Grosse Griechen und Römer: Band 3 [3. revidierte Auflage 1954/65, Reprint 2021]
 9783112466667, 9783112466650

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B I B L I O T H E K DER ALTEN WELT

Ü b e r dieses Buch

Die vergleichenden Lebensbeschreibungen von Plutarch, entstanden vermutlich Anfang des zweiten nachchristlichen Jahrhunderts, machten ihren Verfasser zu einem der meistgelesenen griechischen Autoren. Neben seiner farbigen und geistreichen Erzählkunst und der unübersehbaren Fülle interessanten Stoffes wurde er insbesondere durch seine Methode zum Klassiker der Biographie: »Denn ich schreibe nicht Geschichte, sondern zeichne Lebensbilder, und hervorragende Tüchtigkeit oder Verworfenheit offenbart sich nicht durchaus in den aufsehenerregendsten Taten, sondern oft wirft ein geringfügiger Vorgang, ein Wort oder ein Scherz ein bezeichnenderes Licht auf einen Charakter als Schlachten mit Tausenden von T o t e n . . . « So überlieferte uns Plutarch Kenntnisse von Leben und Kultur der Antike wie kaum ein anderer antiker Autor. Band 3 enthält die vergleichenden Lebensbeschreibungen von Lvsandros und Sulla, Agesilaos und Pompejus, IVlopidas und Marcellus.

PLUTARCH

GROSSE G R I E C H E N UND R Ö M E R Band 3 Übersetzt und mit A n m e r k u n g e n versehen von Konrat Ziegler und Walter W'uhrmann

Artemis & Winkler

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

© 2010 Patmos Verlag GmbH & Co. KG 3. revidierte Auflage 2010, 1. Auflage 1954-1965 Artemis & Winkler Verlag, Mannheim Alle Rechte vorbehalten. Printed in Germany ISBN 978-3-538-03525-6 (Kassette mit allen sechs Bänden) ISBN 978-3-538-03528-7 (Band 3) www.artemisundwinkler.de

LYSANDROS UND

SULLA

LYSANDROS Das Schatzhaus der Akanthier in Delphi trägt folgende Inschrift : «Brasidas und die Akanthier von der athenischen Beute 1 .» Daher glauben viele, daß die innerhalb des Hauses neben der Tür stehende Marmorstatue die des Brasidas sei. Es ist aber eine Porträtstatue des Lysander*, nach alter Sitte langbehaart und mit einem würdigen Vollbart. Denn es ist nicht so, wie einige sagen 1 , daß sich die Spartaner, als die Argiver sich aus Trauer über ihre große Niederlage geschoren hatten, im Gegensatz zu ihnen und im Triumph wegen ihrer Heldentaten die Haare hätten lang wachsen lassen, noch auch, daß sie, als die von Korinth nach Lakedaimon geflohenen Bakchiaden mit ihren geschorenen Köpfen einen häßlichen und erbärmlichen Anblick boten, selbst erst auf den Ehrgeiz verfallen wären, die Haare lang zu tragen 4 ; sondern auch dies ist eine von Lykurg eingeführte Sitte, und sie berichten, er habe gesagt, daß das Haar die Schönen noch stattlicher anzuschauen mache und die Häßlichen furchtbarer5. 2. Lysanders Vater, Aristokritos, stammte, so wird erzählt, nicht aus königlichem Hause, aber doch aus dem Geschlecht der Herakliden*. So wuchs Lysander in Dürftigkeit auf und zeigte sich wie nur irgendeiner fügsam gegenüber den Gebräuchen, mannhaft und stark gegenüber jeder Verführung zur Lust außer derjenigen, die wackere Taten denen eintragen, die sie vollbringen und Ehre dafür empfangen. Solcher Lust zu unterliegen gilt in Sparta nicht als Schande für die jungen Leute. Denn sie woller), daß ihre Knaben von Anfang an Sinn haben fiir Ruhm und Ehre, daß sie betrübt sind über jeden Tadel und stolz auf jedes Lob. Wer hierfür unempfind-

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lieh ist und ungerührt bleibt, der wird als ein Mensch ohne Streben nach Tüchtigkeit und ohne Tatendrang mißachtet. So war das Streben nach Ehre und Bewährung dem Lysander durch die lakonische Erziehung eingepflanzt und in ihm lebendig, und man braucht dies nicht so sehr seiner Naturanlage zuzuschreiben; aber daß er mehr, als es sonst Spartanerart ist, den Mächtigen zu schmeicheln verstand, das war wohl seine besondere Gabe, und daß er sich leicht darein schickte, wenn es not tat, die Last einer ihm übergeordneten Machtfiille zu ertragen. Das halten einige für einen nicht unwesentlichen Teil der politischen Begabung. Übrigens berichtet Aristoteles wo er den Satz aufstellt, daß die großen Naturen wie Sokrates, Piaton, Herakles - zur Melancholie neigen,' daß auch Lysander, nicht sogleich, sondern in höherem Alter, in melancholische Stimmungen verfallen sei. Was aber am meisten für ihn charakteristisch ist, das ist, daß er, der die Armut mit Würde ertrug und sich niemals selbst durch Geld besiegen und bestechen ließ, seine Vaterstadt mit Reichtum und der Begierde nach Reichtum erfüllte und der Bewunderung ein Ende machte, die sie genoß, weil sie den Reichtum nicht bewunderte, indem er nach dem Kriege gegen Attika eine Menge Goldes und Silbers hineinbrachte, ohne jedoch eine einzige Drachme für sich zu behalten. Auch als der Tyrann Dionys o s 1 seinen Töchtern kostbare sizilische Kleider schickte, nahm er sie nicht an mit der Begründung, er fürchte, die Mädchen würden darin eher häßlich aussehen. Als er aber wenig später von derselben Stadt zu demselben Tyrannen als Gesandter geschickt wurde und dieser ihm zwei Kleider sandte mit der Aufforderung, eins davon nach seinem Belieben zu wählen und der Tochter zu schicken, da sagte er, besser werde sie selber die Wahl treffen, und nahm beide mit. 3. Als der Peloponnesische Krieg sich in die Länge zog und entgegen der allgemeinen Erwartung, die Athener würden

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nach dem schweren Mißerfolg in Sizilien sofort von der See verschwinden und nicht viel später ihre Sache ganz verloren geben, Alkibiades, aus der Verbannung zurückgerufen und an die Spitze gestellt, einen gewaltigen Umschwung hervorrief und in den Kämpfen zur See das Gleichgewicht wiederherstellte', da gerieten die Lakedaimonier erneut in Furcht, gingen mit neuem Eifer an den Krieg heran und entsandten in der Überzeugung, daß es eines tüchtigen Führers und verstärkter Anstrengungen bedürfe, den Lysander als Kommandanten zur Flotte. Nach Ephesos gekommen, fand er zwar die Stadt ihm wohl gewogen und zuverlässig in ihrer lakonischen Gesinnung, aber in bedenklicher Lage und in Gefahr, wegen der nahen Nachbarschaft die persischen Sitten anzunehmen und barbarisch zu werden, weil ja Lydien sie rings umgab und die Feldherren des Königs sich viel dort aufhielten. Er schlug bei der Stadt sein Lager auf, ließ von allen Seiten die Handelsschiffe dort zusammenziehen und Werften (ur den Bau von Trieren errichten. So brachte er ihre Häfen durch den Handelsverkehr, ihren Markt durch gewerbliche Tätigkeit in die Höhe und erfüllte ihre Häuser und Werkstätten mit regem Leben, so daß sich für die Stadt zuerst von jener Zeit ab durch Lysander die Aussicht auf den Glanz und die Größe eröffnete, die sie jetzt besitzt'. 4. Als Lysander erfuhr, daß Kyros, der Sohn des Königs, nach Sardes gekommen war, begab er sich dorthin, um mit ihm zu verhandeln und gegen Tissaphemes Klage zu erheben, der, obwohl er den Befehl hatte, den Lakedaimoniem zu helfen und die Athener von der See zu verscheuchen, dem Alkibiades zuliebe offensichtlich lässig war und keinen guten Willen zeigte, nur kärgliche Subsidien zahlte und so die Flotte zugrunde richtete. Es kam dem Kyros auch sehr erwünscht, daß Tissaphemes, ein schlechter Mensch und sein persönlicher Feind, verklagt und mit Vorwürfen belastet wurde. Aus die-

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sen Gründen und durch die Formen seines Umgangs machte Lysander sich beliebt und wußte vor allem durch sein einschmeichelndes Benehmen den jungen Mann ganz für sich zu gewinnen und seinen Eifer für den Krieg zu schärfen. Als ihm nun, da er wieder abreisen wollte, Kyros ein Abschiedsmahl gab und ihn bat, seine freundschaftlichen Gesinnungen nicht von sich zu weisen, sondern seine Wünsche offen herauszusagen, denn es würde ihm rein nichts abgeschlagen werden, so antwortete Lysander: «Da du soviel guten Willen zeigst, Kyros, so bitte ich dich herzlich, dem Solde der Seeleute einen Obolos zuzulegen, damit sie vier Obolen statt drei bekommen.» Erfreut über die hohe Gesinnung des Mannes, gab Kyros ihm zehntausend Dareiken', aus denen Lysander den Seeleuten den Obolos zulegte und durch diese Freigebigkeit binnen kurzem die Schiffe der Feinde leer machte. Denn die meisten liefen denen zu, die mehr boten, und die Bleibenden waren verdrossen und zum Meutern geneigt und machten ihren Führern jeden Tag Schwierigkeiten. Aber obschon Lysander so die Feinde mattgesetzt und schwer geschädigt hatte, trug er doch noch Bedenken, eine Seeschlacht zu wagen, aus Furcht vor Alkibiades, der ein unternehmender Mann war, noch über mehr Schiffe verfügte und bis zu jener Zeit in allen Schlachten, die er zu Wasser wie zu Lande ausgefochten hatte, unbesiegt geblieben war. $. Als aber nun Alkibiades von Samos nach Phokaia fuhr und bei der Flotte den Steuermann Antiochos als Befehlshaber zurückließ, dieser aber, um Lysander zu verhöhnen und seinen Mut zu zeigen, mit zwei Trieren in den Hafen von Ephesos einfuhr und unter Gelächter und Hohngeschrei frech vor dem feindlichen Schiffslager entlangruderte, da ließ Lysander erzürnt zuerst nur eine kleine Anzahl seiner Trieren in See gehen und Antiochos verfolgen. Wie er nun aber sah, daß die Athener den Ihrigen zu Hilfe eilten, ließ er weitere Schiffe be-

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mannen, und schließlich gerieten sie aneinander und lieferten sich eine Seeschlacht. Lysander siegte, nahm fünfzehn feindliche Trieren und errichtete ein Siegesmal1. Daraufhin faßte das Volk in Athen einen Zorn gegen Alkibiades und setzte ihn ab, und da ihn jetzt auch die Soldaten in Samos mißachteten und verlästerten, so verließ er das Lager und fuhr nach der Chersones. Diese Schlacht, obgleich sie tatsächlich ohne erhebliche Bedeutung war, hat so das Schicksal um des Alkibiades willen berühmt gemacht. Lysander ließ jetzt aus den Städten diejenigen zu sich nach Ephesos kommen, die er durch Wagemut und Stolz die Menge am meisten überragen sah, und streute den ersten Samen für die später von ihm eingeführten Zehnmänner-Regimente und Revolutionen, indem er sie aufforderte und anspornte, revolutionäre Gruppen zu bilden und ihr Augenmerk auf die Politik zu richten, um, sobald die Athener niedergekämpft wären, die demokratischen Regierungen zu beseitigen und sich selbst zu Herren in ihrer Vaterstadt zu machen. Hierfür gab er einem jeden auch tatsächliche Beweise, indem er diejenigen, die schon seine Freunde und Gastfreunde geworden waren, zu großer Macht, Ehrenstellen und militärischen Führerposten erhob, auch selbst ihnen, um sie zu bereichern, bei ihren Ungerechtigkeiten und Übergriffen Beihilfe leistete, so daß alle ihm zufielen, ihm dienstbereit und ergeben waren in der Erwartung, daß keines ihrer höchsten Ziele unerreicht bleiben würde, wenn er am Ruder sei. Als daher Kallikratidas erschien, um als Lysanders Nachfolger das Flottenkommando zu übernehmen, sahen sie ihn von Anfang an ungern, und auch als er sich später als der wackerste und gerechteste Mann erwies, fanden sie keinen Gefallen an der Art seiner Kommandofiihrung, die etwas Dorisch-Schlichtes und Offenes hatte. Sie bewunderten zwar seine Tugend, aber nur wie die Schönheit einer Heroenstatue, und vermißten den rührigen Eifer des

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Lysander, ersehnten sein nutzbringendes Eintreten für seine Freunde, so daß sie, als er abfuhr, tiefbetrübt waren und Tränen vergossen. 6. Lysander aber begnügte sich nicht damit, den Unmut dieser Leute gegen Kallikratidas noch mehr zu schüren, sondern er schickte auch den Rest der ihm von Kyros übergebenen Gelder für die Flotte wieder nach Sardes zurück und sagte zu Kallikratidas, er sollte selbst um Geld bitten, wenn er es wollte, und zusehen, wie er seine Soldaten unterhalten könnte, und schließlich, als er abfuhr, erklärte er ihm feierlich, er übergebe ihm die Flotte als Beherrscherin des Meeres. Um ihm zu beweisen, daß das eitle Großsprecherei sei, erwiderte ihm Kallikratidas: «Also fahre doch, Samos zur Linken lassend, herum nach Milet und übergib mir dort die Trieren. Denn wir brauchen ja keine Angst zu haben, an den Feinden in Samos vorbeizufahren, wenn wir die See beherrschen.» Hierauf antwortete Lysander, nicht er sei ja der Kommandeur der Flotte, sondern Kallikratidas, und fuhr ab nach der Peloponnes, indem erden Kallikratidas in großer Verlegenheit zurückließ. Denn er hatte, als er kam, von Hause kein Geld mitgebracht und konnte es nicht über sich gewinnen, von den Städten, denen es schlecht genug ging, Gelder zu erpressen. So blieb ihm denn nichts anderes übrig, als, wie Lysander, vor die Türen der Feldherren des Königs zu gehen und um Geld zu bitten. Dafür aber war kein Mensch weniger geschaffen als er, ein freiheitsliebender und hochgesinnter Mann, der jede von Griechen erlittene Niederlage für weniger schimpflich für Griechen ansah, als vor Barbaren zu liebedienern und zu antichambrieren, die nur viel Geld, aber sonst nichts Gutes hatten. Schließlich aber reiste er doch, von der Not gedrängt, nach Lydien, begab sich sofort zum Hause des Kyros und sagte, man solle melden, Kallikratidas, der Flottenkommandant, sei da und wolle mit ihm sprechen. Als darauf einer der Tür-

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hüter sagte: «Aber Kyros hat jetzt keine Zeit, Fremdling; er ist beim Trinken», erwiderte Kallikratidas in aller Einfalt: «Das macht nichts; dann werde ich hier stehen bleiben und warten, bis er getrunken hat.» Daraufhin hielten ihn die Barbaien für einen Einfaltspinsel und lachten ihn aus, und er ging davon. Als er aber ein zweites Mal vor die Türen der Residenz kam und nicht vorgelassen wurde, war er sehr empört und kehrte nach Ephesos zurück unter heftigen Verwünschungen gegen diejenigen, welche sich zuerst willfährig den Barbaren geiiigt und sie gelehrt hätten, übermütig auf ihren Reichtum zu pochen, und er verschwor sich vor den Anwesenden, er werde, sobald er wieder nach Sparta komme, alles tun, damit die Griechen sich untereinander versöhnten, um so ihrerseits den Barbaren furchtbar zu werden und nicht länger ihre Macht zu brauchen, um sich untereinander zu bekriegen. 7. Aber Kallikratidas, der so eine Lakedaimons würdige Gesinnung bewiesen und sich durch Gerechtigkeit, Edelmut und Tapferkeit in eine Reihe mit den größten Hellenen gestellt hatte, wunde nach nicht langer Zeit in der Seeschlacht bei den Arginusen 1 besiegt und fand den Tod. Da es nun mit der gemeinsamen Sache abwärts ging, schickten die Bundesgenossen eine Gesandtschaft nach Sparta und erbaten sich Lysander als Flottenkommandanten; unter seinem Befehl würden sie mit viel größerem Eifer Hand ans Werk legen. Dieselbe Aufforderung richtete auch Kyros an die spartanische Regierung. Nun bestand zwar ein Gesetz, welches nicht gestattete, daß derselbe Mann zweimal das Flottenkommando führte; weil aber die Lakedaimonier den Wunsch der Bundesgenossen erfüllen wollten, so übertrugen sie der äußeren Form nach das Flottenkommando einem gewissen Arakos und entsandten den Lysander dem Namen nach als seinen Stellvertreter, tatsächlich aber als bevollmächtigten Befehlshaber. Den meisten der Politiker, die in den Städten Einfluß

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besaßen, kam er als ein Langersehnter, denn sie hofften durch ihn zu noch größerer Macht zu gelangen, wenn die Demokratien ganz beseitigt würden. Denjenigen aber, welche an einem Führer Aufrichtigkeit und edle Gesinnung schätzten, erschien Lysander im Vergleich mit Kallikratidas als ein Ränkeschmied und Sophist, da er im Kriege vor allem durch Betrug und List zum Ziele zu kommen suchte und die Gerechtigkeit nur dann pries, wenn sie ihm Vorteil brachte, andernfalls aber das Nützliche fiir das Gute ansah, und weil er die Wahrheit nicht für wesensmäBig besser hielt als die Lüge, sondern den Wert des einen wie des anderen nach dem Nutzen bemaß. Die Leute, die die Forderung aufstellten, die Nachkommen des Herakles dürften den Krieg nicht mit List fuhren, sollte man auslachen, so sagte er. «Denn wo das Löwenfell nicht hinreicht, da muß man das Fuchsfell annähen 1 .» 8. Von solcher Art war, wie berichtet wird, auch sein Verhalten im Falle Milet. Als seine Vertrauten und Gastfreunde, denen er versprochen hatte, beim Sturz der Demokratie und der Vertreibung ihrer Feinde behilflich sein zu wollen, sich anders besannen und mit ihren Gegnern versöhnten, tat er zwar offen so, als wäre er damit zufrieden und wolle die Versöhnung fördern, heimlich aber machte er ihnen schwere Vorwürfe und hetzte sie zum Angriff auf die Demokraten. Sobald er dann erfuhr, daß der Aufruhr losbrach, eilte er schnellstens herbei, drang in die Stadt ein und machte den ersten der Aufrührer, denen er begegnete, laute Vorwürfe und fuhr sie grimmig an, als ob er sie bestrafen würde, den anderen hingegen redete er gut zu, sie sollten getrost sein und weiter nichts Schlimmes befürchten, da er ja zu Stelle sei. Doch das war Heuchelei und falsches Spiel, durch das er erreichen wollte, daß die einflußreichsten und tüchtigsten Führer der Demokraten die Stadt nicht verließen, sondern blieben und umgebracht werden könnten. So kam es denn auch, und alle, die

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sich aufsein Wort verlassen hatten, wurden abgeschlachtet. Übrigens berichtet Androkleides1 ein Wort Lysanders, das seine große Gewissenlosigkeit in bezug auf Eidschwüre erweist; er habe nämlich gesagt, Kinder müsse man mit Würfeln, Männer mit Eiden betrügen. Damit folgte er dem Beispiel des Polykrates von Samos1: wenig rühmlich, da dieser ein Tyrann war, er ein Feldherr, und höchst unlakonisch war das Verfahren, die Götter wie Feinde zu behandeln, oder vielmehr noch frevelhafter; denn wer durch Eidbruch betrügt, bezeugt damit Furcht vor dem Feinde, aber Verachtung für den Gott. 9. Kyros ließ nun Lysander nach Sardes zu sich rufen, gab ihm Geld und versprach ihm noch mehr, wobei er sich vermaß, er würde ihm zuliebe, wenn ihm der Vater nichts gebe, sogar sein Privatvermögen drangeben, und wenn alles verbraucht wäre, sagte er, würde er den Thronsessel, auf dem er saß, wenn er die Regierungsgeschäfte führte, zu Münze schlagen lassen; er war nämlich aus Gold und Silber. Als er schließlich nach Medien zu seinem Vater hinaufzog', verordnete er, daß Lysander die Tribute der Städte einziehen solle, und vertraute ihm seine Satrapie an. Beim Abschied bat er ihn, sich nicht auf eine Seeschlacht mit den Athenern einzulassen, bevor er wieder zurück sei; er werde mit vielen Schiffen aus Phoinikien und Kilikien kommen. Hierauf trat er die Reise zum König an. Lysander, der weder mit einem gleich starken Gegner den Kampf aufnehmen noch auch mit so vielen Schifgen untätig dasitzen konnte, ging in See, unterwarf einige Inseln, legte in Aigina und Salamis an und verheerte das Land, ging in Attika an Land, begrüßte Agis, der selbst von Dekeleia zu ihm an die Küste hinunterkam, und führte dem erschienenen Landheer die Macht seiner Flotte vor Augen, daß er fahren könne, wohin er wolle, weil er das Meer beherrsche. Als er indes erfuhr, daß ihm die Athener auf den Fersen seien, ent-



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floh er auf einem andern Wege durch die Inseln nach Asien, und da er den Hellespont von Verteidigern entblößt antraf, so griff er Lampsakos von der See her mit seinen Schiffen an, -während Thorax mit dem Landheer, zu gleicher Zeit eingetroffen, den Angriff auf die Mauern einleitete. So nahm er die Stadt im Sturm und überließ sie den Soldaten zur Plünderung. Die Flotte der Athener, hundertachtzig Trieren stark, war gerade bei Elaius auf der Chersones vor Anker gegangen. Als sie erfuhren, daß Lampsakos verloren sei, fuhren sie sofort nach Sestos und, nachdem sie sich dort verproviantiert hatten, weiter an der Küste entlang nach Aigospotamoi ( = Ziegenfluß) 1 , wo sie nun den bei Lampsakos noch ankernden Feinden gegenüberlagen. Führer der Athener war neben mehreren anderen auch Philokles, der einst die Athener veranlaßt hatte, den Kriegsgefangenen den rechten Daumen abzuhauen, damit sie zwar keinen Speer mehr tragen, aber noch ein Ruder ziehen könnten. 10. An diesem Tage ruhten alle in der Erwartung, am nächsten Tage die Seeschlacht zu liefern. Lysander hatte zwar anderes im Sinne, befahl aber den Matrosen und Steuerleuten, da der Kampf bei Tagesanbruch stattfinden solle, noch in der Dämmerung die Trieren zu besteigen, die Plätze einzunehmen und in Ordnung und Ruhe auf die weiteren Befehle zu warten; ebenso hatte auch das Landheer in Schlachtordnung längs der Küste Aufstellung zu nehmen und sich ruhig zu verhalten. Als jetzt die Sonne aufging und die Athener mit allen ihren Schiffen in Kampffront herangerudert kamen und die Schlacht anboten, hielt er seine Schiffe, die noch bei Nacht bemannt worden waren, in Gegenfront, lief aber nicht aus, sondern schickte Beiboote zu den Schiffen der vordersten Front mit dem Befehl, stillzuhalten und in der Ordnung zu bleiben, sich nicht herausfordern zu lassen und nicht gegen den Feind an zurudern. Als sich hierauf die Athener gegen Abend zurückzo-

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gen, ließ er die Soldaten nicht eher aus den Schiffen aussteigen, als bis zwei oder drei auf Kundschaft ausgesandte Trieren mit der Meldung zurückkamen, sie hätten gesehen, daß die Feinde die Schüfe verlassen hätten. Am folgenden Tage geschah wiederum dasselbe und ebenso am dritten und vierten, so daß die Athener übermütig wurden und die Feinde zu verachten begannen in dem Glauben, daß sie furchtsam und niedergeschlagen seien. Inzwischen kam Alkibiades - er lebte nämlich in seiner Burg auf der Chersones - zum Lager der Athener geritten 1 und machte den Feldherren Vorwürfe, erstens, daß sie wenig günstig und ohne Sicherheit an einem offenen Strand, der keine guten Ankerplätze böte, lagerten, und ein zweiter Fehler sei es, daß sie ihre Verpflegung weither von Sestos kommen ließen, während sie doch lieber die kurze Strecke zu Stadt und Hafen Sestos fahren und sich so weiter von den Feinden entfernen sollten, die ihnen mit einem Heere auflauerten, das in scharfer Disziplin dazu erzogen sei, jedem Befehl aufs schnellste zu gehorchen. Aber die Feldherren achteten nicht auf diese Mahnungen, und Tydeus gab ihm sogar die übermütige Antwort, nicht er, sondern andere hätten zu befehlen. I i . Alkibiades entfernte sich also mit dem Argwohn, daß wohl auch Verrat im Spiele sei. Als die Athener am fünften Tage ihren Anmarsch vollzogen hatten und wie gewöhnlich ohne jede Sicherung und voll Verachtung wieder davonfuhren, gab Lysander, als er die Beobachtungsschiffe aussandte, den Kommandanten den Befehl, sobald sie sähen, daß die Athener ausgestiegen seien, zu wenden und mit höchster Fahrt zurückzukehren, und sobald sie in die Mitte der Meerenge gekommen wären, am Bug als Zeichen zum Angriff einen ehernen Schild hochzuheben. Er selbst fuhr an den Trieren endang, rief die Steuerleute und Kommandanten einzeln auf und ermahnte sie, ihre Besatzungen, Seeleute wie Seesoldaten, in guter Ordnung zu halten und, sobald das Zeichen gegeben

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würde, mit Einsatz aller Kraft auf die Feinde loszufahren. Als nun der Schild auf den Schiffen emporgehoben wurde und Lysander von seinem AdmiralschifFaus mit der Trompete das Signal zum Auslaufen geben ließ, setzte sich die Flotte in Bewegung, und die Soldaten des Landheeres liefen im Wetteifer längs des Strandes zu dem Vorgebirge. Der Abstand zwischen den Kontinenten beträgt dort fünfzehn Stadien und war dank dem angestrengten Eiler der Ruderer schnell zurückgelegt. Konon sah als erster der athenischen Feldherren die feindliche Flotte plötzlich vom Lande aus heranfahren, schrie zum Einsteigen, und voll Entsetzen über die drohende Gefahr rief er, bat er, drängte er die Leute, ihre Plätze in den Schiffen einzunehmen. Aber sein Bemühen blieb ohne Erfolg, weil die Leute sich schon zerstreut hatten. Denn sobald sie ausgestiegen waren, hatten sie sich, ahnungslos, wie sie waren, auf den Markt begeben, spazierten in der Gegend, schliefen in ihren Zelten, waren beim Essen, weil sie dank der Unerfahrenheit ihrer Führer nicht im entferntesten an eine Bedrohung dachten. Als bereits mit Geschrei und rauschendem Ruderschlag die Feinde herannahten, konnte Konon noch eben mit acht Schiffen davonfahren, entrann und rettete sich nach Kypros zu Euagoras. Uber die anderen Schiffe fielen die Peloponnesier her, erbeuteten die noch ganz unbemannten und bohrten diejenigen, die eben bemannt wurden, in den Grund. Die Menschen fielen bei den Schiffen, während sie noch waffenlos einzeln herbeigeeilt kamen, und auf dem Lande wurden sie fliehend von den ausgestiegenen Feinden niedergemacht. Dreitausend Mann nahm Lysander mitsamt den Feldherren gefangen und erbeutete die ganze Flottenmacht außer der Paralos1 und den mit Konon entflohenen Schiffen. Er nahm nun die Schiffe ins Schlepptau, plünderte das Lager und kehrte unter Flötenspiel und Siegesgesängen nach Lampsakos zurück, nachdem er mit geringster Mühe das größte Werk vollbracht und in einer ein-

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zigcn Stunde einen Krieg beendet hatte, der länger gedauert hatte und an Leiden und Glückszufallen, die er brachte, wechselvoller und überraschender gewesen war als alle vorangegangenen Kriege, tausenderlei Formen von Kämpfen und plötzliche Umschläge gebracht und so viele Feldherren verbraucht hatte wie alle Kriege von Hellas vor ihm zusammen nicht, jetzt aber durch die Klugheit und Tüchtigkeit eines Mannes beendet war. Daher hielten auch manche das Geschehnis für eine göttliche Fügung. 12. Es gab auch einige, die behaupteten, daß zu beiden Seiten des Schifies des Lysander, als es aus dem Hafen heraus gegegen die Feinde anfuhr, die Dioskuren als Sterne über den Steuerrudern aufgeleuchtet wären 1 . Andere sagen, auch der Fall des Steines sei ein Vorzeichen dieses Ereignisses gewesen. Denn es war nach dem Glauben der meisten ein ungeheurer Stein vom Himmel in den Ziegenfluß gefallen, und er wird noch jetzt gezeigt, und die Chersonesiten erweisen ihm Verehrung. Es heißt auch, Anaxagoras' habe vorausgesagt, von den am Himmel befestigten Körpern werde infolge einer eintretenden Schwankung oder Erschütterung einer sich losreißen und herabstürzen. Auch befinde sich von den Sternen nicht jeder an dem ihm wesensgemäßen Orte; denn sie seien steinartig und schwer und leuchteten vermöge des Gegenstoßes und Rückpralls des Äthers, und sie würden durch die ungeheure Gewalt des Umschwungs festgehalten und mitgerissen in derselben Weise, wie sie auch im Anfang, als das Kalte und Schwere sich vom Ganzen absonderte, abgehalten worden seien, hierher herabzustürzen. Es gibt aber noch eine einleuchtendere Lehre als diese. Einige haben nämlich gesagt, die Sternschnuppen seien nicht eine Strömung noch eine Ausstrahlung ätherischen Feuers, das in der Luft im Augenblick seiner Entzündung erlösche, auch nicht ein Sichentzünden und AufHammen von Luft, die sich infolge ihrer Masse in die

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höhere Kegion ergossen habe, sondern ein Sturz und Kall himmlischer Körper, die infolge so etwas wie eines Nachlassens der Spannung und einer Ablenkung ihrer Bewegung aus ihrer Bahn geschleudert wurden und nicht in den bewohnten Raum der Erde, sondern größtenteils außerhalb desselben in das große Meer fielen, weshalb sie auch unbemerkt blieben. Für Anaxagoras zeugt indes auch D a i m a c h o s d e r in seiner Schrift über die Frömmigkeit berichtet, vor dem Fallen des Steines sei fiinfundsiebzig Tage lang ununterbrochen am Himmel ein ungeheurer feuriger Körper wie eine Feuerwolke zu sehen gewesen, der sich nicht still verhielt, sondern vielfältig verschlungene und gebrochene Bewegungen vollführte, so daß zufolge der Erschütterung und heftigen Bewegung feurige Stücke sich losrissen und nach vielen Seiten hin fuhren und blitzten wie die Sternschnuppen. Nachdem er dann in jener Gegend herabgestürzt war und die Einwohner, sobald sie sich von ihrem Schrecken und Staunen erholt hatten, sich versammelten, war keine Wirkung und keine Spur eines so großen Feuers zu gewahren, sondern nur ein Stein lag da, groß zwar, der aber doch nur einen winzigen Bruchteil jenes feurigen Gebildes darstellte. Daß nun Daimachos nachsichtige Leser braucht, ist klar; wenn aber seine Erzählung wahr ist, dann widerlegt sie in entscheidender Weise die Leute, welche behaupten, ein durch Stürme und Unwetter von einem Berggipfel losgerissenes Felsstück sei, wie von einem Wirbelwind ergriffen und fortbewegt, erst dort, wo die um wirbelnde Kraft zuerst nachließ und dann aufhörte, losgelassen worden und herabgestürzt. Es müßte denn sein, daß die viele Tage sich zeigende Erscheinung tatsächlich Feuer wai und daß sein Erlöschen und Vergehen eine Veränderung in der Luft bewirkte, die heftige Winde und Strömungen hervorrief, durch welche dann das Herabstürzen des Steines verursacht wurde. Doch das wäre in einer andern Art Schrift genauer darzulegen.

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13. Nachdcm über die dreitausend gefangenen Athener vom Kriegsgericht das Todesurteil gefällt worden war, ließ Lysander ihren Feldherrn Philokles zu sich rufen und fragte ihn, welche Strafe er sich selbst zuerkenne, nachdcm er seinen Mitbürgern zu einem solchen Verfahren gegen Griechen geraten habe. Aber Philokles erwiderte, ohne sich durch sein Unglück niederbeugen zu lassen, er solle nicht Anklage erheben wegen Handlungen, für die es keinen Richter gebe, sondern als Sieger das tun, was er als Besiegter hätte erleiden müssen. Hieraufbadete er, legte einen prächtigen Mantel an und ging als erster seinen Mitbürgern zur Richtstätte voran. So erzählt Theophrast. Hiernach fuhr Lysander mit seiner Flotte von einer Stadt zur andern und befahl allen Athenern, die er antraf, nach Athen zu gehen; er werde keinen schonen, sondern jeden, den er außerhalb der Stadt in die Hand bekäme, hinrichten lassen. Dies tat er auch und trieb alle in der Stadt zusammen in der Absicht, daß in ihr schnell eine schwere Hungersnot und Mangel entstehen sollte, damit sie ihm nicht weiter zu schaffen machten, wenn sie mit reichlichen Vorräten der Belagerung trotzten. Er beseitigte sodann die Demokratien sowohl wie die anderen Verfassungsformen und ließ in jeder Stadt einen lakedaimonischen Harmosten 1 zurück sowie zehn leitende Beamte aus den von ihm in jeder Stadt geschaffenen politischen Klubs. Dies tat er gleichermaßen in den feindlichen wie in den schon bundesgenössischen Städten und fuhr gemächlich von Ort zu Ort, indem er so gewissermaßen für sich die führende Stellung in Griechenland errichtete. Denn nicht nach Adel oder Reichtum ernannte er die leitenden Männer, sondern je nach alten Beziehungen und Gastfreundschaften verschenkte er die Macht, machte die Ernannten zu Herren über Lohn und Strafe, wohnte selbst vielen Hinrichtungen bei, half seinen Freunden, ihre Feinde zu verjagen, und gab so den

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Griechen kein erfreuliches Vorspiel davon, was sie von der Herrschaft der Lakedaimonier zu erwarten hätten. So trifft denn auch das Wort des Komikers Theopompos 1 nicht ins Ziel, wenn er die Lakedaimonier mit Krämerinnen vergleicht, weil sie den Griechen erst den süßen Trank der Freiheit zu kosten gegeben und ihnen dann sauren Wein eingeschenkt hätten. Denn auch die Kostprobe war gleich übel und bitter, da Lysander nicht nur die Demokraten nicht an der Macht beließ, sondern auch unter den Aristokraten die Frechsten und Ehrgeizigsten aussuchte, um ihnen die Städte auszuliefern. 14. Nachdem er sich hiermit nicht sehr lange aufgehalten und nach Lakedaimon Boten vorausgesandt hatte, um zu melden, daß er mit zweihundert Schiffen angefahren komme, traf er in Attika mit den Königen Agis und Pausanias* zusammen in der Hoffnung, die Stadt in Kürze zu nehmen. Da aber die Athener noch widerstanden, so nahm er seine Flotte und setzte wieder nach Asien über. Dort beseitigte er in schlechthin allen Städten die bestehenden Verfassungen und richtete Zehnmännerherrschaften ein, wobei in jeder Stadt viele hingeschlachtet und viele verjagt wurden, und die Samier vertrieb er insgesamt und übergab ihre Städte den Verbannten. Sestos nahm er den Athenern, die es noch in Besitz hatten, weg und ließ die Sestier nicht länger dort wohnen, sondern übergab Stadt und Land den unter ihm gedienten Steuerleuten und Rudermeistern zur Besiedelung. Dies war die erste seiner Anordnungen, welche die Lakedaimonier nicht anerkannten, sondern sie ließen die Sestier wieder in ihr Land zurückkehren. Jene Tat Lysanders hingegen sahen alle Griechen mit Freuden, daß die Aigineten nach langer Zeit ihre Stadt zurückerhielten und daß die Melier und Skionaier von ihm wieder angesiedelt wurden', indem die Athener ausgetrieben wurden und die Städte wieder hergeben mußten. Als er nunmehr erfuhr, daß die Athener in der Stadt bereits

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schwer unter dem Hunger litten, fuhr er in den Piräus und brachte die Stadt zur Übergabe, die genötigt war, unter den von ihm vorgeschriebenen Bedingungen zu kapitulieren. Bei den lakedaimonischen Autoren kann man lesen, Lysander habe den Ephoren geschrieben: «Athen ist genommen»; aber die Ephoren hätten ihm zurückgeschrieben: «Es genügte: war genommen.» Aber das ist zum höheren Ruhme Spartas erfunden. Der tatsächliche Beschluß der Ephoren lautete folgendermaßen: «Folgendes hat die Regierung der Lakedaimonier beschlossen: Wenn ihr den Piräus und die Langen Mauern niederlegt, alle Städte räunit und nur euer Land behaltet, wenn ihr das tut, mögt ihr den Frieden haben, wenn ihr ihn wollt, und wenn ihr die Verbannten wieder aufnehmt. Bezüglich der Zahl der Schiffe tuet das, was dort für gut befunden wird.» Dieses Diktat nahmen die Athener an auf Antrag des Theramenes, Sohnes des Hagnon. Dabei soll er, als er von einem der jungen Volksführer, Kleomenes, gefragt wurde, ob er es wage, das Gegenteil von Themistokles zu tun und zu beantragen, indem er die Mauern den Lakedaimoniern ausliefere, die jener gegen den Willen der Lakedaimonier errichtet habe, die Antwort gegeben haben: «Ich tue keineswegs das Gegenteil von dem, was Themistokles tat, junger Mann. Denn er hat eben diese Mauern zum Heile der Bürger erbaut, und wir werden sie zu ihrem Heile niederlegen. Wenn die Mauern die Städte glücklich machten, dann müßte Sparta die unglücklichste von allen Städten sein, da es keine Mauern hat.» 1 j . Nachdem nun Lysander alle Schiffe außer zwölf und die Mauern der Athener in seine Hand bekommen hatte, am sechzehnten des Monats Munychion, an dem sie den Seesieg bei Salamis über den Barbaren davongetragen hatten, ging er alsbald daran, auch ihre Verfassung umzugestalten. Da sie sich dem nicht fügen wollten und sich heftig entrüsteten, schickte er eine Botschaft an das Volk und ließ ihnen erklären, er habe

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die Stadt vertragsbrüchig betroffen, denn die Mauern stünden noch, nachdem die Tage, innerhalb deren sie niedergelegt sein sollten, verstrichen seien. Er werde darum die Frage, wie mit ihnen zu verfahren sei, erneut zur Diskussion stellen, da sieden geschlossenen Vertrag gebrochen hätten. Einigesagen, daß tatsächlich in der Versammlung der Bundesgenossen die Frage der Versklavung der Bevölkerung erörtert worden sei, wobei der Thebaner Erianthes auch beantragt habe, die Stadt zu zerstören und das Land in eine Schafweide zu verwandeln. Als jedoch danach ein Zusammensein der führenden Männer beim Weine stattfand und ein gewisser Phokeus den Einzugschor aus der Elektra des Euripides vortrug: «O Tochter Agamemnons, Ich kam, Elektra, zu deiner bäurischen Hütte», da seien alle erschüttert gewesen, und es sei als ein Frevel erschienen, eine so ruhmreiche Stadt, die solche Männer hervorgebracht habe, zu zerstören und zu vernichten Lysander ließ nun, nachdem die Athener sich in alles gefügt hatten, viele Flötenspielerinncn aus der Stadt kommen und alle, die im Lager waren, zusammenholen und zum Klang der Flöten die Mauern schleifen und die Trieren verbrennen, während zugleich die Bundesgenossen, mit Kränzen geschmückt, ein Fest feierten, da dieser Tag, wie sie meinten, den Anfang der Freiheit bedeutete. Alsbald beseitigte er auch die alte Verfassung, indem er in der Stadt dreißig, im Piräus zehn leitende Beamte einsetzte, in die Akropolis eine Besatzung legte und den Spartaner Kallibios zum Harmosten ernannte. Als aber dieser gegen den Athleten Autolykos, zu dessen Ruhme Xenophon sein Gastmahl verfaßt hat 1 , den Stock hob und ihn schlagen wollte, der aber ihn bei den Beinen faßte und auf den Rükken legte, da stimmte Lysander nicht denen zu, die sich entrüsteten, sondern vielmehr denen, die den Kallibios tadelten,

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indem er sagte, er verstehe es nicht, über freie Männer zu herrschen. Doch töteten die Dreißig wenig später den Autolykos dem Kallibios zuliebe. 16. Nachdem er hiermit fertig war, fuhr Lysander selbst nach Thrakien und sandte die übrigen Geldmittel und was er selbst an Geschenken und Kränzen erhalten hatte - da natürlicherweise viele ihm als dem mächtigsten Manne und gewissermaßen Herrn von Griechenland Geschenke machten durch Gylippos, der in Sizilien kommandiert hatte 1 , nach Lakedaimon. Der trennte, so wird berichtet, die Nähte der Säcke unten auf, nahm aus jedem viel Geld heraus und nähte wieder zu, ohne zu wissen, daß in jedem ein Täfelchen lag, auf dem die Summe vermerkt war. Als er nach Sparta kam, verbarg er das Entwendete unter dem Dach seines Hauses, übergab die Säcke den Ephoren und zeigte ihnen die unverletzten Siegel. Als diese nun öffneten und nachzählten und die vorgefundenen Geldsummen nicht mit den Angaben auf den Täfelchen übereinstimmten, wußten die Ephoren nicht, was sie davon halten sollten. Da sagte ihnen ein Diener des Gylippos in verhüllter Form: « Un ter dem Dach nisten viele Eulen.» Denn der größte Teil des damals umlaufenden Geldes zeigte wegen der Athener die Eule als Münzbild \ 17. Nach einer so schimpflichen und niedrigen Handlung, begangen nach früheren großen und herrlichen Taten, entfernte sich Gylippos aus Lakedaimon. Die Einsichtigsten unter den Spartanern aber erfaßte nicht zum wenigsten wegen dieses Vorfalles Furcht vor der Macht des Geldes, die also offenbar nicht nur dem ersten besten Bürger gefährlich wurde. Sie tadelten Lysander scharf und beschworen die Ephoren, alles Silber und Gold als eine eingeschleppte Pest hinwegzubesorgen. Diese stellten die Sache zur Beratung, und Theopompos sagt, es sei Skiraphidas, E p h o r o s e s sei Phlogidas gewesen, der sich dafür aussprach, man solle überhaupt kein gol-

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denes und silbernes Geld ins Land lassen, sondern sich nur des hergebrachten bedienen. Dieses war von Elisen, und es wurde erstens, wenn es aus dem Feuer kam, in Essig abgekühlt, damit es sich nicht schmieden ließe, sondern durch dieses Kühlverfahren spröde und zu weiterer Verarbeitung untauglich würde, und sodann war es von hohem Gewicht, schwer zu befördern und hatte bei großer Menge und Volumen nur einen geringen Wert. Übrigens scheint dies in der Frühzeit allgemein der Brauch gewesen zu sein, da man eiserne, zum Teil auch eherne Stäbe als Münzen verwendete. Von daher hat sich bis heute der Brauch erhalten, gewisse Scheidemünzen Obolen zu nennen und sechs Obolen eine Drachme ( = Griff}; denn so viele konnte die Hand umgreifen. - Da aber die Freunde Lysanders dagegen arbeiteten und sich darum bemühten, daß das Geld in der Stadt bliebe, so beschloß man, daß für den staatlichen Gebrauch Geld dieser Art eingeführt werden dürfe; wenn aber jemand dabei betroffen würde, es privatim zu besitzen, so setzten sie dafür die Todesstrafe fest: als ob Lykurg das Geld als solches gefürchtet hätte, nicht die aus dem Gelde entspringende Habsucht, welche durch das Verbot des privaten Besitzes nicht so sehr beseitigt als vielmehr durch den öffentlichen Besitz eingepflanzt wurde, da der Gebrauch auch Schätzung und das Streben danach mit sich brachte. Denn es war nicht möglich, was man von Staatswegen geschätzt sah, privatim als nutzlos gering zu schätzen, und ein Ding, das für den Staat so hoch im Kurse stand und wert gehalten wurde, für die privaten Zwecke des einzelnen als wertlos anzusehen. Im Gegenteil, viel schneller greifen aus dem, was von Staats wegen getan wird, die Gepflogenheiten auf das Leben der einzelnen über, als die Verfehlungen und Gebrechen der einzelnen auf die Staaten einen verderblichen Einfluß üben. Denn es ist natürlich, daß eher die Teile von dem Ganzen, wenn es den Weg zum Schlechteren einschlägt, in Mit-

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lcidenschaft gezogen werden, und gegen die üble Einwirkung des Teiles aufs Ganze gibt es viele Möglichkeiten der Gegenwehr und der Hilfe vom Gesunden her. Aber die Spartaner setzten zwar vor die Häuser der Bürger die Furcht und das Gesetz als Wächter, damit kein Geld in sie hinein gelange; aber die Seelen bewahrten sie nicht unerschütterlich und unangreifbar durch es, da sie alle daraufbrachten, den Reichtum als etwas Herrliches und Großes zu bewundern. In dieser Hinsicht habe ich die Lakedaimonier schon in einer andern Schrift kritisiert'. 18. Aus der Beute ließ Lysandcr in Delphi eine eherne Statue von sich selbst und ebensolche von jedem der Admirale errichten, dazu goldene Sterne als Symbole der Dioskuren, die aber vor der Schlacht bei Leuktra verschwanden1. In dem Schatzhaus des Brasidas und der Akanthier befand sich eine aus Gold und Elfenbein hergestellte, zwei Ellen lange Triere, die ihm Kyros als Siegesgabe geschickt hatte. Anaxandrides von Delphi erzählt, es habe dort auch ein Depot Lysanders in Höhe von einem Talent Silber, zweiundfünfzig Minen und dazu elf Stateren gelegen1. Was er da schreibt, steht nicht im Einklang mit den sonst übereinstimmenden Berichten von der Armut des Mannes. Lysander besaß damals eine Macht wie noch kein Grieche vor ihm, aber sein Selbstbewußtsein und sein Stolz war, so schien es, noch größer als seine Macht. Er war der erste Grieche, so berichtet Duris *, dem die Städte wie einem Gott Altäre errichteten und Opfer darbrachten, und der erste, auf den Päane gesungen wurden. Der Anfang eines derselben hatte folgenden Wortlaut'. « Des heiligen Griechenlands Feldherrn aus dem weiträumigen Sparta laßt uns besingen, O Paian!»

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Die Samicr faßten den Beschluß, ihr Herafest in Lysanderfest umzutaufen 1 . Von Dichtern hatte er stets den Choirilos um sich, um von ihm seine Taten in Versen besingen zu lassen, und dem Antilochos, der einige mittelmäßige Verse auf ihn gemacht hatte, schenkte er in seiner Freude seine Mütze, gefüllt mit Silbergeld. Als Antimachos von Kolophon und ein gewisser Nikeratos von Herakleia mit Lobgedichten, Lysandreia betitelt, vor ihm miteinander konkurrierten, erteilte er Nikeratos den Preis. Das nahm sich Antimachos so zu Herzen, daß er seine Dichtung vernichtete. Aber Piaton, der damals noch jung war und Antimachos wegen seiner Kunst bewunderte, suchte den über seine Niederlage betrübten Dichter aufzurichten und zu trösten mit den Worten, für die Unverständigen sei der Unverstand ebenso ein Übel wie die Blindheit für die des Augenlichtes Beraubten*. Als aber dann Aristonus, der Sänger zur Kithara, der sechsmal bei den Pythien gesiegt hatte, dem Lysander, um ihm zu schmeicheln, das Versprechen gab, wenn er wieder siege, werde er ausrufen lassen: «Lysanders Aristonus», da fragte er: «Sein Sklave 1 ?» 19. Der Ehrgeiz Lysanders war für die Vornehmen und ihm im Range Gleichstehenden nur kränkend. Da aber durch die Schmeichler seinem Gemüt neben dem Ehrgeiz auch viel Überheblichkeit und Härte eingepflanzt wurde, so gab es bei ihm weder im Belohnen noch im Bestrafen ein vernünftiges Maß, sondern der Lohn der Freundschaft oder der Gastfreundschaft mit ihm waren Regentschaften in den Städten ohne Rechenschaftspflicht und unumschränkte Gewaltherrschaften, und für seinen Zorn gab es nur eine Befriedigung: die Vernichtung des Verhaßten; denn auch nicht in die Verbannung zu gehen war gestattet. Als er später befürchtete, daß die Führer der Demokraten in Milet flüchteten, und er diejenigen, die sich verborgen hatten, hervorlocken wollte, schwur er, er werde ihnen kein Leides tun. Als sie ihm glaubten und hervorkamen,

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überließ er sie den Oligarchen zum Abschlachten, insgesamt nicht weniger als achthundert 1 . Auch sonst wurden in den Städten die Demokraten in nicht zu zählender Menge hingemordet, da er nicht nur seine persönlichen Gegner tötete, sondern auch vielen Feindschaften und Bereicherungsgelüsten seiner Freunde allerorten in diesem Sinne willfährig war und ihnen noch dabei half. Daher fand der Lakedaimonier Eteokles Beifall, als er das Wort prägte, daß Griechenland zwei Männer wie Lysander nicht ertragen würde. Dasselbe soll nach dem Zeugnis des Theophrast Archestratos von Alkibiades gesagt haben 1 . Doch bei ihm war es Ubermut, Üppigkeit und Selbstherrlichkeit, was am meisten Anstoß erregte; die Herrschaft Lysanders aber machte die Härte seines Charakters furchtbar und drückend. Doch schenkten die Lakedaimonier den sonstigen gegen Lysander einlaufenden Beschwerden wenig Beachtung. Als aber Pharnabazos, den er gekränkt hatte, indem er sein Land verwüstete und ausplünderte, nach Sparta Ankläger schickte, gerieten die Ephoren in großen Zorn, ließen einen seiner Freunde und Mitfeldherren, Thorax, den sie im privaten Besitz von Geld antrafen, hinrichten und schickten ihm eine Skytale mit dem Befehl zurückzukehren. Mit dieser Skytale hat es folgende Bewandtnis. Wenn die Ephoren einen Befehlshaber zur See oder zu Lande aussenden, so lassen sie zwei Rundhölzer vollkommen gleich an Länge und Dicke herstellen, so daß sie mit den Schnittflächen genau aneinanderpassen. Das eine behalten sie, das andere geben sie dem, der ausgesandt wird. Ein solches Holz nennen sie Skytale. Wenn sie nun eine geheime, wichtige Mitteilung zu machen haben, so lassen sie einen langen, schmalen Papyrus- (oder Leder-) Streifen zurechtmachen wie einen Riemen und wickeln ihn um die bei ihnen befindliche Skytale, ohne einen Zwischenraum zu lassen, sondern so, daß die Oberfläche rundherum

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überall von dem Streifen bedeckt wird. Ist das geschehen, so schreiben sie, was sie mitteilen wollen, auf den Streifen, so wie er um die Skytale gewickelt ist. Haben sie es geschrieben, so nehmen sie den Streifen ab und schicken ihn ohne das Holz an den Feldherrn. Hat der ihn bekommen, so kann er zunächst nichts entziffern, weil die Buchstaben keinen Zusammenhang haben, sondern auseinandergerissen sind. Er nimmt also die bei ihm befindliche Skytale und wickelt den Briefstreifen um sie, so daß, wenn nun die Wickelung in die gleiche Lage kommt wie zuvor, das zweite an das erste schließt, das Auge im Kreise herumführt und es den Zusammenhang auffinden läßt. Der Brief wird mit demselben Worte wie das Holz Skytale genannt, so wie man auch sonst das Gemessene nach dem Messenden benennt1. 20. Als die Skytale zu Lysander nach dem Hellespont kam, war er höchst bestürzt, und da er insbesondere die Anklagen von Seiten des Pharnabazos fürchtete, so bemühte er sich um eine Zusammenkunft mit ihm, um ihren Streit beizulegen. Als er bei ihm war, bat er ihn, an die Regierenden in Sparta einen andern Brief über ihn zu schreiben, daß ihm kein Unrecht geschehen sei und er sich über nichts beklage. Er wußte aber nicht, daß da für sie beide das Sprichwort galt: «Ein Kreter betrügt den andern1.» Denn Pharnabazos versprach, alles zu tun, und schrieb vor Lysanders Augen einen Brief, so wie er sich ihn wünschte, hatte aber einen andern, insgeheim geschriebenen Brief bereitliegen, und beim Versiegeln vertauschte er die beiden äußerlich in nichts unterschiedenen Briefe und gab Lysander den heimlich geschriebenen. Als nun Lysander nach Lakedaimon gekommen war, ging er, wie es Sitte war, ins Rathaus und übergab den Ephorcn das Schreiben des Pharnabazos, überzeugt, daß damit die schwerste der gegen ihn erhobenen Anklagen beseitigt sei. Denn Pharnabazos genoß bei den Lakedaimoniern große Beliebtheit, weil er

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im Kriege von allen Feldherren des Königs ihnen am eifrigsten Hilfe geleistet hatte. Als aber nun die Ephoren den Brief gelesen, ihn Lysander gezeigt und er begriffen hatte, daß «Odysseus also nicht der einz'ge Schlaue sei 1 », da ging er zunächst höchst bestürzt davon. Ein paar Tage später erschien er wieder bei den Behörden und sagte, er müsse zum Tempel des Ammon reisen und dem Gott die Opfer darbringen, die er ihm vor den Kämpfen gelobt habe. Einige sagen nun, daß ihm tatsächlich, während er die Stadt der Aphytaier in Thrakien belagerte, Ammon im Traum erschienen sei*; daher habe er auch, wie er sagte, auf Befehl des Gottes die Belagerung aufgehoben, die Aphytaier aufgefordert, dem Gott zu opfern, und sich nun beeilt, nach Libyen zu reisen und den Gott zu versöhnen. Die meisten glaubten jedoch, daß er den Gott nur zum Vorwand nehme und in Wahrheit die Ephoren fürchte, das Joch in der Heimat nicht ertragen und sich nicht darein fügen könne, zu gehorchen, und daß er deshalb fortzugehen und herumzureisen wünschte wie ein Pferd, das von der freien Weide auf den Wiesen zur Krippe zurückgebracht und wieder zur gewohnten Arbeit angestellt werde. Was Ephoros als Grund dieser Reise angibt, werde ich weiter unten berichten. (21.) Nachdem er mit Not und Mühe seine Entlassung bei den Ephoren durchgesetzt hatte, trat er die Reise an. Nachdem er abgereist war, richteten die Könige, da sie erkannt hatten, daß er durch die politischen Klubs die Städte in seiner Hand hatte und eigentlich unbeschränkter Herr Griechenlands war, ihr Augenmerk darauf, die Demokraten wieder an die Macht zu bringen und Lysanders Freunde zu vertreiben. Als jedoch daraufhin wieder eine Beunruhigung entstand und zuerst die Athener von Phyle aus die Dreißig angriffen und besiegten 1 , kehrte Lysander schleunigst zurück

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und gewann die Lakedaimonier dafür, den Oligarchien beizustehen und die Demokraten zu züchtigen. So schickten sie zuerst den Dreißig hundert Talente zur Führung des Krieges und Lysander selbst als Feldherrn. Aber die Könige, voll Eifersucht und in der Furcht, daß er Athen wieder erobere, erwirkten den Beschluß, daß einer von ihnen ins Feld ziehen solle. So rückte Pausanias aus, angeblich zum Schutz der T y rannen gegen die Demokraten, in Wahrheit, um den Krieg beizulegen, damit Lysander nicht wieder durch seine Freunde zum Herrn Athens würde. Dies erreichte er auch ohne Mühe. Er versöhnte die Athener miteinander, machte dem Bürgerkrieg ein Ende und damit die ehrgeizigen Absichten Lysanders zunichte. Als freilich wenig später die Athener abermals abfielen, machte man ihm den Vorwurf, das durch die Oligarchie in Zaum gehaltene Volk wieder zu neuem Mutwillen und Übermut entfesselt zu haben, und Lysander verschaffte er den Ruhm eines Mannes, der nicht anderen zuliebe noch um zu prunken, sondern einzig und allein zum Nutzen Spartas das Kommando führe. 22. Auch in seinen Worten war er hochfahrend und von äußerster Schroffheit gegen jeden, der ihm widersprach. Den Argivern gegenüber, die um die Landesgrenzen mit ihm stritten und bessere Rechtsgründe als die Lakedaimonier vorbringen zu können meinten, wies er auf sein Schwert mit den Worten: «Wer dieses führt, spricht am besten über Landesgrenzen.» Als ein Mann aus Megara bei einer Versammlung sich ihm gegenüber ein freies Wort erlaubte, sagte er: «Deine Worte, Fremdling, müßten eine Stadt hinter sich haben.» Die schwankenden Boioter fragte er, ob er mit emporgerichteten oder mit gesenkten Speeren ihr Land durchziehen solle. Als er vor die Mauern der abgefallenen Korinther gerückt war und sah, daß die Lakedaimonier zum Angriff vorzugehen zögerten, und als man plötzlich einen Hasen durch den Graben

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springen sah, rief er: «Schämt ihr euch nicht, vor Feinden Angst zu haben, die so schlapp sind, daß die Hasen unter ihren Mauern schlafen?» Als König Agis unter Hinterlassung eines Bruders, Agesilaos, und eines angeblichen Sohnes, Leotychidas, starb, überredete Lysander den Agesilaos, dessen Liebhaber er gewesen war, als echter Heraklide Anspruch auf die Thronfolge zu erheben. Denn dem Leotychidas wurde nachgesagt, daß er in Wahrheit ein Sohn des Alkibiades sei, der heimlich mit Timaia, der Gattin des Agis, Umgang gehabt habe zu der Zeit, da er als Flüchtling in Sparta lebte. Auch hatte Agis, so sagt man, nach der Berechnung der Zeit sich überzeugt, daß sie nicht von ihm schwanger sei, sich nicht um Leotychidas gekümmert und ihn offenkundig während der ganzen verflossenen Zeit verleugnetAls er aber krank nach Heraia* gebracht wurde und im Sterben lag, ließ er sich teils durch die Bitten des Jünglings selbst, teils der Freunde erweichen, erkannte in Gegenwart vieler Personen den Leotychidas als seinen Sohn an und bat die Anwesenden, dies vor den Lakedaimoniern zu bezeugen. Hierauf starb er. Diese Männer legten nun also dieses Zeugnis für Leotychidas ab. Dem Agesilaos, der übrigens hochangesehen war und Lysander zum Mitstreiter hatte, tat Diopeithes starken Abbruch, ein Mann, der als Wahrsager einen großen Ruf hatte und folgenden Orakelspruch auf die Lahmheit des Agesilaos bezog: «Hüte dich wohl, o Sparta, so stolz und mächtig du dastehst, Daß dir Wohlgegliederter nicht ein lahmer König entsprösse. Lange dann wird dich unerwartetes Unheil ergreifen Und die rollende Woge des männermordenden Krieges.» Da dieses Orakel auf viele großen Eindruck machte und sie sich dem Leotychidas zuwandten, erklärte Lysander, Diopeithes deute das Orakel nicht richtig. Denn nicht, wenn ein

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Mann mit einem Beinschaden über die Lakedaimonier herrsche, nehme der Gott daran Anstoß, sondern lahm sei das Königtum, wenn Bastarde aus unedlem Blut Könige wären und nicht Herakliden. Mit solchen Erklärungen und kraft seines großen Ansehens setzte er sich durch, und Agesilaos wurde König1. 23. Sogleich spornte ihn jetzt Lysander an und ermunterte ihn, einen Feldzug nach Kleinasien zu unternehmen, machte ihm Hoffnung, er werde die Perser niederringen und zu höchster Macht gelangen, und schrieb an seine Freunde in Kleinasien, sie sollten von den Lakedaimoniern Agesilaos als Feldherrn für den gegen die Barbaren zu führenden Krieg anfordern. Sic taten das und schickten Gesandte mit dieser Bitte nach Lakedaimon. Das war ofFenbar ein nicht geringerer Gewinn als das Königtum, den Lysander dem Agesilaos zuschanzte. Aber die ehrgeizigen Naturen sind zwar sonst nicht ungeeignet für Befehlshaberposten, doch der Neid gegen Gleichgestellte um des Ruhmes willen ist für sie ein nicht geringes Hindernis, große Taten zu vollbringen; denn sie machen Leute, die sie als Helfer verwenden könnten, zu Bekämpfern ihrer Bestrebungen. So berief Agesilaos zwar den Lysander als einen seiner dreißig Berater, um sich seiner vor allen und als ersten seiner Freunde zu bedienen. Als sie aber nach Kleinasien gekommen waren und die Menschen sich an ihn, zu dem sie noch keine Beziehungen hatten, nur wenig und selten wendeten, Lysander aber infolge der früheren vielfachen Verbindungen teils als Freunde, um sich ihm gefällig zu zeigen, teils aus Furcht, weil sie ihm verdächtig waren, in seinem Quartier überliefen und ihm das Geleit gaben, da ging es, wie es im Theater etwa mit den Schauspielern zu gehen pflegt, daß einer, der nur den Part eines Boten oder Dieners hat, gefeiert wird und die erste Rolle spielt, während man auf den, der Diadem und Szepter trägt, kaum hört, wenn er etwas zu

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sagen hat: so fiel hier dem Ratgeber die ganze Ehre des Herrscheramtes zu, und dem König blieb nur der bloße Name seiner Würde. Jetzt wäre wohl ein gewisses Einschreiten gegen diesen maßlosen Ehrgeiz und eine Zurückweisung Lysanders auf den zweiten Platz vonnöten gewesen. Aber einen Wohltäter und Freund aus Eifersucht ganz abzuschütteln und zu verhöhnen, das war ein des Agesilaos unwürdiges Verfahren. Z u nächst gab er ihm keine Gelegenheit, sich auszuzeichnen, und übertrug ihm kein Kommando. Wo er sodann bemerkte, daß Lysander sich für jemand einsetzte und ihn zu fördern suchte, ließ er den Betreffenden gänzlich abfallen und behandelte ihn schlechter als selbst den ersten besten, womit er sein Ansehen allmählich untergrub und beseitigte. Als so Lysander in allem Mißerfolg hatte und erkannte, daß seine Bemühungen um seine Freunde ihnen vielmehr zum Schaden gereichten, stellte er selbst seine Bemühungen ein und bat sie, nicht mehr zu ihm zu kommen und ihm Ehre zu erweisen, sondern sich an den König zu wenden und an diejenigen, die im Augenblick besser in der Lage seien, ihren Anhängern zu nützen. Da sie das hörten, unterließen die meisten es zwar, ihn mit ihren Angelegenheiten zu behelligen, hörten aber nicht auf, ihm ihre Achtung zu bezeigen, sondern liefen ihm in den Wandelhallen und auf den Turnplätzen zu und reizten damit den Agesilaos noch mehr als zuvor zum Neid auf die Lysander erwiesene Ehre, so daß er schließlich den gewöhnlichen Spartanern militärische Kommandos und Verwaltungen von Städten anvertraute und Lysander zum Proviantmeister 1 ernannte. Dann sagte er höhnisch zu den Ioniern: «Jetzt mögen sie hingehen und meinen Proviantmeister hofieren!» Nunmehr hielt es Lysander für angebracht, mit ihm zu reden, und es gab zwischen ihnen eine kurze, echt lakonische Unterredung. « D u hast es gut verstanden, Agesilaos, Freunde zu erniedrigen.» Und der: «Ja, wenn sie mehr sein wollen als ich. Wer aber meine Macht fordert,

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der darf gerech termaüen auch daran teilhaben.» - «Vielleicht, Agesilaos, hast du da richtiger gesprochen, als ich gehandelt. Doch bitte ich dich, auch wegen der Außenstehenden, die auf uns blicken, gib mir einen Posten innerhalb deines Befehlsbereiches, wo du glaubst, daß ich dir am wenigsten lästig und vielmehr von Nutzen sein werde.» 24. Hierauf wurde er als Abgesandter nach dem Hellespont geschickt. Er hatte zwar noch einen Zorn auf Agesilaos, versäumte es aber nicht, das Erforderliche zu tun, sondern veranlaßte einen mit Phamabazos in Streit geratenen Perser, Spithridates, einen vornehmen Mann, der auch ein eigenes Heer hatte, von Phamabazos abzufallen, und führte ihn Agesilaos zu. Sonst aber wurde er für keine militärische Aufgabe verwendet, sondern als die Zeit abgelaufen war, fuhr er ohne jede Auszeichnung nach Sparta zurück, voll Zorn gegen Agesilaos und mehr noch als früher von Haß gegen die ganze Staatsform erfüllt und entschlossen, die schon früher geplanten und vorbereiteten Maßnahmen zu einer Umwälzung und Neugestaltung nunmehr ins Werk zu setzen und nicht länger zu zögern. Es handelte sich dabei um folgendes. Von den vereint mit den Doriem nach der Peloponnes zurückgekehrten Herakliden blühte in Sparta eine zahlreiche und angesehene Nachkommenschaft 1 . Aber nicht jeder von ihnen hatte teil an der Thronfolge, sondern Könige wurden nur die Angehörigen zweier Häuser, Eurypontiden und Agiaden genannt; den anderen stand kein besonderes Vorrecht wegen ihrer hohen Geburt im Staate zu, sondern die Ehrenstellen auf Grund von Verdiensten standen allen Befähigten offen. Zu diesen minderberechtigten Herakliden gehörte Lysander. Als er nun durch seine Taten zu hohem Ruhm emporgestiegen war und viele Freunde und große Macht gewonnen hatte, -war es ihm ein schweres Ärgernis, zu sehen, daß der Staat zwar von ihm groß gemacht, aber von anderen regiert würde, die von keineswegs

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höherer Abkunft waren als er, und er faßte den Plan, die Königswürde den beiden Häusern zu nehmen und allen Herakliden insgemein zugänglich zu machen, oder wie einige sagen, nicht nur den Herakliden, sondern allen Spartanern, damit die Ehre nicht den von Herakles Entstammten, sondern den wie Herakles Gearteten zuteil würde, wenn sie nach der Leistung erkoren würden, die auch jenen zur Ehre der Götter emporgehoben habe. Er hoffte nun, daß, wenn die Königswürde nach diesem Grundsatz vergeben würde, kein Spartaner ihm vorgezogen werden würde. 25. Zuerst ging er daran und traf Vorkehrungen, um von sich aus die Bürger zu überzeugen. Er studierte sich eine Rede ein, die er für diesen Zweck von Kleon von Halikamaß 1 hatte schreiben lassen. Als er sich dann klarmachte, daß die Ungewöhnlichkeit und Bedeutung der geplanten Neuerung noch wirksamerer Hilfsmittel bedurfte, wollte er - wie im Theater - Maschinen gegen die Bürger in Anwendung bringen und ließ pythische und sonstige Weissagungen verfassen in dem Glauben, daß er keinen Nutzen von der Überzeugungskraft des Kleon haben werde, wenn er nicht vorher durch Götterfurcht und Dämonenangst die Bürger erschreckte und einschüchterte und sie so fiir seine Darlegungen gefügig machte. Ephoros berichtet nun, er sei, nach einem vergeblichen Versuch, mit Hilfe des Pherekles die Pythia zu bestechen und die Priesterinnen von Dodona für sich zu gewinnen, zum Heiligtum des Ammon 2 gereist und habe mit den Propheten verhandelt und ihnen viel Geld geboten, aber die hätten das übel aufgenommen und Leute nach Sparta geschickt, um Lysander zu verklagen, und als er doch freigesprochen wurde, hätten die Libyer im Weggehen gesagt: «Aber wir werden besser richten, ihr Spartaner, wenn ihr zu uns nach Libyen kommt, um dort zu wohnen.» Es bestehe nämlich ein altes Orakel, wonach Lakedaimonier in Libyen siedeln würden.

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nicht von gewöhnlicher A r t und von ungefähr in A n g r i f f genommen w a r , sondern w i e bei einem mathematischen Problem v o r w e g viele gewichtige Vorbereitungen traf und mittels schwieriger, nicht leicht durchzuführender Hilfskonstruktionen auf die Lösung zusteuerte, wollen wir nun, fußend auf dem Bericht eines Historikers von gründlicher B i l d u n g a u s einandersetzen. 26. Es lebte ein W e i b in Pontos, das von Apollon schwanger zu sein behauptete, was viele, w i e es natürlich w a r , bezweifelten, viele aber auch glaubten, so daß, als sie ein Knäblein gebar, viele angesehene Leute sich um seine A u f z u c h t und Versorgung bemühten. A u s irgendeinem Grunde w u r d e d e m Knaben der N a m e Seilenos gegeben. Dies nahm Lysander z u m A u s g a n g s p u n k t und erfand von sich aus das Weitere hinzu und w e b t e es mit hinein, wobei er sich nicht weniger und nicht ungeschickter Mithelfer bei der Verbreitung des Schwindels bediente, welche der Fabel von der Herkunft des Kindes u n v e r d ä c h t i g Glauben verschafften und ergänzend eine weitere Geschichte aus Delphi holten, nach Sparta brachten und ausstreuten: es würden dort in geheimen Urkunden von den Priestern gewisse uralte Wahrsprüche gehütet, und es sei nicht gestattet, sie z u heben und z u lesen, es sei denn, es käme einmal nach langer Z e i t ein Sohn Apollons, legte den Hütern überzeugende Beweise seiner A b k u n f t vor und dürfe dann die Tafeln, auf denen die Wahrsprüche stünden, in E m p f a n g nehmen. N a c h d e m diese Vorbereitungen getroffen waren, sollte Seilenos kommen und als Sohn Apollons die Wahrsprüche verlangen, die mit ins Spiel genommenen Prister sollten alles, was seine H e r k u n f t betraf, genau prüfen und klarstellen und endlich, nachdem sie sich überzeugt hätten, ihm als Sohne A p o l lons die Schriften herausgeben, und er sollte in G e g e n w a r t vieler Personen außer anderen Orakeln auch dasjenige verlc-

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sen, um dessentwillen das Ganze erfunden worden war, das über das Königtum: daß es besser und zuträglicher flir die Spartaner sei, wenn sie die Könige aus der Zahl der tüchtigsten Bürger wählten. Als nun Seilenos bereits ins Jünglingsalter eingetreten war und erschien, um ans Werk zu gehen, da fiel Lysander doch mit seinem Drama durch infolge des Versagens eines der Mitspieler und Helfer, der, als es an die Ausfuhrung gehen sollte, Angst bekam und zurücktrat. Indes wurde bei Lebzeiten Lysanders nichts entdeckt, sondern erst nach seinem Tode. 27. Er fand den Tod, bevor Agesilaos aus Kleinasien zurückkehrte, dadurch, daß er in den Boiotischen Krieg hineingeriet, oder vielmehr, daß er Griechenland hineinstürzte. Denn beides wird behauptet, und die einen geben ihm die Schuld, die anderen den Thebanern, noch andere beiden. Den Thebanern warf man die Schändung der Opfer in Aulis v o r u n d daß sie auf Betreiben des Androkleides und Amphitheos, die mit persischem Gelde dazu bestochen worden wären, die Lakedaimonier in einen innergriechischen Krieg zu verwickeln, die Phoker angegriffen und ihr Land verwüstet hätten. Lysander, sagt man, habe einen Zorn gehabt, weil die Thebaner als einzige, während die anderen Bundesgenossen stillschwiegen, Anspruch auf den Zehnten der Kriegsbeute 1 erhoben und sich über Gelder entrüstet hatten, die Lysander nach Sparta sandte; vor allem aber weil sie den Athenern die erste Möglichkeit zur Befreiung von den dreißig Tyrannen verschafft hatten, die Lysander eingesetzt hatte. Die Lakedaimonier hatten dann, um deren Macht und die Furcht vor ihnen zu erhöhen, den Beschluß gefaßt, daß alle Flüchtigen aus Athen von überallher zurückgebracht und daß alle, die sich ihrer Abfuhrung widersetzten, als Feinde angesehen werden sollten. Darauf hatten die Thebaner Gegenbeschlüsse gefaßt, die im Geiste der Taten des Herakles und des Dionysos und ihrer würdig waren 1 :

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daß jedes Haus und jede Stadt in Boiotien den hilfsbedürftigen Athenern offenstehen, daß, wer einem Flüchtling, der verhaftet werden sollte, nicht Beistand leiste, eine Strafe von einem Talent zahlen, und daß, wenn jemand durch Boiotien nach Athen Waffen gegen die Tyrannen beförderte, kein Thebaner etwas davon sehen noch hören sollte. Und sie hatten nicht nur solche echt griechischen und menschenfreundlichen Beschlüsse gefaßt, aber keine den Buchstaben entsprechenden Taten folgen lassen, sondern Thrasybulos und seine Gefährten, die Phyle 1 besetzten, waren von Theben ausgegangen, und die Thebaner hatten ihnen Waffen und Geldmittel und die M ö g lichkeit verschafft, daß die Vorbereitungen des Unternehmens verborgen blieben. Dies waren also die Vorwürfe, die Lysander gegen die Thebaner zu erheben hatte. 28. Da er infolge seiner mit dem Alter zunehmenden Verdüsterung außerordentlich heftig in seinem Zorn war, reizte er die Ephoren auf und überredete sie, einen Feldzug gegen die Thebaner anzusagen, übernahm das Kommando und rückte aus. Später entsandten sie auch den König Pausanias an der Spitze eines Heeres. Aber Pausanias sollte im Bogen über den Kithairon marschieren und so in Boiotien einfallen, während Lysander ihm mit einem starken Aufgebot durch Phokis entgegenzog. Er nahm die Stadt Orchomenos durch freiwillige Unterwerfung, und Lebadeia eroberte er und plünderte es aus. Dann schickte er an Pausanias eine Botschaft mit der Aufforderung, sich von Plataiai aus bei Haliartos mit ihm zu vereinigen 2 ; er werde selbst bei Tagesanbruch vor den Mauern der Haliartier stehen. Aber dieses Schreiben wurde den Thebanern überbracht, da sein Träger einigen Kundschaftern in die Hände fiel. Die Thebaner, zu denen ein athenisches Hilfskorps gestoßen war, vertrauten diesem ihre Stadt an, rückten selbst bei Beginn der Nacht aus, langten kurz vor Lysander bei Haliartos an und zogen mit einem Teil in die Stadt ein. Lysander

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entschloß sich zuerst, sein Heer auf einem Hügel lagern zu lassen und auf Pausanias zu warten. Als aber dann der T a g vorrückte, vermochte er nicht länger untätig zu bleiben, ließ seine Lakedaimonier und die Bundesgenossen in Waffen antreten und stieß in Kolonnenformation längs der Straße gegen die Mauern vor. Nun aber gingen die draußen gebliebenen Thebaner, die Stadt zur Linken nehmend, zum Angriff gegen die Feinde vor unterhalb der Quelle, die den Namen Kissussa trägt und in welcher der Sage nach die Ammen den neugeborenen Dionysos gebadet haben sollen. Denn das Wasser hat einen weinfarbigen Glanz, ist spiegelklar und sehr angenehm zu trinken. Nicht weit davon wachsen rings die kretischen S t o r a x b ä u m e w a s die Haliartier als Zeugnis dafür nehmen, daß dort Rhadamanthys gewohnt habe, und sie zeigen auch sein Grab und nennen es das des Aleos. Auch das Grabdenkmal der Alkmene ist in der Nähe, denn sie wurde, wie es heißt, dort beigesetzt, nachdem sie - nach dem Tode des Amphitryon - Gattin des Rhadamanthys geworden war. Die in die Stadt eingedrungenen Thebaner, die sich mit den Haliartiern zusammengeschlossen hatten, verhielten sich eine Zeitlang ruhig. Als sie aber Lysander an der Spitze der Kolonne auf die Mauer zukommen sahen, öffneten sie plötzlich die Tore, fielen über ihn her und töteten ihn mit seinem Seher, dazu einige wenige der übrigen; denn die meisten flohen schnell auf die Hauptmacht zurück. Als aber die Thebaner nicht nachließen, sondern weiter angriffen, wandten sich alle und flohen die Hügel hinauf, und tausend von ihnen fielen, Aber auch von den Thebanern kamen dreihundert zu Tode, welche den Feinden in das steile und steinige Gelände nachsetzten. Es waren diejenigen, welche in dem Verdacht lakonenfreundlicher Gesinnung standen. In dem Bestreben, sich vor den Bürgern von diesem Verdacht zu reinigen, schonten sie sich nicht und kamen so bei der Verfolgung ums Leben.

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29. Dem Pausanias wurde die Nachricht von dem Unglück überbracht, während er auf dem Marsch von Plataiai nach Thcspiai war 1 . Er rückte sogleich in Schlachtordnung vor Haliartos. Dorthin kam auch Thrasybulos von Theben her an der Spitze der Athener. Als jetzt Pausanias erwog, um einen Waffenstillstand zur Bergung der Gefallenen nachzusuchen, empörten sich die älteren Spartaner, machten untereinander ihrer Entrüstung Luft, gingen auch zum König und beteuerten, man dürfe Lysanders Leichnam nicht auf dem Wege der Verhandlung zurückbekommen, sondern mit den Waffen müsse man um ihn kämpfen, siegen und ihn so bestatten; würden sie aber geschlagen, so werde es ehrenvoll für sie sein, hier an der Seite des Feldherren zu liegen. So sprachen die Älteren. Aber Pausanias sah, daß es ein schwieriges Unternehmen war, die eben siegreichen Thebaner im offenen Kampf zu überwinden, und daß der Leichnam Lysanders dicht an den Mauern lag, so daß, auch wenn man siegte, seine Bergung ohne Vertrag schwierig sein würde. Er sandte daher einen Herold, schloß den Waffenstillstand und trat mit seinem Heere den Rückzug an. Den Lysander aber trugen sie mit, und wo sie zuerst jenseits der Grenzen Boiotiens in befreundetes und verbündetes Land kamen, das der Panopeer, setzten sie ihn bei, wo jetzt sein Grabmal steht an dem Wege, der von Delphi nach Chaironeia führt 1 . Als das Heer sich dort gelagert hatte, da soll einer der Phoker, während er einem andern, der nicht dabei gewesen war, von dem Kampf erzählte, gesagt haben, die Feinde seien über sie hergefallen, als Lysander gerade den Hoplites überschritten hatte. Erstaunt habe da ein Spartaner, ein Freund Lysanders, gefragt, von was fiir einem Hoplites er spreche; er kenne den Namen nicht; und der Phoker habe erwidert: «Ebenda haben ja die Feinde die Vordersten von uns niedergemacht; der Bach bei der Stadt heißt doch Hoplites.» Als der Spartaner

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das hörte, sei er in Tränen ausgebrochen und habe gesagt, so könne also doch der Mensch seinem Schicksal nicht entrinnen. Dem Lysander war nämlich, so heißt es, das folgende Orakel gegeben worden: «Den Hoplites zu meiden, den rauschenden, will ich dich mahnen Und die Tochter der Erde, die listig nachschleichende Schlange.» Einige sagen freilich, der Hoplites fließe nicht bei Haliartos, sondern sei ein Gießbach bei Koroneia', der nahe der Stadt in den Phalaros münde; er habe früher Hoplias geheißen, jetzt heiße er Isomantos. Der Mann, der Lysander tötete, ein Haliartier mit Namen Neochoros, führte als Schildzeichen eine Schlange; darauf, so erklärte man nun, habe das Orakel hingedeutet. Weiter heißt es, es sei auch den Thebanern zur Zeit des Peloponnesischen Krieges im Heiligtum des Apollon Ismenios ein Orakelspruch gegeben worden, der zugleich die Schlacht bei Delion und diese bei Haliartos, die dreißig Jahre später stattfand, vorausverkündete *. Er lautete folgendermaßen: «Scheue das Grenzland, wenn du die Wölfe mit Spießen belauerst, Und den Orchalideshügel, den nie die Füchse verlassen.» Die Gegend von Delion hat er da als Grenzland bezeichnet, wo Boiotien an Attika grenzt, und als Orchalides den Hügel, der jetzt Alopekos (Fuchsberg) heißt und im Gebiet von Haliartos gegen den Helikon hin gelegen ist. 30. Als Lysander ein solches Ende genommen hatte, herrschte in der ersten Zeit in Sparta solche Betrübnis, daß gegen den König eine Anklage, die auf die Todesstrafe zielte, angestrengt wurde. Ihr stellte sich Pausanias nicht, sondern

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floh nach Tegea und verbrachte dort den Rest seines Lebens als Schutzflehender im Heiligtum der Athena'. Denn es kam jetzt nach seinem Tode auch die Armut Lysanders ans Licht und ließ seine Tugend um so heller erstrahlen, als er, der über so bedeutende Geldmittel und so große Macht verfugt hatte, um dessen Gunst sich so viele Städte und der Perserkönig selbst beworben hatten, auch nicht einen Pfennig zur Verschönerung seines Hauses aufgewendet hatte. So berichtet Theopomp, dem man mehr Glauben schenken darf, wenn er lobt, als wenn er tadelt. Denn er tadelt lieber, als er lobt. Einige Zeit später jedoch, so erzählt Ephoros, als in Sparta eine Streitigkeit mit den Bundesgenossen ausgetragen werden sollte und es sich als notwendig erwies, die Akten zu prüfen, die Lysander bei sich behalten hatte, kam Agesilaos in das Haus und fand die Schrift, in der die Rede über die Neugestaltung des Staates aufgezeichnet war, daß die Königswürde den Eurypontiden und den Agiaden genommen und allen zugänglich gemacht werden und daß die Wahl nach der Tüchtigkeit erfolgen solle. Agesilaos wollte diese Rede den Bürgern bekanntmachen, um zu zeigen, was für ein schlechter Bürger Lysander in aller Stille gewesen sei. Lakratidas aber, ein kluger Mann und damals Vorsitzender der Ephoren, habe Agesilaos getadelt und gesagt, man solle Lysander nicht ausgraben, sondern lieber die Rede mit ihm begraben, die so überzeugend und verführerisch abgefaßt sei*. Außer den anderen Ehren, die man Lysander nach seinem Tode erwies, zog man auch die Männer, die sich um seine Töchter beworben, aber nach seinem Tode, als seine Armut zutage kam, das Verlöbnis gelöst hatten, zur Strafe, weil sie sich, solange sie ihn für reich hielten, um ihn bemüht, als aber seine Gerechtigkeit und Uneigennützigkeit sich durch seine Armut erwies, von ihm zurückgezogen hatten. Es gab nämlich, so wird berichtet, in Sparta ein Gerichtsverfahren wegen

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Ehelosigkeit, wegen späten und wegen unwürdigen Heiratens. Mit dem letzteren Verfahren belangte man vor allem diejenigen, welche statt der Verschwägerung mit tüchtigen und der eigenen Sippe angehörigen eine solche mit reichen Männern suchten. Dies ist es, was ich über Lysander habe ermitteln können.

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i. Lucius Cornelius Sulla entstammte einem patrizischen, das heißt soviel wie einem altadligen Geschlecht. Einer seiner Vorfahren, Rufinus, so wird berichtet, war Konsul g e w e s e n a b e r größer und auffallender als diese Ehre war die ihm dann widerfahrene Entehrung. Er wurde nämlich im Besitz von mehr als zehn Pfund 1 künstlerisch verarbeiteten Silbers befunden, was das Gesetz nicht gestattete; daher wurde er aus dem Senat gestoßen. Seine Nachkommen lebten danach in Niedrigkeit, und Sulla selbst wuchs in bescheidenen Verhältnissen auf. Herangewachsen, wohnte er bei anderen Leuten gegen Zahlung eines bescheidenen Mietzinses, wie ihm später vorgehalten wurde in dem Sinne, daß er auf unfeine Weise zu Wohlstand gekommen sei. Als er nämlich nach dem Feldzuge in Afrika üppig auftrat und große Worte führte, da soll einer der angesehensten Männer zu ihm gesagt haben: «Wie solltest du wohl ein rechtschaffener Mann sein, wo du, obwohl dir dein Vater nichts hinterlassen hat, ein so großes Vermögen besitzest!» Denn obschon der Lebensstil der Römer nicht mehr die alte Strenge und Reinheit bewahrt hatte, sondern abgesunken war und sich zu Üppigkeit und Luxus gewendet hatte, so verurteilte man es doch in gleicher Weise, wenn jemand ein ererbtes Vermögen vergeudete, wie wenn einer nicht in ererbten bescheidenen Verhältnissen weiterlebte. Später, als er schon allmächtig war und viele zum Tode führen ließ, hielt ein Freigelassener, dem man vorwarf, daß er einen Geächteten verborgen habe, und der daher vom Tarpejischen Felsen herabgestürzt werden sollte, dem Sulla vor, daß sie lange Zeit in einem Mietshaus zusammengewohnt hätten und er selbst für

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das obere G e s c h o ß zweitausend, Sulla für das untere dreitausend Sesterzen bezahlt habe, so daß der Unterschied ihrer G l ü c k s umstände nur tausend Sesterzen betragen habe (was z w e i h u n dertfünfzig attischen Drachmen e n t s p r i c h t ' ) . So lauten die Berichte über die Verhältnisse, in denen Sulla anfänglich g e l e b t hat. 2. W a s sein Äußeres angeht, so kann man das im übrigen ja an seinen Statuen sehen. Doch den außerordentlichen scharfen und stechenden Blick seiner blaugrauen A u g e n ließ die Farbe seines Gesichts noch schrecklicher erscheinen. Denn es war gerötet durch einen Ausschlag, der d i e sonstige W e i ß e rauh und fleckig unterbrach. Daher, von der Gesichtsfarbe, soll er auch den Beinamen Sulla bekommen h a b e n ' , und ein W i t z bold in A t h e n hat folgenden Spottvers auf ihn g e m a c h t : « Einer Maulbeere gleicht Sulla, die man hat mit M e h l bestreut.» Z e u g n i s s e von dieser A r t anzubringen, ist nicht unstatthaft, w o es sich um einen M a n n handelt, der so spottlustig veranlagt gewesen sein soll, daß er, als er noch j u n g und ohne Ansehen war, stets in Gesellschaft von Schauspielern und Possenreißern war und ihr zügelloses Leben teilte, u n d als er Herr über alles geworden war, die frechsten Burschen von Bühne und T h e a t e r um sich sammelte und mit ihnen zechte und herum witzelte, so daß er ein für sein hohes A l t e r höchst unschickliches Leben führte und, abgesehen davon, daß er der Würde seines A m t e s Schande machte, viele dringende Geschäfte vernachlässigte. Denn wenn Sulla bei der T a f e l war, durfte man ihm mit nichts Ernsthaftem k o m m e n , sondern er, der z u anderer Z e i t e m s i g tätig, dabei düster und mürrisch war, war w i e umgewandelt, sowie er sich in Gesellschaft und z u m T r u n k begeben hatte, so daß er Kabarettsängern und Tänzern gegenüber weiches Wachs w a r und jeder Bitte ein williges O h r lieh. Eine üble W i r k u n g dieses Sichgehenlassens

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war auch seine Neigung zu Liebschaften und Genüssen jeder Art, die auch im Alter nicht nachließ. Dabei hatte er auf folgende Weise Glück. Er verliebte sich in eine reiche Kurtisane namens Nikopolis, wurde aber durch den Reiz seines Umgangs und seiner Jugend aus dem Liebhaber zum Geliebten und daher von der Frau, als sie starb, zum Erben eingesetzt. Ebenso beerbte er seine Stiefmutter, die ihn wie einen eigenen Sohn liebte, und gelangte so zu leidlichem Wohlstand. 2. Nachdem er zum Quaestor gewählt worden war, fuhr er mit Marius, der damals sein erstes Konsulat bekleidete, nach Afrika zum Kriege gegen Jugurtha 1 . Ins Lager gekommen, zeichnete er sich auf manche andere Weise aus und machte sich durch kluge Benützung einer sich bietenden Gelegenheit den Numiderkönig Bocchus zum Freunde. Er gewährte nämlich Abgesandten des Königs, die vor einer numidischen Räuberbande geflüchtet waren, Aufnahme, erwies ihnen alle Freundlichkeiten und schicktc sie mit Geschenken und sicherem Geleit zurück. Bocchus haßte schon lange seinen Schwiegersohn Jugurtha und fürchtete ihn, und als er jetzt besiegt zu ihm geflüchtet war, suchte er ihn zu verderben und rief Sulla, weil er am liebsten durch ihn die Festnahme und Auslieferung Jugurthas vollzogen sehen wollte. Sulla machte dem Marius davon Mitteilung und begab sich, begleitet von wenigen Soldaten, in die schwerste Gefahr, da er einem gegen seine nächsten Angehörigen treulosen Barbaren Vertrauen schenkte und sich, um einen andern zu bekommen, selbst in seine Hände gab. Bocchus, der so beide in seine Gewalt bekommen und sich selbst in die Zwangslage versetzt hatte, gegen einen von ihnen vertragsbrüchig zu werden, schwankte lange, wie er sich entscheiden sollte, vollzog aber schließlich den zuerst geplanten Verrat und übergab dem Sulla den Jugurtha. Der über diesen triumphierte, war nun zwar Marius, aber der Ruhm dieses Erfolges, den der Neid gegen Marius

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dem Sulla zuschob, kränkte den Marius im stillen. D e n n auch Sulla selbst, der v o n N a t u r z u m Prahlen neigte und j e t z t z u m ersten Male, nach einem Leben in Niedrigkeit und Dunkelheit, z u einigem Ansehen unter den Bürgern gelangt w a r und die Süßigkeit des R u h m e s zu kosten bekommen hatte, g i n g so weit in seiner Eitelkeit, daß er den V o r g a n g in einen Siegelring eingravieren ließ und diesen stets trug und z u m Siegeln benützte. Dargestellt war Bocchus, w i e er Jugurtha ü b e r g a b , und Sulla, w i e er ihn in Empfang nahm. 4. Dies kränkte nun z w a r den Marius. Da er aber den Sulla noch für z u gering ansah, um auf ihn eifersüchtig z u sein, so verwendete er ihn bei seinen Feldzügen während seines zweiten Konsulats als Legaten, während des dritten als Kriegstribunen, und errang durch ihn viele Erfolge. D e n n als Legat nahm er Copillus, den H ä u p t l i n g der T e c t o s a g e n , gefangen, und als Kriegstribun gewann er den großen und volkreichen S t a m m der Marser ( ? ) dafür, Freund und Bundesgenosse der R ö m e r z u w e r d e n ' . Als er aber hierauf bemerkte, daß Marius gegen ihn verärgert war und ihm nicht

mehr

gern G e l e g e n h e i t g a b , sich auszuzeichnen, schloß er sich Catulus, dem Amtsgenossen des Marius*, an, einem rechtschaffenen M a n n e , aber minder tatkräftig in der Kriegführung. Von ihm w u r d e er mit den ersten und wichtigsten A u f g a b e n betraut und stieg so z u M a c h t und Ansehen auf. In glücklichen Kämpfen u n t e r w a r f er einen großen T e i l der Barbaren in den Alpen, und als die V e r p f l e g u n g schwierig wurde, übernahm er die Sorge dafür und schaffte so große Vorräte herbei, d a ß die Soldaten des C a t u l u s im Überfluß lebten und er auch denen des Marius abgeben konnte. Damit, so sagt er s e l b s t h a b e er den Marius schwer gekränkt. Einen so unbedeutenden und kindischen ersten A n l a ß und A u s g a n g s p u n k t

hatte diese

Feindschaft, die dann, durch Bürgerblut und heillose Parteikämpfe schreitend, z u Gewaltherrschaft und z u m Z u s a m m e n -

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bruch des Staates führte und damit erwies, ein wie kluger Mann und richtiger Beurteiler der Gebrechen eines Staates Euripides gewesen ist, wenn er riet, sich vor dem Ehrgeiz zu hüten als dem verderblichsten und bösesten Dämon derer, die sich ihm verschrieben 5. In der Meinung, daß der gewonnene Kriegsruhm ihm nun die Anwartschaft auf Staatsämter gebe, widmete sich Sulla sogleich nach seiner Rückkehr aus dem Felde der inneren Politik und bewarb sich um die städtische Praetur 1 , täuschte sich aber in seinen Hoffnungen. Die Schuld daran schiebt er der Masse zu; er sagt, da sie von seiner Freundschaft mit Bocchus gewußt und erwartet hätten, er würde, wenn er vor der Praetur Aedil würde, glänzende Spiele und Tierhetzen tfiit wilden Tieren aus Afrika g e b e n s o hätten sie andere Bewerber zu Praetoren gewählt, um ihn zu zwingen, Aedil zu werden. Die Tatsachen scheinen aber zu beweisen, daß da Sulla den wahren Grund seines Durchfalls bei der Wahl nicht eingesteht. Denn im folgenden Jahre erlangte er die Praetur, nachdem er das Volk teils durch Schmeichelei, teils durch Geld für sich gewonnen hatte. Als er daher die Praetur führte und im Zorn zu Caesar 4 sagte, er würde seine Amtsgewalt gegen ihn brauchen, sagte Caesar lachend: « Mit Recht sprichst du von demer Amtsgewalt; du hast sie ja gekauft.» Nach der Praetur wurde Sulla nach Kappadokien geschickt. Offiziell wurde als Zweck des Feldzuges bezeichnet, daß er Ariobarzanes wieder einsetzen solle; die wahre Ursache war, Mithridates Einhalt zu gebieten, der in rastloser Tätigkeit dabei war, ein Reich und eine Macht, größer als die er schon besaß, zu erwerben 5 . Eigene Streitkräfte brachte Sulla nicht viele mit, fand aber die Bundesgenossen willig und kampfbereit und brachte den Kappadokiern selbst schwere blutige Verluste bei und noch schwerere den zu Hilfe eilenden Armeniern, vertrieb Gordios und machte Ariobarzanes zum König.

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Während er sich am Euphrat aufhielt, erschien bei ihm der Parther Orobazos als Gesandter des Königs Arsakes. Noch niemals vorher waren die beiden Völker miteinander in Verbindung getreten, und so darf auch dies als eine der Gaben des Glückes an Sulla gelten, daß mit ihm als erstem Römer die Parther in Unterhandlung traten und Bundesgenossenschaft und Freundschaft begehrten. Hierbei, so wird berichtet, ließ er drei Sessel aufstellen, einen für Ariobarzanes, einen fiir Orobazos und den dritten für sich so, daß er in der Mitte zwischen den beiden saß und die Verhandlung führte. Deshalb tötete der König der Parther später den Orobazos; den Sulla lobten die einen, weil er den Barbaren gegenüber soviel Stolz gezeigt habe, andere machten ihm den Vorwurf, daß er sich unhöflich und zur Unzeit ehrgeizig benommen habe. Es wird auch noch erzählt, daß ein Chaldäcr, der im Gefolge des Orobazos mitgekommen war und Sulla ins Gesicht gesehen und an ihm die Regungen der Seele und die Bewegungen des Körpers nicht nur so nebenbei betrachtet, sondern nach den Regeln der Kunst seinen Charakter studiert hatte, erklärt habe, notwendigerweise müsse dieser Mann der größte werden, und er wundere sich, wie er es ertragen könne, nicht auch jetzt schon der erste von allen zu sein. Als er zurückkehrte, erhob Censorinus1 gegen ihn die Anklage der Erpressung, weil er gegen das Gesetz große Summen aus einem verbündeten und befreundeten Reich zusammengerafft habe. Aber er erschien nicht zur Verhandlung, sondern trat von der Klage zurück. 6. Indessen flammte sein Streit mit Marius wieder auf, da er neuen Stoff erhielt durch den Ehrgeiz des Bocchus, der, um sich dem Volk in Rom zu empfehlen und Sulla gefällig zu erweisen, Statuen trophäentragender Siegesgöttinnen auf dem Kapitol aufstellen ließ und neben ihnen in Goldbronze Jugurtha, wie er von ihm an Sulla ausgeliefert wurde. Da hierüber

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Marius schwer entrüstet war und die Statuen wegschaffen lassen wollte, andere wiederum dem Sulla beistanden und fast schon die ganze Stadt durch die beiden in Aufruhr versetzt war, da kam der schon lange schwelende Bundesgenossenkrieg 1 gegen die Stadt zum offenen Ausbruch und setzte dem inneren Zwist ein vorläufiges Ziel. In diesem Kriege, der sehr hart und wechselvoll wurde und den Römern die größten Verluste und die schwersten Gefahren brachte, vermochte Marius nichts Bedeutendes zu leisten und bewies damit, daß kriegerische Tüchtigkeit doch körperlicher Kraft und Frische bedarf. Sulla hingegen vollbrachte viele glänzende Taten und erwarb sich bei seinen Mitbürgern den Ruf eines großen, bei seinen Freunden des größten, und den Ruf des glücklichsten Feldherrn auch bei den Feinden. Aber er machte es nicht so wie Timotheos, der Sohn des Konon, der, als seine Feinde seine Erfolge dem Glück zuschrieben und ihn auf Gemälden darstellen ließen, wie er schlafend lag, während die Glücksgöttin die Städte im Netz einfing, sich tölpisch ereiferte und erzürnte gegen die Leute, die das taten, daß sie ihn des Ruhmes seiner Taten berauben wollten, und einmal, von einem glücklich verlaufenen Feldzug heimgekehrt, vor dem Volke sagte: «An diesem Feldzug, ihr Athener, hat jedenfalls das Glück keinen Anteil.» Gegen solchen allzu heftigen Ehrgeiz des Timotheos habe nun, so sagt man, der Dämon seine Tücke bewiesen, so daß er keine glänzende Tat mehr vollbrachte, mit allen seinen Unternehmungen Mißerfolg hatte, sich mit dem Volk überwarf und schließlich die Stadt verlassen mußte'. Sulla hingegen ließ sich nicht nur solche Glücklichpreisung und Bewunderung gern gefallen, sondern er beförderte sie noch und stellte alles, was er vollbrachte, als Geschenk der Glücksgöttin hin, sei es, daß er damit prahlen wollte, sei es, daß er wirklich so über die Gottheit dachte. Denn in seinen Lebenserinnerungen hat er geschrieben, daß von allen seinen Unter-

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nehmungen die nicht nach gründlicher Überlegung, sondern die kühn im günstigen Augenblick gewagten zu besserem Erfolg geführt hätten als die scheinbar sorgfältig geplanten. Wenn er gar noch sagt, daß er mehr für das Glück als für den Krieg geboren sei, so räumt er offenbar dem Glück mehr ein als der Tüchtigkeit, und er macht sich geradezu zu einem Schoßkind der Göttin, wenn er sogar sein gutes Einvernehmen mit Metellus, seinem Amtsgenossen und Schwagereiner göttlichen Fügung zuschreibt. Denn während zu erwarten gewesen sei, daß er ihm viele Schwierigkeiten machen würde, sei er vielmehr bei der gemeinsamen Amtsführung sehr verträglich gewesen. Sodann gibt er in seinen Lebenserinnerungen dem Lucullus, dem er diese Schrift gewidmet hat, den Rat, nichts für so zuverlässig zu halten, als was ihm die Gottheit im Traum anbefehle. Als er mit Heeresmacht in den Bundesgenossenkrieg entsandt wurde, sei, so erzählt er, ein großer Erdspalt bei Laverna 1 entstanden, aus dem ein starkes Feuer hervorbrach und eine helle Flamme zum Himmel emporloderte. Darauf hätten die Seher erkärt, ein tapferer Mann von besonderem, ungewöhnlichem Äußeren werde zur Herrschaft kommen und die Stadt von den gegenwärtigen Unruhen befreien. Dieser, sagt Sulla, sei er selber; denn das Besondere seines Aussehens sei sein goldblondes Haar, und Tapferkeit sich zuzuschreiben, scheue er sich nicht nach so vielen glänzenden Taten. Soviel über sein Verhältnis zur Gottheit. Was seinen sonstigen Charakter angeht, so war er offenbar unausgeglichen und zwiespältigin sich selbst: geneigt, vieles zu rauben und noch mehr zu verschenken, unverhofft Ehren zu erweisen und zu beschimpfen, denen zu schmeicheln, von denen er etwas wollte, und abweisend zu sein gegen diejenigen, die von ihm etwas wollten, so daß man nicht weiß, ob er von Natur mehr überheblich oder ein Schmeichler war. Seine Ungleichmäßigkeit im Bestrafen; daß er einmal wegen uner-

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heblicher Vergehen Leute hinrichten und hinwiederum die schwersten Verbrechen ungestraft hingehen ließ, nach unheilbar scheinenden Feindschaften sich leicht versöhnte und geringe, unerhebliche Verfehlungen durch Hinrichtungen und Vermögenseinziehungen ahndete: das ließe sich wohl so erklären, daß er von Natur jähzornig und rachsüchtig war, aber mit Rücksicht auf den Nutzen zuweilen seine Wut bezähmte. So geschah es in eben diesem Bundesgenossenkrieg, daß er, als seine Soldaten einen seiner Unterfeldherren, einen gewesenen Praetor, Albinus mit N a m e n m i t Knütteln und Steinen umgebracht hatten, ein solches Verbrechen übersah und nicht bestrafte, sondern sogar noch groß tat und wiederholt sagte, sie würden nun daraufhin noch größeren Mut zeigen, um ihre Schuld durch Tapferkeit wiedergutzumachen. Um die Leute, die ihm Vorwürfe machten, kümmerte er sich nicht, sondern da er bereits darauf aus war, Marius aus dem Felde zu schlagen und - da der Bundesgenossenkrieg seinem Ende entgegenging - zum Oberbefehlshaber gegen Mithridates ernannt zu werden, so buhlte er nur um die Gunst seines Heeres. In die Stadt zurückgekehrt, wurde er, fünfzig Jahre alt, zusammen mit Quintus Pompejus zum Konsul gewählt 1 und schloß eine sehr glänzende Ehe mit Caecilia, der Tochter des Oberpriesters M e t e l l u s D e s h a l b sang das Volk viele Spottlieder auf ihn, und auch viele Vornehme nahmen Anstoß daran, indem sie, wie Titus sagt 4 , den Mann, den sie des Konsulats für würdig befunden hatten, nicht der Frau für würdig hielten. Übrigens war es nicht die einzige Frau, die er heiratete, sondern zuerst hatte er als ganz junger Mensch Ilia zur Frau gehabt, die ihm auch ein Töchterchen gebar, dann nach ihr Aelia und zudritt Cloelia, die er als unfruchtbar in Ehren und in Freundschaft und unter Hinzufugung von Geschenken entließ. Als er aber nach wenigen Tagen die Metella heimführte, zeigte es sich, daß er nur deswegen in wenig feiner

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Weise der Cloelia jenen Vorwurf gcmacht hatte. Doch hielt er Metella jederzeit und in allen Dingen in Ehren, so daß auch das römische Volk, als es die Anhänger des Marius aus der Verbannung zurückzurufen wünschte und Sulla das ablehnte, sich mit seinen Bitten an Metella wandte. Wie es scheint, hat er auch die Athener nach der Eroberung der Stadt härter behandelt, weil sie Metella von der Mauer herunter verspottet und geschmäht hatten. Doch davon später 1 . 7. Damals erachtete er das Konsulat fiir etwas Geringfügiges im Vergleich zu dem, was er von der Zukunft erhoffte, und war ganz erfüllt von dem Streben nach dem Oberbefehl im Mithridateskriege. Sein Gegner war, in rasender Ruhmsucht und Ehrbegierde, diesen nicht alternden Leidenschaften, Marius, ein Mann, schon körperlich schwerfällig, der in den letztvergangenen Feldzügen wegen seines hohen Alters versagt hatte und nun doch noch nach weitentlegenen, überseeischen Feldzügen verlangte, und als sich Sulla ins Lager begeben hatte, um zu erledigen, was noch zu tun war, zettelte er selbst, zu Hause sitzend, jenen höchst verderblichen Bürgerkrieg an, der Rom schwereren Schaden zugefügt hat, als alle seine Feinde zusammen, wie es ihnen die Gottheit auch vorausverkündigte. Denn von den Stangen, welche die Feldzeichen tragen, loderte von selbst Feuer auf, drei Raben brachten ihre Jungen auf die Straße, fraßen sie auf und trugen die Reste wieder in das Nest, und als Mäuse Gold angeknabbert hatten, das in einem Heiligtum niedergelegt war, fingen die Tempeldiener ein Weibchen in einer Falle, und dieses warf in der Falle selbst fünfJunge und fraß drei von ihnen auf. Was aber das Bedeutungsvollste war: aus wolkenlosem, klarem Himmel herab erklang der Schall einer Trompete mit scharfem, wehklagendem Ton, so daß alle durch seine Stärke erschüttert wurden und erschauerten und die etruskischen Wahrsager erklärten, das Wunderzeichen bedeute einen gro-

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Ben Wandel und das Heraufkommen eines neuen Menschengeschlechtes. Acht Menschengeschlechter gebe es nämlich insgesamt, die sich in ihren Lebensformen und Sitten voneinander unterschieden, und einem jeden sei von der Gottheit eine bestimmte Zahl von Jahren gesetzt, die sich mit dem Umlauf eines großen Jahres vollende; und wenn dieses zu Ende gehe und ein anderes anbreche, dann geschehe von der Erde oder vom Himmel her ein wunderbares Zeichen, durch das denen, die solche Dinge studiert und ergründet hätten, offenbar werde, daß Menschen von anderem Charakter und anderer Lebensweise geboren worden seien, um die die Götter sich mehr oder weniger als um die bisherigen sorgten. Neben anderen großen Wandlungen, die bei diesem Wechsel der Menschengeschlechter vor sich gingen, nehme auch die Wahrsagekunst das eine Mal einen großen Aufschwung und treffe das Richtige mit ihren Voraussagen, indem die Gottheit klare und deutliche Zeichen sende, und wiederum bei einem andern Geschlecht führe sie ein kümmerliches Dasein, indem sie zumeist aufs Raten angewiesen sei und nur mit unzulänglichen, tastenden Organen an die Zukunft rühren könne. Solche mythisch klingenden Lehren trugen die weisesten Etrusker, von denen man glaubte, daß sie mehr wüßten als die anderen, vor. Als nun der Senat im Tempel der Bellona1 versammelt war und mit den Sehern diese Dinge behandelte, flog vor aller Augen ein Sperling herein mit einer Grille im Schnabel, ließ ein Stück von ihr zu Boden fallen und trug das andere wieder hinaus. Das wiese, so erklärten die Zeichendeuter, auf Zwiespalt und Streit der Besitzenden mit der städtischen, den Markt füllenden Menge. Denn diese habe eine laute Stimme wie die Grille, und die Sperlinge seien Landbewohner. 8. Marius machte nun den Volkstribunen Sulpicius* zu seinem Helfer, einen Mann, der an äußerster Verworfenheit keinem andern nachstand, so daß nicht die Frage gestellt war,

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welchen andern er an Niedertracht überträfe, sondern, welche seiner Niederträchtigkeiten die größte wäre. Denn er war voll von Grausamkeit, Frechheit und von einer Habsucht, die vor keiner Schlechtigkeit und Gemeinheit zurückschreckte. Verkaufte er doch an Freigelassene und Beisassen das römische Bürgerrecht und ließ sich in aller Öffentlichkeit auf einem Zahltisch, der auf dem Markte stand, den Kaufpreis auszahlen. Auch hielt er sich dreitausend mit Schwertern bewaffnete Männer und hatte stets eine Menge junger Leute ritterlichen Standes um sich, die zu allem bereit waren und die er seinen Gegensenat nannte. Er brachte ein Gesetz durch, daß kein Angehöriger des Senats mehr als zweitausend Drachmen' Schulden haben sollte, und hinterließ bei seinem Tode eine Schuldenlast von drei Millionen. Dieser Mann wurde von Marius auf das Volk losgelassen, brachte den ganzen Staat durcheinander und mit Gewalt und blanker Waffe eine Reihe schandbarer Gesetze durch, darunter dasjenige, welches Marius das Kommando des Krieges gegen Mithridates übertrug. Als daraufhin die Konsuln Stillstand aller Geschäfte anordneten', führte er, während sie beim Castortempel eine Versammlung hielten, einen Pöbelhaufen gegen sie und erschlug außer vielen anderen auf dem Markte auch den jungen Sohn des Konsuls Pompejus. Pompejus selbst konnte unbemerkt entfliehen. Sulla wurde bis in das Haus des Marius verfolgt und dann gezwungen, herauszukommen und den Geschäftsstillstand aufzuheben. Deshalb nahm Sulpicius, als er nun den Pompejus seines Amtes entsetzte, dem Sulla das Konsulat nicht, sondern übertrug nur den Oberbefehl gegen Mithridates dem Marius und schickte sofort Militärtribunen nach Nola', welche das Heer übernehmen und dem Marius zuführen sollten. 9. Da es aber Sulla gelang, vor ihnen ins Lager zu entkommen, und die Soldaten, als sie erfuhren, was geschehen war, die Tribunen steinigten, erschlugen die Anhänger des Marius

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wiederum in der Stadt die Freunde Sullas und plünderten ihre Häuser aus. Es gab nun ein Rennen und Flüchten hin und her, da die einen vom Lager in die Stadt, die anderen von der Stadt ins Lager flüchteten. Der Senat war nicht mehr Herr seiner Entschlüsse, sondern gehorchte den Befehlen des Marius und Sulpicius. Als er daher erfuhr, daß Sulla im Anrücken gegen die Stadt sei, schickte er zwei Praetoren, Brutus und Servilius aus, die ihm das weitere Vorrücken untersagen sollten. Da diese Sulla gegenüber eine entschiedene Sprache führten, wollten die Soldaten sie totschlagen, zerbrachen ihre Rutenbündel, rissen ihnen die purpurverbrämten Kleider vom Leibe', mißhandelten sie schwer und jagten sie davon, so daß allein schon ihr Anblick, da man sie ihrer praetorischen Abzeichen beraubt sah, ein schweres Unheil und den Bürgerkrieg als nicht mehr abwendbar, sondern als unheilbar erwies. Marius und seine Anhänger trafen nun ihre Vorbereitungen, und Sulla setzte sich mit seinem Amtsgenossen an der Spitze von sechs vollzähligen Legionen von Nola aus in Bewegung, da er das Heer willig und bereit sah, geradeswegs auf die Stadt loszugehen, während er selbst noch in seinem Innern schwankte und vor der nahenden Entscheidung bangte. Aber als er geopfert und der Wahrsager Postumius die Zeichen in den Eingeweiden geprüft hatte, streckte er Sulla beide Hände entgegen und forderte ihn auf, ihn zu fesseln und bis nach der Schlacht in Haft zu halten; denn wenn nicht alles ein rasches und gutes Ende nähme, dann sei er bereit, die Todesstrafe zu erleiden. Auch heißt es, daß Sulla selbst im Traum die Göttin erschienen sei, deren Kult die Römer von den Kappadokiern übernommen haben, mag sie nun Semele, Athena oder Enyo sein'. Diese, so träumte er, trat zu ihm, reichte ihm einen Donnerkeil, nannte jeden seiner Feinde mit Namen und hieß ihn, den Donnerkeil auf sie zu schleudern, und sie wurden getroffen, fielen und verschwanden. Dieser Traum stärkte sei-

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nen Mut, er erzählte ihn seinem Amtsgenossen und trat am Morgen den Marsch auf Rom an. Bei Pictae1 begegnete ihm eine Gesandtschaft, die ihn bat, nicht sofort auf die Stadt zu rücken; der Senat habe beschlossen, daß ihm jede Gerechtigkeit zuteil werden werde. Sulla erklärte sich bereit, auf der Stelle sein Lager aufzuschlagen, und befahl in der gewohnten Weise den Offizieren, die Plätze für das Lager abzustecken, so daß die Gesandten voll Vertrauen abzogen. Doch sowie sie weg waren, ließ er sofort Lucius Basilius und Gajus Mummius abrücken und durch sie das Tor und die Mauern auf dem Esquilinischen Hügel besetzen 2 ; dann brach er auch selbst in größter Eile auf. Basilius drang zwar in die Stadt ein und gewann die Oberhand, dann aber hinderte ihn das zahlreiche, unbewaffnete Volk, indem es von den Dächern herunter mit Ziegeln und Steinen warf, am weiteren Vordringen und drängte ihn gegen die Mauer zurück. Inzwischen aber war Sulla bereits selbst zur Stelle, und als er sah, was vorging, schrie er, man solle die Häuser in Brand stecken, nahm eine brennende Fackel und ging selbst als erster drauflos, befahl auch den Bogenschützen, Brandpfeile zu verwenden und auf die oberen Stockwerke zu zielen. Ganz ohne Überlegung, nur der Leidenschaft gehorchend, hatte er dem Zorn die Entscheidung darüber, was zu geschehen habe, überlassen und sah nur die Feinde, nahm keine Rücksicht, hatte kein Mitleid mit Freunden, Verwandten und Angehörigen und bahnte sich seinen Weg durch Flammen, die keinen Unterschied machen zwischen Schuldigen und Unschuldigen. Während dies geschah, wurde Marius zum Heiligtum der Tellus 1 gedrängt. Hier ließ er durch Heroldsruf die Sklavenschaft mit dem Versprechen der Freiheit zu den Waffen rufen; als aber die Feinde näherrückten, wurde er geschlagen und aus der Stadt vertrieben. 10. Sulla berief nun den Senat und ließ Marius selbst und einige wenige andere, unter denen sich der Volkstribun Sulpi-

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a u s befand, zum Tode verurteilen. Sulpicius wurde von einem Sklaven - den Sulla erst freiließ, dann vom Tarpejischen Felsen herabstürzen ließ - verraten und hingerichtet. Auf den Kopf des Marius setzte er einen Preis, höchst undankbar und unmenschlich, da er ja kurz vorher sich in sein Haus und in seine Hand gegeben hatte und ungeschädigt entlassen worden war. Dabei würde Marius, wenn er damals Sulla nicht losgelassen, sondern dem Sulpicius zur Hinrichtung preisgegeben hätte, die unumschränkte Gewalt erlangt haben; und doch hatte er ihn verschont, und als er nach wenigen Tagen in dieselbe Lage kam, wurde ihm nicht das gleiche zuteil. Hiermit kränkte Sulla den Senat, ohne daß er es zu erkennen gab; die Verärgerung und Feindseligkeit des Volkes aber trat ihm offen in Taten entgegen. Sie ließen nämlich seinen Schwestersohn Nonius und den Servilius 1 , die sich um Ämter bewarben, mit Schanden durchfallen und wählten andere zu Beamten, durch deren Ehrung sie ihn am meisten zu ärgern glaubten. Sulla aber stellte sich, als freute er sich darüber, daß das Volk, indem es tat, was es wollte, sich der von ihm erhaltenen Freiheit bediente, und machte, um den Haß der Menge zu beschwichtigen, den Lucius Cinna von der Gegenpartei zum Konsul, nachdem er ihn freilich durch feierliche Eidschwüre verpflichtet hatte, keine ihm feindliche Politik zu treiben. Cinna stieg hinauf zum Kapitol und schwor und verwünschte sich: wenn er Sulla nicht die gute Gesinnung wahre, so wolle er aus der Stadt hinausgeworfen werden wie der Stein aus seiner Hand; und damit warf er den Stein zur Erde in Gegenwart nicht weniger Zeugen. Doch sowie er das Amt übernommen hatte 2 , versuchte er sofort, die bestehende Ordnung zu stürzen, leitete einen Prozeß gegen Sulla ein und veranIaßte Verginius, einen der Volkstribunen, die Klage zu erheben. Aber Sulla überließ ihn mitsamt dem Gericht sich selbst und trat den Marsch gegen Mithridates an.

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I i . In jenen Tagen, an denen Sulla von Italien aus mit seinem Heere in See ging, sollen sich dem Mithridates, der sich gerade in Pergamon aufhielt, viele andere Zeichen von böser Vorbedeutung gezeigt haben, und eine Siegesgöttin mit einem Kranz in der Hand, die von den Pergamenern mittels gewisser Maschinen von oben auf ihn herabgelassen wurde, soll, als sie eben sein Haupt berührte, zerbrochen, der Kranz ihr entfallen und mitten im Theater, in Stücke gehend, zu Boden gefallen sein, so daß es dem Volke grauste und Mithridates von schwerer Mutlosigkeit befallen wurde, obgleich damals seine Sache über alles Erwarten hinaus vorwärtsging. Denn er selber hatte den Römern die Provinz Asien, die Länder Bithynien und Kappadokien ihren Königen entrissen, saß selber in Pergamon und verteilte Schätze, hohe Posten und Gewaltherrschaften an seine Freunde, und von seinen Söhnen beherrschte der eine das alte Reich am Pontos und Bosporos bis zu den unbewohnten Gebieten oberhalb der Maiotis', ohne daß jemand ihn behelligte, Ariarathes zog mit einem großen Heere erobernd durch Thrakien und Makedonien, und andere Länder unterwarfen seine Feldherren an der Spitze von Armeen. Der bedeutendste von ihnen, Archelaos, beherrschte mit seiner Flotte fast das ganze Meer, unterwarf die Kykladen und alle anderen Inseln, die östlich des Kaps Malea liegen, hatte Euboia bereits im Besitz und war dabei, gestützt auf Athen, die Völker Griechenlands bis Thessalien hin zum Abfall von Rom zu bringen, wobei er nur bei Chaironeia eine geringfügige Schlappe erlitt. Hier stellte sich ihm nämlich Bruttius Sura entgegen, Unterfeldherr des Sentius, des Statthalters von Makedonien 1 , ein Mann von hervorragender Kühnheit und Umsicht. Er leistete dem Archelaos, der sich wie ein angeschwollener Strom über Boiotien ergoß, die längste Zeit Widerstand, lieferte ihm bei Chaironeia drei Schlachten, schlug ihn und drängte ihn bis zum Meere zurück. Als ihm aber jetzt

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Lucius Lucullus den Befehl überbrachte, dem herannahenden Sulla Platz zu machen und die Hand von dem diesem Manne übertragenen Krieg zu lassen, räumte er sofort Boiotien und ging zu Sentius zurück, obgleich seine Sache über alles Erwarten hinaus vorwärtsging und Griechenland wegen seiner hervorragenden Bewährung geneigt war, sich wieder den Römern anzuschließen. Dies waren die glänzendsten Taten, die Bruttius vollbracht hat. 12. Sulla bekam die anderen Städte sogleich in die Hand; sie schickten Gesandtschaften und riefen ihn zu sich; gegen Athen jedoch, das durch den Tyrannen Aristion gezwungen wurde, weiter auf der Seite des Königs zu bleiben, ging er mit ganzer Macht vor, schloß den Piräus ein und belagerte ihn, wobei er alle Arten von Belagerungsmaschinen aufstellte und auf verschiedenste Weise angriff. Dabei hätte er ohne großen Zeitverlust und ohne Gefahr die obere Stadt nehmen können, die schon durch den Hunger wegen Mangels an den notwendigsten Lebensmitteln in die äußerste Not gebracht war. Aber weil es ihn nach Rom zurück drängte und er den dortigen Umsturz fürchtete, so suchte er durch viele gewagte Unternehmungen, viele Schlachten und durch große Aufwendungen den Krieg zu beschleunigen. Wurde doch, abgesehen von den übrigen Zurüstungen, die Arbeit an den Belagerungsmaschinen von zehntausend Maultiergespannen versehen, die Tag für Tag in diesem Dienst tätig waren, und als das Holz knapp wurde, weil viele der Werke infolge ihrer eigenen Schwere einstürzten und zusammenbrachen oder infolge des ständigen Beschüsses durch die Feinde in Flammen aufgingen, so vergriff er sich auch an den heiligen Hainen und ließ die Akademie, die baumreichste der Vorstädte, niederschlagen und ebenso das Lykeion Da er ferner auch viel Geld brauchte für den Krieg, so legte er Hand an die Tempelschätze Griechenlands und ließ aus

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Epidauros1 sowohl wie aus Olympia die schönsten und kostbarsten Weihgaben holen, schrieb auch den Amphiktyonen nach Delphi, es sei besser, wenn die Schätze des Gottes zu ihm gebracht würden; denn entweder werde er sie besser hüten oder aber, wenn er sie etwa in Anspruch nähme, werde er sie doch ungeschmälert zurückgeben; und er sandte einen Freund, den Phoker Kaphis, mit dem Auftrage, alles nach Gewicht zu übernehmen. Kaphis kam nach Delphi, zögerte aber, die heiligen Schätze anzugreifen, und als die Amphiktyonen mit inständigen Bitten in ihn drangen, weinte er über seine Zwangslage. Als jetzt einige sagten, sie hätten die Zither im innersten Heiligtum klingen hören, da meldete er das, sei es, daß er es glaubte, sei es, daß er Sulla in abergläubische Angst stürzen wollte, brieflich an ihn. Aber der schrieb spottend zurück, er wundere sich über Kaphis, daß er nicht begreife, daß das Musizieren ein Zeichen der Freude, nicht des Zornes sei; er solle also getrost zugreifen, da der Gott froh gestimmt und zu geben bereit sei. Was nun sonst fortgeschafTt wurde, blieb den meisten Griechen verborgen. Aber das silberne Faß, das noch übrig war von den einst von König Kroisos geschenkten 1 , konnte wegen seiner Größe und Schwere nicht auf einen Wagen geladen werden, so daß die Amphiktyonen genötigt waren, es zerschlagen zu lassen, und damit die Erinnerung wachriefen an Titus Flamininus und Manius Acilius sowie auch an Aemilius Paulus, von denen der eine, Acilius, den Antiochos aus Griechenland vertrieben, die beiden anderen die Könige der Makedonen niedergerungen hatten, alle aber nicht nur die Hände von den griechischen Heiligtümern gelassen, sondern ihnen auch Geschenke dargebracht und auf alle Weise ihre Ehrfurcht bewiesen h a t t e n A b e r freilich, sie, nach Recht und Gesetz bestellte Führer wohlgeschulter, an schweigenden Gehorsam gegen ihre Vorgesetzte gewöhnter Männer, selber dabei königlich in ihren Gesinnungen und bescheiden in ih-

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rem Lebensstil, hatten auch nur mäßige, genau bemessene A u f w e n d u n g e n zu machen, weil sie das Liebedienern v o r den Soldaten für schimpflicher hielten als Furcht v o r den Feinden. A b e r d i e nunmehrigen Feldherren, die mit Gewalt, nicht durch Verdienst, an die erste Stelle zu kommen strebten und die Waffen mehr gegeneinander als gegen die Feinde brauchten, sahen sich genötigt, während sie Befehlshaber waren, sich w i e D e m a g o g e n zu benehmen, und indem sie mit den Geldern, die sie für das Wohlleben ihrer Soldaten aufwendeten, ihre Dienste erkauften, machten sie unvermerkt das ganze Vaterland zur M a r k t w a r e und sich selbst zu Sklaven des schlechtesten Gesindels, um über die Besseren z u herrschen. Dies war es, was Marius vertrieb und ihn wiederum gegen Sulla zurückführte, dies machte den Cinna zum Mörder des Octavius, den Fimbria zum Mörder des F l a c c u s Z u dem allen gab nicht z u m wenigsten Sulla den A n s t o ß , indem er, um die anderen Führern unterstellten T r u p p e n zu bestechen und z u m U b e r t r i t t z u verleiten, seine eigenen Leute mit Gaben überschüttete, so daß er, indem er die anderen z u m Verrat, die eigenen Leute z u ausschweifendem Leben verführte,

große

G e l d s u m m e n brauchte, und dies besonders für jene Belagerung. 13. Denn es erfüllte ihn ein wildes und unbezwinglichesVerlangen, A t h e n z u nehmen, sei es, daß er aus einer A r t von Eifersucht einen Schattenkampf gegen den alten R u h m der Stadt führte, oder sei es, daß er die Spöttereien und Verhöhnungen übelnahm, mit denen ihn und Metella von den Mauern herunter der T y r a n n Aristion fortgesetzt verlachte, beschimpfte und reizte, ein Mann mit einer Seele, die aus Z u c h t l o s i g k c i t und Grausamkeit zusammengesetzt war, der die schlimmsten der Laster und Leidenschaften des Mithridates in üblem Gemisch in sich aufgenommen hatte und nun über die Stadt, die zuvor unzählige Kriege, viele Gewaltherrschaften und Bürger-

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zwiste glücklich überstanden hatte, im letzten Augenblick wie eine todbringende Krankheit gekommen war; er, der, als nun der Scheffel Weizen in der Stadt tausend Drachmen kostete und die Menschen das um die Akropolis wachsende Jungfernkraut aßen und weichgekochte Schuhsohlen und ölfläschchen hinunterschlangen, seinerseits den ganzen T a g über zechte und praßte und den Feinden zum Spott Tänze auiTiihrte, es geschehen ließ, daß die heilige Lampe der Göttin aus Mangel an ö l erlosch, der Oberpriesterin, als sie um ein Zwölftel Scheffel Weizen bat, Pfeffer schickte und die Ratsmannen und Priester, die ihn anflehten, sich der Stadt zu erbarmen und mit Sulla zu vertragen, mit Pfeilschüssen auseinandertreiben ließ. Sehr spät endlich schickte er zwei oder drei seiner Zechgenossen zu Übergabeverhandlungen hinaus. Da diese aber keine vernünftigen Vorschläge machten, sondern nur große Reden über Theseus, Eumolpos und die Perserkriege führten, sagte Sulla: «Geht nach Hause, ihr Narren, und nehmt eure Reden wieder mit. Ich bin von den Römern nicht nach Athen geschickt worden, um zu studieren, sondern um Abtrünnige zur Räson zu bringen.» 14. Inzwischen, so wird erzählt, hörten einige Leute im Kerameikos ein paar alte Männer miteinander reden und auf den Tyrannen schimpfen, daß er nicht den Zugang zur Mauer beim Heptachalkon 1 bewachen lasse, wo es allein für den Feind möglich und sogar leicht wäre, sie zu übersteigen. Sie meldeten das Sulla, und er ließ das nicht unbeachtet, sondern ging bei Nacht hin, besichtigte die Stelle, fand sie einnehmbar und ging alsbald ans Werk. In seinen Denkwürdigkeiten erzählt Sulla selbst, der Mann, der als erster die Mauer erstieg, Marcus Ateius, habe, als ein Feind ihm entgegentrat, von oben einen Hieb gegen seinen Helm geführt und dabei sein Schwert zerbrochen, habe aber seinen Platz nicht verlassen, sondern sei geblieben und habe ihn behauptet. Von dort aus also wurde

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die Stadt genommen, wie die ältesten Athener berichtet haben. Sulla selbst ließ das Mauerstück zwischen dem Piräusund dem Heiligen Tore 1 niederreißen und einebnen und brach um Mitternacht Entsetzen erregend unter dem Geschmetter vieler Trompeten und Horner ein, und mit wildem Geschrei ergoß sich das Heer, von ihm zu Raub und Mord losgelassen, mit gezückten Schwertern durch die Gassen, so daß die Erschlagenen überhaupt nicht gezählt werden konnten, sondern die Menge bis heute nur nach dem Raum, den das vergossene Blut einnahm, geschätzt wird. Denn, ungerechnet die in den anderen Stadtteilen Getöteten, allein das Gemetzel beim Markt überflutete den Raum bis zum Dipylon mit Blut, und es soll auch noch durch die Tore in die Vorstadt eine Menge Blut geflossen sein. Aber nicht geringer als die Zahl der auf diese Weise Umgekommenen, so viele es waren, war die Zahl derer, die sich selbst das Leben nahmen aus Jammer und Schmerz um das, wie sie glaubten, dem Untergang geweihte Vaterland. Denn diese Furcht hegten die Besten und verzweifelten an der Rettung, weil sie sich keiner Menschlichkeit und keines Maßes von Sulla versahen. Aber als die Verbannten Meidias und Kalliphon ihn anflehten und ihm zu Füßen fielen, als alle Mitglieder des Senats, die den Feldzug mitmachten, Fürbitte für die Stadt einlegten und endlich auch sein eigener Rachedurst gestillt war, sagte er einige lobende Worte auf die alten Athener und erklärte, er wolle wenigen zuliebe viele und die Lebenden um der Toten willen verschonen. Genommen habe er Athen, so sagt er selbst in seinen Denkwürdigkeiten, am ersten März. Dieser Tag fällt ungefähr mit dem Neumond des Monats Anthesterion zusammen, und es trifft sich, daß man an ihm viele Feierlichkeiten zur Erinnerung an jene große Regenkatastrophe begeht, weil man glaubt, daß auch in jener alten Zeit etwa um dieses Datum die große Flut 2 sich ereignet habe.

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Als die Stadt genommen war, floh der Tyrann auf die Akropolis und wurde dort belagert, und zwar erhielt Curio 1 diesen Auftrag. Nachdem er sich lange Zeit gehalten hatte, wurde er durch den Durst gezwungen, sich zu ergeben, und alsbald begab sich ein göttliches Wunderzeichen: am selben Tage und zur selben Stunde, da Curio den Tyrannen herunterholte, sammelten sich Wolken am lichten Tage, und ein starker Regenguß stürzte herab und setzte die Akropolis unter Wasser. Auch den Piräus eroberte Sulla nach kurzer Zeit und brannte ihn zum größten Teil nieder, so auch das Arsenal des Philon, eine vielbewunderte Anlage 1$. Inzwischen war Taxiles, der Feldherr des Mithridates, mit hunderttausend Mann zu Fuß, zehntausend zu Roß und neunzig vierspännigen Sichelwagen aus Thrakien und Makedonien herabgezogen und berief Archelaos zu sich, der noch mit seiner Flotte vor der Munychia' stand und weder die See räumen wollte noch viel Lust hatte, sich mit den Römern in einen Kampf einzulassen, sondern den Krieg hinziehen und ihnen die Zufuhr abschneiden wollte. Noch viel deutlicher als er erkannte diese Gefahr Sulla und zog daher aus einer kärglichen Gegend, die selbst im Frieden dem Heer keine hinreichende Versorgung bieten konnte, nach Boiotien. Den meisten schien das eine verfehlte Berechnung, daß er Attika, ein gebirgiges und fiir die Entfaltung der Kavallerie ungünstiges Land, verließ und sich in die weitgebreiteten, ebenen Gefilde Boiotiens zog, da er doch sehen mußte, daß die Stärke der Barbaren in ihren Wagen und in ihrer ReiterwafTe lag. Aber da er, wie schon gesagt, dem Hunger und dem Mangel aus dem Wege gehen wollte, so war er genötigt, die Schlachtentscheidung zu suchcn. Auch war er in Besorgnis um Hortensius, einen ehemaligen Praetor und ruhmbegierigen Offizier 4 , der ihm von Thessalien Verstärkungen zuführte und dem die Barbaren in den Engpässen auflauerten. Aus diesen Gründen also rückte

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Sulla nach lioiotien. Den Hortensius aber führte mein Landsmann Kaphis, indem er die Barbaren täuschte, auf anderen Wegen über den Parnaß bis unter Tithora, das damals noch keine so große Stadt war wie jetzt, sondern ein von steilen Abstürzen umschlossenes K a s t e l l a u f das sich auch dereinst die Phoker, die vor dem anrückenden Xerxes flohen, zurückgezogen und so gerettet hatten. Hier schlug Hortensius sein Lager auf, wehrte am Tage die Angriffe der Feinde ab und stieg nachts durch das schwierige Gelände nach Patronis hinab, um sich mit Sulla, der ihm mit seinem Heer entgegenrückte, zu vereinigen. 16. Nachdem sie sich vereinigt hatten, besetzten sie eine inmitten der Ebene von Elateia 1 aufragende, fruchtbare und weitausgedehnte Anhöhe, die auch an ihrem Fuß Wasser hatte. Sie heißt Philoboiotos, und Sulla erteilt ihrer natürlichen Beschaffenheit und ihrer Lage das höchste Lob. Als sie sich dort gelagert hatten, wurde den Feinden ihre äußerst geringe Zahl deutlich; denn es waren nicht mehr als fünfzehnhundert Reiter und weniger als fünfzehntausend Mann zu Fuß. Daher überstimmten die anderen Feldherren den Archelaos und stellten das Heer in Schlachtordnung auf, so daß sie die ganze Ebene mit Pferden, Wagen und runden und rechteckigen Schilden erfüllten. Den Lärm und das Schlachtgeschrei so vieler Völker, die gleichzeitig zum Kampf antraten, vermochte der Luftraum gar nicht zu fassen. Zugleich war aber auch die prahlerische Üppigkeit ihrer reichen Ausrüstung nicht ohne Wirkung und nicht ungeeignet, Schrecken zu erregen, sondern der Schimmer der mit Gold und Silber kostbar geschmückten Schilde, die reichen Färbungen der medischen und skythischen Waffenröcke, die sich mit dem Glänze des Erzes und Eisens vermählten, boten bei dem Schwenken und Manövrieren einen feurig funkelnden und schreckenerregenden Anblick, so daß die Römer sich hinter ihren Wall zurückzogen und Sulla,

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der durch keine Vorstellung ihnen ihre Furcht nehmen konnte und die Verängstigten nicht zum Kampf zwingen wollte, sich ruhig verhielt und freilich schwer verärgert war zu sehen, wie die Barbaren ihn mit Prahlen und Gelächter verhöhnten. Aber gerade dies brachte ihm den allergrößten Nutren. Denn weil sie die Römer verachteten, riß bei den Gegnern die größte Unordnung ein, da sowieso schon wegen der vielen Befehlshaber die Disziplin gelockert war. Es blieben also nur wenige im Lager zurück; die große Masse verlief sich, von der Aussicht auf Raub und Plünderung gelockt, viele Tage weit vom Lager. Dabei sollen sie die Stadt Panopeus zerstört und Lebadeia 1 ausgeplündert und auch das Orakel ausgeraubt haben, ohne daß ein Feldherr den Befehl dazu gab. Wie so vor seinen Augen Städte vernichtet wurden, war Sulla schwer entrüstet und bekümmert und ließ seine Soldaten nicht müßig gehen, sondern ließ sie antreten und nötigte sie, den Kephisos aus seinem Bett abzuleiten und Gräben zu ziehen, und er gönnte keinem eine Ruhepause und strafte unerbittlich die Nachlässigen, damit sie die Mühsal dieser Erdarbeiten satt bekämen und sich nach der Gefahr des Kampfes sehnten. So kam es denn auch; denn als sie den dritten Tag bei der Arbeit waren und Sulla zur Besichtigung kam, baten sie ihn mit Geschrei, sie gegen die Feinde zu fuhren. Er aber erwiderte, das sagten sie nicht, weil sie kämpfen wollten, sondern nur, weil sie nicht arbeiten wollten. Wenn sie wirklich kampflustig wären, dann sollten sie sogleich zu den Waffen greifen und dorthin gehen; und damit wies er auf den Platz, wo ehedem die Burg von Parapotamioi gestanden hatte; damals war die Stadt zerstört, und es war nur eine felsige, ringsum steil abfallende Höhe geblieben, vom Hedyliongebirge durch den Raum getrennt, den der Assosbach einnimmt, welcher dann unmittelbar am Fuße der Anhöhe in den Kephisos mündet, mit ihm sehr reißend wird und die Höhe zu einem festen Lagerplatz macht 1 . Als darum Sulla sah,

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daß auch die feindlichen Erzschildner auf die Höhe losrückten, wollte er den Platz vor ihnen besetzen, und er besetzte ihn auch, da die Soldaten großen Eifer zeigten. Als nun Archelaos, von dort abgedrängt, seinen Marsch auf Chaironeia richtete und die Chaironeier, die sich beim römischen Heer befanden, Sulla baten, ihre Stadt nicht preiszugeben, entsandte er den Kriegstribunen Gabinius mit einer Legion und ließ auch die Chaironeier gehen, die sich zwar bemühten, aber nicht imstande waren, Gabinius zuvorzukommen. So wacker war er und noch eifriger bestrebt, Rettung zu bringen als die, welche der Rettung bedurften. (Juba sagt übrigens, nicht Gabinius sei entsandt worden, sondern Erucius'.) So entging meine Vaterstadt dem Verderben um ein Haar. 1 7 . Von Lebadeia und dem Orakel des Trophonios wurden jetzt den Römern günstige Gerüchte und sieg verheißen de Wahrsprüche zugetragen. Darüber erzählen die Einheimischen noch mehreres; Sulla selbst aber hat im zehnten Buche seiner Denkwürdigkeiten geschrieben, ein angesehener Römer, der als Geschäftsmann in Griechenland lebte, Quintus Titius, sei zu ihm gekommen, nachdem er bereits den Sieg bei Chaironeia gewonnen hatte, um ihm zu melden, daß Trophonios noch eine zweite siegreiche Schlacht am selben Orte innerhalb kurzer Zeit prophezeit habe. Nach ihm brachte einer der unter Sulla dienenden Soldaten, Salvienus mit Namen, von dem Gott eine Voraussage, welchen Ausgang die Ereignisse in Italien nehmen würden. Beide berichteten dasselbe über die äußere Erscheinung des Gottes: sie sagten, er sei an Schönheit und Größe ähnlich dem Olympischen Zeus. Nachdem Sulla den Assos überschritten hatte, zog er unterhalb des Hedylion entlang und lagerte sich gegenüber Archelaos, der eine starke Stellung inmitten zwischen dem Akontion 1 und dem Hedylion, bei einem Orte namens Assia, bezogen hatte. Der Platz, wo er sein Zelt aufgeschlagen hatte, heißt

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bis heute nach ihm Archelaos. Sulla ließ einen Tag verstreichen, dann ließ er Murena' mit einer Legion und zwei Kohorten zurück, um die Feinde, wenn sie zum Kampf aufmarschierten, zu stören. Er selbst opferte am Kephisos, und da das Opfer günstig ausfiel, setzte er sich in Marsch auf Chaironeia, um die dort stehenden Truppen an sich zu ziehen und den Berg Thurion zu besichtigen, der bereits von den Feinden besetzt worden war. Es ist ein steiler, kegelförmiger Gipfel, den wir Orthopagos 1 nennen. An seinem Fuße fließt der Bach Morios, und ein Tempel des Apollon Thurios befindet sich dort. Der Gott hat seinen Beinamen von Thuro, der Mutter des Chairon, der der Überlieferung nach der Gründer von Chaironeia gewesen ist. Andere behaupten jedoch, die dem Kadmos von dem Pythischen Gott als Führerin bestimmte Kuh sei dort zum Vorschein gekommen, und so habe der Ort nach ihr diesen Namen erhalten; denn thor nennen die Phoiniker die Kuh. Als Sulla an Chaironeia heranrückte, kam ihm der als Stadtkommandant eingesetzte Kriegstribun an der Spitze seiner Soldaten in voller Rüstung entgegen und überreichte ihm einen Lorbeerkranz. Er nahm ihn entgegen, begrüßte die Soldaten und ermunterte sie zu tapferem Kampf. Da meldeten sich zwei Männer von Chaironeia bei ihm, Homoloichos und Anaxidamos, und erboten sich, die feindliche Besatzung vom Thurion herunterzutreiben, wenn sie nur eine kleine Truppe von ihm bekämen; es gebe einen den Barbaren unbekannten Pfad, der vom Petrachos an dem Musenheiligtum vorbei zu einer Stelle auf dem Thurion führe, wo man über den Köpfen der Feinde stehe; schlüge man diesen Pfad ein, so werde man sie unschwer überfallen und von oben her durch Steinwürfe erledigen oder in die Ebene hinunterjagen. Da Gabinius den Männern Tapferkeit und Zuverlässigkeit bezeugte, befahl Sulla die Ausfuhrung des Planes. Er selbst stellte sein Heer in Schlachtordnung auf und verteilte die Reiterei auf beide Flü-

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gel; den rechten übernahm er selbst, den linken übergab er Murena. Die Unterfeldherren Galba und Hortensius nahmen mit Reservekohorten zuäußerst auf den Höhen Aufstellung zum Schutz gegen eine Überflügelung. Denn man sah, wie die Feinde mit vielen Reitern und schnellfüßigen leichten Truppen den Flügel beweglich und leicht gestalteten, um weit ausholend die Römer einzukreisen. 18. Nachdem inzwischen die Chaironeier von Sulla den Erucius als Führer erhalten, das Thurion auf dem Umweg unbemerkt erstiegen hatten und von da gegen die Barbaren losgebrochen waren, gab es bei ihnen eine wilde Verwirrung, Flucht und ein gegenseitiges Gemetzel. Denn sie hielten nicht stand, sondern warfen sich die Steile hinunter, fielen in ihre eigenen Speere und drängten und stürzten sich gegenseitig über die Felsen hinab, während ihnen von oben her die Feinde nachsetzten und auf die ungeschützten Rücken losschlugen, so daß dreitausend Mann am Thurion fielen. Die Fliehenden schnitt zum Teil Murena ab, der schon in Schlachtordnung angetreten war, stellte sich ihnen entgegen und machte sie nieder, teils schlugen sie sich zwar zu dem befreundeten Heere durch, wälzten sich aber in voller Auflösung gegen die angetretene Phalanx, erfüllten sie zum größten Teil mit Angst und Verwirrung und schufen so den Feldherren einen Aufenthalt, der ihnen zum größten Schaden gereichte. Denn während sie so in Verwirrung waren, griff Sulla sie plötzlich an, durchmaß mit größter Schnelligkeit den trennenden Zwischenraum und nahm so den Sichelwagen ihre Wirkungskraft. Denn ihre Hauptstärke beruht auf der Länge der Anfahrt, die ihnen Kraft und Schwung für den Durchbruch gibt. Ein kurzer Anlauf macht sie wirkungslos und matt wie ohne scharfe Spannung entsandte Geschosse. So ging es den Barbaren auch damals; die ersten Wagen, die erst langsam anfuhren und ohne Wucht auf sie trafen, schlugen die Römer ohne Mühe zurück und verlangten

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mit Händeklatschen und Lachen «mehr!», wie sie es bei den Wagenrennen im Zirkus zu tun pflegen. Hierauf stießen die beiderseitigen Fußtruppen aneinander. Die Barbaren fällten ihre langen Lanzen und suchten durch dichten Zusammenschluß der Schilde ihre Schlachtordnung festzuhalten; die Römer aber warfen ihre Wurfspieße auf der Stelle hin, zogen die Schwerter und schlugen die Lanzen der Feinde beiseite, um voll Ingrimm so schnell wie möglich mit ihnen handgemein zu werden, denn sie sahen in der vordersten Front der Feinde funfzehntausend Sklaven stehen, welche die Feldherren des Königs durch Aufruf in den Städten für frei erklärt und unter das schwere Fußvolk eingereiht hatten. Da soll ein römischer Centurio gesagt haben, seines Wissens hätten die Sklaven nur an den Saturnalien das Recht, sich wie Freie zu benehmen Diese Sklaven wurden jedoch wegen der Tiefe und Gedrängtheit ihrer Aufstellung nur langsam zurückgedrängt und leisteten entgegen ihrer Natur mutigen Widerstand, aber die Wurfgeschosse aller Art, mit denen die Römer der hinteren Glieder sie überschütteten, brachten sie in Verwirrung und trieben sie in die Flucht. 19. Als jetzt Archelaos seinen rechten Flügel zur Einkreisung ansetzte, ließ Hortensius seine Kohorten im Lauf gegen sie vorgehen, um ihnen in die Flanke zu fallen. Als darauf Archelaos schnell die zweitausend Reiter seiner Umgebung gegen ihn einsetzte, zog sich Hortensius unter dem Druck der Masse gegen das Bergland hin und war nahe daran, die Fühlung mit dem Hauptheer zu verlieren und von den Feinden eingeschlossen zu werden. Als Sulla das bemerkte, eilte er, ihm vom rechten Flügel her, der noch nicht ins Gefecht gekommen war, Hilfe zu bringen. Archelaos aber, der aus dem Staub der heransprengenden Reiter erriet, was vorging, stellte den Angriff auf Hortensius ein und wandte sich selbst gegen den rechten gegnerischen Flügel, den Sulla eben verlassen hatte, um

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ihn ohne Anführer zu treffen und zu werfen. Zugleich führte Taxiles seine Erzschildner gegen Murena, so daß, da nun der Kampflärm von beiden Seiten kam und die Berge den Schall zurückwarfen, Sulla einen Moment verhielt und im Zweifel war, wohin er sich wenden sollte. Doch entschloß er sich, seinen ersten Platz wieder einzunehmen, sandte dem Murena den Hortensius mit vier Kohorten zu Hilfe und eilte selbst an der Spitze der fünften zum rechten Flügel, der selbst schon dem Archelaos kräftigen Widerstand leistete. Als nun Sulla noch hinzukam, gewannen sie vollends die Oberhand, warfen die Gegner und verfolgten sie, die sich in wilder Flucht nach dem Fluß und dem Akontiongebirge hin ergossen. Doch vergaß dabei Sulla nicht die Gefahr, in der sich Murena noch befand, sondern eilte ihm zu Hilfe, und erst, als er auch ihn als Sieger antraf, beteiligte er sich an der Verfolgung. Viele der Barbaren fanden nun schon in der Ebene den Tod, die meisten aber wurden erst niedergemacht, als sie sich in ihr Lager zu werfen suchten, so daß nur zehntausend von einer vielfachen Menge nach Chalkis 1 entrannen. Sulla behauptet, er habe von seinen eigenen Leuten nur vierzfchn vermißt, und auch von diesen hätten sich gegen Abend noch zwei wieder eingefunden. Daher weihte er auch seine Siegesmale dem Mars, der Victoria und der Venus, um damit auszudrücken, daß er den Erfolg nicht weniger dem Glück als seiner Umsicht und Tapferkeit danke'. Dieses Siegesmal steht zur Erinnerung an die Schlacht in der Ebene an der Stelle, wo die Truppen des Archelaos zuerst zu weichen begannen, am Molosbach. Ein anderes ist auf dem Gipfel des Thurion errichtet zur Erinnerung an die Umgehung der Barbaren, und es nennt in griechischer Sprache Homoloichos und Anaxidamos als die tapfersten Kämpfer. Das Siegesfest für diese Schlacht feierte Sulla in Theben und ließ den Festplatz bei der Oidipusquelle' herrichten. Als Kampfrichter waren aber Griechen aus anderen Städten berufen, weil

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er gegen die Thebaner einen unversöhnlichen Haß hegte, und er nahm ihnen auch die Hälfte ihres Gebietes ab und weihte es dem Pythischen Apollon und dem Zeus von Olympia mit der Bestimmung, daß aus den Erträgen den Göttern das Geld, das er ihnen genommen hatte, zurückerstattet werden sollte. 20. Als er hierauf erfuhr, daß Flaccus, ein Angehöriger der Gegenpartei, zum Konsul gewählt sei und mit Heeresmacht Uber das Ionische Meer gefahren komme, angeblich gegen Mithridates, tatsächlich aber gegen ihn selbst, wandte er sich nach Thessalien, um ihm entgegenzutreten. Ais er aber in die Gegend der Stadt Meliteia 1 gekommen war, gelangten von vielen Seiten Botschaften an ihn, daß das Land hinter ihm wiederum von einem königlichen Heere, nicht schwächer als das vorige, verwüstet werde. Denn Dorylaos war mit einer großen Flotte in Chalkis gelandet, auf der er achtzigtausend Mann der am besten geübten und disziplinierten Truppen des Mithridates heranbrachte, war sofort in Boiotien eingefallen und hielt das Land besetzt in der Absicht, Sulla zu einer entscheidenden Schlacht herbeizuziehen, ohne auf die Warnungen des Archelaos zu achten, und er hatte über die erste Schlacht die Lesart in Umlauf gebracht, daß so viele Zehntausende nicht ohne Verrat hätten vernichtet werden können. Sulla kehrte eiligst um und bewies dem Dorylaos, daß Archelaos ein kluger und über die römische Waffentüchtigkeit wohlunterrichteter Mann sei, so daß er, nachdem er von Sulla nur eine geringfügige Schlappe beim Berge Tilphossion 1 erlitten hatte, der erste war, der sich dafür aussprach, man solle nicht eine Schlachtentscheidung suchen, sondern mit Hilfe der Überlegenheit an Geld und Material den Krieg in die Länge ziehen. Doch gab dem Archelaos das Gelände bei Orchomenos 3 , wo sie ihr Lager hatten, wieder einige Zuversicht, weil es für ein kavalleristisch überlegenes Heer besonders günstig für eine Schlacht ist. Denn von allen Ebenen Boiotiens die größte und schönste ist diese,

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die sich an die Stadt Orchomenos schließt und flach und baumlos bis zu den Sümpfen erstreckt, in denen der Fluß Melas sich verliert, welcher unterhalb der Stadt Orchomenos entspringt und als einziger der griechischen Flüsse gleich an der Quelle wasserreich und schiffbar ist, um die Zeit der Sommersonnenwende anschwillt wie der Nil und ähnliche Pflanzen hervorbringt, wie sie dort wachsen, nur daß sie keine Früchte tragen und nicht hoch wachsen. Er fließt aber nicht viel weiter, sondern versickert größtenteils sogleich in trügerischen, schlammigen Sümpfen, und nur ein kleiner Teil seines Gewässers vereinigt sich mit dem Kephisos in der Gegend, wo der See, wie man meint, das beste Flötenrohr hervorbringt. 21. Als dann die Gegner dicht beieinander ihre Lager aufgeschlagen hatten, verhielt Archelaos sich ruhig, Sulla aber ließ nach beiden Seiten Gräben ausheben, um die Feinde, wenn möglich, von dem festen, für den Reiterkampf geeigneten Boden abzuschneiden und in die Sümpfe zu drängen. Da die das nicht dulden wollten, sondern, sowie ihnen von ihren Führern das Zeichen gegeben wurde, in wildem Galopp attackierten, wurden nicht nur die Schanzarbeiter Sullas auseinandergejagt, sondern auch das ihnen beigeordnete Schutzkommando wurde größtenteils zersprengt und ergriff die Flucht. Da sprang Sulla selbst vom Pferde, ergriff ein Feldzeichen, drängte durch die Fliehenden auf die Feinde los mit dem Rufe: «Für mich ist es rühmlich, ihr Römer, hier zu fallen. Ihr aber, wenn man euch fragt, wo ihr euren Feldherrn verraten habt, vergeßt nicht zu sagen: bei Orchomenos!» Dieses Wort brachte sie zum Umkehren, auch kamen gleichzeitig zwei Kohorten vom rechten Flügel zu Hilfe; die führte er zum Angriff und schlug die Feinde zurück. Hieraufnahm er seine Leute ein wenig zurück, ließ sie essen und setzte dann die Umschanzung des feindlichen Lagers fort. Daraufhin griffen diese wiederum in besserer Ordnung als zuvor an, Diogenes, der Stiefsohn des Archelaos,

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zeichnete sich auf d e m rechten Flügel aus und fand einen r u h m vollen T o d , die Bogenschützen, die bei dem scharfen A n d r ä n gen der R ö m e r keinen Platz mehr hatten, um ihre B o g e n z u spannen, nahmen die Pfeile bündelweise in die H a n d , stachen damit w i e mit S c h w e r t e r n und suchten die Feinde so z u r ü c k zuschlagen, w u r d e n aber schließlich doch ins L a g e r g e d r ä n g t u n d verbrachten u n t e r d e r M e n g e der V e r w u n d e t e n eine angst- u n d notvolle N a c h t . A m M o r g e n f ü h r t e Sulla seine Soldaten w i e d e r an das feindliche L a g e r heran zur F o r t s e t z u n g der Schanzarbeit, u n d als sie mit der H a u p t m a c h t sich z u m K a m p f e stellten, s c h l u g er sie in die F l u c h t , und da nach ihrer N i e d e r l a g e keiner mehr standhielt, nahm er das L a g e r i m Sturm. Fallend erfüllten sie die Sümpfe mit ihrem B l u t , den See mit ihren Leichen, so daß noch jetzt vielfach, i m S c h l a m m v e r s u n k e n , Bogen der Barbaren, H e l m e , Stücke v o n eisernen Panzern und S c h w e r t e r gefunden w e r d e n , nachdem annähernd zweihundert J a h r e seit jener Schlacht verflossen s i n d S o v e r liefen nach den Berichten die Schlachten bei Chaironeia u n d Orchomenos. 22. D a unterdes Cinna und C a r b o * in R o m gegen die v o r nehmsten M ä n n e r ungerecht und g e w a l t t ä t i g v o r g i n g e n , so retteten sich viele auf der Flucht v o r der G e w a l t h e r r s c h a f t w i e in einen Hafen in das L a g e r Sullas, und so hatte sich binnen kurzem um ihn eine A r t von Senat gebildet. A u c h M e t e l l a , die mit genauer N o t sich u n d die Kinder davongestohlen hatte, kam zu ihm mit der M e l d u n g , daß sein Haus und seine L a n d güter v o n den Feinden eingeäschert worden w a r e n , u n d bat ihn, der Heimat zu helfen. Während er noch i m Z w e i f e l w a r und es w e d e r über sich bringen konnte, das geschändete V a terland im Stich zu lassen, noch sich entschließen konnte, davonzugehen und ein so gewaltiges Unternehmen w i e den M i thridatischen K r i e g unvollendet hinter sich zu lassen, erscheint bei ihm ein K a u f m a n n aus Delion, Archelaos mit N a m e n , u m

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ihm insgeheim gewisse Aussichten und Vorschläge im Auftrage des königlichen Feldherrn Archelaos zu überbringen. Das nahm Sulla so freudig auf, daß er sich beeilte, zu persönlicher Verhandlung mit Archelaos zusammenzutreffen. Sie trafen sich am Meer bei Delion, wo das Heiligtum Apollons steht. Archelaos begann die Verhandlung mit dem Vorschlag, Sulla solle auf Asien und den Pontos verzichten und sich dem Kriege in Rom zuwenden, wozu er Geld, Kriegsschiffe und Truppen vom Könige bekommen werde, soviel er wolle. Darauf erwiderte Sulla, Archelaos sollte sich doch nicht weiter um Mithridates sorgen, sondern selbst statt seiner König werden, sich mit den Römern verbünden und ihnen seine Flotte ausliefern. Als Archelaos einen solchen Verrat weit von sich wies, sagte Sulla: «So kannst also du, Archelaos, ein Kappadokier und Sklave oder, wenn du willst, Freund eines barbarischen Königs, trotz eines so großen Gewinnes dich nicht zu einer solchen Schändlichkeit entschließen; aber zu mir, einem römischen Feldherrn, einem Sulla, wagst du von Verrat zu reden, als ob du nicht der Archelaos wärest, der mit wenigen Begleitern, die einzig übrig waren von hundertzwanzigtausend, von Chaironeia geflohen ist, der sich zwei Tage lang in den Sümpfen von Orchomenos verborgen hat, der ein Boiotien zurückgelassen hat, unpassierbar durch Berge von Leichen!» Daraufhin änderte Archelaos sein Verhalten, demütigte sich und bat Sulla, dem Kriege ein Ende zu machen und sich zum Frieden mit Mithridates herbeizulassen. Sulla ging auf den Vorschlag ein, und es wurde das Abkommen getroffen, daß Mithridates die Provinz Asien und Paphlagonien 1 räumen, Bithynien dem Nikomedes, Kappadokien dem Ariobarzanes abtreten und den Römern zweitausend Talente zahlen und siebzig Kriegsschiffe mit der zugehörigen Ausrüstung liefern, Sulla seinerseits ihm sein übriges Reich garantieren und ihn als Bundesgenossen der Römer anerkennen lassen sollte.'

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23. Nachdem dieser Vertrag geschlossen war, kehrte er um und machte sich durch Thessalien und Makedonien auf den Weg zum Hellespont, begleitet von Archclaos, den er in hohen Ehren hielt, und als dieser in Larissa 1 gefährlich erkrankte, unterbrach er die Reise und sorgte für ihn wie für einen der ihm unterstellten Feldherren und Stabsoffiziere. Dies weckte den Verdacht, als ob es bei dem Siege bei Chaironeia nicht ganz mit rechten Dingen zugegangen sei, und ebenso der Umstand, daß Sulla zwar die anderen Freunde des Mithridates, die er gefangen genommen hatte, freiließ, einzig aber den Tyrannen Aristion, der ein Feind des Archelaos war, durch Gift beseitigen ließ; insbesondere aber, daß dem Kappadokier auf Euboia zehntausend Quadratfuß Landes geschenkt wurden und daß ihn Sulla als Freund und Bundesgenossen der Römer erklären ließ. Wegen dieser Vorwürfe sucht Sulla selbst in seinen Denkwürdigkeiten sich zu rechtfertigen. Als nun aber Gesandte von Mithridates erschienen und sich zwar mit den übrigen Bedingungen einverstanden erklärten, aber nicht in die Abtretung Paphlagoniens willigen und von der Übergabe der Schiffe überhaupt nichts wissen wollten, da wurde Sulla zornig und rief: «Was sagt ihr? Mithridates verlangt Paphlagonien und lehnt die Lieferung der Schiffe ab? Er, von dem ich dachte, er würde mir auf den Knien danken, wenn ich ihm die rechte Hand ließe, mit der er so viele Römer ermordet hat! Er wird bald andere Töne hören lassen, wenn ich nach Asien hinüberkomme! Jetzt sitzt er in Pergamon und will mit Worten einen Krieg lenken, den er nicht mit Augen gesehen hat.» Die Gesandten schwiegcn erschreckt, Archelaos aber faßte Sullas Hand und suchte mit Bitten und Tränen seinen Zorn zu besänftigen. Schließlich erreichte er, daß er selbst zu Mithridates abgeordnet wurde: entweder werde er den Frieden zu den von Sulla gewünschten Bedingungen zustande bringen, oder wenn es ihm nicht gelinge, werde er sich selbst den Tod

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geben. Daraufhin ließ Sulla ihn gehen und fiel selbst ins Land der M a i d e r 1 ein. N a c h d e m er es größtenteils verwüstet hatte, kehrte er nach Makedonien zurück und empfing Archelaos bei Philippi, w o er ihm meldete, alles sei im reinen und Mithridates bitte ihn dringend u m eine persönliche Unterredung. Der Hauptanlaß dieses Wunsches war Fimbria, der den römischen Befehlshaber von der Gegenpartei, Flaccus, ermordet, die Feldherren des Mithridates besiegt hatte und nun gegen ihn selbst im Anmarsch war. Aus Furcht vor ihm wollte Mithridates lieber mit Sulla Freund werden. 24. So kamen sie denn in Dardanos in der T r o a s zusammen. Mithridates v e r f ü g t e dort über zweihundert Ruderschiffe, zwanzigtausend Mann schwerbewaffnetes F u ß v o l k , sechstausend Reiter und zahlreiche Sichelwagen, Sulla hatte nur vier Kohorten und zweihundert Reiter. Als Mithridates ihm entgegenkam und die rechte Hand ausstreckte, fragte er ihn, o b er den K r i e g zu den mit Archelaos vereinbarten Bedingungen beenden wolle, und als der König schwieg, sagte er: «Sache der Bittenden ist es, zuerst zu reden; dem Sieger genügt das Schweigen.» Und als Mithridates sich zu rechtfertigen begann und die Schuld an dem Kriege teils auf die Götter, teils auch auf die Römer selbst zu schieben versuchte, unterbrach ihn Sulla und sagte, er habe schon längst von anderen gehört, jetzt aber sich selbst überzeugt, daß Mithridates ein Meister der Redekunst sei, da er nach so schlimmen und ruchlosen T a t e n um schöne Worte nicht verlegen sei. Dann rechnete er ihm alles, was er getan hatte, mit scharfer Anklage vor und fragte ihn noch einmal, o b er das mit Archelaos Vereinbarte einzuhalten gedenke. Erst als er sich dazu bereit erklärte, begrüßte, umarmte und k ü ß t e ihn Sulla, führte sodann die Könige Ariobarzanes und N i k o m e d e s herein und versöhnte sie mit M i thridates. Dieser übergab nun die siebzig Schiffe und fünfhundert Bogenschützen und segelte heim nach Pontos. A l s Sulla

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jetzt bemerkte, daß die Soldaten über diesen Friedensschluß ungehalten waren - denn es schien ihnen unerträglich mit anzusehen, wie der verhaßteste aller Könige, der an einem Tage hundertfiinfzigtausend Römer in Asien hatte umbringen lassen, mit Schätzen und Beute beladen aus dem Asien davonfuhr, das er vier Jahre lang ununterbrochen ausgeplündert und ausgesogen hatte - , da entschuldigte sich Sulla vor ihnen: er wäre außerstande gewesen, mit Fimbria und Mithridates gleichzeitig, wenn sie beide sich gegen ihn vereinigt hätten, Krieg zu fuhren. 25. Sulla zog nunmehr von Dardanos aus gegen Fimbria, der bei Thyateira 1 lagerte, machte in seiner Nähe halt und ließ einen Graben fiir das Lager ausheben. Da kamen die Soldaten Fimbrias in der bloßen Tunika aus dem Lager hervor, begrüßten die Leute Sullas und halfen ihnen eifrig bei der Arbeit. Als Fimbria diesen Umschwung der Gesinnung bemerkte, und da er die Unversöhnlichkeit Sullas fürchtete, gab er sich in seinem Lager selbst den Tod. Sulla bestrafte die Provinz Asien insgesamt mit zwanzigtausend Talenten, und im einzelnen richtete er die Bewohner durch den Übermut und die Habgier der einquartierten Soldaten zugrunde. Denn es war festgesetzt, daß der Wirt dem Quartiernehmer fiir jeden Tag sechzehn Drachmen zu zahlen und ihm die Verpflegung für ihn selbst und für soviele Freunde, wie ihm einzuladen beliebte, zu gewähren hatte, und ein Offizier hatte fünfzig Drachmen täglich zu bekommen und zweierlei Kleidung, für den Aufenthalt im Hause und fürs Ausgehen auf den Markt. 26. Endlich lief er mit allen Schiffen von Ephesos aus und landete am dritten Tage im Piräus. Er ließ sich in die Mysterien einweihen und eignete sich die Bibliothek des Apellikon von Teos an, in der sich die meisten Schriften des Aristoteles und Theophrast befanden, die damals in weiteren Kreisen noch

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nicht sehr gut bekannt waren. A l s die Bibliothek nach R o m gebracht worden war, w u ß t e der G r a m m a t i k e r T y r a n n i o n , so wird berichtet, sie sich z u m größeren T e i l z u beschaffen, u n d v o n ihm bekam der R h o d i e r Andronikos A b s c h r i f t e n und veröffentlichte sie, verfaßte auch die j e t z t im U m l a u f befindlichen Kataloge. Die älteren Peripatetiker sind z w a r ohne Z w e i f e l an sich k l u g e und gelehrte Männer g e w e s e n , haben aber die Schriften des Aristoteles und T h c o p h r a s t nur z u m k l e i n e n T e i l und nicht genau g e k a n n t , weil der N a c h l a ß des Neleus v o n Skepsis, dem T h e o p h r a s t seine Bücher hinterlassen hatte, in die Hände ungebildeter und interesseloser M e n s c h e n g e k o m men w a r 1 . W ä h r e n d Sulla sich in A t h e n aufhielt, befiel ihn ein Fußleiden, das mit Ertauben und B e w e g u n g s u n f ä h i g k e i t v e r b u n d e n w a r ; Strabon nennt es einen V o r b o t e n der F u ß g i c h t . Er fuhr darum nach Aidepsos und brauchte die heißen B ä d e r 1 , k ü m merte sich um nichts und verbrachte den T a g in Gesellschaft v o n Bühnenkünstlern. A l s er einmal am M e e r spazieren g i n g , überreichten ihm Fischer sehr schöne Fische. Erfreut über die G a b e fragte er, w o sie her wären, und als er h ö r t e , aus Halai, sagte e r : « L e b t denn noch jemand aus H a l a i ? » Er hatte nämlich bei der V e r f o l g u n g der Feinde nach d e m Siege bei O r c h o menos drei Städte Boiotiens, A n t h e d o n , L a r y m n a und Halai, z u gleicher Z e i t z e r s t ö r t 1 . Als die L e u t e darauf v o r S c h r c c k sprachlos waren, lächelte er und sagte, sie sollten nur g e t r o s t nach Hause gehen, da sie ja mit so t ü c h t i g e n , un verächtlichen Fürsprechern g e k o m m e n seien. D a r a u f h i n , sagen die L e u t e v o n Halai, hätten sie sich getraut, sich wieder a u f d e m alten Platze anzusiedeln. 2j. H i e r a u f z o g Sulla durch Thessalien u n d M a k e d o n i e n hina b z u m Meere und traf die V o r b e r e i t u n g e n , u m v o n D y r r h a chion a u f z w ö l f h u n d e r t Schiffen nach B r u n d i s i u m 4 überzusetzen. In der N ä h e v o n D y r r h a c h i o n liegt A p o l l o n i a und dabei

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das Nymphaion, ein heiliger Ort, wo in einem grünenden Tal und aufwiesen verschiedentlich Quellen unablässig fließenden Feuers h e r v o r b r e c h e n D o r t soll ein schlafender Satyr gefangen worden sein, ganz so gestaltet, wie Bildhauer und Maler sie darstellen. Er wurde zu Sulla geführt und durch viele Dolmetscher gefragt, wer er wäre. Als er endlich mit Mühe und Not den Mund auftat, aber nichts Sinnvolles hervorbrachte, sondern nur rauhe Töne wie ein Gemisch aus Pferdegewieher und Ziegen gemecker, bekam Sulla einen Schreck und ließ ihn in feierlicher Form beseitigen. Als er nun im Begriff war, die Soldaten einzuschiffen, und die Besorgnis hegte, daß sie sich, sobald sie nach Italien kämen, in ihre Städte zerstreuen würden, da schworen sie zunächst von sich aus, bei ihm zu bleiben und, soviel an ihnen liege, in Italien keinen Schaden anzurichten, und da sie ferner sahen, daß er viel Geld brauchte, so veranstalteten sie eine Sammlung und gaben, jeder nach seinem Vermögen. Aber Sulla nahm das Opfer nicht an, sondern lobte sie nur, ermunterte sie und fuhr dann hinüber, wie er selbst sagt, gegen fünfzehn feindliche Feldherren, die über vierhundertfünfzig Kohorten verfügten. Doch verkündete ihm der Gott aufs deutlichste einen glücklichen Erfolg. Denn als er gleich, wo er gelandet war, in der Gegend von Tarent opferte, zeigte die Leber des Opfertieres die Form eines Lorbeerkranzes und zweier daran hängender Bänder. Und kurz vor seiner Überfahrt sah man in Kampanien beim Berge T i f a t a 1 mehrere Tage lang zwei große Heere aneinandergeraten und alles tun und erleiden, was geschieht, wenn Menschen miteinander kämpfen. Es war aber ein Trugbild, und nach kurzem erhob es sich von der Erde und zerstreute sich weithin durch die Luft, unbestimmten Gebilden gleichend, und endlich verging es. Nach nicht langer Zeit aber führten an diesem Ort der junge Marius und der Konsul Norbanus' große Streitkräfte heran, und Sulla schlug die Feinde in

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die Flucht, ohne einen Schlachtplan zu entwerfen und sein Heer demgemäß aufzustellen, nur dank dem Schwung der allgemeinen Begeisterung und des tollkühnen Draufgehens, und er schloß Norbanus in der Stadt Capua ein und tötete siebentausend Mann. Dies wurde der Anlaß, so sagt er selbst, daß die Soldaten nicht in ihre Heimatgemeinden auseinanderliefen, sondern beieinander blieben und die Gegner verachteten, obgleich sie an Zahl vielfach überlegen waren. In S i l v i u m s o berichtet er, kam ein gottbegeisterter Sklave eines gewissen Pontius zu ihm und sagte, er verkündige ihm von Bellona' die Oberhand im Kriege und den Sieg; wenn er sich aber nicht beeilte, dann werde das Kapitol niederbrennen. Und das sei auch wirklich an dem Tage geschehen, für welchen der Mann es voraussagte: es war dies der sechste des Monats Quintiiis, den wir Julius nennen. Marcus Lucullus, einer der Unterfeldherren Sullas, stand bei Fidentia 3 mit sechzehn Kohorten fünfzig feindlichen gegenüber. Er hatte zwar Zutrauen zu dem Mut und Eifer seiner Soldaten, zögerte aber, weil die meisten ohne Waffen waren. Während er sich noch bedachte und zauderte, trug von dem nahen Wiesenland her ein sanfter Windhauch viele Blüten zu dem Heer herüber und streute sie über es hin, daß sie auf die Schilde und Helme fielen und darauf liegenblieben, so daß sie den Feinden wie bekränzt erschienen. Das stärkte noch ihren Mut, sie griffen an, siegten, töteten achtzehntausend Mann und nahmen das Lager. Dieser Lucullus war der Bruder des Lucullus, der später den Mithridates und den Tigranes niederkämpfte. 28. Sulla, der sich noch von vielen feindlichen Lagern und großen Heeren auf allen Seiten umgeben sah, nahm nun zur Gewalt auch die List zu Hilfe, indem er den andern Konsul, Scipio 4 , zu Verhandlungen einlud. Da dieser darauf einging, fanden mehrere Zusammenkünfte und Besprechungen statt, aber Sulla wußte, indem er immer wieder einen Vorwand fand,

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die Sache hinzuzögern, die Soldaten Scipios durch seine Leute zu verfuhren, die wie ihr Feldherr in allen Künsten des Betruges und der Täuschung wohl geübt waren. Sie gingen nämlich ins Lager der Feinde, mischten sich unter sie und wußten sie entweder sofort durch Geld oder durch Versprechungen, Schmeicheleien und gutes Zureden zu gewinnen. Als schließlich Sulla mit zwanzig Kohorten ganz nahe an den Gegner heranrückte, begrüßten seine Leute die des Scipio, und die erwiderten den Gruß und gingen zu ihnen über. Scipio wurde, gänzlich allein geblieben, in seinem Zelt gefangengenommen, aber wieder freigelassen, und Sulla, der mit seinen zwanzig Kohorten wie mit Lockvögeln die vierzig der Feinde ins Garn gelockt hatte, führte sie alle zusammen in sein Lager. Bei der Gelegenheit soll Carbo gesagt haben, er habe mit zwei Tieren, die in Sulla steckten, zu kämpfen, einem Fuchs und einem Löwen, aber der Fuchs mache ihm mehr zu schaffen. In der Folge bot Marius bei Signia 1 mit fünfundachtzig Kohorten Sulla die Schlacht an. Der war sehr geneigt, gerade an diesem Tage zu schlagen, denn er hatte in der Nacht folgenden Traum gehabt. Es war ihm, als riete der alte, längst verstorbene Marius seinem Sohne Marius, sich vor dem kommenden Tage zu hüten, weil der ihm schweres Unglück bringen würde. Daher war Sulla geneigt zu kämpfen und berief Dolabella', der in einiger Entfernung lagerte, zu sich. Aber da die Feinde ihnen die Wege verlegten und durch Verschanzungen zu sperren suchten, so hatten die Leute Sullas schwere Mühe mit Kämpfen und Wegebauen; dazu brach noch, während sie arbeiteten, ein starker Regen los und vermehrte ihre Mühsal. Daher gingen die Offiziere zu Sulla und baten ihn, den Kampf aufzuschieben, indem sie auf die Soldaten hinwiesen, die vor Erschöpfung hingesunken waren und auf den niedergelegten Schilden ausruhten. Als er widerwillig zustimmte und den Befehl zum Halten gab und die Leute anfingen, das Lager zu er-

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richten und den Graben auszuheben, da kam Marius mit stolzem Mut an der Spitze seiner Truppen angesprengt, um sie in der Unordnung und Verwirrung auseinanderzujagen. Jetzt aber ließ die Gottheit Sulla den im Traum gegebenen Wink in Erfüllung gehen. Denn seine Soldaten erfaßte eine Wut, sie ließen die Arbeit liegen, steckten die Wurfspieße bei dem Graben in die Erde, zogen ihre Schwerter und stürzten sich mit wildem Geschrei ins Handgemenge mit den Feinden. Die hielten nicht lange stand, sondern wandten sich zur Flucht, und es gab ein großes Blutbad. Marius floh nach P r a e n e s t e f a n d aber die Tore schon geschlossen und wurde an einem von oben herabgelassenen Seil, in das er sich band, auf die Mauer hinaufgezogen. Einige sagen jedoch - unter ihnen Fenestella' Marius habe von dem Kampf gar nichts bemerkt, sondern infolge schlafloser Nächte und Übermüdung sei er, unter einem schattigen Baum am Boden gelagert, nachdem das Zeichen zur Schlacht gegeben war, in Schlaf gesunken und dann erst, als die Flucht begann, mit Mühe aufgeweckt worden. In dieser Schlacht behauptet Sulla selbst nur dreiundzwanzig Mann verloren, aber zwanzigtausend Feinde getötet und achttausend lebend gefangen zu haben. Auch sonst wurde er in ähnlicher Weise durch seine Unterfuhrer vom Glück begünstigt, Pompejus, Crassus, Metellus und ServiliusDenn diese erlitten nur geringfügige Schlappen, vernichteten aber große Streitkräfte der Feinde, so daß schließlich Carbo, der Hauptträger des feindlichen Widerstandes, nachts aus seinem Lager entwich und nach Afrika hinüberfuhr. 29. Derjenige aber, der zur letzten Schlacht ihm wie ein frischer Kämpfer einem schon abgekämpften entgegentrat, der Samnite Telesinos, war nahe daran, ihn vor den Toren Roms noch zu Falle zu bringen und niederzuwerfen. Er hatte nämlich, vereint mit dem Lucaner Lamponius, ein starkes Heer zusammengebracht und eilte nach Praeneste, um den belagerten

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Marius zu entsetzen. Als er aber erfuhr, daß Sulla von vorn, Pompejus im Rücken gegen ihn im Anmarsch seien, so daß ihm der Weg nach vorn wie nach rückwärts verlegt war, brach er als ein kriegstüchtiger, in großen Kämpfen erfahrener Feldherr bei Nacht auf und richtete seinen Marsch mit dem ganzen Heere auf Rom selbst, und um ein Haar wäre er in die ungeschützte Stadt eingebrochen. Als er von der porta Collina nur noch zehn Stadien 1 entfernt war, schlug er im Angesicht der Stadt sein Nachtlager auf, von Stolz und von großen Hoffnungen geschwellt in dem Glauben, so viele und so bedeutende Feldherren überlistet zu haben. Bei Tagesanbruch richteten die vornehmsten jungen Leute einen Reiterangriff auf ihn, aber er tötete außer vielen anderen auch Appius Claudius, einen hochadligen und tapferen Mann. Als die Stadt schon, wie natürlich, von Panik erfüllt war und die Frauen schrien und durcheinanderrannten in der Furcht, daß die Stadt nun im Sturm genommen würde, da kam als erster Baibus 1 in Sicht, der, von Sulla gesandt, mit siebenhundert Reitern herangaloppierte. Er ließ nur so lange halten, um den Pferden den Schweiß abzuwischen, dann wieder aufzäumen und sofort die Feinde angreifen. Indessen erschien auch Sulla, ließ die Vordersten nur ein wenig essen und sogleich in Schlachtordnung antreten. Zwar bestürmten ihn Dolabella und Torquatus mit Bitten, er solle noch verziehen und nicht mit den übermüdeten Männern den letzten und äußersten Kampf wagen; denn nicht mit Carbo und Marius, sondern mit Samniten und Lucanern, den romfeindlichsten und kriegstüchtigsten Völkern Italiens, habe er es zu tun; aber er stieß sie beiseite und ließ die Trompeten zum Angriff blasen, obwohl der schwindende T a g schon in die zehnte Stunde eintrat'. Es wurde ein Kampf wie keiner zuvor, und der rechte Flügel, auf dem Crassus stand, trug einen glänzenden Sieg davon. Dem linken Flügel, der schwer im Gedränge war und Not litt, kam Sulla auf einem Schimmel, ei-

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nem feurigen, schnellfüßigen Tier, zu Hilfe. Daran erkannten ihn zwei Feinde und holten mit ihren Lanzen zum Wurf auf ihn aus. Er selbst bemerkte es nicht, aber sein Reitknecht gab dem Pferd einen Schlag mit der Peitsche, so daß es noch eben so viel vorankam, daß die Lanzenspitzen am Schwanz des Pferdes vorbei zusammen in die Erde fuhren. Man erzählt, daß er ein kleines goldenes Bild des Apollon aus Delphi besaß und es in den Schlachten immer auf der Brust trug. Das habe er auch damals bei sich gehabt, es geküßt und zu ihm gesprochen: «O Pythischer Apollon, willst du Cornelius Sulla den Glücklichen, nachdem du ihn in so vielen Kämpfen zu Ruhm und Größe erhoben hast, hier vor den Toren der Vaterstadt, zu denen du ihn geführt hast, zu Falle kommen lassen, daß er schmählich mitsamt seinen Mitbürgern zugrunde geht?» Solche Gebete, so erzählt man, habe Sulla damals an den Gott gerichtet und die Leute angefleht, bedroht, mit seinen Händen zurückzureißen gesucht. Als aber schließlich der linke Flügel ganz zersprengt war, sei er nach Verlust vieler seiner Freunde und Gefährten im Gewühl der Flüchtigen ins Lager geflohen. Aber auch nicht wenige von denen, die aus der Stadt herausgekommen waren, um der Schlacht zuzusehen, kamen ums Leben und wurden niedergetreten, so daß die Stadt schon glaubte, daß es um sie geschehen sei, und beinahe auch die Belagerung des Marius aufgehoben wurde, da viele auf der Flucht dorthin drängten und den Befehlshaber des Belagerungsheeres, Ofella Lucretiusaufforderten, schleunigst aufzubrechen, weil Sulla verloren und Rom in der Hand der Feinde sei. 30. Erst spät in der Nacht kamen ins Lager Sullas Abgesandte von Crassus, um Verpflegung für ihn und seine Soldaten zu holen. Denn sie hatten nach dem Siege den Feind bis Antemna * verfolgt und dann dort ihr Lager bezogen. Als Sulla das erfuhr, und daß die Mehrzahl der Feinde vcrnichtct sei, kam er am

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frühen Morgen nach Antemna. Dreitausend Gegnern, die ihm durch Abgesandte ihre Ergebung antrugen, versprach er Gnade, wenn sie den anderen erst noch Schaden zugefugt hätten und dann zu ihm kämen. Sie glaubten ihm, griffen die übrigen an, und so kamen viele durcheinander ums Leben. Diese Leute und die Überlebenden der anderen Gruppen, etwa sechstausend, ließ er beim Zirkus zusammentreiben und berief den Senat in den Tempel der B e l l o n a u n d während er zu reden begann, schlachteten die dazu kommandierten Leute die Sechstausend ab. Als sich, da so viele Menschen auf engem Raum hingemordet wurden, natürlich ein großes Geschrei erhob und die Senatoren in Aufregung gerieten, sagte Sulla mit der ruhigen, unbewegten Miene, mit der er eben redete, sie sollten ctoch auf seine Worte achten und sich nicht um das bekümmern, was draußen vor sich gehe; es würden nur eben auf seinen Befehl einige Verbrecher bestraft. Dies machte es auch dem begriffsstutzigsten Römer klar, daß das Geschehene nur ein Wechsel der Tyrannei, keine Befreiung von ihr sei. Marius war von Anfang an ein harter Mann gewesen, und dieser sein Charakter hatte sich in der Macht nur verschärft, nicht gewandelt. Sulla aber, der zuerst von seinem Glück einen maßvollen und menschlichen Gebrauch gemacht und sich den Ruf eines aristokratischen, aber auch bürgerfreundlichen Führers erworben hatte, zudem von Jugend an Scherz und Gelächter geliebt hatte und so rührselig war, daß er leicht in Tränen ausbrach, brachte begreiflicherweise die unbeschränkte Macht in den Verruf, daß sie den menschlichen Charakter nicht bei seiner anfänglichen Artung belasse, sondern Verblendung, Übermut und Unmenschlichkeit erzeuge. Ob das nun eine durch die Umstände hervorgerufene Verrükkung und Wandlung der angeborenen Natur ist oder vielmehr eine Enthüllung der in ihr liegenden Schlechtigkeit im Genüsse der Macht, das zu bestimmen ist Sache einer anderen Arbeit.

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31. Als sich nun Sulla ans Morden machte und die Stadt mit Bluttaten ohne Zahl und ohne Maß erfüllte, so daß auch viele, die mit Sulla nichts zu tun hatten, auf Grund persönlicher Feindschaften umgebracht wurden, weil eres seinen Anhängern hingehen ließ oder auch zuliebe tat, da wagte ein junger Mann, Gajus Metellus, Sulla bei einer Senatssitzung zu fragen, wann der Jammer aufhören und wie weit er noch gehen werde, bis man ein Ende des Geschehens erwarten dürfe. «Denn», sagte er, «wir wollen nicht um Gnade für diejenigen bitten, die du zu töten beschlossen hast, sondern nur um Befreiung von der Ungewißheit für diejenigen, welche du zu schonen beschlossen hast.» Als darauf Sulla erwiderte, er wisse noch nicht, wen er freigeben wolle, nahm Metellus wieder das Wort und sagte: «Dann gib wenigstens bekannt, wen du bestrafen willst.» Das versprach Sulla zu tun. Einige sagen übrigens, nicht Metellus, sondern einer der Schmeichler Sullas, ein gewisser Fufidius, habe die letzterwähnten Worte gesagt. Sulla ächtete nun sofort achtzig Bürger durch öffentlichen Aushang, ohne sich mit irgendeinem der leitenden Beamten zu verständigen. Obwohl sich alle darüber entrüsteten, ließ er doch nur einen Tag verstreichen und ächtete weitere zweihundertzwanzig und dann am dritten Tage eine nicht geringere Zahl. Obendrein erklärte er in einer Rede vor dem Volk, er ächte jetzt diejenigen, die ihm gerade einfielen; diejenigen, deren er sich jetzt nicht entsinne, werde er später ächten. Die Ächtung vollzog er so, daß er für denjenigen, der einen Geächteten aufnähme oder ihm zur Flucht verhülfe, den Tod als Strafe für seine Menschlichkeit festsetzte, ohne Bruder, ohne Sohn, ohne Eltern auszunehmen, und dem, der ihn tötete, zwei Talente als Lohn für den Mord versprach, auch wenn der Sklave den Herrn, auch wenn der Sohn den Vater tötete. Was aber als das Allerschändlichste erschien: er erkannte auch den Söhnen und Enkeln der Geächteten das Bürgerrecht ab und konfiszierte die Vermögen

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von ihnen allen. Und zwar fanden die Ächtungen nicht nur in Rom statt, sondern auch in jeder Stadt Italiens, und es gab keinen Tempel der Götter, keinen gastlichen Herd, kein Vaterhaus, das rein blieb vom Blute Ermordeter; neben ihren Ehefrauen wurden Männer, bei ihren Müttern Söhne hingeschlachtet, und die aus Haß und Feindschaft umgebracht wurden, waren nur eine verschwindende Minderzahl, verglichen mit denen, die wegen Geldes ermordet wurden; ja die Mörder unterstanden sich zu sagen, dem habe sein großes Haus den Tod bereitet, dem sein Garten, einem andern seine heißen Bäder. Quintus Aurelius, ein ganz unpolitischer Mann, der nur insoweit mit den Nöten der Zeit etwas zu tun zu haben meinte, als er mit den Unglücklichen Mitleid hatte, kam auf den Markt und las die Liste der Geächteten. Als er da seinen Namen fand, sagte er nur: «Ich Armer! Das Landgut in den Albaner Bergen ist mein Unglück», ging nur ein paar Schritte weiter und wurde schon von einem Verfolger niedergehauen. 32. Inzwischen gab sich Marius, als er gefangengenommen werden sollte, selbst den Tod. Sulla kam nach Praeneste und richtete zuerst Mann für Mann und bestrafte; dann ließ er, da er keine Zeit habe, alle auf einmal auf denselben Platz zusammenfuhren - es waren zwölftausend - und niedermachen, nur daß er seinem Gastfreund das Leben schenken wollte. Aber der erklärte ihm hochgemut, er werde niemals dem Mörder seines Vaterlandes den Dank für sein Leben schuldig sein wollen, mischte sich freiwillig unter seine Mitbürger und wurde mit ihnen erschlagen. Das Unerhörteste aber von allem, was geschah, vollführte Lucius Catilina. Dieser hatte, ehe noch die Entscheidung gefallen war, seinen Bruder ermordet und bat nun Sulla, den Mann, als ob er noch lebte, zu ächten, und so geschah es. Um dafür Sulla seinen Dank abzustatten, ermordete er einen gewissen Marcus Marius', einen Angehörigen der Gegenpartei, überbrachte den Kopf Sulla, der auf dem

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Markt saß, und ging dann zu dem nahen Weihwasserkessel des Apollon, um sich die Hände abzuwaschen. 33. Doch auch mit seinem übrigen Verhalten, abgesehen von seinen Bluturteilen, kränkte er die Menschen, denn er ernannte sich selbst zum Diktator, ein Amt, das so seit hundertzwanzig Jahren zum erstenmal wieder aufgenommen wurde'. Ferner wurde für ihn Enthebung von der Verantwortung für alles Geschehene beschlossen und ihm für die Zukunft Vollmacht gegeben, die Todesstrafe zu verhängen, Güter einzuziehen, Kolonien zu gründen oder aufzuheben und Königreiche zu nehmen und zu geben, wem er wollte. Die Versteigerung der eingezogenen Vermögen vollzog er, auf einem Podium sitzend, so übermütig und despotisch, daß seine Schenkungen noch mehr Erbitterung erregten als die Konfiskationen, da er an schöne Weiber, Kabarettsänger, Schauspieler und an das übelste Freigelassenengesindel die Ländereien von Völkern und die Einkünfte von Städten vergabte, einigen auch Frauen gegen deren Willen zur Ehe gab. Da er Pompejus Magnus verwandtschaftlich an sich binden wollte, befahl er ihm, sich von seiner Frau zu scheiden, und verheiratete ihn mit Aemilia, der Tochter des Scaurus und seiner eigenen Frau Metella, indem er sie dem Manius Glabrio wegnahm, obwohl sie schwanger war'; bei der Geburt starb dann die junge Frau im Hause des Pompejus. Als Lucretius Ofella, der Eroberer des von Marius gehaltenen Praeneste, das Konsulat für sich erbat und sich darum bewerben wollte, verbot er es ihm zunächst. Als Ofella aber, von vielen Freunden unterstützt, auf den Marktplatz kam, schickte er einen der Centurionen seiner Umgebung und ließ den Mann totschlagen, während er selbst auf einem Podium vor dem Castortempel saß und dem Mord von oben zuschaute. Als die Menschen den Centurio ergriffen und vor Sullas Podium führten, hieß er die Aufgeregten schweigen, erklärte,

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er selbst habe ihm den Auftrag gegeben, und befahl, den Centuno loszulassen. 34. Sein Triumph jedoch, der schon durch die Kostbarkeit und Seltenheit der dem König abgenommenen Beute von großer Pracht war, erhielt einen noch größeren Schmuck und war ein noch schöneres Schauspiel durch die verbannt Gewesenen. Denn die angesehensten und einflußreichsten Bürger geleiteten ihn bekränzt und priesen Sulla als ihren Retter und Vater; kehrten sie doch durch ihn ins Vaterland zurück und brachten Frauen und Kinder mit. Als endlich alles vollendet war, gab er in einer Volksversammlung einen genauen Bericht über seine Taten und zählte mit nicht geringerer Sorgfalt die Glücksfälle her wie die eigenen Leistungen, und endlich forderte er sie auf, ihm daraufhin den Beinamen «der Glückliche» zu geben; denn das ist die Bedeutung des Wortes Felix. In Briefen an Griechen und bei Verhandlungen mit ihnen nannte er sich selbst Epaphroditos, «Liebling der Aphrodite», und bei uns ist er auf den Siegesmalen 1 so verzeichnet: Leukios Kornelios Syllas Epaphroditos. So nannte er auch, als Metella ihm Zwillinge gebar, den Knaben Faustus und das Mädchen Fausta; dieses Wort brauchen nämlich die Römer für «glücklich» und «erfreulich». Und so sehr verließ er sich nicht sowohl auf seine Taten wie auf sein Glück, daß er, nachdem er eine Unzahl von Menschen umgebracht und einen so tiefgreifenden Umsturz und Verfassungswandel im Staate herbeigeführt hatte, sein Amt niederlegte, dem Volk das Recht wieder gab, Konsulwahlen zu veranstalten, und selbst keinen Einfluß darauf nahm, sondern wie ein Privatmann auf dem Forum herumging und seine Person einem jeden, der sich an ihm hätte rächen wollen, zur Verfügung stellte. Dabei stand zu erwarten, daß entgegen seinen Wünschen ein verwegener, ihm feindlich gesinnter Mann, Marcus Lepidus, zum Konsul gewählt werden würde, nicht um seinet-

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willen, sondern weil das Volk sich dem Pompejus, der sich eifrig fiir Lepidus bemühte, gefällig erweisen wollte. Als darum Sulla den Pompejus erfreut über den Sieg davongehen sah, rief er ihn zu sich und sagte: «Das war ein schöner Streich von dir, junger Mann, den Lepidus vor Catulus zum Konsul ausrufen zu lassen, den unzuverlässigsten Gesellen vor dem besten Mann von allen. Jetzt ist es Zeit, daß du nicht schläfst, da du deinem Widersacher selbst größere Macht gegen dich in die Hand gegeben hast.» Das war gleichsam ein prophetisches Wort Sullas, denn sehr bald schlug Lepidus über die Stränge, so daß es zum Kriege mit Pompejus kam 35. Als nun Sulla dem Hercules den Zehnten seines ganzen Vermögens opferte, veranstaltete er eine üppige Bewirtung für das Volk, und die Vorbereitungen gingen so sehr über das nötige Maß hinaus, daß täglich große Mengen von feinen Speisen in den Fluß geschüttet werden mußten und vierzig - und mehr - Jahre alter Wein getrunken wurde. Mitten während dieser Gastereien, die mehrere Tage währten, starb Metella an einer Krankheit, und da die Priester Sulla geboten, nicht zu ihr zu gehen und sein Haus nicht durch den Todesfall beflecken zu lassen, so schickte Sulla ihr den Scheidebrief und ließ sie noch lebend in ein anderes Haus bringen. Hierin also wahrte er aufs genaueste den Brauch, aus religiöser Ängstlichkeit. Das von ihm selbst eingebrachte Gesetz aber, welches den Aufwand bei Leichenbegängnissen einschränkte, übertrat er und sparte keine Ausgabe. Ebenso setzte er sich über seine eigenen Verordnungen hinweg, die Sparsamkeit bei Gastmählern forderten, und suchte sich durch Trinkgelage und Schmausereien, bei denen es üppig und wenig fein zuging, über den Verlust hinwegzutrösten. Nach Verlauf weniger Monate fanden Gladiatorenspiele statt. Die Plätze waren noch nicht getrennt, sondern Männer und Frauen saßen im Zuschauerraum durcheinander. Da traf es sich, daß in der Nähe Sullas eine Frau von

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großer Schönheit und edler Abkunft ihren Platz hatte. Sie war eine Tochter Messalas, Schwester des Redners Hortensius, und hieß Valeria 1 ; kurz vorher war sie von ihrem Mann geschieden worden. Als diese hinter Sullas Rücken vorbeiging, streckte sie die Hand aus, zupfte einen Flocken Wolle aus seiner Toga und ging weiter auf ihren Platz. Als Sulla verwundert nach ihr blickte, sagte sie: «Nichts Böses, Imperator; ich möchte nur ein bißchen von deinem Glück abbekommen.» Das hörte Sulla nicht ungern, sondern es war sofort deutlich, daß er einen Stich abbekommen hatte, denn er erkundigte sich in der Stille nach ihrem Namen, ihrer Familie und ihrem Lebenswandel. Darauf gab es ein Geäugel hin und her, ein ewiges Umdrehen nacheinander und Anlächeln, und schließlich eine Verlobung und Ehe, die fiir sie vielleicht nicht tadelnswert war; Sulla aber heiratete zwar eine sittsame und vornehme Frau, doch der Anfang des Verhältnisses war weder fein noch vernünftig, da er sich wie ein Knabe durch Augenspiel und Koketterie einfangen ließ, wodurch oft die schimpflichsten und ungehemmtesten Leidenschaften erregt werden. 36. Übrigens setzte er auch, als er Valeria im Hause hatte, seinen Verkehr mit Schauspielerinnen, Lautenspielerinnen und anderen Leuten von der Bühne fort und hielt vom frühen Morgen an, auf Sofas herumliegend, mit ihnen Gelage. Denn diese Leute waren es, die damals bei ihm den größten Einfluß hatten, der komische Schauspieler Roscius % der erste Mimenspieler Sorix und der Kabarettsänger Metrobios, in den er, obgleich er aus den Jahren der Blüte heraus war, bis an sein Ende verliebt war und auch kein Hehl daraus machte. So brachte er die Krankheit, die er sich aus geringfügigem Anlaß zugezogen hatte, zu schneller Entwicklung und wußte lange Zeit nicht, daß er eine Entzündung in den Eingeweiden hatte, die dann alles Fleisch ansteckte und in Läuse verwandelte, so daß, obwohl viele sie ihm bei Tag und Nacht ablasen,

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die weggenommenen doch immer nur ein Bruchteil der neu hinzukommenden waren und jedes Kleidungsstück, das Bad, das Waschwasser, die Speisen sich mit diesem verdorbenen Sekret füllten; so massenhaft sonderte es sich ab. Daher stieg er oftmals am Tage ins Wasser, um sich den Körper abzuspülen und zu reinigen. Aber es nützte nichts; so schnell ging die Zersetzung vor sich, und die Menge der Ausscheidungen spottete jedes Reinigungsversuches. Es heißt, daß schon im frühen Altertum Akastos, der Sohn des Pelias, an der Läusekrankheit gestorben ist, später dann der Lyriker Alkman, der Theologe Pherekydes, Kallisthenes von Olynth, als er im Gefängnis gehalten wurde, endlich auch der Jurist Mucius. Wenn man aber auch Leute nennen darf, die zwar nicht durch eine wertvolle Leistung, aber immerhin bekannt geworden sind, so ist zu sagen, daß auch der Anstifter des Sklavenkrieges in Sizilien, der ausgerissene Sklave Eunus, als er nach seiner Gefangennahme nach Rom transportiert wurde, an der Läusekrankheit gestorben ist 37. Sulla wußte nicht nur sein Ende voraus, sondern er hat sogar gewissermaßen über es geschrieben. Denn am zweiundzwanzigsten Buch seiner Denkwürdigkeiten hat er erst zwei Tage vor seinem Tode zu schreiben aufgehört, und er erzählt darin, die Chaldäer hätten ihm prophezeit, es sei ihm bestimmt, ein glückliches Leben zu fuhren und auf der Höhe seiner Erfolge zu sterben. Er erzählt ferner, sein Sohn, der kurz vor Metella gestorben war, sei ihm im Traum erschienen; er sei in Trauerkleidung zu ihm getreten und habe den Vater gebeten, sich doch aller Sorgen zu entschlagen, mit ihm zu seiner Mutter Metella zu gehen und mit ihr in Ruhe und frei von Geschäften zu leben. Allein er hörte nicht auf, sich mit den öffentlichen Angelegenheiten abzugeben. Denn zehn Tage vor seinem Tode schlichtete er einen Streit zwischen den Bürgern von Dikaiarcheia* und gab ihnen eine neue Verfassung, nach

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der sie leben sollten, und als er einen Tag vor seinem Tode hörte, daß der leitende Beamte Granius eine Schuld an die Gemeinde nicht bezahlen wollte, sondern auf seinen Tod wartete, da ließ er den Mann in sein Schlafzimmer holen, seine Schergen rufen und befahl ihnen, ihn zu erdrosseln. Aber durch das Geschrei und die heftige Bewegung riß er das Geschwür in seinem Innern auf und spie eine große Menge Blut. Daraufnahm seine Körperkraft schnell ab, er verbrachte eine schlimme Nacht und starb dann unter Hinterlassung von zwei unmündigen Kindern von Metella'. Denn Valeria gebar erst nach seinem Tode ein Töchterchen, das den Namen Postuma erhielt; denn die nach dem Tode ihres Vaters geborenen Kinder nennen die Römer so \ 38. Alsbald eilten viele zu Lepidus und sammelten sich um ihn, um den Leichnam von der gebührenden Totenfeier auszuschließen. Aber Pompejus - obwohl er Sulla einiges vorzuwerfen hatte, denn er hatte ihn als einzigen seiner Freunde im Testament übergangen - brachte sie teils im Guten und durch Bitten, teils durch Drohungen davon ab, geleitete den Leichnam nach Rom und sorgte bei der Bestattung sowohl für Sicherheit wie für Würde und Feierlichkeit. Es wird berichtet, daß die Frauen eine solche Menge Räucherwerk herbeigebracht hätten, daß - außer dem, was auf zweihundertzehn Bahren herzugetragen wurde - ein ziemlich großes Bild Sullas selbst und auch ein solches eines Liktors aus kostbarem Weihrauch und aus Zimt modelliert wurde. Da der Himmel vom Morgen an mit Wolken bedeckt war und man immer einen Regenguß erwartete, trug man den Leichnam schließlich erst um die neunte Stunde hinaus, und da ein starker Wind in den Scheiterhaufen blies und eine mächtige Flamme entfachte, so konnten die Gebeine rechtzeitig gesammelt werden, und gerade erst, als der Scheiterhaufen zusammensank und das Feuer erlosch, fiel ein starker Regenguß und hielt an bis zur Nacht,

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so daß es schien, als bliebe sein Glück ihm bis zum Ende treu und hülfe noch bei der Bestattung des Leichnams mit. Sein Grabdenkmal steht auf dem Marsfelde; die Grabinschrift soll er selbst noch verfaßt und hinterlassen haben. Ihr Hauptinhalt ist, daß weder einer seiner Freunde im Gutestun noch einer seiner Feinde im Bösestun ihn übertroffen habe. 39 (i). Nachdem wir auch das Leben dieses Mannes zu Ende erzählt haben, wollen wir nunmehr zur Vergleichung schreiten. Daß sie selber den Grund zu ihrem Wachstum gelegt haben und groß geworden sind, das haben sie beide gemeinsam; das Besondere an Lysander aber ist, daß er alle Würden, die er erlangte, mit dem Willen seiner Mitbürger und in einem wohlgeordneten Staate erhielt und nichts gegen ihren Willen erzwang oder gegen die Gesetze durchsetzte. « Aber beim Umsturz gelangt der größte Lump an die Spitze'», wie denn damals in Rom, da das Volk verdorben und der Staat morsch war, bald da, bald dort ein Gewalthaber aufstand. So war es nicht zu verwundem, wenn ein Sulla zur Herrschaft kam, wo Leute wie Glaucia und Satuminus einen Metellus aus der Stadt jagten *, wo Söhne von Konsuln in Volksversammlungen ermordet wurden, wo man mit Silber und Gold die Waffenmacht gewann, indem man sich die Soldaten kaufte, und wo man mit Feuer und Schwert die Gesetze gab und die Widersprechenden vergewaltigte. Ich tadle den Mann nicht, der es unter solchen Umständen erreicht, die größte Macht zu gewinnen; aber ich nehme es nicht fiir einen Beweis, daß derjenige, der der erste wird, auch der beste ist, wenn es so übel um den Staat bestellt ist. Der Mann aber, der von Sparta, das sich gerade damals der besten Gesetze und der größten Ordnung erfreute, in die höchsten Befehlshaberstellen und zu den wichtigsten Unternehmungen entsandt wurde, der wurde da-

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mit nahezu als der beste der besten und als der erste der ersten anerkannt. Daher hat er oft sein Amt in die Hände seiner Mitbürger zurückgegeben und es oft wiedererhalten; denn es blieb ihm sein Ansehen, gestützt auf den Vorrang seiner Tüchtigkeit. Sulla aber blieb, nachdem er einmal zum Führer eines Heeres erwählt worden war, zehn Jahre ununterbrochen in Waffen, indem er sich selbst bald zum Konsul, bald zum Prokonsul, bald zum Diktator machte, immer aber Tyrann war. 40 (2). Auch Lysander hat, wie erzählt, den Versuch gemacht, die Verfassung zu ändern, aber auf eine gelindere und gesetzmäßigere Weise als Sulla; nämlich mit Mitteln der Überredung, nicht mit Waffengewalt, und nicht, indem er alles auf einmal auf den Kopf stellte wie jener, sondern indem er nur bei der Einsetzung der Könige ein besseres Verfahren einfuhren wollte. Schien es doch auch dem natürlichen Rechte gemäß, daß der beste der besten herrsche in einer Stadt, die in Griechenland führend war ihrer Tüchtigkeit, nicht ihres Adels wegen. Denn wie der Jäger nicht ein von einem Hunde stammendes Tier sucht, sondern einen guten Hund, der Pferdeliebhaber ein gutes Pferd, nicht ein von einem Pferde stammendes Tier; denn wie, wenn von der Stute ein Maultier geworfen wird? So wird auch der Staatsmann gänzlich fehlgreifen, wenn er nicht fragt, wer der Herrschende ist, sondern von wem er stammt. Haben doch die Spartaner selbst einigen Königen ihre Würde genommen, weil sie nicht von königlicher Art, sondern unbedeutend und unfähig waren. Wenn aber Unfähigkeit auch bei hoher Abkunft keine Würde verdient, so hat auch die Tüchtigkeit ihre Würde nicht aus ihrer hohen Abkunft, sondern aus sich selbst. Unrecht ist von dem einen um seiner Freunde willen begangen worden, von dem andern selbst gegen seine Freunde. Lysander hat zugestandenermaßen seine meisten Sünden seinen Freunden zuliebe begangen und die meisten Morde verübt,

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um ihnen zu Macht und Herrschaft zu verhelfen. Sulla hingegen hat aus Neid Pompejus sein Heer entzogen, Dolabella das Flottenkommando, das er ihm gegeben hatte, wieder abzunehmen gesucht 1 und Lucretius Ofella, der sich zum Entgelt für viele große Verdienste um das Konsulat bewarb, vor seinen Augen abschlachten lassen. Furcht und Entsetzen hat er damit allen Menschen eingeflößt durch die Ermordung seiner besten Freunde. 41 (3). Noch mehr zeigt ihr Verhältnis zu Genuß und Geld, daß das Wesen und Streben des einen herrscherlich, das des andern tyrannisch war. Der eine hat offenkundig im Besitz so großer Macht und Gewalt nichts Zügelloses und Knabenhaftes begangen, sondern wenn irgendeiner sich davor gehütet, daß man das vielverbreitete Wort auf ihn anwenden könnte: «Zu Hause Löwen, aber draußen Füchse'.» Ein so mäßiges, echt lakonisches, gesittetes Leben hat er überall gefuhrt. Der andere hat weder als junger Mensch wegen seiner Armut noch als Greis wegen seines Lebensalters seinen Begierden Zügel angelegt, sondern er hat seinen Mitbürgern Gesetze zum Schutz der Ehen und zur Förderung der Sittlichkeit gegeben, während er selbst sich dauernd Liebeshändel und Ehebrüche erlaubte, wie Sallust sagt 1 . Daher machte er die Stadt so bettelarm und von Geld entblößt, d j ß sie den verbündeten und befreundeten Städten die Freiheit und Selbständigkeit um Geld verkaufen mußte, während er selbst die reichsten und größten Häuser und Vermögen tagtäglich einzog und versteigern ließ. Aber er kannte ja kein Maß im Verschleudern und Verschenken an seine Schmeichler. Denn wie viel vernünftige Überlegung und Sparsamkeit konnte man wohl in Gunstbezeugungen bei Trinkgelagen von einem Manne erwarten, der, als er einmal in der Öffentlichkeit, während das Volk um ihn herumstand, ein großes Vermögen versteigerte,

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es um einen Spottpreis einem seiner Freunde zuschlagen ließ und, als ein anderer ein höheres Gebot abgab und der Herold den Zuschlag ausrief, böse wurde und sagte: «Empörend ist das und tyrannisch, was man mir zumutet, liebe Mitbürger, wenn es mir nicht gestattet sein soll, meine Beute zu verkaufen, wie ich will.» Lysander hingegen schickte auch die ihm gemachten Geschenke mit der übrigen Beute seinen Mitbürgern zu. Ich will zwar diese T a t nicht loben, denn vielleicht schädigte dieser Mann Sparta mehr durch die Zufiihrung des Geldes als der andere Rom durch die Wegnahme; aber ich nehme es als ein Zeugnis dafür, daß er frei war von Geldgier. So ging es jedem von beiden auf ganz eigene Weise im Verhältnis zu seiner Vaterstadt: Sulla, der selbst zügellos und verschwenderisch war, suchte seine Mitbürger zur Vernunft zu erziehen, und Lysander erfüllte die Stadt mit den Lastern, von denen er sich selbst frei hielt, so daß der eine fehlte, indem er schlechter war als seine eigenen Gesetze, der andere, indem er seine Mitbürger schlechter machte, als er selbst war. Denn er lehrte Sparta, das zu bedürfen, was er selbst gelernt hatte entbehren zu können. Dies über ihr Verhalten im bürgerlichen Leben. 42 (4). Was kriegerische Kämpfe und Feldhermtaten, die Menge der Trophäen und die Größe der bestandenen Gefahren angeht, so ist Sulla unvergleichbar. Lysander hat nur zwei Siege in zwei Seeschlachten davongetragen; hinzurechnen will ich ihm die Eroberung Athens, die als Tat nicht so bedeutend war, ihm aber den glänzendsten Ruhm einbrachte. Was jedoch in Boiotien und bei Haliartos geschah, war vielleicht ein Mißgeschick, es grenzt aber an Unbesonnenheit, daß er das eben schon von Plataiai her anmarschierende große Heer des Königs nicht abwartete, sondern in Hitze und Ehrgeiz zur Unzeit gegen die Mauer anrannte, so daß die erstbesten Leute ihn bei einem Ausfall sinnlos niederwarfen. Denn nicht wie Kleombrotos bei Leuktra beim Widerstand gegen die anstür-

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menden Feinde, nicht wie Kyros noch auch wie Epameinondas bei dem Versuch, die Weichenden aufzuhalten oder den Sieg zu sichern, erhielt er die Todeswunde; diese Männer starben den Tod von Königen und Feldherren 1 ; Lysander aber gab sein Leben ruhmlos hin wie ein Mann eines leichten Vortrupps oder ein Aufklärer und legte damit ein Zeugnis für die alten Spartaner ab, wie recht sie hatten, wenn sie sich vor Mauerkämpfen hüteten, woes geschehen kann, daß der tapferste Mann nicht nur von dem ersten besten, sondern sogar von einem Knaben oder einem Weibe erschlagen wird, wie man hört, daß Achilleus von Paris im Tor getötet worden ist. Wie viele Siege dagegen Sulla in offener Feldschlacht errungen, wieviele Zehntausende von Feinden er getötet hat, das ist nicht einmal leicht zu zählen. Rom selbst hat er zweimal genommen und den Piräus, den Hafenort Athens, nicht durch Hunger wie Lysander, sondern nach vielen schweren Kämpfen, durch die er Archelaos vom Lande aufs Meer drängte, gewonnen. Von großer Bedeutung ist auch, welchen Feldherrn man sich gegenüber hat. Denn für ein reines Kinderspiel halte ich es, eine Seeschlacht gegen Antiochos, den Steuermann des Alkibiades, zu gewinnen und Philokles, den athenischen Demagogen, zu überlisten, «Held ohne Ruhm, mit scharf geschliffner Zunge»', Leute, die Mithridates nicht seinem Roßknecht, Marius nicht einem seiner Liktoren zur Seite zu stellen fiir würdig befunden hätte. Von den Männern aber, mit denen Sulla zu kämpfen hatte, Königen, Konsuln, Feldherren, Volksfiihrern, welcher Römer war da - um die anderen beiseite zu lassen - furchtbarer als Marius, welcher König mächtiger als Mithridates, welcher Italiker streitbarer als Lamponius und Telesinus? Und Sulla hat den ersten verjagt, den zweiten unterworfen, die letzten beiden getötet.

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43 ($)• Was aber von allem Erzählten das Größte ist, so meine ich, das ist, daß Lysander alle seine Erfolge mit Unterstützung seiner Mitbürger errungen hat, während Sulla als Verbannter, von der Gegenpartei vertrieben, zur selben Zeit, da seine Frau vertrieben, sein Haus zerstört, seine Freunde ermordet wurden, selber in Boiotien den gefährlichen Kampf mit den ungezählten Zehntausenden für sein Vaterland führte und sein Siegeszeichen errichtete. Und dem Mithridates, der ihm Bundesgenossenschaft und Heeresmacht gegen seine Feinde anbot, machteer in nichtsein weichliches,freundlichesZugeständnis, sondern begrüßte ihn nicht eher noch reichte er ihm die Hand, als bis er aus seinem Munde hörte, daß er Asien freigebe, die Schiffe ausliefere und den Königen Bithynien und Kappadokien räume. Das war sicherlich die schönste Tat Sullas, aus wahrhaftgroßer Gesinnungvollbracht,daßerdas gemeine Wohlhöher stellte als sein eigenes und wie die guten Hunde den Fangbiß nicht eher locker ließ, als bis der Gegner sich überwunden gab, und sich dann erst an die Abwehr seiner privaten Feinde machte. Endlich ist auch das Verhalten beider Athen gegenüber von einiger Bedeutung für die Vergleichung ihrer Charaktere, wenn nämlich Sulla die Stadt, die für die Macht und Herrschaft des Mithridates gegen ihn gekämpft hatte, nach der Einnahme in ihrer Freiheit und Selbständigkeit beließ, Lysander hingegen, nachdem sie eine so glänzende Machtstellung verloren hatte, kein Mitleid mit ihr hatte, sondern ihr die demokratische Verfassung nahm und die grausamsten und ruchlosesten Männer zu Tyrannen setzte. So ist es denn Zeit zu überlegen, ob wir uns wohl nicht allzu weit von der Wahrheit entfernen, wenn wir das Urteil fällen, daß Sulla größere Erfolge erzielt, Lysander aber weniger Fehler begangen hat, und wenn wir diesem den Preis der Besonnenheit und Selbstbeherrschung, dem andern den der Feldherrnkunst und Tapferkeit zuerkennen.

AGESILAOS UND P O M P E J U S

AGESILAOS I. Archidamos, der Sohn des Zeuxidamos. hinterließ, nachdem er ruhmvoll über die Lakedaimonier geherrscht hatte, von seiner hochangesehenen Gemahlin Lampido einen Sohn namens Agis. und dann von Eupolia, der Tochter des Meiesippidas, einen viel jüngeren Sohn namens A g e s i l a o s D a also die Königswürde nach dem Gesetz dem Agis zukam und zu erwarten war, daß Agesilaos als ein einfacher Bürger leben würde, so genoß er die in Lakedaimon allgemein übliche Zucht, die den jungen Leuten ein hartes und strapazenreiches Leben auferlegt, aber sie zum Gehorsam erzieht. Deshalb soll Sparta auch von Simonides das «männerzähmende» genannt worden sein, weil es durch seine Sitten die Bürger ganz besonders gehorsam gegenüber den Gesetzen und gefügig macht, wie Pferde, die gleich von Anfang an gezähmt werden. Von diesem Z w a n g b e freit das Gesetz die Knaben, die zur Königswürde erzogen werden. So wurde dem Agesilaos das besondere Schicksal zuteil, zur Regierung zu kommen, nicht ohne vorher gelernt zu haben, regiert zu werden. Daher verstand er besser als alle anderen Könige, ein gutes Verhältnis zu seinen Untertanen zu haben, weil er zu dem ihm von Natur eigenen königlichen und herrscherlichen Wesen durch seine Erziehung Schlichtheit und Umgänglichkeit hinzuerworben hatte. 2. In den sogenannten «Herden» der Knaben, die miteinander erzogen werden, hatte er den Lysander zum Liebhaber, der vor allem von der Harmonie seines Wesens stark beeindruckt war. Denn während er im Kreise der jungen Leute der ehrgeizigste und feurigste war, in allem der erste sein wollte und einen ungestümen, draufgängerischen M u t besaß, der durch

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nichts zu besiegen und zu bewältigen war, so zeigte er auf der andern Seite eine solche Fügsamkeit und Willigkeit, daß er aus Furcht nichts, aus Ehrgefühl aber alles tat, was ihm befohlen wurde, und mehr Schmerz über Tadel empfand, als er sich durch Strapazen beschwert fühlte. Den körperlichen Fehler, daß er auf ein Bein lahmte, verdeckte in der Jugend die Blüte seines Körpers, und die Leichtigkeit und Fröhlichkeit, mit der er das Übel ertrug, indem er als erster darüber scherzte und spottete, trug nicht wenig dazu bei, den Mangel vergessen zu machen, setzte vielmehr seinen Ehrgeiz noch mehr ins Licht, weil er sich keiner Mühsal und keinem Unternehmen wegen seiner Lahmheit versagte. Ein Bildnis seines Äußeren besitzen wir nicht; er wollte selbst nicht, und noch als er im Sterben lag, verbot er, daß ein plastisches oder gemaltes Bild seines Leibes angefertigt würde. Er soll klein und von unscheinbarem Äußeren gewesen sein. Aber seine Fröhlichkeit und Heiterkeit zu jeder Zeit, seine Aufgelegtheit zu Scherzen, die Abwesenheit alles Verletzenden und Schroffen in Wort und Miene machte ihn bis ins hohe Alter liebenswerter als schöne und blühende Männer. Doch hatten, wie Theophrast 1 erzählt, die Ephoren den Archidamos bestraft, weil er eine kleine Frau geheiratet hatte. «Denn»hatten sie gesagt, «sie wird uns keine wirklichen Könige, sondern Miniaturkönige gebären.» 3. Während nun Agis regierte, kam Alkibiades aus Sizilien flüchtig nach Lakedaimon*, und er lebte noch nicht lange in der Stadt, als man ihm schon nachsagte, daß er zu der Gattin des Königs, Timaia, unerlaubte Beziehungen unterhalte. Das Kind, das sie darauf gebar, erklärte Agis nicht als das seinige anzuerkennen, sondern es stamme von Alkibiades. Doch Timaia, so erzählt Duris®, nahm das durchaus nicht übel, sondern nannte das Kind sogar, wenn sie zu Hause mit ihren Dienerinnen flüsterte, Alkibiades, nicht Leotychides, und Alkibia-

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des habe sogar auch gesagt, er habe sich nicht aus Mutwillen mit Timaia eingelassen, sondern in dem Ehrgeiz, daß die Spartaner von seinen Nachkommen beherrscht werden sollten. Deshalb entwich Alkibiades heimlich aus Lakedaimon, aus Furcht vor Agis. Der Knabe blieb Agis die ganze Zeit über verdächtig und hatte bei ihm nicht die Stellung eines echtbürtigen Sohnes. Aber als er krank war, bewog er ihn durch fußfällige Bitten und Tränen, ihn vor vielen Zeugen als Sohn anzuerkennen. Nach Agis' Tode jedoch suchte Lysander, der damals schon die Athener zur See niedergekämpft hatte und das höchste Ansehen in Sparta genoß, Agesilaos zur Königswürde zu verhelfen, weil sie dem Leotychides als einem Bastard nicht zukomme. Auch viele der anderen Bürger bemühten sich wegen der Tüchtigkeit des Agesilaos, und weil sie mit ihm aufgewachsen waren und die gleiche Erziehung genossen hatten,für ihn und setzten sich eifrig für ihn ein. Es lebte aber in Sparta ein Wahrsager namens Diopcithes, der eine große Zahl alter Wahrsprüche kannte und in dem Rufe stand, in allen Fragen der Religion hervorragend sachverständig zu sein. Der erklärte, es sei nicht recht, daß ein Lahmer König von Lakedaimon würde, und trug bei der Verhandlung folgendes Orakel vor: «Hüte dich wohl, 0 Sparta, so stolz und mächtig du dastehst, Daß dir Wohlgefugter ein lahmer König entsprösse. Lange dann wird dich unerwartetes Unheil ergreifen Und die rollende Woge des männermordenden Krieges ». Hiergegen wandte Lysander ein, wenn die Spartaner solche Bange vor dem Orakelspruch hätten, so müßten sie sich vielmehr vor Leotychides in Acht nehmen. Denn nicht, wenn jemand, der ein Fußleiden habe, König sei, mache das dem Gott viel aus, sondern wenn ein nicht Echtbürtiger, der nicht von Herakles stamme, es werde, das sei das lahme Königtum. Dazu sagte noch Agesilaos, auch Poseidon bezeuge die Unecht-

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heit des Leotychides, da er Agis durch ein Erdbeben aus der Schlafkammer gejagt habe, und erst mehr als zehn Monate danach sei Leotychides geboren worden 4. Auf diese Weise und aus diesen Gründen wurde Agesilaos zum König ernannt und kam auch sogleich in den Besitz des Vermögens des Agis, da Leotychides als Bastard von der Erbschaft ausgeschlossen wurde. Da er aber sah, daß dessen Verwandte mütterlicherseits zwar ehrenwerte Leute, aber sehr arm waren, so trat er ihnen die Hälfte des Vermögens ab und erwarb sich so durch sein Verfahren bei der Erbschaft Liebe und Ruhm statt Neid und Feindschaft. Wenn Xenophon s a g t e r sei dadurch, daß er dem Vaterland in allem gehorchte, zu höchster Macht gelangt, so daß er tun konnte, was er wollte, so verhält sich das folgendermaßen. Die höchste Gewalt im Staate lag damals in den Händen der Ephoren und der Geronten. Die ersteren führen ihr Amt nur ein Jahr, die Geronten haben es lebenslang inne, und beide sind sie eingesetzt, damit nicht den Königen alle Macht zusteht, wie im Leben Lykurgs 1 dargelegt ist. Daher bestand von alters her zwischen ihnen und den Königen Eifersucht und Streit, der sich stets vom Vater auf den Sohn vererbte. Agesilaos aber beschritt den umgekehrten Weg. Er unterließ es, sich mit ihnen zu streiten und zu verfeinden, zeigte sich ihnen vielmehr gefallig, begann jede Unternehmung im Einvernehmen mit ihnen und begab sich, wenn er gerufen wurde, in Eile zu ihnen. Wenn er auf seinem königlichen Stuhl saß und Regierungsgeschäfte führte und die Ephoren auf ihn zukamen, Stander jedesmal auf, und jedem, der in den Rat der Geronten berufen wurde, sandte er einen Mantel und ein Rind als Ehrengabe. Indem er hiermit dem Anscheine nach ihre Würde ehrte und erhöhte, vergrößerte er unmerklich seine eigene Macht und gewann dem Königtum ein höheres Ansehen, das ihm um seiner Beliebtheit willen freiwillig zugestanden wurde.

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III

5. Im Verkehr mit den anderen Bürgern war er als Feind untadeliger denn als Freund. Denn seinen Feinden tat er nicht auf ungerechte Weise Schaden, seinen Freunden aber stand er bei auch wider das R e c h t . W e n n seine Feinde einen Erfolg errangen, schämte er sich, ihnen die Anerkennung zu versagen, aber wenn seine Freunde sich vergingen, brachte er es nicht fertig, sie zu tadeln, sondern suchte noch eine Ehre darin, ihnen beizustehen und sich mitschuldig z u machen; denn er meinte, daß kein Freundschaftsdienst etwas Schimpfliches sein könne. Hatten wiederum seine Feinde U n g l ü c k , so w a r er der erste, T e i l n a h m e zu zeigen und ihnen, wenn sie darum baten, bereitwillig beizustehen. So köderte er alle und gewann sie für sich. A l s daher die Ephoren das bemerkten, fürchteten sie seinen M a c h t z u w a c h s und bestraften ihn, wofür sie als Beg r ü n d u n g anführten, daß er die Bürger, die der Gemeinschaft gehörten, sich z u eigen zu machen suche. Denn wie d i e Naturphilosophen glauben, daß, wenn Streit und Z w i e t r a c h t aus dem Weltall hinweggenommen würde, das Himmelsgebäude stillstehen und überhaupt alle Entstehung und B e w e g u n g z u Ende sein w ü r d e infolge der Harmonie aller Teile miteinander ' , so scheint der lakonische Gesetzgeber als Z ü n d s t o f f für tapfere Leistungen Siegeswillen und Ehrgeiz seinem Staate eingeimpft z u haben mit dem Willen, daß immer ein Streit unter den T ü c h t i g e n bestehen und ein W e t t k a m p f miteinander stattfinden sollte; denn eine Gefälligkeit, die sich dem Ungeprüften w i l l i g f ü g e und daher energielos und

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Kampfgeist sei, werde mit Unrecht Eintracht genannt. Das, so glauben einige, habe ja auch schon Homer wohl erkannt, denn er w ü r d e nicht den Agamemnon sich darüber haben freuen lassen, daß Odysseus und Achilleus sich z u m Streit «mit heftigen W o r t e n » hinreißen ließen 1 , wenn er nicht gemeint hätte, daß die Eifersucht der T ü c h t i g s t e n aufeinander und ihr Wettstreit von großem Nutzen für die Allgemeinheit

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sei. Doch das darf man wohl nicht so ohne weiteres zugestehen; denn ein Ubermaß von Ehrgeiz und Wetteifer ist bedenklich für einen Staat und birgt große Gefahren in sich. 6. Als Agesilaos die Regierung noch vor nicht langer Zeit angetreten hatte, kamen Boten aus Kleinasien und meldeten, daß der König der Perser dabei sei, eine große Flotte auszurüsten, um die Lakedaimonier von der See zu verjagen. Für Lysander, der den Wunsch hatte, wieder nach Kleinasien geschickt zu werden und seinen Freunden beizustehen, die von ihm als Regenten und Herren der Städte eingesetzt worden waren, aber, weil sie ihre Macht übel und gewalttätig mißbrauchten, von den Bürgern vertrieben oder auch getötet wurden, war dies der Anlaß, Agesilaos zu überreden, den Feldzug zu unternehmen und weit draußen den Kampf für Griechenland zu fuhren, indem er übers Meer ginge und der Rüstung des Barbaren zuvorkäme. Zugleich schrieb er seinen Freunden in Kleinasien, sie sollten eine Botschaft nach Lakedaimon schicken und Agesilaos als Feldherm erbitten. So trat Agesilaos vor das Volk und erklärte sich bereit, die Führung des Krieges zu übernehmen, wenn sie ihm dreißig Spartaner als Stabsoffiziere und Berater, zweitausend auserlesene Neubürger und eine bundesgenössische Streitmacht von sechstausend Mann stellten. Auf Verwendung Lysanders beschlossen sie das alles bereitwillig und entsandten den Agesilaos sogleich, begleitet von den dreißig Spartanern, unter denen Lysander der erste war, nicht nur wegen seines Ruhmes und Ansehens, sondern auch wegen seiner Freundschaft mit Agesilaos, für den er, so mußte man glauben, mit diesem Kommando noch etwas Größeres erwirkt hatte als mit der Königswürde. Während sich die Streitmacht in Geraistos sammelte, begab er selbst sich mit seinen Freunden nach Aulis1 und übernachtete dort. Da war es ihm im Schlaf, als ob jemand zu ihm

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spräche: « O König der Lakedaimonier, daß noch niemand zum Feldherrn von ganz Griechenland ernannt worden ist als dermaleinst Agamemnon und jetzt du nach ihm, dessen bist du dir ja wohl bewußt. Da du nun dieselben Völker anfuhrst wie er, mit denselben Feinden Krieg fuhrst und von demselben Orte in den Krieg ziehst, so ist es folgerichtig, daß du auch der Göttin dasselbe Opfer darbringst, das er hier darbrachte, ehe er ausfuhr.» Zugleich kam Agesilaos die Opferung des Mädchens in den Sinn, die der Vater, gehorsam den Weisungen der Seher, geopfert hatte. Doch ließ er sich dadurch nicht beirren, sondern er stand auf, erzählte den Freunden das Traumgesicht und sagte, er werde der Göttin die Verehrung erweisen, an der sie als eine Göttin vernünftigerweise ihr Wohlgefallen haben werde, aber sich nicht die Gefühllosigkeit des damaligen Feldherrn zum Vorbild n e h m e n E r ließ also eine Hirschkuh zum Opfer schmücken und befahl seinem Seher, sie darzubringen, nicht nach dem Ritus, nach dem der von den Boiotern hierfür bestellte Priester das zu tun pflegte. Als das die Boiotarchen hörten, sandten sie in großem Zorn ihre Diener und ließen Agesilaos verbieten, entgegen den Bräuchen und dem Herkommen der Boioter zu opfern. Diese Botschaft erstatteten sie und warfen dabei die Opferstückc vom Altar herunter. So fuhr Agesilaos stark verärgert ab, erzürnt auf die Thebaner und entmutigt durch das böse Vorzeichen, indem er fürchtete, daß das Unternehmen ohne Erfolg verlaufen und der Feldzug nicht das gesetzte Ziel erreichen werde. 7. Als man nach Ephesos kam, genoß Lysander sofort eine Ehre und ein Ansehen, das für Agesilaos drückend und kränkend war. Stets strömte die Menge zu seinem Quartier, und alle geleiteten ihn und warteten ihm auf, als ob nur des Gesetzes wegen der Name und der äußere Schein des Feldherrntums dem Agesilaos zukomme, während in Wahrheit Lysander Herr Uber alles sei und alles vermöge und durchsetze.

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Denn keiner der je nach Kleinasien gesandten Feldherren war mehr gepriesen und mehr gefürchtet worden als er, und kein anderer Mensch hatte seinen Freunden mehr Gutes und seinen Feinden soviel Böses angetan'. Da das noch nicht lange zurücklag, hatten es die Menschen wohl im Gedächtnis, und da sie sahen, wie Agesilaos sich im Verkehr mit ihnen einfach, schlicht und leutselig zeigte, während jenem noch dieselbe Heftigkeit, Schroffheit und Kurzangebundenheit eigen war wie ehedem, so sanken sie ganz vor ihm in die Knie und achteten nur auf ihn. Das nahmen zuerst die übrigen Spartaner sehr übel, da sie nun mehr Diener Lysanders als Ratgeber des Königs waren; dann aber kam es dahin, daß Agesilaos selbst, der, wenn er auch nicht neidisch war und sich nicht ärgerte, wenn andere Ehre genossen, aber doch von glühendem Ehrgeiz beseelt war, die Besorgnis hegte, daß, wenn die Operationen zu glänzenden Erfolgen führten, dies dem Lysander um seines Ruhmes willen zugeschrieben werden würde. Er verfuhr nun folgendermaßen. Fürs erste verwarf er alle seine Ratschläge, ließ die Unternehmungen, die Lysander besonders empfohlen hatte, gänzlich außer acht und wandte sich statt dessen anderen Plänen zu. Sodann ließ er die Leute, die sich mit einem Anliegen an ihn wendeten und die, wie er bemerkte, ihr Vertrauen in Lysander gesetzt hatten, unverrichteter Sache gehen, und ebenso bekamen bei Gerichtsverhandlungen diejenigen, denen Lysander feind war, immer recht, und umgekehrt mußten diejenigen, für die er sich offenbar mit Eifer einsetzte, froh sein, wenn sie nicht bestraft wurden. Da das nicht von ungefähr geschah, sondern mit Vorbedacht und regelmäßig, so erkannte Lysander die Ursache und verbarg sie seinen Freunden gegenüber nicht, sondern sagte ihnen, daß sie seinetwegen zurückgesetzt würden, und forderte sie auf, hinzugehen und sich dem König und denjenigen dienstwillig zu erweisen, die mehr Einfluß hätten als er.

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8. Da er aber nun auch mit solchem Tun und Reden es darauf anzulegen schien, den König mißliebig zu machcn, so ernannte ihn Agesilaos, um ihn noch mehr zu treffen, zum Fleischverteiler1 und sagte dazu noch - wie es heißt - vor vielen Ohrenzeugen: «Jetzt mögen diese Leute hingehen und meinem Fleischverteiler ihre Aufwartung machen.» Schwer gekränkt sagte jetzt Lysander zu ihm: «Du hast es recht wohl verstanden, Agesilaos, deine Freunde zu demütigen.» «Allerdings», erwiderte er; «diejenigen, die mächtiger sein wollen als ich. »«Vielleicht», entgegnete Lysander, «ist das mehr von dir gesagt als von mir getan. Doch gib mir einen Auftrag oder einen Posten, wo ich dir, ohne dich zu kränken, nützlich sein kann.» Daraufhin wurde er nach dem Hellespont geschickt und bewog dort den Perser Spithridates, mit vielen Schätzen und zweihundert Reitern aus dem Lande des Pharnabazos zu Agesilaos überzugehen. Doch ließ er seinen Groll nicht fahren, sondern blieb weiter tief verärgert und faßte den Plan ins Auge, die Königswürde den beiden Häusern zu entziehen und allen Spartanern zugänglich zu m a c h e n u n d es ist wohl anzunehmen, daß es infolge dieses Zwistes durch ihn zu einem großen Umsturz gekommen wäre, wenn er nicht zuvor bei einem Feldzug in Boiotien den Tod gefunden hätte'. So bedeuten die ehrgeizigen Naturen, wenn sie sich nicht vor dem Ubermaß hüten, im staatlichen Leben mehr Böses als Gutes. Denn wenn Lysander sich lästig machte, wie er das wirklich tat, und mit seinem unzeitigen Ehrgeiz das rechte Maß überschritt, so hätte doch wohl Agesilaos ein anderes, minder tadelnswertes Mittel wissen können, einen ruhmvollen und ehrgeizigen Mann, der sich verfehlte, zurechtzuweisen. Aber offenbar war es dieselbe Leidenschaft, die den einen kein Verständnis fiir die Rechte eines Oberfeldherrn haben, den andern diesen Mangel an Verständnis bei einem Freunde nicht ertragen ließ.

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9. Nachdem Tissaphernes anfänglich aus Furcht vor Agesilaos mit ihm einen Vertrag geschlossen hatte des Inhalts, daß der König den griechischen Städten die Selbständigkeit zurückgeben werde, später aber, als er eine ausreichende Streitmacht zusammen zu haben glaubte, den Krieg eröffnete, war Agesilaos sehr damit zufrieden. Denn er erwartete viel von dem Feldzug, und es schien ihm unerträglich, daß, nachdem die zehntausend Griechen unter Xenophon zum Meere gekommen waren und, sooft sie es nur selber wollten, den König geschlagen h a t t e n v o n ihm, dem Führer der Lakedaimonier, der Herren zu Land und See, keine denkwürdige Tat im Angesicht der Griechen vollbracht werden sollte. Sogleich gab er nun, um mit einem erlaubten Betrüge den Vertragsbruch des Tissaphernes zu bestrafen, seine Befehle so, als ob er gegen Karien ziehen wolle, und als der Barbar seine Streitmacht dort zusammenzog, brach er los und fiel in Phrygien ein. Er eroberte viele Städte, machte reiche Beute und bewies seinen Freunden, daß der Bruch beschworener Verträge Verachtung der Götter bedeutet, die Überlistung der Feinde aber nicht nur gerecht ist, sondern auch großen Ruhm, Freude und Gewinn bringt. Da aber seine Reiterei zu schwach war, auch die Opfer ungünstig ausfielen, so zog er sich nach Ephesos zurück und machte sich daran, ein Reiterheer aufzustellen, indem er an die Begüterten eine Botschaft erließ, wenn sie nicht selbst ins Feld ziehen wollten, so sollten sie jeder ein Pferd und einen Ersatzmann fiir sich stellen. Solche gab es in großer Zahl, und so ergab sich für Agesilaos, daß er schnell viele kriegstüchtige Reiter statt untauglicher Hopliten zusammen hatte. Habe doch auch Agamemnon, so meinte er, recht daran getan, daß er eine tüchtige Stute nahm und einen feigen reichen Mann dafür vom Kriegsdienst befreite'. Als dann auf seinen Befehl die Verkäufer der Beute die Gefangenen, die zum Verkauf

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standen, nackend auszogen und sich für ihre Kleider zahlreiche Käufer fanden, während man über die Leute, die sich, weil sie sich gar nicht der Sonne ausgesetzt hatten, als weiß und ganz schlaff erwiesen, nur lachte, als sie entblößt wurden, und sie unbrauchbar und wertlos fand, da trat Agesilaos hinzu und sagte: «Das sind die Leute, mit denen ihr zu kämpfen habt, und das sind die Dinge, um die ihr kämpft.» 10. Als die Zeit da war, wieder ins Feindesland einzufallen, sprengte er aus, er werde nach Lydien ziehen, womit er jetzt nicht mehr den Tissaphernes täuschte; aber der betrog sich selbst, weil er wegen des früheren Truges dem Agesilaos nicht glaubte, sondern dachte, jetzt wenigstens werde er Karien angreifen, das für die Reiterei - die auf Seiten des Agesilaos viel schwächer war - ein sehr ungeeignetes Feld war. Als aber Agesilaos, wie er es angekündigt hatte, in die Ebene von Sardes rückte, sah Tissaphernes sich gezwungen, eilends dorthin zu Hilfe zu eilen. In schnellem Marsch durchstreifte er mit seinen Reitern die Ebene und vernichtete viele der Leute, die in ungeordneten Haufen dort plünderten. In der Überlegung, daß das feindliche Fußvolk noch nicht zur Stelle sein konnte, er aber seine ganze Macht beieinander hatte, beeilte sich darum Agesilaos, eine Schlacht zu schlagen. Er mischte das leichte Fußvolk unter die Reiter und gab den Befehl, schnellstens vorzugehen und die Feinde anzugreifen, und folgte selbst auf dem Fuße an der Spitze der Schwerbewaffneten. Die Barbaren wurden in die Flucht geschlagen, die Griechen verfolgten sie, nahmen ihr Lager und töteten viele. Nach dieser Schlacht hatten die Griechen nicht nur die Freiheit, das Land des Königs ungehindert zu verheeren, sondern sie konnten auch die Bestrafung des Tissaphernes erleben, eines bösartigen Mannes und grimmigen Feindes der griechischen Nation. Denn der König schickte sogleich den Tithraustes gegen ihn ab, der ihm den Kopf abschlagen ließ und Agesilaos aufforderte, sich

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mit ihm zu vertragen und heimzufahren, auch eine Summe Geldes sandte und ihm anbieten ließ. Doch der erwiderte, Frieden zu schließen sei nur die Stadt befugt, und er selbst habe mehr Freude daran, seine Soldaten zu bereichern, als selbst reich zu werden, und überhaupt hielten es die Griechen nicht für rühmlich, Geschenke anzunehmen, sondern den Feinden Beute abzunehmen. Weil er sich aber doch dem Tithraustes gefallig erweisen wollte, weil er den gemeinsamen Feind aller Griechen, den Tissaphernes, bestraft hatte, führte er sein Heer nach Phrygien, wofür er sich zum Unterhalt der Truppen von Tithraustes dreißig Talente bezahlen ließ. Während er auf dem Marsche dorthin war, empfing er von den Behörden daheim eine Geheimbotschaft', die die Anordnung enthielt, daß er auch das Kommando über die Flotte übernehmen sollte. Diese Ehre ist dem Agesilaos als einzigem aller Spartaner zuteil geworden, und wirklich war nach allgemeinem Urteil er der größte und berühmteste der damals lebenden Menschen, wie auch Theopompos gesagt hat'; er selbst jedoch meinte stolzer sein zu dürfen auf seine Leistungen als auf seine Herrschgcwalt. Indem er aber damals den Peisandros als Flottenfiihrer bestellte, beging er offenbar einen Fehler, daß er nämlich, obschon ältere und erfahrenere Männer zur Verfügung standen, nicht auf das Gemeinwohl Bedacht nahm, sondern aus verwandtschaftlichen Rücksichten und seiner Frau zuliebe, deren Bruder Peisandros war, ihm das Flottenkommando übertrug. 11. Er selbst führte sein Heer in das dem Pharnabazos unterstellte Land und lebte dort nicht nur im Überfluß, sondern brachte auch viel Geld zusammen. Er rückte bis nach Paphlagonien und brachte den König der Paphlagonier, Kotys, auf seine Seite, der sich wegen seiner Tüchtigkeit und des Vertrauens, das er genoß, um seine Freundschaft bemühte. Spithridates sodann befand sich, seit er von Pharnabazos abge-

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fallen und zu Agesilaos gekommen war, stets in seinem Gefolge und nahm an seinen Feldzügen teil. Er hatte einen jugendlichen Sohn von großer Schönheit, den Agesilaos leidenschaftlich liebte, und eine schöne jungfräuliche Tochter im heiratsfähigen Alter. Diese beredete Agesilaos den Kotys zur Frau zu nehmen. Dann ließ er sich von ihm tausend Reiter und zweitausend Leichtbewaffnete geben, kehrte nach Phrygigien zurück und verheerte das Land des Pharnabazos, der keinen Widerstand wagte und sich nicht auf seine Festungen verließ, sondern, stets den Hauptteil dessen, was ihm wertvoll und kostbar war, mit sich führend, auswich, flüchtete und bald da, bald dort im Lande sich niederließ, bis ihn Spithridates ertappte, den Spartaner Herippidas an sich zog, sein Lager nahm und sich aller seiner Schätze bemächtigte. Jetzt aber nahm Herippidas eine so scharfe Fahndung nach dem Entwendeten vor, zwang die Barbaren, es wieder herauszugeben, beaufsichtigte und durchsuchte alles und reizte den Spithridates so, daß er sofort mit den Paphlagoniem nach Sardes abzog. Dies soll den Agesilaos mehr als alles andere geschmerzt haben. Denn es betrübte ihn, daß er einen wackern Mann, den Spithridates, und mit ihm ein nicht unbedeutendes Hilfskorps verloren hatte, und er schämte sich über den Vorwurf der kleinlichen und schmutzigen Gesinnung, von dem er nicht nur sich persönlich, sondern auch sein Vaterland stets rein zu erhalten eifrig bestrebt war. Außer diesen zutage liegenden Ursachen quälte ihn aber auch die Liebe nicht wenig, die ihn zu dem Knaben erfaßt hatte, wenngleich er, solange er in seiner Nähe war, mit dem ihm eigenen Ehrgefühl mannhaft gegen die Leidenschaft anzukämpfen versucht hatte. Als einmal Megabates auf ihn zugekommen war, um ihn zu umarmen und zu küssen, war er ausgewichen, und als daraufhin der Knabe beschämt es unterließ und ihn fortan nur von ferne begrüßte, ärgerte Agesilaos sich wiederum, bereute,

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daß er den Kuß verschmäht hatte, und tat so, als wunderte er sich, was denn in Megabates gefahren sei, daß er ihn nicht mit einem Kuß begrüßte. «Daran bist du ja selbst schuld» sagten seine Freunde, «da du nicht standgehalten hast, sondern zitternd und bebend vor dem Kuß des Schönen zurückgewichen bist. Auch jetzt würde er nach einigem Zureden wohl wieder in Kußnähe zu dir kommen; daß du dann aber nicht abermals schlapp machst!» Hierauf bedachte sich Agesilaos eine Weile und verharrte in Schweigen; dann sagte er: «Es ist nicht nötig, daß ihr ihm zuredet. Denn ich glaube, ich möchte lieber diesen Kampf um den Kuß noch einmal mit mir auskämpfen, als daß alles Gold, das ich je gesehen habe, mein eigen würde.» So benahm er sich, als Megabates in der Nähe war; als er sich aber entfernt hatte, war er so von Leidenschaft erfüllt, daß schwer zu sagen ist, ob, wenn der Knabe wieder umgekehrt und ihm vor Augen gekommen wäre, er sich noch länger gegen den Kuß gesträubt hätte. 12. Hierauf äußerte Pharnabazos den Wunsch nach einer persönlichen Aussprache, und Apollophanes von Kyzikos, der beider Gastfreund war, brachte sie zusammen. Agesilaos kam zuerst mit seinen Freunden zur Stelle, legte sich unter einem schattigen Baum ins tiefe Gras und wartete dort auf Pharnabazos. Als der hinzukam und weiche Felle und farbige Teppiche ftir ihn ausgebreitet waren, schämte er sich vor Agesilaos, der einfach so dalag, und ließ sich ebenfalls, wie er gerade kam, nieder ins Gras, obschon er ein kostbar feines und reichgeschmücktes Gewand anhatte. Nachdem sie einander begrüßt hatten, fehlte es Pharnabazos nicht an wohlbegründeten Vorhaltungen, da er ja den Lakedaimoniern im Kriege gegen die Athener viele große Dienste geleistet hatte und nun von ihnen ausgeplündert wurde. Als da Agesilaos bemerkte, wie seine Spartaner vor Scham und Verlegenheit die Augen niederschlugen - denn sie erkannten wohl, daß Pharnabazos Unrecht

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gcschah - , sagte er: «Früher, da wir Freunde des Königs waren, Phamabazos, sind wir mit allem, was ihm gehörte, freundschaftlich umgegangen; jetzt, da wir Feinde geworden sind, verfahren wir feindlich. Da wir nun sehen, daß auch du eins der Besitztümer des Königs sein willst, so tun wir dir begreiflicherweise Schaden um seinetwillen. Von dem Tage ab jedoch, an dem du es vorziehen wirst, ein Freund und Bundesgenosse der Griechen statt ein Sklave des Königs zu heißen, darfst du glauben, daß dieses Heer, die Waffen und die Schiffe und wir alle die Schützer deines Besitzes und deiner Freiheit sein werden, ohne die es nichts Schönes und Begehrenswertes für Menschen gibt.» Hierauf eröffnete ihm Pharnabazos seine wahre Gesinnung. «Wenn der König», sagte er, «einen andern Feldherrn entsendet, so werde ich der eure sein. Wenn er aber mir den Oberbefehl überträgt, so werde ich allen Eifer daran setzen, euch zu bekämpfen und Schaden zu tun in seinem Interesse.» Als Agesilaos das hörte, freute er sich, ergriff seine Rechte, erhob sich mit ihm und sagte: «Wenn du doch, Pharnabazos, da du so gesinnt bist, lieber unser Freund würdest als unser Feind!» 13. Während Pharnabazos mit seinen Freunden davonging, blieb sein Sohn noch zurück, lief zu Agesilaos und sagte lächelnd: «Ich mache dich zu meinem Gastfreund, Agesilaos.» Und er gab ihm den Wurfspieß, den er im Arm trug. Agesilaos nahm ihn, und erfreut über die schöne Erscheinung und über die Liebenswürdigkeit des jungen Mannes, sah er sich unter den Anwesenden um, ob einer von ihnen etwas hätte, was als Gegengeschenk an einen schönen und edlen Jüngling geeignet wäre. Da sah er das Roß seines Schreibers1 Idaios mit Zaumzeugbeschlägen geschmückt, ließ sie schnell abnehmen und gab sie dem jungen Mann. Auch in der Folgezeit verlor er ihn nicht aus dem Gedächtnis, sondern als er im späteren Verlauf seine Heimat verloren hatte und auf der Flucht vor

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seinen Brüdern nach der Peloponnes gekommen war, nahm er sich eifrig seiner an und unterstützte ihn sogar bei einem Liebeshandel. Er hatte sich nämlich in einen jungen Athleten aus Athen verliebt, und als dieser, weil er schon zu groß und kräftig war, in Gefahr war, von der Konkurrenz der Knaben in Olympia ausgeschlossen zu werden, nahm der Perser seine Z u flucht zu Agesilaos und bat für den Knaben. Agesilaos wollte ihm auch hierin gern gefällig sein, und es gelang ihm schließlich mit vieler Mühe, die Sache doch durchzusetzen. Denn er war zwar sonst korrekt und hielt sich an die Gesetze; wenn es sich aber um Freunde handelte, hielt er zu große Korrektheit fiir bloßen Vorwand. So ist noch ein Briefchen von ihm an den Karer Hidrieus 1 überliefert mit folgendem Wortlaut: «Wenn Nikias unschuldig ist, laß ihn frei; ist er schuldig, so laß ihn mir zuliebe frei; auf alle Fälle laß ihn frei.» So war Agesilaos in den meisten Fällen seinen Freunden gegenüber. Zuweilen aber richtete er sich um des gemeinen Nutzens willen doch vielmehr nach den Erfordernissen des Augenblicks, wie er es bewies, als er einmal bei einem überstürzten Aufbruch seinen krankliegenden Geliebten zurückließ. Als der ihn beim Weggehen noch anrief und um Hilfe bat, wandte er sich ab und sagte, es sei schwer, zugleich mitleidig und vernünftig zu sein. Dies hat der Philosoph Hieronymos 2 berichtet. 14. Als nunmehr das zweite Jahr seines Oberbefehls ablief 3 , hatte sich der R u f des Agesilaos schon tief nach Asien hinein verbreitet, und man erzählte sich Wunderdinge von seiner Enthaltsamkeit, Schlichtheit und Mäßigung. Denn wenn er unterwegs war, nahm er immer sein Quartier ganz für sich in den ehrwürdigsten Heiligtümern und machte so die Götter zu Beaufsichtigern und Zeugen der Handlungen, die wir sonst nicht von vielen Menschen beobachten lassen, und unter so vielen Tausenden von Soldaten hätte man nicht leicht einen finden können, der eine bescheidenere Schlafstatt hatte als

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Agesilaos. Gegen Hitze und Kälte verhielt er sich so, als wäre er von Natur dazu geschaffen, die Jahreszeiten nur immer so zu nehmen, wie Gott sie gab. Das herzerfreuendste Schauspiel aber war es fiir die Griechen, die Kleinasien bewohnten, zu sehen, wie die ehedem so unerträglich hochmütigen, von Reichtum und Üppigkeit verzärtelten Statthalter und Generäle voll Angst waren vor einem Mann und ihn bedienerten, der in einem alten, schlechten Mantel herumging, und wie sie auf ein kurzes, lakonisches Wort hin ihr ganzes Behaben und Auftreten änderten, so daß viele daraufkamen, das Wort des Timotheos 1 anzuwenden: «Ares ist Herr; Gold fürchtet Hellas nicht.» 15. Wie nun Asien in Bewegung gekommen war und überall zum Abfall neigte, schuf er Ordnung in den Städten des Landes, gab ihren Verfassungen ohne Hinrichtungen und Verbannung von Bürgern die gehörige Form und war nun entschlossen, weiter zu gehen, den Krieg vom griechischen Meere fort ins Innere zu tragen, den Kampf mit dem König um dessen Existenz und um die Schätze in Susa und Ekbatana aufzunehmen und ihn zunächst einmal aus der Ruhe aufzujagen, daß er nicht mehr gemächlich dasitzen, die Kriege unter den Griechen organisieren und die Demagogen bestechen könnte. Aber da kommt der Spartaner Epikydidas zu ihm mit der Nachricht, daß Sparta von einem schweren innergriechischen Kriege bedroht sei und daß die Ephoren ihn riefen und ihm befehlen ließen, dem Vaterlande zu Hilfe zu kommen «Barbarisch' Übel habt ihr Griechen euch erdacht 3 .» Wie sollte man wohl anders jene Mißgunst bezeichnen und die damalige Zusammenrottung und feindliche Parteiung der Griechen gegeneinander, die dem aufstrebenden Glück in die Zügel fielen und die gegen die Barbaren gerichteten Waffen

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und den schon aus den Grenzen Griechenlands hinausgetragenen Krieg wieder gegen sich selber wandten! Denn ich kann dem Korinther Demaratos nicht beistimmen, der da gesagt hat, die Griechen, die Alexander nicht hätten auf dem Thron des Dareios sitzen sehen, seien um eine große Freude zu kurz gekommen, sondern ich meine, sie hätten vielmehr Anlaß gehabt zu weinen, wenn sie bedachten, daß die Leute, die damals die Heere der Griechen bei Leuktra und Koroneia, bei Korinth und in Arkadien hinopferten, damit jene Ehre Alexander und den Makedonen überließen'. Agesilaos aber hat keine schönere und größere T a t vollbracht als diesen Rückzug, und kein herrlicheres Beispiel des Gehorsams und der Gerechtigkeit ist jemals sonst aufgestellt worden. Denn wenn Hannibal, als es ihm schon übel ging und er auf dem Punkte war, aus Italien hinausgedrängt zu werden, nur sehr widerwillig den Behörden gehorchte, die ihn zu dem Krieg in der Heimat zurückriefen, wenn Alexander gar, als er die Kunde von der Schlacht des Antipatros gegen Agis erhielt, noch witzelte und sagte: «Es scheint, meine Freunde, während wir hier den Dareios besiegten, hat in Arkadien so etwas wie ein Mäusekrieg stattgefunden» 2 : wie sollte es sich da nicht ziemen, Sparta glücklich zu preisen wegen der Achtung, die Agesilaos ihm, und des Gehorsams, den er den Gesetzen erwies ! Er, der im Augenblick, da der Geheimbefehl an ihn kam, das große Glück, das ihm lachte, die Macht, die er besaß, die schönen Hoffnungen, die ihm winkten, im Stich ließ und preisgab und sogleich davonfuhr «noch vor vollendetem Werke» große Sehnsucht nach sich bei den Bundesgenossen zurücklassend; womit er auch das Wort des Erasistratos, Sohnes des Phaiax 4 , schlagend widerlegte, der einmal gesagt hatte, in ihrem Benehmen in Staatsangelegenheiten seien die Lakedaimonier die besseren, in privaten Dingen die Athener. Denn wenn er sich auch als den tüchtigsten König und Feldherrn erwiesen

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hatte, so zeigte er sich doch als noch besseren und liebevolleren Freund und Gefährten im persönlichen Umgang. Das persische Geld zeigte als Gepräge einen Bogenschützen. Daher sagte er beim Aufbruch, er werde mit Hilfe von dreißigtausend Bogenschützen vom Könige aus Kleinasien hinausgejagt; denn soviele Dareiken waren nach Athen und Theben gesandt und an die Demagogen verteilt und so das Volk in den Krieg gegen die Spartaner getrieben worden'. 16. Als er den Hellespont überschritten hatte und durch Thrakien marschierte, wandte er sich an keins der Barbarenvölker mit Bitten, sondern er sandte nur zu jedem und ließ fragen, ob er als Freund oder als Feind durch ihr Land marschieren solle. Die anderen alle nahmen ihn freundlich auf und förderten ihn, je nach dem Maße ihres Könnens, aber die Trochaler (so hießen sie) 2 , denen auch Xerxes Geschenke gegeben haben soll, forderten von Agesilaos als Preis für den Durchmarsch hundert Talente Silber und ebensoviele Frauen. Aber Agesilaos sagte spottisch: «Warum sind sie nicht gleich gekommen, um den Preis zu holen?», rückte vor, lieferte den gegen ihn aufmarschierten Barbaren ein Gefecht, schlug sie in die Flucht und tötete viele. Dieselbe Frage ließ er auch an den König der Makedonen richten, und als der erklärte, er wolle überlegen, sagte er: «So mag er überlegen; wir wollen inzwischen marschieren.» Voll Staunen über seine Kühnheit und zugleich in Furcht forderte ihn daraufhin der König auf, als Freund einzurücken. Da die Thessalier mit den Feinden im Waffenbündnis waren, verwüstete er ihr Land. Nach Larissa sandte er Xenokles und Skythes zu gütlicher Verhandlung. Als diese festgenommen und gefangengesetzt wurden, entrüsteten sich die anderen heftig und meinten, Agesilaos müsse Larissa einschließen und belagern; er aber sagte, er würde nicht ganz Thessalien haben wollen, wenn er darum einen der beiden Männer ver-

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licren müßte, und ließ sie sich durch einen Vergleich zurückgeben. Darüber braucht man sich bei Agesilaos vielleicht gar nicht zu wundern, der, als er die Nachricht erhielt, bei Korinth sei eine große Schlacht geschlagen worden und es seien nur ganz wenige Spartaner gefallen, aber sehr viele Feinde, keine große Freude noch Stolz bezeigte, sondern tief seufzend sagte: «Ach, armes Griechenland, daß du durch dich selbst so viele Männer verloren hast, wie, wenn sie lebten, alle Barbaren zusammen im Kampf besiegen könnten!» Als die Pharsalier ihn beunruhigten und mit fünfhundert Reitern sein Heer belästigten, ließ er seine Reiterei angreifen, schlug die Feinde zurück und errichtete am Fuße des Narthakion' ein Siegesmal. Auf diesen Sieg war er besonders.stolz, •yyeil er allein mit der Reitertruppe, die er selbst erst geschaffen hatte, einen Feind geschlagen hatte, der sich auf sein kavalleristisches Können besonders viel einbildete. 17. Hier traf ihn, von Hause kommend, der Ephor Diphridas und überbrachte ihm den Befehl, sogleich in Boiotien einzufallen. Obgleich er im Sinne hatte, dies erst später nach stärkerer Vorbereitung zu tun, glaubte er doch, der Obrigkeit den Gehorsam nicht versagen zu dürfen, sondern sagte seinen Leuten, nun sei der Tag nahe, zu dem sie aus Kleinasien gekommen seien, und berief noch zwei Regimenter von der bei Korinth stehenden Armee zu sich. Die Lakedaimonier in der Stadt erließen, um Agesilaos zu ehren, einen Aufruf, daß jeder der jungen Leute, der Lust habe, dem König zu Hilfe zu kommen, sich einschreiben lassen solle. Da sich alle mit größtem Eifer dazu meldeten, wählten die Behörden die fünfzig Tauglichsten und Kräftigsten aus und sandten sie ihm. Nachdem Agesilaos die Pylai (=Thcrmopylen) passiert, das befreundete Phokis durchzogen, eben Boiotien betreten und bei Chaironeia sein Lager aufgeschlagen hatte, trat zugleich eine Sonnenfinsternis ein so daß sie mondförmig er-

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schicn, und er erhielt die Nachricht, daß Peisandros in einer Seeschlacht bei Knidos von Pharnabazos und Konon geschlagen worden und gefallen sei. Natürlich war er durch diese Nachricht schwer betroffen, sowohl des Mannes wie des Vaterlandes wegen; damit aber die Soldaten, die zur Schlacht zogen, nicht Mutlosigkeit und Furcht befiele, befahl er den vom Meere kommenden Boten, das Gegenteil zu sagen, nämlich daß die Seeschlacht gewonnen worden sei. Er erschien selbst bekränzt, brachte ein Opfer «der guten Botschaft» und sandte den Freunden Portionen von dem Opferfleisch. 18. Als er im weiteren Vorrücken bei Koroneia1 die Feinde erblickte und ihnen in Sicht kam, stellte er sein Heer derart auf, daß er den Orchomeniern den linken Flügel gab und selbst den rechten anführte. Drüben hielten die Thebaner selbst den rechten Flügel und den linken die Argiver. Xenophon 1 sagt, daß die Schlacht so erbittert gewesen sei wie keine andere in damaliger Zeit; er war nämlich selbst dabei und kämpfte an der Seite des Agesilaos mit, in dessen Begleitung er aus Kleinasien herübergekommen war. Beim ersten Zusammenstoß gab es kein langes Drängen und Kämpfen, sondern die Thebaner warfen die Orchomenier schnell zurück und Agesilaos die Argiver. Aber als sie beide bemerkten, daß ihr linker Flügel geschlagen und auf der Flucht war, kehrten sie um, und obwohl ihm jetzt ein gefahrloser Sieg winkte, wenn er sich entschlossen hätte, auf den frontalen Kampf mit den Thebanern zu verzichten und sie im Vorbeiziehen im Rücken anzugreifen, trat er in erbittertem Ehrgeiz den Männern von vorn entgegen mit dem Willen, sie im Gewaltstoß zu werfen. Aber die nahmen den Kampf nicht minder mutig auf, und es folgte ein heftiges Ringen über das ganze Heer hin, am heftigsten aber dort, wo er unter seinen Fünfzig stand, deren Ehrbegierde, wie es scheint, für diesmal dem König zur Rettung gedieh. Denn sie kämpften heldenmütig

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und ohne die Gefahr zu achten und vermochten ihn zwar nicht vor Verwundung zu bewahren, aber nachdem er viele Schwerthiebe und Lanzenstiche durch Schild und Panzer in den Leib erhalten hatte, schleppten sie ihn doch mit Mühe noch lebend zurück, schlössen sich vor ihm dicht zusammen und töteten viele, verloren aber auch viele von ihrer Schar. Weil es aber allzu schwierig war, die Thebaner frontal zurückzuwerfen, so sahen sie sich doch gezwungen, das zu tun, was sie anfangs nicht gewollt hatten: sie öffneten ihnen ihre Front und ließen sie hindurch, und als sie durchgebrochen waren und schon in gelösterer Ordnung marschierten, folgten sie ihnen, überliefen sie seitlich und griffen sie in der Flanke an. Doch schlugen sie sie nicht in die Flucht, sondern die Thebaner zogen in Ordnung gegen den Helikon hin ab, stolz auf ihre Leistung in der Schlacht, weil sie an ihrem Teil unbesiegt geblieben waren. 19. Obwohl Agesilaos sich infolge der vielen empfangenen Wunden übel befand, begab er sich nicht eher in sein Zelt, als bis er sich wieder hatte zu seiner Front tragen lassen und sich überzeugt hatte, daß die Toten im Bereich der eigenen Waffen zusammengebracht waren. Diejenigen Feinde, welche in das Heiligtum geflohen waren, befahl er alle freizulassen; in der Nähe befindet sich nämlich der Tempel der Athena Itonia, und vor ihm steht das Siegesmal, welches in alter Zeit die Boioter errichtet hatten, als sie dort unter Führung des Sparton die Athener besiegten und Tolmides t ö t e t e n A m folgenden Morgen ließ Agesilaos, um die Thebaner auf die Probe zu stellen, ob sie noch einmal den Kampf aufnehmen wollten, die Soldaten sich bekränzen, die Flötenspieler blasen und ein Siegesmal errichten und ausschmücken zum Zeichen, daß sie gesiegt hätten. Als aber die Feinde sandten und um die Bewilligung zur Beerdigung ihrer Toten nachsuchten, schloß er den Waffenstillstand, und nachdem er so seinen Sieg gesichert

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h a t t e l i e ß er sich nach Delphi bringen, wo eben die Pythien gefeiert wurden, veranstaltete die Prozession für den Gott und weihte ihm von der Beute aus Kleinasien den Zehnten, der sich auf hundert Talente belief. Als er endlich heimkehrte, war er sogleich bei seinen Mitbürgern beliebt und hochangesehen wegen der Art seiner Lebensführung. Denn er kam nicht wie die meisten Feldherren als ein gänzlich Veränderter aus der Fremde zurück, bezaubert und verwöhnt durch ausländische Sitten und unzufrieden mit dem heimischen Wesen und ihm widerstrebend, sondern gleich denen, die noch niemals über den Eurotas hinübergekommen waren, liebte und ehrte er das Bestehende, änderte nichts an seiner Mahlzeit, seinem Bade, der Lebenshaltung seiner Frau, dem Schmuck seiner Waffen, der Einrichtung seines Hauses; ja er ließ sogar dessen Türen so, wie sie waren, obwohl sie so alt waren, daß man glauben konnte, es wären noch dieselben, die Aristodemos 2 eingesetzt hatte. Auch das Kannathron seiner Tochter, so berichtet Xenophon J , war in keiner Weise prächtiger als die der anderen Mädchen. Kannathra nennen sie nämlich die hölzernen Wagen in Gestalt von Greifen und Bockhirschen, in welchen bei den Prozessionen die Mädchen gefahren werden \ Xenophon hat den Namen der Tochter des Agesilaos nicht aufgezeichnet, und Dikaiarchos 5 hat sich sogar darüber aufgeregt, daß wir weder von der Tochter des Agesilaos noch von der Mutter des Epameinondas die Namen wüßten. Wir haben aber in den «Lakonischen Aufzeichnungen»® gefunden, daß die Gattin des Agesilaos Kleora und seine Töchter Eupolia und Hippolyta geheißen haben. Seine Lanze kann man noch heute in Lakedaimon sehen, wo sie verwahrt wird, und sie unterscheidet sich in nichts von anderen Lanzen. 20. Als er gewahrte, daß einige der Bürger für etwas galten, weil sie sich einen Rennstall hielten, und sich viel darauf ein-

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bildeten, veranlagte er seine Schwcster Kyniska, einen Wagen in Olympia laufen zu lassen und sich an dem Wettkampf zu beteiligen, in der Absicht, den Griechen zu zeigen, daß ein solcher Sieg keine Sache der eigenen Tüchtigkeit, sondern des Reichtums und des Kostenaufwandes ist. Den weisen Xenophon, den er immer um sich hatte und sehr hochschätzte, forderte er auf, seine Söhne nach Lakedaimon kommen und dort erziehen zu lassen, damit sie das Schönste lernten, was man lernen kann: zu gehorchen und zu befehlen. Als Lysander gefallen war, entdeckte er das Bestehen eines starken politischen Klubs, den jener sogleich nach seiner Rückkehr aus Kleinasien gegen Agesilaos gegründet hatte, und war schon willens, ihn zu entlarven, was für ein Bürger er im Leben gewesen sei; auch las er eine schriftlich niedergelegte und hinterlassene Rede, die Kleon von Halikamassos verfaßt hatte und die Lysander hatte nehmen und vor dem Volke vortragen wollen, über neue Maßnahmen und eine Umgestaltung der Verfassung, und er gedachte auch sie zu veröffentlichen. Als aber einer der Geronten die Rede auch las und in Besorgnis wegen ihrer Uberzeugungskraft den Rat gab, den Lysander nicht wieder auszugraben, sondern lieber die Rede mit ihm zu begraben, ließ er sich überreden und hielt Ruhe Seinen Gegnern tat er offen keinen Schaden, sondern sorgte stets dafür, daß einige von ihnen als Feldherren und Statthalter ausgesandt wurden, und zeigte, daß sie, wenn sie an der Macht waren, sich als schlecht und habsüchtig erwiesen; wurden sie dann zur Verantwortung gezogen, so kam er ihnen wiederum zu Hilfe und stand ihnen bei, machte sie sich so aus Gegnern zu Freunden und zog sie zu sich herüber, so daß er am Ende keinen Feind hatte. Denn der andere König, Agesipolis, der der Sohn eines Verbannten 1 , dazu noch ganz jung und von Charakter sanft und bescheiden war, befaßte sich nicht sehr mit den Staatsgeschäften. Doch wußte er auch

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ihn sich zu verpflichten und geneigt zu machen. Denn die Könige speisen zusammen und gehen in dasselbe Phidition wenn sie zu Hause sind. Da er nun wußte, daß Agesipolis (wie auch er selbst) von verliebter Natur war, so brachte er die Unterhaltung immer auf schöne Jünglinge und munterte so den jungen Mann auf, ein gleiches zu tun, und er half ihm und förderte ihn in seinen Liebesaffaren, da es sich übrigens bei der lakonischen Liebe um nichts Schändliches, sondern stets um Ehrgefühl, Ehrgeiz und Nacheiferung in Tüchtigkeit handelt, wie dies im Leben des Lykurgos dargestellt ist'. 21. Dank des hohen Ansehens, das er in der Stadt genoß, erreichte er nun, daß Teleutias, seinem Halbbruder mütterlicherseits, die Flotte unterstellt wurde. Er unternahm einen Feldzug gegen Korinth und eroberte von der Landseite die Langen Mauern, wobei ihn Teleutias mit der Flotte (unterstützte) \ Während die Argiver, die damals Korinth in Besitz hatten, die Isthmischen Spiele feierten4, erschien er plötzlich, als sie. gerade dem Gott das Opfer dargebracht hatten, und verjagte sie, so daß sie alle Zurüstungen im Stiche lassen mußten. Als jetzt die Verbannten der Korinther, die sich bei ihm befanden, ihn baten, seinerseits die Wettspiele zu leiten, tat er das zwar nicht, blieb aber, während sie die Spiele feierten und zu Ende führten, am Orte und gewährte ihnen Sicherheit. Als er dann später abgezogen war, wurden von den Argivern die Isthmien noch einmal begangen, und einige siegten wiederum, manche aber wurden als Sieger bei den ersten Spielen, aber Besiegte bei den zweiten Spielen verzeichnet. Daraufhin erklärte Agesilaos, die Argiver hätten sich selbst das Zeugnis großer Feigheit ausgestellt, daß sie zwar die Veranstaltung der Spiele für etwas so Großes und Ehrenvolles ansähen, aber nicht gewagt hätten, darum zu kämpfen. Er selbst meinte allen diesen Dingen gegenüber eine gemäßigte Haltung einnehmen zu sollen. Die heimischen Chöre und Spiele

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zwar feierte er mit und war stets voll Eifer und Ehrgeiz dabei, fehlte bei keinem Wettkampf von Knaben oder Jungfrauen; •wovon er aber die anderen viel Aufhebens machen sah, davon nahm er scheinbar gar keine Notiz. Einmal begegnete ihm der tragische Schauspieler Kallippides, der einen großen Namen bei den Griechen hatte und von allen gefeiert wurde, und begrüßte ihn zuerst, mischte sich dann unter die Gesellschaft des Königs und machte viel von sich her in der Erwartung, daß er zuerst ein freundliches Wort an ihn wenden würde, und schließlich sagte er: «Kennst du mich nicht, o König?» Worauf der nur einen Blick auf ihn warf und bemerkte: «Ja, bist du nicht Kailippidas der Possenreißer 1 ?» So nennen die Lakedaimonier nämlich die Schauspieler. Ein andermal wieder, als er eingeladen wurde, einen anzuhören, der den Gesang der Nachtigall nachmachen konnte, lehnte er ab mit dem Wort: «Ich hab' sie selbst gehört.» Dem Arzt Menekrates, der, nachdem er in einigen verzweifelten Fällen einen Heilerfolg erzielt hatte, den Beinamen Zeus bekommen hatte und sich desselben auf eine so plumpe Weise bediente, daß er sich unterstand, an Agesilaos zu schreiben: «Menekrates Zeus wünscht dem König Agesilaos Glück und Heil», schrieb er zur Antwort: «König Agesilaos wünscht dem Menekrates Gesundheit. » 22. Während er sich im Gebiet von Korinth aufhielt, das Heraion' genommen hatte und zusah, wie die Soldaten die Gefangenen und die Beute fortschleppten, kamen Gesandte aus Theben zu Friedensverhandlungen. Da er nun schon immer einen Haß auf die Stadt hatte und es diesmal auch für vorteilhaft hielt, sie verächtlich zu behandeln, so stellte er sich, als ob er sie weder sähe noch hörte, als sie vor ihn traten. Aber für dieses Verhalten traf ihn eine schnelle Strafe. Denn ehe noch die Thebaner gegangen waren, kamen Boten, die ihm die Vernichtung der Mora durch Iphikrates meldeten 1 .

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Das war ein Schlag, so schwer, wie er sie seit langer Zeit nicht getroffen hatte; denn sie verloren viele tapfere Männer, Schwerbewaffnete, die von leichten Truppen, und Lakedaimonier, die von Mietsoldaten geschlagen worden waren. Sofort sprang Agesilaos auf, um ihnen noch Hilfe zu bringen; als er aber erkannte, daß die Truppe schon völlig vernichtet war, kehrte er ins Heraion zurück und ließ nunmehr die Boioter vor sich rufen, um mit ihnen zu unterhandeln. Als diese aber zum Entgelt für den ihnen angetanen Schimpf kein Wort mehr von Frieden verlauten ließen, sondern nur nach Korinth hineingelassen zu werden verlangten, sagte Agesilaos zornig: «Wenn ihr sehen wollt, wie stolz eure Freunde auf den errungenen Erfolg sind, so soll euch morgen in aller Sicherheit die Gelegenheit dazu gegeben werden.» Und er nahm sie am nächsten Tage mit, verheerte das Land der Korinther und stieß bis vor die Stadt selbst vor. Nachdem er so gezeigt hatte, daß die Korinther nicht wagten, ihm entgegenzutreten, entließ er die Gesandtschaft. Er selbst zog die von der Mora übrig gebliebenen Mannschaften an sich und kehrte nach Lakedaimon zurück, doch so, daß er immer vor Tagesanbruch aufbrach und erst nach Einbruch der Dunkelheit das Lager bezog, damit diejenigen Arkader, die von Haß und Mißgunst gegen ihn erfüllt waren, keine Gelegenheit hätten, sich zu freuen. Darnach ging er, um den Achaiern sich gefällig zu zeigen, vereint mit ihnen mit Heeresmacht nach Akarnanien hinüber, brachte große Beute zusammen und schlug die Akamanen in einer S c h l a c h t D o c h als die Achaier ihn baten, den Winter abzuwarten und so die Feinde an der Aussaat zu hindern, sagte er, er werde vielmehr das Gegenteil tun, denn sie würden größere Angst vor einem neuen Krieg haben, wenn sie das Land für die gute Jahreszeit bestellt hätten. So kam es auch. Denn als wieder ein Feldzug gegen sie angekündigt wurde, vertrugen sie sich mit den Achaiern.

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23. Als Konon und Pharnabazos, die mit der Flotte des Königs die See beherrschten, die Küstengebiete Lakoniens verwüsteten und die Stadt der Athener wieder befestigt worden war, wozu Pharnabazos das Geld gegeben hatte, entschlossen sich die Lakedaimonier, mit dem König Frieden zu schließen, und sie entsandten Antalkidas zu Tiribazos, womit sie auf schimpflichste und ungerechteste Weise dieGriechen,dieKleinasien bewohnten und für die Agesilaos gekämpft hatte, dem Könige p r e i s g a b e n A n diesem unrühmlichen Vorgehen aber hatte Agesilaos nicht den geringsten Anteil. Denn Antalkidas war sein Feind und betrieb den Frieden auf alle Weise, weil er glaubte, daß der Krieg den Agesilaos förderte und ihm zu Ruhm und Größe verhalf. Trotzdem gab Agesilaos einem Mann, der sagte, die Lakedaimonier machten jetzt persische Politik, die Antwort, nein, sondern die Perser machten lakonische Politik, und diejenigen, die den Frieden nicht annehmen wollten, bedrohte er und kündigte ihnen Krieg an und zwang so alle, die Bedingungen anzunehmen, die der König festgesetzt hatte, vor allem wegen der Thcbaner, damit sie, wenn sie Boiotien die Selbständigkeit zugestehen müßten, geschwächt würden. Daß dies seine Absicht war, machte er offenkundig durch sein späteres Verhalten. Denn als Phoibidas die schändliche Tat vollbracht hatte, daß er mitten im tiefsten Frieden die Kadmeia besetzte *, und alle Griechen sich entrüsteten, auch die Spartaner empört waren, und besonders die Gegner des Agesilaos den Phoibidas zornig fragten, auf wessen Befehl er das getan habe (womit sie den Verdacht auf Agesilaos lenken wollten), da zögerte er nicht, dem Phoibidas beizuspringen und öffentlich zu erklären, man müsse die Handlung selbst im Hinblick darauf beurteilen, ob sie einen Nutzen bringe; denn es sei gut, wenn das, was Lakedaimon von Nutzen sei, aus eigener Verantwortung getan werde, auch wenn es niemand

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befohlen habe. Dabei pflegte er mit Worten sonst bei jeder Gelegenheit zu erklären, daß die Gerechtigkeit die erste aller Tugenden sei. Denn Tapferkeit sei nichts nütze, wenn nicht Gerechtigkeit dabei sei, und wenn alle gerecht wären, würde Tapferkeit überhaupt nicht vonnöten sein. Zu den Leuten, die sagten, dies sei der Wille des Großen Königs, sagte er: «Wieso ist er größer als ich, wenn er nicht auch gerechter ist?» womit er sich sehr mit Recht auf den Standpunkt stellte, daß mit der Gerechtigkeit als dem eigentlich königlichen Maße das Mehr oder Weniger von Größe gemessen werden müsse. Aber den Brief, den ihm nach geschlossenem Frieden der König sandte mit dem Angebot der Gastlichkeit und Freundschaft, nahm er nicht an mit der Begründung, es genüge die allgemeine Freundschaft, und es bedürfe keiner besonderen, solange jene bestehe. Mit seinen Handlungen aber hielt er sich nicht an diesen Grundsatz, sondern ließ sich in vielen Fällen von Ehrgeiz und Siegeswillen fortreißen, ganz besonders gegen die Thebaner, und so rettete er nicht nur den Phoibidas, sondern bewog auch die Stadt, das Unrecht auf sich zu nehmen, die Kadmeia selbst in der Hand zu behalten und Archias und Leontiadas, durch die Phoibidas hineingekommen war und die Burg besetzt hatte, zu Herren und Regenten der Stadt zu machen. 24. Sofort schon regte sich infolgedessen der Verdacht, daß die Tat zwar von Phoibidas ausgeführt worden sei, der Plan aber von Agesilaos stamme, und seine späteren Handlungen machten diesen Vorwurf zur Gewißheit. Denn als die Thebaner die Besatzung vertrieben und die Stadt befreit h a t t e n e r öffnete er mit der Beschuldigung, daß sie Archias und Leontiadas getötet hätten - die doch zwar dem Namen nach Polemarchen in Wahrheit aber Tyrannen gewesen waren den Krieg gegen sie, und Kleombrotos, der nach dem inzwischen eingetretenen Tode des Agesipolis König war', wurde mit Heeresmacht nach Boiotien entsandt. Denn Agesilaos, der

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schon vierzig Jahre seit seinem Eintritt ins Mannesalter hinter sich hatte und nach den Gesetzen von der Dienstpflicht befreit war, hatte dieses Kommando abgelehnt, weil er sich schämte, nachdem er kurz vorher die Phleiasier ihrer Verbannten wegen bekriegt hatte 1 , gleich wieder als der Mann dazustehen, der dieThebaner ihrer Tyrannen wegen überfiele. Es lebte damals ein Lakedaimonier namens Sphodrias, der der Gegenpartei des Agesilaos angehörte und in Thespiai 2 als Harmost eingesetzt war, ein Mann nicht ohne Wagemut und Ehrgeiz, der aber immer den Kopf mehr von vagen Hoffnungen voll hatte als von gesundem Verstand. In dem Verlangen, sich einen großen Namen zu machen, und in dem Glauben, daß Phoibidas durch sein Wagestück gegen Theben ein weitberühmter Mann geworden sei, kam er auf den Gedanken, es müßte eine noch viel schönere und ruhmvollere T a t sein, wenn er durch einen unvermuteten Überfall von der Landseite den Piräus in seine Hand brächte und damit die Athener von der See abschnitte. Man sagt aber auch, daß das ein listiges Manöver der Boiotarchen Pelopidas und Melon gewesen sei: sie hätten heimlich Leute zu ihm geschickt, die sich für Lakonenfreunde ausgaben und Sphodrias lobten und priesen, daß er allein einer solchen Tat würdig sei, und ihn so anstachelten und ermunterten, ein Unternehmen anzugreifen, das ebenso ruchlos und ungerecht war wie jenes, aber nicht mit dem gleichen Wagemut und Gelingen durchgeführt wurde. Denn der T a g überraschte ihn in der Thriasischen Ebene 3 , während er gehofft hatte, noch bei Nacht vor dem Piräus anzukommen. Auch sagt man, die Soldaten seien durch ein Licht, das sie von gewissen heiligen Begehungen in Eleusis herüberleuchten sahen, in Angst und Schrecken geraten. So entfiel auch ihm selbst der Mut, da er nicht länger verborgen bleiben konnte, und er kehrte nach einigen unbedeutenden Plünderungen mit Schimpf und Schande nach Thespiai zurück.

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Hierauf wurden von Athen Ankläger nach Sparta entsandt, fanden aber, daß es den dortigen Behörden gegenüber keiner Ankläger mehr gegen Sphodrias bedurfte, sondern daß sie schon ein Verfahren auf Leben und Tod gegen ihn eingeleitet hatten, von dem er sich keine günstige Entscheidung versprach, aus Furcht vor dem Zorn seiner Mitbürger, die sich vor den Athenern schämten und darum als selbst von dem Unrecht Betroffene dastehen wollten, um nicht als an dem Unrecht Beteiligte zu gelten. 2j. Nun hatte Sphodrias einen Sohn namens Kleonymos, noch ein Knabe von großer Schönheit, den Archidamos, der Sohn des Königs Agesilaos, liebte. Natürlich war er jetzt mit ihm in großer Angst um seinen schwer gefährdeten Vater, konnte aber offen nichts für ihn tun und ihm helfen, denn 'Sphodrias gehörte zu den Widersachern des Agesilaos. Als aber Kleonymos zu ihm kam und ihn unter Tränen flehentlich bat, ihnen Agesilaos günstig zu stimmen, denn er sei ihnen am meisten gefährlich, ging er drei oder vier Tage voll Scheu und Furcht dem Vater immer nur schweigend nach. Endlich, als der Gerichtstag schon nahe war, wagte er Agesilaos zu sagen, daß Kleonymos ihn wegen des Vaters angesprochen hätte. Agesilaos wußte schon von der Liebe des Archidamos und hatte nichts dagegen gehabt, denn Kleonymos stand schon von Kindheit an in dem Ansehen, daß er ein tüchtiger Mann werden würde, wie nur sonst einer. Doch machte Agesilaos fürs erste dem bittenden Sohne noch keine freundlichen Hoffnungen, sondern sagte nur, er wolle überlegen, was gut und schicklich sei, und ging davon. Aus Scham unterließ es nun Archidamos, Kleonymos zu besuchen, obwohl er das bisher mehrmals am Tage zu tun pflegte. Daher gaben die Freunde des Sphodrias seine Sache schon fast ganz verloren, bis ihnen einer der Freunde des Agesilaos, Etymokles, in einer Unterredung die Meinung des Agesilaos enthüllte: daß er zwar die

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Tat durchaus verwerfe, im übrigen aber den Sphodrias für einen wackern Mann halte, und daß er sehe, daß die Stadt solche Soldaten brauche. Solche Reden ließ Agesilaos nämlich bei jeder Gelegenheit über den Prozeß fallen in der Absicht, den Wunsch seines Sohnes zu erfüllen, so daß auch Kleonymos alsbald bemerkte, wie Archidamos sich bemüht hatte, und die Freunde des Sphodrias den Mut fanden, für ihn einzutreten. Überhaupt war Agesilaos ein sehr liebevoller Kindervater, und man erzählt von ihm die scherzhafte Geschichte, daß er bei sich zu Hause mit seinen Kindern, als sie noch klein waren, Steckenpferd spielte und, als er dabei von einem seiner Freunde gesehen wurde, ihn bat, das niemandem zu erzählen, bevor der Betreffende selbst Vater von Kindern geworden sei. 26. Nachdem daraufhin Sphodrias freigesprochen war und die Athener, als sie das erfuhren, in den Krieg eintraten, kam Agesilaos arg in Verruf, weil man ihm nachsagte, daß er wegen einer abgeschmackten und kindischen Leidenschaft ein gerechtes Urteil verhindert und damit dem Staat die Mitschuld an so schweren Rechtsbrüchen gegen die Griechen aufgebürdet habe. Da er nun sah, daß Kleombrotos wenig Lust hatte, den Krieg gegen die Thebaner zu fuhren, so kümmerte er sich nicht weiter um das Gesetz, das er vorher in Anspruch genommen hatte, um vom Kriegsdienst befreit zu sein, und Hei selbst in Boiotien ein, tat den Thebanern vielen Schaden und erlitt ebensolchen durch sie. Daher sprach damals Antalkidas, als Agesilaos selbst verwundet worden war, zu ihm das Wort: «Ein schönes Lehrgeld bekommst du da von den Thebanern dafür, daß du sie, ohne daß sie es wollten oder verstanden, zu kämpfen gelehrt hast.» Tatsächlich sollen die Thebaner nie so kriegstüchtig gewesen sein wie damals, da sie durch die vielen Feldzüge der Lakedaimonier gegen sie gleichsam eingeübt wurden. Daher hat auch schon der alte Lykurg in den sogenannten drej Rhetrai 1 verboten, oft gegen

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dieselben Gegner ins Feld zu ziehen, damit sie nicht das Kriegfuhren lernten. So wurde Agesilaos auch den Bundesgenossen der Lakedaimonier zum Ärgernis, da sie meinten, daß er die Thebaner nicht wegen einer die Allgemeinheit betreffenden Beschwerde, sondern aus persönlicher Erbitterung und Eifersucht zu vernichten suche. Sie würden also, sagten sie, ohne Not geschunden, da sie Jahr fiir Jahr in so großer Zahl bald hierhin, bald dorthin wenigen Lakedaimoniern Heeresfolge leisten müßten. Da habe sich Agesilaos, so wird erzählt, in der Absicht, ihre Zahl festzustellen, folgenden Kunstgriff ausgedacht. Er befahl, daß alle Bundesgenossen sich untereinander vermischt, die Lakedaimonier aber getrennt von ihnen niedersetzen sollten. Darauf ließ er den Herold ausrufen, daß zuerst die Töpfer aufstehen sollten. Als die aufgestanden waren, ließ er zu zweit die Schmiede, dann nach ihnen die Zimmerleute, die Maurer und die Angehörigen aller anderen Handwerksberufe aufrufen. So standen beinahe alle Bundesgenossen auf, von den Lakedaimoniern aber keiner; denn es war ihnen verboten, ein Handwerk auszuüben und zu lernen. Lachend sagte nun Agesilaos: «Ihr seht nun, Männer, wieviel mehr Soldaten wir stellen als ihr!» 27. Als er das Heer von Theben zurückführte1 und in Megara zur Akropolis hinaufstieg, um ins Rathaus zu gehen, erfaßte ein Krampf und ein heftiger Schmerz sein gesundes Bein. Darauf schwoll es an, füllte sich anscheinend ganz mit Blut, und es entwickelte sich eine starke Entzündung. Als ein syrakusischer Arzt die Ader unter dem Knöchel anschlug, ließen zwar die Schmerzen nach, aber viel Blut schoß hervor und rann unaufhaltsam, und eine schwere Ohnmacht mit akuter Lebensgefahr befiel Agesilaos. Eben dies aber brachte die Blutung zum Stehen, er wurde nach Lakedaimon gebracht, lag lange Zeit krank und war außerstande, ins Feld zu ziehen. Während dieser Zeit stießen den Spartanern zu Wasser und

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zu Lande viele Unglücksfälle zu. Der schwerste von ihnen war die Schlappe bei Tegyra, wo sie zum erstenmal im offenen Felde von den Thebanern überwältigt und geschlagen wurden Überall war man nun geneigt, einen allgemeinen Frieden zu schließen, und es kamen aus ganz Hellas Gesandte nach Lakedaimon, um die Versöhnung zustande zu bringen Einer von ihnen war Epameinondas, ein Mann, der wegen seiner Bildung und seiner philosophischen Studien schon einen Namen hatte, aber noch keine Probe seines Könnens als Feldherr abgelegt hatte. Während dieser nun sah, daß alle anderen sich dem Agesilaos fugten, zeigte er allein freimütiges Selbstgefühl und hielt eine Rede, nicht nur im Interesse der Thebaner, sondern des gesamten Griechenlands, in der er darlegte, daß der Krieg Sparta groß machte, während alle anderen durch ihn zu schwerem Schaden kämen, und forderte, daß der Frieden auf Gleichheit und Gerechtigkeit gegründet werden müsse; denn nur dann werde er Bestand haben, wenn alle gleichgestellt würden. 28. Als nun Agesilaos bemerkte, daß die Griechen dieser Rede mit großer Aufmerksamkeit folgten und lebhaft zustimmten, fragte er Epameinondas, ob er der Meinung sei, daß es der Gleichheit und Gerechtigkeit entspreche, daß Boiotien selbständig sei. Als darauf Epameinondas schnell und unerschrocken die Gegenfrage stellte, ob der andere es für gerecht halte, daß Lakonien selbständig sei, sprang Agesilaos zornig auf und befahl ihm, deutlich zu sagen, ob er Boiotien die Selbständigkeit geben wolle, und als Epameinondas wiederum an ihn dieselbe Frage richtete, ob er Lakonien die Selbständigkeit geben wolle, da geriet Agesilaos in solche Wut und ergriff die Gelegenheit so begierig, daß er sogleich den Namen der Thebaner aus dem Friedensvertrag streichen ließ und ihnen den Krieg ankündigte. Die übrigen Griechen, die den Friedensvertrag annahmen, hieß er nach Hause gehen mit der

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Bemerkung, über das Heilbare solle man dem Frieden, über das Unheilbare dem Krieg die Entscheidung überlassen. Denn es war nicht möglich, alle Streitigkeiten zu bereinigen und zum Austrag zu bringen. Zu jener Zeit stand Kleombrotos mit Heeresmacht in Phokis. Sofort sandten ihm also die Ephoren den Befehl, sein Heer gegen die Thebaner zu führen. Zugleich sandten sie den Befehl zur Sammlung an die Bundesgenossen, die zwar wenig Lust hatten und sich durch den Krieg beschwert fühlten, aber noch nicht wagten, zu widersprechen und den Lakedaimoniern den Gehorsam zu versagen. Obschon sich jetzt viele böse Vorzeichen ereigneten - wie im Leben des Epameinondas berichtet ist 1 - und der Spartaner Prothoos den Feldzug widerriet, ließ Agesilaos doch nicht nach, sondern setzte den Kriegsbeschluß durch in der Erwartung, da ganz Griechenland auf ihrer Seite stand und nur die Thebaner dem Vertrag nicht beigetreten waren, es sei nun der Augenblick gekommen, an ihnen Rache zu nehmen. Daß tatsächlich dieser Feldzug mehr im Affekt als nach kühler Überlegung unternommen worden ist, zeigt die Berechnung der Zeit. Denn am vierzehnten des Monats Skirophorion schlössen sie den Vertrag in Lakedaimon, und am fünften Hekatombaion wurden sie bei Leuktra geschlagennach Verlauf von zwanzig Tagen. Es fielen tausend Lakedaimonier, der König Kleombrotos und um ihn die tapfersten Spartaner. Unter ihnen soll sich auch der schöne Kleonymos, der Sohn des Sphodrias, befunden haben, der dreimal vor dem König niedersank, ebensooft wieder aufstand und endlich im Kampf mit den Thebanern erschlagen wurde. 29. Nachdem so den Lakedaimoniern ein unerwartetes Unglück widerfahren, den Thebanern ein Glück über alles Hoffen hinaus in den Schoß gefallen war, wie es sich noch niemals im Kampf von Griechen gegen Griechen ereignet hatte, muß man

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um der bewiesenen Tapferkeit willen die besiegte Stadt nicht weniger preisen und bewundern als die siegreiche. Xenophon sagt e i n m a l d i e Äußerungen und Unterhaltungen bedeutender Männer auch bei Wein und Scherz enthielten manches Bemerkenswerte, und hat damit recht; nicht weniger aber, ja noch mehr lohnt es sich, aufzumerken und zu beobachten, was wackere Männer im Unglück tun und reden, um ihre Würde zu bewahren. Denn Sparta feierte damals gerade ein Fest und war voll von Fremden - es waren die Gymnopaidien" - , und die Chöre wetteiferten miteinander im Theater, da kamen von Leuktra die Boten, die die Katastrophe meldeten. Doch die Ephoren, obschon sofort klar war, daß die Sache Spartas verloren war und daß sie ihre führende Stellung eingebüßt hatten, ließen weder einen Chor abtreten noch etwas an dem festlichen Zuschnitt in der Stadt ändern, sondern sie schickten nur die Namen der Gefallenen den Angehörigen ins Haus und führten selbst die Festfeier und den Kampf der Chöre weiter. Als dann am andern Morgen allgemein bekannt geworden war, wer am Leben geblieben und wer gefallen war, kamen die Väter, Verwandten und Angehörigen der Gefallenen zum Markt hinunter und begrüßten einander mit heiterer Miene, voll von Stolz und Freude; die Angehörigen der Überlebenden aber saßen wie in tiefer Trauer mit den Frauen zu Hause, und wenn einer aus dringendem Anlaß ausging,* so zeigte er sich in Haltung, Stimme und Blick gebeugt und niedergeschlagen. Noch mehr konnte man bei den Frauen sehen und bemerken, daß diejenige, die einen Sohn lebend aus der Schlacht zurückerwartete, niedergeschlagen und still war, die Mütter der als tot Gemeldeten hingegen sogleich in den Tempeln umhergingen und einander stolz und freudig besuchten. 30. Als jedoch jetzt die Bundesgenossen abfielen und zu erwarten stand, daß Epameinondas im stolzen Bewußtsein seines Sieges in die Peloponnes einfallen werde, da kamen der

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Menge die Orakelsprüche über die Lahmheit des Agesilaos wieder in den Sinn, und tiefe Mutlosigkeit und Schauder vor der Gottheit befiel sie bei dem Gedanken, daß es deswegen dem Staat so schlecht ginge, weil sie den Wohlgefiigten von der Königswürde ausgeschlossen und den Lahmen und Verkrüppelten gewählt hatten, wovor sich zu hüten, was zu meiden die Gottheit sie so dringend gemahnt hatte. Aber wegen seines großen Ansehens, seiner Tapferkeit und seines Ruhmes bedienten sie sich seiner nicht nur weiter als König und Feldherr im Kriege, sondern auch als Arzt und Schiedsrichter in den Nöten des Staates, als sie jetzt Bedenken trugen, denen, die sich feige gezeigt hatten - sie selber nennen diese die « Z i t terer» - , die von den Gesetzen vorgeschriebenen entehrenden Strafen aufzuerlegen, weil sie zahlreich und angesehen waren und man daher einen Aufstand von ihnen befürchtete. Denn sie werden nicht nur von jedem Amt ausgeschlossen, sondern es gilt auch für unschicklich, einem dieser Männer eine Tochter zur Frau zu geben oder eine Tochter von ihm zur Frau zu nehmen. Wer ihnen begegnet und dazu Lust hat, darf sie schlagen. Sie müssen es sich gefallen lassen, schmutzig und verächtlich umherzugehen, tragen Mäntel, an die Streifen von besonderer Farbe angenäht sind, und dürfen sich nur die Hälfte des Bartes scheren, die andere Hälfte müssen sie wachsen lassen. Es war also bedenklich, ruhig zuzusehen, daß sich Menschen in solcher Lage in größerer Zahl in der Stadt aufhielten, die dabei nicht wenige Soldaten brauchte. Sic wählten darum den Agesilaos zum Gesetzgeber. Er setzte den Gesetzen weder etwas zu, noch strich noch änderte er etwas, sondern er trat vor die Versammlung der Lakedaimonier und sagte, man solle die Gesetze heute schlafen lassen, aber von morgen ab und weiterhin sollten sie wieder in Kraft sein. So erhielt er sowohl die Gesetze des Staates aufrecht als auch die Männer im Besitz ihrer Rechte.

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Um aber die entstandene Mutlosigkeit und Niedergeschlagenheit der jungen Leute zu beheben, fiel er in Arkadien ein und hütete sich zwar wohl, den Gegnern eine Schlacht zu liefern, nahm aber ein Städtchen im Gebiet von Mantineia und verheerte das Land, womit er erreichte, daß die Stadt ein wenig aufatmete und etwas Hoffnung schöpfte, daß sie doch noch nicht ganz verloren sei. 31. Hierauf jedoch erschien Epameinondas mit den Bundesgenossen in Lakonien 1 an der Spitze von nicht weniger als vierzigtausend Schwerbewaffneten. Ihnen folgten noch viele Leichtoder Unbewaffnete zum Plündern, so daß eine Masse von insgesamt siebzigtausend Mann anrückte und in lakonien einfiel. Es waren aber, seit Dorier Lakedaimon bewohnten, nicht weniger als sechshundert Jahre verflossen, und in diesem ganzen Zeitraum wurden damals zum erstenmal Feinde im Lande gesehen; vorher hatte es keiner gewagt; so war es unverwüstet und unberührt, als sie jetzt einfielen, es niederbrannten und ausraubten bis zum Fluß und vor die Stadt, ohne daß ihnen jemand entgegentrat. Denn Agesilaos ließ die Lakedaimonier nicht - wie Theopomp sagt - gegen einen so gewaltigen Strom und Schwall des Krieges ankämpfen, sondern er hielt nur die mittelsten und wichtigsten Teile derStadt ringsdurchSchwerbewaffnete gedeckt und ertrug die Drohungen und Prahlereien der Thebaner, die ihn mit Namensanruf herausforderten und das Land verteidigen hießen, ihn, der doch an allem Unglück schuld sei, da er den Krieg entzündet habe. Nicht geringere Sorge als dies machten Agesilaos die Unruhen in der Stadt, das Geschrei und das Durcheinanderlaufen der älteren Leute sowohl, die über das Geschehende empört waren, wie der Frauen, die nicht Ruhe halten konnten, sondern ganz von Sinnen waren von dem Geschrei der Feinde und vom Anblick der Feuer, die sie entzündeten. Dazu kränkte ihn noch der Verlust seines Ruhmes, daß er, der die Stadt auf der Höhe ihrer

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Größe und Macht übernommen hatte, nun sehen mußte, wie ihr Ansehen so tief gesunken und ihr Stolz gebrochen war, den er selbst auch oft bekundet hatte, wenn er sagte, daß noch keine lakonische Frau den Rauch eines feindlichen Lagers gesehen habe. So soll auch Antalkidas, als ein Athener mit ihm um den Ruhm der Tapferkeit stritt und sagte: «Wir haben euch doch oft vom Kephisos zurückgejagt», erwidert haben: «Und wir euch noch niemals vom Eurotas 1 .» Eine ähnliche Antwort gab auch einer der einfachen Spartaner dem Argiver, der zu ihm sagte: «Viele von euch liegen in der Argolis begraben.» Darauf jener: «Aber keiner von euch in Lakonien!» 32. Damals aber, so heißt es, brachtc Antalkidas, der Ephor war, in höchster Besorgnis seine Kinder heimlich nach Kyther a 1 in Sicherheit, und Agesilaos räumte, als die Feinde Miene machten, den Eurotas zu überschreiten und gewaltsam gegen die Stadt vorzustoßen, das Vorgelände und stellte seine Streitmacht vor den mittleren, hochgelegenen Teilen der Stadt auf. Der Eurotas strömte aber damals höher und stärker als jemals, weil Schneefälle eingetreten waren, und der Fluß war mehr durch seine Kälte als durch die reißende Strömung für die Thebaner schwierig und gefährlich. Da sahen einige Spartaner den Epameinondas an der Spitze seiner Phalanx einhermarschieren und zeigten ihn dem Agesilaos. Der sah, wie es heißt, lange Zeit nach ihm hin, folgte ihm mit dem Blick und sagte dann nichts als das kurze Wort: «Was hat der Mensch für hochfliegende Pläne!» Aber sosehr auch Epameinondas den Ehrgeiz hatte, in der Stadt zu einem Kampf zu kommen und ein Siegesmal zu errichten, so vermochte er doch nicht, den Agesilaos herauszulocken und zum Schlagen zu bringen. So brach er auf und verheerte weiter das Land. Aber in Lakedaimon rotteten sich jetzt eine Anzahl - etwa zweihundert - der Bürger zusammen, die schon längst unzufrieden und schwierig waren, und besetzten das I s s o r i o n w o

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Jcr Tempel der Artemis steht, einen festen, schwer zu erobernden Punkt. Als gegen diese Leute die Lakedaimonier sogleich gewaltsam vorgehen wollten, fürchtete Agesilaos den Aufruhr und befahl den anderen, sich ruhig zu verhalten, und er selbst ging im bloßen Mantel in Begleitung nur eines Sklaven auf sie zu und rief, sie hätten den Befehl falsch verstanden; er habe ihnen nicht befohlen, alle hierhin zu gehen, sondern teils dahin - und er zeigte auf einen andern Punkt - , teils an andere Stellen in der Stadt. Als die Leute das hörten, freuten sie sich in dem Glauben, ihr Unternehmen sei unbemerkt geblieben, trennten sich und begaben sich an die Plätze, an die jener sie befohlen hatte. Das Issorion ließ Agesilaos sofort durch andere Truppen, die er heranbeorderte, besetzen, und von jenen Aufwieglern ließ er fünfzehn nachts festnehmen und hinrichten. Danach wurde eine andere, noch größere Zusammenrottung und Verschwörung spartanischer Bürger aufgedeckt, die heimlich in einem Hause zusammenzukommen pflegten und einen Umsturz planten. Sie vor Gericht zu ziehen, war bei so verworrenen Verhältnissen untunlich, und ebenso auch, ihrem Treiben ruhig zuzusehen. Agesilaos ließ darum auch diese nach Beratung mit den Ephoren ohne gerichtliches Verfahren hinrichten, obwohl bisher noch niemals ein Spartaner ohne Gerichtsurteil zum Tode befördert worden war. Weil aber viele der Perioiken und Heloten, die man zum Waffendienst herangezogen hatte, aus der Stadt fort und zu den Feinden überliefen und weil dies große Mutlosigkeit zur Folge hatte, so wies Agesilaos seine Diener an, vor Tagesanbruch an den Lagerstätten entlangzugehen und die Waffen der Ausgerissenen zu nehmen und zu verstecken, damit ihre Zahl nicht bekannt würde. Der Abzug der Thebaner aus Lakonien vollzog sich nach Angabe der anderen Gewährsmänner, weil schlimmes Wetter einfiel und weil die Arkader abzuziehen und sich ohne Ord-

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nung zu verlaufen begannen; und zwar waren die Thebaner volle drei Monate im Lande geblieben und hatten es größtenteils ausgeraubt. Theopomp aber behauptet, als die Boiotarchen schon den Abzug beschlossen hatten, sei im Auftrage des Agesilaos der Spartaner Phrixos zu ihnen gekommen und hätte ihnen zehn Talente als Preis fiir den Rückzug überbracht, so daß sie, während sie schon dabei waren, das lange Beschlossene ins Werk zu setzen, dafür obendrein noch ein Zehrgeld von den Feinden bekamen. 33. Wieso dies alle anderen nicht gewußt und allein Theopomp es erfahren haben soll, weiß ich nicht. Darin aber stimmen alle überein, daß das Verdienst an der Rettung Spartas damals allein dem Agesilaos zukam, weil er den ihm angeborenen Leidenschaften, Ehrgeiz und Siegeswillen um jeden Preis, entsagte und bei allem Handeln den Weg der Sicherheit einschlug. Allein die Macht und den Ruhm der Stadt nach dem Sturz wieder auf die alte Höhe zu bringen, war er nicht imstande, sondern wie einen gesunden Körper, der aber während der ganzen Zeit an eine allzu genaue und strenge Diät gewöhnt ist, ein Diätfehler ruiniert, so brachte ein einziger Mißerfolg, ein Ausschlag des Züngleins, das ganze Glück der Stadt zum Sinken, und das mit gutem Grund. Indem sie nämlich einem Staatswesen, das auf die Erzielung von Tugend, Frieden und Eintracht vorzüglich eingerichtet war, das Ziel gewaltsamer Eroberung und Herrschaftsgewinnung setzten - was Lykurg fiir einen Staat, der im Glück leben wollte, fiir durchaus überflüssig gehalten hatte - , kamen sie zu Fall. Agesilaos selbst hatte nunmehr wegen seines hohen Alters das Kriegfuhren aufgegeben, sein Sohn Archidamos aber trug, verstärkt durch das aus Sizilien von dem Tyrannen gesandte Hilfskorps, den sogenannten tränenlosen Sieg über die Arkader davon; denn auf seiner Seite fiel kein Mann, während er viele Gegner t ö t e t e D a b e i bewies gerade dieser Sieg am deut-

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lichstcn die Schwäche des Staates. Denn früher sahen sie das Siegen über die Feinde für etwas so Gewohntes, ihnen selbstverständlich Z u k o m m e n d e s an, daß sie weder in der Stadt den G ö t t e r n ein Siegesopfer brachten außer einem Hahn, noch die siegreichen Kämpfer große Worte machten, noch diejenigen, die die Nachricht empfingen, eine übermäßige Freude zeigten, sondern daß sogar nach der Schlacht bei Mantineia, die T h u k y d i d e s beschrieben h a t d i e Behörden dem ersten Siegesboten als « L o h n für gute Botschaft» nur ein Stück aus dem Speisesaal sandten, sonst nichts. Als aber jetzt der Sieg gemeldet w a r und Archidamos nahte, konnte keiner sich halten, sondern als erster g i n g ihm der Vater weinend vor Freude entgegen, nach ihm die Behörden, und die Schar der Älteren und der Frauen strömte zum Fluß hinab, und sie hoben die Hände auf und priesen die G ö t t e r , als wenn Sparta nun die u n w ü r d i g e Schmach von sich geworfen hätte und z u m erstenmal wieder ein strahlendes Licht aufsteigen sähe; denn bis dahin, so sagt man, hatten die Männer nicht einmal den Frauen ins A u g e z u blicken g e w a g t aus Scham über ihre Niederlagen. 34. A l s Messene von Epameinondas neu gegründet w u r d e und die alten Bürger von allen Seiten in der Stadt zusammens t r ö m t e n 1 , w a g t e n die Lakedaimonier nicht, bewaffnet dagegen einzuschreiten, und konnten es nicht verhindern, zürnten aber u n d haderten mit Agesilaos, daß sie ein Land, das an Größe Lakonien nicht nachstand, eins der fruchtbarsten ganz Griechenlands war und das sie so lange Z e i t besessen u n d genützt hatten, nun unter seiner R e g i e r u n g verloren hatten. Daher nahm auch Agesilaos den von den T h e b a n e r n angebotenen Frieden nicht an. Indem er aber denen, die das Land tatsächlich in Besitz hatten, es nicht auch formell abtreten wollte, sondern eigensinnig auf der A b l e h n u n g beharrte, bekam er es nicht wieder und wäre um ein Haar überlistet worden und hätte Sparta noch dazu verloren. Denn als die Mantinecr wie-

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der von den Thebanern abgefallen waren und die Lakedaimonier zu Hilfe gerufen h a t t e n b r a c h Epameinondas auf die Nachricht, daß Agesilaos mit seinem Heer ausgerückt und gegen ihn im Anzüge sei, nachts, ohne daß die Mantineer es bemerkten, von Tegea auf, führte sein Heer gegen Lakedaimon selbst, und es fehlte nicht viel, so wäre er an Agesilaos unbemerkt vorbeigekommen und hätte die Stadt plötzlich unverteidigt in Besitz genommen. Aber da Euthynos von Thespiai, wie Kallisthenes sagt, oder nach Xenophon ein Kreter die Sache an Agesilaos verriet 2 , so schickte er in Eile einen Reiter voraus, um die Leute in der Stadt zu unterrichten, und kam nicht lange danach selbst in Sparta an. Wenig später überschritten die Thebaner den Eurotas und griffen die Stadt an, (die aber von Agesilaos mit einer Tapferkeit, wie sie seinem hohen Alter nicht gemäß war, verteidigt wurde. Denn er hatte erkannt, daß es jetzt nicht wie früher die Stunde war für Sicherheit und Behutsamkeit, sondern für verzweifelten Wagemut. Auf ihn hatte er sich zu anderer Zeit niemals verlassen noch von ihm Gebrauch gemacht; jetzt aber wendete er allein durch ihn die Gefahr ab, riß die Stadt Epameinondas aus den Händen, errichtete ein Siegesmal und führte den Kindern und Weibern die Lakedaimonier als Männer vor, die dem Vaterlande den schönsten Lohn für ihre Erziehung zahlten, unter den ersten den Archidamos, der mit beispiellosem Mut und höchster Behendigkeit focht, rasch durch die engen Gassen an die Stellen eilte, wo es gefährlich stand, und überall, von wenigen begleitet, den Feinden Widerstand leistete. Isadas aber, der Sohn des Phoibidas, muß, glaube ich, nicht nur den Mitbürgern, sondern auch den Feinden ein schöner, bewunderungswürdiger Anblick gewesen sein. Denn er war herrlich anzuschauen, hochgewachsen und stand in dem Alter, in welchem die Menschen, vom Jünglings- ins Mannesalter tretend, die schönste Blüte zeigen. Ohne Schutzwaffen und Kleider,

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den Körper mit Ol gesalbt und eine Lanze in der einen, das Schwert in der andern Hand, sprang er aus dem Hause, drängte sich mitten unter die Kämpfer und tummelte sich unter den Feinden, indem er jeden Begegnenden angriff und niederstreckte. Dabei wurde er von keinem verwundet, sei es, daß ein Gott ihn wegen seiner Tapferkeit beschützte, oder daß er den Gegnern als ein höheres und mächtigeres Wesen denn ein Mensch erschien. Daher ehrten ihn die Ephoren, so wird berichtet, mit einem Kranz, legten ihm dann aber eine Strafe von tausend Drachmen auf, weil er es gewagt hatte, sich ohne Schutzwaffcn in die Gefahr zu begeben. 3J. Wenige Tage später wurde die Schlacht bei Mantineia geschlagen, und dem Epameinondas, der schon die ersten Glieder geworfen hatte und nun hitzig weiter vordrang und scharf Verfolgte, stellte sich der Lakedaimonier Antikrates entgegen und verwundete ihn tödlich, mit einem Speer, wie Dioskurides 1 erzählt hat; die Lakedaimonier aber nennen noch heute die Nachkommen des Antikrates Machairionen ( = Schwertmänner), weil er den Epameinondas mit einem Schwert (=machaira) erlegt habe. Denn so sehr liebten und bewunderten sie ihn aus Furcht vor Epameinondas, solange er am Leben war, daß sie fiir ihn selbst Auszeichnungen und Geschenke, fiir seine Nachkommenschaft Steuerfreiheit beschlossen, die einer seiner Nachfahren, Kallikrates, noch in unsem Tagen genießt. Als nach der Schlacht und dem Tode des Epameinondas die Griechen untereinander Frieden schlössen, wollten Agesilaos und sein Anhan g die Messenier von dem Eide ausschließen, weil sie keinen Staat besäßen, und obwohl alle anderen sie zuließen und ihnen die Eide abnahmen, nahmen doch die Lakedaimonier davon Abstand, und so dauerte fiir sie allein der Kriegszustand fort, da sie hofften, Messenien wiederzugewinnen. Daher erschien Agesilaos allen als ein gewalttätiger, starrer Mann, der unersättlich nach Kriegen verlangte und die allgemeine Ver-

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söhnung auf jede Weise zu untergraben und anrüchig zu machen suchte, andererseits aber durch Geldmangel genötigt war, seinen Freunden in der Stadt lästig zu fallen, durch Anleihen oder Sammlung freiwilliger Beiträge Geld aufzubringen, da es doch, nachdem es so weit gekommen war, angebracht gewesen wäre, den Leiden ein Ende zu machen und nicht, nachdem er das ganze, große Reich, Städte, Land und Meer hatte aufgeben müssen, wegen der Besitztümer und Einkünfte aus Messenien weiter zu hadern. 36. Eine noch größere Einbuße an seinem Ansehen erlitt er, als er sich dem Ägypter Tachos als Truppenführer zur Verfügung s t e l l t e D e n n man hielt es nicht für recht, daß ein Mann, der als der erste in Griechenland galt und die Welt mit seinem Ruhm erfüllt hatte, seine Person einem vom Perserkönig abgefallenen Barbaren lieh, seinen Namen und seinen Ruhm um Geld verkaufte und sich als Söldner und Führer von Mietsoldaten betätigte. Selbst wenn er, so meinte man, als ein Greis von über achtzig Jahren, dessen ganzer Körper von Narben bedeckt war, jenes herrliche und ruhmvolle Kommando zur Erringung der Freiheit der Griechen noch einmal übernommen hätte, würde ein solches Maß von Ehrgeiz nicht ganz untadelhaft gewesen sein; denn das Gute habe seine ihm wesenseigene Zeit und erfordere das ihm angemessene Lebensalter, oder vielmehr und überhaupt: durch das Maß unterscheide sich das Gute vom Schlechten. Aber um solche Bedenken kümmerte sich Agesilaos nicht, noch glaubte er, daß irgendeine Tätigkeit im Dienste der Öffentlichkeit unter seiner Würde sei; vielmehr hielt er es für seiner unwürdig, tatenlos in der Stadt zu leben, dazusitzen und auf den Tod zu warten. Er warb also von dem Gelde, das Tachos ihm geschickt hatte, Söldner an, bemannte einige Schiffe und ging in See, wobei er wie früher dreißig Spartaner als Ratgeber mitnahm. Als er in Ägypten angelegt hatte, kamen sogleich die ersten

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der königlichen Offiziere und Beamten zum Schiff, um ihm ihre Aufwartung zu machen, und auch bei den anderen Ägyptern herrschte gespannte Erwartung wegen des Namens und des Ruhmes des Agesilaos, und so liefen sie alle zusammen, um ihn zu sehen. Als sie aber keinerlei Glanz und Prunk, sondern nur einen alten Mann zu sehen bekamen, der am Strand im Grase lag, unansehnlich und klein von Gestalt und in einen rauhen, schlichten Mantel gehüllt, da waren sie gleich bereit, zu spotten und Witze zu machen, und es hieß, das sei ja wie in der Fabel: es kreißt der Berg, und dann gebiert er eine Maus. Noch mehr aber staunten sie über sein seltsames Wesen, daß er, als ihm Gastgeschenke herbeigebracht wurden, nur Mehl, Kälber und Gänse annahm, Leckereien, feines Backwerk und Parfüme aber ablehnte, und als man eifrig in ihn drang, es doch zu nehmen, schließlich sagte, man solle es wegbringen und den Heloten geben. Aber an dem Schilf, aus dem man Kränze zu machen pflegte, habe er, so erzählt Theophrast, wegen seiner Glätte und Reinheit großes Wohlgefallen gefunden und, als er abfuhr, von dem König etwas davon erbeten und erhalten. 37. Hierauf vereinigte er sich mit Tachos, der für den Feldzug rüstete, wurde aber nicht, wie er gehofft hatte, zum Oberbefehlshaber der ganzen Macht, sondern nur zum Führer der Söldner ernannt; das Flottenkommando hatte der Athener Chabrias, den Oberbefehl über das Ganze Tachos selbst. Dies war die erste Kränkung, die Agesilaos erfuhr. Dann fühlte er sich überhaupt durch die Überheblichkeit und Eitelkeit des Ägypters arg beschwert, mußte sie aber ertragen. Er machte die Flottenunternehmung gegen diePhoiniker mit und zeigte sich entgegen seiner Würde und seinem Charakter geduldig und fügsam, bis er eine günstige Gelegenheit fand. Nektanebis nämlich, ein Vetter des Tachos, der unter ihm einen Teil des Heeres führte, fiel von ihm ab, wurde von den Ägyptern zum König ausgerufen und schickte an Agesilaos mit dem Ersu-

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chcn, ihm beizustehen. Die gleiche Aufforderung richtete er an Chabrias und versprach beiden große Geschenke. Als Tachos dies erfuhr und sich seinerseits auf Bitten verlegte, versuchte Chabrias den Agesilaos durch Zureden und Vorstellungen in der Freundschaft für Tachos festzuhalten. Aber Agesilaos erwiderte ihm: « Du, Chabrias, der du auf eigene Faust gekommen bist, darfst deinen eigenen Überlegungen folgen. Ich bin aber von meinem Vaterland den Ägyptern als Feldherr gegeben worden. Es schickt sich also nicht fiir mich, gegen diejenigen, welchen ich als Mitkämpfer gesandt worden bin, Krieg zu führen, außer wenn mir das Vaterland wieder den Befehl dazu gibt.» So sprach er und schickte nach Sparta Männer, die Tachos schlecht machen und Nektanebis loben sollten. Die feindlichen Parteien schickten ebenfalls Gesandte und bewarben sich um die Gunst der Lakedaimonier, Tachos mit Berufung darauf, daß er seit langem ihr Freund und Bundesgenosse sei, Nektanebis mit dem Versprechen, daß er noch größere Anhänglichkeit und Hilfsbereitschaft zeigen werde. Nachdem die Lakedaimonier beide angehört hatten, gaben sie den Ägyptern offiziell die Antwort, daß Agesilaos die Entscheidung fallen solle; ihm aber schrieben sie und beauftragten ihn, so zu handeln, wie es für Sparta nützlich sei. Daraufhin trat Agesilaos mit seinen Söldnern von Tachos zu Nektanebis über, indem er zum Vorwand für ein so treuloses und unerhörtes Verfahren den Nutzen seines Vaterlandes nahm. Denn wenn man diesen Vorwand beiseite ließ, so war der einzig richtige Name für diese Handlung: Verrat. Aber die Lakedaimonier geben überhaupt bei der Bestimmung dessen, was gut ist, dem Nutzen des Vaterlandes den ersten Platz, und sie lernen und wissen von keinem andern Recht als von dem, was ihrer Meinung nach für Sparta förderlich ist. 38. Nachdem so Tachos von seinen Söldnern verlassen war, flüchtete er; aber in Mendes' erhob sich gegen Nektanebis ein

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anderer Prätendent, der zum K ö n i g ausgerufen w u r d e , ein Heer von hunderttausend Mann sammelte und g e g e n ihn anrückte. Als daraufhin Nektanebis den Agesilaos ermutigen wollte und sagte, der Feinde seien zwar viele, aber zusammengelaufenes, unkriegerisches V o l k , das w e g e n seiner Unerfahrenheit nicht sehr ernst zu nehmen sei, a n t w o r t e t e Agesilaos: «Ich furchte auch nicht ihre M e n g e , sondern gerade ihre Unerfahrenheit und Ahnungslosigkeit, weil diese s c h w e r z u überlisten ist. Denn die List fuhrt das Unerwartete ins Feld gegen diejenigen, die sich zur Abwehr dessen rüsten, w a s sie vermuten und erwarten. W e r aber nichts erwartet noch vermutet, gibt dem, der ihn überlisten will, keine Handhabe, so w e n i g wie derjenige, der sich nicht b e w e g t , dem Ringer die Gelegenheit zu einem Griff.» Hierauf sandte auch der Mendesier an Agesilaos und versuchte, ihn auf seine Seite zu ziehen. Dadurch geriet Nektanebis in Furcht, und als jetzt Agesilaos den R a t gab, schnellstens die Entscheidungsschlacht zu suchen und nicht einen hinhaltenden Krieg gegen Leute zu führen, die zwar kampfunerfahren seien, aber durch die M e n g e ihrer Hände wohl in der Lage, sie zu umgehen, in Verschanzungen einzuschließen und vielerlei Vorteile zu gewinnen, w u r d e er noch argwöhnischer und furchtsamer ihm gegenüber und z o g sich in eine stark befestigte Stadt mit einer weiten Umfassungsmauer zurück. Agesilaos fühlte sich zwar durch das bewiesene Mißtrauen schwer gekränkt; weil er sich aber schämte, abermals zu dem andern überzugehen und heimzukehren, ohne irgend etwas geleistet zu haben, so folgte er dem K ö n i g und begab sich ebenfalls in die Festung. 39. Als die Feinde nachrückten und sich daran machten, die Stadt mit Gräben einzuschließe«, bekam es der Ä g y p t e r wiederum mit der A n g s t vor der Belagerung und wollte kämpfen, und die Griechen waren ebenfalls sehr dafür, denn die F e s t u n g war nicht genügend verproviantiert. A b e r Agesilaos ließ es

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nicht zu, sondern widersetzte sich und kam dadurch bei den Ägyptern in noch übleren Rufais früher und wurde Verräter an dem König gescholten. Aber er ertrug die Verunglimpfungen schon gelassener und lauerte auf die günstige Gelegenheit für seinen Kriegsplan. Dieser war aber der folgende: Die Feinde zogen draußen einen tiefen Graben um die Festung, um die Belagerten völlig einzuschließen. Als nun die Enden des Schanzwerks sich schon einander näherten, so daß dieses auf dem Punkte war, sich zu schließen und die Stadt rings zu umgeben, wartete er einen Abend ab, ließ die Griechen sich wafFnen, ging zu dem Ägypter und sagte: «Jetzt ist die Zeit zur Rettung da, junger Herr, die ich in der Furcht, sie zu vereiteln, nicht angeben wollte, bevor sie wirklich erschienen war. Da aber die Feinde uns nun selbst mit ihren Händen die nötige Sicherheit geschaffen und einen so tiefen Graben geführt haben, dessen fertiger Teil ihre große Menge lahmlegt, während die gebliebene Öffnung uns gestattet, mit gleicher, richtig bemessener Zahl gegen sie zu kämpfen: nun, so entschließe dich, ein tapferer Mann zu sein, folge uns im Geschwindmarsch und rette dich und das Heer. Denn unserm Angriff werden die uns frontal gegenüberstehenden Feinde nicht standhalten, und die anderen werden uns des Grabens wegen keinen Schaden tun.» Nektanebis staunte über den schlauen Plan des Agesilaos, nahm seinen Platz inmitten der griechischen Waffen, griff"an und schlug die gegenüberstehenden Feinde leicht in die Flucht. Nachdem Agesilaos den Nektanebis einmal dafür gewonnen hatte, ihm zu folgen, wandte er dieselbe Kriegslist noch einmal wie einen Ringerkniff gegen die Feinde an. Teils durch Rückzugs-, teils durch Umgehungsmanöver trieb er ihre Masse in eine Gegend, die beiderseits durch einen tiefen Kanal begrenzt war. Den offenen Zwischenraum besetzte und versperrte er mit der Front seiner Phalanx und sicherte sich so die glei-

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che zahlenmäßige Stärke mit den zum Kampfe kommenden Feinden, die keine Möglichkeit zur Umfassung und Umgehung hatten. Daher wandten sie sich nach kurzem Widerstand zur Flucht, viele wurden getötet, und die Entronnenen zerstreuten sich und liefen auseinander. 40. Hiernach war die Herrschaft fest und sicher in der Hand des Ägypters. In dankbarer und freundschaftlicher Gesinnung bat er daher Agesilaos, noch zu bleiben und den Winter mit ihm zu verbringen. Der hatte es aber eilig, zu dem Krieg in der Heimat zu kommen, weil er wußte, daß die Stadt Geld brauchte und Söldner hielt. So entließ ihn der König unter den größten Ehrenbezeigungen und gab ihm außer den übrigen Auszeichnungen und Geschenken noch zweihundertdreißig Talente Silber für den Krieg. Da es schon Winter w a r h i e l t er sich mit den Schiifen nahe dem Lande, und als er an der libyschen Küste an einen unbewohnten Ort gekommen war, der « Hafen des Menelaos » heißt, starb er, nachdem er vierundachtzigjahre gelebt und einundvierzig Jahre in Sparta regiert hatte, davon über dreißig Jahre so, daß er der größte und mächtigste Mann von allen war und als Führer und König fast ganz Griechenlands galt, bis zur Schlacht bei Leuktra. Da es lakonischer Brauch war, zwar alle anderen, die in fremdem Lande gefallen waren, an Ort und Stelle zu bestatten und dort zu lassen, die Leichen der Könige aber nach Hause zu schaffen, so legten die anwesenden Spartaner, da kein Honig da war 1 , den Leichnam in geschmolzenes Wachs und brachten ihn nach Lakedaimon. Die Königswürde erbte sein Sohn Archidamos, und sie blieb in dem Geschlecht bis Agis, der der fiinfte nach Agesilaos war und bei dem Versuch, die väterliche Verfassung wiederherzustellen, von Leonidas getötet wurde 3 .

POMPEJUS i . Pompejus gegenüber hat das römische Volk, so scheint es, von Anfang an ein ähnliches Verhältnis gehabt wie der Prometheus des Aischylos zu Herakles, wenn er, nachdem er von ihm gerettet worden ist, zu ihm spricht: «Verhaßten Vaters liebster Sprößling bist du m i r » Denn weder haben die Römer gegen einen andern Feldherrn einen so grimmigen und wilden Haß bewiesen wie gegen Pompejus' Vater Strabo 1 , dessen Waffentüchtigkeit sie bei seinen Lebzeiten fürchteten (denn er war ein gewaltiger Kriegsmann) und dessen Leichnam sie, nachdem er vom Blitz erschlagen worden war, bei der Beerdigung von der Bahre herunterrissen und mißhandelten, noch hat hinwiederum ein anderer Römer eine stärkere Zuneigung des Volkes sich erworben, die sich schneller entwickelte, einen höheren Gipfel erreichte, als er im Glück war, und festeren Bestand hatte, da es ihm schlecht ging, als Pompejus. Der Haß gegen den Vater hatte nur eine Ursache: seine unersättliche Habsucht; hingegen waren es viele, die dem Sohne jene allgemeine Liebe verschafften: seine maßvolle Lebenshaltung, seine Übung in den Waffen, seine einnehmende Beredsamkeit, die Zuverlässigkeit seines Charakters, seine Liebenswürdigkeit im Umgang, so daß niemand minder lästig als Bittsteller und gefälliger als Gebender war. Sein anmutvolles Wesen war von der Art, daß es nichts Bedrückendes hatte für den, dem er gab, und Würde wahrte, wenn er selbst empfing. 2. Im Anfang war ihm auch seine Gesichtsbildung nicht wenig behilflich, die Menschen zu gewinnen, und sprach für ihn,

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noch ehe er den Mund auftat. Seine Liebenswürdigkeit war gepaart mit leutseliger Würde, und seine jugendliche Frische ließ doch schon sehr früh das Achtunggebietende und Majestätische seines Charakters durchscheinen. Sein Haar hatte eine gewisse Art zurückzufallen und die Bildung der Augen eine gewisse Weichheit, die seinem Gesicht eine allerdings mehr behauptete als wirklich ins Auge fallende Ähnlichkeit mit den Bildern des Königs Alexander gab. Als ihm daher im Anfang viele auch diesen Namen gaben, lehnte Pompejus das nicht ab, so daß manche ihn auch schon spottend Alexander nannten. Daher sagte Lucius Philippus, ein gewesener Konsul in einer Rede, die er fíir ihn hielt, es sei doch wohl kein Wunder, wenn er, ein Philipp, sich als ein Freund Alexanders zeige. Von der Hetäre Flora erzählte man, daß sie, als sie schon älter war, sich noch immer gern des Verkehrs erinnerte, den sie mit ihm gehabt hatte, und daß sie sagte, sie habe, wenn sie mit ihm geschlafen hatte, sich nie ohne Schmerz von ihm trennen können. Weiter habe Flora erzählt, Geminius, ein Freund des Pompejus, habe sich in sie verliebt und ihr heftig mit seinen Anträgen zugesetzt, und da sie ihm sagte, sie könne ihn nicht erhören wegen Pompejus, habe Geminius mit diesem gesprochen. Darauf habe Pompejus den Wunsch des Geminius erfüllt, selber sie aber nicht wieder berührt noch sie besucht, obwohl er sie offenbar noch liebte. Das habe sie nicht nach Dirnenart getragen, sondern sei lange Zeit vor Kummer und Sehnsucht krank gewesen. Dabei heißt es, daß Flora von solchem Reiz und so berühmt war, daß Caecilius Metellus, als er den Tempel der Dioskuren mit Statuen und Gemälden schmücken ließ 1 , auch von ihr wegen ihrer Schönheit ein Porträt malen und in dem Tempel anbringen ließ. Auch gegen die Frau seines Freigelassenen Demetrios, der den größten Einfluß bei ihm hatte und ein Vermögen von viertausend Talenten hinterließ benahm er sich entgegen seiner sonstigen Art grob-

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lieh und unfein aus Furcht, man möchte glauben, daß er ihrer berühmten, als unwiderstehlich geltenden Schönheit auch zum Opfer gefallen sei. Aber obwohl er sich so in solchen Dingen schon von weitem in acht nahm und die größte Vorsicht übte, entging er doch nicht dem Tadel seiner Feinde in diesem Punkte, sondern man machte ihm seiner Ehefrauen wegen den Vorwurf, daß er sich ihnen zuliebe vielfach den öffentlichen Geschäften entzöge und sie vernachlässige. Von der Einfachheit und Schlichtheit seiner Lebensflihrung wird folgendes Geschichtchen erzählt: Ein Arzt verordnete ihm, als er einmal krank war und an Appetitlosigkeit litt, einen Krammetsvogel zu essen. Als aber seine Diener trotz eifrigen Suchens keinen zu kaufen bekommen konnten - denn es war nicht die Jahreszeit - und einer sagte, man würde bei Lucullus welche bekommen, der sie das ganze Jahr hindurch halten ließe, da rief er: «So sollte also, wenn Lucullus kein Schlemmer wäre, Pompejus nicht leben können?», kümmerte sich nicht weiter um den Arzt und aß etwas von den leicht zu beschaffenden Dingen. Doch das fällt in die spätere Zeit 3. Als er, noch ganz jung, mit seinem Vater gegen Cinna im Felde stand*, hatte er einen gewissen Lucius Terentius zum Freunde und Zeltgenossen. Dieser hatte, von Cinna bestochen, sich vorgenommen, selber den Pompejus zu töten, und andere sollten das Zelt des Feldherrn in Brand stecken. Die Sache wurde Pompejus verraten, während er beim Mahle war, doch ließ er sich nichts merken, trank noch eifriger als sonst, zeigte sich freundlich gegen Terentius, und als sie sich zur Ruhe begaben, entwich er heimlich aus dem Zelt, stellte Wachen um das des Vaters und wartete in aller Stille ab. Als Terentius glaubte, daß es Zeit sei, zog er sein Schwert, stand auf, trat zum Lager des Pompejus und fiihrte in dem Glauben, daß er da läge, viele Hiebe gegen die Decken. Hieraus entstand eine große Bewegung aus Haß gegen den Feldherrn und eine allge-

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meine Neigung zum Abfall, die Soldaten rissen ihre Zelte ein und griffen zu den Waffen. Der Feldherr kam nicht heraus aus Angst vor dem Tumult, Pompejus aber lief mitten unter den Soldaten herum, weinte und flehte, und schließlich warf er sich vor dem Tor des Lagers aufs Gesicht, lag da weinend im Wege und rief den Herauseilenden zu, sie sollten nur auf ihn treten, so daß jeder beschämt zurücktrat und am Ende alle, bis auf achthundert, wieder andern Sinnes wurden und sich mit ihrem Feldherrn aussöhnten. 4. Gleich nach dem Tode Strabos bekam Pompejus seinetwegen eine Klage wegen Unterschlagung öffentlicher Gelder auf den Hals. Aber er stellte fest und wies den Behörden nach, daß einer der Freigelassenen namens Alexandras das meiste entwendet hatte. Ihm selbst warf man vor, daß er Jagdnetze und Bücher aus der Beute von Asculum 1 in Besitz habe. Diese hatte er von seinem Vater nach der Einnahme von Asculum bekommen, aber wieder eingebüßt, weil die Leibwächter Cinnas, als er zurückkehrte, in sein Haus eingedrungen waren und es ausgeplündert hatten. Vor der Verhandlung gab es nicht wenige Redekämpfe zwischen ihm und dem Ankläger. In ihnen zeigte er sich zugleich energisch und fest über seine Jahre hinaus und erwarb sich einen großen Ruf und Beliebtheit dazu, so daß Antistius 2 , der Praetor und Leiter des Prozesses, Pompejus lieb gewann und ihm seine Tochter zur Frau zu geben gedachte, darüber auch mit dessen Freunden sprach. Pompejus nahm an, und man einigte sich im geheimen, doch blieb die Sache dem Publikum nicht verborgen wegen des Eifers, den Antistius entfaltete, und als er schließlich das freisprechende Urteil der Richter verkündete, da stimmte die Menge wie auf Verabredung den nach altem Brauch bei Hochzeitsfeiern üblichen Ruf an: Talassio! Die Sitte soll folgenden Ursprung haben: Als die vornehmsten Römer die zur Schau der Spiele nach Rom gekommenen Töchter der Sabiner als Frauen

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für sich raubten, führten einige geringe Hörige und Hirten ein schönes großes Mädchen daher, das sie errafft hatten. Damit nun nicht ein entgegenkommender vornehmer Mann es ihnen wegnähme, schrien sie im Laufen i mmer « Talassio » - das heißt «fiir Talassius»: das war einer der vornehmen und angesehenen Bürger - , worauf die, welche den Namen hörten, klatschten und in den Ruf einstimmten, um ihre teilnehmende Freude und ihren Beifall zu bezeugen. Daher, sagt man - denn die Ehe des Talassius wurde eine glückliche wird dieser Zuruf scherzend bei den Hochzeitsfeiern angestimmt. Dies ist die einleuchtendste von den Erklärungen,die für das «Talassio» vorgebracht werden. Wenige Tage später führte Pompejus die Antistia heim 1 . j . Als er sich danach zu Cinna ins Lager begeben hatte, aber wfcgen gewisser Beschuldigungen und Verdächtigungen Angst bekam, sich schnell und heimlich davonmachte und nun verschwunden war, lief im Lager das Gerücht und die Behauptung um, daß Cinna den Jüngling aus dem Wege geräumt habe. Darauf gingen diejenigen, die ihn schon lange verabscheuten und haßten, gegen ihn vor. Er floh, und als er von einem ihn mit gezücktem Schwert verfolgenden Centurio ergriffen wurde, fiel er ihm zu Füßen und streckte ihm seinen sehr wertvpllen Siegelring hin. Aber der sagte höhnisch: «Ich komme nicht, um einen Vertrag zu untersiegeln, sondern um einen ruchlosen und ungerechten Tyrannen zu bestrafen », und tötete ihn. Nachdem Cinna so zu Tode gekommen war, bekam Carbo' die Macht in die Hand und behielt sie auch, ein noch schrecklicherer Tyrann als jener, und so erschien Sulla als einer, den die meisten ersehnten, da sie unter dem Druck der gegenwärtigen Leiden schon einen Wechsel des Zwingherrn für einen nicht geringen Glücksfall ansahen. So weit hatte das gehäufte Unglück die Stadt gebracht, daß sie aus Verzweiflung an ihrer Freiheit nur nach einer mildpren Knechtschaft verlangte. 6. Damals hielt sich Pompejus in der italischen Landschaft

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Picenum auf, wo er Ländereien besaß, vor allem aber seinen Rückhalt in den Städten hatte, die von seinem Vater her in einem nahen und freundlichen Verhältnis zu ihm standen. Da er nun sah, daß die besten und angesehensten Bürger ihr Heim verließen und von allen Seiten dem Lager des Sulla wie einem Hafen zustrebten, hielt er selbst es für unter seiner Würde, als ein Flüchtiger, ohne eine eigene Leistung und der Hilfe bedürftig, zu ihm zu kommen, sondern wollte ruhmgekrönt an der Spitze eines Heeres nach gewonnenen Erfolgen vor ihn treten. Er versuchte also, die Bewohner von Picenum in Bewegung zu setzen, und sie hörten bereitwillig auf ihn und folgten nicht den Abgesandten, die von Carbo kamen, und als ein gewisser Vedius sagte, da sei ein eben der Schulstube entsprungener Demagoge bei ihnen erschienen, Pompejus nämlich, da wurden sie so wütend, daß sie über Vedius herfielen und ihn auf der Stelle totschlugen. Hierauf ließ Pompejus, dreiundzwanzig Jahre alt 2 , von keinem andern Menschen zum Feldherrn ernannt, sondern Führer aus eigener Vollmacht, in Aux i m u m e i n e r großen Stadt, auf dem Markte eine Tribüne errichten und befahl zwei Brüdern Vettidius, Männern von höchstem Ansehen, die im Sinne des Carbo ihm entgegenarbeiteten, durch ein Edikt, die Stadt zu verlassen, warb Soldaten an, setzte in aller Form Hauptleute und Obersten über die einzelnen Abteilungen und suchte die umliegenden Städte auf, um dasselbe zu tun. Da nun alle, die es mit Carbo hielten, ihm aus dem Wege gingen und sich entfernten, die übrigen sich ihm eifrig zur Verfügung stellten, so formierte er binnen kurzem drei vollständige Legionen, beschaffte Lebensmittel, Lasttiere, Wagen und alles andere, was zur Ausrüstung gehörte, und zog Sulla zu, nicht in Eile und darauf bedacht, sich zu verbergen, sondern so, daß er sich unterwegs aufhielt, um den Feinden Schaden zu tun, und alle Teile Italiens, durch die er kam, von Carbo abwendig zu machen suchte.

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7. Nun traten aber gleichzeitig drei feindliche Feldherren gegen ihn an, Carrinas, Coelius und Brutus 1 , nicht alle ihm entgegen und von einer Seite, sondern so, daß sie ihn mit ihren drei Armeen einkreisten, um ihn zu verrichten. Aber Pompejus fürchtete sich nicht, sondern faßte alle seine Streitkräfte an einem Punkte zusammen und rückte gegen eins der drei Heere, das des Brutus, vor, die Reiter unter seiner persönlichen Führung an der Spitze. Als ihm von Seiten der Feinde die Kelten entgegensprengten, gelang es ihm, den ersten und stärksten von ihnen mit einem Lanzenstoß zu treffen und vom Pferde zu •werfen. Daraufwandten sich die anderen zur Flucht und brachten auch das Fußvolk durcheinander, so daß es zu einer allgemeinen Flucht kam. In der Folge gerieten die Feldherren in Streit miteinander und traten, ein jeder wie es sich traf, den Rückzug an, und die Städte fielen Pompejus zu in dem Glauben, daß die Feinde sich aus Furcht zerstreut hätten. Als nunmehr der Konsul Scipio* gegen ihn anrückte, begrüßten die Soldaten Scipios, noch ehe die Fronten auf Wurfspieß weite aneinandergekommen waren, die Soldaten des Pompejus und gingen zu ihnen über, und Scipio entfloh. Als schließlich Carbo beim Flusse Aesis 1 zahlreiche Reitergeschwader gegen ihn ansetzte, leistete er kräftigen Widerstand, schlug sie in die Flucht und drängte alle verfolgend in schwieriges und für Reiterei ungünstiges Gelände. Da sie nun sahen, daß ihnen keine andere Rettung blieb,ergaben sie sich samt Waffen und Pferden. 8. Von diesen Vorgängen hatte Sulla noch keine Kunde erhalten, sondern auf die ersten Botschaften und Gerüchte hin war er um ihn in Besorgnis, da er sich unter so vielen und erfahrenen feindlichen Feldherren bewegte, und eilte, ihm Hilfe zu bringen. Als Pompejus erfuhr, daß er nahe war, befahl er den Offizieren, die Truppen sich waffnen und ordnen zu lassen, um dem Oberfeldherrn so stattlich und glänzend wie möglich vor Augen zu kommen. Denn er erhoffte sich große Ehren

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von ihm; aber noch größere wurden ihm zuteil. Denn als Sulla ihn herankommen und das Heer in Parade aufmarschiert sah, ausgezeichnet durch gut aussehende Männer, von Stolz geschwellt und frohgemut wegen seiner Siege, da sprang er vom Pferd, und da er, wie natürlich, als Imperator angeredet wurde, begrüßte er auch seinerseits den Pompejus als Imperator, da doch kein Mensch erwartet hätte, daß er einem jungen Manne, der noch nicht einmal dem Senat angehörte, diesen Titel zuteil werden lassen würde, um den er mit Männern wie Scipio und Marius Krieg führte. Auch sein weiteres Verhalten entsprach diesen ersten Höflichkeitsbezeigungen, indem er aufstand, wenn Pompejus herankam, und die T o g a vom Kopfe nahm, was man ihn nicht so leicht einem andern gegenüber tun sah, obwohl viele vornehme Männer um ihn waren. Doch ließ sich Pompejus durch diese Ehren nicht eitel machen, sondern da ihn Sulla sogleich nach Oberitalien schicken wollte, wo Metellus 1 kommandierte, aber nichts zu leisten schien, was der Stärke seiner Streitkräfte entsprach, erklärte er, es sei nicht recht, einem älteren und ihm an Ruhm weit überlegenen Manne das Feldherrnamt zu nehmen; aber wenn Metellus es wünsche und ihn dazu beriefe, so sei er bereit, an seiner Seite zu kämpfen und ihm beizustehen. Da Metellus einverstanden war und schrieb, er solle kommen, so fiel er in Oberitalien ein und verrichtete nicht nur für sich selber außerordentliche T a ten, sondern wußte auch den kriegerischen Wagemut des Metellus, der infolge seines Alters schon im Erlöschen war, neu zu entfachen und zu entflammen, so wie man sagt, daß glühend-flüssiges Erz, das über festgewordenes, kaltes Erz gegossen wird, es schneller erweicht und zum Schmelzen bringt als Feuer. Aber wie man bei einem Athleten, der unter den Männern den ersten Platz einnimmt und überall ruhmvoll die ersten Preise gewonnen hat, die von ihm als Knaben errungenen Siege nicht weiter beachtet und aufzeichnet, so trug ich Be-

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denken, die Taten, die Pompejus damals verrichtete, die an sich hervorragend, aber durch die Menge und die Bedeutung seiner späteren Kriege und Schlachten in Schatten gestellt worden sind, zu behandeln, damit nicht, wenn ich mich bei den Anfängen zu lange aufhalte, die größten Taten und Leiden des Mannes, die sein Wesen ganz besonders offenbaren, zu kurz kommen. 9. Als also Sulla sich Italiens bemächtigt hatte und zum Diktator ernannt worden w a r b e l o h n t e er die anderen Offiziere und Feldherren, indem er sie bereicherte, ihnen hohe Ämter gab und reichlich und gern gewährte, was jeder sich wünschte. Pompejus aber bemühte er sich, weil er seine Tüchtigkeit hoch schätzte und meinte, daß er eine starke Stütze seiner Macht werden könnte, auch durch verwandtschaftliche Bande an sich zu fesseln. Im Einverständnis mit seiner Gattin Metella beredete er also Pompejus, sich von Antistia zu trennen und seine Stieftochter Aemilia zur Frau zu nehmen, die Tochter der Metella und des Scaurus, die damals schon mit einem andern Manne vermählt und schwanger war. Das Verfahren bei dieser Heirat war recht tyrannisch und mehr dem Wesen der Sullazeit als dem Charakter des Pompejus gemäß, daß Aemilia schwanger aus dem Hause eines andern Mannes zu ihm geführt und Antistia auf eine schmähliche und mitleiderregende Weise verstoßen wurde, zumal sie erst kürzlich um ihres Mannes willen ihres Vaters beraubt worden war; denn Antistius war im Rathaus ermordet worden, weil er des Pompejus wegen für einen Anhänger Sullas galt. Ihre Mutter schied, als sie dies ansehen mußte, freiwillig aus dem Leben, so daß auch dieser Trauerfall zu der Tragödie der Hochzeit hinzutrat, und endlich noch dies, daß Aemilia im Hause des Pompejus alsbald bei der Niederkunft starb 1 . 10. Hieraufkam die Meldung, daß Perperna dabei sei, sich in Sizilien eine Machtstellung zu schaffen und die Insel den

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noch überlebenden Männern der Gegenpartei als Operaiiuusbasis zur Verfugung zu stellen, während Carbo mit seiner Flotte in jenen Gegenden kreuzte, Domitius 1 in Afrika eingefallen war und noch viele andere Flüchtlinge von Bedeutung, denen es gelungen war, den Proskriptionen zu entrinnen, dorthin strebten. Gegen diese wurde Pompejus an der Spitze einer starken Streitmacht ausgesandt. Perperna räumte ihm sofort Sizilien, Pompejus suchte den schwer heimgesuchten Städten wieder aufzuhelfen und verfuhr milde gegen alle, außer gegen die Mamertiner in Messene; denn als sie es ihm verwehren wollten, sein Tribunal aufzuschlagen und Recht zu sprechen, weil das nach einem alten Gesetz der Römer nicht zulässig sei sagte er: «Wollt ihr wohl aufhören, wenn wir mit dem Schwert umgürtet daherkommen, uns Gesetzestexte vorzulesen!» Auch die Art und Weise, wie er gegen Carbo in seinem Unglück verfuhr, erschien unmenschlich und grausam. Denn wenn es notwendig war, ihn zu töten (und das war es vielleicht), dann mußte es sogleich nach seiner Gefangennahme geschehen, und der damit Beauftragte hatte es zu vollziehen. Aber Pompejus ließ ihn, einen Römer, der dreimal Konsul gewesen war, gefesselt sich vorführen, vor dem Richterstuhl, auf dem er saß, stehen und verhörte ihn selbst, so daß alle Anwesenden voll Unwillen und Empörung waren. Darauf befahl er, ihn abzuführen und hinzurichten. Nachdem er abgeführt war, so wird erzählt, und schon sah, wie das Schwert gezogen wurde, habe er gebeten, ihm noch einen Platz und eine kurze Zeit zu gewähren, um ein dringendes Bedürfnis zu befriedigen. Caesars Freund Gaius Oppius' erzählt, Pompejus habe sich auch gegen Quintus Valerius unmenschlich benommen. Da er wußte, daß Valerius hochgebildet und ein ausgezeichneter Gelehrter war, habe er ihn, als er ihm vorgeführt wurde, freundlich begrüßt, einen Spaziergang mit ihm gemacht, ihn um das befragt, was er wissen wollte, und als er es erfahren hatte, habe

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er den Schergen befohlen, ihn sogleich abzuführen und zu töten. Aber dem Oppius darf man, wenn er von Feinden oder Freunden Caesars redet, nur mit größtem Vorbehalt Glauben schenken. Die angesehensten unter den Feinden Sullas, die offen in seine Hände fielen, bestrafte Pompejus notgedrungen; die anderen, die sich verborgen hielten, übersah er, soweit es ihm möglich w a r ; einigen verhalf er sogar zur Flucht. Als er sich entschlossen hatte, die Stadt Himera, die auf Seiten der Feinde gestanden hatte, zu bestrafen, erbat sich der Volksredner Sthennis das Wort und sagte, Pompejus würde nicht gerecht verfahren, wenn er den Schuldigen laufen ließe und diejenigen, die nichts Böses getan hätten, vernichtete. Als Pompejus fragte, wen er den Schuldigen nenne, sagte Sthennis, das sei er selbst, denn er habe seine Freunde unter den Bürgern beredet und die Feinde gezwungen. Voll Bewunderung für den Freimut und den hohen Sinn des Mannes erließ Pompejus zuerst ihm die Schuld und dann auch allen anderen. Da er ferner hörte, daß die Soldaten auf den Märschen sich zuchtlos benahmen, ließ er ihre Schwerter versiegeln, und wer das Siegel verletzte, wurde bestraft. 1 1 . Während er in dieser Weise die Verhältnisse in Sizilien ordnete, empfing er einen Senatsbeschluß und Briefe Sullas, die ihm auftrugen, nach Afrika überzusetzen und mit aller Kraft Domitius zu bekriegen, der dort ein vielmal stärkeres Heer zusammengebracht hatte als das, an dessen Spitze Marius nicht lange vorher aus Afrika nach Italien hinübergefahren war und, aus einem Flüchtling ein Tyrann geworden, den römischen Staat zertrümmert hatte. In Eile traf daher Pompejus seine Vorbereitungen, hinterließ als Befehlshaber Siziliens Memmius, den Mann seiner Schwester, und ging selbst in See mit hurdertzwanzig Kriegsschiffen und achthundert Transportschiffen, die Verpflegung, Munition, Geld

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Kriegsmaschinen beförderten. Nachdem er mit dem einen Teil der Flotte in Utica, mit dem andern in Karthago an Land gegangen war, fielen siebentausend Mann von den Feinden ab und stießen zu ihm; er selbst brachte sechs vollständige Legionen mit. Hier begegnete ihm nun, wie berichtet wird, etwas Lächerliches. Einige Soldaten stießen zufällig auf einen vergrabenen Schatz und kamen so zu viel Geld. Als die Sache ruchbar wurde, entstand bei allen andern der Glaube, daß die Gegend voll von Schätzen sei, die die Karthager dereinst in ihrer Notzeit 1 vergraben hätten. So konnte Pompejus nichts mit seinen Soldaten anfangen, da sie viele Tage lang nach Schätzen suchten, sondern er ging lachend herum und sah zu, wie so viele Zehntausende gruben und den Boden um- und umwarfen, bis sie es müde wurden und Pompejus baten, sie zu fuhren, wohin er wolle; sie hätten nun genug für ihre Torheit gebüßt. 12. Domitius hatte ihm gegenüber hinter einer steilrandigen, schwer zu überschreitenden Schlucht Aufstellung genommen, da setzte am Morgen ein heftiger Regen und Sturmwind ein und hielt an, so daß Domitius seine Absicht, an diesem Tage zu kämpfen, fahren ließ und Befehl zum Rückzug gab. Pompejus aber sah gerade jetzt seinen Augenblick gekommen, ging plötzlich vor und überschritt die Schlucht. Die Feinde setzten sich ohne Ordnung, in Verwirrung, nicht alle und nicht gleichmäßig zur Wehr, und der Wind drehte sich, so daß ihnen der Regen ins Gesicht peitschte. Indes machte das Unwetter auch den Römern zu schaffen, da sie einander nicht deutlich sehen konnten, und Pompejus selbst kam in die Gefahr, unerkannt getötet zu werden, als er einem Soldaten, der ihn nach der Losung fragte, nicht schnell genug antwortete. Doch schlugen sie die Feinde unter schweren Verlusten in die Flucht - von zwanzigtausend sollen nur dreitausend entkommen sein - und begrüßten Pompejus als Impera-

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tor. Als er aber sagte, er nehme die Ehre nicht an, solange das Lager der Feinde noch aufrecht stehe; wenn sie ihn dieses Ehrentitels für würdig hielten, sollten sie es erst zerstören: da gingen sie sofort gegen die Verschanzungen vor, und Pompejus kämpfte ohne Helm, aus Furcht vor dem eben gehabten Erlebnis. So wurde das Lager genommen, und Domitius fiel. Die Städte unterwarfen sich zum Teil sofort, zum Teil wurden sie im Sturm genommen. Er nahm auch einen der dortigen Könige, Hiarphthas, der Domitius Waffenhilfe geleistet hatte, gefangen und übergab die Herrschaft dem Hiempsal. Dann fiel er in Ausnützung der guten Stunde und der Siegesstimmung des Heeres in Numidien ein, rückte viele Tagereisen weit vor, bezwang alles, was ihm begegnete, und nachdem er so die schon geschwundene Furcht der Barbaren vor den Römern wiederhergestellt und verstärkt hatte, sagte er, auch die wilden Tiere, die Afrika bewohnten, wolle er nicht in Unkenntnis des Wagemutes und des Glückes der Römer zurücklassen. Er beschäftigte sich also eine Reihe von Tagen mit der Jagd auf Löwen und Elefanten. Im ganzen aber brachte er, wie berichtet wird, in nur vierzig Tagen die Kämpfe zum Abschluß, unterwarf Afrika und ordnete die Angelegenheiten der Könige. Dabei stand er damals im vierundzwanzigsten Jahr 1 . 13. Bei der Rückkehr nach Urica wurde ihm ein Brief Sullas überbracht, der den Befehl enthielt, das übrige Heer zu entlassen und dort mit nur einer Legion den Feldherrn zu erwarten, der ihn ablösen würde. Er selbst verhehlte den Ärger und die Entrüstung, die er darüber empfand; ganz ofFen aber empörte sich das Heer, und als Pompejus sie bat, den Rückmarsch anzutreten, schimpften sie auf Sulla, erklärten, sie würden auch ihn nicht im Stiche lassen und warnten ihn, dem Tyrannen zu trauen. Zuerst versuchte Pompejus, sie zu beruhigen und ihnen gut zuzureden. Als er sie aber nicht zu über-

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reden vermochte, stieg er vom Tribunal herab und ging weinend in sein Zelt. Doch die Soldaten holten ihn zurück, stellten ihn wieder auf sein Tribunal, und so wurde ein großer Teil des Tages damit hingebracht, daß sie ihn aufforderten, zu bleiben und das Kommando weiterzuführen, und er sie bat, zu gehorchen und nicht zu meutern, bis er, da sie heftig in ihn drangen und ihn niederzuschreien begannen, schwur, er werde sich töten, wenn sie Gewalt gegen ihn brauchten, worauf sie dann endlich abließen. An Sulla gelangte zuerst die Nachricht, daß Pompejus abgefallen sei, und er sagte zu seinen Freunden, es sei also sein Schicksal, nachdem er alt geworden sei, Kämpfe mit Knaben auszufechten, weil auch Marius, ein noch ganz junger Mann, ihm am meisten zu schaffen gemacht und ihn in die äußerste Gefahr gebracht h a t t e A l s er aber den wahren Hergang erfahren hatte und bemerkte, daß alle Welt freudig bereit war, Pompejus begeistert zu empfangen und zu geleiten, beeilte er sich, sie zu überbieten, machte sich auf, ging ihm entgegen, hieß ihn aufs herzlichste willkommen und begrüßte ihn mit lauter Stimme als Magnus, forderte auch die Anwesenden auf, ihn so anzureden; Magnus heißt aber «der Große». Andere behaupten, der Name sei ihm schon in Afrika von dem ganzen Heere durch Zuruf gegeben worden, volle Gültigkeit aber habe er erst gewonnen, als er durch Sulla bestätigt wurde. Er selbst indes begann erst als letzter von allen und nach langer Zeit, als er mit prokonsularischem Befehl nach Spanien gegen Sertorius gesandt wurde, sich in seinen Briefen und Verordnungen Pompejus Magnus zu schreiben. Denn der Name erweckte keine Neidgefühle mehr, weil man sich an ihn gewöhnt hatte. Mit Recht darf man wohl die alten Römer bewundern und preisen, daß sie mit derartigen Benennungen und Beinamen nicht nur die kriegerischen und soldatischen Heldentaten belohnt, sondern auch die innenpolitischen Leistungen und

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Verdienste in dieser Weise ausgezeichnet haben. So hat das Volk nur zwei Männern den Beinamen Maximus, das heißt der Größte, gegeben, dem Valerius dafür, daß er es mit dem Senat, mit dem es im Streit lag, wieder aussöhnte, und dem Fabius Rullus, weil er einige reiche Männer, die von freigelassenen Vätern stammten und trotzdem in den Senat aufgenommen worden waren, wieder ausstieß 14. Hierauf bewarb sich Pompejus um einen Triumph, aber Sulla widersprach; denn nur einem Konsul oder Praetor, keinem andern, gestattet ihn der Brauch. Daher hatte auch der ältere Scipio nach größeren und bedeutungsvolleren Kämpfen, als er in Spanien die Karthager besiegt hatte, keinen Triumph erbeten; denn er war weder Konsul noch Praetor2. Wenn nun Pompejus, dem noch kaum der Bart gewachsen war und wegen seiner Jugend der Sitz im Senat nicht zustand, triumphierend in die Stadt einziehe, so werde das gegen seine, Sullas, Regierung und gegen die Pompejus erwiesene Ehrung schwere Mißstimmung hervorrufen. Das sagte Sulla zu Pompejus, um ihm zu erklären, daß er es nicht zulassen, sondern ihm entgegentreten und seinen Ehrgeiz, wenn er nicht gehorche, dämpfen würde. Aber Pompejus ließ sich nicht abschrecken, sondern er sagte zu Sulla, er möchte bedenken, daß vor der aufgehenden Sonne mehr Menschen sich neigten als vor der untergehenden, um anzudeuten, daß seine Macht im Steigen, Sullas Macht hingegen im Sinken und Welken sei. Das hatte Sulla erst nicht deutlich verstanden, und da er aus den Mienen und Gebärden derer, die es gehört hatten, entnahm, daß sie höchlich erstaunt waren, fragte er, was denn da gesagt worden sei; und als er es erfuhr, rief er, betroffen von der Dreistigkeit des Pompejus, zweimal hintereinander: «Soll er triumphieren!» Als jetzt viele sich empörten und entrüsteten, nahm sich Pompejus vor, um sie (wie es heißt) noch mehr zu kränken, auf einem mit vier Elefanten bespannten Wagen sei-

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nen Einzug zu halten; denn er hatte viele Elefanten aus dem Besitz der Könige als Beute aus Afrika mitgebracht. Aber da das Tor zu eng -war, nahm er doch davon Abstand und kam auf die Pferde zurück 1 . Als jedoch die Soldaten, die nicht so viel bekommen hatten, als sie erwarteten, aufsässig werden und Lärm schlagen wollten, erklärte er, daran kehre er sich nicht, sondern eher werde er den Triumph aufgeben als sich zu ihrem Diener machen. Da sagte Servilius 2 , ein hochangesehener Mann, der bis dahin besonders gegen den Triumph des Pompejus aufgetreten war, jetzt sehe er, daß Pompejus tatsächlich ein Großer und des Triumphes würdig sei. Übrigens ist es sicher, daß er, wenn er gewollt hätte, damals auch mit Leichtigkeit in den Senat hätte kommen können. Aber es heißt, daß er sich gar nicht darum bemühte, da er vielmehr seinen Ruhm im Außerordentlichen suchte. Denn es war nichts so gar Besonderes, wenn Pompejus vor dem üblichen Alter Senator wurde; aber eine überwältigende Ehre, daß er, ohne noch Senator zu sein, triumphierte. Daher forderte dies auch noch in hohem Maße seine Beliebtheit bei der Menge, denn das Volk hatte seine Freude daran, zu sehen, wie er nach dem Triumph als Ritter gemustert wurde. i$. Sulla fühlte sich zwar gekränkt zu sehen, zu welcher Höhe des Ruhmes und der Macht er emporstieg, schämte sich aber, ihm hinderlich zu sein, und verhielt sich ruhig. Nur als er wider seinen Willen und ihm zum Trotz Lepidus zum Konsulat verhalf, indem er ihn bei der Bewerbung unterstützte und ihm durch seine eigene Beliebtheit die Gunst des Volkes verschaffte, da sagte Sulla, als er Pompejus mit großem Geleit über den Markt nach Hause gehen sah: «Junger Mann, ich sehe, daß du dich über deinen Sieg freust. Wie sollte das nicht auch eine herrliche und rühmenswerte Leistung sein, daß Lepidus, der Übelste von allen, vor Catulus dem Edelsten von allen, zum Konsul ausgerufen worden ist, weil du

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das Volk so bearbeitet hast! Aber nun ist es Zeit für dich, nicht zu schlafen, sondern zu achten auf das, was geschieht. Denn du hast deinem Gegner größere Macht verschafft.» Am deutlichsten jedoch zeigte Sulla, daß er dem Pompejus nicht gewogen war, durch das Testament, das er machte. Denn während er anderen Freunden Vermächtnisse hinterließ und sie zu Vormündern seines Sohnes bestellte, überging er Pompejus gänzlich. Doch trug dieser das gelassen und maßvoll, und als Lepidus und einige andere zu verhindern suchten, daß der Leichnam auf dem Marsfelde beigesetzt würde und ein Staatsbegräbnis stattfände, legte er sich ins Mittel und sorgte fiir den gehörigen Prunk und die Sicherheit bei der Totenfeier. 16. Als sogleich nach dem Tode Sullas seine Prophezeiung sich erfüllte, Lepidus sich in seine Machtstellung einzudrängen suchte, nicht auf Umwegen und durch versteckte Machenschaften, sondern sofort in Waffen dastand und die längst zum Aufruhr geneigten, dem Sulla entronnenen Reste der Gegenpartei wieder in Bewegung brachte und um sich scharte, während andererseits sein Kollege Catulus, dem der saubere und gesunde Teil des Senates und des Volkes anhing, zwar durch den hohen Ruf seiner Besonnenheit und Gerechtigkeit der erste Mann unter den damaligen Römern, aber offenbar mehr für die innenpolitische als für die militärische Führerschaft befähigt war, als also die Lage der Dinge selbst den Pompejus auf den Plan rief, schwankte er nicht, wohin er sich zu wenden hätte, schlug sich auf die Seite der Aristokraten und erhielt das Kommando eines Heeres gegen Lepidus, der schon einen großen Teil Italiens revolutioniert hatte und das diesseits der Alpen gelegene Gallien durch ein Heer unter Brutus beherrschte. Mit den übrigen Gegnern wurde Pompejus im Vordringen leicht fertig, aber dem Brutus lag er bei Mutina in Gallien 1 lange Zeit gegenüber, während Lepidus

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gegen Rom rückte, vor der Stadt lagerte und von draußen her ein zweites Konsulat forderte, indem er die Einwohner durch sein großes Heer in Schrecken setzte. Diese Befürchtungen zerstreute ein von Pompejus einlaufender Brief mit der Meldung, daß er den Krieg ohne Kampf zum guten Ende gebracht habe. Denn Brutus, sei es, daß er selbst sein Heer übergab, sei es, daß es zum Feinde übertrat und ihn verriet, hatte sich Pompejus ausgeliefert, eine Reitereskorte bekommen und sich nach einem Städtchen am Po begeben, wo er aber am nächsten Tage von Geminius, den Pompejus ihm nachsandte, getötet wurde. Dafür erntete Pompejus scharfen Tadel, denn nachdem er noch eben beim Beginn des Übertritts der feindlichen Armee dem Senat geschrieben hatte, daß Brutus sich ihm freiwillig ergeben habe, ließ er sogleich ein zweites Schreiben mit Anklagen gegen den schon Getöteten folgen. Der Sohn dieses Mannes war der Brutus, der im Verein mit Cassius Caesar ermordete und weder in der Art, wie er im Leben kämpfte, noch wie er starb, seinem Vater ähnlich war. Das ist in seiner Biographie dargestellt Lepidus mußte nunmehr sofort Italien räumen und fuhr nach Sardinien hinüber, und dort erkrankte er und starb aus Kummer und Verzweiflung, nicht über seine Lage, wie man sagt, sondern weil ihm ein Brief in die Hand fiel, aus dem er die Uberzeugung gewann, daß seine Frau ihn betrog. 17. Aber ein Feldherr von ganz anderer Art als Lepidus schwebte nun als furchtbare Drohung über den Römern: Sertorius, der Spanien besetzt hielt * und bei dem - gleichsam wie in einem letzten Entzündungsherd - alle bösen Säfte des Bürgerkrieges zusammengeflossen waren. Er hatte schon viele der minderen Feldherren vernichtet und lag jetzt im Kampf mit Metellus Pius, einem ruhmreichen und erfahrenen Kriegsmann, der aber infolge seines hohen Alters nicht mehr so schnell den Wechseliallen des Krieges zu folgen vermochte

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und hinter den Ereignissen zurückblieb, die durch die rasche Energie des Sertorius in Fluß gebracht wurden, der mit großer Kühnheit und mehr nach Räuberart angriff und durch Hinterhalte und Umgehungsmanöver einen Mann belästigte, der geübt war, regelrechte Schlachten zu schlagen und eine schwere, standfeste Armee zu kommandieren. Im Hinblick darauf bemühte sich Pompejus, der sein Heer noch beisammen hatte, darum, dem Metellus zu Hilfe geschickt zu werden, entließ seine Truppen nicht trotz des Befehles des Catulus, sondern stand unter Waffen in der Nähe der Stadt und erfand immer neue Vorwände, bis man ihm auf Antrag des Lucius Philippus 1 das Kommando übertrug. Dabei soll dieser, als ihn im Senat jemand verwundert fragte, ob er meine, daß Pompejus «für einen Konsul» ausgesendet werden solle, die Antwort gegeben haben: « Durchaus nicht, sondern für die Konsuln»*, womit er sagen wollte, daß beide damals amtierenden Konsuln nicht viel taugten. 18. Als jetzt Pompejus nach Spanien kam und - wie es zu gehen pflegt, wenn einem neuen Feldherrn sein Ruhm voranfliegt - einen Wandel der Erwartungen bei den Bewohnern des Landes erweckte, so daß die nicht ganz fest zu Sertorius stehenden Völkerschaften in Bewegung kamen und zum Abfall neigten, streute Sertorius hochmütige Worte gegen Pompejus aus und sagte spottend, er würde für diesen Knaben nur einen Rohrstock und eine Peitsche nötig haben, wenn er nicht vor jenem alten Weibe Angst hätte; womit er Metellus meinte. In Wahrheit aber fürchtete er doch Pompejus, war sehr auf seiner Hut und bei seinen Unternehmungen mehr auf Sicherheit bedacht. Denn Metellus - man hätte es nicht glauben sollen - war ganz und gar einem schwelgerischen, genußsüchtigen Leben verfallen, und es war plötzlich eine große Wandlung nach der Seite des Prunkes und der Verschwendung mit ihm vorgegangen, ein Umstand, der dem Pompejus

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außer dem Ruhm allgemeine Beliebtheit verschaffte, da er sich in seiner Lebensführung großer Einfachheit befliß, was ihn nicht einmal viel Bemühung kostete; denn er war von Natur vernünftig und maßvoll in seinen Begierden. Unter den mancherlei Wechselfällen des Krieges schmerzte den Pompejus am meisten die Eroberung von Laura' durch Sertorius. Er hatte gemeint, ihn einzuschließen, und schon große Worte darüber fallen lassen, da zeigte es sich plötzlich, daß er selber rings eingekreist war. Er mußte daher furchten, irgendeine Bewegung zu machen, und zusehen, wie die Stadt vor seinen Augen eingeäschert wurde. Aber den Herennius und Perperna, zwei angesehene Männer, die zu Sertorius geflohen und als seine Unterführer tätig waren, schlug er bei Valentia und tötete über zehntausend Mann. 19. Gehoben durch diese Tat und von Mut geschwellt, rückte er eiligst gegen Sertorius selbst, damit Metellus keinen Anteil an dem Siege habe. Am Flusse Sucro 2 kamen die Heere miteinander ins Gefecht, als der T a g sich schon zum Ende neigte, beide besorgt, daß Metellus dazukäme, der eine, um allein, der andere, um nur mit einem Gegner zu kämpfen. Der Kampf brachte keine Entscheidung, denn auf beiden Seiten siegte der eine Flügel. Von den Feldherren aber schnitt Sertorius besser ab, denn er schlug den ihm gegenüberstehenden Feind. Den Pompejus, der beritten war, griff ein hochgewachsener Mann zu Fuß an. Sie gerieten aneinander, lieferten sich einen heftigen Kampf, und beide erhielten sie Schwerthiebe in die Arme, aber nicht mit gleicher Wirkung: Pompejus wurde nur verwundet, seinem Gegner aber schlug er den Arm ab. Da jetzt noch mehr Feinde gegen ihn anstürmten und seine Leute schon zum Weichen gebracht waren, kam er nur dadurch wider Erwarten davon, daß er sein mit goldenen Beschlägen und anderem wertvollem Schmuck versehenes Pferd den Feindön preisgab. Während sie sich das teilten und darüber

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miteinander in Streit gerieten, blieben sie zurück. Am nächsten Morgen marschierten beide wieder gegeneinander auf, um die Entscheidung herbeizuführen; aber da Metellus nun im Anzüge war, trat Sertorius den Rückzug an und ließ sein Heer auseinandergehen. Auf eine solche Weise pflegten die Leute sich zu zerstreuen und dann wieder zu sammeln, daß Sertorius oft allein umherzog und dann oft wieder mit hundertfiinfzigtausend Mann angerückt kam wie ein plötzlich anschwellendes Wildwasser. Nach der Schlacht zog Pompejus dem Metellus entgegen, und als sie einander nahe waren, befahl er seinen Liktoren, die Rutenbündel zu senken, um Metellus als dem Höhergestellten Ehre zu erweisen. Aber der ließ das nicht zu und zeigte sich auch sonst sehr zuvorkommend gegen ihn, indem er für sich als den Älteren und gewesenen Konsul kein anderes Vorrecht in Anspruch nahm, als daß, wenn sie zusammen lagerten, die Losung für alle von Metellus ausgegeben wurde; meistens aber lagerten sie gesondert. Denn der Feind, erfindungsreich und geschickt, binnen kurzem bald da, bald dort aufzutauchen und immer neue Kämpfe zu entfesseln, wußte sie zu trennen und auseinanderzubringen, und schließlich schnitt er ihnen die Märkte ab, plünderte das Land aus, hatte zur See das Übergewicht und vertrieb sie beide aus dem von ihm beherrschten Spanien, so daß sie gezwungen waren, aus Mangel an Lebensmitteln in andere Provinzen zu fliehen. 20. Pompejus, der bereits den größten Teil seines eigenen Vermögens für den Krieg verwendet und aufgebraucht hatte, verlangte nunmehr Geld vom Senat mit der Drohung, wenn sie es ihm nicht schickten, werde er mit seinem Heere nach Italien kommen. Lucullus, der damals Konsul und kein Freund des Pompejus war, sich aber um das Kommando im Krieg gegen Mithridates bemühte, sorgte eilends dafür, daß das Geld geschickt wurde, in der Besorgnis, dem Pompejus seinem

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Wunsche gemäß einen Vorwand zu liefern, sich von Sertorius zu lösen und gegen Mithridates zu wenden, einen Gegner, bei dem viel Ruhm zu gewinnen und mit dem allem Anschein nach nicht so schwer fertig zu werden war. Inzwischen starb Sertorius, von seinen eigenen Freunden meuchlerisch ermordet. Der bedeutendste von ihnen, Perperna, versuchte zwar, dasselbe zu tun wie Sertorius, gestützt auf dieselben Streitkräfte und Machtmittel, aber nicht im Besitz der Fälligkeit, sie in gleicher Weise zu brauchen. Sofort rückte also Pompejus gegen ihn vor, und da er bemerkte, daß Perperna in seinen Unternehmungen unentschieden schwankte, so warf er ihm als Lockspeise zehn Kohorten hin, die er sich in der Ebene zerstreuen ließ, und als er sich gegen diese wandte und sie verfolgte, erschien er mit seiner ganzen Macht, stellte den Gegner zum Kampfund errang einen vollen Sieg. Die meisten Offiziere fielen in der Schlacht. Den Perperna, der ihm vorgeführt wurde, ließ er hinrichten, nicht aus Undankbarkeit und uneingedcnk des in Sizilien Geschehenen 1 , wie einige ihm vorwerfen, sondern in hochherziger Gesinnung und einer für das Ganze heilsamen Überlegung folgend. Perperna war nämlich in den Besitz der Papiere des Sertorius gekommen und hatte ihm Briefe der mächtigsten Männer in Rom gezeigt, die mit dem Willen, die bestehenden Verhältnisse umzustürzen und die Verfassung umzugestalten, den Sertorius nach Italien riefen. In der Befürchtung, daß dies zu noch schwereren Kriegen als den eben beendigten führen könnte, ließ Pompejus den Perperna hinrichten und verbrannte die Briefe ungelesen. 21. Hierauf verweilte er noch so lange, als nötig war, um die schwersten Störungen zu beseitigen und dort, wo die schlimmste Verwirrung herrschte, die Ordnung wiederherzustellen, und führte dann sein Heer nach Italien zurück, wo er gerade in dem Augenblick ankam, als der Sklavenkrieg auf

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seinen Höhepunkt gelangt war. Daher eilte Crassus, der Feldherr dieses Krieges, Hals über Kopf die Entscheidungsschlacht zu schlagen, gewann den Sieg und tötete zwölftausenddreihundert Mann. Doch machte das Glück den Pompejus gewissermaßen zum Teilhaber auch dieses Erfolges, indem fünftausend Mann, die aus der Schlacht entronnen waren, ihm in die Arme liefen, die er alle niedermachen ließ und schleunigst an den Senat schrieb, Crassus habe die Gladiatoren im Felde besiegt, er aber habe den Krieg vollends bis zur Wurzel ausgerottet Das waren die Römer aus Vorliebe für Pompejus gern bereit anzuhören und nachzusagen; aber daß Spanien und Sertorius das Werk eines andern und nicht ganz und gar das des Pompejus wäre, das hätte niemand auch nur im Scherz behauptet. Aber bei aller Hochachtung und bei allen Erwartungen, mit denen man dem Manne entgegensah, bestand doch ein Argwohn und die Befürchtung, daß er das Heer nicht entlassen, sondern mit Waffengewalt stracks den Weg zu der monarchischen Machtstellung Sullas beschreiten werde. Daher war, so viele auch aus Zuneigung hinausliefen und ihn unterwegs freundlich bewillkommten, doch auch die Zahl derer nicht kleiner, die das aus Furcht taten. Nachdem aber Pompejus auch diesen Verdacht beseitigt hatte durch die Erklärung, er werde das Heer nach dem Triumph entlassen, blieb seinen Neidern nur noch die eine Beschuldigung übrig, er werde sich mehr zum Volk als zum Senat halten und sei entschlossen, die Amtsgewalt des Volkstribunats, die Sulla herabgedrückt hatte, wiederherzustellen und der Menge diesen Gefallen zu erweisen. Und das war auch wahr. Denn nach nichts hatte das römische Volk ein leidenschaftlicheres Verlangen und eine größere Sehnsucht, als jenes Amt wiederhergestellt zu sehen, so daß Pompejus die Gelegenheit zu diesem politischen Schachzug fiir einen besonderen Glücksfall ansah, da er nicht leicht eine andere Maßnahme hätte linden können,

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um den Bürgern seinen Dank für das bewiesene Wohlwollen zu bezeigen, wenn ihm ein anderer diese vorweggenommen hätte. 22. Als nunmehr der zweite Triumph und das Konsulat für ihn beschlossen war erschien er nicht so sehr dadurch groß und bewunderungswürdig, sondern darin sahen sie vielmehr einen Beweis seines Ruhmes und seiner Macht, daß Crassus, unter allen damaligen Politikern der reichste, wortgewaltigste und mächtigste, der sich über Pompejus selbst und alle anderen erhaben dünkte, sich nicht eher um das Konsulat zu bewerben wagte, als bis er sich mit Pompejus in Verbindung gesetzt hatte. Pompejus ging gern darauf ein, weil er schon lange den Wunsch hatte, ihm einen Dienst zu erweisen und sich freundlich mit ihm zu stellen. Er verwendete sich also mit großem Eifer für ihn beim Volke und erklärte, er würde für diesen Kollegen nicht weniger dankbar sein als fiir das Amt. Als sie jedoch zu Konsuln ernannt waren, waren sie in allen Dingen uneins und miteinander im Streit. Im Senat war Crassus der Stärkere, aber beim Volke war der Einfluß des Pompejus groß; denn er gab ihm das Volkstribunat zurück und ließ es geschehen, daß die Gerichte durch ein Gesetz wieder den Rittern übertragen wurden 1 . Das schönste Schauspiel aber gab er dem Volke, als er selbst um Befreiung vom Heeresdienst nachsuchte. Es besteht nämlich der Brauch fiir die römischen Ritter, daß sie, wenn sie die gesetzliche Zeit abgedient haben, ihr Pferd auf den Markt vor die zwei Männer führen, die man Censoren nennt, jeden einzelnen der Führer und Feldherren, unter denen sie gedient haben, aufzählen, Rechenschaft über ihren Dienst ablegen und danach freigesprochen werden, wobei jedem von ihnen fiir seine Führung das gebührende Lob oder Tadel zuteil wird. Damals saßen nun die Censoren Gellius und Lentulus 3 in ihrem Ornat auf ihren Amtssesseln, und die zu musternden Rit-

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tcr zogen an ihnen vorüber. D a sah man Pompejus v o n oben auf den M a r k t herunterkommen, mit allen A b z e i c h e n seiner W ü r d e angetan, aber sein Pferd mit eigener H a n d a m Z ü g e l führend. Als er nahe und allen sichtbar geworden w a r , befahl er seinen Liktoren, beiseite z u treten, und führte sein Pferd vor das T r i b u n a l . Das V o l k staunte und war ganz still, und die Censoren erfüllte ein gewisses Schamgefühl und Freude zugleich bei dem Anblick. Darauf stellte der Ältere der beiden die Frage: «Ich frage dich, Pompejus M a g n u s , ob du alle v o m Gesetz vorgeschriebenen Feldzüge mitgemacht hast», und Pompejus antwortete mit lauter Stimme: «Ich habe sie alle mitgemacht, und alle unter meinem K o m m a n d o . » A l s das Volk das hörte, schrie es laut auf und konnte v o r Freude nicht mehr zur R u h e k o m m e n , sondern die Censoren standen auf und geleiteten Pompejus nach Hause, um sich so den Bürgern gefallig z u erweisen, die mitliefen und Beifall klatschten. 23. A l s jetzt das Konsulat des Pompejus dem E n d e e n t g e g e n g i n g und der Z w i s t mit Crassus noch immer im Wachsen war, da stieg ein gewisser G a j u s Aurelius, ein M a n n ritterlichen Ranges, der sich sonst nicht politisch betätigte, während einer Volksversammlung auf die Rednerbühne, trat v o r und sagte, ihm sei im T r a u m Iuppiter erschienen und habe ihm befohlen, den Konsuln auszurichten, sie sollten ihr A m t nicht eher niederlegen, als bis sie einander freund geworden wären. Nachdem diese W o r t e gesprochen waren, stand Pompejus schweigend da. Crassus aber reichte ihm als erster die H a n d , redete ihn freundlich an und sprach: «Ich glaube nichts U n würdiges und Niedriges zu tun, liebe M i t b ü r g e r , w e n n ich zuerst dem Pompejus nachgebe, den ihr, als er noch keinen Bart hatte, des Namens M a g n u s gewürdigt und ihm, als er noch nicht dem Senat angehörte, zwei T r i u m p h e b e w i l l i g t habt.» Hierauf versöhnten sie sich miteinander u n d legten dann das A m t nieder.

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Crassus behielt die Lebensart bei, die er von Anfang an gewählt hatte. Pompejus aber entzog sich den vielen Anwaltschaften, mied allmählich den Markt und zeigte sich nur selten in der Öffentlichkeit, immer aber in großem Geleit. Es war schon nicht mehr leicht, ihn anders als in großer Gesellschaft zu sprechen oder auch nur zu sehen, sondern am liebsten erschien er umgeben von einer dichten Menge, indem er damit seinem Auftreten Glanz und Hoheit zu geben suchte und der Meinung war, er müsse dadurch, daß er die Berührung und den Verkehr mit der Masse mied, seine Würde wahren. Denn das zivile Leben trägt die Gefahr, an Ansehen zu verlieren, in sich für Männer, die in den Waffen groß geworden sind und sich nicht in die demokratische Gleichheit schicken können. Sie verlangen, hier wie dort die ersten zu sein, und umgekehrt scheint es denen, die dort die Untergebenen sind, unerträglich, nicht hier wenigstens einen Vorzug zu haben. Wenn sie daher den in Feldzügen und Triumphen zum Ruhm Emporgestiegenen auf dem Markte zu fassen bekommen, so suchen sie ihn zu demütigen und zu ducken; wer aber verzichtet und sich zurückzieht, dem lassen sie seine dort erworbene Ehre und Macht ungeschmälert. Das zeigten die Ereignisse selbst nach kurzer Zeit. 24. Die Macht der Seeräuber hatte ihren Ursprung in Kilikien, wo sie zuerst in der Stille sich an gewagten Unternehmungen versuchten. Dann gewannen sie Mut und Kühnheit im Mithridateskriege, während dessen sie sich in den königlichen Dienst stellten. Als dann die Römer in den Bürgerkriegen vor den Toren Roms aneinandergeraten waren, lockte sie die unbewacht gebliebene See mehr und mehr an und machte sie groß, so daß sie nicht nur mehr die Seefahrer angriffen, sondern auch Inseln und Küstenstädte ausplünderten. Bereits bestiegen auch Männer von Vermögen und vornehmer Abkunft, die als klug und einsichtsvoll angesehen wurden, die Piraten-

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schiffe und beteiligten sich an dem Handwerk, das eine Art Ruhm und Ehre einbrachte. Es gab auch an vielen Orten Ankerplätze der Piraten und befestigte Beobachtungstürme, und ihre Flotten, denen man nun begegnete, waren nicht nur durch ausgesuchte Bemannung, wohlgeübte Steuerleute und schnelle, leichte Schiffe für ihre besondere Aufgabe wohl gerüstet, sondern kränkender noch als ihre Gefährlichkeit war ihr dreister Übermut, wenn sie mit vergoldeten Flaggenstangen, purpurnen Vorhängen und silberbeschlagenen Rudern prunkten und sich so gleichsam mit ihren Verbrechen brüsteten. Flöten- und Saitenspiel, Gesänge und Trinkgelage an jedem Strand, Entfuhrungen obrigkeitlicher Personen und Brandschatzungen eroberter Städte waren eine Schande für die römische Regierung. Die Zahl der Seeräuberschiffe betrug über tausend, die der von ihnen eroberten Städte vierhundert. Heilige Stätten, die bisher als unverletzlich und unbetretbar galten, überfielen sie und plünderten sie aus, so das Heiligtum zu Klaros, das Didymaion, das auf Samothrake, den Tempel der Chthonia in Hermione, den des Asklepios in Epidauros, die des Poseidon auf dem Isthmos, bei Tainaron und auf Kalaureia, des Apollon in Aktion und auf Leukas, der Hera in Samos, Argos und auf dem Lakinion. Fremdartige Opferfeste feierten sie selbst in Olympos 1 und übten gewisse Geheimkulte, von denen der des Mithras bis heute lebendig ist, nachdem er zuerst von ihnen eingeführt worden war. Ganz besonders ließen sie ihren Übermut an den Römern aus, drangen vom Meer ins Landesinnere, machten mit ihren Räubereien die römischen Straßen unsicher und plünderten die in der Nähe gelegenen Villen aus. Einmal nahmen sie sogar zwei Praetoren, Sextilius und Bellienusgefangen in ihren Purpurgewändern und nahmen zugleich mit ihnen auch ihre Diener und Liktoren mit. Auch die Tochter des Antonius, eines Mannes, der einen Triumph gefeiert hatte, wurde gefan-

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gen, als sie aufs Land unterwegs war, und nur gegen ein hohes Lösegeld f r e i g e l a s s e n D a s Unverschämteste aber war folgendes. Wenn einer, den sie gerade gefangen hatten, rief, er sei ein Römer, und seinen Namen nannte, dann taten sie so, als wären sie erschrocken und hätten A n g s t , schlugen sich auf die Schenkel, fielen ihm zu Füßen und baten ihn flehentlich um Verzeihung. Er erklärte sich dazu bereit, da er sie so d e m ü t i g und bescheiden sah. Darauf zogen einige ihm seine Schuhe an, und andere legten ihm die T o g a um, damit er nicht wieder zu verkennen wäre. Wenn sie so den Mann lange Zeit verhöhnt und ihr Spiel mit ihm getrieben hatten, legten sie schließlich mitten im Meer ein Fallreep aus und forderten ihn auf, auszusteigen und es sich wohlgehen zu lassen, und wenn er das nicht wollte, so stießen sie ihn über Bord, so daß er ertrank. 25. Diese M a c h t verbreitete sich über das ganze Mittelländische Meer, so daß die gesamte HandelsschifTahrt lahmgelegt wurde. Dies vor allem b e w o g die Römer, denen alle Z u fuhr abgeschnitten wurde, so daß sie einem großen Mangel entgegensahen, Pompejus auszusenden, um den Piraten die Seeherrschaft zu entreißen. Gabinius, einer der Vertrauten des Pompejus, brachte einen A n t r a g ein, der ihm nicht das Kommando zur See, sondern geradezu die Alleinherrschaft und die uneingeschränkte Befehlsgewalt über alle Menschen

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trug. Der A n t r a g gab ihm nämlich das Kommando über das Meer diesseits der Säulen des Herakles und über alles feste Land vierhundert Stadien von der Küste landeinwärts 2 . A u s dieser U m g r e n z u n g fielen nicht sehr viele der zum Römischen Reich gehörigen Länder heraus, sondern die größten Völker und die mächtigsten Könige waren darin inbegriffen. Dazu sollte er sich fünfzehn Mitglieder des Senats als Kommandanten für die einzelnen Befehlsbezirke wählen, an Geld aus den Staatskassen und von den Zollpächtern so viel entnehmen, als er wollte, und eine Flotte von zweihundert Schiffen aufstellen

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mit der Vollmacht, über die Zahl und die Anwerbung der Soldaten und der Rudermannschaften nach eigenem Ermessen zu bestimmen. Als dieser Antrag verlesen wurde, nahm ihn das Volk mit Begeisterung auf, aber die angesehensten und mächtigsten Männer des Senats waren der Meinung, daß eine so ungenaue Umgrenzung der erteilten Machtfulle mehr als Neid, nämlich Furcht zu erregen geeignet sei. Daher widersetzten sie sich dem Antrag mit Ausnahme Caesars; dieser befürwortete den Antrag, keineswegs, weil ihm an Pompejus gelegen war, sondern um sich von Anfang an beim Volke beliebt zu machen und es für sich zu gewinnen. Die andern griffen Pompejus heftig an, und einer der Konsuln sagte zu ihm, wenn er sich Romulus zum Vorbild nehme, werde er auch dessen Schicksal nicht entgehen, kam aber damit in Gefahr, von der Menge totgeschlagen zu werden. Als Catulus auftrat und gegen den Antrag sprach, hörte ihm das Volk aus Respekt ruhig zu. Als er aber, nachdem er neidlos vieles zum Ruhme des Pompejus gesagt hatte, den Rat gab, einen solchen Mann zu schonen und ihn nicht wieder und wieder den Gefahren des Krieges auszusetzen, und die Frage stellte: «Wen werdet ihr denn sonst haben, wenn ihr diesen Mann verliert?», da riefen sie alle einhellig: «Dich selbst!» Da er also nichts ausrichtete, trat Catulus ab. Als dann Roscius1 vortrat, hörte niemand zu. Er gab daher durch Zeichen mit den Fingern zu verstehen, man solle Pompejus nicht allein wählen, sondern ihm einen Kollegen geben. Daraufhin soll das Volk vor Wut so laut aufgeschrien haben, daß ein Rabe, der gerade über den Markt flog, das Gleichgewicht verlor und in die Versammlung herabstürzte. Es scheint mir daher, daß das Gleiten und Herabstürzen von Vögeln nicht dadurch verursacht wird, daß die Luft zerreißt, auseinanderklafft und so eine große Leere entsteht, sondern daß sie von dem Schlag des Schalles getroffen

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werden, wenn er sich mit großer Heftigkeit fortpflanzt und in der Luft ein Wallen und Wogen hervorruft 26. Für jetzt ging man auseinander. An dem Tage aber, an dem die Abstimmung stattfinden sollte, begab Pompejus sich in aller Stille aufs Land, und als er dann hörte, daß der Antrag angenommen sei, kam er nachts in die Stadt zurück in dem Gedanken, daß, wenn das Volk zusammenströmte und ihm entgegenginge, der Neid geweckt werden würde. Am Morgen trat er dann in die Öffentlichkeit, brachte ein Opfer und setzte in einer für ihn berufenen Volksversammlung durch, daß er zu dem schon Beschlossenen noch vieles mehr hinzubekam, so daß die Rüstungen sich nahezu verdoppelten. Es wurden nämlich fünfhundert Schiffe für ihn bemannt und hundertzwanzigtpusend Mann schweres Fußvolk und fünftausend Reiter aufgeboten. Aus dem Senat wurden vierundzwanzig Männer, die als Truppenfiihrer und Feldherren tätig gewesen waren, von ihm ausgewählt, und dazu traten zwei Quaestoren. Die Marktpreise fielen sofort, und das gab dem hocherfreuten Volke Anlaß zu sagen, daß allein schon der Name Pompejus dem Krieg ein Ende gemacht habe. Er teilte nun den ganzen Raum des Mittelmeeres mit seinen Teilen in dreizehn Bezirke und bestimmte für jeden eine gewisse Anzahl Schiffe unter einem besonderen Befehlshaber, so daß er mit seiner gleichzeitig überall verstreuten Macht die ganze Masse der dort befindlichen Piratenschiffe einkreiste, machte Jagd auf sie und brachte sie auf. Diejenigen, denen es gelang, sich rechtzeitig zu zerstreuen und durchzubrechen, schlüpften von allen Seiten eilends wie in einen Bienenstock nach Kilikien. Gegen sie gedachte er mit den sechzig besten Schiffen vorzugehen, trat diese Fahrt aber nicht eher an, als bis er das Tyrrhenische, das Afrikanische und die Meere um Sardinien, Korsika und Sizilien gänzlich von den dort kreuzenden Seeräubern gesäubert hatte, und zwar in nicht mehr als insgesamt

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vierzig Tagen, wobei er sich selbst nicht schonte und die Soldaten unermüdlichen Eifer bewiesen. 27. Da indessen in Rom der Konsul Piso 1 aus Haß und Neid die Rüstungen zu stören suchte und die sich sammelnden Schiffsmannschaften auseinandergehen lassen wollte, schickte er die Flotte nach Brundisium herum und begab sich selbst durch Etrurien nach Rom. Als das bekannt wurde, kamen ihm alle auf seinem Wege entgegengeströmt, als ob sie ihn nicht wenige Tage vorher hinausgeleitet hätten. Der Grund ihrer Freude war die alle Erwartungen übersteigende Schnelligkeit des Umschlages, da der Markt plötzlich mit Waren bis zum Überfluß bestellt war. Daher kam Piso in Gefahr, seines Konsulamtes entsetzt zu werden, und Gabinius hatte schon einen Antragstext vorbereitet. Aber Pompejus verhinderte das, erledigte auch alle anderen Geschäfte ohne Schroffheit, erwirkte, was er brauchte, und ging dann nach Brundisium und segelte ab. Sosehr er sich sputete, um die Zeit auszunützen, und an den anderen Städten eilends vorbeifuhr, so ließ er doch Athen nicht unbesucht, stieg ab, brachte den Göttern ein Opfer, hielt eine Ansprache an das Volk, und als er sogleich wieder abreiste, las er die folgenden, an ihn gerichteten Verse angeschrieben, den einen an der Innenseite des Tores: «So sehr du Mensch dich fühlest, so sehr bist du Gott», den andern draußen: «Wir harrten dein, verehrten dich, wir sahen dich, geleiten dich.» Als er nun einigen der Piratenverbände, die noch zusammenhielten und draußen kreuzten, auf ihr Bitten Milde bewies, ihre Schiffe nebst den Mannschaften sich übergeben ließ und ihnen weiter nichts Böses tat, faßten auch die anderen wieder einen guten Mut, suchten den anderen Admiralen zu entkom-

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men, strebten zu Pom pejus und lieferten sich ihm mit Weibern und Kindern aus. Er verschonte sie alle, und namentlich mit ihrer Hilfe spürte er diejenigen, die sich noch verborgen hielten, auf, fing sie und bestrafte sie als Leute, die sich w o h l unverzeihlicher Verbrechen b e w u ß t waren. 28. D i e meisten und mächtigsten der Seeräuber hatten ihre Familien, ihre Habe und alles unbrauchbare V o l k in Burgen und festen Plätzen im Taurosgebirge in Sicherheit gebracht, bemannten nun ihre Schiffe und nahmen bei Korakesion in Kilikien 1 den Kampf mit dem heransegelnden Pompejus auf. In der Schlacht wurden sie geschlagen und darauf belagert. D o c h schließlich schickten sie Bittgesandtschaften und übergaben sich selbst und die Städte und Inseln, die noch in ihrer Hand und wohlbefestigt, schwer zugänglich und nicht so leicht mit G e w a l t zu nehmen waren. So war der Krieg zu Ende und die überall verbreiteten Seeräuberflotten v o m Meer verjagt innerhalb nicht mehr als drei Monaten. A u ß e r vielen anderen Schiffen bekam er neunzig mit eherner Panzerung in seinen Besitz. Die Seeräuber selbst, mehr als zwanzigtausend, hinrichten zu lassen, z o g er nicht einmal in Betracht. A b e r sie freizulassen und nichts dagegen zu tun, daß sie sich zerstreuten oder auch wieder zusammenrotteten, mittellose u n d dabei kriegsgeübte Leute, hielt er nicht für ratsam. Doch in der E r w ä g u n g , daß der Mensch seinem Wesen nach kein wildes und ungeselliges T i e r ist, sondern nur, wenn er sich seiner Natur zuwider dem Laster ergibt, entartet, durch G e w ö h n u n g und Wechsel der Lebensart aber zivilisiert wird - legen doch sogar die wilden Tiere, wenn sie sanftere N a h r u n g bekommen, ihre Wildheit und Grausamkeit ab - : in dieser E r w ä g u n g also beschloß er, die Menschen von der See aufs Land zu überführen und sie durch die G e w ö h n u n g , in festen Siedlungen zu wohnen und das Feld zu bebauen, eine friedliche Lebensart kosten z u lassen. Einige

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von ihnen nahmen die kleinen, menschenarmen Städtchen Kilikiens auf und gewährten ihnen gleiches Recht, wofür sie Land zugewiesen erhielten. Die Stadt der Solier 1 , die nicht lange vorher durch Tigranes, den König der Armenier, ihrer Einwohnerschaft beraubt worden war, richtete er wieder her und siedelte viele Seeräuber in ihr an. Den meisten wies er Dyme* in Achaia als Wohnsitz an, das damals entvölkert war und dabei viel fruchtbares Land besaß. 29. Diese Maßnahmen tadelten nur die Neider. Aber an dem, was er in Kreta Metellus' gegenüber tat, hatten auch seine besten Freunde keine Freude. Denn Metellus, ein Verwandter des Metellus, der mit Pompejus zusammen in Spanien das Kommando geführt hatte, war, noch bevor Pompejus das große Kommando erhielt, als Feldherr nach Kreta geschickt worden. Denn diese Insel war - nächst Kilikien - das zweite Brutnest der Piraterie, und Metellus brachte viele der Räuber in seine Gewalt und ließ sie hinrichten. Die noch Übriggebliebenen, nunmehr Belagerten, schickten eine Bittgesandtschaft an Pompejus und baten ihn, auf die Insel zu kommen, die ja einen Teil seines Befehlsbereiches bilde, da sie von allen Seiten, vom Meere her gerechnet, in dessen Grenzen falle. Pompejus nahm das Gesuch an, schrieb an Metellus und untersagte ihm die Fortführung des Krieges. Zugleich schrieb er an die Städte in Kreta, sie brauchten Metellus nicht mehr zu gehorchen, und entsandte als Befehlshaber einen der ihm unterstellten Offiziere, Lucius Octavius, der sich zu den Belagerten in die Festung begab, an ihrer Seite kämpfte und so Pompejus nicht nur verhaßt und lästig, sondern auch lächerlich machte, da er verworfenen und gottlosen Menschen seinen Namen lieh und ihnen sein Ansehen wie ein schützendes Amulett umhängte, nur aus Neid und Eifersucht gegen Metellus. Selbst Achilleus, so sagte man, habe nicht wie ein rechter Mann, sondern wie ein von Ruhmsucht ganz be-

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sessencr, verblendeter K n a b e gehandelt, da er die anderen zur ü c k w i n k t e u n d ihnen v e r b o t , auf H e k t o r z u schießen, « d a ß nicht ein andrer gewänne den R u h m und er habe das Nachsehn » ' ; Pompej u s aber kämpfe sogar noch für die allgemeinen Feinde u n d suche sie z u retten, nur u m einen Feldherrn nach großen überstandenen M ü h e n u m seinen T r i u m p h z u bringen. M e tellus g a b auch nicht nach, sondern eroberte das Seeräubernest, bestrafte sie, u n d den O c t a v i u s verhöhnte und beschimpfte er v o r seinen Soldaten und ließ ihn so laufen. 30. A l s die M e l d u n g nach R o m kam, d a ß der Seeräuberk r i e g z u Ende sei und daß Pompejus nichts mehr z u tun habe und die Städte bereise, da brachte einer der Volkstribunen, Manilius, den A n t r a g ein, Pompejus solle das ganze Gebiet u n d die ganze Streitmacht, die Lucullus unterstand, übernehmen, dazu noch Bithynien bekommen, w o Glabrio Statthalter w a r , u n d den K r i e g gegen die K ö n i g e Mithridates u n d T i granes führen unter Beibehaltung der Flottenmacht u n d des K o m m a n d o s z u r See unter den schon geltenden Bedingungen. Das bedeutete, daß die römische M a c h t insgesamt einem M a n ne unterstellt werden sollte 1 . Denn auch diejenigen Provinzen, die in dem bisherigen K o m m a n d o noch nicht inbegriffen gewesen waren, Phrygien, Lykaonien, Galatien, Kappadokien, Kilikien, das obere Kolchis u n d Armenien, sie wurden mitsamt den Heeren und Hilfsmitteln, m i t denen Lucullus den M i t h r i d a t e s und T i g r a n e s niedergekämpft hatte, j e t z t dem Pompejus noch zugeschlagen. D a ß damit Lucullus des Ruhmes der v o n ihm vollbrachten T a t e n beraubt w u r d e und er so vielmehr einen Nachfolger für den T r i u m p h als für den Krieg b e k a m , das bedeutete den Aristokraten nicht soviel - o b sie schon meinten, d a ß d e m M a n n e Unrecht geschähe und Undank zuteil w ü r d e - , w i e sie sich dadurch beschwert fühlten.

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daß dem Pompejus eine solche Macht, geradezu eine Alleinherrschaft, verliehen werden sollte, und sie riefen einander persönlich dazu auf und ermunterten sich, gegen den Antrag aufzutreten und die Freiheit nicht preiszugeben. Als aber der T a g der Abstimmung kam, zogen sich alle anderen aus Furcht vor dem Volke zurück und schwiegen, nur Catulus trat scharf gegen den Antrag und gegen den Volkstribunen auf, und als er niemanden überzeugte, forderte er den Senat mehrmals von der Rednertribüne herunter mit lautem Schreien auf, nach dem Beispiel der Vorfahren einen Berg oder einen Fels zu suchen, wohin er fliehen und so die Freiheit bewahren könnte'. Indes wurde der Antrag von allen Tribus, wie es heißt, zum Beschluß erhoben, und damit war Pompejus, ohne gegenwärtig zu sein, zum Gebieter fast der gesamten Machtmittel gemacht, über die Sulla verfugte, als er sich mit bewaffneter Hand der Stadt bemächtigt hatte. Als Pompejus das offizielle Schreiben bekam und von dem Beschluß Kenntnis erhielt und als die anwesenden Freunde ihn beglückwünschten, da soll er die Stirn gerunzelt, sich auf den Schenkel geschlagen und, als ob er des Befehlendürfens nachgerade überdrüssig wäre, gesagt haben: «Ach, diese unaufhörlichen Kämpfe! Besser wäre es, man wäre einer aus der unbekannten Masse, wenn man niemals aufhören soll, ins Feld zu ziehen, um diesem Neide zu entgehen und mit seiner Frau ruhig auf dem Lande zu leben!» Als er das sagte, fanden selbst seine nächsten Vertrauten diese Heuchelei unerträglich, weil sie wohl wußten, daß die ihm angeborene Ruhmbegier und Herrschsucht durch den Streit mit Lucullus noch mehr entzündet worden war und er sich darum um so mehr freute. 3 1 . Enthüllten doch auch seine Handlungen sehr bald seine wahre Gesinnung. Denn überall erließ er Edikte, berief die Soldaten und beschied die unterworfenen Dynasten und Kö-

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nige zu sich, und während er das Land durchzog, ließ er keine der von Lucullus getroffenen Anordnungen unverändert bestehen, sondern erließ vielen ihre Strafen, entzog anderen ihre Belohnungen und tat überhaupt alles aus dem eifersüchtigen Bestreben heraus, denen, die vor dem Manne noch Respekt hatten, zu zeigen, daß er nichts mehr zu sagen hatte. Als er sich darüber durch seine Freunde beschwerte, beschloß man eine persönliche Zusammenkunft, und so trafen sie einander in Galatien. Da sie beide große Feldherren waren und große Siege davongetragen hatten, so trugen die Liktoren beider, als sie einander begegneten, gleichermaßen die Rutenbündel mit Lorbeer umwunden. Aber Lucullus kam aus einer von grünen Bäumen beschatteten Landschaft, während Pompejus eine große Strecke baumlosen und ausgetrockneten Landes durchzogen hatte. Als darum die Liktoren des Lucullus die Lorbeeren des Pompejus ganz verwelkt und verdorrt sahen, gaben sie von ihren eigenen, frischen Lorbeeren ab und schmückten und umwanden seine Rutenbündel. Dies erschien den Leuten wie eine Vorbedeutung, daß Pompejus komme, um die Siegespreise und den Ruhm des Lucullus davonzutragen Lucullus war nach der Zeitfolge des Konsulats und auch an Jahren der ältere 2 , aber die Würde des Pompejus stand höher dank seiner zwei Triumphe. Doch gestalteten sie ihre erste Zusammenkunft nach Möglichkeit höflich und freundschaftlich, rühmten einer des anderen Taten und beglückwünschten sich zu ihren Erfolgen. Aber bei den eigentlichen Verhandlungen kamen sie zu keiner glimpflichen und maßvollen Übereinkunft, sondern beschimpften sich sogar, Pompejus den Lucullus wegen seiner Geldgier, dieser den Pompejus wegen seiner Herrschsucht, so daß die Freunde am Ende Mühe hatten, sie auseinanderzubringen. Hierauf verteilte Lucullus in Galatien Teile des eroberten Landes und andere Belohnungen nach seinem Gutdünken, und Pompejus, der in geringer Entfernung

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von ihm lagerte, verbot die Beachtung seiner Verordnungen und nahm ihm alle seine Soldaten weg bis auf sechzehn hundert Mann, von denen er glaubte, daß sie wegen ihrer meuterischen Gesinnung ihm selbst nichts nütze und dem Lucullus aufsässig seien. Dazu äußerte er sich höhnisch über seine Taten und sagte in aller Öffentlichkeit, Lucullus habe ja nur gegen königlichen Theaterprunk und Kulissenzauber Krieg geführt, und ihm bliebe nun der Kampf gegen eine wirkliche, durch Erfahrung zur Vernunft gebrachte Macht, da Mithridates jetzt zu Schilden, Schwertern und Streitrossen seine Zuflucht nehme. Um sich dafür zu revanchieren, sagte Lucullus, Pompejus ziehe aus, um gegen ein vorgetäuschtes Gespenst des Krieges zu kämpfen, da er ja gewohnt sei, wie ein Aasgeier auf die von anderen erlegte Beute niederzustoßen und das, was von den Kriegen noch übrig geblieben sei, zu zerfetzen. So habe er sich die Siege über Sertorius, Lepidus und Spartacus zugeschrieben, die in Wahrheit von Crassus, Metellus und Catulus erfochten worden seien. Daher wundere er sich nicht, wenn ein Mann, der es fertiggebracht habe, sich irgendwie in den Triumph über entlaufene Sklaven einzuschleichen, sich jetzt auch den Ruhm der armenischen und pontischen Kriege anzueignen versuche. 32. Hierauf reiste Lucullus ab, und Pompejus sicherte mit seiner ganzen Flotte das Meer zwischen Phoinikien und dem Bosporos' und ging selbst zum Angriff gegen Mithridates vor, der dreißigtausend Mann schweres Fußvolk und zweitausend Reiter zur Verfügung hatte, aber keine Schlacht anzunehmen wagte. Er hielt anfänglich eine feste, schwer angreifbare Höhe besetzt, gab sie aber auf, weil es ihr, wie er glaubte, an Wasser fehlte. Eben diese Höhe nahm nun Pompejus in Besitz, und da er aus der Art der dort wachsenden Pflanzen und aus den Neigungen des Geländes schloß, daß der Ort wasserhaltig sein müsse, so ließ er überall Brunnen ausheben, und alsbald war

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das Lager reichlich mit Wasser versehen, so d a ß man sich wun

derte, wie das während der ganzen Zeit dem Mithridates habe verborgen bleiben können. Danach schloß er den König ein und riegelte ihn durch Schanzwerke ab. Aber nachdem dieser fünfundvierzig Tage belagert worden war, entwich er heimlich mit dem kampfkräftigsten Teil seines Heeres, nachdem er die Unbrauchbaren und Kranken hatte töten lassen. Dann aber holte ihn Pompejus am Euphrat ein und schlug neben ihm sein Lager auf, und aus Besorgnis, daß er vor ihm den Euphrat überschritte, ließ er sein Heer um Mitternacht unter Waffen treten und führte es zum Angriff. Um diese Zeit soll Mithridates einen Traum gehabt haben, der ihm das Kommende offenbarte. Es war ihm nämlich, als schiffte er mit günstigem Wind über das Pontische Meer, bekäme schon den Bosporos in Sicht und wäre in freundlichem Gespräch mit seinen Fahrtgenossen wie einer, der sich der offenbaren, sicheren Rettung freute. Plötzlich aber wurde es ihm klar, daß er, von allen verlassen, auf einem elenden Wrackstück im Meere trieb. Während er in solchen, vom Traume vorgespiegelten Nöten war, traten die Freunde zu ihm, weckten ihn und meldeten, Pompejus sei im Anrücken. Notgedrungen mußte nun um das Lager gekämpft werden, und so führten die Offiziere das Heer heraus und ordneten es zur Schlacht. Als Pompejus diese Vorbereitungen bemerkte, trug er Bedenken, im Dunkeln den gefährlichen Kampf zu wagen, und meinte, man sollte nur einen Umgehungsmarsch machen, um den Feinden den Rückzug abzuschneiden und erst am Tage den Kampf gegen ihre überlegene Menge aufzunehmen. Aber die älteren Offiziere baten, drängten und ermunterten ihn zum sofortigen Angriff. Denn es war nicht ganz finster, sondern der im Niedergehen begriffene Mond ließ die Gegenstände noch hinreichend erkennen. Und dies täuschte die Königlichen am meisten, denn die Römer hatten im Vorgehen den Mond im Rücken, und da sein

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Licht dem Untergange nahe war, so liefen die Schatten den Körpern weit voraus und trafen so auf die Feinde, die daher die Entfernung nicht genau abschätzen konnten, sondern in dem Glauben, sie seien schon handgemein, ihre Wurfspeere wirkungslos verschossen, ohne jemand zu treffen. Als die Römer das gewahr wurden, stürmten sie mit Geschrei an und machten die Feinde nieder, die nicht mehr zu stehen wagten und sich in Bestürzung zur Flucht wandten, so daß weit über zehntausend Mann fielen und das Lager genommen wurde. Mithridates selbst sprengte im Anfang an der Spitze von achthundert Reitern die Römer auseinander und schlug sich durch, dann aber hatten sich schnell die anderen alle verlaufen, und er war mit dreien allein gelassen, unter denen sich seine Nebenfrau Hypsikrateia befand, die stets männliche Verwegenheit bewies; Hypsikrates nannte sie daher der König. Sie trug damals die Kleidung eines Persers, saß zu Pferde, versagte körperlich nicht trotz der Länge der Ritte und wurde nicht müde, den Leib des Königs und sein Roß zu versorgen, bis sie zu der Burg Sinora 1 kamen, die mit königlichen Schätzen und Kleinodien angefüllt war. Von da entnahm Mithridates kostbare Gewänder und verteilte sie an diejenigen, die sich nach der Flucht wieder um ihn gesammelt hatten. Auch gab er jedem seiner Freunde ein tödliches Gift mit auf den Weg, damit keiner wider seinen Willen in die Gewalt der Feinde fiele. Von dort beabsichtigte er, sich nach Armenien zu Tigranes zu begeben, aber da der ihn abwies und sogar hundert Talente auf seinen Kopf aussetzte, so floh er bis über die Quellen des Euphrat hinaus nach Kolchis 33. Pompejus fiel in Armenien ein, wohin der junge Tigranes ihn rief. Der war schon von seinem Vater abgefallen und vereinigte sich jetzt mit Pompejus beim Araxesflusse, der in derselben Gegend wie der Euphrat entspringt, sich aber nach Osten wendet und ins Kaspische Meer mündet J . Sie rückten

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nun beide zusammen vor und nahmen die Städte auf ihrem Wege in Besitz. Der König Tigranes, der nicht lange vorher von Lucullus schwcr geschlagen worden war und erfuhr, daß Pompejus milde und gütig von Charakter sei, nahm eine römische Besatzung in sein Schloß auf und machte sich selbst in Begleitung seiner Freunde und Verwandten auf den Weg, um sich Pompejus zu ergeben. Als er zu Pferde an das Lager kam, traten zwei Liktoren des Pompejus zu ihm und forderten ihn auf, abzusteigen und zu Fuß weiterzugehen, denn noch niemals habe man in einem römischen Lager einen Menschen zu Pferde sitzen sehen. Auch hierein fügte sich Tigranes, nahm auch sein Schwert ab und übergab es ihnen, und als er endlich zu Pompejus selbst kam, nahm er seine Königsmütze ab und schickte sich an, sie ihm zu Füßen zu legen, sich niederzulassen und - Schande über Schande - ihm zu Füßen zu werfen. Aber Pompejus kam ihm zuvor, faßte ihn bei seiner Rechten, zog ihn zu sich und ließ ihn neben sich sitzen und den Sohn auf seiner andern Seite. Dann sagte er, fiir das bisher Geschehene solle er Lucullus verantwortlich machen; denn von ihm seien ihm Syrien, Phoinikien, Kilikien, Galatien und die Sophene1 entrissen worden; was er aber bis zu seinem Kommen behalten habe, das solle er weiter behalten, wenn er den Römern sechstausend Talente als Buße für das ihnen angetane Unrecht zahle, und in der Sophene solle sein Sohn regieren. Hiermit gab Tigranes sich zufrieden, und als die Römer ihn hierauf als König begrüßten, war er hocherfreut und versprach, jedem Soldaten eine halbe Mine Silber zu geben, jedem Centurio zehn Minen und jedem Kriegstribun ein Talent. Aber der Sohn war ungehalten, und als er zur Tafel geladen wurde, sagte er, er brauche keinen Pompejus, der ihn so belohnte, er werde auch noch einen andern Römer finden. Darauf wurde er in Fesseln gelegt und für den Triumph in Haft behalten. Nach nicht langer Zeit schickte der Parther Phraates und forderte die Her-

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ausgabc des jungen Mannes, der sein Schwiegersohn sei, verlangte auch, daß Pompejus den Euphrat als Grenze der beiden Reiche anerkennen solle. Aber Pompejus antwortete, Tigranes gehöre mehr seinem Vater als seinem Schwiegervater, und als Grenze und Richtschnur werde er das Recht nehmen. 34. Hieraufließ er zur Sicherung Armeniens den Afranius 1 zurück und nahm selbst seinen Weg gegen Mithridates notgedrungen durch die Länder der an den Hängen des Kaukasos wohnenden Völker. Die größten von diesen sind die Albaner und die Iberer, von denen die letzteren gegen die Moscherberge 1 und das Schwarze Meer, die Albaner gegen Osten und das Kaspische Meer hin wohnen. Diese bewilligten zuerst dem Pompejus aufsein Ansuchen den Durchzug. Als aber der Winter das Heer in dem Lande überraschte und das römische Satürnalienfest h e r a n k a m h a t t e n sich nicht weniger als vierzigtausend von ihnen gesammelt und griffen die Römer an, nachdem sie den Kyrnosfluß 4 überschritten hatten, welcher in den iberischen Bergen entspringt, den aus Armenien herunterkommenden Araxes aufnimmt und sich mit zwölf Mündungsarmen in das Kaspische Meer ergießt. Andere sagen, der Araxes vereinige sich nicht mit dem Kyrnos, sondern habe seine eigene Mündung - allerdings nicht weit von jenem - in das besagte Meer. Obwohl Pompejus die Feinde am Überschreiten des Flusses hätte hindern können, ließ er es doch in aller Ruhe geschehen, daß sie herüberkamen, griff sie dann an, schlug sie und tötete eine große Menge von ihnen. Ihrem König, der nun Gesandte schickte und um Frieden bat, verzieh er die zugefügte Beleidigung, schloß Frieden mit ihm und zog gegen die Iberer, welche nicht geringer an Zahl, aber kriegstüchtiger waren als die Albaner und fest entschlossen, sich Mithridates gefällig zu zeigen und Pompejus zurückzuwerfen. Die Iberer hatten weder den Medern noch den Persern gehorcht und sich auch der

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Herrschaft der Makedonen entzogen, weil Alexander eilends aus Hyrkanien abgezogen war. Aber Pompejus schlug auch sie in einer großen Schlacht, in der neuntausend Mann von ihnen fielen und mehr als zehntausend gefangen wurden, und rückte dann ins Land der Kolcher ein. Am Fhasis1 traf Servilius mit ihm zusammen an der Spitze der Flotte, mit der er das Schwarze Meer sicherte. 35. Die Verfolgung des Mithridates, der sich zu den Völkern um den Bosporos und die Maiotis 1 zurückgezogen hatte, bot nunmehr große Schwierigkeiten, und dazu kam die Meldung, daß die Albaner wieder abgefallen seien. Voll Zorn und Rachbegier kehrte er um und zog gegen sie, überschritt mit Mühe und in kühnem Wagen wiederum den Kyrnos, der auf eine weite Strecke von den Barbaren durch Schanzpfähle ungangbar gemacht war, ließ, da ihn ein langer, beschwerlicher, wasserloser Weg erwartete, zehntausend Schläuche mit Wasser füllen und rückte gegen die Feinde vor. Er erreichte sie, zum Kampf gerüstet, am Abasfluß3, sechzigtausend Mann zu Fuß und zwölftausend Reiter, aber größtenteils schlecht bewaffnet und nur durch Tierfelle geschützt. Es führte sie ein Bruder des Königs namens Kosis. Dieser stürmte, als es zum Handgemenge kam, gegen Pompejus selber los und traf ihn mit seinem Wurfspieß am Panzerdeckel, Pompejus aber durchbohrte und tötete ihn durch einen Speerstoß. In dieser Schlacht sollen auch Amazonen an der Seite der Barbaren gefochten haben, die von den Bergen um den Thermodonfluß 4 heruntergekommen waren. Denn die Römer fanden, als sie nach der Schlacht die gefallenen Barbaren ausplünderten, Amazonenschilde und -halbstiefel, doch kam ihnen kein weiblicher Leichnam zu Gesicht. Sie wohnen in den Teilen des Kaukasos, die dem Kaspischen Meere zugewandt sind, grenzen aber nicht an die Albaner, sondern die Gelen und Legen wohnen dazwischen Mit diesen kommen' sie alljährlich zwei Monate lang

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am Thcrmodonfluß zusammen und verkehren mit ihnen, dann trennen sie sich wieder und leben für sich. 36. Nach der Schlacht gedachte Pompejus zum Kaspischen Meer vorzudringen, machte aber wegen der Menge von Giftschlangen, die er antraf, kehrt, als er noch drei Tagesmärsche von ihm entfernt war, und trat den Rückmarsch nach Kleinarmenien an. Dem König der Elymaier und M e d e r d e r Gesandte zu ihm schickte, antwortete er freundlich; den Parther, der in Gordyene eingefallen war und die Untertanen des Tigranes ausplünderte, ließ er durch ein Heer, das er unter Afranius gegen ihn aussandte, verjagen und bis in die Gegend von Arbela'verfolgen. Von den Nebenfrauen des Mithridates, die gefangen zu ihm geführt wurden, berührte er keine, sondern sandte sie alle zu ihren Eltern und Verwandten zurück; sie waren nämlich meistenteils Töchter und Frauen hoher Offiziere und Würdenträger. Doch Stratonike, die das größte Ansehen bei dem König und das reichste Schloß in ihrer Obhut hatte, war, wie es heißt, die Tochter eines alten, nicht sehr begüterten Harfenspielers, und so sehr hatte sie sofort, als sie beim Gastmahl die Harfe spielte, Mithridates bezaubert, daß er gleich mit ihr zu Bett ging und den Alten wegschickte, der sich sehr gekränkt fühlte, weil er nicht einmal eines freundlichen Wortes gewürdigt wurde. Als er aber dann am Morgen erwachte und drinnen bei sich Tische voll silberner und goldener Trinkgefäße sah, einen großen Schwärm von Bedienten, Eunuchen und Knaben, die ihm kostbare Gewänder brachten, dazu ein prächtig aufgezäumtes Roß vor der T ü r stand, wie es sonst nur die Freunde des Königs hatten, da glaubte er erst, das Ganze sei nur Scherz und Spott, und wollte durch die Tür davonlaufen. Als aber die Diener ihn festhielten und ihm versicherten, der König habe ihm das große Haus eines kürzlich verstorbenen reichen Mannes geschenkt und dies seien nur die ersten kleinen Kostproben

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der sonstigen Güter und Schätze, da glaubte er endlich, legte das Purpurgewand an, schwang sich aufs Roß, ritt durch die Stadt und schrie dazu: « Das ist alles mein!» Und zu den Leuten, die ihn auslachten, sagte er, sie sollten sich nicht darüber wundern, sondern daß er nicht nach allen, die ihm begegneten, mit Steinen würfe, denn er sei rein närrisch vor Freude. Aus «solchem Geschlecht und solchem Blut» 1 war Stratonike. Sie übergab Pompejus dieses Schloß und brachte dazu noch viele Geschenke. Davon nahm er nur dasjenige, was ihm als Schmuck fiir Heiligtümer und zur glänzenden Ausstattung des Triumphes geeignet schien, und hieß Stratonike das übrige ruhig behalten. Gleichermaßen übergab er, als der König der Iberer ihm ein Ruhebett, einen Tisch und einen Thronsessel, alles aus purem Golde, schickte und anzunehmen bat, auch diese Sachen den Quaestoren für den Staatsschatz. 37. In der Neuen Burg 1 fand Pompejus auch das Geheimarchiv des Mithridates und las es nicht ohne Interesse durch, da es vieles enthielt, was über den Charakter des Königs Aufschluß gab. Denn es waren Aufzeichnungen, aus denen hervorging, daß er außer vielen anderen auch seinen Sohn Ariarathes hatte vergiften lassen und ebenso den Sardier Alkaios, weil er ihm mit seinen Rennpferden den Rang abgelaufen hatte. Ferner waren auch Deutungen von Träumen aufgezeichnet, die er teils selbst gehabt hatte, teils einige seiner Frauen, dazu unanständige Briefe der Monime an ihn und von ihm an sie1. Theophanes behauptet, es sei auch eine Schrift des Rutilius gefunden worden, in der er den König aufgefordert habe, die Römer in Asien ermorden zu lassen. Aber die meisten halten dies mit Recht für eine boshafte Erfindung des Theophanes, der wohl den Rutilius als einen Mann, der ihm gar nicht glich, haßte, wahrscheinlich auch wegen Pompejus, dessen Vater Rutilius in seiner Geschichte als einen üblen Gesellen dargestellt hatte 4 .

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38. Von dort begab sich Pompejus nach Amisos 1 und ließ sich hier durch seinen Ehrgeiz zu etwas verleiten, was ihm sehr verdacht wurde. Denn nachdem er vorher den Lucullus heftig gescholten hatte, weil er, während der Feind noch lebte, neue Ordnungen schuf, Geschenke und Belohnungen verteilte, was alles sonst erst die Sieger nach durchgekämpftem und beendigtem Kriege zu tun pflegen, das tat er nun ebenfalls, während Mithridates noch am Bosporos herrschte und eine beträchtliche Streitmacht angesammelt hatte, als ob schon alles vollbracht wäre, richtete die Provinzen ein und verteilte Belohnungen, da viele Fürsten und Machthaber und auch zwölf Barbarenkönige zu ihm gekommen waren. Daher würdigte er auch den Parther in einem Antwortschreiben nicht der sonst gebräuchlichen Anrede «König der Könige», um sich den anderen Königen gefällig zu erweisen. Jetzt faßte ihn ein heftiges Verlangen, Syrien wiederzugewinnen und durch Arabien zum Roten Meer vorzudringen, um den die bewohnte Erde umschließenden Ozean in jeder Richtung als Sieger zu erreichen. Denn in Afrika war er als erster siegreich bis zum äußeren Meer vorgedrungen, hatte dann wieder in Spanien die Herrschaft der Römer bis zum Atlantischen Meer ausgedehnt und war soeben, drittens, auf der Verfolgung der Albaner beinahe bis zum Kaspischen Meer gekommen. So brach er jetzt auf, um den Kreislauf seiner Feldzüge mit dem Roten Meer zu beschließen. Er hatte nämlich auch erkannt, daß Mithridates mit den Waffen schwer zu erjagen und ein gefährlicherer Feind war, wenn er floh, als wenn er kämpfte. (39.) Daher sagte er, er wolle ihm einen furchtbareren Gegner zurücklassen, als er selber sei: den Hunger, und errichtete eine Flottensperre gegen alle Kaufleute, die nach dem Bosporos fahren wollten, und als Strafe wurde für alle, die abgefangen würden, der Tod gesetzt. Nunmehr trat er mit der Hauptmasse seines Heeres den

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Marsch an. Als er die Leichen der Männer, die unter Triarius unglücklich gegen Mithridates gekämpft hatten und gefallen w a r e n n o c h unbeerdigt antraf, ließ er sie alle prunkvoll und mit allen Ehren bestatten; daß Lucullus dies unterlassen hatte, hatte ihm nicht zum wenigsten Haß eingetragen. Durch Afranius ließ er die Araber im Amanosgebirge 1 niederkämpfen, stieg selbst nach Syrien hinab und machte dieses Land mit der Begründung, daß es keine rechtmäßigen Herrscher habe, zur Provinz und zum Eigentum des römischen Volkes, unterwarf Judäa und nahm den König Aristobulos gefangen 3 . Städte gründete er teils, teils befreite er sie, indem er ihre Tyrannen bestrafte. Die längste Zeit beschäftigte er sich mit der Rechtsprechung. Er schlichtete die Streitigkeiten von Städten und Königen, und wo er selbst nicht hinkommen konnte, schickte er seine Freunde. So sandte er den Armeniern und Parthern, die ihm die Entscheidung über ein strittiges Land übertrugen, drei Vermittler und Schiedsrichter. Denn groß war der Ruf seiner Macht, nicht kleiner aber der seiner Gerechtigkeit und Milde. Damit deckte er auch die meisten Verfehlungen seiner Freunde und Vertrauten; ihre Schlechtigkeiten zu verhindern oder zu bestrafen, war er nicht der Mann, aber sich selbst betrug er gegen alle, mit denen er zu tun hatte, so, daß sie auch die Habsucht und Härte jeneranderen sich gutwillig gefallen ließen. 40. Derjenige, der den größten Einfluß bei ihm hatte, war der Freigelassene Demetrios, ein sonst nicht unverständiger junger Mann, der aber mit seinem Glück doch einigen Mißbrauch trieb. Von ihm wird auch folgende Geschichte erzählt 4 . Der Philosoph Cato, der noch jung war, aber schon ein hohes Ansehen genoß und ein starkes Selbstgefühl besaß, kam nach Antiocheia gereist - als Pompejus gerade nicht dort war - in der Absicht, die Stadt kennenzulernen. Er ging selbst, wie immer, zu Fuß, und seine Freunde begleiteten ihn zu Pferde. Als er da vor dem T o r eine Masse von Menschen in weißen Ge-

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wändern sah und längs des Weges rechts und links die Jünglinge und die Knaben aufgestellt, war er unwillig in dem Glauben, es sei dies eine Veranstaltung, um ihn zu ehren und zu hofieren, der gar keinen Wert darauflegte. Doch veranlaßte er seine Freunde, abzusteigen und mit ihm zu Fuß zu gehen. Als sie näher kamen, trat der Mann, der alles zu leiten und zu ordnen hatte und daher einen Kranz und einen Stab trug, zu ihnen und erkundigte sich, wo sie den Demetrios gelassen hätten und wann er kommen würde. Die Freunde Catos brachen darüber in ein Gelächter aus; Cato sagte nur: «Unglückliche Stadt!» und ging weiter, ohne sonst etwas zu antworten. Indessen sorgte Pompejus dafür, daß dieser Demetrios den anderen nicht gar so verhaßt wurde, indem er sich selbst ungebührlich von ihm behandeln ließ, ohne es übelzunehmen. So heißt es, daß des öfteren bei Empfangen, wenn Pompejus noch die anderen Gäste erwartete und empfing, Demetrios schon hoffärtig bei Tische lag und sich das Gewand vom Kopf über die Ohren gezogen hatte. Ehe er noch nach Italien zurückgekehrt war, besaß er schon die reizendsten Landhäuser und die schönsten Erholungsorte vor der Stadt, und herrliche Gartenanlagen waren nach Demetrios benannt. Pompejus hingegen wohnte bis zu seinem dritten Triumph einfach und bescheiden, und erst, als er später das schöne, hochberühmte Theater errichten ließ, baute er sich gleichsam als Zugabe ein stattlicheres Haus als das alte, doch auch dieses so, daß es nicht geeignet war, Neid zu erwecken, so daß der spätere Eigentümer des Hauses, als er hineinkam, staunte und fragte, wo Pompejus Magnus gespeist habe. So wird das erzählt. 41. Als der König der um Petra 1 wohnenden Araber, der sich bisher gar nicht um die Römer bekümmert hatte, nunmehr große Angst bekam und schrieb, er sei bereit, alles zu tun und sich in alles zu fugen, wollte Pompejus ihn in dieser Gesinnung bestärken und unternahm einen Feldzug gegen Petra, der von

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den meisten stark mißbilligt wurde. Denn man sah darin ein Ausweichen vor der Verfolgung des Mithridates und hielt es fiir richtig, daß er sich lieber gegen den alten Feind wendete, der wieder zu Kräften kam und, wie gemeldet wurde, sich rüstete, durch die Länder der Skythen und Paionen1 ein Heer gegen Italien zu fuhren. Aber Pompejus meinte, er werde leichter seine Macht im offenen Kriege brechen als sich seiner Person, wenn er flüchtete, bemächtigen können, und wollte sich darum nicht nutzlos mit der Verfolgung aufhalten, sondern legte andere Unternehmungen in den Krieg ein und zögerte die Zeit hin. Da brachte das Glück eine Lösung der Schwierigkeit. Denn als er nicht mehr weit von Petra entfernt war und schon fiir diesen Tag das feste Lager hatte aufschlagen lassen und vor dem Lager noch seine Reitübungen hielt, da kamen Boten von Pontos herangeritten, die frohe Botschaft brachten; sie sind als solche sofort an den Spitzen ihrer Lanzen kenntlich, die sie mit Lorbeer umwinden. Sobald die Soldaten sie erblickten, kamen sie zu Pompejus zusammengelaufen. Er wollte erst seine Übungen beenden, aber da sie schrien und baten, sprang er vom Pferde, nahm das Schreiben und trat vor. Da keine Rednerbühne da und man noch nicht dazu gekommen war, die übliche Lagerbühne zu errichten - die machen sie so, daß sie tiefe Rasenstücke ausstechen und übereinandersetzen-, so trugen sie diesmal in ihrem geschäftigen Eifer die Packsättel der Lasttiere zusammen und türmten sie übereinander. Dahinaufstieg Pompejus und verkündete ihnen, Mithridates sei tot, und zwar habe er sich, nachdem sich sein Sohn Pharnakes gegen ihn empört hätte, selbst das Leben genommen; sein ganzer Besitz sei auf Pharnakes übergegangen, und dieser schreibe, daß er sich ihm, Pompejus, und dem römischen Volke unterwerfe. 42. Natürlich herrschte nun große Freude im Heer, und es veranstaltete Opfer und Schmäuse in der Überzeugung, daß

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mit der Person des Mithridates zehntausend Feinde zu Tode gekommen seien. Pompejus, der hiermit seinen Taten und Feldzügen die Krone aufgesetzt hatte, leichter und schneller, als er erwartet hatte, trat sogleich den Rückmarsch aus Arabien an, durchzog in Eile die dazwischenliegenden Provinzen, kam nach Amisos und fand dort viele Geschenke vor, die von Pharnakes geschickt worden waren, dazu viele Personen der königlichen Familie und den Leichnam des Mithridates selbst. Sein Gesicht war nicht mehr recht kenntlich, denn die Leute, die ihn zu mumifizieren hatten, hatten es unterlassen, das Gehirn herauszunehmen; aber an den Narben erkannten ihn diejenigen, die nach diesem Anblick Verlangen trugen. Pompejus selbst lehnte es ab, ihn anzusehen, aus Scheu vor göttlicher Vergeltung, und ließ ihn nach Sinope bringen. Aber die Größe und die Pracht der Kleider und der Waffen, die er getragen hatte, bestaunte er. Dabei hatte das Wehrgehenk, das einen Wert von vierhundert Talenten darstellte, ein gewisser Publius gestohlen und an Ariarathes verkauft, und die Königsmütze hatte Gajus, der mit Mithridates aufgezogen worden war, heimlich auf seine Bitte dem Faustus, Sullas S o h n e g e geben, ein Werk von herrlicher Arbeit. Davon erfuhr Pompejus damals nichts; aber Pharnakes entdeckte es später und bestrafte die Diebe. Erst nachdem er dort alles geregelt und in eine feste Ordnung gebracht hatte, vollzog er seinen Rückmarsch in gelösterer, festlicherer Form. Als er nach Mitylene kam, gab er der Stadt die Freiheit Theophanes zuliebe und wohnte dem herkömmlichen Wettstreit der Dichter bei, der diesmal nur ein Thema hatte: seine Taten. Das Theater gefiel ihm so gut, daß er seine Ansicht und seinen Grundriß aufnehmen ließ, um ein ähnliches in Rom bauen zu lassen, aber größer und prunkvoller. Als er in Rhodos weilte, hörte er alle Redekünstler und schenkte einem jeden ein Talent. Poseidonios hat auch die Vor-

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lesung aufgezeichnet, die er vor Pompejus gegen den Rhetor Hermagoras 1 gehalten und in der er in der Frage der Abgrenzung von Philosophie und Rhetorik gegen ihn polemisiert hat. In Athen verhielt sich Pompejus gegen die Philosophen in gleicher Weise, schenkte der Stadt zum Wiederaufbau fünfzig Talente und hoffte nun, ruhmgekrönt wie kein anderer Mensch Italien wieder zu betreten und den Seinen ebenso ersehnt zu erscheinen, wie er sich nach ihnen sehnte. Aber jene Macht, die darauf bedacht ist, den großen glänzenden Gaben des Glückes immer einen Teil Böses beizumischen, hatte längst schon darauf gelauert, ihm eine schmerzliche Heimkehr zu bereiten. Denn Mucia hatte während seiner Abwesenheit ein sittenloses Leben geführt. Solange er fern war, hatte sich Pompejus um dieses Gerücht nicht bekümmert. Als er sich aber Italien näherte und Zeit hatte, sich genauer mit der Sache zu befassen, schickte er ihr den Scheidebrief, ohne weder damals noch später deutlich zu sagen, aus welchen Gründen er sie verstieß. Aber in den Briefen Ciceros ist die Ursache aufgezeichnet 1 . 43. Nach Rom eilten dem Pompejus mannigfache Gerüchte voran, und es herrschte große Aufregung, weil man annahm, er werde das Heer sofort gegen die Stadt fuhren und es werde eine festgegründete Alleinherrschaft geben. Crassus verließ unter Mitnahme seiner Kinder und seines Vermögens heimlich Rom, sei es, daß er wirklich Furcht hatte, oder sei es, daß er und so schien es - den Verdächtigungen Glauben verschaffen und den Neid gegen Pompejus schüren wollte. Dieser berief daher, sowie er Italien betreten hatte, seine Soldaten zu einer Versammlung, sprach ihnen den gebührenden Dank aus und befahl ihnen auseinanderzugehen, jeder in seine Stadt, und sich ihren häuslichen Angelegenheiten zuzuwenden, aber eingedenk zu sein, daß sie sich zum Triumph wieder bei ihm zusammenzufinden hätten. Nachdem das Heer so aufgelöst war

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und die Kunde davon sich überall verbreitete, begab sich etwas Erstaunliches. Wie nämlich die Städte den Pompejus Magnus unbewaffnet und in Begleitung weniger Freunde wie von irgendeiner Reise durchkommen sahen, da strömten die Leute vor lauter Zuneigung hervor, geleiteten ihn und brachten ihn mit einer weit größeren Macht nach Rom, so daß er, wenn er damals die Absicht gehabt hätte, die Verfassung zu stürzen, jenes Heer gar nicht gebraucht hätte. 44. Da nun der Brauch nicht gestattete, daß ein Feldherr vor dem Triumph die Stadt betrat, so richtete er an den Senat das Ersuchen, die Konsulwahlen zu verschieben und ihm diese Gefälligkeit zu erweisen, damit er persönlich Piso bei der Bewerbung unterstützen k ö n n e D a jedoch Cato sich gegen dieses Ersuchen aussprach, kam ein entsprechender Senatsbeschluß nicht zustande. Voll Bewunderung für den Freimut und die Energie, mit der er allein offen für die Gerechtigkeit eintrat, suchte er nun den Mann auf irgendeine Weise zu gewinnen, und da Cato zwei Nichten hatte, bewarb er sich um die eine für sich und um die andere fiir seinen Sohn. Cato argwöhnte hinter dem Angebot einen Versuch, ihn gleichsam durch eine Verschwägerung zu bestechen; seine Schwester aber und seine Frau waren sehr verstimmt, daß er eine verwandtschaftliche Verbindung mit Pompejus Magnus ablehnen wollte. Indessen ließ Pompejus, um Afranius zum Konsulat zu verhelfen, Geld für ihn an die Centurien verteilen, und zwar kamen die Leute in die Gärten des Pompejus und nahmen es dort in Empfang, so daß es ein großes Geschrei über die Sache gab und Pompejus in üblen Ruf kam, daß er die höchste Würde, die ihm zum Lohn für seine Verdienste zuteil geworden war, für diejenigen käuflich machte, die nicht imstande wären, sie sich durch eigene Leistung zu erwerben. « Diese Schande», sagte jetzt Cato zu den Frauen,« würde mit auf uns fallen, wenn wir uns mit Pompejus verschwägerten.» Als sie das hör-

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ten, sahen sie ein, daß er ein besseres Urteil als sie darüber hatte, was sich schickte. 45. Für den ganzen Umfang des Triumphesobwohl er auf zwei Tage verteilt wurde, reichte die Zeit nicht aus, sondern es mußte vieles von dem für die Schau Vorbereiteten wegfallen, was als Schmuck und Zierde für noch einen Triumph genügt hätte. Auf vorangetragenen Tafeln waren die Länder und Völker verzeichnet, über die er triumphierte. Es waren die folgenden: Pontos, Armenien, Paphlagonien, Kappadokien, Medien, Kolchis, die Iberer, die Albaner, Syrien, Kilikien, Mesopotamien, Phoinikien und Palästina, Judäa, Arabien und die Gesamtheit der Seeräuber, die er zu Wasser und zu Lande niedergekämpft hatte. In diesen Ländern waren nicht weniger als tausend feste Burgen und nicht viel weniger als neunhundert Städte erobert worden, die Zahl der genommenen Seeräuberschiffe betrug achthundert, die der neu angelegten Städte neununddreißig. Außerdem gab er auf den einhergetragenen Tafeln bekannt, daß die bisherigen Zolleinnahmen 50 Millionen Denare betragen hätten, daß aber aus den von ihm für die Stadt eroberten Ländern 85 Millionen einkämen, daß endlich in den Staatsschatz an gemünztem Gelde und an silbernem und goldenem Gerät zwanzigtausend Talente eingeliefert würden, nicht gerechnet die Summen, die an die Soldaten gegeben worden seien, von welchen der verhältnismäßig am wenigsten Bekommende tausendfünfhundert Drachmen erhalten habe. Als Gefangene wurden im Triumphzuge einhergeführt außer den Führern der Seeräuber der Sohn des Armeniers Tigranes mit Frau und Tochter, eine Frau des Königs Tigranes selbst namens Zosime, Aristobulos, der König der Juden, eine Schwester des Mithridates, fünf Kinder von ihm und skythische Frauen, Geiseln der Albaner, der Iberer und des Königs von Kommagene 2 , dazu zahlreiche Siegeszeichen, nämlich entsprechend der Zahl der Schlachten, die er selbst oder durch seine Gene-

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ralc gewonnen hatte. Den höchsten Gipfel des Ruhmes aber, den noch niemals ein Römer erreicht hatte, bezeichnete es, daß er seinen dritten Triumph über den dritten Erdteil feierte. Denn Männer, die dreimal triumphierten, hatte es schon andere vor ihm gegeben. Er aber, der den ersten Triumph über Afrika, den zweiten über Europa und nun diesen letzten über Asien einherführte, schien mit seinen drei Triumphen gewissermaßen die ganze bewohnte Erde unter sein Joch gezwungen zu haben. 46. Dem Lebensalter nach war er damals, wie diejenigen, die ihn in allem Alexander zur Seite stellen und anähneln wollen, behaupten, jünger als vierunddreißig Jahre, in Wahrheit aber näherte er sich den vierzig'. Ein Glück wäre es für ihn gewesen, wenn er damals sein Leben geendet hätte, solange ihm noch Alexanders Glück treu war. Die folgende Zeit brachte ihm nur noch Glück, das ihm Neid eintrug, und Unglück, für das es keine Heilung gab. Denn die Macht, die er sich selbst durch rechtmäßige Mittel im Staate erworben hatte, brauchte er jetzt für andere auf ungerechte Weise; was er damit jenen an Macht zuschanzte, das büßte er am eigenen Ruhme ein und verlor so, ohne es selbst zu bemerken, durch die Stärke und Größe seiner Macht den Boden unter den Füßen. Und wie die stärksten Teile und Bollwerke der Städte, wenn sie in die Hände von Feinden gefallen sind, diesen ihre Kraft zugute kommen lassen, so brachte Caesar, durch Pompejus' Macht gegen die Stadt emporgehoben, den Mann zu Fall, durch den er stärker geworden war als die anderen, und warfihn zu Boden. Das geschah auf folgende Weise. Als Lucullus, von Pompejus schmählich behandelt, aus Asien zurückkam, bereitete ihm der Senat sofort einen glänzenden Empfang und drängte ihn, als Pompejus zurückgekehrt war, noch mehr zu politischer Tätigkeit, um dessen Ruhm zu beschneiden. Lucullus war im übrigen schon stumpf, seine T a t -

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kraft war erkaltet, und er hatte sich den Freuden der Muße und dem Genuß seines Reichtums hingegeben; gegen Pompejus aber fuhr er sofort los, faßte ihn kräftig, gewann die Oberhand über ihn hinsichtlich seiner Anordnungen, die Pompejus aufgehoben hatte, und hatte überhaupt im Senat mit dem Beistand des Cato das Übergewicht. Da Pompejus so unterlag und ins Gedränge kam, sah er sich genötigt, zu Volkstribunen seine Zuflucht zu nehmen und sich an junge Leute zu hängen. Der schamloseste und frechste von diesen, Clodius, nahm sich seiner an und brachte ihn in die Abhängigkeit des Volkes, schleppte ihn, seiner Würde zuwider, Uberall auf dem Markt herum und benützte ihn, um alles das, was er, um dem Volke zu schmeicheln und sich bei ihm beliebt zu machen^ vor•Schlug und beantragte, durchzusetzen; und als ob er ihn nicht geschändet, sondern sich um ihn verdient gemacht hätte, forderte und erhielt er später von Pompejus den Lohn, daß er Cicero preisgab, seinen Freund, der ihm die größten politischen Dienste geleistet hatte. Denn als Cicero in Gefahr war und Pompejus um Hilfe bat, ließ er sich nicht einmal von ihm sehen, sondern vor den Kommenden die Haustür schließen und machte sich durch eine andere Tür davon. Darauf entwich Cicero aus Angst vor dem Prozeß aus Rom. 47. Damals unternahm Caesar, von seiner Praetur zurückgekehrt, einen politischen Schritt, der ihm im Augenblick größte Anerkennung und späterhin Macht einbrachte, Pompejus und dem Staat aber den größten Schaden tat. Er bewarb sich nämlich um das erste Konsulat, und da er sah, daß Crassus und Pompejus miteinander verfeindet waren und daß er, wenn er sich dem einen anschlösse, den andern zum Feinde haben würde, so machte er sich daran, die beiden miteinander zu versöhnen, eine zwar an sich löbliche und staatskluge Handlung, aber in böser Absicht und mit List und Verschlagenheit von ihm unternommen. Denn die Kraft, die - wie in einem Schiffe-

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bei glcichmäßigcr Verteilung die Schwankungen des Staates ausglich, bewirkte, an einem Punkt vereinigt und zu eins geworden, den unwiderstehlichen Ausschlag nach einer Seite, der alles überwältigte und zu Boden schlug. Cato wenigstens erklärte, diejenigen, welche meinten, daß durch den später ausgebrochenen Streit zwischen Caesar und Pompejus der Staat umgestürzt worden sei, irrten sich sehr, da sie die Schuld in dem zuletzt Geschehenen suchten; denn nicht ihr Streit und ihre Feindschaft, sondern ihre Verbindung und ihre Eintracht sei das erste und größte Übel für den Staat gewesen. Caesar wurde nämlich zum Konsul g e w ä h l t S o f o r t beantragte er, um die unbemittelten, armen Leute zu gewinnen, Gründung neuer Städte und Verteilung von Ländereien, womit er die Grenzen der Würde seines Amtes überschritt und gewissermaßen das Konsulat zum Volkstribunat machte. Da sein Kollege Bibulus sich widersetzte und Cato gerüstet war, mit aller Kraft Bibulus beizustehen, führte Caesar den Pompejus auf der Rednerbühne vor, so daß alle ihn sahen, redete ihn an und fragte, ob er die Anträge gutheiße. Als er das bejahte, fuhr er fort: «Wenn nun jemand die Annahme der Anträge gewaltsam zu hindern sucht, wirst du dann dem Volke zu Hilfe kommen?» «Gewiß» erwiderte Pompejus; «ich werde kommen und denen, die mit dem Schwert drohen, außer dem Schwert auch noch den Schild entgegensetzen.» Etwas Plumperes als dies schien Pompejus bis zu jenem Tage weder gesagt noch getan zu haben, so daß auch seine Freunde ihn zu entschuldigen suchten und sagten, das Wort sei ihm eben nur zur Unzeit entfahren. Allein aus dem, was hernach geschah, wurde deutlich, daß er sich schon ganz und gar Caesar verschrieben hatte. Denn mit Julia, der Tochter Caesars, die mit Caepio verlobt war und ihn in wenigen Tagen heiraten sollte, vermählte sich zur allgemeinen Überraschung Pompejus und verlobte seine eigene Tochter mit Caepio, um seinen Groll zu

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beschwichtigen, obschon sie bereits mit Faustus, dem Sohne Sullas, verlobt war. Caesar selbst heiratete Calpurnia, die Tochter Pisos 48. Hierauf erfüllte Pompejus die Stadt mit seinen Soldaten und machte sich gewaltsam zum Herrn der Situation. Den Konsul Bibulus, der mit Lucullus und Cato zum Markte kommen wollte, überfielen sie plötzlich und zerbrachen seine Rutenbündel, dem Bibulus selbst schüttete einer einen Korb Mist über defi Kopf, und zwei Volkstribunen aus ihrer Begleitung wurden verwundet. Nachdem sie so den Markt von allen Widersachern leergefegt hatten, brachten sie den Antrag über die Verteilung der Ländereien zur Annahme. Dadurch geködert, war das Volk nunmehr zu allem, was sie unternahmen, bereit und willfährig geworden und verhalf, ohne Einwendungen zu erheben, allen ihren Anträgen schweigend zur Beschlußkraft. Es wurden also dem Pompejus die Verordnungen bestätigt, um die er mit Lucullus gestritten hatte; ferner daß Caesar das Gallien diesseits der Alpen, das jenseits der Alpen und Illyrien auf fünfJahre nebst vier vollen Legionen erhalten sollte und daß Caesars Schwiegervater Piso und Gabinius, einer der überschwenglichsten Schmeichler des Pompejus, fiir das nächste Jahr Konsuln sein sollten. Während dies betrieben wurde, schloß Bibulus sich in sein Haus ein und kam während der acht Monate, die er noch Konsul war, nicht hervor, sondern gab nur Erlasse heraus, die von Schmähungen und Anklagen gegen beide, Caesar und Pompejus, angefüllt waren, und Cato sagte, wie inspiriert und von prophetischem Geist ergriffen, im Senat dem Staate und Pompejus die Zukunft voraus, während Lucullus es ganz aufgab und sich ruhig verhielt mit der Begründung, er sei nicht mehr in den Jahren für die Politik; wozu Pompejus die Bemerkung machte, fiir einen Greis sei das Schwelgen noch weniger seinen Jahren gemäß als die Politik. Sehr bald aber wurde er ebenfalls schlapp aus Liebe

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zu seiner jungen Frau, widmete sich ihr zumeist, lebte mit ihr auf seinen Gütern und in seinen Parks und kümmerte sich nicht um das, was auf dem Markte vorging, so daß Clodius, der damals Volkstribun w a r i h n zu verachten begann und sich an die dreistesten Unternehmungen heranmachte. Denn nachdem er Cicero aus der Stadt gejagt, Cato unter dem Vorwand einer Statthalterschaft nach Cypern abgeschoben hatte, Caesar nach Gallien abgegangen war und er bemerkte, daß das Volk nur auf ihn schaute, da er in allen Dingen ihm zu Gefällen handelte, ging er sofort daran, einige der Anordnungen des Pompejus aufzuheben, entführte den gefangenen Tigranes und hielt ihn in seinem Hause und erhob Anklagen gegen Freunde des Pompejus, um an ihnen die Probe zu machen, wie groß seine Macht wäre. Und als Pompejus schließlich zu einer Gerichtsverhandlung kam, erschien er, begleitet von einem Haufen frechen und liederlichen Volkes, trat an einen hochgelegenen Ort und legte ihnen Fragen folgender Art vor: «Wer ist ein zügelloser Tyrann?» «Welcher Mann sucht den Mann?» «Wer kratzt sich mit einem Finger am Kopfe?» Und die Leute gaben, wie ein auf den Wechselgesang einstudierter Chor, wenn Clodius seine Toga ausbreitete, auf jede Frage mit lautem Schreien die Antwort: « Pompejus!» 49. Dies schon ärgerte den Pompejus, der nicht gewöhnt war, beschimpft zu werden, und in dieser Art Kampf ganz unerfahren; noch mehr aber fühlte er sich gekränkt, da er bemerken mußte, daß der Senat seine Freude daran hatte, daß er verhöhnt wurde und für den Verrat an Cicero büßte. Als es aber auf dem Markt zu Schlägereien bis zu Verwundungen kam und ein Sklave des Clodius, der sich in der Masse durch die Umstehenden an Pompejus heranzudrängen suchte, im Besitz eines Schwertes betroffen wurde, nahm er dies zum Vorwand, da er übrigens wirklich Furcht vor der Frechheit und den Lästerreden des Clodius hatte, um nicht mehr auf den Markt zu

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kommen, solange dessen Amtszeit dauerte, sondern er liicli sich dauernd im Hause und beratschlagte mit seinen Freunden, wie er den Zorn des Senates und der Vornehmen gegen sich beschwichtigen könnte. Den Rat C u l l e o s s i c h von Julia zu scheiden und aus der Freundschaft mit Caesar zum Senat überzutreten, nahm er nicht an, ließ sich aber von denjenigen überzeugen, die dafür waren, daß er den Cicero zurückführe, der der bitterste Feind des Clodius und der beliebteste Mann im Senate war. So geleitete er Ciceros Bruder auf dessen Ersuchen mit einer starken Schar auf den Markt, und nachdem es dort viele Verwundete und auch einige Tote gegeben hatte, behielt er über Clodius die Oberhand. Nach gefaßtem Beschluß kam Cicero zurück 1 , stellte sofort das gute Einvernehmen zwischen dem Senat und Pompejus wieder her, und indem er sich für den Antrag zur Behebung des Getreidemangels einsetzte, machte er Pompejus gewissermaßen wieder zum Herrn aller Länder und Meere, die die Römer beherrschten. Denn seinem Kommando wurden nun die Häfen, Handelsplätze, Lebensmittelmärkte, mit einem Wort, alles, worüber Seefahrer und Ackersleute verfügten, unterstellt. Clodius allerdings erhob den Vorwurf, der Antrag sei nicht wegen des Getreidemangels gestellt worden, sondern damit der Antrag gestellt werden könne, habe man den Getreidemangel veranstaltet zu dem Z w e c k , daß Pompejus sein dahinschwindendes Ansehen durch ein neues Kommando wie aus einer Ohnmacht erwecke und neu belebe. Andere erklären dies für einen Kunstgriff des Konsuls Spinther, der den Pompejus in ein größeres Kommando eingespannt habe, damit er selbst als Helfer für den König Ptolemaios ausgesandt w e r d e ' . Indes stellte der Volkstribun Caninius* den Antrag, Pompejus solle ohne ein Heer, nur von zwei Liktoren begleitet, die Versöhnung zwischen den Alexandrinern und dem König vermitteln. Pompejus war, so schien es, mit diesem Antrag nicht unzufrieden,

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aber der Senat leimte ihn ab unter dem schön klingenden Vorwand, er sei um den Mann besorgt. Doch waren auf dem Markt und beim Rathaus verstreut Zettel zu finden des Inhalts, Ptolemaios habe den Wunsch, daß ihm Pompejus statt Spinther als Feldherr gegeben werde. Timagenes' sagt übrigens, Ptolemaios sei ohne Ursache und dringende Not davongegangen und habe Ägypten verlassen auf Anraten des Theophanes, der für Pompejus eine Gelegenheit zu neuer Bereicherung und einem neuen Feldzug schaffen wollte. Aber das macht die Schlechtigkeit des Theophanes nicht so glaubhaft, wie es vielmehr der Charakter des Pompejus unglaubhaft macht, der zwar ehrgeizig, aber nicht so arglistig und unedel war. 50. Nachdem ihm also die Aufsicht über die Beschaffung und Verwaltung des Getreides übertragen worden war, entsandte er seine Legaten und Freunde nach vielen Richtungen, fuhr selbst nach Sizilien, Sardinien und Afrika und brachte Getreide zusammen. Als er abfahren wollte, blies ein heftiger Sturm auf dem Meer, und die Steuerleute waren bedenklich. Da stieg er als erster ein, befahl den Anker zu lichten und rief: «Abfahren ist not! Leben ist nicht n o t 1 ! » Solchen Wagemut und Eifer bewies er, hatte auch Glück dabei und füllte so die Märkte mit Getreide und das Meer mit Schiffen, so daß die durch solche Vorsorge beschafften reichlichen Vorräte auch den Leuten außerhalb Italiens zugute kamen und wie aus einer Quelle ein reicher Strom sich über alle ergoß. 51. Während dieser Zeit hoben die Gallischen Kriege Caesar hoch empor, und während er dem Anschein nach sehr weit von Rom entfernt war und mit Belgiern, Sueben und Britanniern im Kampfe lag, wußte er dank seiner überlegenen Klugheit unvermerkt inmitten des Volkes und der bedeutendsten Geschäfte Pompejus zu überspielen. Von seiner Kriegsmacht wie von einem lebendigen Körper rings umgeben, brauchte er

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sie nicht sowohl gegen die Barbaren, als er sie in den K ä m p f e n gegen diese wie auf Jagden und Tierhetzen übte, abhärtete und zu einem furchtbaren, unwiderstehlichen W e r k z e u g umschuf. G o l d , Silber und die sonstige reiche Beute, die er in den vielen Kriegen g e w a n n , sandte er nach R o m , v e r w a n d t e sie zu Bestechungen und half den Aedilen, Praetoren, Konsuln und ihren Frauen ihren A u f w a n d bestreiten und schuf sich so einen großen A n h a n g . Als er daher über die Alpen herübergekommen war und den Winter in Luca v e r b r a c h t e ' , waren außer einer großen M e n g e anderer, Männer und Frauen, die im Wetteifer zu ihm strömten, zweihundert Senatoren, unter ihnen Pompejus und Crassus, und hundertzwanzig Liktoren von Prokonsuln und Praetoren vor Caesars Quartier zu sehen. Alle anderen entließ er, mit Hoffnungen geködert und mit Geld versehen; mit Crassus und Pompejus aber w u r d e die A b m a c h u n g getroffen, daß die beiden sich um das Konsulat bewerben sollten, daß Caesar ihnen dabei helfen sollte, indem er viele seiner Soldaten zur Wahl schickte, und daß sie, sobald sie g e w ä h l t wären, für sich die Bewilligung von Provinzen und Heeren und für Caesar die Bestätigung derjenigen, die er hatte, auf weitere fünf Jahre erwirken sollten. Als diese Abmachungen in der Öffentlichkeit bekannt wurden, waren die Vornehmen höchst empört, und M a r c e l l i n u s 1 trat beiden vor dem Volke entgegen und fragte sie, ob sie sich um das Konsulat bewerben würden, und als die M e n g e eine A n t w o r t verlangte, sagte zuerst Pompejus, vielleicht werde er sich bewerben, vielleicht werde er sich nicht bewerben. Crassus sagte etwas klüger, er werde so handeln, wie er glauben werde, daß es für das Gemeinwohl forderlich sei. Als dann Marcellinus dem Pompejus noch weiter zusetzte und scharfe T ö n e anschlug, sagte Pompejus, Marcellinus sei doch der schlechteste Kerl von der Welt, daß er ihm nicht dafür dankbar sei, daß er durch ihn aus einem Stummen zu einem Mann

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gemacht worden sei, der den Mund weit auftue, und aus einem Hungerleider zu einem Vielfraß, der sich häufig erbrechen müsse 52. Während nun alle anderen darauf verzichteten, sich um das Konsulat zu bewerben, beredete Cato den Lucius Dominus* und ermunterte ihn, es nicht aufzugeben; denn nicht um das A m t , sondern um die Freiheit gegen die Tyrannen gelte es den Kampf zu führen. Daher fürchteten Pompejus und seine Freunde den Starrsinn des Cato, daß er, der schon den ganzen Senat hinter sich hatte, den unverdorbenen Teil des Volkes von ihnen abziehen und umstimmen könnte, und ließen darum Domitius gar nicht auf den Markt kommen, sondern sandten bewaffnete Leute gegen ihn aus, töteten den vorangehenden Fackelträger und jagten die anderen in die Flucht. Als letzter ging Cato zurück, nachdem er bei der Verteidigung des Domitius am rechten Arm verwundet worden war. Nachdem sie auf solchem Wege zum Konsulat gelangt waren 3 , trieben sie es auch weiterhin nicht maßvoller, sondern das erste war, daß Pompejus, als das Volk den Cato zum Praetor wählen wollte und die Abstimmung schon im Gange war, die Versammlung auflöste mit der Behauptung, es hätten sich ungünstige Vogelzeichen gezeigt, und daß sie statt Cato Vatinius 4 ernannten, nachdem sie die Centurien bestochen hatten. Dann ließen sie durch den Volkstribun Trebonius die Anträge einbringen, welche Caesar, wie es abgemacht war, weitere fünf Jahre bewilligten, Crassus Syrien und die Führung des Feldzuges gegen die Parther und Pompejus selbst ganz Afrika, beide Spanien 5 und vier Legionen zusprachen, von denen er Caesar auf sein Ersuchen zwei für den Krieg in Gallien lieh. Crassus ging nach Ablauf des Konsulats ab in seine Provinz; Pompejus weihte sein Theater 6 und veranstaltete bei dem Weihefest sportliche und musikalische Wettspiele und Tierkämpfe, bei denen fünfhundert Löwen getötet wurden,

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und als letzte und aufregendste Schau gab es noch eine Elefanten Schlacht. $3. Obschon er sich hierdurch Liebe und Bewunderung erwarb, so erregte er andererseits nicht geringere Mißstimmung, weil er seine Heere und Provinzen befreundeten Legaten übergab und mit seiner Frau bald hier, bald dort in den lieblichsten Gegenden Italiens lebte, sei es, daß er sie so liebte, oder daß er, weil sie ihn so liebte, sich nicht von ihr zu trennen vermochte; denn auch das wird erzählt, und es war viel von der großen Zärtlichkeit der jungen Frau die Rede, die Pompejus trotz des großen Altersunterschiedes herzlich liebte. Die Ursache war wohl die Enthaltsamkeit des Mannes, der sich mit keiner andern als seiner Ehefrau abgab, und seine Würde, die dabei nicht Herbes, sondern etwas Gefälliges im Umgang und besonders für Frauen Anziehendes hatte, wenn man die Hetäre Flora nicht falschen Zeugnisses zeihen will'. Als es dann bei den Aedilenwahlen zu einem Handgemenge kam und mehrere Leute in seiner Nähe erschlagen wurden, wurde er mit Blut bespritzt und mußte seine Kleidung wechseln. Als nun die Diener die Kleider zu seinem Hause brachten und ein großes Lärmen und Rennen entstand, fiel die junge Frau, die gerade schwanger war, beim Anblick der blutbespritzten Tbga in Ohnmacht und kam nur langsam wieder zu sich, und infolge dieser Erschütterung und Erregung hatte sie eine Frühgeburt. Daher fanden auch diejenigen, welche sonst die Freundschaft des Pompejus mit Caesar am heftigsten tadelten, an der Liebe der Frau nichts auszusetzen. Als sie dann wieder schwanger wurde und ein Töchterchen zur Welt gebracht hatte, starb sie an der Geburt, und das Kind überlebte sie nur wenige Tage. Pompejus hatte Vorkehrungen getroffen, um ihre Leiche auf seinem Albanum beizusetzen, aber das Volk brachte sie mit Gewalt nach dem Marsfeld*, mehr aus Mitleid mit der jungen Frau als Pompejus und Caesar zu Ge-

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fallen, und von ihnen beiden schien das Volk dem abwesenden Caesar einen größeren Teil der Ehre als dem anwesenden Pompejus erweisen zu wollen. Denn sofort war die Stadt in Gärung, und alles war in unruhiger Bewegung, und heftige Diskussionen wurden darüber geführt, daß die Verwandtschaft, welche die Herrschsucht der beiden Männer früher mehr verdeckt als eingeschränkt habe, nun zerrissen sei. Nach kurzer Zeit kam auch noch die Meldung, daß Crassus bei den Parthern zu Tode gekommen war, und so war auch dieses bedeutende Hindernis, das dem Ausbruch des Bürgerkrieges im Wege stand, weggefallen. Denn aus Furcht vor Crassus hatten beide sich noch gegeneinander in den Schranken des Rechts gehalten. Nachdem aber das Schicksal diesen im Hintergründe auf den Ausgang des Kampfes lauernden Ringer hinweggeräumt hatte, konnte man alsbald das Wort des Komikers zitieren, daß der eine gegen den andern «Die Arme ölt und sich mit Staub bestreut 1 .» So wenig vermag das Schicksal gegen die Natur. Denn es stillt ihr Verlangen nicht: sehen wir doch, daß ein solches Maß von Herrschaft, eine solche Weite des Reiches für zwei Männer nicht ausreichte, sondern daß sie, wenn sie auch hörten und lasen, daß selbst bei den Göttern «Dreifach ward alles geteilt, und jeder erhielt seine Herrschaft»', dennoch meinten, daß für sie beide das Römische Reich nicht groß genug sei. 54. Allerdings sagte Pompejus einmal in einer Rede an das Volk, er habe jedes Amt früher erlangt, als er erwartete, und es schneller niedergelegt, als man erwartete, und tatsächlich konnte er zum Beweise dessen anführen, daß er stets sein Heer entlassen hatte. Damals aber suchte er in der Erwartung, daß Caesar seine Macht nicht preisgeben werde, sich durch

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hohe Staatsämter gegen ihn zu sichern; sonst rührte er nicht an die bestehende Ordnung, wollte auch nicht den Anschein erwecken, daß er ihm mißtraute, sondern vielmehr, daß er ihn übersähe und gering schätzte. Als er jedoch sah, daß die Ämter nicht nach seinen Wünschen vergeben wurden, weil die Bürger bestochen wurden, ließ er es geschehen, daß in der Stadt Anarchie einriß. Alsbald wurde jetzt viel von einem Diktator gesprochen, und als erster wagte der Volkstribun Lucilius1 offen dieses Wort auszusprechen, indem er dem Volke den Rat erteilte, Pompejus zum Diktator zu wählen. Da aber Cato heftig dagegen auftrat, kam Lucilius in die Gefahr, sein Volkstribunat zu verlieren, und für Pompejus setzten sich viele seiner Freunde ein, um ihn zu entschuldigen mit der Versicherung, er brauche das Amt nicht und wünsche es nicht. Als daraufhin Cato den Pompejus lobte und ihn aufforderte, für Ruhe und Ordnung zu sorgen, schämte er sich jetzt und stellte die Ordnung wieder her, und es wurden Domitius und Messala zu Konsuln gewählt 1 . Als später abermals Anarchie einriß und jetzt noch mehr Leute den Ruf nach dem Diktator noch lauter erschallen ließen, fürchtete Cato, daß dies mit Gewalt durchgesetzt würde, und beschloß daher, dem Pompejus ein gesetzmäßiges Amt zuzuschanzen, um ihn von dem unbeschränkten, tyrannischen fernzuhalten. So sprach sich Bibulus, sonst ein Feind des Pompejus, als erster im Senat dafür aus, Pompejus zum alleinigen Konsul zu wählen; denn entweder werde so die Stadt die gegenwärtige Unordnung loswerden, oder sie werde doch dem besten Manne unterworfen sein. Da dieser Vorschlag wegen des Mannes, der ihn machte, überraschend erschien, so erwartete man, als Cato aufstand, daß er widersprechen würde. Aber nachdem Stille eingetreten .war, sagte er, er selbst würde den zur Diskussion gestellten Vorschlag nicht gemacht haben; nachdem er aber gemacht worden sei,

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empfehle er, ihm zu folgen, denn jede Form der Herrschaft ziehe er der Anarchie vor, und niemand, so glaube er, werde in so verworrenen Verhältnissen die Herrschaft besser fuhren als Pompejus. Nachdem der Senat das angenommen und den Beschluß gefaßt hatte, Pompejus sollte zum Konsul gewählt werden und das Amt allein fuhren, wenn er aber selbst einen Kollegen wünschte, so sollte er nicht früher als nach zwei Monaten nach vorheriger Prüfung sich einen solchen wählen, so wurde er ernannt und durch den Zwischenkönig Sulpicius als Konsul eingesetzt 1 . Er begrüßte darauf Cato freundschaftlich, erklärte, daß er ihm großen Dank schulde, und bat ihn, sein persönlicher Ratgeber bei der Führung des Amtes zu sein. Doch Cato erwiderte, Pompejus schulde ihm keinen Dank, denn nichts von dem, was er gesagt habe, habe er ihm zuliebe gesagt, sondern nur dem Staat zuliebe. Doch wolle er sein persönlicher Ratgeber sein, wenn er gerufen würde, und wenn er nicht gerufen würde, dann werde er in der Öffentlichkeit sagen, was ihm das Richtige schiene. So war Cato in allem. j j . Pompejus kam jetzt in die Stadt und heiratete Cornelia, die Tochter des Metellus Scipio1, die nicht Jungfrau, sondern vor kurzem Witwe des Publius, Sohnes des Crassus, geworden war, den sie als Jungfrau geheiratet hatte und der jetzt im Partherlcriege gefallen war. Die junge Frau besaß außer ihrer jugendlichen Schönheit auch noch viele andere Reize. Sie war in den schönen Wissenschaften, in Musik und Mathematik wohl unterrichtet und gewöhnt, philosophische Schriften mit Verständnis zu lesen. Dabei war ihr Wesen frei von der Unausstehlichkeit und Überspanntheit, die sich durch die Beschäftigung mit solchen Wissenschaften leicht bei jungen Frauen einstellt. Auch gegen ihren Vater war nach seiner Abkunft und seinem Ansehen nichts einzuwenden. Trotzdem gefiel an dieser Heirat den einen der Unterschied des Alters

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n i c h t ; d e n n i h r e n J a h r e n n a c h h ä t t e C o r n e l i a besser zu s e i n e m

Sohn gepaßt; und die bedächtiger Urteilenden meinten, Pompejus habe das Wohl des Staates aus den Augen gelassen, der ihn doch in den bedrängten Umständen, in denen er sich befand, zu seinem Arzt erkoren und sich ihm allein anvertraut habe; er aber bekränze sich und feiere ein Hochzeitsfest, während er doch eben sein Konsulat als ein Unglück hätte betrachten sollen, das ihm nicht so wider den Brauch verliehen worden wäre, wenn das Vaterland nicht in Not gewesen wäre. Als Pompejus den Prozessen wegen Bestechung und Amtserschleichung seine Aufmerksamkeit zuwendete, Gesetze gab, nach denen die Verhandlungen zu führen waren, alles übrige streng und unantastbar anordnete und für Sicherheit, Ordnung und Ruhe bei den Prozessen sorgte, indem er selbst mit militärischer Bedeckung den Verhandlungen beiwohnte; dann aber, als sein Schwiegervater Scipio vor Gericht gezogen wurde, die dreihundertsechzig Richter zu sich kommen ließ und sie ersuchte, dem Manne durchzuhelfen, worauf der Ankläger die Klage fallen ließ, da er sah, daß die Richter den Scipio vom Markte nach Hause geleiteten: da kam er wieder in üblen Ruf, noch mehr aber, als er, nachdem er durch ein Gesetz die üblichen Lobreden auf Angeklagte abgeschafft hatte, selbst vor Gericht auftrat, um Plancus 1 eine Lobrede zu halten. Cato, der einer der Richtcr war, hielt sich mit beiden Händen die Ohren zu und sagte, es zieme sich nicht für ihn, gegen das Gesetz Lobreden anzuhören. Daher wurde Cato vor der Abstimmung aus dem Gericht ausgeschlossen, aber Plancus zur Schande für Pompejus von den anderen Richtern verurteilt. Wenige Tage später paßte Hypsaeus, ein Konsular 1 , der unter Anklage stand, den Pompejus ab, als er nach dem Bade zur Tafel ging, umfaßte seine Knie und bat ihn um seinen Beistand. Aber Pompejus ging an ihm vorbei mit der wegwerfenden Bemerkung, er erreiche sonst nichts, als daß er ihm den Appetit

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verderbe. Dieser offenbare Mangel an Unparteilichkeit zog ihm Tadel zu. Im übrigen schuf er überall gute Ordnung und nahm sich für die letzten fünf Monate seinen Schwiegervater zum Amtsgenossen. Man beschloß dann fiir ihn, daß er seine Provinzen für weitere vier Jahre behalten und jährlich tausend Talente zum Unterhalt seiner Truppen bekommen sollte. 56. Dies nahmen die Freunde Caesars zum Anlaß fiir die Forderung, daß auch einigermaßen an Caesar gedacht werden müsse, der so gewaltige Kämpfe für das Reich führe; er verdiene es, entweder ein zweites Konsulat zu erhalten oder eine weitere Verlängerung seines Kommandos, damit nicht ein anderer, der ihm nachfolge, ihm den Ruhm seiner Taten entreiße, sondern der, der sie vollbracht habe, weiter im Kommando bleibe und in Ruhe die verdiente Ehre genieße. Während der Streit darüber im Gange war, erklärte Pompejus, als ob er aus Freundschaft für Caesar die Mißgunst gegen ihn abwehren wollte, er habe einen Brief von Caesar, wonach er gewillt sei, sich einen Nachfolger geben zu lassen und sein Kommando niederzulegen; doch scheine es ihm angebracht, Caesar auch abwesend die Bewerbung um das Konsulat zu bewilligen. Als dagegen Cato Widerspruch erhob und forderte, Caesar solle erst Privatmann werden, die Waffen niederlegen und dann von seinen Mitbürgern eine Belohnung zu erhalten suchen, setzte Pompejus den Streit nicht fort, sondern gab sich gleichsam geschlagen und machte sich um so mehr hinsichtlich seiner Gesinnung gegenüber Caesar verdächtig. Auch sandte er zu ihm und forderte die Truppen zurück, die er ihm geliehen hatte, wofür er den Partherkrieg zum Vorwand nahm, und Caesar, obwohl er wußte, zu welchem Zweck ihm die Soldaten abgefordert wurden, sandte sie reich beschenkt zurück'. 57. Hierauf erkrankte Pompejus in Neapel schwer, wurde aber wieder gesund, und die Neapolitaner feierten auf Antrag

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des Praxagoras ein Dankfest für seine Genesung. Die Nachbarn machten es ihnen nach, die Sache nahm ihren Weg rings durch Italien, und jede Stadt, groß und klein, feierte viele Tage lang Feste. Kein Ort vermochte die von allen Seiten Herbeiströmenden zu fassen, und Wege, Dörfer und Häfen waren voll von Opfernden und Schmausenden. Viele empfingen ihn auch bekränzt bei Fackelschein, geleiteten ihn und bewarfen ihn mit Blumen, so daß seine Reise zum schönsten, glänzendsten Schauspiel wurde. Doch sagt man, daß dies zu einer der bedeutsamsten Ursachen für den Ausbruch des Krieges geworden sei. Denn zugleich mit der großen Freude bemächtigte sich seiner ein übersteigertes Selbstgefühl, welches die auf die Tatsachen gestützte kühle Überlegung zurückdrängte. Er setzte die Behutsamkeit, mit der er stets seine Taten und Erfolge auf das Fundament der Sicherheit gegründet hatte, beiseite und verfiel in ein unbegrenztes Selbstvertrauen und eine Geringschätzung der Macht Caesars, als werde er weder der Waffen noch überhaupt mühevoller Vorkehrungen bedürfen, sondern den Mann viel leichter noch zu Falle bringen, als er ihn vordem emporgehoben hatte. Zudem kam noch Appius 1 und brachte aus Gallien die Truppen, die Pompejus dem Caesar geliehen hatte. Er setzte die dort vollbrachten Taten stark herab, verbreitete Schmähreden über Caesar und sagte, Pompejus wisse selbst nicht Bescheid über seine Macht und seinen Ruhm, wenn er sich mit anderen Waffen gegen Caesar zu wappnen suche, den er mit dessen eigenen Heeren überwältigen werde, sobald er sich nur sehen lasse; so groß sei bei ihnen der Haß gegen Caesar und die Sehnsucht nach Pompejus. Hierdurch wurde Pompejus so aufgebläht und ließ sich durch seine Zuversicht zu solcher Nachlässigkeit verleiten, daß er die Leute, die Angst vor dem Krieg hatten, auslachte und denjenigen, die ihm vorstellten, wenn Caesar gegen die Stadt anrücke, sähen sie keine Streitkräfte, mit denen man

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ihn zurückschlagen könne, mit heiter lächelnder Miene sagte, sie sollten sich nicht daran kehren: «Denn w o ich auch in Italien mit dem F u ß auf den Boden stampfe, werden Streitkräfte zu F u ß und z u R o ß emporsteigen.» 58. N u n m e h r nahm auch Caesar die Dinge energischer in die Hand. Er entfernte sich selbst nicht mehr weit von Italien, schickte seine Soldaten ständig in die Stadt, um sich an den Wahlen z u beteiligen, und w u ß t e viele der in Ä m t e r n befindlichen Männer durch Geld an sich zu ziehen und zu bestechen. Einer von ihnen war der Konsul Paulus, der für tausendfünfhundert T a l e n t e z u ihm übertrat, der Volkstribun Curio, der durch Caesar von einer ungeheuren Schuldenlast befreit w u r de, und Marcus A n t o n i u s d e r wegen seiner Freundschaft mit C u r i o an dessen Bereicherung teilnahm. Es wurde auch erzählt, daß einer der Kriegstribunen, die von Caesar nach R o m gekommen waren, als er beim Rathaus stand und hörte, daß der Senat Caesar die Verlängerung des Kommandos nicht bewillige, mit der Hand an sein Schwert geschlagen und gesagt habe: « D a s wird sie ihm g e b e n ! » Tatsächlich war das, was geschah und vorbereitet w u r d e , auf dieses Ziel gerichtet. Die Forderungen und Vorschläge allerdings, die von C u r i o in Caesars Namen gestellt wurden, klangen gemäßigter. Denn er verlangte eins von beiden: entweder solle man auch Pompejus sein Heer abfordern oder aber es auch Caesar nicht abnehmen; denn so würden sie entweder, wenn sie Privatleute w ü r d e n , von R e c h t s w e g e n , oder, wenn sie bewaffnete G e g ner blieben, im Besitze dessen, was sie hätten, sich ruhig verhalten; wer den einen von beiden schwäche, der verdoppele die M a c h t , die er fürchte. Als daraufhin der Konsul Marcellus den Caesar einen Räuber nannte und beantragte, man sollte ihn für einen Feind des Vaterlandes erklären, wenn er nicht die Waffen niederlegte, setzte C u r i o doch mit Hilfe des Antonius und des Piso 1 durch, daß der Senat über seinen A n t r a g

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a b s t i m m t e . Er v e r l a n g t e nämlich, d a ß d i e j e n i g e n , die da/iir

•wären, daß allein Caesar die Waffen niederlegen und Pompejus sein Kommando behalten sollte, beiseite treten sollten. Oas taten die meisten. Als er dann diejenigen beiseite zu treten aufforderte, die dafür stimmten, daß beide die Waffen niederlegten und keiner sein Kommando behielte, erklärten sich nur fünfundzwanzig für Pompejus, alle übrigen für Curio. Hocherfreut über seinen Abstimmungssieg eilte dieser hinaus vor das Volk, das ihn mit Beifallsklatschen empfing und ihm Kränze und Blumen zuwarf. Pompejus war nicht im Senat anwesend, denn Befehlshaber von Armeen dürfen die Stadt nicht betreten. Aber Marcellus stand auf und erklärte, er werde nicht ruhig dasitzen und Reden anhören, sondern da er schon zehn Legionen über den Alpen erscheinen sehe, so werde er hingehen und den Mann aussenden, der sich ihnen zum Schutz des Vaterlandes entgegenstelle. 59. Hierauf legten sie Trauerkleidung an, und Marcellus schritt in Begleitung des Senates über den Markt zu Pompejus, trat vor ihn und sagte: «Ich befehle dir, Pompejus, dem Vaterlande zu helfen, die zur Verfügung stehenden Truppen zu verwenden und weitere auszuheben.» Dasselbe sagte auch L e n t u l u s e i n e r der beiden für das nächste Jahr designierten Konsuln. Als jetzt Pompejus mit den Aushebungen begann, stellten sich die einen garnicht, einige wenige erschienen säumig und widerwillig, und die meisten schrien, man solle sich vertragen. Denn Antonius hatte, dem Widerspruch des Senates trotzend, vor dem Volke einen Brief Caesars verlesen, der für die Menge verführerische Vorschläge enthielt: es sollten nämlich beide ihre Provinzen abgeben, ihre Heere entlassen, sich der Entscheidung des Volkes unterwerfen und über alles, was sie getan hätten, Rechenschaft ablegen. Aber Lentulus, der nunmehr Konsul war, rief den Senat nicht zusammen. Cicero, eben aus Kjlikien zurückgekehrt, bemühte sich um einen

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Ausgleich auf der Basis, Caesar solle Gallien abgeben, sein Heer bis auf zwei Legionen entlassen und mit diesen und der Provinz Illyrien auf sein zweites Konsulat warten. Da Pompejus damit nicht zufrieden war, ließen sich Caesars Freunde dazu bestimmen, auch noch auf eine der beiden Legionen zu verzichten. Da aber Lentulus sich scharf dagegen erklärte und Cato schrie, Pompejus mache einen großen Fehler, wenn er sich wieder täuschen ließe, so kam der Vergleich nicht zustande. 60. Inzwischen wurde auch schon gemeldet, daß Caesar Arim i n u m e i n e große Stadt Italiens, besetzt habe und mit seiner ganzen Macht geradewegs auf Rom im Anmarsch sei. Dies entsprach nicht den Tatsachen, denn er war auf dem Marsch mit nicht mehr als dreihundert Reitem und fünftausend Mann zu Fuß; die übrigen Truppen, die noch jenseits der Alpen standen, hatte er nicht abgewartet, weil er entschlossen war, lieber einen unvorbereiteten, noch keinen Angriff erwartenden Feind unversehens zu überfallen, als ihm Zeit zu lassen und mit einem wohl gerüsteten Feind zu kämpfen. Als er an den Fluß Rubico gekommen war, der die Grenze der ihm verliehenen Provinz bildete 1 , stand er schweigend still und zauderte, indem er in seinem Innern die Größe des Wagnisses überschlug. Dann tat er wie Leute, die sich vom Felsen in eine unabsehbare Tiefe stürzen, schloß in Gedanken die Augen und verhüllte sich vor der Gefahr, tat gegenüber seiner Umgebung nur auf griechisch den Ausspruch': « Der Würfel soll geworfen sein!» und führte seine Truppen hinüber. Sobald die erste Kunde hiervon nach Rom gelangte, war die Stadt von Schreck, Verwirrung und Angst erfüllt wie nie zuvor, der Senat versammelte sich eilends bei Pompejus, und auch die Beamten waren zur Stelle. Als jetzt Tullus 4 nach den verfügbaren Truppen und dem Stand der Rüstungen fragte und Pompejus mit einigem Zögern kleinlaut sagte, er habe die

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von Caesar Gekommenen in Bereitschaft und er glaube, daß er auch die bisher Ausgehobenen schnell werde zusammenbringen können, da rief Tullus: «Du hast uns getäuscht, Pompejus!» und gab den Rat, Gesandte an Caesar zu schicken, und ein gewisser F a v o n i u s s o n s t kein übler Mann, der aber öfters durch hochfahrendes Wesen und Dreistigkeit den Freimut des Cato nachahmen zu sollen glaubte, forderte Pompejus auf, mit dem Fuß auf die Erde zu stampfen und die versprochenen Armeen heraufzurufen. Der ertrug diese unzeitige Taktlosigkeit mit Gelassenheit. Als aber Cato ihn daran erinnerte, was er ihm von Anfang an über Caesar vorausgesagt habe, antwortete er, Cato habe richtiger prophezeit, er aber habe freundschaftlicher gehandelt. 61. Cato sprach sich jetzt dafür aus, Pompejus zum Fcldherrn mit unbeschränkter Vollmacht zu ernennen, und bemerkte dazu, es sei Sache desselben Mannes, die großen Übel zu stiften und zu beheben. Cato ging nun sofort nach Sizilien denn diese Provinz war ihm durchs Los zugefallen - und jeder von den anderen in die ihm bestimmte Provinz. Fast ganz Italien kam in Bewegung, und man wußte sich nicht zu raten und zu helfen. Die Auswärtigen kamen in eiliger Flucht von allen Seiten nach Rom hineingeströmt, und die in Rom Wohnenden ihrerseits drängten hinaus und verließen die Stadt, in der bei solchem Sturm und Aufruhr die ruhigen Elemente schwach, das ungebärdige Gesindel stark und für die Behörden schwer im Zaum zu halten war. Denn es war nicht möglich, die Unruhe zu stillen, und man ließ Pompejus nicht nach seinen ruhigen Überlegungen handeln, sondern von welchem Affekt einer immer befallen wurde, Angst, Kummer, Ratlosigkeit, so lief er hin und behelligte ihn damit. Am selben Tage wurden einander widersprechende Beschlüsse gefaßt, und es war nicht möglich, zuverlässige Nachrichten über die Feinde zu erhalten, weil viele Leute ihm, was sie gerade gehört hat-

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tcn, hinterbrachten und es übel nahmen, wenn er ihnen nicht glaubte. So entschloß er sich denn, den Ausnahmezustand zu verkünden, befahl allen Senatoren, ihm zu folgen, mit der Erklärung, er werde jeden Zurückbleibenden für einen Freund Caesars ansehen, und verließ am späten Abend die Stadt. Die Konsuln flohen, ohne auch nur die Opfer darzubringen, die der Brauch vor Ausbruch eines Krieges forderte. Doch auch noch in dieser schweren Not war der Mann beneidenswert wegen der Liebe, die die Menschen ihm entgegenbrachten. Denn wenn auch viele seinen Feldzugsplan tadelten, so gab es doch keinen, der den Feldherrn haßte, sondern man hätte wohl mehr Menschen finden können, die sich nicht entschließen konnten, Pompejus zu verlassen, als die um der Freiheit willen die Flucht ergriffen. 62. Wenige Tage später 1 rückte Caesar ein und bemächtigte sich Roms. Dabei begegnete er der übrigen Bevölkerung gütig und beruhigte sie; einem der Volkstribunen aber, Metellus*, der ihm verbieten wollte, Geld aus dem Staatsschatz zu entnehmen, drohte er den Tod an und fügte der Drohung ein noch härteres Wort hinzu: er sagte, es käme ihn schwerer an, das auszusprechen, als es zu tun. Nachdem er so den Metellus verjagt und genommen hatte, was er brauchte, machte er sich an die Verfolgung des Pompejus, weil ihm daran gelegen war, ihn aus Italien zu vertreiben, bevor das Heer aus Spanien zu ihm stieße. Doch der hatte Brundusium besetzt, und da er über zahlreiche Schiffc verfügte, ließ er sofort die Konsuln und mit ihnen dreißig Kohorten an Bord gehen und schickte sie nach Dyrrhachion 3 voraus; seinen Schwiegervater Scipio und seinen Sohn Gnaeus sandte er nach Syrien mit dem Auftrag, dort eine Flotte zusammenzubringen. Er selbst ließ die Tore verstärken und besetzte die Mauern mit den schnellsten Truppen, befahl den Einwohnern von Brundusium, sich ruhig in ihren Häusern zu halten, ließ die ganze innere Stadt aufwüh-

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lcn und mit Gräben durchziehen und überall in den Gassen spitze Pfähle einrammen bis auf zwei, auf denen er selbst den Weg zum Meere nahm. Am dritten T a g e hatte er das übrige Heer bereits in den Schiffen, in die sie in aller Ruhe eingestiegen waren, gab nun denen, die die Mauern bewachten, plötzlich das Zeichen, worauf sie im Laufschritt hinabeilten, aufgenommen wurden und die Flotte davonfuhr. Als Caesar die Mauern unbesetzt sah, erkannte er, daß die Stadt aufgegeben war, und wäre auf der Verfolgung beinahe in die Pfähle und Gräben hineingeraten; aber da die Einwohner von Brundusium ihm Bescheid sagten, so hütete er sich und zog um die Stadt herum, fand aber alle schon in See gegangen bis auf zwei Fahrzeuge, die nur eine kleine Zahl Soldaten an Bord hatten. 63. Die anderen Beurteiler rechnen den Rückzug des Pompejus zu seinen glänzendsten strategischen Leistungen; Caesar selbst aber hat seine Verwunderung ausgedrückt, daß er, da er doch eine feste Stadt in Besitz hatte, die Streitkräfte aus Spanien erwartete und die See beherrschte, Italien verlassen und preisgegeben habe. Auch Cicero macht es ihm zum Vorwurf, daß er sich den Kriegsplan des Themistoldes zum Vorbild genommen habe und nicht den des Perildes, obwohl seine Lage der des letzteren geglichen habe und nicht der des Them i s t o k l e s A b e r Caesar zeigte durch sein Verhalten, daß er die Zeit sehr fürchtete. Denn er hatte Numerius, einen Freund des Pompejus, den er gefangen hatte', nach Brundusium geschickt mit dem Vorschlag, auf der Grundlage der Gleichheit einen Vergleich zu schließen. Aber Numerius war mit Pompejus abgefahren. Hieraufhatte Caesar, der sich in sechzig Tagen ohne Blutvergießen zum Herrn von ganz Italien gemacht hatte, die Absicht, Pompejus sofort zu verfolgen. Da ihm aber die Fahrzeuge fehlten, kehrte er um und zog nach Spanien, um die dort stehenden Truppen an sich zu ziehen. 64. Während dieser Zeit sammelte sich um Pompejus eine

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gewaltige Streitmacht. Die Flotte war geradezu unüberwindlich: sie bestand aus fünfhundert Kriegsschiffen und einer riesigen Menge Aufklärer und sonstiger leichter Fahrzeuge. Die Reiterei zählte siebentausend Mann, die Blüte Roms und Italiens, ausgezeichnet durch Adel, Reichtum und stolzen Mut. Das zusammengewürfelte Fußvolk, das noch der Übung bedurfte, bildete er, während er in Bcroia 1 saß, aus, und zwar so, daß er nicht untätig war, sondern sich, als ob er noch in den Jahren der Kraft wäre, an den Übungen beteiligte. Denn es war ein starker Ansporn zu Mut und Vertrauen für die Leute, wenn sie sahen, wie Pompejus Magnus, dem nur noch zwei Jahre an den sechzig fehlten, bald als Fußsoldat die Waffen führte, bald wieder als Reiter im vollen Rosseslauf mit leichter Hand das Schwert zog und es ebenso gewandt wieder in die Scheide steckte, und wie er beim Speerwerfen nicht nur Zielsicherheit, sondern auch eine Kraft bewies und eine Wurfweite erzielte, die viele der jungen Leute nicht überboten. Es fanden sich auch Könige und Fürsten fremder Völker ein, und die Zahl der vornehmen Römer war so groß, daß sie einen vollständigen Senat um ihn bildeten. Auch Labienus, der Caesars Freund gewesen war und die Feldzüge in Gallien mitgemacht hatte, verließ ihn und kam zu Pompejus *, und Brutus, der Sohn des Brutus, der in Gallien ermordet worden war, ein hochgesinnter Mann, der vorher niemals ein Wort zu Pompejus als dem Mörder seines Vaters gesprochen noch ihn begrüßt hatte, unterstellte sich jetzt ihm als dem Befreier Roms. Cicero sodann, wenn er auch ganz anderes geschrieben und geplant hatte, schämte sich doch, nicht zur Zahl derer zu gehören, die sich für das Vaterland einsetzten. Auch Tidius Sextus, ein Mann in höchstem Alter, der auf das eine Bein lahm war, kam nach Makedonien. Während die anderen über ihn lachten und ihn verspotteten, stand Pompejus, als er ihn sah, auf und ging ihm entgegen, weil er ein starkes Zeugnis für seine gute

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Sache darin sah, daß selbst alte und kraftlose Männer die Gefahr an seiner Seite der Sicherheit vorzogen. 65. Als dann der Senat tagte und auf Antrag Catos den Beschluß faßte, keinen Römer außer in der Schlacht zu töten und keine den Römern unterwürfige Stadt auszuplündern, steigerte sich die Beliebtheit der Sache des Pompejus. Denn auch diejenigen, die mit dem Kriege nichts zu tun hatten, weil sie weitab wohnten oder wegen ihrer Schwäche nicht beachtet wurden, nahmen mit ihren Wünschen Partei und kämpften mit Worten für sein Recht in dem Glauben, daß, wer nicht gerne den Pompejus siegen sähe, Göttern und Menschen feind sei. Indes auch Caesar zeigte sich mild im Siege, wie er denn, nachdem er die Heere des Pompejus in Spanien geschlagen und zur Ubergabe gezwungen h a t t e d i e Feldherren freiließ und die Soldaten in sein Heer übernahm. Dann überschritt er wieder die Alpen, durchzog Italien und kam nach Brundusium, als es schon um die Wintersonnenwende war. Dann überschritt er das Meer, landete bei Orikon 1 und sandte Vibullius, einen Freund des Pompejus, den er gefangen und bei sich hatte, zu Pompejus mit dem Vorschlage, sie möchten beide am dritten Tage zusammenkommen, alle ihre Truppen entlassen, einander Freundschaft schwören und nach Italien zurückkehren. Doch Pompejus hielt das für eine Falle, zog eilends zum Meere hinunter und besetzte alle festen Plätze, Orte und Gegenden, die zu gesicherten Lagern fiir die Landtruppen geeignet waren, sowie Häfen und Landeplätze, die für die Zufuhr über See günstig waren, so daß jeder Wind fiir Pompejus Lebensmittel, Truppen und Material heranblies, während Caesar sich zu Lande sowohl wie zur See in großen Schwierigkeiten befand und notgedrungen den Kampf suchte, die Verschanzungen des Feindes angriff und ihn jederzeit herausforderte, meistens auch in den kleinen Gefechten siegte und im Vorteil war, einmal aber um ein Haar schwer geschlagen worden wäre und sein

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Heer verloren hätte, da Pompejus glänzend kämpfte, den Feind auf der ganzen Linie zurückschlug und zweitausend Mann tötete, durchzudrücken und ins Lager einzudringen aber nicht vermochte oder nicht den Mut hatte, so daß Caesar zu seinen Freunden sagte: « Heute wäre der Sieg auf Seiten der Feinde gewesen, wenn sie den Mann gehabt hätten, der zu siegen verstand'.» 66. Nach diesem Siege waren die Pompejaner von Stolz geschwellt und drängten zur Entscheidungsschlacht, und Pompejus schrieb an die Könige draußen, an die Feldherren und Städte im Tone des Siegers, fürchtete aber doch das Risiko der Schlacht und gedachte durch die Zeit und den Mangel Feinde schließlich niederzukämpfen, die mit den Waffen in der Hand unbezwinglich und lange Zeit schon gewohnt waren, miteinander zu siegen, gegenüber den anderen Erfordernissen des Krieges aber, den Märschen, den Umgruppierungen, dem Ausheben von Gräben, dem Bauen von Mauern infolge ihres Alters zu versagen begannen und darum daraufdrängten, schleunigst zum Kampf zu kommen und handgemein zu werden. Bisher hatte nun Pompejus die Seinigen immer noch durch seine Vorstellungen dazu vermocht, ruhig zu bleiben. Als aber nach der Schlacht Caesar unter dem Druck des Proviantmangels aufbrach und durch das Land der Athamanen * nach Thessalien zog, war der Übermut der Männer nicht mehr länger im Zaume zu halten, sondern sie schrien, Caesar fliehe ja, und sie forderten teils, man solle ihm nachsetzen und verfolgen, teils, man solle nach Italien hinübergehen; einige schickten auch Diener und Freunde nach Rom, um beizeiten Häuser in der Nähe des Marktes mit Beschlag zu belegen, da sie alsbald sich um Ämter bewerben würden. Viele fuhren auch aus freien Stücken zu Cornelia nach Lesbos, um ihr die gute Nachricht zu bringen, daß der Krieg zu Ende sei; denn dort hatte Pompejus sie in Sicherheit gebracht.

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Nachdem der Senat sich versammelt hatte, äußerte Airanius seine Meinung dahin, man müsse nun die Hand auf Italien legen; denn das sei der vornehmste Preis des Krieges, und es bringe denen, die es besäßen, sogleich auch Sizilien, Sardinien, Korsika, Spanien und ganz Gallien als Zugabe; das Wichtigste von allem sei doch das Vaterland, das aus dichter Nähe die Hände nach Pompejus ausstreckte, und so sei es nicht recht zuzusehen, wie es von den Sklaven und Schmeichlcrn der T y rannen mißhandelt und geknechtet werde. Pompejus selbst hingegen war der Meinung, es ginge gegen seine Ehre, ein zweites Mal vor Caesar zu fliehen und sich verfolgen zu lassen, da ihm das Schicksal die Möglichkeit gebe, der Verfolger zu sein, und es hieße, seine Pflicht verletzen, wenn er Scipio und die in Griechenland und Thessalien weilenden ehemaligen Konsuln im Stiche ließe, die sogleich mit ihren großen Geldmitteln und Streitkräften Caesar in die Hände fallen würden; und für Rom sorge derjenige am besten, der den Krieg um die Stadt in möglichster Entfernung von ihr führe, damit sie, ohne von seinen Leiden etwas zu spüren noch zu hören, ruhig den Sieger erwarte. 67. Nachdem er diesen Beschluß durchgesetzt hatte, folgte er Caesar, entschlossen, eine Schlacht zu vermeiden und ihn, immer dicht auf seinen Fersen, durch Umgehungsmanöver und Abschneidung der Zufuhren zu zermürben. Aus mancherlei anderen Gründen hielt er dies für nutzbringend, und es war ihm auch ein bei den Rittern umlaufendes Gerede zu Ohren gekommen, man müsse schleunigst Caesar schlagen und mit ihm auch ihn selbst, Pompejus, stürzen. Einige sagen, Pompejus habe deswegen auch Cato keinen Posten von Bedeutung anvertraut, sondern ihn, als er gegen Caesar aufbrach, am Meer zur Bedeckung des Trosses zurückgelassen in der Besorgnis, er könnte nach der Beseitigung Caesars auch ihn sofort nötigen, das Kommando niederzulegen. Als er darum den

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Feinden ruhig nachzog, wurde er alsbald verdächtigt und verschrien, er wolle nicht Caesar niederhalten, sondern das Vaterland und den Senat, damit er beständig das Kommando behalte und nicht aufzuhören brauche, diejenigen, die den Anspruch erhöben, die Welt zu beherrschen, als seine Diener und Leibwächter zu benützen. Domitius Ahenobarbus nannte ihn immer Agamemnon und König der Könige und machte ihn damit verhaßt. Favonius fiel ihm nicht weniger lästig als die unzeitig Freimütigen mit seinen Spottreden: «Ihr Leute», schrie er, «so werden wir auch dies Jahr nichts von den Feigen aus Tusculum zu kosten bekommen!» Lucius Afranius, der die Armeen in Spanien verloren hatte und deshalb des Verrates verdächtigt worden war, jetzt aber sah, wie Pompejus einer Schlacht auswich, sagte, er wundere sich über die Leute, die ihn verdächtigten, daß sie nicht gegen den Großhändler in Provinzen vorgingen und ihn bekämpften. Mit solchen Reden und vielen anderen der Art machten sie Pompejus, einen Mann, dem sein Ruhm und die Achtung seiner Freunde über alles ging, endlich mürbe und brachten ihn dahin, daß er ihren Hoffnungen und stürmischen Wünschen folgte mit Hintansetzung seiner gründlichsten Überlegungen, eine Schwäche, die sich nicht einmal für den Steuermann eines Schiffes, geschweige den allmächtigen Gebieter so vieler Völker und Heere ziemte. Er hatte immer die Ärzte gelobt, die niemals den Wünschen der Patienten zu Willen waren, und jetzt gab er dem kranken Teile des Heeres nach aus der Scheu, um der Gesundheit willen einen Schmerz zu bereiten. Denn wie sollte man Männern noch gesunden Verstand zusprechen, die bereits im Lager herumliefen und sich um Konsulate und Praeturen bewarben, während Spinther, Domitius und Scipio einen eifersüchtigen Streit um Caesars Oberpriesterwürde 1 führten und ein jeder für sich Stimmung machte? Als ob ihnen Tigranes der Armenier oder der König der Nabatäer gegenüberlagerte

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und nicht jener Caesar und jenes Heer, mit dem er tausend Städte im Sturm genommen, mehr als dreihundert Völkerschaften unterworfen, gegen Germanen und Gallier, niemals besiegt, so viele Schlachten geschlagen hatte, daß man sie kaum zählen konnte, eine Million Feinde zu Gefangenen gemacht und eine zweite Million auf den Schlachtfeldern erschlagen hatte! 68. Trotzdem drängten sie stets in ihn, bestürmten ihn, und als sie in die Ebene von Pharsalos hinuntergestiegen waren, zwangen sie Pompejus, einen Kriegsrat zu halten, in welchem Labienus, der Befehlshaber der Reiterei, als erster aufstand und den Schwur leistete, er wolle nicht aus der Schlacht zurückkommen, wenn er die Feinde nicht geschlagen hätte. Dasselbe schwuren auch alle anderen. In der Nacht träumte Pompejus, er würde, als er ins Theater kam, von der Menge mit Beifall empfangen, und er selbst schmückte das Heiligtum der Siegbringerin Venus 1 mit vielen Beutestücken. Dieser Traum machte ihm einerseits Mut, andererseits beunruhigte er ihn, weil er fürchtete, er könnte bedeuten, daß dem Geschlecht Caesars, das ja auf Venus zurückging, von ihm Ruhm und Glanz zuteil werden würde. Auch weckten ihn panische Schrecken, die sich rasch durch das Lager verbreiteten, aus dem Schlafe. Während der letzten Nachtwache 1 glänzte über Caesars Lager, das in tiefer Ruhe lag, ein starkes Licht auf, und aus ihm erhob sich ein Flammenschein wie eine Fackel und fuhr auf das Lager des Pompejus nieder. Dieses Zeichen, sagt Caesar, habe er selbst gesehen, als er die Wachen beging 3 . Als er dann bei Tagesanbruch im Begriff war, auf Skotussa4 zu marschieren, die Soldaten dabei waren, die Zelte abzureißen und die Zugtiere und Knechte vorauszuschicken, da kamen die Kundschafter mit der Meldung, sie sähen im feindlichen Lager viele Waffen sich hin- und herbewegen und es

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herrsche eine Unruhe und ein Lärm, als wenn Truppen zur Schlacht ausrückten. Nach ihnen erschienen andere und meldeten, daß das Vordertreffen sich schon zur Schlacht formiere. Da sagte Caesar, so sei denn der erwartete T a g gekommen, an dem sie gegen Menschen, nicht gegen Hunger und Mangel zu kämpfen hätten, und ließ eilends vor seinem Zelt den roten Mantel aushängen; das ist bei den Römern das Zeichen zur Schlacht. Als die Soldaten das sahen, ließen sie mit Freudengeschrei von den Zelten ab und rannten zu den Waffen, und als die Offiziere sie an die gehörigen Plätze führten, traten sie ein jeder ohne alle Verwirrung, ruhig und wohlgeübt wie ein Chor in Reih und Glied. 69. Pompejus führte selbst den rechten Flügel und kam so gegen Antonius zu stehen, im Zentrum stellte er seinen Schwiegervater Scipio dem Lucius Calvinus 1 entgegen, und den linken Flügel befehligte Lucius Domitius, verstärkt durch die Masse der Reiterei. Denn dorthin waren sie beinahe alle geströmt, um mit ihrem Gewaltstoß Caesar zu schlagen und die zehnte Legion zu durchbrechen, die in dem Rufe der größten Kampfkraft stand und bei der Caesar in den Schlachten seinen Platz einzunehmen pflegte. Als dieser den linken feindlichen Flügel von einer so starken Reitertruppe gedeckt sah, ließ er, in Besorgnis vor dem Glanz ihrer Bewaffnung, sechs Kohorten aus dem Hintertreffen kommen und hinter der zehnten Legion Aufstellung nehmen mit dem Befehl, sich ruhig zu verhalten und den Feinden nicht zu zeigen. Wenn aber die Reiter ansprengten, sollten sie durch die vordersten Reihen vorbrechen, aber ihre Speere nicht verschießen, wie das die Tapfersten zu tun pflegen, um recht schnell zum Schwertkampf zu kommen, sondern nach oben stoßen und Augen und Gesichter der Feinde zu treffen suchen. Dann würden diese feinen und eleganten Tänzer, um ihre Schönheit besorgt, nicht standhalten und den Anblick des Eisens vor ihren Augen nicht ertragen.

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Während Caesar diese Anordnungen traf, b e r e i n i g t e Forilpejus z u Pferde die beiderseitigen Fronten, und da er sah, wie die G e g n e r in R u h e und fester O r d n u n g den A u g e n b l i c k erw a r t e t e n , während der größte T e i l seines Heeres nicht stillstand, sondern aus Mangel an Erfahrung und aus Erregung in w o g e n d e r B e w e g u n g war, fürchtete er, daß die Front im A n f a n g der Schlacht ganz zerrisse, und gab der ersten Linie den Befehl, mit gesenkten Lanzen stillzustehen und wartend in fester O r d n u n g die Feinde zu empfangen. Caesar aber tadelt diese A n o r d n u n g ' , denn sie vermindere die W u c h t des Stoßes aus dem A n l a u f heraus, und indem er die Gegenangriffsbeweg u n g , die v o r allem die Masse beim Z u s a m m e n s t o ß mit den Feinden mit Begeisterung und S c h w u n g erfülle und verbunden mit dem Geschrei und dem Sturmlauf ihren M u t erhöhe, ihnen v e r w e h r t e , habe er die Männer steif gemacht und abgekühlt. Caesars A r m e e bestand aus zweiundzwanzigtausend M a n n , die des Pom pejus war etwas mehr als doppelt so stark. 70. A l s nunmehr auf beiden Seiten das Zcichen gegeben w u r d e u n d die T r o m p e t e n das Angriffssignal z u blasen begannen, dachte von der M e n g e ein jeder nur an sich selbst. Einige der edelsten Römer aber und ein paar Griechen, die etwas abseits der Schlacht zugegen waren, stellten, als das furchtbare Geschehen nahe war, die E r w ä g u n g an, in welchen Z u s t a n d H a b s u c h t und Ehrgeiz das römische Reich hineingerissen hätten. Gleichartige Waffen, brüderliche Fronten, gemeinschaftliche Feldzeichen und ein so gewaltiges A u f g e b o t von M a n neskraft und Macht geriet hier mit sich selbst in Streit und z e i g t e deutlich, daß die menschliche Natur in der Hitze der Leidenschaft blind und rasend ist. War ihnen doch schon, w e n n sie in R u h e herrschen und die Früchte ihrer T a t e n genießen wollten, der größte und wertvollste T e i l von Land und See Untertan; und wollten sie ihrem Verlangen nach noch

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mehr Trophäen und Triumphen nachgeben und dürsteten sie danach, so konnten sie diesen Durst in Parther- und Germanenkriegen löschcn. Auch gegen Skythen und Inder gab es noch viel zu tun, und ein nicht unrühmlicher Vorwand zur Beschönigung der Habsucht wäre es gewesen, daß man die Barbaren zähmen wolle. Welche Skythenreiterei, welche Partherpfeile, welche Reichtümer Indiens hätten siebzigtausend Römern widerstehen können, die gewaffnet anrückten unter Führung des Pompejus und Caesars, deren Namen sie viel früher gehört hatten als den der Römer? Sovieler wilder, buntschekkiger, tierisch roher Völker Länder hatten sie als Sieger betreten. Und jetzt traten sie zum Kampf gegeneinander an, ohne auch nur auf die Wahrung ihres Ruhmes, dem sie das Vaterland hinopferten, bedacht zu sein, da sie doch bis zu jenem Tage unüberwindlich genannt wurden. Denn die einst geknüpfte Verwandtschaft, der Liebreiz der Julia und jener Ehebund waren von Anfang an nur trügerische, unzuverlässige Unterpfänder einer nur zum eigenen Nutzen geschaffenen Verbindung und hatten mit wahrer Freundschaft nichts zu tun. 71. Als sich nun die Ebene von Pharsalos mit Menschen, Rossen und Waffen angefüllt hatte und von beiden Seiten das Zeichen zum Angriff gegeben war, rannte als erster aus der Linie Caesars Gajus Crassianus 1 vor, ein Centurio, Führer von hundertzwanzig Mann, um Caesar ein großes ihm gegebenes Versprechen zu erfüllen. Ihn hatte nämlich Caesar, als er das Lager verließ, zuerst gesehen, ihn angerufen und gefragt, wie er über die Schlacht denke. Da hatte er die rechte Hand ausgestreckt und laut gerufen: «Du wirst glänzend siegen, Caesar, und mich wirst du heute lebend oder tot loben!» Dieser Worte eingedenk, brach er los, riß viele mit sich fort und stürzte sich mitten in die Feinde. Sogleich kam es zum Kampf mit den Schwertern, und während viele getötet wurden und er weit vorwärts drängte und die ersten Reihen schon durchbrach,

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trat ihm einer entgegen und stieß ihm das Schwert durch den Mund, so daß die Spitze durchdrang und am Genick wieder herausfuhr. Nachdem Crassianus gefallen war, kam der Kampf an dieser Stelle zum Stehen. Pompejus führte seinen rechten Flügel nicht so schnell zum Angriff, sondern verhielt, indem er nach der andern Seite Ausschau hielt und abwartete, was die Reiter leisten würden. Schon dehnten diese auch ihre Geschwader aus, um Caesar einzukreisen und seine wenig zahlreichen vorgeschobenen Reiter auf die Infanteriefront zurückzuwerfen. Als aber jetzt Caesar das Zeichen gab, gingen seine Reiter zurück, und die hinter ihnen gegen den Umfassungsflügel aufgestellten Kohorten, dreitausend Mann, brachen vor, den Feinden entgegen, traten seitlich an die Pferde heran, richteten, wie sie angewiesen waren, ihre Spieße nach oben und zielten nach den Gesichtern. Die Reiter, in jeder Art Kampf unerfahren, auf diese Form aber gar nicht gefaßt und nicht darauf vorbereitet, wagten keinen Widerstand und ertrugen die gegen ihre Augen und Gesichter gerichteten Stöße nicht, sondern machten kehrt, hielten die Hände vor die Augen und wandten sich schmählich zur Flucht. Die Leute Caesars kümmerten sich nicht weiter um die Fliehenden, sondern gingen gegen das feindliche Fußvolk vor, wo der Flügel, von der deckenden Reiterei entblößt, die Möglichkeit zur Umgehung und Einkreisung bot. Wie also gleichzeitig diese Kohorten in der Flanke angriffen und in der Front die zehnte Legion andrängte, hielten die Leute des Pompejus nicht länger stand noch wahrten sie ihre Ordnung, da sie sahen, daß sie, während sie hofften, die Feinde einzukreisen, vielmehr selber dieses Schicksal erlitten. 72. Als dieser Flügel geschlagen war und Pompejus beim Anblick der Staubwolken sich sagen mußte, was mit den Reitern, geschehen war - : was er sich dabei gedacht hat, ist schwer zu sagen; jedenfalls ging er wie benommen, wie einer, der den

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Verstand verloren hat, ohne noch daran zu denken, daß er Pompejus Magnus sei, und ohne zu irgend jemand ein Wort zu sagen, langsamen Schrittes ins Lager zurück, ganz so, wie es in jenen Versen heißt: «Vater Zeus, der Hochthronende, weckte in Aias das Bangen. Starrend stand er, warf dann den mächtigen Schild auf die Schulter, Schaute sich um im Gewühl und flüchtete'.» In diesem Zustand kam er in sein Zelt und saß wortlos da, bis mit den Fliehenden zugleich viele Verfolger eindrangen. Jetzt erst sagte er das eine Wort: «Also auch bis ins Lager!», sonst nichts, stand auf, legte eine der gegenwärtigen Lage gemäße Kleidung an und machte sich davon. Es flohen auch die übrigen Legionen, und im Lager wurde unter den Zeltwächtern und Dienern ein großes Blutbad angerichtet. Soldaten seien nur sechstausend gefallen, sagt Asinius Pollio', der in dieser Schlacht an der Seite Caesars mitgefochten hat. Als sie das Lager nahmen, bekamen sie den Unverstand und den Leichtsinn der Feinde recht zu Gesicht. Denn jedes Zelt war mit Myrten bekränzt, mit bunten Decken geschmückt und mit Tischen voll von Trinkgefäßen wohl versehen; Mischkrüge voll Wein standen bereit, und es war alles hergerichtet und zubereitet, als hätten sie geopfert und wollten ein Fest feiern, und nicht, als wollten sie sich zum Kampfe rüsten. So von Hoffnungen verblendet und voll unverständiger Siegeszuversicht waren sie in den Kampf gezogen. 73. Nachdem Pompejus ein kleines Stück aus dem Lager heraus war, ließ er sein Pferd laufen und setzte mit nur ganz wenigen Begleitern, da niemand ihn verfolgte, den Weg in Ruhe fort, in Betrachtungen verloren, wie sie naturgemäß ein Mensch anstellen mußte, der vierunddreißig Jahre lang zu siegen und über alle Herr zu sein gewohnt gewesen war und jetzt

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im hohen Alter zum erstenmal Niederlage und Flucht kennenlernte, erwägend also, aus wie vielen Kämpfen und Schlachten der Ruhm und die Macht emporgewachsen war, die er nun in einer Stunde verloren hatte, und wie er, der noch vor kurzem von so vielen schweren Waffen, Rossen und Schiffen umschirmt wurde, jetzt davongehe, so klein und so zu nichts geworden, daß er selbst den ihn suchenden Feinden verborgen blieb. Nachdem er Larissa passiert hatte und ins Tempetal 1 kam, warf er sich vor Durst aufs Gesicht und trank aus dem Fluß. Dann stand er wieder auf und wanderte weiter durch das Tempetal, bis er zum Meer hinunterkam. Hier ruhte er den Rest der Nacht in einer Fischerhütte, bestieg am Morgen einen Flußkahn, nahm die Freien aus seinem Gefolge mit und befahl den Sklaven, zu Caesar zu gehen und keine Angst zu haben. Als er dann am Strande entlangfuhr, sah er ein großes Frachtschiff, das eben im Begriff war, in See zu gehen. Der Schiffsherr war ein Römer, der Pompejus nicht gerade nahestand, ihn aber doch vom Ansehen kannte; er hieß Peticius. Der hatte in der vergangenen Nacht geträumt, er sähe Pompejus, nicht so, wie er ihn früher oft gesehen hatte, sondern gedrückt und niedergeschlagen, und er spräche zu ihm. Er war gerade dabei, das den Fahrtgenossen zu erzählen, wie es gewöhnlich geschieht, daß Leute, wenn sie Muße haben, sich über so merkwürdige Dinge unterhalten. Plötzlich sagte ein Matrose, der ausgespäht hatte, daß ein Flußkahn vom Lande herangerudert komme und daß Leute darin ihre Kleider schwenkten und die Hände nach ihnen ausstreckten. Peticius richtete seinen Blick dahin und erkannte sofort Pompejus so, wie er ihn im Traum gesehen hatte. Er schlug sich vor die Stirn und befahl den Matrosen, das Beiboot auszusetzen, streckte seine Rechte aus und rief Pompejus zu sich, da er an seinem Aussehen schon den eingetretenen Glücksumschlag erkannte. Ohne darum erst ein

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Wort oder eine Bitte abzuwarten, nahm er ihn und mit ihm diejenigen, für die er es verlangte - es waren die beiden Lentulus und Favonius - an Bord und ging in See. Wenig später sahen sie vom Lande her den König Dejotaros' sich mit vieler Mühe heranarbeiten und nahmen ihn auch noch auf. Als die Zeit zum Abendessen da war und der Schiffsherr es nach dem Maße des Vorhandenen bereiten ließ, sah Favonius, wie Pompejus in Ermangelung von Dienern sich selbst die Schuhe auszuziehen begann, lief hinzu und half ihm dabei wie beim Salben. Auch in der Folge umsorgte er ihn und leistete ihm beständig die Dienste wie sonst die Sklaven ihren Herren bis zum Waschen der Füße und der Bereitung des Mahles, so daß, wer diese edelmütige, schlichte und unverstellte Dienstleistung beobachtet hätte, wohl hätte sagen können: «Wie doch dem Edlen alles wohl sich schickt! 1 » 74. So fuhr Pompejus an der Küste entlang nach Amphipolis und setzte von dort nach Mitylene 3 über, um Cornelia und seinen Sohn mitzunehmen. Nachdem er am Strande der Insel angelegt hatte, schickte er zur Stadt einen Boten mit der Meldung, nicht so wie Cornelia sie erwartete, die nach den ihr zu Gefallen gebrachten mündlichen und schriftlichen Berichten hoffte, daß, nachdem der Krieg bei Dyrrhachion schon entschieden sei, Pompejus weiter nichts mehr zu tun hätte als Caesar zu verfolgen. In solcher Stimmung traf sie der Bote, wagte nicht sie zu begrüßen und verriet das meiste und Wichtigste des geschehenen Unheils mehr durch Tränen als durch Worte. Dann mahnte er sie zu eilen, wenn sie Pompejus noch auf einem Schiffe, und nicht einmal seinem eigenen, sehen wolle. Als sie das hörte, warf sie sich zur Erde und lag lange besinnungs- und sprachlos. Als sie endlich wieder zu sich kam und sich klar machte, daß es nicht die Zeit sei zu Wehklagen und Tränen, rannte sie durch die Stadt dem Meere zu, und als Pom-

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pejus ihr entgegenkam und sie in seinen Armen auffing, da sie kraftlos zusammenzusinken drohte, sagte sie: «Ich sehe dich, mein Gatte, ins Unglück gestürzt nicht durch dein Geschick, sondern durch das meinige, dürftig untergebracht auf einem Schiff, dich, der du vor der Ehe mit Cornelia dieses Meer mit fünfhundert Schiffen befuhrest. Was kämest du mich zu sehen und überließest mich nicht meinem bösen Dämon, mich, die ich nun auch über dich so großes Unglück gebracht habe? Was für eine glückliche Frau wäre ich gewesen, wenn ich gestorben wäre, ehe ich hörte, daß Publius, der Mann meiner Jugend, tot im Partherlande lag, und wie weise, wenn ich wenigstens nach ihm, wie ich es wollte, freiwillig mein Leben weggeworfen hätte. So blieb ich am Leben, um auch Pompejus Magnus zum Unheil zu werden!» 75. So soll Cornelia gesprochen haben, aber Pompejus habe ihr geantwortet: «Du hast nur das eine meiner Lose kennengelernt, Cornelia, das bessere, das auch dich vielleicht getäuscht hat, weil es mir längere Zeit als gewöhnlich treu geblieben ist. Aber wir müssen auch dies ertragen, da wir Menschen sind, und das Glück noch einmal versuchen. Man darf die Hoffnung nicht aufgeben, aus dieser Lage noch einmal in jene zu kommen, nachdem man aus jener in diese versetzt worden ist.» Hierauf ließ die Frau ihre Sachen und ihre Dienerschaft aus der Stadt kommen. Die Mitylenaier machten Pompejus ihre Aufwartung und luden ihn ein, in die Stadt zu kommen. Aber er lehnte ab und riet ihnen, sich dem Stärkeren zu fügen und guten Mutes zu sein, denn Caesar sei großmütig und milde. Er selbst wandte sich dann dem Philosophen Kratippos 1 zu, der aus der Stadt gekommen war, um mit ihm zu sprechen, beklagte sich und hatte eine kurze Diskussion mit ihm über die Vorsehung, wobei Kratippos sich nachgiebig zeigte und ihn zu besseren Hoffnungen zu leiten suchte, um ihn nicht durch unzeitigen Widerspruch zu betrüben. Gegen-

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über den zweifelnden Fragen des Pompejus, wie man in dem Geschehenen noch einen Sinn und ein Walten der Vorsehung erkennen k ö n n e h a b e er erklärt, daß die Lage wegen der politischen Zerrüttung nachgerade eine monarchische Regierung fordere, und seinerseits gefragt: «Wie und durch welche Gründe könnten wir uns überzeugen, Pompejus, daß du, wenn du Sieger geworden wärest, von deinem Glück einen besseren Gebrauch gemacht hättest als Caesar? Wir müssen die Dinge so hinnehmen, wie die Götter sie fügen.» 76. Pompejus nahm nunmehr die Gattin und die Freunde zu sich und ging wieder in See, wobei er dann nur dort anlegte, wo er notgedrungen Wasser und Lebensmittel einnehmen mußte. Die erste Stadt, die er betrat, war Attaleia in Pamphylien 1 . Dort stießen aus Kilikien einige Dreiruderer zu ihm, Truppen fanden sich ein, und Senatoren waren wieder sechzig bei ihm. Als er ferner hörte, daß die Flotte noch beisammen sei und daß Cato zahlreiche Soldaten zusammengebracht habe und dabei sei, sie nach Afrika überzusetzen, klagte er seinen Freunden gegenüber und machte sich Vorwürfe, daß er sich habe dazu drängen lassen, nur mit der Landarmee den Entscheidungskampf zu fuhren, und denjenigen Teil seiner Macht, mit dem er unbestritten der Überlegene war, zu nichts gebraucht, auch nicht die Flotte an einen Ort gebracht habe, wo er nach einer Niederlage zu Lande sogleich zur See eine so gewaltige, überlegene Streitmacht gegen den Feind zu seiner Verfügung gehabt hätte. Wirklich hat Pompejus keinen größeren Fehler begangen und Caesar keinen klügeren Schachzug getan, als daß er die Entscheidungsschlacht so weit von der maritimen Machtbasis des Gegners abzog. Da indes Pompejus in der nun gegebenen Lage etwas zu beschließen und zu unternehmen genötigt war, so sandte er in die Runde zu den Städten, besuchte einige auch selbst, forderte Geld und bemannte Schiffe. Da er aber von der kühnen

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Energie u n d dem raschen Handeln des Feindes f ü r c h t e t e , daß er ihn überraschend angriffe, bevor er seine R ü s t u n g e n vollendet hätte, so sah er sich nach einer Z u f l u c h t f ü r den A u g e n blick und nach einer R ü c k z u g s m ö g l i c h k e i t u m . Bei den B e r a tungen erschien ihnen keine römische Provinz als sichere Z u flucht. Von den Königreichen erklärte er selbst das der Parther als a m ehesten stark g e n u g , sie im A u g e n b l i c k aufzunehmen, in ihrer gegenwärtigen S c h w ä c h e zu schützen und sie später zu stärken und mit bedeutenden Streitkräften wieder auszusenden. Von den anderen hießen ihn einige den Blick auf A f r i k a und J u b a richten, der Lesbier T h e o p h a n e s aber erklärte es geradezu f ü r unsinnig,das nur drei T a g e Seefahrt entfernte Ä g y p ten u n d den Ptolemaios beiseite zu lassen, der noch ein halbes K i n d u n d ihm vom Vater her Freundschaft u n d Dank schuldig sei, u n d sich statt dessen den Parthern, dem treulosesten V o l k e , in die H a n d zu g e b e n ; nicht bereit zu sein, nur einem R ö m e r , der einst sein S c h w i e g e r v a t e r war, im R a n g e nachzustehen, nächst ihm aber der erste v o r allen anderen zu sein; nicht sich auf seine G r o ß m u t zu verlassen, sondern Arsakes z u m Herrn über sich zu machen, der nicht einmal Crassus lebendig habe in seine G e w a l t bringen k ö n n e n ; eine j u n g e F r a u aus d e m H a u se Scipios zu Barbaren zu b r i n g e n , welche F r e v e l und Z ü g e l losigkeit z u m Maße ihrer A l l g e w a l t m a c h t e n , eine F r a u , bei der es, auch wenn ihr nichts Schimpfliches w i d e r f ü h r e , schon unerträglich wäre zu denken, daß es ihr widerfahren könnte, w e n n sie in der G e w a l t derer wäre, die es ihr antun könnten. Dies allein, so sagt man, brachte Pompejus von der F a h r t an den E u p h r a t ab - wenn man noch von klarer Ü b e r l e g u n g des Pompejus reden darf und nicht vielmehr ein Dämon ihn jenen W e g g e f ü h r t hat. 7 7 . N a c h d e m also die M e i n u n g sich durchgesetzt hatte, nach Ä g y p t e n zu fliehen, ging-Pompejus v o n K y p r o s a u f e i n e m Dreiruderer aus Seleukeia 1 mit seiner F r a u in See - die anderen

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fuhren teils ebenfalls auf Kriegsschiffen, teils auf Handelsschiffen mit - , überquerte sicher das Meer, und als er erfuhr, daß Ptolemaios mit seinem Heer bei Pelusion lagerte und mit seiner Schwester im Kriege w a r s c h i c k t e er einen Boten voraus, der ihn dem König anmelden und ihn um Aufnahme bitten sollte. Ptolemaios war noch ganz jung. Der Mann, der die Regierung führte, Potheinos, berief die angesehensten Männerzu einem Rat (die Angesehensten waren aber diejenigen, die er haben wollte) und forderte sie auf, jeder seine Meinung zu sagen. Das war nun eine Schmach, daß über Pompejus Magnus Rat gehalten wurde von dem Eunuchen Potheinos, von dem Chier Theodotos, der für Geld als Lehrer der Rhetorik angestellt war, und von dem Ägypter Achillas. Denn neben den übrigen Kammerdienern und Erziehern des Königs waren diese die hervorragendsten Ratgeber. Aufdas Urteil eines solchen Gerichtshofes wartete Pompejus, weitab vom Landeaufder Reede vor Anker liegend, er, der es für unter seiner Würde ansah, Caesar den Dank für die Erhaltung seines Lebens zu schulden! Die Meinungen der anderen gingen nun insoweit auseinander, als die einen dafür waren, den Mann abzuweisen, die anderen, ihn kommen zu lassen und aufzunehmen. Theodotos aber, bestrebt, eine Probe seiner tiefen Einsicht und seiner Redekunst zu geben, erklärte, keine der beiden Maßregeln böte Sicherheit, sondern wenn man sich zur Aufnahme entschlösse, so werde man Caesar zum Feinde und Pompejus zum Gebieter haben, und wiese man ihn ab, so werde man von Pompejus den Vorwurf ernten, daß man ihn verstoßen, von Caesar, daß man ihn habe laufen lassen. Das Beste wäre daher, den Mann kommen zu lassen und umzubringen; so werde man sich Caesar gefällig erweisen und Pompejus nicht zu fürchten brauchen. Wie es heißt, fügte er noch lächelnd hinzu:« Ein Toter beißt nicht.» 78. Nachdem sie dies beschlossen hatten, übertrugen sie Achillas die Ausfuhrung. Der nahm einen gewissen Septimius

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zu sich, der ehedem unter Pompejus als Kriegstribun gedient hatte, ferner einen Centurionen Salvius sowie drei oder vier Diener und fuhr zum Schiffe des Pompejus. In dieses waren inzwischen alle Angesehensten unter den Mitfahrenden übergestiegen, um zu erfahren, was sich begäbe. Als sie nun sahen, daß ihnen kein königlicher, glänzender Empfang bereitet wurde, gar nicht entsprechend den Hoffnungen des Theophanes, sondern daß nur ein paar Menschen auf einem armseligen Boot herangefahren kamen, schöpften sie dieser Respektlosigkeit gegenüber Verdacht und rieten Pompejus, d ' s Schiff wieder zurück in See gehen zu lassen, solange sie noch außer Schußweite waren. Inzwischen aber näherte sich das Boot schon, zuerst stand Septimius auf und redete Pompejus auf lateinisch als Imperator an, und Achillas begrüßte ihn auf griechisch undlud ihn ein, in das Boot überzusteigen; denn es sei viel flaches Wasser und das Meer habe nicht die genügende Tiefe für einen Dreiruderer und sei versandet. Zugleich sah man, wie einige königliche Schiffe bemannt wurden und der Strand von schwerem Fußvolk besetzt war, so daß es aussichtslos schien, auch wenn man sich nun anders entschlösse, zu entkommen. Dazu kam, daß man durch das Mißtrauen allein schon den Mördern eine Rechtfertigung ihres Verbrechens geliefert hätte. Pompejus nahm also Abschied von Cornelia, die schon im voraus seinen Tod beweinte, hieß zwei Centurionen, einen Freigelassenen, Philippus, und einen Sklaven namens Skythes mit einsteigen, und während ihm schon Achillas vom Boote her die Hand reichte, wandte er sich noch einmal zu seiner Frau und zu seinem Sohne zurück und zitierte die Sophoklesverse: «Wenn einer geht in des Tyrannen Haus, Ist er sein Sklave, kommt er auch als Freier 1 .» 79. Das waren die letzten Worte, die er zu den Seinen sprach; dann stieg er ein. Es war noch eine weite Entfernung von der

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Triere bis zum Land, und da keiner der Mitfahrenden ein freundliches Wort an ihn richtete, blickte er aufSeptimius und sagte: «Täusche ich mich oder bist du nicht einmal mein Kriegskamerad gewesen ?» Der nickte nur mit dem Kopf, ohne ein freundliches Wort dazu zu sagen. Als darauf wieder ein tiefes Schweigen eintrat, nahm Pompejus eine kleine Schriftrolle zur Hand, auf die er eine griechische Rede geschrieben hatte, welche er an Ptolemaios richten wollte, und las sie durch. Als sie sich dem Lande näherten, blickte von der Triere her Cornelia mit den Freunden nach ihm hin in gespannter Erwartung, was sich begeben würde, und begann schon Mut zu fassen, als sie viele der königlichen Bedienten zum Landungsplatze zusammenlaufen sah wie zu einem ehrenvollen Empfang. In diesem Augenblick, als eben Pompejus nach der Hand des Philippus griff, um leichter aufzustehen, durchbohrt ihn als erster Septimius von hinten mit dem Schwert, und nach ihm zog Salvius, nach ihm Achillas sein Schwert. Pompejus zog mit beiden Händen die Toga vors Gesicht, und ohne etwas zu sagen oder zu tun, was seiner unwürdig gewesen wäre, nur mit einem Stöhnen, ließ er die Stöße über sich ergehen und endete sein Leben, neunundfünfzig Jahre alt, einen Tag nach seinem Geburtstag 80. Die Leute auf den Schiffen, als sie den Mord mit ansahen, erhoben ein Wehgeschrei, daß es bis zum Lande zu hören war, lichteten in Eile die Anker und flohen davon, und ein frischer Wind kam ihnen bei der Fahrt aufs offene Meer hinaus zu Hilfe, so daß die Ägypter, die sie zuerst verfolgen wollten, wieder wendeten. Dem Leichnam des Pompejus schlugen sie den Kopf ab, und den Rumpf warfen sie nackt aus dem Boot und ließen ihn liegen, zur Augenweide fiir solche, die nach so etwas Verlangen trugen. Aber Philippus blieb bei ihm, bis die Leute sich an dem Anblick gesättigt hatten. Dann wusch er den Leichnam mit

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Meerwasser, wickelte ihn in eins seiner Kleidungsstücke, und da er sonst nichts hatte, sah er sich am Strande um und fand die Trümmer eines kleinen Bootes, zwar alt und morsch, aber doch ausreichend, um für einen nackten und nicht einmal vollständigen Leichnam zur Not einen Scheiterhaufen herzugeben. Während er diese Trümmer zusammentrug und schichtete, trat ein Römer zu ihm, schon ein Greis, der als junger Mann die ersten Feldzüge des Pompejus mitgemacht hatte, und sagte: «Wer bist du, Mensch, der du den Pompejus Magnus zu bestatten vorhast?» Und als Philippus antwortete, er sei sein Freigelassener, sagte der andere: « Diese Ehre soll dir nicht allein zuteil werden. Nimm mich zum Genossen bei diesem frommen Werk, zu dem mein guter Stern mich fuhrt, damit ich mich nicht in allem über mein Leben in der Fremde beklagen muß, sondern für vieles Mißgeschick wenigstens diesen Ausgleich finde, daß ich mit meinen Händen den größten Feldherrn der Römer berühren und ihm die letzten Ehren erweisen darf.» So wurde der Leichnam des Pompejus versorgt. Als am nächsten Tage Lucius Lentulus, ohne noch etwas von dem Geschehenen zu wissen, von Kypros angesegelt kam, am Strande entlangfuhr und einen Scheiterhaufen für einen Toten und Philippus dabeistehen sah - ohne ihn aber schon zu erkennen - , sagte er: «Wer hat hier wohl sein Geschick erfüllt und ist zur Ruhe gekommen?» und nach einer kleinen Weile seufzte er und sagte: «Vielleicht du, Pompejus Magnus!» Nach kurzer Zeit stieg er an Land, wurde ergriffen und getötet. Das war das Ende des Pompejus. Als nicht viel später Caesar in das von einer so argen Freveltat besudelte Ägypten k a m w a n d t e er sich von dem, der ihm den Kopf des Pompejus brachte, als von einem Verfluchten ab; aber den Siegelring des Toten nahm er in Empfang und weinte dabei; ein Löwe mit einem Schwert war darein graviert. Achillas und Potheinos ließ er hinrichten. Der König selbst wurde

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in einer Schlacht am Flusse geschlagen und nicht mehr gefunden. Der Sophist Theodotos entging noch der Rache Caesars, denn er floh aus Ägypten und trieb sich in kümmerlichen Verhältnissen, allen verhaßt, herum. Aber Marcus Brutus, als er nach der Ermordung Caesars an der Macht war, machte ihn in Asien ausfindig und ließ ihn unter jeder Art von Martern hinrichten. Die Überreste des Pompejus empfing Cornelia, ließ sie zum Albanum 1 bringen und dort beisetzen. 81 ( i ) . Nachdem nunmehr die Lebensbeschreibungen beider Männer vorliegen, so wollen wir in Kürze alles, was sie unterscheidet, überblicken, indem wir es nebeneinander stellen. Es ist das Folgende: Erstens, daß Pompejus auf die rechtmäßigste Art zu Macht und Ruhm gelangte, indem er aus eigener Kraft ans Werk ging und dem Sulla, der Italien von den Tyrannen befreite, viele bedeutende Dienste leistete, während Agesilaos offenbar auf eine Weise, die weder vor Göttern noch vor Menschen tadelfrei war, zur Regierung kam, indem er den Leotychides, den sein Bruder als echtbürtigen Sohn anerkannt hatte, für einen Bastard erklären ließ und mit dem Orakel über das lahme Königtum seinen Spott trieb. Das zweite ist, daß Pompejus dem Sulla sowohl bei Lebzeiten stets Ehre erwies als auch nach seinem Tode den Leichnam in Abwehr des Lepidus ehrenvoll bestattete und seine Tochter mit Sullas Sohn Faustus vermählte, während Agesilaos den Lysander mit dem ersten besten Vorwand herabwürdigte und verhöhnte. Dabei hatte Sulla nicht geringere Dienste von Pompejus empfangen als ihm erwiesen, und Lysander andererseits hatte den Agesilaos zum König von Sparta und zum Oberfeldherrn von Griechenland gemacht. Drittens geschahen die Übertretungen des Rechts beim politischen Handeln auf Seiten des Pompejus aus verwandtschaftlichen Rücksichten; denn das meiste ließ er sich

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seinen Schwiegervätern, Caesar und Scipio, zuliebe zuschulden kommen. Agesilaos andererseits entriß den Sphodrias, der für seinen Übergriff den Athenern gegenüber sterben sollte, aus Rücksicht auf die Liebe seines Sohnes der verdienten Strafe, und dem Phoibidas, der den Frieden mit den Thebanern gebrochen hatte, stand er offenkundig gerade wegen dieses Übergriffes mit Eifer bei. Und überhaupt: was Pompejus den Römern aus Scheu oder Unwissenheit an Schaden zugefügt zu haben bezichtigt wurde, das fugte Agesilaos den Lakedaimoniern zu aus Leidenschaft und Streitsucht, indem er den Boiotischen Krieg entzündete. 82 (2). Wenn man aber bei den Mißgriffen und Niederlagen beider Männer auch ihrem Schicksal einen gewissen Anteil zuzuschreiben hat, so ist zu sagen, daß das des Pompejus den Römern unerwartet kam; den Lakedaimoniern aber gestattete Agesilaos nicht, trotz ihres Vorauswissens sich vor dem lahmen Königtum in acht zu nehmen. Denn wenn Leotychides auch tausendmal als fremdstämmig und unecht erwiesen worden wäre, so würden die Eurypontiden 1 doch nicht in Verlegenheit gewesen sein, Sparta einen echtbürtigen König mit gesunden Beinen zu stellen, wenn nicht dem Agesilaos zuliebe Lysander das Orakel verdunkelt und mißdeutet hätte. Ein solches Heilmittel jedoch, wie es Agesilaos nach dem Unglück bei Leuktra zur Lösung der Schwierigkeit mit den aus der Schlacht Geflohenen in Anwendung brachte, als er den Rat gab, die Gesetze für jenen Tag schlafen zu lassen, einen so staatsklugen Einfall hat es sonst noch nicht gegeben, und wir haben von Pompejus' Seite nichts Ähnliches vorzuweisen. Im Gegenteil: er glaubte sich nicht einmal an die Gesetze halten zu müssen, die er selbst gegeben hatte, um den Freunden seine große Macht vor Augen zu fuhren; der andere hingegen, in die Notwendigkeit versetzt, die Gesetze aufzuheben, um die Bürger zu retten, fand ein Verfahren, vermöge dessen sie we-

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der den Bürgern schadeten noch, um ihnen nicht zu schaden, aufgehoben zu werden brauchten. Ich rechne aber auch jene unvergleichliche T a t zu den Beweisen der Staatsklugheit des Agesilaos, daß er, als er den Befehl dazu erhielt, die Unternehmungen in Kleinasien aufgab. Denn, anders als Pompejus, nützte er dem Staate nicht durch die Taten, durch welche er sich selber groß machte, sondern mit dem Blick auf das Wohl des Vaterlandes gab er eine Machtstellung aus der Hand, so groß und glorreich, wie sie keiner vorher noch nachher gehabt hat außer Alexander. 83 (3). Betrachten wir, von einer andern Seite ausgehend, die Feldziige und Kriegstaten beider, so glaube ich, daß der Zahl der Siegesmale, der Größe der Heere, die Pompejus anführte, der Menge der Schlachten, die er gewann, selbst Xenophon nicht die Siege des Agesilaos zur Seite stellen würde, Xenophon, dem wegen seiner anderen großen Vorzüge gleichsam das besondere Vorrecht zuerkannt ist, über den Mann zu schreiben und zu sagen, was er will Ich glaube aber, daß auch in bezug auf Milde den Feinden gegenüber der eine sich stark von dem andern unterscheidet. Agesilaos wollte Theben versklaven und Messene zur Wüste machen, letztere Stadt eine Erbgenossin seines Vaterlandes, Theben die Heimat seines Geschlechtes 2 , und verlor dabei um ein Haar Sparta, verlor tatsächlich die Führerstellung. Pompejus hingegen gab den Seeräubern, die sich ihm unterwarfen, Städte und machte Tigranes, den König der Armenier, obschon es in seiner Hand lag, ihn im Triumph aufzuführen, zum Bundesgenossen und Freunde, und er tat dazu die Äußerung, an der Ewigkeit wäre ihm mehr gelegen als an einem einzigen Tage. Wenn aber der erste Preis der Feldherrntüchtigkeit den wichtigsten, entscheidenden militärischen Taten und Erwägungen zuerkannt wird, dann hat der Lakone den Römer weit

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hinter sich gelassen. Denn erstens verließ er seine Vaterstadt nicht, noch gab er sie preis, als die Feinde mit siebzigtausend Mann eingefallen waren, obwohl er nur wenige Soldaten, die noch dazu vorher bei Leuktra besiegt worden waren, zu seiner Verfügung hatte. Pompejus dagegen stürzte voll Angst aus Rom davon, als Caesar mit nur fiinftausenddreihundert Mann eine einzige Stadt Italiens besetzt hatte, sei es, daß er feige so wenigen wich, sei es, daß er fälschlich mehr vermutete. Seine Kinder und seine Frau nahm er eilends mit, die der anderen ließ er schutzlos zurück, und so floh er, da es seine Pflicht gewesen wäre, entweder für das Vaterland zu kämpfen und zu siegen oder die Vergleichsvorschläge des Stärkeren anzunehmen; denn er war sein Mitbürger und Verwandter. Statt dessen gab er demjenigen, dem er eine Verlängerung seiner Statthalterschaft und das Konsulat zu bewilligen für unerträglich hielt, die Möglichkeit, die Stadt zu nehmen und zu Metellus zu sagen, er sehe ihn und alle anderen für seine Gefangenen an. 84 (4). Was sodann die Hauptaufgabe eines tüchtigen Feldherrn ist: wenn er stärker ist, die Feinde zum Schlagen zu zwingen, und wenn er schwächer ist, sich nicht dazu zwingen zu lassen, das leistete Agesilaos stets und bewahrte sich so unbesiegt. Dem Pompejus aber wußte sich Caesar, wo er der Schwächere war, zu entziehen, so daß er keinen Schaden erlitt; womit er aber der Stärkere war, mit dem Landheer, zwang er ihn die Entscheidungsschlacht anzunehmen und zu verlieren, und machte sich so im Augenblick zum Herrn des Materials, der Lebensmittel und des Meeres, alles dessen also, wodurch er, wenn es in der Hand der Feinde blieb, ohne Kampf aufgerieben worden wäre. Was hierbei als Entschuldigung für ihn zu dienen scheint, ist vielmehr die schwerste Anklage gegen einen so erfahrenen Feldherrn. Denn wenn ein junger Truppenführer sich durch Geschrei und Schmähungen zu schwächlichem Nachgeben zwingen läßt und seine zuverlässigsten Erwägun-

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gen aufgibt, so ist das begreiflich und entschuldbar; wenn aber Pompejus Magnus, dessen Lager die Römer für ihr Vaterland, dessen Zelt sie für den Senat erklärten und alle, die in Rom regierten, Practoren und Konsuln waren, Abtrünnige und Verräter nannten, von dem man wußte, daß er unter keines andern Kommando gestanden, sondern alle seine Feldzüge als Oberbefehlshaber ruhmvoll geführt hatte: wenn dieser Mann sich durch die Spötteleien eines Favonius und Domitius, und um nicht ein Agamemnon genannt zu werden, blindlings dazu treiben ließ, die Entscheidung über Reich und Freiheit auf die Karte einer Feldschlacht zu setzen: wer kann das ungerügt hingehen lassen! Hatte er nur den Prestigeverlust des Tages im Auge, so mußte er gleich im Anfang standhalten und den Kampf um Rom wagen, aber nicht jenen Rückzug für eine themistokleische Kriegslist erklären und später ein Hinausschieben der Schlacht in Thessalien für eine Schande ansehen. Denn der Gott hatte ihnen ja nicht die Ebene von Pharsalos als Arena und Schauplatz für den Kampf um die Herrschaft angewiesen, noch wurde er von einem Herold aufgerufen, herabzusteigen und zu kämpfen oder einem andern den Kranz zu überlassen, sondern viele Ebenen, tausend Städte und unermeßliches Land stellte ihm seine Beherrschung der See zur Verfügung, wenn er dem Beispiel des Maximus, Marius, Lucullus, ja des Agesilaos selbst hätte folgen wollen, der nicht geringere Tumulte in Sparta über sich ergehen ließ, als die Leute mit den Thebanern um das Land kämpfen wollten, auch in Ägypten viele Vorwürfe, Anschuldigungen und Verdächtigungen des Königs ertrug, als er ihm sich ruhig zu verhalten anriet, unbeirrt, wie er es wollte, seinen besten Überlegungen folgte und nicht nur die Ägypter wider ihren Willen rettete und Sparta in so heftigen Erschütterungen allein stets aufrecht erhielt, sondern sogar ein Siegesmal über die Thebaner in der Stadt errichtete und seinen Mitbürgern die Mög-

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lichkeit, wieder zu siegen, gab, daduich, daß er sie vorher trotz ihres Drängens sich nicht hatte selbst vernichten lassen. Daher wurde Agesilaos von denen, die er erst unter seinen Z w a n g gebeugt hatte, später, als sie sich von ihm gerettet sahen, gelobt; Pompejus dagegen, der durch andere zu seinem Fehler gedrängt worden war, hatte eben diejenigen, denen er gefolgt war, zu Anklägern. Indes sagen einige, daß er von seinem Schwiegervater Scipio getäuscht worden sei, der in der Absicht, den größten Teil des Geldes, das er aus Asien mitgebracht hatte, beiseite zu bringen, es verborgen hatte und nun zur Schlacht drängte, weil kein Geld mehr vorhanden sei. Auch wenn das wahr wäre, hätte es doch dem Feldherrn nicht passieren und er sich nicht so leicht überlisten lassen und unbesonnen den Entscheidungskampf wagen dürfen. So beurteilen wir auf diesem Gebiet die beiden Männer. 85 ( j ) . Nach Ägypten fuhr der eine flüchtig im Zwange der Not, der andere wenig rühmlich und ohne Not um Geldes willen, um mit Hilfe dessen, was er als Feldherr von Barbaren erwarb, gegen Griechen Krieg zu führen. Was wir sodann wegen Pompejus den Ägyptern vorwerfen, das legen die Ägypter dem Agesilaos zur Last. Jener traute ihnen und erlitt schwerstes Unrecht, und Agesilaos genoß Vertrauen, ließ sie aber im Stich und trat zu den Feinden derer über, als deren Mitkämpfer er nach Ägypten gefahren war.

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i. Der ältere Cato sagte zu Leuten, die einen im Kriege besinnungslos tollkühnen und wagehalsigen Mann lobten, es sei nicht dasselbe, die Tapferkeit hoch zu achten und das Leben gering zu achten, und damit hatte er recht. Gestand doch der unter Antigonos 1 dienende draufgängerische Soldat, ein kränklicher Mensch mit verseuchtem Körper, als der König ihn nach dem Grunde seiner Blässe fragte, ein heimliches Leiden ein. Als darauf der König den Ärzten dringend anbefahl, wenn es irgendeine Hilfe gäbe, es nicht an der äußersten Bemühung fehlen zu lassen, so wurde der brave Mann geheilt, suchte aber nun nicht mehr die Gefahr und war nicht mehr so wagehalsig in den Kämpfen, so daß Antigonos ihm Vorwürfe machte und seine Verwunderung über den Wandel aussprach. Darauf verhehlte der Mann auch den Grund nicht, sondern sagte offen: «Du hast mich minder wagemutig gemacht, o König, indem du mich von jenen Leiden befreitest, wegen deren ich das Leben für nichts achtete.» In diesem Sinne sagte wohl auch der Mann aus Sybaris von den Spartanern, sie täten ja nichts Besonderes, wenn sie in den Schlachten den Tod suchten, um solchen Strapazen und einem so jämmerlichen Leben zu entrinnen. Doch den Sybariten, die in ihrer Üppigkeit und Verweichlichung jeden Sinn für edles Streben nach der Tugend eingebüßt hatten, mochte es begreiflicherweise so scheinen, als ob diejenigen, die den Tod nicht fürchteten, das Leben haßten. Den Lakedaimoniern aber gewährte ihre Tugend beides: freudig zu leben und freudig zu sterben, wie es das Grabepigramm bezeugt, welches sagt:

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«Die hier fielen, sie sahn nicht im Leben das G u t noch im Sterben, Sondern darin, daß gut jegliches werde vollbracht.» Denn weder ist das Meiden des Todes tadelnswert, wenn man auf nicht unedle Weise sich das Leben zu erhalten strebt, noch ist es rühmlich, den T o d zu erleiden, wenn es aus Lebensverachtung geschieht. Daher läßt Homer stets die mutigsten und streitbarsten Männer sorgfältig gerüstet in den Kampf ziehen, und die Gesetzgeber der Griechen bestrafen denjenigen, der den Schild wegwirft, nicht den, der Schwert oder Lanze preisgibt, womit sie lehren wollen, daß ein jeder mehr darauf bedacht sein soll, keinen Schaden zu leiden, als den Feinden Schaden zuzufügen, vor allem der Führer eines Staates oder eines Heeres. 2. Denn wenn, wie Iphikrates' darlegte, die leichten T r u p pen den Händen, die Reiter den Füßen, die schwerbewaffnete Front der Brust und dem Panzer, der Feldherr aber dem Haupt entspricht, so setzt der Führer, der sich tollkühn in die Gefahr begibt, offenbar nicht sich allein, sondern alle aufs Spiel, deren Heil - oder das Gegenteil - an seiner Person hängt. Daher hatte Kallikratidas *, obschon sonst ein großer Mann, nicht recht mit dem Worte, das er zu dem Seher sprach. Denn als dieser ihn aufforderte, sich vor dem Tode zu hüten, den das Opfer ihm vorverkündige, sagte er, das Heil Spartas ruhe nicht auf einem Haupt. Als Kämpfer, als Feldzugsteilnehmer zur See oder zu Lande, war Kallikratidas nur ein Mann. Als Feldherr aber faßte er die Kraft aller in seiner Person zusammen, so daß er, mit dem zugleich soviel zugrunde ging, nicht nur ein Mann war. Treffender war das Wort des greisen Antigonos, als er im Begriff war, die Seeschlacht bei Andros 3 zu liefern. Als da einer bemerkte, die Schiffe der Feinde seien ja viel zahlreicher, sagte e r : « Und wie viele rechnest du auf mich ? », indem

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er - sehr mit Recht - die Bedeutung der mit Erfahrung und Tüchtigkeit verbundenen Herrscherwürde hoch ansetzte, deren erste Pflicht es ist, den zu erhalten, der alles andere erhält. Recht hatte daher auch Timotheos, wenn er, als einmal Chares den Athenern die Narben an seinem Leibe und seinen von einer Lanze durchbohrten Schild vorwies, seinerseits sagte: «Ich habe mich vielmehr sehr geschämt, als bei der Belagerung von Samos ein Geschoß in meiner Nähe einschlug, daß ich mich mit mehr jugendlicher Unbesonnenheit der Gefahr ausgesetzt hatte, als sich für den Feldherrn und Befehlshaber einer so großen Heeresmacht ziemte 1 .» Denn wo der persönliche Einsatz des Feldherrn für das Ganze von entscheidender Bedeutung ist, da muß er schonungslos von seinem Arm und seinem Körper Gebrauch machen und sich nicht scheren um die Leute, die da sagen, der wahre Feldherr müsse am besten aus Altersschwäche, und wenn nicht das, doch in hohem Alter sterben; wo aber nur ein geringer Gewinn herausspringt, wenn es gut geht, und das Ganze in Mitleidenschaft gezogen wird, wenn es schlecht geht, da fordert niemand vom Feldherrn die mit Lebensgefahr verbundene Leistung des einfachen Soldaten 2 . Dies vorweg zu bemerken, drängte sich mir auf, da ich daran gehe, das Leben des Pelopidas und das des Marcellus zu schreiben, großer Männer, die auf unvernünftige Weise den Tod gefunden haben. Sie waren beide Meister im persönlichen Nahkampf, hatten durch glänzende Feldherrn taten ihrem Vaterland die größten Dienste erwiesen, die gefährlichsten Gegner, Marcellus den unbesiegbaren Hannibal als erster - wie es heißt - aus dem Felde geschlagen, Pelopidas die Lakedaimonier, die Herren über Land und Meer, in offener Feldschlacht besiegt, und dann schonten sie sich nicht ohne Sinn und Verstand, sondern warfen ihr Leben weg in einem Augenblick, da es besonders not tat, daß solche Männer erhalten blieben und

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das Kommando führten. Daher haben wir, diesen Ähnlichkeiten nachgehend, ihre Lebensläufe zueinander in Parallele gesetzt. 3. Pelopidas, Sohn des Hippoklos, entstammte wie Epameinondas einem edlen Geschlecht in Theben. Er wuchs im Wohlstand auf, kam noch jung in den Besitz eines großen Vermögens und bemühte sich, Bedürftigen und Freunden, die dessen würdig waren, zu helfen, um sich in Wahrheit als Herr, nicht als Sklave seines Geldes zu erweisen. Denn die meisten machen, wie Aristoteles sagt 1 , von ihrem Reichtum keinen Gebrauch aus kleinlichem Geiz oder einen schlechten Gebrauch aus Liederlichkeit, und so sind die einen stets Sklaven ihrer Lüste, die anderen ihrer geschäftlichen Sorgen. Während nun die anderen von der großzügigen Freundlichkeit des Pelopidas dankbar Gebrauch machten, vermochte er als einzigen seiner Freunde den Epameinondas nicht zu bewegen, an seinem Reichtum teilzunehmen; er selbst jedoch teilte dabei die Armut des andern und suchte seine Ehre darin, schlicht gekleidet zu sein, einfach zu leben und im Felde unverdrossen alle Strapazen auf sich zu nehmen. Wie der Kapaneus des Euripides, «der gar ein reicher Mann, Doch niemals stolz auf seinen Reichtum w a r » 1 , hätte er sich geschämt, wenn man ihn mehr auf seinen Leib hätte verwenden sehen als der ärmste Thebaner. Epameinondas machte die ihm gewohnte, angestammte Armut sich noch erträglicher und leichter, indem er sich mit Philosophie befaßte und sich von Anfang an für ein eheloses Leben entschied. Pelopidas hatte eine glänzende Heirat gemacht, hatte auch Kinder, trotzdem aber kümmerte er sich nicht um Geschäfte, widmete seine ganze Zeit dem Staate und sah so sein Vermögen sich vermindern. Doch als ihm seine Freunde deshalb Vorwürfe machten und sagten, er vernachlässige eine not-

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w e n d i g e Pflicht, das Geldverdienen, da sagte e r : «Ja, notw e n d i g hier fiir N i k o d e m o s ! » u n d zeigte dabei auf einen blinden Krüppel. 4. Für jegliches nützliche T u n waren sie gleich b e g a b t , nur daß Pelopidas mehr Freude an den Leibesübungen hatte, Epameinondas an geistiger T ä t i g k e i t , und in der Mußezeit suchte der eine seine Erholung auf den Turnplätzen und bei der Jagd, der andere beim Lesen und Philosophieren. Viel Rühmliches ist von beiden z u vermelden, aber nichts rechnen ihnen einsichtige Beurteiler so hoch an w i e die Liebe und Freundschaft, die sie durch so viele Kämpfe, Kommandos und politische G e schäfte von A n f a n g bis zum Ende unverbrüchlich zusammenhielt. Blickt man auf die politische T ä t i g k e i t des Aristeides und Themistokles, des Kimon und Perikles, des Nikias und Alkibiades, wie voll sie gewesen ist von Streit, N e i d und gegenseitigen Eifersüchteleien, und betrachtet man dann wieder die Liebe und A c h t u n g , die Pelopidas und Epameinondas einander e n t g e g e n brachten, dann wird man mit Recht und F u g diese Männer wirkliche Kollegen auf dem zivilen w i e auf dem militärischen Gebiet nennen statt jene, die fortwährend mehr darum kämpften, übereinander als über die Feinde die Oberhand zu gewinnen. Der wahre Grund dafür lag in der hohen Gesinnung, kraft deren sie m i t ihren T a t e n nicht nach R u h m und R e i c h t u m strebten, worin der böse, zänkische Neid emporkeimt, sondern daß sie beide von Anfang an von dem heiligen Verlangen erfüllt waren, ihr Vaterland durch ihre Leistung zu höchstem R u h m und G r ö ß e emporsteigen zu sehen, und daher ein jeder die Erfolge des anderen wie eigene diesem Ziel z u g u t e kommen ließen. Die meisten glauben allerdings, ihre enge Freundschaft schreibe sich von dem F e l d z u g gegen Mantineia her, den sie beide mitmachten, als den damals noch befreundeten und verbündeten Lakcdaimoniern von T h e b e n ein Hilfskontingent geschickt worden w a r ' . Da standen sie nebeneinander

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in der Hoplitenphalanx und kämpften gegen die A r k a d e r , und als der Flügel der Lakedaimonier, auf dem sie sich befanden, ins Wunken kam und die meisten schon die Flucht ergriffen hatten, da standen sie weiter, Schild an Schild g e d r ä n g t , und wehrten sich gegen die Anstürmenden. Pelopidas, der sieben W u n d e n in die Brust empfangen hatte, w a r schon über viele Leichen, Freunde und Feinde, hingesunken, aber Epameinondas trat, obwohl er glaubte, daß Pelopidas schon nicht mehr am Leben sei, v o r seinen Leib und seine Waffen hin und kämpfte allein den schweren K a m p f gegen viele, entschlossen, lieber zu sterben als den Pelopidas da liegen zu lassen. U n d als es auch mit ihm schon übel stand und er einen Lanzenstich in die B r u s t , einen S c h w e r t h i e b in den A r m erhalten hatte, da kam v o m andern Flügel der Spartanerkönig Agesipolis zu Hilfe und brachte beiden die kaum noch erhoffte R e t t u n g . 5. Als danach die Spartaner zwar äußerlich noch mit den T h e b a n e r n w i e mit Freunden und Verbündeten v e r k e h r t e n , in Wahrheit aber den Stolz und die M a c h t der Stadt mit A r g wohn betrachteten und vor allem die politische G r u p p e des Ismenias und des Androkleidas - der auch Pelopidas angehörte - haßten, weil sie als freiheitsliebend und demokratisch galt, da beredeten Archias, Leontidas und Philippos, oligarchisch gesinnte reiche M ä n n e r , die kein M a ß kannten, den L a k o n e r Phoibidas, der gerade mit Heeresmacht durch marschierte, unversehens die Kadmeia zu besetzen, ihre politischen G e g n e r zu verjagen und den Staat in eine den Lakedaimoniern hörige Oligarchie umzuwandeln. E r ließ sich bereden, überfiel während der Feier des Thesmophorienfestes die nichtsahnenden T h e b a n e r und bemächtigte sich der B u r g I s m e n i a s w u r d e ergriffen, nach Lakedaimon gebracht und nicht lange danach hingerichtet, Pelopidas, Pherenikos und Androkleidas

flohen

mit vielen anderen u n d wurden in die A c h t erklärt. Epameinondas blieb im L a n d e , weil man ihn wegen seiner philosophi-

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sehen Studien fiir energielos, wegen seiner Armut für ohnmächtig ansah und gering achtete. 6. Als in der Folge die Lakedaimonier den Phoibidas zwar seines Kommandos entsetzten und ihm eine Strafe von hunderttausend Drachmen 1 auferlegten, die Kadmeia aber nichtsdestoweniger besetzt hielten, wunderten sich alle übrigen Hellenen über den Widersinn, daß man den Täter bestrafte, die Tat aber anerkannte, und den Thebanern, die ihre überkommene Verfassung verloren hatten und unter das Joch des Archias und Leontidas gezwungen worden waren, blieb nicht einmal eine Hoffnung, von der Gewaltherrschaft frei zu werden, die sie durch die Macht der Spartaner geschützt sahen, so daß sie nicht gestürzt werden konnte, es sei denn, daß man auch der spartanischen Herrschaft zu Land und See ein Ende machte. Darüber hinaus suchte die Partei des Leontidas, als sie erfuhr, daß die Geflohenen sich in Athen aufhielten, beim Volke beliebt waren und auch bei den führenden Männern Achtung genossen, sie heimlich zu beseitigen. Sic schickten unbekannte Leute und ließen Androkleidas meuchlerisch umbringen; die übrigen verfehlten sie. Dazu kam von den Lakedaimoniern ein Schreiben nach Athen mit der Aufforderung, die Verbannten nicht aufzunehmen noch ihre Pläne zu fördern, sondern sie auszuweisen, weil sie von den Bundesgenossen als gemeinsame Feinde erklärt worden seien. Doch die Athener erwiesen nun - abgesehen von ihrer ihnen von den Vätern her angestammten menschenfreundlichen Gesinnung - den Thebanern ihren Dank dafür, daß sie dem Volk starken Beistand für die Wiederherstellung der Demokratie geleistet und den Beschluß gefaßt hatten, daß, wenn ein Athener Waffen gegen die Tyrannen durch Boiotien beförderte, kein Boioter etwas hören noch sehen sollte 1 ; sie ließen also die Thebaner unbehelligt. 7. Pelopidas seinerseits nun, obschon einer der Jüngsten, bearbeitete die Verbannten im einzelnen Mann für Mann und

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stellte der Gesamtheit vor, daß es Schmach und Sünde sei, ruhig zuzusehen, wie das Vaterland geknechtet und geknebelt sei, und sich damit abzufinden, daß man selbst gerettet sei und das Leben habe, daß man von den in Athen gefaßten Beschlüssen abhängig sei und fußfällig denen huldigte, die jeweils das Wort zu führen und das Volk zu überreden verstünden; nein, man müsse um den höchsten Preis das Wagnis unternehmen und sich den kühnen Mut und die Tapferkeit des Thrasybulos zum Vorbild nehmen, damit, wie er vordem, von Theben aufbrechend, die Tyrannen in Athen gestürzt habe, so jetzt sie hinwiederum, von Athen ausgehend, Theben befreiten. Nachdem er mit dieser Mahnung sich durchgesetzt hatte, schickten sie heimlich nach Theben zu den dort verbliebenen Freunden, um ihnen den Beschluß zu melden. Die stimmten zu, Charon, der der Angesehenste war, erklärte sich bereit, sein Haus zur Verfügung zu stellen, und Phyllidas erreichte, daß er der Schreiber des Archias und Philippos, die das Polemarchenamt1 führten, wurde. Epameinondas hatte längst schon die jungen Leute mit hohem Mut erfüllt. Er hatte sie gemahnt, auf den Turnplätzen die Lakedaimonier zum Ringkampf herauszufordern, und wenn er dann sah, daß sie auf ihren Sieg und ihre Überlegenheit stolz waren, hatte er sie geschmäht: sie sollten sich lieber schämen, daß sie aus Feigheit Knechte derer seien, denen sie an Kraft so überlegen seien. 8. Als der Tag (iir die Ausfuhrung festgesetzt war, beschlossen die Verbannten, daß Pherenikos die übrigen in der Thriasischen Ebene 1 versammeln und dort warten sollte; einige wenige aber sollten es wagen, vorweg in die Stadt einzudringen, und wenn ihnen von den Feinden etwas zustieße, dann sollten die anderen alle dafür sorgen, daß weder ihre Kinder noch ihre Eltern am Notwendigsten Mangel litten. Als erster meldete sich zu der Tat Pelopidas, dann Melon, Damokleidas und Theopompos, Männer aus den ersten Häusern, die übrigens in en-

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ger Freundschaft miteinander verbunden waren, aber um den Preis der Ehre und der Tapferkeit miteinander wetteiferten. Insgesamt waren es zwölf. Nachdem sie sich von den Zurückbleibenden verabschiedet und einen Boten an Charon vorausgeschickt hatten, machten sie sich in Reisemänteln auf den Weg unter Mitnahme von Jagdhunden und Stellhölzern für Netze, damit keiner, der ihnen unterwegs begegnete, Verdacht schöpfte, sondern glaubte, daß sie ohne sonstige Absichten herumzögen, um zu jagen. Als der von ihnen ausgesandte Bote zu Charon kam und meldete, daß sie unterwegs seien, wurde Charon selbst, auch da nun die Stunde der Entscheidung nahte, nicht in seiner Gesinnung wankend, sondern zeigte sich als ein braver Mann und hielt sein Haus offen. Ein gewisser Hippostheneidas aber, kein schlechter Mensch, sondern vaterlandsliebend und den Verbannten treu ergeben, aber nicht von dem harten Wagemut, wie der entscheidende Augenblick und die vorgenommene Tat ihn forderten, verlor angesichts der Schwere des unmittelbar bevorstehenden Kampfes die Nerven, da er sich jetzt erst recht klarmachte, daß sie ja gewissermaßen die Herrschaft der Lakedaimonier zu erschüttern und ihre Macht zu stürzen unternähmen, gestützt allein auf bodenlose Emigrantenhoffnungen. Er ging stillschweigend nach Haus und schickte einen seiner Freunde zu Melon und Pelopidas mit der Aufforderung, sie sollten für den Augenblick das Unternehmen aufschieben, wieder nach Athen zurückkehren und eine günstigere Gelegenheit abwarten. Chlidon hieß der Abgesandte. Er ging eilends zu sich nach Haus, führte sein Pferd heraus und verlangte das Zaumzeug. Als darauf die Frau in Verlegenheit kam, weil sie es ihm nicht geben konnte, und sagte, sie habe es einem Bekannten geliehen, gab es erst Schmähungen, dann Worte von übler Vorbedeutung, indem sie ihm und denen, die ihn schickten, einen bösen Weg wünschte, so daß Chlidon, nachdem er einen großen Teil des

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Tages damit hingebracht hatte, im Ärger, und auch, weil er das Geschehene als einen Wink des Schicksals nahm, schließlich den Ritt ganz aufgab und sich anderen Dingen zuwendete. So hing es an einem Haare, daß die größte und herrlichste Tat gleich im Beginn ihren Augenblick versäumte. 9. Pelopidas und seine Freunde hatten inzwischen Bauernkleidung angelegt, sich geteilt und waren von verschiedenen Seiten noch vor Einbruch der Dunkelheit in die Stadt gekommen. Es stürmte und schneite, denn es war ein Witterungsumschlag eingetreten; um so leichter blieben sie unbemerkt, da die meisten sich schon wegen des schlechten Wetters in ihre Häuser geflüchtet hatten. Aber diejenigen, die die Aufgabe hatten, zu beobachten, was vorging, nahmen die Ankommenden in Empfang und brachten sie in das Haus des Charon. Sie waren nun mit den Verbannten achtundvierzig. Mit den Tyrannen stand es indessen folgendermaßen. Phyllidas, der Schreiber, war, wie schon gesagt, in allem Mitspieler und Mitwisser der Verbannten, und er hatte seit langem schon für jenen Tag dem Archias und seinen Freunden ein Gastmahl und Trinkgelage mit verheirateten Frauen angekündigt in der Absicht, die Männer möglichst erschöpft von den Ausschweifungen und betrunken den Angreifern ans Messer zu liefern. Als sie nun aber noch nicht sehr weit in der Trunkenheit gediehen waren, da gelangte an sie eine zwar nicht falsche, doch unbestimmte und sehr vage Meldung über die Verbannten, daß sie sich in der Stadt verborgen hielten. Obwohl nun Phyllidas das Gespräch davon abzulenken versuchte, schickte doch Archias einen seiner Diener zu Charon mit dem Befehl, sogleich zu ihm zu kommen. Es war schon Abend, und drinnen machten sich Pelopidas und die Seinen eben bereit, schon gepanzert und die Schwerter in den Händen. Da klopfte es plötzlich an der Tür, einer lief hin, hörte den Diener sagen, er komme im Auftrag der Polemarchen den Charon holen, und mel-

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dctc das drinnen in größter Bestürzung. Allen kam sofort der Gedanke, das Unternehmen sei verraten und sie seien alle verloren, ohne auch nur eine ihrer Ehre würdige T a t vollbracht zu haben. Trotzdem kam man zu dem Schluß, Charon müsse gehorchen und sich scheinbar arglos den Behörden stellen, er, der sonst mannhaft und voll Mut und Entschlossenheit im Angesicht der Gefahr, jetzt doch um der anderen willen schwer erschüttert und voll Furcht war, es möchte ein Verdacht des Verrates auf ihn fallen, wenn so viele und so angesehene Bürger ums Leben kämen. Als er nun im Begriff war zu gehen, ließ er aus dem Frauengemach seinen Sohn holen, der noch ein Knabe war, aber durch Schönheit und Körperkraft vor seinen Altersgenossen ausgezeichnet, gab ihn in Pelopidas' Hand and sagte, wenn sie ihn irgendeiner Hinterlist oder eines Verrates schuldig fänden, so sollten sie den Knaben als Feind behandeln und nicht schonen. Vielen von ihnen stürzten da die Tränen aus den Augen angesichts des Seelenschmerzes und des hohen Mutes Charons, alle aber entrüsteten sich, daß er irgendeinen von ihnen für so erbärmlich und für so zermürbt von der Not des Augenblicks halte, um ihn zu verdächtigen oder geradezu zu beschuldigen, und sie baten ihn, den Sohn nicht in ihren Kreis hineinzunehmen, sondern ihn aus dem, was sich nun entspinne, herauszuhalten, damit er als ein Rächer für die Stadt und die Freunde heranwachse, wenn er gerettet und den Tyrannen entronnen wäre. Aber Charon erklärte, er werde den Sohn nicht fortschaffen; denn was für ein Leben oder was für ein Heil könne er für ihn erwarten, das rühmlicher wäre als ein Tod ohne Schande gemeinsam mit dem Vater und so vielen Freunden. Dann betete er zu den Göttern, nahm von allen Abschied, sprach ihnen Mut zu und ging davon, indem er sich zusammennahm und Miene und Stimme so zu gestalten suchte, daß sie das Gegenteil von dem ausdrückten, was er im Sinne hatte.

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10. Als er an die Tür kam, trat Archias heraus und sagte: «Ich habe gehört, Charon, daß einige Verbannte hereingekommen sind und sich in der Stadt verborgen halten und daß einige Bürger mit ihnen im Komplott sind.» Charon erschrak zuerst, dann fragte er, wer die Hereingekommenen wären und wer diejenigen, die sie verborgen hielten, und als er wahrnahm, daß Archias nichts Bestimmtes zu sagen wußte, vermutete er, daß die Anzeige von keinem der Mitwisser ausgegangen sei, und sagte: «Seht nur zu, daß ihr euch nicht durch ein leeres Gerede beunruhigen laßt. Aber ich will der Sache doch nachgehen, denn man soll vielleicht nichts unbeachtet lassen.» Denselben Rat gab der hinzutretende Phyllidas, führte dann den Archias hinein, veranlaßte ihn, viel ungemischten Wein zu trinken, und zog das Gelage mit der Aussicht auf die erwarteten Frauen immer weiter hin. Als Charon nach Haus kam und die Männer gerüstet fand, nicht als ob sie noch auf Sieg oder Rettung hofften, sondern nur, um ehrenvoll und nach Erlegung vieler Feinde zu sterben, sagte er die Wahrheit nur Pelopidas und den Nächsten, den anderen erzählte er etwas von anderen Dingen, die Archias angeblich gesagt hätte. Während dieses erste Unwetter noch im Abziehen war, führte das Schicksal noch ein zweites fiir die Männer herauf. Es kam nämlich aus Athen von dem Hierophanten Archias 1 zu seinem Namensvetter Archias, seinem vertrauten Gastfreunde, ein Mann mit einem Brief, der nicht ungewisse, auf Mutmaßungen beruhende Verdächtigungen enthielt, sondern genau Stück für Stück über das geplante Unternehmen berichtete, wie sich später herausstellte. Jetzt aber wurde der Briefbote dem schon ganz betrunkenen Archias vorgeführt und sagte, während er den Brief übergab: «Der Absender dieses Briefes bittet dich, ihn sogleich zu lesen, denn er handle von sehr wichtigen Dingen.» Archias aber lächelte und sagte:

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«Also die wichtigen Dinge auf morgen », nahm den Brief, legte ihn unter sein Kopfkissen und richtete seine Aufmerksamkeit •wieder auf das begonnene Gespräch mit Phyllidas. Dieses Wort hat sich dann als Sprichwort verbreitet und ist bis heute noch bei den Griechen in Gebrauch. 11. Als endlich der rechte Augenblick für die Tat gekommen schien, brachen sie auf, und zwar in zwei Abteilungen: Pelopidas und Damoldeidas gegen Leontidas und Hypates, die nahe beieinander wohnten, Charon und Melon gegen Archias und Philippos. Sie hatten sich Frauenkleider über die Panzer gezogen und dicke Tannen- und Fichtenkränze aufgesetzt, die die Gesichter beschatteten. Sobald sie daher an der Tür des Festsaales erschienen, erregten sie Beifall und Freudenrufe, weil die Gäste glaubten, daß die lange erwarteten Frauen gekommen seien. Als sie aber die Gesellschaft ringsherum überblickt und jeden der Gelagerten deutlich erkannt, die Schwerter gezogen hatten und sich zwischen den Tischen hindurch auf Archias und Philippos stürzten und nun zeigten, wer sie waren, da vermochte Phyllidas nur wenige der Gäste zu bewegen, sich ruhig zu verhalten, die anderen, die mit den Polemarchen sich zur Wehr zu setzen suchten und aufsprangen, machten sie in ihrer Trunkenheit ohne viel Mühe nieder. Schwerere Arbeit hatten Pelopidas und seine Leute zu bestehen. Denn sie zogen gegen einen nüchternen, waffentüchtigen Mann, den Leontidas, fanden das Haus geschlossen, da er schon schlief, und lange Zeit hörte keiner trotz ihres Klopfens. Als sie dann endlich den Diener von drinnen herankommen und den Riegel zurückschieben hörten, stürzten sie, sowie die Tür nachgab und sich ein wenig öffnete, in dichter Masse hinein, rannten den Diener um und stürmten nach der Schlafkammer. Leontidas erkannte aus dem Lärm und Gerenne, was vorging, sprang auf und zog sein Schwert, vergaß aber, die Lichter zu löschen und so die Angreifer im Dunkeln

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übereinander herfallen zu lassen, und trat ihnen, im vollen Lichte deutlich zu erkennen, an der Tür der Schlafkammer entgegen, traf den zuerst eintretenden Kephisodoros und streckte ihn nieder. Nachdem er gefallen war, geriet Leontidas zu zweit mit Pelopidas zusammen, und die Enge der Tür und der schon tot zu ihren Füßen liegende Kephisodoros machte den Kampf schwer und mühevoll. Aber endlich siegte Pelopidas, und nachdem er den Leontidas erledigt hatte, eilte er sofort mit seinen Begleitern gegen Hypates. Sie drangen auf die gleiche Weise in das Haus ein, und obwohl er es schnell bemerkte und zu den Nachbarn flüchten wollte, folgten sie ihm auf dem Fuße, ereilten und töteten ihn. 12. Nachdem sie das vollbracht und sich mit der Gruppe Melons vereinigt hatten, sandten sie nach Attika zu den dort zurückgelassenen Verbannten, riefen die Bürger zur Freiheit auf und bewaffneten die ihnen Zuströmenden, indem sie von den Hallen die dort aufgehängten Beutewaifen nahmen und die in der Nähe gelegenen Werkstätten der Lanzen- und Schwertfabrikanten aufbrachen. Auch kamen ihnen in Waffen Epameinondas und Gorgidas zu Hilfe, die eine nicht geringe Zahl junger Leute und die wehrfähigsten der Älteren um sich gesammelt hatten. Inzwischen war die ganze Stadt schon in Aufruhr, überall Lärm, Fackeln um die Häuser und ein allgemeines Durcheinanderrennen. Doch hatte die Menge sich noch nicht versammelt, sondern voll Schreck über die Vorgänge, und ohne noch etwas Sicheres zu wissen, warteten sie auf den Anbruch des Tages. Daher rechnete man es den Befehlshabern der Lakedaimonier als Fehler an, daß sie nicht sofort zum Angriff vorgingen, obschon allein die Besatzung sich auf etwa tausendfünfhundert Mann belief und viele aus der Stadt ihnen zuströmten, sondern daß sie aus Furcht vor dem Geschrei, den Feuern und dem von allen Seiten empordringenden wilden Lärm untätig blieben und sich begnügten, die

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Kadmeia zu halten. Mit Tagesanbruch waren die Verbannten aus Attika gewaffnet zur Stelle, und das Volk war zur Versammlung zusammengetreten. Epameinondas und Gorgidas führten Pelopidas und seine Freunde ein, umgeben von den Priestern, die heilige Binden hochhielten und die Bürger mahnten, dem Vaterland und den Göttern zu Hilfe zu kommen. Auf diesen Anblick erhob sich die Versammlung wie ein Mann mit Händeklatschen und Beifallsrufen und empfing die Männer als Wohltäter und Retter. 13. Hierauf wurde Pelopidas zusammen mit Melon und Charon zum Boiotarchen 1 gewählt. Er umschloß sofort die Burg mit Verschanzungen und ließ sie von allen Seiten angreifen in der Absicht, die Lakedaimonier schnellstens zu vertreiben und die Kadmeia zu befreien, bevor aus Sparta ein Entsatzheer herankäme, und so klein war der Vorsprung, den er gewann, indem er den Männern freien Abzug bewilligte, daß sie auf ihrem Rückmarsch schon in Megara dem Kleombrotos 1 begegneten, der mit einem großen Heer gegen Theben heranzog. Die Spartaner zogen die drei Harmosten, die in Theben kommandiert hatten, vor Gericht und bestraften Herippidas und Arkesos mit dem Tode; der dritte, Lysanoridas, erhielt eine hohe Geldstrafe und entwich aus der Peloponnes. Diese T a t , die durch die bewiesene Heldenhaftigkeit der Männer und die bestandenen Kämpfe und Gefahren der des Thrasybulos glich und wie sie vom Glück begünstigt worden war, stellten die Griechen auch jener zur Seite. Denn man kann nicht leicht noch andere nennen, die in kleinerer Zahl über zahlreichere und in stärkerer Isolierung über mächtigere Gegner durch Wagemut und Klugheit den Sieg davongetragen und sich größere Verdienste um ihr Vaterland erworben hätten. Noch ruhmreicher machte aber diese Tat der Umschwung der Verhältnisse, den sie einleitete. Denn der Krieg, der die Hoheit Spartas stürzte und seiner Herrschaft zu Wasser und

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zu Lande ein Ende machte, ging von jener Nacht aus, in der Pelopidas nicht dadurch, daß er eine Mauer, eine Festung, eine Burg erstürmte, sondern daß er als einer von zwölfen in ein Haus einkehrte und, wenn man in einem Bilde die Wahrheit aussprechen darf, die Fesseln der Macht der Lakedaimonier löste und zersprengte, die unlösbar und unzerreißbar schienen. 14. Als nunmehr die Lakedaimonier mit einem großen Heer in Boiotien einfielen, die Athener in große Angst gerieten, den Thebanern die Bundesgenossenschaft aufkündigten und die boiotisch Gesinnten vor Gericht zogen und teils hinrichteten, teils verbannten, teils mit Geldstrafen belegten, als somit die Sache der Thebaner schlecht zu stehen schien, da niemand ihnen half, sannen Pelopidas und Gorgidas, die damals Boiotarchen waren, darauf, die Athener wieder mit den Lakedaimoniern zu verfeinden, und wandten folgende List an. Der Spartaner Sphodrias, ein tüchtiger und gefeierter Kriegsmann, aber ein oberflächlicher Kopf, voll von eitlen Hoffnungen und unvernünftigem Ehrgeiz, war mit Heeresmacht bei Thespiai gelassen worden, um diejenigen, die von den Thebanern abfallen wollten, aufzunehmen und zu unterstützen. An diesen schickte Pelopidas einen seiner Freunde, Diemporos mit Namen, der ihm Geld brachte und Vorschläge, die noch mehr als das Geld Eindruck auf ihn machten: er solle doch eine große T a t wagen und den Piräus wegnehmen, indem er die Athener, die darauf gar nicht gefaßt wären, unvermutet überfiele; nichts werde den Lakedaimoniern so willkommen sein wie Athen zu gewinnen, und die Thebaner, die ihnen grollten und sie Verräter schälten, würden ihnen keine Hilfe bringen. Schließlich ließ Sphodrias sich bereden, nahm seine Truppen und fiel nachts in Attika ein, kam auch bis Eleusis. Als aber dort seine Soldaten ihm den weiteren Gehorsam verweigerten, wurde die Sache offenkundig, und er trat den Rückzug nach Thespiai an,

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nachdem er einen nicht unbedeutenden, für die Spartaner nicht leicht zu nehmenden Krieg entzündet hatte. i j . Daraufhin kämpften die Athener erneut mit größtem Eifer an der Seite der Thebaner und wandten sich der See zu, fuhren überall umher und nahmen alle Griechen in ihren Bund auf, die zum Abfall von den Spartanern geneigt w a r e n D i e Thebaner ihrerseits gerieten in Boiotien ständig mit den Lakedaimoniern zusammen und schlugen Schlachten, die an sich nicht bedeutend waren, aber viel für ihre Übung und Schulung bedeuteten, ihren Mut entfachten, ihre Körper an Strapazen gewöhnten und ihnen Kampferfahrung und Selbstgefühl verliehen. Daher soll der Spartaner Antalkidas a , als Agesilaos verwundet aus Boiotien heimkam, zu ihm gesagt haben: «Ein schönes Lehrgeld hast du da von den Thebanern bekommen dafür, daß du sie wider ihren Willen Krieg zu fuhren und zu kämpfen gelehrt hast.» Aber in Wahrheit war nicht Agesilaos ihr Lehrmeister, sondern diejenigen, die zur gegebenen Zeit und mit Berechnung und sicherer Erfahrung die Thebaner wie junge Hunde auf die Feinde losließen und sie dann, wenn sie das Hochgefühl des Sieges gekostet hatten, in Sicherheit wieder zurückbrachten. Den größten Ruhm von diesen Männern erwarb sich Pelopidas. Denn nachdem sie ihn das erste Mal zum Feldherrn gewählt hatten, hörten sie nicht auf, ihm alljährlich ein militärisches Kommando zu übertragen, sondern entweder als Führer der heiligen Schar oder mehrenteils als Boiotarch wirkte er bis zu seinem Tode. So kam es bei Plataiai und Thespiai zu Schlappen und Rückzügen der Lakedaimonier, wo auch Phoibidas, der die Kadmeia genommen hatte, fiel, und auch bei Tanagra schlug er viele von ihnen in die Flucht und tötete den Harmosten 1 Panthoidas. Aber wenn diese Kämpfe auch den Mut und das Selbstgefühl der Sieger erhöhten, so drückten sie doch nicht gar so sehr auf die Moral der Besiegten. Denn es waren keine

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eigentlichen Feldschlachten, und sie legten es nicht auf Gefechte in regelrechtem Aufmarsch an, sondern auf Überfälle bei günstiger Gelegenheit, griffen die Feinde bei Rück- oder Vormärschen an und errangen bei solchen Scharmützeln ihre Erfolge. 16. Aber der Kampf bei Tegyrai, der gleichsam ein Vorspiel der Schlacht bei Leuktra war, brachte Pelopidas hohen Ruhm, weil er weder den Mitfeldherren die Möglichkeit ließ, ihm den Erfolg streitig zu machen, noch den Feinden, die Niederlage zu beschönigen. Er lauerte nämlich schon immer der Stadt Orchomenos1 auf, die die Partei der Spartaner ergriffen und zwei Regimenter zu ihrer Sicherung aufgenommen hatte, und wartete auf eine günstige Gelegenheit. Als er nun hörte, daß die Besatzung einen Zug nach Lokris unternommen habe, rückte er aus in der Hoffnung, Orchomenos ungeschützt zu überrumpeln, begleitet von der heiligen Schar und einer kleinen Zahl Reiter. Als er aber, in die Nähe der Stadt gelangt, erfuhr, daß eine Ablösung der Besatzung aus Sparta gekommen war, trat er mit seiner Truppe den Rückzug an über Tegyrai, wo allein im Bogen am Fuß des Gebirges entlang ein fester Weg war. Denn die ganze dazwischenliegende Ebene machte der Melasfluß, der gleich von seinen Quellen ab in schwer zu befahrende Sümpfe und Teiche versickert, unpassierbar. Ein wenig oberhalb der Sümpfe befindet sich ein Tempel des Apollon Tegyraios und ein Orakel, das erst vor nicht gar langer Zeit eingegangen war, bis in die Zeit der Perserkriege in Blüte gestanden hatte, und zwar war Echekrates der letzte Prophet gewesen. Dort soll der Sage nach der Gott geboren worden sein. Der Berg in der Nähe heißt Delos, und bei ihm endigen die Sümpfe des Melas. Hinter dem Tempel brechen zwei Quellen hervor mit einem durch Süßigkeit, Menge und Kühle ausgezeichneten Wasser. Die eine von ihnen nennen wir noch heute Phoinix, die andere Elaia, und so wäre die Göttin

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nicht zwischen zwei Bäumen, sondern zwischen zwei Quellen niedergekommen. Ist doch auch das Ptoiongebirge in der Nähe, aus dem sie der Sage nach durch das plötzliche Erscheinen eines Ebers verscheucht worden sein soll, und ebenso bringt die örtlichkeit die Geschichten von Python und Tityos in nahe Verbindung mit der Geburt des Gottes. Die meisten Beweise, die man anfuhrt, lasse ich jedoch beiseite, denn die uns von den Vätern überkommene Überlieferung beläßt diesen Gott ja nicht unter den einmal geborenen, dann durch Wandlung unsterblich gewordenen Dämonen wie Herakles und Dionysos, die durch ihre Leistung das sterbliche, dem Leiden unterworfene Wesen von sich abwarfen, sondern er ist einer der Ewigen, Ungeborenen, wenn man in so hohen Dingen sich auf das verlassen darf, was die weisesten und ältesten Gewährsmänner sagen 17. Bei Tegyrai also trafen die zur selben Zeit aus dem Gebiet von Orchomenos abziehenden Thebaner und die Lakedaimonier zusammen, die aus der entgegengesetzten Richtung, von Lokris her, aufgebrochen waren. Sobald sie sichtbar wurden, wie sie sich aus dem Engpaß heraus entwickelten, lief einer zu Pelopidas und sagte: «Wir sind den Feinden in die Hände gelaufen!» «Wieso nicht vielmehr sie uns?» erwiderte er und ließ sogleich seine ganze Reiterei von der Nachhut her nach vorn kommen zum ersten Angriff. Seine Schwerbewaffneten - es waren dreihundert - ließ er dicht zusammenschließen in der Hoffnung, an der Stelle, gegen die er seinen Hauptstoß richtete, die zahlenmäßig überlegenen Feinde zu durchbrechen. Es waren zwei Moren (Regimenter) der Lakedaimonier. Die Mora zählt nach dem Zeugnis des Ephoros fünfhundert Mann, nach dem des Kallisthenes siebenhundert, nach noch anderen, zu denen Polybios gehört, neunhundert 2 . Daher gingen die Polemarchen der Spartaner', Gorgoleon und Theopompos, siegessicher gegen die Thebaner

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vor. Der Zusammenstoß erfolgte mit besonderer Heftigkeit und Erbitterung dort, wo auf beiden Seiten die Führer standen, und zuerst fielen die Polemarchen der Lakedaimonier, die mit Pelopidas zusammengeraten waren. Als darauf auch die Männer ihrer Umgebung getroffen wurden und den Tod fanden, geriet das ganze Heer in Schreck und gab beiderseits den Thebanern den Weg frei in dem Glauben, daß sie sich nur nach vorn durchschlagen und den Weg öffnen wollten. Wie aber Pelopidas darauf verzichtete, den schon eröffneten Weg einzuschlagen, gegen die noch geschlossenen Reihen vorging und sie mordend durchbrach, so stürzten sich alle in wilde Flucht. Doch erstreckte sich die Verfolgung nicht sehr weit, denn die Thebaner fürchteten die in der Nähe befindlichen Orchomenier und die Ablösung der Lakedaimonier. Nur soweit, daß sie den klaren Sieg errangen und das ganze feindliche Heer zur Auflösung brachten, verfolgten sie ihren Vorteil, errichteten ein Siegesmal, bemächtigten sich der Waffen und Rüstungen der Gefallenen und kehrten in hohem Stolz nach Hause zurück. Denn in so vielen Kriegen mit Griechen und Barbaren, die sie schon gefuhrt hatten, waren bisher offenbar noch niemals die Lakedaimonier, wenn sie in der Überzahl waren, von einer Minderzahl besiegt worden, ja, auch nicht, wenn sie gleich gegen gleich mit ihnen im offenen Felde zusammengetroffen waren. Daher fühlten sie sich unwiderstehlich und erschreckten, wenn sie zum Kampf antraten, schon durch den ihnen vorangehenden Ruf die sich gegen sie formierenden Feinde, welche selbst nicht glaubten, bei gleicher Zahl den Spartanern gewachsen zu sein. Dies aber war die erste Schlacht, die auch die anderen Griechen darüber belehrte, daß nicht der Eurotas noch der Raum zwischen Babyka und Knakion 1 streitbare und kriegstüchtige Männer hervorbringt, sondern daß dort, wo junge Leute aufwachsen mit dem Willen, sich vor der Schande

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zu schämcn, um den Preis der Ehre zu wagen, und mehr den Tadel scheuen als die Gefahr, die Männer ihren Feinden am furchtbarsten sind. 18. Die «heilige Schar» bildete, so heißt es, zuerst Gorgidas aus dreihundert auserlesenen Männern, die auf der Kadmeia lagerten und von der Stadt Ausrüstung und Verpflegung erhielten. Daher hießen sie die Schar von der Burg (Polis); denn für Akropolis sagte man damals gewöhnlich einfach Polis. Einige sagen, daß diese Schar aus Liebhabern und Geliebten bestanden habe, und es wird ein Scherzwort des Pammenes 1 überliefert: er sagte, der Nestor Homers sei kein guter Taktiker mit seiner Weisung, die Griechen sollten sich nach Stämmen und Geschlechtern ordnen, « Daß Geschlecht dem Gcschlecht hülfreich und dem Stamme der Stamm sei» 1 ; besser solle man den Liebhaber neben den Geliebten stellen. Denn Stammes- und Geschlechtsgenossen fragten nicht viel nacheinander in der äußersten Not, eine in Liebesfreundschaft zusammengeschlossene Schar aber sei unauflöslich und unzerreißbar, wenn die einen aus Liebe zu ihren Geliebten, die anderen aus Scham vor ihren Liebhabern, einer für den andern in der Gefahr ausharrten. Und das ist nicht erstaunlich, da sie ja auch bei Abwesenheit voreinander mehr Scham empfinden als vor anderen, die anwesend sind, wie jener Mann, der, niedergeworfen, den Feind, der im Begriff war, ihn zu töten, anflehte, ihm das Schwert durch die Brust zu stoßen, «damit», so sagte er, «mein Geliebter sich nicht schämen muß, wenn er mich mit der Todeswunde im Rücken liegen sieht». So soll aucli Ioleos 5 , der an allen Taten des Herakles teilnahm und ihn mit seinem Schilde schirmte, sein Geliebter gewesen sein. Aristoteles sagt 4 , daß auch noch zu seiner Zeit Liebende und Geliebte am Grabe des Ioleos einander die Treuschwüre lei-

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steten. So ist es wohlverständlich, daß die Schar «die heilige» genannt wird, wie auch Piaton den Liebhaber einen gotterfullten Freund genannt hat 1 . Bis zur Schlacht bei Chaironeia 1 soll die heilige Schar unbesiegt geblieben sein. Als nach der Schlacht Philippos die Gefallenen besichtigte und an die Stelle kam, wo die Dreihundert lagen, wie sie alle den feindlichen Speeren entgegengeschritten und miteinander hingesunken waren, da soll er gestaunt und, als er vernahm, daß das die Schar der Liebenden und Geliebten sei, geweint und gerufen haben: «Verflucht soll sein, wer glaubt, daß diese Männer etwas Schimpfliches tun oder leiden!» 19. Uberhaupt hat zu der Institution der Männerliebe bei den Thebanern nicht, wie die Dichter behaupten, die Leidenschaft des Laios den Anstoß gegeben 3 , sondern ihre Gesetzgeber haben in dem Bestreben, ihre leidenschaftliche, ungezügelte Natur von Kind an zu mildern und zu erweichen, überall bei Scherz und Ernst die Flötenmusik eingeführt und ihr Rang und Würde gegeben, dazu in den Ringschulen die Entwicklung leidenschaftlicher Liebesverhältnisse gefördert, um die jungen Leute seelisch miteinander zu verbinden. Mit Recht haben sie zu diesem Zweck auch die der Sage nach von Ares und Aphrodite entstammte Göttin Harmonia in ihrer Stadt miteingebürgert in der Überzeugung, daß, wo das Streitbare und Kriegerische sich mit dem Gewinnenden und Liebenswürdigen vereint und bindet, alles sich harmonisch zur ausgeglichensten, wohlgeordnetsten Gemeinschaft findet4. Diese heilige Schar hatte Gorgidas auf die ersten Glieder verteilt und innerhalb der ganzen schwerbewaffneten Phalanx in die vorderste Reihe gestellt, womit er die besondere Tapferkeit der Männer nicht zur rechtcn Geltung kommen ließ und ihre Kraft nicht zu einer gemeinsamen Tat vereinte, da sie aufgelöst und unter die Masse der Minderwertigen aufgeteilt war. Nachdem aber ihre Tapferkeit bei Tegyrai durch ihren

PELOPIDAS glorreichen, heldenhaften K a m p f ins rcchte Licht

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worden war, verteilte Pelopidas sie nicht mehr, noch riß er sie auseinander, sondern v e r w e n d e t e sie als Einheit und setzte sie bei den bedeutendsten Kämpfen am entscheidenden P u n k t e ein. D e n n wie die Pferde im Gespann z u zweien schneller laufen, als w e n n sie einzeln geritten werden, nicht weil sie durch den stärkeren D r u c k der größeren M e n g e die L u f t leichter durchschneiden, sondern weil der Wetteifer miteinander u n d der Siegeswille den M u t befeuert, so glaubte er, d a ß die T a p f e ren, w e n n einer d e m andern den Wetteifer zu rühmlichen T a ten einflößte, am brauchbarsten und am bereitwilligsten z u gemeinsamer L e i s t u n g sein würden. 20. A l s j e t z t die Lakedaimonier mit allen Griechen Frieden schlössen und allein noch gegen die T h e b a n e r in den K r i e g zogen, als der K ö n i g Kleombrotos an der Spitze von zehntausend Schwerbewaffneten und tausend Reitern in Boiotien eingefallen war und die Thebaner nicht mehr nur in der Weise w i e früher gefährdet waren, sondern geradezu die Zerschlag u n g ihres staatlichen Zusammenschlusses drohte u n d ihnen angekündigt w a r , als darum eine Furcht w i e nie z u v o r Boiotien erfüllte, da sagte Pelopidas, als er sein Haus verließ u n d seine Frau ihn weinend geleitete und bat, auf sein Leben bedacht zu sein: «Diese M a h n u n g , Frau, m u ß man an die gemeinen Soldaten richten; an die Offiziere, d a ß sie auf das Leben der anderen bedacht sind.» A l s er zum Heere kam und die Boiotarchen nicht einig in ihren Meinungen antraf, trat er als erster der Ansicht des Epameinondas bei, der dafür stimmte, daß man die Entscheidungsschlacht mit den Feinden suchen solle. Denn er war z w a r nicht z u m Boiotarchen g e w ä h l t , aber Führer der heiligen Schar und genoß großes Vertrauen, w i e es einem M a n n e g e b ü h r t e , der1 einen so großen Beitrag zu der Befreiung des Vaterlandes geleistet hatte. Als der Beschluß, den K a m p f zu wagen, gefaßt war und die

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Thebaner bei Leuktra 1 den Lakedaimoniern gegenüber lagerten, sah Pelopidas bei Nacht einen Traum, der ihn stark beunruhigte. In der Ebene von Leuktra befinden sich nämlich die Grabmäler der Töchter des Skedasos, die man der Örtlichkeit wegen die Leuktrerinnen nennt; denn dort sind sie bestattet worden, nachdem sie von Fremdlingen aus Sparta vergewaltigt worden waren. Nachdem diese schändliche Freveltat geschehen war, sprach der Vater, da er in Lakedaimon keine Genugtuung erhielt, Flüche über die Spartaner aus und tötete sich über den Gräbern der Jungfrauen. Orakel und Weissagungen hatten die Spartaner schon immer gemahnt, sich wohl vor der ungesühnten Blutschuld von Leuktra zu hüten, aber die meisten verstanden das nicht recht, sondern waren in Ungewißheit über die Örtlichkeit, weil es auch in Lakonien ein Städtchen am Meere gibt namens Leuktron und bei Megalopolis in Arkadien einen Ort gleichen Namens. Das Verbrechen war übrigens lange Zeit vor der Schlacht bei Leuktra begangen worden. ( 2 1 . ) Wie nun Pelopidas im Lager schlief, glaubte er die Mädchen zu sehen, wie sie an ihren Grabsteinen wehklagten und die Spartaner verfluchten, und Skedasos befahl ihm, den Mädchen eine blonde Jungfrau zu opfern, wenn er den Sieg über die Feinde davontragen wolle. Da ihm dieser Befehl furchtbar und entsetzlich erschien, so teilte er ihn, nachdem er aufgestanden war, den Wahrsagern und den anderen Offizieren mit. Von ihnen meinten die einen, man dürfe den Befehl nicht in den Wind schlagen und unbefolgt lassen, und sie erinnerten aus der alten Zeit an Menoikeus, Kreons Sohn, und an Herakles' Tochter Makaria, aus der späteren Zeit an den weisen Pherekydes, der von den Lakedaimoniern getötet wurde und dessen Haut gemäß einem Orakel von den Königen verwahrt wird, an Leonidas, der, ebenfalls nach einem Orakel', gewissermaßen sich selbst fiir Griechenland zum Opfer brachte, und endlich an die vor der

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Sccschlacht bei Salamis von Themistokles dem Dionysos Omestcs (dem «Rohessenden») Geschlachteten 1 j für alle diese hätten dann die Erfolge Zeugnis abgelegt; umgekehrt Agesilaos: als er von demselben Hafen wie Agamemnon gegen dieselben Feinde in See stechen wollte, habe die Göttin von ihm seine Tochter als Schlachtopfer verlangt; so habe er geträumt, als er in Aulis schlief; er habe sie aber nicht hergegeben, sondern sei zu mattherzig gewesen und habe so den Feldzug vereitelt, der rühm- und erfolglos verlaufen sei 1 . Die anderen hingegen verwarfen ein solches Verfahren, denn keinem der höheren Wesen über uns sei ein so barbarisches, verbrecherisches Opfer wohlgefällig; herrschten doch nicht solche Gewalten wie Typhon oder die Giganten, sondern er, der aller Götter und Menschen Vater sei; zu glauben, daß es Dämonen gebe, die an Menschenblut und Mord Freude hätten, sei ja wohl eine Torheit, und wenn es wirklich solche gäbe, so brauchte man sich nicht um sie zu kümmern, weil sie ohnmächtig seien; denn nur in schwächlichen und boshaften Seelen entstünden und hafteten die verkehrten und bösen Gelüste. 22. Während die fuhrenden Männer bei solchen Erwägungen waren und besonders Pelopidas sich in schweren Zweifeln befand, hatte ein weibliches Fohlen sich von der Herde entfernt, war durch das Lager gerannt, und als es in vollem Lauf in die Nähe der Beratenden kam, stand es still. Für die anderen war das nur eine Augenweide, die rotbraun glänzende Farbe der Mähne, der Mutwille, dazu das lebhafte, schmetternde Wiehern; der Scher Theokritos aber rief in plötzlicher Erleuchtung dem Pelopidas zu: «Da hast du ja dein Opfertier, du Glückskind! Wir brauchen auf keine anderejungfrau zu warten, sondern nimm diese, die der Gott dir sendet, und opfere sie!» Darauffingen sie das Fohlen, führten es zu den Gräbern der Jungfrauen, beteten, bekränzten und schlachteten es. Da-

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bei waren sie selber hocherfreut und verbreiteten auch im Lager die Kunde von dem Traum des Pelopidas und dem Opfer. 23. In der Schlacht zog Epameinondas seine Phalanx schräg nach links, damit der von den Spartanern gebildete rechte Flügel sich von den anderen Griechen möglichst weit entfernte und er den Kleombrotos mit einem massierten Gewaltstoß in der Flanke treffen und werfen könne. Die Feinde bemerkten das Manöver und begannen auch, sich umzuformieren, entfalteten ihren rechten Flügel und zogen ihn in die Länge, um Epameinondas mit Überzahl zu umfassen und einzuschließen. Inzwischen aber eröffnete Pelopidas den Angriff und ließ seine Dreihundert im Laufschritt vorgehen, so daß es ihm gelang, bevor Kleombrotos seinen Flügel ausdehnen oder ihn wieder in die alte Stellung zurückziehen und die Linie schließen konnte, die Lakedaimonier zu packen, während sie noch nicht wieder standen, sondern durcheinanderliefen. Dabei pflegten die Spartaner, die größten, bewährtesten Meister in allen Künsten des Krieges, sich für nichts so sehr auszubilden und zu üben wie dafür, daß sie nicht in Unordnung und Verwirrung gerieten, wenn die Schlachtreihe sich löste, sondern daß jeder jeden zum Hinter- und Nebenmann nahm, wo immer und mit wem die Gefahr ihn überraschte, an ihn Anschluß nahm und weiter focht wie vorher. Diesmal aber brachte die Phalanx des Epameinondas, die, die anderen beiseite lassend, gegen sie allein anstürmte, und der mit unglaublicher Schnelligkeit und Kühnheit geführte Vorstoß des Pelopidas ihre Kampfmoral und ihre Kampferfahrung dermaßen ins Wanken, daß es zu einer Flucht und einem Gemetzel unter den Spartanern kam wie noch niemals zuvor. Daher erntete er, obschon er nicht Boiotarch war, sondern nur einen kleinen Teil des ganzen Heeres führte, an dessen Spitze der Boiotarch Epameinondas stand, doch den gleichen Ruhm von dem errungenen herrlichen Siege wie jener.

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24. Den Einfall in die Peloponnes' jedoch leiteten sie beide als Boiotarchen und zogen die Melirzahl der dortigen Staaten auf ihre Seite, indem sie Elis, Argos, das ganze Arkadien und sogar den größten Teil Lakoniens von den Lakedaimoniern abtrünnig machten. Dabei war es schon die Zeit der Wintersonnenwende, vom letzten Monat waren noch wenige Tage übrig, und sofort mit dem Beginn des neuen Monats mußten andere den Befehl übernehmen, oder denen, die den Befehl nicht übergaben, drohte die Todesstrafe. Die anderen Boiotarchen, teils aus Furcht vor diesem Gesetz, teils aus Scheu vor dem Winter, drängten darauf, das Heer nach Hause zu fuhren; Pelopidas aber war der erste, der der Meinung des Epameinondas beitrat, mit ihm die Mitbürger begeisterte, gegen Sparta fiihrte und den Eurotas überschritt. Er nahm viele ihrer Städte und verwüstete das ganze Land bis zum Meere an der Spitze eines Heeres von siebzigtausend Griechen, von denen die Thebaner selbst weniger als den zwölften Teil bildeten. Aber der Ruhm der beiden Männer bewirkte, daß die Bundesgenossen alle, ohne gemeinsame Beratung und Beschlußfassung, stillschweigend ihren Befehlen folgten. Denn das erste und ursprünglichste Gesetz gibt offenbar ganz natürlich den, der helfen kann, demjenigen, der der Hilfe bedarf, zum Führer; wie ja auch wohl die Seereisenden, wenn gutes Wetter ist oder sie nahe der Küste vor Anker liegen, sich gegen die Steuerleute aufsässig und frech benehmen, aber, sowie es Sturm und Gefahr gibt, auf sie blicken und ihre Hoffnung auf sie setzen. So fügten sich auch die Argiver, Eleer und Arkader, die in den Ratsversammlungen mit den Thebanern um die Führung zankten und stritten, in den Kämpfen selbst und im Augenblick der Gefahr freiwillig den Befehlen der thebanischen Feldherren und folgten ihnen. In diesem Feldzuge schlössen sie ganz Arkadien zu einem Machtkörper zusammen, entrissen den Spartanern das mes-

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senische Land, das sie bisher besetzt hatten, riefen die alten Messenier, führten sie zurück und besiedelten I t h o m e A u f dem Rückmarsch nach Hause über Kenchreai 2 besiegten sie die Athener, die sie in dem Engpaß angriffen und ihren Durchmarsch zu verhindern suchten. 25. Nach solchen Taten priesen alle anderen das Heldentum der Männer und bestaunten ihr Glück, aber der Neid der Mitbürger in der Heimat, der zugleich mit ihrem Ruhme emporwuchs, bereitete ihnen einen wenig schönen, wenig geziemenden Empfang. Es wurde gegen beide nach ihrer Rückkehr eine auf die Todesstrafe zielende Klage erhoben, weil sie, obgleich das Gesetz ihnen befahl, im ersten Monat - den sie Bukatios nennen - das Boiotarchenamt anderen zu übergeben, den Befehl volle vier Monate weitergeführt hatten, in denen sie die Operationen in Messene, Arkadien und Lakonien durchgeführt hatten. Der erste, den man vor Gericht zog, war Pelopidas, weshalb er auch in größerer Gefahr war, dann aber wurden beide freigesprochen. Diese heimtückische Verfolgung und Gefährdung trug Epameinondas mit Ruhe, weil er die Fähigkeit, im politischen Leben Bosheit zu ertragen, für einen wesentlichen Teil der Mannhaftigkeit und Seelengröße ansah. Pelopidas aber, der von Natur leidenschaftlicher war und von seinen Freunden aufgehetzt wurde, gegen die Feinde zurückzuschlagen, ergriff dazu folgenden Anlaß. Der Redner Menekleidas war einer von denen gewesen, die sich mit Pelopidas und Melon im Hause des Charon versammelten; da er aber dann bei den Thebanern nicht dieselbe Anerkennung fand, benützte er, ein begabter Redner, aber ein ungezügelter und boshafter Charakter, seine Fähigkeit dazu, die Besseren zu verleumden und zu verlästern, und hörte damit auch nach jenem Prozeß nicht auf. Den Epameinondas verdrängte er aus dem Boiotarchenamt und schmälerte seinen Einfluß lange Zeit. Den Pelopidas bei dem Volke unbeliebt zu machen ver-

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mochte er nicht, suchte ihn aber mit Charon zu verfeinden, und da der Neid gemeinhin eine Befriedigung darin findet, Leute, an die einer selbst nicht heranreicht, wenigstens als minder tüchtig denn andere zu erweisen, so ließ er es sich angelegen sein, die Taten Charons vor dem Volke herauszustreichen, seine Leistungen als Feldherr und seine Siege zu preisen. So unternahm er es, für das Reitergefecht bei Plataiai, in dem die Thebaner vor der Schlacht bei Leuktra unter der Führung Charons den Sieg davongetragen hatten, auf folgende Weise ein Denkmal zu stiften. Androkydes von K y z i k o s d e r von seiner Stadt beauftragt war, ein Gemälde einer andern Schlacht zu malen, war in Theben mit der Vollendung dieses Werkes beschäftigt. Als nun die Entzweiung der Thebaner mit den anderen Griechen kam und der Krieg ausbrach, behielten die Thebaner das Gemälde, welches kurz vor der Vollendung war, flir sich. Auf dieses Kunstwerk beredete Menekleidas sie, den Namen Charons setzen zu lassen und es so zu weihen, um damit den Ruhm des Pelopidas und Epameinondas zu verdunkeln. Es war das ein törichter Ehrgeiz, gegenüber so vielen und bedeutenden Kämpfen eine Tat und einen Sieg herauszustreichen, bei dem Geradas, ein Spartaner von geringem Ansehen, und mit ihm vierzig Mann gefallen, sonst aber nichts Erhebliches geschehen sein soll. Gegen diesen Beschluß erhob Pelopidas die Anklage der Gesetzwidrigkeit, indem er sich darauf stützte, daß es bei den Thebanern nicht hergebracht sei, einzelne Männer auszuzeichnen, sondern dem Vaterlande als Ganzem den Ruhm des Sieges zu wahren. Dem Charon spendete er während der ganzen Verhandlung reichliches Lob, den Menekleidas aber entlarvte er als verleumderischen, boshaften Menschen und fragte die Thebaner, ob sie denn selbst keine Großtat vollbracht hätten, Daß damals Agesilaos schon - das spätere Unternehmen Alexanders vorwegnehmend - das persische Reich in seinem Kern hätte angreifen und erschüttern oder gar vernichten können, ist eine aus der Uberstiegenen Verherrlichung des Agesilaos hervorgegangene Phantasterei. Weder reichten dazu seine Machtmittel aus, noch hätte die allgemeine historische Situation ein solches Unternehmen ermöglicht. Richtig aber ist, daß die über die brutale Gewaltherrschaft Spartas erbitterten griechischen Staaten, Athen und Theben an der Spitze, durch die persischen Subsidien ermutigt und in den Stand gesetzt wurden, den « Korinthischen Krieg» ( 3 9 4 - 3 8 7 ) zu eröffnen. - 3 Euripides Troerinnen (aufgeführt 41 5) V . 7 6 4 . Andromache spricht so zu den Griechen angesichts ihrer Greueltaten bei der Eroberung Trojas. 1 24 1 Koroneia und Korinth sind die Hauptschauplätze der Kämpfe des Korinthischen Krieges, Leuktra und Arkadien des 20 Jahre später sich abspielenden Krieges zwischen Theben und Sparta. — s Rückkehr Hannibals von Italien nach Afrika 203. Antipatros schlug die aufständischen Griechen unter König Agis III. von Sparta bei Mega-

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lopolis 3 3 1 . Alexander spielt auf das (uns erhaltene) die Ilias parodierende kleine Epos vom Frosch-Mäusekrieg an (das man im Altertum Homer selbst zuschrieb). — 3 Ilias 4 , 1 7 J . — 4 Erasistratos ist uns sonst nicht bekannt; sein Vater Phaiax hat während des Peloponnesischen Krieges f ü r kurze Zeit eine gewisse politische Rolle gespielt. 1 Die «Bogenschützen» oder Dareiken waren Goldmünzen von 8,4 g ; vgl.Kimon Kap. 10 (Bd. II S. 21 mit Anm. 2). —1 Die Trochaler sind sonst nicht bekannt; manche Handschriften nennen Trailer. 1 2 6 1 Narthakion ein Bergzug (und Städtchen) in Achaia Phthiotis südlich von Pharsalos. - a Sonnenfinsternis vom 1 4 . August 394. 1 2 7 1 Koroneia: s. oben Anm. zu S . 4 3 1 . - 3 Xenophon Hellenika IV 3, 16 Agesilaos 2 , 9 . 1 2 8 1 Sieg der Thebaner über die Athener bei Koroneia 4 4 7 . Der Kult der Athena Itonia war außer in Boiotien auch in Thessalien, Attika und anderwärts heimisch. 1 2 9 1 Die Partei, die nach unentschiedener Schlacht die andere um die Bewilligung zur Beisetzung ihrer Gefallenen ersuchte, gestand damit ihre Niederlage ein. — a Aristodemos, ein Ururenkel des Herakles, führte die Herakliden nach Sparta und wurde durch seine Zwillingssöhne Eurysthenes und Prokies der Stammvater der beiden spartanischen Königsfamilien. — 3 Xenophon Agesilaos Kap. 8, 7 . — 4 Nach Xenophon waren die Kannathra vielmehr aus Rohrgeflecht. D e r Bockhirsch (Tragelaphos) war wie der Greif ein aus dem Orient entlehntes Fabeltier. — 5 Dikaiarchos von Messene ein Aristotelesschüler, vielseitiger und fruchtbarer Schriftsteller. - 6 Ober die «Lakonischen Aufzeichnungen» (anagraphai) wissen w i r nichts Bestimmtes. 1 3 0 1 Dasselbe im Lysander Kap. und 3 0 . - 2 Der Vater des Agesipolis war König Pausanias, der 394 der wegen seines Verhaltens vor Haliartos gegen ihn erhobenen Klage auswich und den Rest seines Lebens als Schutzflehender in Tegea verbrachte, s. Lysander Kap. 29 f. 1 3 1 1 Phiditia hießen die gemeinsamen Mahle der Spartaner, s. Lykurg Kap. 1 2 ( B d . I S. 164). — » Lykurg Kap. 1 7 f . - 3 Sinngemäße Ergänzung einer Lücke im griechischen T e x t . — 4 Die Isthmien wurden auf der Landenge von Korinth alle zwei Jahre im späten Frühjahr gefeiert. Die hier erwähnten sind wahrscheinlich die des Jahres 390. D e r göttliche Schutzpatron war Poseidon; s. Theseus Kap. 2 ; (Bd. I S.89).

E R L Ä U T E R U N G E N ZU DEN S E I T E N I32-I49

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3 2 1 Das lakonische Wort, das einen verächtlichen Beiklang hat, lautet Deikeliktas. - 2 Dieses Heraion ( - Heraheiligtum) lag auf dem gleichnamigen, gegen Westen vorspringenden Kap etwa i j km nördlich von Korinth. - 3 Die Vernichtung der spartanischen Mora (Abteilung von einigen hundert Mann, s. Pelopidas Kap. 17) durch die Peltasten des Iphikrates, wahrscheinlich 390, erregte In der griechischen Welt großes Aufsehen. 33 1 Der Feldzug nach Akamanien fiel ins Jahr 389. 34 1 Friede des Antalkidas oder « Königsfriede »387/86.-¿Besetzung der Kadmeia durch Phoibidas 382. 35 r Befreiung Thebens 379, s. Pelopidas Kap. 7 - 1 3 . - 1 Polemarchen hießen in Theben die leitenden Beamten. - 3 Tod des Agesipolis 380; Kleombrotos war sein jüngerer Bruder. 3 6 1 Phleius war eine Stadt in der Argolis, einige 20 km westsüdwestlich von Korinth. - 2 Thespiai westlich von Theben unter dem Helikon. - 3 Die Thriasische Ebene hieß die von Eleusis; von da bis zum Piräus waren es noch 1 2 - 1 £ km. 38 1 Uber die Rhetrai s.Lykurg Kap. 6 ff. (Bd. I S . 157). 39 1 Erkrankung des Agesilaos im Jahre 378. 40 1 Das Gefecht bei Tegyrai ist im Pelopidas Kap. 1 6 / 1 7 ausführlich erzählt (unten S. 276flF.); es fiel wahrscheinlich ins Jahr 37 j . 2 Friedenskongreß in Sparta 371. 41 1 Das Leben des Epameinondas (der mit dem älteren Scipio Africanus gepaart war) ist verloren. Uber die Vorzeichen steht einiges im Pelopidas Kap. 20 (unten S. 281 f.). - 2 Der (attische) Skirophorion entspricht dem Mai/Juni, der Hekatombaion dem Juni/Juli. 42 1 Xenophon im Anfang des Gastmahls. - 2 Die Gymnopaidien (« Nacktspiele ») waren das größte Sportfest Spartas. 44 1 Einfall des Epameinondas in Lakonien 369. 45 1 Das Flüßchen Kephisos fließt westlich an Athen entlang; der Eurotas ist der Fluß Spartas. - 2 Die Insel Kythera liegt in der Fortsetzung des östlichsten der drei Südzipfel der Peloponnes. - 3 Das Issorion war einer der Hügel an der Nordgrenze Spartas, nicht mit Sicherheit auszumachen. 47 1 Die «tränenlose Schlacht» fiel ins Jahr 368; der Tyrann ist der ältere Dionysios (gestorben 367), der stets ein treuer Bundesgenosse Spartas war. 48 1 Schlacht bei Mantineia 418, von Thukydides V 64-74 geschildert. — m Neugründung von Messene 370. 49 1 Die« und die folgenden Ereignisse bis zum Tode des Epameinon-

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E R L Ä U T E R U N G E N ZU DEN SEITEN 149-138 das in der Schlacht bei Mantlneia 3 6 2 . - 2 Uber Kallisthenes s.Bd.I S. {03 ; Xenophon Hellenika VII j , 10. 1 Uber Dioskurldes 3. Bd. I S. 491. 1 Ägypten war von 404. ab von Persien unabhängig. Tachos, der Sohn Nektanebis' I., der von 380 ab regiert und 373 einen starken persischen Angriff abgeschlagen hatte, kam 362 zur Regierung. Sein anfänglich erfolgreicher Feldzug nach Syrien 361 (von Plutarch nur in Kap. 37 angedeutet) brach durch die Erhebung seines Vetters Nektanebis II. zusammen, der dann bis zur Wiedereroberung Ägyptens durch Artaxerxes Ochos 343 regierte. x Mendts im nordöstlichen Nildelta, Heimat der 29.Dynastie, die 398-381 regierte und der der ungenannte Prätendent sicherlich angehörte. 1 Winter 361/60 oder einer der beiden folgenden. — 1 Die Spartaner konservierten die Leichen sonst in Honig. — 3 Archidamos regierte bis 338, Agis IV. etwa 24^-241, s. sein Leben in Band VI.

E R L Ä U T E R U N G E N ZU

POMPEJUS

f 7 1 Ein Vers(fg. 201) aus dem uns verlorenen «erlösten» Prometheus des Aischylos, in dem seine Befreiung aus der Fesselung an den Kaukasos durch Herakles dargestellt war. Die Fesselung hat zum Gegenstand das erhaltene Drama «der gefesselte Prometheus» (desmotes). — 2 Gnaeus Pompejus Strabo («der Schielende») zeichnete sich im Bundesgenossenkriege (91-89) aus und war Konsul 89. In dem Kampf um Rom zwischen Cinna und der Senatspartei 87 nahm er eine zweideutige Stellung ein. Er starb an einer in seinem Heer ausbrechenden Seuche; der Tod durch Blitzschlag ist aller Wahrscheinlichkeit nach Legende. Vgl. Kap. 3 und 4. 58 1 Lucius Marcius Philippus, Konsul 9 1 , zählte zu den bedeutendsten Rednern seiner Zeit. Die Rede für Pompejus hielt er 86 (während er Censor war) in dem Prozeß wegen Beuteunterschlagung, von dem Kap. 4 berichtet. — * Welcher der verschiedenen Caecilii Metelli der Zeit hier gemeint ist, ist ungewiß. — 3 Dieser Demetrios, aus Gadara stammend, hatte Pompejus auf seinen Feldzügen im Orient begleitet und dabei sein großes Vermögen (etwa 19 Millionen Goldfranken, der Realwert ein Vielfaches) erworben.

E R L Ä U T E R U N G E N Z U D E N S E I T E N IJ9-168

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1 j 9 1 Dieselbe Geschichte im Luculhis Kap. 40 (Bd. II S. 94). - 2 Im Jahr 87 ; er war also neunzehnjährig. 160 1 Asculum, heute Ascoli, am Truentus (Tronto) war die Hauptstadt von Picenum und Zentrum des Aufstandes der Italiker 9 1 . Es wurde 89 von Pompejus Strabo nach schwerer Belagerung erobert. — 2 Publius Antistius war in jenen Jahren ein gesuchter Anwalt; daQ er Praetor war, ist ein Irrtum Plutarchs. 1 6 1 j Dasselbe ausfuhrlicher im Romulus Kap. 1 g (Bd.I S. 1 1 9 ) . - 3 Lucius Cornelius Cinna, Konsul 87-84, wurde in letzterem Jahr in Ancona, von wo er zum Kampf gegen Sulla nach Illyrien übersetzen wollte, von seinen meuternden Soldaten erschlagen. (Plutarchs Darstellung ist unrichtig.) Gnaeus Papirius Carbo Konsul 8 ; , 84 und 8 ] . 162 x Picenum die Landschaft Mittelitallens, die sich längs der Adria von nördlich Ancona bis nördlich Pescara, im Innern bis zur Höhe der A penn inen erstreckte. - 2 Also im Jahr 83 (Geburtsjahr des Pompejus 106). - 3 Auximum, heute Osimo, 16 km südlich von Ancona. 163 1 Gaius Carrinas, Praetor 82, nach dem Fall von Praeneste gefangen und hingerichtet. Coelius sonst wenig bekannt. Lucius Tunius Brutus Damasippus war 82 Praetor und wurde nach der Schlacht an der porta Collina gefangen und hingerichtet. Er ist nicht identisch mit dem Vater des Caesarmörders, von dem Kap. 16 handelt. — 2 Über diesen Scipio vgl. Anm. zu Sulla Kap. 28. — 3 Aesis der zwischen Ancona und Senigallia in die Adria mündende Esino. 164 1 Uber diesen Metellus s. Anm. zu Sulla Kap. 6. 16 j 1 Sullas Diktatur 82 ; s. seine Biographie Kap. 3 3 . - 2 Dieselbe Erzählung Sulla Kap. 3 3 mit Anm. 166 1 Über Marcus Perpema Vento mehr unten Kap. 1 8 - 2 0 ; über Carbo, Anm. zu S. 1 6 1 2 und Sulla Kap. 2 2. Gnaeus Domitius Ahenobarbus, Schwiegersohn Cinnas, offenbar noch sehr jung (sein Vater war 96, sein Bruder Lucius, Urahn des Kaisers Nero, 54 Konsul). - 2 Es handelt sich um den Staatsvertrag, auf Grund dessen Messene, das schon im Anfang des Ersten Punischen Krieges (263) an die Seite Roms getreten war, volle Selbständigkeit genoß und römische Beamte keine Hoheitsrechte in der Stadt ausüben durften. — 3 Gajus Oppius war einer der vertrautesten Mitarbeiter Caesars von y4 ab ; vgl. die Biographie Caesars Kap. 1 7 . Qulntus Valerius Soranus war einer der bedeutendsten Gelehrten seiner Zeit. 168 1 Auf den Dritten Punischen Krieg ( 1 4 9 - 1 4 6 ) bezüglich.

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E R L Ä U T E R U N G E N ZU DEN SEITEN

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1

Vielmehr stand er schon im 2 j . , vielleicht sogar 26. Jahr, denn er war am 29. September 106 geboren, und der Feldzug in Afrika fiel in den Winter 81 /80.

170 J Vgl. Sulla Kap. 28. 1 7 1 1 Die Tat des Manius Valerius Maximus fällt in die Frühzeit der Republik (494, vgl. Coriolan Kap. ¡ ) . Quintua Fabius Maximus Rullus oder Rullianus (erwähnt auch Fab.Max. Kap. 1) war Konsul 322, 310, 308, 297 und 29 j . - 2 Scipios Kämpfe in Spanien 2 1 1 - 2 0 6 . 172 x Erster Triumph des Pompejus über Afrika am 12.März 80 oder 79. - 2 Publius Servilius Vatia, Konsul 79, der spätere Isauricus; vgl. Sulla Kap. 10 und 28. - 3 Marcus Aemilius Lepldus und Quintus Lutatius Catulus Capitolinus, Konsuln 78; vgl. Sulla Kap. 34 und 38, Crassus Kap. 1 3 . 173 x Dieser Marcus Junius Brutus, der Vater des gleichnamigen Caesarmörders (verschieden von dem in Kap. 7 genannten Lucius Junius Brutus Damasippus), war 83 Volkstribun. Mutina starke Festung am Nordfiifi der Apenninen, das heutige Modena. 174 x Die Biographie des Brutus steht in Bd. IV. - 2 Die Ereignisse in Spanien sind ausführlicher im Leben des Sertorius Kap. 12 ff. behandelt (Bd. V). 1 7 1 x Über Lucius Marcius Philippus vgl. Anm. zu S. i j 8 r . -2 W e r als Vertreter eines Konsuls ein Kommando erhält, wird «pro consule » entsandt; ein Kommando «pro consulibus» war ein staatsrechtlicher Nonsens, ist nur eine boshafte Fiktion des Philippus. 171 x Lauro lag irgendwo nördlich von Valencia. - 2 Der Sucro ist der (südlich von Valencia mündende) Jucar. 17*

1

Vgl. Kap. 1 o ; Perperna hatte Sizilien freiwillig, wahrscheinlich in geheimem Einverständnis mit Pompejus, geräumt. 17 C 1 Vgl. Crassus Kap. 1 1 . 181 x Zweiter Triumph des Pompejus am 2 9. Dezember 7 1 , Antritt des Konsulats mit Crassus am 1 .Januar 7 0 . - 3 Die Wiederherstellung der alten Rechte der Volkstribunen erfolgte durch die Konsum selbst. Das Gesetz, das die Strafgerichte den Senatoren nahm und zu je einem Drittel Senatoren, Ritter und tribuni aerarii als Geschworene bestellte, wurde von dem Praetor Lucius Aurelius Cotta eingebracht. - 3 Die Censoren waren Lucius Gellius Poplicola und Gnaeus Lentulus Clodianus. 18 x Klaros berühmte Orakelstatte Apollons bei Kolophon in Ionien, desgleichen das Didymaion südlich von Milet (großartige Ruinen aufgedeckt); das Heiligtum auf Samothrake war das der Kabiren;

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Chthonia hieß Demeter in Hermione an der Siidküste der Argolis; Epidauros an der Nordostküste der Argolis am Saronischen Meerbusen, Tainaron die Südspitze der Peloponnes, Kalaureia Insel an der Nordostküste der Argolis, nahe dem Ausgang des Meerbusens; Aktion am Ausgang des Ambrakischen Meerbusens (berühmt durch die Entscheidungsschlacht von 31 v. Chr.), die Insel Leukas wenig südlich davon; das Kap Lakinion in Bruttium (Kalabrien) südlich Kroton. Olympos ist hier die zeitweilig nicht tinbedeutende Stadt Lykiens südlich von Phaseiis. - 2 Bellienus und Sextilius sind sonst nicht bekannt. 84 1 Es ist der berühmte Redner Marcus Antonius, 143—87, der 102 als Praetor über die kilikischen Seeräuber triumphierte. Plutarch hat das offenbar nicht gewußt, sonst hätte er sich die Pointe nicht entgehen lassen. Die Entführung der Tochter fallt also auch lange vor die hier geschilderten Ereignisse. - 2 Aulus Gabinius, Volkstribun 67, Konsul j 8 . Mehr über ihn unten Kap. 27,48 und in den Biographien Ciceros 30 f. und Antonius 3 ff. — Vierhundert Stadien sind etwa 7f km. 8s 1 Lucius Roscius Otho war 67 Volkstribun; er hat nichts mit den beiden von Cicero verteidigten Männern gleichen Namens zu tun. 86 1 Eine ähnliche Erzählung im Titus Flaminmus Kap. 10 (Bd. VI). 87 z Gajus Calpurnius Piso, Konsul 67 (vgl. Cicero 19, Caesar 7), verschieden von Lucius Calpurnius Piso Frugi Caeserninus, Konsul j 8 , Ciceros Feind und Caesars Schwiegervater. 88 z Korakesion Küstenstadt auf steilem Fels mit gutem Hafen im Grenzgebiet von Kilikien und Pamphylien, Hauptsitz der Seeräuber; heute Alaja (mit antiken Resten). 89 z Soloi Küstenstadt Kilikiens südwestlich von Tarsos, nach der Neubesiedelung durch Pompejus Pompejopolis benannt; ansehnliche Ruinen. — 2 Dyme die westlichste Stadt Achaias nahe dem Ausgang des Golfes von Patras. - 3 Quintus Caecilius Metellus Creticus, Konsul 69, Enkel des Metellus Macedonicus, dessen Bruder Metellus Calvus der Großvater des Metellus Pius war. 90 1 Homer Ilias XXII 207. - 2 Es ist die lex Manilia vom Anfang des Jahres 66, für die der damalige Praetor Cicero die erhaltene Rede de imperio Cn. Pompei gehalten hat. Manius Acilius Glabrio war der Konsul des Jahres 67, der Bithynien als Provinz erhalten hatte. 91 z Anspielung auf die secessio plebis in montem sacrum in der Frühzeit der Republik, s. Gajus Marcius Kap. 6 (Bd. II S. 306).

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192 1 Dieselbe Erzählung im LucuIIus Kap. 36 (Bd.II S. 89). — 2 Lucullus, geboren vor 1 1 6 , Konsul 74, Pompejus 106 bzw. 70. 193 1 Gemeint ist der kimmerische Bosporos, heute die Straße von Kertsch. 1 9 ; 1 Sinora wahrscheinlich das heutige Sunnur oder Sinnor zwischen Zimera und Erzingan. — 2 Kolchis an der Ostküste des Schwarzen Meeres südlich des Kaukasus. - 3 Der Araxes ist der heutige Aras. 196 1 Sophene eine Landschaft des südwestlichen Armenien. 197 1 Lucius Afranius, Konsul 60, treuer Anhänger des Pompejus, 46 bei Thapsus besiegt, danach gefangen und hingerichtet. - 2 Die Moscherberge sind das Bergland des westlichen Transkaukasien. - 3 Der Winter von 66 auf 6 j ; das Saturnalienfest am 17. Dezember, s. Bd.I S. 201 mit Anm. — 4 Der Kyrnos, richtiger Kyros, ist die heutige Kura, in welche der Aras mündet; zwölf Mündungsarme gibt es heute nicht. 198 1 Der Phasis ist der heutige Rion. — 2 Maiotis: das Asowsche Meer. — 3 Der Abas war ein nördlicher Nebenfluß der Kura, wohl der Alasan. - 4 Der hier genannte Thermodon kann nicht das etwa j o km östlich von Amisos ins Schwarze Meer mündende Flüßchen sein, an dem man gewöhnlich die Amazonen und ihre Stadt Themiskyra ansetzte (vgl. Lucullus Kap. 14 — Bd. II S. ¡3 mit Anm.), sondern ein ins Kaspische Meer mündender Fluß; genauere Bestimmung unmöglich. - 5 Uber die Völker der Gelen und Legen, beide südwestlich des Kaspischen Meeres wohnend, hatte man im Altertum nur halb sagenhafte Berichte. 199 1 Die Elymaier wohnten südlich, die Meder südlich und südwestlich des Kaspischen Meeres. — 2 Arbela östlich des oberen Tigris. 200 1 Ilias VI 2 1 1 , Worte des Glaukos am Ende der Aufzählung seiner hochadeligen Ahnen, hier ironisch zitiert. — 2 Die «Neue Burg» (Kainon phrurion) stand nicht allzuweit von Kabera (s. Lucullus Kap. 14) auf steilem Felsen Uber dem Lykosfluß; genaue Lage nicht sicher feststellbar. - 3 Uber Monime vgl. Lucullus Kap. 18. —4 Theophanes von Mytilene war politischer Gehilfe und Berater des Pompejus während seiner Orientfeldzüge, die er, natürlich im pompejanischen Sinne, ausführlich behandelt hat. Publius Rutilius Rufus war 105 Konsul und wurde 9 2 wegen seines scharfen Auftretens gegen die Räubereien der ritterlichen Steuerpächter in Asien von einem aus Rittern zusammengesetzten Gericht zu einer hohen Geldstrafe verurteilt. Er verbrachte den Rest seines Lebens in der Ver-

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bannung. Cicero hat ihn 78 in Smyrna besucht. Er schrieb ein Geschichtswerk und eine Selbstbiographie. 1 Uber Amisos vgl. Lucullus Kap. 14 (Bd. II S. {3) mit Anm. 1 Schlacht bei Zela 67, vgl. Lucullus Kap. 35 (S. 87) mit Anm. — * Der Amanos ist das nordsüdlich streichende Grenzgebirge zwischen Kilikien und Syrien. - 3 Die mehrere Monate erfordernde Unterwerfung von Judäa erfolgte im Jahre 63. Der Tempelberg von Jerusalem wurde erst nach schwerer Belagerung genommen. Pompejus betrat das Allerheiligste, ließ aber die Tempelschätze unberührt. Der energische Makkabäer Aristobulos II. hat noch bis zu seinem Tode (49) immer wieder eine politische Rolle zu spielen gewußt. - 4 Die Geschichte steht auch im Leben des jüngeren Cato Kap. 13 (Bd. IV). 1 Dieses Petra, die Hauptstadt der nabatäischen Araber, lag 90 km südlich des Toten Meeres. Die Stätte ist ausgegraben. i d , h. quer durch die nördliche Balkanhalbinsel. J Um welchen Ariarathes es sich handelt, ist unklar; vielleicht Verwechslung mit Ariobarzanes II. von Kappadokien. Faustus Cornelius Sulla diente im Jahre 63 als Kriegstribun in Pompejus' Heer. 1 Hermagoras schrieb um die Mitte des 2. Jahrhunderts v.Chr. ein Lehrbuch der Rhetorik, das großen Einfluß geübt hat, uns aber nicht erhalten ist. - 1 In den erhaltenen Briefen Ciceros - deren Hauptmasse ja aber in die Zeit nach 62 fallt - steht nichts davon. Nach Sueton (Caesar Kap. £0) wäre einer der Liebhaber Mucias Caesar gewesen, den Pompejus darum Aegisthus nannte (der, während Agamemnon vor Troia lag, Klytaimestra verführte). 1 Marcus Pupius Piso Calpurnianus, einer der Generale des Pompejus, Konsul 6 1 . / Pompejus feierte seinen dritten Triumph am 29. und 30. September 61.-2 Kommagene die Grenzlandschaft zwischen Syrien (im Süden), Kilikien (im Westen) und Kappadokien (im Norden). 1 Tatsächlich war Pompejus 45 Jahre alt. 1 Erstes Konsulat Caesars 59 mit Marcus Calpurnius Bibulus. Die folgende Darstellung ist einseitig parteiisch. Es handelte sich bei den Ackergesetzen Caesars nicht nur um Landvergabungen an den städtischen Pöbel, sondern um die seither von den Konservativen im Senat hintertriebene Versorgung der Veteranen des Pompejus. 1 Uber diesen Servilius Caepio ist sonst weiter nichts bekannt; tatsächlich hat Pompeja den Faustus Sulla geheiratet. Lucius Calpur-

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nius Piso Frugi Caesoninus (verschiedeil von dem S. 124 genannten Piso), Konsul {8, ist der spätere bittere Feind Ciceros. 1 Volks tribunat des Clodius {8 (genauer: 10.Dezember ¡g bis 10. Dezember ¿8). 1 Quintus Terentius Culleo, Volkstribun 58. - 2 Rückkehr Ciceros nach Rom am 4.September $7. - 3 Ernennung des Pompejus zum curator annonae am 8.September 57. — König Ptolemaios XU. Auletes war Ende {8 vor der Revolution in Alexandreia nach Rom geflüchtet. Die Konsuln des Jahres ¡ j waren Publius Cornelius Lentulus Spinther und Quintus Caecilius Metellus Nepos. - 4 Lucius Caninius Gallus, Volkstribun ¡6, hat auch zum Freundeskreis Ciceros gehört. 1 Timagenes von Alexandreia kam a als Gefangener nach Rom und hat dort bis in die Zeit des Augustus gelebt, bei dem er wegen seiner scharfen Zunge in Ungnade fiel. Uber sein Geschichtswerk wissen wir wenig Genaues. — 2 Dieses zur allgemeinen Devise der Seefahrt gewordene Wort ist also für eine ganz bestimmte Situation geprägt worden. 1 Winter ¡7/56; Luca das heutige Lucca nordöstlich von Pisa. 2 Gnaeus Cornelius Lentulus Marcellinus war Konsul des Jahres ¡6. 1 Uns nicht näher verständliche Anspielung auf eine bedeutende Förderung, die Marcellinus durch Pompejus erfahren haben muß. 2 Lucius Domitius Ahenobarbus, der dann {3 das Konsulat erreichte; vgl. Crassus Kap. 15 (Bd.II S. 262 mit Anm.) und Cato Minor 41. - 3 Zweites Konsulat des Pompejus und Crassus j j . - 4 Uber Publius Vatimus, einen treuen Anhänger Caesars, Konsul 47, mehr im Leben Ciceros. - 5 Spanien war in zwei Provinzen geteilt, das nördliche, Tarraconensis (nach Tarraco -- Tarragona) und das südliche, Baetica (nach dem Fluß Baetis — Guadalquivir). - 6 Die gewaltige Anlage des Theaters des Pompejus auf dem Marsfelde - des ersten steinernen Theaters in Rom - ist unter den späteren Uberbauungen noch wohl kenntlich. 1 S. Kap. 2 (S. 1 j 8). - 2 Das Albanum ein Landgut des Pompejus in den Albaner Bergen; die Beisetzung auf dem Marsfelde war eine Art Staatsbegräbnis. 1 Komikerzitat unbekannter Herkunft. — 2 Ilias XV 189 über die Verteilung der Welt unter Zeus, Poseidon und Hades. 1 Gajus Lucilius Hirrus, Volkstribun SI.—2 Lucius Domitius Ahenobarbus und Marcus Valerius Messala, Konsuln £3. 1 Drittes Konsulat des Pompejus, zuerst sine collega, £2. Uber die

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Institution des interrex s. Bd.I S. 196; Servius SuJpicius Rufus wurde dann $ 1 Konsul. - 1 Quintus Caecilius Metellus Pius Scipio, ein geborener Cornelius Scipio, aber von Caecilius Metellus Pius, dem Sullaner und Bekämpfer des Sertorius, adoptiert, {2 Konsul mit Pompejus, 46 in der Schlacht bei Thapsus von Caesar besiegt, endete dann durch Selbstmord. 22} 1 Titus Munatius Plancus Bursa, Volkstribun $ 2 , hatte sich an den wilden Tumulten nach der Ermordung des Clodius beteiligt, s. Cato Minor Kap. 48. - 2 Die Bezeichnung des Hypsaeus als Konsular (gewesener Konsul) ist ein Irrtum Plutarchs. Publius Plautius Hypsaeus hatte sich um das Konsulat für {2 beworben, wurde aber wegen Amtserschleichung und Gewaltanwendung verurteilt und hat das Konsulat nie erreicht. Vorher hatte er Pompejus nahegestanden und war sein Quaestor gewesen. 2 2 3 1 Kap. £6 faßt Ereignisse aus den Jahren s2~S° zusammen. 224 1 Dieser Appius ist wahrscheinlich Appius Claudius Pulcher, der Konsul von 38. 2 2 ; 1 Lucius Aemilius Paulus, Konsul ¡ o zusammen mit Marcus Claudius Marcellus. Der glänzend begabte Gajus Scribonius Curio, von Cicero sehr hoch geschätzt, Volkstribun ¡0, war erst Caesars Feind, dann einer seiner tüchtigsten Helfer. Er fiel 49 in Afrika gegen König Juba. Uber Marcus Antonius s.seine Biographie (Bd. V ) . - j Uber diesen Piso o. Anm. zu S. 2 1 1 1 . 226 1 Lucius Cornelius Lentulus Crus, Konsul 49 mit Gajus Claudius Marcellus. 227 1 Ariminum — Rimini. - 1 Welches der mehreren Flüßchen, die unweit nordwestlich von Rimini in die Adria münden, der antike Rubico war, ist nicht mit voller Sicherheit auszumachen, doch spricht die größte Wahrscheinlichkeit für den Uso. - 3 Ein griechisches Sprichwort. - 4 Titus Volcacius Tullus, Konsul 66. 228 1 Marcus Favonius, Aedil { 3 , Praetor 49, bei Philippi gefangen und hingerichtet. 229 1 «Wenige Tage später» trifft nicht zu. Caesar kam erst mehr als zwei Monate nach der Räumung Roms durch Pompejus und den Senat in die Stadt. - 1 Lucius Caecilius Metellus, Volkstribun 49, später nicht mehr hervorgetreten. - 3 Brundusium oder Brundisium — Brindisi, Dyrrhachion — Durazzo. 230 1 Cicero im Briefe an Atticus VU 1 1 , 3. - 1 Der Mann hieß Numerius Magius und war praefectus fabrum (Feldzeugmeister) des Pompejus. Uber seine weiteren Schicksale ist nichts bekannt. Plutarch

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E R L Ä U T E R U N G E N Z U D E N S E I T E N 23O-244 hat den seltenen Vornamen Numerius für den Hauptnamen (nomen gentile) gehalten. 1 Beroia Stadt Makedoniens am Haliakmon, nicht sehr weit vom Golf von Saloniki. - * Titus Labienus, in Caesars bellum Gallicum oft als einer der fähigsten Generale genannt; er ist später (4j) in Spanien in der Schlacht bei Munda gefallen. 1 Die Kapitulation der spanischen Armee des Pompejus bei Uerda ( — Lerida) erfolgte am 2.August 4 9 . - 2 Orikon im nördlichen Epirus an der Bucht von Valona. 1 Ausführliche Darstellung dieser Kämpfe im Leben Caesars Kap. 39. - 2 Die Athamanen wohnten im südöstlichen Epirus im Grenzgebiet gegen Thessalien. 1 Caesar war schon seit dem Jahre 63 pontifex maximus. 1 Aphrodite Nikephoros, lateinisch Venus Victrix, hatte Kulte sowohl in Griechenland wie in Italien. Pompejus hatte ihr auf der Höhe seines Theaters einen Tempel errichtet. An ihn denkt der Traum (was Plutarch anscheinend nicht gegenwärtig ist). Die Julier leiteten sich von Julus, dem Sohne des Aeneas, des Sohnes des Anchises und der Venus, ab. - » Die Nacht war bei den Römern in vier Nachtwachen geteilt; die letzte umfaßte also die letzten Nachtstunden. — j Woher diese Nachricht stammt, wissen wir nicht; im Bellum civile sagt Caesar nichts davon. - 4 Skotussa nordöstlich von Pharsalos; der Schlachttag war der 9. August (julianisch: 7. Juni) 48. 1 Gnaeus (nicht Lucius) Domitius Calvinus, Konsul { 3 und 40, zuerst £9 als Volkstribun Gegner, seit etwa ¡1 Anhänger Caesars. x Caesar im Bellum civile III 92. / Im Leben Caesars Kap.44 nennt Plutarch den Mann Crassinius; bei Caesar Bellum civile IQ 91 und 99 heißt er Gajus Crastinus. 1 Homer Ilias XI {44. — 2 Gajus Asinius Poillo, Konsul 40 (mit Calvinus), feingebildet, berühmter Redner, hat eine römische Geschichte etwa von 60—42 in 17 Büchern geschrieben, die viel gelesen worden ist, doch sind nur geringfügige Reste erhalten. 1 Larissa am Peneios, dem Hauptstrom Thessaliens, der dann in dem engen Tal Tempr zwischen Olymp und Ossa zum Golf von Saloniki (dem Thermaischen Meerbusen) durchbricht. 1 Uber König Dejotaros von Galatien s. Anm. zu Crassus Kap. 17 (Bd. II S. 26s). - 2 Euripides fg. 961. aus unbekanntem Drama. 3 Amphipolis am unteren Strymon (Struma); Mitylene die bedeutendste Stadt auf Lesbos. 1 Kratippos von Pergamon war der bedeutendste Peripatetiker der

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Zelt, wurde von Cicero hochgeschätzt und ist später in Athen der Lehrer von Ciceros Sohn gewesen. 1 Freie sinngemäße Ergänzung des verderbten und lückenhaften griechischen Textes. - 2 Attaleia im innersten Winkel der pamphyliichen Bucht. 1 Gemeint Seleukeia Pieria, die Hafenstadt von Antiocheia in Nordsyrien. 1 Ptolemaios XUI., Sohn des in Kap. 49 erwähnten Ptolemaios XII. Auletes, Bruder der berühmten (Cleopatra; Pelusion an der Mündung des östlichsten Nilarmes, ägyptische Grenzfestung gegen die Wüste. 1 Sophokles fg. 789 aus unbekanntem Drama. 1 Der Todestag war der 28.September 48, nach anderer, sicherer Uberlieferung nicht einen Tag nach, sondern einen Tag vor Pompejus' Geburtstag; auch war er nicht {9, sondern j8 Jahre alt. Septimius hatte im Seeräuberkrieg 67 als Kriegstribun unter Pompejus gedient.

ISO ' Diese Ereignisse sind im Caesar Kap.48f. und Brutus 33 genauer dargestellt. 2{i r Uber das Albanum vgl. Anm. zu S. 218». 2J2 r Uber Eurypon und die Eurypontiden vgl. Lykurg Kap. 1 f. (Bd.I S. ,52). 2{3 j Anspielung auf Xenophons (uns erhaltene) Lobschrift auf Agesilaos. - » Messene war Erbgenossin Spartas, sofern beide Städte von den Herakliden als Erbe ihres Ahnherrn Herakles besetzt worden waren. In Theben war Herakles geboren.

E R L A U T E R U N G E N ZU PELOPIDAS 2{9 1 Wahrscheinlich König Antigonos Gorutas von Makedonien, 283l4°/39260 1 Iphikratea bedeutender Feldherr (Berufssoldat) athenischer Herkunft und einflußreicher militärischer Reformator. - » Uber Kallikratidas vgl. Lysander Kap. 5-7 (o.S. 11 ff.). - 3 Antigonos' Seesieg bei Andros über die ägyptische Flotte fällt in die 40er Jahre des 3. Jahrhunderts. 261 1 Uber Timotheos, Konons Sohn, vgl. Anm. zu Sulla Kap. 6 (o. S. ¡2). Samos eroberte er 366. - 1 In der umfangreichen griechischen militib-wissenschaftlichen Literatur ist über die Aufgaben des Feld-

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E R L Ä U T E R U N G E N ZU DEN S E I T E N 2ÖI-275 herrn viel gehandelt worden, doch sind uns davon nur Trümmer erhalten. 1 Aristoteles frg. 56. —3 Euripides' Schutzflehende(Hiketides), aufgeführt kurz vor 4 2 1 , V. 861 f. Kapaneus war einer der «Sieben gegen Theben », der im Begriff, die Mauer zu ersteigen, vom Blitz getroffen wurde. 1 Es handelt sich um den Feldzug Spartas gegen Mantineia (in Arkadien) vom Jahre 386. 1 Die Besetzung der Kadmeia, der Burg Thebens, durch Phoibidas erfolgte 382. Die Thesmophorien waren das Fest der Demeter Thesmophoros, der Burggöttin der Kadmeia; es wurde in Theben im Hochsommer gefeiert. x Die Summe von 100000 Drachmen (436,6 kg Silber, fast 17 Talente) ist sicher zu hoch gegriffen; doch war Phoibidas gewiß ein vermögender Mann; die Zeit, da es in Sparta keine nennenswerten Privatvermögen gab, lag längst zurück. — 1 Bezüglich auf die Vertreibung der «dreißig Tyrannen » 403. x Polemarchen hießen in Theben (wie auch anderwärts) die jährlich zu wählenden obersten Beamten. — 2 Die Thriasische Ebene ist die von Eleusis, benannt nach der kleinen Gemeinde Thria nordöstlich von Eleusis. - Die in Kap. 8 - 1 3 gegebene Darstellung des Sturzes des oligarchi$chen Regiments in Theben (379) steht wesentlich übereinstimmend, doch um Einzelzüge vermehrt, die wohl auf Erfindung Plutarchs (oder eines Gewährsmannes) beruhen, auch in Plutarchs Schrift Uber den Schutzgeist des Sokrates, s. Plutarch, Uber Gott und Vorsehung, Dämonen und Weissagung (Bibl. d. Alten Welt, i 9 f 2 ) , S. 214fr. 1 Hierophantes «Weiser der Heiligtümer» hieß der erste und vornehmste Priester der Göttinnen von Eleusis. Aus Demosthenes' Rede gegen Neaira wissen wir, daß der Hierophant Archias später wegen Gottesfrevels angeklagt und verurteilt worden ist. 1 Boiotarchen hießen die leitenden Beamten des Boiotischen Bundes, die jährlich gewählt wurden. Ihre Zahl scheint geschwankt zu haben. — » König Kleombrotos I. kam 380 zur Regierung und fiel 371 in der Schlacht bei Leuktra. 1 Der sog. zweite attische Seebund wurde 377 begründet und zerfiel im Bundesgenossenkrieg von 3S7~3££- — ' Antalkidas der spartanische Staatsmann, der den nach ihm benannten Königsfrieden von 387/86 zustande brachte. — 3 Harmosten «Ordner» hießen die bevollmächtigten Kommissare, die die Spartaner als Statthalter und

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militärische Kommandanten in die ihnen unterworfenen Städte sandten. 276 x Orchomenos sehr alte Stadt (bedeutende mykenische Reste) ostnordöstlich von ChaironeU. 277 1 Die Hauptnachricht über den Apollonkult des Städtchens Tegyrai bei Orchomenos steht hier und in Plutarchs Schrift Uber die eingegangenen Orakel Kap. j (Über Gott und Vorsehung S. 1 1 1 ) . Der Versuch des kleinen Heiligtums, in Konkurrenz mit Delos den Ruhm, Apollons Geburtsstätte zu sein, für sich in Anspruch zu nehmen, ist mißglückt. Die verhältnismäßig geringe Entfernung von Delphi, wo der junge Apollon die Pythonschlange erlegte, und die Nähe von Panopeus, wo Tityos herrschte, der Leto zu vergewaltigen versuchte und dafür von Apollon und Artemis getötet wurde, machte Tegyrai für seine These geltend. Das Ptoiongebirge lag östlich jenseits des Kopaissees; sein Name wird hier (fälschlich) mit ptoeo «scheuchen » in Verbindung gebracht; daraus hat man die mitgeteilte Sage abgeleitet. Plutarch berichtet, ohne sich für oder wider den Anspruch von Tegyrai zu entscheiden, und lehnt es persönlich ab, den Gott überhaupt für «geboren », also nicht ewig, anzusehen. - 1 Hphoros bedeutender Historiker des 4. Jahrhunderts; über Kallisthenes s. das Leben Alexanders Kap. 22 ff.; von der Universalgeschichte des Polybios (etwa 2 00—120) sind bedeutende Teile erhalten. - 3 Die spartanischen Polemarchen waren - anders als die thebanischen, s. o. Anm. 2 66/ - rein militärische Führer. 278 1 Eurotaa der Fluß Lakoniens, Babyka und Knakion örtlichkeiten bei Sparta, s. Lykurg Kap.6 (Bd. I S. 158). 279 j Pammenes thebanischer Staatsmann und Feldherr, in dem Jahrzehnt nach Epameinondas' Tode von bedeutendem Einfluß. — ' Ilias 2, 363. - 3 Plutarch braucht hier die ionische Namensform Ioleos statt des sonst üblichen Iolaos. - 4 Aristoteles frg. 97. 280 j Piaton Phaidros 2 j j b . - 3 Schlacht bei Chaironeia 338. — 3 Laios, der mythische König von Theben, Sohn des Labdakos und Vater des Oidipus, raubte aus Liebe den schönen Chrysippos, Sohn des Pelops, und galt daher als einer der frühesten Vertreter der Päderastie. - 4 Harmonia, Tochter des Kriegsgottes Ares und der Liebesgöttin Aphrodite, hatte in Theben einen Kult. Offenbar verdankt sie ihr Dasein von Anfang an symbolisierender Spekulation. 282 1 Lexiktra unbedeutende Ortschaft westlich von Theben in der Gegend von Thespiai; genaue Lokalisierung nicht möglich. Die Schlacht fand am ¡ . Hekatombaion (Juli) 3 71 statt.

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183 x Menoikeus opfert sich in Euripides' Phoinissen für die Rettung seiner Vaterstadt Theben, Makaria in seinen Herakliden für das Heil ihrer von Eurystheus bedrohten Familie. Die Geschichte von diesem spartanischen Pherekydes steht nur hier und scheint ziemlich dunkel. Das Selbstopfer des Leonidas in den Thermopylen war jedem Griechen aus dem Herodot geläufig. Uber das Menschenopfer während der Schlacht bei Salamis s. Themistokles Kap. 13 (Bd.I S. 4 0 7 ) . - a Vgl. Agesilaos Kap. 6 (o. S. 112 f.). 18$ x W i n t e r 3 7 0 / 6 9 . 286 x Ithome starke Bergfeste unmittelbar über der Stadt Messene. a Kenchreai die östliche Hafenstadt Korinths am Saronischen Meerbusen. 287 x Von dem Maler Androkydes ist sonst nur wenig bekannt. - « Das Eingeklammerte ist ungefähre sinngemäße Ergänzung einer Lücke im griechischen T e x t . Von Menekleidas wissen wir nicht mehr als das hier Berichtete; insbesondere nichts über seine Umsturzversuche. A m Ende des Kapitels Lücke im T e x t . 288 j Die mitgeteilten Ereignisse fallen ins Jahr 369. 291 x Iason war 380—370 Tyrann von Pherai und Bundesfeldherr (Tagos) des thessalischen Bundes, einer der mächtigsten Männer seiner Zeit. 292 x Meliboia im nördlichen Teil der Magnesia, unfern der Küste des thrakischen Meeres; S k o t u s » südlich des Höhenzuges der Kynoskephalai im südlichen Thessalien. - » Polyphron war ein jüngerer Bruder des Iason von Pherai und des Polydoros, den er 369 beseitigte; dessen Sohn war Alexander, der den Polyphron 368 ermordete. 3 Die (erhaltenen) Troerinnen des Euripides, 4 1 ; gedichtet und aufgeführt, behandeln die Eroberung Trojas. 293 x Vers aus unbekanntem Drama des Phrynichos, des ältesten uns kenntlichen Tragikers. - » Gesandtschaftsreise des Pelopidas 367. 2 9 4 x Timagoras war einer der athenischen Gesandten am persischen Hofe 3 6 7 . - 1 Die Gesandtschaftsreise des Epikrates, der wegen seines großen Bartes den Spitznamen «der Schildträger »(Sakesphoros) führte, fiel wohl ins Jahr 3 9 2 ; übrigens mußte er danach in die Verbannung gehen. 2 9 ; x Die Landschaft Achaia Phthiotis (nach dem einst von Achilleus beherrschten Phthia benannt) lag südlich des eigentlichen Thessalien, zu dem es im weiteren Sinne gerechnet wurde. Magnesia war der Landstreifen östlich Thessaliens am Thrakischen Meer. - a Sonnenfinsternis vom 13.Juli 3 6 4 .

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1 9 6 1 Thetideion, Thctis-Heiligtum und kleine Ortschaft, etwa 10 km nordöstlich von Pharsalos an der Straße nach Pherai. 298 1 Ungefähre sinngemäße Ergänzung einer Lücke im griechischen Text. 1 9 9 / T o d des großen Dionysios 3 6 7 ; Philistos von Syrakus hat die G e schichte Siziliens von der Urzeit bis 362 geschrieben, s. Anm. zu Nikias Kap. 1 (Bd. U S. 199). - 1 Uber den Fabeldichter Aisopos vgl. Solon Kap. 28 ( B d . I S. 2 7 1 ) . 300 1 Alexanders Ermordung im Jahre 359.

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ZU

MARCELLUS

302 1 Marcellus war Konsul 222, 2 1 ; , 3 1 4 , 2 1 0 und 2 0 ! . — 1 Das Geschichtswerk des Poseidonios von Apameia - j . über ihn Bd. II A n m . zu S. 1 8 2 1 - behandelte die Zeit von 146 bis etwa 86. Die Ableitung des Namens Marcellus von Mars ist falsch; er ist vielmehr eine Deminutivform von Marcus. — 3 llias 1 4 , 8 6 . 303 1 Dieser Otacilius - wahrscheinlich Titus Otacilius Crassus, Praetor 2 1 7 und 2 1 4 - war ein Halbbruder oder Adoptivhruder des Marcellus. - » So bezeichnet Plutarch die - tatsächlich für vornehmer geltende - kurulische Aedilität im Gegensatz zur plebejischen. Das Jahr der Aedilität des Marcellus ist nicht bekannt. 304 1 Der Erste Punische Krieg endete nach 2 3jähriger Dauer 2 4 1 , der Gallierkrieg begann erst 16 Jahre später, 225. - > Vgl. Camillus Kap. 18IT. (Bd. I S. 44H). - 3 Konsulat des Gaius Flaminius und Publius Furius Philus 2 2 3 . Picenum war die Küstenlandschaft Italiens an der Adria von etwas nördlich Ancona bis etwas nördlich Pescara. Welcher der vielen kleinen FlUsse der Landschaft gemeint ist, wissen wir nicht. - Ariminum — Rimini. 30^ 1 Dieser Tiberius Sempronius Gracchus war der Vater der berühmten Gracchen, Konsul 1 6 3 . 306 1 Erstes Konsulat des Marcellus 1 2 2 . 307 1 Acerrae an der Adda, etwa 20 km nordwestlich von Cremona, jetzt Pizzighettone. - 1 Clastidium das heutige Casteggio südlich des Po, unweit der Mündung des Ticino. 309 1 Mediolanum — Milano/Mailand. 3 1 0 / Vgl. Romulus Kap. 16 (Bd.I S. 122). 3 1 1 1 König Hieron II. regierte in Syrakus 2 7 0 - 2 1 j . - a Alles Ereignisse

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des Jahres 2 1 6 ; Cannae am Unterlauf des Aufidus-Ofanto in Apulien, Canusium 1 o km stromauf. j 12 J Dasselbe erzählt Plutarch noch einmal im Fabius Maximus Kap. 1 9 (Bd. II S. 182), wo er sich auf unsere Stelle bezieht. Uber Poseidonios ebd. S. 4 1 ; . — 2 Nola in Kampanien, 10 km nördlich des Vesuv. 3 1 4 x Livius XXm 16.-3 Der Donner war das nach beliebter Methode angewandte Mittel, um mit religiösen Vorwänden ein politisches Ziel zu erreichen, in diesem Falle, zu verhüten, daß beide Konsuln Plebejer wären (die Marcelli gehörten zu dem plebejischen Zweig der alten Familie der Claudii). Der freiwillige Rücktritt des Marcellus erfolgte sicherlich gegen die patrbische Zusage der Unterstützung bei der Bewerbung um das Konsulat für das nächste Jahr (214). 31 j 1 Drittes Konsulat des Marcellus 214. — 2 Hieronymos wurde 214 ermordet. 317 1 Archytas von Tarent und sein Schüler Eudoxos von Knidos waren jüngere Zeitgenossen Piatons, in der ersten Hälfte des 4. Jahrhunderts tätig. 318 1 Zur Erklärung dieser schwierigen Partie vgl. A.D.Steele, Uber die Rolle von Zirkel und Lineal in der griechischen Mathematik, in Quellen und Studien z. Gesch. der Mathem., Abt.B, Bd. III 287 fr., und Paul Wolfer, Eratosthenes als Mathematiker und Philosoph, Diss. Zürich 1914, auch Archimedes, Opera Bd. III p. 84f. Heiberg. — 2 Offenbar gesagt von der Vorstellung aus, daß die Erde unbeweglich im Mittelpunkt des Weltalls ruhe. 320 1 Die Sambyke (sambuca) war ein dreieckig geformtes Saiteninstrument orientalischen Ursprungs. — 2 Lücke im griechischen Text, dem Sinne nach ergänzt. 321 1 Briareos ist bei Homer (Ilias 1404) ein Urweltriese und Helfer des Zeus im Götteraufstand, in Hesiods Théogonie einer der drei hundertarmigen Riesen (Hekatoncheiren), der Söhne des Uranos und der Gaia, die von ihrem Vater in die Erdtiefe eingeschlossen, dann aber von Zeus befreit werden, ihm im Titanenkampfe beistehen (wobei sie jedesmal 300 Felsblöcke schleudern) und als Wächter der besiegten Titanen in ihrem unterirdischen Gefängnis eingesetzt werden. 322 1 Das sizilische Megara (Hyblaia) wurde einige Jahre nach den ältesten griechischen Siedlungen (Naxos, Leontinoi, Katane, Syrakus), nach Thukydides bald nach 730, an dem sich nördlich von Syrakus

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öffnenden Meerbusen (danach der megarische genannt) von Siedlern aus dem mutterländischen Megara (Nisala) gegründet. — Akrillai sonst nicht bekannt, jedenfalls nicht weit von Syrakus. 3 2 j 1 Das Sechsertor (Hexapyla), also ein Torbau mit sechs öflhungen, lag an der Nordseite der Stadt und führte in den Stadtteil Tycha. }2S

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Henna, heute Castro Giovanni, im Mittelpunkt Siziliens gelegen, berühmt durch seinen Kult der Demeter und Kore, die der Sage nach in der Gegend von Henna von Pluton geraubt wurde. Bei dem Versuch, zu den Karthagern abzufallen, wurde 214 die männliche Bevölkerung durch den römischen Kommandanten Pinarius niedergemetzelt. - 1 Engyion oder Engyon im Innern Siziliens, Lage nicht sicher bekannt. Die hier von Plutarch erzählte Geschichte hat Goethe nach seinem eigenen Zeugnis zu der großartigen Konzeption der «Mütter» im Faust 6216ff. angeregt: merkwürdig, da die Mütter von Engyion doch hier mit rationalistischem Spott als Produkt primitiven Aberglaubens behandelt sind. — 3 Der kretische Held Meriones tritt in der Ilias mehrfach auf. Nach späterer Sage wurde er auf der Heimfahrt von Troia nach Sizilien verschlagen ; daher sein Helm im Heiligtum der Mütter, deren Kult er gestiftet haben soll. Odysseus - dessen übliche lateinische Namensform Ulixes auf verschiedentlich bezeugte, ähnlich lautende griechische Formen des Namens zurückgeht - ist mehrfach mit Sizilien in Verbindung gebracht worden (Kyklopen, Skylla und Charybdis usw.).

327 J Xenophon Hellenika DI 4 , 1 7 . - 2 Pindar Pythien 2 , 1 . 328 1 Euripidea frg. 473 aus der verlorenen Tragödie Likymnlos. 329 1 Vielmehr ist die Ableitung der ova von ovis bestimmt falsch, die Zusammenstellung mit dem griechischen euoi-Ruf wahrscheinlich richtig. - 2 Marcellus' viertes Konsulat 2 1 0 . 332 1 Gnaeus Fulvius Centumalus, Konsul 2 1 1 , wurde als Prokonsul 21 o vor Herdonia (heute Ordona) in Apulien von Hanniba] vernichtend geschlagen. — 2 Livius XXVH 2,2. — 3 Numistro im nördlichen Lucamen, unweit der Grenze von Samnium. 333 1 Die zu zweit gegebene Ableitung von dictator ist die allein mögliche. - 2 Marcellus' zweites Prokonsulat 209. - 3 Über Canusium s. Anm. zu S. 3 r 1 2. 335 1 Sinucssa am Golf von Gaeta auf der Grenze von Kampanien und Latium. - 2 Der circus Flaminius, von C. Flaminius(der 217 am Trasimenischen See fiel) während seiner Censur 220 erbaut, lag nordwestlich des Kapitols. 336 1 Marcellus' fünftes Konsulat 208. - 2 Der Tempel - tatsächlich

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schon früher von Quintus Fabius Maximus erbaut, von Marcellus nur ausgebaut und ausgeschmückt — stand dicht vor der porta Capena, dem alten Südtor Roms. - 3 Doch wohl Goldstickereien. x Bantia und Venusia im Grenzgebiet von Lucanien und Apulien, Lokroi Epizephyrioi im südlichen, Petelia im mittleren Bruttium (Kalabrien). 1 Pindar frg. 2 3 1 . - 2 Voller Name Titus Quinctius Crispinus. — 3 Fregellae in Latium am Liris (Garigliano). 1 Bei Livius (XXVII 28) und Valerius Maximus (dessen unter Tiberius geschriebene factorum et dictorum memorabilium libri novem erhalten sind; V 1 ext. 4) stehen die letzten Angaben nicht. Cornelius Nepos berichtete davon jedenfalls in seiner (verlorenen) Biographie des Marcellus, Augustus in der Leichenrede auf seinen 2 3 v. Chr. im zwanzigsten Lebensjahr gestorbenen Schwiegersohn Marcus Claudius Marcellus. - 2 Samothrake, Felseninsel zwischen Thasos und den Dardanellen, Lindos an der Ostkiiste von Rhodos gelegen. Das dortige Heiligtum der Athena ist von den Dünen ausgegraben worden. — 3 Das Marcellus-Theater zwischen Kapitol und Tiber ist noch zu wesentlichen Teilen erhalten. Die Bibliothek befand sich in der nördlich des Theaters gelegenen porticus Octaviae. z Bald nach dem Tode des Epameinondas (362) versuchten die in der Verbannung zu Orchomenos lebenden thebanischen Aristokraten, mit Hilfe der Orchomenier die Demokratie in Theben zu stürzen. Der Plan wurde verraten, und die Thebaner zerstörten Orchomenos, töteten die männliche Bevölkerung und verkauften Frauen und Kinder als Sklaven. - » Über Polybios vgl. Anm. zu Cato Kap. 9 (Bd.I S.504). — 3 Uber König Juba vgl. Anm. zu Romulus Kap. 14 (Bd. I S . 486). 1 Xenophon, Cyropidie IV 1 , 3 . - 2 Euripides frg. 994.

INHALTSVERZEICHNIS Lysandros Sulla Vergleichung des Lysandros und Sulla

7 46 98

Agesilaos

107

Pompejus

157

Vergleichung des Agesilaos und Pompejus

251

Pelopidas

259

Marcellus

302

Vergleichung des Pelopidas und Marcellus Erläuterungen

(Alle Übersetzungen dieses Bandes stammen von Konrat Ziegler.)

340 347

Der Niedergang der römischen Monarchie

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TACITVS ANNALEN T V S C VLV M

1 Tacitus gilt als der bedeutendste unter den römischen Historikern. In seinem Spätwerk schildert der scharfe Kritiker des Prinzipats die Regierungsjahre der Kaiser Tiberius, Claudius und Nero. Er zeichnet das düstere Bild einer Epoche im Niedergang, welche die alten republikanischen Tugenden vergessen hat. Eine faszinierende Schilderung und ein literarisches Glanzlicht römischer Geschichtsschreibung. Ca. 990 Seiten. ISBN 978-3-538-03542-3

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Wichtige antike Quelle zum Isis-Kult

PLUTARCH RELIGIONSPHILOSOPHISCHE SCHRIFTEN T V S C V L V

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ilf Der vorliegende Band enthält drei Schriften ethischen/religionsphilosophischen Inhalts: »Über Isis und Osiris« ist eine der wenigen und somit wichtigsten antiken Quellen zum Isis-Kult, den römische Legionäre aus Ägypten mitbrachten und im ganzen römischen Reich verbreiteten. »Von der späten Strafe der Gottheit« widmet sich dem religionsgeschichtlich wichtigen Thema der Theodizee. »Vom Aberglauben« nähert sich einem Phänomen, das auch das im ersten Jahrhundert sich ausbreitende Christentum nicht auslöschen konnte.

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