Grosse Griechen und Römer: Band 2 [Reprint 2021 ed.]
 9783112610169, 9783112610152

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B I B L I O T H E K DER A L T E N WEI.T

U b e r dieses Ruch

Die vergleichenden Lebensbeschreibungen von Plutarch, entstanden vermutlich Anfang des zweiten nachchristlichen Jahrhunderts, machten ihren Verfasser zu einem der meistgelesenen griechischen Autoren. Neben seiner farbigen und geistreichen Erzählkunst und der unübersehbaren Fülle interessanten Stoffes wurde er insbesondere durch seine Methode zum Klassiker der Biographie: »Denn ich schreibe nicht Geschichte, sondern zeichne Lebensbilder, und hervorragende Tüchtigkeit oder Verworfenheit offenbart sich nicht durchaus in den aufsehenerregendsten Taten, sondern oft wirft ein geringfügiger Vorgang, ein Wort oder ein Scherz ein bezeichnenderes Licht auf einen Charakter als Schlachten mit Tausenden von Toten ...« So überlieferte uns Plutarch Kenntnisse von Leben und Kultur der Antike wie kaum ein anderer antiker Autor. Band 2 enthält die vergleichenden Lebensbeschreibungen von Kirr.on und Lucullus, Perikles und Fabius Maximus, Nikias und Crassus, Gaius Marcius (Coriolan) und Alkibiades.

PLUTARCH

GROSSE G R I E C H E N UND RÖMER Band 2 Ubersetzt und mit Anmerkungen versehen von Konrat Ziegler und Walter Wuhrmann

Artemis & Winkler

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in d e r D e u t s c h e n N a t i o n a l h i b l i o g r a f i e ; d e t a i l l i e r t e b i b l i o g r a f i s c h e D a t e n sind im I n t e r n e t ü b e r h t t p : / / d n b . d - n b . d e a b r u f b a r .

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KIMON UND L U C U L L U S

KIMON Der Scher Peripoltas, der den König Opheltas und die von ihm beherrschten Völker aus Thessalien nach Boiorien führte, hinterließ ein Geschlecht, das lange Zeit in Blüte stand und größtenteils in Chaironeia 1 wohnte, der Stadt, die sie zuerst den Barbaren entrissen und in Besitz genommen hatten. Die meisten Männer dieses Geschlechtes, die von Natur streitbar und mannhaft waren und ihr Leben nicht schonten, kamen bei den Einfallen der Perser und in den Gallierkämpfcn* um. N u r ein elternloser Knabe blieb übrig, Dämon mit dem Beinamen Peripoltas, der alle seine Altersgenossen an

körperlicher

Schönheit und an M u t und Stolz bei weitem überragte, aber ungebildet war und von hartem Sinn. In ihn verliebte sich ein Römer, der Kommandant einer in Chaironeia überwinternden Kohorte, als er eben ins Jünglingsalter getreten war, und als er ihn durch Worte und Gaben nicht gewinnen konnte, ließ er merken, daß er nicht vor Gewalt zurückscheuen würde, zumal es unserer Vaterstadt damals schlecht ging und sie wegen ihrer Kleinheit und Armut gering geachtct wurde. In der Furcht hiervor und allein schon wegen der Z u m u t u n g erbittert, trachtete Dämon dem Manne nach dem Leben und stiftete eine Verschwörung unter einigen seiner Altersgenossen an, nicht vielen, damit die Sache geheim bliebe, sondern insgesamt sechzehn. Sic beschmierten sich eines Nachts die Gesichter mit Ruß, betranken sich mit ungemischtem Wein, überfielen bei Tagesanbruch den R ö m e r auf dem Markte, während er opferte, töteten ihn und einige seiner U m g e b u n g und entwichen aus der Stadt. In dem darüber entstandenen T u m u l t trat der R a t von Chaironeia zusammen und verur-

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teilte die Mörder zum Tode, und dies diente der Stadt zur Rechtfertigung gegenüber den Römern. Als aber am Abend die Beamten der Sitte gemäß gemeinsam speisten, brachen Dämon und seine Spießgesellen in das Rathaus ein, erschlugen sie und entflohen wieder aus der Stadt. Zufällig passierte in diesen Tagen Lucius Lucullus auf dem Wege zu einer gewissen Unternehmung mit Heeresmacht die Stadt'. Er machte Halt, veranstaltete eine Untersuchung der jüngsten Geschehnisse und fand, daß die Stadt ohne jede Schuld war, vielmehr selbst mit Unrecht erlitten hatte. Er zog daher ab und nahm die Soldaten, die dort gestanden hatten, mit. Dämon aber, der mit räuberischen Streifzügen das Land heimsuchte und die Stadt belästigte, suchten die Bürger durch Botschaften und ihm günstige Beschlüsse zur Heimkehr zu bewegen, und als er kam, ernannten sie ihn zum Vorsteher des Gymnasions, töteten ihn aber dann, während er sich im Schwitzbad salbte. Da sich nun lange Zeit an dem Orte Geistererscheinungen zeigten und Stöhnen vernommen wurde, wie unsere Väter erzählen, so vermauerten sie die Türen des Schwitzbades. Und bis jetzt glauben die in der Nachbarschaft Wohnenden, daß sich dort Gespenster Umtrieben und Stimmen zu hören wären. Die Angehörigen des Geschlechts - es leben noch einige, besonders bei Steiris in Phokis, und sprechen äolischen Dialekt - nennt man Asbolomenoi (Berußte), weil Dämon mit Ruß beschmiert zum Morde auszog. 2. Als später die Orchomenier, die Nachbarn und Feinde Chaironeias, sich einen Ränkeschmied in Rom erkauften und er gegen die Stadt wie gegen eine einzelne Person die Klage des Mordes an den von Dämon Getöteten erhob und das Verfahren vor dem Statthalter von Makedonien anhängig wurde - denn die Römer schickten damals noch nicht Statthalter nach Griechenland - , da riefen die Sprecher für die Stadt das Zeugnis des Lucullus an, der Statthalter schrieb an Lucullus,

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er bezeugte den wahren Hergang, und so erlangte die Stadt, die sich in schwerster Gefahr befand, einen Freispruch. Hierauferrichteten die damals glücklich Davongekommenen eine Marmorstatue des Lucullus auf dem Markt neben der des Dionysos. Wir aber, wenn wir auch durch viele Menschenalter von ihm getrennt sind, glauben doch, daß die Dankespflicht noch bis zu uns jetzt Lebenden herunteireicht. Für ein viel schöneres Denkmal aber als dasjenige, welches seinen Körper und seine Gesichtszüge wiedergibt, halten wir eines, das seinen Charakter und seine Wesensart zur Darstellung bringt, und wollen daher in die Folge der vergleichenden Lebensbeschreibungen die Taten des Mannes aufnehmen, doch so, daß wir die Wahrheit berichten. Denn es genügt der Dank, der in der Erinnerung besteht, und fiir ein wahrheitsgemäßes Zeugnis als Lohn eine verfälschte und erdichtete Darstellung seines Lebens zu erhalten, würde er selbst abgelehnt haben. Denn wie wir von den Malern schöner und reizvoller Gestalten verlangen, daß sie, wenn ihnen ein kleiner Mangel anhaftet, diesen weder ganz weglassen noch deutlich machen; denn das eine würde die Erscheinung häßlich, das andere sie unähnlich machen; so müssen auch wir, da es schwer oder vielmehr vielleicht unmöglich ist, einen ganz tadelfreien und reinen Lebenswandel eines Mannes aufzuzeigen, das Gute der Wahrheit gemäß zur vollen, porträthaften Darstellung bringen. Die Fehlgriffe und Verirrungen aber, die ihnen aus einer Leidenschaft oder aus einer politischen Notwendigkeit bei ihren Taten unterlaufen sind, müssen wir mehr als Mängel an der Vollkommenheit denn als üble Betätigungen der Schlechtigkeit ansehen und sie nicht geflissentlich und betont in die Darstellung einflechten, sondern nur gleichsam mit dem Gefühl der Scham wegen der Unzulänglichkeit der menschlichen Natur, daß sie keinen ganz reinen und unbestreitbar vollkommenen Charakter hervorbringen kann.

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K I M O N UND L U C U L L U S 3. Al» Gegenstück zu Lucullus schien mir bei sorgfältiger

Überlegung Kimon geeignet. Denn beide waren sie tüchtige Soldaten und gewannen ihren Ruhm im Kampf gegen die Barbaren, und in der inneren Politik zeigten sie sich maßvoll und verschafften vor allem ihrem Vaterland eine Ruhezeit von bürgerlichen Zwistigiceiten, errichteten vielmehr weit außerhalb desselben Siegesmale und errangen glorreiche Siege. Denn kein Grieche vor Kimon, kein Römer vor Lucullus drang so weit siegreich in Feindesland vor - nicht gerechnet die Züge des Herakles und des Dionysos, und wenn etwa von den Taten des Perseus gegen die Aithiopen oder gegen die Meder und Armenier oder von den Unternehmungen Iasons eine glaubwürdige Überlieferung aus so alten Zeiten auf uns gekommen ist 1 . Gemeinsam ist ihnen auch dies, daß sie ihre militärische Aufgabe nicht vollständig lösten, sondern daß beide ihren Gegnern zwar schweren Schaden züfugten, sie aber nicht vernichteten. Die größte Ähnlichkeit zwischen beiden aber zeigt sich in der weitherzigen Großzügigkeit, mit der sie Gastfreundschaft übten und Gefälligkeiten erwiesen, sowie in ihrer jugendlich leichtfertigen und üppigen Lebensführung. Einige weitere Ähnlichkeiten übergehe ich vielleicht, die man ohne Schwierigkeit aus der Erzählung selbst wird entnehmen können. 4. Kimon, der Sohn des Miltiades, hatte zur Mutter Hegesipyle, eine Thrakerin, Tochter des Königs Oloros, wie in den auf Kimon selbst verfaßten Gedichten des Archelaos und des Melanthios berichtet ist. Daher hatte auch Thukydides, der Geschichtsschreiber, der mit Kimon verwandt war, einen Oloros zum Vater, der seinen Namen nach dem Ahnherrn hatte, und besaß die Goldbergwerke in Thrakien. Gestorben soll er in Skapte Hyle («Waldrode») sein - das ist eine Ortschaft in Thrakien - , und zwar durch Mord, seine Gebeine aber wurden nach Attika gebracht, und sein Grabdenkmal

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wird unter den Kimon gräbern gezeigt neben dem der Elpinike, der Schwester Kimons. Indes stammte Thukydides aus dem Demos Halimus, die Familie des Miltiades aus dem der Lakiaden1. Als Miltiades zu einer Geldstrafe von fünfzig Talenten verurteilt, bis zu ihrer Bezahlung in Haft genommen und im Gefängnis gestorben war, blieb Kimon als ganz junger Mann zurück mit seiner Schwester, die noch ein Mädchen und unverheiratet war, und war in der ersten Zeit wenig angesehen in der Stadt und stand in üblem Ruf als ausschweifend, trunksüchtig und seiner Begabung nach dem Großvater Kimon gleichend, der wegen seiner Einfältigkeit den Beinamen Koalemos (Dummbart) gehabt haben soll. Stesimbrotos von Thasos 1 , der etwa zur gleichen Zeit wie Kimon lebte, erzählt, er habe weder Musik erlernt noch ein anderes der Fächer, in denen die Söhne guter Familien bei den Griechen unterwiesen wurden, und von attischer Redekunst und Zungenfertigkeit habe er rein gar nichts gehabt, aber viel Edles und Aufrichtiges in seinem Charakter, und so sei die Gemütsart des Mannes mehr die eines Peloponnesiers gewesen, «schlicht, ungekünstelt, doch zum Größten wohlgeschickt», wie der Herakles des Euripides1; denn das darf man zu dem, was Stesimbrotos geschrieben hat, hinzusetzen. Noch jung wurde er unerlaubten Verkehrs mit seiner Schwester bezichtigt. Auch sonst soll Elpinike nicht sehr sittsam gewesen sein, sondern sich auch mit dem Maler Polygnotos vergangen haben. Deswegen soll er auch, als er in der Halle, die damals die des Peisianax, heute die Gemäldehalle heißt, die Troerinnen malte, der Laodike die Porträtzüge der Elpinike gegeben haben4. Übrigens war Polygnotos kein Handwerker und malte die Halle nicht gegen ausbedungenen Lohn aus, sondern unentgeltlich, um sich Ehre bei der Stadt einzu-

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legen, wie die Geschichtsschreiber erzählen und Mclanthios

in folgender Form sagt: «Denn auf eigene Kosten hat er mit der Halbgötter Taten Tempel der Götter geschmückt und den Kekropischen Markt.» Einige sagen jedoch, Elpinike sei nicht Kimons heimliche Geliebte, sondern öffentlich seine Gemahlin gewesen, weil sie ihrer Armut wegen keinen ihres Adels würdigen Freier fand. Als aber Kallias, einer der reichen Bürger Athens, sich in sie verliebte, ihr näherte und sich bereit erklärte, die Bußsumme für ihren Vater an die Staatskasse zu zahlen, habe sie selbst eingewilligt und Kimon Elpinike mit Kallias verheiratet. Uberhaupt war Kimon offenbar der Frauenliebe sehr ergeben. Denn eine Asteria, die aus Salamis stammte, und wiederum eine Mnestra nennt der Dichter Melanthios in einer an Kimon gerichteten Elegie scherzend als Frauen, um die er sich bemüht habe. Aber auch Isodike, die Tochter des Euryptolemos und Enkelin des Megakles, seine legitime Gemahlin, hat Kimon offenbar leidenschaftlich geliebt und ihren Tod tief betrauert, wenn man diesen Schluß aus den zur Linderung seines Schmerzes an ihn gerichteten Elegien ziehen darf, für deren Dichter der Philosoph Panaitios1 den Naturphilosophen Archelaos hält, eine Vermutung, die chronologisch wohl begründet ist. 5. In allem andern war der Charakter Kimons edel und bewundernswert. Weder stand er nach allgemeinem Urteil an Wagemut dem Miltiades noch an Klugkeit dem Themistokies nach, war aber gerechter als beide, und während er an kriegerischen Leistungen ihnen nicht das mindeste nachgab, war er ihnen an bürgerlichen Tugenden weit überlegen, schon als junger, im Kriege noch nicht bewährter Mann. Denn als beim Anzug der Meder Themistokles das Volk zu

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bewegen suchte, die Stadt aufzugeben, das Land zu verlassen, die ganze WafFenmacht vor Salamis auf den Schiften zu versammeln und die Entscheidung zur See zu suchen, da sah man, während die meisten noch über ein solches Wagnis voll Bestürzung waren, Kimon als ersten fröhlich mit seinen Gefährten durch den Kerameikos zur Burg hinaufgehen und ein Zaumzeug tragen, um es der Göttin zu weihen, da die Stadt im Augenblick nicht ritterliche Wehrkraft, sondern Kämpfer zur See bedürfe. E r weihte das Zaumzeug, nahm einen der um den Tempel aufgehängten Schilde, verrichtete ein Gebet an die Göttin und stieg zum Meere hinab, womit er nicht wenigen neuen M u t einflößte. Er war auch von untadeliger Gestalt, wie der Dichter Ion sagt, hochgewachsen und hatte volles, gelocktes Haupthaar. In der Schlacht selbst zeichnete er sich durch glänzende Tapferkeit aus und gewann dadurch schnell Ansehen und Beliebtheit bei den Bürgern, von denen sich viele an ihn anschlössen und ihn ermunterten, eine Gesinnung zu hegen und zu handeln würdig Marathons, und als er sich nun der Politik zuwandte, empfing ihn das Volk freudig, und da es bereits von Themistokles genug hatte, so trug es ihn empor zu den höchsten Ämtern und Würden, zumal er sehr umgänglich und wegen seines leutseligen und schlichten Wesens bei der Menge beliebt war. Nicht zum wenigsten forderte ihn auch Aristeides, der Sohn des Lysimachos, der seine guten Anlagen erkannte und sich in ihm gleichsam ein Gegengewicht gegen die Schlauheit und Verwegenheit des Themistokles schaffen wollte. 6. Als er dann nach dem Rückzug der Meder aus Griechenland als Feldherr ausgesandt wurde, zur Zeit da die Athener noch nicht den Befehl zur See innehatten, sondern sich im Gefolge des Pausanias und der Lakedaimonier befanden, da sorgte er zuerst dafür, daß seine Mitbürger bei den Feldzügen sich durch Manneszucht auszeichneten und sich an M u t und Eifer

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vor allen hervortaten. Als dann Pausanias mit den Barbaren

in verräterische Unterhandlungen eintrat und dem König Briefe schrieb, den Bundesgenossen andererseits hart und hochfahrend begegnete und in seiner Machtfiille und seiner unvernünftigen Überhebung viele Freveltaten beging1, da nahm Kimon die Gekränkten gütig auf, redete freundlich mit ihnen und gewann so unmerklich nicht mit Waffengewalt, sondern mit Worten und gütlich die Vormachtstellung in Griechenland. Denn die meisten der Bundesgenossen schlugen sich zu ihm und Aristeides, weil sie die Schroffheit und Überheblichkeit des Pausanias nicht länger ertragen wollten. Zu gleicher Zeit, da sie dies taten, schickten sie zu den Ephoren und ließen ihnen sagen, da er Sparta in Unehre bringe und Griechenland in Verwirrung stürze, möchten sie Pausanias zurückrufen. Es wird auch erzählt, Pausanias habe eine Jungfrau aus vornehmer Familie in Byzanz namens Kleonike zu sich befohlen, um sie zu entehren, die Eltern hätten im Zwange der Not und aus Furcht das Mädchen gehen lassen, sie habe die Wachen vor dem Schlafgemach gebeten, das Licht wegzunehmen, und sei im Dunkeln schweigend auf das Lager zugegangen, auf dem Pausanias schon schlief. Da sei sie gestolpert und habe den Leuchter umgeworfen. Pausanias sei infolge des Geräusches emporgefahren, habe im Glauben, daß ein Feind ihn angriffe, das neben ihm liegende Schwert gezogen und die Jungfrau niedergestoßen. Sie sei an der Wunde gestorben, habe aber dem Pausanias keine Ruhe mehr gelassen, sondern sei ihm nachts als Gespenst im Traum erschienen und habe immer den Vers gesprochen: «Geh nur der Buße entgegen! Zum Fluch wird den Männern die Wollust.» Dies erregte ganz besondere Erbitterung bei den Bundesgenossen, die ihn nunmehr unter Führung Kimons gewalt-

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sam vertrieben. Aus Byzantion verdrängt und fortwährend von dem Gespenst beunruhigt, wie es heißt, nahm er seine Zuflucht zu dem Totenorakel in Herakleia', ließ die Seele Kleonikes emporrufen und suchte ihren Groll zu besänftigen. Sie erschien ihm und sagte, er werde alsbald sein Leiden los werden, wenn er nach Sparta käme, womit sie ihm offenbar sein bevorstehendes Ende andeutete. Dies ist also von vielen berichtet worden. 7. Nachdem die Bundesgenossen sich ihm angeschlossen hatten, segelte Kimon als Feldherr nach Thrakien, weil er hörte, daß eine Anzahl hochangesehener Perser, Verwandte des Königs, die am Flusse Strymon gelegene Stadt Eion 1 besetzt hielten und die in dieser Gegend siedelnden Griechen belästigten. Zuerst besiegte er die Perser selbst in einer Feldschlacht und schloß sie in die Stadt ein. Dann verjagte er die jenseits des Strymon wohnenden Thraker, von welchen die Perser ihre Lebensmittel erhielten, brachte das ganze Land unter seine Kontrolle und dadurch die Belagerten in solche Not, daß Boges, der Feldherr des Königs, die Sache verloren gab, die Stadt in Brand steckte und sich mitsamt seinen Freunden und allen Schätzen den Flammentod gab. So erzielte Kimon durch die Einnahme der Stadt zwar sonst keinen nennenswerten Gewinn, weil das meiste mit den Barbaren verbrannt war, übergab aber das Land den Athenern, das höchst fruchtbar und trefflich zur Besiedelung geeignet war. Daher gestattete ihm das Volk, die marmornen Hermen' aufzurichten, auf denen die folgenden Inschriften stehen. Auf der ersten: «Tapfere Herzen hatten die Männer, die einstens der Meder Söhnen in Eions Stadt, wo sich der Strymon ergießt, Bohrenden Hunger gebracht und furchtbare Leiden im Kampfe Und in verzweifelnde Not stürzten, als erste, den Feind.»

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Auf der zweiten: «Für ihre tapferen Taten und ihre großen Verdienste, Haben die Männer Athens also die Führer geehrt. Wenn er dies schaut, wird noch mancher der späteren Männer bereit sein, Für das gemeinsame Wohl wagen den blutigen Kampf.» Auf der dritten: «Dies ist die Stadt, aus welcher mit Atreus' Söhnen Menestheus 1 In das heil'ge Gefild Trojas als Führer einst zog. Unter den Danaern war, den stark gepanzerten, keiner Besser, zu ordnen den Kampf, also bezeuget Homer. Also gebührt es den Bürgern Athens, daß rings in den Landen Männer sie werden genannt trefflich erfahren im Krieg.» 8. Obwohl in diesen Versen nirgends der Name Kimons genannt ist, so sahen die Menschen damals darin doch schon eine ganz außerordentliche Ehrung. Weder Themistokles noch Milriades war so etwas zuteil geworden, sondern als dieser um einen ölkranz bat, war Sophanes von Dekeleia1 mitten aus der Versammlung aufgestanden und hatte widersprochen mit dem nicht sehr freundlichen, aber vom Volk beifällig aufgenommenen Ruf: «Wenn du einmal allein mit den Barbaren kämpfst und sie besiegst, Milriades, dann kannst du auch für dich allein eine Auszeichnung verlangen.» Warum haben sie nun also die Leistung Kimons so besonders anerkannt? Wohl weil sie unter dem Befehl der anderen sich nur um ihrer Selbsterhaltung willen gegen die Feinde wehrten, unter ihm aber in die Lage kamen, selbst ins Feindesland einzubrechen und ihnen Schaden zu tun, und weil sie Eion selbst eroberten und die Kolonie Amphipolis1 gründeten.

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Sie besiedelten auch Skyros, das Kimon aus folgendem Grunde nahm. Doloper bewohnten die Insel, Leute, die das Land lässig bestellten, von alters her Seeräuberei trieben und schließlich auch nicht von den bei ihnen einlaufenden Handelsleuten die Hände ließen, sondern einige thessalisclic Kaufleute, die bei Ktesion vor Anker gingen, ausgeraubt und in Fesseln gelegt hatten. Diese entkamen jedoch aus der Haft und erwirkten beim Amphiktyonengericht1 ein Urteil gegen die Gemeinde. Oa aber die Bürgerschaft die Rückzahlung auf Gemeindekosten ablehnte und verlangte, daß allein diejenigen, die das Gut geraubt und in Besitz hatten, zahlen sollten, so schickten diese in ihrer Angst eine schriftliche Botschaft an Kimon, er möchte mit seiner Flotte kommen und sich der Stadt bemächtigen; sie würden sie ihm ausliefern. So bekam Kimon die Insel in seine Hand, vertrieb die Doloper und säuberte das Ägäische Meer vom Seeraub, und da er erfuhr 2 , daß der alte König Theseus, der Sohn des Aigeus, der von Athen nach Skyros geflohen war, dort von dem König Lykomedes aus Furcht hinterlistig getötet worden sei, so bemühte er sich, das Grab ausfindig zu machen. Denn den Athenern war ein Orakel erteilt worden, das ihnen befahl, die Gebeine des Theseus in die Stadt zu bringen und ihn als Heros gebührend zu ehren; sie wußten aber nicht, wo er begraben lag, weil die Skyrier die Richtigkeit der Überlieferung bestritten und keine Nachforschung gestatteten. Nachdem jetzt nach eifrigem Suchen das Grab doch aufgefunden war, ließ Kimon die Gebeine auf seine eigene Triere bringen und führte sie, aufs reichste geschmückt, nach beinahe vierhundert Jahren3 heim. Damit gewann er sich besonderen Beifall bei der Bürgerschaft. Zu seinem Ruhme bestellten sie auch das berühmt gewordene Gericht über die tragischen Dichter. Denn als Sophokles, noch jung, sich zum ersten Mal an der Tragödienkonkurrenz beteiligte und beim Publikum sich Spannung und Parteiun-

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gen gebildet hatten, da bestimmte der Archon Apscphion 1 die Kampfrichter nicht durch das Los, sondern als Kimon und seine Mitfeldherren ins Theater kamen und dem Gott die hergebrachten Trankopfer darbrachten, ließ er sie nicht gehen, sondern vereidigte sie und nötigte sie, sich niederzusetzen und das Urteil zu sprechen, alle zehn, je einer von jeder Phyle. So wurde der Wetteifer auch durch das Ansehen der Kampfrichter zu höchster Leistung angespornt, und als Sophokles den Preis erhielt, betrübte und kränkte dies Aischylos schwer, so wird berichtet, und er blieb nicht mehr lange in Athen, sondern reiste voll Zorn nach Sizilien, wo er auch gestorben ist und bei Gela begraben liegt. 9. Der Dichter Ion 1 erzählt, er habe einmal, als er ganz jung von Chios nach Athen gekommen war, bei Laomedon zusammen mit Kimon gespeist. Nach gebrachtem Trankopfer sei Kimon aufgefordert worden zu singen, und als er ziemlich gut gesungen hatte, so hätten ihn die Anwesenden gelobt, er sei vielseitiger als Themistokles; denn der habe gesagt, zu singen und Kithara zu spielen habe er nicht gelernt, aber eine Stadt groß und reich zu machen, das verstehe er. Hierauf sei, wie natürlich, beim Trunk die Rede auf die Taten Kimons gekommen, und als die bedeutendsten berichtet wurden, da habe er selbst von einem Geniestreich erzählt, den er für seinen besten hielte. Denn als die Bundesgenossen in Sestos und Byzanz viele Barbaren zu Gefangenen gemacht hatten, trugen sie Kimon auf, sie zu verteilen, und als er die Männer selbst auf die eine Seite treten, den Schmuck, den sie am Leibe getragen hatten, auf die andere Seite legen ließ, beschwerten sie sich, die Verteilung sei ungleich. Er forderte sie nun auf, den einen Teil zu wählen; die Athener würden mit dem Teil, den sie übrig ließen, zufrieden sein. Als hierauf Herophytos von Samos den Rat gab, lieber den Besitz der Perser zu wählen als die Perser, nahmen die Bundesgenossen den Schmuck und

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überließen den Athenern die Gefangenen. Da w u r d e zunächst Kimon verspottet als ein lächerlicher Verteiler, da die Bundesgenossen goldene Armbänder, Halsringe und Halsketten, Prachtröcke und Purpurgewänder davontrugen, während die Athener nur nackte Menschen bekamen, die w e n i g zur A r b e i t

g e ü b t waren.

W e n i g später aber kamen

die

Freunde und Verwandten der Gefangenen aus Phrygien und Lydien herunter und kauften jeden einzelnen für ein hohes Lösegeld frei, so daß Kimon für vier M o n a t e den Unterhalt für die F l o t t e zur V e r f ü g u n g hatte und darüber hinaus noch eine nicht geringe Summe aus den Lösegeldern fiir den Staatsschatz übrig blieb. 10. Nachdem Kimon nunmehr Mittel für seine Feldzüge reichlich zur V e r f ü g u n g hatte, wandte er die G e w i n n e , die er rühmlich von den Feinden erzielt hatte, noch rühmlicher zugunsten seiner M i t b ü r g e r an. Er ließ nämlich die Einfriedigungen von seinen Gütern entfernen, damit sowohl die Fremden w i e die bedürftigen M i t b ü r g e r die Freiheit hätten, ungescheut von den Früchten z u nehmen, und bei sich zu Hause ließ er alltäglich ein z w a r einfaches, aber f ü r viele ausreichendes Mahl bereiten, zu dem jeder A r m e , der es w o l l t e , hereinkommen und so seinen Unterhalt haben konnte, ohne zu arbeiten, um so allein für die öffentlichen Geschäfte frei zu sein. N a c h dem Z e u g n i s des Aristoteles' allerdings hätte er nicht für alle Athener, sondern nur für die Angehörigen seines Demos, die Lakiaden, soweit sie es wollten, offene T a f e l gehalten. Ihn selbst begleiteten stets befreundete j u n g e Leute in guter Kleidung, und jeder von ihnen mußte, w e n n dem Kimon ein dürftig gekleideter älterer Bürger begegnete, die Kleider mit ihm tauschen; und das erschien den Leuten sehr g r o ß z ü g i g . Dieselben j u n g e n Leute trugen auch

reichlich

Geld bei sich und traten auf dem M a r k t an ehrbare A r m e heran und legten ihnen schweigend Geld in die Hände. Hierauf

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scheint auch der komische Dichter Kratinos' in seinem Drama « Männer wie Archilochos » anzuspielen mit folgenden Versen: «Auch ich, der Schreiber Metrobios, hab' gehofft, Mit dem göttlichen Mann, dem gastlichsten von allen, Dem edelsten von allen unter den Hellenen, Kimon, ein fröhliches Alter zu verleben In stetem Schmausen. Aber er verließ uns, Ist vor mir hingegangen.» Gorgias von Leontinoi' sodann sagt, Kimon habe Schätze erworben, um sie zu brauchen, und sie gebraucht, um Ehre zu erwerben; und Kritias', einer der dreißig Tyrannen, wünscht sich in seinen Elegien «Reichtum wiedieSkopaden 4 und hohe Gesinnung wie Kimon, Siege wie Arkesilas, aus Lakedaimon entstammt.» Von Lichas, dem Spartaner, erfahren wir, daß er durch nichts anderes unter den Griechen namhaft geworden ist als dadurch, daß er bei den Gymnopaidien' die Fremden bewirtete. Kimons Freigebigkeit stellte aber auch die alte Gastfreiheit und Menschenfreundlichkeit der Athener in Schatten. Denn sie haben - worauf die Stadt mit Recht stolz ist - die Saat der Feldfrucht an die Griechen ausgegeben 6 und die bedürftigen Menschen gelehrt, das Wasser der Quellen zu verteilen und Feuer anzuzünden. Kimon aber, der sein Haus den Bürgern als gemeinsame Speisehalle zur Verfügung stellte und auf dem Lande die Erstlinge der Früchte und alles, was die Jahreszeiten Gutes bringen, den Fremden zu genießen und zu nehmen erlaubte, hat gewissermaßen die mythische

Güter-

gemeinschaft der Z e i t des Kronos wieder in das Leben der Gegenwart eingeführt. Wer das als demagogisches Bemühen um die Gunst der Masse verdächtigte, wurde durch die sonstige Richtung und Haltung des Mannes widerlegt, die

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durchaus aristokratisch und spartanisch war, wie er denn dem Themistokles, als er die Gewalt des Volkes über das rechte Maß hinaus erweitern wollte, im Bunde mit Aristeides entgegentrat und später mit Ephialtes, als er die Macht des Areopagrates beschränkte, in Streit geriet1. Und während er alle anderen, ausgenommen nur Aristeides und Ephialtes, sich auf Kosten des Staates bereichern sah, zeigte er sich in seiner politischen Tätigkeit unantastbar und unbestechlich als ein Mann, der bis zu seinem Ende alles, was er tat und redete, rein und uneigennützig tat. So wird erzählt, daß ein Barbar namens Rhoisakes, der vom Perserkönig abgefallen war, mit großen Schätzen nach Athen kam, von falschen Anklägern bedroht seine Zuflucht zu Kimon nahm und zwei Schalen, die eine mit Silber-, die andere mit Golddareiken * gefüllt, vor seine Tür stellen ließ; als Kimon diese sah, habe er lächelnd den Mann gefragt, ob er Kimon lieber als seinen Angestellten oder zum Freunde haben wolle, und als der antwortete, zum Freunde, habe er gesagt: «Also geh und nimm das mit. Denn wenn ich dein Freund bin, werde ich davon Gebrauch machen, sobald ich es nötig habe.» I i . Als danach die Bundesgenossen zwar die Geldbeiträge leisteten, aber nicht Männer und Schiffe stellten, wie es festgesetzt war, sondern der Feldzüge endlich müde waren, vom Krieg nichts mehr wissen wollten, ihr Land zu bestellen und in Ruhe zu leben wünschten, da die Barbaren ja fort waren und sie nicht mehr bedrohten, und also weder die Schiffe bemannen noch Männer schicken wollten, da suchten die anderen Feldherren der Athener sie durch Zwang zur Erfüllung ihrer Verpflichtung anzuhalten, indem sie die Säumigen vor Gericht zogen und bestraften, womit sie aber nur Mißstimmung und Erbitterung gegen die Herrschaft Athens erzeugten. Kimon hingegen schlug, als er Stratege war, den umgekehrten Weg ein. Er brauchte gegen keinen Griechen

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Gewalt, sondern ließ sich von denen, die keinen Kriegsdienst leisten wollten, Geld und leere Schiffe geben und erlaubte ihnen, von der Ruhe geködert, sich mit ihren häuslichen Geschäften abzugeben und dank ihrer Bequemlichkeit

und

ihrem Unverstand aus tüchtigen Kriegern unkriegerische Bauern und Geschäftsleute zu werden. Die Athener hingegen ließ er abwechselnd in großer Zahl die Schiffe besteigen und härtete sie in den Feldzügen ab, und so machte er sie in kurzer Zeit mit Hilfe der Gelder und Ablösungssummen der Bundesgenossen zu Herren derer, die das Geld gaben. Denn da die Athener ständig zur See waren, die Waffen nicht aus der Hand legten und ihren Unterhalt und ihre Übung aus der Entwöhnung der Bundesgenossen vom Kriege bezogen, so gewöhnten sich diese, sie zu furchten und ihnen zu schmeicheln, und merkten gar nicht, daß sie aus Bundesgenossen tributpflichtige Untertanen und Knechte geworden waren. 12. Ja, selbst den Stolz des Großkönigs hat niemand so sehr gedemütigt und gebeugt wie Kimon. Denn er ließ ihn nicht los, als er aus Griechenland abgezogen war, sondern er verfolgte die Barbaren gleichsam auf dem Fuß, bevor sie Atem schöpfen und zum Stehen kommen konnten, verwüstete und eroberte das Land entweder oder brachte es zum Abfall von den Persern und zum Anschluß an die Griechen, so daß er Asien von Ionien an bis Pamphylien von persischen Waffen säuberte. Als er erfuhr, daß die Feldherren des Königs mit einem großen Heer und vielen Schiffen von Pamphylien her einen Angriff vorbereiteten, und seinerseits gewillt war, sie so einzuschüchtern, daß sie das Meer diesseits der chelidonischen Inseln überhaupt nicht mehr zu befahren wagten, lief er von Knidos und dem Kap Triopion aus mit dreihundert Dreiruderern, die für Schnelligkeit und Wendigkeit von Themistokles längst aufs günstigste konstruiert waren, jetzt aber durch Kimon einen breiteren Bau und eine Verbindungs-

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brücke zwischen den Verdecken erhalten hatten, so daß sie mehr Schwerbewaffneten Raum boten und entsprechend kampfkräftiger (ur den Angriff wurden. Als er jetzt vor die Stadt Phaseiis1 kam, deren Bewohner Griechen waren, aber die Flotte nicht aufnehmen und vom König nicht abfallen wollten, verwüstete er ihr Land und leitete den Angriff gegen die Mauern ein. Aber die Chicr, die an dem Feldzug teilnahmen und zu den Phaseliten von alters her freundliche Beziehungen hatten, suchten auf der einen Seite Kimon zu besänftigen, und andererseits schössen sie Botschaften an die Phaseliten über die Maucm, die sie an die Pfeile befestigten. Schließlich brachten sie einen Vergleich zwischen ihnen zustande mit der Bedingung, daß die Phaseliten Kimon zehn Talente zahlten und ihm gegen die Barbaren Heeresfolge leisteten. Ephoros 1 gibt an, daß Tithraustes Befehlshaber der königlichen Flotte und Pherendates des Landheeres war; Kallisthenes' dagegen sagt, Ariomandes, der Sohn des Gobryas, sei Oberbefehlshaber der gesamten Streitmacht gewesen und habe mit seiner Flotte an der Mündung des Eurymedon* gelegen, nicht geneigt, mit den Griechen zu kämpfen, sondern er habe auf achtzig Schiffe gewartet, die von Kypros herangesegelt kamen. In der Absicht, diesen zuvorzukommen, stach Kimon in See, entschlossen, die Feinde zum Kampf zu zwingen, wenn sie sich nicht freiwillig zur Schlacht stellten. Sie liefen zuerst, um nicht dazu gezwungen zu werden, in den Fluß ein, als aber die Athener sie dort angreifen wollten, fuhren sie ihnen entgegen auf das offene Meer, und zwar, wie Phanodemos 5 sagt, mit sechshundert Schiffen, nach Ephoros mit dreihundertfünfzig. Doch wurde zur See wenigstens nichts von ihnen geleistet, was dieser Macht entsprochen hätte, sondern sie bogen aus, und die ersten kamen glücklich an Land und entrannen zu dem Landheer, das in der Nähe auf-

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marschiert war, die anderen wurden eingeholt und mitsamt den Schiffen vernichtet. Hier zeigt es sich nun deutlich, daß die Zahl der von den Barbaren bemannten Schiffe sehr groß gewesen sein muß, wenn die Athener, obwohl, wie natürlich, viele Schiffe entronnen und viele vernichtet waren, doch noch zweihundert erbeuten konnten. 13. Als jetzt das Landheer zum Strande herabgerückt war, schien es dem Kimon ein gefahrliches Unternehmen, die Landung zu erzwingen und die schon ermatteten Griechen gegen einen noch frischen und zahlenmäßig vielfach überlegenen Feind zu fuhren. Als er aber gewahrte, daß sie im Gefühl ihrer Kraft und von Mut und Stolz auf den errungenen Sieg geschwellt daraufbrannten, mit den Barbaren handgemein zu werden, ließ er die Hopliten landen, die nun, noch heiß von der Seeschlacht, mit Geschrei im Lauf vorstürmten. Die Perser hielten stand und wehrten sich unverzagt. So entspann sich eine harte Schlacht, in der von den Athenern tapfere, hochangesehene Männer der ersten Familien fielen. Nach langem Kampfe aber schlugen sie die Barbaren in die Flucht und töteten viele, die anderen nahmen sie gefangen und erbeuteten ihre mit Kostbarkeiten aller Art gefüllten Zelte. Nachdem Kimon so, gleich einem Meister im Wettkampf, an einem Tage zwei Kämpfe gewonnen und den T a g von Salamis durch einen Sieg zu Lande, den T a g von Plataiai durch einen Seesieg überboten hatte, errang er zu diesen Siegen noch einen dritten Preis. Da er erfuhr, daß die achtzig phoinikischen Trieren, die zu der Schlacht nicht zurecht gekommen waren, bei Hydros 1 an Land gegangen waren, fuhr er ihnen eilends entgegen, während die feindlichen Feldherren noch nichts Sicheres über die Hauptmacht wußten, sondern in Ungewißheit und banger Erwartung schwebten. Um so mehr wurden sie überrascht und verloren die ganze Flotte, und der größte Teil der Bemannung kam mit ums Leben.

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Diese Siege demütigten den Stolz des Königs so sehr, daß er sich zu jenem berühmten Frieden herbeiließ, worin er sich verpflichtete, sich so weit, wie ein Pferd an einem Tage laufen kann, von dem griechischen Meere fernzuhalten und mit keinem mit ehernem Rammsporn versehenen Schiffe das Meer diesseits der Kyaneischen' und der Chelidonischen Inseln zu befahren. Kallisthenes sagt allerdings, einen Vertrag dieses Inhalts habe der Barbar nicht geschlossen, sondern sich nur aus Furcht infolge jener Niederlage faktisch so verhalten und sich soweit von Griechenland zurückgezogen, daß Perikles mit fünfzig und Ephialtes sogar mit nur dreißig Schiffen Uber die Chelidonischen Inseln hinausgefahren sei, ohne daß ihnen eine Flotte von seiten der Barbaren begegnete. In der Urkundensammlung aber, die Krateros 1 veranstaltet hat, befindet sich eine Abschrift des Vertrages als eines wirklich zustande gekommenen. Auch sollen die Athener deswegen einen Altar der Eirene («Frieden») errichtet und Kallias, der als Gesandter den Frieden schloß, hohe Ehren erwiesen haben. Durch den Verkauf der gewonnenen Beute wurde die Finanzkraft des Volkes sowohl für andere Unternehmungen gestärkt, als auch erbaute es aus den durch jenen Feldzug ihm zugeflossenen Mitteln die Südmauer der Akropolis. Auch der Bau der langen Mauern, die man die Schenkel nennt, soll zwar erst später vollendet worden sein; aber die sichcre Grundlegung - da man mit den Arbeiten in wasserhaltiges Sumpfgelände geriet - soll durch Kimon bewirkt worden sein, indem man mit viel Kies und schweren Steinen den Sumpfgrund befestigte, wozu er das Geld beschaffte und zur Verfügung stellte. Er war auch der erste, der die Stadt mit den vornehmen und schönen Erholungsorten schmückte, die wenig später sich so außerordentlicher Beliebtheit erfreuten. Er bepflanzte den Marktplatz mit Platanen und verwandelte die

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aus einem wasscrlosen und dürren Stück Land in

einen wohlbewässerten Hain, der von ihm mit rein gehaltenen Laufwegen und schattigen Spaziergängen ausgestattet war. 14. Als einige Perser den thrakischen Chersones nicht aufgeben wollten, sondern auch die Thraker aus dem Binnenland herbeiriefen und Kimon, der mit ganz wenigen Dreiruderern von Athen ausgesegelt war, T r o t z boten, griff er sie an, nahm mit seinen vier Schiffen ihre dreizehn, vertrieb die Perser, besiegte die Thraker und machte den ganzen Chersones der Stadt Untertan. Hierauf schlug er die von den Athenern abgefallenen Thasier in einer Seeschlacht, nahm dreiunddreißig Schiffe und eroberte die Stadt, gewann dazu die auf dem Festlande liegenden Goldbergwerke und bemächtigte sich des Landes, das die Thasier beherrscht hatten 1 . Von da aus hätte er, so schien es, leicht die Möglichkeit gehabt, in Makedonien einzudringen und einen großen Teil des Landes zu erobern. Da er das unterließ, verdächtigte man ihn, er habe sich von dem König Alexandras bestechen lassen, seine Feinde taten sich zusammen und erhoben Anklage gegen ihn. In seiner Verteidigungsrede vor den Richtern sagte er, er sei nicht Staatsgastfreund reicher ionischer oder thessalischer Gemeinden wie andere, um von ihnen Ehren und Geschenke zu gewinnen, sondern der Lakedaimonier, deren Einfachheit und Enthaltsamkeit er hochhalte und sich zum Beispiel nehme, und diesen Tugenden ziehe er keinen Reichtum vor, sondern suche seine Ehre darin, die Stadt auf Kosten der Feinde reich zu machen. Wo Stesimbrotos von diesem Prozeß spricht, erzählt er, Elpinike sei ins Haus des Perikles gegangen, um Fürbitte für Kimon bei ihm einzulegen; denn er war der schärfste der Ankläger; und er habe lächelnd gesagt: «Du bist zu alt, Elpinike, du bist zu alt, um so große Dinge durchzusetzen.» Indes sei er dann bei der Verhandlung Kimon gegen-

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über sehr mild gewesen und habe sich nur einmal, um den Schein zu wahren, zur Anklage erhoben 1 . 1$. In diesem Prozeß erzielte er also einen Freispruch. Bei seiner weiteren innerpolitischen Tätigkeit wußte er zwar, wenn er zugegen war, sich durchzusetzen und das Volk, das sich gegen den Adel erhob und die ganze Macht und Gewalt an sich zu ziehen suchte, in Schranken zu halten. Als er aber wieder zu einem Feldzug ausgefahren war, fühlte die Menge sich aller Zügel entledigt, beseitigte die bestehende Staatsordnung und die väterlichen Bräuche, nach denen sie bisher gelebt hatte, nahm unter Führung des Ephialtes dem Rat auf dem Areopag bis auf wenige Ausnahmen die Gerichtshoheit, machte sich selbst zur Herrin der Gerichte und stürzte so den Staat in eine uneingeschränkte Demokratie, wobei auch Perikles schon ein Wort mitredete und die Sache des Volkes vertrat 2 . Als nun Kimon nach seiner Rückkehr äußerst entrüstet war über die Herabwürdigung des Areopagrates und den Versuch machte, ihm die Gerichtshoheit wiederzugeben und die Aristokratie der Zeit des Kleisthenes wiederherzustellen, da taten sie sich zusammen, erhoben ein großes Geschrei und hetzten das Volk gegen ihn auf, wobei sie die alten Geschichten mit Elpinike wieder auftischten und ihm Begünstigung der Lakoner vorwarfen. Darauf beziehen sich auch die bekannten Verse des Eupolis 3 über Kimon: «Schlimm war er nicht, bequem nur und ein Freund des Weins, Schlief jezuweilen auch einmal in Lakedaimon, Ließ seine Elpinike hier allein zurück.» Wäre er wirklich bequem und trunksüchtig gewesen und hätte trotzdem soviele Städte genommen und soviele Siege errungen, so ist klar, daß, wenn er nüchtern und wachsam gewesen wäre, kein Grieche, weder früher noch später, seine Taten überboten hätte.

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16. Tntsächlich war er von Anfang an ein Lakonerfrcund, und so hat er dem einen seiner Zwillingssöhne den Namen Lakedaimonios, dem andern den Namen Eleios gegeben; ihre Mutter sei aus Kleitor 1 gewesen, so erzählt Stesimbrotos, weswegen ihnen Perikles oft ihre mütterliche Abstammung vorgeworfen habe. DerPerieget Diodoros 1 hingegen behauptet, diese sowohl wie der dritte Sohn Kimons, Thessalos, hätten Isodike, die Tochter des Euryptolemos und Enkelin des Megakles, zur Mutter gehabt. So wurde er von den Lakedaimoniern begünstigt, die bereits der Politik des Themistokles entgegenarbeiteten und den Wunsch hatten, daß dieser noch junge Mann in Athen mehr Macht und Einfluß gewinnen möchte. Die Athener sahen das zuerst nicht ungern, da sie aus der freundlichen Gesinnung der Spartaner für ihn nicht geringe Vorteile zogen. Denn diese nahmen anfangs an der wachsenden Macht der Athener und ihrem eifrigen Bemühen um die Bundesgenossen kein Ärgernis wegen ihrer Achtung und ihrer Geneigtheit für Kimon. Denn die meisten gemeingriechischen Angelegenheiten wurden durch ihn besorgt, der mit den Bundesgenossen glimpflich und mit den Lakedaimoniern, ohne ihr Mißfallen zu erregen,

umzugehen

wußte. Als dann aber die Athener noch mächtiger wurden und sahen, daß Kimon den Spartanern ganz offen zugetan blieb, wurden sie ungehalten. Denn er pries bei jeder Gelegenheit Lakedaimon' dfcn Athenern gegenüber, und besonders wenn er ihnen etwas vorzuwerfen hatte oder sie anspornen wollte, pflegte er - nach dem Zeugnis des Stesimbrotos - zu sagen: «So sind die Lakedaimonier nicht!» Dadurch zog er sich selbst Abneigung und Feindschaft von Seiten seiner Mitbürger zu. Der Vorwurf aber, der am meisten gegen ihn mächtig wurde, hatte folgende Veranlassung. Im vierten Jahre der Regierung des Königs Archidamos, Sohnes des Zeuxidamos,

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in Sparta wurde das Land der Lakcdaimonier von dem schwersten aller Erdbeben seit Menschengedenken betroffen, das Erdreich wurde von vielen Klüften zerrissen, im Taygetosgebirge wurden durch die Erschütterung einige Gipfel losgesprengt, und die Stadt selbst wurde völlig zerstört bis auf fiinfHäuser; alle anderen brachte das Erdbeben zum Einsturz. Mitten in der Halle, wo gerade die Jünglinge und die älteren Knaben zusammen turnten, sei, so heißt es, kurz vor dem Erdstoß ein Hase aufgetaucht, die Knaben seien, eingeölt wie sie waren, vergnügt herausgesprungen und hinter ihm her; über den zurückgebliebenen Jünglingen aber sei die Turnhalle eingestürzt und habe sie alle zugleich erschlagen. Ihr Grabmal nennt man noch jetzt Seismatias'. Archidamos aber erkannte alsbald aus der gegenwärtigen die künftige Gefahr, und da er die Bürger bemüht sah, den wertvollsten Besitz aus den Häusern zu retten, ließ er das Trompetensignal geben, wie wenn Feinde im Anmarsch wären, damit sie sich schnellstens in Waffen um ihn sammelten. Dies allein rettete Sparta im damaligen Augenblick. Denn die Heloten kamen vom Lande her von allen Seiten zusammengelaufen, um über die am Leben gebliebenen Spartaner herzufallen. Da sie sie aber bewaffnet und kampfbereit antrafen, kehrten sie in ihre Gemeinden zurück und begannen den offenen Krieg, gewannen auch nicht wenige der Periöken zur Teilnahme, und zu gleicher Zeit griffen die Messenier die Spartaner an. Die Lakcdaimonier schickten daher Perikleidas nach Athen mit der Bitte um Beistand, von dem Aristophanes spottend sagt, daß er «an den Altären sitzend bleich im Purpurkleid um Kriegsvolk flehte»1. Während nun Ephialtes dagegen sprach und die Athener beschwor, keine Hilfe zu bringen und nicht eine feindliche Stadt gegen Athen wieder aufzurichten, sondern den Stolz Spartas darniederliegen und zertreten zu lassen, schlug Kimon, so sagt Kritias, das Wachstum seiner Vater-

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stadt minder hoch an als den Nutzen der Lakedaimonier, gewann das Volk für seine Meinung und zog an der Spitze vieler Hopliten zur Hilfe aus. Ion überliefert auch das Wort, durch das er besonderen Eindruck auf die Athener machte: er habe sie aufgerufen, nicht zuzulassen, daß Griechenland fortan lahme und die Stadt ohne ihr Nebenroß fahre. 17. Als er nach der Hilfeleistung an die Lakedaimonier an der Spitze seines Heeres den Rückweg durch Korinth nahm, machte Lachartos ihm Vorwürfe, daß er das Heer ins Land iuhre, ohne vorher mit den Bürgern in Verbindung zu treten; wer an eine fremde T ü r klopfe, trete doch nicht ein, bevor der Hausherr ihn dazu aufgefordert habe. Kimon erwiderte: « Aber ihr, Lachartos, habt bei den Kleonaiern und Megarern nicht einmal an die T ü r geklopft, sondern habt sie aufgerissen und seid mit Waffengewalt eingebrochen in der Meinung, daß den Mächtigeren alles offen stehen müsse 1 .» So hochfahrend sprach er zu dem Korinther im gegebenen Augenblick und zog mit seinem Heere durch das Land. Die Lakedaimonier riefen die Athener ein zweites Mal gegen die Messenier und Heloten auf der Ithome 1 , aber als sie kamen, wurden sie besorgt wegen ihrer Kühnheit und ihres glänzenden Auftretens und schickten sie als einzige der Bundesgenossen wieder zurück als Revolutionäre. Sie kehrten im Zorn zurück, empörten sich nun offen gegen die Lakonerfreunde und ergriffen einen geringfügigen Vorwand, um Kimon durch das Scherbengericht auf zehn Jahre zu verbannen; denn dies war der festgesetzte Zeitraum für alle auf diese Weise Verbannten 1 . Als während dieser Zeit die Lakedaimonier auf der Rückkehr von Delphi, das sie von den Phokern befreit hatten, bei Tanagra lagerten, zogen die Athener zum Kampf gegen sie aus, und Kimon kam gewaffnet zu seiner Phyle, der Oineis, mit dem Willen, an der Seite seiner Mitbürger gegen die Lakedaimonier zu kämpfen. Als der Rat der Fünfhundert das

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erfuhr, geriet er in Besorgnis, da seine Feinde ihn verdächtigten, er wolle die athenische Schlachtordnung durcheinanderbringen und die Lakedaimonier gegen die Stadt iiihren, und befahl den Feldherren, den Mann nicht zuzulassen. So entfernte sich Kimon wieder, bat aber zuvor Euthippos von Anaphlystos und die anderen Freunde, die besonders in dem Ruf lakonenfreundlicher Gesinnung standen, tapfer gegen die Feinde zu kämpfen und sich durch Taten den Mitbürgern gegenüber von dem Verdacht reinzuwaschen. Sie nahmen seine Waffenrüstung, stellten sie in ihrer Abteilung auf und fanden in mutigem Ausharren miteinander den Tod, hundert an der Zahl, so daß sie bei den Athenern großen Schmerz um ihren Verlust und Reue wegen der ungerechten Verdächtigung hinterließen. Daher hielten sie auch nicht mehr lange Zeit an dem Zorn gegen Kimon fest, teils weil sie, wie natürlich, sich seiner Verdienste um sie erinnerten, teils weil die Zeitumstände darauf hindrängten. Denn nachdem sie bei Tanagra in einer großen Schlacht geschlagen waren und zur Sommerszeit einen Einfall der Peloponnesier in ihr Land erwarteten, riefen sie Kimon zurück, und er kam auch, nachdem Perikles selbst den Antrag gestellt hatte. So patriotisch waren damals selbst die Feindschaften, so gemäßigt die Leidenschaften und leicht zu beschwichtigen um des gemeinen Nutzens willen, und der Ehrgeiz, die stärkste aller Leidenschaften, beugte sich der Not des Vaterlandes. 18. Sowie Kimon zurückgekehrt war, machte er dem Krieg ein Ende und söhnte die beiden Staaten miteinander aus. Nachdem der Friede geschlossen war, erkannte er, daß die Athener nicht fähig waren, Ruhe zu halten, sondern in Bewegung bleiben und durch Feldzüge ihre Macht vergrößern wollten. Damit sie nun nicht die Griechen beunruhigten und, wenn sie immer mit vielen Schiffen die Inseln und die Peloponnes umschwärmten, Anlässe zu Bürgerkriegen schüfen

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und Beschwerden der Bundesgenossen über die Stadt heraufbeschwüren, bemannte er dreihundert Trieren, um wieder einen Feldzug gegen Ägypten und Kypros zu unternehmen, mit dem Gedanken, daß die Athener sich einerseits in den Kämpfen mit den Barbaren üben, andererseits sich auf gerechte Weise bereichern sollten, wenn sie ihren natürlichen Feinden abgenommene Schätze nach Griechenland brächten 1 . Als schon alles gerüstet war und das Heer sich bei den Schiffen befand, sah Kimon einen Traum. Es war ihm, als ob eine Hündin ihn wütend anbellte und, mit dem Gebell vermischt, menschliche Laute hören ließe folgenden Inhalts: « G e h nur! Wirst du doch mir und meinen Jungen ein Freund sein.» Der Traum schien zwar schwer deutbar; aber Astyphilos von Poseidonia', ein der Seherkunst kundiger Mann und Freund Kimons, deutete das Gesicht so, daß es ihm den T o d ankündige, und erläuterte dies folgendermaßen: «Ein Hund ist dem Menschen, den er anbellt, feind. Einem Feinde wird man nicht eher freund, als wenn man stirbt. Die Mischung der Sprache bezeichnet den Feind als Meder. Denn das Heer der Meder ist aus Griechen und Barbaren gemischt.» Als er nach diesem Traum dem Dionysos opferte und der Seher das Opfertier zerlegte, brachten viele Ameisen das schon gerinnende Blut Stückchen für Stückchen zu Kimon und legten es um seine große Zehe, ohne daß man das lange Zeit bemerkte. Als endlich Kimon darauf aufmerksam wurde, erschien gleichzeitig der Opferschlächter bei ihm und zeigte ihm, daß die Leber keinen Kopf hatte. Trotzdem - denn es war nicht mehr möglich, von dem Feldzug zurückzutreten - segelte er ab, sandte sechzig Schiffe nach Ägypten und fuhr mit den übrigen nach Kypros. Dort besiegte er eine aus phoinikischen und kilikischen Schiffen bestehende Flotte, unterwarf die ringsum

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gelegenen Städte und rüstete zum Angriff" auf Ägypten. Denn er hatte nichts Geringes, sondern die Zerstörung des ganzen Perserreiches im Sinne, vor allem weil er hörte, daß der Ruhm und der Einfluß des Themistoldes bei den Barbaren groß sei, der es auf sich genommen hatte, dem König für den geplanten neuen Krieg gegen Griechenland als Feldherr zu dienen. Themistokles soll nun, so heißt es, nicht zum wenigsten deshalb die hellenischen Pläne aufgegeben haben und freiwillig in den Tod gegangen sein, weil er nicht glaubte, gegen Kimons Glück und Tüchtigkeit aufkommen zu können'; Kimon aber schickte, während er so gewaltige Unternehmungen vorbereitete und mit seiner Flotte bei Kypros lag, Abgesandte an das Orakel des Ammon 1 , um dem Gott eine geheime Frage vorzulegen; denn niemand weiß, weswegen sie geschickt wurden, auch gab ihnen der Gott keine Antwort, sondern befahl den Abgesandten sogleich, als sie kamen, wieder zu gehen; denn Kimon sei selbst schon bei ihm. Als die Abgesandten das gehört hatten, begaben sie sich wieder zum Meere hinab, und als sie zum Lager der Griechen kamen, das sich damals in Ägypten befand, erfuhren sie, daß Kimon tot sei. Und indem sie nun die Tage bis zu der Erteilung des Orakels zurückrechneten, erkannten sie, daß mit dem Bescheid, er sei schon bei den Göttern, der Tod des Mannes angedeutet worden sei. 19. Kimon starb, während er Kition 3 belagerte, und zwar, wie die meisten angeben, an einer Krankheit, nach einigen hingegen infolge einer Wunde, die er im Kampf mit den Barbaren davongetragen hatte. Als er im Sterben lag, befahl er seiner Umgebung, sofort die Heimfahrt anzutreten und seinen Tod zu verheimlichen. So kam es, daß die Griechen, ohne daß weder die Feinde noch die Bundesgenossen etwas erfuhren, sicher nach Hause kamen, von Kimon - wie Phanodemos sagt - noch nach seinem Tode dreißig Tage lang geführt.

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ragende Tat mehr von irgendeinem Feldherrn der Griechen vollbracht worden, sondern von Demagogen und Kriegstreibern gegeneinander gehetzt, ohne daß jemand zwischen ihnen vermittelnd die Hände ausbreitete, rannten sie gegeneinander in den Bruderkrieg, durch den sie dem König eine Ruhepause verschafften, über die griechische Macht aber nicht zu sagendes Verderben brachten. Erst viel später trug Agesilaos die Waffen nach Klcinasien und begann einen kurzen Krieg gegen die Feldherren des Königs an der Küste. Aber noch ehe er eine große und rühmliche T a t hatte vollbringen können, wurde er durch die Streitigkeiten und Wirren, die erneut in Griechenland ausgebrochen waren, zurückgerufen und mußte abziehen und die Steuererheber der Perser mitten in den verbündeten und befreundeten Städten belassen, wo nicht einmal ein königlicher Briefträger hinkommen noch ein Roß innerhalb vierhundert Stadien von der Küste sich sehen lassen durfte, solange Kimon das Kommando führte. Daß seine Überreste nach Attika gebracht wurden, bezeugen die Grabmäler, die noch heute die Kimonischcn heißen. Doch erweisen auch die Bewohner von Kition einem Grabe Kimons Verehrung, wie der Redner Naukrates 1 bezeugt, weil bei einer Seuche und Mißernte der Gott ihnen aufgetragen hatte, Kimons nicht zu vergessen, sondern ihn als ein höheres Wesen zu verehren und anzubeten. Solch ein Mann war der griechische Feldherr.

LUCULLUS i . Der Großvater des Lucullus war Konsul gewesen, sein Oheim mütterlicherseits war Metellus mit dem Beinamen Numidicus'. Nicht so die Eltern: der Vater war wegen Unterschlagung verurteilt worden, und die M u t t e r war übel berufen, weil sie ein sittenloses Leben gefuhrt hatte. Lucullus selbst machte es sich noch als ganz junger Mann, bevor er sich um ein Amt bewarb und der Politik zuwandte, zu seiner ersten Aufgabe, den Ankläger seines Vaters, den Augur Servilius, wegen Amtsvergehen vor Gericht zu ziehen. Dies erregte bei den Römern großes Aufsehen, und man sprach von dem Prozeß als von einer rühmlichen T a t . Auch sonst galt es, ohne besondere Veranlassung, bei ihnen f ü r ehrenvoll, als Ankläger aufzutreten, und besonders gern sahen sie es, wenn die jungen Leute den Übeltätern auf den Fersen waren wie edle junge Hunde dem Wild. Bei diesem Prozeß nun ging es sehr heiß her, so daß sogar einige Leute verwundet wurden und zu Tode kamen, und doch wurde Servilius freigesprochen. Lucullus war übrigens im Gebrauch beider Sprachen, der griechischen wie der lateinischen, gut ausgebildet, so daß Sulla, als er einen Bericht über seine Taten niederschrieb, die Arbeit ihm widmete mit der Begründung, er werde die Geschichte noch besser darstellen und aufbauen. Denn seine Fähigkeit im Gebrauch der Sprache war nicht nur auf das praktische Bedürfnis berechnet und zugeschnitten, so wie die Beredsamkeit der anderen zwar den Markt «durchtoste wie der gestochene Thunfisch das Meer» 1 , außerhalb des Marktes aber «trocken war, wie tot und ohne Bildung», sondern schon als junger Mensch hatte er sich um jene edlere, freie,

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dem Schönen zugewandte Geistesbildung bemüht, und als er älter geworden war, überließ er seinen Geist, wie nach vielen Kämpfen, ganz und gar der ruhevollen Beschäftigung mit der Philosophie, nährte seine Neigung zur stillen Betrachtung und dämpfte und unterdrückte zur rcchten Zeit den Ehrgeiz, nachdem er mit Pompeius zerfallen war. Über seine hohe Bildung wird außer dem schon Gesagten noch folgendes erzählt. Als junger Mann habe er dem Sachwalter Hortensius und dem Geschichtsschreiber Sisenna 1 gegenüber in einem Scherze, der aber bald Ernst wurde, sich verpflichtet, da sie ihm Verse oder Prosa, Griechisch oder Lateinisch zur Auswahl stellten, er werde in der durchs Los bestimmten dieser Formen den Marsischen Krieg behandeln. Das Los fiel, so scheint es, auf griechische Prosa, denn es ist eine Geschichte des Marsischen Krieges in griechischer Sprache von ihm erhalten. Für seine Liebe zu seinem Bruder Marcus gibt es viele Beweise; besonders gedenken die Römer des zuerst abgelegten. Obschon er älter war, wollte er doch allein kein A m t annehmen, sondern wartete, bis der Bruder das erforderliche Alter erreicht hatte, und gewann dadurch so sehr die Gunst des Volkes, daß er abwesend mit ihm zum Ädilen gewählt wurde'. 2. Als junger Mann legte er im Marsischen Kriege 3 viele Proben von Wagemut und Klugheit ab, noch mehr aber seiner Festigkeit und Milde wegen zog ihn Sulla an sich und betraute ihn von Anfang an und ständig mit den wichtigsten Aufgaben. Eine von ihnen war die Besorgung des Münzwesens. Durch ihn wurde während des Mithridateskrieges in der Peloponnes das meiste Geld geprägt und nach ihm das Lucullusgeld genannt, und da es infolge der Heeresbedürfnisse im Kriege in raschem Umlauf war, so blieb es lange im Gebrauch. Als hierauf Sulla schon in Athen stand und das Festland

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beherrschte, aber von der Versorgung über See durch die das Meer beherrschenden Feinde abgeschnitten war, sandte er Lucullus nach Ägypten und Afrika, um von dort Schiffe zu holen. Der Winter war auf der Höhe'. Trotzdem fuhr er mit drei griechischen Kaperschiffen und ebenso vielen rhodischen Zweiruderern aus und wagte sich gegen ein stürmisches Meer und viele feindliche Schiffe, die im Bewußtsein ihrer Überlegenheit überall umherkreuzten. Doch landete er glücklich in Kreta und brachte die Insel in seine Gewalt. Kyrene traf er infolge fortgesetzter Tyrannenherrschaften und Kriege in arger Verwirrung. Er nahm sich der Stadt an und gab ihr eine neue Verfassung, wobei er sie an ein Wort Piatons erinnerte, das er mit seherischem Geiste zu ihnen gesprochen hatte. Denn als sie ihn baten, er möchte ihnen Gesetze schreiben und eine vernünftige Staatsform geben, hatte er gesagt, es sei schwer, Leuten, denen es so gut ginge wie den Kyrenaiern, Gesetze zu geben. Denn nichts ist schwerer zu regieren als ein Mensch, der glaubt, daß es ihm gut geht, und niemand ist umgekehrt eher bereit, sich führen zu lassen, als einer, den das Schicksal gedemütigt hat. Dies machte damals auch die Kyrenaier der Gesetzgebung des Lucullus gefügig. Von da nahm er Kurs auf Ägypten und verlor die meisten seiner Schiffe durch einen Überfall von Seeräubern, rettete sich aber selbst und wurde in Alexandreia glänzend empfangen. Denn die ganze Flotte fuhr ihm entgegen, prächtig geschmückt, wie es üblich war, wenn ein König einfuhr, und der junge König 2 gewährte ihm, neben anderen außerordentlichen Freundschaftsbezeigungen, Wohnung und Speisung im königlichen Palast, was zuvor noch keinem auswärtigen Feldherrn zuteil geworden war. Er gab ihm ferner zur BestreitungD seines Aufwandes das Vierfache von dem,' was andere zu erhalten pflegten; doch Lucullus nahm nicht mehr als das Not-

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wendige an und lehnte auch ein Geschenk ab, obwohl der König ihm Dinge im Werte von achtzig Talenten sandte. Auch fuhr er, wie berichtet wird, nicht nach Memphis hinauf, noch besichtigte er sonst eines der vielgepriesenen Wunderwerke Ägyptens; dies sei, sagteer, Sache eines Beschauers, der Muße habe und nach seinem Behagen leben könne, nicht eines Mannes, der wie er seinen Oberbefehlshaber im Freien vor den Bollwerken der Feinde lagernd zurückgelassen habe. 3. Da Ptolemaios ein Bündnis ablehnte, weil er Bedenken trug, in den Krieg einzutreten, ihm aber Geleitschiffe bis Kypros zur Verfugung stellte und bei der Abfahrt Abschied nehmend zum Zeichen der Verehrung einen kostbaren goldgefaßten Smaragd schenkte, wollte Lucullus ihn zuerst nicht annehmen; als ihm aber der König die Gravierung zeigte, welche sein Porträt darstellte, scheute er sich doch, die Gabe zurückzuweisen, damit nicht der Eindruck entstünde, daß er ganz als Feind scheide, und man ihm auf der Seefahrt eine Falle stellte. Nachdem er, an der Küste entlangsteuernd, aus den Küstenstädten - soweit sie nicht an dem Seeräuberunwesen beteiligt waren - eine Menge Schiffe zusammengebracht hatte und nach Kypros hinübergefahren war, und als er dort erfuhr, daß die Feinde ihm hinter den Vorgebirgen auflauerten, ließ er alle Schiffe an Land ziehen und schrieb den Städten um Winterlager und Verpflegung, als ob er dort die gute Jahreszeit abwarten wolle. Als dann günstiges Wetter kam, ließ er plötzlich die Schiffe zu Wasser bringen und legte ab, fuhr am Tage mit eingezogenen Segeln, bei Nacht mit voller Besegelung, und gelangte glücklich nach Rhodos. Die Rhodier lieferten ihm weitere Schiffe, und die Koer und Knidier bewog er, sich von der Sache des Königs zu trennen und mit ihm gegen die Samier zu ziehen. Aus Chios vertrieb er selbst die königliche Besatzung, befreite die Kolophonier und nahm ihren Tyrannen Epigonos gefangen.

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Zu jener Zeit hatte Mithridates bereits Pergamon aufgegeben und war auf Pitane' beschränkt. Da ihn dort Fimbria von der'Landseite her gefaßt hielt und belagerte, so hatte er seinen Blick auf die See gerichtet und zog von allen Seiten her seine Flotten an sich, da er es nicht wagte, sich mit einem so kühnen Mann wie Fimbria, der ihn schon einmal besiegt hatte, in einen abermaligen Kampf einzulassen. Oer erkannte das wohl. Da er aber zur See unterlegen war, so sandte er zu Lucullus und forderte ihn auf, mit seiner Flotte herbeizukommen und den feindseligsten und kriegstüchtigsten der Könige fangen zu helfen, damit nicht die große, mit so vielen Kämpfen und Mühen gejagte Beute den Römern wieder entrinne, Mithridates, der nun in den Griff gekommen und ins Netz gegangen sei. Würde er jetzt gefangen, so würde keiner höheren Ruhm ernten als derjenige, der ihm die Flucht verlegt und ihn im Augenblick, da er entwischen wollte, gefaßt hätte; von ihm, Fimbria, vom Lande veijagt, von Lucullus von der See verdrängt, werde er ihnen beiden den Sieg in die Hände liefern, und die gepriesenen Waffentaten Sullas bei Orchomenos und Chaironeia' würden die Römer keines Wortes mehr wert achten. Was da gesagt wurde, war wohl begründet, und es ist vollkommen klar, daß, wenn Lucullus damals auf Fimbria gehört und, unfern, wie er war, seine Schiffe herangeführt und den Hafen mit seiner Flotte blockiert hätte, der Krieg ein Ende gehabt hätte und die Welt vor unendlichen Leiden bewahrt geblieben wäre. Aber sei es, daß er die Pflicht gegen Sulla höher achtete als jeglichen eigenen und sogar den gemeinen Nutzen, sei es, daß er Fimbria als einen verruchten Menschen, der vor kurzem aus Herrschsucht zum Mörder an einem ihm befreundeten Manne, seinem Oberfeldherrn, geworden war, verabscheute 1 , sei es, daß er durch eine göttliche Fügung Mithridates schonte und ihn als Gegner für sich aufbewahrte: er gab

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Fimbria kein Gehör, sondern gestattete Mithridates, zur See zu entweichen und der Macht Fimbrias zu spotten. Doch kämpfte er zuerst beim Vorgebirge Lekton 1 in der Troas sich zeigende königliche Schiffe nieder, und als er danach bei Tenedos den mit einer stärkeren Flotte ihm auflauernden Neoptolemos in Sicht bekam, fuhr er vor den anderen Schiffen ihm an Bord eines rhodischen Fünfruderers entgegen, welche Damagoras kommandierte, ein den Römern ergebener und in Seegefechten wohlerfahrener Mann. Als jetzt Neoptolemos mit voller Ruderkraft herankam und seinem Steuermann befahl, zum Rammstoß zu schreiten, fürchtete Damagoras die Schwere des königlichen Schiffes und die Stärke seiner Panzerung und wagte daher nicht den Stoß Bug gegen Bug, sondern befahl, in scharfer Wendung so abzudrehen, daß der Stoß das Heck träfe. Nachdem das Schiff in diese Lage gebracht war, empfing es den Stoß so, daß er unschädlich wurde, weil er die nicht zu Wasser gehenden Teile des Schiffes traf. Als unterdessen auch die eigenen Schiffe herbeikamen, gab Lucullus den Befehl zum Angriff, schlug nach vielen rühmenswerten Taten die Feinde in die Flucht und verfolgte den Neoptolemos. 4. Hierauf vereinigte er sich mit Sulla, der bereits im Begriff war, bei der Chersones nach Asien hinüberzugehen, sicherte die Meerenge und half beim Übersetzen der Truppen. Als dann nach Abschluß des Friedensvertrages' Mithridates in das Schwarze Meer zurückfuhr und Sulla Asien mit einer Geldstrafe von zwanzigtausend Talenten belegte und Lucullus damit beauftragte, dieses Geld einzutreiben und Münzen daraus zu schlagen, da war es den Städten eine Art von Trost für die Härte Sullas, daß Lucullus sich nicht nur uneigennützig und gerecht, sondern auch nachsichtig bei der Durchführung einer so drückenden und widerwärtigen Aufgabe erwies.

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Den Mytilenaiem, die offen abgefallen waren, wollte er Gelegenheit geben, sich eines Bessern zu besinnen und eine gelinde Strafe für ihren gegen Manius begangenen Frevel zu erhalten 1 . Da er aber sah, daß sie in ihrer Verblendung verharrten, erschien er mit seiner Flotte, besiegte sie in einer Schlacht und schloß sie in ihre Mauern ein. Er eröffnete nun die Belagerung, fuhr dann aber am Tage und offensichtlich ab nach Elaia 2 , kehrte jedoch unbemerkt zurück, legte sich vor der Stadt in einen Hinterhalt und lauerte. Als nun die Mytilenaier ungeordnet und übermütig herauskamen in der Meinung, ein verlassenes Lager plündern zu können, fiel er über sie her, nahm eine große Zahl lebend gefangen, tötete fünfhundert von denen, die sich zur Wehre setzten, nahm ihnen sechstausend Sklaven ab und machte auch sonst noch unermeßliche Beute. An den Leiden Italiens, die damals Sulla und Marius in Fülle und auf vielerlei Art über die Menschen brachten, hatte er so gut wie keinen Anteil, da er durch eine Art göttlicher Fügung von den Geschäften in Asien aufgehalten wurde. Trotzdem galt er bei Sulla nicht weniger als die anderen Freunde, sondern, wie schon gesagt, widmete er ihm aus Freundschaft seine Denkwürdigkeiten 1 , und als er starb, setzte er ihn als Vormund seines Sohnes ein unter Übergehung des Pompeius. Das scheint der erste Anlaß des Zerwürfnisses und der Eifersucht zwischen den beiden gewesen zu sein, da sie jung waren und glühend nach Ruhm verlangten. 5. Nicht lange nach Sullas Tode bekleidete Lucullus zusammen mit Marcus Cotta das Konsulat, in der hundertsechsundsiebzigsten Olympiade 4 . Da jetzt viele den Krieg gegen Mithridates wieder zu entfachen suchten, tat Marcus den Ausspruch, er sei gar nicht zum Ende, sondern nur zur Ruhe gekommen. Als darum bei der Auslosung der Provinzen Lucullus das Gallien diesseits der Alpen zugeteilt erhielt,

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ä r g e r t e e r sich, weil es keine M ö g l i c h k e i t e n z u g r o ß e n T a t e n

bot. Vor allem war ihm Pompejus ein Dorn im Auge, der in Spanien Lorbeeren erntete und von dem man wie von keinem andern erwartete, daß er, wenn erst der Krieg in Spanien zu Ende ginge, sofort zum Feldherrn gegen Mithridates gewählt werden würde. Als er daher neue Geldforderungen stellte und dazu schrieb, wenn man es ihm nicht schickte, werde er Spanien und Sertorius den Rücken kehren und sein Heer nach Italien zurückführen, setzte sich Lucullus mit größtem Eifer dafür ein, daß das Geld geschickt wurde und daß er keinen wie immer gearteten Vorwand fände, um noch während seines Konsulats zurückzukehren; denn der ganze Staat, meinte er, würde in seiner Hand sein, wenn er an der Spitze eines so großen Heeres erschiene'. Denn auch der Mann, der damals den größten Einfluß im Staate hatte, weil er im Reden und im Handeln immer nur auf den Beifall der Menge zielte, Cethegus 1 , war mit Lucullus verfeindet, welcher an seinem von üblen LiebesafTären, Übergriffen und Zuchtlosigkeiten erfüllten Leben schwersten Anstoß nahm. Mit diesem also lag er offen im Streit. Lucius Quintius hingegen, einen andern Volksverhetzer, der gegen die von Sulla geschaffene Staatsform auftrat und die bestehende Ordnung der Dinge zu stürzen versuchte', wußte er durch viel gütliches Zureden in privaten Gesprächen und durch Vorstellungen in der Öffentlichkeit von seinem Vorhaben abzubringen und seinen Ehrgeiz zu beschwichtigen, so daß er also auf eine so maßvolle und heilsame Weise, als es nur möglich war, mit den Anfängen einer schweren Erkrankung des Staates fertig wurde. 6. Unterdessen kam die Nachricht, daß Octavius, der Statthalter Ciliciens 4 , gestorben war. Während nun viele sich mit heißem Eifer um die Provinz bemühten und sich um die Gunst des Cethegus als des Mannes, der am ehesten etwas durchsetzen konnte, bewarben, legte Lucullus zwar auf

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Cilicien selbst kein großes Gewicht; da er aber glaubte, daß, wenn er diese Provinz bekäme, wegen der Nachbarschaft Cappadociens kein anderer zur Kriegführung gegen Mithridates ausgesandt werden würde, so setzte er alle Hebel in Bewegung, um die Provinz nicht einem andern zu überlassen, und verstand sich schließlich notgedrungen, entgegen seiner Natur, dazu, zu einem Mittel zu greifen, das zwar weder edel noch löblich, aber geeignet war, das Ziel zu erreichen. Es lebte in der Stadt eine Frau namens Praecia, berühmt wegen ihrer Schönheit und ihres kecken Mutwillens, die im übrigen wohl nicht besser war als eine gewöhnliche Dirne; aber dadurch, daß sie die Männer, die sie besuchten und mit ihr verkehrten, zu bewegen wußte, sich für ihre Freunde zu bemühen und ihre Politik zu unterstützen, hatte sie zu dem Ruf ihrer sonstigen Reize auch den erworben, eine treue Freundin und eine energische Frau zu sein, und dadurch bedeutenden Einfluß. Als sie nun auch Cethegus, der damals auf der Höhe seines Ansehens stand und in der Stadt regierte, sich Untertan gemacht hatte und in ihren Liebesbanden hielt, war die ganze Macht im Staate auf sie übergegangen. Denn es war nichts beim Volke durchzusetzen, wenn Cethegus nicht dafür war, und nichts bei Cethegus, wenn Praecia es nicht befahl. Diese Praecia machte sich also Lucullus durch Geschenke und Schmeicheleien gewogen - war es doch auch für eine ehrgeizige und gefallsüchtige Frau eine große Genugtuung, als eifrige Gönnerin des Lucullus dazustehen - und hatte so alsbald in Cethegus einen Lobredner, der ihn bei seiner Bewerbung um die Provinz Cilicien unterstützte. Nachdem er diese einmal erhalten hatte, brauchte er nicht mehr Praecias und Cethegus* Hilfe anzurufen, sondern alle kamen einmütig und legten das Kommando im Mithridateskrieg in seine Hände, weil jedermann glaubte, daß er von keinem andern besser zum guten Ende gefuhrt werden könne, da ja Pom-

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pejus noch mit Sertorius im Kriege lag und Metellus' schon wegen seines hohen Alters ausgeschieden war, die beiden einzigen Männer, die man noch als dem Lucullus ebenbürtige Bewerber um das Kommando hätte ansehen können. Doch brachtc es sein Kollege Cotta durch dringendes Bitten beim Senat dahin, daß er mit einer Flotte ausgesandt wurde, um die Propontis 2 zu bewachen und Bithynien zu schützen. 7. Lucullus ging mit einer Legion, die er noch in Italien aufgestellt hatte, nach Kleinasien hinüber und zog dort das übrige Heer an sich. Alle waren seit langem durch Schwelgereien und Räubereien heruntergekommen, und die sogenannten Fimbrianer waren daran gewöhnt, keinen Führer zu haben, und daher schwer mit ihnen fertig zu werden. Sic waren es, die, von Fimbria angestiftet, ihren Feldherrn, den Konsul Flaccus, ermordet und dann Fimbria selbst an Sulla verraten hatten, gewalttätige, zuchtlose Gesellen, aber kampftüchtig, abgehärtet und kriegserfahren. Trotzdem wußte Lucullus in kurzer Zeit sowohl ihren Trotz zu brechen als auch die anderen zur Räson zu bringen, da sie jetzt offenbar zum ersten Male einen wirklichen Feldherrn und Führer zu spüren bekamen, während sie bis dahin gehätschelt wurden und gewohnt waren, nur nach ihrem Gefallen ins Feld zu ziehen. Mit den Feinden andererseits stand es folgendermaßen. Mithridates war anfangs, wie die meisten Schönredner, üppig und großsprecherisch gegen die Römer aufgetreten mit einer fürs Auge glänzenden und prächtig ausgestatteten, aber innerlich hohlen Streitmacht. Dann aber, als er lächerlich durchgefallen und durch den Schaden klug geworden war, hatte er, da er zum zweiten Kriege schritt, die Ausrüstung seines Heeres auf die Erfordernisse der praktischen Wirklichkeit beschränkt. Er hatte die zusammengewürfelten Massen von Barbaren mit ihrem vielsprachigen Drohen beseitigt, ebenso die vergoldeten, edelsteingeschmückten Waffen-

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rüstungcn, die mehr eine Beute für die Sieger als ein Schutz für ihre Träger waren, hatte römische Schwerter schmieden und starke Schilde herstellen lassen und einen Pferdepark beschafft, bei dem er mehr Wert darauflegte, daß sie gut eingeritten als daß sie schön geschmückt waren. So hatte er hundertzwanzigtausend Mann Fußvolk aufgestellt, für den Frontkampf nach römischem Muster ausgerüstet, und sechzehntausend Reiter ohne die vierspännigen Sichelwagen, deren er hundert hatte. Ferner hatte er Schiffe bauen lassen, nicht mehr mit goldbedachten Pavillons, Bädern und üppigen Boudoirs für seine Matressen versehen, sondern mit Bordwaffen und Kriegsmaterial jeder Art wohl ausgerüstet. So fiel er in Bithynien ein, und nicht nur die dortigen Städte nahmen ihn wieder freudig auf, sondern ganz Kleinasicn hatte unter der Wiederkehr der früheren Übel zu leiden, da es von den römischen Wucherern und Steuerpächtern unerträglich bedrückt wurde. Diese, die wie die Harpyien den Menschen ihre Nahrung wegrafften, jagte Lucullus später fort; jetzt suchte er sie nur durch Vorstellungen zum Maßhalten zu bewegen, um so dem Abfall der Gemeinden Einhalt zu gebieten, unter denen die Gärung fast allgemein war. 8. Während Lucullus mit diesen Dingen beschäftigt war, glaubte Cotta, daß jetzt seine Zeit gekommen sei, und rüstete zu einer Schlacht mit Mithridates. Da viele Meldungen einliefen, daß Lucullus im Anrücken sei und mit seinem Heer bereits in Phrygien stehe, beeilte er sich in dem Glauben, den Triumph schon in Händen zu halten, um nur Lucullus nicht daran teilnehmen zu lassen, zum Kampf zu kommen. Er wurde aber zugleich zu Lande und zur See geschlagen, verlor sechzig Schiffe samt der Bemannung und viertausend Mann zu Fuß, wurde selbst in Chalkedon 1 eingeschlossen und belagert und hielt nun Ausschau nach der rettenden Hand des Lucullus. Jetzt gab es Leute, die Lucullus aufforderten, Cotta

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sich selbst zu überlassen und weiter vorzurücken, um das von Truppen entblößte Reich des Mithridates zu erobern, und besonders unter den Soldaten war diese Stimmung verbreitet, die sich darüber entrüsteten, daß Cotta nicht nur sich selbst und seine Leute durch seine verkehrten Maßnahmen ins Verderben stürzen, sondern auch ihnen in den Weg treten sollte, w o sie ohne Schwertstreich den Sieg davontragen könnten. Aber Lucullus sagte in einer Heeresversammlung, er wolle lieber einen einzigen Römer aus der Hand der Feinde erretten als alle Habe der Feinde gewinnen; und als Archelaos, der in Boiotien Mithridates' Heerführer gewesen, dann von ihm abgefallen war und jetzt auf römischer Seite an dem Feldzuge teilnahm 1 , Lucullus versicherte, wenn er sich nur in Pontos zeige, würde ihm sofort alles zufallen, erwiderte er, er sei nicht feiger als die Jäger, daß er dem Wild aus dem Wege gehe und sein leeres Lager aufsuche. So sprach er und zog Mithridates entgegen an der Spitze von dreißigtausend Mann zu Fuß und zweitausendfunfhundert zu Roß. Als er in Sicht der Feinde kam und staunend ihre Menge erkannte, wollte er zunächst eine Schlacht vermeiden und die Z e i t hinzögern. Als aber Marius*, den Sertorius aus Spanien mit Truppenmacht als Feldherrn geschickt hatte, ihm entgegenrückte und ihn zum Kampf herausforderte, stellte er sein Heer in Schlachtordnung, um den Kampf zu wagen. Als sie aber gerade im Begriff waren zusammenzustoßen, zerriß plötzlich, ohne einen augenfälligen Witterungswechsel, die Atmosphäre, und man sah einen großen feurigen Körper mitten zwischen den Heeren niederfahren, der in der Form am ehesten einem Faß, in der Farbe glühendem Silber glich, so daß beide Heere aus Furcht vor der Erscheinung wieder zurückgingen. Dieser Vorfall soll sich in Phrygien bei der Otryai 3 benannten Ortschaft zugetragen haben. Lucullus war nun der Meinung, daß keine menschen-

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mögliche Vorkehrung und kein Reichtum imstande sei, im Angesicht des gegen überlagernden Feindes so viele Zehntausende von Menschen, wie Mithridates bei sich hatte, lange Zeit zu ernähren. Er ließ sich daher einen Gefangenen vorführen und fragte ihn zuerst, mit wie vielen Kameraden er im Zelt zusammengelegen habe, dann, wieviel Mundvorrat in dem Zelt, als er es verließ, vorhanden gewesen sei. Nachdem der Mann seine Antwort gegeben hatte, ließ er ihn abtreten und befragte einen zweiten und dritten in gleicher Weise. Dann stellte er die Menge des beschafften Mundvorrats in Vergleich mit der Zahl der zu verpflegenden Menschen und kam zu dem Schluß, daß binnen drei oder vier Tagen den Feinden die Lebensmittel ausgehen müßten. Hierdurch wurde er noch mehr in seiner Zögerungstaktik bestärkt und ließ eine große Menge Lebensmittel in sein Lager schaffen, um, selbst in der Fülle sitzend, den Zeitpunkt des Mangels bei den Feinden abzupassen. 9. Inzwischen plante Mithridates einen Anschlag auf Kyzikos 1 , das in der Schlacht bei Chalkedon schwer geschlagen worden war; die Stadt hatte nämlich dreitausend Mann und zehn Schiffe eingebüßt. Um nun Lucullus seine Absicht zu verheimlichen, brach er sogleich nach dem Abendessen in einer unsichtigen und regnerischen Nacht auf, und es gelang ihm, bei Tagesanbruch sein Heer gegenüber der Stadt bei dem Gebirge der Adrasteia in ein festes Lager zu legen. Als Lucullus es bemerkte, machte er sich an die Verfolgung, war aber froh, daß er nicht, solange sein Heer ungeordnet war, auf die Feinde stieß, und ließ es bei einem Dorf namens Thrakia Lager schlagen an einem Ort, der höchst günstig gelegen war zur Beherrschung der Wege und der Gegenden, aus denen und auf denen die Leute des Mithridates notwendig ihre Lebensmittel holen mußten. Daher überschlug er in Gedanken die kommende Entwicklung und verbarg seine Er-

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Wartungen auch nicht vor den Soldaten, sondern sobald sin dreihundert Stadien Länge auswerfen, ebenso breit yie tief, nämlich fünfzehn Fuß*. Über dem Graben ließ er rach eine außerordentlich hohe und starke Mauer errichten. Sartacus bekümmerte sich zuerst nicht darum und beactete die Arbeit nicht. Als er aber, da ihm die Lebensmittel augingen, vorrücken wollte und die Absperrung bemerkte, aua nichts mehr aus der besetzten Halbinsel zu holen war, wartee er eine Nacht ab, in der es heftig stürmte und schneite, um ließ ein nicht großes Stück des Grabens mit Erde, Holz unt Baumzweigen ausfüllen, so daß er ein Drittel seines Heeresiinüberbringen konnte. I i . Jetzt fürchtete Crassus, Spartacus könnte auflen Einfall kommen, gegen Rom zu ziehen, doch faßte er wider Mut, als ein Teil des Heeres rebellierte, sich von Spartacu trennte und gesondert an dem Lukanischen See lagerte, desse Wasser sich, wie es heißt, von Zeit zu Zeit verwandelt, süß nd dann wieder salzig und untrinkbar wird 5 . Diese Leute überfiel Crassus und drängte sie alle von dem See ab, wurd aber an ihrer Verfolgung und Niedermetzelung dadurch ghindert,

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daß plötzlich Spartacus erschien und die Flucht zum Stehen brachte. Zuvor hatte er schon dem Senat geschrieben, es sei nötig, Lucullus aus Thrakien' und Pompejus aus Spanien herbeizurufen. Das bereute er jetzt und eilte, den Krieg, bevor jene kämen, zu Ende zu bringen, weil er wußte, daß sonst dem, der zu ihm gestoßen wäre und Hilfe gebracht hätte, nicht ihm selbst, der Ruhm des Sieges zufallen würde. Er beschloß nun, zuerst die von Spartacus Abgefallenen, die, gefuhrt von Gaius Cannidus* und Castus, gesondert lagerten, anzugreifen, und sandte sechstausend Mann aus, um einen Hügel vorweg zu besetzen, mit der Weisung, sich nach Möglichkeit verborgen zu halten. Sie versuchten zwar, sich der Beobachtung zu entziehen, indem sie die Überzüge auf den Helmen ließen, wurden aber von zwei Frauen, die es mit den Feinden hielten, gesehen und wären in große Gefahr gekommen, wenn nicht Crassus rasch herzugeeilt wäre und die erbittertste von allen Schlachten geliefert hätte, in der er zwölftausenddreihundert Feinde erlegte und unter ihnen nur zwei fand, die am Rücken verwundet waren, die anderen waren alle an ihrem Posten verharrend und gegen die Römer kämpfend gefallen. Als nach der Niederlage dieser Abteilung Spartacus den Rückzug nach den petilinischen Bergen' hin antrat, folgten ihm die Unterführer des Crassus, Quintus und der Quaestor Scrofa4, in enger Fühlung. Als er plötzlich kehrtmachte, kam es zu einer allgemeinen Flucht der Römer, und mit Mühe konnten sie den Quaestor verwundet noch mitnehmen und sich in Sicherheit bringen. Dieser Sieg bewirkte den Untergang des Spartacus, da er den entlaufenen Sklaven neuen Mut einflößte. Sie wollten nicht länger dem Kampf ausweichen und gehorchten den Führern nicht, sondern schon auf dem Marsch umringten sie sie mit den Waffen in der Hand und zwangen sie, wieder zurück durch Lucanien gegen die Römer zu ziehen, womit sie den Wünschen des Crassus entgegenkamen. Denn schon kam

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die Meldung, daß Pompejus im Anzüge sei, und es gab bereits nicht wenige, die darauf wetteten, ihm komme der Sieg auch in diesem Kriege zu, denn sowie er da sei, werde er sofort kämpfen und dem Krieg ein Ende machen. Crassus beeilte sich also, eine Entscheidung herbeizuführen, schlug sein Lager nahe den Feinden auf und ließ einen Graben ziehen. Dagegen liefen die Sklaven an und belästigten die Arbeitenden. Da nun ständig mehr Leute von beiden Seiten zu Hilfe eilten, erkannte Spartacus die Notwendigkeit und stellte das ganze Heer in Schlachtordnung. Sein erstes war, als ihm sein Pferd vorgeführt wurde, daß er sein Schwert zog und mit den Worten, siege er, so werde er viele gute Pferde haben, die der Feinde nämlich, unterliege er aber, so brauche er keins, das Pferd niederstach. Hierauf drängte er durch viele Waffen und Wunden gegen Crassus selber los, erreichte ihn zwar nicht, tötete aber zwei Centurionen, die ihm entgegentraten, und als schließlich alle um ihn flohen, stand er allein noch und wurde von vielen umringt und, sich immer noch wehrend, niedergehauen. Obwohl so Crassus seine Stunde wahrgenommen, den Krieg meisterhaft geführt und auch seine Person der Gefahr ausgesetzt hatte, so kam der Ruhm des Sieges doch Pompejus zugute. Denn die aus der Schlacht entronnenen fünftausend Mann liefen ihm in die Hände und wurden vernichtet, woraufhin er an den Senat schrieb, in offener Schlacht habe Crassus die entlaufenen Sklaven besiegt, er aber habe die Wurzel des Krieges ausgerottet. Pompejus feierte nunmehr über Sertorius und Spanien einen glänzenden Triumph, Crassus hingegen wagte es selbst nicht einmal, den großen Triumph zu fordern, und auch der kleine Triumph zu Fuß, den er feierte, Ova genannt, galt für schmählich und unverdient, da es sich ja um einen Sklavenkrieg handelte'. Worin dieser sich von jenem unterscheidet, und über den Namen ist im Leben des Marcellus das Nötige gesagt (Kap. 22).

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12. Als hiernach Pompejus ohne weiteres zum Konsulat berufen wurde, trug Crassus, obwohl er ohnedies Aussichten hatte, sein Kollege zu werden, kein Bedenken, Pompejus darum anzusprechen. Der ging darauf mit Freuden ein - denn er wünschte stets, daß Crassus ihm irgendwie Dank schulden sollte - , verwandte sich eifrig für ihn und sagte schließlich in öffentlicher Versammlung, er würde nicht weniger dankbar sein, wenn er ihn zum Kollegen, als dafür, daß er das Amt erhielte. Doch blieb dieses freundschaftliche Verhältnis nicht bestehen, als sie das Amt angetreten hatten, sondern beinahe über alles entzweiten sie sich, zankten über alles miteinander und suchten sich auszustechen und erreichten so, daß ihr Konsulat ohne politische Leistungen und Ergebnisse ablief 1 , außer daß Crassus dem Hercules ein großes Opfer darbrachte und das Volk an zehntausend Tischen bewirtete und Brotgetreide für drei Monate an es verteilen ließ. Als ihre Amtszeit zu Ende ging und sie eine Volksversammlung hielten, stieg ein Mann, der nicht zu den Vornehmen gehörte, ein römischer Ritter und ein schlichter, unpolitischer Mensch namens Gajus Aurelius, auf die Rednerbühne, trat vor und erzählte ein Traumgesicht, das ihm im Schlaf erschienen sei. «Iuppiter», sagte er, «erschien mir und befahl mir, öffentlich zu sagen, ihr solltet nicht gestatten, daß die Konsuln ihr Amt niederlegen, bevor sie wieder Freunde geworden sind.» Als der Mann das sagte und das Volk sie aufforderte, sich zu versöhnen, stand Pompejus schweigend da, Crassus aber reichte ihm als erster die Hand und sagte:« Liebe Mitbürger, ich glaube nichts Niedriges und meiner Unwürdiges zu tun, wenn ich als erster dem Pompejus die Hand zur Versöhnung und Freundschaft biete, den ihr, noch ehe ihm der Bart gewachsen war, den Großen genannt und ihm, noch ehe er Mitglied des Senates war, einen Triumph bewilligt habt.» 13. Dies ist es, was an dem Konsulat des Crassus denk-

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würdig war. Seine Censur verlief gänzlich tatenlos und ohne bedeutsame Ereignisse; er veranstaltete keine Prüfung des Senats, keine Musterung der Ritter, keine Schätzung der Bürger; dabei hatte er den sanftmütigsten der Römer zum Kollegen, den Lutatius Catulus. Allerdings sagt man, daß Catulus, als Crassus ein bedenkliches und

gewalttätiges

Unternehmen ins Auge gefaßt hatte, nämlich Ägypten den Römern tributpflichtig zu machen, ihm kraftvoll entgegengetreten sei, und als hieraus ein Zerwürfnis entstand, hätten beide freiwillig ihr Amt niedergelegt'. Bei den bedeutsamen Unternehmungen Catilinas, die um ein Haar Rom ins Verderben stürzten, heftete sich ein Verdacht auch an Crassus, und es trat ein Mann auf, der ihn als Teilnehmer an der Verschwörung bezeichnete; aber niemand glaubte es. Cicero jedoch erklärt in einer Rede deutlich Crassus sowohl wie Caesar für mitverantwortlich. Allein diese Rede wurde erst nach dem T o d e beider herausgegeben, und in der Schrift über sein Konsulat sagt Cicero, Crassus sei bei Nacht zu ihm gekommen und habe ihm einen Brief überbracht, in dem die Pläne Catilinas klargelegt wurden, womit er ihm ein sicheres Wissen über die Verschwörung verschaffte'. Jedenfalls hatte Crassus wegen dieser Dinge stets einen Haß auf Cicero, aber ihm offen zu schaden hinderte ihn sein Sohn. Denn Publius, der lernbegierig und bildungshungrig war, hing sehr an Cicero, so daß er auch, als ihm der Prozeß drohte, mit ihm Trauerkleidung anlegte und die anderen jungen Leute veranlaßte, dasselbe zu tun. Und schließlich brachte er auch seinen Vater dazu, sich mit Cicero wieder auszusöhnen. 3 14. Als Caesar aus seiner Provinz zurückkehrte 4 , traf er Anstalten, um sich um das Konsulat zu bewerben. Da er nun sah, daß Crassus und Pompejus wieder miteinander verfeindet waren, wollte er weder, indem er die Freundschaft des einen

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suchte, sich den andern zum Feinde machen, noch hatte er, wenn keiner von beiden ihm beistand, Aussicht, zum Ziele zu kommen. Er bemühte sich also um eine Versöhnung der beiden, indem er ihnen unausgesetzt klarzumachen suchte, daß sie, v e n n sie sich gegenseitig schwächten, nur Männern vom Schlage Ciceros und Catulus' und Catos zur Macht verhelfen würden, die ohne Bedeutung sein würden, wenn sie selber ihre Freundschaften und Gefolgschaften zusammenschlössen und mit vereinter Kraft und nach einem Plane den Staat regierten. Er gewann sie dafür, versöhnte sie und schuf durch Vereinigung der drei ein unwiderstehliches Machtinstrument, mittels dessen er Senat und Volk der Römer überwältigte, aber nicht jene beiden durcheinander stärker, sondern sich selbst durch sie zum Stärksten machte. Denn sofort wurde er, von den beiden gefordert, glänzend zum Konsul gewählt, und während er das Konsulat führte, erwirkten sie, daß ihm das Kommando großer Armeen übertragen wurde, schanzten ihm Gallien zu und setzten ihn so gleichsam in eine feste Burg in der Meinung, das übrige nun in Ruhe unter sich verteilen zu können, nachdem sie jenem die ihm zugeteilte Macht gesichert hätten 1 . Pompejus tat das, getrieben von seiner maßlosen Herrschsucht. Bei Crassus hingegen trat zu seiner alten Leidenschaft, der Habsucht, infolge der glänzenden Taten Caesars ein neuer Drang, eine neue Begierde, die nach Siegesmalen und Triumphen, worin allein er, wie er glaubte, hinter ihm zurückstand, während er ihm in allem andern überlegen sei, und diese ließ ihn nicht los und ließ nicht nach, bis sie ihn selbst in einen ruhmlosen Untergang und den Staat in schweres Unglück stürzte. Als nämlich Caesar aus Gallien nach der Stadt Luca gekommen war, begaben sich auch viele andere Römer dahin, und Pompejus und Crassus hatten mit ihm geheime Zusammenkünfte und beschlossen, den Staat noch fester in die Hand zu nehmen und die ganze

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Macht an sich zu bringen, indem Caesar in seinem Kommando bliebe und Pompejus und Crassus andere Provinzen u n d Heere

bekämen. Aber dahin gab es nur einen Weg: die Bewerbung um ein zweites Konsulat. Wenn sie das taten, sollte Caesar mithelfen, indem er seinen Freunden schrieb und viele seiner Soldaten nach Rom schickte, um mitzuwählen1. i$. Als nach diesen Abmachungen Pompejus und Crassus nach Rom zurückkamen, waren sie sogleich in Verdacht, und allgemein hieß es, diese Zusammenkunft sei nicht zum Guten gewesen. Als jetzt im Senat Marcellinus und Dominus 1 den Pompejus fragten, ob er sich um das Konsulat bewerben werde, antwortete er, vielleicht werde er sich bewerben, vielleicht werde er sich auch nicht bewerben; und abermals gefragt, sagte er, er strebe es an dir die gerechten Bürger, er strebe es nicht an für die ungerechten. Dies erschien als eine hochfahrende und überhebliche Antwort. Maßvoller sagte Crassus, wenn es der Stadt von Nutzen sei, werde er sich um das Amt bewerben, wenn nicht, werde er davon abstehen. Daher wagten einige es, sich um das Konsulat zu bewerben, unter ihnen Domitius. Als aber jene beiden offen als Bewerber auftraten, zogen sich die anderen angsterfüllt zurück, doch den Domitius, seinen Verwandten und Freund, ermutigte Cato, ermahnte und drängte ihn, seine Chance nicht fahren zu lassen, da er ja für die allgemeine Freiheit kämpfe. Denn nicht das Konsulat erstrebten Pompejus und Crassus, sondern die Gewaltherrschaft, nicht Bewerbung um ein Amt sei, was da vor sich gehe, sondern räuberisches Greifen nach Provinzen und Armeen. Mit solchen Worten und Gesinnungen trieb Cato den Domitius beinahe mit Gewalt auf den Markt, viele gesellten sich zu ihnen, und allgemein fragte man verwundert: « Wozu brauchen diese Männer ein zweites Konsulat? Wozu wieder miteinander? Warum nicht mit anderen? Es gibt doch wohl viele Männer bei uns, die nicht unwürdig

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sind, Kollegen des Pompejus oder des Crassus zu werden.» Daraufhin gerieten Pompejus und Crassus in Besorgnis und schreckten vor keinem der gesetzlosesten und gewalttätigsten Mittel zurück. Um von allem andern zu schweigen, legten sie Domitius, als er noch zur Nachtzeit mit seinen Freunden zum Markt herunterkam, einen Hinterhalt, töteten den Mann, der die Fackel vor ihm hertrug, und verwundeten viele, darunter auch Cato. Nachdem sie den Mitbewerber so verjagt und in sein Haus eingesperrt hatten, wurden sie zu Konsuln gewählt 1 . Nach nicht langer Zeit umstellten sie die Rednerbiihne wieder mit Bewaffneten, vertrieben Cato vom Markt, töteten einige, die noch Widerstand wagten, verlängerten Caesar sein Kommando um weitere fünfJahre und ließen sich Syrien und die beiden Spanien als Provinzen zuweisen. Bei der Auslosung fiel Crassus Syrien, Pompejus die spanischen Provinzen zu. 16. Dieser Ausfall des Loses war allen willkommen. Denn die meisten hatten den Wunsch, daß Pompejus nicht weit von der Stadt weile, Pompejus, der seine Frau sehr liebte 1 , beabsichtigte sich meistens dort aufzuhalten, und Crassus war gleich, nachdem das Los gefallen war, seine Freude anzumerken und daß er glaubte, es hätte ihm kein größeres Glück in den Schoß fallen können als dieses. Kaum daß er unter Fremden und in großer Gesellschaft die Ruhe bewahrte; im Kreise seiner Vertrauten redete er viel dummes und kindisches Zeug, ganz und gar nicht passend zu seinem Alter und zu seinem Charakter, da er in seinem Leben durchaus kein Prahler oder Aufschneider gewesen war. Jetzt aber war er ganz aufgebläht und wie von Sinnen, so daß er nicht nur Syrien und die Parther zur Grenze seines Glückes setzte, sondern, wie um die Siegt des Lucullus über Tigranes und des Pompejus über Mithridates als bloße Spielereien hinzustellen, sich mit seinen HofFnurgen bis zu den Baktriern, Indern und dem äußersten Ostmee: verstieg. Dabei war in dem hierüber gefaßten Beschluß

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von einem Partherkrieg nichts enthalten. Doch wußtenalle, daß Crassus d a r a u f ganz versessen w a r , u n d Caesar schriebihm aus

Gallien, lobte sein Vorhaben und spornte ihn noch zu dem Kriege an. Als jetzt der Volkstribun Atejus 1 sich anshickte, seinem Auszuge Widerstand entgegenzusetzen, und \tele sich zusammenrotteten, entrüstet, daß jemand ausziehe, im Menschen, die ihnen nichts Böses getan hätten, sondern in Frieden mit ihnen lebten, den Krieg ins Land zu tragen bekam es Crassus mit der Angst und bat Pompejus, herbezukommen und ihn zu geleiten. Denn dessen Ansehen bei d e Menge war groß, und auch jetzt geschah es, daß viele, die sich bereit hielten, Crassus entgegenzutreten und ihn niederzurhreien, sich durch den Anblick des Pompejus, der mit freindlicher Miene und Blick vor ihm herging, beschwichtigen lrßen, so daß sie schweigend Platz machten, als sie durch ihe Mitte gingen. Aber Atejus trat ihm entgegen, untersagte hm zuerst mit feierlichen Worten weiterzugehen und befäil dann seinem Amtsdiener, Hand an ihn zu legen und ihn zi verhaften. Da aber andere Volkstribunen dagegen einschriten, ließ der Amtsdiener Crassus wieder frei, Atejus aber lie' voraus zum Tor, stellte dort ein brennendes Kohlenbecken ;uf, und als Crassus vorbeikam, räucherte er, brachte ein Trnkopfer und sprach an sich schon furchtbare, grausige Flüche iber ihn aus, wobei er noch gewisse schreckliche und frendartige Götter mit Namen anrief. Diese geheimen, uralten Fliehe, so sagen die Römer, haben eine solche Kraft, daß keiirr, über den sie ausgesprochen worden sind, ihnen entrinnet kann, daß aber auch derjenige, welcher sie ausgesprochen lat, unglücklich wird, weshalb nicht in gewöhnlichen Fälen und nicht von vielen auf sie zurückgegriffen wird. Auch damals machte man daher dem Atejus Vorwürfe, daß er über ben die Stadt, um derentwillen er dem Crassus zürnte, solch- Flüche und eine solche Angst vor göttlichen Strafen gebracit hätte.

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17. Crassus gelangte inzwischen nach Brundisium, und obwohl das Meer wegen der Winterszeit stürmisch war, wartete er nicht ab, sondern ging in See und verlor viele seiner Schiffe. Dann zog er die übrigen Truppen an sich und marschierte auf dem Landwege eilends durch Galatien. Dort traf er den König Dejotaros', der schon sehr alt war, aber eben eine neue Stadt gründete, und sagte spottend zu i h m : « I n der zwölften Stunde fängst du an zu bauen, König?», worauf der Galater lachend erwiderte: «Du ziehst ja, wie ich sehe, auch nicht sehr frühzeitig gegen die Parther, Imperator.» Crassus hatte damals das sechzigste Jahr überschritten, wirkte aber von Ansehen älter, als er wirklich war. Bei seiner Ankunft empfingen ihn die Dinge zuerst so, wie er gehofft hatte. Er überbrückte ohne Mühe den Euphrat, führte sein Heer ohne Gefährdung hinüber und nahm viele Städte in Mesopotamien in Besitz, die sich ihm freiwillig anschlössen. Nur in einer, wo ein gewisser Apollonios regierte, wurden ihm hundert Mann getötet. Er fiihrte sein Heer gegen sie, eroberte sie, ließ sie ausplündern und die Bewohner als Sklaven verkaufen. Zenodotion nannten die Griechen die Stadt. Wegen dieser Eroberung ließ er es sich gefallen, daß das Heer ihn zum Imperator ausrief. Dadurch zog er sich große Schande zu, und er erschien kleinmütig und wenig hoffnungsvoll auf größere Erfolge, da er von einem so geringen Vorteil so viel hermachte. Nachdem er in die gewonnenen Städte Besatzungen gelegt hatte - an Zahl siebentausend Mann zu Fuß und tausend Reiter - , kehrte er selbst nach Syrien zurück, um dort den Winter' zu verbringen und seinen Sohn in Empfang zu nehmen, der von Caesar aus Gallien zu ihm kam, selbst geschmückt mit Ehrenzeichen und an der Spitze von tausend auserlesenen Reitern 3 . Dies erschien als der erste Fehler, den Crassus machte nächst dem Feldzug selbst, der der größte Fehler von allen

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war - , d a ß er, da er hätte weiter vorrücken und Babylon und Seleukeia 1 , Städte, die den Parthern immer feindlich waren, nehmen müssen, den Feinden vielmehr Z e i t für ihre R ü s t u n gen ließ. Weiter w a r f man ihm vor, daß sein Aufenthalt in Syrien mehr auf Geldgeschäfte berechnet als strategisch begründet war. Denn er veranstaltete keine M u s t e r u n g der T r u p p e n noch Wettspiele zu ihrer Übung, sondern berechnete die Einkünfte der Städte, befaßte sich mit der Feststellung der Schätze der G ö t t i n zu Hierapolis 1 nach W a a g e und G e w i c h t viele T a g e lang, legte Völkern und Fürsten dieStellung von Kontingenten auf und erließ sie ihnen dann gegen Geldzahlungen, und fiel so in Schande und M i ß a c h t u n g . Das erste unglückliche Vorzeichen wurde ihm auch von dieser G ö t t i n zuteil, welche einige für Aphrodite, andere für Hera, wieder andere für die N a t u r und die letzte Ursache erklären, welche allen Dingen ihren Ursprung und ihre Erzeugung aus dem Feuchten gegeben und den Menschen den Quell aller Güter gewiesen hat. Denn als sie aus dem Heiligtum herausgingen, kam zuerst der j u n g e Crassus an der T ü r zu Fall, und dann stürzte der alte über ihn. 18. A l s Crassus bereits seine T r u p p e n aus den Winterlagern zusammenzog, kamen Gesandte von Arsakes 1 , die eine kurze Botschaft brachten. Sie sagten nämlich, wenn das Heer von den Römern ausgesandt sei, so bedeute das den Krieg ohne Verhandlungen und ohne Versöhnung; habe aber, wie sie erfuhren, Crassus wider den Willen seines Vaterlandes um persönlicher Gewinnsucht willen die Waffen gegen die Parther erhoben und einen T e i l ihres Landes in Besitz genommen, so wolle Arsakes Milde walten lassen, sich des Alters des Crassus erbarmen und den Römern ihre Soldaten freigeben, die ja vielmehr schon in Haft wären, als daß sie andere in Haft hielten. Als hierauf Crassus prahlend erwiderte, er werde seine A n t w o r t in Seleukeia erteilen, lachte Vagises, der älteste der

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Gesandten, zeigte auf die Mitte seiner flachen Hand und sagte: «Eher werden hier Haare wachsen, Crassus, als daß du Seleukeia zu sehen bekommst.» Hierauf ritten diese davon zu ihrem König Orodes, um ihm zu melden, daß der Krieg unvermeidlich sei. Inzwischen kamen aus den Städten Mesopotamiens, die die Römer besetzt hielten, Leute, die von dort mit schwerer Mühe entronnen waren, und brachten Meldungen, die zu denken gaben, nachdem sie Augenzeugen sowohl der Menge der Feinde als auch der Kämpfe geworden waren, die diese beim Angriff auf die Städte geführt hatten, wobei sie, wie es zu gehen pflegt, alles noch schlimmer darstellten: die Männer seien unentrinnbar, wenn sie verfolgten, und nicht zu ereilen, wenn sie flüchteten; ihre Pfeile eilten geflügelt dem Blick voraus, und ehe man den Schützen sähe, durchbohrten sie das getroffene Ziel, und die Waffen der Panzerreiter seien so beschaffen, daß sie durch alles hindurchgingen und selber undurchdringlich seien. Diese Erzählungen brachten den Mut der Soldaten, die sie hörten, ins Wanken. Denn überzeugt, daß die Parther sich in nichts von den Armeniern und Kappadokiern unterschieden, die auszuplündern Lucullus müde geworden war, und in dem Glauben, das Beschwerlichste an dem Kriege werde der lange Marsch sein und die Verfolgung von Leuten, die sich nicht zum Nahkampf stellen würden, sahen sie jetzt wider Erwarten einen schweren, gefährlichen Kampf vor sich. Daher meinten auch einige der höheren Offiziere, Crassus sollte noch einmal einhalten und den ganzen Kriegsplan erneut zur Beratung vorlegen; einer von ihnen war der Quaestor Cassius 1 . Auch gaben die Wahrsager unter der Hand zu verstehen, daß sich für Crassus immer nur böse und unheilbedeutende Vorzeichen bei den Opfern ergäben. Aber er achtete weder darauf noch auf irgend etwas anderes, als was zur Eile mahnte.

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19. Nicht zum wenigsten bestärkte ihn hierin Artabazes, der König der Armenier 1 . Denn er kam zu ihm ins Lager mit sechstausend Reitern, und diese, so hieß es, waren nur die Wachen und Leibgarden des Königs, und dazu versprach er weitere zehntausend gepanzerte Reiter und dreißigtausend Mann Fußvolk, die von ihm verpflegt werden würden. Doch suchte er Crassus zu bereden, durch Armenien in das Partherreich einzufallen, denn nicht nur würde dort das Heer Lebensmittel im Uberfluß haben, die er liefern werde, sondern auch in voller Sicherheit marschieren, gedeckt durch viele Gebirge und zusammenhängende Hügelketten und

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haupt ein Gelände, das ungünstig sei für die Kavallerie, in der die einzige Stärke der Parther liege. Crassus zollte seinem guten Willen und seinen glänzenden Vorkehrungen hohe Anerkennung, erklärte aber, durch Mesopotamien ziehen zu wollen, wo er viele tapfere Römer zurückgelassen habe. Daraufhin zog der Armenier ab. Als Crassus nun bei dem Z e u g m a 1 das Heer übersetzen wollte, brachen außerordentlich heftige Gewitter los, und viele Blitze zuckten den Soldaten entgegen, und ein heftiger Wirbelwind aus düsterem Gewölk fuhr gegen die Schiffbrücke und zerriß und zertrümmerte sie zum großen Teil. Der Ort, wo sie das Lager schlagen wollten, wurde von zwei Blitzen getroffen. Eins der Pferde des Feldherrn, aufs prächtigste geschmückt, stürzte sich, seinen Führer gewaltsam mit sich reißend, in den Strom, ging unter und verschwand. Auch soll der erste Adler, der emporgehoben wurde, sich von selbst umgewandt haben. Z u alledem begab es sich noch, daß, als nach dem Übergang die Soldaten ihre Verpflegung zugemessen bekamen, ihnen als erstes von allem Linsen und Gerstenbrot gegeben wurden, was bei den Römern als Trauermahl gilt und bei den Totenfeiern vorgesetzt wird. Crassus selbst entfuhr, als er eine Rede hielt, ein Wort, das auf die Soldaten

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einen niederschmetternden Eindruck machte. Er sagte nämlich, er lasse die Brücke über den Fluß abbrechen, damit keiner von ihnen zurückkehre. Und da er, als er bemerkte, wie fehl am Orte das Wort war, es hätte zurücknehmen und den Erschrockenen erläutern sollen, unterließ er das doch aus hoffartigem Eigensinn. Als er schließlich das übliche Reinigungsopfer vollzog und der Wahrsager ihm die Eingeweide reichte, ließ er sie aus der Hand fallen, und als er sah, daß die Anwesenden darüber aufs äußerste betroffen waren, lächelte er und sagte: «So ist eben das Alter. Aber die Waffen sollen mir g e w i ß nicht aus der Hand fallen.» 20. Hierauf marschierte er am Fluß entlang an der Spitze von sieben Legionen, nicht ganz viertausend Reitern und der gleichen Zahl Leichtbewaffneter. Einige der auf Kundschaft geschickten Vorausabteilungen meldeten nach ihrer R ü c k kehr, das Land sei menschenleer, doch hätten sie die Spuren von vielen Pferden angetroffen, die dem Anschein nach umgekehrt und zurückgejagt wären. Daher gab sich Crassus sowohl selbst um so mehr seinen zuversichtlichen Hoffnungen hin, wie auch die Soldaten die Parther ganz und gar zu verachten und zu glauben begannen, sie würden sich nicht auf einen Nahkampf einlassen. Trotzdem machten Cassius und seine Freunde Crassus erneute Vorstellungen und rieten dazu, am besten die Armee in einer der besetzten Städte ausruhen zu lassen, bis er etwas Gewisses über die Feinde erführe, oder wenn er das nicht wolle, längs des Flusses auf Seleukeia vorzurücken; dann würden die Proviantschiffe, dem Heere stets zur Seite den Fluß hinabfahrend, ihm die Verpflegung gewährleisten, und sie würden in dem Fluß eine Sicherung gegen eine Umgehung haben und damit die Möglichkeit, immer gleich zu gleich und von Angesicht zu Angesicht gegen die Feinde zu kämpfen. 21. Während Crassus diese Vorschläge noch e r w o g und

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überdachte, kommt zu ihm ein arabischer Stammeshäuptling namens Abgaros, ein verschlagener und hinterlistiger Mann, der dazu bestimmt war, von allen Werkzeugen des Unheils, die das Schicksal zu ihrem Verderben anwandte, das böseste und unheilvollste zu werden. Von ihm wußten einige der Leute, die an den Feldzügen des Pompejus teilgenommen hatten, daß er von Pompejus viel Freundlichkeit erfahren hatte und daher für einen Römerfreund galt. Damals aber war er dem Crassus von den Feldherren des Partherkönigs mit der Absicht zugesandt worden, daß er versuchen sollte, ihn möglichst weit von dem Fluß und den Berghängen abzuziehen und in die unabsehbare Ebene zu locken, wo die Reiterei freies Spiel hatte. Denn sie hatten alles andere eher im Sinne, als frontal mit den Römern zusammenzutreten. Agbaros kam also zu Crassus - er war übrigens sehr redegewandt - , lobte Pompejus als seinen Wohltäter und pries Crassus glücklich wegen seiner Armee, tadelte ihn aber wegen seiner Säumigkeit, daß er zaudere und immer noch rüste, als ob er noch Waffen brauchen würde und nicht vielmehr die schnellsten Füße gegen Leute, die längst schon nur darauf bedacht seien, ihre wertvollste Habe zusammenzuraffen und zu den Skythen oder Hyrkanern 1 zu entweichen. «Wenn du jedoch kämpfen willst», sagte er, «so mußt du auch eilen, bevor der König wieder Mut faßt und seine ganze Macht zusammenzieht. Denn jetzt sind euch nur Surenas und Silakes entgegengeworfen worden, um die Verfolgung auf sich zu ziehen, und er selbst ist nirgends zu finden.» Das war jedoch alles gelogen. Denn Orodes hatte seine Streitmacht sogleich in zwei Teile geteilt und verwüstete selbst Armenien, um sich an Artabazes zu rächen, und Surenas hatte er gegen die Römer geschickt, aber nicht, weil er sie gering achtete, wie einige sagen. Denn es paßte wohl nicht zueinander, Crassus, einen der ersten Männer Roms, für einen seiner nicht würdigen Gegner anzu-

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sehen und sich herbeizulassen, mit Artabazes Krieg zu fuhren und die Dörfer der Armenier zu überfallen und zu zerstören, sondern es scheint mir vielmehr, daß er aus Furcht vor der Gefahr sich selbst im Hintergrunde hielt und die Entwicklung der Dinge abwartete und daß er den Surenas vorschickte, um das Kriegsglück zu versuchen und die Feinde abzulenken. Auch war Surenas nicht der erste beste, sondern an Reichtum, Adel und Ansehen der zweite nach dem König, an Tapferkeit und überlegener Klugheit der erste unter den zeitgenössischen Parthern, dazu von einer Körpergröße und Schönheit wie kein anderer. Wenn er fiir seine Person reiste, so wurde sein Gepäck stets auf tausend Kamelen befördert, dazu führte er in zweihundert Wagen seine Nebenfrauen mit sich, und tausend Panzerreiter und noch mehr leichte Reiter bildeten sein Gefolge. Im ganzen besaß er Reiter, Vasallen und Sklaven nicht weniger als zehntausend. Von seinen Ahnen her besaß er das Recht, jeweils dem den Thron besteigenden König der Parther als erster das Diadem aufzusetzen, und den damals regierenden Orodes hatte er nach seiner Vertreibung wieder ins Land der Parther zurückgeführt und ihm die große Stadt Seleukeia erobert, wobei er selbst als erster die Mauer erstieg und die sich Widersetzenden mit eigener Hand zurückschlug 1 . Er war zu jener Zeit noch nicht dreißig Jahre alt, besaß aber schon einen hohen Ruhm wegen seiner Klugheit und Einsicht, durch welche Eigenschaften nicht zum mindesten er den Crassus zu Fall brachte, der zuerst durch zu großen Wagemut und Stolz, dann durch Ängstlichkeit und das erlittene Unglück den Listen der Gegner zur leichten Beute wurde. 22. Nachdem also damals Agbaros den Crassus überredet hatte, zog er ihn vom Flusse ab und führte ihn mitten durch die Ebene einen Weg, der anfanglich bequem und leicht, dann aber beschwerlich war, da er in tiefen Sand überging und in

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baumlose, wasserlosc Flächen, die nirgends bei einer dem Auge erkennbaren Grenze endeten, so daß die Soldaten nicht nur vom Durst und der Muhseligkeit des Marsches erschöpft wurden, sondern auch alles, was sie zu sehen bekamen, untröstlichen Mißmut in ihnen erzeugte, da sie keine Pflanze erblicken konnten, kein Gewässer, keinen niederstreichenden Bergzug, kein grünendes Gras; sondern eine wie ein Meer ringsum ergossene einsame Sandwüste umgab das Heer. Schon hiernach mußte sich der Verdacht regen, daß man getäuscht wurde. Nachdem nun auch von dem Armenier Artabazes Boten erschienen und meldeten, er sei in einen schweren Krieg verwickelt, da Orodes sich auf ihn geworfen habe; er könne ihm darum keine Hilfe schicken, gebe aber Crassus den Rat, am besten sich zu ihm zu wenden und mit den Armeniern vereinigt den Kampf gegen Orodes auszufechten, andernfalls aber immer so zu marschieren und zu lagern, daß er das für die Reiterei günstige Gelände vermiede und sich an das Bergland hielte, da gab ihm Crassus in Zorn und Verblendung keine schriftliche Antwort, sondern sagte den Gesandten nur mündlich: er habe jetzt für die Armenier keine Zeit, später aber werde er kommen, um Artabazes für seinen Verrat zu bestrafen. Cassius und seine Freunde waren wieder sehr besorgt, machten aber Crassus, der gegen sie verstimmt war, keine Vorhaltungen mehr, sondern nahmen sich den Abgaros persönlich vor und beschimpften ihn: « Welcher böse Dämon hat dich zu uns geführt, du elender Schuft ? Durch welche Zaubertränke oder Gaukeleien hast du Crassus dazu vermocht, das Heer in eine unabsehbare, endlose Wüste ins Verderben zu (iihren und Wege zu gehen, die sich besser für einen nomadisierenden Räuberhauptmann als für einen römischen Feldherrn schicken?» Doch Abgaros, ein durchtriebener Mann, fiel ihnen zu Füßen, sprach ihnen Mut zu und bat sie, nur

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noch ein wenig auszuhalten. Neben den Soldaten lief er her, leistete ihnen kleine Dienste und hänselte sie dabei unter lautem Gelächter: «Ihr glaubt wohl, ihr marschiert durch Kampanien und haltet immerfort nach Quellen und Bächen und Schatten Ausschau und natürlich auch nach Bädern und Wirtshäusern ? Ihr habt wohl vergessen, daß ihr durch das Grenzland zwischen Arabern und Assyrern zieht?» So trieb Abgaros seinen Spott mit den Römern, und ehe es noch offenkundig wurde, daß er sie betrog, ritt er davon, nicht ohne Wissen des Crassus, dem er auch noch dies weisgemacht hatte, daß er Unheil und Verwirrung unter die Feinde bringen werde. 23. Es wird berichtet, daß an jenem Tage Crassus nicht, wie es die Sitte der römischen Feldherren ist, in einem roten, sondern in einem schwarzen Mantel erschienen sei, diesen aber, sowie er es bemerkte, gewechselt habe; auch hätten einige Feldzeichen wie angewurzelt so fest in der Erde gesteckt, daß die Träger sie nur mit schwerer Mühe herausziehen konnten. Aber Crassus lachte darüber und beschleunigte den Marsch und zwang die Infanterie, den Reitern dicht aufzufolgen, bis einige wenige der auf Kundschaft Ausgesandten herangesprengt kamen und meldeten, ihre Kameraden seien von den Feinden vernichtet, sie selbst seien mit genauer Not entronnen und die Parther rückten in großer Zahl und hohen Mutes zum Kampfe an. Das erschreckte alle, und Crassus war aufs äußerste bestürzt und gab in der Eile sich widersprechende Anordnungen für die Aufstellung des Heeres. Zuerst ließ er, wie Cassius es für richtig hielt, die Front der Fußtruppen sich in geringer Tiefe über einen möglichst breiten Raum in der Ebene ausdehnen, um Einkreisungsversuchen vorzubeugen, und verteilte die Reiterei auf die Flügel. Dann änderte er seinen Entschluß, zog das Heer wieder zusammen und bildete ein tiefes Viereck, das seine Front nach allen Seiten richtete, so daß jede Seite zwölf Kohorten stark vorrückte.

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Jeder Kohorte teilte er eine Schwadron Reiter zu, damit kein Teil ohne kavalleristischen Beistand wäre, sondern er überall mit gleicher Sicherung angreiten könnte. Den einen Flügel unterstellte er Cassius, den andern dem jungen Crassus, und er selbst nahm seinen Platz im Z e n t r u m . In dieser Weise vorrückend, kamen sie zu einem Fluß, der Balissos 1 heißt, nicht bedeutend noch wasserreich, der aber damals den Soldaten bei der Trockenheit und Hitze und im Vergleich mit dem bisherigen mühseligen und wasserlosen Marsch höchst willkommen erschien. Die meisten Offiziere stimmten dafür, hier zu rasten, die Nacht zu verbringen und erst, nachdem man die Stärke und die Aufstellung des Feindes so genau als möglich erkundet hätte, bei Tagesanbruch gegen sie vorzugehen. Crassus aber ließ sich durch das dringende Verlangen seines Sohnes und der diesem unterstehenden Reiter, sogleich in den K a m p f geführt zu werden, aufstacheln und befahl, die Leute sollten nur, soweit sie es nötig hätten, in Reih und Glied stehend essen und trinken. Und bevor noch dieser Befehl überall recht durch war, ließ er antreten, aber nicht langsam und, da es doch zum Kampf ging, mit Ruhepausen, sondern in scharfem Eilmarsch, bis die Feinde in Sicht kamen, die jcdoch wider Erwarten den Römern weder zahlreich noch drohend erschienen. Denn Surenas hielt die Hauptmacht hinter den Vortruppen verborgen und hatte, damit sie sich nicht durch den Glanz ihrer Waffen zu erkennen gebe, befohlen, diese mit Mänteln und Fellen zu verdecken. Als sie sich aber einander genähert und der Feldherr das Zeichen zum Angriff hatte erheben lassen, da erfüllte sich zuerst die Ebene mit dumpfem Getöse und schaudererregendem Dröhnen. Denn die Parther erregen ihren Schlachtenmut nicht mit Hörnern und Trompeten, sondern sie spannen mit Fellen bezogene Reifen hohl über eherne Schallkörper und beginnen überall zugleich darauf zu schlagen; die geben einen tiefen, fürchter-

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liehen Ton, verwandt dem Gebrüll wilder Tiere und dem Krachen des Donners. Sic haben eben wohl erkannt, daß von allen Sinnesorganen das Gehör am meisten befähigt ist, die Seele zu erschüttern, und daß die Erregungen des Gehörs am schnellsten und am stärksten den Menschen um seine Besonnenheit bringen. 24. Während die Römer noch durch dieses Getöse erschreckt waren, zogen die Parther plötzlich die Hüllen von den Waffen ab und glänzten selber wie Feuer in ihren Helmen und Panzern - denn das margianische Eisen 1 strahlt und funkelt hell - und ebenso ihre mit ehernen und eisernen Panzerplatten gedeckten Pferde. Am größten und schönsten erschien Surenas selbst, obschon das Weibische seiner Herrichtung dem Rufe seiner Tapferkeit nicht entsprach; denn er war auf medische Weise im Gesicht geschminkt, und seine Haare waren sorgfältig gescheitelt, während die anderen Parther nach Skythenart, um furchtbarer zu erscheinen, die Haare ins Gesicht hängen ließen. Zuerst gedachten sie mit ihren langen Spießen in die ersten Reihen der Römer einzubrechen und sie mit einem Gewaltstoß zurückzuwerfen. Als sie aber die Tiefe der enggeschlossenen Schlachtordnung und den festen Stand der Mannschaften bemerkten, gingen sie zurück, und während es schien, als ob sie sich zerstreuten und ihre Schlachtordnung auflösten, gingen sie unmerklich daran, das römische Viereck zu umzingeln. Als jetzt Crassus die Leichtbewaffneten vorgehen ließ, kamen sie nicht weit, sondern begegneten bald einem Hagel von Geschossen, wichen und bargen sich wieder hinter den Schwerbewaffneten, unter denen sie einen ersten Anflug von Furcht und Verwirrung erregten, da sie die Wucht und Durchschlagskraft der Pfeile gewahrten, die die Schilde zerrissen und durch jede Deckung, mochtc sie hart oder weich sein, hindurchfuhren. Die Parther ihrerseits begannen aus

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weiter Entfernung die Feinde von allen Seiten zugleich zu beschießen, nicht mit wohlgezielten Einzelschüssen - denn die enggedrängte Aufstellung der Römer gab dem Schützen, selbst wenn er gewollt hätte, gar nicht die Möglichkeit, seinen Mann zu verfehlen - , sondern so, daß sie scharfgespannte, starke Schüsse abgaben von großen, kräftigen Bogen, die zufolge ihrer starken Krümmung das Geschoß mit großer Wucht entsandten. Das ergab sofort schon eine schwierige Lage für die Römer. Denn blieben sie an ihrem Platz, so setzte es Wunden über Wunden, und versuchten sie zum Nahkampf vorzugehen, so kamen sie nicht dazu, dem Feinde mit gleichem heimzuzahlen, litten aber ebenso wie vorher. Denn die Parther gingen ständig schießend zurück, und sie verstehen sich darauf am besten nächst den Skythen, und es ist dies ein vortreffliches Verfahren: sich unter fortgesetztem Abwehrkampf zu retten und so der Flucht das Schimpfliche zu nehmen. 2$. Solange die Römer nun hofften, daß die Feinde, wenn sie ihre Pfeile verschossen hätten, den Kampf aufgeben oder sich zum Nahkampf stellen würden, hielten sie aus. Als sie aber sahen, daß viele mit Geschossen beladene Kamele bereit standen, von denen die zuvorderst stehenden Feinde herumreitend sich neue Munition holten, da verlor Crassus, da er kein Ende sah, den M u t und schickte seinem Sohn durch Boten, die er entsandte, den Befehl, er sollte zusehen, den Nahkampf zu erzwingen, bevor er eingeschlossen würde. Denn besonders ihm setzten die Feinde zu und suchten seinen Flügel zu umgehen, um ihm in den Rücken zu kommen. Der junge Crassus nahm also dreizehnhundert Reiter, unter denen sich die tausend von Caesar befanden, fünfhundert Bogenschützen und acht Kohorten der zunächst

stehenden

Schwerbewaffneten und führte sie zum Angriff. Die herumsprengenden Parther, sei es, daß sie auf sumpfiges Gelände 1 stießen, wie einige sagen, sei es, daß sie es darauf anlegten,

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Crassus recht weit entfernt von seinem Vater zu fassen, machten kehrt und ritten davon. Crassus sprengte mit dem Ruf «Die Männer stehen uns ja nicht» hinter ihnen her und mit ihm Censorinus und Megabakchos, dieser ein durch Mut und Kraft ausgezeichneter Mann, Censorinus auch im Besitz der senatorischen Würde und ein tüchtiger Redner', beide etwa gleichaltrige Freunde des Crassus. Als jetzt die Reiter ihnen folgten, blieb auch das Fußvolk voll Eifer und freudiger Hoffnung nicht zurück. Denn sie glaubten schon Sieger und Verfolger zu sein, bis sie ein weites Stück vorgekommen waren und nun erst den Betrug merkten, als die scheinbar Fliehenden sich wieder umwandten und zugleich viele andere herzuströmten. Sie machten also hier halt in dem Glauben, die Feinde würden nun mit ihnen, die nur eine kleine Schar darstellten, den Nahkampf aufnehmen. Aber die stellten nur die Panzerreiter den Römern in der Front entgegen, die übrige Reiterei ließen sie ungeordnet um sie herumgaloppieren und auf dem sandigen Boden so ungeheure Staubwolken aufwirbeln, daß die Römer kaum noch hindurchsehen und sich durch Rufe verständigen konnten, sondern auf engem Räume zusammengedrängt und gegeneinander getrieben immerfort von Schüssen getroffen wurden und starben, aber keinen leichten und schnellen Tod, sondern von Krämpfen und Schmerzen gequält sich mit den Geschossen in den Wunden herumwälzten und sie in ihnen zerbrachen, oder wenn sie die mit Widerhaken versehenen, durch Adern und Sehnen gedrungenen Spitzen mit Gewalt herauszuziehen versuchten, die Wunden noch weiter aufrissen und sich noch übler zurichteten. Während so viele im Sterben lagen, konnten auch die Lebenden nichts zu ihrer Verteidigung tun, und als jetzt Publius den Befehl zum Angriff auf die Panzerreiter gab, zeigten sie ihre Arme, die an die Schilde, und ihre Füße, die, mitten durchschossen, an den Erdboden geheftet waren, so daß

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sie zur Flucht wie zur Abwehr unfähig waren. So spornte er selbst seine Reiter an und begann in kraftvollem Ansturm ein Gefecht mit den Feinden, war aber sowohl im Angriff wie in der Verteidigung unterlegen, weil er mit schwachen, kurzen Speeren gegen Panzer aus rohen Tierhäuten und Eisen ankämpfte, während die Feinde ihre langen Lanzen gegen die leichtgerüsteten, unbedeckten Körper der Gallier richteten. Denn auf diese verließ er sich am meisten und verrichtete mit ihnen Wunder der Tapferkeit. Sie griffen nach den Lanzen, umschlangen die Feinde, die wegen der Schwere ihrer Rüstung unbeweglich waren, und rissen sie von den Pferden herunter; viele verließen auch ihre eigenen Pferde, krochen unter die der Feinde und durchbohrten ihre Bäuche, so daß sie sich vor Schmerzen aufbäumten, ihre Reiter und die Feinde bunt durcheinander zertraten und sterbend niederstürzten. Am meisten peinigte die Gallier die Hitze und der Durst, was sie beides nicht gewohnt waren; auch waren die meisten ihrer Pferde im Anrennen gegen die feindlichen Spieße schon zu Tode gekommen. So wurden sie gezwungen, sich auf die Schwerbewaffneten zurückzuziehen, wobei sie den Publius, der sich infolge seiner Wunden schon in üblem Zustande befand, mit sich nahmen. Als sie in der Nähe einen Sandhügel erblickten, zogen sie sich dahin, banden die Pferde in der Mitte fest und bildeten draußen um sie einen festgeschlossenen Schildwall in der Meinung, sich so leichter der Barbaren erwehren zu können. Aber es geschah gerade das Gegenteil. Denn auf ebenem Boden gewähren die vorderen Reihen den hinter ihnen Stehenden noch einigermaßen Erleichterung. Da dort aber der Boden wegen seiner Unebenheit einen über den anderen erhob und die zuhinterst Stehenden am meisten, so gab es kein Entrinnen, sondern alle wurden sie in gleicher Weise getroffen, während sie ihr ruhmloses und tatenloses Ende beklagten.

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Bei Publius befanden sich zwei Griechen aus der dortigen Gegend, die in Karrhai wohnten, Hieronymos und Nikomachos. Die suchten ihn zu bereden, sich mit ihnen in der Stille davonzumachen und nach Ichnai 1 zu fliehen, einer Stadt, die auf seiten der Römer stand und nicht weit entfernt war. Er aber erwiderte, Icein T o d würde so schrecklich sein, daß Publius ihn furchten und die Männer, die seinetwegen dem T o d e trotzten, im Stiche lassen könnte. Er hieß sie also sich retten, nahm Abschied von ihnen und ließ sie gehen. Er selber, da er seine Hand nicht mehr gebrauchen konnte, denn sie war von einem Pfeil durchschossen, befahl seinem Waffenträger, ihn mit dem Schwert zu durchbohren, und bot ihm die Brust. A u f gleiche Weise soll auch Censorinus den T o d gefunden haben. Megabakchos tötete sich selbst und ebenso die anderen Vornehmsten seiner Umgebung.

Die

Übrig-

gebliebenen stachen die Parther hinaufsteigend mit ihren Spießen nieder, während sie noch kämpften; lebend sollen nicht mehr als fünfhundert gefangen worden sein. Dem Publius und den Seinen schnitten sie die Köpfe ab und

ritten

dann sofort wieder gegen Crassus. 26. M i t diesem stand es folgendermaßen. Als er seinem Sohne den Befehl gegeben hatte, die Parther anzugreifen, und ihm ein Bote die Meldung brachte, daß die Feinde weit zurückgeworfen seien und scharf verfolgt würden, auch bemerkte, daß die ihm Gegenüberstehenden ihm weniger heftig zusetzten - denn die meisten hatten sich gegen Publius gewendet - , faßte er wieder ein wenig M u t , zog seine Truppen zusammen und bewegte sich in den Schutz eines ansteigenden Geländes in der Erwartung, daß sein Sohn alsbald von der Verfolgung zurückkommen würde. Von den Boten, die Publius an ihn geschickt hatte, als er in Gefahr kam, waren die ersten in die Hände der Barbaren gefallen und getötet worden; die späteren entrannen ihnen mit N o t und meldeten,

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Publius sei verloren, wenn ihm nicht schnelle und starke Hilfe von ihm gesandt würde. Den Crassus bestürmten jetzt viele Ängste auf einmal. Er sah nichts mehr von dem, was war, mit ruhiger Überlegung, sondern von der Furcht ums Ganze und von der Besorgnis um den Sohn hin und her gerissen - sollte er ihm Hilfe bringen, sollte er nicht? - , entschloß er sich endlich, mit der ganzen Armee vorzurücken. Indessen stürmten die Feinde an mit noch furchtbarerem Geschrei und Siegesgeheul, und viele Pauken umdröhnten wieder die Römer, die sich jetzt auf den Beginn einer neuen Schlacht gefaßt machen mußten. Nun kamen auch diejenigen, die den Kopf des Publius, auf eine Lanze gespießt, trugen, nahe herangeritten, zeigten ihn und fragten höhnend nach seinen Eltern und seiner Abkunft; denn es sei doch wohl nicht wahrscheinlich, daß von einem so unmännlichen und erbärmlichen Vater wie Crassus ein so edler, tapferer und herrlicher Sohn stamme. Dieser Anblick brach mehr als alle die anderen Leiden die Herzen der Römer und machte sie schwach, und nicht zorniger Mut zur Abwehr, wie es das Natürliche gewesen wäre, sondern Grauen und Entsetzen bemächtigte sich ihrer. Doch soll sich Crassus selbst in diesem Unglück so tapfer wie nur je benommen haben. Er ging durch die Reihen und rief: «Dieses Unglück, ihr Römer, ist meine persönliche Sache. Der hohe Ruhm und das Schicksal Roms ruht ungebrochen und unbesieglich in euch, wenn ihr erhalten bleibt. Wenn ihr ein wenig Mitleid habt mit mir, dem der Sohn, der beste von allen, entrissen worden ist, so beweist es in eurem Grimm gegen die Feinde. Macht ihnen ihre Freude zunichte, straft sie für ihre Grausamkeit, laßt euch nicht erschüttern durch das Geschehene, bedenkt, daß, wer nach Großem strebt, auch etwas erdulden muß. Weder hat Lucullus den Tigranes ohne Blutvergießen niedergerungen noch Scipio den Antiochos, tausend Schiffe haben unsere Vorfahren rund um Sizilien ver-

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lorcn und in Italien viele Feldherren und Truppcnfiihrer', und keiner von ihnen hat durch seine Niederlage sie gehindert, die Sieger zu bezwingen. Denn nicht durch sein Glück ist Rom zu so hoher Macht emporgediehen, sondern durch die Ausdauer und die Tapferkeit, mit der es der Gefahr entgegenging!» 27. Solche Worte brauchte Crassus, um die Leute zu ermutigen, sah aber nicht viele eifrig darauf hören, und als er sie aufforderte, mit ihm das Feldgeschrei zu erheben, erkannte er wohl die Niedergeschlagenheit der Soldaten, die nur ein schwaches, vereinzeltes und ungleichmäßiges Geschrei hören ließen, während es von den Barbaren hell und mutvoll herübertönte. Als es nun zum Zusammenstoß kam, sprengten die Diener und Knappen seitwärts herum und schössen ihre Pfeile, während die Panzerreiter in der Front ihre langen Lanzen brauchten und die Römer auf engen Raum zusammendrängten außer denen, die, um dem T o d durch die Pfeile zu entgehen, sich tollkühn den Feinden entgegenwarfen, womit sie ihnen nur wenig Schaden tun konnten, aber einen schnellen T o d fanden durch große, tödliche Wunden, wenn sie den dicken Speerschaft dem Eisen nachstießen, der infolge seiner Wucht oft durch zwei Männer hindurchfuhr. So kämpften sie gegen die Römer, zogen sich aber bei Anbruch der Nacht zurück mit dem R u f , sie schenkten dem Crassus noch eine Nacht, um seinen Sohn zu beweinen, falls er sich nicht eines Besseren besonne und es vorzöge, zu Arsakes zu gehen, statt zu ihm gebracht zu werden. Die Parther bezogen nun in der Nähe ihr Lager und waren voll großer Hoffnungen. Die Römer aber nahm eine furchtbare Nacht in Empfang. Sie bekümmerten sich nicht um die Bestattung der Gefallenen noch um die Pflege der Verwundeten und mit dem Tode Ringenden, sondern jeder klagte nur um sein eigenes Los. Denn das Verderben schien ihnen

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unentrinnbar, sowohl wenn sie dort den T a g abwarteten, als wenn sie sich nachts in eine unabsehbare Ebene wagten. Dazu bereiteten ihnen die Verwundeten eine schwere Verlegenheit, sowohl sie mitzunehmen, da sie eine schnelle Flucht unmöglich machen würden, als auch sie dazulassen, da sie durch ihr Geschrei den Abzug verraten würden. Und obwohl sie den Crassus für den Schuldigen an allem ansahen, so verlangten sie doch danach, ihn zu sehen und seine Stimme zu hören. Aber der lag allein für sich, in seinen Mantel gehüllt, im Dunkeln, für die große Masse ein Beispiel der Launenhaftigkeit des Schicksals, für die tiefer Denkenden der Unbesonnenheit und der Ehrsucht, von der getrieben er sich nicht damit begnügte, unter so vielen Tausenden von Menschen der erste und größte zu sein, sondern, weil er nur zwei Männern nachgesetzt wurde, alles entbehren zu müssen glaubte. Jetzt suchten ihn der Legat Octavius 1 und Cassius aufzurichten und ihm Mut zu machen. Da er aber vollkommen verzweifelt war, so beriefen sie auf eigene Hand die Zenturionen und die anderen Offiziere, und als sie bei der Beratung zu dem Beschluß kamen, nicht zu bleiben, riefen sie das Heer ohne Trompetensignale und in aller Stille zum Aufbruch. Als aber dann die Marschunfähigen merkten, daß sie im Stich gelassen würden, erfüllte eine furchtbare Unordnung, ein Durcheinander, Wehklagen und Geschrei das ganze Lager. Infolgedessen ergriff Schreck und Bestürzung auch die schon auf dem Marsch Befindlichen, weil sie glaubten, die Feinde seien ihnen auf den Fersen. Bald brachen sie aus der Reihe, bald stellten sie sich wieder ins Glied, nahmen die ihnen nachlaufenden Verwundeten bald auf, bald schoben sie sie ab, und kamen so nur langsam vorwärts. Nur Egnatius gelangte mit dreihundert Reitern um Mitternacht vor Karrhai. Er rief die Wachen auf der Mauer auf lateinisch an, und als sie hörten, hieß er sie dem Kommandanten Coponius 1 melden, es habe eine große

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Schlacht zwischen Crassus und den Parthern stattgefunden. Mehr sagte er nicht, auch nicht, wer er wäre, sondern ritt weiter nach Zeugma und rettete seine Leute, empfing aber Tadel, weil er seinen Feldherrn verlassen hatte. Doch war fiir Crassus die damals dem Coponius zugetragene Nachricht von Nutzen, denn er sagte sich, daß die Eile und die Undeutlichkeit der Nachricht auf einen Mann deute, der nichts Gutes zu melden habe, und ließ seine Soldaten sofort unter die Waffen treten. Sowie er dann erfuhr, daß Crassus im Anmarsch sei, zog er ihm entgegen, nahm das Heer auf und geleitete es in die Stadt. 28. Die Parther hatten zwar nachts den Abzug bemerkt, aber nicht verfolgt. Bei Tagesanbruch fielen sie über die im Lager Zurückgelassenen her, nicht weniger als viertausend, und schlachteten sie ab, durchstreiften auch die Ebene und fingen viele ab, die sich verirrt hatten. Vier geschlossene Kohorten, die unter dem Legaten Vargunteius noch bei Nacht die Verbindung mit dem Gros verloren hatten und vom Wege abgekommen waren, kesselten sie in einem Engpaß ein und vernichteten sie nach tapferer Gegenwehr bis auf zwanzig Mann. Diesen, die sich mit blanken Schwertern durchzuschlagen suchten, machten sie voll Bewunderung Platz und ließen sie ungehindert nach Karrhai abziehen. Dem Surenas war eine falsche Botschaft zugetragen worden, daß Crassus mit den besten Truppen entflohen und daß die in Karrhai Zusammengeströmten nur eine zusammengewürfelte Menge von Leuten ohne Bedeutung seien. Da er nun glaubte, den eigentlichen Preis des Sieges eingebüßt zu haben, aber noch zweifelte und die Wahrheit erfahren wollte, um entweder dort zu bleiben und Crassus zu belagern oder die Karrhener sich selbst zu überlassen und ihn zu verfolgen, so schickte er einen seiner Dolmetscher an die Mauern mit dem Auftrag, in lateinischer Sprache Crassus selbst oder Cassius zu

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N I K I AS UND C R A S S U S

rufen, weil Surenas mit ihnen verhandeln wolle. N a c h d e m diese Aufforderung des Dolmetschers Crassus

überbracht

worden war, nahm er den Vorschlag an, und nach kurzer Z e i t erschienen von Seiten der Barbaren Araber, die Crassus und Cassius g u t von Angesicht kannten, weil sie vor der Schlacht im Lager gewesen waren. Als diese den Cassius auf der M a u e r sahen, sagten sie, Surenas sei bereit, einen Waffenstillstand zu schließen und ihnen als Freunden des Königs Sicherheit z u gewähren, wenn sie Mesopotamien räumten. Ihm erscheine dies für beide Teile vorteilhaft, bevor es zum Äußersten käme. Cassius nahm das an und verlangte, es sollte O r t und Z e i t für eine Z u s a m m e n k u n f t des Crassus mit Surenas b e s t i m m t werden. Sie sagten, sie würden das tun, und ritten davon. 29. Surenas freute sich nun, daß er die Männer in der Falle hatte, und führte am nächsten T a g e die Parther heran, die unter Hohn und Spott die Römer aufforderten, w e n n sie einen Vertrag wollten, ihnen Crassus und Cassius in Fesseln auszuliefern. Die ärgerten sich über den B e t r u g ,

sagten

Crassus, er sollte die ausschweifenden, leeren Hoffnungen auf die Armenier fahren lassen, und dachten auf R ü c k z u g . Das sollte keiner der Karrhener vor der Z e i t erfahren. Es erfuhr es aber gerade der treuloseste von allen, Andromachos", dem Crassus dies sowohl w i e die F ü h r u n g des Rückmarsches anvertraute. So blieb den Parthern nichts verborgen, da Andromachos ihnen alles von Fall zu Fall verriet. Da es nun bei ihnen nicht gebräuchlich und darum nicht leicht tunlich ist, bei N a c h t zu kämpfen, Crassus aber bei N a c h t ausrückte, so l e g t e Andromachos es darauf an, daß die Parther sich mit der V e r f o l g u n g nicht z u sehr verspäteten, führte bald diesen, bald jenen W e g , und lenkte am Ende den Marsch in tiefe Sümpfe und ein Gelände voll v o n Gräben, so d a ß das M i t kommen schwierig und mit vielem Hin und Her v e r k n ü p f t w a r . Da gab es einige, die den A r g w o h n hatten, daß Andro-

CRASSUS

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machos mit seinen Krümmungen und Wendungen nichts Gutes im Sinne habe, und ihm daher nicht weiter folgten. So kehrte Cassius wieder nach Karrhai zurück, und als die Führer - es waren Araber - ihm sagten, er sollte warten, bis der Mond den Skorpion passiert habe, erwiderte er: «Aber ich habe mehr Angst vor dem Schützen» 1 und nahm mit fünfhundert Reitern den Weg nach Syrien. Andere, die treue Führer hatten, erreichten ein bergiges Gebiet, das Sinnaka* heißt, und waren so vor Tagesanbruch in Sicherheit; es waren dies etwa fünftausend Mann, und ein tüchtiger Mann, Octavius, führte sie. Crassus jedoch wurde vom Tageslicht überrascht, während er noch von Andromachos durch das unwegsame Gelände und die Sümpfe geführt wurde. Mit ihm zogen vier Kohorten schweres Fußvolk, ganz wenige Reiter und fünf Liktoren, mit denen er nun, mit Not und Mühe auf den rechten Weg gekommen, als schon die Feinde herandrängten, und nur noch etwa zwölf Stadien von der Vereinigung mit der Truppe des Octavius entfernt, auf einen andern Hügel flüchtete, der zwar nicht so fest und für Reiter unangreifbar war, aber schon im Bereich der Sinnakaberge lag und durch eine lange, sich mitten durch die Ebene hinziehende Hügelkette mit ihnen in Verbindung stand. So lag seine Gefährdung dem Octavius schon vor Augen, und zuerst eilte dieser selbst mit wenigen ihm von oben her zu Hilfe, und dann setzten sich auch die anderen, indem sie sich selber schalten, in Bewegung, fielen über die Feinde her, drängten sie von dem Hügel herunter, nahmen den Crassus in ihre Mitte, deckten ihn mit ihren Schilden und sprachen das stolze Wort, kein Parthergeschoß solle den Leib des Feldherrn treffen, ehe sie alle im Kampfe für ihn gefallen wären. 30. Da nun Surenas sah, daß seine Parther nicht mehr rechte Lust hatten, sich in Gefahren zu stürzen, und daß,

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NIKIAS UND CRASSUS

wenn die Nacht anbräche und die Römer die Berge erreichten, sie überhaupt für ihn nicht mehr zu fassen sein wurden, so legte er dem Crassus abermals einen Fallstrick. Es -wurden einige Gefangene freigelassen, die im Lager zugehört hatten, wie die Barbaren absichtlich miteinander davon redeten, der König wolle keinen unversöhnlichen Krieg mit den Römern, sondern lieber wieder in ein freundliches Verhältnis mit ihnen kommen, indem er Crassus glimpflich behandelte. Die Barbaren stellten also den Kampf ein, und Surenas kam in Begleitung seiner vornehmsten Offiziere langsam an den Hügel herangeritten, spannte die Sehne seines Bogens ab, streckte die rechte Hand aus und lud Crassus zu einem Vergleich, indem er dazu sagte, die Tapferkeit und Macht des Königs habe Crassus nun wider dessen Willen erprobt, jetzt wolle er ihnen aus freiem Willen seine Huld und Güte beweisen, indem er mit ihnen, wenn sie abzögen, einen Waffenstillstand schließe und Sicherheit gewährleiste. Als Surenas das sagte, nahmen die anderen es bereitwillig auf und waren hocherfreut, Crassus aber, der von ihnen immer nur getäuscht und betrogen worden war und dem der plötzliche Umschlag unbegründet schien, wollte nicht hören, sondern überlegte erst. Als aber die Soldaten erst schrien und forderten, dann ihn beschimpften und schlecht machten, er jage sie in den Kampf mit Leuten, mit denen er selber, da sie unbewaffnet seien, sich nicht zu reden getraue, da versuchte er es zuerst mit Bitten und Vorstellungen; wenn sie nur den Rest des Tages noch aushielten, könnten sie bei Nacht den Marsch durch das rauhe Bergland fortsetzen; er zeigte ihnen den Weg und mahnte sie, die Hoffnung auf die Rettung, die nun so nahe sei, nicht fahren zu lassen. Als sie aber immer noch böser wurden, die Waffen zusammenschlugen und ihn bedrohten, da geriet er in Furcht und ging, wandte sich aber noch einmal um und sagte nur so viel: «Octavius und Petronius und ihr anderen römi-

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sehen Offiziere, die ihr hier seid, ihr seht, wie ich zu diesem Weg gezwungen werde; ihr seid hier und seid Zeugen, daß ich schimpflichen Zwang erleide. Sagt aber allen anderen Menschen, wenn ihr am Leben bleibt, daß Crassus von den Feinden betrogen zugrunde gegangen ist, nicht von seinen Mitbürgern ausgeliefert.» 3 1 . Octavius und die anderen blieben jedoch nicht zurück, sondern stiegen mit den Hügel hinab; die Liktoren, die ihm folgen wollten, schickte Crassus zurück. Von der Seite der Barbaren kamen ihm zuerst zwei Halbgriechen entgegen. Sie sprangen von den Pferden, begrüßten Crassus mit einem Fußfall, redeten ihn in griechischer Sprache an und forderten ihn auf, einige Leute voranzuschicken, denen Surenas zeigen werde, daß er und seine Begleiter ohne Waffen und ohne Eisen kämen. Crassus erwiderte, wenn er auch nur den geringsten Wert auf sein Leben legte, würde er sich nicht in ihre Hände begeben haben. Trotzdem schickte er zwei Brüder Roscius', um zu hören, unter welchen Bedingungen und in welcher Zahl sie zusammenkommen wollten. Diese ließ Surenas sofort verhaften und festhalten, kam selbst mit seinen vornehmsten Offizieren herangeritten und rief: «Was soll das heißen ? Z u Fuß erscheint der Feldherr der Römer, und wir sind zu Pferde?» Und er befahl, ein Roß für ihn heranzuführen. Da Crassus erwiderte, weder er selbst begehe einen Fehler noch sein Partner, wenn sie ihre Zusammenkunft in der Form hielten, wie es bei jedem von ihnen gebräuchlich sei, sagte Surenas, es bestehe schon jetzt Waffenstillstand und Friede zwischen dem König Orodes und den Römern, sie müßten aber zum Fluß 1 kommen und den Vertrag in schriftlicher Form abschließen. «Denn ihr Römer», sagte er, «habt kein sehr gutes Gedächtnis für Abmachungen.» Und er reichte ihm seine Rechte. Als jetzt Crassus sein Pferd holen lassen wollte, sagte er, das sei nicht nötig; «denn der König

288

N I K I AS U N D C R A S S U S

schenkt dir dieses.» Zugleich wurde dem Crassus ein Pferd mit goldenem Zaumzeug vorgeführt, und die Reitknechte hoben ihn und setzten ihn darauf, liefen nebenher und trieben das Pferd mit Schlägen zur Eile an. Octavius war nun der erste, der ihm in die Zügel fiel, nach ihm Petronius, einer der Kriegstribunen, und dann eilten auch die übrigen rings herzu, um das Pferd zurückzutreiben und die Männer, die den Crassus von beiden Seiten festhielten, wegzureißen. Es gab ein Gedränge und ein Getümmel, dann Schläge, Octavius zog sein Schwert und tötete den Stallknecht eines der Barbaren, ein anderer den Octavius durch einen Schlag von hinten. Petronius hatte keinen Schild bei sich und erhielt Schläge gegen den Panzer, entsprang aber unversehrt. Den Crassus tötete der Parther Maxathres. Andere verneinen das und sagen, ein anderer sei es gewesen, der ihn getötet habe, und dieser habe ihm, als er schon dalag, den Kopf und die rechte Hand abgeschlagen. Doch ist das alles mehr Vermutung als sicheres Wissen, denn von den Anwesenden wurden die einen dort im Kampf um Crassus getötet, und die anderen liefen sogleich zu dem Hügel zurück. Als darauf die Parther herbeikamen und sagten, Crassus habe seine Strafe erhalten, und den anderen befehle Surenas, getrost herunterzukommen, da taten das die einen und ergaben sich, die anderen liefen in der Nacht auseinander, und von diesen kamen nur ganz wenige durch; auf die anderen machten die Araber Jagd, fingen und töteten sie. Insgesamt sollen zwanzigtausend zu Tode gekommen und zehntausend lebend gefangen worden sein. 32. Surenas schickte den Kopf und die Hand des Crassus zu Orodes nach Armenien. Er selbst ließ durch Boten in Seleukeia die Nachricht verbreiten, er bringe den Crassus lebendig, und veranstaltete einen spaßhaften Aufzug, den er zum Hohn Triumph nannte. Derjenige der Gefangenen, der Crassus am ähnlichsten sah, Gajus Paccianus, bekam das Gewand einer

CRASSUS

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Königin angezogen, wurde angewiesen, auf den Namen Crassus und Imperator zu hören, wenn man ihn so rief, und wurde zu Pferde einhergeführt. Vor ihm zogen Trompeter und einige Liktoren, die auf Kamelen ritten. An den Rutenbündeln hingen Geldbeutel und an den Beilen frisch abgehauene Römerköpfe. Hinterher gingen Dirnen aus Seleukeia und Chansonnetten, die viele zotige Spottlieder auf das weibische und unmännliche Wesen des Crassus sangen. Dies war zur Schau für alle. In den Ältestenrat der Seleukeer aber, den er einberief, brachte Surenas unzüchtige Schriften des Aristeides, die Milesischen Geschichten 1 , und das war auch keine Täuschung, denn sie waren im Gepäck des Rustius gefunden worden und gaben nun dem Surenas Gelegenheit zu vielen Schimpf- und Spottreden auf die Römer, daß sie nicht einmal im Kriege sich von solchen Sachen und Schriften freimachen könnten. Die Seleukeer aber dachten sich, Aisopos sei doch ein weiser Mann, als sie sahen, wie Surenas den Ranzen mit den milesischen Schmutzereien vor sich her trug, hinter sich aber den parthischen Sündenpfuhl herzog 2 in Gestalt so vieler Wagen voll Beischläferinnen, ein Gegenbild zu den Schlangen und Vipern, von denen man erzählt: die vorderen, in die Augen fallenden Teile des Zuges zeigten sich furchtbar und starrend von Lanzen, Bogen und Rossen, hinten aber endete er in Tänzen, Schellengeklingel, Lautenschlagen und ausgelassenen nächtlichen Festen mit Weibern. Denn gewiß verdiente Rustius Tadel, schamlos aber waren die Parther, wenn sie sich über die Milesischen Geschichten aufhielten, sie, die von so vielen Königen beherrscht worden sind, die von milesischen und ionischen Hetären geboren und dann zu «Arsakiden» geworden waren. 33. Während dies geschah, hatte Orodes schon mit dem Armenier Artabazes Frieden geschlossen und dessen Schwester mit seinem Sohne Pakoros verlobt, sie gaben einander ab-

290

NIKIAS UND CRASSUS

wechselnd Gastereien und T r i n k g e l a g e , und es g a b dabei auch

künstlerische

Darbietungen

griechischer

Herkunft.

Denn Orodes w a r der griechischen Sprache und L i t e r a t u r nicht u n k u n d i g , und Artabazes dichtete sogar T r a g ö d i e n und schrieb R e d e n und Geschichtswerke, von denen einige noch erhalten sind. Als da der K o p f des Crassus an die T ü r e n gebracht w u r d e , waren die T i s c h e gerade a b g e t r a g e n , und ein tragischer Schauspieler, Iason von Tralleis" mit N a m e n , sang aus den Bakchen des E u r i p i d e s ' die Szene der A g a u e . W ä h rend er mit Beifall überschüttet w u r d e , trat Silakes in die T ü r des Saales, erwies den Fr.ßfall und warf den K o p f des Crassus mitten hinein. Während die Parther unter lautem F r e u d e n geschrei Beifall klatschten, wiesen die Diener auf Befehl des K ö n i g s dem Silakes einen Platz an, Iason aber ü b e r g a b die M a s k e des Pentheus einem der Chormitglieder, packte den K o p f des Crassus und sang in höchster bakchischer Begeister u n g die V e r s e : « W i r bringen v o m Berge Ein frischgeschlachtetes R i n d ins H a u s , Herrliche J a g d b e u t e ! » Das erregte allgemeine Freude. Als aber der folgende Wechselgesang mit dem C h o r angestimmt w u r d e : « W e r hat ihn erschlagen?» « Mein ist die E h r e ! » d a sprang M a x a t h r e s auf - er w a r gerade anwesend - und faßte seinerseits nach dem K o p f , um zu zeigen, daß es ihm vielm e h r z u k o m m e , das zu sagen, nicht jenem. Voll F r e u d e g a b i h m nun der K ö n i g die landesüblichen G e s c h e n k e , und Iason b e k a m ein T a l e n t . - M i t einem solchen Finale schloß die T r a g ö d i e des Feldzuges des Crassus. D o c h eine gerechte Strafe ereilte sowohl den Orodes f ü r seine G r a u s a m k e i t w i e den Surenas f ü r seinen Verrat. Den

VERGLEICHUNG

29I

Surenas tötete nach nicht langer Zeit Orodes aus Neid auf seinen Ruhm, und Orodes verlor erst den Pakoros, der von den Römern in einer Schlacht geschlagen wurde, verfiel dann in eine Krankheit, die sich in Wassersucht wandelte, und sein Sohn Phraates, der ihm nach dem Leben trachtete, gab ihm Schierling ein 1 . Da aber die Krankheit das Gift in sich zog, so daß es mit ausgeschieden und der Körper erleichtert wurde, so beschritt Phraates den kürzesten Weg und erdrosselte den Vater. 3 4 ( 1 ) . Kommen wir zum Vergleich, so ist zunächst der Reichtum des Nikias, verglichen mit dem des Crassus, auf minder tadelnswerte Weise erworben worden. Denn man wird zwar sonst den Betrieb in den Bergwerken nicht gerade gutheißen, wo die meiste Arbeit von Verbrechern und barbarischen Sklaven geleistet wird, die gefesselt sind und an gefährlichen und ungesunden Orten zugrunde gehen. Verglichen aber mit dem Ankauf der von Sulla konfiszierten Güter und der Bereicherung aus den Bränden erscheint das Verfahren immer noch anständiger. Denn dieser Methoden bediente sich Crassus ganz offen wie des Landbaus und des Geldverleihgeschäftes. Was man ihm sonst noch vorwarf (und er ableugnete), daß er für Geld im Senat redete, die Bundesgenossen ausplünderte, Frauen umschmeichelte und Übeltätern aus der Patsche half, das wurde selbst von Verleumdern dem Nikias niemals nachgesagt. Wenn er übrigens verspottet wurde, daß er aus Angst sein Geld an Sykophanten wegwarf, so tat er etwas, das sich vielleicht für einen Perikles oder Aristeides nicht schickte, für ihn aber eine Notwendigkeit war, weil ihn die Natur nicht mit allzuviel Mut ausgestattet hatte. Dazu hat sich später auch der Redner Lykurgos 1 ganz offen dem Volke gegenüber bekannt, als man ihm den Vorwurf machte, daß er einige Sykophanten mit Geld mundtot gemacht habe. «Ich freue

292

NIKIAS UND CRASSUS

m i c h » , sagte er, « d a ß man mir nach einer so langen politischen T ä t i g k e i t bei e u c h früher nachgewiesen hat, daß ich gegeben, als daß ich genommen habe.» Bei seinen A u f w e n d u n g e n war Nikias der vernünftigere, w e n n er seine Ehre darin suchte, Weihgeschenke zu stiften, die Aufsicht über den Sport zu führen und Chöre auszustatten; von dem, was Crassus aufwendete, um so viele T a u s e n d e von Menschen auf einmal zu bewirten und ihnen noch weiter Unterhalt zu gewähren, war das V e r m ö g e n des Nikias samt seinen A u f w e n d u n g e n ein winziger Bruchteil. M a n muß sich daher wundern, wenn es noch jemandem e n t g e h t , daß die Lasterhaftigkeit eine A r t U n s t i m m i g k e i t und

Unausgegli-

chenheit des Charakters ist, wenn er doch sieht, wie diejenigen, die auf schimpfliche Weise Vermögen erwerben, es dann auf unnütze Weise vergeuden. 3 j (2). So viel über den R e i c h t u m . Was ihre politische Bet ä t i g u n g angeht, so ist in der des Nikias nichts von Hinterlist, Ungerechtigkeit, G e w a l t t ä t i g k e i t und Frechheit z u entdecken ; vielmehr w u r d e er von Alkibiades betrogen und trat immer nur mit Scheu v o r das Volk. D e m Crassus hingegen w a r f man bei seinen Wandlungen in b e z u g auf Freundschaft und Feindschaft viel T r e u l o s i g k e i t und Unanständigkeit v o r , und er leugnete selbst nicht, daß er bei der B e w e r b u n g um das Konsulat G e w a l t gebraucht hatte, indem er Leute dang, die gegen C a t o und Domitius handgreiflich vorgingen. Bei der A b s t i m m u n g über die Provinzen wurden viele Bürger verw u n d e t , vier g e t ö t e t , und er selber - was ich bei der Erzähl u n g zu erwähnen v e r g a ß - schlug den Lucius Annius, einen Senator, der gegen ihn sprach, mit der Faust ins Gesicht und j a g t e ihn blutüberströmt fort. Wie hierin Crassus gewaltt ä t i g und tyrannisch w a r , so ist andererseits die Z a g h a f t i g k e i t des Nikias im politischen Leben, sein M a n g e l an M u t und seine Nachgiebigkeit den nichtswürdigsten Menschen gegen-

VERGLEICHUNG über in den

wichtigsten

Dingen

tadelnswert.

293 Hingegen

zeigte Crassus hier wenigstens große G e s i n n u n g und hohen M u t , w o er den K a m p f wahrhaftig nicht gegen Leute v o m Schlage Kleons und Hyperbolos' zu führen hatte, sondern v o r dem Ruhmesglanz Caesars und den drei T r i u m p h e n des Pompejus nicht zurückwich, sondern ihnen beiden seinen Einfluß entgegenstellte und durch die W ü r d e des Censoramtes selbst über Pompejus emporstieg. Wenn es um die größten D i n g e geht, dann muß der Staatsmann nicht die V e r m e i d u n g des Neides ins A u g e fassen, sondern den R u h m , und durch die Größe seines Ansehens den N e i d ersticken. W e n n d u aber unter allen Umständen nach Sicherheit und R u h e strebst u n d vor Alkibiades auf der Rednerbühne, in Pylos vor den Lakedaimoniern, vor Perdikkas 1 in Thrakien A n g s t hast, nun, so bietet die Stadt reichlich R a u m zur M u ß e , w o du, dem G e w ü h l entronnen, sitzen und dir den K r a n z der Seelenruhe flechten

magst, w i e manche weisen Leute sagen. Denn die

Liebe zum Frieden ist wahrhaft göttlich, u n d die Beendigung des Krieges war eine echt hellenische T a t . U m dieser T a t willen verdient Crassus es nicht, dem Nikias zur Seite gesetzt zu werden, und wenn er selbst stürmend das Kaspische M e e r und den Indischen Ozean zur Grenze des Römischen Reiches gemacht hätte. 36 (3). W e r jedoch in einem Staat lebt, der Sinn hat für echte T ü c h t i g k e i t , und der Mächtigere ist, der darf den Schlechten keinen R a u m geben, kein A m t den dafür U n g e eigneten und kein Vertrauen denen schenken, die es nicht verdienen, wie das Nikias tat, als er den Kleon, der weiter nichts war im Staate als die Unverschämtheit und das G e brüll auf der Rednerbühne, selbst ins Feldherrnamt einsetzte. Ich will ja zwar den Crassus nicht loben, daß er im Spartacuskrieg mehr auf die Schnelligkeit als auf die Sicherheit bedacht den Entscheidungskampf w a g t e ( o b w o h l die F u r c h t ,

294

N I K I AS U N D C R A S S U S

Pompejus möchte kommen und ihm den Sieg entreißen, wie Mummius dem Metellus Korinth entriß 1 , von Ehrbegier zeugt); aber das Verfahren des Nikias war ganz unsinnig und verwerflich. Denn er trat dem Feinde nicht eine Ehre und ein Amt ab, das gute Aussichten und Gemächlichkeit bot, sondern da er große Gefahren von der Leitung des Feldzuges befürchtete, zog er es vor, sich in Sicherheit zu bringen und das Gemeinwohl preiszugeben. Anders Themistokles, der im Perserkrieg, damit nicht ein untüchtiger und unverständiger Mensch als Feldherr den Staat ins Verderben stürzte,_ ihn durch Geld bewog, auf das Amt zu verzichten', und Cato bewarb sich um des Staates willen um das Volkstribunat, gerade als er sah, daß es Schwierigkeiten und Gefahren mit sich brachte 3 . Der Mann hingegen, der sich als Feldherrn gegen Minoa, Kythera und die unglückseligen Melier 4 aufspart und, wenn es sich darum handelt, gegen die Lakedaimonier zu kämpfen, den Feldherrnmantel auszieht und der Unerfahrenheit und Tollheit eines Kleon Schiffe, Waffen, Männer und ein Kommando überläßt, das ein Höchstmaß von Erfahrung verlangt, der gibt nicht seinen Ruhm preis, sondern die Sicherheit und das Heil des Vaterlandes. Daher wurde er später wider seinen Willen und Wunsch gezwungen, gegen die Syrakusier Krieg zu führen, weil man glaubte, daß er nicht in Berechnung des Nutzens, sondern vielmehr aus Bequemlichkeit und Trägheit, soviel an ihm lag, die Stadt um den Gewinn Siziliens bringen wolle. Hinwiederum ist es ein Beweis großer Rechtlichkeit, daß die Athener ihn, obwohl er den Krieg stets verabscheute und das Feldherrnamt ablehnte, nicht aufhörten zu wählen als den erfahrensten und tüchtigsten Mann. Dem Crassus hingegen, der immerfort nach einem Kommando strebte, gelang es nicht, eines zu bekommen, außer fiir den Sklavenkrieg, und dies notgedrungen, weil Pompejus, Metellus und die beiden

VERGLEICHUNG

295

Lucullus außer Landes w a r e n ' ; dabei stand er damals auf der Höhe seines Ansehens und seines Einflusses. Aber, wie es scheint, galt er auch seinen Anhängern nach dem Wort des komischen Dichters als « Der beste Mann in allem sonst, nur nicht im Feld*.» Das brachte denn auch den Römern keinen Nutzen, die durch seine Herrsch- und Ehrbegierde in den Krieg gezwungen wurden. Denn die Athener sandten Nikias wider seinen Willen in den Krieg, und die Römer führte Crassus wider ihren Willen ins Feld. Durch dieses Mannes Schuld geriet seine Stadt, jener Mann durch die Schuld seiner Stadt ins Unglück. 37 (4). Übrigens ist hierin Nikias mehr zu loben als Crassus zu tadeln. Denn Nikias ließ sich, fußend auf der Erfahrung und Überlegung eines einsichtigen Feldherrn, nicht durch die Hoffnungen seiner Mitbürger betören, sondern war besorgt und glaubte nicht an die Eroberung Siziliens, und der andere zog in den Partherkrieg, als wäre es das leichteste Unternehmen von der Welt, und beging damit einen schweren Fehler, hatte sich aber doch ein großes Ziel gcsteckt, nämlich, während Caesar den Westen, die Kelten, Germanen und Britannien unterwarf, selbst gegen Osten und zum Indischen Meer vorzudringen und das verbleibende Asien zu den Ländern hinzuzuerobern, die Pompejus betreten und in denen Lucullus haltgemacht hatte, Männer von edler Gesinnung, die stets rechtschaffen geblieben sind, aber sich ähnliche Ziele wie Crassus gesteckt und dieselben Aufgaben gestellt hatten. Dabei war auch dem Pompejus, als ihm das Kommando gegeben werden sollte, der Senat zuwider gewesen 1 , und als Caesar dreihunderttausend Germanen geschlagen hatte, beantragte Cato, ihn den Besiegten auszuliefern und den Fluch des Vertragsbruches auf ihn abzuwälzen 4 . Aber das Volk kümmerte sich nicht um Cato, sondern feierte ein Siegesfest fünfzehn T a g e

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NIKIAS UND CRASSUS

lang und war hocherfreut. Wie wären erst seine Gefühle gewesen und wie viele Tage hätte es gefeiert, wenn Crassus als Sieger aus Babylon geschrieben und dann in weiterem Vordringen Medien, Persien, Hyrkanien, Susa und Baktra zu römischen Provinzen gemacht hätte! «Muß man schon Unrecht tun», mit Euripides zu reden 1 , kann man nicht Ruhe halten und weiß man sein gegenwärtiges Glück nicht zu genießen, dann muß man nicht Nester wie Skandeia oder Mende 1 zerstören und die Aigineten, die flüchtig ihr eigenes Land verlassen und sich in einem andern Lande geborgen haben, wie Vögel wieder aufscheuchen, sondern man muß das Unrechttun hoch veranschlagen, das Recht nicht leichthin und für das erste beste Angebot wie eine minderwertige, unbedeutende Sache preisgeben. Wer das Unternehmen des Alexanderzuges lobt und das des Crassus tadelt, der beurteilt zu Unrecht den Anfang nach dem Ende. 38 (5). Fragt man nach den Leistungen beider als Feldherren, so hat Nikias nicht wenige Erfolge aufzuweisen. Er besiegte die Feinde in vielen Schlachten, war nahe daran, Syrakus zu erobern, und sein Mißerfolg war nicht durchaus sein Verschulden, sondern man muß auch seiner Krankheit und der Mißgunst der Bürger zu Hause einen Teil der Schuld geben. Crassus aber gab durch die Menge seiner Fehlgriffe dem Glück nicht einmal Gelegenheit, sich ihm hold zu erweisen, so daß man sich nicht wundern darf, nicht daß seine Torheit der Macht der Parther unterlag, sondern daß sie stärker war als das Glück der Römer. Wenn sodann auf dem Gebiet der Wahrsagung der eine nichts unbeachtet ließ, der andere alles übersah und beide gleichermaßen zugrunde gingen, so ist hier schwer zu entscheiden, welches der sicherste Weg ist. Verzeihlicher aber ist es, ihn getreu altem Glauben und Brauch aus Behutsamkeit zu verfehlen als aus trotziger Verachtung des Brauches. Was schließlich beider Ende angeht,

VERGLEICHUNG

297

so ist: Crassus minder tadelnswert, der sich nicht ergab noch binden noch betören ließ, sondern den Bitten der Freunde nachgab und dem Vertragsbruch durch die Feinde zum Opfer fiel, während Nikias in der Hoffnung auf eine schimpfliche und ruhmilose Rettung den Feinden zu Füßen fiel und so seinen Tod noch schimpflicher machte.

GAIUS MARCIUS UND

ALKIBIADES

GAIUS M A R C I U S i. Aus dem römischen Patriziergeschlecht der Marcier sind viele berühmte Männer hervorgegangen. Zu ihnen gehörte Numas Enkel Ancus Marcius, der nach Tullus Hostilius König wurde. Den Mardern Publius und Quintus verdankte Rom die Wasserleitung, welche am reichlichsten floß und das beste Wasser führte'. Ein Marcier war auch Censorinus gewesen. Zweimal hatte ihn das römische Volk zum Censor gewählt, dann aber auf seinen Antrag das Gesetz erlassen, daß sich niemand ein zweites Mal um dieses Amt bewerben dürfe 1 . Gaius Marcius, dessen Leben ich hier darstelle, wurde nach seines Vaters frühem Tod von der Mutter erzogen. Er bekräftigte die Erfahrung, daß ein Waisenkind wohl viel Schweres zu tragen hat, dennoch aber zu einem wackeren Mann heranwachsen und sich über die Menge erheben kann. Denn haltlos sind die Anschuldigungen und Vorwürfe der Untüchtigen, daß die Waisenkinder zugrunde gehen müßten, weil niemand sich ihrer annehme. Der gleiche Mann bestätigte aber auch die Ansicht, daß ohne die Hand des Erziehers aus dem Grund einer großgearteten, edlen Naturanlage neben guter Frucht viel Unkraut emporschießt, wie aus fettem Ackerboden, welcher nicht richtig bearbeitet wird. Seine durchdringende, allesumfassende Geisteskraft befeuerte ihn, große Entschlüsse zu fassen und in die Tat umzusetzen. Da er aber sein leidenschaftliches Temperament ebensowenig beherrschte wie seinen starrsinnigen Ehrgeiz, fiel es ihm schwer, mit den Menschen auszukommen. Wohl erregte es Bewunderung, daß ihn Vergnügungen, Strapazen, Reichtümer gleichgültig ließen, staunend sprach man von seiner Enthaltsam-

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GAIUS M A R C I U S UND ALKIBIADES

keit, Gerechtigkeit und Tapferkeit - um sich bei den Staatsgeschäften dann doch wieder zu ärgern über sein herrisches Wesen, das aller Geschmeidigkeit und freundlichen Anmut entbehrte. Für die Menschen, denen die Musen ihre Huld zuwenden, liegt der schönste Gewinn doch darin, daß Bildung und geistige Tätigkeit ihre natürlichen Anlagen veredeln: so finden sie, geführt von der Vernunft, den Mittelweg und lernen es, das Übermaß zu meiden. Allerdings stand bei den Römern jenerZeit keineTugend so in Ehren wie kriegerischeTüchtigkeit und soldatisches Können. Dies geht schon daraus hervor, daß sie für «Tugend» und «Mannhaftigkeit» dasselbe Wort verwenden, daß also der Gattungsname «Tugend » zusammenfällt mit der speziellen Bezeichnung für «Mannhaftigkeit*.» 2. Marcius war dem Kriegshandwerk mit einer Leidenschaft wie keiner sonst ergeben: schon als Knabe ließ er die Waffen nicht aus der Hand. Und da er der Meinung war, daß Spieß und Schwert nichts taugten, solange die Waffen, welche die Natur uns mitgegeben, nicht gründlich geübt seien, stählte er seinen Körper für alle Arten des Kampfes. So wurde er der flinke Läufer, der hartzupackende Ringer, den kein Gegner zu werfen vermochte. Wer mit ihm um den Preis mannhafter Tüchtigkeit stritt, pflegte denn auch, wenn er Marcius den Sieg lassen mußte, die Schuld auf dessen unbezwingliche, in keiner Anstrengung versagende Körperkraft zu schieben. 3. Marcius stand noch in frühem Jünglingsalter, als er zu seinem ersten Feldzug ausrückte. Es ging gegen den aus Rom vertriebenen König Tarquinius, welcher damals nach vielen Schlachten und Niederlagen den letzten Wurf im Spiele wagte. Die meisten Latinergemeinden und viele andere italische Völkerschaften hatten sich seinem Zuge, der ihn nach Rom zurückfuhren sollte, angeschlossen. Was sie trieb, war allerdings nicht Liebe zu Tarquinius, sondern neidische Furcht vor Roms wachsender Macht, welche sie auf diese Weise zu brechen hoff-

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ten. Während die Schlacht hin und her wogte, focht Marcius unter den Augen des Diktators 1 mit Mut und Kraft. Da sah er in seiner Nähe einen Römer zusammensinken. Er wollte den Kameraden nicht im Stiche lassen, trat schützend vor ihn hin und wehrte die heranstürmenden Feinde mit tödlichen Streichen ab. Für diese T a t ehrte ihn der Feldherr, als der Sieg endlich erstritten war, als ersten mit dem Kranz aus Eichenlaub. Solchen Kranz verlieh das Gesetz dem Soldaten, welcher im Kampf seinen Schild schützend über einen Mitbürger gehalten hatte. Vielleicht achtete man die Eiche um der Arkader willen 1 so hoch, denn Apollons Orakelspruch hatte diese als «Eichelesser» bezeichnet; vielleicht wählte man sie, weil ein Heer im Felde überall ohne Mühe Eichen finden wird. Der Eichenkranz mochte auch darum als passende Ehrung für die Rettung eines Bürgers erscheinen, weil er dem stadtschirmenden Zeus heilig ist. Die Eiche hat die meisten Früchte unter den wildwachsenden Bäumen, unter den zahmen das härteste Holz. Sie spendete die Eicheln zur Speise, den Honigsaft zum Trank, sie lieferte als Zukost eine Menge von Wild und Vögeln, denn auf den Eichen wächst die Mispel, aus welcher die Jäger den Vogelleim herstellten. Die Sage erzählt, daß in jener Schlacht auch die Dioskurcn erschienen seien. Unmittelbar nach dem Kampf aber habe man sie, auf schweißtriefenden Rossen, auf dem Forum den Sieg verkünden sehen. Dort, neben der Quelle, steht heute der Tempel, den man ihnen errichtet hat 1 . Seither ist auch der T a g dieses Sieges, der fünfzehnte des Monats Juli, den Dioskuren geweiht. 4. Wenn in jungen Leuten das Feuer des Ehrgeizes nur obenhin brennt, wird es, wie die Erfahrung lehrt, von frühem Glanz und vorzeitigem Ruhm erstickt, und allzu schnell ist der Durst nach Ehre gestillt, das Ruhmverlangen gesättigt. Starke Seelen hingegen, zielbewußte Charaktere rüttelt der

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junge Ruhm auf, erweckt sie, wie der Windstoß die Flamme, zu leuchtendem Glanz und treibt sie, ihr Heldentum immer wieder zu bewähren. Denn in den Augen solcher Männer ist Ehre nicht eine Belohnung, die sie verdient, sondern ein Pfand, das sie einzusetzen haben. Scham erfaßt sie beim Gedanken, sie könnten ihrem Ruhm nicht Genüge tun, ihn durch neue Tater. nicht mehr übertreffen. So erging es auch Marcius. Er wetteiferte mit sich selber um den Preis der Tapferkeit, und damit der Glanz seiner Erfolge stets neu erstrahle, reihte er Heldentat an Heldentat, häufte Beute auf Beute. Immer wieder sahen sich die Feldherren genötigt, seinetwegen mit ihren Vorgängern in Wettstreit zu treten, noch größere Ehren und Auszeichnungen für ihn zu ersinnen. So viele Kämpfe und Kriege das römische Volk damals auch auszufechten hatte, aus keinem kehrte er ohne Kranz, ohne Ehrengabe zurück. Die andern Römer sahen im Ruhm das Ziel ihrer Tapferkeit, für Marcius war die Freude der Mutter das Ziel seines Ruhms. Wenn sie sein Lob von Mund zu Mund gehen hörte, wenn sie ihn im Schmuck des Siegerkranzes sah und unter Freudentränen in die Arme schloß, dann glaubte er, höhere Ehre, seligeres Glück nicht mehr erleben zu können. Zu gleicher Gesinnung soll sich auch Epameinondas bekannt haben, pries er es doch als das höchste Glück, daß sein Vater und seine Mutter den Sieg noch erlebt hätten, den er als Feldherr der Thebaner bei Leuktra erfochten 1 . Epameinondas war es freilich vergönnt, daß beide Eltern sich mit ihm freuten und glückliche Tage an seiner Seite verlebten. Marcius dagegen glaubte der Mutter auch jene Liebe schuldig zu sein, welche dem Vater gebührte. So wurde er nicht müde, Volumnia Freude zu machen, Ehre für sie einzulegen. Nur weil sie es wünschte und ihn dringend bat, entschloß er sich zur Heirat; aber auch als er Kinder bekam, teilte er noch mit seiner Mutter das Haus. 5. Durch seine Tapferkeit war Marcius in der Stadt schon zu

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bedeutendem Ruhm und Einfluß gelangt, da kam es zum Bruch zwischen dem Senat, welcher die Interessen der Besitzenden vertrat, und dem von den Gläubigern offenbar schwer gepeinigten Volk. Denn wer noch ein kleines Besitztum sein eigen nannte, wurde durch Pfändung und Versteigerung um das Letzte gebracht, wer völlig mittellos war, wurde abgeführt und in den Kerker geworfen. Und doch war der Leib dieser Männer mit Narben bedeckt, immer wieder waren sie für ihre Heimat ins Feld gezogen, hatten sich weder vor Wunden noch Strapazen gescheut, auch den jüngstvergangenen Kriegszug gegen die Sabiner gutwillig auf sich genommen, da die Reichen Mäßigung versprochen und der Konsul Manius Valerius sich verbürgt hatte für den Senatsbeschluß, welchcr in dieser Sache gefaßt worden war. Allein ihr freudiger Einsatz in der Schlacht, der Sieg über die Feinde brachten keinen Gewinn. Die Gläubiger ließen sich zu keiner Milderung ihrer Ansprüche herbei, der Senat gebärdete sich, als ob er nie ein Zugeständnis gemacht hätte, und ließ es weiterhin geschehen, daß Schuldner in Haft genommen, in den Kerker geschleppt wurden. Da fuhr die Empörung durch die Stadt, gefährlich rottete sich die Menge zusammen. Gleichzeitig brachen die Feinde, wohlunterrichtet über die Gärung im Volk, mit Sengen und Brennen ins Land. Die Konsuln riefen die waffenfähigen Männer zum Kampf, aber nicht einer gehorchte. In dieser Lage prallten die Meinungen im Senat abermals gegeneinander. Die einen hielten dafür, man müsse den Armen entgegenkommen und die übergroße Härte der hergebrachten Forderungen mildern; eine kleine Gruppe, zu der auch Marcius gehörte, eiferte gegen solche Nachgiebigkeit. Marcius hielt nicht die Frage des Geldes für entscheidend, er redete vielmehr den Senatoren zu, den frechcn Übermut des Pöbels, der sich gegen die Gesetze auflehne, schon im Keime zu ersticken. Das sei vernünftige Politik.

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6. Der Senat saß mehrmals innert kurzer Zeit über diese Frage zu Rate, kam jedoch nicht zum Ziel. Da rotteten sich die Armen unversehens zusammen, mahnten sich gegenseitig zur T a t und verließen die Stadt. Auf einem Berg am Anio - er heißt heute «Der heilige Berg» 1 - setzten sie sich fest, aber nicht, um als Aufrührer Untaten zu verüben. Sie machten sich nur in lauten Anklagen Luft: Schon längst seien sie von den Reichen aus der Stadt vertrieben, Luft und Wasser und ein Flecklein Erde, darin begraben zu liegen, habe Italien überall für sie bereit, und mehr hätten sie auch nicht, wenn sie in Rom wohnten, außer dem einen, daß sie im Krieg für die Reichen sich müßten verwunden und töten lassen. Der Senat erschrak und sandte einige ältere Männer zu ihnen, die rechtlich dachten und Verständnis hatten für das Volk. Ihr Sprecher war Menenius Agrippa. Er wandte sich mit dringenden Bitten an die Menge, kargte nicht mit freimütigen Äußerungen über den Senat und erzählte zum Schluß jene Fabel, die allgemein bekannt ist:« Es geschah einmal, daß sich die Glieder des Menschen allesamt gegen den Magen empörten. Er allein, so murrten sie, sitze träg im Leib und trage nichts zum allgemeinen Besten bei, während sie alle beschwerlichen Dienst leisten müßten, um seine Gier zu befriedigen. Da lachte der Magen über ihre Einfalt: Sie wüßten also nicht, daß er zwar sämtliche Nahrung in sich aufnehme, sie aber auch wieder fortleite und an alle verteile? Die glciche Aufgabe», fuhr Agrippa fort, «erfüllt der Senat an euch Bürgern. Was dort zum Wohl des Staates beraten wird, bringt euch allen Vorteil und Nutzen.» 7. So kam die Versöhnung zustande, nachdem der Senat die Forderung erfüllt hatte, daß das Volk fünf Männer - heute heißen sie Volkstribunen - zum Schutz der Hilfsbedürftigen wählen dürfe. Die ersten, welche gewählt wurden, waren die beiden Anführer der Erhebung, Iunius Brutus und Sicinius Bellutus 1 . Nun die Einheit der Stadt wiederhergestellt war, zögerte

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die Menge nicht mehr, unter die Waffen zu treten, und folgte den Konsuln willig in den Krieg. Marcius war verärgert, daß das Volk seinen Einfluß auf Kosten der Aristokraten verstärkt hatte, und es entging ihm nicht, daß viele Patrizier gleich dachten wie er. Dennoch rief er sie auf, im Kampf für das Vaterland nicht hinter den gemeinen Bürgern zurückzustehen, sondern zu beweisen, daß die Überlegenheit des Adels mehr auf dessen Tapferkeit als auf der Macht beruhe. 8. Die bedeutendste Stadt im Lande der Volsker - dieser Völkerschaft galt der Kriegszug der Römer - war Corioli 1 . Sie wurde vom Konsul Cominius eingeschlossen, zum Schrecken der übrigen Volsker, welche von allen Seiten herbeiströmten, um den Römern unter den Mauern der Stadt eine Schlacht und damit einen Abwehrkampf nach zwei Seiten hin aufzuzwingen. Cominius entschloß sich, das Heer zu teilen. Er selber rückte den zum Entsatz heranziehenden Feinden entgegen, während Titus Larcius, einer der tapfersten Römer, die Belagerung fortsetzte. Allein die Verteidiger von Corioli hatten für den zurückgebliebenen Truppenrest nur Verachtung übrig. Sie machten einen Ausfall und vermochten die römischen Posten wirklich zu werfen und bis zu ihren Verschanzungen zurückzudrängen. In diesem Augenblick stürzte Marcius mit ein paar Kameraden aus dem Lager hervor, streckte die nächsten Angreifer zu Boden, brachte die übrigen zum Stehen und rief mit gewaltiger Stimme die Römer zum Kampf. Denn er war ein Soldat, wie Cato ihn fordert, unwiderstehlich und dem Feinde furchtbar nicht allein durch die Faust und den Hieb, sondern auch durch die Stimme und den Bl'ck 2 . Da die Soldaten in Masse zusammenliefen, um sich an seine Seite zu stellen, wichen die Feinde voller Bestürzung zurück. Aber Marcius hatte daran nicht genug, er setzte ihnen nach und jagte die kopflos Fliehenden bis an die Tore der Stadt. Hier wollten seine Leute, wie er wohl bemerkte, von einer weiteren Verfol-

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gung nichts mehr wissen, denn hageldicht sausten die Geschosse von der Mauer herab, und keiner wagte den Gedanken, mit den Fliehenden zusammen in die Stadt einzudringen, die mit stark bewaffneten Kämpfern aufs beste versehen war. Gleichwohl versuchte er, die Römer anzufeuern, ihren M u t zu entflammen. «Nicht für die Fliehenden», schrie er ihnen zu, «hat das Glück die Stadttore aufgetan, vielmehr für uns, die Verfolger!» Aber nur wenige verspürten Lust, bei ihm auszuharren. Mit diesen schlug er sich durch die Feinde hindurch, sprang ins T o r und stürmte zusammen mit den Verfolgten in die Stadt. Im ersten Schrecken fand niemand den M u t , Widerstand zu leisten, ihm den Weg zu versperren. Dann aber wurden die Verteidiger inne, wie klein die Schar der Eindringlinge sei, sie sammelten sich, und schon standen die Römer mitten im Kampf. Freund und Feind verbissen sich in wildem Getümmel, Marcius' Kräfte, seine Schnelligkeit, sein tollkühner M u t wuchsen, wie es heißt, in diesem Ringen ins Übermenschliche, er warf nieder, was ihm vor die Klinge kam, drängte einen Teil der Gegner bis in die fernsten Winkel der Stadt, während die andern allen Widerstand aufgaben und die Waffen aus der Hand warfen. So fand sich Larcius, als er das Heer aus dem Lager heranführte, aller Sorge enthoben. 9. Die Stadt war kaum in römischer Hand, als sich die Eroberer auch schon zum Plündern zerstreuten und Beutestücke wegzuschleppen begannen. Da ging der Zorn mit Marcius durch. Es sei eine Schande, herrschte er sie an, daß sie herumstrolchten und sich den Beutel stopften oder gar Beutegier nur vorschützten, um der Gefahr aus dem Wege zu gehen, während der Konsul mit seinen Leuten vielleicht schon auf den Feind gestoßen, in einen Kampf auf Leben und Tod verwickelt sei. Weil aber fast niemand auf ihn achtete, nahm er die wenigen, welche ihm zu folgen gewillt waren, und zog mit ihnen denselben Weg, den er das Heer zuvor hatte einschlagen

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sehen. Immer wieder trieb er die Männer zur Eile, spornte sie zum Durchhalten an, und oftmals betete er zu den Göttern, sie möchten ihn rechtzeitig ankommen lassen, damit er die Schlacht nicht versäume und Kampf und Gefahr mit seinen Mitbürgern teilen könne. Es war damals bei den Römern Sitte, daß sie im Augenblick, da sie zur Schlacht antraten und den Schild aufnehmen wollten, beim Gürten der Toga mündlich das Testament machten, indem sie vor drei oder vier Zeugen den Namen des Erben nannten. Damit waren die Soldaten im Angesicht des Feindes gerade beschäftigt, als Marcius anlangte. Gar mancher spürte die Angst in sich hochsteigen, als sie ihn mit wenigen Begleitern, von Blut und Schweiß bedeckt, herankommen sahen. Wie er aber auf den Konsul zueilte, ihm freudestrahlend die Rechte entgegenstreckte und die Einnahme der Stadt bekanntgab, wie Cominius ihn umarmte und küßte, da strömte Mut durch aller Herz, ob sie nun die glückliche Kunde genau vernommen oder nur erraten hatten, und mit lautem Zuruf forderten sie den Feldherrn auf, sie gegen den Feind in den Kampf zu führen. Doch zuvor erkundigte sich Marcius nach der Aufstellung des Volskerheeres und fragte Cominius, wo die tapfersten Gegner ständen. Als jener erwiderte, daß er im Zentrum die Antiaten' vermute, streitbare Krieger von verwegenem Mut, sprach Marcius zu ihm: « So bitte ich dich inständig, laß uns diesen Männern gegenüber stehen!» Solche Kampfesfreude nötigte dem Konsul Bewunderung ab und er tat nach seinem Wunsch. Während die Römer ihre Wurfspieße schleuderten, stürmte Marcius mit solchem Ungestüm nach vorn, daß die Volsker im ersten Glied ihn nicht zum Stehen bringen konnten und ihre Phalanx an der Stelle, wo er gegen sie prallte, sogleich auseinanderbrach. Aber schon schwenkten sie von links und rechts gegen ihn ein, schon starrten ihm von allen Seiten ihre

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Waffen entgegen - da schickte ihm der Konsul, der sich um ihn sorgte, seine besten Leute zu Hilfe. Ein wilder Kampf entbrannte um den Helden, im Augenblick war der Boden mit Leichen bedeckt. Die Hartnäckigkeit der Römer behielt schließlich die Oberhand, die Feinde wichen. Bevor die Sieger die Verfolgung aufnahmen, forderten sie Marcius auf, ins Lager zurückzukehren, denn Wunden und Strapazen hatten ihm hart zugesetzt. Er aber rief, daß der siegreiche Soldat an Müdigkeit nicht denken dürfe, und setzte den Fliehenden nach. Das Volskerheer wurde auch auf den andern Frontabschnitten geschlagen und erlitt an T o t e n und Gefangenen schwere Verluste. 10. Am nächsten T a g - Larcius war inzwischen im Lager eingetroffen und das ganze Heer wieder vereinigt - bestieg der Konsul die Rednerbühne, um zunächst den Göttern geziemenden Dank für den herrlichen Doppelsieg abzustatten. Dann wandte er sich Marcius zu und zollte ihm für seine Taten begeistertes Lob; die einen hatte er während der Schlacht ja mit eigenen Augen gesehen, von den andern aus Larcius' M u n d e vernommen. Hernach forderte er ihn auf, aus der reichen Beute an Kostbarkeiten, Waffen, Pferden und Sklaven den zehnten Teil vorwegzunehmen, ehe die allgemeine Verteilung begänne. Darüberhinaus schenkte er ihm als Ehrenpreis ein prächtig aufgezäumtes Pferd. Beifälliger Z u r u f erscholl aus den Reihen der Römer. Aber nun trat Marcius vor und sagte, das Pferd nehme er an, und das Lob des Feldherrn habe er mit Freude gehört. Alles andere jedoch sei in seinen Augen nicht eine Ehrung, sondern bloßer Lohn, darum verzichte er darauf. Er werde sich, wie jeder andere, mit der Beute begnügen, die ihm bei der Verteilung zufalle. «Ich bitt e » , f u h r er zu sprechen fort, «nur um eine besondere Gunst, die ihr mir, wie ich hoffe, nicht versagt. Ein wackerer, rechtschaffener Bürger im Volskerland war mir als Gastfreund lieb

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und wert. Jetzt befindet er sich unter den Gefangenen, der wohlhabende, glückliche Mann ist zum Sklaven geworden. Ich wäre froh, ihm in all dem Ungemach, das er zu tragen hat, wenigstens das eine ersparen zu können, den Verkauf.» Nach diesen Worten brauste Marcius noch lauterer Beifall entgegen, denn daß er der Verlockung des Geldes widerstanden, fand ungleich mehr Bewunderung als seine Tapferkeit im Kampf. Viele hatten eine Regung des Neides und der Eifersucht nicht unterdrücken können, als Marcius in so ungewöhnlichem Maß mit Ehren überschüttet wurde; jetzt mußten sie sich sagen, daß er gerade durch seinen Verzicht des reichsten Geschenkes würdig geworden sei. Was sie an ihm liebten, war weit mehr die Seelengröße, die ihn solche Auszeichnungen ablehnen ließ, als die kriegerischen Tugenden, womit er sie verdient hatte. Denn fiirwahr, es ist schöner, reiche Mittel recht zu gebrauchen, als die Waffen gut zu führen; aber des Reichtums überhaupt nicht zu bedürfen, ist noch größerer Ehre wert, als ihn gut zu gebrauchen. 11. Als der tosende Jubel des Volkes endlich verebbte, nahm Cominius wieder das Wort: «Kameraden, wenn der Mann jene Geschenke aus freiem Willen nicht annehmen mag, dann könnt ihr sie ihm auch mit Gewalt nicht aufdrängen. So wollen wir ihm denn zum Dank eine Gabe darbringen, die er nicht zurückweisen kann. Laßt uns beschließen, daß er von nun anCoriolanus heißen soll, wenn nicht seine Tat ihm diesen Ehrentitel schon vor uns verliehen hat!» Seitdem führte Gaius Marcius seinen dritten Namen: Coriolan. Daraus geht deutlich hervor, daß von seinen Namen der erste, Gaius, der Eigenname war, der zweite, Marcius, der Familien- oder Geschlechtsname. Einen dritten Namen pflegten die Römer erst nachträglich anzufügen, um etwas Besonderes zu bezeichnen, eine Tat, einen Glücks- oder Unglücksfall, ein körperliches Merkmal, eine Tugend. Ähnlich die Griechen. Die Beinamen Soter

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und Kallinikos wurden zu Ehren einer großen Tat geprägt, Physkon und Grypos wegen eines körperlichen Merkmals, Euergetes und Philadelphias wegen einer Tugend des Trägers, Eudaimon wegen seines Glückes. Einige Könige wurden auch mit Spottnamen bedacht, wie etwa Antigonos Doson oder Ptolemaios Lathyros 1 . Die Römer übten diese Sitte noch häufiger. So hießen sie einen Meteller Diadematus, weil er eines Geschwüres wegen lange Zeit eine Binde um die Stirne trug, und als ein anderer Meteller schon wenige Tage nach seines Vaters Ableben Gladiatorenkämpfe zu Ehren des Toten veranstaltete, nannte man ihn Celer aus Bewunderung fiir die überraschend schnelle Vorbereitung der Spiele. Noch heutigentags kommt es vor, daß der Beiname eines Kindes entspresprechend den Umständen bei der Geburt gewählt wird. So heißt Proculus, wer zur Welt kam, als sein Vater fern von Hause war, Postumus, wer nach des Vaters Tod geboren wurde. Wenn von Zwillingsbrüdern der eine stirbt, erhält der Überlebende den Zunamen Vopiscus. Auf körperliche Merkmale deuten nicht nur die Namen Sulla, Niger und Rufus, sondern auch Caecus und Claudius*. Es birgt sich dahinter die schöne Sitte, Blindheit oder sonst ein körperliches Gebrechen nicht als entehrende Schande zu betrachten, sondern als etwas Vertrautes hinzunehmen, indem man es beim Namen nennt. Doch müßten solche Fragen eigentlich in einer andern Gattung von Schriften erörtert werden. 12. Als der Krieg beigelegt war, bliesen die Volksverflihrer die Flamme der Zwietracht wieder an, obwohl sie neue Gründe oder berechtigte Anklagen nicht vorbringen konnten. Aber die Mißstände, welche den früheren Zwistigkeiten und Unruhen notwendig hatten folgen müssen, boten ihnen einen willkommenen Vorwand im Kampf gegen die Patrizier. Der größte Teil des Landes war nämlich nicht angesät worden und lag brach, auch hatte es der Krieg unmöglich gemacht, Ge-

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trcide von auswärts herbeizuschaffen. So herrschte jetzt bitterer Mangel, Korn wurde nicht auf den Markt gebracht, und wäre es doch geschehen, so hätte das Volk kein Geld gehabt, es zu kaufen. Dies alles sahen die Demagogen und ergingen sich in Verleumdungen gegen die Reichen: sie hätten, um sich am Volke zu rächen, die Hungersnot mit Absicht herbeigeführt. Da kam aus Velitrae' eine Gesandtschaft, um die Stadt den Römern zu übergeben und gleichzeitig um die Entsendung von Siedlern zu bitten. Denn eine pestartige Seuche hatte unter ihren Bewohnern so grausam gewütet, daß kaum der zehnte Teil am Leben geblieben war. Die vernünftig denkenden Römer vertraten einhellig die Meinung, das Gesuch aus Velitrae sei eben im richtigen Zeitpunkt gekommen. Denn eine Bevölkerungsentlastung war bei dem Mangel an Lebensmitteln erwünscht, und man hoffte zugleich, den Aufruhr im Volk dämpfen zu können, wenn die unruhigsten, allen Hetzreden zugänglichen Elemente aus dem Staatskörper ausgeschieden würden wie schädliche, bösartige Exkremente. Die Konsuln bestimmten deshalb besonders diese Leute als Siedler, um sie in die neue Koloniestadt abzuschieben. Zugleich boten sie die übrigen Bürger zu einem Feldzug gegen die Volsker auf, damit sie von den inneren Wirren abgelenkt würden. Denn sie glaubten, wenn Reiche und Arme, Patrizier und Plebejer zu gemeinsamem Waffendienst in I^ager und Kampf verbunden seien, dann würden sie sich eher wieder vertragen und zu freundlichem Verkehr zusammenfinden. 13. Allein die Führer des Volkes, Sicinnius und Brutus, traten diesen Anordnungen entgegen. « D i e Konsuln», schrien sie, « bemänteln eine T a t roher Grausamkeit mit dem harmlosen Namen,Koloniegründung'; denn sie stoßen unsere Armen geradezu in den Abgrund, wenn sie sie hinausschicken in eine Stadt voller Pestluft und nicht bestatteter Leichen, damit sie

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dort in der Gewalt eines fremden, Rache sinnende! Gottes hausen. Und nicht zufrieden, einen Teil des Volkes lungers sterben zu lassen, die andern der Pest auszuliefern, rtßen sie auch noch einen Krieg vom Zaun, daß alles Elend üfer Rom zusammenschlage, weil es müde geworden ist, den (.eichen weiterhin Sklavendienste zu leisten.» Mit solchen Rden lagen sie dem Volk in den Ohren, so daß es den Atruf der Konsuln zum Krieg mißachtete und sich auch gegen lie Entsendung von Siedlern nach Velitrae empörte. Während der Senat in ratloser Verlegenheit zauder;, sagte Marcius den Demagogen gradheraus und unverhllt den K a m p f a n . Denn schon war der Stolz in ihm mächtig geworden, er war erfüllt von hohem Selbstgefühl und wußteich von den Mächtigsten im Staate bewundert. So wurden cnn die Siedler ausgeschickt, doch mußte man die Leute, au welche das Los gefallen war, unter Androhung schwerer Strasn zum Auszug zwingen. Da sich indes die Bürger gegen deriKriegsdienst nur um so hartnäckiger sträubten, rief Marcis seine Klienten und wen er sonst gewinnen konnte, zusamten und brach mit ihnen ins Gebiet von Antium ein. Sie spürto große Getreidevorräte auf und erbeuteten Vieh und Sklaven n Menge. Doch behielt Marcius nichts für sich, so daß sein Leute auf dem Rückweg an der gewaltigen Beutemasse sewer zu schleppen hatten. Die Daheimgebliebenen sahen vollr Reue und Neid auf den reichbeladenen Z u g , und ein bitterr Zorn auf Marcius kam über sie. Sie fühlten sich auf einmal bdrückt von seinem Ruhm und seiner Macht, die er zum Nackeil des Volkes, wie sie meinten, ständig mehrte. 14. Als sich aber Marcius bald darauf um das Konslat bewarb, schlug die Stimmung der Menge wieder um. Ds Volk empfand doch etwelche Scheu, ihm die Schmach einer Zurückweisung anzutun, einem Mann, den Adel und Tapfeiceit an die Spitze getragen und der sich wie keiner um die Stdt ver-

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dient gemacht hatte. Die Sitte verlangte damals von den Römern, welche sich um ein Amt bewarben, daß sie sich aufs Forum begaben, den Bürgern die Hand reichten und sie um ihre Stimme baten. Sie waren bei diesem Gang nur mit der Toga bekleidet und trugen kein Untergewand, wahrscheinlich um sich durch diese Tracht vor dem Volk noch tiefer zu demütigen, vielleicht aber auch, um die Narben, wenn sie solche trugen, als Male ihrer Tapferkeit unbehindert zeigen zu können. Denn ganz gewiß hat nicht argwöhnische Angst vor Geldspenden und Bestechung die Forderung diktiert, die Bewerber müßten sich den Bürgern ohne Gürtel und Tunika nahen. Einer viel späteren Zeit war es vorbehalten, die Ämter zu verschachern und die Stimmen der Wähler mit Geld zu erkaufen. Als es einmal so weit gekommen war, griff die Bestechlichkeit auch auf Richter und Feldherren über, brachte es zustande, daß die Waffen sich sklavisch dem Golde beugten, und trieb so die freie Republik der Monarchie in die Arme. «Wer zuerst das Volk an Freitischen bewirtete und ihm Bestechungsgelder zusteckte, der führte es den ersten Schritt auf dem Wege zur Knechtschaft.» Der Mann, welcher dieses Wort geprägt hat, scheint so unrecht nicht zu haben. Doch hat sich in Rom das Übel offenbar langsam und ganz unmerklich eingeschlichen, so daß man es im Anfang gar nicht bemerkte. Auf jeden Fall kennen wir den Römer nicht, welcher zuerst Volk oder Gerichte bestach. In Athen soll Anytos, Anthemions Sohn, als erster Geld in die Hände der Richter gedrückt haben, als er wegen des Verrats von Pylos zur Verantwortung gezogen wurde 1 . Diese geschah gegen Ende des Peloponnesischen Krieges, zu einer Zeit, da in Rom noch das von keinem Fehl befleckte goldene Geschlecht das Forum beherrschte. i j . Als nun Marcius seine vielen Narben sehen ließ, Zeugen der zahllosen Kämpfe, in denen er sich in siebzehnjährigem ununterbrochenem Kriegsdienst ausgezeichnet hatte, überkam

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die Börger ehrerbietige Scheu vor solcher Tapferkeit, und sie gaben sich das Wort, ihn zum Konsul zu wählen. Aber dann kam der Wahltag heran, und er zog mit stolzem Gepräige aufs Forum, geleitet vom Senat, umschart von den Patrizcrn, die schon dem flüchtigsten Blick verrieten, daß sie sich loch nie mit solchem Eifer für einen der Ihrigen eingesetzt ha ten. Da erlosch die Zuneigung, die ihm das Volk eben noch eitgegengebracht, Erbitterung und Neid schlichen sich wieder in die Herzen, und hinter diesen Gefühlen lauerte die Angs - : Wenn ein Aristokrat wie Marcius, ein Mann mit solchem in sehen beim Adel, die Macht über den Staat in die Hände >ekäme, würde er dann nicht die Freiheit des Volkes gänzlich -ernichten? So dachten die Bürger und versagten ihm ihre ,'timme. Die Senatoren waren tief bestürzt, als die andern Aiwärter gewählt wurden, hatten sie doch das Gefühl, daß der ¡chimpf mehr dem Senat als Marcius gelte. Auch dieser fand rieht die Kraft, das Geschehene mit Maß und Würde zu tragei, denn zumeist hatte er sich ja von dem Teil der Seele leitei lassen, in welchem Mut und Ehrgeiz wohnen, da er hierin Geistesgröße und hohe Gesinnung erblickte. Er ermangelte dir geistigen Zucht und jener Bildung, welche dem Menscher Festigkeit und Milde verleiht, ohne die kein wahrer Staatsnann bestehen kann. Und ebensowenig war er sich bewußt,daß ein Mann, welcher in der Öffentlichkeit wirken und mt Menschen umgehen will, nichts so sehr fliehen muß wie dei Eigendünkel, den Gefährten der Einsamkeit, wie Piaton sag', dafür aber in Langmut und Geduld sich üben sollte, allem Gespött zum Trotz. Er war eine einfach angelegte, starre Naur und glaubte, daß Mannesmut allein zum Siege führe, Macht über alle Menschen verschaffe, nicht schwächliche Nachgioigkeit, welche nur den Zorn wie ein böses Geschwür aus de: leidenden, gequälten Seele hervortreibe. So ging er vom Forim, aufgewühlt von bitterem Haß gegen das Volk. Die jungen Patri-

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zier, welche so hochfahrend w i e niemand sonst in der Stadt auf den Adel des Blutes pochten, hatten Marcius schon immer leidenschaftlich angehangen. A u c h jetzt drängten sie sich z u seinem U n g l ü c k an ihn, wichen ihm nicht von der Seite und schürten durch ihr Bedauern und teilnehmendes Mitleid seinen Z o r n . Denn im Felde war er ihr Führer und freundlicher Lehrmeister gewesen, er hatte sie im Waffenhandwerk unterrichtet, sie gelehrt, ohne Neid miteinander zu wetteifern um den Preis der T a p f e r k e i t . . . ' 16. Z u dieser Z e i t trafen in R o m endlich wieder Getreidetransporte ein. Große M e n g e n davon hatte man in Italien aufgekauft, nicht weniger war

als Geschenk

des

Tyrannen

Gelon aus Syrakus 1 geschickt worden. Überall gab man sich freudiger Hoffnung hin, durfte man doch erwarten, daß nun mit einem Schlag H u n g e r und Bürgerzwist aus der Stadt weichen w ü r d e n . Der Senat versammelte sich in eiliger Sitzung, während das Volk sich draußen drängte und voller Spannung auf den A u s g a n g wartete. Es hoffte, man werde den M a r k t preis niedrig ansetzen und das von Gelon geschenkte Korn umsonst verteilen, denn verschiedene Senatoren traten in der Debatte für eine solche Lösung ein. Allein nun erhob sich M a r cius und ging mit den Liebedienern der Masse scharf ins G e richt, schleuderte ihnen den V o r w u r f der Demagogie, des Verrats am Adelsregiment entgegen. Sie selber würden ins Verderben stürzen, weil sie den Samen des T r o t z e s u n d der Überheblichkeit, welcher ins Volk gestreut worden sei, aufwachsen ließen. Vernünftig wäre es gewesen, diese Saat gleich im A n fang auszurotten, statt das V o l k durch umfassende A m t s g e walt stark zu machen. N u n sei es eine furchtbare M a c h t im Staate, denn was es wünsche, sehe es erfüllt, was ihm nicht behage, könne keine G e w a l t von ihm erzwingen, ja es versage den Konsuln den Gehorsam und wolle nur noch seine eigenen Beamten, diese Wegbereiter der Anarchie, anerkennen.« W e n n

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wir hier sitzen und Geschenke und Spenden beschließen wie die Griechen in ihren übelsten Demokratien, was tun wir dann anderes, als daß wir ihren Ungehorsam noch belohnen ? Denn sie werden g e w i ß nicht behaupten, daß sie mit dieser Kornverteilung den Dank entgegennehmen für die Kriegsdienste, welche sie v e r w e i g e r t , die Meutereien, in welchen sie das Vaterland verraten, die Verleumdungen gegen den Senat, welchen sie nur zu gern das O h r geliehen haben. Nein, sie rechnen damit, daß ihr aus Angst nachgeben und dem Volk die Spende zubilligen w e r d e t , um es bei Laune zu erhalten. Was wird die Folge sein ? Unaufhörliche Gehorsamsverweigerungen, Z w i e tracht und Aufruhr ohne Ende. M i t einem W o r t , ein Beschluß dieser A r t ist der reine Wahnsinn. Wenn wir die Vernunft sprechen lassen, dann nehmen wir ihnen das Volkstribunat wieder w e g , das die Autorität der Konsuln zunichte macht und die Stadt entzweit. Denn sie ist nicht mehr eins wie früher, ein R i ß geht durch sie hindurch und wird sie nie mehr zu Eintracht und Frieden zusammenwachsen lassen, so daß wir für alle Zeiten ein krankes, innerlich zerrissenes Volk bleiben w e r d e n . » 17. Dergestalt führte Marcius noch viele Gründe für seinen A n t r a g ins Feld. Seine R e d e fand begeisterte Z u s t i m m u n g bei den Jungen im Senat und fast ohne Ausnahme auch bei den Reichen. Die Stadt hätte nur ihn, riefen sie, der unerschütterlich, von keiner Schmeichelei berührt, zu seiner Sache stehe. Einige der älteren Senatoren versuchten Einspruch zu erheben, da sie voraussahen, was kommen werde. Was kam, war denn auch keineswegs erfreulich. Denn sobald die im Sitzungssaal anwesenden Volkstribunen merkten, daß Marcius mit seiner Ansicht durchdringe, stürzten sie hinaus unter die M e n g e und schrien ihr zu, sie müsse zusammenstehen und ihnen helfen. Sie hielten auf der Stelle eine Volksversammlung ab, in der die E r r e g u n g hohe Wellen schlug. A l s dann gar Marcius' W o r t e wiederholt wurden, flammte die W u t in den Bürgern derma-

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ßen auf, daß sie beinahe das Rathaus gestürmt hätten. Allein die Tribunen erklärten, nur ein einziger sei schuldig, Marcius, und sandten ihre Diener an ihn ab mit dem Befehl, er möge sich rechtfertigen vor dem Volk. Da er sie höhnisch aus dem Saale wies, gingen sie, begleitet von den Ädilen', selber hin, um ihn mit Gewalt abzuführen. Schon wollten sie Hand an ihn legen, da scharten sich die Patrizier zusammen, drängten die Tribunen weg und fielen mit Schlägen über die Ädilen her. Der einbrechende Abend machte den Unruhen für diesmal ein Ende. Aber schon im Morgengrauen strömte die erbitterte Menge von allen Seiten wieder dem Forum zu. Bei diesem Anblick ergriff die Konsuln schwere Sorge um die Stadt, sie riefen den Senat zusammen und verlangten dringend, daß man versuche, mit freundlichen Worten und brauchbaren Vorschlägen die Menge zu beruhigen. Es sei jetzt nicht die Stunde, eifersüchtig um Ruf und Ansehen zu kämpfen, die Vernunft müsse sich durchsetzen, die gefährliche, ja bedenkliche Lage des Staates verlange nach einer Politik der Einsicht und der Menschlichkeit. Da die Mehrzahl der Senatoren sich diesen Gründen beugte, traten die Konsuln vor das Volk, um mit ihm, so gut es ging, zu verhandeln und seinen Zorn zu beschwichtigen. Sie wiesen die Vorwürfe gegen den Senat bescheiden zurück, flochten behutsam hier eine Ermahnung, dort einen Tadel mit ein und sagten zum Schluß, daß man sich über den Preis der Lebensmittel und des Korns ganz gewiß einigen werde. 18. Die Menge zeigte sich in ihrer Mehrheit zum Einlenken bereit. Ruhig und aufmerksam hörte sie den Konsuln zu, ein Zeichen, daß sie ihnen folgen wollte auf dem Weg der Versöhnung. Nun erhoben sich die Tribunen und gaben bekannt, daß das Volk die maßvolle Zurückhaltung des Senats mit gleicher Nachgiebigkeit vergelten werde, soweit seine Rechte nicht angetastet würden. Aber zugleich bestanden sie darauf,

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Marcius müsse sich verantworten. Ob er leugnen könne, den Senat aufgereizt zu haben zum Sturz der Verfassung, zur Unterdrückung des Volkes? Ob er in Abrede stelle, ihre Vorladung mißachtet, die Ädilen auf offenem Markt geschlagen und beschimpft und durch dies alles den Bürgerkrieg, soviel an ihm lag, heraufbeschworen, die Römer zum Kampf gegeneinander getrieben zu haben ? Die Tribunen stellten diese Fragen, weil sie Marcius zwingen wollten, sich zu demütigen. Denn nun mußte er, so schwer es ihn ankam, den stolzen Nakken beugen und das Volk um Verzeihung bitten. Da sie indes seinen Charakter kannten, rechneten sie noch stärker mit der Möglichkeit, daß er sich selber treu bleibe, nicht ablasse von seinem hochfahrenden Sinn und dadurch in der Masse solchen Haß gegen sich wachrufe, daß er ihn nie mehr austilgen könne. Marcius trat nun vor die Menge, welche in gespanntem Schweigen seiner Rechtfertigung harrte. Man erwartete eine Bitte aus seinem Mund zu vernehmen, er aber begann in rücksichtsloser Schroffheit gradheraus zu sagen, was er dachte, so daß aus seiner Verteidigung fast eine Anklage wurde. Dazu trug er in Tonfall und Miene eine Unerschrocken hei t zur Schau, die nahe an verächtliche Geringschätzung grenzte. Das Volk war empört und machte kein Hehl aus seiner Erbitterung über Marcius' Worte. Sicinnius, der kühnste Draufgänger unter den Volkstribunen, verhandelte eine Weile mit seinen Kollegen, dann rief er in die Menge hinein: « Die Volkstribunen haben Marcius des Todes schuldig befunden!» und erteilte den Ädilen Befehl, ihn aufs Kapitol zu führen und unverzüglich über den Tarpejischen Felsen hinunterzustürzen. Als die Ädilen Hand an ihn legten, schauderte doch manch einfacher Bürger zurück vor solch übermütigem Tun, die Patrizier vollends gerieten ganz außer sich vor Erregung. Sie stürzten herbei, um Marcius zu helfen, die einen drängten die Ädilen weg, welche schon zupacken wollten, und nahmen den Bedrohten

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in ihre Mitte, andere erhoben die Hände, um die Menge anzuflehen, da Wort und Ruf in dem tobenden Getümmel untergingen. Schließlich kehrte den Freunden und Vertrauten der Tribunen die Besonnenheit zurück, sie erkannten, daß Marcius nur über die Leichen einer großen Zahl von Patriziern zur Hinrichtung geführt werden könne, und redeten den Tribunen zu, der Strafe die verletzende Schärfe zu nehmen, Marcius nicht gewaltsam, ohne rechtmäßiges Urteil, umzubringen, sondern das Volk über ihn abstimmen zu lassen. Infolgedessen richtete Sicinnius an die Patrizier die Frage, in welcher Absicht sie Marcius den Händen des Volkes, das ihn zu züchtigen begehre, entreißen wollten? Die Patrizier fragten zurück: « Was tragt denn ihr im Sinn, was hegt ihr für Absichten, daß ihr einen der vornehmsten Römer ohne Richterspruch zu grausamer, ungesetzlicher Strafe wegschleppen lasset?» «Glaubt nicht, hierin einen Vorwand zur Zwietracht, zum Kampf gegen das Volk erhalten zu haben », gab Sicinnius zur Antwort. «Es gewährt euch, was ihr verlangt: der Mann soll gerichtet werden. Dir aber, Marcius, erteile ich hiermit den Befehl, am dritten Markttag zu erscheinen und, wenn du unschuldig bist, den Bürgern dafür Beweis zu leisten. Denn sie werden alsdann richten über dich.» 19. Für den Augenblick gaben sich die Patrizier mit dieser Lösung zufrieden und begleiteten Marcius frohgemut vom Forum. In der Zeit bis zum dritten Markttag (die Römer halten ihren Markt alle neun Tage ab, daher kommt sein Name « nundinae») hofften sie die Sache hintertreiben zu können. Das Heer « a r nämlich gegen die Antiaten aufgeboten, und die Patrizier rechneten mit einem Feldzug von langer Dauer. So hätten die Plebejer Zeit genug, wieder zahm zu werden; der strenge Kriegsdienst würde ihren Zorn abkühlen, ja vielleicht gänzlich ersticken. Allein der Zwist mit den Antiaten wurde rasch beigelegt, die Truppen kehrten nach Hause zurück.

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Jetzt war den Patriziern nicht mehr wohl zumute, und in häufigen Zusammenkünften suchten sie nach Mitteln und Wegen, wie sie Marcius schützen könnten, ohne den Tribunen eine neue Handhabe zur Aufwiegelung des Volkes zu bieten. Appius Claudius, dessen Haß gegen die Plebs berüchtigt war, erhob beschwörend seine Stimme, sie selber schaufelten dem Senatsregiment das Grab, gäben den Staat gänzlicher Vernichtung preis, wenn sie es durchgehen ließen, daß die Masse mit dem Stimmstein über die Patrizier richten könne. Ältere, volksverbundene Senatoren waren im Gegenteil der Meinung, die Richtergewalt werde das Volk nicht zur Härte und Unerbittlichkeit verleiten, sondern ihm ein menschlich-mildes Urteil abnötigen. Denn es verachte ja den Senat nicht, es glaube sich vielmehr von ihm verachtet, und wenn man es richten lasse, werde es darin eine ehrenvolle Genugtuung sehen, sein Zorn werde verraucht sein, sobald es den Stimmstein in die Hand bekäme. 20. Als Marcius sah, wie die Senatoren in ratloser Zwiespältigkeit schwankten zwischen der Liebe zu ihm und der Furcht vor dem Volk, richtete er an die Tribunen die Frage, wessen sie ihn anklagen, welcher Schuld sie ihn vor dem Volke zeihen würden. Sie erwiderten, die Anklage laute auf Tyrannis, sie würden den Beweis erbringen, daß er sich zum Herrn von Rom aufwerfen wolle. Da erhob sich Marcius mit den Worten, er sei bereit, sogleich vor das Volk zu treten und sich zu rechtfertigen. Er anerkenne jede Form der Untersuchung und entziehe sich, sollte er überfuhrt werden, der Strafe nicht. « Nur eines müßt ihr mir versprechen: daß ihr wirklich diese Anklage erhebt und den Senat nicht hintergeht.» Da die Tribunen ihre Zusicherung gaben, wurde das Gericht auf diese Bedingung hin anberaumt. Allein nachdem sich das Volk versammelt hatte, setzten die Tribunen als erstes durch, daß die Stimmabgabe nicht

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nach Zenturien, sondern nach den Tribus erfolgen sollte. Der unruhige, besitzlose Pöbel, dem Recht und Ehre keinen Pfifferling galten, erhielt auf diese Weise das Ubergewicht über die begüterten und angesehenen waffenfähigen Bürger. Des weiteren hielten sie die Klage auf Tyrannis nicht aufrecht, weil die Beweise fehlten. Statt dessen griffen sie zurück auf Marcius' Rede im Senat, in der er sich einem niedrigen Getreidepreis widersetzt und die Abschaffung des Volkstribunates verlangt hatte. Überraschend ließen sie dann eine weitere Anklage folgen. Sie hielten ihm vor, daß er die Beute, welche er auf seinem Streifzug gegen Antium eingebracht, nicht an die Staatskasse abgeliefert, sondern unter seine Leute verteilt habe. Dieser Angriff soll Marcius mehr als alles andere aus der Fassung gebracht haben, da er völlig unerwartet kam. Umsonst suchte er nach Worten, welche die Menge hätten überzeugen können, sie wollten sich im Drang des Augenblicks nicht einstellen, und als er gar die Teilnehmer jenes Zuges zu loben anfing, schrien ihn diejenigen nieder, welche nicht dabei gewesen; denn sie waren in der Überzahl. Endlich kam es zur Abstimmung, Marcius wurde mit einer Mehrheit von drei Tribus für schuldig erklärt und mit lebenslänglicher Verbannung bestraft. Aus mancher siegreichen Schlacht waren die Bürger schon voller Stolz heimgekehrt, aber noch nie hatten sie ein solches Hochgefühl empfunden wie nach der Verkündung dieses Urteils. Frohlockend gingen sie vom Forum, während die Senatoren sich der Trauer und einer tiefen Niedergeschlagenheit überließen. Jetzt bereuten sie es und machten sich Vorwürfe, daß sie nicht alles versucht und auf sich genommen, sondern tatenlos zugeschaut hätten, wie das Volk die ihm anvertraute Richtergewalt übermütig mißbrauchte. Es bedurfte damals nicht der Kleidung oder sonstiger Merkmale, um die beiden Stände zu unterscheiden, denn auf den ersten Blick sah man,

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w e r Plebejer, wer Patrizier w a r : den einen strahlte die Freude v o m G e s i c h t , die andern blickten traurig und

finster.

21. N u r Marcius blieb unerschüttert und ungebeugt. R u hig war seine Haltung, sein Schritt, seine Miene, und während alle mit ihm litten, schien er allein ganz teilnahmslos zu sein. N i c h t daß Überlegung oder verstehende Milde ihn geleitet, geschweige denn, daß er den Schlag gelassen hingenommen hätte, nein, in seinem Innern w ü h l t e ein schwerer, leidenschaftlicher Zorn. Was w e i ß die Masse davon, daß sich dahinter quälendes Leid v e r b i r g t ? Denn die T r a u e r stößt die lähmende Niedergeschlagenheit von sich, wenn sie, gleichsam in Flammen gesetzt, in den Z o r n umschlägt. Darum dürstet der Z o r n i g e nach der T a t , er gleicht dem Kranken, den das Fieber erhitzt, seine Seele befindet sich wie in gärender Wall u n g und angespannter Erregung. M a r c i u s ' weitere Schritte ließen keinen Z w e i f e l offen, wie es um ihn stand. Er ging nach Hause, umarmte zum Abschied seine M u t t e r und seine Gattin und gebot ihnen, die laut weinten und klagten, das Geschehene mit W ü r d e zu tragen. Dann schritt er ohne Zögern dem T o r e zu. Fast alle Patrizier gaben ihm das Geleite. Er nahm nichts an und bat um nichts. Einzig drei oder vier Klienten waren an seiner Seite, als er die Stadt verließ. Ein paar T a g e hielt er sich auf seinen Landgütern auf, zerrissen von tausend G e d a n k e n , die der Z o r n ihm eingab. Es war nichts Gutes noch Edles, was er brütete, sondern nur das eine: Rache z u nehmen an den Römern. Z u l e t z t entschloß er sich, an ihrer Grenze einen K r i e g z u entfesseln, der sie in N o t bringen müßte. Er wollte sein G l ü c k zunächst bei den Volskern versuchen, da er w u ß t e , wie wohl versehen sie waren mit Leuten und Geld. Es war allerdings nicht lange her, d a ß sie von den Römern geschlagen worden, abererrechnete dam i t , daß die Niederlagen weniger ihre K a m p f k r a f t g e s c h w ä c h t als ihre Erbitterung und ihren Siegeswillen gestärkt hätten.

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22. In der Stadt Antium lebte damals ein M a n n , der w e g e n seines R e i c h t u m s , seiner T a p f e r k e i t und vornehmen H e r k u n f t von allen Volskern wie ein K ö n i g verehrt wurde. Er hieß T u l lus A t t i u s . Marcius w u ß t e , daß er keinen Römer so glühend haßte w i e ihn. D e n n im K a m p f hatten sie einander o f t mit drohenden W o r t e n herausgefordert, hochfahrend sich gegenseitig verhöhnt, wie j u n g e Krieger in ihrem eifersüchtigen Ehrgeiz z u tun pflegen. So war es g e k o m m e n , d a ß der eine im andern nicht nur den Landesfeind, sondern den persönlichen G e g n e r erblickte. Allein Marcius erkannte in T u l l u s auch den großgesinnten Menschen, er sah z u d e m , wie sein Widersacher so begierig wie keiner sonst unter den Volskern auf den A u g e n blick wartete, da er die Römer an einer schwachen Stelle pakken und niederwerfen könnte. So zeugte er Rir die Wahrheit jenes W o r t e s : « G e g e n das Herz anzukämpfen ist s c h w e r ; denn was es will, erkauft es um den Preis der S e e l e 1 . » Er wählte G e w a n d und T r a c h t , die ihn möglichst unkenntlich machen sollten, und wie Odysseus « g i n g er zur Stadt der feindlichen M ä n n e r » 1 . 23. Schon sank der A b e n d herab, und viele Menschen begegneten ihm, ohne ihn zu erkennen. Er schritt a u f das Haus des T u l l u s zu, schlüpfte unversehens hinein und setzte sich schweigend an den Herd. Hier verharrte er, das H a u p t verhüllt, ohne W o r t noch B e w e g u n g . Die Leute im Haus waren befremdet, w a g t e n aber nicht, ihn wegzuweisen. Sein Schweigen, seine H a l t u n g umgaben ihn mit Würde. D o c h meldeten sie T u l l u s , der eben bei T i s c h e saß, den seltsamen Vorfall. Er erhob sich sogleich und trat an ihn heran mit der Frage, wer er sei, welches Anliegen ihn zu ihm geführt habe. Da enthüllte Marcius sein A n t l i t z , und nachdem er ein Weilchen gewartet h a t t e , sagte er: « W e n n du mich noch nicht erkennst, T u l l u s , w e n n du deinen Augen nicht traust, so muß ich wohl mein eigener Ankläger werden. Ich bin Gaius Marcius, der dir und

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den Volskcrn Böses angetan hat wie keiner sonst. lies abzuleugnen erlaubt der Beiname nicht, den ich trage, Coriolan. Denn für Mühen und Gefahren ohne Z a h l habe ich leinen andern Lohn davongetragen als diesen N a m e n , ein Deikmai des Hasses gegen euch. Er allein ist mir geblieben, ihi konnten sie mir nicht entreißen. Alles andere habe ich verlren, verloren durch den Neid und Übermut des V o l k e s , mrch die Schlaffheit und Verräterei der Regierenden und mener Standesgenossen. Ich bin verbannt, aus der Heimat ertrieben und habe mich in den Schutz deines Herdes begefcn, nicht um hier Sicherheit zu finden oder das Leben zu rettn - denn was brauchte ich zu dir z u kommen, wenn ich den 1>d fürchtete? - nein, ich will Rache nehmen an denen, die sich verstießen, und jetzt schon räche ich mich an ihnen, d a c h in dir meinen Herrn anerkenne. Hast d u M u t , mit den Feirlen einen K a m p f zu wagen, wohlan, so nutze meinen Unsterr tapferer M a n n , laß mein U n g l ü c k zum G l ü c k aller V o l s k e r w e r d e n ! Wenn ich für euch kämpfe, werden meine Erfolge n>ch glänzender sein, als da ich gegen euch stritt. Denn bessr schlägt sich, wer sich auskennt beim Feind, als wer nichtsvon ihm weiß. Solltest du mich aber zurückweisen, dann w i l l c h nicht weiterleben, und dir wäre es besser, den M a n n nic.t z u retten, der dich einst haßte und dein Land mit K r i e g i b e r z o g , jetzt aber nichts zu mehr nütze ist.» T u l l u s war hoherfreut, als er Marcius so reden hörte, und ergriff seine R e c h t m i t den W o r t e n : « Steh auf, Marcius, fasse M u t ! Du s c h e n k s u n s viel, da d u kommst, dich in unsere Hand zu geben. A b e r nehr noch darfst du von den Volskern für dich erhoffen.» D a n b e w i r tete er ihn voller Freundlichkeit, und in den nächstn T a g e n saßen sie miteinander zu R a t w e g e n des Krieges. 24. Indes konnte R o m nicht zur R u h e k o m m e n , l e n n die Patrizier waren aufgebracht über das V o l k , besondes weil es Marcius verurteilt hatte, und überdies berichteten ¿her und

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Priester, aber auch einfache Bürger von mancherlei besorgniserregenden Wunderzeichen. Ich erzähle eines dieser Wunder, wie die Uberlieferung es bewahrt hat: Es lebte in Rom Titus Latinius, ein nicht sehr vornehmer, doch ruhiger und ordentlicher Mann, der von Aberglauben nichts wußte, noch weniger von Prahlerei. Dieser träumte, Iuppiter trete vor ihn hin und gebe ihm Befehl, dem Senat zu sagen, daß man einen garstigen, widerwärtigen Tänzer seinem Festzug vorausgeschickt habe. Das erstemal kümmerte sich Latinius, wie er nachher gestand, recht wenig um das Traumgesicht. Er blieb auch gleichgültig, als es ihm ein zweites und ein drittes Mal erschien. Da mußte er mitansehen, wie ihm ein wackerer Sohn dahinstarb; auch war sein Körper plötzlich gelähmt und versagte den Dienst. Jetzt endlich ließ er sich in einer Sänfte in den Senat tragen, wo er sein Erlebnis mitteilte. Er hatte kaum zu Ende gesprochen, als er die Kräfte in seinen Körper zurückkehren fühlte, so daß er aufstehen und ohne Hilfe nach Hause gehen konnte. Die Senatoren waren höchlich verwundert und forschten allenthalben der Sache nach. Schließlich kamen sie ihr auf den Grund: Ein Bürger hatte einen Sklaven in die Hände seiner Mitsklaven gegeben mit dem Befehl, ihn über das Forum zu peitschen und dann zu töten. Während sie so taten und den Menschen mißhandelten, daß er sich vor Schmerzen krümmte und wild um sich schlug in seiner Qual, kam zufällig die Prozession hinter ihnen her. Viele empörten sich über den jammervollen Anblick, die gräßlichen Zuckungen des Gepeinigten, aber niemand schritt dagegen ein, nur Schmähungen wurden laut und Flüche gegen den Herrn, der so grausam strafte. Denn zu jener Zeit behandelte man die Sklaven noch überaus menschlich, die Herren begegneten ihnen mit freundlicher Milde, da sie Arbeit und Tisch mit ihnen teilten. Ein Sklave, der sich verfehlt hatte, war schon hart bestraft, wenn

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er das Holz, mit welchem man die Wagendeichsel stützte, auf den Nacken nehmen und damit in der Nachbarschaft herumgehen mußte. Wer solchermaßen gezeichnet von den M i t sklaven oder Nachbarn gesehen wurde, hatte sich das Vertrauen verscherzt. Er bekam den Namen «furcifer», Gabelträger, denn das lateinische Wort «furca» bedeutet soviel wie « G a b e l » oder « S t ü t z e » . 25. Als Latinius seinen Traum erzählt hatte, tappten die Senatoren völlig im dunkeln, wer der widerwärtige, garstige Tänzer gewesen sein könnte, welcher damals die Prozession anführte. Da tauchte einigen in der Erinnerung das Bild des Sklaven auf, der über das Forum gepeitscht und dann hingerichtet worden war, denn die schreckliche Strafe ließ sie jenen A u f z u g nicht vergessen. Die Priester stimmten der Deutung einhellig zu, man bestrafte den Herrn des Sklaven und brachte dem Gott Festzug und Schauspiele ein zweites Mal dar. König N u m a , der den Römern in allen Fragen des Gottesdienstes ein Lehrer von großer Weisheit gewesen w a r , hinterließ auch eine, wie mir scheint, treffliche Vorschrift, die fromme Scheu im Volke zu mehren. Wenn nämlich die Konsuln oder Priester eine heilige Handlung vollziehen, schreitet ein Herold vor ihnen her und ruft mit lauter Stimme: « H o c age! G i b a c h t ! » Mit diesen Worten fordert er die Bürger auf, sich der heiligen Handlung zuzuwenden und jegliche andere T ä t i g keit oder Hantierung zu unterlassen, wie man ja zumeist auf die Menschen Z w a n g und Gewalt ausüben muß, wenn man etwas erreichen w i l l 1 . Indes pflegen die Römer Opfer, Prozessionen oder Schauspiele nicht nur aus so gewichtiger Ursache zu wiederholen, es genügt dazu schon eine Kleinigkeit. Wenn eines der Pferde vor dem Götterwagen müde wurde oder der Wagenlenker mit der Linken nach den Zügeln griff, beschlossen sie, die Prozession noch einmal abzuhalten. J a in späterer Z e i t kam es vor, daß ein einziges Opfer dreißigmal wieder-

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holt w u r d e , -weil man immer wieder glaubte, e t w a s unterlassen oder falsch gemacht zu haben. So ängstlich waren die R ö mer i m U m g a n g mit den G ö t t e r n . 26. Marcius und T u l l u s verhandelten nun in A n t i u m im geheimen mit den angesehensten Männern des Volskerlandes und riefen sie auf, den K r i e g zu entfesseln, solange R o m von inneren Wirren zerrissen sei. Als gegen diesen Plan Bedenken laut w u r d e n , weil man durch feierlichen V e r t r a g einen Waffenstillstand auf zwei Jahre geschlossen hatte, lieferten ihnen die R ö m e r selber einen V o r w a n d zum Krieg. O b sie nun V e r d a c h t geschöpft oder auf eine V e r l e u m d u n g gehört hatten, kurz, sie ließen bei den festlichen Wettspielen öffentlich ausrufen, d a ß die Volsker vor Sonnenuntergang die Stadt verlassen m ü ß t e n . (Einige sehen hinter dem Ganzen eine listige M a c h e n s c h a f t des Marcius, welcher den römischen Behörden die erlogene M e l d u n g habe hinterbringen lassen, die Volsker gedächten R o m während der Spiele z u überfallen und die Stadt einzuäschern.) Dieser Erlaß steigerte die E r b i t t e r u n g im ganzen Volskergebiet, und T u l l u s g o ß Ö l ins Feuer, indem er den Zwischenfall noch aufbauschte. Schließlich brachte er es so weit, d a ß eine Gesandtschaft nach R o m geschickt

wurde,

welche die im Krieg verlorenen Landstriche und Städte zurückfordern sollte. W i e die R ö m e r von diesem Ansinnen hörten, erwiderten sie den Gesandten voller E m p ö r u n g , die Volsker sollten nur zuerst zu den Waffen greifen, die R ö m e r w ü r den sie g e w i ß zuletzt niederlegen. Jetzt rief T u l l u s das V o l k zur V e r s a m m l u n g , und als der Krieg beschlossen w a r , redete er ihnen z u , den Groll gegen Marcius zu begraben und ihn in ihre M i t t e zu rufen im festen Vertrauen, daß er als V e r b ü n d e ter den Volskern ebensoviel nützen werde, wie er ihnen als Feind geschadet hatte. 27. So w u r d e Marcius herbeigeholt. Seine W o r t e zeigten dem versammelten V o l k , daß er ein nicht minder g e w a l t i g e r

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Redner als Kriegsmann war, ein Kämpfer, den K l u g h e i t und W a g e m u t über die andern erhoben. M a n wählte ihn deshalb neben T u l l u s zum Befehlshaber mit unumschränkter G e w a l t . A u s A n g s t , die R ü s t u n g e n der Volsker möchten sich so lange hinziehen, daß der günstige Augenblick z u m Losschlagen darüber verlorenginge, erließ er den Befehl, die fuhrenden Männer und Behörden einer jeden Stadt sollten die T r u p p e n zusammenziehen und ausstatten. Inzwischen rief er die Kühnsten auf, die A u s h e b u n g nicht abzuwarten, sondern als Freiwillige ihm zu folgen, und stieß überraschend auf römisches G e b i e t vor. Der Streifzug brachte gewaltige Beute ein, so daß die Volsker gar nicht imstande waren, alles fortzutreiben und wegzuschleppen oder im Lager z u verbrauchen. Marcius allerdings sah den Erfolg seines Unternehmens nur z u m kleinsten T e i l in der eingebrachten Beutemassc und der V e r h e e r u n g des Landes. Ihm schwebte ein größeres Ziel vor A u g e n : sein K r i e g s z u g sollte die Patrizier dem V o l k noch verdächtiger machen. Denn während er alles Land ringsum in eine W ü s t e verwandelte - die G ü t e r der Patrizier nahm er sorgfaltig aus und duldete auf ihnen weder R a u b noch Z e r s t ö r u n g . D i e Folge war, daß A r g w o h n und Uneinigkeit die beiden Stände in R o m immer mehr entzweite. Die Patrizier warfen dem V o l k e vor, den großen M a n n ungerecht verstoßen z u haben, das Volk beschuldigte die Patrizier, sie hätten Marcius aus Rachsucht herbeigerufen und schauten nun zu, wie der K r i e g die andern heimsuche; ihre eigenen Güter und Besitztümer draußen auf dem Land seien ja in guter H u t , da der Feind selber den Schutz übernommen habe. Nachdem Marcius sein Z i e l erreicht hatte, z o g er unangefochten ab. Der Streifzug z e i t i g t e übrigens noch einen andern wichtigen Erfolg: er entflammte den M u t der Volsker und lehrte sie den Feind verachten. 28. Inzwischen fanden sich die aufgebotenen T r u p p e n rasch und willig zusammen. Die gesamte Streitmacht der Volsker er-

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wies sich als so bedeutend, daß man beschloß, nur mit einem Teil gegen die Römer zu ziehen und den Rest als Besatzung in den Städten zurückzulassen. Marcius Uberließ Tullus die Wahl, wo er die Führung übernehmen wolle. Dieser gab zur Antwort, er habe in Marcius einen Krieger kennengelernt, der ihm an Tapferkeit nicht nachstehe, in der Schlacht aber, anders als er, das Glück stetsfort auf seiner Seite gehabt habe. Darum forderte er ihn auf, die Kampftruppen zu fuhren, während er selber den Schutz der Städte übernehmen und für die Bedürfnisse des Heeres sorgen wollte. So rückte Marcius, seiner Kraft noch sicherer geworden, ins Feld. Er wandte sich zunächst gegen die römische Koloniestadt Circei 1 , tat ihr aber kein Leid an, da sie sich freiwillig ergab. Darnach verwüstete er das Land der Latiner in der Erwartung, die Römer würden sich hier zum Kampfe stellen, waren doch die Latiner mit ihnen verbündet und hatten sie mehrmals dringend um Hilfe gebeten. Allein das römische Volk wollte von Krieg nichts wissen, und die Konsuln, deren Amtszeit in Bälde abgelaufen war, verspürten keine Lust, sich auf den gefährlichen Kampf einzulassen. So wurde das Gesuch der Latiner abgewiesen. Marcius ging nun gegen die Städte selber vor und nahm Tolerium, Lavicum, Pedum und Bola 1 im Sturm, weil sie Widerstand gewagt hatten. Die Bewohner führte er als Beute hinweg, ihre Habe überließ er den Soldaten zur Plünderung. Wenn die Städte aber aus freien Stücken zu ihm übertraten, sah er streng darauf, daß sie nicht etwa gegen seinen Willen zu Schaden kämen. Er ließ das Heer weitab von ihnen lagern und tastete ihr Gebiet nicht an. 29. Als schließlich das nicht weiter als hundert Stadien vor Rom liegende Bovillae 1 gefallen war und er die Stadt ihrer Reichtümer hatte berauben, die Waffenfähigen fast ausnahmslos über die Klinge springen lassen, da hielt es die zurückgebliebenen Volsker nicht mehr in den Städten, deren Schutz

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ihnen übertragen war; sie nahmen ihre Waffen und eilten zu Marcius. Ihn allein wollten sie als Feldherrn anerkennen, nur von ihm Befehle entgegennehmen. So ward sein Name grob in Italien, sein R u h m erfüllte das ganze Land, denn daß sich das Blatt so unerwartet gewendet, war ja einzig der Tapferkeit dieses Mannes zu danken, dessen Übertritt zu den Feinden so unabsehbare Folgen nach sich zog. In Rom herrschte währenddem w ü s t e Verwirrung. Niemand dachte daran, dem Feind entgegenzutreten, aber T a g für T a g kam es zu Zusammenstößen unter den Bürgern, zu Hetzreden hinüber und herüber - bis die Nachricht eintraf, Lavinium 1 sei eingeschlossen. Dort verwahrten die Römer die Heiligtümer der Götter ihrer Väter, von dort war ihr Geschlecht ausgegangen, denn Lavinium war die erste Stadt, welche Aeneas gegründet hatte. Jetzt schlug die Stimmung im Volk wie durch ein Wunder gänzlich um, und auch die Patrizier wurden andern Sinnes, aber in höchst seltsamer, unerwarteter Weise. Das Volk drängte darauf, Marcius' Verurteilung rückgängig zu machen, ihn in die Stadt zurückzuholen; der Senat jedoch, welchcr einberufen worden war, um zu der Frage Stellung zu nehmen, trat dem Vorhaben d u r c h einen ablehnenden Beschluß in den Weg. Dieser Entscheid mochte jenem rechthaberischen Ehrgeiz entspringen, allem Widerstand entgegenzusetzen, was vom Volk gewünscht wurde. Vielleicht war es den Senatoren auch ein Dorn im Auge, daß Marcius seine Rückkehr dem Volk verdanken sollte, wenn nicht gar der Zorn gegen ihn den Entschluß ausgelöst hatte. Denn Marcius hatte alle leiden lassen, ohne doch von allen beleidigt zu sein, er hatte gegen die gatrze Vaterstadt gekämpft, obwohl er wußte, daß der mächtigste und einflußreichste Stand mit ihm litt und sich mitbetroffen fühlte vom Unrecht, das man ihm angetan. Als der Entscheid dem Volk bekanntgegeben war, hatte es das Recht nicht mehr, auf gesetzmäßigem

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Weg über die Frage abzustimmen; denn dazu brauchte es die Genehmigung des Senates. 30. Die Nachricht von diesen Vorgängen steigerte Marcius' Erbitterung noch mehr. Er hob die Belagerung von Lavinium auf und zog in seinem Grimm gegen Rom. Beim sogenannten Cluilischen Graben 1 schlug er das Lager auf, nur vierzig Stadien vor der Stadt. Sein Erscheinen versetzte Rom in Angst und Verwirrung, machte aber für den Augenblick auch der Zwietracht ein Ende. Es fand sich niemand mehr, weder Magistrat noch Senator, der Widerspruch gewagt hatte gegen den Wunsch des Volkes, Marcius zurückzurufen. Wenn sie sahen, wie die Frauen durch die Straßen irrten, die Greise in den Tempeln weinend um Hilfe flehten, wie aller Mut, jeder rettende Gedanke erloschen war, dann mußten sie zugeben, daß das Volk gut daran getan, der Versöhnung mit Marcius das Wort zu reden, während der Senat in völliger Verkennung der Lage in eben dem Zeitpunkt, da man Zorn und Rache hätte begraben sollen, damit angefangen habe. So faßte man einmütig den Beschluß, eine Abordnung an Marcius zu entsenden, welche ihm die Rückkehr ins Vaterland freigeben und um Einstellung der Feindseligkeiten bitten sollte. Die Männer, die der Senat für diese Aufgabe bestimmte, waren mit Marcius befreundet und durften erwarten, daß er ihnen bei der ersten Begegnung aus alter Verbundenheit freundlich entgegenkommen werde. Allein es geschah nichts dergleichen. Man führte sie durch das feindliche Lager vor ihn hin. Stolz und nicht zum Ertragen hochmütig saß er da, umringt vom vornehmsten Volskeradel, und befahl ihnen, ihr Anliegen vorzutragen. Als die Gesandten, wie es ihrer Lage geziemte, bescheiden und zurückhaltend gesprochen hatten, antwortete er zunächst in seinem Namen und warf ihnen in bitterem Zorne vor, was sie ihm angetan. Dann verlangte er als Feldherr im Namen der Volsker, die Römer sollten Land und Städte, die

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sie im Krieg an sich gerissen hätten, zurückgeben und den Volskern das gleiche Bürgerrecht zuerkennen wie den Latinern; denn ohne Gleichheit und Gerechtigkeit könne ein Friede von Dauer nicht geschlossen werden. Er gab ihnen dreißig Tage Zeit, seine Forderungen zu bedenken. Als die Gesandten das Lager verlassen hatten, zog er sogleich aus der Gegend fort. 31. Dieser Rückzug bot seinen Gegnern die erste Handhabe, ihn anzuschwärzen; denn mancher Volsker schaute seit langem mit Empörung und Neid auf Marcius' Macht. Auch Tullus gehörte zu ihnen, obwohl ihn Marcius nie beleidigt hatte. Aber was er empfand, war nur allzu menschlich. Eis kränkte ihn, daß sein Ruhm im Schatten des Römers gänzlich verblich und die Volsker ihn kaum mehr beachteten neben Marcius, der ihr ein und alles geworden war. Verlangten sie doch, daß die andern sich begnügen sollten mit dem Rest von Macht und Befehlsgewalt, die er ihnen zubillige. So breiteten sich die ersten Anklagen im verborgenen aus, die Unzufriedenen fanden sich zusammen, um ihrem Unwillen Luft zu machen, und bezeichneten jenen Rückzug geradezu als Verrat. Nicht Mauern oder Waffen habe Marcius preisgegeben, wohl aber die Zeit, welche über Rettung oder Untergang entscheide; dreißig Tage habe er dem Feind geschenkt, obwohl man im Krieg innert kürzester Frist den größten Umschwung erleben könne. Indes ließ Marcius diese Zeit nicht ungenutzt verstreichen, er brach mordend und verheerend ins Gebiet der feindlichen Bundesgenossen ein und eroberte sieben große, volkreiche Städte. Die Römer wagten nicht, ihnen Hilfe zu bringen, Verzagtheit saß ihnen tief im Herzen, und wenn sie an den Krieg dachten, waren sie wie gelähmt und gänzlich erstarrt. Als die Frist abgelaufen war und Marcius mit seiner ganzen Streitmacht wieder heranrückte, schickten sie noch einmal Gesandte zu ihm mit der Bitte, er möge von seinem Zorn ablassen,

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die Volsker aus dem Lande fuhren und darauf tun und sagen, was er fiir beide Teile als richtig erachte. Nachgiebigkeit aus Angst sei den Römern unbekannt, wenn er aber glaube, daß die Volsker Anspruch hätten auf Entgegenkommen und etwelche Zugeständnisse, so würden alle ihre Wünsche Erfüllung finden, sobald sie die Waffen aus der Hand gelegt hätten. Marcius erwiderte, er erteile ihnen die Antwort nicht als Feldherr der Volsker, sondern als römischer Bürger, der er immer noch sei, und als solcher lege er ihnen dringend ans Herz, mehr Vernunft walten zu lassen in ihren Erwägungen über seine gerechten Vorschläge. In drei Tagen sollten sie wiederkommen mit dem Bericht, daß seine Forderungen gutgeheißen seien. Wenn ihr Beschluß anders ausfallen sollte, wenn sie noch einmal mit leeren Worten ins Lager kämen, könne er für ihre Sicherheit nicht mehr einstehen. 32. Als die Gesandten mit diesem Bescheid zurückkehrten, entschloß sich der Senat, den letzten Anker auszuwerfen; denn schwer erschütterten Sturm und Wellen die Stadt. Die Priester der Götter, die geweihten Hüter der Mysterien, welche die altehrwürdige Deutung des Vogelflugs übten, sie alle sollten nach dem Beschluß des Senats zu Marcius ziehen, angetan mit den Insignien, die der Brauch ihnen vorschrieb für den heiligen Dienst. Noch einmal sollten sie dieselben Vorschläge überbringen und Marcius auffordern, er möge die Waffen niederlegen, um darnach mit seinen Mitbürgern über die Volsker zu verhandeln. Marcius gestattete ihnen, das Lager zu betreten, aber weiter ging sein Entgegenkommen nicht. Schroff fertigte er sie ab, gönnte ihnen kein freundliches Wort, sondern beharrte auf dem Befehl, sie sollten Frieden schließen unter den Bedingungen, die er früher bekanntgegeben, oder aber den Kampf aufnehmen. Nach der Rückkehr der Priester wurde beschlossen, ruhig in der Stadt zu bleiben, die Mauern zu bewachen und die

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Feinde abzuwehren, wenn sie einen Angriff wagten. Die Zeit und mit ihr ein unerwarteter Glücksfall waren jetzt ihre größt e n I I o f T n u n g s s t c r n c , d a sie k e i n e n W e g m c l i r s a h e n , sich a u s

eigener Kraft zu retten, und die Stadt eine Beute der Angst, der Verwirrung, der wilden Gerüchte geworden war. Da trat ein Ereignis ein, wie es Homer oft dargestellt, allerdings ohne bei der Menge Verständnis zu finden. Denn bei großen, unerwarteten Begebenheiten braucht er gerne die Worte «Ihr aber gab ins Herz die Göttin Pallas Athene» oder « Aber ein Gott verrückt' ihm die Sinne, da er ins Herz ihm legte des Volkes Verleumdung ...» und an anderer Stelle « Argwohn mochte ihn treiben, vielleicht auch fügt' es ein Gott so»'. Für solche Worte erntet der Dichter nur noch Verachtung, da er durch seine unmöglichen Erfindungen und unglaubwürdigen Märchen zeige, daß er den freien Willen bei den Entschlüssen des Einzelnen nicht anerkenne. Allein dies liegt Homer fern. Denn was im Bereich des Natürlichen und Alltäglichen liegt, was sich mit vernünftiger Überlegung tun läßt, stellt er unserem Ermessen anheim, wie die häufige Wendung beweist «Und schon war ich entschlossen im stolzen, mutigen Herzen» oder « Als er so sprach, übermannte der Grimm den Peliden, es schwankte Unter der zottigen Brust ihm das Herz, von Sorgen zerrissen » und wiederum «... aber bereden ließ der edle sich nicht, der verständige Bellerophontes» 1 .

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Wo es sich um außerordentliche, gewagte Unternehmungen handelt, die des Schwungs der Begeisterung und leidenschaftlicher Hingabe bedürfen, läßt Homer die Götter allerdings eingreifen, aber nicht so, daß sie dem Menschen die selbständige Entscheidung rauben, sondern ihn dazu anspornen. Der Gott legt dem Menschen nicht den Entschluß in die Seele, sondern nur die Vorstellungen, welche den Entschluß auslösen, und zwingt ihn dadurch nicht zu unfreiwilligem Tun, schenkt ihm vielmehr, wenn er zu handeln bereit ist, das Beginnen und erfüllt sein Herz darüber hinaus mit Mut und Hoffnung. Denn entweder müssen wir jede göttliche Ursache, jeden göttlichen Einfluß auf unser Handeln leugnen - oder zugeben, daß die Götter auf keine andere Weise den Menschen helfen und beistehen können. Sie formen nicht an unserem Körper, sie geben unsern Händen und Füßen nicht selber die erforderliche Richtung, sondern wecken in der Seele die Energie und Entschlußkraft durch Einfälle, Vorstellungen, Gedanken oder bringen uns im Gegenteil davon ab und halten uns zurück. 33. In jenen Tagen sandten die Frauen in Rom aus allen Tempeln Gebete zu den Göttern empor. Die meisten flehten am Altar des Iuppiter Capitolinus, wo sich die Frauen aus den vornehmsten Familien zusammenfanden, unter ihnen Valeria, die Schwester jenes Valerius Poplicola, der den Römern in Krieg und Frieden so manchen bedeutenden Dienst geleistet hatte. Poplicola war damals schon lange tot - ich habe in seiner Lebensgeschichte davon berichtet (Kap. 23) aber Valeria stand bei den Römern immer noch in hohem Ansehen, da sie durch ihre Lebensführung den Ruhm des Geschlechtes mehrte. Ihr ward plötzlich ein Erlebnis zuteil, wie ich es soeben geschildert habe. Einer Eingebung folgend, die sicher göttlichen Ursprungs war, tat sie den Schritt, der die Rettung bringen sollte. Sie erhob sich vom Gebet und hieß die andern Frauen ein Gleiches tun. Dann ging sie mit ihnen zum Haus von

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Marcius' M u t t e r Volumnia. Als sie eintrat, fand sie T olumnia bei ihrer Schwiegertochter sitzen, Marcius' Kinder auf dem Schoßc. Die Frauen umringten die Sitzenden, Val-ria aber sprach: « W i r sind zu euch gekommen, Volumnia uid Vergilia, wir Frauen zu euch Frauen, ohne daß der Senat es «schlössen, ein Konsul uns geheißen hätte. Der G o t t , will uis scheinen, hat sich unseres Flehens erbarmt und uns den Cedanken ins Herz gegeben, vor euch zu treten und euch zu biten, uns und die andern Bürger zu retten. Willigt ihr ein, so vird euch der R u h m glänzender umstrahlen als einst die T ö h t e r der Sabiner, welche ihre Väter und Gatten nach erhttertem Kampf zu Frieden und Freundschaft zusammenführtai. Kommet mit uns zu Marcius, vereinigt euer Flehen mit iem unsern, legt Zeugnis ab für das Vaterland, wie es der Vahrheit und Gerechtigkeit entspricht: daß es euch nicht im Sorn entgelten ließ, was es Böses erduldet, und euch in kein-r Weise behelligte, ja daß es euch mit ihm wiedervereinigen möchte, auch wenn es nicht einen seiner gerechten Ansprücie sollte durchsetzen können.» Als Valeria geendet hatte, fielei die andern Frauen mit lauter Klage ein, Volumnia aber gab ,ur Antw o r t : «Das Unglück der Stadt, ihr Frauen, lastet atf uns so schwer wie auf euch, doch schleppen wir noch unseen eigenen Kummer. Marcius' R u h m und Heldenmut sind ins verloren, wir müssen es mit ansehen, wie ihn das Feiidesheer nicht beschützt, sondern recht eigentlich unter Bevachung hält. U n d wenn nun das Vaterland so schwach gewoden ist, daß es auf uns seine Hoffnung setzen muß - dies zu tagen ist bitterer als alles andere. Ich weiß nicht, ob er auf ure Rücksicht nehmen wird, wenn er dem Vaterland den Rückci kehrt, das ihm einst teurer war als Mutter und Gattin und Kinder. Gleichwohl, verfügt über uns, führt uns vor sein Angesicht. M a g alles fehlschlagen, so bleibt uns doch eins: für d s Vaterland flehend unser Leben auszuhauchen.»

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34. Darauf hieß sie Vergilia und die Kinder aufstehen und begab sich mit den andern Frauen ins Lager der Volsker. Der Anblick ihres Jammers nötigte selbst den Feinden scheues Schweigen ab. Marcius saß im Kreis seiner Offiziere auf dem Tribunal, des Richteramtes waltend. Mit Befremden sah er die Frauen herankommen, und als er an der Spitze des Zuges seine Mutter erkannte, nahm er sich vor, hart und unerbittlich zu bleiben. Allein die Gefühle übermannten ihn, der Anblick der Mutter erschütterte sein Herz, daß er es nicht über sich brachte, sie sitzend zu erwarten, sondern rasch herabstieg, um ihr entgegenzueilen. Zuerst hielt er die Mutter lange umfangen, dann umarmte er sein Weib und seine Kinder. Er schämte sich nicht der Tränen und Zärtlichkeiten und gab sich ganz dem Strom seiner Gefühle hin. 35. Als er der Freude des Wiedersehens genug getan hatte und wahrnahm, daß die Mutter nunmehr zu sprechen wünschte, rief er die Führer der Volsker an seine Seite und hörte darauf Volumnia an. Sic sprach: «Mein Sohn, du siehst es, auch wenn wir nicht davon reden, an unserem Gewand und unsern abgehärmten Gestalten, zu welch eingezogenem Leben deine Verbannung uns gezwungen hat. Aber bedenkst du auch, daß auf uns, die wir jetzt vor dir stehen, das Unglück schwerer lastet als auf den andern Frauen allen? Das Schicksal hat uns den süßesten Anblick zum entsetzlichen Schreckbild verzerrt, da ich meinen Sohn, Valeria ihren Gatten vor den Mauern der Vaterstadt sehen muß - als Feind! Den andern bleibt doch immer noch ein Trost auch im schlimmsten Elend und Ungemach, das Gebet zu den Göttern. Uns bringt das Beten nur neue Not, denn wir können nicht zu gleicher Zeit für das Vaterland um den Sieg und für dich um Bewahrung flehen. Was die Feinde auf uns hcrabwünschen, ach, wir müssen ja dasselbe vom Himmel erbitten. Deiner Gattin und deiner Kinder wartet das Los, die Heimat zu verlieren oder dich.

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Dieses Schicksal steht auch mir bevor, je nachdem der Krieg sich entscheidet. Aber ich werde es nicht mehr erleben. Wenn icli dich nicht bewegen kann, Eintracht und Liebe an die Stelle des unseligen Haders zu setzen, zum Wohltäter beider Völker statt zum Verderber des einen zu werden, dann bedenke und mach dich gefaßt, daß du zum Sturm auf deine Vaterstadt nicht ansetzen kannst, ehe du über die Leiche deiner Mutter hinweggeschritten bist. Ich mag nicht warten auf jenen T a g , da ich meinen Sohn vorüberziehen sehe, im T r i u m p h von seinen Mitbürgern aufgeführt oder selber triumphierend über die Stadt seiner Väter. Wenn ich dir zumuten wollte, der Rettung des Vaterlandes die Volsker aufzuopfern, dann allerdings ständest du vor einer schweren Entscheidung. Denn wer seine Mitbürger ins Verderben stürzt, bedeckt sich mit Schande; und ehrlos handelt, wer die Menschen verrät, die ihm Vertrauen geschenkt haben. Allein wir bitten jetzt um Erlösung aus N o t und Elend. Dem Wohl der Volsker ist damit nicht weniger gedient als dem unsern, doch werden sie den größeren Ruhm davontragen, weil man sagen wird, sie hätten auf der Höhe des Sieges das köstlichste Gut verschenkt, Frieden und Freundschaft, um es freilich in gleichem M a ß selber zu empfangen. Vor allem dein Verdienst wird es sein, wenn die Einigung zustande kommt. Scheitert sie, so wird man hüben und drüben dir allein die Verantwortung zuschieben. Der Ausgang des Krieges liegt im dunkeln, aber so weit sehen wir klar: erringst du den Sieg, dann bist und bleibst du der böse Geist deines Vaterlandes; verlierst du den Kampf, so wird man dir nachreden, du habest, um deinem Zorn zu frönen, namenloses Unglück über deine Wohltäter und Freunde gebracht.» 36. Solange Volumnia sprach, hörte Marcius zu, ohne ein Wort zu erwidern. Auch als sie geendet hatte, blieb er lange in Schweigen versunken stehen, bis die Mutter aufs neue begann: «Was schweigst du, mein Sohn? Ist es edel gehandelt,

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sich schrankenlos dem Zorn und der Rachsucht hinzugeben, und unedel, der Mutter zu willfahren, -welche mit solch ernster Bitte zu dir kommt? Oder ziemt es einem großen Mann, erlittenes Unrecht stets vor Augen zu haben, aber in Ehrfurcht der Wohltaten zu gedenken, die wir als Kinder von den Eltern empfingen, dessen sollte sich ein hochgesinnter, edler Charakter schämen? Wahrlich, keinem wie dir steht es an, der Dankbarkeit die Ehre zu geben, da du den Undank so grausam verfolgst. Von deiner Vaterstadt hast du dir reichliche Genugtuung eingetrieben, der Mutter hingegen bist du den Dank immer noch schuldig. Deine heiligste Pflicht wäre es gewesen, meine so billige und gerechte Bitte ohne Nötigung zu erfüllen. Aber da ich dich nicht bewegen kann, was scheue ich mich vor dem letzten Mittel, das mir noch Hoffnung läßt?» Mit diesen Worten warf sie sich vor ihm nieder, und mit ihr seine Gattin und die Kinder. Da schrie Marcius auf: « Mutter, was hast du mir angetan!», hob sie empor und sagte, ihre Rechte umklammernd: « Du hast gesiegt, dem Vaterland zum Glück, mir zum Verderben. Ich ziehe ab, von dir, allein von dir überwunden.» Darauf verbrachte er noch eine kleine Weile mit Mutter und Gattin in persönlichem Gespräch und entließ sie dann, wie sie es wünschten, nach Rom. Er selber brach am andern Morgen mit den Volskern auf. Die Meinungen im Heer waren geteilt. Die einen schalten auf den Feldherrn und seinen Entschluß, andere, denen Versöhnung und Friede am Herzen lagen, sahen keinerlei Anlaß zum Tadel. Nicht wenige machten aus ihrem Unwillen über das Geschehene kein Hehl, doch fiel es ihnen nicht ein, Marcius einer Gemeinheit zu verdächtigen. Was er getan, erschien ihnen verzeihlich, weil übermächtiger Zwang seinen Willen gebrochen hatte. So hörte man kein Wort des Widerspruchs, alle fügten sich dem Befehl, denn sie achteten in Marcius nicht so sehr den allgewaltigen Feldherrn als den aufrechten Mann.

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37. Jetzt, da der Krieg ein Ende gefunden, gaben die Römer noch deutlicher als während des Konfliktes zu erkennen, welche A n g s t sie ausgestanden, in welchcr Gefahr sie geschwebt hatten. Kaum bemerkten die Posten auf der Mauer den Aufbruch der Volsker, da öffneten sich auch schon die T o r e der T e m p e l , und die Bürger strömten zum O p f e r herbei, bekränzt wie zu einer Siegesfeier. Doch zeigte sich die Freude der Stadt nirgends schöner als in der Liebe und V e r e h r u n g , welche Senat und Volk den Frauen entgegenbrachten. Alle waren von der Ü b e r z e u g u n g beseelt und sagten es frei heraus, daß man nur ihnen die R e t t u n g der Stadt zu verdanken habe. Ein Senatsbeschluß verpflichtete die Konsuln, den Frauen nichts zu versagen, was immer sie sich zu Ehre und Dank erbitten sollten. Allein sie hatten nur den einen W u n s c h , daß man der Glücksgöttin der Frauen einen T e m p e l errichte; sie selber wollten das Geld für den Bau zusammenlegen, während die Stadt für die Mittel aufkommen sollte, welche die Opfer und ein würdiger Gottesdienst verlangten. Der Senat war des Lobes voll über den Eifer der Frauen, errichtete aber T e m p e l und Standbild gleichwohl auf öffentliche Kosten. Doch ließen es sich die Frauen nicht nehmen, unter sich eine Summe Geldes zusammenzusteuern und ein zweites Götterbild zu stiften. Als man es im Tempel aufstellte, ließ es, wie die Römer erzählen, die Worte vernehmen: «Ihr Frauen, nach gottgefälligem Brauche habt ihr mich g e w e i h t . ' » 38. Man fabelt sogar, daß die Stimme sich zweimal habe hören lassen, und will uns damit Dinge einreden, die wohl nie vorgekommen und schwer zu glauben sind. Wenn man G ö t terbilder gesehen hat, welche sich mit S c h w c i ß bedeckten oder Tränen, ja Blutstropfen vergossen, so ist das nicht unmöglich; denn auf Gegenständen von H o l z und Stein bildet sich ja oft ein Schimmel, welcher F e u c h t i g k e i t erzeugt. Sie bekommen auch von selber mancherlei Flccken oder nehmen

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Färbungen an aus der Luft, die sie umgibt. Und was sollte die Gottheit hindern, auf solche Weise gelegentlich ein Zeichen zu geben ? Es ist auch möglich, daß Standbilder Geräusche hören lassen, die einem Ächzcn oder Stöhnen ähnlich klingen. Ein Riß kann die Ursache sein oder ein Auseinanderklaffen der inneren Teile. Daß aber artikulierte Laute, klar und deutlich ausgesprochene Worte sich in einem unbeseelten Gegenstand formen können, steht außerhalb jeder Möglichkeit. Ist es doch der Seele, ja selbst der Gottheit versagt, sich vernehmlich zu machen und zu sprechen, da ihnen der lebendige Leib mit seinen Sprechwerkzeugen fehlt. Wo uns aber die Geschichte in eine Zwangslage versetzt, weil eine große Zahl vertrauenswürdiger Zeugen die Überlieferung erhärtet, da schenken wir schließlich einem Geschehnis Glauben, das hervorstieg aus der Einbildungskraft der Seele und mit der sinnlichen Wahrnehmung wenig mehr zu tun hat, wie wir etwa im Schlaf zu hören glauben, ohne zu hören, zu sehen vermeinen, ohne zu sehen. Menschen freilich, die eine innige Liebe leidenschaftlich zu Gott hinzieht, denen es nicht möglich ist, derartige Erscheinungen zu verwerfen oder zu leugnen, solche Menschen finden eine Bestätigung ihres Glaubens gerade im Wunderbaren und Unbegreiflichen der göttlichen Macht. Denn mit menschlicher Art hat Gott nichts gemein, weder im Wesen noch in der Bewegung, weder im Wirken noch in der Stärke, und es darf uns nicht befremden, wenn er tut, was wir nicht tun können, und wirkt, was unserem Wirken versagt ist, im Gegenteil: da er so ganz und gar andern Wesens ist als wir, muß der Unterschied gerade in den Werken am stärksten zutage treten.« Wenn sich das Göttliche », sagt Heraklit,« unserm Erkennen fast völlig entzieht, so deshalb, weil der Glaube fehlt'.» 39. Als Marcius aus dem Felde nach Antium zurückkehrte, faßte Tullus den Entschluß, ihn ohne Verzug aus dem Wege

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zu räumen; denn Haß und Neid wühlten schon lange in ihm, und er war überzeugt, daß sich eine zweite Gelegenheit nicht inchr bieten werde, wenn sich Marcius diesmal seinem Zugriff entzöge. So begann er weitherum gegen ihn zu hetzen und trat mit der Forderung auf, Marcius solle sein Amt niederlegen und sich vor den Volskern rechtfertigen. Dieser hatte Bedenken, in den Stand eines Privatmannes zurückzutreten, solange Tullus die Feldherrnwürde und mit ihr die entscheidende Machtstellung im Staate behielt. Deshalb erklärte er, er werde den Volskern sein Amt zurückgeben, wenn sie es verlangen sollten, wie er es auf ihr Verlangen übernommen habe; den Bürgern von Antium aber, welche jetzt schon Rechenschaft von ihm forderten, werde er ohne Weigerung Rede und Antwort stehen. Als das Volk versammelt war, standen die von Tullus gewonnenen Rädelsführer auf, um die Menge aufzuhetzen. Aber sobald sich Marcius erhob, dämpfte die Ehrfurcht vor ihm das wilde Getümmel, so daß er ohne Bedenken sprechen konnte. Und weil die aufrechten Antiaten, jene Männer, welche den Frieden freudig begrüßten, ohne Scheu zu erkennen gaben, daß sie ihn wohlwollend anhören und ein gerechtes Urteil fällen würden, ward es Tullus angst vor der Verteidigung seines Gegners. Denn Marcius war ein Redner von hinreißender Kraft, und seine früheren Taten standen so hoch in der Gunst des Volkes, daß die spätere Verschuldung dagegen verblaßte, ja noch mehr: die Anklage war geradezu ein Beweis für die Größe der Dankesschuld, welche die Volsker ihm abzutragen hatten. Gewiß, die Eroberung Roms war mißglückt; aber keinem wäre es eingefallen, darin ein Unrecht zu sehen, hätte nicht Marcius dieses Ziel in greifbare Nähe gerückt. Deshalb entschloß sich Tullus, rasch zu handeln und gar nicht erst hinzuhorchen auf die Meinung des Volkes. Die verwegensten Heißsporne unter den Verschworenen begannen miteins zu lärmen, es sei unerträglich für die

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Volsker, zu hören und zu sehen, wie der Verrräter den Tyrannen spiele, sein Feldherrnamt nicht aus den Händen geben wolle. Und in dichter Rotte stürzten sie auf Marcius los und schlugen ihn nieder, ohne daß sich in der Menge auch nur eine Hand zu seinem Schutze gerührt hätte. Doch wurde bald offenbar, daß die große Mehrheit der Volsker die T a t mißbilligte. Denn aus allen Städten strömten die Menschen herbei, den Toten zu sehen, und nachdem sie ihn ehrenvoll bestattet hatten, schmückten sie sein Grab mit Waffen und Beutestücken, damit es ausgezeichnet sei als Ruhestätte eines großen Helden und Heerführers. Als die Römer von Marcius' Ende erfuhren, unterließen sie jede Ehrung des Toten, aber auch jede Äußerung des Zorns; doch gaben sie den Bitten der Frauen nach und gestatteten, daß er zehn Monate von ihnen betrauert werde, wie es die Sitte beim Hinschied eines Vaters, Sohnes oder Bruders verlangte. Denn nach der Bestimmung des Numa Pompilius, von der ich in seinem Leben gesprochen habe (Kap. 12), durfte die Trauerzeit unter keinen Umständen länger ausgedehnt werden. Nur zu rasch überkam die Volsker das Heimweh nach Marcius. Zuerst entzweiten sie sich wegen des Oberkommandos mit den Äquern, ihren Freunden und Bundesgenossen, und es kam zu blutigem Gemetzel. Darnach wurden sie von den Römern in einer Schlacht besiegt, welche Tullus das Leben kostete und die Blüte ihres Heeres dahinraffte. So mußten sie sich zu einem schimpflichen Frieden bequemen, die Oberhoheit der Römer anerkennen und ihren Befehlen Gehorsam leisten.

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Das Geschlecht des Alkibiades soll aufwärts bis auf Eurysakes, den Sohn des Aias, als ältesten Ahnherrn zurückgehen, und mütterlicherseits war er Alkmaionide, Sohn der Deinomache, Tochter des Megakles. Sein Vater Kleinias kämpfte ruhmvoll auf selbstausgerüsteter Triere bei Artemision und fiel später bei Koroneia im Kampf gegen die Boioter 1 . Die Vormundschaft über Alkibiades führten als seine Verwandten Perikles und Ariphron, die Söhne des Xanthippos. Nicht mit Unrecht sagt man ferner, daß ihm die Liebe und Freundschaft des Sokrates nicht geringen Gewinn für seinen Ruhm eingetragen habe, wenn uns nämlich von keinem der Männer, die zu gleicher Zeit wie er berühmt waren, Nikias, Demosthencs und Lamachos, Phormion, Thrasybulos und Theramenes, auch nur der Name der Mutter bekannt ist, während wir von Alkibiades sogar die lakonische Amme, Amykla, und den Pädagogen, Zopyros, mit ihren Namen kennen, deren ersten Antisthenes, den zweiten Piaton 1 berichtet hat. Von seiner körperlichen Schönheit brauche ich wohl nicht mehr zu sagen, als daß ihr Reiz ihn auf jeder Altersstufe mit seiner Blüte begleitete und als Knaben, Jüngling und Mann gleich liebenswert und wohlgefällig machte. Denn nicht an allen Schöncn ist, wie Euripides behauptet, auch der Herbst schön 5 , sondern nur Alkibiades ist dies, neben wenigen anderen, dank der edlen Veranlagung und Vollkommenheit seines Körpers zuteil geworden. An seiner Stimme soll sogar das Lispeln nicht unangenehm berührt, sondern wie ein begleitender Reiz seinem Plaudern Überzeugungskraft verliehen haben.

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Sein Lispeln erwähnt auch Aristophanes in den Versen, mit denen er Theoros verspottet 1 : « Da sagte lispelnd zu mir Alkibiades: Gewahlst du den Theolos ? Er hat einen Labenkopf. Sehr treffend hat das Alkibiades gelispelt.» Und Archippos, wo er den Sohn des Alkibiades verspottet, s a g t 1 : «Da geht er, von Weichlichkeit zerflossen, den Mantel nachschleppend», und damit er dem Vater recht ähnlich sieht, k trägt wie gebrochen schräg den Nacken er und lispelt». 2. Sein Charakter zeigte später, wie es bei großen Ereignissen und vielgestaltigen Schicksalen natürlich ist, viele Widersprüche in sich und Wandlungen. Viele große Leidenschaften lagen in seiner Natur, die stärkste aber war der Ehrgeiz und die Sucht, der erste zu sein, wie sich schon an den KnabenStreichen zeigt, die von ihm berichtet werden. Als er einmal beim Ringen stark gepreßt wurde, zog er, um nicht zu Fall Zu kommen, die ihn umschlingenden Arme des Gegners an seinen Mund und war drauf und dran, seine Hände durchzubeißen. Als der darauf den Griff lockerte und sagte: «Du beißt ja, Alkibiades, wie die Weiber!», erwiderte er: «Nein, sondern wie die Löwen!» Als er noch klein war, spielte er einmal in der engen Gasse mit Knöcheln, und als er gerade zum Wurf an der Reihe war, kam ein Lastwagen auf ihn zugefahren. Zuerst befahl er jetzt dem Fahrer des Wagens anzuhalten, denn der Wurf war gerade ins Fahrgelcise gefallen. Als aber der Fuhrmann, grob, wie er war, nicht hörte, sondern losfuhr, machten die anderen Knaben Platz, Alkibiades aber warf sich vor dem Wagen aufs Gesicht, streckte sich lang und rief, er solle ihn nur, wenn er wolle, überfahren, so daß der Mann Angst bekam und den Wagen zurückzog, während die Leute, die es sahen, erschraken und schreiend auf ihn zugelaufen kamen. Als es ans Lernen ging, gehorchte er den anderen Lehrern

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willig, das Flötespielen aber lehnte er ab als unfein und eines Freien unwürdig. Das Schlagholz und die Lyra zu handhaben, tue der Haltung und der Miene, die sich für den Freien schicke, keinen Abbruch; aber wenn ein Mensch mit seinem Munde die Flöte bliese, dann könnten selbst seine guten Freunde mit Not sein Gesicht wiedererkennen. Auch begleite die Lyra Stimme und Gesang dessen, der sie spiele, die Flöte hingegen verschließe ihm den Mund, sperre ihm die Stimme und nehme ihm die Möglichkeit zu sprechen. «Sollen doch die Söhne der Thebaner Flöte spielen, denn reden können sie ja nicht. Wir Athener aber haben, wie die Väter uns sagen, Athena zur Gründerin unseres Staates, und Apollon ist unser väterlicher Gott; sie hat die Flöte weggeworfen und er gar dem Flötenspieler die Haut abgezogen 1 .» Mit solchen Worten, halb im Scherz und halb im Ernst gesprochen, machte Alkibiades sich selbst von diesem Lernstoff frei und auch die anderen, denn schnell lief bei der Jugend das Wort um, Alkibiades habe ganz recht, daß er das Flötenspiel verabscheue und diejenigen verhöhne, die es lernten. So schied die Flöte ganz und gar aus den für einen Freien schicklichen Beschäftigungen aus und verfiel der Verachtung. 3. In den Schmähungen Antiphons' gegen Alkibiades ist gesagt, daß er als Knabe aus dem Hause zu Demokrates, einem seiner Liebhaber, entwichen sei. Da Ariphron ihn öffentlich ausrufen lassen wollte, habe Perikles das nicht zugelassen mit der Begründung: sei er tot, so werde das durch den öffentlichen Ausruf einen T a g früher bekannt werden; lebe er aber noch, so werde dann sein künftiges Leben unleidlich sein. Ferner behauptet Antiphon, er habe einen seiner Diener in der Ringschule des Sibyrtios mit einem Holzknüttel erschlagen. Aber was einer gesagt hat, der ihm zugestandenermaßen aus Feindschaft Böses nachsagen will, das ist wohl nicht glaubwürdig. 4. Als sich nun schon viele vornehme Leute um ihn sammel-

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tcn und ihm den Hof machten, war es deutlich, daß die anderen von seiner strahlenden Schönheit erschüttert waren und ihm deshalb huldigten; die Liebe des Sokrates aber war ein starkes Zeugnis für die treffliche Veranlagung des Knaben zum Guten, die er in seiner Erscheinung sich ausprägen und hervorleuchten sah. Da er aber den Reichtum, das hohe Ansehen der Familie und die Schar von Bürgern, Fremden und Verbündeten fürchtete, die den Knaben durch Schmeicheleien und Gefälligkeiten zu gewinnen suchten, so machte er es sich zur Aufgabe, ihn dagegen zu beschützen und nicht zuzulassen, daß er wie ein Baum während der Blüte die ihm wesenseigene Frucht abwerfe und verderbe. Denn keinen kann das Glück mit seinen sogenannten Gütern dermaßen von außen umschirmen und umpanzern, daß er unverwundbar würde für die Philosophie und unzugänglich für Reden, die mit dem Stachel der Wahrheit ausgerüstet sind. So geschah es denn, daß Alkibiades, obschon er von Anfang an verhätschelt und von den ihn umdrängenden Schmeichlern gehindert wurde, auf die Stimme des Warners und Erziehers zu hören, doch dank seiner edlen Veranlagung den Ring der reichen und vornehmen Liebhaber durchbrach und Sokrates erkannte und an sich zog. Schnell machte er sich ihn zum Freunde, und wenn er seine Reden hörte, Reden eines Mannes, der nicht nach der eines rechten Mannes unwürdigen Wollust des Liebhabers verlangte noch um Küsse und körperliche Berührung bettelte, sondern den Finger auf die dunklen Flecke in seiner Seele legte und den hohlen, unvernünftigen Dünkel in ihm geißelte, «dann zog geduckt der stolze Hahn die Flügel ein» 1 . Dann dünkte ihn das Tun des Sokrates wahrhaft ein Gottesdienst zu Nutz und Frommen der Jugend, dann verachtete er sich selbst, bewunderte er den Lehrer, freute sich seines freundlichen Bemühens, blickte mit scheuer Verehrung auf

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seine T u g e n d ; und so entstand unmerklich in ihm das Widerspiel der Liebe, wie Piaton 1 es nennt, die Gegenliebe, so daß alle staunten, wenn sie iahen, wie er mit Sokral.cs speiste, turnte und sein Zelt teilte, während er sich gegen die anderen Liebhaber spröde und unnahbar zeigte, manchen sogar äußerst hoffartig begegnete, so Anytos, dem Sohne des Anthemion 1 . Dieser war in Alkibiades verliebt, und als er einmal Gäste bei sich bewirtete, lud er auch ihn zum Mahle. Der lehnte die Einladung ab, bezechte sich in seinem eigenen Haus und zog mit seinen Gefährten in schwärmendem Z u g e zu Anytos, und als er, an die Türen des Speisesaales getreten, die Tische mit silbernen und goldenen Trinkgefäßen besetzt sah, befahl er seinen Dienern, die Hälfte davon zu nehmen und in sein Haus zu bringen; aber einzutreten verschmähte er und zog nach dieser Heldentat davon. Als jetzt die Gäste sich entrüsteten und fanden, daß Alkibiades sich übermütig und hochfahrend gegen Anytos benommen habe, sagte dieser: « O nein, sondern gnädig und menschenfreundlich, denn wo er alles hätte nehmen können, hat er mir doch einen Teil da gelassen.» 5. Ebenso verfuhr er auch mit den anderen Liebhabern, außer - so wird berichtet - mit einem Manne, einem Halbbürger, der nicht viel besaß, aber alles verkaufte und den erzielten Erlös, an hundert Stateren', Alkibiades brachte und ihn bat, sie zu nehmen. Der hatte seine Freude daran, lachte und lud ihn zum Essen. Nachdem er ihn freundlich empfangen und bewirtet hatte, gab er ihm das Geld zurück und gab ihm den Auftrag, am folgenden Tage die Pächter der staatlichen Zölle zu überbieten. Als der Mann das ablehnen wollte, weil die Pachtsumme viele Talente betrug, drohte er ihn durchzupeitschen, wenn er es nicht täte; denn er hatte den Zollpächtern aus einem persönlichen Grunde etwas am Zeuge zu flikken vor. Am folgenden Morgen also ging der Halbbürgcr auf den Markt und überbot die gebotene Pachtsumme um ein T a -

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lent. A l s sich nun die Zollpächter verärgert zusammentaten und ihn aufforderten, seinen Bürgen zu nennen, in der Erwartung, d a ß er keinen finden würde, und der M a n n sich erschreckt zurückziehen wollte, da rief Alkibiades, der in einiger E n t f e r n u n g stand, den Archonten z u : «Schreibt m i c h auf! Er ist mein Freund, ich b ü r g e . » Als das die Zollpächter hörten, gerieten sie alle in große Verlegenheit. Denn da sie g e w ö h n t waren, m i t der zweiten Pacht die erste Pachtschuld abzulösen, so sahen sie j e t z t keine Möglichkeit, aus der Sache herauszukommen. Sie baten also den Mann zurückzustehen und boten ihm G e l d dafür, doch Alkibiades gestattete ihm nicht, w e n i ger z u nehmen als ein T a l e n t , und erst als sie sich verpflichteten, das T a l e n t zu geben, hieß er ihn, es zu nehmen und zurückzutreten. A u f diese Weise bereicherte er ihn. 6. Da nun die Liebe z u Sokratcs viele und starke N e b e n buhler gegen sich hatte, so t r u g sie zwar oft in Alkibiades den Sieg d a v o n , weil dank seiner edlen A r t Sokratcs' W o r t e ihn doch packten, ihm ans H e r z rührten und T r ä n e n entlockten 5 zuweilen aber g a b er sich doch den Schmeichlern in die Hände, die ihm vielerlei Genüsse vorgaukelten, e n t g l i t t Sokrates, lief ihm davon und w u r d e geradezu wieder g e j a g t , weil er doch allein ihm gegenüber das Gefühl der Scheu u n d der Ehrfurcht hatte und alle anderen verachtete. N u n hat ja Kleanthes 1 gesagt, der Geliebte werde von ihm nur mit Hilfe der Ohren festgehalten, während die Nebenbuhler noch viele andere Griffe gegen ihn anwenden könnten, die ihm v e r w e h r t seien, w o m i t er M a g e n , Geschlecht und Kehle m e i n t e ; Alkibiades seinerseits war g e w i ß auch durch Genüsse verführbar; wenigstens legt das von T h u k y d i d e s ( V I 15) in b e z u g auf ihn gebrauchte W o r t von seinem ausschweifenden Lebenswandel einen solchen Vcrdacht nahe. Noch mehr aber hielten seine Verdcrber sich an seinen Ehrgeiz und seine R u h m b e g i e r und wandten seinen Sinn, ehe es noch an der Z e i t war, auf hoch-

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fliegende Pläne, indem sie ihm vorzureden suchten, sowie er sich nur der Politik zu widmen begänne, würde er nicht nur die anderen militärischen und politischen Führer sofort in Schatten stellen, sondern auch die Macht und den Ruhm, den Perikles unter den Hellenen genossen habe, überbieten. Wie nun das Eisen, wenn es im Feuer weich geworden ist, durch die Kälte alsbald wieder zur Festigung gebracht wird und seine Teile sich von neuem zusammenschließen, so stauchte Sokrates den Alkibiades, wenn er ihn von Üppigkeit und Eitelkeit aufgebläht in die Hände bekam, durch seine Worte wieder zusammen und machte ihn verzagt und demütig, wenn er erkannte, wieviel ihm noch an der erstrebten Vollkommenheit fehlte. 7. Als er das Knabenalter hinter sich gelassen hatte, trat er einmal in die Schule eines Elementarlehrers und verlangte ein Buch Homers, und als der Lehrer sagte, er habe keins von Homer, versetzte er ihm eine Ohrfeige und ging weiter. Z u einem andern, der ihm sagte, er habe einen von ihm verbesserten Homer, sagte er: «Und dann gibst du Elementarunterricht, wenn du den Homer zu bessern imstande bist, und erziehst nicht die Jünglinge?» Als er einmal Perikles besuchen wollte, kam er vor seine Tür, und als man ihm sagte, Perikles habe keine Zeit, er bereite sich darauf vor, den Athenern Rechenschaft abzulegen, da sagte Alkibiades im Weggehen: «Wäre es nicht besser, er wäre darauf bedacht, den Athenern keine Rechenschaft abzulegen 1 ? » Noch als ganz junger Mensch machte er den Feldzug gegen Potidaia* mit und hatte dabei Sokrates zum Zeltgenossen und zum Nebenmann bei den Kämpfen. In einem heftigen Gefecht zeichneten sich beide aus, und als Alkibiades eine Wunde empfing, trat Sokrates vor ihn, verteidigte ihn und rettete ihm ganz offensichtlich das Leben und erhielt ihm seine Waffen. Nach klarem Recht also gebührte Sokrates der Preis der Tap-

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ferkeit. Als nun aber die Feldherren augenscheinlich geneigt waren, dem Alkibiades wegen seiner Vornehmheit die Ehre zuzuwenden, trat Sokrates in dem Wunsche, das Ehrgefühl für rühmliches Tun in ihm zu stärken, als erster Zeuge fiir ihn auf und verlangte, daß ihm Kranz und Waflenrüstung verliehen werde. Als dann die Schlacht bei Delion 1 geschlagen war und die Athener flohen, ritt Alkibiades, der zu Pferde war, während Sokrates sich mit wenigen anderen zu Fuß zurückzog, nicht vorüber, als er ihn sah, sondern geleitete und schützte ihn gegen die Feinde, die andrängten und viele niedermachten. Dies geschah jedoch später. 8. Hipponikos, dem Vater des Kallias, der infolge seines Reichtums und seiner edlen Abkunft hohes Ansehen genoß und großen Einfluß hatte, gab er eine Ohrfeige, nicht im Zorn oder infolge eines Streites, sondern zum Spaß wegen einer Wette mit seinen Freunden. Als nun von dieser Frechheit in der Stadt ein großes Gerede war und alle sich, wie natürlich, mit dem Beleidigten entrüsteten, erschien Alkibiades am frühen Morgen vor dem Hause des Hipponikos, klopfte an die Tür, trat ein, legte sein Gewand ab und stellte sich zur Verfugung mit der Aufforderung, ihn zu peitschen und zu bestrafen. Hipponikos aber ließ seinen Groll fahren und verzieh ihm, machte ihn später sogar zum Gatten seiner Tochter Hipparete. Einige freilich berichten, nicht Hipponikos, sondern sein Sohn Kallias habe dem Alkibiades Hipparete gegeben mit einer Mitgift von zehn Talenten, und als sie darauf Mutter geworden sei, habe Alkibiades weitere zehn Talente gefordert mit der Behauptung, dies sei abgemacht worden für den Fall, daß Kinder kämen. Daraufhin flüchtete Kallias, einen Anschlag gegen sein Leben fürchtend, vor das Volk und vermachte ihm sein Vermögen und sein Haus für den Fall, daß er stürbe, ohne Nachkommenschaft zu hinterlassen. Hipparete war sittsam und liebte ihren Mann, aber da sie von ihm durch

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seinen ständigen U m g a n g mit fremden Hetären und attischen Bürgerinnen in ihrer Hausfrauenehre gekränkt w u r d e , verließ sie sein Ilaus und begab sich zu ihrem Bruder. Als sich Alkibiades nicht daran kehrte, sondern seinen anstößigen Lebenswandel fortsetzte, mußte sie nun den Scheidebrief bei dem Archon einreichen, aber nicht durch andere, sondern persönlich erscheinend. Als sie nun erschien, um dies dem G e s e t z gemäß zu tun, trat Alkibiades herzu, packte sie und schleppte sie quer über den M a r k t zu seinem Hause, ohne daß irgendein M e n s c h w a g t e , ihm entgegenzutreten und sie ihm abzunehmen. So blieb sie denn bei ihm bis zu ihrem T o d e , und z w a r starb sie nicht lange Z e i t , nachdem Alkibiades nach Ephesos gesegelt w a r 1 . Übrigens galt diese G e w a l t t a t als nicht so ganz sittenwidrig noch menschlichem G e f ü h l widersprechend, denn das G e s e t z scheint deswegen eine Frau, die ihren M a n n verlassen hat, zum Erscheinen in der Öffentlichkeit zu nötigen, damit der Mann die Möglichkeit hat, sie anzutreffen und sich ihrer zu bemächtigen. 9. Er hatte einen H u n d von ungewöhnlicher G r ö ß e und Schönheit, den er für siebzig Minen gekauft h a t t e ; dem schnitt er seinen besonders schönen Schwanz ab, und als seine Freunde ihn deshalb tadelten und sagten, allen Leuten täte es leid um den H u n d und sie schimpften auf ihn, da lachte er und sagte: « Dann geschieht ja gerade, was ich will. Ich will nämlich, daß die Athener hierüber sprechen, damit sie nicht noch Schlimmeres über mich reden.» 10. Sein erstes Auftreten in der Öffentlichkeit v o l l z o g sich, so wird berichtet, bei Gelegenheit einer freiwilligen Besteuerung, aber ohne daß er darauf vorbereitet war, sondern er habe, als er einmal im Vorübergehen die Athener laut lärmen hörte, nach der Ursache des Lärms gefragt, und als er hörte, daß es sich um freiwillige Selbstbesteuerung handelte, sei er hinzugetreten und habe einen Beitrag geleistet; da nun das

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Volk ein freudiges Beifallsgeschrei erhob, habe er die Wachtel vergessen, die er gerade unterm Mantel trug; sie sei scheu geworden und davongeflogen, und darauf hätten die Athener noch lauter geschrien, und viele seien aufgesprungen und hinter dem Vogel hergejagt, und gefangen habe ihn der spätere Steuermann Antiochos und zurückgebracht, wodurch er sich dem Alkibiades zum liebsten Freunde gemacht habe. Obschon ihm nun sein Adel, sein Reichtum und seine in den Schlachten bewiesene Tapferkeit glänzende Aussichten für die politische Laufbahn eröffneten und viele Freunde und Verwandte ihm zur Seite standen, so wünschte er doch durch nichts so sehr Einfluß bei der Menge zu gewinnen wie durch die Macht der Beredsamkeit. Daß er ein tüchtiger Redner war, das bezeugen die Komiker und der gewaltigste der Redner, wenn er in der Rede gegen Meidias sagt 1 , Alkibiades habe neben seinen anderen Gaben auch die einer glänzenden Beredsamkeit besessen. Wenn wir aber Theophrast glauben, einem Manne, belesen und geschichtskundig wie nur irgendein Philosoph, so war Alkibiades vor allen anderen befähigt, das Notwendige zu erkennen und zu erfassen; wenn er aber suchte, nicht nur was, sondern auch wie er es zu sagen hatte, dann standen ihm oft die rechten Worte nicht gleich zur Verfugung, so daß er stolperte, mitten im Reden verstummte und eine Pause machte, weil ihm der rechte Ausdruck fehlte, von neuem ansetzte und nach Worten suchte. 1 1 . Sein Rennstall wurde weltberühmt auch durch die Menge der Wagen, die er hielt. Sieben ließ kein anderer, weder Privatmann noch auch König, in Olympia laufen, sondern nur er, und daß er den ersten, den zweiten und den vierten Preis errang, wie Thukydides, oder den dritten, wie Euripides sagt, das stellt an Glanz und Ruhm alles in den Schatten, was andere auf diesem Gebiet erstrebt und erreicht haben. Darüber singt Euripides in seinem Preislied':

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GAIUS M A R C 1 U S UND A L K I B I A D E S

« Dich preis' ich hoch, Sohn des Kleinias. Schön ist der Sieg, schöner noch, W a s kein andrer der Griechen e r r a n g :

Erster zu sein im Wagenrennen und zweiter und dritter, Mühlos zu schreiten, mit doppeltem Ölzweig bekränzt, Während der Herold mit schallendem Ruf den Sieg verkündet.» 12. Diesen Ruhmesglanz erhöhte noch das wetteifernde Bemühen der Städte: ein prächtig geschmücktes Zelt errichteten für ihn die Ephesier, Futter für die Pferde und eine Menge Schlachtvieh lieferte die Gemeinde Chios, Wein und alles sonst Erforderliche für die üppigen Bewirtungen, die er für viele Menschen veranstaltete, die Lesbier. Indes bot dann eine Verleumdung oder eine wirkliche Unanständigkeit, die im Zusammenhang mit diesen ehrgeizigen Bestrebungen vorfiel, noch mehr Anlaß zum Reden. Es lebte nämlich, heißt es, in Athen ein gewisser Diomedes, kein schlechter Mann, ein Freund des Alkibiades, der gern einen olympischen Sieg gewinnen wollte. Als er nun hörte, daß die Argiver ein Gespann im öffentlichen Besitz hatten, und wußte, daß Alkibiades in Argos großen Einfluß und viele Freunde hatte, beredete er ihn, das Gespann für ihn zu kaufen. Alkibiades vollzog den Kauf, aber für sich selbst, und ließ den Diomedes ablaufen, der sich schwer entrüstete und Gotter und Menschen als Zeugen anrief. Offenbar hat auch ein Prozeß deswegen stattgefunden, und Isokrates hat eine Rede « über das Gespann » für den Sohn des Alkibiades verfaßt, in der aber Teisias, nicht Diomedes, der Klagende ist'. 13. Als er nun als noch recht junger Mann in das politische Leben eintrat, drängte er die anderen Demagogen alsbald in den Hintergrund, hatte aber zu kämpfen mit Phaiax, dem Sohne des Erasistratos, und Nikias, dem Sohne des Nikeratos, von denen letzterer schon in vorgerückten Jahren war und

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für einen tüchtigen Feldherrn galt, während Phaiax wie er selbst erst im Anfang seines Aufstiegs war und von angesehenen Eltern stammte, aber in anderen Dingen sowohl wie in der Redegabe der Schwächere war. Denn er war wohl liebenswürdig und gewandt im persönlichen Umgang, aber nicht befähigt, in der Öffentlichkeit Kämpfe durchzufechten. Er war, wie Eupolis sagt: «Ein guter Plauderer wohl, doch gar kein Redner 1 .» Es ist auch eine Rede erhalten, betitelt «Phaiax gegen Alkibiades», in der unter anderem geschrieben steht, daß Alkibiades all das goldene und silberne Gerät, das die Stadt in großer Menge für festliche Gelegenheiten besaß, als wäre es sein Eigentum, für seinen täglichen Gebrauch benützt habe. Da war ferner ein gewisser Hyperbolos von Perithoidai 1 , den auch Thukydides (VIII 73, 3) als einen schlechten Menschen erwähnt und der auch allen Komikern ständig als Zielscheibe ihres Spottes auf der Bühne diente. Aber er ließ sich durch Schmähungen nicht erschüttern und war dafür unempfindlich aus Mangel an Ehrgefühl - eine Schamlosigkeit und Abgebrühtheit, die manche Mut und Mannhaftigkeit nennen und war eigentlich keines Menschen Freund, doch bediente das Volk sich seiner oft, wenn es die angesehenen Männer verhöhnen und schikanieren wollte. Von ihm dazu angestiftet, ging es also damals daran, ein Scherbengericht zu halten, mittels dessen sie jeweils den angesehensten und einflußreichsten Bürger, um ihm seine Macht zu nehmen, außer Landes schikken, mehr um ihrem Neid als ihrer Furcht Genüge zu tun. Da es nun klar war, daß das Scherbengericht einen von diesen dreien treffen würde, trat Alkibiades mit Nikias in Verbindung, vereinigte die beiden Gefolgschaften und wendete so die Spitze des Scherbenurteils gegen Hyperbolos. Wie einige jedoch sagen, verständigte er sich nicht mit Nikias, sondern

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mit Phaiax, z o g dessen A n h a n g an sich und bewirkte so die Verbannung des Hyperbolos, der darauf nicht gerechnet hatte; denn kein minderwertiger Mensch ohne Ansehen pflegte dieser Strafe zu verfallen, wie denn auch der Komiker Piaton gesagt hat, w o er Hyperbolos erwähnt: « S o war die Strafe, die ihn traf, zwar wohlverdient, U n d wiederum hat dieser Schuft sie nicht verdient: Denn nicht für seinesgleichen ward die Scherb' e r f u n d e n 1 . » Doch ist an anderer Stelle genauer mitgeteilt, was hierüber berichtet w i r d 1 . 14. Indes w u r m t e den Alkibiades die A c h t u n g , die Nikias bei den Feinden genoß, nicht weniger als die Ehre, die ihm von den Bürgern erwiesen wurde. Denn er war der Gastfreund der Lakedaimonier von Staats wegen und hatte für ihre bei Pylos gefangenen Männer Sorge getragen. Da sie nun, nachdem sie vor allem durch die Bemühungen des Nikias den Frieden erlangt und die Gefangenen zurückbekommen hatten, ihn außerordentlich schätzten, da ferner unter den Griechen die Auffassung herrschte, daß Perikles den K r i e g angezettelt und Nikias ihn beendet habe, und man daher zumeist v o m Nikiasfrieden sprach, so ärgerte dies Alkibiades nicht w e n i g , und voll Neid sann er darauf, die Friedensschwüre zu brechen. Z u nächst nun, da er erfuhr, daß die Argiver aus H a ß und Furcht an A b k e h r von den Spartanern dachten, machte er ihnen heimlich Hoffnung auf Hilfe von Seiten der Athener u n d mahnte durch Botschaften und in persönlicher V e r h a n d l u n g die führenden Männer des Volkes, keine Furcht vor den Lakedaimoniern zu haben und ihnen nicht nachzugeben, sondern sich an die Athener zu halten und darauf zu rechnen, d a ß sie binnen kurzem den Frieden, den sie schon bereuten, aufgeben würden. Als jetzt die Lakedaimonier mit den Boiotern einen Bündnisvertrag schlössen und das Fort Panakton nicht dem

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Vertrage gemäß intakt, sondern geschleift den Athenern zurückgaben, schürte Alkibiades den dadurch entstandenen Zorn der Athener noch mehr und griff mit großer Schärfe den Nikias an mit der glaubhaft klingenden Beschuldigung, er habe als Feldherr die in Sphakteria abgeschnittenen Feinde selbst nicht gefangennehmen -wollen, und als andere das getan hätten, sie losgelassen und freigegeben, alles, um sich den Lakedaimoniern gefällig zu erweisen; dann habe er, obwohl er doch ihr Freund sei, sie nicht davon abgebracht, sich mit den Boiotern und Korinthern durch beschworene Verträge zu verbinden, wenn aber den Athenern einer von den Griechen Freund und Bundesgenosse sein wolle, so hindere er ihn daran, es sei denn, daß es den Lakedaimoniern genehm wäre. Als hierdurch Nikias schon arg ins Gedränge gekommen war, erschienen wie durch eine Fügung Gesandte aus Lakedaimon, die an sich schon entgegenkommende Vorschläge mitbrachten und erklärten, daß sie zu jeglicher Ubereinkunft nach Recht und Billigkeit bevollmächtigt seien. Nachdem der Rat diese Erklärungen entgegengenommen hatte und das Volk am nächsten T a g e sich versammeln sollte, war Alkibiades um den Ausgang besorgt und erreichte, daß die Gesandten sich in eine Unterhaltung mit ihm einließen. Als sie beisammen waren, sagte er: «Was geht mit euch vor, ihr Männer von Sparta? Wie hat es euch entgehen können, daß der Rat immer maßvoll und vernünftig ist gegenüber seinen Verhandlungspartnern, das Volk hingegen stets voll Übermut ist und hoch hinaus will ? Wenn ihr sagt, daß ihr mit unbeschränkter Vollmacht gekommen seid, so wird es euch zum Dank Befehle erteilen und auf euch drücken wollen. Von dieser Treuherzigkeit müßt ihr euch frei machen, und wenn ihr die Athener maßvoll finden und euch nichts wider eure Meinung abnötigen lassen wollt, so verhandelt so mit ihnen über die schwebenden Rechtsfragen, als wäret ihr nicht bevollmächtigt. Da-

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bei will ich euch den Lakedaimonicrn zuliebe beistehen.» Dies sprach er, leistete einen Eid auf seine Worte und zog sie so von Nikias ab, so daß sie ihm ganz vertrauten und den Scharfsinn und die Klugheit eines ungewöhnlichen Mannes an ihm bewunderten. Am folgenden Tage trat das Volk zusammen, und die Gesandten wurden eingeführt. Als sie nun von Alkibiades sehr liebenswürdig gefragt wurden, mit welchen Befugnissen sie gekommen seien, erklärten sie, ohne Vollmacht zu kommen. Sofort fuhr jetzt Alkibiades mit zornigem Geschrei auf sie los, als ob er nicht der Betrüger, sondern der Betrogene wäre, schalt sie Treulose, Wortbrüchige, zu keinem ehrlichen Handeln noch Verhandeln erschienen, der Rat entrüstete sich ebenfalls, das Volk zürnte heftig, und Nikias war aufs äußerste betroffen und niedergeschlagen über den Umfall der Männer und ahnte nichts von Betrug und List. 1$. Nachdem die Lakedaimonier diese diplomatische Niederlage erlitten hatten, wurde Alkibiades zum Feldherrn gewählt und gewann sofort die Argiver, Mantincer und Eleer zu Bundesgenossen der Athener. Die Art und Weise, wie er das zustande gebracht hatte, lobte zwar niemand, doch war das von ihm Geschaffte ein Meisterstück: fast die ganze Peloponnes zu veruneinigen und zu erschüttern, so viele Schilde an einem Tage bei Mantineia den Lakedaimoniern entgegenzustellen und weit weg von Athen sie in einen gefahrvollen Kampf zu verwickeln, in dem der Sieg ihnen keinen nennenswerten Gewinn einbringen konnte, eine Niederlage aber Lakedaimon nicht leicht hätte überstehen können 1 . Nach der Schlacht gingen die Tausendmänner 1 sofort daran, die Demokratie in Argos zu stürzen und die Stadt den Lakedaimoniern untertänig zu machen; die erschienen und beseitigten die Demokratie. Als aber wiederum das Volk die Waffen erhob und den Sieg davontrug, kam Alkibiades herbei, sicherte den Sieg der Demokraten und veranlaßte sie, die

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Langerl Mauern hinabzuführen und die Stadt so mit dem M e e re zu verbinden und sie ganz und gar mit dem athenischen M a c h t b l o c k z u verknüpfen. A u c h führte er aus Athen M a u rer und Steinmetzen herbei und betrieb alles mit dem größten Eifer, w o d u r c h er nicht weniger für sich als fiir die Stadt D a n k und Einfluß g e w a n n . In gleicher Weise veranlaßte er die Bürger v o n Patrai 1 , ihre Stadt durch Lange Mauern mit dem M e e r zu verknüpfen, und als jemand zu den Patreern sagte: « D i e A t h e n e r werden euch verschlingen», erwiderte A l k i b i a d e s : «Vielleicht allmählich und von den Füßen her; die Lakedaimonier aber v o m K o p f her und auf einmal.» Indessen riet er den Athenern auch, das Land in fester Hand zu halten und den Eid, den man die Epheben im Heiligtum der A g r a u l o s 1 schwören läßt, mit der T a t zu verwirklichen. Sie schwören da nämlich, Weizen, G e r s t e , Reben, Feigen- und Ö l b ä u m e als Grenzen Attikas anzusehen, womit sie angewiesen werden, das urbar gemachte und fruchttragende Land für ihr eigen anzusehen. 16. Neben solchen politischen T a t e n und W o r t e n , einer so hohen Gesinnung und überlegenen Klugheit, gewahrte man doch zugleich wieder eine große Ü p p i g k e i t der Lebensführung, Ausschweifungen bei Trinkgelagen und in LiebesafFaren, weibisches Wesen mit über den M a r k t nachschleppenden Purpurgewändern, hochmütige V e r s c h w e n d u n g , Ausschnitte im Verdeck der Kriegsschiffe, damit er weicher schlafen könnte, wenn seine M a t r a t z e auf Gurten und nicht a u f d i e Planken gelegt würde, A n f e r t i g u n g eines goldgeschmückten Schildes, der nicht ein Abzeichen im herkömmlichen Stil zeigte, sondern einen Eros mit Donnerkeil: wenn dergleichen die Vornehmen sahen, so empfanden sie neben dem G e f ü h l des A b scheus und der Entrüstung auch Furcht vor seiner N i c h t a c h tung von Sitte u n d Gesetz als vor etwas T y r a n n i s c h e m und Fremdartigem, und das Gefühl des Volkes ihm gegenüber hat Aristophanes nicht übel umschrieben, wenn er s a g t ' :

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«Es liebt und haßt ihn - und es will ihn haben» und noch stärker in der bildlichen Fassung: « Am besten keinen Löwen aufziehn in der Stadt! Zieht man ihn auf, dann heißt's, sich seinen Launen fügen.» Denn seine freiwilligen Leistungen für den Staat, für Festspiele und sonstige Zwecke, die über jedes Maß hinausgingen, der Ruhm seiner Ahnen, die Macht seiner Rede, die Schönheit und Kraft seines Körpers, verbunden mit Kriegserfahrung und Wehrhaftigkeit, bewirkte, daß die Athener ihm alle anderen Dinge zugestanden und mit Nachsicht ertrugen, indem sie seinen Übergriffen immer die mildesten Namen gaben, sie Scherze und Taten eines übersteigerten Ehrgeizes nannten. So, daß er den Maler Agatharchos' einsperrte und ihn erst reich belohnt freiließ, nachdem er ihm das Haus ausgemalt hatte; daß er den Taureas, der in Konkurrenz mit ihm die Ausstattung eines Chores übernommen hatte, aus eifersüchtiger Furcht um den Sieg verprügelte; daß er aus der Zahl der Kriegsgefangenen von Melos sich ein Mädchen heraussuchte, es zu seiner Geliebten machte und ein Kind, das sie ihm gebar, aufzog: das nannten sie Menschenfreundlichkeit! Dabei trug er die Hauptverantwortung dafür, daß die ganze waffenfähige Mannschaft der Melier niedergemetzelt wurde, da er den Antrag unterstützt hatte*. Als Aristophon' die Nemea gemalt hatte, wie sie Alkibiades auf ihrem Schoß in ihren Armen hielt, da kamen sie gerannt, schauten und waren begeistert. Die älteren Leute freilich nahmen auch daran Anstoß und sahen darin eine selbstherrliche Mißachtung der Sitte, und das Wort des Archestratos 4 schien sehr treffend, daß Griechenland zwei Alkibiades nicht würde vertragen können. Als ferner einmal der Menschenfeind Timon', da Alkibiades einen großen Tag gehabt hatte und aus der Volksversammlung ehrenvoll heimgeleitet wurde, nicht an ihm vorbeiging oder einen Bogen

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machte, wie er es bei den anderen Menschen zu tun pflegte, sondern ihm entgegentrat, die Hand schüttelte und sagte: «Das ist recht von dir, mein Sohn, daß du so heranwächst; denn du wächsest zu einem großen Unglück für alle diese Leute heran», da lachten die einen, die anderen schimpften, aber auf einige machte das Wort einen tiefen Eindruck. So schwankend war das Urteil über ihn wegen der Widersprüchlichkeit seiner Natur. 17. Auf Sizilien hatten die Athener schon zu Lebzeiten des Perikles ein Auge geworfen, und als er tot war, taten sie die ersten Schritte und schickten denen, die von den Syrakusiern bedrängt wurden, jeweils die sogenannte Unterstützung und Bundeshilfe, womit sie die Brücken für eine größere kriegerische Unternehmung schlugen 1 . Aber derjenige, der diese ihre Liebe erst recht entzündete und sie überredete, nicht stückweise und im kleinen, sondern mit einer großen Flotte ans Werk zu gehen und die Insel zu unterwerfen, war Alkibiades, indem er dem Volke große Hoffnungen vor Augen stellte und selbst dabei nach noch Höherem strebte. Denn nur für die erste Station des Feldzuges, gemessen an dem, was er im Sinne hatte, sah er Sizilien an, nicht wie die anderen fiir das eigentliche Ziel. Nikias suchte das Volk von dem Unternehmen abzubringen, weil es eine schwere Aufgabe sei, Syrakus zu nehmen; Alkibiades hingegen, der von Karthago und Libyen träumte und, wenn er die erst hätte, alsbald auch Italien und die Peloponnes zu schlucken gedachte, betrachtete Sizilien beinahe schon nur für den Waffenplatz und Aufmarschraum für den Krieg. Die jungen Leute, die sich an Hoffnungen berauschten, hatte er gleich auf seiner Seite, und sie hörten dann den älteren Leuten zu, die viel Merkwürdiges von dem Kriegsschauplatz zu erzählen wußten, so daß viele in den Ringschulen und auf den Ruhebänken saßen und den Umriß der Insel, und wie Libyen und Karthago dazu gelegen

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seien, in den Sand zeichneten. Sokrates jedoch, der Philosoph, und der Astronom Meton 1 sollen sich nichts Gutes fiir die Stadt von diesem Feldzug erwartet haben, der erste wohl, weil sein gewohnter Schutzgeist sich meldete und ihn warnte, und Meton, sei es, daß er aus Vernunftgründen um die Zukunft fürchtete, sei es, daß er irgendwie auf prophetischem Wege dazu kam, stellte sich wahnsinnig, nahm eine brennende Fackel und brachte es fertig, sein eigenes Haus anzuzünden. Einige indes sagen, wahnsinnig gestellt habe Meton sich nicht, doch habe er allerdings nachts sein Haus angezündet und sei dann morgens gekommen und habe gebeten und gefleht, man solle nach einem solchen Unglück seinen Sohn doch von der Teilnahme an dem Feldzug befreien. Und tatsächlich erreichte er durch diese Überlistung seiner Mitbürger sein Ziel. 18. Nikias wurde wider seinen Willen zum Feldherrn gewählt, obschon er nicht zum wenigsten auch wegen seines Mitfeldherrn sich dem Amt zu entziehen suchte. Denn die Athener dachten, es würde mit dem Kriege besser gehen, wenn man Alkibiades nicht ungehemmt losließe, sondern wenn seiner Kühnheit die Vorsicht des Nikias beigemischt würde. Denn auch der dritte Feldherr, Lamachos, galt, obwohl schon in vorgerückten Jahren, doch für nicht weniger feurig und waghalsig in den Schlachten als Alkibiades. Als über Umfang und Art der Ausrüstung beraten wurde, versuchte Nikias noch einmal einzuschreiten und den Krieg zu hintertreiben. Aber Alkibiades sprach dagegen und trug den Sieg davon, und der Redner Demostratos stellte den formellen Antrag, daß die Feldherren unbeschränkte Vollmacht sowohl für die Vorbereitung wie für die Führung des ganzen Krieges haben sollten. Nachdem das Volk dies beschlossen hatte und alles für die Ausfahrt bereit war, zeigten sich auch ungünstige Vorzeichen, und zwar insbesondere das Fest. Denn da die Adonisfeier auf jene Tage fiel, hatten die Frauen an vie-

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lcn O r t e n Totenbildchen auf Leichenbetten draußen aufgestellt, schlugen sich die Brust, als ob es eine wirkliche Bes t a t t u n g wäre, und sangen Trauergesänge. Die Verstümmelung der Hermensäulen aber, denen in einer N a c h t größtenteils die Gesichter zerschlagen wurden, machte auch viele von denen, die sonst über solche Dinge hinwegsahen, stutzig. Z w a r w u r d e gesagt, Korinther hätten das getan ihrer T o c h terstadt Syrakus zuliebe, weil nach dem bösen Vorzeichen ein A u f s c h u b geschehen oder gar der Kricgsbeschluß umgestoßen werden w ü r d e . A b e r auf die M e n g e machte weder diese Erklärung Eindruck noch die M e i n u n g derer, welche sagten, es sei das gar kein böses Vorzeichen, sondern ein Streich, wie ihn unmäßiger W e i n g e n u ß zur Folge zu haben pflege, wenn ungezügelte j u n g e Leute vom Scherzen in groben U n f u g hinüberglitten, sondern man faßte mit Zorn und Furcht zugleich das Geschehene als ein W a g e s t ü c k auf, das von einer verschworenen Bande als A u f t a k t noch größerer Unternehmungen

in

Szene gesetzt worden sei, und Rat und Volk traten deswegen innerhalb weniger T a g e mehrmals zusammen und gingen jedem Verdacht mit Schärfc nach. 19. Inzwischen führte der Demagoge Androkles einige Sklaven und Halbbürger vor, welche Alkibiades und seine Freunde, neben der Verstümmelung noch anderer heiliger Bildwerke, auch der Nachäflung der Mysterien beim Weine bezichtigten. Sie gaben an, ein gewisser Theodoros spiele die Rolle des Heroldes, Pulytion die des Fackelträgers, Alkibiades die des H i e r o p h a n t e n ' , und die anderen Freunde wären dabei, schauten und würden als M y s t e n angeredet. So steht es geschrieben in der öffentlichen Anzeige des Thessalos, Sohnes Kimons, der gegen Alkibiades die Anzeige wegen Frevels gegen die Göttinnen erstattete. Als darauf das Volk

wütend

wurde und schlecht auf Alkibiades zu sprechen war und A n drokles - der war der grimmigste Feind des Alkibiades - es

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auch noch aufhetzte, waren anfänglich Alkibiades und seine Freunde sehr beunruhigt. Als sie aber bemerkten, daß die S c h i f f s l e u t e , die nach Sizilien fahren sollten, u n d die K r i e g S -

mannschaft ihnen treu ergeben waren, dazu die Argiver und Mantineer, tausend Schwerbewaffnete an der Zahl, ganz offen sagen hörten, dem Alkibiades zuliebe seien sie bereit, die weite Heerfahrt übers Meer anzutreten, wenn ihm aber jemand zu nahe trete, würden sie sofort die Fahrt aufgeben, faßten sie neuen Mut und wollten die Gunst des Augenblicks für die Abwehr der Anklage ausnützen, so daß die Feinde wiederum mutlos wurden und fürchteten, daß das Volk bei dem Prozeß minder scharf gegen ihn verfahren würde, weil man ihn brauchte. Demgegenüber fanden sie nun den listigen Ausweg, daß diejenigen Volksredner, die nicht als Feinde des Alkibiades galten, ihn aber nicht weniger haßten als seine erklärten Feinde, vor dem Volke aufstanden und erklärten, es sei doch ein Widersinn, für einen Mann, der zum bevollmächtigten Befehlshaber einer so großen Kriegsmacht ernannt sei, nun, da das Heer und die Bundesgenossen versammelt seien, mitten hinein ein Geschworenengericht zu erlosen, Redezeiten zu bemessen und so die kostbare Zeit zu vertun. «Sondern jetzt möge er mit gutem Glück die Fahrt antreten, und wenn der Krieg aus ist, dann soll er zur Stelle sein und auf Grund der gleichen Gesetze sich verantworten.» Wohl entging die Hinterlist dieses Aufschubes Alkibiades nicht, sondern er trat auf und erklärte, es sei unerträglich, daß man ihn, während er solche Anklagen und Anwürfe im Rücken lasse, im ungewissen an der Spitze einer so gewaltigen Heeresmacht hinaussende; denn könne er die Anklage nicht entkräften, so harre seiner der T o d ; hätte er sie aber entkräftet und sich gereinigt, so könne er sich gegen die Feinde wenden, ohne die Verleumder weiter zu fürchten. 20. Da er sich aber nicht durchsetzen konnte, sondern den

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Befehl erhielt abzufahren, so brach er mit seinen Mitfeldherren auf an der Spitze von nicht viel weniger als hundertvierzig Trieren, fiinftausendeinhundert Schwerbewaffneten, etwa tausenddreihundert Bogenschützen, Schleudere» und leichten Truppen nebst reichlichem Kriegsmaterial aller Art. Er legte in Italien an, nahm Rhegion1 und trug dann im Kriegsrat seinen Plan vor, wie er den Krieg zu fuhren gedachte. Da Nikias zwar widersprach, Lamachos aber zustimmte, so fuhr er nach Sizilien und gewann Katane, konnte aber weiter nichts leisten, weil er nun von den Athenern den Befehl erhielt, sofort vor Gericht zu erscheinen. Zuerst nämlich, wie schon gesagt wurde, waren nur unbestimmte Verdächtigungen und Verleumdungen gegen Alkibiades vorgebracht worden von Sklaven und Halbbürgern. Als dann die Feinde nach seiner Abfährt schärfer Zugriffen und den an den Hermensäulen verübten Frevel mit dem Mysterienfrevel in Verbindung brachten mit der Behauptung, daß beide von einer auf einen Staatsumsturz zielenden Verschwörerbande ausgegangen seien, da warfen sie alle irgendwie Verdächtigten ohne Urteil ins Gefängnis und ärgerten sich, daß sie Alkibiades damals nicht auf Grund so schwerer Beschuldigungen vor ihr Gericht gefordert und abgeurteilt hatten. Um so Schlimmeres hatten die Verwandten, Freunde und Bekannten auszustehen, die dem Zorn gegen Alkibiades zum Opfer fielen. Die Angeber mit Namer. zu nennen hat Thukydides unterlassen; andere aber machen Diokleidas und Teukros namhaft, unter ihnen der Komiker Phrynichos, der folgende Verse gedichtet hat 1 : « Ach, liebster Hermes, hüt dich wohl, daß du nicht fällst Und dich beschädigst, daß dann ein zweiter Diokleidas Anzeige erstatten und Schurkereien begehen kann. HERMES: Ich werd' mich hüten, denn ich will demTeukros nicht Zum Sündenlohn verhelfen, dem verfluchten Fremden.»

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Indes wußten die Anzeigenden nichts Sicheres und Bestimmtes anzugeben. Einer von ihnen, der gefragt wurde, wie er die Gesichter der Hermenverstümmeler erkannt habe, und antwortete, im Mondschein, griff sogar ganz daneben, weil, als die T a t geschah, Neumond gewesen war. Das machte die Verständigen stutzig, aber die Stimmung der Menge den Anklagen gegenüber wurde auch so nicht milder, sondern wie sie im Anfang losgefahren war, so trieb sie die Sache mit Heftigkeit immer weiter und warf jeden, den einer anzeigte, ins Gefängnis. 2 1 . Unter den Eingekerkerten und zur Aburteilung Festgehaltenen befand sich damals auch der Redner Andokides, den der Geschichtsschreiber Hellanikos unter die Nachfahren des Odysseus hat einreihen w o l l e n E r galt als Feind der Demokratie und Aristokrat von Gesinnung,und der Hermen Verstümmelung verdächtig hatte ihn nicht zum wenigsten die große Hermensäule in der Nähe seines Hauses gemacht, die dort als Stiftung der Aigcischen Phyle errichtet w a r ; denn unter den ganz wenigen Hermen, die unbeschädigt blieben, war sie fast die einzige von Bedeutung. Daher heißt sie noch heute die Herme des Andokides, und alle nennen sie so, obgleich die Inschrift das Gegenteil bezeugt. Nun geschah es, daß von den unter der gleichen Beschuldigung wie Andokides in Haft Genommenen besondersein Mann ihm befreundet und vertraut wurde, nicht so angesehen wie er, aber sehr gescheit und unternehmend, namens Timaios. Dieser gab Andokides den R a t , sich selbst und einige wenige andere anzuklagen; denn wenn er gestehe, sei ihm durch den Beschluß des Volkes Straflosigkeit zugesichert, der Ausgang des Prozesses aber sei für alle ungewiß und für die Mächtigen am bedrohlichsten, und besser sei es, sich durch eine Unwahrheit zu retten, als durch eine ebensolche unrühmlich zu sterben; und auch wenn man den Nutzen für die Gesamtheit erwäge, sei es das Richtige, einige wenige Zweifelhafte preiszugeben und viele Wackere der Volks-

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w u t zu entreißen. Durch diese Darlegungen und Vorstellungen des T i m a i o s ließ Andokides sich überzeugen, trat als A n kläger g e g e n sich und einige andere auf und erhielt selbst gemäß dem Volksbeschluß Straflosigkeit; die er aber genannt hatte, w u r d e n alle, soweit sie nicht geflohen waren, hingerichtet. U m besser Glauben zu finden, hatte Andokides auch einige seiner Sklaven mit angezeigt. Doch ließ das Volk auch j e t z t noch nicht ganz von seinem Z o r n ab, vielmehr stürzte es sich, als es mit den Hermen verstümmlern fertig war, mit seinem gleichsam unbeschäftigt gewordenen G r i m m ganz auf Alkibiades und sandte schließlich das Staatsschiff Salaminia nach ihm aus, wohlweislich mit dem ausdrücklichen Befehl, keine G e w a l t zu brauchen und nicht Hand an ihn zu legen, sondern ihn in höflichster Form zu ersuchen mitzukommen, um sich dem Gericht zu stellen und das Volk von seiner Unschuld zu überzeugen. Denn sie fürchteten Unruhen beim Heere im Feindeslande und einen Aufruhr, den Alkibiades auch mit Leichtigkeit hätte erregen können, wenn er gewollt hätte. Wirklich bemächtigte sich auch M u t l o s i g keit des Heeres, als er w e g war, und man machte sich darauf gefaßt, d a ß der Krieg unter der F ü h r u n g des Nikias sich lange und tatenlos hinziehen werde, nachdem glcichsam der zum Handeln treibende Stachel h i n w e g g e n o m m e n war. Denn Lamachos w a r zwar kriegerisch und mannhaft, aber er hatte nicht das Ansehen und die Machtiiille wegen seiner A r m u t . 22. Gleich im Augenblick, da er abfuhr, brachte Alkibiades die Athener um Messene. Denn es waren Leute dort, die ihnen die Stadt in die Hände spielen wollten. Alkibiades kannte sie genau, verriet sie nun den Freunden der Syrakusier und vereitelte so das Unternehmen. Als er in T h u r i o i ' angekommen und von Bord der Triere gegangen w a r , verbarg er sich und entrann denen, die ihn suchten. Als jemand ihn erkannte und fragte: « T r a u s t du denn dem Vaterlande nicht, Alkibiades?»,

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erwiderte er: «In allem andern wohl; aber wenn es um mein Leben geht, selbst meiner Mutter nicht, daß sie nicht womöglich aus Versehen den schwarzcn Stein statt des weißen in die Urne l e g t 1 . » Als er später hörte, daß die Stadt ihn zum T o d e verurteilt habe, sagte er: «Ich will ihnen zeigen, daß ich noch lebe!» Die öffentliche Anzeige hatte nach den Geschichtsquellen folgenden Wortlaut: «Thessalos, Sohn Kimons, von Lakiadai erstattete Anzeige gegen Alkibiades, Sohn des Kleinias, von Skambonidai', daß er gegen die Göttinnen frevelt, indem er die Mysterien nachäfft und sie seinen Freunden in seinem Hause vorführt, wobei er das Gewand trägt, wie es der Hierophant trägt, wenn er die Heiligtümer vorzeigt, und sich selbst Hierophant, Pulytion Fackelträger, Theodoros von Phegaia' Herold (Keryx) nennt und die anderen Freunde als Mysten und Schauende (Epoptai) anredet, entgegen den Gesetzen und Bräuchen, die von den Eumolpiden und den Keryken 4 und den Priestern in Eleusis geschaffen sind.» Nachdem sie ihn in Abwesenheit verurteilt und sein Vermögen eingezogen hatten, beschlossen sie darüber hinaus noch, daß alle Priester und Priesterinnen ihn verfluchen sollten. Als einzige von ihnen, so wird berichtet, widersprach Theano, die Tochtcr Menons, von A g r y l e ' dem Beschluß mit der Begründung, sie sei zum Beten, nicht zum Verfluchen Priesterin geworden. 23. Als so schwerwiegende Beschlüsse gegen Alkibiades gefaßt und Urteile über ihn ausgesprochen waren, hielt er sich gerade in Argos auf, nachdem er sich sogleich nach seiner Flucht von Thurioi in die Peloponnes begeben hatte. Aber voll Furcht vor seinen Feinden und sich ganz von seinem Vaterlande lossagend, schickte er nach Sparta und bat, ihm Sicherheit zu gewähren und Vertrauen zu schenken; er werde ihnen größere Dienste leisten und ihnen mehr nützen, als er ihnen früher als Feind geschadet habe. Da die Spartaner seine

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Bitte gewährten und ihn bereitwillig aufnahmen, erreichte er eins sofort: daß er sie. die immer noch mit der Hilfeleistung für die Syrakusier zögerten und sie aufschoben, zum Handeln trieb und anspornte, Gylippos als Befehlshaber hinzusenden und die dortige Streitmacht der Athener zu vernichten; zweitens, den Krieg von der Peloponnes aus gegen die Athener wieder zu eröffnen; drittens, was die Hauptsache war: Dekeleia1 als festen Stützpunkt gegen Athen anzulegen, ein Schachzug, der mehr als alles andere die Stadt im eigenen Lande schwächte und zum Erliegen brachte. So groß sein Ansehen und die Hochachtung vor ihm in der Öffentlichkeit war, so bemühte er sich doch nicht minder, im privaten Verkehr die Leute zu umschmeicheln und zu bezaubern, indem er sich in seiner Lebensweise ganz lakonisch gab, so daß sie, wenn sie sahen, wie er sich die Haare lang wachsen ließ, kalt badete, dem groben Brot zusprach und die schwarze Suppe aß, nicht glauben wollten und sich nicht denken konnten, daß dieser Mann jemals einen Koch in seinem Hause gehalten, einen Parfümör seines Anblicks gewUrdigt oder einen milesischen Mantel an seinem Leibe geduldet haben sollte. Es war nämlich, wie man sagt, dies eine seiner vielen Gaben und Künste, die Menschen zu gewinnen, daß er sich ihnen anzugleichen, ihren Neigungen und Lebensformen anzupassen vermochte, indem er sich rascher wandelte als ein Chamäleon; nur daß, so sagt man, dieses Tier eine einzige Farbe, die weiße, nicht anzunehmen imstande ist, wohingegen es für Alkibiades gleicherweise im Guten wie im Bösen nichts gab, was er nicht nachahmen und mitmachen konnte, sondern in Sparta war er ein großer Turner, einfach und ernsthaft, in Ionien üppig, vergnügt und leichtfertig, in Thrakien ein scharfer Zecher und Reiter, und wenn er mit dem Satrapen Tissaphernes umging, stellte er durch seinen verschwenderischen Prunk die persische Großartigkeit in Schatten: nicht daß er

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sich so leicht aus der einen Wesensart in die andere versetzt oder jede Veränderung in den Kern seines Wesens aufgenommen hätte, sondern weil er, wenn er sich nach seiner Art gegeben hätte, die Leute, mit denen er z u tun hatte, vor den K o p f gestoßen hätte, schmiegte und bequemte er sich stets in jede Form, jede Rolle, die ihnen zusagte. So hätte man in Sparta dem äußeren Anschein nach sagen können: « N i c h t des Achilleus Sohn, er selber bist du j a ' » , wie ihn L y k u r g o s erzogen hat. A b e r auf sein wahres T u n u n d Lassen hätte besser das W o r t g e p a ß t : «Es ist die Frau w i e einst \ » Denn Timaia, die Gemahlin des Königs A g i s d e r im Felde und außer Landes war, verführte und betörte er dermaßen, daß sie von Alkibiades schwanger w u r d e und es auch gar nicht verhehlte und daß das Knäblein, das sie gebar, draußen zwar den Namen Leotychides bekam, aber der N a m e , der drinnen von der M u t t e r im Verkehr mit ihren Freundinnen und Dienerinnen geflüstert w u r d e , lautete Alkibiades: von einer solchen Liebe war die Frau erfüllt. Und er brüstete sich noch und sagte, er tue das nicht m u t w i l l i g oder weil er seine Leidenschaft nicht habe zügeln können, sondern damit seine Nachkommen als Könige über die Lakedaimonier herrschten. Aber wie das so zuging, hinterbrachten es viele dem A g i s , und der verließ sich vor allem auf die Berechnung der Z e i t , weil er nach einem Erdstoß voll Schreck aus der Schlafkammer von der Seite seiner Frau hinausgerannt und dann zehn Monate lang nicht mehr mit ihr zusammengewesen war, und als nach diesen zehn Monaten der kleine Leotychides geboren wurde, erkannte er die Vaterschaft nicht an. Deshalb g i n g später Leotychides des Thrones verlustig 4 . 24. N a c h dem Unglück der A t h e n e r in Sizilien schickten zu gleicher Z e i t die Chier, die Lesbier und die K y z i k e n e r Unterhändler nach Sparta wegen Übertritts zu ihnen, und die Boio-

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ter setzten sich fiir die Ltsbier, Pharnabazos fiir die Kyzikener ein. Aber nach dem Rat des Alkibiades entschieden sich die Lakedaimonier vor allen anderen fiir die Hilfeleistung an die Chier. Er fuhr auch selbst mit hinaus, brachte beinahe ganz Ionien zum Abfall und fügte als Berater der lakedaimonischen Feldherren den Athenern großen Schaden zu. Aber Agis war ihm feind wegen der Kränkung, die er an seiner Hausehre durch ihn erlitten hatte, und auch sein Ruhm war ihm ein Ärgernis. Denn die verbreitete Meinung war, daß das meiste durch Alkibiades geschehe und vorwärtsgehe. Ebenso fühlten die mächtigsten und ehrgeizigsten unter den anderen Spartanern sich bereits aus Mißgunst durch Alkibiades beschwert. Sie drangen alsbald durch und erwirkten, daß die Regierenden in Sparta an die Befehlshaber in Ionien die Weisung schickten, ihn zu töten. Er hatte dies aber schon in der Stille in Erfahrung gebracht und war auf seiner Hut, beteiligte sich zwar an allen Unternehmungen der Lakedaimonier, vermied es aber durchaus, sich in ihre Hände zu geben, warf sich vielmehr, um sicher zu sein, Tissaphernes, dem Satrapen des Perserkönigs, in die Arme und war bei ihm sofort der erste und mächtigste Mann. Denn der Barbar, der selbst nicht schlicht und aufrichtig, sondern arglistig und verschlagen war, bewunderte an Alkibiades die schillernde Vielseitigkeit und das Außerordentliche seiner Begabung. Für die Reize, die er bei der Unterhaltung und im täglichen Zusammenleben entfaltete, war kein Herz unempfindlich, kein Sinn unbezwinglich; selbst denen, die ihn fürchteten und beneideten, bereitete der Umgang mit ihm und sein Anblick Freude und Wohlgefallen. Sonst brutal und ein Griechenhasser wie nur einer, ließ Tissaphernes sich durch das liebenswürdige Wesen des Alkibiades dermaßen betören, daß er ihn seinerseits durch Liebenswürdigkeiten zu überbieten suchtc. Den schönsten Park, den er besaß, reich an Wiesen, frischen Gewässern und ausgestattet

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mit R u h e - und Erholungsstätten von königlicher Pracht, ließ er Alkibiades benennen; und diesen Namen t r u g er danach ständig und allgemein. 25. Da sich also Alkibiades nicht mehr auf die T r e u e der Spartaner verlassen konnte und A g i s fürchtete, suchte er sie Tissaphernes gegenüber auf alle Weise z u schädigen und zu verdächtigen und riet ihm, ihnen nicht allzu eifrig z u helfen und die Athener zu vernichten, sondern sie durch sparsame U n t e r s t ü t z u n g in Schwierigkeiten z u bringen, sie allmählich zu schwächen und so z u erreichen, daß die beiden G e g n e r sich gegenseitig aufrieben und so dem König g e f u g i g würden. Tissaphernes ließ sich leicht überzeugen, und seine Z u n e i g u n g und B e w u n d e r u n g für Alkibiades war so offenkundig, d a ß die Griechen von beiden Seiten her ihre Blicke auf ihn richteten und die Athener ihre gegen ihn gefaßten Beschlüsse bereuten, da es ihnen nun so schlecht ging. A b e r auch er fühlte sich bereits b e d r ü c k t und fürchtete, daß, wenn die Stadt ganz vernichtet w ü r d e , er völlig in der Hand der Lakedaimonier sein w ü r d e , die ihn haßten. Fast die ganze M a c h t der Athener war damals in Samos versammelt, und von diesem Stützpunkt aus suchten sie mit ihrer Seemacht teils die abgefallenen Gemeinden wiederzugewinnen, teils, was sie noch besaßen, zu halten, da sie z u r See den Feinden noch so ziemlich gewachsen waren. A b e r sie fürchteten Tissaphernes und die phoinikischen Trieren - hundertfiinfzig an der Z a h l - , v o n denen es hieß, daß sie jeden A u g e n blick erscheinen müßten, und wenn die da wären, dann blieb der Stadt keine H o f f n u n g mehr auf R e t t u n g . Das w u ß t e Alkibiades. Er schickte daher heimlich zu den Vornehmen unter den Athenern in Samos und machte ihnen Hoffnung, er w ü r d e dafür sorgen, daß Tissaphernes ihnen Freund w ü r d e , doch nicht dem V o l k e zu Gefallen und im Vertrauen auf dieses, sondern a u f die Aristokraten, wenn sie den M u t hätten, sich zu

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ermannen, der Zügellosigkeit des Volkes Schranken zu setzen und aus eigener Kraft den Staat und seinen Bestand zu retten. Auf diese Vorschläge des Alkibiades waren alle anderen einzugehen freudig bereit, nur einer von den Strategen, Phrynichos der Deiradiote 1 , der den Argwohn hegte - womit er recht hatte daß es Alkibiades ebensowenig auf Oligarchie wie auf Demokratie abgesehen habe, sondern in dem einzigen Bestreben, unter allen Umständen heimkehren zu können, zuerst durch Gehässigkeiten gegen das Volk die Mächtigen umschmeicheln und fiir sich gewinnen wolle, sprach sich dagegen aus. Da er aber überstimmt wurde und nun so zum offenen Feinde des Alkibiades geworden war, schickte er eine heimliche Botschaft an den feindlichen Admiral Astyochos und forderte ihn auf, sich in acht zu nehmen und Alkibiades als einen Mann, der auf beiden Schultern trüge, festzunehmen. Aber da verhandelte ein Verräter, ohne es zu wissen, mit einem andern Verräter. Denn Astyochos, der ganz im Banne des Tissaphernes war und sah, daß Alkibiades hoch in seiner Gunst stand, meldete ihnen, was er von Phrynichos gehört hatte. Darauf sandte Alkibiades sofort Leute nach Samos, um Klage gegen Phrynichos zu erheben, und dieser, da alle sich entrüsteten und einmütig gegen ihn Stellung nahmen, sah keinen andern Ausweg aus seiner Bedrängnis, als daß er das Übel durch ein noch größeres Übel zu heilen versuchte. Er sandte nämlich abermals zu Astyochos und machte ihm Vorwürfe wegen seines Verrates, versprach aber, die Schiffe und das ganze Heerlager der Athener ihm in die Hand zu liefern. Allein der Verrat des Phrynichos brachte den Athenern keinen Schaden, weil Astyochos wiederum Verrat übte. Denn er gab auch diese Botschaft des Phrynichos an Alkibiades weiter. Da Phrynichos davon früh Kenntnis erhielt und nun eine neue Anklage von Seiten des Alkibiades gewärtigte, so kündigte er vorgreifend den Athenern an, daß die Feinde einen Angriff beabsichtigten,

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und mahnte sie, bei den Schiffen auf der H u t zu sein und das Lager zu befestigen. Als jetzt, während die Athener damit beschäftigt waren, ein Schreiben von Alkibiades kam mit der Warnung, sie sollten sich vor Phrynichos hüten, der das Schiffslager an die Feinde verraten wolle, glaubten sie ihm nicht, sondern meinten, Alkibiades, der über die Rüstungen und die Absichten der Feinde genau Bescheid wisse, benutze dieses Wissen nur, um Phrynichos wahrheitswidrig zu verleumden. Als aber später Hermon, einer der jungen Grenzwächter, den Phrynichos auf dem Markte durch einen Dolchstich tötete, verurteilten die Athener in dem nun stattfindenden Prozeß den toten Phrynichos wegen Verrates und verliehen Hermon und seinen Mitverschworenen Ehrenkränze. 26. In Samos hatten nun die Freunde des Alkibiades die Oberhand und schickten Peisandros nach Athen, um einen Staatsstreich vorzubereiten und die Aristokraten zu ermuntern, die Macht an sich zu reißen und die Demokratie zu stürzen ; denn unter dieser Bedingung würde Alkibiades ihnen den Tissaphcrnes als Freund und Bundesgenossen zuführen. Das war nämlich der Vorwand und das Aushängeschild der Männer, die die Oligarchie einführen wollten. Als sie aber (die angeblichen Fünftausend, tatsächlich Vierhundert) 1 den Sieg gewonnen und die Regierung übernommen hatten, kümmerten sie sich sofort sehr wenig um Alkibiades und betrieben den Krieg sehr lässig, teils aus Mißtrauen gegen die Bürger, die der neuen Verfassung ablehnend gegenüberstanden, teils in dem Glauben, die Lakedaimonier, die stets mit den Oligarchien zu sympathisieren pflegten, würden sich weniger feindlich zu ihnen stellen. Nun hielt das Volk in der Stadt, zwar sehr wider Willen, aber aus Furcht, zunächst R u h e ; denn nicht wenige von denen, die sich den Vierhundert offen widersetzten, waren hingeschlichtet worden. Aber das Heer in Samos war auf die Nachricht von dem Geschehenen aufs äußerste

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empört und entschlossen, sofort gegen den Piräus zu fahren. Es rief Alkibiades herbei, ernannte ihn zum Feldherrn und forderte ihn auf, sie zu führen und die Tyrannen zu stürzen. Aber er handelte nicht, wie es mancher andere wohl getan hätte, der plötzlich durch die Gunst der Menge hochgekommen war, und fügte sich nicht in dem Glauben, daß er in allem gehorsam sein und in nichts denen widersprechen dürfe, die ihn soeben aus einem von Land zu Land getriebenen Flüchtling zum Feldherrn und Gebieter über so viele Schiffe und eine so gewaltige Heeresmacht erhoben hatten, sondern wie es einem wirklich großen Führer geziemte, den von ihrer Leidenschaft Fortgerissenen sich entgegenzustemmen, so hinderte er sie, einen schweren Fehler zu begehen, und wurde damals jedenfalls augenscheinlich der Stadt zum Retter. Denn hätten sie damals die Anker gelichtet und wären nach Haus gefahren, so hätten die Feinde sich sofort ohne Schwertstreich ganz Ioniens, des Hcllespontos und der Inseln bemächtigen können, und die Athener hätten gegen Athener kämpfen müssen und den Krieg in die eigene Stadt getragen. Daß das nicht geschah, verhütete allein oder doch vornehmlich Alkibiades, indem er nicht nur zu der Masse sprach und sie zu belehren suchte, sondern sie auch Mann für Mann bald anflehte, bald heftig in sie drang. Sein Helfer dabei war Thrasybulos von Steiria 1 , der immer mitging und seine Stimme mächtig erhob; denn er war, wie es heißt, der stimmgewaltigste Athener. Dies war also eine erste verdienstliche Tat des Alkibiades, und eine zweite war, daß er, da er versprochen hatte, die phoinikischen Schiffe, die vom König ausgesandt waren und von den Lakedaimoniern erwartet wurden, entweder auf die eigene Seite zu ziehen oder doch zu erreichen, daß sie nicht zu den anderen stießen, schleunigst in See stach. Tatsächlich ließ Tissaphernes die Schiffc, als sie bei Aspendos 1 erschienen waren, nicht herbeikommen, sondern betrog die Lakedai-

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monier darum, doch als den Urheber ihres Abdrehens sah man auf beiden Seiten Alkibiades an, besonders bei den Lakedaimoniern: er habe dem Barbaren klargemacht, er solle doch in R u h e zusehen, wie die Griechen sich gegenseitig umbrächten. Denn es lag klar zutage, daß eine so bedeutende Verstärk u n g , die zu der einen der beiden Parteien stieß, die andere der Sceherrschaft gänzlich beraubt hätte. 27. Hierauf wurden die Vierhundert gestürzt, w o b e i die Freunde des Alkibiades den Anhängern der Volkspartei eifrig Beistand leisteten. Obschon j e t z t die Leute in der Stadt Alkibiades heimzuholen wünschten und dringend

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glaubte er nicht mit leeren Händen und ohne e t w a s geleistet z u haben, nur dank dem M i t l e i d und dem g u t e n Willen des Volkes, sondern ruhmgekrönt heimkehren zu sollen. Daher befuhr er zuerst mit wenigen Schiffen von Samos aus die Gewässer um Knidos und Kos. A l s er aber dort erfuhr, d a ß der Spartaner Mindaros mit seiner ganzen Flotte nach dem Hellespont unterwegs sei und die Athener ihm folgten, eilte er, den Feldherren zu Hilfe zu kommen, und mit g u t e m G l ü c k kam er in schneller Fahrt gerade in dem A u g e n b l i c k mit achtzehn Trieren an, da beide Parteien mit allen ihren Schiffen zusammengeraten waren, sich bei A b y d o s eine Seeschlacht lieferten und hier unterliegend, dort siegend, bis z u m A b e n d noch in hartem Kampf begriffen waren. Als er nun auftauchte, glaubten beide Parteien zuerst das Gegenteil des Wirklichen, so daß die Feinde neuen M u t faßten und die A t h e n e r erschraken. Schnell ließ er jetzt auf seinem Admiralschiff das Zeichen hissen, durch das er sich als Freund zu erkennen g a b , und stürzte sich sofort auf die siegreich verfolgenden peloponnesischen Schiffe, schlug sie in die Flucht, drängte sie zum Land, blieb ihnen dicht auf, rammte und beschädigte sie schwer, während die Bemannung sich schwimmend z u retten suchte und Pharnabazos am Lande zu Hilfe kam und längs des Stran-

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des um die Schiffe kämpfte. Schließlich eroberten die Athener dreißig der feindlichen Schiffe, gewannen die eigenen zurück und errichteten ein Siegeszeichen 1 . Nach diesem glänzenden Siege hatte er den Ehrgeiz, sofort vor Tissaphernes damit zu prunken, und machte sich, mit Gaben und Gastgeschenken wohl versehen, und mit einem dem Feldherrn geziemenden Gefolge zu ihm auf den Weg. Jedoch erreichte er nicht, was er erwartet hatte, sondern Tissaphernes, über den die Lakedaimonier sich schon seit langem beschwerten und der daher die Ungnade des Königs fürchtete, meinte, Alkibiades sei ihm gerade zur rechten Zeit gekommen, ließ ihn verhaften und in Sardes festsetzen, um sich durch diese Gewalttat von jener Anschuldigung zu reinigen. 28. Aber nach Verlauf von dreißig Tagen kam Alkibiades irgendwie in den Besitz eines Pferdes, entwischte seinen Wächtern und gelangte glücklich nach Klazomenai. Damit belastete er das Schuldkonto des Tissaphernes noch mehr, weil man nun annahm, daß er von ihm freigelassen worden sei. Dann fuhr er zum Lager der Athener, und als er erfuhr, daß Mindaros und Phamabazos vereinigt in Kyzikos' standen, feuerte er die Soldaten an: jetzt dränge die Not, zur See gegen die Feinde zu kämpfen und zu Lande und selbst gegen Festungsmauern, denn wenn sie nicht einen vollen Sieg errängen, sei es mit ihrem Geld zu Ende. Er ließ die Schiffe bemannen, fuhr nach Proikonnesos 3 und gab Befehl, die leichten Fahrzeuge in die Mitte zu nehmen und scharf darüber zu wachen, daß keine vorzeitige Meldung von seinem Anzüge von irgendwoher zu den Feinden gelange. Es fügte sich auch, daß ein plötzlich einsetzender starker Regen und Donnerschläge und Finsternis ihm zu Hilfe kamen und dazu beitrugen, seinen Anschlag geheimzuhalten. Denn nicht nur den Feinden blieb er verborgen, sondern auch die Athener dachten an keinen Kampf mehr, als er unversehens den Befehl gab, an Bord zu

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gehen, und ablegte. Nach kurzer Zeit lichtete sich das Dunkel, und die Schiffe der Peloponnesier kamen in Sicht, wie sie auf der Reede vor dem Hafen von Kyzikos manövr-ierten. Da Alkibiades nun fürchtete, daß sie, wenn sie rechtzeitig ihre Stärke bemerkten, ans Land flüchten würden, befahl er den anderen Feldherren, die Fahrt zu verhalten und zurückzubleiben, zeigte sich mit nur vierzig Schiffen und forderte die Feinde heraus. Da diese sich täuschen ließen und dem vermeintlich schwachen Gegner verachtungsvoll entgegenfuhren, nahmen die vierzig sogleich den Kampf auf und ließen sich ins Gefecht ein; als aber die anderen herankamen und in den Kampf eingriffen, erschraken die Peloponnesier und flohen. Doch Alkibiades brach mit den zwanzig besten seiner Schiffe durch, fuhr an Land, ließ aussteigen, fiel über die aus den Schiffen flüchtenden Feinde her und tötete viele. Auch Mindaros und Phamabazos, die Hilfe bringen wollten, schlug er und tötete Mindaros, der sich tapfer wehrte, während Phamabazos entfloh. Die Athener bemächtigten sich vieler Toten und ihrer Rüstungen, eroberten die ganze feindliche Flotte, bekamen auch Kyzikos in ihre Hand, da Phamabazos es aufgab und die Peloponnesier vernichtet waren, und hatten so nicht nur den Hellespont fest in ihrem Besitz, sondern vertrieben die Lakedaimonier mit unwiderstehlicher Gewalt auch aus den anderen Gewässern. Es wurde auch eine lakonische Depesche aufgefangen, die den Ephoren das geschehene Unglück meldete: « Hin sind die Kähne. Mindaros ist tot. Wir wissen nicht, was tun.» 29. So von Stolz geschwellt waren aber nun die Truppen des Alkibiades und so selbstbewußt, daß sie es für unter ihrer Würde hielten, noch mit den anderen Soldaten umzugehen, sie, die Unbesiegten, mit den oft Besiegten. Denn nicht viel früher war es geschehen, daß Thrasyllos bei Ephesos eine Schlappe erlitt und von den Ephesiern das eherne Siegesmal

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zur Schande der Athener errichtet wurde. Das warfen die Mannschaften des Alkibiades denen des Thrasyllos vor, taten groß mit ihrem Feldherm und mit sich selber und wollten weder ihre Übungen noch den Raum innerhalb des Lagers mit jenen gemein haben. Als sie aber ins Gebiet von Abydos eingebrochen waren und Pharnabazos mit starken Kräften zu Fuß und zu Pferde sie angriff, Alkibiades gegen ihn zu Hilfe herbeieilte, ihn schlug und gemeinsam mit Thrasyllos bis zum Einbruch der Dunkelheit verfolgte, traten sie wieder in Verkehr mit ihnen und kehrten gemeinsam in fröhlicher Kameradschaft ins Lager zurück. Am folgenden Tage errichtete er ein Siegesmal und verheerte das Land des Pharnabazos, ohne daß jemand wagte, es ihm zu wehren. Priester und Priesterinnen jedoch, die er gefangen hatte, ließ er ohne Lösegeld frei. Als er im Begriff war, gegen die Chalkedonier' vorzugehen, die abgefallen waren, eine lakedaimonische Besatzung und einen Kommandanten (Harmosten)aufgenommen hatten, und hörte, daß sie ihre ganze Habe aus dem Lande zusammengebracht und den ihnen befreundeten Bithynern zu treuen Händen übergeben hätten, rückte er mit seinem Heere an die Grenze, entsandte einen Herold und erhob Beschwerde gegen die Bithyner. Die gerieten in Furcht, gaben das Gut heraus und schlössen einen Freundschaftsvertrag mit ihm. 30. Während jetzt Chalkedon von Meer zu Meer durch Schanzwerke eingeschlossen wurde, rückte Pharnabazos zum Entsatz der Stadt heran, und der Harmost Hippokrates machte mit seinen Streitkräften einen Ausfall und griff die Feinde an. Aber Alkibiades machte gleichzeitig gegen beide Front, zwang Pharnabazos zu schimpflicher Flucht und schlug und vernichtete Hippokrates und viele seiner Leute. Dann unternahm er selbst eine Fahrt nach dem Hellespont, um Geld einzutreiben, und nahm Selybria wobei er sich zur Unzeit persönlich aussetzte. Denn diejenigen, die ihm die Stadt in die

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Hand spielen wollten, hatten mit ihm vereinbart, daß sie ihm um Mitternacht ein Feuerzeichen geben wollten, sahen sich aber gezwungen, dies vor der Zeit zu tun, aus Furcht vor ei nem der Mitverschworenen, der plötzlich umgefallen war. Als nun das Feuerzeichen gegeben wurde, bevor noch das Heer in Bereitschaft war, raffte er die etwa dreißig Mann seines Gefolges zusammen und eilte im Sturmschritt auf die Mauern los mit dem Befehl an die anderen, schnellstens zu folgen. Das Tor wurde ihm geöffnet, zwanzig Leichtbewaffnete waren noch zu den dreißig gestoßen, und mit ihnen drang er ein, bemerkte aber sofort, daß die Selybrianer ihm wohlgerüstet entgegenrückten. Da er nun, wenn er den Kampf mit ihnen aufnahm, keine Aussicht auf Rettung, aber auch den Ehrgeiz hatte, nicht zu fliehen, unbesiegt, wie er bis zu diesem Tage in allen seinen Feldzügen gewesen war, so ließ er mit der Trompete Ruhe gebieten und einen seiner Leute den Befehl an die Athener ausrufen, die Waffen nicht gegen die Selybrianer zu kehren. Dieser Befehl schwächte teils den Kampfmut der Selybrianer, da sie nun glaubten, die Feinde seien schon alle herein, teils gab er ihnen Hoffnung und machte sie zu gütlichem Vergleich geneigt. Während sie nun zusammentraten und im Begriff waren, Verhandlungen aufzunehmen, rückte das Heer des Alkibiades heran, und da er wohl bemerkte - was auch Tatsache war - , daß die Selybrianer zu einem friedlichen Ubereinkommen bereit waren, fürchtete er jetzt, daß seine Thraker die Stadt ausplünderten. Ihrer waren viele, die Alkibiades zuliebe und aus Ergebenheit für ihn den Feldzug mit Eifer mitmachten. Diese hieß er alle die Stadt verlassen und tat den Selybrianern auf ihr Bitten kein Leides, sondern erhob nur eine Kontribution, legte eine Besatzung hinein und zog ab. 3 1 . Inzwischen hatten die Feldherren, die Chalkedon belagerten, mit Pharnabazos einen Waffenstillstand geschlossen

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mit der Bedingung, sie sollten Geld erhalten und die Chalkcdonier wieder den Athenern Untertan sein; diese sollten dem Lande des Pharnabazos weiter keinen Schaden antun, und Pharnabazos sollte Gesandten der Athener sicheres Geleit zum König gewährleisten. Als jetzt Alkibiades zurückkehrte, forderte Pharnabazos, daß auch er die vereinbarten Bedingungen beschwören sollte, doch dieser weigerte sich, den Eid zu leisten, bevor der Gegner das getan habe. Nachdem die Verträge beschworen waren, zog Alkibiades gegen die abgefallenen Byzantier und schloß die Stadt mit Schanzwerken ein. Als hierauf Anaxilaos, Lykurgos und noch einige andere sich bereit erklärten, ihm die Stadt zu übergeben, wenn er sie verschonte, sprengte er das Gerücht aus, neuerliche Verwicklungen in Ionien nötigten sie zum Abzüge, und fuhr bei Tage mit der ganzen Flotte davon, bei Nacht aber kehrte er um, ging selbst mit den Schwerbewaffneten an Land, rückte an die Mauern heran und verhielt sich ruhig; die Schiffe aber fuhren gegen den Hafen an und versuchten unter großem Geschrei, Lärm und Getöse eine gewaltsame Landung, womit sie zugleich die Byzantier durch das Unerwartete des Angriffs in Schrecken setzten und den attisch Gesinnten die Möglichkeit gaben, Alkibiades ungefährdet hereinzulassen, während alle zur Abwehr nach dem Hafen und gegen die SchifTe rannten. Indes vollzog sich die Übergabe der Stadt doch nicht ohne Kampf, denn die in Byzantion garnisonierenden Peloponnesier, Boioter und Megarer schlugen die Flottenmannschaften zurück und drängten sie wieder in ihre Schiffe, und als sie erfuhren, daß die Athener in die Stadt eingedrungen waren, formierten sie sich zum Kampfund traten ihnen entgegen. Aber in einem hitzigen Gefecht siegte Alkibiades als Führer des rechten Flügels, Theramenes auf dem linken Flügel, und nahm die überlebenden Feinde, etwa dreihundert, gefangen. Von den Byzantiern kam nach der Schlacht

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keiner ums Leben oder mußte in die Verbannung gehen. Denn unter dieser Bedingung hatten die Männer die Stadt übergeben und dies vereinbart, ohne etwas Besonderes für sich persönlich auszubedingen. Als daher Anaxilaos sich in Lakedaimon unter der Anklage des Verrates zu verantworten hatte, machte er offenkundig mit dem, was er sagte, seiner T a t keine Schande. Er sagte nämlich, er sei kein Lakedaimonier, sondern ein Byzantier, und da er nicht Sparta, sondern Byzantion gefährdet sah, da die Stadt völlig eingeschlossen war, nichts hereingebracht werden konnte und die in der Stadt noch vorhandenen Lebensmittel von den Peloponnesiern und Boiotern aufgezehrt wurden, während die Byzantier mit Weibern und Kindern hungerten, so habe er die Stadt nicht an die Feinde verraten, sondern sie von Krieg und Not befreit, wobei er die edelsten Lakedaimonier als Beispiel vor Augen gehabt habe, für die es schlechthin keine Pflicht und Tugend gebe als die, dem Vaterlande zu dienen. Als das die Lakedaimonier hörten, empfanden sie Scham und sprachen die Männer frei. 32. Längst schon fühlte Alkibiades das Verlangen, die Heimat wiederzusehen, und noch mehr den Wunsch, von den Mitbürgern gesehen zu werden, nachdem er so viele Siege über die Feinde davongetragen hatte. So ging er in See mit den attischen Trieren, die ringsherum mit vielen Schilden und anderen Beutestücken ausgeschmückt waren, viele erbeutete Trieren führte er mit, und noch größer war die Zahl der verzierten Schnäbel von ihm besiegter und zerstörter Schiffe, die er mitbrachte. Von beiden Arten zusammen waren es nicht weniger als zweihundert. Aber was Duris von Samos 1 , der ein Abkömmling des Alkibiades zu sein behauptet, dem noch hinzufugt, daß Chrysogonos, der Sieger bei den pythischen Festspielen, auf seiner Flöte das Ruderlied geblasen, daß der tragische Schauspieler Kallippides dazu den Takt geschlagen habe, beide angetan mit den langwallenden Ober- und Unter-

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gewändern und dem sonstigen Schmuck für die heiligen Feste, daß das Admiralschiff mit einem purpurnen Segel auf die Häfen zugefahren sei, als käme er in schwärmendem Zuge berauscht von einem Trinkgelage, das hat weder Theopompos noch Ephoros noch Xenophon geschrieben, und es ist auch nicht wahrscheinlich, daß er so vor den Athenern geprunkt haben sollte, als er nach der Verbannung und so schweren Schicksalsschlägen heimkehrte; vielmehr kam er nicht ohne Bangen vor ihnen, und als seine Triere angelegt hatte, stieg er nicht eher ab, als bis er, auf dem Verdeck stehend, seinen Vetter Euryptolemos herankommen sah und viele andere Freunde und Bekannte, die ihn mit freudigem Zuruf begrüßten. Als er dann abgestiegen war, da schien es, als ob die herzuströmende Menge die anderen Feldherren überhaupt nicht sähe, sondern um ihn drängten sich alle, schrien, hießen ihn willkommen, geleiteten ihn, bekränzten ihn, und wer nicht herankommen konnte, der schaute von weitem, und die älteren Leute zeigten ihn den jungen. Aber auch viele Tränen mischten sich in die allgemeine Freude und angesichts des gegenwärtigen Glückes Erinnerung an die vergangenen Schläge des Unheils, wenn sie bedachten, daß sie weder den Fehlschlag in Sizilien erlitten hätten noch manches andere, was sie erhofften, ihnen entgangen wäre, wenn sie damals Alkibiades an der Spitze der Unternehmungen und an der Macht belassen hätten, wo er jetzt, da er einen Staat übernahm, der beinahe von der See hinweggefegt war, zu Lande kaum noch die Vorstädte beherrschte und im Innern von Bürgerkrieg zerrissen war, ihn aus traurigen Trümmern und Niedrigkeit wieder aufgerichtet und ihm nicht nur die Seeherrschaft zurückgegeben hatte, sondern ihn auch zu Lande überall zum Siege über die Feinde führte 1 . 33. Der Beschluß, der ihn zurückrief, war schon vorher gefaßt worden auf Antrag des Kritias1, des Sohnes des Kallais-

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chros, wie er selbst in seinen Elegien gedichtet hat, wo er Alkibiades an den ihm erwiesenen Dienst erinnert mit folgenden Versen: «Jenen Beschluß, der heim dich geführt, ich hab' ihn vor allem Volke erwirkt und erreicht, daß zur Vollendung er kam. Also ward diese T a t durch meine Zunge besiegelt.» Als jetzt das Volk zur Versammlung herbeikam, trat Alkibiades auf, weinte und klagte über seine Leiden, machte dem Volke einige gelinde Vorwürfe, schob aber im ganzen die Schuld auf ein böses Geschick und einen neidischen Dämon, sprach dann länger von den Hoffnungen der Bürger, mahnte sie, Mut zu fassen, und wurde mit goldenen Kränzen geschmückt und zum Feldherrn zu Wasser und zu Lande mit unumschränkten Vollmachten gewählt. Ferner beschlossen sie, ihm sein Vermögen zurückzuerstatten, und daß die Eumolpiden und Keryken die Verwünschungen, die sie auf Befehl des Volkes über ihn ausgesprochen hatten, feierlich widerrufen sollten. Während die anderen das taten, erklärte der Hierophant Theodoras: «Ich habe gar nichts Böses auf ihn herabgewünscht, es sei denn, daß er sich gegen die Stadt versündigte. » 34. Da so Alkibiades auf dem glänzenden Gipfel seines Glückes stand, ängstigte einige Leute doch der Zeitpunkt seiner Rückkehr. Denn an dem Tage, da er anlangte, wurde gerade das Plynterienfest für die Göttin gefeiert 1 . Vollzogen wird der geheime Weihedienst von den Praxiergiden am sechstletzten Tage des letzten Drittels des Monats Thargelion, und sie nehmen dem Bilde den Schmuck ab und verhüllen es. Daher gilt dieser Tag vor allen anderen bei den Athenern als ein Unglückstag. So schien es also, als ob die Göttin den Alkibiades nicht freundlich und gnädig empfange, sondern sich verhülle und ihn von sich weise.

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Da indes alles dem Alkibiades nach Wunsch verlaufen war und schon hundert Trieren bemannt wurden, mit denen er wieder in See gehen wollte, befiel ihn ein nicht unedler Ehrgeiz, der ihn bis zu der Mysterienfeier festhielt'. Denn seit Dekeleia befestigt worden war und die Feinde, immer gegenwärtig, die Zufahrtstraßen nach Eleusis beherrschten, hatte die Wallfahrt, die nun ihren Weg übers Meer nehmen mußte, nicht mehr die rechte Form, sondern Opfer, Reigentänze und viele der heiligen Begehungen, die auf dem Wege vollzogen werden, wenn sie den Ialcchos hinausgeleiten, mußten notgedrungen unterbleiben. Da schien es dem Alkibiades eine rühmliche Tat, sowohl um die Huld der Götter wie um Ehre vor den Menschen sich zu erwerben, wenn er dem heiligen Fest seine überkommene Form wiedergäbe, indem er die Wallfahrt zu Lande geleitete und mit den Waffen gegen einen feindlichen Angriff schützte; denn entweder werde er den Agis, wenn er sich nicht rührte, ganz und gar verächtlich machen und demütigen, oder er werde eine heilige, gottwohlgefällige Schlacht um die größten und ehrwürdigsten Güter im Angesichte des Vaterlandes schlagen und alle Bürger zu Zeugen seines Heldentumes haben. Nachdem er dies beschlossen und den Eumolpiden und Keryken angekündigt hatte, postierte er Wachen auf den Höhen und sandte bei Tagesanbruch Vorhuten voraus, holte dann die Priester, die Mysten und die Mystagogen und führte sie, von Waffen rings umschirmt, in guter Ordnung und unter tiefem Schweigen, so daß er diese seine Strategie zu einem erhabenen und der Gottheit würdigen Schauspiel machte, das von denen, die nicht seine Neider waren, als heilige Feier und priesterlicher Weihedienst bezeichnet wurde. Da kein Feind einen Angriff wagte und er den Zug wohlbehalten in die Stadt zurückbrachte, wuchs sein eigenes Selbstvertrauen und gab er dem Heere die Zuversicht, daß es unwiderstehlich und

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unbesiegbar sei, wenn er es führte, und die Masse des armen, kleinen Volkes hatte er so betört, daß sie sich geradezu danach sehnten, von ihm bchcrrscht t u werden, und daß einige es laut sagten und z u ihm gingen und ihn aufforderten, er sollte sich doch über den N e i d hinwegsetzen, mit den Volksbeschlüssen, den Gesetzen und all dem G e s c h w ä t z , das die Stadt ruinierte, Schluß machen, nach seinem G u t d ü n k e n herrschen und die D i n g e in die Hand nehmen, ohne die Hetzer und Verleumder z u furchten. 35. W e l c h e Gedanken er sich nun selbst über die Alleinherrschaft machte, das ist nicht bekannt. Die Angesehensten unter den Bürgern jedenfalls waren in F u r c h t und drängten darauf, daß er schnellstens ausfuhr, indem sie ihm alles andere und auch die Mitfeldherren, die er sich wünschte, bewilligten. So g i n g er mit den hundert Schiffen in See, landete auf Andros u n d besiegte in einem Gefecht die Andrier und die Lakedaimonier, die sich dort befanden, aber die Stadt eroberte er nicht, u n d dies w u r d e der erste der neuen Vorwürfe, die seine Feinde g e g e n ihn erhoben. W e n n jemals einem Menschen, dann ist offenbar Alkibiades sein eigener R u h m zum Verderben geworden. Eine so hohe M e i n u n g hatte man sich nach seinen glänzenden Erfolgen von seiner Kühnheit und von seiner Geisteskraft gebildet, daß, w e n n etwas mißlang, sogleich der V e r d a c h t sich regte, er habe sich keine M ü h e g e g e b e n , weil man nicht glaubte, daß er es nicht gekonnt habe; hätte er sich rechte M ü h e gegeben, so wäre ihm nichts m i ß g l ü c k t . So hofften sie auch bald von der Eroberung von Chios und des übrigen Ioniens zu hören. Daher nahmen sie es übel, daß sie nicht rasch, ja augenblicklich gemeldet bekamen, daß er alles, wie sie es wünschten, vollbracht habe, ohne den Geldmangel in R e c h n u n g zu ziehen, der ihn drückte, während er gegen einen Feind K r i e g führte, der den G r o ß k ö n i g z u m G e l d g e b e r hatte, so d a ß er oft g e z w u n g e n war auszufahren und das Heer zu

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verlassen, um Geld für die Löhnung und Lebensmittel zu beschaffen. Denn auch den letzten Vorwurf zog er sich aus dieser Veranlassung zu. Als nämlich Lysandros von den Lakedaimoniern als Flottenbefehlshaber gesandt worden war und aus den Geldmitteln, die er von Kyros bekam 1 , dem Seemann vier Obolen statt der üblichen drei Obolen Löhnung bot, fuhr Alkibiades, der auch nur die drei Obolen mit Mühe aufbringen konnte, nach Karien, um Geld aufzutreiben. Der von ihm als Befehlshaber über die Flotte zurückgelassene Antiochos war zwar ein tüchtiger Steuermann, übrigens aber ohne Verstand und Maß. Obwohl er nun von Alkibiades die Weisung hatte, selbst wenn die Feinde eine Seeschlacht anböten, sie nicht anzunehmen, setzte er sich darüber mit solchem Übermut hinweg, daß er seine Triere und noch eine zweite bemannen ließ, Kurs auf Ephesos nahm und vor der Linie der feindlichen Schiffe entlangfuhr und dabei mit Worten und Handlungen allerlei zügellosen und possenhaften Spott treiben ließ. Z u erst ließ darauf Lysandros nur wenige Schiffe gegen ihn auslaufen und ihn verfolgen; als aber die Athener ihm zu Hilfe kamen, ging er mit allen Schiffen in See, siegte, tötete Antiochos selbst, nahm viele Schiffe samt der Mannschaft und errichtete ein Siegesmal 2 . Als Alkibiades das hörte, kehrte er nach Samos zurück, lief mit der ganzen Flotte aus und forderte Lysandros zur Schlacht heraus. Aber der begnügte sich mit dem gewonnenen Siege und stellte sich nicht zum Kampf. 36. Jetzt begab sich von den Hassern des Alkibiades im Feldlager Thrasybulos, der Sohn Thrasons 1 , nach Athen, um ihn zu verklagen. Dort hetzte er die Leute auf und sagte zu dem Volk, Alkibiades habe ihre Sache zugrunde gerichtet und die Schiffe verloren, weil er mit seiner Macht übermütigen Mißbrauch treibe und das Kommando Leuten übergebe, die als Saufkumpane und matrosenhafte Schmarotzer bei ihm den größten Stein im Brett hätten, um selbst ungestört herumfah-

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ren zu können, Gelder zu erpressen und in Gesellschaft von Dirnen aus A b y d o s und Ionien ein Sauf- und Lasterleben z u führen, während die Feinde in geringer Entfernung auf der Lauer lägen. A u c h warfen sie ihm den Bau des festen Platzes vor, den er in Thrakien bei Bisanthe' als Z u f l u c h t s o r t für sich anlegen lasse, weil er im Vaterlande nicht leben könne oder auch nicht wolle. Die Athener ließen sich überzeugen und wählten andere Feldherren, w o m i t sie ihren Z o r n gegen ihn und ihr Mißtrauen zu erkennen gaben. A u f die K u n d e hiervon w u r d e Alkibiades besorgt und entfernte sich e n d g ü l t i g von dem Feldlager, warb Söldner an und führte auf eigene Faust Krieg mit den unabhängigen («königslosen») T h r a k e r n , gewann viel Geld aus der Beute und verschaffte zugleich den in dieser G e g e n d wohnenden Griechen Sicherheit v o r den Barbaren. A l s darauf die Feldherren T y d e u s , Menandros und Adeimantos mit der gesamten den Athenern damals zur Verfüg u n g stehenden Flottenmacht bei Aigospotamoi lagen und jeden M o r g e n dem bei Lampsakos lagernden Lysandros entgegenfuhren und ihm die Schlacht anboten, u m dann wieder umzukehren und in Verachtung des G e g n e r s den Rest des T a ges ohne O r d n u n g und ohne alle Sicherung zu verbringen, sah das Alkibiades, der sich in der N ä h e befand, nicht ruhig und unbekümmert mit an, sondern er ritt hin und belehrte die Feldherren darüber, daß sie sehr u n g ü n s t i g an einem O r t e lagerten, w o es keinen Hafen und keine Stadt gäbe, so d a ß sie von weither, aus Scstos 2 , die V e r p f l e g u n g holen müßten, und nicht darauf achteten, daß die Schiffsmannschaften, wenn sie an Land gingen, auseinanderliefen und sich nach Belieben zerstreuten, während ihnen doch eine starke F l o t t e gegenüberliege, die gewöhnt sei, den Befehlen eines allmächtigen Führers in allem schweigend zu gehorchen. 37. A b e r auf diese Worte des Alkibiades und seinen R a t , den Ankerplatz der Flotte nach Sestos z u verlegen, gaben die

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Feldherren nichts, und Tydeus rief ihm sogar im Übermut zu, er solle sich davonmachen, denn nicht er, sondern andere hätten hier zu befehlen. So begab sich Alkibiades, der auch etwas von Verrat bei ihnen zu spüren meinte, hinweg und sagte zu seinen Bekannten aus dem Lager, die ihn geleiteten, wäre er von den Feldherren nicht so schmählich behandelt worden, so hätte er binnen weniger Tage die Lakedaimonier genötigt, entweder wider ihren Willen die Schlacht mit ihnen anzunehmen oder die Schiffe zu verlassen. Einige hielten das fiir leere Prahlerei, anderen dünkte nicht unwahrscheinlich, was er sagte, wenn er nämlich zahlreiche Thraker, Speerschützen sowohl wie Reiter, von der Landseite herangeführt und das spartanische Lager angegriffen und beunruhigt hätte. Daß er jedenfalls die Fehler der Athener richtig erkannt hatte, bewiesen sehr bald die Tatsachen. Denn als Lysandros sie plötzlich und gegen alles Erwarten überfiel, entrannen nur acht Trieren unter der Führung Konons, die anderen, nicht viel unter zweihundert, wurden als Beute davongefuhrt. Von der Mannschaft ließ Lysandros dreitausend, die lebend gefangen worden waren, hinrichten. Nach kurzer Zeit nahm er auch Athen, ließ die ganze Flotte verbrennen und die Langen Mauern niederlegen'. Als jetzt Alkibiades die Lakedaimonier zu Lande wie zur See allmächtig sah, übersiedelte er aus Furcht vor ihnen nach Bithynien und nahm gewaltige Habe dahin mit, noch mehr aber mußte er in dem festen Platz, den er bewohnt hatte, zurücklassen. Als er aber in Bithynien wiederum nicht wenig von seiner Habe einbüßte und unter den Räubereien der dortigen Thraker zu leiden hatte, beschloß er, ins Landesinnere zu Artaxerxes zu reisen, in der Erwartung, er werde dem König, wenn er ihn kennenlerne, als kein schlechterer Mann erscheinen als Themistokles und seine Sache als eine bessere. Denn nicht gegen seine Mitbürger wie jener, sondern für sein

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Vaterland gegen die Feinde werde er dem Könige dienen und seine Macht in Anspruch nehmen. Die Möglichkeit für eine sichere Reise ins Innere würde ihm, glaubte er, am ehesten Pharnabazos gewähren, und so begab er sich zu ihm nach Phrygien und lebte bei ihm, Ehre erweisend und Ehre genießend. 38. Die Athener litten schon schwer unter dem Verlust ihrer führenden Stellung. Als ihnen aber Lysandros auch noch die Freiheit nahm und die Stadt den dreißig Männern übergab, da kamen sie nun, da alles verloren war, zu der Vernunft, die sie nicht hatten brauchen wollen, als sie sich noch hätten retten können, wehklagten und rechneten sich ihre Fehler und Torheiten vor, als deren größten sie den zweiten Sturz des Alkibiades erkannten. War er doch schmählich abgesetzt worden, ohne selbst einen Fehler begangen zu haben, und nur aus Zorn gegen einen seiner Untergebenen, der schimpflich ein paar Schiffe verloren hatte, hatten sie selbst noch schimpflicher die Stadt des tüchtigsten und kriegsgewaltigsten Feldherrn beraubt. Trotzdem wollte sie noch immer, auch in der gegenwärtigen Not, eine schwache Hoffnung trösten, daß die Sache der Athener noch nicht ganz verloren sei, solange Alkibiades lebe; denn weder habe er früher sich damit abgefunden, in der Verbannung tatenlos und in der Stille zu leben, noch werde er jetzt, wenn seine Lage es irgend gestatte, ruhig zusehen, wie die Lakedaimonier ihre Macht mißbrauchten und die Dreißig sinnlos wüteten. Es war auch gar nicht so unbegründet, daß die Menge solchen Träumen nachhing, da auch die Dreißig auf den Gedanken kamen, sich darum zu bekümmern, Erkundigungen einzuziehen, und den größten Wert auf alles legten, was jener Mann tat und etwa im Sinne hatte. Endlich suchte Kritias dem Lysandros klarzumachen, daß, solange in Athen die Demokratie bestünde, es für die Lakedaimonier keine Möglichkeit gebe, ungestört über Griechenland zu herr-

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sehen; aber wenn sich auch die Athener gutwillig in die Oligarchie fügten, so würde doch Alkibiades, solange er lebe, es nicht zulassen, daß sie sich mit den bestehenden Verhältnissen abfanden. Indes ließ sich Lysandros durch diese Vorstellungen nicht eher überzeugen, als bis von der Regierung in Sparta die Weisung kam, Alkibiades aus dem Wege zu räumen, sei es, daß man auch dort die Energie und den hochfliegenden Geist des Mannes fürchtete, sei es, daß man es dem Agis zu Gefallen tat. 39. Als nun Lysandros zu Pharnabazos gesandt und ihn zu der T a t aufgefordert hatte, und als der seinem Bruder Bagoas und seinem Oheim Susamithres die Ausfuhrung übertragen hatte, lebte Alkibiades gerade in einem Dorf Phrygiens in Gesellschaft der Hetäre Timandra. Da hatte er folgenden Traum. Es war ihm, er hätte das Kleid der Hetäre an und sie hielte seinen Kopf in ihren Armen und behandelte sein Gesicht wie das eines Weibes mit Schminkstift und weißem Puder. Andere sagen, er habe geträumt, Bagoas schlüge ihm den Kopf ab und sein Leichnam würde verbrannt; übrigens habe er diesen Traum nicht lange vor seinem Tode gehabt. Die gegen ihn ausgesandten Leute wagten aber nicht hineinzugehen, sondern sie umstellten das Haus rings und legten Feuer an. Als Alkibiades es bemerkte, raffte er alles Erreichbare an Kleidern und Decken zusammen, warf es auf das Feuer, wickelte seinen Mantel um den linken Arm und stürzte, das gezückte Schwert in der Rechten, ehe noch die Decken in Brand gerieten, unversehrt von dem Feuer aus dem Hause heraus und jagte durch sein Erscheinen die Barbaren auseinander. Denn keiner nahm den Kampf mit ihm auf und wagte sich an ihn heran, aber aus sicherer Ferne schössen sie nach ihm mit Speeren und Pfeilen. Als er so gefallen war und die Barbaren sich entfernt hatten, nahm Timandra sich des Leichnams an, deckte und umhüllte ihn mit ihren eigenen Gewändern und bestattete ihn liebevoll und so glänzend, wie die Umstände es

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gestatteten. Ihre Tochter soll Lais gewesen sein, die Korintherin genannt wurde, tatsächlich aber eine Kriegsgefangene aus dem sizilischen Städtchen Hyklcara war". Einige andere geben zwar im übrigen vom Tode des Alkibiades einen übereinstimmenden Bericht, sagen aber, der Urheber sei nicht Pharnabazos noch Lysandros oder die Lakedaimonier gewesen, sondern Alkibiades selbst, der ein Mädchen aus vornehmer Familie verführt und bei sich gehabt habe. Diesen Schimpf hätten ihm die Brüder des Mädchens schwer verdacht und darum das Haus, in dem Alkibiades sich aufhielt, nachts angezündet und ihn - wie erzählt - niedergeschossen, als er durch das Feuer heraussprang. 40 ( 1 ) . Nachdem die Taten beider, soweit wir sie der Erzählung und des Gedächtnisses für würdig halten, dargestellt sind, kann man wohl sehen, daß die kriegerischen Leistungen für keinen von beiden ein erhebliches Plus ergeben. In gleicher Weise haben beide viele Proben soldatischer Kühnheit und Tapferkeit sowohl wie feldherrlichen Könnens und Voraussehens abgelegt; es sei denn, man wolle den Alkibiades, weil er zu Wasser und zu Lande in vielen Kämpfen stets Erfolg und Sieg errang, für den vollendeteren Feldherrn erklären. Denn daß sie, wenn sie gegenwärtig waren und das Kommando hatten, immer den Ihren den klaren Sieg und hinwiederum noch offenkundiger, wenn sie auf die andere Seite traten, ihnen Schaden brachten, das ist beiden gemeinsam. An der allzu kecken Politik des Alkibiades, daran, daß er sich nicht frei hielt von Ungezogenheit und Possenhaftigkeit in seinem Buhlen um die Gunst der Menge, nahmen die Vernünftigen Anstoß; das ganz und gar abstoßende, hochfahrende, adelsstolze Wesen des Marcius war dem römischen Volk zuwider. Beides ist nicht zu loben; doch verdient der demagogische Schmeichler geringeren Tadel als derjenige, der, nur um

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nicht für einen Demagogen gehalten zu werden, die Menge vor den Kopf stößt. Denn schimpflich ist es, dem Volke zu schmeicheln, um an der Macht zu sein; aber mächtig zu sein dadurch, daß man Furcht erregt, mißhandelt und unterdrückt, das ist nicht nur schimpflich, sondern auch ungerecht. 41 (2). Daß man sich Marcius als eine schlichte, geradsinnige Natur vorzustellen hat, Alkibiades dagegen als verschlagen in seiner Politik und unaufrichtig, das ist vollkommen klar. Am meisten macht man ihm die boshafte Hinterlist zum Vorwurf, mit der er die Gesandten der Lakedaimonier betrog - wie Thukydides erzählt hat 1 - und so den Bruch des Friedens herbeiführte. Doch machte dieser politische Schachzug die Stadt, wenn er sie auch wieder in den Krieg stürzte, stark und gefürchtet, da ihr durch Alkibiades die Bundesgenossenschaft mit Mantineem und Argivern zuwuchs. Daß aber auch Marcius durch einen Betrug Römer und Volsker in den Krieg hetzte, indem er die zum Fest Gekommenen wahrheitswidrig verleumdete, das hat Dionysios erzählt 2 , und der Beweggrund macht die Tat noch schlimmer. Denn nicht aus Eifersucht und im politischen Kampfund Streit wie jener, sondern nur seinem Zorn zuliebe, von dem niemand - nach dem Worte Dions 3 Dank erwirbt, brachte er große Teile Italiens in Unruhe und opferte viele Städte, die nichts verbrochen hatten, seinem Groll gegen seine Vaterstadt. Allerdings hat auch Alkibiades aus Zorn schweres Unheil über seine Mitbürger gebracht. Aber sowie er bemerkte, daß sie bereuten, war er versöhnt, und nachdem er abermals gestürzt war, zeigte er keine Schadenfreude über die Fehler der Feldherren und sah nicht ruhig zu, wie sie sich schlecht berieten und in Gefahr begaben, sondern, was man Aristeides in seinem Verhalten Themistokles gegenüber zu besonderem Lobe anrechnet, das tat er, indem er zu den Befehlshabern, die nicht seine Freunde waren, hinging und ihnen sagte und erklärte, was not täte. Marcius hin-

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gegen tat erstens der ganzen Stadt Böses, o b w o h l er nicht von der ganzen Stadt Böses erlitten hatte, sondern ihr bester u n d edelster T e i l mit ihm Unrecht litt und mit ihm fühlte, und in dem er zweitens durch viele Bitten und Gesandtschaften, die eine T a t des Zornes und des Unverstandes wiedergutmachen wollten, sich nicht rühren ließ und nicht nachgab, zeigte er, daß er mit dem Ziel, das Vaterland zu verderben und zu vernichten, nicht um es wiederzugewinnen und heimzukehren, den schweren, unversöhnlichen K r i e g eröffnet hatte. Darin freilich, könnte man sagen, liege ein Unterschied, daß Alkibiades, von den Spartanern tödlich bedroht, aus Furcht und H a ß gegen sie zu den Athenern übergetreten sei, während es für Marcius, dem die Volsker alle Gerechtigkeit widerfahren ließen, nicht recht gewesen wäre, sie im Stiche z u lassen. Denn er war zum Führer ernannt und genoß außer der Befehlsgew a l t auch höchstes Vertrauen, nicht so w i e der andere, der, von den Lakedaimoniern mehr mißbraucht als gebraucht, in ihrer Stadt herumging, dann sich im Lager herumtrieb und schließlich Tissaphernes in die A r m e lieferte und ihm den H o f machte, um zu verhüten, daß A t h e n , wohin er zurückzukehren sich sehnte, ganz zugrunde g i n g e 1 . 42 (3). Was Geld angeht, so ist erwiesen, daß Alkibiades es oft nicht sehr fein aus Bestechlichkeit genommen und für Luxus und Ausschweifungen übel g e n u g ausgegeben h a t ; Marcius dagegen vermochten die Feldherren nicht zu b e w e g e n , Geld, das sie ihm als Ehrengabe boten, anzunehmen. Daher machte er sich auch bei dem Streit mit dem V o l k um die Schuldenerleichterung bei der M e n g e besonders verhaßt, weil er nicht aus Gewinnsucht, sondern aus Hoffart und V e r a c h t u n g feindlich gegen die Armen auftrat. In einem Brief über den T o d des Philosophen Aristoteles schreibt A n t i p a t r o s 1 : «Außer seinen anderen Gaben hatte der Mann auch die, zu überzeugen.» D a ß er diese Gabe nicht hatte, machte die T a t e n und

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Leistungen des Marcius auch denjenigen, denen sie zugute kamen, verhaßt, weil sie seinen Hochmut und seine Anmaßung - die Hausgenossin der Einsamkeit, wie Piaton ' sie genannt hat-nicht ertragen konnten. Bei Alkibiades umgekehrt, der mit allen Menschen, mit denen er zu tun hatte, auf die rechte Weise umzugehen verstand, ist es nicht erstaunlich, wenn bei allen Erfolgen, die er hatte, sein Ruhm, verbunden mit Liebe und Verehrung, in höchster Blüte stand, da öfters sogar manche seiner Unarten Reiz und Anmut hatten. Daher wurde er, obwohl er der Stadt nicht wenig und nicht selten geschadet hatte, doch oftmals zum Führer und zum Feldherrn ernannt, und jener erlebte, als er sich nach vielen Ruhmesund Heldentaten um das ihm gebührende Amt bewarb, einen Durchfäll. So konnten den einen die Bürger nicht hassen, ob er ihnen auch Böses tat, und der andere konnte bei aller Bewunderung keine Liebe finden. 43 (4). Als Feldherr hat Marcius für die Stadt nichts geleistet, sondern für die Feinde gegen sein Vaterland, während von Alkibiades' Diensten als Soldat sowohl wie als Feldherr die Athener oft großen Gewinn hatten. War er gegenwärtig, so hielt er seine Feinde in Schach, soviel er nur wollte; war er aber fort, so wurde die Verleumdung mächtig. Marcius dagegen wurde anwesend von den Römern verurteilt, und er war zur Stelle, als ihn die Volsker erschlugen, zwar nicht nach Recht und Fug, doch hatte er selbst ihnen einen einleuchtenden Grund geliefert, indem er in öffentlicher Verhandlung die Versöhnung ablehnte, sich dann persönlich von den Frauen erweichen ließ, aber nicht der Feindschaft ein Ende machte, sondern, während der Krieg noch andauerte, den günstigen Augenblick preisgab und versäumte. Er hätte erst die, die ihm ihr Vertrauen geschenkt hatten, überzeugen und dann abziehen müssen, wenn er auf seine Pflicht ihnen gegenüber den Hauptwert legte; wenn er sich aber nicht an die Volsker kehrte, son-

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dem nur, um seinen Rachedurst zu kühlen, den Krieg begann, dann aber ihn beendete, so mußte er nicht um der Mutter willen die Vaterstadt, sondern mit der Vaterstadt die Mutter schonen; denn die Mutter und die Gattin waren ein Teil der Vaterstadt, die er belagerte. Das Bitten und Flehen der Gesandten des Staates, die Beschwörungen der Priester schroff abzulehnen und dann der Mutter zuliebe den Rückzug anzutreten, das war eine Entehrung, wo nicht der Mutter, so des Vaterlandes, das aus Erbarmen mit einem Weibe und auf seine Fürbitte erhalten blieb, als ob es nicht wert wäre, um seiner selbst willen erhalten zu bleiben. Denn gehässig, roh und wahrhaft gnadenlos war diese Gnade und unfreundlich gegenüber beiden Parteien; zog er doch ab, ohne von den Bekämpften dafür gewonnen zu sein und ohne seine Kampfgenossen dafür gewonnen zu haben. Schuld an dem allem war sein unumgänglicher, allzu hochmütiger und selbstherrlicher Charakter, eine Wesensart, die schon an sich den Menschen zuwider ist, wenn sie sich aber mit Ehrgeiz verbindet, vollends abstoßend und unausstehlich wird. Solche Leute zeigen sich der Menge nicht gefällig, als bedürften sie nicht der Anerkennung, und wenn sie ihnen dann nicht zuteil wird, nehmen sie es übel. Nicht verbindlich zu sein und sich nicht um das Wohlwollen der Menge zu bemühen, war auch die Art des Metellus 1 , des Aristeides und des Epameinondas. Aber weil sie wirklich das gering schätzten, was das Volk zu geben und zu nehmen die Macht hat, so zürnten sie ihren undankbaren Mitbürgern nicht, wenn sie oftmals gebannt, zurückgesetzt, verurteilt wurden, sondern sie gaben sich zufrieden, wenn sie bereuten, und waren zur Versöhnung bereit, wenn man sie rief. Wer sich gar nicht um die Menge bemühen mag, dem geziemt es nicht, übelnehmisch zu sein, denn sein heftiger Zorn, wenn ihm eine Ehre nicht zuteil wird, entspringt ja aus einem heftigen Verlangen nach ihr.

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44 ( j ) . Alkibiades verhehlte nicht seine Freude, w e n n er geehrt, u n d seinen Schmerz, wenn er übergangen w u r d e . Daher suchte er allen, mit denen er umzugehen hatte, angenehm und gefällig z u sein. D e m Marcius verwehrte sein H o c h m u t , sich um die z u bemühen, die ihn ehren und erheben k o n n t e n , und wenn er dann nicht geachtet wurde, so verursachte ihm sein Ehrgeiz Z o r n und Kummer. Das ist es, was man d e m M a n n e vorzuwerfen h a t ; sonst ist an ihm alles ohne M a k e l , und was Enthaltsamkeit und Uneigennützigkeit angeht, so verdient er mit den sittenreinsten Griechen verglichen z u w e r d e n , nicht mit Alkibiades, der in diesen Dingen so frech und um den A n stand u n b e k ü m m e r t gewesen ist wie nur irgendein M e n s c h .

ERLÄUTERUNGEN

E R L Ä U T E R U N G E N ZU KIMON 7 x Chaironeia, die Vaterstadt Plutarchs, s. Einleitung S. 7 . - « Der Einfall gallischer Scharen in Griechenland im Jahr 176 v. C h r . , die erst in t c h w e r e n Kämpfen um Delphi aufgerieben wurden. S i Die* muß 8 6 / t s im E n t e n Mithridatischen Kriege geschehen •ein. 10 1 Die Sage ließ Heraklea nach Westen durch Afrika bis zur Straße von Gibraltar («Säulen des Herakles») und von da über Pyrenäen und A l p e n nach Italien, nach Osten bis ins Amazonenland am Schwarzen M e e r gelangen; Dionysos drang auf seinem Siegescuge bis nach Indien. (Von d e m späten Dichter Nonnos, {.Jahrhundert n . C h r . , besitzen wir ein sehr umfangreiches Epos darüber voll leidenschaftlicher Kraft und Phantasie.) P e r s o n drang bis zu den AJthiopen, die man sich gegen Süden und Osten am Ende der W e l t wohnend dachte, lason nach Kolchis am Schwarzen Meer. 1 • 1 Archelaot und Melanthios waren lyrische Dichter der Mitte des {.Jahrhunderts, Archeiao« zugleich Philosoph, Schüler des Anaxagoras. D i e Verwandtschaft des großen Historikers Thukydides mit Kimon ist auch sonst sicher bezeugt, aber die Nachrichten Uber seinen T o d schwanken. Der Demos Halimus lag unfern von Phaleron, t

nordwestlich des Kerameikos an der Heiligen Straße nach

Eleusis. - t Uber Stesimbrotos s. Bd.I S. $07 (Anm. zu S. 392 1). 3 Euripides frg. 473 aus der verlorenen Tragödie Likymnios. - 4 D e r berühmte Polygnotos mag die Troerinnen in der Gemildehalle (Stoa poikile) zu Athen in den sechziger Jahren des {.Jahrhunderts gemalthaben. 12 1 Uber Panaitios s. Bd.I S. {01 (Anm. zu S. 312 1). 14 1 Uber die verräterischen Verhandlungen des Pausanias mit den Persern steht der berühmte Bericht bei Thukydides I 9 4 f f . Vgl. auch das Leben des Aristeides, Kap. 2}. 1 j i Gemeint das Herakleia am Schwarzen Meer, das an einem Flüßchen namens Acheron lag und w o man in einem Erdspalt einen Eingang zur Unterwelt sah. - s Eion an der Mündung des Strymon (heute Struma). -3 Hermen hießen viereckige Steinpfeiler (ursprünglich Fetischsteine), die den Kopf eines Gottes, meist Hermes, tru-

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E R L Ä U T E R U N G E N ZU DEN S E I T E N

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gen. Die Hermen des Kimon standen nicht weit von der Gemäldehalle (o. Anm. zu S. 11 4). 16 1 Menestheus war nach Ilias II 253 der Führer der Athener vor TroU. - » Uber DekdcU ». Dd. I S. jo8 (Anm. zu S. 40» »). - 3 Amphipolis lag weiter aufwärts am Strymon; Eion wurde seine Hafenstadt. 17 r Uber die Amphiktyonens. Bd.IS.496(Anm. zuS. 2481). - j Dieselbe Geschichte ausführlicher im Leben des Theseus, Kap. 36. 3 Die Zahl vierhundert ist entweder ein Irrtum Pluttrchs oder ein Fehler der Uberlieferung, da nach der üblichen Chronologie der Tod des These us vor 1200 fiel; wahrscheinlich muB es 800 heißen. 1 1 1 Apsephion war Archon des J. 469/6«. - » Über Ion s. Bd.I S.483 (Anm. zu S. 83 3); dieselbe Geschichte im Themistokles, Kap. 10. 19 1 Aristoteles £rg. 363. 20 1 Kratinosfrg. 1 ; über ihn s. Bd. I S.497 (Anm. zu S. 2663). - 1 Gorgias von Leontinoi (Lentini) in Sizilien, berühmter Philosoph, «Sophist », Redner und Lehrer der Beredsamkeit, älterer Zeitgenosse des Sokrates. Vgl. Piatons Gorgias. - 3 Uber Kritias s. Bd.I S. 491 (Anm. zu S. 162 1). - 4 Uber die Skopaden s. Bd.I S. 505 (Anm. zu S. 369 1). - j Die Gytnnopaidien waren ein großes Sportfest, das in Sparta im Hochsommer gefeiert wurde und bei dem die Athleten und die Chöre aller Altersklassen nackt auftraten. - 6 Bezüglich auf die Sage, daß Triptolemos, der Sohn des Königs Keleos von Eleusis, von Demeter auf einem mit geflügelten Schlangen bespannten Wagen auagesandt wurde, um auf der ganzen Erde Weizen auszusäen. 21 1 Vgl. die Darstellung im Leben des Perikles, Kap. 7 und 10. i Der Dareikos war die seit Dareios I. ({21-485) geprägte hochwertige Goldmünze von 8,4 g, die das Bild des knienden Königs mit Krone, Lanze, Köcher und Bogen zeigte. «Silberdareiken» gab es nicht, der Ausdruck ist irrig; gemeint sind Silbermünzen. 2 3 1 Die Chelidonischen Inseln («Schwalbeninseln») liegen 280 km (Luftlinie) ostsüdöstlich von dem Kap Triopion bei Knidos (der Südwestspitze Kleinasiens); bei ihnen öffnet sich die große Pamphylische Bucht. An ihrer Westseite liegt Phaseiis, 80 km nördlich der Chelidonischen Inseln. - 1 UberEphoros s. Bd.I S. 509 (Anm. zu S. 422 r). —3 Uber Kallisthenesebd. S. {03 (Anm. zu S. 345 3). Der Eurymedon mündet in die Pamphylische Bucht etwa in ihrer Mitte. - 5 Uber Phanodemos s. Bd.I S. 508 (Anm. zu S. 4072). 2 4 1 Die Lage von Hydros ist unbekannt; vielleicht ist der Name verderbt.

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2J-34

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2 j i Die Kyaneischen Inaein liegen am Ausgang des thrakischen Bosporos in« Schwarze Meer. - 2 Uber Krateros s. Bd.I S. 50 J (Anm. zu S. 144 «). übrigens irrt Plutarch: Dieser Vertrag wurde nicht schon nach der Schlacht am Eurymedon, sondern erst nach Kimons Tod 449 geschlossen. 16 1 Uber die Akademie s. Bd.I S. 484 (Anm. zu S. 9 7 1 ) . - * Aufstand der Thasier 465-463. 27 1 Dieselbe Geschichte im Leben des Perlkles, Kap. 1 0 . - * Genauere Darstellung im Leben des Perikles, Kap. 9.-3 Eupolis (frg. 20t), einer der bedeutendsten altattischen Komiker, Zeitgenosse und Rivale des Aristophanes. lg 1 Kleitor im nördlichen Arkadien. - 1 Uber Diodoros s. Bd.I (Anm. zuS. 101 1). 29 1 Archidamo* II. regierte 469-427; das Erdbeben ereignete sich 466 oder 4 6 1 . - » Seismadas von seiamos, Erdbeben (vgl. den Seismos in Goethes klassischer Walpurgisnacht). - 3 Aristophanes' Lysistrate (411 aufgeführt) 1 1 3 8 . 30 1 Kleonai, südwestlich von Korinth gelegen, wurde nach wiederholten Kimpfen in den sechziger Jahren des {.Jahrhunderts von den Korinthiern unterworfen. Megara hatte sich nach den Perserkriegen an Athen angeschlossen und lag mit Korinth in sündiger Fehde. - • Ithome, starke Bergfeste bei Messene; Kimons Zug dahin 462. - 3 Kimons Verbannung 461, seine RUckberufung nicht schon bald nach der im Sommer 4J7 geschlagenen Schlacht bei Tanagra, sondern erst um 4 ; 1. 32 1 Der im folgenden geschilderte letzte Feldzug Kimons und sein Tod m i t erst ins Jahr 449. - 1 Poseidonia am Golf von Salerno, das römische Paestum mit seinen großartigen Tempeln. 33 1 Das ist ganz legendarisch, denn Themistokles war damals schon viele Jahre tot. - 2 Das Orakel des (Zeus) Ammon in der libyschen Wüste (heutige Oase Siva). - 3 Kition eine der bedeutendsten (altphoinikischen) Siedlungen im östlichen Teil der Südküste Zyperns, das heutige Lamaka. 34 1 Naukrates von Erythiai in Ionien, namhafter Redner des 4. Jahrhunderts, Schüler des Isokrates.

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J5-41

E R L Ä U T E R U N G E N ZU L U C U L L U S 3 5 1 Der Großvater war L. Licinius Lucullus, der all erster der Familie 1 j i zum Konsulat gelangte. Der Oheim mütterlicherseits, Q . C a e cilius Metellus Numidicus, war Konsul 109 und erwarb sich den Beinamen durch seine bedeutenden Erfolge im Kampfe gegen Jugurtha. Als charaktervoller Vorkämpfer der Optimaten und Gegner der Populären wird er besonders von Cicero viel gepriesen. - 1 Vers aus einer unbekannten Tragödie, nur von Plutarch hier und In der Schrift cSpite Vergeltung», Kap. 10, zitiert (frg. adesp. 321). 36 1 Q.Hortensius Hortalus, 114-50, Konsul 69, war zu seiner Zeit der erste Redner, der aber dann durch den ( Jahre jüngeren Cicero in Schatten gestellt wurde. L. Cornelius Sisenna, 119-67, schrieb eine (uns verlorene) Geschichte seiner Zeit. Die erhaltenen Bruchstücke betreffen zumeist den Bundesgenossenkrieg. - s Die Brüder Luculius waren Aedilen im Jahre 7 9 ; Lucius ist wohl 117, der wenig jüngere Marcus wohl 116 geboren. - 3 Der Manische oder Bundesgenossenkrieg 91-S9. ¡ j 1 Winter 8 7 / 8 6 . - s Ptolemaios X. Lathyros. 3 9 7 Pitane, aiolische Stadt an der Westküste Kleinasiens, westlich der Mündung des Kaikos. - » Sulla siegte 16 erst bei Chaironeia, dann bei Orchomenos Uber die Feldherren des Mithridates, s. Leben des Sulla, Kap. 17 ff. - 3 C. Flavius Fimbria war als Legat des L. Valerius Flaccus (Konsul 86 als Nachfolger des Marius) von der marianischen Regierung zum Kriege gegen Mithridates nach Kleinasien entsandt worden, hatte sich von den gegen Flaccus meuternden Soldaten zum Oberfeldherm machen und die Ermordung seines Chefs geschehen lassen, dann aber bedeutende Erfolge gegen Mithridates errungen. Vgl. unten, Kap.7, und Sulla, Kap. 1 3 - l f . 40 t Lekton ist das Vorgebirge, in das die Nordselte des Adramyttenischen Meerbusens gegen Westen auslauft, gegenüber Methymna auf Lesbos. - « Friede von Dardanos 8 j . 41 1 Die Mytilenaier (auf Lesbos) hatten den von Mithridates geschlagenen, zu ihnen geflohenen ehemaligen Konsul (von 101) Manius Aquilius an Mithridates ausgeliefert und sich diesem angeschlossen. i EUia östlich von Pitane, s. Anm. zu S. 39 / . - 3 Aus Sullas Memoiren, die sein Freigelassener Cornelius Epicadus nach seinem Tode vollendete, ist das meiste durch Plutarchs Leben des Sulla auf uns

E R L Ä U T E R U N G E N ZU DEN SEITEN 4I-J3

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gekommen. - 4 Sulla starb 78, Lucullus und Marcus Aurelim Cotta waren 74 Konsuln ( 1 7 6 . O l y m p . = 7 6 - 7 3 ) . 4 1 1 Dasselbe im Leben des Pompejus, Kap. 20 und Sertorius 2 1 . * Publius Cornelius Cethegus, ehemaliger Marianer, 88 von Sulla g d c h t e t , später begnadigt. - 3 Ludus Quintius war im Jahre 74 Volkstribun. —4 Lucius Octavius, Konsul 7 j . 44 i Quintus Caecilius Metellus Pius, Sohn des Numidicus (s. Anm. zu S.js r )> Konsul 80; mehr über ihn in den Biographien des Pompejus und de* Sertorius. - * Propontis = Marmarameer. 45 1 Chalkedon am Südausgang des Bosporos, auf der asiatischen Seite, Byzanz gegenüber; berühmt durch das Konzil von 4 j 1 . 46 1 Vgl. Leben des Sulla (Bd. Dl), Kap. 1 1 , 1 j ff., 20 ff. - » Dieser Marcus Marius war mit dem berühmten Gajus Marius nicht verwandt. 3 Otryal oder Otroia lag in der Nähe des Sees von Nlkaia, also schon in Bithynien, unfern des Marmarameeres. Die genaue Position des Orte« konnte noch nicht bestimmt werden. 47 i Kyziko«, bedeutende Stadt und starke Festung an der Südseite des Marmarameeres an dem flachen Isthmos, der jetzt das Festland mit der gebirgigen Halbinsel Arktonnesos verbindet, aber im Altertum mindestens zeitweilig vom Meer überflutet war. Die topographischen Einzelheiten, die dann folgen (Gebirge der Adrasteia, Dorf Thrakia), entziehen sich der Feststellung. 48 i Der Daakylitische See ist nicht mehr feststellbar; die Stadt Daskyleiou lag etwa 70 km östlich von Kyzikos am Marmarameer. 50 7 Der Rhyndakos mündet etwa j o km östlich von Kyzikos ins Marmarameer; Apollonia lag am Rhyndakos. - 1 Sallust in den (verlorenen) Historiae, frg. 3 , 4 1 . { i i Der Gramkos - berühmt durch den ersten Persersieg Alexanders, s. sein Leben, Kap. 16 - mündet etwa j o km westlich von Kyzikos ins Marmarameer. - » Der «Hafen der Achaier» gerade nördlich von Dion am Eingang der Dardanellen. $2 I Voconius ein Legat des Lucullus. - » Samothrake, Felseninsel gegenüber der thrakischen Küste zwischen Thasos und den Dardanellen, berühmt durch seine Mysterien, in denen auch die Kabiren eine Rolle spielten. j 3 / Herakleia am Pontos, alte Griechenstadt an der Nordküste Kleinasiens, 300 km östlich des Bosporos (s. Anm. zu S. 1 J /). - J Priapos, Stadt am Marmarameer nahe der Mündung des Granikos. - 3 Der Thermodon, heute Terme Tshai, ist ein kleines Flüßchen, das unweit östlich des bedeutenderen Lykos ins Schwarze Meer mündet

408

ERLÄUTERUNGEN

ZU DEN SEITEN

53-68

und an d e m die alte Stadt T h e m i s k y r a lag, w e l c h e die Sage zur Hauptstadt d e r A m a z o n e n g e m a c h t hatte. - 4 A m i s o s , das heutige Samsun am S c h w a r z e n M e e r , e t w a 60 k m westlich des T h e r m o d o n . - s D i e I i b a r e n e r w o h n t e n e t w a 1 2 0 - 1 ¡ o k m östlich des T h e r m o don a m S c h w a r z e n M e e r . 54 1 K a b e r a , 1 0 0 k m südöstlich von Amisos a m L y k o s . S¡ 1 L . L i c i n i u s M u r e n a , Legat des L u c u l l u s , später von d e m ihm bef r e u n d e t e n K o n s u l C i c e r o im N o v e m b e r 63 mit d e r erhaltenen R e d e gegen die A n k l a g e w e g e n A m t s e r s c h l e i c h u n g v e r t e i d i g t , K o n sul im J a h r e 6 2 . ¡ 8 1 D i e s e Ereignisse fallen schon ins J a h r 7 1 . - 2 M . F a b i u s Hadrianus, Legat des L u c u l l u s ; v g l . Kap. 3 ; . - 3 D o r y l a o s w a r e i n e r d e r ersten G e n e r ä l e des M i t h r i d a t e s ; e r hatte die A r m e e k o m m a n d i e r t , die 86 von Sulla bei O r c h o m e n o s geschlagen w u r d e , s. L e b e n des Sulla, K a p . 2 o f. 60 1 P h a r n a k e i a , das alte Kerasus, d u von Pharnakes, d e m G r o ß v a t e r des M i t h r i d a t e s , umbenannt w u r d e , dann a b e r w i e d e r den ursprünglichen N a m e n a n n a h m ; heute G i r e s u n am S c h w a r z e n M e e r . 61 1 Talaura (auf den M ü n z e n Taulara) im inneren Pontos, genaue Lage nicht feststellbar. 62 1 L . M u m m i u s , d e r berüchtigte Z e r s t ö r e r von K o r i n t h 1 4 6 . - 2 D i e Z e i t d e r athenischen Besiedelung von A m i s o s steht nicht f e s t ; schon v o r h e r scheinen M i l e s i e r dort gesiedelt zu haben. - 3 Ü b e r Aristion s. B d . 1 S . 4 9 5 ( A n m . zu S . 2 0 8 1 ) . - 4 T y r a n n i o n , b e d e u t e n d e r G r a m m a t i k e r , d e r später in R o m hoch angesehen w a r und auch von C i c e r o s e h r geschätzt w u r d e . V g l . Sulla, K a p . 1 6 . 64 1 A p p i u s C l o d i u s ( r i c h t i g e r Claudius) P u l c h e r , ä l t e r e r B r u d e r des berüchtigten C l o d i u s ( K a p . 3 4 ? . ) , Konsul ¡4,

dann V o r g ä n g e r C i -

c e r o s als Statthalter von C i l i c i e n . - 2 C l o d i a , vgl. K a p . 3 4 und 3 8 . 3 Das b e r ü h m t e A n t i o c h e i a am O r o n t e s in S y r i e n , benannt nach seiner V o r s t a d t Daphne zum Unterschied von den anderen Städten des N a m e n s . - 4 G o r d y e n e , eine Landschaft an d e r Südgrenze A r m e niens, östlich d e r Q u e l l e n des T i g r i s . 66 1 Skepsis o d e r Skapsis, Städtchen in d e r Landschaft T r o a s . 67 1 S e l e u k e i a am T i g r i s (nördlich von Babylon), die bedeutendste d e r Städte dieses N a m e n s , v o m ersten Seleukos um 300 g e g r ü n d e t , w a r damals die Hauptstadt d e r P a r t h e r . - 2 am T i g r i s , G e n a u e r e s nicht mit S i c h e r h e i t feststellbar. 68 1 S i n o p e , uralte Stadt an der Nordküste Kleinasiens, das heutige Sin o p . D i e E r o b e r u n g f ä l l t ins J a h r 7 0 . - 2 Sthenis o d e r Sthennis aus

E R L Ä U T E R U N G E N ZU DEN S E I T E N

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Olynth, nach dessen Zerstörung (348) in Athen, bedeutender ErzgieBer, bis nach 287 lebend. 69 1 Im Frühjahr 69. 70 1 Sophene, Landschaft des südwestlichen Armenien, an Kappadokien grenzend. 7 2 1 Tigranokerta, am Südhang der kurdischen Berge, hier Tauros genannt. 73 1 Taxiles erscheint auch schon im Ersten Mithridatischen Kriege als Feldherr des Mithridates, vgl. Sulla, Kap. 1 j und 19. - J Adiabene, die Landschaft östlich des oberen Tigris (nördlich von Mossul). 3 Araxes, der heutige Aras, der in die Kura (antik Kyros) und mit ihr ins Kaapische Meer mündet. 74 1 Die Zahlenangaben sind natürlich arg übertrieben. 7s ' Niederlage des Caepio bei Arausio (Orange) 1 0 ; . 77 x Antlochos von Askalon, etwa 1 2 { - 6 8 , Vorsteher der Akademie in Athen, Freund des Lucullus, Lehrer Ciceros (79/78 in Athen), auf den er starken Einfluß geübt hat. - 2 Strabon aus Amaseia in Pontos, 63 v.Chr. bis 19 n. Chr., Verfasser des uns erhaltenen bedeutenden Werkes Geographika. Das hier zitierte historische Werk, das an den bei 146 schließenden Polybios anknüpfend bis 2 7 v. Chr. führte, ist bis auf Bruchstücke verloren. 81 1 Sommer i t . - 2 Artaxata am oberen Araxes (Aras). 8 2 1 Arsanias hieß der südliche Quellarm des Euphrat, heute Murad Tschai. - * Atropatene hieß der nordwestliche, an Armenien grenzende Teil von Medien. 83 / Die Stelle, die im 98. Buch des Livius gestanden haben muß, ist verloren. - 2 Nisibis, am Südhang der kurdischen Berge, 70 km ostsüdöstlich von Tigranokerta. 8 4 1 Sallust Hiitoriae frg. f , 10. 8 5 / Phasis, der südlich des Kaukasus bei Poti ins Schwarze Meer mündende FluB, der heutige Rion. - 2 P.Clodius - diese vulgare Form des Namens hatte er statt des aristokratischen Claudius aus demagogischen Gründen angenommen - Pulcher, jüngerer Bruder des ebenfalls im Gefolge des Lucullus befindlichen Appius (o. Kap. 21), der berüchtigte Revolutionär und Todfeind Ciceros. 87 1 Fabius Hadrianus wurde 68 in Kabera eingeschlossen, aber von C. Valerius Triariui befreit, dieser dann im Frühjahr 67 bei Zela schwer von Mithridates geschlagen. 88 1 Es handelt sich um die Übertragung des imperium gegen Mithridates an Pompe;us durch die lex Manilia im Anfang des Jahres 66,

4.10

E R L Ä U T E R U N G E N ZU DEN SEITEN

88-99

f ü r die sieb auch d e r Praetor Cicero mit d e r erhaltenen Rede de imperio Gnaei Pompei eingesetzt hat. >9 z Dieselbe Erzählung im Leben des Pompejus, Kap. 3 i . 90 z Dieser C . M e m m i u s , Volkstribun 66, ist d e r Praetor von j8, der dann ¡ 7 als Statthalter nach Bithynien ging und den Dichter Catull in seinem Gefolge hatte und dem Lukrez sein großes Lehrgedicht gewidmet hat. 91 1 Der circus Flaminius nordwestlich des Kapitols. - 2 Diese Servilia, die Lucullus 6 ; heiratete, scheint vielmehr eine Nichte Catos gewesen zu sein; wann die Ehe wieder geschieden w u r d e , wissen w i r nicht. 93 1 Der «Stoiker» Q . Aelius Tubero war 119 Volkstribun, also u m 60 lange t o t ; in Betracht käme L. Aelius Tubero, ein Zeitgenosse und Freund Ciceros, aber der akademischen Philosophie zugeneigt, oder sein Sohn Quintus, Jurist und Historiker. Plinius, naturalis historia IX 170, schreibt den Ausspruch Pompejus zu. 94 z Zitat aus Horaz ( Q . Horatius Flaccus), der Brief I 6,40 ff. dieselbe Geschichte (ein wenig anders) erzählt und schließt, ärmlich sei ein Haus, in dem nicht viel Uberflüssiges vorhanden sei, von dem der H e r r nichts wisse und das dem diebischen Gesinde zugute komme. Vgl. Leben des älteren C i t o , Kap. 18, über Skopas. - 1 Dieselbe Geschichte im Leben des Pompejus, Kap. 2. - 3 Dieselbe Geschichte im Leben des jüngeren Cato, Kap. 19. 96 1 Philon von Larissa, Schuler des Akademikers Kleitomachos (des Karneadesschülers), dessen Nachfolger als Haupt d e r Akademie er 110/09 w u r d e . Er floh 18 von Athen nach R o m , wo e r noch einige Jahre lebte und u . a . Cicero zum Schüler hatte. Antiochos war erst sein Schüler, rückte aber dann von ihm ab. Vgl. Anm. zu S. 77 97 z Ciceros «Lucullus», das zweite Buch d e r ersten Fassung seiner academici libri, ist uns erhalten. 98 z Diese Vorgänge, in Caesars Konsulatsjahr ({9) gehörig, sind in den Biographien des Pompejus, Caesar und des jüngeren Cato ausfuhrlich dargestellt. - 2 Wahrscheinlich in einer Biographie des Lucullus innerhalb des großen W e r k e s De viris illustribus, aus dem uns nur die Biographien d e r nicht römischen Feldherren sowie die des älteren Cato und des Titus Pomponius Atticus erhalten sind. - 3 Lucullus starb £7 oder Anfang 56. 99 z Piaton, Staat II 363 c (über Musaios). - 1 Xenokrates, zweiter Nachfolger Piatons als Leiter der Akademie 339-314, durch seine Sittenstrenge b e r ü h m t ; Epikuros 341-170.

E R L Ä U T E R U N G E N ZU DEN SEITEN I 0 I - I I 7

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101 1 Platon, Gorgia] j i 6 d . 1 0 1 1 Bei der Niederwerfung des langjährigen Aufstand« Ägyptens wurde auch ein starkes athenisches Hilfskorps +f6 vernichtet.

ERLÄUTERUNGEN

ZU PERIKLES

10t 1 Uber Antisthenes s. Bd. I Anm. zu S. 191 3. - » Pheidias und Polykleitos sind die berühmtesten Bildhauer des ¡ . Jahrhunderts, der erste der Schöpfer des Zeus von Olympia, der zweite der Hera von Argos. Anakreon und Archllochos sind die bekannten Lyriker des 6. bzw. 7. Jahrhunderts; Philemon, einer der Meister der jüngeren attischen Komödie; er hat fast 100 Jahre (etwa 360-163) gelebt. 109 x Die Gemeinde Cholargos lag unweit nordwestlich von Athen. 110 1 Kratinos (Uber ihn Bd.I Anm. zu S. 266 3) frg. 240. «Köpfeversammler » (Kephalegeretas) ist komische Verdrehung des homerischen Zeusbeinamens «Wolken versammler »(Nephelegeretas). Dann frg. I i i . — » Telekleides (Zeitgenosse des Kratinos) frg. 44. Eupolis (Uber ihn Anm. zu S. 27 3) frg. 93. - 3 Aristoteles frg. 364. - 4 Piaton (über ihn Bd.I Anm. zu S.430;) frg. 191. 111 j Zenon, der Eleat, der bedeutendste Schüler des Parmenides, ¡ . Jahrhundert; zu unterscheiden von Zenon von Kition, dem Begründer der Stoa, 3. Jahrhundert. - » Uber Timon von Phleius s. Bd.I Anm. zu S. 20;, 1. - 3 Anaxagoras von Klazomenai, im kleinasiatischen lonien, etwa {00-42!, Begründer des philosophischen Dualismus, sofern er ein geistiges (letztlich allerdings doch körperlich gedachtes) Prinzip, das er Nus ( = Denkkraft) nannte, annahm, welches die Materie durchdrang und ordnete. 1 1 2 / Uber Ion s. Bd. I Anm. zu S. 85 3. 11 f 1 Ob dieser Kritolaos der bekannte Peripatetiker des 2. Jahrhunderts ist, der an der athenischen Philosophengesandtschaft nach Rom im Jahre 1 $$ teilnahm (s. Leben des Cato, Kap. 22), oder ein ziemlich obskurer Historiker dieses Namens, ist nicht zu entscheiden. * Piaton, Staat VIII J 6 2 C . - J Piaton, Phaidros 270a. 1 1 6 / Dieser Thukydides ist verschieden von dem berühmten Historiker, dem Sohne des Oloros. - 2 Uber Stesimbrotos s. Bd.I Anm. zu S. 19 2 1 1 7 / Aristoteles frg. j 6 j . Die Gemeinde Oie oder Oe lag in der Ebene von Eleusis. - 1 Die neun Archonten waren: der Archon Eponymos,

4-12

E R L Ä U T E R U N G E N ZU DEN S E I T E N

II7-I35

der erste des Kollegiums, nach dem d u Jahr benannt wurde, der Basilius, dem das Sakralwesen unterstand, der Polemarchos, Chef des Militärwesens, und die 6 Thesmotheten, vor allem Gerichtsherren. 1 1 9 .r Dieselbe hrzahlung Im Leben des Kimon, Kap. 1 4 , 1 7 , 1 8 . - 1 Uber Idomeneus s. Bd. I Anm. zu S. 312 4. 120 1 Aristoteles frg. 367. - » Über Alopeke s. Bd. I Anm. zu S. jn 1. U l i Die Chersones ist die Halbinsel der Dardanellen, Naxos und Andros Kykladeninseln; die Bisalten wohnten westlich des unteren Strymon (Struma). Sybaris, im heutigen Kalabrien (dem antiken Bruttium) im westlichsten Winkel des Meerbusens von Tarent gelegen, wurde ; i o von den Krotoniaten zerstört. Die NeubesiedeIung durch die Athener unter dem Namen Thurioi erfolgte 444/43. 1 2 3 / Zeuxis und Agatharchos waren berühmte Maler der Zeit des Perikles. 1 2 4 1 Die Gemeinde Xypete lag unweit südlich von Athen, Cholargos nordwestlich. - a Kratinos frg. 300. - 3 Ob dieses Odeion-ein Rundbau für musikalische Aufführungen - an derselben Stelle am Südwestabhang der Akropolis gestanden hat, wo um die Mitte des 2. Jahrhunderts n. Chr. Herodes Atticus das Odeion errichtete, von dem noch bedeutende Reste erhalten sind, ist ganz ungewiß. —4 Kratinos frg. 7 1 . 1 2 8 / Piaton, Phaidros 271 c. - 1 Telekleides frg.42. 1 2 9 / Leokrates war schon 479/78 athenischer Stratege und hatte 459/f 7 das Hauptverdienst an der Besiegung der Aigineten. Auch Myronides war 479/78 Stratege und errang 4(7 den folgenreichen Sieg bei Oinophyta über die Boioter. Tolmides war in den fünfziger Jahren als Stratege erfolgreich, verlor aber 447 bei Koroneia gegen die Boioter Schlacht und Leben. 132 1 S. vorige Anm. - 1 Ebenfalls 447. - 3 Pegai oder (dorisch) Pagai, Hafenstadt am Korinthischen Meerbusen im Gebiet von Megara. 1 3 3 / Sikyon, westlich von Korinth, nahe dem Meerbusen, Nemea, südlich davon an der Straße nach Mykenai, schon in der Argolis. 2 Das Unternehmen im Korinthischen Golf und gegen Alurnanien und der (erfolglose) Angriff auf Oiniadai (an der Mündung des Acheloos) fallt ins Jahr 45$. - 3 Die Expedition ins Schwarze Meer fallt in den Anfing der dreißiger Jahre. - 4 Uber Sinope s. o. Anm. zu S. 68 1 . 134 i Zug der Spartaner gegen die Phoker 449, Rückgabe Delphis an sie durch die Athener 448. 1 3 $ 1 Abfall Euboias und spartanischer Einfall in Attlka 446. - 2 Uber Theophrast s. Bd.I Anm. zu S. 162,2.

ERLÄUTERUNGEN

ZU DEN SEITEN

136-145

413

36 1 Chalkis auf Euboia dort, w o die Insel am dichtesten an das mittelgriechische Festland herantritt; Hestiaia, richtiger Histiaia, später O r e o s , an der Nordküste der Insel. - j Beginn des Samischen Krieges 441 oder 4 4 1 . - 3 Thargelia gehört dem Anfang des ¡ . Jahrhunderts an. U b e r bedeutende Frauen, die, wenn nicht geborene Fürstinnen, meistens « Hetären » waren, hat es im Altertum eine große Literatur gegeben. Wenn diese auch voll von Klatsch war, so darf man die Skepsis doch nicht übertreiben. So scheint es mir durchaus nicht unglaubhaft, daß die promiiesische, antisamische Politik des Perildes durch den milesischen Patriotismus Aspasias mit beeinflußt worden sein könnte. 37 r Aischines der Sokratiker, s. Bd.I, Anm. zu S. 344*. — * In Piatons Menexenos 23 j e nennt Sokrates Aspasia seine Lehrmeisterin in der Beredsamkeit. 38 / Omphale, die Königin Lydiens, der Herakles als Sklave diente; Deianeira seine Gattin, die zur Ursache seines Todes w u r d e ; Kratinos frg. 2 4 1 ; Eupolis frg.98. Nach dem attischen, durch Perikles selbst 4 f 1 / j o verschärften Familienrecht konnte nur eine attische Bürgerin rechtmäßige Gattin eines Attikers sein. Aspasia war also nur seine Konkubine, ihre Kinder Bastarde. - * Es handelt sich um den jüngeren K y r o s , dessen Geschichte Xenophon in der Anabasis geschrieben hat; Phokaia in Ionien. - 3 Priene - von dem sehr ansehnliche Reste erhalten sind - lag Milet gegenüber. 39 / Uber Melissos s. Bd.I A n m . zu S. 3921. 40 1 Aristoteles frg. J35. - s Die Eule, der heilige Vogel Athenas, war das Wappentier Athens. - 3 Aristophanej frg. 64, aus den Babylonie r n ( 4 I 6 aufgeführt). - 4 Uber Epboros Bd.I A n m . zu S.422 j . 41 t Uber Herakleides Pontikos s. Bd. I Anm. zu S. 2 3 7 1 . - 2 Duris von Samos, etwa von 300 ab Beherrscher seiner Vaterstadt, hat eine allgemeine griechische Geschichte und eine Spezialgeschichte von Samos geschrieben, interessant und vielgelesen, aber nicht sehr wahrheitsliebend. 42 1 Archilochos frg. 27 Diehl. 43 1 Es handelt sich um die Schlacht bei den Sybota-Inseln (nahe bei Kerkyra-Corfu), in der durch die Ankunft der zweiten athenischen Hilfsflotte die Niederlage der Kerkyraier noch eben abgewendet wurde (433). — ? Potidaia auf der Halbinsel Chalkidike, das spätere Kassandreia. 4$ 1 Die A c h a m e r , aufgeführt 424, die älteste der erhaltenen Komödien des Aristophanes, i 2 4 f f .

414

ERLÄUTERUNGEN

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I46-IJ9

146 t Das G o l d - E l f e n b e i n - B ü d i m Parthenon, s. K a p . 13. 147 1 Hermippoa (verschieden v o n d e m ö f t e r s von Plutarch zitierten Biographen des 3. Jahrhunderts), b e d e u t e n d e r altattischer K o m i k e r , z c l d i c b z w i s c h e n Kratlnos und Arlstophanes stehend. - 2 Prytanen hießen die Mitglieder des g e s c h i f a f ü h r e n d e n

Ausschusses

des Rates der 500. - 3 Aischines der S o k r a t i k e r , s. B d . I A n m . zu S. J 4 4 1 . 148 1 U b e r den kylonischen F r e v e l , vgl. Leben des Solon, Kap. 12 (Bd. I). P e r i l d e s ' M u t t e r Agariste w a r Enkelin eines Megakles, eines Nachk o m m e n jenes alten, an d e m Frevel schuldigen Megakles. - 1 Acharnai, b e d e u t e n d e G e m e i n d e nördlich von A t h e n . 149 1 H e r m i p p o s f r g . 4 6 . 1 j o x A u s b r u c h d e r - von T h u k y d i d e s II 46 ff. beschriebenen - Pest i m Beginn des S o m m e r s 430. i j i 1 R i n g f ö r m i g e Sonnenfinsternis v o m 3. August 4 3 1 , also - entgegen d e n A n g a b e n Plutarchs - ins erste Kriegsjahr g e h ö r i g . - » Epidauros, in d e r A r g o l i s am Saronischen Meerbusen A t h e n gegenüber g e l e g e n ; das € h e i l i g e * genannt w e g e n des h o c h b e r ü h m t e n Heiligtums des Heilgottes Asklepios. • ¡1 i D e r F ü n f k a m p f bestand aus Sprung, Lauf, Diskuswurf, S p e e r w u r f , Ringen. 1J4 1 V g l . A n m . zu S. 138 /. - 1 P h r a t r i e , « B r ü d e r s c h a f t » , hieß die Sipp e n g e m e i n s c h a f t , in die j e d e r attische Bürger aufgenommen sein m u ß t e . - 3 Bei den Arginusen - drei Inselchen an der Küste Ä o l i e n s g e g e n ü b e r Lesbos - siegten die A t h e n e r 406 und verurteilten dann die F e l d h e r r e n - gegen den Protest des Sokrates - z u m T o d e , w e i l sie bei a u f k o m m e n d e m Sturm nicht alle S c h i f f b r ü c h i g e n g e b o r g e n hatten. i H 1 Perilde« starb im Jahre 4 1 9 , einige 60 Jahre alt. 1 ¡6 1 F r e i e Paraphrase d e r b e r ü h m t e n Verse d e r Odyssee VI 41 ff.

E R L Ä U T E R U N G E N

Z U

F A B I U S

M A X I M U S

1 j 8 x D i e Etymologie von fodere ist unsinnig; wahrscheinlich richtig ist die (auch schon i m A l t e r t u m vorgeschlagene) A b l e i t u n g von faba = Bohne. 1 ¡91 Erstes Konsulat d e s Fabius 233. - t Schlacht an der T r e b i a (heute T r e b b i a , südlicher N e b e n f l u ß des P o , bei Piacenza m ü n d e n d ) , im

E R L Ä U T E R U N G E N ZU DEN S E I T E N I59-189

4IJ

Spätherbst 21 8. - 3 Falerii, im südlichen Etrurien, nordwestlich des mons Soracte (unweit Civiti Castellana). 160 1 Erstes Konsulat und Galliersieg des Gaius Flaminius 2 1 ] , zweites Konsulat und Schlacht am Trasimenischen See 2 1 7 . 1 6 3 / Plutarch bat sich von seinen pythagoreischen jugendneigungen her die Vorliebe für mystische Zahlenspielereien bis ins Alter bewahrt. i 6 j r Casinum, im südlichen Latium, nördlich des Liris (Garigliano), Casilinum in Campanien, am Volturno, dicht bei Capua. 170 j T.Manlius Imperiosus Torquatus, Konsul 347, 344 und 340. In das letzte Konsulat fillt die im Text berichtete furchtbare Tat, die Hinrichtung des Sohnes wegen siegreichen Zweikampfes gegen Befehl. 17 s 1 Die Angabe ist ungenau. Nachdem Nablus die Diktatur niedergelegt hatte, traten wieder die Konsuln, Gnaeus Servilius Geminus und der an Stelle des gefallenen Flaminius unter Leitung des Fabius gewählte Marcus Atilius Regulus, in Funktion, die allerdings im Sinne des Fabius den Krieg hinhaltend führten. Im März 216 traten M.Terentiua Varro und Lucius Aemilius Paullus ihr Amt an. 177 t Der Aufidus ist der heutige Ofanto. Cannae lag an seinem rechten Ufer etwa 1 o km oberhalb der Mündung. 179 1 Venusia, heute Venosa, f o km südwestlich von Cannae am Gebirgsrand, Heimat des Horaz. • 80 / Euripides frg. 993, aus unbekanntem Drama. i t i 1 Dieser FabiusPictor ist zugleich der älteste, noch griechisch schreibende, römische Annalist, s. Bd. I Anm. zu S. 104, 1. 1 8 2 / Poseidonios von Apameia in Syrien, etwa 1 3 1 - i 1 , Schüler des Panaiüos, Universalgelehrter von stärkster Wirkung auf Mit- und Nachwelt. Sein umfassendes, stark kulturgeschichtlich getöntes Geschichtswerk setzte den Polybios fort (ab 146) und führte die römische Geschichte vom Standpunkt der Senatspartei bis etwa 86. 183 / Die fünf Konsulate des Fabius fielen in die Jahre 233, 228, 21 ¡ , 2 1 4 , 209, die des Marcellus in die Jahre 222, 2 i j , 214, 2 1 0 , 208. 18 j 1 Rückgewinnung von Tarent im Jahre 209. 188 1 Konsulat des gleichnamigen Sohnes des Fabius 2 1 3 . 189 1 Fabius' Urgroßvater Q. Fabius Maxünus Rullianus war Konsul 322, 3 1 0 , 308, 297 und 295, triumphierte 309 und 295; sein Sohn Q. Fabius Gurges war Konsul 292. - i Cicero sagt im Cato Maior De senectute 12, daß er die Rede noch in Händen habe, und fügt hinzu: «Wenn wir sie lesen, welchen Philosophen verachten wir dann nicht ?»

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E R L Ä U T E R U N G E N ZU DEN S E I T E N

190-201

19a 1 Scipios Feldzüge in Spanien fallen in die Jahre 2 1 1 - 2 0 6 , sein erstes Konsulat 2 0 ¡ , das zweite 194. 1 9 1 1 Publius Lianius Crassus war Pontifex maximus. 1 9 1 T Rückkchr H*nnib*l> nach Afrika 1 0 3 . - » Schlacht bei ¿ v r u im Herbst 202. — 3 Sophokles' Antigone 163. 194 1 Rückeroberung Capuas im Jahre 2 1 1 .

ERLÄUTERUNGEN

ZU

NIKIAS

199 1 In den Büchern VI und VII. - 3 Uber Timaios s. Bd. I Anm. zu S. Hi 1. - 3 Phllistos von Syrakus, als Staatsmann und General treuer Anhänger der Dionyse, 3 j 6 in einer Seeschlacht vor Syrakus gegen Dion gefallen; s. dessen Biographie (Bd.IV), Kap. 1 1 - 1 4 , 2 5 , 3 ; ; Verfasser einer Geschichte Siziliens von der Urzeit bis zum Jahre 362, für die er sich Thukydides zum Vorbild genommen hatte. 4 Pindar frg. 206. - 3 Diphilos von Sinope, neben Menander und Philemon der namhafteste der jüngeren attischen Komiker, in den Jahrzehnten um 300 dichtend; frg. 1 1 9 . - 6 Der Name Nikias ist (wie der seines Vaters Nikeratos) von nike, Sieg, abgeleitet. — 7 Hermokrates war einer der bedeutendsten Staatsmänner und Generale von Syrakus, die Seele des Widerstandes gegen Athen. - 1 Demeter und Kore, die Fruchtbarkeitsgöttinnen, gehörten zu den Hauptgottheiten und Schutzpatronen von Syrakus und überhaupt Siziliens. 2 00 1 Die Bewohner der (von den Griechen durchweg Egesta genannten) Elymerstadt Segesta im westlichen Sizilien - deren unvollendeter Tempel zu den besterhaltenen Denkmälern griechischer Baukunst gehört - rühmten sich troischer Abstammung. In ihren Kämpfen mit dem benachbarten (dorischen) Selinus hatten sie Athen um Hilfe angerufen. - 2 Laomedon, König von Troia und Vater des Priamos, versprach Herakles als Preis für die Erlegung des Meerungeheuers, dem er seine Tochter Hesione hatte preisgeben müssen, diese selbst und seine berühmten Rosse, prellte aber nach vollbrachter Tat den Retter um seinen Lohn, worauf Herakles die Stadt zerstörte. Übrigens gibt es verschiedene Versionen der Sage. - 3 Aristoteles, Staat der Athener 28, j . - 4 Uber diesen Thukydides vgl. Leben des Perikles, Kap. 6, 8, 1 1 , 1 4 , 16. - 5 Theramenes, attischer Politiker aristokratischer Richtung, einer der «30 Tyrannen ». 2 0 1 / Kleon, der berüchtigtste Demagoge der zwanziger Jahre (wobei zu

E R L Ä U T E R U N G E N ZU DEN SEITEN 201-210

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bedenken tat, daß alle unsere Berichte, einschließlich Thukydides und Aristophanes, aristokratisch gefärbt sind), fiel 4 2 } in der Schlacht bei Amphipolis gegen Brasidas. - * Nicht niher zu bestimmendes Komikerfragment (DI p . 4 0 0 Kock). 202 1 A m Südhang der Akropolis; in ihm lag das Dionysostheater, das älteste der Welt und Urbild aller späteren, dessen bedeutendeTrümm e r seit langem freigelegt sind. 2 0 j / Uber diesen Pasiphon hatte man schon im Altertum kein sicheres Wissen, wie die sich stark widersprechenden Berichte zeigen. > Uber Laureion s. Bd. I Anm. zu S. 3 9 5 1 . 204 1 Uber Telekleidess. o. Anm. zu S. 11 o », f r g . 4 1 . - » Uber Eupolis s. ebenda; frg. 1 I i .-3 Aristophanes' Ritter (aufgeführt 424) 3 4 Phrynichos, altattischer Komiker, Zeitgenosse und Rivale des Aristophanes, frg. f j . 2of i Von diesem Dionysios Chalkus, der bis in die ersten Jahre des Peloponnesischen Krieges gelebt hat, sind uns noch zwei Dutzend Verse (elegische Distichen) erhalten; doch bleibt sein Bild blaß. 206 1 Bei Euripides, Iphigeneia in Aulis 449. - s Uber Dämon s. Aristeides 1 ( B d . I S . 3 1 2 ) und Perikles4. Antiphon von Rhamnus(attische Gemeinde an der Ostküste, nördlich Marathon), bedeutender Staatsmann und Redner, von Thukydides sehr hoch geschätzt, 4 1 1 wegen Beteiligung an dem oligarchischen Staatsstreich hingerichtet; von seinen Reden ist einiges erhalten. D e r Prozeß des Paches fand 42 7 statt. 207 1 Die erste Angabe ist irrig: Kallias siegte und fiel vor Potidaia 43 2, und Xenophon nahm 429 die Kapitulation der Stadt entgegen. Demosthenes' mißglückter Feldzug gegen Aitolien fallt ins Jahr 426, die Niederlage bei Delion 424. - s Die Reihenfolge der Waflentaten des Nikias ist verwirrt. Die Eroberung von Minoa (nicht Nisaia!) erfolgte 4 1 7 , die Expedition gegen Korinth im Herbst 42 ¡ (nach der Kapitulation der Spartaner auf Sphakteria), die Eroberung der Insel Kythera(an der östlichen Südspitze der Peloponnes) im Sommer 4 2 4 , der Feldzug in Thrakien im Sommer 42 3. — < In Thyrei (in Lalconien, im Grenzgebiet gegen die Argolis gelegen) hatten die Spartaner die 431 von den Athenern aus ihrer Heimat vertriebenen Aigineten angesiedelt. 208 t Pylos und Sphakteria im südlichsten Teil der Ostküste Messeniens, beim heutigen Navarino; Sommer 42 209 ' Aristophanes' Vögel ( 4 1 4 aufgeführt) 6 3 9 ; die Bauern (Georgoi), wahrscheinlich 422 aufgeführt, sind verloren; frg. 100. 1 1 0 1 Homer, Odyssee IV 230.

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E R L Ä U T E R U N G E N ZU DEN S E I T E N

2II-22I

2 1 1 i Schlacht bei A m p h i p o l i s 4 1 2 . - » Euripides f r g . 3 6 9 , aus d e m (verl o r e n e n ) Erechtheus. 2 1 2 / T h u k y d i d e s sagt V 2 6 , 4 : Ich e r i n n e r e m i c h , daß i m m e r , zu Beginn des K r i e g e s und bis e r zu Ende g i n g , von vielen d e r O r a k e l s p r u c h vorgebracht w u r d e , es sei b e s t i m m t , daS e r d r e i m a l neun J a h r e d a u e r e . - 1 F r i e d e des Nikias 4 2 1 . - 3 U b e r Theophrast s. B d . 1 A n m . zu S. 162 2. 2 1 3 1 Das attische G r e n z f o r t Panaktos an d e r Hauptstraße von A t h e n nach T h e b e n w u r d e v o r d e r R ü c k g a b e an die A t h e n e r v e r t r a g s w i d r i g geschleift. 2 1 i 1 S p r i c h w ö r t l i c h g e w o r d e n e r V e r s unbekannter H e r k u n f t . - 1 P e r i thoidai, attische G e m e i n d e nicht sicher b e s t i m m b a r e r L a g e , w a h r scheinlich an d e r Heiligen Straße nach Eleusis. 2 1 6 / Piaton (Zeitgenosse des A r i s t o p h a m s ) f r g . 1 8 7 . - 2 U b e r C h o l a r g o s s. A n m . zu S. 1 0 9 / . - j U b e r Phaiax vgl. L e b e n

des A l k i b i a d e s ,

K a p . 1 3 m i t A n m . - 4 U b e r Egesta s. A n m . zu S. 2 0 0 / ; L e o n t i n o i , chalkidische (also ionische) K o l o n i e in Sizilien, a m S ü d r a n d d e r E b e n e von Catania, heute L e n t i n i ; die Gesandtschaft kam nach A t h e n im J a h r e 4 1 6 . 2 1 7 1 Die Säulen des H e r a k l e s : die Straße von G i b r a l t a r . 2 1 8 / U b e r das O r a k e l des A m m o n s. A n m . zu S . 3 3 2. - 1 A n d o k i d e s , nächst A n t i p h o n d e r älteste d e r attischen « z e h n R e d n e r » ( k u r z vor 4 4 0 g e b o r e n ) , eine A b e n t e u r e m a t u r mit b e w e g t e m Schicksal. M e h r über ihn im Alkibiades, K a p . 2 1 . V i e r seiner R e d e n sind e r h a l t e n . 3 Klazomenai im kleinasiatischen lonien. 2 1 9 / M e t o n ist namhaft d u r c h seine Bemühungen um einen verbesserten K a l e n d e r (Ausgleich von M o n d - und S o n n e n j a h r e n ) . D i e h i e r erzählte G e s c h i c h t e ist w o h l legendarisch. - 2 Das Adonisfest w u r d e in A t h e n im H o c h s o m m e r g e f e i e r t . Dabei w u r d e n auch die sogenannten Adonisgärten v e r w e n d e t , T o p f s c h e r b e n , in w e l c h e man schnell a u f k e i m e n d e und w i e d e r v e r w e l k e n d e K r ä u t e r (vor a l l e m Lattich und Fenchel) ansäte und sie u m die a u f g e b a h r t e A d o n i s p u p p e aufstellte. 2 20 1 G e n a u e r e s im Leben des Alkibiades, K a p . 2 1 f . 2 2 1 / Das syrakusische O l y m p i e i o n lag südwestlich d e r Stadt auf e i n e m Hügel am S ü d u f e r des Anapos. V o n d e m im 6. J a h r h u n d e r t erbauten T e m p e l stehen noch z w e i Säulen a u f r e c h t . — a D i e G e s c h i c h t e des Kallippos gibt Plutarch ausführlich im Leben des D i o n , K a p . $ 6 - 5 8 . - 3 Es gab m e h r e r e Städte namens Hybla in Sizilien. Das h i e r gemeinte ist Hybla Geleatis in d e r E b e n e von Catania, das heutige Pa-

E R L Ä U T E R U N G E N ZU DEN SEITEN 221-242

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terno. - 4 Hykkara, sikanisches Städtchen an der Nordküste Siziliens, das heutige Carini, 20 km westlich von Palermo. 223 1 Der FluO ist der südlich von Syrakus in den großen Hafen mündende Anapos. - > Naxos, die älteste griechische (ionische) Kolonie an der Ostküste Siziliens, nach Thukydides 7 3 ; gegründet, am Meere unterhalb Tauromenion-Taormina gelegen, welches nach der Zerstörung von Naxos (403) von Dionysios angelegt wurde (396). 224 1 Thapsos, kleine Halbinsel, die 7-8 km nordwestlich von Syrakus in den Megarischen Meerbusen vorspringt; heute Magnisi. Epipolai, die ausgedehnte Hochfläche westlich der eigentlichen Stadt, später von Dionysios in den Befestigungsgürtel von Syrakus einbezogen. 2 2 7 / Bezüglich auf die Gefangennahme der Spartaner auf der Insel Sphakteria. - 1 Uber Philistos o. Anm. zu S. 199 j . 229 1 Plemmyrion hieß die Landspitze, welche der Südspitze der Ortygia-Nasos, des ältesten Syrakus (und des heutigen Siracusa), in wenig mehr ab 1 km Entfernung gegenüberliegt und mit ihr den großen Hafen östlich abschließt. 2 3 0 / Um einen gleichmaßigen Ruderschlag zu erzielen, schlug auf jeder Galeere ein SchifTsoffizier mit einem Holzhammer den Takt; ihm war ein Flötenbläser (vielmehr Schalmeienbläser) beigegeben. 2 3 3 1 Leon von Byzantion, Zeitgenosse und Gegner König Philipps von Makedonien, gegen den er 341/40 seine Vaterstadt erfolgreich verteidigte.- » Die Mondfinsternis ist auf den 27. August 4 1 3 errechnet. 2 3 4 / Vgl. Leben des Dion, Kap. 24. - 2 Uber Philochoros s. Bd. I Anm. zu S. j i 1. — 3 Die Erläuterungsschrift (Exegetika) des Autokieides (wahrscheinlich aus Athen, 4. Jahrhundert oder nicht viel später) gab Interpretationen sakraler Traditionen. 2 3 ( 1 Die genaue Lage des Heraklesheiligtums ist nicht bekannt. 238 / Das Gehöft des Polyzelos vermutet man am Kakyparis-Fluß, dem heutigen Cassibile. 239 / Der Asinaros ist der heutige Rio Falconara oder Rio di Noto. 240 J Der Metageitnion ist der zweite attische Monat nach der Sommersonnenwende, also in der Regel Juli-August; das hier gemeinte Datum muß wegen des feststehenden Datums der etwa um 10 Tage vorangegangenen Mondfinsternis (27. August) in den Anfang September fallen. - 1 Uber Kleandrides s. Leben des Perikles, Kap. 22. 242 1 Kaunos, in Karien, nahe der lykischen Grenze.

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E R L Ä U T E R U N G E N ZU DEN SEITEN 243-25$

ERLÄUTERUNGEN

ZU

CRASSUS

243 r Marcus Licinius Crassus ist 11 j oder 1 1 4 geboren. Sein Vater Publius Licinius Crassus war Konsul im Jahre 97, anschließend Statthalter des jenseitigen Spaniens (s. Anm. zu Bd.I S. $$8,1), triumphierte 93 über die Lusitanier und war 89 Censor. Nach der Eroberung Roms durch die Marianer 87 gab er sich den Tod, nachdem sein zweiter Sohn, dessen Vorname unbekannt ist, von ihnen getötet worden war. Der älteste, Publius, dessen Witwe Tertulla der jüngste, Marcus, heiratete, war schon einige Zeit vorher gestorben. 1 Der Prozeß fiel wahrscheinlich ins Jahr 73. 244 J Eroberung Roms durch Sulla I i . 24£ 1 Archidamos II., Konig von Sparta etwa 469-427. 248 1 Fenestella schrieb unter Augustus, vielleicht auch noch unter Tiberius ( 1 4 - 3 7 ) , annales sehr vielseitigen Inhalts. - 2 Tod des Cinna Anfang 84. - j Malaca, das heutige Malaga. - 4 Quintus Caecilius Metellus Pius, entschiedener Aristokrat, Praetor 89, Konsul 80 mit Sulla. Mehr Uber ihn erzählt PluUrch in den Biographien des Sertorius, Kap. 1 1 ff. (Bd. V) und Pompejus 17fr. (Bd. III). 249 7 Mehr darüber im Pompejus, Kap. j f f . - 2 Tudertia, richtige Form Tuder, das heutige Todi in Umbrien. 2£o 1 Genaueres im Leben des Sulla, Kap. 29 (Bd.III). - 2 Bruttium, das heutige Calabrien. 2{2 1 Gnaeus Sicinius, Volkstribun 76, Vorkämpfer für die Wiederherstellung des von Sulla zur Bedeutungslosigkeit herabgedrückten Volkstribunats, scheint ein gewaltsames Ende gefunden zu haben. 2 Die Maider, einer der mächtigsten thrakischen Stämme, wohnten am mittleren Strymon (Struma). 2(3 1 Gaius Claudius Glaber, Praetor 73. 2$4 / Publius Varinius Glaber, ebenfalls Praetor 73, im folgenden Jahre Propraetor der Provinz Asia. Furius sonst unbekannt, ebenso der Praetor Cossinius. Mit Salinae sind wahrscheinlich die Salinae Herculeac, Lagunen zur Salzgewinnung, zwischen Pompeii und Hcreu laneum, gemeint. 2 j f j L. Gellius Poplicola und Gnaeus Cornelius Lentulus Clodianus waren die Konsuln des Jahres 7 2. Die Orte ihrer Niederbgen sind nicht bekannt. Gaius Cassius Longinus war Konsul des vorhergehenden Jahres gewesen; er wurde bei Mutina von Spartacus geschlagen. -

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2 Picenum, die Landschaft Mittelitaliens, die sich längs der Adria von nördlich Ancona bis nördlich Pescara, im Innern bis zur Höhe des Apennina e r s t r e c k t e . - j Dieser Mummius ist sonst unbekannt .-4 Diese militärische Strafe hieß decimatio (decimus = der zehnte; daher noch unser «dezimieren»). Die Hinrichtung wurde nicht mit dem Beil vollzogen, sondern die Leute wurden mit Knütteln erschlagen. 2 ¡ 6 1 Spartacus rückte also bis zur Südspitze Italiens (Rhegion - Reggio Calabria). Die kilikischen Seeräuber schwärmten damals bis ins westliche Mittelmeerbecken, legten den Handel lahm und gefährdeten die Getreideversorgung Italiens, bis Pompejus sie 67 vernichtete, s. sein Leben, Kap. 2 { f f . Die Sklavenkriege in Sizilien fielen in die Jahre 1 3 6 - 1 3 1 und 104—99. - 1 Also etwa km. Die Zahl paßt auf die Einschnürung des «Stiefels» nördlich des Silawaldes. - 3 Dieser «Lukanische See », nach der Beschreibung eine Lagune, ist nicht sicher feststellbar. 2 $7 / Marcus Terentius Varro Lucullus, jüngerer Bruder des berühmten Lucullus (s. dessen Biographie, Kap. 1 und 4 3 ) , von einem Marcus Terentius Varro adoptiert, im Bundesgenossenkriege und im sullanischen Bürgerkriege bewährt, Konsul 7 3 , dann Prokonsul von Makedonien. — j Die von Plutarch angegebene Namensform muß falsch sein, denn ein keltischer Sklave konnte nicht den römischen Vornamen Gaius fuhren. In den anderen Quellen heißt er Cannicus. j Petelia, alte Stadt an der Ostküste Calabriens, nördlich von Cotrone. - 4 Der Legat hieß L . Quinctius; Gnaeus Tremellius Scrofa hat es noch zur Praetur und zu einer Statthalterschaft gebracht (Zeit und Ort unbekannt) und noch 45 gelebt. Er ist einer der Unterredner in Varros landwirtschaftlichem Werk (Rerum rusticarum libri III) und hat selbst auf diesem Gebiet geschriftstellert. i ; 8 / Triumph des Pompejus am 29. Dezember 7 1 , die Ovatio des Crassus wohl etwa zur gleichen Z e i t . 2 $9 1 Erstes Konsulat des Pompejus und Crassus 70. Daß es politisch bedeutungslos war, trifft nicht zu, vielmehr schlug es die erste Bresche in die sullanische Restauration. Richtiger darüber im Leben des Pompejus, Kap. 2 1 . 2 6 0 / Censur des Crassus und des Quintus Lutatius Catulus (später Capitolinus zubenannt, Konsul 78) im Jahre 65. Hinter dem Plan, schon damals Ägypten zu okkupieren, stand Caesar. - 1 Dieselbe Angabe im Leben Ciceros, Kap. 1 j , gewiß richtig. Die Rede Ciceros und die Schrift De consulatu suo sind nicht erhalten. Die Beziehungen des Crassus und Caesars zu Catilina, doch vor der eigentlichen Ver-

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schwörung im Sommer 63, stehen außer Zweifel. - 3 Genaueres im Leben Ciceros, Kap. 33. - 4 Aus der Provinz Spanien, die er 6 1 / 6 0 als Propraetor verwaltete, s. Leben Caesars (Bd. V), Kap. 11 f. » 1 1 Caesars erstes Konsulat {9. 262 1 Zusammenkunft in Luca (heute Lucca, nordöstlich von Pisa) im Frühjahr ¡6. Genaueres darüber wie über den stürmischen Wahlkampf im Pompejus $ i f . , Caesar 3 1 , Cato Minor 41 und 43. 2 Gnaeus Cornelius Lentulus Marcellinus, Konsul { 6 ; Lucius Domitius Ahenobarbus, Konsul { 4 ; mehr über ihn Pompejus ¡1, 69, Caesar 34, 35, 44 und Cato Minor 41 f. 2 6 3 / Zweites Konsulat des Pompejus und Crassus $ j . - 2 Caesars Tochter Julia, s. Caesar, Kap. j , 14, 23, Pompejus 47, 49, $ 3 , Cato Minor 30, 3 1 . 264 1 Gajus Ateius Capito, Volkstribun $ j , später nicht mehr politisch hervorgetreten. 26f j Der König Dejotaros, für den dann Cicero im Herbst 4f vor Caesar die auf uns gekommene Rede gehalten hat. - 1 Winter J 4 / J 3. 3 Crassus' Sohn Publius, etwa 86 geboren, hatte sich unter Caesar in Gallien j 8 - j 6 in bedeutenden Kommandos hervorragend bewährt. 266 1 Uber Seleukeia s. Anm. zu S. 67 1 . - 2 Hierapolis, älterer Name Bambyke, bedeutende Stadt Syriens an der großen Straße von Antiocheia nach Osten, unweit des Euphrat, Hauptstätte des Kultes der (meist Atargatis oder Derketo genannten) «syrischen Göttin». 3 Arsakes hieß der halbmythische Gründer des Partherreiches in der zweiten Hälfte des 3. Jahrhunderts, und alle seine Nachfolger auf dem Throne führten diesen Namen, daneben aber einen besonderen ; so der damalige Herrscher Orodes ( $ 7 - 3 7 ) . 267 1 Gajus Cassius Longinus, der Caesarmörder, a Quaestor, 49 Volkstribun, im Bürgerkriege auf Seiten des Pompejus, von Caesar begnadigt, 46 Praetor. Mehr über ihn in den Biographien des Caesar und des Brutus. 268 / Artabazes oder Artavasdes, Sohn des Tigranes, seit 69 neben dem Vater König von Armenien. Mehr über ihn im Leben des Antonius.1 Zeugma am Euphrat, nordöstlich von Antiocheia. 270 1 Hyrkanien, das Land südlich und südöstlich des Kaspischen Meeres, welches auch das Hyrkanische genannt wurde. 271 / Surenas war der erbliche Name des Chefs des mächtigsten parteiischen Geschlechtes neben den Arsakiden. Der damalige Surenas sein persönlicher Name ist nicht bekannt - hatte den von seinem Bruder Mithridates vertriebenen Orodes auf den Thron gesetzt.

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2 7 4 ' B a l i s « » , sonst Balicha genannt, linker Nebenfluß des Euphrat, heute Beiich. 27$ 1 Margiane, die heutige Landschaft M e r w , nordwestlich von Afghanistan, links des Mittellaufes des Amudarja. 276 1 D e r griechische T e x t , somit auch die Ubersetzung, ist hier zweifelhaft. 277 / Uber Megabakchos (wohl identisch mit dem zweimal bei Cicero genannten Gajus Megabocchus) und Marcius Censorinus ist weiter nichts bekannt. 279 / Ichnai am Balissos, 6 0 - 7 0 km südlich von Karrhai, dem heutigen Harran. 281 1 Gemeint die schweren Niederlagen und Verluste in den beiden ersten punischen Kriegen. 282 1 Uber diesen Octavius ist sonst nichts bekannt; mit dem spateren Kaiser Augustus (einem geborenen Octavius) hat er, soviel wir wissen, nichts zu tun. - 2 Egnatius, sonst unbekannt. Ein Gajus Coponius kämpfte im Burgerkrieg auf seilen des Pompejus und war 3 2 noch am Leben. Ob er oder sein Bruder Titus (beide von Cicero erwähnt) der Kommandant von Karrhai war, ist ungewiß. 2 8 4 ' Dieser Andromachos wurde von den Parthern zum Lohn für seinen Verrat zum Herrscher von Karrhai gemacht, aber bald ermordet. 28 j / Die Araber sprechen von den Tierkreiszeichen Skorpion und Schütze, Cassius versteht den Schützen scherzend als den Parther. 2 Die Sinnakaberge sind nicht sicher lokalisierbar. 287 1 W e d e r von Petronius noch von den Brüdem Roscius wird uns sonst etwas berichtet. - 1 Wohl zum Euphrat als dem Grenzfluß zwischen dem parthischen und dem römischen Reich. 289 • Die «Milesischen Geschichten» des (nicht näher bekannten) Aristeides, erotische Novellen, wohl im 2. Jahrhundert verfaßt, waren so beliebt, daß der römische Historiker Cornelius Sisenna(i 1 9 - 6 7 ) sie ins Lateinische übersetzt hat. Vom Original wie von der Ubersetzung sind nur geringfügige Reste erhalten, doch haben sie in der Weltliteratur mächtig nachgewirkt. - 2 Nach einer bekannten Äsopischen Fabel trägt jeder Mensch zwei Ranzen, den einen mit den Fehlern seiner Nebenmenschen vor sich, den andern mit den eigenen Fehlern auf dem Rücken, so daß er sie nicht gewahr wird. 290 / Tralleis, bedeutende Stadt in Karien. - 2 Die Bakchen des Euripides, das letzte seiner Dramen, in Makedonien gedichtet, nach seinem Tode 406 in Athen aufgeführt, behandeln den Sieg des Dionysos über seinen Verfolger Pentheus, den die eigene Mutter Agaue an der

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29O-3OI

Spitze der Bacchantinnen im Wahnsinnsrausch in Stücke reißt und das abgeschlagene Haupt als Jagdtrophäe triumphierend einherträgt. Die zitierten Verse (die zweite Partie ungenau) sind 1169 ff. und 1 1 7Sf. 2 9 1 7 Pakoros fiel 38 im Kampfe gegen Ventidius (vgl. Leben des Antonius, Kap. 34); Ermordung des Orodes durch seinen Sohn Phraates 37. - 2 Der Redner und Politiker Lykurgos (396-32 j ) war ein Mitstreiter des Demosthenes gegen die Makedonen. Von seinen Reden ist eine, die gegen Leokrates von 330, erhalten. 293 1 König Perdikkas II. von Makedonien (Regierungszeit nicht genau festzustellen) stand wahrend der ersten 10 Jahre des peloponnesischen Krieges den Athenern meist feindlich gegenüber. 294 1 Quintus Caecilius Metellus Macedonicus (Konsul 143) hatte als Propraetor von Makedonien 146 die Achaier bereits entscheidend geschlagen, als der herbeieilende Konsul Gajus Mummius ihm das Kommando abnahm, den letzten Widerstand niederkämpfte, Korinth zerstörte und dem Metellus so den Preis des Sieges entriß. J Vgl. Themistokles, Kap. 6. - 3 Vgl. Cato Minor, Kap. 2of. - < Der - in der Biographie nicht erwähnte, übrigens erfolglose - Feldzug des Nikias gegen die Insel Melos fand 426 statt. 29 f r Pompejus und Metellus in Spanien, Lucius Lucullus fern im Osten, Marcus Lucullus in Makedonien. - > Komikervers unbekannter Herkunft (frg. adesp. 4$ 1 Kock). - 3 Pompejus erhielt das große Kommando gegen Mithridates (66) gegen den Willen des Senats, vgl. Pompejus, Kap. 30 und Lucullus 36. - 4 Genaueres im Caesar, Kap. 2 2 und Cato Minor j 1. 296 I Euripides Phoinissai (409 aufgeführt) {24. - 2 Skandeia auf Kythera; Mende auf der Halbinsel Pallene (Chalkidike) fiel 423 von Athen ab und wurde von Nikias zurückgewonnen.

E R L Ä U T E R U N G E N

ZU GAIUS

MARCIUS

Die Geschichte CorioUns ist - wie schon Niebuhr erkannt hat - nicht nur in der Einzebusgestaltung, sondern auch im Kern legendarisch. Shakespeares Drama hat die Plutarchische Biographie zur Grundlage und ebenso Beethovens Coriolan-Ouvertüre. 301 1 Die Aqua Marcia wurde von dem Praetor Quintus Marcius Rex in den Jahren 144/43 erbaut. Von der Beteiligung eines Publius Mar-

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dus an dem Werk ist sonst nichts bekannt. Die Aqua Marcia empfing ihr Wasser aus mehreren Quellen im oberen Aniotal (Aniene) und leitete es im oberen Teil meist unterirdisch, dann auf hohem Aquädukt (von dem bedeutende Teile erhalten sind) zum Kapitol. — 1 Gajus Marcius Rutilus, später Censorinus benannt, war 3 1 1 Volkstribun, 3 1 0 Konsul, 300 Pontifex und Augur, 194 zum erstenmal und 1 6 { zum zweitenmal Censor. 1 Lateinisch virtus von vir = Mann. 1 Der Diktator war Aulus Posturalus Albus, 499. - 1 Der Arkader Euandros galt als der erste Besiedler des Palatiums, s. Romulus, Kap. 13 (Band I S. 117, auch 129) mit Anmerkung. - 3 Der Tempel der Dioskuren Castor und Pollux (an der Südwestseite des Forum Romanum, nahe dem Vestaheiligtum), von dem drei Säulen, von dem Neubau des Kaisers Tiberius stammend, noch aufrecht stehen. 1 Schlacht bei Leuktra in Boiotien 3 7 1 . 1 Der «heilige Berg», mons sacer, liegt 4 - j km nordnordöstlich der Stadt, rechts der Via Nomentana am Anio, unweit seiner Einmündung in den Tiber. - t Sowohl die Zahl der zuerst gewählten Volkstribunen - 4 oder, wie hier angegeben, 5; später waren es 1 o— wie die Zeit der Einrichtung des Amtes - 494, wie hier angenommen, oder erst 471 - sind strittig. 1 Corioli muß irgendwo in der Gegend zwischen den Albaner Bergen und Porto d'Anzio gelegen haben. Es ist vollständig verschwunden. Postumus Cominius Auruncus war zum ersten Male $ 0 1 , zum zweiten Male 493 Konsul. - » Vgl. Cato Maior, Kap. 2 (Band I S. ,48). 1 Die Antiaten: die Bewohner von Antium = Porto d'Anzio. 1 Soter = Retter, Bewahrer (« Heiland ») nannte sich als erster König Ptolemaios I. von Ägypten, 323-284, Kallinikos «herrlicher Sieger » als erster Seleukos II. von Syrien, 247-227; Physkon «Dickbauch» hieß Ptolemaios VIII. von Ägypten, 1 7 0 - 1 6 3 und 14i— 1 1 6 , Grypos = der mit der Greifen- (Habichts-) Nase Antiochos VIII. Epiphanes Philometor von Syrien 12 i - 9 6 . Den beliebten Beinamen Euergetes = Wohltäter führte als erster Ptolemaios ID. 2 4 6 - 2 2 1 , Philadelphos = der Bruderliebende als erster sein Vater Ptolemaios II. 284-146. Eudaimon ( = der Glückliche) hiefl Battos II. von Kyrene, 6. Jahrhundert, Doson = der geben wird, d.h. der viel verspricht und wenig hält, Antigonos II. von Makedonien 2 3 3 - 2 2 1 , Lathyros - Name einer schotentragenden Pflanze; nach einer Warze ? - Ptolemaios IX. 1 1 6 - 8 0 . - > Lucius Caecilius Metellus Diadematus

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ERLÄUTERUNGEN

ZU DEN SEITEN

312-342

war Konsul 1 1 7 ; der Beiname = der Umwickelte ist schlechtes Griechisch, wohl ein Witz: der ein Diadem, eine Königsbinde, trägt; Quintus Caecilius Metellus Celer (celer = schnell) war etwa eine Generation jünger, vielleicht ein Sohn des Diadematus; Proculus zu procul = f e m , doch scheint es mir ungewiß, ob die von Plutarch gegebene Erklärung richtig ist; postumus heißt eigentlich nur «der hinterste, letzte», doch deutete man es schon im Altertum (fälschlich) als posthumus, post humationem — nach der Beerdigung (des Vaters geboren); vopiscus ist unerklärt; sulla soll nach Sulla, K a p . l (aus Varro) etwa «rotfleckig» heißen, Ableitung des Wortes unbekannt; niger — schwarz, rufus = rot, caecus = blind, Claudius von claudus = lahm. 3 1 3 / Uber Velitrae s. Bd. I Anm. zu S. 4 7 7 , 1 . 3 1 ; / Anytos sollte 409 als Stratege mit einer Flottenmacht das belagerte Pylos in Messenien entsetzen, kehrte aber wegen widriger Winde um und wurde deswegen des Verrats angeklagt. Er war 399 einer der Ankläger des Sokrates, zu dessen Kreise er eine Zeitlang gehört hatte. 3 1 6 / Piaton, Brief 4, 3 2 1 c (Echtheit umstritten). 3 1 7 1 Der Text ist lückenhaft. - ' Gelon regierte in Gela und dann in Syrakus bis 478 3 1 9 / Die Aedilen waren zunächst Unterbeamte der Volkstribunen und somit Organe der Plebs. Erst 367, gleichzeitig mit der Zulassung der Plebs zum Konsulat, traten ihnen aediles curules, Beamte patrizischer Herkunft, zur Seite. j i S 1 Herakleitos frg. 8 ; . - 1 Odyssee, IV 1 4 6 . 3 1 8 1 Dieselbe Erzählung im Leben Numas, Kap. i 4 ( B d . I 1 8 6 f . ) . 3 3 1 1 Circei, am heutigen Monte Circeo, dem Kap, das den Golf von Gaeta nördlich begrenzt. - 2 Alle diese Orte sind früh zugrunde gegangen und verschollen, ihre Lage nicht mit Sicherheit feststellbar. 3 Bovillae, alte Stadt Latiums am Westabhang der Albaner Berge, 1 0 km südöstlich von R o m an der Via Appia gelegen. 3 3 2 / Lavinium lag etwa 2 j km südlich von Rom, unfern dem Meere, beim heutigen Prattica di Mare. 3 3 3 x Die Cluiliae fossae bezeichnet schon Livius (II 23) als nicht mehr feststellbar. 336 1 Odyssee, XXI 1 ; XIV 1 7 8 ; IX 339. - i Odyssee, IX 299; lliasl 1 8 8 ; Odyssee, VI 1 6 1 . 342 1 Der Tempel der «weiblichen Fortuna» (Fortuna muliebris) stand beim vierten Meilenstein (6 km) der Via Latina, welche von der Via

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427

Appia, kurz nach ihrem Austritt aus der alten Stadt, nach links abzweigte und an Tusculum vorüber ins Tal des Liris (Garigliano) führte. 343 / Herakleitos frg. 86.

ERLÄUTERUNGEN

ZU

ALKIBIADES

346 1 Uber die Schlacht bei Artemision (480) s. Bd.I S.400f., über die Schlacht bei Koroneia in Boiotien (447) o. Anm. zu S. 129 /. - 2 Antisthenes, der Sokratiker, s. Bd.I Anm. zu S. 191,3 ; Piaton, Alkibiades 111 b. - j Eurípides, in unbekanntem Drama. j47 1 Aristophanes' Wespen (aufgeführt 432) 44fr.; zu verstehen: Gewahrst - Theoros - Rabenkopf. Im Griechischen entsteht so aus korax = Rabe: kolax = Schmeichler. — 1 Archippos, ein Komiker zweiten Ranges, jüngerer Zeitgenosse des Aristophanes, frg. 4 f . 348 1 Athena, die die Flöte weggeworfen hat, weil das Blasen ihr Gesicht entstellte, und Marsyas, der sie nehmen will, aber von Athena zurückgescheucht wird, sind von Myron (um die Mitte des {.Jahrhunderts) in einer berühmten Gruppe dargestellt, die auf der Akropolis stand und uns in Repliken erhalten ist. Ebenso war die Schindung des Marsyas durch Apollon, mit dem er sich in einen musikalischen Wettstreit eingelassen hatte, ein beliebter Vorwurf der bildenden Kunst. - ¡ Uber Antiphon s. Anm. zu S. 206 ». 349 / Vers aus unbekanntem Drama des Phrynichos (ältester uns kenntlicher Tragiker). 350 ¡ Piaton, Phaidros 2¡¡d. - 2 Uber Anytos s. Anm. zu S. 31 j /. 3 Gemeint Goldstateren, Goldmünzen von 8,6 g Gewicht, gleich 20 Drachmen. 3(1 / Kleanthes, bedeutender Stoiker des 3.Jahrhunderts. Außer Fragmenten ist uns von ihm ein Hymnus in Hexametern auf Zeus als den alldurchdringenden Weltgeist erhalten. 352 1 D . h . sich zum Tyrannen zu machen. - 1 Der Feldzug gegen Potidaia (s. o. S. 144 mit Anm. 1) fiel ins Jahr 432. 353 ' Schlacht bei Delion (in Boiotien, nahe der attischen Grenze) 424. 354 1 Ungenaue Angabe; wohl auf 408/07 bezüglich. 3 f f 1 Demosthenes' Rede gegen Meidias (Nr. 2i, gehalten 347) 14$. 2 Thukydides, VI 16 ; Eurípides, lyrisches frg. 3 Diehl.

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E R L Ä U T E R U N G E N ZU DEN S E I T E N 356-367

3 56 1 Isokrates, einer der bedeutendsten attischen Redner, Redelehrer und Publizisten, 4.36—338; Rede Nr. 16. 3J7 1 Eupolis (über ihn o. Anm. zu S. 27 3) frg. 95. - > Über Perithoidai 5. u. Anm. zu S. 2 1 f J. 3j8 1 Piaton frg. 187; über ihn s. Bd.I Anm. zu S.404/. - 1 Wohl Hinweis auf Nikias, Kap. 1 1 . 360 / Schlacht bei Mantineia (in Arkadien) 418. — 2 Offenbar ein aristokratischer Verband. 3 6 1 1 Das heutige Patras am Eingang des Korinthischen Meerbusens. 1 Agraulos oder Aglauros, Tochter des Kekrops, an die sich viele, z.T. einander widersprechende Sagen knüpfen. Ihr Heiligtum lag unmittelbar unter dem Nordabhang der Akropolis. - j Aristophanes' Frösche (aufgeführt 40J) 1 4 1 ; , dann 143 2 f. 362 / Uber Agatharchos vgl. o. S. 123 mit Anm. - > Die Einnahme der Insel Melos (Milo), die es ablehnte, sich Athen zu unterwerfen, und die Hinrichtung der waffenfähigen Mannschaft erfolgte 416. Berühmt ist der < Melierdialog » bei Thukydides, V 8 4 - 1 1 3 , die künstlerisch verkürzte Wiedergabe der vor der Eröffnung der Feindseligkeiten gepflogenen Verhandlungen, in denen die Athener in brüsker Form die These vom Recht des Starkeren vertreten. - j Aristophon von Thasos, Bruder des berühmten Malers Polygnotos. Seine Eigenart ist uns nicht faßbar. Das Gemälde verherrlichte sinnbildlich Alkibiades als Liebling der Nemea, d. h. als Sieger bei den Nemeischen Spielen (s. Anm. zu S. 133 1), bei denen er also wie in Olympia Preise im Wagenrennen gewonnen hat. - 4 Archestratos, wohl identisch mit dem gleichnamigen Strategen, der nach dem Sturz des Alkibiades 407 (neben anderen) an seine Stelle trat. - 5 Mehr Uber den sprichwörtlichen Menschenfeind Timon im Leben des Antonius, Kap. 69ff. (Bd. V). 363 1 Erste Beziehungen Athens zu Segesta und Halikyai (im westlichen Sizilien) um 4J0, Bündnisverträge mit ionischen Gemeinden des Westens 4 3 3 / 3 1 , bewaffnetes Eingreifen ohne nachhaltige Erfolge 427-42$. Zum Ganzen vgl. Nikias, Kap. 12, 13 nebst Anmerkungen. 364 1 Vgl. Nikias, Kap. 13 mit Anm. 3 6 j .r Herold, Fackeitriger, Hierophant: hohe sakrale Ämter im Mysteriendienst, s. S. 370. 367 1 Rhegion an der Südspitze Italiens (Reggio Calabria). - > Phrynichos (der Komiker, s. Anm. zu S. 104 4, zu unterscheiden von dem S. 349 zitierten gleichnamigen Tragiker) frg. j8.

E R L Ä U T E R U N G E N Z U D E N S E I T E N 368-385

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3 6 8 / Uber Andokides s. Anm. zu S. 218 », Uber Hellanikoi Bd. I Anm. zu S. 7 9 , » . 3 6 9 1 Uber Thurioi 3. o. S. 121 mit Anm. 3 7 0 / Bei der Abstimmung der Richter bedeutete ein schwarzer Stein Verurteilung, ein weißer Freisprach. - 1 Uber lakiadai 9. Anm. zu S. 11 1. Der Demos Skambonidai lag im nordwestlichen Teil der Stadt Athen. - 3 Die Lage des Demos Phegaia ist ungewiB. - 4 Eumolpiden und Keryken ( = Herolde) sind die Adelsgeschlechter, welche seit ältester Zeit dem Kult von Eleusis vorstanden. — 5 Agryle, attische Gemeinde unmittelbar westsüdwestlich der Stadt Athen. 3 7 1 7 Dekeleia, im nördlichen Attika, östlich des Parnes-Gebirges (beim heutigen Tatoi) an einem strategisch wichtigen Punkte gelegen. 3 7 ] 1 Tragikerfragment unbekannten Ursprungs(frg. adesp. 1 9 ; ) . - » Euripides' Orestes (aufgeführt 4 0 8 ) 129. Die Worte spricht Elektra, als Helena am Grabe ihrer Schwester Klytaimestra ein Haaropfer darbringen will, aber, um ihrer Schönheit keinen Eintrag zu tun, nur die äußersten Spitzen abschneidet. - 3 König Agis 0., 4 2 7 / 2 6 - 4 0 2 / o 1 ; s. Bd. I Anm. zu S. 165,1. - 4 Genaueres darüber im Leben des Lysandros, Kap. 22 und Agesilaos 3 f. 371 / Der Demos Deiradai lag im südlichen Attika, nördlich des Lauriongebietes. 3 7 6 / Die oligarchische Revolution von 411 beschränkte die Zahl der Vollbürger auf die { 0 0 0 Wohlhabendsten und legte die tatsächliche Macht in die Hände eines neuen Rates von 4 0 0 Mann. 3 7 7 1 Der Demos Steiria lag im südlichen Attika zwischen Prasiai und Brauron. — » Aspendos in Pamphylien, an der Südküste Kleinasiens, bekannt durch das wohlerhaltene römische Theater aus dem 2. Jahrhundert n. Chr. 3 7 9 1 Seeschlacht bei Abydos (auf der asiatischen Seite der Dardanellenstraße) 4 1 1 . - » Uber Kyzikos s. o. S. 4 7 mit Anm. - 3 Proikonnesos, Insel im Marmarameer, unweit Arktonnesos-Kyzikos; die Schlacht 410. 3 8 1 1 Uber Chalkedon s. o. Anm. zu S.4J - 1 Selybria, an der Nordselte des Marmarimeeres, Kyzikos gegenüber. 3 8 4 1 Uber Duris s. o. Anm. zu S. 1 4 1 3. 3 8 $ 1 Rückkehr des Alkibiades nach Athen 4 0 8 . - 1 Kritias, aristokratischer Politiker und Sophist, Schüler des Sokrates, zuletzt der führende Mann unter den « 3 0 Tyrannen » von 4 0 4 / 0 3 , hochbegabt und maßlos, vielseitiger Dichter und Schriftsteller, Mitunterredner in Platons Tünaios und Kritias; frg. 3 Diehl.

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E R L Ä U T E R U N G E N ZU DEN SEITEN

386-398

386 / Die Plynteria (von plyno, wasche) waren das Fest der alljährlichen Waschung des alten hölzernen Kultbildes der Athena Polias am 2 ¡ . Tage des Monats Thargelion (April-Mai). Es wurde verhüllt von den Prlcatcrinncn, den Praxlcrgldcn, nach Phaleron gebracht, im Meer abgewaschen und nach Anbruch der Dunkelheit, neu eingekleidet, in das Heiligtum auf der Akropolis zurückgebracht. 387 / Uber die Iakchosprozession s. Bd. I S. 409 mit Anm. 1 . 3 ( 9 / Dieser Kyros ist der jüngere Sohn des Dareios Nothos, dessen mißglückter Zug gegen seinen Bruder Artaxerxes von Xenophon in der Anabasis erzählt ist. Wertvolle Ergänzungen in Plutarchs Leben des Artaxerxes (Bd. VI). Zum Weiteren vgl. Lysandros, Kap.4fr. 1 Schlacht bei Notion (vor Ephesos) 407. - 3 Dieser Thrasybulos ist nicht identisch mit dem bekannteren Politiker gleichen Namens (o. S. 377 erwähnt), der das Hauptverdienst an der Niederkämpfung der 30 Tyrannen hatte (an der übrigens auch der Sohn Thrasons beteiligt war). 390 1 Bisanthe, am Nordufer des Marmarameeres, westlich von Perinthos. - ' Aigospotamoi («Ziegenfluß»), FlüBchen, das von Norden her in den Hellespont mündet; Lampsakos schräg gegenüber auf der asiatischen Seite, Sestos 6 j km südwestlich von Aigospotamoi. 3 9 1 1 Schlacht bei Aigospotamoi 4 0 ; , Einnahme der Stadt Athen 404. 394 1 Uber Hykkara s. o. Anm. zu S. 1 2 1 3. 3 9 ; 1 Thukydides, V 4 ; . - J Dionysios von Halikaroassos, VIII 2; vgl. über ihn Bd.I Anm. zu S. 122 j. - j Welcher der zahlreichen Autoren des Namens Dion, von denen wir wissen, hier gemeint ist, ist unentscheidbar. Anderwärts wird das Wort dem Komiker Menandros gegeben. 396 1 Der griechische Text scheint gestört, die Ubersetzung ist darum unsicher. - 1 Antipatros war einer der Paladine Philipps von Makedonien und Reichsverweser während Alexanders Zug nach Asien. Viel Uber ihn in den Biographien des Alexander, Demosthenes, Phokion, Eumenes, Demetrios. 397 1 Piaton, Brief 4, 3 2 1 c (Echtheit umstritten). 398 1 Gemeint sicherlich Quintus Caecilius Metellus Numidicus, Konsul 109, im Jahre 100 verbannt, 99 zurückgerufen, s. Lebendes Marius, Kap. 7 - 1 0 , 28, 29, 3 1 . Plutarch hat seine Biographie geschrieben, die aber verloren ist.

INHALTSVERZEICHNIS Kimon ( K . Z . )

7

Lucullus ( K . Z . )

35

Vergleichung des Kimon und Lucullus

99

Perikles (W. W.)

107

Fabius M a x i m u s (W. W.)

158

Vergleichung des Perikles und Fabius M a x i m u s

....

193

Nikias ( K . Z . )

199

Crassus (K. Z . )

243

Vergleichung des Nikias und Crassus

291

Gaius Marcius (W. W.)

301

Alkibiades ( K . Z . )

346

Vergleichung des Gaius Marcius und Alkibiades . . . .

Erläuterungen

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PLUTARCH GROSS! GRIECHEN UND RÖMER Band l Theseus und Romulus • Lykurgos und Numa Solon u n d Poplicola • Aristeides und Marcus C a t o T h e m i s t o k l e s und Camillus Band 2 Kimon und Lucullus • Perikles und Fabius Maxiiruus Nikia s und C r a s s u s • Coriolan und Alkibiades Band 3 Lysan dros u n d Sulla • Agesilaos und Poinpeius Pel opidas und Marcellus Band 4 Dion und B r u t u s • Aemilius und Timoleon D e m o s t h e n e s und Cicero Phokion und C a t o (der J ü n g e r e ) Band 5 Alexander und Caesar • Sertorius und Eumenes D e m e t r i o s und Antonius Band 6 Pyrrh os und Marius • Aratos Agis, Kleomenes und die Gracchen Philopoimen und T i t u s (Flamininus) • Artoxerxe;s Galba und O t h o Namen- und Sachregister