ­ mik damit insofern, als sie Institutionen nicht nur als institutionellen Rahmen ansieht, sondern die individuell-verhaltensprägende Wirkung von Institutionen betrachtet. Im Gegensatz zur Neoklassik spielt es in der NIÖ eine Rolle, wie die Leistungserstellung organisiert ist (Markt oder Hierarchie) und wem Produkti­ onsfaktoren gehören (Eigentum oder Miete). Die Annahme vollkommener In­ formation wird aufgegeben, so daß von „bounded rationality“, also einer mit „begrenzter bzw. subjektiver Rationalität beschriebenen Annahmenkombina-

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36 37 38

Elsner (1986), S. 415. Andere Autoren beziehen den Institutionenbegriff auf den Wissensaspekt, bei der Institutionen als informatorische Erfindung angesehen werden, „die den Informationsgehalt ökonomischer Systeme ergänzen, wenn Wettbewerbspreise keine ausreichende Information enthalten, um die ökonomische Aktivität gänzlich zu dezentralisieren.“ (SCHOTTER (1981), S. 109.) Vgl. Hayek (1970), S. 17f.: Als konstruktivistisch lassen sich „zweckrationale Schöpfungen“ bezeichnen, also „Einrichtungen der Gesellschaft, die der Mensch selbst gemacht hat.“ Vgl. Hayek (1969), S. 98 sowie Blundell/Robinson (1999), S. 7. Vgl. North (1992).

Theoretische Vorüberlegungen zu einer Analyse der Bankenregulierung

15

tion“39 ausgegangen wird.40 Die NIÖ erweitert das Modell rational handelnder Individuen quasi um das „Wissen um die Unwissenheit“. Jedoch übernimmt die NIÖ in vielen Bereichen neoklassische Annahmen und Methoden, so z. B. hinsichtlich des Rationalverhaltens bzw. Nutzenmaximie­ rungskalküls. Sie geht von einem freiwilligen, eigeninteressierten und wahlratio­ nalen Verhalten der Individuen aus. Der häufig zwischen NIÖ und Neoklassik herausgestellte Gegensatz besteht damit eigentlich gar nicht, da die NIÖ sich als Kombination von institutioneller Fragestellung und neoklassischer Methode kennzeichnen läßt.41

Ist es das Ziel der institutionenökonomischen Anwendung, Empfehlungen zur Bankenregulierung zu geben, dann muß immer berücksichtigt werden, daß Institutionen im Finanzbereich nicht ihrer selbst willen bestehen, sondern um bestimmte Funktionen auszuüben. Dieses Verständnis liegt dem sog. funktiona­ len Ansatz42 zugrunde, der sich nicht nur mit dem beschäftigt, was tatsächlich ist, sondern mit dem, was sein sollte.43 Die Institutionenökonomik läßt sich als ein solcher funktionaler Ansatz auffassen, da sie nicht von einer gegebenen institu­ tionellen Struktur, sondern von ökonomischen Funktionen des Bankensektors ausgeht, und sich dann fragt, wie die beste institutioneile Struktur in Hinsicht auf die Regulierung des Bankensektors oder die Einlagensicherung aussieht. Insofern grenzt sich die vorliegende Arbeit von dem rein institutionellen Ansatz der tradi­ tionellen Bankbetriebslehre ab, die Finanz- und Bankenmärkte beschreibt und systematisiert und versucht, bestehenden Finanzinstitutionen Gestaltungsemp­ fehlungen bei der Leistungserstellung zu geben 44

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44

Franck/Zellner (1999), S. 2. Vgl. CEZANNE/MAYER (1998), S. 1345. Vgl.O. V. (1999b). Vgl. zum funktionalen Ansatz Merton (1993) und BODIE/M ERTÖN (1992). In den Rahmen eines funktionalen Ansatzes reihen sich Arbeiten von Black/Scholes (1974) und Ross (1989) ein, die hcrausstellen, daß Finanzinnovationen Treiber für eine größere Effizienz eines Finanzsystems sind. Vgl. HANEKOPF (1998), S. 8ff. Vorteile einer funktionalen Herangehensweise sind darin zu se­ hen, daß die von Banken ausgeübten Funktionen zeitlich beständiger sind als die institutionelle Struktur der Bankwirtschaft. Vgl. Krahnen (1993). S. 795.

16

Kapitel II

2.2 Ansätze der Neuen Institutionenökonomik und Bezug zur Bankenregulierung Fragen der Bankenregulierung werfen spezifische Erkenntnisprobleme auf. Wie alle Sozialwissenschaften zeichnen sich auch die Wirtschaftswissenschaften und der Bereich der Bankenregulierung durch das Erkenntnisproblem aus, daß ihr Gegenstand im Gegensatz zu Naturwissenschaften Subjekte und deren Ver­ haltensweisen sind und daß soziale Phänomene daher eine hohe Komplexität aufweisen.45 Wegen der Komplexität und, da aufgrund des historischen Zeitab­ laufs Wiederholungen oder Experimente mit Wirtschaftsordnungen unmöglich sind, lassen sich theoretische Aussagen zur Bankenregulierung nur in begrenzten Umfang empirisch überprüfen und direkt falsifizieren.46 Anstelle der direkten Falsifikation ordnungstheoretischer Aussagen kann die indirekte Überprüfung treten, d. h. durch logische Verknüpfung mit getesteten wirtschaftswissenschaft­ lichen Hypothesen. Als ein solches Aussagensystem qualifizieren sich die An­ sätze der Institutionenökonomik. Zur NIÖ werden üblicherweise einige Theorien gezählt, denen gemein ist, daß sie entweder a) Anreizmechanismen institutioneller Arrangements beleuch­ ten oder b) die Transaktionskosten eines Austauschverhältnisses in den Vorder­ grund stellen. Zu dem anreiztheoretischen Zweig der NIÖ gehören die PrincipalAgent-Theorie47, die Property-Rights-Theorie48 und die Public-ChoiceTheorie49, auch Neue Politische Ökonomie genannt. Die wesentlichen zu dem zweiten Zweig zählenden Ansätze sind die Transaktionskostentheorie50, die Theory of the firm51, die Theorie unvollständiger bzw. relationaler Verträge52 und die Informationsökonomik53.

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Vgl. Hayek (1972), S. 286, der die Komplexität eines Phänomens an der Mindestzahl der Va­ riablen festmacht, die ein Modell oder eine Formel besitzen muß, um die charakteristischen Strukturen des Phänomens zu produzieren. Vgl. ZIMMER (1992), S. 21. Vgl. Fama (1980). Vgl. DEMSETZ (1967) sowie FURUBOTN/PFJOVICH (1972). Vgl. Stiglitz (1988) sowie Downs (1957, 1968). Vgl. Coase (1960) sowie Williamson (1975, 1985) und Picot (1982). Vgl. Coase. (1937) sowie Jensen/Meckling (1976). Die Theroie des unvollständigen oder relationalen Vertrags geht auf Williamson (1976) sowie Goldberg (1976) zurück. Vgl. Akerlof (1970).

Theoretische Vorüberlegungen zu einer Analyse der Bankenregulierung

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An dieser Stelle sei darauf verzichtet, auf die theoretischen Grundlagen aller einzelnen Ansätze genauer einzugehen. Ausnahme ist allerdings die Transakti­ onskostentheorie und die Informationsökonomik, die besondere Bedeutung für die Finanzwirtschaft und die Analyse der Bankenregulierung haben, da sie als „Theorie der Kontrakte“ durch ihre explizite Berücksichtigung von „vielfältigen, teilweise gegensätzlichen Motivationen, Anreizen (Interessen) und daraus fol­ genden Verhaltensweisen der Akteure an den Finanzmärkten“54 eine Bereiche­ rung der neoklassischen Finanzierungstheorie sind. Insbesondere Informations­ mängel spielen als Marktunvollkommenheit für die Bankenregulierung und die Einlagensicherung eine große Rolle.

Bei der auf Coase (1937, 1960) und Williamson (1975) zurückgehenden Transaktionskostentheorie, die mittlerweile weit über die frühere rein fir­ mentheoretische Sicht bei Coase55 hinausgeht, werden Nutzen und Kosten einer Transaktion herausgestellt. Transaktionskosten sind insbesondere die (Koordinations-) Kosten für die Einführung, Erhaltung und Nutzung des institutioneilen Rahmens und treten bei allen sozialen Transaktionen auf. Der NIÖ kommt im Bereich der Banken hohe Bedeutung zu, da sie über das Vorliegen von Informationsdefiziten, Transaktionskosten und der Reduktion der Principal-Agent-Problematik einen Erklärungsbeitrag für die Existenz von Ban­ ken leistet.56 Aus Sicht der NIÖ tragen Institutionen dazu bei, Probleme kollekti­ ven Handelns wie das Entstehen von Transaktionskosten zu bewältigen.57 Die Transaktionskostentheorie erklärt die Entstehung von Banken als den Versuch, Transaktionskosten zu senken.58 Unter den neoklassischen Bedingung eines vollkommenen Marktes kann die Existenz von Banken nicht erklärt werden, und es dürften nur direkte Finanzbeziehungen zwischen Sparern und Kreditnehmern unter Ausschluß von Finanzintermediären zustande kommen.

Auch Kosten der Bankenregulierung lassen sich als Transaktionskosten auf­ fassen. Wird Bankenregulierung im Licht der Transaktionskostentheorie gese­ hen, dann gilt es, neben möglichen positiven Resultaten der Regulierung auch die Kosten der Regulierung und der Aufsicht zu betrachten.

54 55 56

57 58

Hummel (1999), S. 212. Vgl. Cezanne/Mayer (1998), S. 1348. Der Stellenwert der NIÖ wird auch daran deutlich, daß die Theorie der Unternehmung („theory of the firm“) neben der Managementlehre, der traditionellen Institutionenlehre und der Kapitalmarkttheorie häufig als einer der vier Bausteine der modernen Bankbetriebslehre gilt. Vgl. Schierenbeck (1993), S. 244. Vgl. Richter (1996), S. 330. Vgl. Williamson (1985) sowie North (1984).

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Kapitel II

Eine wechselseitige Verbindung besteht zwischen der Transaktionskoste­ nökonomik und der Informationsökonomik (häufig auch Theorie asymmetrischer oder unvollständiger Information genannt): Die Beschaffung von Informationen ist häufig mit Transaktionskosten verbunden. Sind die Kosten der Informations­ beschaffung hoch, so kann es zu Informationsdefiziten kommen. Andererseits führen gerade Informationsdefizite zu Transaktionskosten, z. B. bei der Überwa­ chung eines Vertrags. Die Informationsökonomik arbeitet heraus, daß infolge von Informationsmängeln ein Marktversagen auftreten kann, welches Regulie­ rungen rechtfertigen kann.59 Ein Finanzsystem, bei dem Banken als Finanzintermediäre auftreten, ist durch das Vorliegen von Informationsunvollkommenheiten und mehrfacher Principal-Agent-Beziehungen60 gekennzeichnet, so im Verhältnis Einleger zu Bank, Bank zu Unternehmen, zwischen Banken und zu Lasten der Regulierungs­ behörde. Diese hat nämlich wie die Einleger gegenüber einer Bank Informati­ onsnachteile bzgl. ihres Risikograds und der Fähigkeit sowie dem Willen des Managements, eine angemessene Risikopolitik zu betreiben. Die Agencyproblematik und Informationsdefizite spielen eine besonders wichtige Rolle bei allen Fragen der Regulierung, da alle direkt oder indirekt Beteiligten, also Banken, Regulierungsbehörden, Kunden und die Öffentlichkeit gegensätzliche Interessen haben. Kooperationsprobleme bei Finanzkontrakten resultieren dann aus dem Opportunismus der Finanzmarktteilnehmer.61 Dabei wird unter Opportunismus im Gegensatz zur Neoklassik ein Egoismus verstanden, der sich auch auf Schä­ digung anderer richten kann:

„By Opportunism I mean self-interest seeking with guile. This includes but is scarcely limited to more blatant forms, such as lying, stealing and cheat­ ing. Opportunism often involves subtle forms of deceit. (...) both ex ante and ex post types are included.“62

Durch Berücksichtigung von Interessensgegensätzen, z. B. zwischen Bank­ managern, Kapitaleignern und Gläubigern stellt der Principal-Agent-Ansatz eine Bereicherung der Kapitalmarktmodelle dar.63 Eine Grundwarnung der NIÖ läuft

59 69 61

62 63

Vgl. AKERLOF (1970) sowie zum „Lemon-Problem“ Kap. 11.3.1 dieser Arbeit. Vgl. zur Entwicklung und Übersicht über die Principal-Agent-Theorie PRENDERGAST (1999). Die NIÖ geht also in der Tradition des Liberalismus von der Vorherrschaft des Eigennutzes der Menschen aus und davon, daß betrogen wird, wenn sich Betrug lohnt. Vgl. Richter (1996), S. 342. Williamson (1985), S. 47. Vgl. Hummel (1999), S. 206.

Theoretische Vorüberlegungen zu einer Analyse der Bankenregulierung

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darauf hinaus, stets Sorge für eine ausreichende Sicherung gegen ex-post Op­ portunismus der Gegenseite zu tragen.

Vor einem Vertragsabschluß (z. B. einer Kreditvergabe oder der Einlage von Depositen bei einer Bank) bestehen Qualitätsunsicherheiten („Hidden Informa­ tion“, „Hidden Characteristics“) über den Vertragspartner, die zu dem Problem der adversen Selektion führen können. Aber auch während der Vertragslaufzeit besteht eine Verhaltensunsicherheit über den Vertragspartner („Moral Hazard“, „Hold Up“).64 Lösungsmöglichkeiten bestehen im ex-ante Fall der Qualitätsunsi­ cherheit durch den Abbau von Informationsasymmetrie und „Selbstselektion“ oder durch glaubhaftes „Signalisieren“ von Qualität.65 Kooperationsprobleme bei Verhaltensunsicherheit des Vertragspartners können durch anreizkompatible Verträge entschärft werden. Dies bezeichnet die Möglichkeit, durch geschickte Verträge die eine Vertragspartei schon aus Eigeninteresse davon abzuhalten, ein für die andere Partei unerwünschtes Verhalten an den Tag zu legen. Eine institutionenökonomische Analyse der Bankenregulierung ist damit eine Analyse der Institutionen des Finanzsystems. Beurteilungsmaßstab institutionel­ ler Arrangements ist die transaktionale Effizienz, die Abwägung zwischen Ko­ sten und Nutzen. Theoriegeleitete Handlungsempfehlungen laufen darauf hinaus, daß je nach Ausgangslage eine Institution oder Organisationsform wie Markt oder Hierarchie mit oder ohne Regulierung gewählt werden sollte, die am besten gegen opportunistisches Verhalten der anderen Seite schützt.66 Durch die seit den 90er Jahren zunehmend ausgearbeitete neoinstitutionalistische Theorie der Fi­ nanzkontrakte erfahrt die Bank- und Finanztheorie eine stärkere Hinwendung zur Realität der Marktbeziehungen.67

Häufig geäußerte Kritikpunkte an der NIÖ betreffen die fehlende Integration der einzelnen Ansätze, die Vernachlässigung von Produktionskosten, vor allem die unpräzise Begriffsbestimmung der Transaktionskosten und eine geringe em­ pirische Überprüfbarkeit. Insbesondere der Transaktionskostenansatz und die Annahme des Opportunismus als Quelle der Transaktionskosten wurde häufig kritisiert, da sie von einem extremen, hyperrationalen Menschenbild als Grund­ lage ausgehe.68 Diese Kritikpunkte stellen jedoch keine plausiblen Gründe dar,

64 65 66 67 68

Vgl. Bamberg/Spremann (1989). Moral Hazard bezeichnet die Gefahr, daß ein Agent seinen Verhaltensspielraum zu Lasten des Principals ausnutzen kann. Vgl. Hartmann-Wendels et al. (1998), S. 101. Vgl. Richter (1996). Vgl. Hummel (1999), S. 207. Vgl. Sydow (1999), S. 168.

20

Kapitel 11

die Ansätze der NIÖ für die Analyse der Bankenregulierung ungeeignet erschei­ nen zu lassen.

3. Regulierungstheorie und Theorie des Marktversagens Eine marktwirtschaftliche Ordnung zeichnet sich durch dezentrale Planung der Wirtschaftssubjekte, durch Koordination unternehmerischer Einzelpläne über den Markt-Preis-Mechanismus und durch den Wettbewerb aus, der Marktteil­ nehmer diszipliniert und kontrolliert.69 Bei einem vollkommenen Markt funktio­ niert das Zusammenspiel der Marktteilnehmer und führt zu effizienter Ressour­ cenallokation. In einer freien Marktwirtschaft ist Regulierung eigentlich ein Fremdkörper, da sie das freie Spiel der Marktkräfte beeinträchtigt. Daher bedarf Regulierung einer Begründung. Ein häufig benutzes generelles Erklärungsmuster für staatliche Eingriffe in den Allokationsprozeß ist das Marktversagen. In den nächsten beiden Abschnitten wird daher die Regulierungstheorie kurz vorgestellt und geprüft, inwieweit ihre Argumentationsstränge überhaupt für die Regulie­ rung von Banken zutreffend sein können oder ob sie a priori verworfen werden können. Die Regulierungsgründe, die auch auf den Bereich der Banken zutreffen können, werden dann im Kap. III detaillierter analysiert. Ausgangspunkt der folgenden Überlegungen ist die Feststellung, daß häufig die Voraussetzungen für das perfekte Funktionieren eines Marktes nicht gegeben sind.

3.1 Normative Theorie und Marktversagen Ungestörte Märkte und Freihandel werden von den Wirtschaftswissen­ schaftlern überwiegend als positiv angesehen70, daher ist staatliche Regulierung begründungsbedürftig. Normative ökonomische Regulierungsansätze erklären, welche Gründe zu unerwünschten Wettbewerbs- und Marktergebnissen führen können und unter welchen Bedingungen Regulierung zu besseren Ergebnissen

69 70

Vgl. Eickhof (1993), S. 203; S. 209: Der Markt sorgt für die Koordination von Angebot und Nachfrage; der Wettbewerbsprozeß für effizienzorientierte Selektion von Unternehmen. Vgl. Dowd (1996), S. 679. Dowd ist Vertreter der Free-Banking Schule und argumentiert, daß viele ein unreguliertes Bankensystem deshalb für seltsam halten, weil sie zu diesem Denken konditioniert sind und Bankenregulierung und staatliches Zentralbankwesen für selbstverständ­ lich halten.

Theoretische Vorüberlegungen zu einer Analyse der Bankenregulierung

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führt.71 Branchenbesonderheiten wie Wettbewerbs- und Marktversagenstatbe­ stände bedeuten Ineffizienzen, Wohlfahrtsverlust und ein Ausbleiben der Koor­ dinationsleistung des Marktes72 und können daher eine Regulierung rechtferti­ gen. Die Theorie des allokativen Marktversagens orientiert sich am Idealbild der vollständigen Konkurrenz. Marktversagen liegt danach dann vor, wenn das (paretianische) Wohlfahrtsoptimum nicht erreicht werden kann und leitet sich nach einer 4-teiligen Systematik aus externen Effekten, Unteilbarkeiten, zu denen natürliche Monopole und ruinöse Konkurrenz gehören, Informations- und An­ passungsmängeln ab.73 Andere Autoren stellen auf einen dynamischen Marktver­ sagensbegriff ab:74 Danach liegt Marktversagen dann vor, wenn die Koordinati­ onsleistung des Marktes ausbleibt, und Wettbewerbsversagen, wenn der Wettbewerbsprozeß gestört ist. Zum Bereich des Marktversagens zählt dann der Fall öffentlicher Güter und der externen Effekte, während natürliche Monopole, ruinöse Konkurrenz und Informationsmängel eher dem Wettbewerbsversagen zugerechnet werden.75 Im folgenden soll nun in knapper Form erläutert werden, was unter den einzelnen Marktversagenstatbestände verstanden wird. Vor allem soll dabei kurz geprüft werden, inwieweit das Konzept natürlicher Monopole, ruinöser Konkurrenz, öffentlicher Güter, externer Effekte und der Informations­ defizite überhaupt auf den Sektor der Banken zutreffen mögen. Die Gefahr eines natürlichen Monopols besteht dann, wenn die Kostenfunk­ tion der Unternehmen subadditiv ist, d. h. wenn ein einziges Unternehmen ko­ stengünstiger in der Lage ist, eine bestimmte Outputmenge herzustellen, als meh­ rere Unternehmen.76 Natürliche Monopole können auch eine Folge von Netzwerkeffekten sein, wenn positive Skaleneffekte auf der Nachfragerseite auftreten.77 In solchen Fällen treten entweder keine Konkurrenten in den Markt ein, und die Monopolbildung führt zu steigenden Preisen und sinkendem Output, oder der Markteintritt neuer Anbieter bringt ein verschlechtertes Marktergebnis.

71

72 73 74 75 76 77

Vgl. SCHMIDT (1993), S. 36ff. Positive Regulierungstheorien dagegen erklären, warum staatliche Eingriffe zu beobachten sind, auch wenn sie nicht unbedingt gerechtfertigt sind. Vgl Kap. 3.2 dieser Arbeit. Vgl. EICKHOF (1993), S. 208. Vgl. FRITSCH/WEIN/EWERS (1999), S. 85. Zu Marktversagen aus Sicht der modernen Markt- und Wettbewerbstheorie vgl. EICKHOF (1986), S.468ff. Vgl. Eickhof (1993), S. 21 Off sowie Eickhof (1997), S. 564. Vgl. Fritsch/Wein/Ewers (1999), S. 184ff. Vgl. Goodhart et al. (1998), S. 4.

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Kapitel II

Bei Banken wird häufig vermutet, daß sie ’’economies of scale/scope” im Rah­ men der Informationsverarbeitung und bei vielen Bankdienstleistungen ausnut­ zen können, und auch das Vertrauen der Kunden in die Sicherheit einer Bank mit ihrer Größe wächst.78 Daraus leitet sich eine Tendenz zum Monopol ab. Jedoch ließen sich steigende Skalenerträge von Banken bisher empirisch nicht überzeu­ gend nachweisen. Amerikanische Untersuchungen zeigen einen schwachen Uförmigen Durchschnittskostenverlauf und weisen lediglich für kleine Banken economies of scale nach.79 Für europäische Banken ließen sich überwiegend gar keine economies of scale jenseits sehr kleiner Betriebsgrößen feststellen.80 Ein­ zig die Untersuchungen von Lang/Welzel zeigten für bayerische Genossen­ schaftsbanken sehr geringe positive Skaleneffekte über alle Betriebsgrößen.81 Daher ist die Gefahr eines natürlichen Monopols im Bankensektor nicht diagno­ stizierbar. Als weiterer Fall von Marktversagen wird häufig ruinöse Konkurrenz ange­ führt. So wird argumentiert, daß ein Übermaß an Konkurrenz bei subadditiven Kostenverläufen zu einem Marktversagen in Form von Überkapazitäten und ruinösen Preiskämpfen führt.82 Folglich wird schnell eine staatliche Beschrän­ kung des Marktzugangs und des Preiswettbewerbs gefordert (bei Banken z. B. durch Höchstgrenzen bei den Habenzinsen). Es wird jedoch mittlerweile über­ wiegend die Auffassung vertreten, daß staatliche Regulierung im Falle ruinöser Konkurrenz verfehlt ist.83 Zumindest sind Beschränkungen dieser Art sehr kri­ tisch zu sehen, denn

„Marktzugangsbarrieren und staatlich gesetzte Mindestpreise stellen derart schwerwigende Eingriffe in den Marktmechanismus dar, daß sie nur in sehr gravierenden Fällen ergriffen werden sollten“, und es besser wäre, „...ein gewissen Maß an Unvollkommenheit hinzunehmen, als wesentliche Teile des Wettbewerbs auszublenden.“84 Da die Voraussetzung für ruinöse Konkurrenz das Vorliegen von subadditi­ ven Kosten ist und es hierfür wie - wie beschrieben - im Bankensektor keine

78 79 80 81 82 83 84

Vgl. LANGER/WEBER (2000), S. 227. Vgl. Berger et al. (1993). Vgl. Saunders (1997), S. 262ff. Vgl. Lang/Weezel (1994, 1995). Vgl. Fritsch/Wein/Ewers (1999), S. 205ff. Vgl. Eickhof (1993), S. 218. Fritsch/Wein/Ewers (1999), S. 209.

Theoretische Vorüberlegungen zu einer Analyse der Bankenregulierung

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Anzeichen gibt, wird auf die weitere Diskussion der ruinösen Konkurrenz ver­ zichtet. Es gibt keinen Anhaltspunkt für das Vorliegen von natürlichen Monopo­ len, economies of scale/scope und ruinöser Konkurrenz im Bankbereich, so daß hieraus keine Regulierungsbegründung bei Banken entwickelt werden kann. Der Verweis auf öffentliche Güter ist ein altes, traditionelles Argument in der Diskussion um Staatseingriffe im Bankenbereich. Öffentliche Güter sind im Ge­ gensatz zu privaten Gütern durch Nichtausschließbarkeit der Interessenten von der Nutzung des Gutes oder der Dienstleistung (z. B. Leuchtturm, Rechtssystem) und Nichtrivalität im Konsum gekennzeichnet.85 Lassen sich Konsumenten eines Gutes oder einer Dienstleistung nicht ausschließen, so ist es unmöglich, die Nut­ zung an ein Entgelt zu binden, und aufgrund der Free-Rider-Problematik werden Unternehmen nicht zur Leistungserstellung bereit sein. Ist die Erstellung trotz­ dem volkswirtschaftlich erwünscht, so muß der Staat die Leistung selbst erstel­ len. Teilweise wird versucht, mit „öffentlichen Gütern“ eine Begründung für das direkte Tätigwerden des Staats im Bankenmarkt (Sparkassen!) zu finden. In die­ sem Zusammenhang wird bis heute von Bankleistungen als einem öffentlichen Gut gesprochen.86 Die Kriterien der Nichtausschließbarkeit und der Nichtrivalität sind bei bankbetrieblichen Leistungen jedoch nicht diagnostizierbar. Es lassen sich daher mit dem Verweis auf „öffentliche Güter“ keine Eingriffsbefugnisse des Staats rechtfertigen. Direkte Eingriffe des Staats in den Markt gehören abge­ sehen davon nicht zum Bereich der Regulierung und werden daher nicht weiter betrachtet. Negative externe Effekte liegen dann vor, wenn bei der Produktion oder dem Konsum von Gütern und Dienstleistungen Nachteile für Dritte entstehen, die nicht über den Markt pekuniär abgegolten werden. Das Marktversagen liegt darin, daß ein Unternehmen eine größere Outputmenge produziert, wenn es für die verursachten Schäden nicht aufkommen muß, als wenn es die Kosten der Schädigung tragen müßte. Durch staatliche Regulierung kann versucht werden, das Marktversagen durch die Internalisierung der externen Effekte zu heilen, wie z B. durch eine Steuer auf Umweltbeeinträchtigungen, oder durch Verbote. Auch im Bereich einer Bank sind externe Effekte denkbar. Ein negativer externer Ef­ fekte entsteht bspw. bei dem Zusammenbruch einer Bank, da die gesamte Volkswirtschaft in Mitleidenschaft gezogen wird. Saunders (1997) liefert ein gutes Beispiel dafür, wie Unternehmen, Bank- und Unternehmenskunden und schließlich eine ganze Stadt durch den Konkurs einer Bank in Mitleidenschaft

85 86

Vgl. Musgrave/Musgrave/Kuelmer (1990), S. 54ff. Vgl. Burghof ct al. (1996).

24

Kapitel 11

gezogen werden.87 Das Argument „externer Effekte“ ist a priori nicht von der Hand zu weisen. Es wird später darauf ausführlich eingegangen.

Informationsdefizite liegen dann vor, wenn ein Marktteilnehmer eine bessere Informationslage als sein Vertragspartner hat (asymmetrische Information) oder beide nicht vollständig informiert sind. Informationsdefizite können zu Marktversagen führen oder dazu, daß überhaupt kein Markt entsteht. Als Bei­ spiel für ein solches Marktversagen ist der als „Lemon-Problem“ bekannte Fall88 der Informationsökonomik, bei dem ein Autokäufer keine Information über die Ehrlichkeit eines Autoverkäufers und die Qualität der Gebrauchtwagen hat.89 Die Konsequenz ist ein Marktversagen in der Form, daß der Markt austrocknet.90 Als weiteres Beispiel kann der Bildungsmarkt dienen.91 Das auf Informationsmängel zurückgehende Marktversagen ist eine informationsökonomische Begründung und stellt daher den institutionenökonomische Erklärungsbeitrag der Regulie­ rungsbegründung dar. Im Bankenbereich bestehen starke Informationsdefizite zu Lasten der Einleger und der Aufsichtsbehörde. Wie sich im Laufe der Arbeit zeigen wird, spielen Informationsmängel als Marktunvollkommenheit eine her­ ausragende Rolle für die Bankenregulierung. Der Staat kann versuchen, dieses Marktversagen mit Regulierungen wie Min­ destqualitätsstandards zu beheben. Jedoch ist zu bedenken, ob sich nicht auch ohne Staatseingriff eine Lösung des Informationsproblems herausbildet, wie etwa durch Qualitätsgarantien oder durch die Reputation von Anbietern. Infor­ mationsasymmetrie läßt sich grundsätzlich durch „Screening“, „Signalling“ oder

87

88 89

90

91

Vgl. SAUNDERS (1997), S. 55, der den Fall einer kleinen Stadt mit nur einer Bank und wenigen Unternehmen heranzieht. Geht die eine Bank in Konkurs, werden es die kleinen Unternehmen schwer haben, sich anderweitig zu finanzieren, oder sich nur zu deutlich höheren Kosten bei anderen ortsfremden Banken finanzieren können. Auch die Kunden der Unternehmen sind auf ähnliche Weise benachteiligt. Als Resultat führt die Bankenpleite zu einem Übersprungseffekt, der die wirtschaftliche Entwicklung der ganzen Stadt dämpft und mit niedrigerer Produktion und Beschäftigung einhergeht. Vgl. AKERLOF (1970). Zur Qualitätsunsicherheit und zu Kooperationsproblemen vgl. HARTMANN-WENDELS et al. (1998), S. 99. Um die Gefahr auszuschließen, ein schlechtes Auto (sog. lemons = amerikanische Bezeichnung für „faules Ei“) für den Preis eines hochwertigen zu bekommen, wird der Käufer nur bereit sein, den Preis für ein schlechtes Auto oder maximal einen durchschnittlichen Preis zu entrichten. Folglich werden Anbieter hochwertiger Autos nicht länger bereit sein, ihre Autos anzubieten, da nur ein geringer Preis erzielt werden kann. Es findet also eine Abwanderung zu qualitativ schlechten Produkten und damit ein Marktversagen in Form eines Austrocknen des qualitativ hochwertigen Marktes statt bzw. es kommt erst gar kein Markt zustande. Die Nachfrage nach Bildung sei zu gering, da der wirkliche Wert der Bildung erst nach ihrer Erlangung erkannt („Nutzenunkenntnis“) wird und im voraus unterschätzt wird.

Theoretische Vorüberlegungen zu einer Analyse der Bankenregulierung

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durch eine Interessenharmonisierung abbauen, über die Abb. 1 einen Überblick gibt. Diese marktlichen Lösungen werden im Laufe der Arbeit herangezogen, um Lösungensmöglichkeiten für Probleme der Bankenregulierung und der Einlagen­ sicherung aufzuzeigen.

Quelle', in Anlehnung an Fritsch et al. (1999), S. 278.

Abb. 1: Marktliche Lösungen für das Problem der Informationsasymmetrie Es läßt sich festhalten, daß staatliche Regulierung gerechtfertigt sein kann, wenn ein Markt- oder Wettbewerbsversagen vorliegt oder vermutet wird. Durch Regulierungen kann versucht werden, die infolge des Marktversagens resultie­ renden gesamtwirtschaftlichen Nachteile zu beheben. Auf Banken scheinen al­ lein die Begründungskonzepte „externe Effekte“ und „Informationsdefizite“ als Marktversagensgrund zutreffen zu können.

26

Kapitel 11

3.2 Positive Theorie und Politikversagen Ein prinzipielles Problem des Marktversagensansatzes liegt darin, daß als Standard ein vollkommener Markt herangezogen wird.92 Da dieser idealisierte Zustand in der Realität jedoch so gut wie nie gefunden wird, scheint bei einem Vergleich mit dem Standard jeder Markt zu versagen. Bei fast jedem Markt ließe sich daraus die Notwendigkeit staatlicher Regulierung ableiten. Dies gilt jedoch nicht, weil tatsächliche Probleme in dem betreffenden Markt vorliegen, sondern weil das unerreichbare Ideal nicht erreicht wird.93 Die auf allokativem Marktver­ sagen aufbauende Argumentation führt dazu, daß zu schnell nach staatlicher Regulierung verlangt wird.

Um dem Problem der „Ubiquität des Marktversagens“ zu entgehen, ist ein Abstellen auf dynamische Effizienz, d. h. der Einbezug auch dynamischer An­ sätze bei Regulierungsüberlegungen sinnvoll.94 Wichtig ist die Erkenntnis, daß Märkte ihr Marktversagen auch selbst heilen können, wie im Fall der Disziplinie­ rung eines Monopolisten durch den drohenden Markteintritt neuer Anbieter95 oder dem Aufbau von Reputation im Fall des „Lemon Marktes“, so daß davon auszugehen ist, daß „market failure matters less in practice than is often suppo­ sed.“96 Wenn in der Realität Bankenregulierung beobachtbar ist, heißt das nicht, daß sie auch gerechtfertigt ist. Häufig zeigt sich, daß die tatsächliche Regulierung einer Branche nicht mit den Anforderungen der normativen Theorie überein­ stimmt. Diese Diskrepanzen versucht die positive Theorie der Regulierung, ein Bereich der Public-Choice-Theorie zu erklären.97 Im Gegensatz zur normativen geht es in der positiven Theorie, die aber nicht Hauptgegenstand der vorliegen­ den Arbeit ist, nicht darum, wie etwas sein sollte, sondern um die Erklärung des Ist-Zustands. Hierzu zählt Bernsteins Lebenszyklusansatz, der davon ausgeht, daß Regulierung zunächst dem Gemeinwohl, später jedoch Partikularinteressen

92

93 94 95

96 97

Als vollkommener Markt wird in der Ökonomik die ModcllvorstellLing des langfristigen Gleichgewiehts bei perfektem Wettbewerb angesehen, der sieh insbesondere durch vollkommene Informationstransparenz und die Abwesenheit von Transaktionskosten auszeichnet. Vgl. Blundell/Robinson (1999), S. 15. Vgl. Fritsch et al. (1999), S. 68ff. Nach der Theorie der „contestable markets“ kann bei ungehindertem Marktzugang der drohende Marktcintritt neuer Anbieter zu einer Disziplinierung des Alleinanbieters führen und ihn abhalten, seine monopolistische Stellung auszunutzen. Vgl. Baumöl et al. (1982). O. V. (1996), S. 66. Vgl. zum Public Choice Ansatz STIGLITZ (1988) sowie DOWNS (1957, 1968).

Theoretische Vorüberlegungen zu einer Analyse der Bankenregulierung

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dient. Stiglers „Capture Theorie“ baut auf der Annahme auf, daß von Anfang an Angebot und Nachfrage nach Regulierung im Mittelpunkt stehen und nicht das öffentliche Interesse.98 Bürokratietheoretische Ansätze sehen Bürokratien als träge Institutionen, die ihr Budget, ihr Prestige und ihre Macht vergrößern wollen und dabei oft das Regulierungsziel aus den Augen verlieren. Eigennutzorientierte Theorien stellen heraus, daß Bürokraten persönliche Karriereplanung und Füh­ rungsmacht höher einschätzen als das Allgemeinwohl und daher in der Hoffnung auf Belohnung, z. B. durch einen hochdotierten Job in der Wirtschaft, zu Gefäl­ ligkeiten gegenüber den regulierten Unternehmen neigen. Obwohl die positiven Ansätze häufig stark vereinfachen und nur schwer operationalisier- und über­ prüfbar sind, liefern sie doch plausible Erklärungen für den Status Quo der Re­ gulierung und können Überregulierungen erklären. Sie zeigen weiterhin auf, warum es nur langsam zu Deregulierungen kommt: Um eine Deregulierung zu initiieren, muß der Druck auf Regulatoren entsprechend stark sein und die betrof­ fenen Bürokratien müssen Vorteile aus einer Deregulierung ziehen können.99 Treffen die Vorteile einer Regulierung wenige, die Nachteile zwar viele, aber nur in einem geringen Ausmaß, so ist es unwahrscheinlich, daß dieser Druck zustandekommt. Eine offene Frage ist, inwieweit der Staat das Marktversagen überhaupt kor­ rigieren kann. Aus dem Blickwinkel der positiven Regulierungstheorie folgt aus unvollkommenen Märkten nicht zwingend, daß Regulierung sinnvoll und not­ wendig ist. In regulierten Märkten sind häufig ineffizient arbeitende Industrien anzutreffen sowie hohe Kosten der Regulierung, die die Kosten einer negativen Externalität übertreffen. Es kommt zu noch ineffizienteren Ergebnissen als ohne Staatseingriff, so daß die Gefahr des Politikversagens besteht.100 Selbst wenn Marktversagen vorliegt, ist im Rahmen eines „Comparative Institution Ap­ proach“101 Marktversagen und Politikversagen gegeneinander abzuwägen und zu fragen, ob ein Eingreifen des Staats sinnvoll ist. Bis in die achtziger Jahre be­ stand weitestgehend ein Konsens über Regulierungsgründe und regulierungsbe­ dürftige Branchen. Seitdem ist jedoch weltweit eine Tendenz zur Liberalisierung, Privatisierung und Deregulierung auszumachen, die mit zunehmenden Zweifeln an der Fähigkeit des Staats zur Heilung von Marktversagen einherging. Politik­ versagen ist ein Argument dafür, die Märkte doch wieder stärker den MarktWettbewerbs-Mechanismen zu unterwerfen. Zudem haben technologische Ent-

98 99 100 101

Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.

Stigler (1971), S.4ff. Krakowski (1988), S. 106ff. WOERZ(1994), S. 19. DEMSETZ ( 1969), S. 1.

28

Kapitel 11

Wicklungen in vielen Branchen angenommene Marktversagensgründe überkom­ men, wie die Entwicklung des Mobiltelefonierens im Telekommunikationsmarkt zeigt. Von Deregulierungen konnten in den letzten Jahrzehnten einige Branchen profitieren, wie der Telekommunikations- und Energiesektor, nicht jedoch bisher der Bankensektor, bei dem eher eine Zunahme der Regulierungsdichte zu ver­ zeichnen ist. In Hinsicht darauf sind bereits an dieser Stelle etwas detailliertere Vorüberlegungen sinnvoll, auf die im weiteren zurückgegriffen wird. Der Folge­ abschnitte beschäftigt sich daher mit Funktionen des Bankensektors.

4. Die Rolle von Bankinstitutionen im Finanzsektor und der Volkswirtschaft Dritter Theoriebaustein für diese Arbeit sind die Eigenheiten von Finanzin­ stitutionen und ihre besondere Rolle für die Volkswirtschaft. Daher sollen Tätig­ keitsfelder und Funktionen der Banken in den folgenden beiden Kapiteln be­ trachtet werden. Nur in Kenntnis der Branchenbesonderheiten und einer Abschätzung, inwieweit der Bankensektor sich von anderen Wirtschaftsunter­ nehmen unterscheidet und von dem Idealbild des vollkommenen Marktes ab­ weicht, kann beurteilt werden, ob gegebenenfalls eine besondere Regulierung rechtfertigt ist, und wie diese gestaltet werden sollte.

4.1 Tätigkeitsfelder Zur Begründung einer Regulierung wird häufig die Sonderstellung der Ban­ ken in der Volkswirtschaft herausgestellt. Dies wird damit begründet, daß Ban­ ken besondere Leistungen in einer Volkswirtschaft erfüllen, deren Störung oder Unterbrechung negative Effekte auf die Volkswirtschaft hat.

Es ist sinnvoll, analytisch zwischen Tätigkeiten und Funktionen der Banken zu unterscheiden. Wendet man sich zunächst den von Banken ausgeübten Tätig­ keiten zu, bevor im nächsten Kapitel die Funktionen untersucht werden, so stellt man ein weites Tätigkeitsspektrum fest. Es gibt verschiedene Bezeichnungen und Typen von Banken (z. B. Investment Bank, Universalbank, Commercial Bank, Geschäftsbank, Spezialbank, Privatbank, Sparkasse, Hypothekenbank etc.), die sich hinsichtlich ihrer Spezialisierung unterscheiden, also der Bedeutung nach,

Theoretische Vorüberlegungen zu einer Analyse der Bankenregulierung

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die sie den im folgenden aufgeführten Tätigkeiten zukommen lassen:102 Dabei lassen sich alle Bankaktivitäten entweder dem Intermediationsgeschäft oder dem Wertpapier- oder Provisionsgeschäft zuordnen.103

Banken nehmen a) unverbriefte Einlagen (Depositen) und verbriefte Gelder von Kunden entgegen, für deren Überlassung sie größtenteils Zinsen bezahlen (Passivgeschäft). Sie vergeben b) Kredite an Private, Unternehmen und den Staat oder kaufen Wertpapiere, um Erträge für eine angemessene Fremdkapital- und Eigenkapitalverzinsung zu erzielen (Aktivgeschäft). Sie betreiben c) Zahlungs­ verkehrssysteme, die es ermöglichen, Geld via Überweisung, Scheck oder Zah­ lungskarten auf andere Personen/Konten zu übertragen. Weiterhin führen sie d) Beratungsleistungen und Wertpapierdienstleistungen aus, mit denen Provisi­ onserträge erzielt werden. Ein typischer Schwerpunkt dieses sog. Provisionsge­ schäftes ist die Aufgabe, Unternehmen bei einer Kapitalmarktfinanzierung oder bei Fusionen und Unternehmensaufkäufen zu beraten und diese operativ durch­ zuführen („Corporate Finance“). Zum Provisionsgeschäft zählen auch die Durch­ führung von Wertpapiertransaktionen, die Zerlegung und Neubündelung von Risiken sowie die Vermögensverwaltung für Dritte. Eine weitere traditionell gewachsene Aufgabe von Banken ist e) die Handelsfinanzierung, welche früher das Hauptgeschäft der Investment- bzw. Merchantbanken im angelsächsischen Raum war.104 Die beschriebenen Tätigkeiten a) bis c) sind eher typisch für das Geschäft von Commercial Banks, während die Tätigkeiten d) und e) typischer Schwer­ punkt des Investmentbankings sind. Natürlich gibt es weitere Tätigkeiten, die von Banken ausgeübt werden, aber aufgrund ihrer untergeordneten Bedeutung nicht Gegenstand dieser Arbeit sind.105

102 Eine der bedeutendsten Unterscheidung ist die in den USA entstandene zwischen Commercial Banks und Investment Banks. Bei Commercial Banks steht traditionell der Zahlungsverkehr, die Kreditvergabc und das Einlagengeschäft im Vordergrund; bei Investment Banks dagegen die Beratung von Unternehmen bei der Kapitalmarktfinanzierung. Obwohl die durch den ame­ rikanischen Glass-Steagall Act erzwungene Trennung mittlerweile aufgehoben ist, spielt die Unterscheidung weiterhin eine große Rolle, auch im europäischen Raum. 103 Vgl. Knorr (1999), S. 347. I**4 Der Begriff „Merchant Bank“ (Handelsbank) entstammt dem britischen Sprachgebrauch und kennzeichnet in den Bereichen Portfolio Management Investment Banking und Handelsfinanzierung tätige Banken, die häufig als finanzieller Arm von Handelshäusern im 18./19. Jahrhundert gegründet wurden. 105 So verkauft die kalifornische Wells Fargo Bank in ihren Filialen Zahnpasta, vgl. Hindle (1999), S. 35.

30

Kapitel II

4.2 Funktionen Die Funktion von Banken ist in der wissenschaftlichen Literatur häufig un­ tersucht worden. Zu einem großen Teil ist das ihrer erweiterten Rolle in den Fi­ nanzmärkten zu verdanken, die seit den 60er Jahren eine dynamische Entwick­ lung genommen haben.106 Es wurde eine breite Diskussion darüber geführt, welchen Funktionen Finanz-institutionen dienen. Konsens besteht zumindest darüber, daß Kreditbanken (’’Commercial Banks”) einige primäre Funktionen zuzurechnen sind, nämlich der Zahlungsverkehr, die Lenkung der Ersparnisse in produktive investive Verwendungszwecke, diverse Transformations- und Intermediationsfunktionen sowie die Schaffung liquider Anlageformen und das ’’de­ legated monitoring”.107 Diese Funktionen müssen etwas näher erläutert werden: Die am häufigsten genannte Funktion von Banken ist die Lenkung von Er­ sparnissen in produktive Investitionsprojekte. Banken nehmen als Finanzinter­ mediäre Einlagen und andere Kundengelder entgegen und vergeben andererseits Kredite bzw. kaufen Wertpapiere. Banken bieten Depositenmöglichkeiten an, die für Private attraktiver als Wertpapiere sind. Die direkte Anlage in Wertpapieren könnte wegen der damit verbundenen „Monitoring-Costs“, der Kosten der Liqui­ dierung und des Preisrisikos als wenig attraktiv angesehen werden und dazu führen, daß Private entweder nicht oder in Form von Bargeld sparen.108 Aus Sicht einer Bank werden Depositenmöglichkeiten bereitgestellt mit dem Ziel, die oben genannten Aktivitäten der Kreditvergabe finanzieren zu können.109 Für die Volkswirtschaft erwächst aus diesem Prozeß neben der Lenkung der Ersparnisse der Vorteil, daß ein Zahlungsverkehrssystem aufgebaut und betrieben wird. Ban­ ken senken die Transaktionskosten beim Zahlungsverkehr, u. a. auch deshalb, weil sie die Notwendigkeit eliminieren, die Bonität der an einer Transaktion beteiligten Parteien zu überprüfen. Da Banken eine zentrale Bedeutung für das Zahlungssystem und den Clearingprozeß haben, wird im Vorgriff auf spätere

106 Vgl. Santomero (1989). 107 Die Anzahl und Gruppierung der Funktionen variieren jedoch je nach Literaturquelle. So unter­ scheiden Freixas/Rochet (1997) 4 Funktionen: Zahlungsverkehr, "asset transformation", Ri­ sikomanagement, Informationsverarbeitung. Dewatripont/Tirole (1994) differenzieren die Funktionen: Reduktion der Transaktionskosten durch Fristentransformation, Reduktion der Transaktionskosten im Zahlungsverkehr, delegierte Kreditüberwachung und Bereitstellung li­ quider Anlagen. 108 Vgl. Saunders (1997), S. 56. 109 Natürlich können laufende Konten auch deshalb eingerichtet werden, um an Überweisungsge­ bühren etc. zu verdienen. Das Zahlungsverkehrsgeschäft ist jedoch nach Angaben der Banken wenig profitabel, wenn nicht sogar defizitär.

Theoretische Vorüberlegungen zu einer Analyse der Bankenregulierung

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Kapitel bereits hier eine mögliche Notwendigkeit zur Beaufsichtigung der Ban­ ken deutlich, um die Integrität des Zahlungsverkehrssystems zu gewährleisten.

Als Finanzintermediäre üben Banken simultan das Aktiv- und Passivgeschäft aus und sind die einzige Kreditquelle für viele Kapitalnachfrager. Da in den häu­ figsten Fällen die Finanzaktiva einer Bank eine längere Laufzeit haben als ihre Verbindlichkeiten, gehört folglich neben der Mobilisierung von finanziellen Ressourcen die Fristentransformation zu den wichtigen Funktionen der Banken. Im Rahmen der Fristentransformation engagieren sich Banken einerseits in lang­ fristigen, illiquiden Krediten und Wertpapieren, die zur Staats- oder Unterneh­ mensfinanzierung begeben werden. Andererseits stellen sie höher verzinsliche, liquidere110 Anlagegegenstände bereit, als der Markt es abseits der Banken tut, und bieten Sicht-, Spar- und Termineinlagen an. Die Fristentransformation der Banken ist nutzbringend sowohl für Sparer, die üblicherweise eine Präferenz für eine kurze Kapitalanlagedauer haben und nicht genau wissen, wann sie ihr Ka­ pital benötigen, als auch für Kreditnehmer, die häufig langfristigen Kapitalbedarf haben. Indem sie einen Teil der Nachfrage nach liquiden Vermögensgegenstän­ den von den Wertpapiermärkten weg zu Bankdepositen umleiten, erhöhen Ban­ ken zusätzlich die Liquidität und Laufzeit der Finanzmärkte.111 Aus dieser Funk­ tion resultieren Bilanzstrukturen der Banken, die sich von anderen Unternehmen unterscheiden und sich durch geringe Eigenkapitalquoten und deutlich größere Kapitalbindungsdauern auf der Aktivseiten im Vergleich zur Passivseite aus­ zeichnen. Neben der Fristentransformation wird immer wieder als standardmä­ ßige Transformationsfunktion die Losgrößentransformation, die Risiko- und die Ortstransformation erwähnt. Im Rahmen der Finanzintermediation kreieren Banken nicht nur finanzielle Vermögensgegenstände („financial assets“), sie transformieren auch die Qualität von Vermögenstiteln-. Da Banken eine Vielzahl von Anlagegegenständen auf der Aktivseite halten, ist es ihnen möglich, einen Teil der eingegangenen Risiken „wegzudiversifizieren“. Dieser Diversifikationseffekt macht es ihnen möglich, Sparern einerseits risikoarme, liquide Finanzkontrakte mit einem attraktiven Rendite-Risiko-Profil, das sich von dem sonstiger Wertpapiere am Markt unter­ scheidet, anzubieten und andererseits in relativ illiquide und mit hohen Preisrisi-

110 Der Begriff Liquidität kann sich neben der jederzeitigen Zahlungsfähigkeit von Unternehmen auf Vermögensgegenstände beziehen und bezeichnet den Zustand der leichten Umwandelbar­ keit in Geld. In Bezug auf die Liquidität eines Marktes ist die Möglichkeit gemeint, die Han­ delsobjekte in großen Volumina innerhalb geringer Preisspannen handeln zu können. 111 Vgl. Diamond (1997), S. 928. Banken und Finanzmärkten koexistieren und konkurrieren in dem Sinne, daß beide die gleiche Funktion ausüben, Investoren die Möglichkeit zu bieten, kurz­ fristig finanzielle Vermögensgegenslände zu liquidieren.

32

Kapitel //

ken verbundene Wertpapiere und Kredite zu investieren. Banken sind mit Hilfe ihrer Expertise in der Lage, eine Prüfung („Screening“) der Investitions- bzw. Kreditvergabemöglichkeiten durchzuführen. Im Auftrag der Kunden managen Banken Kreditrisiken, indem sie Informationen verarbeiten und ihr Kreditportfo­ lio überwachen. Der Wert für die Gesellschaft liegt in erster Linie in der Fähig­ keit von Banken, wertsteigernde Projekte identifizieren und finanzieren zu kön­ nen. Erfolgversprechende Projekte und Kreditengagements werden von Banken bis zur Rückzahlung überwacht. Dieses sog. ’’delegated monitoring” bedeutet eine Reduktion der Transaktionskosten und ist deshalb so wichtig, weil es a) von Einzelpersonen aufgrund zu hoher Kosten nicht durchgeführt werden würde und b) Kredite nach ihrer Vergabe sehr illiquide und schwierig zu bewerten sind.112 Es hat sich gezeigt, daß „delegated Monitoring“ zu höheren Erträgen des Enga­ gements führt, da Unternehmen infolge der Überwachung sich stärker anstrengen und sich eher im Einklang mit den ursprünglichen bei der Kreditvergabe verein­ barten Zielen verhalten.113 Die gezielte Übernahme von Risiken ist die Basis des Bankgeschäfts und stellt eine Besonderheit gegenüber anderen Branchen dar. Kontrolliert eingegan­ gene Risiken stellen nicht nur eine Verlustgefahr, sondern auch eine Chance zur Erzielung von Erträgen dar.

„What is special about banks is this great paradoxon: To make attractive re­ turns, they have to seek out risk (...) That is what they get paid for.“114

In den letzen Jahren werden neben dem bisher beschriebenen AktivitätenSpektrum von Finanzintermediären verstärkt zwei weitere Funktionen herausge­ stellt, nämlich das Risikomanagement und der Zugang zu dem zunehmend kom­ plexen Finanzsektor: Zur Illustration der ersten Funktion wird häufig herausgestellt, daß Banken seit Beginn der neunziger Jahren große Mühe darauf verwenden, Finanztitel zu zerlegen und anschließend die Risiken wieder neu zusammenzusetzten („Repackaging“), um ihre Kundenwünsche zu befriedi­ gen.115 Es wird argumentiert, daß diese Aktivität nur gerechtfertigt sein kann, wenn die beschriebene Risikomanagement-Dienstleistung vom Markt her hono­

112 Vgl. GorTON/PENNACCHl (1990), die diesen Punkt diskutieren. 113 Vgl. Allen/Gai.E (1988) für eine Diskussion des Einflusses von „Monitoring“ auf das Projek­ tergebnis. 114 CASSERLEY (1991), S. 21. 115 Vgl. Crane et al. (1995).

Theoretische Vorüberlegungen zu einer Analyse der Bankenregulierung

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riert wird und sich daraus für Banken Gewinn- und Geschäftsmöglichkeiten er­ geben. Die Funktion „Zugangsverschaffung zu Finanzmärkten“ geht auf frühe Ar­ beiten von Blume/Friend (1978) zurück. Die direkte Partizipation an den Fi­ nanzmärkten ist in den USA, aber erst recht im kontinentaleuropäischen Raum recht gering, da große Informationsasymmetrien vorliegen.116 Banken verschaf­ fen einen indirekten Zugang zum Finanzsektor, indem sie aufgrund ihrer Exper­ tise für private Investoren die Auswahl von Finanzanlagen, die Streuung des Vermögens, das Portfoliomanagement und das Monitoring übernehmen Die Funktion der Bank als „delegated monitor“ führt in der Sprache der Institutio­ nenökonomik dazu, daß Sparern das mit hohen Kosten verbundene Monitoring abgenommen und drohende Agency Costs vermieden werden. Folgt man der Argumentation, dann besteht eine Hauptaufgabe von Finanzintermediären darin, die Expertise bereitzustellen, Kunden über Anlagemöglichkeiten zu informieren und das Monitoring zu übernehmen. Die Zwischenschaltung von Finanzinter­ mediären erlaubt es, die Informationsasymmetrien zwischen Kapitalgebern und nehmern zu überwinden und zwar zu Transaktionskosten, die niederiger liegen, als bei der Nutzung alternativer institutioneller Arrangements.117 Aus diesem Grund ist ein leistungsfähiger Bankensektor ein positiver Standortfaktor aller erster Güte. Zusammenfassend bietet sich nun ein recht klares Bild, welche Aufgaben der Bankensektor erfüllt. Banken nehmen am Finanzmarkt stellvertretend für ihre Aktionäre und ihre Kunden (Einleger) teil. Dazu investieren sie ihr Eigenkapital und das von Anlegern eingebrachte Kapital in Finanzanlagen, die größtenteils illiquide und risikobehaftet sind. Sie prüfen und überwachen diese Engagements und bieten dem Publikum liquide Anlagegegenstände und Zahlungsverkehrslei­ stungen an. Des weiteren verwalten sie einen großen Teil des Volksvermögens und haben im Rahmen ihrer Kredit- und Geldversorgung Einfluß auf die Geld­ schöpfung und die Konjunktur. Diese dominierende Stellung der Banken in der

Vgl. Diamond (1997), S. 947, der erklärt, warum relativ uninformierte Investoren aufgrund hoher Informationsbeschaffungskosten dem Markt fernbleiben. 117 Vgl. Knorr (1999), S. 347.

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Kapitel 11

Volkswirtschaft schürt Befürchtungen, daß Banken in Krisenzeiten oder bei Vertrauensverlust ihre Kapitalsammel- und -Verteilungsfunktion nicht mehr er­ füllen können mit negativen Folgen für die gesamte Volkswirtschaft.118

18 Vgl. Büschgen (1998), S. 271.

III. Analyse traditioneller Bankenregulierung 1. Überblick und Ziele des Kapitels In diesem Kapitel wird die traditionelle Bankenregulierung untersucht, bevor in Kap. IV. alternative Regulierungskonzepte betrachtet werden. Mit dem theo­ retischen Rüstzeug des vorigen Kapitels kann nun zunächst die Frage nach der Rechtfertigung und Erfordernis staatlicher Bankenregulierung, die eigentlich ein Fremdkörper in einer Marktwirtschaft ist, besser beantwortet werden. Es wurde bereits die Regulierungstheorie erörtert und festgestellt, daß im Bankenbereich allein die Konzepte „externe Effekte“ und „Informationsunvollkommenheiten“ möglicherweise als Marktversagensgründe zutreffen und eine Regulierungsbe­ gründung liefern. Mit dem Wissen um die ebenfalls diskutierten Branchenbeson­ derheiten und die Rolle der Banken in der Volkswirtschaft kann nun beurteilt werden, inwiefern die beiden Marktversagenskonzepte tatsächlich eine Regulie­ rung rechtfertigen. Insbesondere kann das Argument von Regulierungsbefür­ wortern theoretisch durchleuchtet werden, der Bankensektor müsse im Vergleich zu anderen Branchen besonders strengen Regulierungen unterliegen, da eine Störung seiner Funktion negative externe Effekte ausstrahle und es sich um einen wirtschaftspolitischen Ausnahmebereich handele.119

Im Rahmen dieser Überlegungen wird weiterhin geprüft, was KostenNutzen-Analysen zur Regulierungsbegründung beitragen können, und versucht einzuschätzen, ob die Regulierungsintensität in Deutschland zu hoch oder zu niedrig ist. Es werden Ursachen von Bankenkrisen analysiert, um erkennen zu können, an welchen Stellen der Staat regulierend eingreifen kann mit dem Ziel, Bankinsolvenzen zu vermeiden. Anschließend wird gezeigt, mit welchen Regu­ lierungen bisher versucht wird, dies zu erreichen und wie die staatliche Vorge­ hensweise zu beurteilen ist. Das Kapitel mündet in einer Analyse der Defizite bisheriger Regulierungen, wobei der bisherige, aufwendige Ansatz quantitativer Regelungen in Frage gestellt wird.

119 Auch andere Branchen wie die Strom-, und Wasserindustrie unterliegen besonderen Regulierun­ gen wegen Branchenbesonderheiten und der hohen Kosten, die auf die Gesellschaft bei einer Versorgungsunterbrechung zukommen.

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Kapitel III

2. Mögliche Begründungen einer Regulierung 2.1 Gläubigerschutz und Informationsasymmetrien Regulierung bei Banken wird häufig mit dem Argument des Gläubigerschut­ zes begründet. Bei einer Bankinsolvenz verlieren viele Einleger ihre Einlagen, die häufig einen Großteil ihrer Ersparnisse ausmachen. Aus Gründen des Ver­ braucher- oder Gläubigerschutzes ist dieser gewaltige Vermögensverlust uner­ wünscht und steht im Vordergrund vieler aufsichtsrechtlicher Regelungen.

Aus informationsökonomischer Sicht kann eine Regulierungsbegründung ge­ funden werden, da sich einige Besonderheiten des Bankensektors feststellen lassen, die das Gläubigerschutzargument stützen: Bankkunden gehen oft langfri­ stige Verpflichtungen mit der Bank ein. Die Mehrzahl von ihnen befindet sich jedoch gegenüber der Bank in einer schwächeren Position, da sie geringe öko­ nomische Kenntnisse haben und eine ausgeprägte Informationsasymmetrie zu ihren Lasten vorliegt. Der durchschnittliche Sparer hat Vertrauen auf die Sicher­ heit seiner Ersparnisse bei einer Bank, ist aber nicht in der Lage oder aufgrund hoher Informationskosten nicht willens, die Solidität einer Bank zu begutachten. Eine Regulierung begründet sich dann aus den Informationsunvollkommenheiten der Bankkunden und den Agency-Problemen im Verhältnis zur Bank. Aufgrund der geringen Eigenkapitalquoten der Banken im Verhältnis zu übernommenen Risiken ist die Gefahr einer Schädigung von Gläubigern größer als in anderen Branchen. Das gilt besonders für wirtschaftlich schwächere Bevölkerungs­ schichten, bei denen Einlagen und Sparguthaben ihre wesentliche Vermögensre­ serve darstellen. Der Verlust ihrer Einlagen würde sich existenzbedrohend aus­ wirken.120 Aufgrund der Informationsasymmetrie haben Banken Moral Hazard Anreize, risikoreiche, im Erfolgsfall äußerst rentable Aktivitäten zu entfalten, was Einlegern verborgen bleibt. Problematisch ist dies insofern, als bei Informa­ tionstransparenz risikoaverse Einleger auf eine Geschäftsbeziehung mit dem fraglichen Kreditinstitut bewußt verzichtet hätten.121 Zum anderen wird gefol­ gert, daß Informationsdefizite dazu führen können, daß Einleger schon bei ge­ ringsten Zweifeln an der Solvenz ihres Instituts mit panikartigem Einlagenabzug reagieren, egal ob die Zweifel begründet sind oder nicht. Dieser Run könne sich

120 Vgl. Bieg (1983), S.26ff. 121 Vgl. Knorr (1999), S. 359.

Analyse traditioneller Regulierung

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auf die Mehrzahl solventer Banken auswirken.122 Besondere Schutzvorschriften für die Gläubiger seien daher notwendig (Gläubigerschutzfunktion).123

Mangelndes Vertrauen könnte dazu führen, daß Anleger ihr Geld nicht bei einer Bank anlegen und ihr Kapital nicht in produktive Investitionen fließt. Da­ mit käme die Finanzierung rentabler Investitionsprojekte zum Teil nicht zu­ stande, mit der Folge von Wohlstandsverlusten.124

Auch mit Hilfe der Transaktionskostentheorie lassen sich Begründungsan­ sätze für eine Bankenregulierung finden. Eine entscheidende Forderung der in Kap. 11.2 dargestellten NIÖ lautet nach Williamson: „Organize transactions so as to economize on bounded rationality while si­ multaneously safeguarding against the hazard of opportunism.“125 Bei der Bankenregulierung und der Aufsicht als andauernden Prozeß handelt es sich um eine Art „geschäftlichen Dauerverbindung“ und weniger um einen klassischen Vertrag. Auf solche Fälle ist daher Williamsons (1985) Konzept des relationalen Vertrags zugeschnitten, das sich gerade dadurch auszeichnet, daß anders als im klassischen Vertrag die Verhandlungen laufend fortgeführt werden. Es besteht asymmetrische Information zu Lasten der Aufsicht, und zwar sowohl nach „Vertragsschluß“ (moral hazard), als auch vorher (adverse selection). Die Aufsicht kann die Aktionen der Bank nicht genau beobachten (Principal-AgentBeziehung) und die Art zukünftiger Ereignisse nicht voraussehen.

Regulierung ist aus institutionenökonomischer Sicht dann sinnvoll, wenn sie die kostengünstigste Verfassungsgestaltung einer laufenden Geschäftsverbindung zwischen vielen Prinzipalen und wenigen Agenten darstellt.126 Viele Bankkun­ den stehen wenigen Banken gegenüber und befinden sich in einem geschäftli­ chen Dauerverhältnis und beide Seiten haben hohe transaktionsspezifische Inve­ stitionen. Die obige Bedingung ist damit erfüllt. Im Gegensatz zu anderen Unternehmen finanzieren sich Banken bei häufig in finanziellen Dingen relativ unerfahrenen Kapitalgebern (Einlegern), die meist nur kleine Beträge zur Verfü­ gung stellen. Daher ist es für Einleger unmöglich, bzw. aufgrund zu hoher Ko­ sten nicht sinnvoll, die Bank als Kreditnehmer zu überwachen. Wenn eine Über­

122 Vgl. hierzu ausführlich Abschnitt III. 2.2 sowie Kap. V. dieser Arbeit. 123 Vgl. Bieg (1998), S.455f. 124 Massenhaft verlorene Einlagen, wie in Albanien in den neunziger Jahren, können sogar Mitauslöser für einen Volksaufstand sein. 125 Williamson (1985), S. 32. 126 Vgl. Richter (1991), S. 46.

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Kapitel III

wachung durch Bankeinleger an sich wünschenswert wäre, dann kann transaktionskostenökonomisch argumentiert werden, daß die Einschaltung einer staatlichen Regulierungsinstitution sinnvoll ist, wenn sie stellvertretend für die Einleger handelt, quasi als Unterhändler. Die Kostensenkung entsteht zum einen durch die Vermeidung häufiger Duplizierung derselben Überwachungsprozesse und zum anderen durch die Generierung von economies of scale im Aufsichts­ prozeß, die dadurch entstehen, daß die Regulierungsinstanz Erfahrung sammelt. Diese Überwachung muß kontinuierlich geschehen, da das vom Einleger einge­ gangene Risiko häufig erst im nachhinein durch das Verhalten einer Bank beein­ flußt wird, es sich also um einen Fall von „Hidden action“ und „moral hazard“ handelt. In der Sprache der NIÖ ausgedrückt, nimmt die Regulierunginstitution im Auftrag der Prinzipale immer wieder erforderliche Verhandlungen mit den Agenten (Banken) vor und etabliert eine kostenminimale Ordnung und Überwa­ chung des relationalen Vertragsverhältnisses. Die kollektive Aufsicht muß aller­ dings nicht staatlich, sondern könnte auch eine private Institution sein. Regulie­ rung begründet sich so nicht etwa aus dem Vorliegen natürlicher Monopole, sondern damit, daß eine komplexe, fortdauernde Geschäftsbeziehung zwischen vielen Prinzipalen und wenigen Agenten besteht. Auch die sog. Free-Rider-Problematik läßt sich auf die Überwachung der Banken übertragen. Vertraut jeder auf die Kontrolle einer Bank durch anderer Einleger, ohne sich selbst daran zu beteiligen, so kommt u. U. keine Überwa­ chung zustande. Die Überwachungsfunktion soll daher von der Bankenaufsicht übernommen werden, mit dem Ziel zu verhindern, daß Banken zu Lasten von Kleinanlegern „Reichtumsverschiebungen (...) und eine Unternehmenspolitik einschlagen, die den Anlegern zusätzliche Ausfallrisiken aufbürdet“127.

2.2 Schutz des Bankensystems zur Verhinderung von Instabilität, systemischen Bankenkrisen und resultierenden externen Effekten Das schlagkräftigste Argument für eine Regulierung von Banken liegt darin, daß bei einem unregulierten Bankensystem von einer Instabilität des Systems ausgegangen und eine drohende Gefahr von Krisen des gesamten Bankensy­ stems, einer sog. systemweiten oder systemischen Krise, abgeleitet wird.128 Ziel der Bankenregulierung ist der Schutz des Bankensysterus; der externe Effekt

127 Vgl. Hartmann-Wendels et al. (1998), S. 320. 128 Vgl. Hellwig (1995).

Analyse traditioneller Regulierung

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einer Schädigung des Gesamtwirtschaft soll vermieden werden. Hält man sich die oben genannten Funktionen der Banken in der Volkswirtschaft vor Augen, ist es kein Wunder, daß die Unterbrechung der Funktionen mit ihren katastrophalen Folgen durch Regulierung verhindert werden soll.129 Verschiedene Begründun­ gen für die Instabilität des Bankensektors können in der Literatur gefunden wer­ den:

Die Instabilität begründet sich daraus, daß von der zwangsläufigen Instabili­ tät einer einzelnen Bank ausgegangen wird.130 Die „inhärente Instabilität“ resul­ tiert zum einen aus der besonderen Vertrauensempfindlichkeit von Bankkunden mit der Gefahr eines Schaltersturms und dem massenweisen Abzug von Kunden­ geldern. Zum anderen liegt sie in der besonderen, fragilen Bilanzstruktur einer Bank, die im Kap. III.3.2.2 näher unter die Lupe genommen wird.131 Die Haupt­ ursache liegt darin, daß Banken sich durch kurzfristige Einlagen finanzieren, ihr Kapital aber in illiquiden, eher langfristigen Vermögenstiteln anlegen. Eine un­ regulierte Bank ist daher latent immer von Illiquidität bedroht. Zu einer Liquidi­ tätskrise kann es dann kommen, wenn mehrere oder viele Banken mit hohen Barauszahlungen konfrontiert sind. Zusätzliche liquide Mittel können dann von Banken nur zu höheren Kosten oder gar nicht mehr ausgeliehen werden. Verkau­ fen viele Banken zur Aufrechterhaltung der Liquidität ihre weniger liquiden Vermögensgegenstände, so sinken deren Marktpreise, was zur Verschärfung der Liquiditätskrise beiträgt und die Solvenz der Banken bedroht. Nun stellt die Insolvenz einer einzelnen Bank bis auf die Konsequenz, daß Einleger ihre Einlagen teilweise oder komplett verlieren, nichts anderes als eine normale Unternehmenspleite dar, was im Sinne einer Wettbewerbsauslese durch­ aus gewünscht sein kann. Auch Produktionsunternehmen und Nichtbanken kön­ nen einen Run von Gläubigern erleben. Der die Instabilität begründende Unter­ schied zu anderen Branchen liegt darin, daß sich die Probleme einer Bank als negativer externer Effekt leicht auf andere Banken übertragen können. Das kann auf zwei Arten geschehen. So wird zum einen argumentiert132, daß Banken in stärkerem Maße als andere Unternehmen einem „ich-zuerst“-Verhalten der Gläubiger ausgesetzt sind und eine Kettenreaktion droht. Bei Fehlen einer geeig­

129 Keynesianisch orientierte Autoren wie Dow (1996) leiten eine angebliche Regulicrungsnotwendigkcit daraus ab, daß die Bankverbindlichkeiten als (Giral-) Geld benutzt werden und die Geldfunktion der Bankpassiva ein öffentliches Gut sei. Die Argumentation, wird allerdings von vielen bezweifelt, vgl. D()WI) (1996) und BensTON/KaL'FMAN (1996). 130 Vgl. Saunders (1997), S. 83. 131 Vgl. Friedman (1962), Kap. 3. 132 Vgl. FlSCHEE et al. (1987).

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Kapitel III

neten Regulierung kann bereits das unbegründete Gerücht über negative Ent­ wicklungen den Run auf eine Bank auslösen.133 Dieser stellt eine Gefahr dar, weil er bei den Einlegern Zweifel an der Solvenz anderer, gesunder Banken und an der Solidität des Bankensystems aufkommen lassen kann. Das Mißtrauen springt mit anderen Worten auf andere Banken über und kann im Extremfall sogar zu einer Bankpanik mit Runs auf gesunde Banken führen. Zum anderen kann sich die Insolvenz auch direkt auf andere Banken übertra­ gen, weil Banken durch gegenseitige Kreditvergabe am Interbankenmarkt stark miteinander verflochten sind (’’Dominoeffekt’’). Angesichts von nur 20 bis 30 Banken, die ca. 90 % des weltweiten Devisenhandels abwickeln, muß heute von der Möglichkeit eines globalen Dominoeffektes ausgegangen werden.134 Die Anleger werden durch die Interbankenverflechtung in ihrer Annahme, daß nicht nur eine einzelne Bank in Schwierigkeiten ist, und damit in ihrem Verhalten noch bestärkt.135 Es kommt zu einer Vertrauenskrise nicht nur in die einzelne Bank, sondern in alle Banken und einem Abzug der Einlagen auf dem gesamten Bankenmarkt.136

Natürlich kann eine Bank auch aus anderen Gründen illiquide oder insolvent werden.137 Jedoch besteht auch dann die Möglichkeit, daß die Krise einer indivi­ duellen Bank sich durch „spill-over“ Effekte auf andere Banken ausweitet und zur Systemkrise führt. Systemkrisen müssen natürlich nicht zwanghaft durch Übertragung der Probleme einer einzelnen Bank auf andere entstehen. Eine Ge­ fahr besteht auch darin, daß aufgrund adverser makroökonomischer Entwicklun­ gen (z. B. Preisrückgang am Immobilienmarkt, Geldmengenverknappung der Zentralbank) viele Banken gleichzeitig illiquide oder insolvent werden und eine systemweite Bankenkrise entsteht. Allein die Möglichkeit einer systemischen Krise rechtfertigt eine Regulierung, und der Staat muß einen Run auf eine Bank verhindern, so ein üblicher Argumentationsstrang. Verwiesen wird in diesem Zusammenhang darauf, daß der Staat Rahmenbedingungen für das reibungslose

133 1997 bescherte eine Verwechslung einen kleinen Run auf Zweigstellen der Berliner Citibank, die von Einlegern mit der Firma „City Back“ verwechselt wurde, über deren Konkurs im Radio berichtet wurde. Vgl. HARTMANN-WENDELS et al. (1998), S. 258. 134 Vgl. KRUMNOW (1997), S. 1161. 135 Vgl. BURGHOE/RUDOLPH (1996), S. 24. 136 Zu den Übertragungswegen eines Run bei einer einzelnen Bank auf andere Banken und einer systemweiten Krise vgl. KÖRNERT (1998), S. 104ff. 137 Vgl. Kap. II 1.3 „Gründe für Bankzusammenbrüche“ dieser Arbeit.

Analyse traditioneller Regulierung

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Geschehen des Wirtschaftsablaufs garantieren soll, zu denen auch eine funktio­ nierende Kreditwirtschaft zählt.138 Eine systemweite Bankenkrise, auch wenn sie sehr unwahrscheinlich ist, ist aus mehreren Gründen bedenklich: Erstens ist es, wie im vorigen Kapitel darge­ stellt, aus Gründen des Verbraucher- oder Gläubigerschlitzes unerwünscht, daß sehr viele Einleger ihre Einlagen verlieren. Vor allem aber hat eine Bankenkrise negative Auswirkungen auf andere Bereiche der Volkswirtschaft (negative ex­ terne Effekte). Oben wurde gezeigt, daß Banken sich dadurch auszeichnen, daß sie besondere, wichtige Leistungen und Funktionen für andere Wirtschaftssekto­ ren erbringen. Dazu zählte u. a. die Kapital- und Risikoallokationsfunktion, die Förderung der Ersparnisbildung, der Zahlungsverkehr und die Schaffung liquider Anlagegegenstände, verbunden mit dem „delegated monitoring“.

Eine Bankenkrise führt also zweitens dazu, daß insolvente Banken ihren Be­ trieb einstellen müssen, mißtrauisch gewordene Anleger ihr Geld nicht mehr bei Banken anlegen und somit der Bankensektor seine Funktionen nicht mehr erfül­ len kann. Das hat negative Effekte auf andere Wirtschaftsbereiche, sog. spillover-Effekte. Diese äußern sich infolge einer Bankenkrise typischerweise in einem sog. „Credit-Crunch“, einer Kreditverknappung.139 Dabei können Banken keine Kredite mehr vergeben oder fordern diese sogar zurück. Unternehmen und andere Kapitalnachfrager sehen sich plötzlich vor die Situation beschränkter Kreditaufnahmemöglichkeiten gestellt. Die gesamte Volkswirtschaft wird in Mit­ leidenschaft gezogen, und hohe Kosten für alle Wirtschaftssektoren entstehen. Betrachtet man eine Zusammenstellung von Bankenkrisen in 34 verschiedenen Ländern140, so finden sich als Auswirkungen von Bankenkrisen auf den realen Sektor zusammenfassend immer wieder ein reduziertes Wirtschaftswachstum, teilweise sogar Rezession, Einlagenverluste, die zu verminderter Nachfrage und Wirtschaftswachstum führen, steigende Realzinsen, Arbeitslosigkeit, gestiegene Zinsdifferenzen zwischen Kredit- und Einlagenzinsen und ein sinkendes öffentli­ ches Vertrauen in das Finanzsystem. Jüngstes Beispiel ist die Krise der Türkei Ende 2000.141 Diese erhebliche Beeinträchtigung von Nichtbanken stellt eine negative Externalität einer Bankenkrise und damit eine Regulierungsbegründung

138 139 140 141

Vgl. Hartmann-Wendels et al. (1998), S. 321. Vgl. Freixas/Rochet (1998), S. 183ff. sowie Hellwig (1998), S. 125. Vgl. GOOFHART et al. (1998), S. 17-37. Zehn Bankzusammenbrüche lösten eine Krise aus, die zu Kapitalabfluß und Rekordzinsen von über 1.900 % führte und die nur mit Hilfe des IWFs bewältigt werden konnte. Ein Grund für die entstandenen Probleme war die Fehlanreizc setzende Art der Regulierung und das Zögern des Staates, unrentable Banken frühzeitig zu schließen.

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Kapitel 111

dar {Sicherheitsfunktion der Bankenregulierung). Regulierung rechtfertigt sich mit dem Argument externer Effekte dadurch, daß die gesamtwirtschaftlichen Kosten einer Bankenpleite die privaten Kosten übersteigen und die sozialen Kosten nicht in die Entscheidungen einer Bank mit einbezogen werden. Drittens ist eine sich abzeichnende Krise des Bankensystems auch deswegen eine gesellschaftliche Bedrohung, weil zur Aufrechterhaltung der Funktions­ tüchtigkeit des Finanzsystems der Staat gezwungen sein könnte, das System zu sanieren. Dabei fallen fast immer im voraus kaum kalkulierbare, hohe gesell­ schaftliche Kosten an, die den Staatshaushalt belasten und mit denen sich der Folgeabschnitt beschäftigt. Es ist daher das Interesse des Staats verständlich, regulierend einzugreifen.

2.3 Kosten-Nutzen-Überlegungen zur Bankenregulierung Regulierende Eingriffe sind dann sinnvoll, wenn sie der ökonomischen Effi­ zienz dienen. Zur Beurteilung müssen Kosten und Nutzen der Bankenregulierung gegeneinander abgewogen werden, was man als Kosten-Nutzen-Analyse (costbenefit analysis) bezeichnet. Auch bei Vorliegen eines Markt- oder Wettbe­ werbsversagens im Bankensektor kann Regulierung nur dann gerechtfertigt sein, wenn der Nutzen der Regulierung die verursachten Kosten übersteigt. Der ange­ strebte Nutzen der Regulierung besteht in einer höheren Stabilität des Banken­ systems, andererseits verursacht Regulierung verschiedenartige Kosten. In den nächsten Kapiteln werden zunächst der Nutzen, dann die Kosten der Bankenre­ gulierung betrachtet. Schließlich werden beide gegenübergestellt und der beste­ henden trade-off analysiert. 2.3.1 Nutzen der Regulierung

Der angestrebte Nutzen risikobegrenzender Bankenregulierungen besteht in einer höheren Stabilität des Bankensystems, die die Vermeidung von Bankenkri­ sen und Krisenkosten bedeutet. Im Zusammenhang mit Bankenkrisen traten häu­ fig gesamtwirtschaftliche Krisen auf, so die Weltwirtschaftskrise oder die Asien­ krise 1997/98. Die Kosten einer Bankenkrise bestehen in einem reduzierten Wirtschaftswachstum aufgrund Kreditverknappung und steigenden Zinsdifferen­ zen und darin, daß der Staat den angeschlagenen Bankensektor u. U. rekapitali­ sieren muß, um seine Funktionsweise zu sichern. Wenn Regulierung zu höherem Vertäuen in die Stabilität des Bankensystems führt, besteht ein weiterer Nutzen darin, daß verhindert wird, daß Private aufgrund von fehlendem Vertrauen ent­

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weder gar nicht oder in Form von Bargeld sparen.142 Entwickelt sich aus dem Konkurs einer Einzelbank oder aus anderen Gründen eine systemische Banken­ krise, so erreichen die entstehenden Kosten nicht selten ein gewaltiges Ausmaß. Insbesondere die Kosten zur Sanierung angeschlagener Banken sind beträchtlich. Einige Beispiele mögen das verdeutlichen: Die Bankenkrise in Norwegen Anfang der 90er Jahre hat den Staat 16 Mrd. US-$ gekostet, die Sanierung der amerikanischen Sparkassen dürfte insgesamt rund 130 Mrd. US-$ gekostet haben143 und, um ein aktuelles Beispiel anzufüh­ ren, die notwendig gewordene Stützung von 10 türkischen Banken Ende 2000 verursachte Kosten von schätzungsweise 10 Mrd. US-S.144 Im Zuge der Währungs- und Bankenkrise in Indonesien 1997, bei der über 50% aller Bankkredite ausfielen, mußte der Staat je nach Schätzung Kosten in Höhe von 50-130 % des BIP zur Rekapitalisierung der Banken aufwenden.145 Eine Übersicht der Kosten, die zur Bewältigung einiger bedeutender Bankenkrisen erforderlich waren, gibt die untenstehende Abb. 2. Man erkennt, daß die Kosten zur Bewältigung einer Bankenkrise beträchtlich sind. Weitere Bankenkrisen in Industrieländern mit ihren Ausmaßen und Entste­ hungsgründen sind in Tab. A-l des Anhangs aufgeführt. Neben über 100 Ent­ wicklungsländern haben in den letzten Jahrzehnten fast alle Industrieländer Pro­ bleme im Bankensektor erfahren. Deutschland blieb in der Nachkriegszeit von einer großen Bankenkrise verschont. Jedoch muß angemerkt werden, daß auf­ grund institutioneller Besonderheiten krisenhafte Entwicklungen häufig nicht wahrgenommen werden. So wurden in den 90er Jahren zahlreiche defizitäre Genossenschaftsbanken durch Zahlungen des Sicherungsfonds und Fusionen mit gesunden Instituten vor dem Bankrott gerettet. Sollte es jedoch zu einer Krise kommen, so muß auch in Deutschland mit beträchtlichen Kosten gerechnet wer­ den.146 Diese werden von der Ratingagentur Standard & Poor’s auf 7-18 % des BIP geschätzt.147

Vgl. Saunders (1997), S. 56. Vgl. Jones/Kolatcu (1999), S. 3 Vgl. o. V. (2000a), S. 103. Vgl. O. V. (1999c), S. 93 sowie BIZ (2000), S. 56. Allein die hohe Belastung des Berliner Haushalts infolge der Probleme der Bankgesellschaft Berlin machen die Dimension des Problems deutlich. 147 Vgl. POLACKOVA (1999), S. 47.

142 143 144 145 146

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Kapitel 111

Datenquelle-. Dziobek/Pazarbasjoglu (1997); The Economist v. 12.04.1997, S. 5 sowie BIZ (2000).

Abb. 2: Kosten der Bewältigung ausgewählter Bankenkrisen

Die obigen Beispiele machen die Kosten zur Sanierung eines Bankensystems deutlich. Die gesamten Krisenkosten sind noch weitaus höher, da die kaum quantifizierbaren, aus verlangsamten Wirtschaftswachstum und Kreditverknap­ pung resultierenden Kosten noch nicht eingerechnet sind. 2.3.2 Regulierungskosten

Zu den Regulierungskosten zählen zum einen die privaten oder direkten Re­ gulierungskosten. Darunter fallen die Aufwendungen der Aufsichtsbehörden, die in Deutschland zu 90 % von den Banken und zu 10 % vom Bundeshaushalt ge­ tragen werden, sowie die den regulierten Banken, ihren Aktionären und Mana­ gern, auferlegten Kosten (z. B. Kosten durch Berichte, die der Aufsichtsbehörde eingereicht werden müssen und die die Kapazitäten von Managern und Wirt­ schaftsprüfern binden). Kosten der Regulierung können daneben auch indirekte Kosten sein und in gesamtwirtschaftlichen Wohlfahrtsverlusten bestehen. Regulierung kann z. B.

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den Wettbewerb einschränken oder den Marktaustritt unrentabler Banken ver­ hindern. Indirekte Kosten bestehen auch darin, daß die optimale Kapitalalloka­ tion behindert wird. Banken sind sinnvolle Transaktionen und Dienstleistungen untersagt148 und sie müssen mehr Eigenkapital halten, als es ihre Eigentümer für optimal halten. Es ist davon auszugehen, daß die indirekten Regulierungskosten die direkten deutlich übersteigen. Beide Kostenarten zusammen werden als so­ ziale Kosten bezeichnet.149 Den Banken direkt und indirekt auferlegte Kosten werden als sog. Regulierungslast („regulatory bürden“) bezeichnet. Nicht uner­ wähnt bleiben darf allerdings, daß Regulierung für Banken auch Vorteile bringen kann, so etwa bei Einschränkung des Marktzugangs und herabgesetztem Wett­ bewerb. Die Differenz zwischen den privaten Regulierungskosten und den Vor­ teilen der Banken, wird als „net regulatory bürden“ bezeichnet.

Auch bei der Abschätzung von Regulierungskosten ist man vor große Schwierigkeiten gestellt. Bei den direkten Regulierungskosten allein deshalb, weil das Rechnungswesen der Banken Regulierungskosten nicht separat von anderen Kosten erfaßt. Zusätzlich ist nur schwer zwischen Kosten zu unterschei­ den, die ausschließlich aufgrund einer Vorschrift anfallen und solchen, die zum Teil auch ohne Regulierung anfallen würden (z. B. die Kosten des Risikocon­ trollings).150 In der Literatur finden sich nur einige wenige Stellen, die Regulie­ rungskosten zum Gegenstand haben: Zum einen wurden Fallstudien durchge­ führt, die anhand von Beispielbanken versuchen, die durch Regulierung bedingten Gesamtkosten zu schätzen. Für die USA finden sich drei wichtige Fallstudien: So fand Darnell (1980) bei der genauen Analyse einer Bank heraus, daß für die Ausführung aller vom Gesetzgeber verlangten Aktivitäten Gesamt­ kosten von 6,2 Mio. US-$ anfielen, was 13,7 % aller nicht zinsbedingten Kosten der Bank („non-interest-expenses“) entspricht. Die Prüfungsgesellschaft Grant Thornton (1992) kam bei der Untersuchung von 9 Banken auf 14,1 %. Verwiesen wird auch auf McKinsey (1992)151, die als einzige die Zusatzkosten für Aktivi­ täten schätzten, die ohne regulatorischen Zwang nicht ausgeübt worden wären, und einen Wert von 6,1 % ermittelten.

Daneben finden sich Surveys, in denen per Fragebogen eine größere Zahl von Banken erfaßt wurde. Grant Thornton (1993) untersuchte 765, die American

148 Liquiditätsrisiken könnten z. B. eingedämmt werden, indem Banken Kundeneinlagen nur noch in hochliquide Titel anlegen dürfen ("narrow banking"). Dadurch würde aber gleichzeitig die wohlfahrtssteigernde Fristentransformation unterbunden. Vgl. LANGER/WEBER (2000), S. 227. 149 Vgl. FRITSCH/WEIN/EVERS (1999), S. 94. 150 Vgl. Elliehausen (1998). 151 Vgl. Elliehausen (1998), S. 12f.

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Kapitel 111

Bankers Association (1992) 900 und Joyal et al. (1993) 829 Banken, mit dem Ergebnis, daß die Gesamtkosten im Bereich 8,9-12,6 % aller Kosten lagen. El­ liehausen (1998) kommt zu vergleichbaren Kostenschätzungen von 12-13 % und schätzt die gesamten Regulierungskosten amerikanischer Banken für 1991 auf 7,5-17 Mrd. US-$. Nimmt man an, daß in Deutschland ähnliche Kosten wie in den USA anfal­ len, und zieht die gesamten Aufwendungen von 145 Mrd. DM im Jahr 1999 heran152, so errechnen sich bei den deutschen Banken regulierungsbedingte Ge­ samtkosten von ca. 18 Mrd. DM. Die Kostenschätzung für die Zusatzkosten, die ohne Regulierung nicht anfallen würden, beläuft sich auf 8,8 Mrd. DM. Eine Kostenabschätzung findet sich auch in einer Studie des Deutschen Sparkassenund Giroverbands.153 Danach haben 33 ausgewählte, bankspezifische Regelun­ gen seit 1989 die deutschen Sparkassen 3,3 Mrd. DM gekostet, wovon 1,4 Mrd. DM auf die Einführung neuer Regeln entfielen. Die Kosten für die Umset­ zung einer einzigen BAKred-Verlautbarung werden an gleicher Stelle auf ca. 150 Mio. DM geschätzt. Auch wenn es unmöglich ist, die genaue Höhe der sozialen Kosten zu schätzen, so wird doch bereits anhand der Abschätzung der direkten Regulierungskosten, die den kleineren Teil der Gesamtkosten ausmachen, klar, daß es sich um eine beträchtliche Größenordnung handelt. 2.3.3 Trade-off der Regulierung: Krisenkosten versus Regulierungskosten

Üblicherweise wird davon ausgegangen, daß mit zunehmender Regulie­ rungsintensität der soziale Nutzen der Regulierung wächst, d. h. das Risiko einer Krise sinkt und Krisenkosten werden vermieden. Gleichzeitig steigen aber auch die sozialen Kosten der Regulierung an, die aus umfangreicher Überwachung und Geschäftsbehinderung der Banken resultieren. Stellt man beide Kosten ein­ mal gegenüber, so erhält man zwei gegenläufige Kurven. In der Abb. 3 sind zu­ sätzlich die gesamtwirtschaftlichen Kosten, die sich als Summe der beiden er­ wähnten Kostenarten ergeben, gestrichelt eingezeichnet:

152 Aufwendungen ohne Zinsaufwendungen, d. h. Verwaltungs-, Personal- und Provisionsaufwen­ dungen. Datenquelle: DEUTSCHE BUNDESBANK, Monatsbericht Sept. 2000, S. 72. 153 Vgl. Berndt (1996).

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Abb. 3: Soziale Kosten und Nutzen der Regulierung

Man erkennt in obiger Abbildung, daß bei einer geringen Regulierungsinten­ sität, d. h. bei geringer Regulierungsdichte und Restriktivität, die erwarteten Krisenkosten hoch sind. Dieses Produkt aus den Kosten im Falle einer Krise und der Krisenwahrscheinlichkeit ist eine Funktion der Regulierungsdichte, weil bei geringer Regulierungsintensität von einer höheren Krisenwahrscheinlichkeit ausgegangen werden muß. Die Kosten der Regulierung dagegen hängen positiv von der Regulierungsintensität ab, da intensivere Regulierungsbemühungen und umfangreiche Überwachung einen größeren verwaltungsseitigen Aufwand verur­ sachen und durch stärkere Geschäftsbehinderung der Banken zu höheren indi­ rekten Regulierungskosten führen. In dem obigen Diagramm wird deutlich, daß Kosten-Nutzen-Überlegungen Bankenregulierung rechtfertigen können: Von dem Ausgangspunkt eines unregu­ lierten Bankensystems (im Diagramm ganz links) kann durch Erhöhung der Re­ gulierungsintensität die Summe aller Kosten, also die sozialen Kosten, gesenkt werden. Wenn durch Bankenregulierung die gesamtwirtschaftlichen Kosten ge­ senkt werden können, dann stellt das eine Rechtfertigung der Bankenregulierung dar. Es wird auch deutlich, daß eine maximale Regulierungsintensität nicht wün­ schenswert sein kann. In diesem Fall ist zwar die Möglichkeit einer Bankenkrise fast ausgeschlossen, jedoch führen die stark ansteigenden Regulierungskosten zu unerwünscht und unnötig hohen Gesamtkosten. Theoretisch ist ein Regulie­

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rungsoptimum vorstellbar, bei dem die gesamtwirtschaftlichen Kosten minimal sind und bei dem gelten muß, daß die Grenzkosten der Regulierung gleich den Grenz-Krisenkosten sind.154

Es stellt sich nun die Frage, ob der optimale Regulierungsgrad in Deutsch­ land erreicht ist. Wie dargestellt, sind Abschätzungen der Kosten sehr schwierig. Es gibt zwar als Nutzenabschätzungen Vorstellungen über die Kosten einer Ban­ kenkrise, allerdings ist es schwierig, den aus dem Gläubigerschutz und dem Si­ cherheitsgefühl der Anleger zusätzlich erwachsenden Nutzen zu bewerten. Die vorangegangene Einschätzung, daß die Regulierungskosten in Deutsch­ land erheblich sind, und die Feststellung, daß große Bankenkrisen in der Bundes­ republik vermieden werden konnte, legen die Vermutung nahe, daß der optimale Regulierungsgrad bereits überschritten und der Bankensektor überreguliert ist. Dieses relativiert die vorangegangenen Kap. 2.1 und 2.2. Eine plausible Erklä­ rung kann hierfür gefunden werden, wenn man das Argument der externen Ef­ fekte auf den Kopf dreht:155 Auch die Einführung einer Regulierung kreiert das Problem externer Effekte. Der Großteil der Regulierungskosten wird nämlich nicht von der Regulierungsbehörde oder dem Staat getragen und daher nicht in den Entscheidungsprozeß internalisiert. Die Kosten der Regulierung fallen nicht auf diejenigen zurück, die regulieren. Sie stellen damit negative externe Effekte dar. Unter solchen Umständen wird die Regulierungsintensität vermutlich über das effiziente Niveau hinaus ausgeweitet. In der Abb. 3 führt eine nur teilweise Berücksichtigung der Regulierungskosten dazu, daß sich der kostenoptimale Punkt nach rechts verschiebt. Der beschriebene Prozeß begründet, warum staatli­ che Bankenregulierung über das bei Berücksichtigung aller Kosten und Nutzen gerechtfertigte Niveau hinausschießt und Überregulierung entsteht.

Es zeigte sich, daß es nahezu unmöglich ist, Kosten und Nutzen der Banken­ regulierung zu quantifizieren. Die Idee, einen optimalen Regulierungsgrad zu bestimmen ist daher nicht operationabel. Trotzdem läßt sich resümieren: Bei Fragen der Nützlichkeit der Bankenregulierung für die Gesellschaft ist immer die Effizienz von Vorschriften zu beachten. Bei dem Versuch, die Krisenkosten zu reduzieren, werden den Regulierten Kosten aufgebürdet, die letztendlich auch

154 Die Bedingung für ein Kostenminimum ist, daß der marginale Zuwachs der Regulierungskosten der marginalen Abnahme der erwarteten Krisenkosten entspricht. Wenn RI die Regulierungsintensität, RK die Regulierungskosten und KK die erwarteten Krisenkosten bezeichnen, muß gelten: ORK _ PKK dRI “ DRI 155 Vgl. Bllndell/Robinson (1999), S. 18.

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von den Bankkunden getragen werden müssen. Es spricht einiges dafür, daß die Regulierungsintensität in Deutschland zu hoch ist.

Die theoretischen Überlegungen des Kap. III. 2 zusammengefaßt kann Ban­ kenregulierung für notwendig erachtet werden, um ein Marktversagen zu korri­ gieren. Im Fall der Banken wird Marktversagen darin vermutet, daß Bankgläubiger aufgrund von Informationsdefiziten und hohen Transaktionsko­ sten nicht in der Lage sind, den Risikograd einer Bank einzuschätzen. Die Ein­ schaltung einer Aufsichtsbehörde stellvertretend für die Bankkunden ist ein transaktionskostengünstiger Weg des Monitorings der Banken. Regulierung wird mit dem Gläubigerschutz gerechtfertigt, um Einleger vor den Konsequenzen eines Bankzusammenbruchs zu schützen. Der Zusammenbruch von Banken hat negative externe Effekte auf andere Banken und die Gesamtwirtschaft. Regu­ lierung soll verhindern, daß Bankeninsolvenzen häufiger als notwendig auftreten und das Finanzsystem zur Instabilität neigt, um die erwarteten Krisenkosten zu senken. Eine Kosten-Nutzen-Abschätzung zeigt jedoch, daß Bankenregulierung hohe soziale Kosten aufwirft und läßt den Eindruck entstehen, daß der Banken­ sektor in Deutschland und anderen Ländern tendenziell überreguliert ist. Diese Regulierungsbegründungen werden einerseits als eine Rechtfertigung für ein staatlich vorgeschriebenes System der Einlagensicherung herangezo­ gen156, zum anderen für den Erlaß zahlreicher risikobegrenzender Regulierungs­ vorschriften. Fraglich ist jedoch, inwieweit staatliche Regulierung das Banksy­ stem wirklich sicherer macht. Ein sich aus der Regulierung ergebendes, weiter unten detailliert behandeltes Problem soll bereits an dieser Stelle vorweggenom­ men werden: Da Einlagensicherung dazu führt, daß marktliche Kontrolle der Banken ausbleibt, bestehen für Banken Anreize zu risikoreichem Verhalten. Das bedeutet, daß ein System der Einlagensicherung eine strenge Regulierungen der Banken gerade notwendig macht!157

3. Gründe für Bankzusammenbrüche Nachdem sich im letzten Kapitel mit Begründungen für Bankenregulierung auseinandergesetzt wurde, kümmert sich dieses Kapitel um die Gründe für Ban­ kenzusammenbrüche und -krisen. Auf Basis dieser Erkenntnisse ist es möglich, Bereiche zu identifizieren, in denen die Bankenregulierung risikobegrenzend

156 Vgl. Kap. V dieser Arbeit. 157 Vgl. Benston/Kaufman (1996).

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eingreifen kann. Erst danach kann beurteilt werden, an welchen Stellen die tradi­ tionelle Bankenregulierung in Deutschland einhakt und inwiefern die Regulie­ rungspraxis zu kritisieren ist. Insofern handelt es sich hierbei um ein induktives Vorgehen. Zunächst sollen in Kap. 3.1 die Auslöser, also die Risikofaktoren, deren Eintreten im Extremfall zur Insolvenz einer Bank führen kann, beleuchtet werden. Von den Auslösern analytisch zu trennen sind die Ursachen von Bank­ krisen, die in dem Folgekapitel 3.2 analysiert werden.

3.1 Bankbetriebliche Risiken als Auslöser von Bankenkrisen Wird eine Bank insolvent, so ist dies von schlagend gewordenen Risiken ausgelöst worden. In diesem Abschnitt werden daher bankbetriebliche Risiko­ faktoren erläutert und systematisiert, zuvor aber der Risikobegriff für diese Ar­ beit definiert.

Der Risikobegriff wird in unterschiedlichen Bedeutungen verwendet. Um­ gangssprachlich wird Risiko mit der Eintrittsmöglichkeit eines bestimmten, eher negativen Ereignisses verbunden. In der Betriebswirtschaftslehre wird der Risi­ kobegriffhäufig entscheidungsorientiert verstanden und von den Begriffen Unsi­ cherheit und Ungewißheit abgegrenzt:158 Im Gegensatz zur Sicherheit stehen bei Entscheidungszuständen unter Unsicherheit die infolge einer Handlung eintre­ tenden Ereignisse nicht fest. 1st eine Wahrscheinlichkeitsverteilung der mögli­ chen Zukunftsereignisse bekannt, so handelt es sich um eine Entscheidungssi­ tuation unter Risiko, sonst wird der Zustand als Ungewißheit bezeichnet. Der entscheidungstheoretische Risikobegriff im weiteren Sinne umfaßt damit positive wie auch negative Ergebnisabweichungen.159 Für den in der Praxis üblichen Risikobegriff im engeren Sinne ist jedoch die einseitige Betrachtung der ungünstigen Ergebnisabweichung charakteristisch. Dieser als planungs- und zielorientiert bezeichnete Risikobegriff läßt sich allge­ mein als die Möglichkeit der Nichtrealisation geplanter Zielgrößen definieren.160 Hinsichtlich einer Bank kann man unter Risiko die Möglichkeit von wesentli­ chen, erwarteten oder unerwarteten Abweichungen von bankspezifischen Zielen

158 Vgl. Bamberg/Coenenberg (1991), S. 17 und Wöhf. (1996), S. 162 ff. 159 In der Finanzierungstheorie und -praxis wird Risiko sowohl als positive (Chance) wie negative Zielabweichung verstanden, u.a. deshalb, weil sich Risiko so unkompliziert durch die Standar­ dabweichung einer Variablen wie der Aktienrendite messen läßt. 160 Vgl. Büschgen (1998), S. 866f.

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verstehen, insbesondere von der prognostizierten Finanz-, Vermögens- und Er­ tragslage. Nach der Begriffsdefinition sollen nun bankbetriebliche Risiken etwas eingehender analysiert werden, denn die Untersuchung der Bankenregulierung setzt eine genaue Vorstellung über relevante bankbetrieblicher Risiken voraus.

Bankgeschäfte sind risikobehaftet. Dabei denkt man vielleicht in erster Linie an Kreditrisiken und andere banktypische Risiken, weniger an „normale“ Ge­ schäftsrisiken wie z. B. Absatzschwankungen,161 die bankbetrieblichen Risiko­ faktoren umfassen jedoch beide Arten. Zu den banktypischen Risiken werden üblicherweise die folgenden gezählt:



Liquiditätsrisiken: Hierunter wird die Gefahr verstanden, daß vertragliche Zahlungsverpflichtungen nicht geleistet werden können. Eine Ursache sind unterschiedliche Kapitalbindungsdauern auf Aktiv- und Passivseite einer Bank, die durch die Fristentransformation entstehen.162 Insbesondere be­ steht ein Einlagenabzugsrisiko, wenn Einleger massenhaft ihre Einlagen ab­ ziehen. Es bildet den Kern der „Run“-Hypothese. Liquiditätsrisiken können aber auch eine Folge sein, wenn sich Finanztitel entgegen der Erwartung ei­ ner Bank nicht am Markt liquidieren lassen.



Ausfallrisiken: Das Ausfallrisiko bezieht sich darauf, daß ein Vertragspart­ ner seinen Verpflichtungen aus bilanzwirksamen oder unwirksamen Ge­ schäften nicht nachkommt. Besteht ein Ausfallrisiko gegenüber einem aus­ ländischen Kreditnehmer, so besteht neben dem Bonitätsrisiko ein politisches und wirtschaftliches Länderrisiko.163



Diverse Preisrisiken, die durch nachteilige Veränderungen von Marktprei­ sen entstehen, insbesondere Wechselkurs-, Aktienkurs-, Zins-, Immobilien-, Edelmetall- oder Rohstoffrisiken. Die für Banken bedeutenden Zinsände­ rungsrisiken entstehen vorwiegend durch nicht fristenkongruente Finanzie­ rung. Zinsänderungen können sich negativ auswirken, da sie einerseits die Zinsspanne und andererseits den Wert der von der Bank gehaltenen zinsab­ hängigen Finanztitel verringern können.



Strategische Risiken: Sie können nachhaltig den unternehmerischen Erfolg negativ beeinflussen und entstehen durch eine falsche Ausrichtung einer

161 Vgl. Hartmann-Wendels et al. (1998), S. 533. 162 Zur Unterteilung von Liquiditätsrisiken in Abruf-, Termin-, Prolongations-, Plazierungsrisiko vgl. Hartmann-Wendels et al. (1998), S. 534 sowie Schierenbeck (1994), S. 716ff. 163 Bewußte Zahlungsunwilligkeit wird als politisches Länderrisiko, Zahlungsunfähigkeit als wirt­ schaftliches Länderrisiko bezeichnet.

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Bank am Markt. Das strategische Risiko ist eine Funktion der strategischen Unternehmensziele und der entwickelten Geschäftsstrategien und hängt ins­ besondere auch von Markt-, Konkurrenz- und Umweltbedingungen ab. Das Risiko liegt in der möglichen Unfähigkeit, auf Umweltänderungen adäquat zu reagieren, und resultiert darin, daß eine Bank am Finanzmarkt nicht mehr profitabel konkurrieren kann.164



Operationale Risiken (auch technologische-, Betriebs- oder Transaktionsri­ siken genannt) umfassen mögliche Fehler in Prozeß- und Arbeitsabläufen, die zu unerwarteten Verlusten führen können. Sie manifestieren sich in der plötzlich auftretenden Unfähigkeit, bankspezifische Dienstleistungen auszu­ führen. Mit strategischen Risiken haben sie gemein, daß sie eine überwie­ gend qualitative Komponente haben und quantitativ schwer abschätzbar sind.



Bankinterne organisationale Risiken durch nicht vorhandenes bzw. inadäquates Risikomanagement und -controlling respektive einer unsach­ gemäßen Handhabung durch unqualifiziertes Personal.165 Hierunter ist auch das Risiko zu verstehen, daß eine Bank infolge einer schlechten organisationalen Struktur ungewollt große Risiken eingeht.



Sonstige Risiken umfassen schließlich alle übrigen Risiken, z. B. rechtliche Risiken, die aus vertraglichen Vereinbarungen entstehen.

Versucht man die obigen Risiken zu klassifizieren, so kann man auf ein 2Ebenen-Modell des Unternehmens abstellen, welches zwischen dem Führungsund Managementsystem und andererseits dem Ausführungssystem unterschei­ det.166 Dieses Modell läßt sich auf den Riskobereich einer Bank übertragen. Ri­ siken können dann im Ausführungssystem bestehen und eher operativer Natur sein oder sie können in der vorgelagerten, dispositiven Stufe einer Bank, also im Führungssystem bestehen.

Risiken im Ausführungssystem (Liquiditäts-, Ausfall-, Preisrisiko sowie das operationale Risiko) stellen auf den tatsächlichen, unmittelbaren Auslöser einer Bankinsolvenz ab. Ausfall-, Preis- und Liquiditätsrisiken lassen sich zusammen­ gefaßt als finanzielle Risiken bezeichnen und stellen den Kern bankbetrieblicher

164 Vgl. Wenninger (2000), S. 3. 165 Vgl. Knorr (1999), S. 348. 166 anders KRATZHELEER (1997), S. 16ff., der im Gegensatz zu dieser Arbeit ein "Drei-EbenenModell" des Unternehmens vorschlägt.

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Risiken dar. Ihnen kommt deshalb große Bedeutung zu, da der Eintritt jedes denkbaren Risikos letztendlich zu drohender Illiquidität oder Vermögensverlust führen kann und damit auch ein finanzielles Risiko darstellt. Aus Sicht des Führungssystems fragt man sich dagegen, wie es zum Entste­ hen einer solchen Situation kommen konnte. Diese Sichtweise setzt an den mit­ telbaren, vorgelagerten Risiken im Organisations-, Management-, Ziel- und Führungssystem einer Bank an. Das Risiko ist hier planungs- und entscheidungs­ bezogen, und die Betrachtung richtet sich auf die Unsicherheitsbewältigung bei Entscheidungen, die der operativen Ausführungsebene vorgelagert sind.167 Risi­ ken bestehen zum einen im Risikomanagementprozeß168 selbst, daneben beste­ hen organisationale und personelle Risiken. Die beiden beschriebenen Ebenen stehen sich spiegelbildlich gegenüber; die zugeordneten Risiken schließen sich dabei gegenseitig nicht aus.169 Die Risiken auf der Ausführungsebene, insbeson­ dere finanzielle, haben eher quantitativen Charakter, die Risiken der Manage­ mentebene überwiegend qualitativen. Der Stand des Risikoconttrollings ist im Bereich der Preis- und Kreditrisiken zumindest in allen größeren Banken bereits sehr weit fortgeschritten.170 In den Anfängen befindet sich dagegen das Risikomanagement hinsichtlich strategi­ scher und operationaler Risiken171, was als wesentlich schwieriger eingeschätzt wird.172 Banken haben jedoch bereits Erfahrung im Management einiger opera­ tionaler Risiken173, so daß begründete Hoffnung besteht, in Zukunft alle Risiken erfassen und zu einem Gesamtbankrisiko aggregieren zu können.

167 Vgl. Kratzheller (1997), S. 17. 168 Banken engen, anders als diese Arbeit, Risikomanagement häufig einseitig auf Marktpreisrisi­ ken ein: „Das Risikomanagement ist mit der aktiven ergebnisorientierten Steuerung von Markt­ risiken, d.h. ihrer Begrenzung im Sinne von Risikoreduktion, aber auch dem Aufbau von Risi­ kopositionen zur Erzielung von Handelsergebnissen unter vorgegebenen Risikorahmen betraut.“ (Commerzbank (2000), S. 16.) 169 So kann z. B. eine schlechte Organisation des Risikomanagements dazu führen, daß Kreditausfallrisiken zu einer Bankinsolvenz führen. Auch kann eine Bank durch ein einziges Geschäft gleichzeitig mehreren Risikokategorien aussetzen. So birgt ein Auslandskredit gleichzeitig Ausfall- und Preisrisiko aufgrund möglicher Wechselkursschwankungen. 170 Vgl. o. V. (2000b), S. 15, die eine Studie der Boston Consulting Group zitieren. 171 Vgl. O. V. (2000b), S. 15: Nur 5 % der Banken haben einer BCG-Studie zufolge ein integriertes und durchgängiges Risikomanagementsystem zur Steuerung von Risiken verankert. 172 Vgl. Wenninger (2000), S. 5. 173 Banken halten zur Sicherheit ihrer Zahlungssysteme seit vielen Jahren back-up Computersy­ steme an unterschiedlichen Standorten.

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Bis auf diese knappe Darstellung soll der Bereich der Risiken hier nicht wei­ ter vertieft werden, und es muß insbesondere für den Bereich der Risiken im Führungs- und Managementsystem auf die einschlägige Literatur verwiesen wer­ den.174 Zum Zwecke der Analyse und theoretischen Diskussion war es jedoch sinnvoll, die Risiken getrennt zu betrachten. Nachdem alle Risikofaktoren, die als Auslöser für Bankkrisen in Betracht kommen, systematisiert worden sind, soll sich das Folgekapitel den Ursachen von Bankenkrisen widmen.

3.2 Ursachen von Bankenkrisen 3.2.1 Makroökonomische Ursachen Eine Ursache von Bankenkrisen liegt in adversen makroökonomischen Be­ dingungen. In der wirtschaftswissenschaftlichen Literatur finden sich viele Bei­ träge dazu, welche makroökonomischen Probleme eines Landes in Bankenkrisen resultieren können.175 Eine häufig diagnostizierte Krisenursache sind Zahlungs­ bilanzungleichgewichte, die bei Kapitalabflüssen und Währungsabwertungen Banken in Bedrängnis bringen können. Sharma (1999) stellt fest, daß Bankenkri­ sen häufig hohe kurzfristige Kapitalimporte („hot money“) und hohe Preis­ schwankungen an Aktien- und Immobilienmärkten vorausgingen. Eine weitere makroökonomische Ursache kann das Wechselkursregime eines Landes sein: In einem „Currency Board System“176 ist die Zentralbank bei Devisenabfluß ge­ zwungen, die inländische Geldmenge zu reduzieren. Banken können dann in die Illiquidität und Insolvenz getrieben werden, da die abnehmenden Refinanzie­ rungsmöglichkeiten sich nicht schnell genug durch den Verkauf von Finanzak­ tiva kompensieren lassen.

Bei den folgenden Betrachtungen werden jedoch die makroökonomischen Rahmenbedingungen als stabil vorausgesetzt und sind damit nicht Gegenstand der Untersuchung. Auf makroökonomische Einflußgrößen hat das Bankmanage­ ment keinen oder nur geringen Einfluß. Daher sind sie weniger Gegenstand der Bankenregulierung und sollten Dewatripont zufolge im Gegensatz zu unterneh­ mensspezifischen Risiken nicht in Risikobegrenzungsnormen für Banken aufge­ nommen werden.177 Problematisch ist jedoch an dieser Ansicht, daß häufig gar nicht zwischen exogenen makroökonomischen und unternehmensspezifischen

174 175 176 177

Vgl. KRATZHEl.LER (1997) zum Risikomanagement aus organisationstheoretischer Perspektive. Vgl. Marian (1999); Schinasi (1999); Hardy (1998); Lani- (1999). Hierbei ist die inländische Geldmenge vollständig durch Devisen, z. B. den US-Dollar gedeckt. Vgl. DEWäTRIPON I/TIROI.E (1994), S. 185.

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Ursachen unterschieden werden kann. Gesamtwirtschaftliche Größen wie Zinsänderungen sind zwar vom Management einer Bank nicht zu beeinflussen, jedoch ihre Auswirkungen auf die Bank. Aus Regulierungssicht kann daher die Begrenzung der Anfälligkeit der Banken auf makroökonomische Risiken eine Rolle spielen.

3.2.2 Mikroökonomische und firmenindividuelle Ursachen: Instabilität einer Bank

Auch in Zeiten von allgemeinen Wirtschafts- und Bankenkrisen zeigte sich, daß stets nur einzelne oder eine begrenzte Zahl von Banken vom Konkurs betrof­ fen waren.178 So konnten immer einige Banken auch schwerwiegende ma­ kroökonomische Krisen wie die Währungskrise in Asien 1997 überstehen, weil sie z. B. keine Wechselkursrisiken eingegangen waren. Diese Tatsache deutet daraufhin, daß - wie bei anderen Unternehmen auch - Fehlentscheidungen des Managements einzelner Banken179 oder die Instabilität einzelner Banken als Hauptgrund für Probleme angesehen werden müssen. Mit firmenidividuellen Krisenursachen beschäftigt sich dieses Kapitel. Von Gläubigern einer Bank, insbesondere privaten Einlegern, wird angenom­ men, sie seien besonders vertrauensempfindlich in Bezug auf ihre Bank.180 Da­ her würden sie bei begründeten Informationen, wie auch bei unbegründeten Ver­ dachtsmomenten, über negative Geschäftsentwicklungcn unverzüglich ihre Einlagen abziehen, um Vermögensverluste zu vermeiden. Es kommt zum sog. „Run-Szenario“ oder Schaltersturm auf die Bank. Besonderes Augenmerk legen Einleger einer Bank auf Anzeichen einer drohenden Überschuldung. Banken investieren ihr Kapital in gewissem Umfang in riskante Kredite, Projekte und Wertpapiere und haben im allgemeinen einen sehr hohen Leveragegrad, so daß bei ungünstigen Veränderungen der wirtschaftlichen Bedingungen sehr schnell, z. B. bereits bei dem Ausfall einiger weniger Großkredite, der Bestand einer Bank gefährden sein kann.181

178 179 180 181

Vgl. Knorr (1999), S. 350. Vgl. Bonn (1998), 297ff. Vgl. Paul (2000), S. 282. Selbst eine der Bankenregulierung unterliegende Bank kann durch einige wenige Großkredite existenzgefahrdet sein. So konnte die Frankfurter Ökobank, die 1999 durch drei faule Großkre­ dite und einem Rückstellungsbedarf von 17 Mio. DM vor dem ökonomischen Aus stand, nur durch externe Stützung gerettet werden. Vgl. o. V. (2000c), S. 28. Die Bankgesellschaft Berlin geriet durch wenige notleidende Immobiliengroßkredite in Probleme und mußte durch Beihilfen von rund 2 Mrd. Euro saniert werden. Vgl. o. V. (2001c), S. 21.

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Doch selbst, wenn es gelingt, durch Vorschriften das Insolvenzrisiko erfolg­ reich zu begrenzen, ist die Stabilität einer Bank noch nicht gewährleistet, wenn Bankaktiva nicht oder nicht kurzfristig liquidierbar sind. Nur wenn, wie in einem vollkommenen Markt sämtliche Aktiva unmittelbar und ohne Abschlag liqui­ dierbar sind, dann ist Vermögen mit Liquidität gleichzusetzen und es gibt kein Liquiditätsrisiko bei Banken.182 Aufgrund der Bewertungsunsicherheit sind viele Bankaktiva, insbesondere Kredite, nicht ohne weiteres zu verkaufen. US-Noten­ bankpräsident Greenspan stellt fest, daß: „bank loans are customized, privately negotiated agreements that, despite increases in availability of price information and in trading activities, still quite often lack transparency and liquidity. This unquestionably makes the risks of many bank loans rather difficult to quantify and to manage.”183 Die in Kap. II. 4.2 beschriebenene Bereitstellungsfunktion von liquiden Ver­ mögenstiteln und die Transformationsfunktionen bedingen es, daß Banken eine fragile Kapitalstruktur haben und inhärent instabil sind.184 In Ausübung dieser Funktion finanzieren Banken langfristige Kredite durch kurzfristige Verbindlich­ keiten, wie z. B. durch die Hereinnahme von Einlagen. Daher ist eine Bank einer Gefährdung ausgesetzt, da sie bei einem Run nicht in der Lage ist, alle Auszah­ lungswünsche zu befriedigen, d. h. sie ist von Illiquidität bedroht. 1st eine Bank bei einem Run zur Schaffung von Liquidität gezwungen, Vermögensgegenstände mit hohem Abschlag zu liquidieren, so kann aus der Liquiditätskrise schnell sogar eine Solvenzkrise der Bank erwachsen, d. h. eine Überschuldung.185 Die bisherige Erklärungen haben eine Bank als einen entscheidungspoliti­ schen Block gesehen und nur zwischen Einlegern und der Bank insgesamt unter­ schieden. Allerdings ist eine Bank kein starrer Block, sondern stellt eine Koali­ tion aus vielen Beteiligten dar. Im Feld der Bankenregulierung lassen sich verschiedene Stakeholder identifizieren, die Öffentlichkeit und ihre parlamenta­ rische Vertretung, die Regulierungsbehörden und die Banken selbst. Auch bei einer einzelnen Bank lassen sich verschiedene Interessengruppen finden: Aus dem Blickwinkel der Regulierung ist die Unterscheidung zwischen Eigentümern, Managern und Mitarbeitern einer Bank wichtig, zwischen denen unterschiedliche

182 Vgl. Hartmann-Wendels et al. (1998), S. 330. 183 Greenspan (1996). 184 Vgl. DlAMOND/RAJAN (1998), S. 42 und FRIEDMAN (1962), Kap. 3, der die inhärente Instabili­ tät von Banken mit fraktionellen Reserven hervorgehoben hat. 185 Vgl. Paul (2000), S. 282.

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Interessenlagen bestehen. Manager machen sich nicht nur die Ziele der Bank und der Bankeigentümer zu eigen, sie haben auch Eigeninteressen und sind im all­ gemeinen neben großzügiger finanzieller Entlohnung an Macht, Einfluß und dem Erhalt ihrer Position interessiert. Das kann zum Problem werden, wenn es um die Ertrags- und Finanzlage einer Bank schlecht bestellt ist. Um äußeren Einfluß zu verhindern, haben Manager dann einen Anreiz, eine Strategie des sog. „Gam­ bling for Resurrection“ einzuschlagen, bei der durch eine hochriskante Strategie und etwas Glück versucht wird, die Bank zu retten.186 Ein „Gambling for Resurrection“ kann im Interesse der Eigentümer sein, dann nämlich, wenn die Ertragslage der Bank schlecht, der Verschuldungsgrad hoch und mit einer baldigen Insolvenz zu rechnen ist.187 Aufgrund der begrenz­ ten Haftung können die Bankeigentümer dabei nur gewinnen. Anders die Einle­ ger: Aufgrund der auf die Höhe der Einlagen begrenzten Zahlungsansprüche gegenüber der Bank haben sie kein Interesse, die Zukunft der Bank zu „verwet­ ten“. Im Fall des ungünstigen Wettergebnisses verlieren sie ihre Einlagen, im günstigen Fall behalten sie sie. Ihr Interesse liegt daher in einer risikoarmen Bankpolitik, keinesfalls in einem „Gambling for Resurrection“.

Es wird deutlich, daß sich die Interessen von Einlegern, Bankeigentümern und Managern deutlich unterscheiden können. Besonders starke Interessenkon­ flikte sind bei insolvenzgefährdeten Banken zu vermuten. Daher macht es dann Sinn, z. B. bei hohem Verschuldungsgrad bzw. geringer Eigenkapitalquote, die Kontrolle dem Bankmanagement zu entziehen und auf eine Instanz, die die In­ teressen der Einleger vertritt, zu übertragen. Die Androhung dieser Konsequenz mag das Management davon abhalten, die Bank in riskante Geschäfte zu enga­ gieren. Zur Erklärung von Bankinsolvenzen auf unternehmensindividueller Ebene leisten auch verhaltenswissenschqftlicher Ansätze einen Beitrag. Ein wichtiger Ansatz ist das auf Festinger (1962) zurückgehende Konzept der kognitiven Dis­ sonanz. Es erweitert den Rahmen der NIÖ um das Bestehen von Emotions- und Motivationsgrenzen188, ist so in der Lage, das (Fehl-) Verhalten von Mitarbeitern zu erklären und hat daher breite Beachtung in den Wirtschaftswissenschaften

186 Ein Gambling for Resurrection kommt damit einer „Verwettung der Bank“ gleich. Angeschla­ gene Banken haben in der Vergangenheit versucht, durch Investitionen in „junk bonds“, riskante Immobilienfinanzierungen oder hochverzinsliche Kredite an Dritte-Welt-Länder eine Bank zu sanieren. Häufig schlug der Versuch fehl. 187 Vgl. Hartmann-Wendles et al. (1998), S. 324. 188 Vgl. FRANCK/ZELLNER (1999), S. 10.

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gefunden.189 Für den Bankbereich ist die Erkenntnis wertvoll, daß in Situationen der kognitiven Dissonanz der Selbstbildschutz dazu führt, daß Mitarbeiter Fehl­ einschätzungen von Risiken und Fehlentscheidungen unterliegen können.190 Dar­ aus ließe sich ableiten, daß der Staat Handlungen erzwingen sollte, für die sich der einzelne bei rationaler Überlegung entscheiden würde, die aber durch emo­ tionale Einflüsse verhindert werden.

3.3 Evidenz von Bankzusammenbrüchen Um die Hauptursache von Bankenkrisen und Insolvenzen einzelner Banken zu erkennen, ist es sinnvoll, vergangene Krisen zu betrachten. So war einer der aufsehenerregendsten Bankzusammenbrüche in Deutschland der Fall der Her­ stattbank 1974, der erstmals die von hohen Währungsrisiken ausgehenden Gefah­ ren verdeutlichte und der eine Überarbeitung der Aufsichtsregeln nach sich zog. Vergangenheitsbetrachtungen zeigen, daß einige Risikoarten als Hauptursachen zur Entstehung von individuellen Bankpleiten und systemweiten Bankenkrisen anzusehen sind.191 Aufbankenindividueller Ebene waren Ausfälle bei Großkre­ diten in Verbindung mit ungenügender Diversifikation im Kreditportfolio die Hauptursache von Bankinsolvenzen. Typische Merkmale in Schwierigkeiten geratener Banken waren:



Übermäßige Kreditkonzentration, entweder in geographischer Hinsicht oder in Form einer übermäßigen Abhängigkeit von wenigen Geschäftsfeldern oder Großkunden.



Mängel bei der internen Bonitätsprüfung und das Problem des „connected lendings“, also der Kreditvergabe an „befreundete“ oder eng verbundene Unternehmen ohne gründliche Prüfung.192

Zieht man noch einmal Tabelle A-l des Anhangs heran, in dem einige wich­ tige Krisen in Industrieländern tabelliert sind, so zeigt sich, daß Kreditausfälle in Verbindung mit einer Unterkapitalisierung, zu geringe Diversifikation der Aktiva und schlechte interne wie externe Kontrollen besonders häufige Krisenauslöser

189 Vgl. Akerlof/Dickens (1982). 190 Eine verzerrte Realitätswahrnehmung aufgrund der kognitiven Dissonanz könnte erklären, wes­ halb ein Derivatehändlcr mit Fehlspekulationen, jedoch ohne böse Absicht, die britische Baringsbank ruinierte, vgl. LEESON (1997). 191 Zu Ursachen von Bankinsolvenzen vgl. VON STUN (1969). 192 Vgl. Knorr (1999), S. 350.

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waren. Auch eine Studie des IWF über 4.000 amerikanische Banken zeigt, daß Problembanken vor ihrer Insolvenz eine stark steigende Zahl von uneinbringli­ chen Krediten und sinkende Eigenkapitalquoten aufwiesen.193 Zudem zeichneten sie sich durch schlechte Entscheidungssysteme bei der Kreditvergabe aus und wurden häufig durch widrige makroökonomische Umfeldbedingungen beein­ trächtigt.

In den letzten Jahren haben sich zusätzlich Zinsänderungsrisiken, Schiefla­ gen bei Termingeschäften und Mängel im Risikocontrolling als ursächlich für Insolvenzen gezeigt.194 Einige in der Fußnote dokumentierte Fälle der jüngsten Zeit, bei denen jeweils in Klammern die Risikokategorie angegeben ist, erlauben weitere Einsichten über existenzbedrohende Verluste von Finanzinstitutionen und ihre Ursachen:195

Es wird deutlich, daß in allen Fällen mehrere Risikoarten zusammenspielten. Fast sämtliche Risikoarten waren bereits Auslöser von Bankpleiten. Wie in der Vergangenheit liegt auch bei den aktuellen Fällen die häufigste Ursache in den finanziellen Risiken, insbesondere in Kreditausfallrisiken und Preisrisiken. Diese wurden häufig ausgelöst durch unzulängliches Risikomanagement, personelle Risiken und versagende Risikomodelle. Folglich bestanden Risiken in der vor­ gelagerten, managementbezogenen Ebene der Bankunternehmen. Das heißt, daß Fehler im Führungs- und Managementsystem der Banken dazu führten, daß zu hohe finanzielle Risiken eingegangen wurden, die dann letzlich eine Insolvenz oder hohe Verluste auslösten. Für Regulierungsfragen ist es wichtig festzuhalten, daß der Staat auf beiden Risikoebenen des Unternehmens eingreifen könnte, um Krisen zu vermeiden. Wo er dies tatsächlich tut, wird im folgenden untersucht.

193 Vgl. Gonzalez-Hermosillo (1999). 194 Vgl. Hummel/Steden (2001), Kap. 3.2.1. 195 Salomon Brothers, 1994’. Ein Ausfall in Höhe von 364 Mio. US-$ entstand infolge von mangel­ haften EDV-Systemen zur Steuerung von Wertpapierportfolios. (Preisrisiko sowie operationales und organisationales Risiko), Orange County, 1994’. Ein unzureichendes Verständnis von Derivaten führte zu einem Verlust des Landkreises von 2 Mrd. USS. (Preisrisiko sowie Risiko im Managementprozeß) Barings Bank, 1995’. Unzureichende Kontrollen und fehlende Trennung von Handel und Ab­ wicklung führten zu einer betrügerischen Fehlspekulation eines einzelnen Händlers mit Ter­ minkontrakten in Höhe von 2 Mrd. US-$ und zum Untergang der Bank. (Liquiditäts/Preisrisiko, Compliancerisiko sowie organisationales und personelles Risiko) LTCM, 1998’. Bei dem von Nobelpreisträgern beratenen Hcdgefonds LTCM entstand ein Ver­ lust von 4 Mrd. US-S durch ein mißlungenes Arbitragegeschäft, bei dem die relative Entwick­ lung von US-Staatsanleihen und High-Yield-Bonds falsch eingeschätzt wurde. Nur durch Stüt­ zung zahlreicher Banken konnte der Untergang des Fonds verhindert werden. (Preisrisiko sowie Modellrisiko)

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Kapitel III

4. Vorgehensweise traditioneller Regulierung 4.1 Grundsätzliche Ansatzpunkte Es wurde gezeigt, daß aufgrund der Branchenbesonderheiten und einem möglichen allokativen Marktversagen eine risikobegrenzende Regulierung der Banken gerechtfertigt sein kann. Das Ziel der Regulierungsmaßnahmen ist dabei, eine systemische Bankenkrise zu vermeiden, und der Gläubigerschutz. Dazu sol­ len insbesondere Probleme einzelner Bankinsolvenzen vermieden werden, die zu einer systemweiten Ausweitung führen können.

Um die Bürger vor dem Risiko eines Bankzusammenbruchs zu schützen, exi­ stieren verschiedene Stoßrichtungen der Bankenregulierung. Verschiedene pro­ tektive und präventive Maßnahmen werden häufig als die drei Säulen der Auf­ sicht bezeichnet und bestehen in den meisten Ländern in risikobegrenzenden Normen und Wettbewerbsbeschränkungen als Präventivmaßnahme, in einer Einlagensicherung als protektiver Sicherung und der Zentralbank in der Funktion als sog. „lender of last resort“ (LLR), die im Falle einer Krise Banken mit Liqui­ dität versorgen kann. Die beiden Protektivmaßnahmen, die Einlagensicherung und die LLR-Funtion, werden an späterer Stelle ausführlich behandelt und daher an dieser Stelle nicht weiter vertieft. Bei den präventiven Regulierungsmaßnahmen gibt es ver­ schiedene Arten von risikobegrenzenden Regulierungen196, die in die folgenden Kategorien eingeteilt werden können: a) Zulassungs- und Lizensierungsbestim­ mungen, b) Informationspflichten, c) Bilanzstrukturregeln (darunter Liquiditäts­ vorschriften, Portfoliobestimmungen wie Diversifikationsgebote und Kredit­ höchstgrenzen sowie Eigenkapitalauflagen) und d) Funktionsbegrenzungen einzelner Geschäftsfelder. Regulierungen können sowohl auf staatlicher Ebene als auch auf supranationaler Ebene aufgestellt werden, wie in dem Fall der Ei­ genkapitalvorschriften durch den Basler Ausschuß für Bankenaufsicht197. Funktionsbegrenzungen von Geschäftsfeldern und örtliche Begrenzungen, wie das Trennbankensystem und das Verbot des Interstate-Bankings in den USA,

196 Vgl. Jackson (1999). 197 Der Basler Ausschuß für Bankenaufsicht ist 1974 im Rahmen der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) mit dem Ziel ins Leben gerufen worden, das internationale Bankrecht weiterzuentwickeln und zu harmonisieren. Teilnehmer sind die Zentralbanken bzw. Bankenauf­ sichtsbehörden der GlO-Länder sowie Luxemburgs und der Schweiz. Der Basler Ausschuß be­ müht sich um die Erstellung von Minimalanforderungen und veröffentlichte 1997 einen Katalog mit 25 Kernprinzipien für eine effektive Aufsicht.

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haben weltweit an Bedeutung verloren. Die wichtigste Regulierung besteht heut­ zutage in der Begrenzung finanzieller Risiken im Verhältnis zu dem haftenden Eigenkapital einer Bank. Zur den finanziellen Risiken vorbauenden Vorschriften zählen z. B. solche, die eine Mindestliquidität sicherstellen sollen oder eine Di­ versifikation der Bankaktiva erzwingen. So dürfen Banken an eine Adresse kei­ nen Kredit vergeben, der höher als 25 % des Eigenkapitals ist.198 Die finanziellen Risiken werden ins Verhältnis zum haftenden Eigenkapital gesetzt, bzw. es wird in Abhängigkeit vom Risikovolumen einer Bank eine Kapitaldecke als Risiko­ puffer festgesetzt. Die Begründung einer Mindesteigenkapitalhöhe liegt in der Annahme, daß ein höherer Anteil an Eigenkapital besser gegen das Insolvenzri­ siko schützt. Zur Säule der präventiven Regulierungsmaßnahmen zählt auch die Überwa­ chung der Finanzinstitute durch Regulierungsbehörden. Diese kann, wie in den USA, durch regelmäßige Examinierungen vor Ort geschehen oder durch Kon­ trolle der von Wirtschaftsprüfern bestätigten Jahresabschlüsse und unterjährigen Berichte wie in Deutschland. Bei Vor-Ort-Examinierungen amerikanischer Auf­ sichtsbehörden wird insbesondere auf die fünf Aspekte „Capital Adequacy“, „Asset Quality“, „Management Quality“, „Earnings“ und „Liquidity“ einer Bank Augenmerk gelegt, weshalb sich der Begriff „CAMEL“-Rating durchgesetzt hat. Genau wie Sparer eine Bank als „delegated monitor“ einsetzen, findet sich hier eine Entsprechung darin, daß Regulierungsbehörden von der Gesellschaft zum Monitoring des Bankverhaltens eingesetzt werden. Die Bankenaufsicht greift dabei in Deutschland nicht in das Tagesgeschäft der Banken ein. D. h. die Ban­ kenaufsicht prüft keine Einzelengagements der Banken, was der marktwirt­ schaftlichen Prägung des Wirtschaftssystems zuwiderlaufen würde.

4.2 Quantitative Regulierungenspraxis in Deutschland Abgesehen von einigen wenigen qualitativen Regulierungsbestimmungen, wie z. B. fachlichen Anforderungen an die Geschäftsleitung einer Bank, domi­ nieren bis heute quantitative Vorschriften die Bankenregulierung in Deutschland. Die erste allgemeine Bankenaufsicht ist in Deutschland 1931 per Notverord­ nung infolge der Bankenkrise erlassen worden, die mit der Schließung der Darm­ städter und Nationalbank („Danatbank“), einem Schaltersturm und der Weltwirt­ schaftskrise einherging. Die Notverordnung wurde 1934 durch das „Reichsgesetz

198 Diese sog. Anlagebuch-Großkrediteinzelobergrenze in Höhe von 25 % wird vom § 13a des KWG festgesetzt. Eine Bank, die zu 8% eigenkapitalfinanziert ist, kann daher nicht mehr als 2% ihrer Bilanzsumme (25% * 8% Eigenkapital) an einen einzigen Kunden verleihen.

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Kapitel III

über das Kreditwesen“ abgelöst, das die Grundlage des 1962 verabschiedeten Kreditwesengesetzes (KWG) bildete. Das KWG führte Eigenkapitalbelastungs­ regeln ein und wurde im Laufe der Zeit immer weiter modifiziert. So wurden infolge der 1974 durch fehlgeschlagene Devisenmarktspekulationen insolvent gewordenen Herstattbank neue Vorschriften zur Begrenzung von Wechselkursri­ siken erlassen sowie die Einlagensicherung ausgebaut. Der damalige Grundsatz la wurde später auf Zinsänderungs- und Preisrisiken im Bereich der Terminge­ schäfte ausgedehnt. Zur Vereinheitlichung der europäischen Bankenregulierung und Umsetzung der Empfehlungen des Basler Ausschusses für Bankenaufsicht der OECD-Staaten wurden seit den 80er Jahren zahlreiche KWG-Novellen vor­ genommen, durch die die EU-weite Niederlassungsfreiheit für Banken mit aus­ schließlicher Kontrolle durch die Bankenaufsicht des Heimatlandes verankert wurde. Mit den Novellierungen der 90er Jahre [4. KWG-Novelle (1993), 5. KWG-Novelle (1995), 6. KWG-Novelle (1998)] sollten zusätzliche Risiken und das haftende Eigenkapital besser erfaßt werden. Zudem erstreckt sich das KWG seit 1998 auch auf Wertpapierdienstleister. Das KWG begrenzt Risiken durch Informationspflichten, Restriktionen und Eingriffsbefugnisse der Regulierungsbehörde. Die aktuellen Regulierungsvor­ schriften setzen, insbesondere an den finanziellen Risiken an. So begrenzt der Grundsatz I des KWG mit seinen Solvabilitätskoeffizienten Ausfall- und Preisri­ siken, während der neugefaßte Grundsatz II Liquiditätsrisiken begrenzt.199 Die Liquiditätsvorschriften begrenzen die Fristentransformation einer Bank und er­ zwingen zu einem gewissen Grad - in Anlehnung an Hübners (1854) „Goldene Bankregel“ und unter Berücksichtigung von Wagners (1857) Bodensatztheorie sowie Stützels (1983) Maximalbelastungstheorie200 - eine fristenkongruente Finanzierung. Daneben gibt es einige wenige KWG-Vorschriften, die sich auf organisationale Risiken und Informationspflichten beziehen und bspw. das VierAugen-Prinzip und organisatorische Pflichten wie die Mindestanforderungen für das Betreiben von Handelsgeschäften (MaH) verankern.201 Die wichtigste Regulierung sind die Eigenkapitalbestimmungen. Diese sollen einen Risikopuffer für die Banken darstellen und das Gesamtrisiko begrenzen, indem das Mindesteigenkapital an die Risiken im Aktivgeschäft einer Bank an­ gebunden wird. Bei langfristiger Betrachtung heißt das, daß für ein bestimmtes

199 Im Jahr 2000 wurden die Grundsätze II und III zum neuen Grundsatz II zusammengefaßt. 200 Die Maximalbelastungsthcorie baut dabei wiederum auf der Shiftability-Thcorie, vgl. Knies (1879), auf. 201 Für eine genaue Übersieht über die Vorschriften des KWG vgl. z. B. Hartmann-Wendels et al. (1998), S. 338-392.

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Risikovolumen an Krediten eine Mindestunterlegung mit Eigenmitteln202, also eine Mindesteigenkapitalhöhe verlangt wird. Da auf kurze Sicht die Eigenkapi­ talhöhe fix ist, kann man Eigenkapitalvorschriften auch so verstehen, daß sie die Höhe der Risiken begrenzt, die eine Bank eingehen kann. Seit der Einführung quantitativer Eigenkapitalbelastungsregeln 1962 in Deutschland blieben diese im Grundsatz I über 20 Jahre lang im Kern unverändert.203 Im Rahmen des Basler Ausschusses für Bankenaufsicht wurden 1988 von den Zentralbankpräsidenten der G-10-Länder Empfehlungen über die Mindesteigenkapitalhöhe verabschie­ det, um eine Harmonisierung der Aufsichtsnormen zu erreichen. Diese als „Basel I“ bezeichnete „Eigenkapitalregeln“ waren zunächst nur für international tätige Banken in den G-10-Ländern gedacht, werden aber mittlerweile von den meisten Ländern, Industrie- wie Entwicklungs- und Schwellenländern, und für alle Ban­ ken angewendet. Die Basler Regeln wurden 1993 mit der 4. KWG-Novelle in deutsches Recht umgesetzt und sollen neben den erfaßten Kredit-Ausfallrisiken nun auch die aus Wertpapieren erwachsenden Risiken erfassen. Daneben wurde das haftende Eigenkapital neu definiert. Mit der EU-Kapitaladäquanzrichtlinie (1993) strebte man an, die Eigenkapitalregeln auch auf Marktpreisrisiken, z. B. bei Wertpapierpositionen, auszuweiten und so auch reine Wertpapierhäuser und die Risiken des Wertpapierhandelsbestands von Universalbanken zu erfassen.204 Diese trat 1998 mit der 6. KWG Novelle und einem neugestalteten Grundsatz I in Kraft.205 Der Grundsatz I und die Basler Vereinbarungen verlangen, daß Banken ein Mindesteigenkapital in Höhe von 8 % ihrer risikogewichteten Aktiva halten müs­ sen. Anders formuliert dürfen die gewichteten Risikoaktiva einer Bank das 12,5fache der haftenden Eigenmittel nicht überschreiten. Zur Bestimmung des gesamten Riskoaktiva-Anrechnungsbetrags wird zunächst jedem einzelnen Ge­ schäft (auch außerbilanziellen Geschäften) ein Risikoäquivalenzbetrag oder auch Kreditäquivalenzbetrag zugerechnet. So erhalten z. B. Bürgschaften ein Äquiva­ lenzfaktor von 100 und werden daher wie Kredite in gleicher Höhe behandelt, während unwiderrufliche Kreditzusagen mit einem Äquivalenzfaktor von nur 50 %, also zur Hälfte berücksichtigt werden. Innovative außerbilanzielle Ge­ schäfte wie Optionen erhalten dagegen einen Zuschlagsatz. Anschließend wird

202 Eigenmittel umfassen naeh § 10 KWG das haftende Eigenkapital, also Kernkapital und Ergän­ zungskapital, sowie Drittrangmittel. 203 Vgl. zu den folgenden Ausführungen SÜCHTING/Paul (1998), S. 470ff., Burghof/Rudolph (1996), S. 202ff. sowie Paul (2000), S. 284ff. 204 Vgl. PAUL (2001). 205 Vgl. Bundesverband deu ischer Banken (1998). S. 40.

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Kapitel III

dann jedes Geschäft je nach Bonität des Vertragspartners mit einem Bonitätsge­ wichtungsfaktor multipliziert, um die Höhe der risikogewichteten Aktiv zu be­ rechnen. Die Gewichtung der Risikoaktiva dokumentiert folgende Tabelle:

Tab. 1: Bonitätsgewchtungsfaktoren der Risikoaktiva Risikoaktiva

Gewichtungsfaktor

Kredite an öff. Haushalte und Zentralbanken von stabilen OECDLändem. Termingeschäfte mit Clearing House als Kontraktpartner

0%

Pfandbriefe

10%

Kredite an Banken aus OECD-Ländem und supranationale Banken. Kurzfristige Kredite an Banken aus anderen Ländern.

20%

Durch Grundpfandrecht gesicherte Kredite; Termin- und Optionsge­ schäfte (ohne Clearing House)

50%

Bauspardarlehen

70%

Alle sonst. Aktiva, insbes. Kredite an Private und Nichtbanken, Wertpapiere von Unternehmen, Kredite an Banken außerhalb der OECD

100%

Anmerkung-. Die Bestimmungen über die Zuordnung von Bonitäts-gewichtungsfaktoren ist in § 13 KWG, Grundsatz 1 geregelt.

Durch das Gewichtungssystem wurde versucht, dem unterschiedlichen Risi­ kograd verschiedener Aktiva Rechnung zu tragen. Ein Kredit an eine Bank eines OECD-Landes in Höhe von 1 Mio. € geht mit dem Faktor 20 % bei der Ermitt­ lung der Gesamtsumme der Risikoaktiva ein. Auf diesen risikogewichteten Be­ trag von 200.000 € müssen 8 %, also 16.000 €, an Eigenmitteln vorgehalten wer­ den. Aufgrund einiger, weiter unten besprochener Unzulänglichkeiten der Gewichtungsfaktoren, ist der Basler Ausschuß dabei, neue Methoden der Risi­ komessung vorzuschlagen. Zur Zeit sind nach wie vor die Gewichtungsfaktoren der obigen Tabelle gültig.

5. Kritik an der Regulierungspraxis 5.1 Bewertungskriterien Jede Bewertung von Regulierungsmaßnahmen hat aus ökonomischer Sicht zunächst auf ihre Effektivität abzustellen, also der Eignung zur Vermeidung von

Analyse traditioneller Regulierung

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Bankenkrisen.206 Die Effektivität bezeichnet die Treffsicherheit, mit der ein ge­ setztes Ziel erreicht wird. In zweiter Linie muß dann die Effizienz beurteilt wer­ den, wobei zwischen statischer und dynamischer Effizienz unterschieden werden muß.207 Bankenregulierung ist dann statisch effizient, wenn das Ziel der Banken­ regulierung zu geringstmöglichen Kosten und bei geringer Beeinträchtigung der Unternehmenstätigkeit erreicht werden kann. Die Forderung nach der dynami­ schen Effizienz fragt dagegen nach den Anreizwirkungen eines Verfahrens. Es interessiert hierbei, inwieweit Anstrengungen stimuliert werden, negative Resul­ tate zu vermeiden. Regulierungsvorschriften können danach beurteilt werden, ob sie Anreize zur Entwicklung und dem Einsatz neuer Risikovermeidungsmöglich­ keiten bieten und den technischen Fortschritt fördern.

Weitere häufig genannte Kriterien sind die Einfachheit von Vorschriften und die Kosten der Regulierung. Diese lassen sich in das System von Effektivität und Effizienz einordnen: Kosten-Nutzen-Überlegungen zielen auf die statische Effi­ zienz der Regulierung ab, zeigen aber gleichzeitig, daß die Effektivität nicht losgelöst von Effizienzüberlegungen betrachtet werden kann. Die Forderung nach der Einfachheit von Regeln zielt auf die administrative Praktikabilität ab. Häufig geht es bei Regulierungsfragen darum, eine Balance zwischen Einfach­ heit und Genauigkeit zu erreichen. Daran wird deutlich, daß zwischen Effizienz und Effektivität ein Zielkonflikt bestehen kann. Im folgenden sollen Effektivität und Effizienz der Bankenregulierung in Deutschland überprüft werden. Wie sich zeigt, können bei dem bestehenden Regulierungsansatz beide Aspekte kritisiert werden.

5.2 Effektivität Bei der Begutachtung der Effektivität fällt zunächst auf, daß die bestehende Regulierung viele Bankenkrisen, existenzbedrohende Verluste und Insolvenzen einzelner Banken nicht zu verhindern wußte. Hinsichtlich der Effektivität kann bemängelt werden, daß Risiken häufig zu komplex sind, um durch einfache, starre Regeln abgedeckt zu werden. Zahlreiche große Bankpleiten der letzten Zeit (Bank of Credit and Commerce International (BCCI) 1991, Barings 1995), nur knapp abgewendet Pleiten (Credit Lyonnais, Berliner Genossenschaftsban­ ken 1998/99, Bankgesellschaft Berlin 2001) und hohe Verluste (Salomon Brothers 1994, Daiwa 1995) zeugen davon, daß Risiken nicht erfaßt wurden.208

206 Vgl. Berg/CäSSEL (1995), S. 174. 207 Vgl. Fritsch/Wein/Ewers (1999), S. 71. 208 Vgl. (). V. (1997a), S. 77.

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Kapitel 111

Zunehmend verbreitet sich Skepsis über die Fähigkeit der Bankenregulierung, Bankenzusammenbrüche und -krisen zu verhindern. Es zeigte sich, daß sich die Bankenregulierung immer an die Entwicklung der Finanzmärkte anpassen mußte, ihr also nacheilte. Häufig reagierte der Gesetzge­ ber erst, nachdem Risiken schlagend geworden sind (Krise der Herstattbank 1974; Banco Ambrosiano 1982) und konnte mit der Dynamik im Bankgeschäft nicht Schritt halten. Seit Mitte der achtziger Jahre mußte die Bundesregierung zahlreiche Finanzmarktfördergesetze konzipieren, um die Effizienz des deut­ schen Finanzmarktes zu erhöhen.209 Der ökonomische Wandel scheint schneller abzulaufen, als der Staat durch „command-and-control“ Regulierungen antwor­ ten kann.210 Bei dem bisherigen System der Regulierung ist zu befürchten, daß die Regulierung sich immer weiter aufbläht: Versagen Regelungen, die inten­ dierten Ziele zu erreichen, so werden neue zusätzliche Regelungen konzipiert, in der Hoffnung, sie mögen funktionieren. Neue detaillierte Regelungen führten auf Bankenseite zu Ausweichreaktionen (Aufsichtsarbitrage) und der Entwicklung innovativer Finanzinstrumente, mit denen die Regeln umgangen werden konnten. Bspw. können Banken durch Einsatz von Kreditderivaten unter Beibehaltung der 8 % Eigenkapitalquote ihr Kreditrisiko erhöhen oder auch senken. Insbesondere amerikanische Banken haben viele Wege gefunden, die bestehenden Regeln zu umschiffen.211 Damit werden die ursprünglichen Regelungen zunehmend inef­ fektiv und permanente Überarbeitungen erforderlich. Dieses Spiel von abwech­ selnder Aufstellung von Regeln und den anschließenden Umgehungsaktivitäten der Banken führt nicht nur zu einer Verfehlung regulatorischer Ziele, sondern auch zu einer Ressourcenverschwendung. Des weiteren ist hinsichtlich der Ef­ fektivität der traditionellen Aufsichtsnormen und ihrer tendenziell eher quantita­ tiven, kennzahlenorientierten Herangehensweise zu bemängeln, daß staatliche Regulierungen zu einer Verdrängung freiwilliger Lösungen und privater, marktorientierter Arrangements führen kann.212 Ein wesentlicher Kritikpunkt muß auch darin gesehen werden, daß durch Vorgabe von Kennzahlen hauptsächlich finanzielle Risiken begrenzt werden.

209 Vgl. Schneider (1999), S. 83. 210 Vgl. OECD (1997), S. 9. Es wird hier darauf hingewiesen, daß in vielen Branchen die Pro­ duktlebenszyklen kürzer sind, als der Staat Zeit benötigt, Regulierungen zu überarbeiten. Ange­ sichts des hohen Innovationstempos im Bereich der Bankprodukte, welches als eher höher als in anderen Branchen eingeschätzt werden muß (vgl. Steden (2000)), liegt die Vermutung nahe, daß der obige Hinweis der OECD besonders für Banken zutrifft. 211 Vgl. o. V. (2001a), S. 16. 212 Vgl. BLUNDELL/ROBINSON (1999). S. 14.

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Das ist zwar ein wichtiger Aspekt, da sich zeigt, daß alle Bankinsolvenzen letzt­ endlich auf dem Eintritt von finanziellen Risiken beruhen. Die vorgelagerte Risi­ koebene, nämlich die mittelbaren Risiken im Management- und Führungssystem einer Bank, werden dagegen kaum von der Regulierung belangt. Vereinzelt re­ geln Vorschriften zwar Aspekte wie die fachlichen Anforderungen an die Ge­ schäftsleitung einer Bank, generell werden jedoch managementbezogene Risiken nicht erfaßt und begrenzt. Wie die Erfahrung zahlreicher Bankpleiten zeigt, be­ steht auch bzgl. der regulatorischen Erfassung operationaler Risiken ein Defizit. Da operationale wie strategische Risiken eine überwiegend qualitative Kompo­ nente haben, ist es schwierig, ihnen mit quantitativen Normen beizukommen. Kennzahlenorientierte Regulierung bedeutet, daß zu Stichtagen die Einhaltung bestimmter (Bilanz-) Kennziffern überprüft wird. Da Banken durch Finnanzin­ novationen und computergestützten Handel in der Lage sind, innerhalb von Se­ kunden ihre Bilanz und das Risikoprofil zu ändern, stellt sich die Frage, welchen Sinn Bilanzanalyse überhaupt hat und wie das Risiko einer Bank zwischen zwei Stichtagen kontrolliert werden kann.213 Insbesondere an den Basler Eigenkapitalvorschriften, die den Kernpunkt der Regulierung darstellen, sind deutliche Schwachstellen zu bemängeln: Generell ist an Mindesteigenkapitalanforderungen zu kritisieren, daß sie allein die Solvenz einer Bank nicht garantieren können. Eine hohe Eigenkapitalquoten schützt nicht unbedingt vor Insolvenz, da sie sich bei auftretenden Problemen häufig sprung­ artig verschlechtert und daher auch kein guter Frühwarnindikator für die Krise einer Bank ist.214 Zwar haben sie den Vorteil, relativ einfach in der Anwendung zu sein, und ermöglichen ein leicht verständliches und vergleichbares Maß für die Solvenz einer Bank. Das Basler Regelwerk ist jedoch zu grob, mißt Risiken mit vier Risikoklassen ungenau und wenig differenziert und nimmt dadurch eine ungleichmäßige Eigenkapitalbelastung vor. Bei Unternehmen guter Bonität reicht die zu erzielende Zinsmarge oft nicht aus, auf das vorzuhaltende Eigenka­ pital eine auskömmliche Rendite zu erwirtschaften. Das bedeutet, daß Banken einen Anreiz haben, riskantere Kredite zu vergeben, weil diese profitabler sind. Banken tendieren dazu, verstärkt Kredite an Schuldner mit höherem Risiko zu vergeben, weil solche Schuldner höhere Zinsen zahlen müssen und die Zins­ spanne der Banken höher ist.

213 Vgl. FDIC (1995a), S. 83. 214 Vgl. Peek/Rosnegreen (1997), S. 49.

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Kapitel III

In Tab. 1 kann z. B. durchaus ein Kredit an ein Unternehmen mit AAARating215 eine bessere Bonität haben als ein Kredit an ein OECD-Land. Trotz­ dem müssen bislang mehr Eigenmittel für den Unternehmenskredit vorgehalten werden. Ein Kredit an ein „AAA“ Unternehmen geht mit dem Gewicht von 100 % in die Ermittlung des Eigenmittelbedarfs ein, ein Kredit an eine mexikani­ sche Bank mit 20 % und an das Land Mexiko mit 0 %. Hieraus resultieren Fehlanreize und eine geringe Effektivität der Regulierung: Wollen Banken die vorzuhaltenden Eigenmittel minimieren, so werden sie den Länderkredit trotz des größeren Risikos vorziehen. Regulierungsvorschriften können daher bei fal­ scher Risikomessung dazu führen, daß Banken zum Halten von Portfolios ge­ drängt werden, die riskanter sind als diejenigen, die sie ohne Regulierung halten würden.

Seit 1988 hat die Entwicklung neuer Risikomanagementtechniken und Finan­ zinnovationen die Basler Vorschriften zunehmend veraltet werden lassen. Mit Fi­ nanzinnovationen wie Kredit-Derivaten und der Securitization können Eigenka­ pitalregeln umgangen werden, so daß sich die Effektivität der Basler Regeln von 1988 reduziert hat. Unbegründet ist auch das einfache Aufaddieren der gemesse­ nen Einzelrisiken und der zur Risikounterlegung erforderlichen Eigenkapitalbe­ träge, welches Diversifikationseffekte und damit eine Risikokompensation ten­ denziell gegenläufiger Positionen unberücksichtigt läßt. Die Eigenkapitalbelastungsregeln greifen erheblich in die Ressourcendispo­ sition der Banken ein, und es fehlt ihnen, insbesondere auch der festgesetzten Mindesthöhe von 8 %, zudem an theoretischer Fundierung wie auch an einer empirisch-tragfähigen Basis.216 Bislang gibt es kaum gesicherte Erkenntnisse über die ökonomischen Auswirkungen von Eigenkapitalvorschriften und nur der Verweis auf die Risikopufferfunktion des Eigenkapitals legitimiert noch keine gesetzliche Mindesthöhe. Die häufig geäußerte Aussage, eine Bank werde auf­ grund einer mangelnden Eigenkapitalausstattung insolvent, ist wenig gehaltvoll, da die Insolvenz sich gerade durch Überschuldung, d. h. Eigenkapitalmangel konstituiert.217 Ist das Ziel ein 100 %iger Schutz vor Insolvenzen, so müßte man eine Eigenkapitalquote von 100 % bei Banken fordern. Diese Forderung ist aber

215 Ein Rating ist die Meinung einer Ratingagentur über die Fähigkeit eines Unternehmens, in Zu­ kunft seinen Zahlungsverpflichtungen nachkommen zu können, und ist daher keine Tatsachen­ behauptung. Zur Systematik der Ratingurteile vgl. den Anhang II dieser Arbeit. 216 Vgl. Paul (2000), S. 286. 217 Vgl. Blum/Hellwig (1996), S. 47, die die Aussage, daß Eigenkapitalmängel zu einer Insol­ venz führen, für genauso richtig aber wenig inhaltsreich halten wie die Aussage, daß ein Ge­ hirntod durch einen Mangel an Gehirntätigkeit verursacht wird.

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offensichtlich absurd, da es dann gar keine zu schützenden Einlagen gäbe und Banken dann eher Investmentfonds gleichkämen. Blum/Hellwig (1996) weisen auch darauf hin, daß starre Eigenkapitalvorschriften zu einer unerwünschten Verstärkung konjunktureller Schwankungen führen können. Dies ist insbeson­ dere bedeutsam, wenn in einem wirtschaftlichen Abschwung aufgrund von Kre­ ditausfällen Banken ihr Kreditangebot verknappen müssen, um die Eigenkapi­ talanforderungen einzuhalten, und es dadurch zu einem Credit-Crunch und einer verstärkten Rezession kommt. Vor diesem Hintergrund ist die Extremposition von Vertretern des „free-bankings“ wie Benston/Kaufmann (1996) oder Dowd (1996) zu verstehen, die argu­ mentieren, daß jede Bankenregulierung schädlich ist. Da sich staatliche Banken­ regulierung eher auf Vorschriften als auf Anreize verläßt, wird verhindert, daß der Markt die Risiken der Banken bewerten und kontrollieren kann. Marktdiszi­ plin, mit denen sich diese Arbeit beschäftigt, als Element der Selbstregulierung kann sich auf dieser Basis nicht entfalten. Viele Bankenkrisen sind dieser Auf­ fassung zufolge gerade durch unerwünschte Nebeneffekte der Regulierungsbe­ mühungen entstanden.218

5.3 Effizienz Auch bzgl. der statischen und dynamischen Effizienz ist die momentane Re­ gulierungspraxis kritikbedürftig. Die deutsche Bankenregulierung ist durch eine stark reglementierte Bankenaufsicht und viele bankspezifische Vorschriften ge­ kennzeichnet. Gerade in den vergangenen Jahren hat sich die Zahl aufsichts­ rechtlicher Vorschriften stark erhöht. Die Intensität der zunehmenden Regulie­ rung belastet die Banken in hohem Maße und hat damit auch Einfluß auf die Wettbewerbsfähigkeit.219

Die quantitativen Normen sind zu kritisieren, da das hohe Tempo der Finanz­ innovationen permanente Überarbeitungen der Aufsichtsnormen erzwang. Die Bankenaufsicht mußte sich immer häufiger an Entwicklungen der Finanzmärkte anpassen und konnte mit ihrer Dynamik nicht Schritt halten. Besser wären grundsätzliche Regulierungen, die längeren Bestand hätten. Werden infolge von „Problemfällen“ im Bankensektor rasch neue Regelungen konzipiert, besteht stets die Gefahr von Kurzschlußreaktionen und der Erfolg der Maßnahmen ist fraglich. Häufige Änderungen der Regulierung bewirken fast immer Ver­

2,8 Vgl. z. B. Benston/Kaufmann (1996). 219 Vgl. Krumnow (1997), S. 1160.

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schlechterungen der statischen Effizienz durch hohe Anpassungskosten. Allein die 6. KWG-Novelle erfordert bei der Bankenaufsicht bis zu 97 neue Planstellen sowie weitere 46 Mio. DM Umstellungskosten.220

Ebenso ist die dynamische Effizienz des bestehenden Regulierungsansatzes zu kritisieren. Er bietet wenig Anreize zu verbessertem Risikomanagement bzw. dazu, Risikomanagementsysteme weiterzuentwickeln und einzusetzen. Darüber hinaus ist sogar zu befürchten, daß eine rigide Bankenregulierung Fortschritte im Risikocontrolling der Banken behindert, da der jeweilige Stand festgeschrieben wird. Eine zu detaillierte Regulierung hindert Banken daran, die kosteneffizien­ teste Art zur Erreichung eines Regulierungsziels zu wählen.221 Die bestehenden Regulierungen zeichnet sich nicht nur durch fehlende posi­ tive Anreize aus, sie führen zu unerwünschten Fehlanreizen und Nebeneffekten. Aufgrund der den Banken aufcrlegten Pflicht, alle Risiken mit Eigenkapital zu unterlegen, besteht für sie ein Anreiz, Risiken „off-balance-sheet“ zu nehmen, um ihr Eigenkapital zu entlasten. Regulierung fördert den seit einigen Jahren zu beobachtenden Prozeß der Securitization, bei dem Bankaktiva verbrieft und an­ schließend weiterverkauft werden. Z. B. verbriefen Banken Teile ihres Kreditportfolios und verkaufen ihn an Investoren. Das Resultat ist, daß eine Bank die bei dem Abschluß eines Kreditvertrags erzielten Provisionseinnahmen verdient, aber nicht das aus dem Kredit erwachsende Risiko hält. Da sich gerade „gute Risiken“, also Kredite mit geringer Ausfallwahrscheinlichkeit, gut bündeln und verkaufen lassen, ist zu befürchten, daß die Banken gerade auf den „schlechten Risiken“ sitzen bleiben und sich eine Verschlechterung ihrer Kreditportfolios einstellt. Eine Verschlechterung der durchschnittliche Asset-Qualität der Banken kann aber von der Regulierung nicht gewollt sein. Ein weiterer Kritikpunkt kann in den zu hohen Kosten der Bankenregulie­ rung gesehen werden, und betrifft damit wieder die statische Effizienz. Ange­ sichts vieler Detailregeln ist fraglich, ob das Regulierungsziel wirklich bei ge­ ringstmöglicher Beeinträchtigung der Bankentätigkeit erreicht wird. Dieses Argument stellt darauf ab, daß die Regulierungsintensität schon über das opti­ male Maß ausgedehnt ist und in Abb. 3 bereits ein Punkt jenseits des Optimums bei wieder ansteigenden Gesamtkosten erreicht ist. Von Seiten der Banken ist in den letzten Jahren vielfach deutlicher Unmut über die hohe Regelungsdichte und die daraus entstehenden Kosten zu vernehmen. So spricht eine Großbank ange­ sichts der rund 7.000 vierteljährlich den Behörden einzureichenden Seiten von

220 Vgl. Hartmann-Wendu.s et al. (1998). S. 336. 221 Vgl. Goodhart et al. (1998), S. 2.

Analyse traditioneller Regulierung

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„Regulierungswut“222. Von einem im Jahreswirtschaftsbericht 1996 durch die Bundesregierung befürworteten Abbau des „Regulierungsdickichts“ spürt die Kreditwirtschaft zumindest nichts.223 Eine Untersuchung der Sparkassen ergab, daß die Kosten ausgewählter Regulierungen im Zeitraum 1991-1996 von 70 auf über 530 Mill. DM anstiegen.224 Damit gaben die Sparkassen 1996 in etwa den gleichen Betrag für die Umsetzung neuer Regelungen wie für die Lehrlingsaus­ bildung aus. Bei den Genossenschaftsbanken fielen im gleichen Zeitraum gar dreimal höhere Kosten als für die Ausbildung von 16.000 Lehrlingen an225. Die negativen Wirkungen der Regulierungsdichte auf die gesamten Regulierungsko­ sten, auf das Zeitbudget von Führungskräften226 und den Umsetzungsaufwand können ein eklatanter Nachteil für den Standort Deutschland darstellen. Die Argumentation, Informationsdefizite führe zu Marktversagen und recht­ fertige öffentliche Regulierung, wird angesichts der mangelnden Erfüllung der Bewertungskriterien weniger überzeugend. Es muß befürchtet werden, daß das Staatsversagen in Form von wenig effektiver und effizienter Regulierung rele­ vanter und kostenintensiver ist als das Marktversagen im Bankensektor.227 Es erscheint, daß vieles überhaupt nicht, das meiste nicht so penibel reguliert wer­ den müßte. Es ist zu überlegen, inwieweit der Nutzen der Regulierung auch zu geringeren Kosten erreicht werden kann.

Dabei muß auch gesehen werden, daß kein noch so eng geknüpftes Rege­ lungssystem Bankinsolvenzen gänzlich vermeiden kann, da strafbares Handeln nicht vollständig vermieden werden kann. Zahlreiche Bankpleiten in Deutsch­ land werfen jedoch die Frage auf, ob das Aufsichtssystem in seiner heutigen Form bestehen bleiben kann. Im Zuge der aufgedeckten Immobilienkrise 1999 bei der früheren Hypo-Bank warnte das BAKred vor einem Qualitätsverlust der Aufsicht228 und fragt sich seitdem, ob die althergebrachte, an Kennzahlen orien­ tierte Beaufsichtigung noch Sinn macht. Da sich die deutsche Aufsicht auf die

Vgl. Krumnow (1997), S. 1160. Vgl. Berndt (1996), S. 574. Vgl. Berndt (1996), S. 573. Vgl. o. V. (1997b), S. 21. In kleinen Banken ist oft die Führungscbene gezwungen, sich mit Regulierungsfragen auseinan­ derzusetzen und kann in dieser Zeit nicht wichtigeren Managementaufgaben nachkommen. Die Komplexität von Regulierungen wird sofort ersichtlich, wenn man versucht, den 1997 ncugefaßten § 13a KWG nachzuvollziehen, in dem zwischen der „Anlagcbuch-Großkrediteinzelobergrenze“ und der „Gesamtbuch-Großkrcditgesamtobergrenze“ unterschieden wird und die „Ge­ samt-Überschreitungsposilion“ 10 %

0

3

17

„adequately capitalized“ EK-Quote > 8 %

3

10

24

„undercapitalized“ EK-Quote < 8 %

10

24

27

Capital Category'

Anmerkung:

Quelle-.

Die EK-Quote ist die BIZ-Eigcnkapitalquotc. „Healthy“ = Stabile Finanzlage und höchstens ein paar Schwachstellen. „Supervisory Concern“ = Bank weist Schwachstellen auf, die, wenn sie nicht besei­ tigt werden, zu Belastungen der FDIC führen könnten. „Substantial Supervisory Concern“ = Substantielle Gefährdung der Bank und hohe Wahrscheinlichkeit, daß die Schwachstellen der Bank zu Belastungen der FDIC führen. Saunders (1997), S. 374 sowie FDIC.

Gebildet werden also Risikokategorien, wobei es sich wegen der Mischung aus objektiven Kriterien und subjektiven Bewertungen um ein pragmatisches System der Beitragsgestaltung handelt. 1994 mußten die sichersten Banken zu­ nächst 4 Cents pro 100 $ an Einlagen zahlen, die unterkapitalisiertesten 31 Cents. Seit 1997 wurden die Prämien gesenkt auf Null bzw. 27 Cents. 95 % der BIFMitglieder und 90 % der SAIF-Mitglieder gehören der sichersten Kategorie an und zahlen keine explizite Prämie. Allerdings hatte die Implementierung risiko­ basierter Prämien bis heute nur einen marginalen Effekte. Die Unterschiede in den Prämien sind sehr gering und werden quasi ad-hoc festgesetzt. Umstritten erscheint auch der Ansatz, subjektive Bewertungen bei der Eingruppierung ein­ fließen zu lassen, da diese a) wenig nachvollziehbar sind und b) sich auf theoreti­ scher wie praktische Ebene große, bisher ungelöste Probleme bei der Beurteilung von Risiken im Führungs- und Managementsystem einer Bank ergeben. Jedoch kann der amerikanische Versuch nicht allzusehr kritisiert werden, da in keinem anderen Land eine wissenschaftliche fundierte Prämiengestaltung umgesetzt wurde. Kritisiert werden muß an den rechnungswesenorientierten Bewertungen, daß sie vorwiegend auf (Vergangenheits-) Daten beruhen, darüberhinaus Zukunfts­ aspekte und qualitative Aspekt wie die Managementqualität schwer erfassen können. Insbesondere die Einschätzung operationaler Risiken steckt noch in den „Kinderschuhen“, obwohl der Basler Bankenausschuß ihre Erfassung in seinem Konsultationspapier (1999 bzw. 2001) erstmals angesprochen hat. Eine Studie

Lösungsvorschläge und Gestaltungsempfehlungen

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über die Bankenkrise Anfang der 90er Jahre in Neu-England ergab, daß die Ei­ genkapitalquoten der Banken kein Frühwarnindikator für mögliche Problem waren, und auch eine große Zahl als „well-capitalized“ eingestufter Banken in Schwierigkeiten geriet.480 Das schürt weitere Zweifel an der Eignung der Eigen­ kapitalquote zum Zweck der risikobasierten Prämienbestimmung. Ebenfalls kennzahlenorientierten Methoden lassen sich die Ratings externer Ratingagenturen zurechnen. Eine auf den ersten Blick gute Möglichkeit bestünde darin, das von Banken vorzuhaltende Eigenkapital und die Prämien für die Ein­ lagensicherung an das externe Rating der Bank anzubinden.

Quelle: Zentraler Kreditausschuß (ZKA) sowie Moody’s Deutschland.

Abb. 21: Mittlere Ausfallwahrscheinlichkeit von Unternehmen im Zeitraum 1920-1998 Abb. 21 zeigt, daß ein Zusammenhang zwischen dem Rating und der Ausfall­ wahrscheinlichkeit besteht. Eine Bank mit „A“-Rating hat eine doppelt so hohe Ausfallwahrscheinlichkeit wie ein Institut mit Rating „Aa“, so daß folglich auch die Beitragsprämie zur Einlagenversicherung doppelt so hoch ausfallen sollte.

Bei der Prämienankopplung an das Rating tut sich jedoch das Problem auf, daß in vielen Länder nur sehr wenige, meist große Banken ein Rating haben, und Ratings sich zusätzlich noch je nach Agentur durchaus unterscheiden können. Zudem zeigt Morgan (2000), daß Ratingagenturen bei Banken im Vergleich zu

480 Vgl. PEEK/ROSENGREEN (1997), S. 49.

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Kapitel VI

anderen Unternehmen besondere Schwierigkeiten haben, ein Ratingurteil zu finden. Der eigentlich gute Ansatz ist daher nur auf wenige, große Banken an­ wendbar und scheint daher wenig praktikabel. Des weiteren sind die Ratinga­ genturen, wie beschrieben, nicht sonderlich daran interessiert, in regulatorische Aufgabenbereiche einbezogen zu werden.

3.4 Kapitalmarktorientierte Prämienberechnung Es wurde deutlich, daß sich mit der kennzahlen- und bilanzorientierten Risi­ koermittlung Probleme verbinden. Es ist fraglich, ob das Problem der risi­ koadäquaten Tarifierung der Einlagensicherung und der Risikomessung von Banken allein durch Kennzahlenanalyse und Prüfer einer staatlichen Behörde gelöst werden kann. Gerade vor dem Hintergrund, daß Banken in Sekunden­ schnelle ihr Risikoprofil ändern können, ist die Stichtagsüberprüfung durch Ra­ tingagenturen und die Bilanzanalyse sehr problematisch.481 Um Beitragsprämien nach dem bankenindividuellen Risiko zu bestimmen, ist die Hilfe der Finanz­ märkte erforderlich.

Marktorientierten Bewertungsverfahren umgehen elegant das Problem, die Managementqualität einschätzen zu müssen, und den damit verbundenen Auf­ wand. Um Risiken der Banken individuell zu messen und zu tarifieren, ist die Institution der Finanzmärkte gut geeignet. Gerade die Veranlagung von ökono­ mischen Risiken ist die Stärke der Märkte. Märkte lösen täglich das Problem der Allokation einer sehr großen Zahl von Ressourcen. Mit marktorientierten Be­ wertungsverfahren kann ausgenutzt werden, daß Kapitalmarktdaten häufig vor­ laufende Indikatoren von Bankenkrisen sind. Die Frage, ob Marktdaten oder Daten des Rechnungswesens besser geeignet sind für die Prognose von Bankin­ solvenzen, ist allerdings weiterhin offen.

3.4.1 Bewertung mit Bondspreads Als Einschätzung des Kapitalmarktes über den Risikograd einer Bank kön­ nen die Renditen von Anleihen dienen. Die Risikoprämie einer Anleihe, also die Renditedifferenz zu vergleichbaren Staatsanleihen, kann als ein „leading indica­ tor“ für Probleme einer Bank angesehen werden. Je höher das Ausfallrisiko einer Bank von Marktteilnehmern eingeschätzt wird, desto höhere Renditen müssen geboten werden, damit sie Anleihen der Bank bereit sind zu halten. Der Zusam­

481 Vgl. FDIC (1995), S. 13.

Lösungsvorschläge und Gestaltungsempfehlungen

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menhang zwischen dem Rating als Risikomaß und dem Renditeaufschlag zeigt die Abb. 22.

Datenquelle-, nach Faxauskunft von Moody's Deutschland. Risikoprämien gemessen als Rendileaufschlag gegenüber vergleichbaren Staatsanleihen.

Abb. 22: Risikoprämien bei Anleihen in Abhängigkeit vom Rating Die Rendite von nicht einlagengesicherten Bankanleihen stellt also einen Marktpreis für das Ausfallrisiko dar. Eine mit Ba2 geratete Bank müßte um 3 Prozentpunkte höhere Zinsen auf Anleihen zahlen als ein Bank mit Rating Aaa. Dieser Renditeaufschlag kann direkt als Indikator für die Höhe der Beitragsprä­ mie zur Sicherungseinrichtung dienen.

Ein ähnliches Problem wie bei der Stützung auf externe Ratings tritt aller­ dings auf, da viele kleinere Banken keine kapitalmarktgängigen Wertpapiere begeben haben und daher auch kein Marktpreis in Erfahrung zu bringen ist.

3.4.2 Der optionspreistheoretische Bewertungsansatz Eine neuerdings diskutierte Alternative, bei der das Gesamtrisiko einer Bank und das Eigenkapital simultan berücksichtigt werden, ist die optionspreistheore­ tische Beitragsbemessung, bei der die Bestimmung des Gesamtrisikos auf der Basis von Marktbewertungen vorgenommen wird. Malz (2000) zeigte bereits, daß die aus börsengehandelten Optionen auf Bankaktien ermittelten impliziten

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Kapitel VI

Volatilitäten einen Informationsgehalt über zukünftige Entwicklungen einer Bank haben, die nicht in anderen Risikomaßen enthalten ist.482 Daher kann eine ansteigende Volatilität als Warnsignal für zukünftige Bankkrisen angesehen werden. Die optionspreistheoretisch gestützte Beitragsbemessung ist ein vielver­ sprechender Ansatz, da mit ihm auf Basis eines geschlossenen Konzeptes kon­ kret in die Praxis umsetzbare Ergebnisse erzielbar sind. Allerdings ist die Berechnung auch ein wenig komplizierter.

Wie bereits in Kap 4.2 graphisch dargestellt, kann man eine Einlagensiche­ rung als Put-Option auf das Vermögen der Bank begreifen. Im folgenden soll von einer Bank ausgegangen werden, die 1 Zeitperiode lang existiert, die Ver­ mögen (Aktiva) in Höhe von A Geldeinheiten hat, als einzige Verbindlichkeit am Periodenende abgesicherte Einlagen B (einschließlich Zinsen) zurückzahlen muß, und die Differenz das Eigenkapital E darstellt. Bei allen Größen handelt es sich um Marktwerte, zu denen das Vermögen oder die Ansprüche am Ende der Periode verkauft werden können. Sind die Aktiva größer als die Verbindlichkei­ ten, also A > B, so kann die Bank ihre Verbindlichkeiten erfüllen und die Einla­ gensicherung zahlt nichts aus. Ist A allerdings kleiner B, dann kann die Bank den Einlegern nur den Betrag A zahlen, die Einlagensicherung zahlt die Differenz (B - A) an die Einleger aus. D. h. die Einlagensicherung kann als eine Put-Op­ tion auf die Aktiva der Bank mit einem Basispreis in der Höhe des Einlagenvo­ lumens verstanden werden, ihr Wert beträgt: (1)

[0 G(0H

fällst >B

fällst < B

Entscheidend ist allerdings der Wert dieser Option vor Optionswahrneh­ mung.483 Merton (1977) benutzte als erster die von Black/Scholes (1973) ent­ wickelte Formel zur Optionspreisbewertung, um faire Versicherungsbeiträge zu bestimmen.484 (2)

G(T) = B e~rT N(d2)-A N(d})

482 Unter impliziter Volatilitäten versteht man die aus an der Börse beobachtbaren Optionspreisen mit Hilfe der Optionspreisformeln ermittelte, zukünftige erwartete Volatilität einer Bankaktie. 483 Vgl. Vollmer (1999), S. 1537. 484 Zu den folgenden Gleichungen vgl. MERTON (1977). Im zugrundeliegende Black/Scholes Mo­ dell wäre A der Aktienkurs, B der Ausübungspreis (Basispreis) und G2 die Varianz der Aktien­ renditen.

Lösungsvorschläge und Gestaltungsempfehlungen

mit:

d} =--------------- —--------

und

d2 = d} + aA

189

• 4t

Gleichung (2) ist die Black/Scholes Formel zur Ermittlung einer Putoption, übertragen auf den hier vorliegenden Fall der Einlagenversicherung.485 Dabei bezeichnet A den aktuellen Wert der Bankaktiva, r den risikolosen Zinssatz, T die Zeit, N ist der Wert der Verteilungsfunktion der Standardnormalverteilung an der Stelle d, er mißt das Risiko (Volatilität) der Bankaktiva und B stellt den ver­ einbarten Rückzahlungsbetrag der Einlagen (inkl. Zinsen) dar.

G(T) gibt den Wert der Einlagensicherung für die Gesamtheit der Einlagen an. Um den Wert der Einlagensicherung je Geldeinheit zu erhalten, muß G(T) in Gl. (2) durch die Höhe der Einlagen D geteilt werden. D entspricht dem gegen­ wärtigen Wert des Rückzahlungsanspruchs, also B-e’r1. Es gilt daher, D = Ber1. Ersetzt man im Term di zusätzlich B durch D- erT, so ergibt sich: (3)

mit:

=

Be

=

d} =—------ -----° a -dT

D

und

d2 =d} + aA • dT

In Gleichung (3) läßt sich A/D als Kehrwert der Fremdkapitalquote bzw. des Verschuldungsgrads deuten. Je höher der Verschuldungsgrad, desto höher ist entsprechend der Formel der Wert der Einlagensicherung und der Prämie g. Der Wert der Einlagensicherung hängt auch positiv von Risiko der Bankaktiva ab.486 Der risikolose Zins erscheint in Gleichung (3) gar nicht mehr. Er beeinflußt den Wert der Einlagensicherung und der Prämie nicht. Diese plausiblen Aussagen stützen die Annahme, daß die Optionstheorie ein brauchbarer Ansatz zur Be­ stimmung risikoabhängiger Beiträge ist. Die Höhe der Prämien hängt positiv vom Verschuldungsgrad und der Vari­ anz der Bankaktiva ab. Da die Varianz der Bankaktiva nicht direkt beobachtbar

485 Zur Formel von Black/Scholes vgl. auch Sharpe/Alexander (1990), S. 560. Die Formel berechnet bei Abwesenheit von Transaktionskosten und Steuern den fairen Wert beliebiger Optionen. 486 Vgl. BROKER (1995), S. 103 sowie Vollmer (1999), S. 1537.

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Kapitel VI

ist, kann man sich mit der Varianz des Aktienkurses als Marktwert des Eigenka­ pitals behelfen. Nach Ito's Lemma besteht nämlich folgende Beziehung zwischen der Volatilität der Bankaktiva und des Eigenkapitals Oe:487 dA

(4)