Geschichte Alexanders des Großen. Lateinisch - deutsch

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Tusculum-Bücherei

Q.

Curtius

Rufus

Geschichte A l e x a n d e r s des Grossen Lateinisch und

BEI H E I M E R A N

IN

Deutsch

MÜNCHEN

Titelvignette nach einer antiken ι. A u f l a g e 1 9 5 4 ,

Münze

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Gesamtherstellung bei Bosch & Zoon,

Utrecht

Inhalt T e x t (M) u n d Ü b e r s e t z u n g (S) Buch I I I

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Buch IV

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Buch V

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Buch VI

292

Buch VII

382

Buch V I I I

478

Buch I X

586

Buch X

670 Anhang

Textgestaltung (M)

734

Klauseln, Prosodie, rhythmische Analyse (M)

755

Überlieferung, Handschriften (M) . . 783 Ausgaben (M)

798

Curtius Rufus in alter und neuer Sicht (S)

802

Literaturhinweise (S)

821

Erläuterungen (S)

822

Inhaltsübersicht (S)

845

Register

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M = KONRAD S = HERBERT

MÜLLER/BERN SCHÖNFELD

Jeder Bearbeiter zeichnet nur für seinen Teil

L I B E R III I. 1 Inter haec Alexander ad conducendum ex Peloponneso militem Cleandro cum pecunia misso Lyciae Pamphyliaeque rebus compositis ad urbem Celaenas exercitum admovit. 2 Media ilia tempestate moenia interfluebat Marsyas amnis, fabulosis Graecorum carminibus inclitus. 3 Fons eius ex summo montis cacumine excurrens in subiectam petram magno strepitu aquarum cadit; inde diffusus circumiectos rigat campos, liquidus et suas dumtaxat undas trahens. 4 Itaque color eius placido mari similis locum poetarum mendacio fecit: quippe traditum est nymphas amore amnis retentas in ilia rupe considere. 5 Ceterum quamdiu intra muros fluit, nomen suum retinet; at cum extra munimenta se evolvit, maiore vi ac mole agentem undas Lycum appellant. ®Alexander quidem urbem destitutam ab suis intrat, arcem vero, in quam confugerant, oppugnare adortus caduceatorem praemisit, qui denuntiaret, ni dederent, ipsos ultima esse passuros. 7 Illi caduceatorem in turrem et situ et opere multum editam perductum, quanta esset altitudo, intueri iubent ac nuntiare Alexandro non eadem ipsum et incolas aestimatione munimenta metiri: se sciret inexpugnabiles

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Währenddessen schickte Alexander mit einer Geldsumme Kleander ab, Soldaten aus dem Peloponnes anzuwerben, und da er zugleich die Verhältnisse in Lykien und Pamphylien geordnet sah, rückte er gegen die Stadt Kelänä vor. Mitten zwischen deren Mauern strömte damals der Marsyas dahin, berühmt geworden durch die griechische Sagendichtung. Sein Quell, hoch oben auf einem Berggipfel entsprungen, stürzt mit lautem Getöse auf den Fels darunter herab; von dort breitet er sich weiter aus und feuchtet die Felder ringsum als ein klares, durch nichts getrübtes Gewässer. Und so hat denn auch seine Farbe, an die des friedlichen Meeres erinnernd, die Erfindungsgabe der Dichter befruchtet: erzählt man doch, Nymphen ruhten auf jenem Felsen, gefesselt von Liebe zu diesem Strom. Erwähnt sei noch, daß der Fluß, solange er zwischen den Stadtmauern strömt, seinen Namen beibehält; sobald er sich aber ins Freie ergießt, nennt man seinen mächtiger dahinströmenden Wogenschwall Lykus. Alexander drang zwar in die Stadt ein, die von ihren Bewohnern aufgegeben worden war; dem Angriff auf die Burg aber, in die sie geflüchtet waren, schickte er einen Herold voraus mit der Botschaft, der Tod sei ihnen gewiß, wenn sie sich nicht ergäben. Die Feinde führten darauf den Herold auf einen hochgelegenen und hochgebauten Turm, ließen ihn in die Tiefe darunter hinabschauen und Alexander melden: er messe die Festungswerke mit einem anderen Maß als die Einwohner; er möge zur Kennt-

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esse, ad ultimum pro fide morituros. 8 Ceterum ut circumsederi arcem et omnia sibi in dies artiora esse viderunt, sexaginta dierum indutias pacti, ut, nisi intra eos auxilium Dareus ipse misisset, dederent urbem, postquam nihil inde praesidii mittebatur, ad praestitutam diem permisere se regi.

"Superveniunt deinde legati Atheniensium petentes, ut capti apud Granicum amnem redderentur sibi. lile non hos modo sed etiam ceteros Graecos restituí suis iussurum respondit finito Persico bello. 1 0 Ceterum Dareo imminens, quem nondum Euphraten superasse cognoverat, undique omnes copias contrahit, totis viribus tanti belli discrimen aditurus.

" P h r y g i a erat, per quam ducebatur exercitus. Pluribus vicis quam urbibus frequens tune habebat nobilem quondam Midae regiam. 1 2 Gordium nomen est urbi, quam Sangarius amnis praeterfluit, pari intervallo Pontico et Cilicio mari distantem. 1 3 Inter haec maria angustissimum Asiae spatium esse comperimus, utroque in artas fauces compellente terram. Quae quia continenti adhaeret, sed magna ex parte cingitur fluctibus, speciem insulae praebet, ac nisi tenue discrimen obiceret, quae nunc dividit maria committeret. " A l e x a n d e r urbe in dicionem suam redacta Iovis templum intrat. Vehiculum, quo Gordium, Midae patrem, vectum esse constabat, aspexit, cultu haud sane a vilioribus vulgatisque usu abhorrens. " N o t a b i l e erat iugum adstrictum compluribus nodis in semetipsos im-

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nis nehmen, daß sie unüberwindlich seien und, wenn es zum Äußersten käme, ihrem Eid getreu sterben würden. Als sie dann aber sahen, wie man die Burg umschloß und wie von Tag zu Tag die Vorräte knapper wurden, vereinbarten sie einen Waffenstillstand von sechzig Tagen und zwar des Inhalts, sie wollten die Stadt übergeben, wenn ihnen Darius selbst nicht innerhalb dieser Frist Hilfe schickte. Als diese aber keineswegs eintraf, ergaben sie sich am festgesetzten Tage dem König. Es trafen darauf Gesandte aus Athen ein und baten, ihnen die am Granikus gemachten Gefangenen herausgeben. Alexander erwiderte, er werde nicht nur diese, sondern auch alle übrigen Griechen den Ihren zustellen lassen, erst aber müsse der Krieg mit den Persern beendet sein. Im übrigen wandte er sich nun drohend gegen Darius, von dem er wußte, er habe den Euphrat noch nicht überschritten, und zog von allen Seiten sämtliche Truppen zusammen, um in die entscheidende Phase eines Krieges von solchem Ausmaß alle seine Streitkräfte zu werfen. Durch Phrygien ging jetzt der Zug. Reicher an Dörfern als an Städten, besaß es damals noch die einstmals berühmte Königsstadt des Midas. Gordium ist ihr Name; sie liegt am Sangar, gleich weit entfernt vom Schwarzen und vom Kilikischen Meere. Zwischen diesen Meeren ist, so hören wir, die schmälste Stelle Kleinasiens, indem beide den Boden zu einer knappen Landenge zusammendrängen; zwar hängt diese noch mit dem Festland zusammen, wird aber großenteils von den Fluten umschlossen, so daß sie wie eine Insel wirkt, und wenn sie nicht als dünne Scheidewand dazwischenträte, würde sie die Meere, die sie jetzt voneinander trennt, sich vereinigen lassen. Alexander besetzte die Stadt und betrat den Jupitertempel. Dort beschaute er den Wagen, auf welchem der Sage nach Gordius, der Vater des Midas, gefahren war — ein Gefährt, das seiner Ausstattung nach sich von gewöhnlichen, wohlfeileren Wagen nicht eben unterschied. Bemerkenswert war nur der Jochbalken, der durch verschiedene,

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plicatis et celantibus nexus. ie Incolis deinde adfirmantibus editam esse oráculo sortem, Asiae potiturum, qui inexplicabile vinculum solvisset, cupido incessit animo sortis eius explendae. 1T Circa regem erat et Phrygum turba et Macedonum, illa expectatione suspensa, haec sollicita ex temeraria regis fiducia: quippe serie vinculorum ita adstricta, ut, unde nexus inciperet quove se conderet, nec ratione nec visu perspici posset, solvere adgressus iniecerat curam ei, ne in omen verteretur inritum inceptum. 18 Ille nequáquam diu luctatus cum latentibus nodis « Nihil » inquit « interest, quomodo solvantur », gladioque ruptis omnibus loris oraculi sortem vel elusit vel implevit.

19 Cum deinde Dareum ubicumque esset occupare statuisset, ut a tergo tuta relinqueret, Amphoterum classi ad oram Hellesponti, copiis autem praefecit Hegelochum, Lesbum et Chium Coumque praesidiis hostium liberaturos. 20 His talenta ad belli usum quingenta attributa; ad Antipatrum et eos, qui Graecas urbes tuebantur, D C missa; ex foedere naves sociis imperatae, quae Hellesponto praesiderent. 21 Nondum enim Memnonem vita excessisse cognoverat, in quem omnes intenderat curas, satis gnarus cuncta in expedito fore, si nihil ab eo moveretur.

22 Iamque ad urbem Ancyram ventum erat, ubi numero copiarum inito Paphlagoniam intrat. Huic iuncti erant Heneti, unde quidam Venetos trahere originem credunt. 2SOmnis haec regio paruit regi, datisque obsidibus tributum,

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kunstvoll verknotete Riemen mit der Deichsel verknüpft war, so daß man die Enden der Verschlingungen nicht gewahren konnte. Als nun die Einwohner beteuerten, laut einem Orakelspruch werde der Asiens Herr werden, der den unentwirrbaren Knäuel aufgelöst hätte, da überkam den König die Lust, das Orakel zu erfüllen. Rings um ihn stand die Menge der Phryger und der Makedonen: die einen voll gespannter Erwartung, die anderen voll Sorge ob des blinden Selbstvertrauens ihres Königs; denn da die aneinandergereihten Verknotungen so straff angezogen waren, daß weder Überlegung noch Blick erfassen konnte, wo ihr Anfang oder ihr Ende sei, hatte sein kühner Entschluß die Schar der Seinen besorgt gemacht, es könne sich ein böses Omen ergeben, wenn sein Beginnen vergeblich sei. Er aber, ohne sich viel mit den versteckten Verknotungen abzumühen, sprach: „ W i e sie gelöst werden, das bleibt sich gleich!", zerhieb mit dem Schwert sämtliche Riemen und verspottete so - oder erfüllte! - den Spruch des Orakels. Mit dem Entschluß, Darius, wo er auch sei, überraschend anzugreifen, stellte Alexander, um sich den Rücken zu sichern, an die Spitze der Küstenflotte am Hellespont den Amphoterus, an die der Landmacht den Hegelochus; beide hatten sie den Auftrag, Lesbos, Chios und Kos von feindlicher Besatzung zu säubern. Für diesen Zweck erhielten sie 500 Talente; 600 wurden an Antipater und die Befehlshaber der griechischen Städte gesandt: vertragsgemäß hatten ja die Verbündeten die Schiffsmacht zum Schutz für den Hellespont zu stellen. Noch war nämlich Alexander das Ableben Memnons nicht bekannt geworden, auf den er all sein Augenmerk gerichtet hielt; denn es war ihm klar, daß alles ohne Schwierigkeiten vor sich gehen werde, solange jener nichts unternähme. Schon war man bis nach Ankyra gelangt; hier zählte Alexander seine Truppen und betrat dann Paphlagonien. (Zu diesem Lande gehörten auch die Heneter, von denen, wie manche glauben, die Veneter abstammen.) Diese ganze Landschaft ergab sich dem König und stellte Geiseln; da-

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quod ne Persis quidem tulissent, pendere ne cogerentur impetraverunt. 24 Calas huic regioni praepositus est; ipse adsumptis, qui ex Macedonia nuper advenerant, Cappadociam petiit. II. x At Dareus nuntiata Memnonis morte 4 haud secus quam par erat motus omissa omni alia spe statuit ipse decernere: quippe quae per duces suos acta erant, cuncta damnabat, ratus pluribus curam, omnibus afuisse fortunam. 2 Igitur castris ad Babyloniam positis, quo maiore animo capesserent bellum, universas vires in conspectum dedit et circumdato vallo, quod decern milium armatorum multitudinem caperet, Xerxis exemplo numerum copiarum iniit. 3 Orto sole ad noctem agmina sicut discripta erant intravere vallum; inde emissa occupaverant Mesopotamiae campos, equitum peditumque propemodum innumerabilis turba, maiorem quam pro numero speciem ferens. 4 Persarum erant centum milia, in quis eques X X X implebat. Medi decern milia equitum, quinquaginta peditum habebant. BBarcanorum equitum duo milia fuere, armati bipennibus levibusque scutis maxime cetrae speciem reddentibus; peditum decern milia [equitum] pari armatu sequebantur. e Armenii quadraginta milia miserant peditum, additis septem milibus equitum. Hyrcani, egregii, ut inter illas gentes, équités, sex milia expleverant, additis equitibus mille Tapuris. 7 Derbices quadraginta peditum milia armaverant; pluribus aere aut ferro praefixae hastae, quidam lignum igne duraverant. Hos quoque duo milia equitum ex eadem gente comitata

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mit erreichten sie Freiheit von Abgaben, die sie auch den Persern nicht hatten zu zahlen brauchen. Statthalter wurde Kalas; Alexander selbst, verstärkt durch die erst kürzlich aus Makedonien Gekommenen, drang weiter nach Kappadokien vor. Darius aber hatte die Nachricht vom Tode Memnons natürlich schwer getroffen; er verzichtete auf jegliche andere Hoffnung und beschloß nun, selbst im Felde die Entscheidung herbeizuführen: denn was seine Heerführer unternommen hatten, mißbilligte er durchweg und zwar in der Uberzeugung, der Mehrzahl habe es an Sorgfalt, allen aber an Glück gefehlt. So stellte er denn im Lager vor Babylon seine gesamten Streitkräfte zur Schau, damit sie mit desto größerem Mut in den Krieg zögen. Hierzu wurde eine Umwallung aufgeführt, die 10 000 Bewaffnete fassen konnte, und mit ihrer Hilfe nahm er nach dem Vorbild des Xerxes eine Truppenzählung vor. Von Sonnenaufgang bis zur Nacht marschierten die Scharen gegliedert in die Umwallung hinein; daraus wieder entlassen, überschwemmten sie alsbald die Gefilde Mesopotamiens — an Reitern und Fußvolk eine schier unzählbare Menge, ja scheinbar noch größer, als sie in Wirklichkeit war. An Persern waren es 100 000, darunter 30 000 Reiter. Die Meder hatten 10 000 Reiter und 50 000 Mann Fußvolk. 2000 Reiter stellten die Barkaner, bewaffnet mit Doppelbeilen und leichten Schilden, die solchen aus Leder am meisten ähnelten; 10 000 Mann Fußvolk in gleicher Ausrüstung folgten ihnen. Die Armenier hatten 40 000 Mann Fußvolk gesandt, dazu 7000 Reiter. Die Hyrkaner, unter diesen Volksstämmen als hervorragende Reiter anzusehen, hatten 6000 Mann aufgestellt, zu denen noch 1000 tapurische Reiter kamen. Die Derbiker hatten 40 000 Mann Fußvolk bewaffnet; die Mehrzahl trug Speere mit Erz- oder Eisenspitzen, manche hatten nur den Schaft im Feuer gehärtet. Diesen folgten auch noch 2000 Reiter aus dem glei-

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sunt. A Caspio mari octo milium pedester exercitus venerat, ducenti équités. Cum iis erant ignobiles aliae gentes: duo milia peditum, equitum duplicem paraverant numerum. 9 His copiis triginta milia Graecorum mercede conducta egregiae iuventutis adiecta. N a m Bactrianos et Sogdianos et Indos ceterosque Rubri maris accolas, ignota etiam ipsi gentium nomma, festinatio prohibebat acciri. 10 Nec quicquam illi minus quam multitudo militum defuit. Cuius tum 5 universae aspectu admodum laetus, purpuratis solita vanitate spem eius inflantibus, conversus ad Charidemum Atheniensem belli peritum et ob exilium infestum Alexandre - quippe Athenis iubente eo fuerat expulsus — percontari coepit, satisne ei videretur instructus ad obterendum hostem. 11At ille et suae sortis et regiae superbiae oblitus « Verum » inquit « et tu forsitan audire nolis et ego, nisi nunc dixero, alias nequiquam confitebor. 1 2 Hic tanti apparatus exercitus, haec tot gentium et totius Orientis excita sedibus suis moles finitimis potest esse terribilis: nitet purpura auroque, fulget armis et opulentia, quantam, qui oculis non subiecere, animis concipere non possunt. 13 Sed Macedonum acies, torva sane et inculta, clipeis hastisque immobiles cuneos et confería robora virorum tegit. Ipsi phalangem vocant, peditum stabile agmen: vir viro, armis arma conserta sunt. Ad nutum monentis intenti sequi signa, ordines servare didicerunt. " Q u o d imperatur, omnes exaudiunt: obsistere, circumire, discurrere in

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chen Volksstamm. Vom Kaspischen Meer war ein Heer zu Fuß von 8000 Mann gekommen nebst 200 Reitern. Zu ihnen gesellten sich noch andere, weniger bekannte Stämme; sie hatten 2000 Mann Fußvolk und die doppelte Anzahl Reiter gestellt. Dazu kamen schließlich noch 30 000 griechische Söldner von erlesener Jugendkraft. Die Baktrianer, Sogdianer und Inder nebst den übrigen Anwohnern des Roten Meeres aufzurufen - Stämme, deren Namen ihm selbst unbekannt waren - hinderte vorläufig die Eile. An Soldaten mangelte es dem König somit nicht — wenigstens was die Zahl anbetraf! Im Hochgefühl des Anblicks dieser seiner Gesamtstreitmacht - wobei seine Würdenträger mit ihrer üblichen Liebedienerei das Feuer seiner Hoffnungen noch anschürten - wandte er sich an den Athener Charidemus, einen kriegskundigen Mann, der als Verbannter Alexander grollte, denn auf dessen Befehl hatte er Athen verlassen müssen, und richtete die Frage an ihn, ob er ihm wohl genügend gerüstet erscheine, den Feind zu zermalmen. Der aber sprach — und vergaß dabei ebensosehr sein eigenes Geschick wie den hochfahrenden Stolz der Könige: „Vielleicht möchtest du die Wahrheit nicht hören wollen; aber wenn ich sie jetzt nicht sage, so werde ich sie ein anderes Mal vergeblich aussprechen. Dieses prächtig gerüstete Heer, diese Riesenmasse so vieler Stämme, herbeigerufen aus dem gesamten Orient, mag Nachbarvölker erschrecken: sie glänzt von Purpur und Gold, sie schimmert von Waffen und Reichtum, wie sich nicht vorzustellen vermag, wer sie nicht mit eigenen Augen gesehen. Aber die makedonische Front in all ihrer Wildheit und Schmucklosigkeit schützt mit ihren Schilden und Speeren nie wankende Heersäulen und Kerntruppen ohne Lücke. Phalanx nennen sie selbst diese standfeste Schar von Fußtruppen: da reiht sich Mann an Mann, Waffe an Waffe; auf den bloßen Wink hin wissen sie in Gruppen zu folgen, wissen sie Reih und Glied zu wahren. Auf einen Befehl hören sie alle; die Stirn zu bieten, herumzuschwenken, zum Flügel hin eilig

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cornu, mutare pugnam non duces magis quam milites callent. 15 Ac ne auri argentique studio teneri putes, adhuc illa disciplina paupertate magistra stetit: fatigatis humus cubile est; cibus, quem occupant, satiat; tempora somni artiora quam noctis sunt. i e I a m Thessali équités et Acarnanes Aetolique, invicta bello manus, fundís, credo, et hastis igne duratis repellentur! Pari robore opus est. In illa terra, quae hos genuit, auxilia quaerenda sunt: argen tum istud atque aurum ad conducendum militem mitte. » 17 Erat Dareo mite ac tractabile ingenium, nisi etiam naturam plerumque fortuna corrumperet. Itaque veritatis impatiens hospitem ac supplicem, tunc cum maxime utilia suadentem, abstrahi iussit ad capitale supplicium. 18 Ille ne tum quidem libertatis oblitus « Habeo » inquit « paratum mortis meae ultorem: expetet poenas consilii mei spreti is ipse, contra quem tibi suasi. T u quidem licentia regni tarn subito mutatus documentum eris posteris homines, cum se permisere fortunae, etiam naturam dediscere. » 19 Haec vociferantem, quibus imperatum erat, iugulant. Sera deinde paenitentia subiit regem, ac vera dixisse confessus sepeliri eum iussit.

I I I . 1 Thymodes erat Mentoris filius, impiger iuvenis; cui praeceptum est a rege, ut omnes peregrinos milites, in quis plurimum habebat spei, a Pharnabazo acciperet opera eorum usu-

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aufzuschließen oder kehrtzumachen, darauf verstehen sich die Soldaten so gut wie die Führer. Und glaube doch nicht, sie beherrschte die Gier nach Gold oder Silber: bis jetzt ist diese Manneszucht unerschüttert geblieben in der Schule der Entbehrung! Den Erschöpften genügt zur Ruhe der bloße Boden, Speise sättigt sie, die sie sich irgendwie beschaffen, und kärger sind ihnen die Stunden des Schlafs als die der Nacht. Ob man thessalische Reiter und so unbesiegliche Scharen wie die Akarnanen und die Aetolier mit Schleudern und feuergehärteten Lanzen in die Flucht schlagen kann — ich weiß es nicht! Du brauchst Truppen von gleicher Stärke: nur in dem Lande, das jene hervorgebracht hat, ist Hilfe zu finden! Schick dieses dein Silber und Gold aus und wirb Soldaten!" Gewiß war Darius an sich ein milder und gütiger Herrscher, aber nur allzu oft läßt eine hohe Stellung diese Gaben der Natur zunichte werden. Der "Wahrheit die Ohren verschließend, hieß er den Gastfreund und Schützling, der ihm doch gerade nun einen so nützlichen Rat erteilte, zur Hinrichtung abführen. Aber auch jetzt verließ diesen nicht sein Freimut: „Ich weiß", so sprach er, „wer bereit steht, meinen Tod zu rächen: die Sühne dafür, daß du meinen Rat mißachtest, wird eben der heischen, gegen den sich mein Rat gerichtet hat! Du aber, durch die Willkür deiner Herrscherwürde so plötzlich verwandelt, wirst der Nachwelt ein Beispiel dafür sein, daß, wer sich blind von seiner Machtfülle tragen läßt, verlernt, was von Natur in ihm ist!" Während er dies rief, erdrosselten ihn die Schergen. Zu spät befiel den König dann Reue; er bekannte die Wahrheit jener Worte und vergönnte ihm ein Begräbnis.

Thymodes, ein Sohn Mentors, war ein noch junger Mann voll Tatkraft; ihm wurde der Auftrag erteilt, alle ausländischen Soldaten, auf die der König vor allem seine Hoffnung setzte, von Pharnabazus zu übernehmen, um

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rus in bello. Ipsi Pharnabazo tradit imperium, quod antea Memnoni dederat. 2Anxium [de] instantibus curis agitabant etiam per somnum species imminentium rerum, sive illas aegritudo sive divinatio animi praesagientis accersit. 3 Castra Alexandri magno ignis fulgore conlucere ei visa sunt et paulo post Alexander adduci ad ipsum in eo vestís habitu, quo ipse quondam fuisset, equo deinde per Babyloniam vectus subito cum ipso equo oculis esse subductus. 4 A d haec vates varia interpretatione curam distrinxerant. A l i i laetum id regi somnium esse dicebant, quod castra hostium arsissent, quod Alexandrum deposita regia veste in Persico et vulgari habitu perductum esse vidisset. 5 Quidam contra augurabantur: quippe inlustria Macedonum castra visa fulgorem A l e x andre portendere: quod vestem Persicam habuisset, haud ambigue regnum Asiae occupai«rum denuntiare, quoniam in eodem habitu D a reus fuisset, cum appellatus est rex. e Vetera quoque omina, ut fere fit, sollicitudo revocaverat. Recensebant enim Dareum in principio imperii vaginam acinacis Persicam iussisse mutari in eam formam, qua Graeci uterentur, protinusque Chaldaeos interpretatos imperium Persarum ad eos transiturum, quorum arma esset imitatus. 7 Ceterum ipse et vatum responso, quod edebatur in vulgus, et specie, quae per somnum oblata erat, admodum laetus castra ad Euphraten moveri iubet.

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more Persarum traditum est orto sole demum procedere. Die iam inlustri signum e tabernáculo regis bucina dabatur. Super taber-

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sich ihres Einsatzes im Kriege zu bedienen. Pharnabazus selbst erhielt das Kommando, das Darius vorher Memnon übergeben hatte. Sorgenvoll, wie er ob der bevorstehenden Ereignisse war, ängstigten den König auch Traumbilder dessen, was ihm drohte; war es sein Kummer, der jene schuf, oder ahnte er das Kommende voraus? Alexanders Lager glaubte er in mächtiger Feuersglut aufstrahlen zu sehen, und bald darauf sah er, wie man ihm Alexander zuführte und zwar in der gleichen Kleidung, die er selbst einst getragen hatte; dann sah er ihn durch Babylon reiten und plötzlich mitsamt dem Pferde seinen Augen entschwinden. Mit verschiedenerlei Deutungen zersannen sich die Seher darob: die einen erklärten, der Traum bedeute nur Gutes für den König, weil ja das Lager der Feinde gebrannt habe, weil Alexander statt in seinem königlichen Gewand in persischer, landesüblicher Kleidung vor ihn geführt worden sei. Andere prophezeiten das Gegenteil: wenn Darius das Lager derMakedonen in strahlendem Glänze gesehen habe, so bedeute das Glück für Alexander; wenn er persische Tracht angehabt, so bedeute das unzweifelhaft seine künftige Herrschaft über Asien, denn das gleiche Gewand habe Darius getragen, als er zum König ausgerufen wurde. Dabei ließ dann, wie es gewöhnlich geschieht, die Sorge auch die alten Vorzeichen wieder ins Gedächtnis zurückkehren: von neuem erinnerte man sich daran, wie Darius zu Beginn seiner Regierung die Scheide des persischen Krummsäbels nach griechischer Form habe umschmieden lassen und wie alsbald die Chaldäer das dahin ausgedeutet hätten, es werde das Perserreich denen zufallen, deren Waffen er nachgeahmt habe. Darius selbst jedoch war sehr erfreut, sowohl über den Spruch der Seher, der nun im Volke verbreitet wurde, wie auch über sein Traumbild, und ließ das Heer bis zum Euphrat vorrücken. Es ist bei den Persern althergebrachte Sitte, erst nach Sonnenaufgang aufzubrechen; wenn es schon heller Tag war, erscholl aus dem Zelt des Königs die Trompete. Über dem

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naculum, unde ab omnibus conspici posset, imago solis crystallo inclusa fulgebat. B Ordo autem agminis erat talis. Ignis, quem ipsi sacrum et aeternum vocabant, argenteis altaribus praeferebatur. Magi proximi patrium carmen canebant. l 0 Magos trecenti et sexaginta quinqué iuvenes sequebantur puniceis amiculis velati, diebus totius anni pares numero: quippe Persis quoque in totidem dies discriptus est annus. " C u r r u m deinde Iovi sacratum albentes vehebant equi; hos eximiae magnitudinis equus, quem Solis appellabant, sequebatur. Aureae virgae et albae vestes regentes equos adornabant. 1 2 Haud procul erant véhicula decern multo auro argentoque caelata. Sequebatur haec equitatus duodecim gentium variis armis et moribus. i:! Proximi ibant, quos Persae Immortales vocant, ad decern milia. Cultus opulentiae barbarae non alios magis honestabat: illi áureos torques, illi vestem auro distinctam habebant manicatasque tunicas gemmis etiam adornatas. "Exiguo intervallo, quos cognatos regis appellant, decern et quinqué milia hominum. Haec vero turba muliebriter propemodum culta luxu magis quam decoris armis conspicua erat. 15 Doryphoroe vocabantur proximum his agmen soliti vestem excipere regalem; hi currum regis anteibant, quo ipse eminens vehebatur. l e U t r u m que currus latus deorum simulacra ex auro argentoque expressa decorabant; distinguebant internitentes gemmae iugum, ex quo eminebant duo aurea simulacra cubitalia, quorum alteram Nini, alterum Beli. Inter haec aquilam auream pinnas extendenti similem sacraverant. 17 Cultus regis inter omnia luxuria notabatur: purpureae tunicae medium album intextum erat, pallam auro distinctam aurei accipitres, velut ros-

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Zelt erglänzte für alle sichtbar ein Abbild der Sonne, in ein Kristallbehältnis eingeschlossen. Folgendermaßen ordnete sich nun der Zug: Das „Heilige Ewige Feuer" trug man auf silbernem Altare voraus; dann kamen Magier, ein altüberkommenes Lied singend. 365 jugendliche Männer folgten, in purpurne Mäntel gehüllt; ihre Zahl entsprach den Tagen des Jahres, denn auch die Perser teilen das Jahr in ebenso viele Tage wie wir. Dann zogen Schimmel den heiligen Wagen Jupiters; ihnen folgte ein Roß von besonderer Größe, Sonnenpferd genannt. Goldene Gerten und weiße Gewänder schmückten die Rosselenker. Nicht lange, dann kamen zehn Wagen, reich aus Gold und Silber getrieben. Daran Schloß sich die Reiterei von zwölf Stämmen mit ihren ver schiedenartigen Waffen und Bräuchen. Als nächste marschierten dann die „Unsterblichen", 10 000 an der Zahl; an ihnen gewahrte man vor allem den Reichtum der Barbaren: sie trugen goldene Halsketten, ein mit Gold verziertes Obergewand und Untergewänder mit langen Ärmeln, die sogar mit Edelsteinen besetzt waren. In kurzem Abstand kamen dann die „Verwandten" des Königs, 15 000 an der Zahl. Diese Schar, fast wie die Weiber aufgeputzt, fiel freilich mehr durch ihre verschwenderische Pracht als durch den Schmuck ihrer Waffen ins Auge. „Speerträger" nannte man dann den nächsten Zug; sie hatten die Kleidung des Königs zu tragen und schritten dem Wagen voran, auf dem er selbst hochragend thronte. Die beiden Seiten des Wagens schmückten Götterbilder aus Gold und Silber; aufblitzende Edelsteine zierten das Joch, von dem zwei goldene Bildwerke aufragten, je eine Elle lang, das eine Ninus, das andere Belus darstellend. Zwischen ihnen breitete ein goldener Adler feierlich seine Schwingen aus. Der verschwenderische Aufzug des Königs übertraf alles andere: er trug ein Purpurgewand, das mit Weiß durchwirkt war; seinen goldgestickten Staatsmantel zierten zwei goldene Falken, als ob sie mit den Schnäbeln auf-

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tris inter se concurrerent, adornabant, 18 et zona aurea muliebriter cinctus acinacem suspenderat, cui ex gemma vagina erat. 1 9 Cidarim Persae vocabant regium capitis insigne; hoc caerulea fascia albo distincta circumibat. 2 0 Currum decern milia hastatorum sequebantur; hastas argento exornatas, spicula auro praefixa gestabant. 21 Dextra laevaque regem ducenti ferme nobilissimi propinquorum comitabantur. H o r u m agmen claudebatur triginta milibus peditum, quos equi regis C C C C sequebantur. 2 2 Intervallo deinde unius stadii matrem Darei Sisigambim curras vehebat, et in alio erat coniunx. Turba feminarum reginas comitantium equis vectabatur. 23 Quindecim deinde, quas armamaxas appellabant, sequebantur. In his erant liberi regis et quae educabant eos spadonumque grex haud sane illis gentibus vilis. 2 4 Tum regiae paelices trecentae et sexaginta vehebantur, et ipsae regali cultu ornatuque. Post quas pecuniam regis sexcenti muli et trecenti cameli vehebant, praesidio sagittariorum prosequente. ^Propinquorum amicorumque coniuges huic agmini proximae lixarumque et calonum greges vehebantur. Ultimi erant cum suis quisque ducibus, qui cogèrent agmen, leviter armati. 26 Contra si quis aciem Macedonum intueretur, dispar facies erat, equis virisque non auro, non discolori veste, sed ferro atque aere fulgentibus: 27 agmen et stare paratum et sequi, nec turba nec sarcinis praegrave, intentum ad ducis non signum modo sed etiam nutum. Et castris locus et exercitui commeatus suppetebant. 28 Ergo Alexandre in acie miles non defuit; Dareus, tantae multitudinis rex, loci in quo pugnavit

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einander losgingen, und an dem goldenen Gürtel, mit dem er nach Weiberart sein Gewand geschürzt trug, hing ihm ein Krummsäbel, dessen Scheide aus kostbarem Stein bestand. „Cidaris" nannten die Perser den Hauptschmuck des Königs; eine weißbestickte blaue Binde umwand ihn. Dem Wagen folgten 10 000 Lanzenträger; sie trugen silbergeschmückte Lanzen mit goldener Spitze. Zur Rechten und Linken geleiteten den König etwa 200 seiner vornehmsten Verwandten. Ihren Zug beschlossen 30 000 Mann Fußvolk, und diesen folgten wiederum die 400 Pferde des Königs. Im Abstand von einem Stadium kam dann der Wagen mit Sisigambis, der Mutter des Darius; in einem zweiten saß seine Gattin. Die Schar von Frauen, welche die Königinnen begleitete, bewegte sich zu Pferde. 15 sogenannte Harmamaxen folgten; darin saßen die Kinder des Königs sowie ihre Erzieherinnen und die Schar der Eunuchen, die bei jenen Volksstämmen keineswegs verachtet werden. Dann kamen die 360 Nebenfrauen gefahren, selbst wie Königinnen aufgeputzt. Hinter ihnen schleppten 600 Maultiere und 300 Kamele den königlichen Schatz, von Bogenschützen gedeckt. Nächst diesem Zug kamen dann die Frauen der Verwandten und Freunde und außerdem die Haufen der Marketender und Packknechte gefahren. Die letzten waren dann, jeweils mit ihren Anführern als Abschluß des Zuges, die leichtbewaffneten Truppen. Wer dagegen das Heer der Makedonen anschaute, dem trat ein anderes Bild vor Augen: Reiter und Mannen, die nicht von Gold, nicht von buntfarbigen Kleidern, wohl aber von Eisen und Erz strahlten — ein Heereszug, bereit, zu stehen und zu folgen, weder ein wirrer H a u f e noch ein schwerfälliger Troßzug, vielmehr gespannt, ihres Führers Befehl, ja schon seinen bloßen Wink zu beachten. Ausreichend war der Platz für das Lager und ausreichend die Verpflegung des Heeres. Und so fehlte es denn Alexander in der Schlacht auch nicht an Soldaten; Darius dagegen, König über eine solche Fülle von Menschen, sah sich dann

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angustiis redactus est ad paucitatem, quam in hoste contempserat. IV. 1 Interea Alexander Abistamene Cappadociae praeposito Ciliciam petens cum omnibus copiis in regionem, quae castra Cyri appellatur, pervenerat. Stativa illic habuerat Cyrus, cum adversus Croesum in Lydiam duceret. 2 Aberat ea regio quinquaginta stadia ab aditu, quo Ciliciam intramus: Pylas incolae dicunt artissimas fauces, munimenta, quae manu ponimus, naturali situ imitante. 3 Igitur Arsames, qui Ciliciae praeerat, reputans quid initio belli Memno suasisset, quondam salubre consilium sero exequi statuit: igni ferroque Ciliciam vastat, ut hosti solitudinem faciat; quicquid usui potest esse, corrumpit, sterile ac nudum solum, quod tueri nequibat, relicturus. 4Sed longe utilius fuit angustias aditus, qui Ciliciam aperit, valido occupare praesidio iugumque opportune itineri imminens obtinere, unde inultus subeuntem hostem aut prohibere aut opprimere potuisset. B Nunc paucis, qui callibus praesiderent, relictis retro ipse concessit, populator terrae, quam a populationibus vindicare debebat. Ergo qui relicti erant, proditos se rati, ne conspectum quidem hostis sustinere valuerunt, cum vel pauciores locum obtinere potuissent. °Namque perpetuo iugo montis asperi ac praerupti Cilicia includitur; quod cum a mari adsurgat, velut sinu quodam flexuque curvatum rursus altero cornu in diversum litus excurrit. TPer hoc dorsum, qua maxime introrsus mari cedit, asperi tres aditus et perangusti sunt, quorum uno Cilicia intranda

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auf dem Schlachtfeld aus Mangel an Raum auf eben die geringe Kämpferzahl angewiesen, die er beim Feinde verachtet hatte. Alexander hatte inzwischen den Abistamenes über Kappadokien gesetzt und war auf seinem Zug nach Kilikien mit all seiner Truppenmacht in die Gegend gelangt, die Kyrus-Lager genannt wird; hier hatte nämlich Kyrus ein Standlager gehalten, als er gegen Kroesus nach Lydien zog. Nur 50 Stadien war man noch vom Zugang zu Kilikien entfernt: „Tore" nennt die Bevölkerung diese ganz schmalen Schluchten, wo das Gelände wie künstlich errichtete Festungen wirkt. Nun erinnerte sich Arsames, der in Kilikien befehligte, an das, was zu Beginn des Krieges Memnon geraten hatte, und beschloß — freilich zu spät — diesen damals so klugen Rat zu befolgen: mit Feuer und Schwert verheerte er Kilikien, um dem Feind nur eine Wüste anzubieten; alles was von Nutzen sein konnte, vernichtete er, um ihm nur als verbrannte Erde zu hinterlassen, was er nicht schützen konnte. Weit nützlicher wäre es gewesen, den Engpaß als den Schlüssel Kilikiens ausreichend zu besetzen und so den Höhenzug, der die Straße beherrschte, zu behaupten, denn von hier aus hätte er ungefährdet den Feind drunten aufhalten oder gar überwältigen können. So aber ließ er nur wenige Leute zum Schutz auf den Bergpfaden zurück und verzog sich selbst rückwärts — als der Verwüster eines Landes, das er vor Verwüstungen hätte retten müssen. Natürlich glaubten sich die Zurückgelassenen von ihm verraten und wagten sich dem Feind nicht einmal unter die Augen, wo doch eine Handvoll Leute die Stellung hätte halten können. Denn eine Kette von rauhen und schroffen Bergen schließt ohne Lücke Kilikien ab; vom Meere her steigt sie allmählich auf, buchtartig sich krümmend, und läuft dann wieder mit ihrem anderen Ende in ein entlegenes Gestade aus. Auf diesem Bergrücken, da wo er am weitesten vom Meere zurücktritt, gibt es drei rauhe und sehr schmale Pässe, durch deren einen man

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est. 8 Campestris eadem, qua vergit ad mare, planitiem eius crebris distinguentibus rivis: Pyramus et Cydnus, incliti amnes, fluunt. Cydnus non spatio aquarum, sed liquore memorabilis: quippe leni tractu e fontibus labens puro solo excipitur, nec torrentes incurrunt, qui placide manantis alveum turbent. e Itaque incorruptus idemque frigidissimus, quippe multa riparum amoenitate inumbratus, ubique fontibus suis similis in mare evadit. 10 Multa in ea regione monumenta vulgata carminibus vetustas exederat: monstrabantur urbium sedes Lyrnesi et Thebes, Typhonis quoque specus et Corycium nemus, ubi crocum gignitur, ceteraque, in quibus nihil praeter famam duraverat.

"Alexander fauces iugi, quae Pylae appellantur, intravit. Contemplatus locorum situm non alias magis dicitur admiratus esse felicitatem suam: obrui potuisse vel saxis confitebatur, si fuissent, qui in subeuntes propellerent. 12 Iter vix quaternos capiebat armatos; dorsum montis imminebat viae non angustae modo sed plerumque praeruptae, crebris oberrantibus rivis, qui ex radicibus montium manant. 13 Thracas tarnen leviter armatos praecedere iusserat scrutarique calles, ne occultus hostis in subeuntes erumperet. Sagittariorum quoque manus occupaverat iugum: intentos arcus habebant moniti non iter ipsos inire sed proelium. 1 4 Hoc modo agmen pervenit ad urbem Tarson, cui tum maxime Persae subiciebant ignem, ne opulentum oppi-

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Kilikien betreten kann. Das Land ist aber nach dem Meere hin auch eben, und zahlreiche Gewässer durchschneiden seine Fläche: berühmte Flüsse wie der Pyramus und der Kydnus strömen hier. Der Kydnus ist nicht ob der Fülle seines Wassers erwähnenswert, sondern ob dessen Klarheit; denn in sanftem Gefälle vom Quellgebiet an dahingleitend, wird er von reinem Boden aufgenommen, und keine Gießbäche stürzen sich in ihn hinein, die das Bett des freundlich Dahinziehenden aufwühlen könnten. So bleibt er ungetrübt und ist zugleich sehr kalt, denn wunderschöne Ufer umschatten ihn, und nicht anderer Art als in seinem Quellgebiet mündet er ins Meer. Viele Denkmäler dort, von denen Lieder künden, hat hier der Zahn der Zeit nicht verschont: zeigte man doch hier die Orte, wo einst die Städte Lyrnessos und Thebe gestanden, sowie auch die Höhle des Typhon und den Korykischen Hain, wo Safran wächst, und anderes mehr, wovon nichts als der bloße Name geblieben. Alexander betrat jene „Tore" genannten Bergschluchten. Beim Anblick des Geländes soll er sich mehr als je über sein Glück gewundert haben: mit bloßen Felsblöcken hätte man ihn ja hier zermalmen können, so mußte er zugestehen, wenn nur jemand dagewesen wäre, der sie auf die drunten Marschierenden hinabgewälzt hätte! Kaum vier Bewaffnete faßte die Straße; der Bergrücken hing drohend über dem nicht nur schmalen, sondern meist auch jäh abfallenden Wege, den zahlreiche Bäche durchquerten, wie sie dem Fuß von Bergen entströmen. Allerdings hatte der König leichtbewaffnete Thraker vorausgeschickt und sie die Bergpfade erkunden lassen, damit kein verborgener Feind gegen den Heereszug drunten hervorbreche. Auch hielt eine Schar von Bogenschützen das Joch besetzt; sie trugen die Waffen schußbereit und hatten die Weisung, sie träten nicht zum Weitermarsch, sondern zum Kampf an. Auf diese Weise gelangte der Heereszug nach Tarsus, das eben jetzt die Perser in Brand stecken wollten, damit der

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dum hostis invaderet. 1 5 A t ille Parmenione ad inhibendum incendium cum expedita manu praemisso, postquam barbaros adventu suorum fugatos esse cognovit, urbem a se conservatam intrat.

V . 1 Mediam Cydnus amnis, de quo paulo ante dictum est, interfluit; et tunc aestas erat, cuius calor non aliam magis quam Ciliciae oram vapore solis accendit, et diei fervidissimum tempus exceperat. 2 Pulvere simul ac sudore perfusum regem invitavit liquor fluminis, ut calidum adhuc corpus ablueret. Itaque veste deposita in conspectu agminis - decorum quoque futurum ratus, si ostendisset suis levi et parabili cultu corporis se esse contentum - descendit in flumen. 3 Vixque ingressi subito horrore artus rigere coeperunt; pallor deinde suffusus est, et totum propemodum corpus vitalis calor liquit. 4 Expiranti similem ministri manu excipiunt nec satis compotem mentis in tabernaculum deferunt. Ingens sollicitudo et paene iam luctus in castris erat. B Flentes querebantur in tanto ímpetu cursuque rerum omnis aetatis ac memoriae clarissimum regem non in acie saltem, non ab hoste deiectum, sed abluentem aqua corpus ereptum esse et extinctum. e Instare Dareum, victorem antequam vidisset hostem. Sibi easdem terras, quas victoria peragrassent, repetendas: omnia aut ipsos aut hostes populatos. Per vastas solitudines, etiam si nemo insequi velit, euntes fame atque inopia debellari posse. 7 Quem signum daturum fugientibus? quem ausurum A l e x a n d r a

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Feind nicht in die reiche Stadt einziehen könne. Diesen Brand zu verhindern, hatte Alexander jedoch Parmenion mit einem Eiltrupp vorausgeschickt; sobald der König erfuhr, die Barbaren seien beim Eintreffen der Seinen geflüchtet, betrat er die Stadt, die nun ihm ihre Rettung verdankte. Mitten durch die Stadt fließt der oben erwähnte Kydnus. Nun herrschte eine glühende Sommerhitze, wie stärker als an jeder anderen Küste die Sonne Kilikiens sie aufflammen läßt, und dazu empfing noch den Heereszug die heißeste Tagesstunde. Staub- und schweißbedeckt, wie der König war, ließ er sich von dem klaren Wasser des Flusses einladen, den noch erhitzten Körper abzuspülen. Also warf er das Kleid vor den Augen des Heeres ab — glaubte er doch, es könne ihm vor den Seinen nur Ehre einbringen, wenn er sich mit so sichtlich einfacher und bescheidener Körperpflege begnüge — und sprang in den Fluß. Alsbald aber ließ eine plötzliche Lähmung seine Glieder erstarren; dann überzog ihn Blässe, und die Lebenswärme entwich nahezu dem gesamten Körper. Einem Sterbenden gleich fingen die Diener ihn auf und brachten den Ohnmächtigen in sein Zelt. Ungeheure Sorge, ja fast schon Trauer wie um einen Toten herrschte im Lager. Unter Tränen klagten sie: mitten aus so stürmisch fortschreitenden Erfolgen heraus sei ihnen ihr König durch den T o d entrissen worden, der herrlichste aller Zeiten seit Menschengedenken, und das nicht etwa in der Schlacht, vom Feinde gefällt, sondern beim Baden! Dicht vor sich aber hätten sie Darius — als Sieger, noch ehe er den Feind zu sehen bekommen habe! Nun müßten sie sich durch die gleichen Länder, die sie eben noch siegreich durchmessen, von neuem den "Weg suchen; alles darin hätten sie selbst oder der Feind vernichtet; und sogar wenn niemand sie verfolgen wolle, würden auf diesem Zug durch das weite Ödland Hunger und N o t ihrer Herr werden. Wer würde auf dieser Flucht den Befehl über sie führen?

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succedere? Iam ut ad Hellespontum fuga penetrarent, classem, qua transeant, quem praeparaturum? 8 Rursus in ipsum regem misericordia versa ilium florem iuventae, illam vim animi, eundem regem et commilitonem divelli a se et abrumpi immemores sui querebantur. 9 Inter haec liberius meare spiritus coeperat, adlevabatque rex oculos et paulatim redeunte animo circumstantes amicos agnoverat, laxataque vis morbi ob hoc solum videbatur, quia magnitudinem mali sentiebat. 10 Animi autem aegritudo corpus urgebat: quippe Dareum quinto die in Cilicia fore nuntiabatur. Vinctum ergo se tradi et tantam victoriam eripi sibi ex manibus obscuraque et ignobili morte in tabernáculo extinguí se querebatur. "Admissisque amicis pariter ac medicis « In quo me » inquit « articulo rerum mearum fortuna deprehenderit, cernitis. Strepitum hostilium armorum exaudire mihi videor et, qui ultro intuii bellum, iam provocor. 1 2 Dareus ergo cum tam superbas litteras scriberet, fortunam meam in Consilio habuit; sed nequiquam, si mihi arbitrio meo curari licet. 13 Lenta remedia et segnes medicos non expectant tempora mea: vel mori strenue quam tarde convalescere mihi melius est. Proinde, si quid opis, si quid artis in medicis est, sciant me non tam mortis quam belli remedium quaerere. » 1 4 Ingentem omnibus incusserat curam tam praeceps temeritas eius. Ergo pro se quisque precari eoe-

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Wer würde es wagen, Alexanders Nachfolge zu übernehmen? Und gesetzt auch, ihre Flucht lasse sie den Hellespont erreichen: wer würde dort für eine Flotte sorgen, die sie heimbrächte? Dann wieder wandte sich ihr Mitleid dem König zu, und ihrer selbst vergessend beklagten sie seiner Jugend Blüte und seinen kraftvoll stürmischen Sinn: König und Kamerad zugleich, werde er ihnen derart jählings entrissen! Währenddessen ging sein Atem allmählich wieder freier; schon schlug er die Augen auf und erkannte mit langsam wiederkehrender Besinnung die ihn umstehenden Freunde. Und alsbald schien die Schwere seines Leidens schon dadurch gemildert, daß er die Größe des Unheils verspürte. Nun aber begann ein seelisches Leid den Körper zu quälen : lautete doch die Meldung, Darius werde schon am fünften Tag in Kilikien sein! In Fesseln also werde er ausgeliefert und ein solcher Sieg ihm entwunden, so lauteten seine Klagen; einen unrühmlichen Strohtod sterbe er hier in seinem Zelt! Und zu den Freunden, die er mitsamt den Ärzten vor sich kommen ließ, sprach er: „Ihr seht mit eigenen Augen, an welchem entscheidenden Punkt meines Geschicks das Verhängnis mich überfallen hat: ist es mir doch, als hörte ich schon das Klirren der feindlichen Waffen, und schon fordert man mich zum Kampf heraus, der ich doch aus eigenem Entschluß diesen Krieg entfacht habe! So hat also Darius damals, als er mir jenen hochmütigen Brief schrieb, schon im voraus mit diesem meinem Schicksal gerechnet! Aber umsonst, wenn es mir nur freisteht, nach eigenem Entschluß mich heilen zu lassen! Langsam wirkende Mittel und säumige Ärzte kann ich in meiner Lage nicht brauchen: lieber will ich unverzüglich sterben, als allmählich erst wieder gesund werden. Ist also Hilfe bei den Ärzten und ihrer Geschicklichkeit, so sollen sie wissen: ich suche nicht so sehr ein Mittel gegen den Tod als gegen den drohenden Feind!" Ungeheure Sorge erregte bei allen seine derart sich überstürzende Tollkühnheit; und so begann denn ein jeder

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pere, ne festinatione periculum augeret, sed esset in potestate medentium: "inexperta remedia haud iniuria ipsis esse suspecta, cum ad perniciem eius etiam a latere ipsius pecunia sollicitaret hostis. 1 0 Quippe Dareus mille talenta interfectori Alexandri daturum se pronuntiari iusserat. Itaque ne ausurum quidem quemquam arbitrabantur experiri remedium, quod propter novitatem posset esse suspectum. V I . *Erat inter nobiles medicos ex Macedonia regem secutus Philippus, natione Acaman, fidus admodum regi: puero comes et custos salutis datus non ut regem modo sed etiam ut alumnum eximia caritate diligebat. 2 Is non praeceps se sed strenuum remedium adferre tantamque vim morbi potione medicata levaturum esse promisit. Nulli promissum eius placebat praeter ipsum, cuius periculo pollicebatur. 3 Omnia quippe facilius quam moram perpeti poterat: arma et acies in oculis erant, et victoriam in eo positam esse arbitrabatur, si tantum ante signa stare potuisset, id ipsum, quod post diem tertium medicamentum sumpturus esset - ita enim medicus praedixerat - aegre ferens. 4 Inter haec a Parmenione, fidissimo purpuratorum, litteras accipit, quibus ei denuntiabat, ne salutem suam Philippo committeret: mille talentis a Dareo et spe nuptiarum sororis eius esse corruptum. 5 Ingentem animo sollicitudinem litterae incusserant, et quicquid in utramque partem aut metus aut spes subiecerat, secreta aestimatione pensabat. e « Bibere perseverem, ut, si

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nach Kräften zu bitten, er möge doch nicht mit seiner Eile die Gefahr noch erhöhen, sondern sich in die Hand der Ärzte geben; unerprobte Mittel seien ihnen mit gutem Grund verdächtig, da doch zu seinem Verderben der Feind durch Bestechung sogar seine eigene Umgebung aufzuwiegeln suche: tatsächlich hatte Darius dem Mörder Alexanders 1000 Talente öffentlich zugesagt. So glaubten sie denn, niemand werde es auch nur wagen, ein Mittel zu erproben, das ob seiner Neuartigkeit Verdacht erregen könnte. Nun war unter den hervorragenden Ärzten, seit Makedonien im Gefolge des Königs weilend, Philippus aus Akarnanien, ein treuer Diener seines Königs. Schon dem Knaben als Begleiter und Leibarzt beigegeben, liebte er ihn nicht nur als seinen König, sondern auch als seinen Zögling mit ganz besonderer Hingabe. Dieser Philippus nun erklärte, er habe ein zwar nicht augenblicklich wirkendes, doch kräftiges Mittel zur Hand, und so werde er durch einen heilenden Trank die Schwere des Leidens beheben. Niemandem wollte dies Versprechen zusagen außer dem Könige selbst, auf dessen Gefahr hin der Arzt es in Aussicht stellte. Alles nämlich vermochte Alexander leichter zu ertragen als warten zu müssen: Waffen und Wehr standen vor seinen Augen, und er glaubte den Sieg schon errungen, wenn er nur erst vor den Feldzeichen hätte stehen können, — indem er selbst das schon mit Unwillen aufnahm, daß er erst nach dem dritten Tag das Heilmittel einnehmen sollte; so nämlich hatte der Arzt es verordnet. Während dieser Zeit nun erhielt er von dem treuesten seiner Würdenträger, Parmenion, einen Brief, in dem dieser ihn warnen wollte, sein Leben Philippus anzuvertrauen: er habe sich von Darius durch 1000 Talente und das Versprechen, seine Schwester zur Frau zu erhalten, bestechen lassen. Dieser Brief jagte dem König ungeheure Sorge ein, und er wog lange bei sich im stillen ab, was ihm, je nachdem, Furcht oder Hoffnung einflüsterte: „Soll ich dabei bleiben, den Trank einzunehmen — auf daß dann,

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LIBER III venenum datum fuerit, ne immerito quidem, quicquid acciderit, evenisse videatur? Damnem medici fidem? in tabernáculo ergo me opprimi patiar? At satius est alieno me mori scelere quam metu nostro. » 7 Diu animo in diversa versato nulli, quid scriptum esset, enuntiat epistulamque sigillo anuli sui impresso pulvino, cui incubabat, subiecit. 8 Inter has cogitationes biduo absumpto inluxit a medico destinatus dies, et ille cum poculo, in quo medicamentum diluerat, intravit. 9 Quo viso Alexander levato corpore in cubili epistulam a Parmenione missam sinistra manu tenens accipit poculum et haurit interritus; tum epistulam legere Philippum iubet nec a vultu legentis movit oculos, ratus aliquas conscienti ae notas in ipso ore posse deprendere. 10 Ille epistula perlecta plus indignationis quam pavoris ostendit proiectisque amiculo et litteris ante lectum « Rex,» inquit « semper quidem spiritus meus ex te pependit, sed nunc vere, arbitror, sacro et venerabili ore trahitur tuo. " C r i m e n parricidii, quod mihi obiectum est, tua salus diluet: servatus a me vitam mihi dederis. Oro quaesoque, omisso metu patere medicamentum concipi venis; laxa paulisper animum, quem intempestiva sollicitudine amici sane fideles, sed moleste seduli turbant. »

N o n securum modo haec vox sed etiam laetum regem ac plenum bonae spei fecit. 1 2 Itaque « Si di,» inquit «Philippe, tibi permisissent, quo maxime modo velles animum experiri meum, alio profecto voluisses, sed certiore, quam expertus

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wenn man mir Gift gibt, alles, was geschieht, durch meine Schuld gekommen scheint? Oder soll ich meinen Arzt als treulos verdammen? Soll ich mich in meinem eigenen Zelt ermorden lassen? — Nein: besser ist es, ich sterbe durch eines anderen Verbrechen als durch meine eigene Feigheit!" So schwankte er lange hin und her, doch verriet er niemandem den Inhalt des Briefs, sondern schob ihn, mit seinem Siegel versehen, unter das Polster, auf dem er lag. In solchen Gedanken vergingen zwei Tage; endlich kam der Morgen, den der Arzt bestimmt hatte, und dieser trat mit dem Becher ein, in dem er das Mittel gemischt hatte. Bei seinem Anblick richtete sich Alexander im Bett auf: den Brief Parmenions in der Linken nahm er den Becher entgegen und leerte ihn ohne Furcht; dann gab er Philippus den Brief zu lesen, ohne dabei die Augen von dessen Antlitz zu wenden: glaubte er doch, es müßten irgendwelche Anzeichen eines bösen Gewissens auf seinem Gesicht geschrieben stehen. Dieser las den Brief, zeigte aber mehr Empörung als Angst; er warf Mantel und Brief vor das Bett auf den Boden und sprach: „Mein König: immer schon hat mein Odem von dir abgehangen; nun aber, so glaube ich, atme ich erst in Wahrheit dank deinem heiligen und verehrungswürdigen Munde. Deine Genesung wird das Verbrechen des Königsmordes widerlegen, das man mir vorwirft. Von mir gerettet, wirst du mir dann mein Leben wiedergeben. Und nun bitte ich dich von Herzen: sage dich von aller Furcht los und laß mein Mittel deine Adern durchdringen! Entspanne deinen Geist ein wenig, den deine Freunde in ihrem gewiß treu gemeinten, doch jetzt nur schädlichen Eifer mit störender Sorge beirren!" Nicht nur sicher, sondern auch froh und voll guter Hoffnung stimmte den König dies Wort. Und so sprach er denn: „Hätten die Götter dir, Philippus, erlaubt, wie du nur wolltest meine Gesinnung zu erkunden — du hättest das sicherlich noch auf andere Weise tun können; ein besseres Mittel aber als das deine hättest du dir nicht einmal

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es, ne optasses quidem. 1 3 Hac epistula accepta tamen, quod dilueras, bibi; et nunc crede me non minus pro tua fide quam pro mea salute esse sollicitum. » Haec elocutus dextram Philippo offert. 14 Ceterum tanta vis medicamenti fuit, ut, quae secuta sunt, criminationem Parmenionis adiuverint. Interclusus spiritus arte meabat. Nec Philippus quicquam inexpertum omisit. Ille fomenta corpori admovit, ille torpentem nunc cibi nunc vini odore excitavit. l S Atque ut primum mentis compotem esse sensit, modo matris sororumque modo tantae victoriae adpropinquantis admonere non destitit. i e U t vero medicamentum se diffudit in venas et sensim toto corpore salubritas percipi potuit, primum animus vigorem suum, deinde corpus quoque expectatione maturius recuperavit: quippe post tertium diem, quam in hoc statu fuerat, in conspectum militum venit. 1 7 Nec avidius ipsum regem quam Philippum intuebatur exercitus : pro se quisque dextram eius amplexi grates habebant velut praesenti deo. Namque haud facile dictu est, praeter ingenitam illi genti erga reges suos venerationem, quantum huius utique regis vel admirationi dediti [ei] fuerint vel caritate flagraverint. 1 8 Iam primum nihil sine divina ope adgredi videbatur: nam cum praesto esset ubique fortuna, et temeritas in gloriam cesserat. Aetas quoque vix tantis matura rebus sed abunde sufficiens omnia eius opera honestabat, et quae leviora haberi soient, plerumque militari gratiora vulgo sunt: exercitatio corporis inter ipsos, cultus habitusque paulum a privato abhorrens, militaris vigor;

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zu wünschen vermocht! Ich habe diesen Brief empfangen und trotzdem deine Arznei getrunken, - und nun sei überzeugt, daß ich nicht weniger um die Rechtfertigung deiner Treue als um mein Leben besorgt bin!" Mit diesen Worten streckte er Philippus die Rechte hin. Nun wirkte freilich das Heilmittel derart kräftig, daß seine nächsten Folgen Parmenions Verdächtigungen unterstützten. Mühselig rang der König nach Atem, aber Philippus ließ nichts unversucht: er machte ihm Umschläge und weckte ihn aus seiner Betäubung abwechselnd durch den Duft von Speise und von Wein. Und sobald er ihn wieder bei Sinnen sah, mahnte er ihn unablässig bald an Mutter und Schwestern, bald an die Größe des nahen Sieges. Und als sich dann das Mittel durch die Adern verbreitete und allmählich der ganze Körper sich seiner heilsamen Wirkung hinzugeben vermochte, da gewann zuerst Alexanders Geist und dann auch sein Körper über Erwarten schnell seine alte Frische wieder: schon an dem dritten Tag, nachdem er in diesem Zustand gelegen hatte, trat er wieder vor seine Soldaten. Und mit nicht geringerer Spannung als auf den König schaute das Heer auf Philippus: jeder einzelne wollte ihm die Hand schütteln und ihm danken wie einem leibhaften Gott. Und es ist ja auch fast unbeschreiblich, mit welcher Bewunderung — ganz abgesehen von der diesem Volk schon angeborenen Verehrung ihrer Könige — sie gerade diesem König ergeben waren und wie brennend sie ihn liebten. Schien es doch schon, als unternähme er nichts ohne göttliche Hilfe; denn da ihm überall das Glück zur Seite stand, war ihm auch seine Tollkühnheit zum Ruhme ausgeschlagen. Auch seine Jugend, für so große Unternehmungen kaum schon reif und ihnen doch vollauf gewachsen, verlieh all seinen Taten Glanz. Und was man gewöhnlich für weniger wichtig ansieht, das ist ja zumeist dem Heervolk um so lieber : daß er sich mitten unter ihnen übte, daß er in Körperpflege und Tracht sich kaum vom einfachen Mann unterschied, daß er ein so kraftvoller

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quis ille vel ingenii dotibus vel animi artibus, ut pariter carus ac venerandus esset, effecerat. 20

V I I . x At Dareus nuntio de adversa valetudine eius accepto celeritate quantam capere tam grave agmen poterat ad Euphraten contendit iunctoque eo pontibus quinqué tarnen diebus traiecit exercitum Ciliciam occupare festinans. 2 Iam Alexander viribus corporis receptis ad urbem Solos pervenerat; cuius potitus ducentis talentis multae nomine exactis arci praesidium militum imposuit. 3 Vota deinde pro salute suscepta per ludum atque otium reddens ostendit, quanta fiducia barbaros sperneret: quippe Aesculapio et Minervae ludos celebravit. 4 Spectanti nuntius laetus adfertur Halicarnaso Persas acie a suis esse superatos, Myndios quoque et Caunios et pleraque tractus eius suae facta dicionis. 5 Igitur edito spectaculo lúdicro castrisque motis et Pyramo amne ponte iuncto ad urbem Mallum pervenit, inde alteris castris ad oppidum Castabulum. 6 Ibi Parmenio regi occurrit: praemiserat ad explorandum iter saltus, per quem ad urbem Isson nomine penetrandum erat. 7 Atque ille angustiis eius occupatis et praesidio modico relieto Isson quoque desertam a barbaris ceperat. Inde progressus, deturbatis qui interiora montium obsidebant, praesidiis cuncta firmavit occupatoque itinere, sicut paulo ante dictum est, idem et auctor et nuntius venit.

8 Isson deinde rex copias admovit; ubi Consilio habito, utrumne ultra progrediendum foret an

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Krieger war. Durch diese Gaben der Natur - oder war es anerzogene "Willensstärke? - hatte er erreicht, daß er ihnen genau so liebenswert war wie verehrungswürdig. Nun zu Darius; dieser hatte die Nachricht von Alexanders bedenklichem Zustande erhalten und zog daraufhin, so schnell er es mit seinem schwerfälligen Heere vermochte, zum Euphrat, überbrückte ihn und führte (wozu er allerdings fünf Tage brauchte) sein Heer hinüber, voller Eile, Kilikien zu besetzen. Aber schon fühlte sich Alexander wieder im Besitz seiner Kräfte und war zu der Stadt Soli gelangt; er nahm sie, trieb als Buße 200 Talente ein und legte eine Besatzung in die Burg. Indem er dann in aller Ruhe mit einem Spiel die Gelübde erfüllte, die er für seine Genesung geleistet hatte, legte er das Selbstvertrauen an den Tag, mit dem er auf die Barbaren herabsah; denn er ließ zu Ehren des Aeskulap und der Minerva feierliche Spiele stattfinden. Als Zuschauer erhielt er aus Halikarnaß die frohe Nachricht, die Perser seien von den Seinen in der Feldschlacht besiegt und auch die Myndier, die Kaunier und die Mehrzahl der Völker jenes Landstriches seien ihm botmäßig gemacht worden. Also brach er nach dem Festspiel auf, überbrückte den Pyramus und kam zu der Stadt Mallus sowie von dort in zwei Tagemärschen nach Kastabulum. Hier stieß Parmenion zu dem König; er war vorausgesandt worden, den Gebirgsweg zu erkunden, den man nach einer Issos genannten Stadt einzuschlagen hatte. Und zwar hatte er die Pässe dort besetzt, einen mäßig großen Schutz zurückgelassen und auch das von den Barbaren verlassene Issos genommen. Auf dem weiteren Vormarsch gelang es ihm, die Besatzungen im Inneren des Gebirges zu zersprengen; er sicherte alles durch Truppen und hielt die Straße besetzt; jetzt kam er, wie eben erwähnt, zugleich als der Vollzieher und als der Bote seiner Taten. Nun rückte der König nach Issos vor; im Kriegsrat erwog man dort, ob man noch weiter vorgehen oder erst an Ort

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ibi opperiundi essent novi milites, quos ex Macedonia adventare constabat, Parmenio non alium locum proelio aptiorem esse censebat. "Quippe illic utriusque regis copias numero futuras pares, cum angustiae multitudinem non caperent: planitiem ipsis camposque esse vitandos, ubi circumiri, ubi ancipiti acie opprimi possent. Timere, ne non virtute hostium, sed lassitudine sua vincerentur: Persas recentes subinde successuros, si laxius stare potuissent. 10 Facile ratio tam salubris consilii accepta est. Itaque inter angustias saltus hostem opperiri statuit. " E r a t in exercitu regis Sisenes Perses. Quondam a praetore Aegypti missus ad Philippum donisque et omni honore cultus exilium patria sede mutaverat; secutus deinde in Asiam Alexandrum inter fideles socios habebatur. 1 2 Huic epistulam Cretensis miles obsignatam anulo, cuius signum haud sane notum erat, tradidit. Nabarzanes, praetor Darei, miserat eam hortabaturque Sisenem, ut dignum aliquid nobilitate atque moribus suis ederet: magno id ei apud regem honori fore. 1 3 Has litteras Sisenes, utpote innoxius, ad Alexandrum saepe deferre temptavit; sed cum tot curis apparatuque belli regem videret urgeri, aptius subinde tempus expectans suspicionem initi scelesti consilii praebuit. " N a m q u e epistula, priusquam ei redderetur, in manus Alexandri pervenerat, lectamque eam et ignoti anuli sigillo impresso Siseni dari iusserat ad aestimandam fidem barbari. 1 5 Qui quia per complures dies non adierat regem, see-

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und Stelle die neuen Truppen abwarten solle, die laut Meldung aus Makedonien unterwegs waren. Parmenion war dabei der Ansicht, kein anderes Gelände sei für eine Schlacht günstiger; hier nämlich würden die Streitmächte beider Könige gleich stark sein, da der enge Raum eine größere Zahl nicht zu fassen vermöge. Ebenen und Felder müßten sie selbst meiden, wo man sie nämlich umgehen und in die Zange nehmen könne; er fürchte nur, die Truppen würden dort zwar nicht etwa dem Mut der Feinde, wohl aber der eigenen Erschöpfung erliegen: auf der persischen Seite würden nämlich immer wieder frische Truppen nachfolgen, falls sie nur gelockerter stehen könnten. Mit Leichtigkeit fand dieser treffliche Plan Beifall, und man beschloß, in den engen Tälern den Feind zu erwarten. Nun befand sich im Heere des Königs der Perser Sisenes. Einst vom Statthalter Ägyptens zu Philipp entsandt und mit Ehrengeschenken aller Art überhäuft, hatte er sein Heimatland mit der Fremde vertauscht; dann Alexander nach Asien folgend, galt er als dessen treuer Anhänger. Ihm übergab nun ein Soldat aus Kreta einen Brief, versiegelt mit einem Ring, dessen Zeichen ihm völlig unbekannt war. Nabarzanes, ein Heerführer des Darius, hatte den Brief abgeschickt und forderte darin Sisenes auf, eine T a t zu vollbringen, die seiner edlen Abkunft und seines Charakters würdig sei; er werde dafür bei seinem Könige große Ehre ernten. Diesen Brief versuchte der völlig unschuldige Sisenes mehrfach Alexander zu übergeben, doch da er den König von so viel Sorgen um die Vorbereitung des Feldzugs bedrängt sah, wollte er immer wieder einen günstigeren Zeitpunkt abwarten und brachte sich so in Verdacht, einen verbrecherischen Entschluß gefaßt zu haben. Denn ehe der Brief ihm ausgehändigt wurde, war er schon in Alexanders Hände geraten; der hatte ihn gelesen, ein unbekanntes Siegel darauf gedrückt und ihn dann Sisenes geben lassen, um die Zuverlässigkeit des Barbaren zu erproben. Und weil nun dieser mehrere Tage lang den König nicht aufgesucht hatte, schien er den Brief in verbrecheri-

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lesto Consilio earn visus est suppressisse et in agmine a Cretensibus haud dubie iussu regis occisus. V i l i . 1 I a m q u e Graeci milites, quos T h y m o des a P h a r n a b a z o acceperat, praecipua spes et propemodum unica, ad Dareum pervenerant. 2 H i magnopere suadebant, ut retro abiret spatiososque Mesopotamiae campos repeteret; si id consilium damnaret, at ille divideret saltern innumerabiles copias neu sub unum fortunae ictum totas vires regni cadere pateretur. 3 Minus hoc regi quam purpuratis eius displicebat: ancipitem fidem et mercede venalem proditioni imminere et dividi non ob aliud copias velie, quam ut ipsi, in diversa digressi, si quid commissum esset, traderent Alexandro: 4 nihil tutius fore quam circumdatos eos exercitu toto obrui telis, documentum non inultae perfidiae futuros. B At Dareus, ut erat sanctus ac mitis, se vero tantum facinus negat esse facturum, ut suam secutos fidem, suos milites iubeat trucidari. Quem deinde amplius nationum exterarum salutem suam crediturum sibi, si tot militum sanguine imbuisse! manus? e Neminem stolidum consilium capite luere debere; defuturos enim qui suaderent, si suasisse periculosum esset. Denique ipsos cotidie ad se advocari in consilium variasque sententias dicere, nec tamen melioris fidei haberi qui prudentius suaserit. 7 Itaque Graecis nuntiari iubet ipsum quidem benevolentiae illorum gratias agere; ceterum si retro ire pergat, haud dubie regnum hostibus t r a d i t u r u m : f a m a bella

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scher Absicht unterschlagen zu haben, und so wurde er, zweifellos auf Befehl des Königs, unterwegs von den Kretern erschlagen. Schon waren die griechischen Soldaten, die Thymodes von Pharnabazus übernommen hatte, zu Darius gestoßen: sie bildeten seine besondere, ja nahezu einzige Hoffnung. Sie rieten nachdrücklich, sich vom Feinde abzusetzen und wieder die geräumigen Felder Mesopotamiens aufzusuchen; falls er diesen Plan nicht gutheiße, solle er doch wenigstens seine unübersehbaren Scharen teilen und nicht die gesamten Streitkräfte seines Reichs zugleich aufs Spiel setzen. Dies sagte eher dem König als seinen Würdenträgern zu: hier sei eine anzuzweifelnde, käufliche Treue auf Verrat aus und wolle die Teilung des Heeres zu keinem anderen Zweck, als um dann, auf verschiedene Punkte verteilt, das was man ihnen anvertraut Alexander in die Hände zu liefern! Das Sicherste sei es, sie mit dem ganzen Heere einzuschließen und mit einem Hagel von Geschossen niederzumachen; so werde man ein warnendes Beispiel dafür aufstellen, daß Untreue ihren Lohn finde! Darius aber, reinen Herzens und gütig wie er war, verweigerte eine solche Tat: niemals werde er Befehl dazu geben, daß Leute, die sich auf ihn verließen und ihm folgten, seine Krieger also, niedergemacht würden! Wer von den ausländischen Nationen würde ihm weiterhin noch sein Leben anvertrauen wollen, wenn er seine Hände mit dem Blute so vieler Soldaten befleckte? Niemand dürfe einen ungeschickten Vorschlag mit seinem Haupte büßen: sonst würde es ihm bald an Ratgebern mangeln, wenn Rat zu erteilen dermaßen gefährlich wäre. Auch sie selbst würden ja täglich von ihm zum Rate berufen und sagten ihre verschiedenartigen Meinungen, und trotzdem gelte keineswegs der als besonders treu, der besonders klug rate! Daher ließ er den Griechen mitteilen: er sage ihnen zwar für ihren guten Willen seinen Dank; doch wenn er noch weiter zurückgehe, werde er zweifellos sein Reich den

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stare, et eum qui recedat fugere credi. 8 Trahendi vero belli vix ullam esse rationem. Tantae enim multitudini, utique cum iam hiems instaret, in regione vasta et invicem a suis atque hoste vexata non suffectura alimenta. 9 Ne dividi quidem copias posse servato more maiorum, qui universas vires discrimini bellorum semper obtulerint. 1 0 Et, hercule, terribilem antea regem et absentia sua ad vanam fiduciam elatum, postquam adventare se senserit, cautum pro temerario factum delituisse inter angustias saltus ritu ignobilium ferarum, quae strepitu praetereuntium audito silvarum latebris se occulerent. " I a m etiam valetudinis simulatione frustrari suos milites. Sed non amplius ipsum esse passurum detrectare certamen: in ilio specu, in quem pavidi recessissent, oppressurum esse cunctantes. Haec magnificentius iactata quam verius. 12 Ceterum pecunia omni rerumque pretiosissimis Damascum Syriae cum modico praesidio militum missis reliquas copias in Ciliciam duxit insequentibus more patrio agmen coniuge ac matre. Virgines quoque cum parvo filio comitabantur patrem.

1 3 Forte eadem nocte et Alexander ad fauces, quibus Syria aditur, et Dareus ad eum locum, quem Amanicas Pylas vocant, pervenit. 1 4 Nec dubitavere Persae, quin Isso relicta, quam ceperant, Macedones fugerent; nam etiam saucii quidam et invalidi, qui agmen non poterant persequi, excepti erant. 15 Quos omnis instinctu purpuratorum barbara feritate saevientium

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Feinden ausliefern. Kriegserfolge fußten nun einmal auf dem Ruf, den man habe, und Rückzug gelte als Flucht. Den Krieg jedoch noch weiter hinauszuziehen sei äußerst unratsam: für eine solche Menschenmenge nämlich, zumal wo jetzt schon der Winter nahe sei, würden in dieser Wüstenei, die abwechselnd von den Seinen und vom Feind heimgesucht wäre, die Lebensmittel nicht ausreichen. Auch könne man die Truppen nicht teilen, wenn man der Vätersitte treu bleiben wolle, nach der man stets die gesamte Streitmacht in die Entscheidung geworfen habe. Und, beim Herkules, dieser vorher so dräuende König, der sich fern von ihm zu eitlem Selbstvertrauen aufgeschwungen habe, sei ja nun beim Gefühl seiner Nähe recht vorsichtig geworden und gar nicht mehr tollkühn: in engen Schluchten verstecke er sich wie ein unedles Wild, das beim Geräusch Vorbeiziehender ins Waldesdickicht schlüpfe. Schon halte er auch seine Soldaten durch eine erheuchelte Krankheit hin. Er aber wolle jetzt nicht mehr dulden, daß man den Kampf verschiebe: in eben der Höhle, in die sich die Feiglinge verzogen hätten, werde er die Zaudernden überfallen! Das waren ruhmvolle Worte, die großartig klangen, doch ohne Wahrheit blieben. Im übrigen schickte er mit einer mäßig großen militärischen Bedeckung alle Geldvorräte und seine kostbarsten Besitztümer nach Damaskus in Syrien; die übrigen Truppen führte er nach Kilikien, wobei nach heimischer Sitte Gattin und Mutter dem Heereszug folgten. Auch seine jungen Töchter begleiteten mitsamt dem kleinen Sohn ihren Vater. Zufällig kamen in der gleichen Nacht Alexander zu dem Engpaß, der den Zugang zu Syrien bildet, und Darius zu der sogenannten Amanischen Pforte. Kein Zweifel herrschte bei den Persern, daß die Makedonen das genommene Issos wieder aufgegeben hätten und auf der Flucht seien: waren doch auch einige Verwundete und Kranke, die dem Heer nicht folgen konnten, in Gefangenschaft geraten. Sie alle ließ er auf das Drängen seiner barbarisch blindwüti-

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praecisis adustisque manibus circumduci, ut copias suas noscerent, satisque omnibus spectatis nuntiare, quae vidissent, regi suo iussit. ie Motis ergo castris superat Pinarum amnem, in tergis, ut credebat, fugientium haesurus. At illi, quorum amputaverat manus, ad castra Macedonum penetrant, Dareum, quanto máximo cursu posset, sequi nuntiantes. lT Vix fides habebatur; itaque speculatores in marítimas regiones praemissos explorare iubet, ipse adesset an praefectorum aliquis speciem praebuisset universi venientis exercitus. 18Sed cum speculatores reverterentur, procul ingens multitudo conspecta est. Ignes deinde totis campis conlucere coeperunt, omniaque velut continenti incendio ardere visa, cum incondita multitudo maxime propter iumenta laxius tenderei. 19 Itaque eo ipso loco metari suos castra iusserat, laetus - quod omni expetierat voto - in illis potissimum angustiis decernendum fore. 20

Ceterum, ut solet fieri cum ultimi discriminis tempus adventat, in sollicitudinem versa fiducia est. Illam ipsam fortunam, qua adspirante res tam prospere gesserat, verebatur nec iniuria ex ils, quae tribuisset sibi, quam mutabilis esset reputabat: unam superesse noctern, quae tanti discriminis moraretur eventum. 2 Rursus occurrebat maiora periculis praemia et, sicut dubium esset an vinceret, ita illud utique certum esse, honeste et cum magna laude moriturum. 22 Itaque corpora milites curare iussit ac deinde tertia vigilia instructos et armatos esse. Ipse in iugum editi montis escendit multisque conlucentibus facibus patrio more sacri fi-

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gen "Würdenträger mit abgeschnittenen und verbrannten Händen herumführen: sie sollten seine Truppenmacht kennenlernen und, wenn sie alles genügend beschaut, ihrem Könige melden, was sie gesehen. Dann brach er auf und überschritt den Pinarus, um den vermeintlich Flüchtenden auf den Fersen zu bleiben. Tatsächlich gelangten die, denen man die Hände abgeschnitten hatte, zum Lager der Makedonen und meldeten, Darius folge in äußerster Eile. Kaum fanden sie Glauben; und so sandte er Kundschafter in die Küstengegenden aus, um festzustellen, ob Darius wirklich selbst in der Nähe sei oder ob nur einer seiner Heerführer den Anschein erweckt habe, daß das gesamte Heer nahe. Gerade aber als die Kundschafter zurückkehrten, schaute man in der Ferne die ungeheure Menge. Wachtfeuer begannen alsbald auf der ganzen Ebene aufzuleuchten, und schon schien alles ein einziges Flammenmeer, als die ungefüge Menge, hauptsächlich wegen der Zugtiere so weit aufgelockert, sich niederließ. Darum hatte ja auch Alexander eben hier sein Lager aufschlagen lassen, froh darüber, daß im Einklang mit all seinen Wünschen gerade in eben diesen engen Tälern nun die Entscheidung fallen solle. Freilich wurde — wie es zu gehen pflegt, wenn die entscheidende Stunde naht — aus Selbstvertrauen Besorgnis. Eben jenes Glück, von dem beflügelt er so herrliche E r folge errungen hatte, betrachtete Alexander nun voll Bangnis und Schloß nicht ohne Grund eben aus seinen Geschenken, wie wandelbar es doch sei. Nur eine Nacht noch, dann mußte es zu der folgenschweren Entscheidung kommen! Dann wieder fiel ihm ein, wieviel größer doch der Lohn sei als alle Gefahren; und mochte sein Sieg auch zweifelhaft sein: das jedenfalls war sicher, daß er in Ruhm und Ehren fallen werde! So hieß er denn seine Soldaten der Ruhe pflegen, um dann in der dritten Nachtwache zum Kampfe bereitzustehen. E r selbst bestieg einen hohen Bergrücken und opferte unter dem Schein zahlreicher Fackeln nach Vätersitte den

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cium dis praesidibus loci fecit. 2 3 Iamque tertium, sicut praeceptum erat, signum tuba miles acceperat itineri simul paratus ac proelio, strenueque iussi procedere oriente luce pervenerunt ad angustias, quas occupare decreverant. 2 4 Dareum X X X inde stadia abesse praemissi indicabant. Tunc consistere agmen iubet armisque ipse sumptis aciem ordinat.

Dareo adventum hostium pavidi agrestes nuntiaverunt vix credenti occurrere etiam, quos ut fugientes sequebatur. 25 Ergo non mediocris omnium ánimos formido occupavit - quippe itineri quam proelio aptiores erant — raptimque arma capiebant. Sed ipsa festinatio discurrentium suosque ad arma vocantium maiorem metum incussit. 2e Alii in iugum montis evaserant, ut hostium agmen inde prospicerent; equos plerique frenabant. Discors exercitus nec ad unum intentus imperium vario tumultu cuncta turbaverat. 27 Dareus initio iugum montis cum parte copiarum occupare statuit, et a fronte et a tergo circumiturus hostem, a mari quoque, quo dextrum eius cornu tegebatur, alios obiecturus, ut undique urgeret. 2 8 Praeter haec viginti milia praemissa cum sagittariorum manu Pinarum amnem, qui duo agmina interfluebat, transiré et obicere sese Macedonum copiis iusserat; si id praestare non possent, retrocedere in montes et occulte circumire últimos hostium. 29 Ceterum destinata salubriter omni ratione potentior fortuna discussit: 30 quippe alii prae metu imperium

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Schutzgottheiten des Ortes. Und kaum hatte, wie befohlen, der Soldat das dritte der nächtlichen Trompetenzeichen vernommen, da stand das Heer, bereit zum Vormarsch wie zur Schlacht, und auf den Befehl hin, wacker vorzurücken, stieß man mit dem Morgenlicht auf den Engpaß, den zu besetzen man beschlossen hatte. Von vorausgesandten Spähern kam die Meldung, Darius sei nur noch dreißig Stadien entfernt. Da ließ der König haltmachen, legte selbst den Waffenschmuck an und ordnete das Heer zur Schlacht. Als dem Darius angsterfüllte Landbewohner den nahenden Feind meldeten, wollte er kaum glauben, daß die von ihm Verfolgten und vermeintlich Flüchtenden ihm noch einmal entgegenträten. Daher befiel sie alle ein beträchtlicher Schrecken — waren sie doch mehr auf einen Marsch eingerichtet als auf eine Schlacht! — und eilig griff man zu den Waffen. Aber eben diese Eile, mit der man durcheinanderrannte und die Leute zu den Waffen rief, ließ die Furcht noch größer werden: einige waren auf den Bergrücken geeilt, um von dort aus den feindlichen Heereszug zu schauen, sehr viele waren noch dabei, ihre Rosse aufzuzäumen. In diesem Heer, das sich aus so ungleichen Bestandteilen zusammensetzte und ohne einheitlichen Oberbefehl war, ging eben alles wirr durcheinander. Darius beschloß anfangs, mit einem Teil seiner Truppen den Bergrücken zu besetzen; er wollte den Feind zugleich von vorn und von hinten fassen, sich ihm aber auch von der See her, an die sich sein rechter Flügel lehnte, entgegenwerfen, um ihn so von überallher zu bedrängen. Außerdem sollten 20 000 Mann, mit einer Schar Bogenschützen vorausgeschickt, den Pinarus überschreiten, der zwischen den beiden Heeren dahinfloß, und sich auf die makedonischen Truppen stürzen; gelang ihnen das nicht, so hatten sie in die Berge auszuweichen und unbemerkt die Feinde zu umgehen. Aber das Geschick, mächtiger als alle noch so klug berechneten Pläne, zerschlug dies Vorhaben: die einen wagten aus Furcht nicht, den Befehl auszuführen, die

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exequi non audebant, alii frustra exequebantur, quia, ubi partes labant, summa turbatur. IX. 1Acies autem hoc modo stetit. Nabarzanes equitatu dextrum cornu tuebatur additis funditorum sagittariorumque viginti fere milibus. 2 In eodem Thymodes erat, Graecis peditibus mercede conductis, triginta milibus, praepositus. Hoc erat haud dubie robur exercitus, par Macedonicae phalangi acies. 3 In laevo cornu Aristomedes Thessalus XX milia barbarorum peditum habebat. In subsidiis pugnacissimas locaverat gentes. 4Ipsum regem in eodem cornu dimicaturum tria milia delectorum equitum, adsueta corporis custodia, et pedestris acies, quadraginta milia, sequebantur; 5 Hyrcani deinde Medique équités; his proximi ceterarum gentium, ultra eos dextra laevaque dispositi. Hoc agmen sicut dictum est instructum VI milia iaculatorum funditorumque antecedebant. eQuicquid in illis angustiis adiri poterat, impleverant copiae, cornuaque hinc ab iugo, illinc a mari stabant. Uxorem matremque regis et alium feminarum gregem in medium agmen acceperant. 7 Alexander phalangem, qua nihil apud Macedonas validius erat, in fronte constituit. Dextrum cornu Nicanor, Parmenionis filius, tuebatur; huic proximi stabant Coenos et Perdiccas et Meleager et Ptolomaeus et Amyntas, sui quisque agminis duces. 8 In laevo, quod ad mare pertinebat, Craterus et Parmenio erant, sed Craterus Parmenioni parere iussus. Equités ab utroque cornu locati: dextrum Macedones Thessalis adiunctis, laevum Peloponnesii tuebantur. e Ante hanc aciem posuerat funditorum manum sagittariis admixtis. Thraces quoque et Creten-

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andern mühten sich vergeblich darum; denn wo die Teile wanken, da schwankt auch das Ganze. Das Heer war nun folgendermaßen aufgestellt. Nabarzanes deckte mit der Reiterei den rechten Flügel, zu dem noch etwa 20 000 Schleuderer und Bogenschützen gehörten. Ebendort stand Thymodes an der Spitze der 30 000 griechischen Söldner. Dies war zweifellos der Kern des Heeres; er konnte es mit der makedonischen Phalanx aufnehmen. Auf dem linken Flügel stand mit 20 000 Mann Fußvolk barbarischer Abstammung der Thessalier Aristomedes. In Reserve hielt man die kampfbegierigsten Stämme. Dem König selbst, der auf eben diesem Flügel kämpfen wollte, folgten 3000 auserwählte Reiter, nämlich seine gewohnte Leibwache, und Fußvolk in Stärke von 40 000 Mann; dann kamen die hyrkanischen und die medischen Reiter und diesen zunächst die der übrigen Stämme, rechts und links von ihnen aufgestellt und über sie noch hinausragend. Vor dem so geordneten Heer standen noch 6000 Wurfschützen und Schleuderer. Jeder Fußbreit Boden in diesem engen Tal war mit Truppen angefüllt; die Flügel lehnten sich hier ans Gebirge, dort ans Meer. Die Gattin und die Mutter des Königs sowie die übrige Schar der Frauen hatte man in das Mitteltreffen hineingenommen. Alexander stellte seine Phalanx als den stärksten Teil des makedonischen Heeres ins Zentrum. Den rechten Flügel führte Parmenions Sohn Nikanor. Ihm zunächst standen Könus, Perdikkas, Meleager, Ptolomäus und Amyntas, jeder Führer einer eigenen Heerschar. Links nach dem Meer zu standen Kraterus und Parmenion, wobei jedoch Kraterus Parmenion untergeordnet war. Die Reiter hatten ihren Platz an beiden Flügeln: den rechten deckten die Makedonen, mit den Thessaliern vereinigt, den linken die Peloponnesier. Vor dieser Front hatte Alexander die Schar der Schleuderer aufgestellt mitsamt den Bogenschützen; auch die Thraker und Kreter hatten hier vorn ihren Platz, eben-

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ses ante agmen ibant, et ipsi leviter armati. 10 At iis, qui praemissi ab Dareo iugum montis insederant, Agríanos opposuit ex Thraecia nuper advectos. Parmenioni autem praeceperat, ut, quantum posset, agmen ad mare extenderet, quo longius abesset acies montibus, quos occupaverant barbari. 1 1 At illi ñeque obstare venientibus nec circumire praetergressos ausi funditorum maxime aspectu territi profugerant, eaque res Alexandra tutum agminis latus, quod ne superne incesseretur timuerat, praestitit. 1 2 XXX et duo armatorum ordines ibant: neque enim latius extendi aciem patiebantur angustiae. Paulatim deinde laxare se [et] sinus montium et maius spatium aperire coeperant, ita ut non pedes solum [pluribus] ordine incedere, sed etiam lateribus circumfundi posset equitatus.

X. 1 Iam in conspectu, sed extra teli iactum utraque acies erat, cum priores Persae inconditum et trucem sustulere clamorem. 2 Redditur et a Macedonibus, maior exercitus numero, iugis montium vastisque saltibus repercussus: quippe semper circumiecta nemora petraeque, quantamcumque accepere vocem, multiplicato sono referunt. 3 Alexander ante prima signa ibat identidem manu suos inhibens, ne suspensi acrius ob nimiam festinationem concitato spiritu capesserent proelium. 4 Cumque agmini obequitaret, varia oratione, ut cuiusque animis aptum erat, milites adloquebatur. Macedones, tot bellorum in Europa victores, ad subigendam Asiam atque ultima Orientis non ipsius magis

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falls leichtbewaffnet. Dagegen stellte er denen, die von Darius vorausgeschickt waren und das Bergjoch besetzt hielten, die Agrianer entgegen, die erst kürzlich aus Thrakien gekommen waren. Parmenion hatte den Befehl erhalten, so weit wie möglich seine Truppe bis zum Meere hin auszudehnen, damit die Front um so weiter von den Bergen entfernt sei, die die Barbaren besetzt hielten. Diese aber hatten nicht gewagt, den Anrückenden Widerstand zu leisten noch die an ihnen Vorüberziehenden zu umgehen: hauptsächlich aus Schreck vor dem Anblick der Schleuderer waren sie geflohen, und dies gab Alexander Sicherheit für seinen rechten Flügel: hatte er doch fürchten müssen, dieser könne von obenher überrannt werden. 32 Glieder tief ging das Heer vor, denn der enge Raum ließ keine ausgedehntere Aufstellung zu. Erst allmählich gaben dann die Windungen der Bergzüge nach und eröffneten einen größeren Raum, so daß nicht nur das Fußvolk ordnungsgemäß vorrücken, sondern auch die Reiterei sich an den Flanken verteilen konnte. Schon standen die beiden Heere einander auf Sicht-, doch noch nicht auf Schußweite gegenüber, da erhoben zuerst die Perser ein wirres, grimmiges Geschrei. Sofort erwiderten es die Makedonen, und stärker als es ihrer Zahl entsprach, hallte es von den Bergwänden und den weiten Waldungen wider — denn rundum liegende Wälder und Felswände geben ja jeden noch so schwachen Laut doppelt stark zurück. Alexander bewegte sich vor den vordersten Feldzeichen, immer wieder die Seinen mit erhobener Hand zügelnd, damit sie nicht in der atemlosen Aufgeregtheit allzu großer Eile den Kampf begannen. Und sooft er an eine Abteilung heranritt, redete er die Soldaten an und zwar jeweils so, wie es dem Wesen eines jeden Stammes entsprach. Die Makedonen, Sieger in so viel Kriegen in Europa, ausgezogen, Asien und den äußersten Orient zu unterwerfen

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quam suo ductu profecti, inveteratae virtutis admonebantur: 5 illos terrarum orbis liberatores emensosque olim Herculis et Liberi Patris términos non Persis modo sed etiam omnibus gentibus imposituros iugum: Macedonum provincias Bactra et Indos fore. Minima esse, quae nunc intuerentur, sed omnia victoria aperiri. "Non in praeruptis petris Illyriorum et T h r a ciae saxis sterilem laborem fore: spolia totius Orientis of ferri. Vix gladio futurum opus: totani aciem suo pavore fluctuantem umbonibus posse propelli. 7 Victor ad haec Atheniensium Philippus pater invocabatur, domitaeque nuper Boeotiae et urbis in ea nobilissimae ad solum dirutae species repraesentabatur animis. Iam Granicum amnem, iam tot urbes aut expugnatas aut in fidem acceptas omniaque, quae post tergum erant, strata et pedibus ipsorum subiecta memorabat. 8 C u m adierat Graecos, admonebat ab his gentibus inlata Graeciae bella Darei prius, deinde Xerxis insolentia, aquam ipsos terramque poscentium, ut neque fontium haustum nec solitos cibos relinquerent deditis. 9 Ab his templa ruinis et ignibus esse deleta, urbes eorum expugnatas, foedera divini humanique iuris violata referebat. Illyrios vero et Thracas rapto vivere adsuetos aciem hostium auro purpuraque fulgentem intueri iubebat, praedam non arma gestantem: 10 irent et imbellibus feminis aurum viri eriperent, aspera mon-

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und zwar ebensosehr auf ihren eigenen wie auf seinen Impuls hin, erinnerte er an ihren altüberlieferten Heldenmut: sie seien die berufenen Befreier der "Welt; und wenn sie die Marken des Herkules und des Vater Liber durchschritten hätten, würden sie nicht nur den Persern, sondern allen Stämmen ihr Joch auferlegen. Dann würden Baktra und die indischen Lande makedonische Provinzen darstellen! Was sie jetzt schauten, sei noch das Wenigste: erst der Sieg werde ihnen das Ganze eröffnen. Nicht mehr auf den schroffen Steilhängen Illyriens und den Felsen Thrakiens würden sie jetzt sauren Schweiß vergießen—hier liege die Beute des ganzen Orients vor ihnen ausgebreitet! Kaum eines Schwertstreiches bedürfe es noch: dies ganze Heer, in der ihm eigenen Angst hin und herschwankend, lasse sich ja mit den Schildbuckeln vertreiben. Auch seinen Vater Philippus, den Sieger über Athen, rief er an und stellte ihnen zugleich das Bild des erst jüngst unterworfenen Böotien und seiner hochedlen Hauptstadt vor Augen, die er dem Erdboden gleichgemacht. Weiterhin erinnerte er an den Granikus, an die Vielzahl der Städte, die sie bereits erobert oder die sich ihnen freiwillig unterworfen hätten, sowie an all das, was hinter ihnen lag, zu Boden geworfen, den Nacken dem Fuße des Siegers darbietend. Kam er dann zu den Griechen, so erinnerte er sie an die Kriege, die einst Darius mit diesen Stämmen hier über sie gebracht habe, sodann an des Xerxes maßlosen Übermut, wie sie beide Wasser und Erde von ihnen gefordert, um ihnen weder einen Schluck aus den Quellen noch das tägliche Brot zu lassen, wenn sie sich ihnen ergeben hätten. Dies seien die Männer, die ihre Tempel zertrümmert und verbrannt, ihre Städte erobert und Götter- und Menschensatzungen übertreten hätten! Die Illyrier dagegen und die Thraker, gewöhnt vom Raube zu leben, hieß er die von Gold und Purpur schimmernde Front der Feinde ins Auge fassen: Beute, nicht Waffen trügen jene am Leibe! Ja, sie sollten nur vorgehen und als Männer diesen kriegsfremden Weibern ihr Gold vom Leibe

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tium suorum iuga nudasque calles et perpetuo rigentes gelu ditibus Persarum campis agrisque mutarent. X I . 1 I a m ad teli iactum pervenerant, cum Persarum équités ferociter in laevum cornu hostium invecti sunt: quippe Dareus equestri proelio decernere optabat, phalangem Macedonici exercitus robur esse coniectans. Iamque etiam dextrum Alexandri cornu circumibatur. 2 Quod ubi Macedo conspexit, duabus alis equitum ad iugum montis iussis subsistere ceteros in medium belli discrimen strenue transfert. 3 Subductis deinde ex acie Thessalis equitibus praefectum eorum occulte circumire tergum suorum iubet Parmenionique coniungi et, quod is imperasset, impigre exequi. 4 Iamque ipsi in medium Persarum*** undique circumfusi egregie tuebantur, sed conferti et quasi cohaerentes tela vibrare non poterant: simul erant emissa, in eosdem concurrentia implicabantur levique et vano ictu pauca in hostem, plura in humum innoxia cadebant. Ergo comminus pugnam coacti conserere gladios impigre stringunt. 5 Tum vero multum sanguinis fusum est: duae quippe acies ita cohaerebant, ut armis arma pulsarent, mucrones in ora dirigèrent. N o n timido, non ignavo cessare tum licuit: conlato pede, quasi singuli inter se dimicarent, in eodem vestigio stabant, donec vincendo locum sibi facerent. °Tum demum ergo promovebant gradum, cum hostem prostraverant. At illos novus excipiebat adversarius fatigatos, nec vulnerati, ut alias soient, acie poterant excedere, cum hostis instaret a fronte, a tergo sui urgerent. 7 Alex-

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reißen, um ihre eigenen rauhen Bergjoche und kahlen, von ständigem Eise starrenden Bergtriften mit den reichen Fluren und Feldern der Perser zu vertauschen! Nun war man auch schon auf Schuß weite aneinander herangekommen : da brachen die persischen Reiter wild gegen den linken Flügel der Feinde vor, denn Darius wünschte eine Entscheidung im Reiterkampf, weil er als Kern des makedonischen Heeres die Phalanx vermutete. Schon war er auch dabei, den linken Flügel Alexanders zu umgehen. Sobald dies der Makedone gewahr wurde, ließ er zwei Reiterabteilungen am Bergrücken verhalten und warf die übrigen kraftvoll in den entscheidenden Kampfabschnitt. Dann nahm er die thessalischen Reiter aus der Front her aus und ließ ihren Führer unbemerkt die Seinen umgehen sowie sich Parmenion anschließen; sie sollten sich unverzüglich dessen Befehl unterstellen. Und schon selbst in die Mitte der P e r s e r . . . und von allen Seiten eingeschlossen wehrten sie sich aufs tapferste, vermochten aber in dem Gedränge, Mann an Mann gepreßt, mit den Speeren nicht richtig auszuholen; kaum geschleudert, verfingen sich diese, auf den gleichen Gegner gerichtet, und verloren dabei ihren Schwung; daher trafen nur wenige den Feind, die Mehrzahl fiel unschädlich zu Boden. So griff man denn, zum Nahkampf genötigt, unverzüglich zum Schwert. Nun erst flöß viel Blut: denn die beiden Fronten hatten sich so ineinander verbissen, daß W a f f e auf W a f f e schlug und die Spitze des Schwerts auf das Gesicht des Gegners zielte. D a durfte kein Furchtsamer, kein Feiger säumig sein: Fuß an Fuß, wie im Einzelkampf, mußten sie auf demselben Fleck stehenbleiben, bis sie sich endlich durch einen Sieg Raum geschaffen; dann erst konnte man einen Schritt nach vorn tun, wenn man seinen Gegner zu Boden gestreckt hatte! Den erschöpften Sieger aber erwartete jeweils ein neuer Feind, und nicht wie sonst vermochten die Verwundeten auszuscheiden, da von vorn der Feind auf sie eindrang, von hinten aber die eigenen Leute nachdrängten.

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ander non ducis magis quam militis munia exequebatur, opimum decus caeso rege expetens: quippe Dareus curru sublimis eminebat, et suis ad se tuendum et hostibus ad incessendum ingens incitamentum. 8 Ergo frater eius Oxathres, cum Alexandrum instare ei cerneret, équités, quibus praeerat, ante ipsum currum regis obiecit. Armis et robore corporis multum super ceteros eminens, animo vero et pietate in paucissimis, ilio utique proelio clarus, alios improvide instantes prostravit, alios in fugam avertit. 9 At Macedones, qui circa regem erant, mutua adhortatione firmati cum ipso in equitum agmen inrumpunt. Tum vero similis ruinae strages erat. Circa currum Darei iacebant nobilissimi duces ante oculos regis egregia morte defuncti, omnes in ora proni, sicut dimicantes procubuerant adverso corpore vulneribus acceptis. 10 Inter hos Atizyes et Rheomithres et Sabaces, praetor Aegypti, magnorum exercituum praefecti, noscitabantur; circa eos cumulata erat peditum equitumque obscurior turba.

Macedonum quoque non quidem multi, sed promptissimi tamen caesi sunt; inter quos Alexandri dextrum femur leviter mucrone perstrictum est. "Iamque qui Dareum vehebant equi, confossi hastis et dolore efferati, iugum quatere et regem curru excutere coeperant, cum ille veritus, ne vivus veniret in hostium potestatem, desilit et in equum, qui ad hoc ipsum sequebatur, imponitur insignibus quoque imperii, ne fugam proderent, indecore abiectis. 12 Tum vero

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Alexander erwies sich in diesem Kampf zugleich als Führer und als Krieger: sein Verlangen war, den feindlichen König zu fällen und ihm ruhmvoll die Rüstung zu rauben; denn Darius ragte hoch über alle auf seinem Streitwagen — ein machtvoller Ansporn zugleich für die Seinen, ihn zu schützen, wie auch für die Feinde, ihn anzugreifen. So warf denn auch sein Bruder Oxathres, als er Alexander auf ihn eindringen sah, seine Reiter unmittelbar vor den Wagen des Königs. An kriegerischer Kraft die anderen weit überragend, dazu voll Mut und Treue wie nur wenige, tat er sich in dieser Schlacht besonders hervor, indem er die einen, die in rückhaltlosem Einsatz vordrängten, niederstreckte und die anderen zur Flucht zwang. Aber die Makedonen rings um den König spornten einander an und brachen mit neuem Mut, zusammen mit ihm, in die feindliche Reiterschar ein. Nun stürzten die Feinde wie hingemäht zu Boden; rings um den Wagen des Darius lagen die Leichen der vornehmsten Führer, die vor den Augen ihres Königs den Heldentod gefunden hatten: sämtlich vornübergestürzt, so wie sie im Kampf gefallen waren, keiner die Wunde im Rücken. Unter ihnen erkannte man Atizyes, Rheomithres und den Statthalter von Ägypten Sabakes — alles Führer großer Heere; rings um sie türmte sich der Haufe namenloser Kämpfer zu Fuß und zu Roß. Aber auch von den Makedonen waren zwar nicht eben viele, so doch die Einsatzbereitesten gefallen; und auch Alexanders rechten Schenkel hatte ein Schwert leicht verletzt. Und schon waren die Pferde an Darius' Wagen von Lanzen durchbohrt und vorSchmerz scheu geworden: sie suchten das Joch abzuschütteln, so daß der König Gefahr lief, aus dem Wagen geschleudert zu werden. Da sprang er herab, voll Furcht, lebend in die Hände der Feinde zu fallen, und ließ sich auf das Pferd heben, das eben zu diesem Zweck mitgeführt wurde, wobei er sogar, um sich nicht auf der Flucht zu verraten, die Zeichen seiner Hoheit unrühmlich von sich warf. Nun zersprengte die Furcht auch

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ceteri dissipantur metu et, qua cuique ad fugam patebat via, erumpunt arma iacientes, quae paulo ante ad tutelam corporum sumpserant: adeo pavor etiam auxilia formidat. 1 3 Instabat fugientibus eques a Parmenione emissus, et forte in illud cornu omnes fuga abstulerat. At in dextro Persae Thessalos équités vehementer urgebant. 1 4 Iamque una ala ipso impetu proculcata erat, cum Thessali strenue circumactis equis dilapsi rursus in proelium redeunt sparsosque et incompositos victoriae fiducia barbaros ingenti caede prosternunt. 15 Equi pariter equitesque Persarum, serie laminarum graves, agmen ad id genus pugnae, quod celeritate maxime constat, aegre moliebantur: quippe in circumagendis equis suis Thessali inulti occupaverant.

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H a c tam prospera pugna nuntiata Alexander, non ante ausus persequi barbaros, utrimque iam victor instare fugientibus coepit. 17 Haud amplius regem quam mille équités sequebantur, cum ingens multitudo hostium cederet; sed quis aut in victoria aut in fuga copias numerat? Agebantur ergo a tam paucis pecorumi modo, et idem metus, qui cogebat fugere, fugientes morabatur. 1 8 At Graeci, qui in Darei partibus steterant, Amynta duce - praetor hic Alexandri fuerat, tunc transfuga - abrupti a ceteris haud sane fugientibus similes evaserant. 18

Barbari longe diversam fugam intenderunt: alii, qua rectum iter in Persidem ducebat, quidam circuitu rupes saltusque montium occultos

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die anderen; wo einem jeden sich ein Weg zur Flucht öffnete, da drängten sie sich durch und warfen die Waffen von sich, die sie vor kurzem erst zum Schutz angelegt hatten: so sehr scheut der Schreck sogar vor allem, was Hilfe bringen kann! Dazu drängte den Fliehenden die Reiterei nach, die Parmenion vorgeschickt hatte, und zufällig hatte alle die Flucht nach diesem Flügel hin fortgerissen. Auf dem rechten Flügel dagegen bedrängten die Perser die thessalischen Reiter mit Macht. Schon war eine Abteilung unmittelbar beim Angriff niedergeritten worden: da warfen die Thessalier schnell ihre Pferde herum, verteilten sich wieder, kehrten erneut in den Kampf zurück und streckten in blutiger Schlacht die Barbaren nieder, die sich schon ohne Ordnung siegestrunken zerstreut hatten. Roß und Reiter der Perser, schwerfällig infolge ihres Schuppenpanzers, vermochten ihre Scharen für solch einen Kampf, bei dem es vor allem auf Schnelligkeit ankommt, nur mühsam in Bewegung zu setzen, und so hatten die Thessalier beim Herumwerfen ihrer Pferde ein leichtes Spiel mit ihnen. Auf die Meldung dieser so glücklich verlaufenen Schlacht begann Alexander, der bisher die Verfolgung der Barbaren nicht gewagt hatte, jetzt als Sieger auf beiden Flügeln den Fliehenden nachzusetzen. Nicht mehr als 1000 Reiter folgten ihrem König, als die ungeheure Zahl der Feinde zurückwich. Wer aber zählt beim Sieg oder auf der Flucht die Truppen? Ließen sie sich doch von so wenigen scheuchen wie die Schafe, und dieselbe Furcht, die sie zur Flucht zwang, hemmte wiederum diese Flucht. Die Griechen dagegen, die auf Darius' Seite fochten und zwar unter der Führung des Amyntas - einst war er Alexanders Feldherr gewesen, jetzt ein Überläufer - waren, abgetrennt von den übrigen, keineswegs fluchtartig abgezogen. Die Barbaren wählten für ihre Flucht sehr verschiedene Richtungen: die einen schlugen den kürzesten Weg nach Persien ein; manche suchten auf einem Umweg die Felshänge und verborgenen Waldschluchten zu erreichen, nur

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petivere, pauci castra Darei. 20 Sed iam illa quoque victor intraverat omni quidem opulentia ditia. Ingens auri argentique pondus, non belli, sed luxuriae apparatum, diripuerant milites, cumque plus raperent, quam capere passent, passim strata erant itinera vilioribus sarcinis, quas in comparatione meliorum avaritia contempserat. 2 1 Iamque ad feminas perventum erat, quibus quo cariora ornamenta sunt, violentius detrahebantur. N e corporibus quidem vis ac libido parcebat. 2 2 Omni planctu tumultuque, prout cuique fortuna erat, castra repleverant, nec ulla facies mali deerat, cum per omnes ordines aetatesque victoris crudelitas ac licentia vagaretur. 2 3 Tunc vero impotentis fortunae species conspici potuit, cum ii, qui Dareo tabernaculum exornaverant omni luxu et opulentia instructum, eadem ilia Alexandro, quasi veteri domino, reservabant. Namque id solum intactum omiserant milites, ita tradito more, ut victorem vieti regis tabernáculo exciperent. 24 Sed omnium oculos animosque in semet averterant captivae mater coniunxque Darei: illa non maiestate solum sed etiam aetate venerabilis, haec formae pulchritudine ne illa quidem sorte corruptae. Receperat in sinum filium nondum sexturn annum aetatis egressum, in spem tantae fortunae, quantam pater eius paulo ante amiserat, genitum. 2 5 At in gremio anus aviae iacebant adultae duae virgines, non suo tantum sed etiam illius maerore confectae. Ingens circa earn nobilium feminarum turba constiterat, laceratis cri-

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wenige aber das Lager des Darius. Doch schon war auch in dieses der Sieger eingedrungen, das reich war an Schätzen jeder Art. Eine ungeheure Menge an Gold und Silber hatten die Soldaten plündern können — Zubehör nicht des Krieges, sondern verschwenderischer Pracht. Und da sie mehr raubten, als sie bergen konnten, lagen allenthalben die Wege bedeckt mit weniger wertvollen Stücken aus dem Gepäck, die ihre Gier besseren zuliebe dann wieder verschmäht hatte. Und schon war man auch zu den Frauen gelangt, denen man ihren Schmuck entsprechend seinem größeren Wert um so heftiger herabriß, und nicht einmal ihrer selbst enthielt sich Gewalt und Begierde. Jegliche Art von Klage und Lärm erfüllte das Lager, je nachdem, was einem jeden begegnete, und kein Schreckensbild fehlte, da des Siegers Grausamkeit und Willkür ungeachtet des Standes und des Alters ihren wilden Lauf nahm. D a wurde auch das Antlitz des wankelmütigen Geschicks sichtbar — denn nun suchten die, die bisher das Zelt für Darius mit aller verschwenderischen Pracht des Reichtums ausgeschmückt hatten, die gleichen Dinge für Alexander zu verwahren, als wäre er ihr alter Gebieter; und tatsächlich hatten die Soldaten dies Zelt allein unberührt gelassen, denn so wollte es die Sitte, daß sie den Sieger im Zelt des besiegten Königs erwarteten. Aller Augen und Herzen aber lenkten auf sich die gefangene Mutter des Darius und mit ihr seine Gattin, von denen jene nicht nur durch ihre Hoheit, sondern auch durch ihr Alter Ehrfurcht gebot und diese durch eine Schönheit, der nicht einmal ihr Geschick Abbruch zu tun vermochte. An ihr Herz drückte sie ihren noch nicht siebenjährigen Sohn, den sie mit der Hoffnung geboren hatte, er werde einst die hohe Stellung einnehmen, die sein Vater soeben eingebüßt hatte; an die greise Großmutter aber schmiegten sich die beiden halberwachsenen Mädchen, gebrochen nicht nur im Schmerz um sich selbst, sondern auch um jene. Rings um sie drängten sich ungezählte adlige Frauen, die Haare zer-

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nibus abscissaque veste pristini decoris immemores, reginas dominasque veris quondam, tunc alienis nominibus invocantes. 2e Illae suae calamitatis oblitae, in utro cornu Dareus stetisset, quae fortuna discriminis fuisset, requirebant: negabant se captas, si viveret rex. Sed illum equos subinde mutantem longius fuga abstulerat. 2T

In acie autem caesa sunt Persarum peditum C milia, decern equitum. At a parte Alexandri [ad] quattuor et quingenti saucii fuere, ex peditibus X X X omnino et duo desiderati sunt, equitum centum quinquaginta interfecti: tantulo impendio ingens victoria stetit! XII. a Rex avidius Dareum persequendo fatigatus, postquam et nox adpetebat et consequendi spes non erat, in castra paulo ante a suis capta pervenit. 2 Invitari deinde amicos, quibus maxime adsueverat, iussit - quippe summa dumtaxat cutis in femine perstricta non prohibebat interesse convivio - 3cum repente e proximo tabernáculo lugubris clamor barbaro ululatu planctuque permixtus epulantes conterruit. Cohors quoque, quae excubabat ad tabernaculum regis, verità ne maioris motus principium esset, armare se coeperat. 4 Causa subiti pavoris fuit, quod mater uxorque Darei cum captivis nobilibus regem, quem interfectum esse credebant, ingenti gemitu eiulatuque deflebant. Unus namque e captivis spadonibus, qui forte ante ipsarum tabernaculum steterat, amiculum, quod Dareus, sicut paulo ante dictum est, ne cultu proderetur abiecerat, in manibus eius, qui repertum ferebat, agnovit ratusque interfecto detractum esse falsum nuntium mortis eius attu-

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rauft, die Kleider zerrissen, ihrer früheren Würde uneingedenk, und riefen ihre Königinnen und Herrinnen mit Namen an, die einstmals berechtigt waren, jetzt aber ihnen nicht mehr zukamen. Diese fragten, des eigenen Unheils vergessend, immer wieder, auf welchem Flügel Darius gekämpft habe und wie denn die Schlacht ausgegangen sei; solange der König noch lebe, seien sie nicht Gefangene! Den aber hatte, während er ständig das Pferd wechselte, die Flucht schon weithin entführt. In der Schlacht fielen auf persischer Seite 100 000 Mann Fußvolk und 10 000 Reiter. Dagegen hatte Alexander nur 504 Verwundete; vom Fußvolk wurden im ganzen nur 32 Mann vermißt, und von den Reitern waren 150 gefallen: so geringe Opfer kostete dieser ungeheure Sieg! Als mit Einbruch der Nacht keine Hoffnung mehr bestand, Darius einzuholen, gelangte Alexander, ermüdet von der allzu eifrigen Verfolgung, in das Lager, das die Seinen kurz vorher genommen hatten. Er lud darauf die vertrautesten Freunde zu sich, denn die nur oberflächliche Beinwunde verbot ihm die Teilnahme an einem Gelage nicht. Da erschreckte die Schmausenden plötzlich Totenklage aus dem nächsten Zelt, gemischt mit dem Jammergeheul der Barbaren und Schlägen als Zeichen von Trauer. Auch die "Wache, die vor dem Königszelt aufgezogen war, trat unter Waffen, denn sie befürchtete den Beginn eines größeren Aufruhrs. Der Anlaß des plötzlichen Schreckens war der, daß die Mutter und die Gattin des Darius mitsamt den gefangenen adligen Frauen ihren König mit lautem Wehgeschrei beweinten, da sie ihn gefallen glaubten. Einer der gefangenen Eunuchen nämlich, der zufällig vor ihrem Zelte gestanden, hatte in den Händen des Finders den Mantel gesehen, den Darius wie oben erwähnt fortgeworfen hatte, um sich durch seine Kleidung nicht zu verraten, und in dem Glauben, jener habe ihn einem Gefallenen abgenommen, hatte er fälschlicherweise den Tod seines Königs gemeldet.

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lerat. e Hoc mulierum errore comperto Alexander fortunae Darei et pietati earum inlacrimasse fertur. Ac primo Mithrenem, qui Sardis tradiderat, peritum linguae Persicae, ire ad consolandas eas iusserat; 7 veritus deinde, ne proditor captivarum iram doloremque renovaret, Leonnatum ex purpuratis suis misit iussum indicare falso lamentari eas vivum. Ille cum paucis armigeris ad tabernaculum, in quo captivae erant, pervenit missumque se a rege nuntiari iubet. 8 At ii, qui in vestíbulo erant, ut armatos conspexere, rati actum esse de dominis in tabernaculum currunt vociferantes adesse supremam horam missosque, qui occiderent captas. 9 Itaque, ut quae nec prohibere possent nec admittere auderent, nullo responso dato tacitae opperiebantur victoris arbitrium. 10 Leonnatus expectato diu, qui se introduceret, postquam nemo procedere audebat, relictis in vestíbulo satellitibus intrat in tabernaculum. Ea ipsa res turbaverat feminas, quod inrupisse non admissus videbatur. " I t a q u e mater et coniunx provolutae ad pedes orare coeperunt, ut, priusquam interficerentur, Darei corpus ipsis patrio more sepelire permitteret; functas supremo in regem officio impigre esse monturas. 12 Leonnatus et vivere Dareum et ipsas non incólumes modo sed etiam apparatu pristinae fortunae reginas fore adfirmat. T u m demum Darei mater adlevari se passa est.

13 Alexander postero die cum cura sepultis militibus, quorum corpora invenerat, Persarum quoque nobilissimis eundem honorem haberi

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Als Alexander von diesem Irrtum der Frauen hörte, soll er über das Geschick des Darius und die treue Anhänglichkeit seiner Angehörigen Tränen vergossen haben. Anfangs wollte er als Tröster zu ihnen Mithrenes schicken, der Sardes übergeben hatte und der persischen Sprache mächtig war; in der Besorgnis aber, der Verräter möchte den schmerzvollen Zorn der gefangenen Frauen neu entfachen, schickte er dann aus seiner Umgebung Leonnatus zu ihnen; er sollte ihnen mitteilen, daß sie zu Unrecht einen Lebenden als tot beklagten. Dieser begab sich mit einigen Leibwächtern zu dem Zelt der Gefangenen und ließ sich als Bote des Königs melden. Wie nun aber die Leute im Vorraum die Bewaffneten erblickten, glaubten sie, es sei um ihre Herrinnen geschehen: sie liefen ins Zelt mit dem Ruf, jetzt sei ihre letzte Stunde gekommen — die Mörder ständen schon vor der Tür! Den Frauen fehlte nun ebenso sehr die Möglichkeit sie abzuweisen wie der Mut sie vorzulassen: ohne Antwort zu geben warteten sie stumm auf den Spruch des Siegers. Leonnatus zögerte längere Zeit, ob ihn nicht jemand ins Zelt führen wolle; als aber niemand herauszukommen wagte, ließ er die Leibwächter im Vorraum zurück und betrat das Zelt. Gerade dies aber mußte die Frauen bestürzen: schien es doch, als sei er unbefugt eingedrungen! Daher warfen sich ihm die Mutter und die Gattin des Darius zu Füßen und hüben zu bitten an, er möge ihnen noch vor ihrem Tode erlauben, den Leichnam des Königs nach der Sitte der Ahnen zu bestatten; hätten sie ihm erst die letzte Ehre erwiesen, so seien sie unverzüglich zum Tode bereit. Darauf Leonnatus: Aber Darius sei ja am Leben und ihnen selbst solle nichts geschehen, vielmehr sollten sie Königinnen bleiben, mit allen Vorrechten ihres früheren hohen Ranges! Erst auf diese Versicherung hin ließ sich Darius' Mutter wieder vom Boden aufheben. Alexander ließ am folgenden Tage die Leichen der Soldaten, die man fand, sorgsam bestatten; den vornehmsten Persern befahl er die gleiche Ehre zu erweisen und gewähr-

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iubet matrique Darei permittit, quos vellet patrio more sepeliret. 14 Illa paucos arta propinquitate coniunctos pro habitu praesentis fortunae humari iussit, apparatum funerum, quo Persae suprema officia celebrarent, invidiosum fore existimans, cum victores haud pretiose cremarentur. 15 Iamque iustis defunctorum corporibus solutis praemittit ad captivas, qui nuntiarent ipsum venire, inhibitaque comitantium turba tabernaculum cum Hephaestione intrat. 16 Is longe omnium amicorum carissimus erat regi, cum ipso pariter eductus, secretorum omnium arbiter; libertatis quoque in admonendo eo non alius malus ius habebat, quod tarnen ita usurpabat, ut magis a rege permissum quam vindicatum ab eo videretur. Et sicut aetate par erat regi, ita corporis habitu praestabat. 17 Ergo reginae ilium esse regem ratae suo more veneratae sunt. Inde ex captivis spadonibus, quis Alexander esset, monstrantibus Sisigambis advoluta est pedibus eius ignorationem numquam antea visi regis excusans. Quam manu adlevans rex « Non errasti, » inquit « mater: nam et hic Alexander est.» 18 Equidem hac continentia animi si ad ultimum vitae perseverare potuisset, feliciorem fuisse crederem, quam visus est esse, cum Liberi Patris imitaretur triumphum usque ab Hellesponto ad Oceanum omnes gentes victoria emensus. 19Sic vicisset profecto superbiam atque iram, mala invicta; sic abstinuisset inter epulas caedibus amicorum egregiosque bello viros et tot gentium secum domitores indicta causa veritus esset occidere. 20Sed nondum fortuna se animo eius superfuderat: itaque orien-

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te der Mutter des Darius, wen sie wolle nach heimischer Sitte zu bestatten. Im Hinblick auf ihre gegenwärtige Lage ließ sie nur wenige beerdigen, mit denen sie sich als nahen Verwandten verbunden fühlte; denn sie war der Ansicht, der glanzvolle Aufwand, mit dem die Perser ihren Toten die letzten Ehren zu erweisen pflegten, müsse Unwillen erregen, da ja die Sieger ganz ohne Prunk verbrannt wurden. Alsbald nach der Totenehrung ließ Alexander den gefangenen Frauen melden, er sei auf dem Wege zu ihnen. Ohne seine Gefolgschaft betrat er ihr Zelt, nur von Hephästion begleitet. Dieser war von allen des Königs weitaus bester Freund, mit ihm zusammen aufgezogen und Mitwisser aller seiner Geheimnisse; kein anderer durfte ihm so freimütig Vorhaltungen machen, ein Vorrecht, das er jedoch so ausübte, als hätte es ihm der König eingeräumt, nicht aber er es sich angemaßt. Beide waren sie gleichen Alters, Hephästion aber größer. Daher hielten die Königinnen ihn für den Herrscher und grüßten ihn dementsprechend nach ihrer Sitte. Als darauf einige der gefangenen Eunuchen sie bedeuteten, wer Alexander sei, warf sich Sisigambis diesem zu Füßen und führte zu ihrer Entschuldigung an, sie habe den König nicht erkannt, da sie ihn zuvor niemals gesehen habe. Der König richtete sie wieder auf und sagte: „Du bist nicht im Irrtum, Mutter, — er ist auch Alexander!" Ich möchte glauben: wäre er bis an sein Lebensende so maßvoll und besonnen geblieben, er wäre glücklicher gewesen, als er es damals zu sein schien, wo er den Triumphzug des Vater Liber nachahmte, — nach seinem Siegeszug durch alle Länder vom Hellespont bis zum Ozean! So nämlich wäre er zweifellos Sieger geblieben über zwei sonst unbesiegliche Übel: den Stolz und den Zorn; so nämlich hätte er seine Hände rein gehalten von der Ermordung seiner Freunde beim Gastmahl und hätte sich auch gescheut, vortreffliche Kriegsmänner, die an seiner Seite so viele Stämme bezwungen, ohne Gerichtsverhandlung zu morden! Damals aber trieb sein Sinn noch nicht auf den

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tem tarn moderate et p r u d e n t e r tulit, ad ultim u m magnitudinem eius non cepit. 2 1 T u n c quidem ita se gessit, u t omnes ante eum reges et continentia et d e m e n t i a vincerentur. Virgines reginas excellentis f o r m a e t a m sánete habuit, q u a m si eodem quo ipse p a r e n t e genitae f o r e n t ; 22 coniugem eiusdem, q u a m nulla aetatis suae pulchritudine corporis vicit, adeo ipse non violavit, u t s u m m a m adhibuerit curam, ne quis captivo corpori inluderet. 2 3 O m n e m cultum reddi feminis iussit, nec quicquam ex pristinae f o r t u n a e magnificentia captivis praeter fiduciam defuit. 2 4 Itaque Sisigambis « Rex, » inquit «mereris, u t ea precemur tibi, quae D a r e o nostro q u o n d a m precatae sumus, et, ut video, fide dignus es, qui t a n t u m regem non felicitate solum sed etiam aequitate superaveris. 2 5 T u quidem m a t r e m me et reginam vocas, sed ego me t u a m f a m u l a m esse confiteor. E t praeteritae f o r t u n a e fastigium capio et praesentis iugum p a t i possum: tua interest, q u a n t u m in nos licuerit, si id potius d e m e n t i a q u a m saevitia vis esse testatum.» 2 e Rex b o n u m a n i m u m habere eas iussit. Darei filium collo suo admovit, atque nihil ille conspectu t u m p r i m u m a se visi conterritus cervicem eius manibus amplectitur. Motus ergo rex constantia pueri Hephaestionem intuens « Q u a m vellem,» inquit «Dareus aliquid ex hac indole hausisset! » T u m tabernáculo egressus.

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Tribus aris in ripa Pinari amnis Iovi atque Herculi Minervaeque sacratis Syriam petit, D a mascum, ubi regis gaza erat, Parmenione p r a e misso.

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Wogen des Glücks dahin; bislang noch von seinen ersten Wassern umspült, nahm er seine Gunst derart maßvoll und klug entgegen, - zuletzt jedoch war er nicht mehr imstande, seine ganze Größe zu bewältigen. Damals jedenfalls war seine Haltung so, daß er alle Könige vor ihm an maßvoller Besonnenheit und Güte übertraf: die jungfräulichen Töchter des Königs waren ihm in all ihrer Schönheit so heilig, als wären sie seine Schwestern; Darius' Gattin, die schönste Frau unter allen Lebenden, tastete er nicht nur nicht an, sondern sorgte in jeder Weise dafür, daß niemand ihr als einer Gefangenen zu nahe trat. Allen Schmuck ließ er den Frauen zurückerstatten, und es fehlte ihnen als Gefangenen von all der Fülle ihrer früheren hohen Stellung nichts als das königliche Selbstgefühl. Daher sprach Sisigambis: „König, du erwirkst dir einen Anspruch darauf, daß wir auf dein Haupt herabflehen, worum wir einst für unseren Darius gefleht haben, und du verdienst unser Vertrauen, denn du hast, so sehe ich, einen solchen König wie den unseren nicht nur an Glück übertroffen, sondern auch durch dein Gefühl für das, was sich ziemt. Du nennst mich Mutter und Königin: ich aber bin, so bekenne ich, deine Magd. Ich vermag sowohl die Größe meines verlorenen Glücks zu ermessen, wie ich auch imstande bin zu tragen, was es mir jetzt auferlegt; für dich aber ist es nicht einerlei, ob du das Maß deiner Macht über uns lieber durch Milde als durch Grausamkeit bekunden willst!" Der König hieß sie guten Mutes sein. Den Sohn des Darius hob er empor, und dieser schlang ihm die Arme um den Hals, ohne vor dem doch erstmals gesehenen Manne zu erschrecken. Bewegt von der Furchtlosigkeit des Kindes sagte Alexander mit einem Blick auf Hephästion: „Wie sehr wünschte ich doch, Darius hätte etwas von dieser Veranlagung!" Dann verließ er das Zelt. Drei Altäre ließ er am Ufer des Pinarus dem Jupiter, dem Herkules und der Minerva weihen; dann zog er auf Syrien zu, indem er Parmenion nach Damaskus vorausschickte, wo sich die Schatzkammer des Königs befand.

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X I I I . *Atque ille, cum praecessisse eo Darei satrapam comperisset, veritus ne paucitas suorum sperneretur, accersere maiorem manum statuii. 2 Sed forte in exploratores ab eo praemissos incidit natione Mardus, qui ad Parmeniona perductus litteras ad Alexandrum a praefecto Damasci missas tradit ei nec dubitare eum, quin omnem regiam supellectilem cum pecunia traderet, adiecit. 3 Parmenio adservari eo iusso litteras aperit, in quis erat scriptum, ut mature Alexander aliquem ex ducibus suis mitteret cum manu exigua, cui traderet, gwecumque rex penes ipsum reliquisset. Itaque Mardum datis comitibus ad proditorem remittit. 4 Ille e manibus custodientium lapsus Damascum ante lucem intrat. Turbaverat ea res Parmenionis animum insidias timentis, et ignotum iter sine duce non audebat ingredi. Felicitati tamen regis sui confisus agrestes, qui duces itineris essent, excipi iussit; quibus celeriter repertis quarto die ad urbem pervenit, iam metuente praefecto, ne sibi fides habita non esset. B Igitur quasi parum munimentis oppidi fidens ante solis ortum pecuniam regiam - gazam Persae vocant - cum pretiosissimis rerum efferri iubet fugam simulans, re vera, ut praedam hosti offerret. 6 Multa milia virorum feminarumque excedentem oppido sequebantur, omnibus miserabilis turba praeter eum, cuius fidei commissa erat. Quippe quo maior proditionis merces foret, obicere hosti parabat gratiorem omni pecunia praedam: nobiles viros, praetorum Darei coniuges liberos-

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Als dieser nun erfuhr, daß der Satrap des Darius dorthin vorangezogen sei, fürchtete er, die geringe Zahl der Seinen könne dem Feinde verächtlich vorkommen, und beschloß darum, eine größere Truppenmacht heranzuziehen. Zufällig fiel aber seinen vorausgeschickten Kundschaftern ein Mann vom Stamme der Marder in die Hände; zu Parmenion gebracht, übergab er diesem einen Brief, den der Präfekt von Damaskus an Alexander gerichtet hatte, und fügte hinzu, jener wolle ihm unbedenklich alles königliche Gerät mitsamt dem Staatsschatz ausliefern. Parmenion ließ ihn festhalten und öffnete den Brief; darin stand, Alexander möge rechtzeitig einen von seinen Heerführern mitsamt einer kleinen Schar zu ihm schicken, damit er ihm ausliefern könne, was der Großkönig seinem Schutz anvertraut habe. Daher sandte Parmenion den Marder unter Begleitung zu dem Verräter. Dem Marder aber gelang es, seinen Wächtern zu entwischen, und er gelangte noch vor Tagesanbruch nach Damaskus. Dies mußte natürlich Parmenion unsicher machen: er befürchtete einen Hinterhalt und wagte ohne einen Führer die unbekannte Straße nicht zu ziehen. Doch voll Vertrauen auf das Glück seines Königs ließ er Landleute aufgreifen, die den "Weg zeigen könnten. Schnell fand man solche und kam am vierten Tag zu der Stadt, wo der Präfekt schon in Sorge war, man habe ihm etwa keinen Glauben geschenkt. Nun ließ er also, als ob er den Festungsanlagen der Stadt nicht recht traute, vor Sonnenaufgang den Staatsschatz des Königs, von den Persern „Gaza" genannt, mitsamt seinen kostbarsten Besitztümern hinausschaffen, als plante er eine Flucht, in Wirklichkeit jedoch, um dem Feind jene Dinge als Beute anzubieten. Viele tausend Männer und Frauen folgten ihm bei diesem Auszug — für alle ein jammervoller Haufe außer für den Mann, dessen H u t er anvertraut war; denn um seinen Verrat noch höher belohnt zu sehen, war er bereit, dem Feind eine noch willkommenere Beute hinzuwerfen als alles Geld: adlige Männer nämlich, die Gattinnen und Kinder der Feldherrn des Darius, dazu die Ge-

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que, praeter hos Graecarum urbium legatos, quos Dareus velut in arce tutissima in proditoris reliquerat manibus. 7 Gangabas Persae vocant humeris onera portantes: ii cum tolerare non possent — quippe et procella subito nivem effuderat et humus rigebat gelu - tum adstrictas vestes, quas cum pecunia portabant, auro et purpura insignes induunt nullo prohibere auso, cum fortuna regis etiam humillimis in ipsum licentiam faceret. 8 Praebuere ergo Parmenioni non spernendi agminis speciem. Qui intentiore cura suos quasi ad iustum proelium paucis adhortatus equis calcaría iubet subdere et acri ímpetu in hostem evehi. 9 At illi oneribus, quae subierant, omissis per metum capessunt fugam; armati quoque, qui eos prosequebantur, eodem metu arma iactare ac nota deverticula petere coeperunt. 10 Praefectus, quasi et ipse conterritus, simulans cuncta pavore compleverat. Iacebant totis campis opes regiae, ilia pecunia stipendio ingenti militum praeparata, ille cultus tot nobilium virorum, tot inlustrium feminarum, " a u r e a vasa, aurei freni, tabernacula regali magnificentia ornata, véhicula quoque a suis destituía ingentis opulentiae plena: facies etiam praedantibus tristis, si qua res avaritiam moraretur. Quippe tot annorum incredibili et fidem excedente fortuna cumulata tunc alia stirpibus lacerata, alia in caenum demersa eruebantur: non sufficiebant praedantium manus praedae. 1 2 Iamque etiam ad eos, qui primi fu- 35 gérant, ventum erat. Feminae pleraeque parvos trahentes liberos ibant; inter quas tres fuere

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sandten griechischer Städte, die Darius in den Händen des Verräters zurückgelassen hatte, als wären sie hier in sicherster Hut. „Gangabae" nennen die Perser ihre Lastträger. Als diese nicht durchzuhalten vermochten, da noch ein plötzlicher Sturm sie mit Schnee überschüttete und der Boden vor Kälte starrte, zogen sie die zusammengeschnürten, gold- und purpurgeschmückten Kleider an, die sie mitsamt dem Gelde schleppten, ohne daß jemand sie daran zu hindern unternommen hätte: erlaubte doch das Geschick ihres Königs auch den Niedrigsten ihm gegenüber jegliche "Willkür! So bot sich den Augen Parmenions ein recht beachtlicher Zug dar; mit aufsteigender Sorge rief er deshalb den Seinen einige anspornende Worte zu, als ginge es in ein regelrechtes Gefecht: er hieß sie den Pferden die Sporen geben und den Feind mit Wucht angreifen. Die aber ließen die Lasten fallen und ergriffen voll Furcht die Flucht; auch die Bewaffneten, die sie begleiteten, warfen in gleicher Furcht ihre Waffen fort und suchten bekannte Seitenwege einzuschlagen. Der Präfekt stellte sich selbst erschrocken und setzte so alles erst recht noch in Furcht. D a lagen nun über das ganze Feld hin verstreut die Schätze des Königs, das Geld, das zum Sold für die unermeßliche Zahl der Soldaten bestimmt war, der Schmuck so viel vornehmer Männer, so viel adliger Frauen, goldene Gefäße, goldenes Zaumzeug, mit königlichem Prunk ausgestattete Zelte, dazu auch Wagen, im Stich gelassen von ihren Lenkern und voll von ungeheuren Schätzen — ein trostloser Anblick selbst für Plünderer, wenn irgend etwas die Habgier aufzuhalten vermöchte. Denn was in so viel Jahren dank einem ganz und gar unglaubhaften Glück aufgehäuft worden war, das wurde jetzt, an Gesträuch zerfetzt oder in den Schmutz gestampft, herausgewühlt, und die Beutegierigen hatten nicht Hände genug für ihre Beute. Schon aber war man auf die gestoßen, die als erste geflohen waren: meist waren es Frauen, die, ihre kleinen Kinder an der Hand, davon wollten: unter ihnen waren drei junge

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virgines, Oohi, qui ante Dareum regnaverat, filiae, olim quidem ex fastigio paterno rerum mutatione detractae, sed tum sortem earum crudelius adgravante fortuna. 1 3 In eodem grege uxor quoque eiusdem Ochi fuit Oxathrisque frater hic erat Darei - filia et coniunx Artabazi, principis purpuratorum, i'ûmsque cui Ilioneo fuit nomen. 1 4 Pharnabazi quoque, cui summum imperium maritimae orae rex dederat, uxor cum filio excepta est, Mentoris filiae tres ac nobilissimi ducis Memnonis coniunx et filius, vixque ulla domus p u r p u r a d fuit tantae cladis expers. 15 Item capti sunt Lacedaemonii et Athenienses societatis fide violata Persas secuti: Aristogiton et Dropides et Iphicrates, inter Athenienses genere famaque longe clarissimi, Lacedaemonii Pausippus et Onomastorides cum Monimo et Callicratide, hi quoque domi nobiles. i e Summa pecuniae signatae fuit talentum II milia et sescenta, facti argenti pondus quingenta aequabat. Praeterea X X X milia hominum cum V I I milibus iumentorum dorso onera portantium capta sunt. " C e t e r u m tantae fortunae proditorem di semper ultores celeriter debita poena persecuti sunt. Namque unus e consciis eius, credo, regis vicem etiam in illa sorte reveritus, interfecti proditoris caput ad Dareum tulit, opportunum solacium prodito: quippe et ultus inimicum erat et nondum in omnium animis memoriam maiestatis suae exolevisse cernebat.

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Mädchen, Töchter des Ochus, der vor Darius regiert hatte; längst schon durch das wandelbare Geschick von der Höhe der väterlichen Stellung herabgestürzt, lud ihnen jetzt das Schicksal ein noch grausameres Los auf. In demselben Haufen befanden sich auch die Gattin des gleichen Ochus, Tochter des Oxathres, eines Bruders des Darius, und die Gattin des Artabazus, des höchsten "Würdenträgers, sowie ihr Sohn mit Namen Ilioneus. Auch die Gattin des Pharnabazus, dem Darius den Oberbefehl über die Küste gegeben hatte, wurde mitsamt ihrem Sohne gefangen, dazu die drei Töchter Mentors sowie die Gattin und der Sohn des hochedlen Heerführers Memnon — kaum blieb so das Haus irgendeines Würdenträgers von diesem schweren Unglück verschont. Gefangengenommen wurden auch Spartaner und Athener, die unter Bruch des Bündnisses auf die Seite der Perser getreten waren: Aristogiton, Dropides und Iphikrates, lauter hochgeborene und hochberühmte Athener, dazu aus Sparta Pausippus und Onomastorides mitsamt Monimus und Kallikrates, die gleichfalls daheim als edle Männer galten. Die Summe geprägten Geldes betrug 2600 Talente, das Gewicht verarbeiteten Silbers kam auf 500; außerdem nahm man 30 000 Menschen mit 7000 Stück Vieh gefangen, die Lasten auf dem Rücken schleppten. Doch haben die stets rächenden Götter den Verräter solch eines Vermögens schnell mit verdienter Strafe getroffen: denn einer von seinen Mitwissern — ich glaube, aus Ehrfurcht vor seines Königs Schicksal auch noch in dieser seiner Lage — überbrachte das Haupt des erschlagenen Verräters dem Darius als einen zur rechten Zeit eintreffenden Trost für den Verratenen. So nämlich sah er sich an seinem Todfeind gerächt und konnte zugleich gewahren, daß doch noch nicht in aller Herzen die Erinnerung an seine Hoheit erloschen sei!

L I B E R IV I. 1 Dareus, tanti modo exercitus rex, qui triumphantis magis quam dimicantis more curru sublimis inierat proelium, per loca, quae prope immensis agminibus impleverat, iam inania et ingenti solitudine vasta fugiebat. 2 Pauci regem sequebantur: nam nec eodem omnes fugam intenderant et deficientibus equis cursum eorum, quos rex subinde mutabat, aequare non poterant. 3 Onchas deinde pervenit, ubi excepere eum Graecorum quattuor milia. Iam rectius hinc ad Euphraten contendit, id demum credens fore ipsius, quod celeritate praecipere potuisset.

4 At Alexander Parmenionem, per quem apud Damascum recepta erat praeda, iussum eam ipsam et captivos diligenti adservare custodia, Syriae, quam Coelen vocant, praefecit. B Novum imperium Syri nondum belli cladibus satis domiti aspernabantur; sed celeriter subacti obiedienter imperata fecerunt. Aradus quoque insula deditur regi. e Maritimam tum oram et pleraque longius etiam a mari recedentia rex eius insulae Strato possidebat; quo in fidem accepto castra movit ad urbem Marathon. 7 Ibi illi litterae a Dareo redduntur, quibus ut superbe scriptis vehementer offensus est: praecipue eum movit, quod Dareus sibi regis titulum nec eundem Alexandri nomini adscripserat. 8 Postulabat autem magis quam petebat, ut accepta pecunia, quantamcumque tota Macedonia caperet, matrem sibi et coniugem liberosque restitueret. De regno aequo, si vellet, Marte contenderet. 9Si

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Darius, eben noch König eines so gewaltigen Heeres, mehr als ein Triumphator denn als ein Streiter hoch zu Wagen in die Schlacht gezogen, sah sich nun auf der Flucht durch die Stätten, die er mit seinen schier unermeßlichen Scharen angefüllt hatte; jetzt waren es nur noch leere, ungeheuerlich einsame Wüsten. Wenige waren es, die ihrem Könige noch folgten; denn nicht alle waren des gleichen Weges geflohen, und da ihre Pferde ermatteten, vermochten sie mit denen des Königs, die er von Zeit zu Zeit wechselte, nicht gleichen Schritt zu halten. Er gelangte sodann nach Onchä, wo ihn 4000 Griechen empfingen. N u n mehr eilte er von hier in gerader Richtung zum Euphrat, denn erst das sah er in Zukunft für sein eigen an, was er durch Schnelligkeit dem Feinde habe vorwegnehmen können. N u n wieder zu Alexander. Er befahl Parmenion, durch den bei Damaskus die Beute in seine H ä n d e gefallen war, diese sowie die Gefangenen in sorgsame H u t zu nehmen, und übertrug ihm das sogenannte Köle-Syrien. Die Syrier wollten das neue Regiment ablehnen, da sie noch nicht durch Niederlagen genügend bezwungen waren; doch schnell unterworfen, taten sie gehorsam, was man ihnen befahl. Auch die Insel Aradus ergab sich dem König. Die Küste und große Strecken des Hinterlandes beherrschte damals der König dieser Insel, Strato mit Namen; als Alexander dessen Treuversprechen entgegengenommen hatte, rückte er weiter nach Marathos. Dort übergab man ihm einen Brief des Darius, dessen stolzer Ton ihn heftig aufbrachte; vor allem erregte ihn, daß Darius zu seinem N a men denKönigstitel dazugeschrieben hatte, nicht aber auch zu Alexanders Namen. Forderte er doch mehr als daß er bat, er solle ihm f ü r soviel Geld, wie nur ganz Makedonien fassen könne, seine Mutter, seine Gattin und seine Kinder zurückgeben; um den Thron möge Alexander, wenn er wolle, in einer Feldschlacht unter gleichen Bedingungen

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saniora Consilia tandem pati potuisset, contentas patrio cederet alieni imperii finibus, socius amicusque esset. In ea se fidem et dare paratum et accipere. 10 Contra Alexander in hune maxime modum rescripsit: « Rex Alexander Dareo S. Cuius nomen sumpsisti, Dareus Graecos, qui oram Hellesponti tenent, coloniasque Graecorum Ionias omni clade vastavit, cum magno deinde exercitu mare traiecit inlato Macedoniae et Graeciae bello. "Rursus Xerxes gentis eiusdem ad oppugnandos nos cum immanium barbarorum copiis venit; qui navali proelio victus Mardonium tamen reliquit in Graecia, ut absens quoque popularetur urbes, agros ureret. 12 Philippum vero parentem meum quis ignorât ab iis interfectum esse, quos ingentis pecuniae spe sollicitaverant vestri? Impia enim bella suscipitis et, cum habeatis arma, licemini hostium capita, sicut tu proxime talentis mille, tanti exercitus rex, percussorem in me emere voluisti. "Repello igitur bellum, non infero. Et di quoque pro meliore stant causa: magnam partem Asiae in dicionem redegi meam, te ipsum acie vici. Quem etsi nihil a me impetrare oportebat, utpote qui ne belli quidem in me iura servaveris, tamen, si veneris supplex, et matrem et coniugem et liberos sine pretio recepturum esse promitto. 14 Et vincere et consulere victis scio. Quod si te committere nobis times, dabi-

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kämpfen. Falls er aber endlich vernünftigeren Plänen sein Ohr leihen wolle, so solle er, mit seinem angestammten Reich zufrieden, das fremde Reich verlassen — als sein ihm verbündeter Freund; auf diese Bedingungen hin sei er bereit, einen Treuschwur zu leisten und einen solchen entgegenzunehmen. Alexanders Antwort darauf lautete im wesentlichen folgendermaßen: „König Alexander an Darius! Jener Darius, dessen Namen du angenommen hast, hat unter den Griechen an der Küste des Hellesponts und unter den griechischen Kolonien ionischen Stammes mit Feuer und Schwert gewütet; er ist sodann mit einem großen Heere über das Meer gekommen und hat Makedonien und Griechenland bekriegt. Dann wiederum ist Xerxes aus dem gleichen Stamm mit unermeßlichen Barbarenscharen gekommen, uns zu bekämpfen; zur See besiegt, ließ er trotzdem Mardonius in Griechenland zurück, um so, ob auch selber fern, unsere Städte zu verheeren und unsere Felder zu brandschatzen. Philippus aber, mein Vater, — wer wüßte nicht, daß seine Mörder mit der Aussicht auf eine Riesensumme von den Euren angestiftet waren? Frevelhafte Kriege nämlich unternehmt ihr, und ob ihr gleich Waffen besitzt, so setzt ihr doch einen Preis auf das Haupt eurer Feinde! So hast auch du jüngst, König eines so mächtigen Heeres, für 1000 Talente einen Mörder gegen mich dingen wollen. Mein Krieg also ist ein Abwehr-, nicht ein Angriffskrieg! Und auch die Götter stehen auf der Seite des besseren Rechts: einen großen Teil Asiens habe ich bereits in meine Gewalt gebracht, dich selbst habe ich in offener Schlacht besiegt! Und wenn ich auch keinerlei Bitte von dir zu erfüllen brauchte, der du dich mir gegenüber nicht einmal an das Kriegsrecht gehalten hast, so will ich dir doch, wenn du demütig darum einkommst, versprechen, daß du deine Mutter, deine Gattin und deine Kinder ohne ein Lösegeld wiedererhalten sollst. Denn ich verstehe mich nicht nur auf den Sieg, sondern auch auf die Art, wie man Besiegten begegnet. Solltest du dich aber fürchten, dich uns anzu-

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mus fidem impune venturum. De cetero, cum mihi scribes, memento non solum regi te, sed etiam tuo scribere. » Ad hanc perferendam Thersippus est missus. 15

In Phoenicen deinde descendit et oppidum Byblon traditum recepit. Inde ad Sidona ventum est, urbem vetustate famaque conditorum inclitam. i e Regnabat in ea Strato, Darei opibus adiutus. Sed quia deditionem magis popularium quam sua sponte fecerat, regno visus indignus, Hephaestionique permissum, ut, quem eo fastigio e Sidoniis dignissimum arbitraretur, constitueret regem. " E r a n t Hephaestionis hospites clari inter suos iuvenes; qui facta ipsis potestate regnandi negaverunt quemquam patrio more in id fastigium recipi nisi regia stirpe ortum. 18 Admiratus Hephaestion magnitudinem animi spernentis, quod alii per ignes ferrumque peterent, « Vos quidem macte virtute » inquit « estote, qui primi intellexistis, quanto maius esset regnum fastidire quam accipere. Ceterum date aliquem regiae stirpis, qui meminerit a vobis acceptum habere se regnum. » 19 Atque illi, cum multos imminere tantae spei cernerent singulis amicorum Alexandri ob nimiam regni cupiditatem adulantes, statuunt neminem esse potiorem quam Abdalonymum quendam, longa quidem cognatione stirpi regiae adnexum, sed ob inopiam suburbanum hortum exigua colentem stipe. 20 Causa ei paupertatis sicut plerisque probitas erat, intentusque operi diurno strepitum

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vertrauen, so werden wir dir unser Ehrenwort geben, daß du ohne Gefahr kommen darfst. Fortan aber, wenn du mir schreibst, so vergiß nicht, daß du nicht nur einem Könige, sondern auch deinem Könige schreibst!" Mit diesem Brief sandte er Thersippus ab. Dann zog er nach Phönizien hinab und nahm die Stadt Byblos in Besitz, die sich ihm ergab. Von dort aus gelangte er nach Sidon, das durch sein Alter und den Ruf seiner Begründer berühmt war. Es herrschte dort Straton, auf die Machtmittel des Darius gestützt. Aber weil er die Übergabe mehr auf das Drängen seiner Untertanen als aus eigenem Antrieb unternommen hatte, schien er des Thrones unwürdig, und es wurde Hephästion gestattet, als König dort einzusetzen, wen er von den Sidoniern dieser hohen Stellung für besonders würdig erachte. Nun waren in seiner Umgebung zwei jüngere Männer, die unter den Ihren viel galten; als ihnen die Königswürde angeboten wurde, erklärten sie, nach Landessitte könne niemand zu dieser hohen Stellung erhoben werden, der nicht königlichen Blutes sei. Hephästion wunderte sich, daß sie großherzig verschmähten, wofür andere Leib und Leben wagen würden. „Ich preise euren mannhaften Sinn", sprach er, „da ihr als erste erfaßt habt, wieviel größer es ist, einen Thron auszuschlagen als ihn zu empfangen; doch schlagt mir irgend jemand vor aus königlichem Blut, der dann auch nicht vergißt, daß er euch seinen Thron verdankt!" Da sie nun sahen, daß viele sich in der Hoffnung auf eine so hohe Stellung wiegten und dabei jedem einzelnen Freund Alexanders in ihrer übergroßen Gier nach Herrschaft schmeichelten, kamen sie zu der Ansicht, niemand sei dafür geeigneter als ein Mann namens Abdalonymus, der zwar mit dem Königshause entfernt verwandt war, doch ob seiner Ärmlichkeit einen Garten vor der Stadt für geringen Lohn bebaute. Die Ursache seiner Armut war, wie so oft, seine Rechtschaffenheit, und ganz seiner täglichen Arbeit hingegeben, hatte er kein Ohr für den Waffenlärm,

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armorum, qui totam Asiam concusserat, non exaudiebat. 2 1 Subito deinde, de quibus ante dietum est, cum regiae vestis insignibus hortum intrant, quem forte steriles herbas eligens A b d a lonymus repurgabat. 2 2 T u m rege eo salutato alter ex his « H a b i t u s » inquit « hie vestis, quem cernís in meis manibus, cum isto squalore permutandus tibi est. Ablue corpus inluvie terrenisque sordibus squalidum: cape regis animum et in earn fortunam, qua dignus es, istam continentiam perfer. E t cum in regali solio residebis vitae necisque omnium civium dominus, cave obliviscaris huius status, in quo accipis regnum, immo, hercule, propter quem. » 2 3 S o m n i o similis res A b d a l o n y m o videbatur; interdum, satisne sani essent, qui tarn proterve sibi inluderent, percontabatur. Sed ut cunctanti squalor ablutus est et iniecta vestis purpura auroque distincta et fides a iurantibus f a c t a , serio iam rex isdem comitantibus in regiam pervenit. 2 4 F a m a deinde, ut solet, strenue tota urbe discurrit. Aliorum Studium, aliorum indignatio eminebat; divitissimus quisque humilitatem inopiamque eius apud amicos Alexandri criminabatur. 2 5 A d m i t t i eum rex protinus iussit diuque contemplatus « C o r poris » inquit « habitus famae generis non répugnât, sed libet scire, inopiam qua patientia tuleris.» T u m ille « U t i n a m » inquit « eodem animo regnum pati possimi hae manus suffecere desiderio m e o : nihil h a b e n t i n i h i l d e f u i t . » 2 8 M a g nae indolis specimen ex hoc sermone A b d a l o n y mi cepit. I t a q u e non Stratonis modo regiam supellectilem attribuì ei iussit, sed pleraque etiam

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der doch ganz Asien erschüttert hatte. Ganz plötzlich nun traten die oben Genannten mit den Abzeichen der königlichen Tracht in den Garten, wo Abdalonymus gerade mit Unkrautjäten beschäftigt war. Sie grüßten ihn als König, und der eine von ihnen sprach: „Dies Gewand hier, das du in meinen Händen siehst, sollst du jetzt mit deinem schmutzigen Rock da vertauschen! Wasch dir den Schmutz und die Erdspuren ab, von denen du starrst: fühle dich nun als König und bewahre dir für diese hohe Stellung, deren du würdig bist, die gleiche Genügsamkeit, die du hier bewiesen! Und wenn du dann auf dem Königsthron sitzest, Herr über Leben und Tod all deiner Mitbürger, so vergiß niemals des Zustandes, in dem du jetzt die Königswürde empfängst - oder vielmehr, bei den Göttern, um dessentwillen du sie empfängst!" Abdalonymus glaubte zu träumen; einigemale fragte er, ob sie bei Sinnen seien, mit ihm ein solches Possenspiel zu treiben. Aber als man ihm trotz seinem Zaudern den Schmutz abwusch, ihm das goldgestickte Purpurgewand anlegte und ihre Eide ihn bewogen, ihnen zu glauben, da begab er sich, nun ernstlich ein König, von den gleichen Männern begleitet zum Palast. Schnell durchlief, wie gewöhnlich, die Kunde davon die ganze Stadt. Die einen bekundeten Freude, die anderen Unwillen, und zwar beklagten sich gerade die Reichen bei Alexanders Freunden über die niedere Art und die Ärmlichkeit des Erwählten. Alsbald ließ der König ihn vor sich kommen, betrachtete ihn lange Zeit und sprach dann: „Dein Äußeres widerspricht dem Ruf deiner Abstammung nicht, doch möchte ich wissen, was dich so geduldig deine Armut hat tragen lassen?" Darauf antwortete er: „Könnte ich nur die Last der Krone genau so tragen! Diese meine Hände haben mir genügt für das, was ich mir wünschte; solange ich nichts besaß, hat mir auch nichts gefehlt." Diese Worte des Abdalonymus bewiesen Alexander seine hohe Veranlagung; daher ließ er ihm nicht nur des Straton fürstliche Einrichtung überweisen, sondern auch noch sehr viel aus der persischen

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ex Persica praeda; regionem quoque urbi adpositam dicioni eius adiecit. 2 7 Interea Amyntas, quem ad Persas ab A l e x andrò transfugisse diximus, cum quattuor milibus Graecorum ipsius ex acie persecutis fugam Tripolin pervenit. Inde in naves militibus impositis C y p r u m transmisit et, cum in ilio statu rerum id quemque, quod occupasset, habiturum arbitraretur velut certo iure possessum, A e g y p tum petere decrevit, utrique regi hostis et semper ex ancipiti mutatione temporum pendens. 2 8 Hortatusque milites ad spem tantae rei docet Sabacen, praetorem Aegypti, cecidisse in acie, Persarum praesidium et sine duce esse et invalidum, Aegyptios semper praetoribus eorum infestos pro sociis ipsos, non pro hostibus aestimaturos. 2 0 Omnia experiri necessitas cogebat: quippe cum primas spes fortuna destituit, futura praesentibus videntur esse potiora. Igitur conclamant, ducerei, quo videretur. A t q u e ille utendum animis, dum spe calerent, ratus ad Pelusii ostium pénétrât, simulans a Dareo se esse praemissum. 30 Potitus ergo Pelusii Memphim copias promovit; ad cuius famam Aegyptii, vana gens et novandis quam gerendis aptior rebus, ex suis quique vicis urbibusque [hoc ipsum] concurrunt ad delenda praesidia Persarum. Q u i territi tamen spem retinendi A e g y p tum non omiserunt. 3 1 Sed eos Amyntas proelio superatos in urbem compellit, castrisque positis victores ad populandos agros discurrunt. Velut in medio positis bonis hostium cuncta agebantur. 3 2 Itaque Mazaces, quamquam infelici proe-

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Beute; auch des Land rund um die Stadt fügte er seiner Herrschaft hinzu. Inzwischen gelangte Amyntas, der, wie schon erzählt, von Alexander zu den Persern übergelaufen war, mit den 4000 Griechen, die ihm bei seiner Flucht aus der Schlacht gefolgt waren, nach Tripolis. Von dort setzte er mit seinen Soldaten nach Zypern über, und da er glaubte, bei dem gegenwärtigen Stand der Dinge werde jeder das, was er an sich genommen, behalten können, als ob er es rechtmäßig besäße, entschloß er sich nach Ägypten zu ziehen, indem er sich, Feind beider Könige, je nachdem dem Wandel der Dinge stets anpaßte. Er wies seine Soldaten auf das Hoffnungsvolle an seinem Vorhaben hin und teilte ihnen mit, Sabakes, der Statthalter von Ägypten, sei in der Schlacht gefallen; die persische Besatzung sei führerlos und nur schwach; so würden die Ägypter, die ihren Statthaltern immer feindlich gesinnt seien, sie als Verbündete, nicht als Feinde betrachten. Tatsächlich zwang ihn die Not, einfach alles zu erproben: denn hat erst einmal das Schicksal die anfänglichen Hoffnungen enttäuscht, so scheint alles Kommende der Gegenwart vorzuziehen. So riefen die Soldaten denn, er solle sie führen, wohin es ihm gut scheine; und in dem Glauben, er müsse das Eisen schmieden, solange es heiß sei, drang er bis zur Mündung des Nils bei Pelusium vor, indem er tat, als wäre er von Darius vorausgeschickt. So nahm er Pelusium und rückte weiter nach Memphis vor; auf die Kunde hiervon strömten die Ägypter, ein unzuverlässiges Volk, das mehr zu Aufruhr als wirklichen Taten neigt, Mann für Mann aus ihren Dörfern und Städten hier zusammen, um die persischen Besatzungen niederzumachen. Diese erschraken, gaben jedoch die Hoffnung nicht auf, Ägypten zu halten; doch Amyntas trieb sie nach einem siegreichen Gefecht in die Stadt, schlug ein Lager auf, und nun zerstreuten sich die Sieger, um das Land zu verwüsten — als wären ihnen die Güter der Feinde offen preisgegeben worden, so trieben sie alles fort. Daher zeigte Mazakes den Seinen, mochte er sie von

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lio suorum ánimos territos esse cognoverat, tarnen palantes et victoriae fiducia incautos ostentane perpulit, ne dubitarent ex urbe erumpere et res amissas reciperare. 3 3 Id consilium non ratione prudentius quam eventu felicius fuit: ad unum omnes cum ipso duce occisi sunt. Has poenas Amyntas utrique regi dédit, nihilo magis ei, ad quem transfugerat, fidus quam illi, quem deseruerat. Darei praetores, qui proelio apud Isson superfuerant, cum omni manu, quae fugientes secuta erat, adsumpta etiam Cappadocum et Paphlagonum iuventute Lydiam reciperare temptabant. 35 Antigonus, praetor Alexandri, Lydiae praeerat: qui quamquam plerosque militum ex praesidiis ad regem dimiserat, tarnen barbaris spretis in aciem suos eduxit. Eadem illic quoque fortuna partium fuit: tribus proeliis alia atque alia regione commissis Persae funduntur. 36 Eodem tempore classis Macedonum ex Graecia accita Aristomenen, qui ad Hellespont! oram reciperandam a Dareo erat missus, captis eius aut eversis navibus superat. 3 7 A Milesiis deinde Pharnabazus, praefectus Persicae classis, pecunia exacta et praesidio in urbem Chium introducto centum navibus Andrum et inde Siphnum petiit. Has quoque ínsulas praesidiis occupât, pecunia multat. M

^Magnitudo belli, quod ab opulentissimis Europae Asiaeque regibus in spem totius orbis occupandi gerebatur, Graeciae quoque et Cretae arma commoverat. 39 Agis, Lacedaemoniorum rex, octo milibus Graecorum, qui ex Cilicia profugi domos repetierant, contractis bel-

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dem unglücklichen Gefecht her auch noch so eingeschüchtert sehen, daß sich die Feinde zerstreut hätten und im Gefühl ihres Sieges sorglos seien; und so brachte er sie dazu, ohne Zögern einen Ausfall zu wagen und das Verlorene wiederzugewinnen. Dieser Plan war ebenso klug ausgedacht wie er glücklich durchgeführt wurde: die Feinde fielen sämtlich bis auf den letzten Mann mitsamt ihrem Führer. So büßte Amyntas sein Tun an beiden Königen: hatte er doch an dem, zu welchem er übergelaufen war, genau so treulos gehandelt wie an dem, welchen er im Stich gelassen. Die Feldherrn des Darius, die bei Issus mit dem Leben davongekommen waren, und mit ihnen die ganze Schar, die sie auf der Flucht begleitet hatte, rafften nun auch die junge Mannschaft der Kappadoker und Paphlagonier zusammen und suchten Lydien wiederzuerobern. Hier befehligte als Statthalter Alexanders Antigonus; obwohl dieser dieMehrzahl der Besatzungstruppen demKönige zugeschickt hatte, so führte er doch, die Barbaren gering einschätzend, die Seinen in die Schlacht. Und auch hier erlebten die streitenden Parteien das gleiche: in drei Gefechten, die teils hier teils dort stattfanden, wurden die Perser geschlagen. Zur gleichen Zeit besiegte die aus Griechenland herbeigeholte makedonische Flotte den Aristomenes, der von Darius ausgesandt war, die Küste des Hellesponts zurückzuerobern; sie kaperte dessen Schiffe oder versenkte sie. Darauf trieb Pharnabazus, der Führer der persischen Flotte, von den Milesiern Geld ein, legte eine Besatzung in die Stadt Chius und griff mit 100 Schiffen Andrus und sodann Siphnus an. Auch diese Inseln versah er mit Besatzungen und legte ihnen eine Geldbuße auf. Der Umfang des Krieges, der von den mächtigsten Königen Europas und Asiens in der Hoffnung geführt wurde, die ganze Welt zu erobern, hatte auch Griechenland und Kreta zu den Waffen gerufen. Agis, der König von Sparta, scharte 8000 Griechen zusammen, die aus Kilikien geflüchtet waren und wieder in die Heimat zurückwollten,

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lum Antipatro, Macedoniae praefecto, moliebatur. 40 Cretenses has aut illas partes secuti nunc Spartanorum nunc Macedonum praesidiis occupabantur. Sed leviora inter illos fuere discrimina, unum certamen, ex quo cetera pendebant, intuente fortuna.

II. 1 I a m tota Syria, iam Phoenice quoque excepta T y r o Macedonum erat, habebatque rex castra in continenti, a qua urbem angustum fretum dirimit. 2 T y r o s , et magnitudine et claritate ante omnes urbes Syriae Phoenicesque memorabilis, facilius societatem Alexandri acceptura videbatur quam imperium. Coronam igitur auream donum legati adferebant commeatusque large et hospitaliter ex oppido advexerant. Ille dona ut ab amicis accipi iussit benigneque legatos adlocutus Herculi, quem praecipue T y rii colerent, sacrificare velie se dixit: 3 Macedonum reges credere ab ilio deo ipsos genus ducere, se vero ut id faceret etiam oráculo monitum. 4 Legati respondent esse templum Herculis extra urbem in ea sede, quam Palaetyron ipsi vocent: ibi regem deo sacrum rite facturum. B N o n tenuit iram, cuius alioqui potens non erat. Itaque « V o s quidem » inquit « fiducia loci, quod insulam incolitis, pedestrem hunc exercitum spernitis, sed brevi ostendam in continenti vos esse. Proinde sciatis licet aut intraturum me urbem aut oppugnaturum.» e C u m hoc responso dimissi suos,monere coeperunt, ut regem, quem Syria, quem Phoenice recepisset, ipsi quoque urbem intrare paterentur. 7 A t illi loco satis fisi

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und begann Krieg mit Antipater, dem Statthalter von Makedonien. Die Kreter schlugen sich bald zu der einen, bald zu der andern Partei: bald erhielten sie spartanische, bald makedonische Besatzungen. Aber all das waren doch nur unbedeutende Schläge gegenüber dem einen Kampf, von welchem alles weitere abhing und auf den nun allein die Göttin des Glücks ihr Antlitz gerichtet hielt. Schon war ganz Syrien, schon auch Phönizien mit Ausnahme von Tyrus in der H a n d der Makedonen, und zwar lag des Königs Lager auf dem Festland, von dem eine schmale Meerenge die Stadt trennt. Tyrus, größer und berühmter als alle Städte Syriens und Phöniziens, wollte sich anscheinend eher zu einem Bündnis mit Alexander entschließen als zu einer Unterwerfung: mit einem goldenen Kranz als Gabe nahten sich Gesandte von dort, auch hatte man reichlich und gastlich Verpflegung aus der Stadt herangeschafft. Alexander hieß diese Geschenke wie Freundschaftsgaben annehmen und erklärte in einem huldvollen Gespräch mit den Gesandten, er wolle dem Herkules ein Opfer bringen, den die Tyrier ja vor allem verehrten; von diesem Gott nämlich glaubten die makedonischen Könige abzustammen, und er selbst sei zu solchem Tun durch ein Orakel ermahnt worden. Die Gesandten erwiderten: gewiß, ein Herkulestempel sei da — außerhalb der Stadt nämlich, in dem Ort, den sie selbst Alt-Tyrus nännten; dort werde der König sein Opfer in aller Form vollziehen können. D a brach er in jenen Zorn aus, den er auch sonst nicht zu beherrschen vermochte: „Ihr Inselbewohner vertraut auf eure Lage und schaut verächtlich auf dieses mein Landheer: ich werde euch alsbald zeigen, daß ihr auf dem Festland wohnt! Laßt es euch gesagt sein: entweder ziehe ich in die Stadt ein oder ich stürme sie!" Mit dieser Antwort entlassen, drängten die Gesandten die Ihren, sie sollten den König, den doch schon Syrien und Phönizien anerkannt hätten, ebenfalls einziehen lassen. Die aber vertrauten fest auf die Lage ihrer Stadt und waren

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obsidionem ferre decreverant. Namque urbem a continenti quattuor stadiorum fretum dividit Africo maxime obiectum, qui crebros ex alto fluctus in litus evolvit. 8 Nec accipiendo operi, quo Macedones continenti insulam iungere parabant, quicquam magis quam ille ventus obstabat. Quippe vix leni et tranquillo mari moles agi possunt, Africus vero prima quaeque congesta pulsu inlisi maris submit, nec ulla tam firma moles est, quam non exedant undae et per nexus operum manantes et, ubi acrior flatus existit, summi operis fastigio superfusae. P r a e ter hanc difficultatem haud minor alia erat. Muros turresque urbis praealtum mare ambiebat: non tormenta nisi e navibus procul excussa mitti, non scalae moenibus adplicari poterant, praeceps in salum murus pedestre interceperat iter; naves nec habebat rex et, si admovisset, pendentes et instabiles missilibus arceri poterant. 10 Inter quae parva dictu res Tyriorum fiduciam accendit. Carthaginiensium legati ad celebrandum sacrum anniversarium more patrio tune vénérant: quippe Carthaginem Tyrii condiderunt, semper parentum loco culti. 1 1 Hortari ergo Poeni coeperunt, ut obsidionem forti animo paterentur: brevi Cartilagine auxilia ventura. Namque ea tempestate magna ex parte Punicis classibus maria obsidebantur. 12 Igitur bello decreto per muros turresque tormenta disponunt, arma iunioribus dividunt, opifices, quorum copia urbs abundabat, in officinas distribuunt. Omnia belli apparatu strepunt. Ferreae quoque manus - harpagonas vocant - quas

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entschlossen, es auf eine Belagerung ankommen zu lassen. Denn ihre Stadt trennt vom Festland eine vier Stadien breite Meerenge, die vor allem dem Druck des Südwestwindes ausgesetzt ist, der immer wieder Wogen von der hohen See her ans Gestade branden läßt. Und gerade dieser Wind war hinderlich für den Bau des Dammes, mit dem nun die Makedonen Festland und Insel zu verbinden sich anschickten; läßt sich doch schon bei völlig glatter See hier kaum ein Damm aufführen: der Südwestwind aber unterspült mit mächtig aufprallenden Wogen jegliche erste Aufschüttung, und nie wird ja ein Damm so fest, daß ihn nicht die Wellen anfressen, indem sie durch die Fugen schießen und bei stärkerem Wind den oberen Rand des Werks überfluten. Nicht weniger Schwierigkeiten boten die vom tiefen Meer umschlossenen Mauern und Türme der Stadt: nur zu Schiff und von fern konnte man sie beschießen, und Leitern ließen sich nirgends ansetzen, denn die jäh ins Meer abfallende Mauer verbot jeden Zuweg zu Land; Schiffe aber hatte der König nicht, und wenn er sie etwa heranschaffte, so hätten die ständig Schwankenden mit Geschossen in Schach gehalten werden können. Währenddes ließ ein geringfügiger Umstand das Selbstvertrauen der Tyrier wachsen: aus Karthago waren gerade Gesandte gekommen, um nach Väterbrauch ein jährlich wiederkehrendes Fest zu feiern; von Tyrus aus war nämlich Karthago gegründet worden, und noch immer ließ es sich als Mutterstadt feiern. Und so ermutigten denn die Punier sie, tapferen Herzens die Belagerung auszuhalten: bald werde Hilfe von Karthago kommen; beherrschten doch damals punische Flotten große Teile der See. So entschied man sich also für den Krieg. Man verteilte überall auf den Türmen und Mauern Geschütze, gab an die Jüngeren Waffen aus und wies die überaus zahlreichen Handwerker der Stadt den verschiedenen Werkstätten zu. Alles erdröhnte von kriegerischer Rüstung; auch „eiserne Hände", die sogenannten Harpagonen, die man nach

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operibus hostium inicerent, corvique et alia tuendis urbibus excogitata praeparabantur. 13Sed cum fornacibus ferrum, quod excudi oportebat, impositum esset admotisque follibus ignem flatu accenderent, sanguinis rivi sub ipsis flammis extitisse dicuntur: idque omen in Macedonum malum verterant Tyrii. 1 4 Apud Macedonas quoque cum forte panem quidam militum frangèrent, manantis sanguinis guttas notaverunt, territoque rege Aristander, peritissimus vatum, si extrinsecus crúor fluxisset, Macedonibus id triste futurum ait: contra, cum ab interiore parte manaverit, urbi, quam obsidere destinassent, exitium portendere. "Alexander cum et classem procul haberet et longam obsidionem magno sibi ad cetera impedimento videret fore, caduceatores, qui ad pacem eos compellerent, misit; quos Tyrii contra ius gentium occisos praecipitaverunt in altum. Atque ille suorum tam indigna morte commotus urbem obsidere statuit.

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Sed ante iacienda moles erat, quae continenti urbem committeret. Ingens ergo animis militum desperatio incessit cernentibus profundum mare, quod vix divina ope posset impleri: quae saxa tam vasta, quas tam proceras arbores posse reperiri? exhauriendas esse regiones, ut illud spatium exaggeraretur; exaestuare semper fretum, quoque artius volutetur inter insulam et continentem, hoc acrius furere. " A t ille haudquaquam rudis pertractandi militares ánimos speciem sibi Herculis in somno oblatam esse pronuntiat dextram porrigentis: ilio duce, ilio aperiente in urbem intrare se visum. Inter haec

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den Schanzarbeiten der Feinde auswerfen wollte, sowie „Raben" stellte man her, und was man sich sonst noch zum Schutz von Städten ausgedacht hat. Aber als man dann das Eisen zum Schmieden in die Öfen hineinwarf und mit Blasebälgen das Feuer anfachte, da sollen Blutbäche den Flammen entquollen sein: nun, die Tyrier deuteten das als ein böses Omen für die Makedonen. Diese wiederum gewahrten, als Soldaten einmal ihr Brot brachen, Bluttropfen rinnen, so daß sogar der König in Schrecken geriet; der kundige Seher Aristander aber erklärte: wenn das Blut außen an dem Brot herabgeflossen wäre, dann würde das für die Makedonen Böses bedeutet haben; da es aber von innen herausgeflossen sei, künde dies Wunder den Untergang der zur Belagerung bestimmten Stadt an. Da Alexander nun seine Flotte nicht zur Hand hatte und eine langwierige Belagerung seine weiteren Pläne unliebsam hemmen mußte, sandte er Herolde aus, die jene zum Frieden drängen sollten; aber die Tyrier erschlugen diese gegen das Völkerrecht und stürzten sie ins Meer. Und nun aufgebracht über den schändlichen Tod seiner Leute, beschloß er, die Stadt in aller Form zu belagern. Vorher jedoch galt es, den Damm aufzuwerfen, der die Stadt mit dem Festland verbinden sollte. Da befiel nun die Soldaten eine maßlose Verzweiflung, wenn sie auf das tiefe Meer schauten, das zu füllen kaum eines Gottes Hilfe ihnen ermöglichen könne. Wo sollte man so riesige Felsblöcke, wo so hochgewachsene Bäume finden? Ganze Länder müsse man ja abtragen, um jene Spanne zu überdämmen; immer schäume die Flut heran, und je schmaler der Raum zwischen Insel und Festland werde, in dem sie sich wälze, desto wilder wüte sie! Alexander aber, der sich wohl darauf verstand, wie man mit Soldatenherzen umzugehen habe, ließ verkünden, Herkules sei ihm im Traum erschienen und habe ihm die Rechte gereicht: unter seiner Führung, indem er ihm die Tore erschlossen, habe er sich in die Stadt einziehen sehen. Gleichzeitig erinnerte er an die

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caduceatores interfectos, gentium iura violata referebat: unam esse urbem, quae cursum victoris morari ausa esset. 18Ducibus deinde negotium datur, ut suos quisque castiget, satisque omnibus stimulatis opus orsus est. Magna vis saxorum ad manum erat Tyro vetere praebente; materies ex Libano monte ratibus et turribus faciendis advehebatur. 19 Iamque a fundo maris inaltitudinem modicam opus creverat, nondum tarnen aquae fastigium aequabat, 20cum Tyrii parvis navigiis admotis per ludibrium exprobrabant illos armis ínclitos dorso sicut iumenta onera gestare; interrogabant etiam, num maior Neptuno Alexander esset. Haec ipsa insectatio alacritatem militum accendit. 21 Iamque paulum moles aqua eminebat, et simul aggeris latitudo crescebat urbique admovebatur, cum Tyrii magnitudine molis, cuius incrementum eos antea fefellerat, conspecta levibus navigiis nondum commissum opus circumire coeperunt, missilibus quoque eos, qui pro opere stabant, incessere. 22 Multis ergo impune vulneratis, cum et removere et adpellere scaphas in expedito esset, ad curam semet ipsos tuendi ab opere converterant; et quo longius moles agebatur a litore, hoc magis quicquid ingerebatur praealtum absorbebat mare. 23 Igitur rex munientibus coria velaque iussit obtendi, ut extra teli iactum essent, duasque turres ex capite molis erexit, e quibus in subeuntes scaphas tela ingerì possen t. 24 Contra Tyrii navigia procul a conspectu hostium litori adpellunt expositisque militibus eos, qui saxa gestabant, obtruncant. In Libano quo-

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Ermordung der Herolde, an den Bruch des Völkerrechts: sei dies doch die einzige Stadt, die seinen Siegeslauf zu hemmen gewagt habe! Den Führern gab er sodann den Auftrag, ihren Leuten den Kopf zurechtzusetzen, und als sie alle genügend angespornt waren, begann er mit dem Dammbau. Eine große Menge von Felsblöcken lieferte das nahe AltTyrus; Bauholz für Flöße und Türme schaffte man vom Libanon herbei. Und schon war vom Meeresgrund aus ein beträchtlicher Bau erstanden, ohne freilich noch den Meeresspiegel zu erreichen, als die Tyrier ihre kleineren Fahrzeuge herantrieben und ihren Spott an den waffenberühmten Helden ausließen, die jetzt wie das liebe Vieh ihre Last auf dem Rücken daherschleppten; auch fragten sie, ob wohl Alexander bedeutender sei als Neptun? Aber gerade dieser Hohn ließ die Soldaten nur noch ingrimmiger arbeiten. Nun ragte schon der Damm ein wenig über das Wasser empor, und zugleich wuchs er in die Breite und schob sich an die Stadt heran; da begannen die Tyrier beim Anblick seines Umfangs — der ihnen entgangen, solange er noch im Wachsen war — mit leichten Fahrzeugen das noch nicht zum Anschluß gebrachte Werk zu umkreisen und die Leute vorn auf dem Bauwerk mit Wurfspießen anzugreifen. Das ergab schwere Verluste, ohne daß man sie vergelten konnte, da es den Tyriern ein leichtes war, mit ihren Kähnen auszuweichen und wieder vorzustoßen, während die Makedonen aus Sorge um ihr Leben die Arbeit unterbrechen mußten. Und je weiter der Damm sich vom Festland aus vorschob, desto mehr von dem Hineingeschütteten verschlang die tiefe See. Darum ließ der König vor den Schanzenden Häute und Segel aufspannen, um sie den Geschossen zu entziehen, und errichtete auf der Dammkrone zwei Türme, von denen aus man die Nachen darunter beschießen konnte. Dafür landeten die Tyrier wiederum außer Sichtweite der Feinde und setzten Soldaten aus, die die Steinträger aufs Korn nahmen. Und auch auf dem

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que A r a b u m agrestes incompositos Macedonas adorti X X X fere interficiunt paucioribus captis. I I I . 1 E a res Alexandrum dividere copias coegit, et, ne segniter adsidere uni urbi videretur, operi Perdiccan Crateronque praefecit; ipse cum expedita manu A r a b i a m petiit. 2 Inter haec T y r i i navem magnitudine eximia saxis harenaque a puppi oneratam, ita ut multum prora emineret, bitumine ac sulphure inlitam remis concitaverunt, et, cum magnam vim venti vela quoque concepissent, celeriter ad molem successit. 3 T u m prora eius accensa remiges desiluere in scaphas, quae ad hoc ipsum praeparatae sequebantur; navis autem igne concepto latius fundere incendium coepit, quod, priusquam posset occurri, turres et cetera opera in capite molis posita comprendit. 4 A t qui desiluerant in p a r v a navigia, faces et quicquid alendo igni aptum erat in eadem opera ingerunt. Iamque non imae modo Macedonum turres, sed etiam summa tabulata conceperant ignem, cum ii, qui in turribus erant, partim haurirentur incendio, partim armis omissis in mare semet ipsi immitterent. 5 A t T y r i i , qui capere eos quam interficere mallent, natantium manus stipitibus saxisque lacerabant, donec debilitati impune navigiis excipi possent. e N e c incendio solum opera consumpta, sed forte eodem die vehementior ventus motum ex profundo mare inlisit in molem, crebrisque fluctibus compages operis verberatae laxavere, saxaque interfluens unda medium opus rupit. 7 Prorutis igitur lapidum cumulis,

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Libanon griff die arabische Landbevölkerung lose Haufen der Makedonen an, tötete etwa dreißig von ihnen und machte einige Gefangene. Dies zwang Alexander, seine Truppen zu teilen, und damit es nicht scheine, er sitze tatenlos vor einer einzigen Stadt, übergab er das Werk dem Befehl des Perdikkas und des Kraterus und zog selbst mit einer schlagfertigen Truppenmacht nach Arabien. Währenddessen beluden die Tyrier ein besonders großes Schiff achtern mit Steinen und Sand, so daß sein Bug hoch aufragte; sie bestrichen es mit Pech und Schwefel, ruderten es heran und ließen es, als der Wind voll in den Segeln lag, mit Wucht auf den Damm auflaufen. Dann zündeten sie den Bug an und die Ruderer sprangen in die Kähne, die eigens zu diesem Zweck folgten. Das brennende Schiff verbreitete das Feuer weit um sich, und ehe noch Hilfe möglich war, standen schon die Türme und die übrigen Bauten auf der Dammkrone in Flammen; gleichzeitig aber schleuderten die in die Boote Gesprungenen Fackeln und, was das Feuer sonst noch vermehren konnte, auf die gleichen Bauten. Und schon hatten nicht nur die unteren Teile der makedonischen Türme, sondern auch die oberen Balkenschichten Feuer gefangen, so daß die Leute auf den Türmen teils in den Flammen umkamen, teils die Waffen von sich werfen und ins Meer springen mußten. Die Tyrier aber, denen mehr an Gefangenen als an Toten lag, schlugen mit Stangen und Steinen den Schwimmenden auf die Hände, bis man die Erschöpften gefahrlos in die Boote aufnehmen konnte. Und nicht nur das Feuer verzehrte den Bau, sondern es trieb zufällig am gleichen Tage ein besonders heftiger Wind die Flut aus der Meerestiefe auf den Damm hinauf : von zahllosen Wogen gepeitscht, lockerten sich die Fugen des Baus, und zwischen die Felsblöcke hereinflutend brach die Woge das Werk mittendurch entzwei. Als dabei die Steinhaufen zusammenstürzten, die die aufgehäufte Erde

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quibus iniecta terra sustinebatur, praeceps in profundum ruit, tantaeque molis vix ulla vestigia invenit Arabia rediens Alexander. Hic, quod in adversis rebus solet fieri, alius in alium culpam referebant, cum omnes verius de saevitia maris queri possent. 8 Rex novi operis molem orsus in adversum ventum non latere sed recta fronte direxit: ea cetera opera velut sub ipsa latentia tuebatur; latitudinem quoque aggeri adiecit, ut turres in medio excitatae procul teli iactu abessent. e Totas autem arbores cum ingentibus ramis in a h u m iaciebant, deinde saxis onerabant rursusque cumulo eorum alias arbores iniciebant, tum humus aggerebatur; super quae alia strue saxorum arborumque cumulata velut quodam nexu continens opus iunxerant. NecTyrii, quicquid ad impediendam molem excogitan poterat, segniter exequebantur. 10 Praecipuum auxilium erat, qui procul hostium conspectu subibant aquam occultoque lapsu ad molem usque penetrabant, falcibus palmites arborum eminentium ad se trahentes. Quae ubi secutae erant, pleraque secum in profundum dabant; tum levatos onere stipites truncosque arborum haud aegre moliebantur, deinde totum opus, quod stipitibus fuerat innixum, fundamento lapso seqcebatur. " A e g r o animi Alexandra nec, perseveraret an abiret, satis certo classis Cypro advenit eodemque tempore Cleander cum Graecis militibus in Asiam nuper advectis. C et X C navigia in duo dividit cornua: laevum Pnytagoras, rex Cypriorum, cum Cratero tuebatur, Alexandrum in dextro quinqueremis regia vehebat. 12 Nec

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trugen, schoß diese jäh in die Tiefe, und so fand denn Alexander bei seiner Rückkehr aus Arabien kaum noch Spuren des Riesenbaus vor. Hierbei schob nun — wie natürlich immer im Unglück — einer die Schuld auf den anderen, wo doch alle eher die wilde See hätten anklagen können. Aber der König begann das Werk von neuem; nur errichtete er es diesmal so, daß der Wind es nicht seitlich, son dern von vorn traf. Damit schützte er die übrigen, hinteren Teile des Baus, die nun gedeckt lagen; auch machte er den Damm breiter, damit die Türme mitten darauf außer Schußweite seien. Ganze Bäume mit riesigem Zweigwerk daran warf man in die Tiefe, beschwerte sie dann mit Felsblöcken und warf wiederum auf diese Erhebungen andere Bäume; dann wurde Dammerde darauf gehäuft und über diese eine neue Schicht von Gestein und Bäumen, so daß eine Art von festgefügtem Bau entstand. Aber auch die Tyrier waren nicht faul auszuführen, was sich nur zur Verhinderung des Dammbaus ausdenken ließ. Das beste Mittel war immer noch, außer Sicht der Feinde unter Wasser heranzuschwimmen, heimlich sich anschleichend bis zum Damm vorzudringen und dann mit Sichelhaken die äußersten Zweige der herausragenden Bäume an sich heranzuzerren: sobald diese nachgaben, glitt der größte Teil mit ihnen in die Tiefe. Alsdann ließen sich die von ihrer Belastung befreiten kleineren und größeren Baumstämme mühelos in Bewegung setzen, und so sackte schließlich das ganze Werk, das ja auf den Stämmen ruhte und nun keine Grundlage mehr besaß, ab. Voll Ingrimm war sich Alexander nicht sicher, ob er die Arbeit fortsetzen oder abziehen sollte; da nahte die Flotte von Cypern her, und gleichzeitig kam auch Kleander mit den griechischen Truppen, die jüngst in Asien eingetroffen waren. Nun teilte der König die 190 Fahrzeuge in zwei Geschwader; das linke befehligte der König von Cypern Pnytagoras mitsamt Kraterus, während Alexander in seinem fünfdeckigen Königsschiff sich beim rechten befand.

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Tyrii, quamquam classem habebant, ausi navale inire certamen: tris omnino ante ipsa moenia opposuerunt, quibus rex invectus ipsas demersit. "Postera die classe ad moenia admota undique tormentis et maxime arietum pulsu muros quatit; quos Tyrii raptim obstructis saxis refecerunt, interiorem quoque murum, ut, si prior fefellisset, ilio se tuerentur, [undique] orsi.14Sed undique vis mali urgebat: moles intra teli iactum erat, classis moenia circumibat, terrestri simul navalique clade obruebantur. Quippe binas quadriremes Macedones inter se ita iunxerant, ut prorae cohaererent, puppes intervallo, quantum capere poterant, distarent. 1BHoc puppium intervallum antemnis asseribusque validis deligatis superque eos pontibus stratis, qui militem sustinerent, impleverant. Sic instructas quadriremes ad urbem agebant: inde missilia in propugnantes ingerebantur tuto, quia proris miles tegebatur. 16Media nox erat, cum classem sic uti dictum est paratam circumire muros iubet. Iamque naves urbi undique admovebantur, et Tyrii desperatione torpebant, cum subito spissae nubes intendere se caelo et quicquid lucis internitebat effusa caligine extinctum est. " T u m inhorrescens mare paulatim levari, deinde acriore vento concitatum fluctus ciere et inter se navigia conlidere. Iamque scindi coeperunt vincula, quibus conexae quadriremes erant, ruere tabulata et cum ingenti fragore in profundum secum milites trahere. 18 Neque enim conserta navigia ulla ope in túrbido regi poterant: miles ministeria nautarum, remex mi-

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Und obwohl die Tyrier eine Flotte besaßen, wagten sie doch keine Seeschlacht: lediglich drei Schiffe setzten sie zum unmittelbaren Schutz ihrer Mauern ein; diese aber rammte der König und versenkte sie. Am folgenden Tag schob sich die Flotte gegen die Stadt vor und bedrohte von allen Seiten mit Geschützen und vor allem mit Widderrammen die Mauern. Eiligst stellten die Tyrier mit vorgewälzten Steinblöcken diese wieder her und errichteten auch eine innere Mauer, um sich mit dieser zu schützen, wenn es die erste nicht vermocht hätte. Aber nun traf sie Unglück über Unglück: jetzt war der Damm schon bis auf Schußweite vorgetrieben, und die Flotte Schloß die Stadt ein; so drohte ihnen zu Land und zu Wasser Verderben. Denn die Makedonen hatten je zwei Vierdecker so miteinander verbunden, daß beide mit ihrem Bug zusammenhingen, die Achterteile jedoch so weit wie nur möglich voneinander Abstand hielten. Den Raum zwischen den Hecks hatten sie mit Segelstangen und dicken Pfählen verbunden und überbrückt, damit die Soldaten darauf Platz fänden. So ausgerüstet trieben sie die Vierdecker heran, und man schleuderte von hier aus Geschosse auf die Vorkämpfer - in aller Sicherheit, denn die Buge gaben den Soldaten ja Deckung. Mitternacht war es, als Alexander die so ausgerüstete Flotte die Mauern einkreisen ließ. Schon näherten sich die Schiffe von allen Seiten der Stadt, schon standen die Tyrier wie gelähmt vor Verzweiflung — da überzogen plötzlich dichte Wolken den Himmel und alles Sternenlicht verlosch in dem aufsteigenden Nebel. Nun erhob sich erschauernd langsam das Meer, dann ließ ein schärferer Wind die Wogen schwellen und die Fahrzeuge gegeneinderstoßen. Und schon zerrissen die Verbindungen zwischen den Vierdeckern, die Holzbriicken stürzten ein und rissen mit lautem Krach die Soldaten mit sich in die Tiefe. Es gab nämlich keine Möglichkeit mehr, in der aufgewühlten See die aneinander befestigten Schiffe zu regieren; die Soldaten störten die Verrichtungen der Seeleute, der Ru-

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litis officia turbabat, et, quod in eiusmodi casu accidit, periti ignaris parebant: quippe gubernatores, alias imperare soliti, tum metu mortis iussa exequebantur. Tandem remis pertinacius everberatum mare veluti eripientibus navigia classicis cessit, adpulsaque sunt litori lacerata pleraque. 19 Isdem forte diebus Carthaginiensium legati X X X superveniunt, magis obsessis solacium quam auxilium: quippe domestico bello Poenos impediri nec de imperio sed pro salute dimicare nuntiabant. 20 Syracusani tum Africam urebant et haud procul Carthaginis muris locaverant castra. N o n tamen defecere animis Tyrii, quamquam ab ingenti spe destituti erant; sed coniuges liberosque devehendos Carthaginem tradiderunt, fortius quicquid accideret laturi, si carissimam sui partem extra sortem communis periculi habuissent. 2 1 Cumque unus e civibus in contione indicasset oblatam esse per somnum sibi speciem Apollinis, quem eximia religione colerent, urbem deserentis molemque a Macedonibus in salo iactam in silvestrem saltum esse mutatam, 2 2 quamquam auctor levis erat, tamen ad deteriora credenda proni metu aurea catena devinxere simulacrum araeque Herculis, cuius numini urbem dicaverant, inseruere vinculum, quasi ilio deo Apollinem retenturo. Syracusis id simulacrum devexerant Poeni et in maiorum locaverant patria multisque aliis spoliis urbium a semet captarum non Carthaginem magis quam T y r u m ornaverant. 23 Sacrum quoque, quod equidem dis minime cordi esse crediderim, multis saeculis intermissum repetendi auctores qui-

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dersmann den Soldaten in seinem Dienst und — in solcher Lage ein häufiger Fall - der Erfahrene gehorchte dem Unerfahrenen: Schiffsführer, sonst zu befehlen gewohnt, taten jetzt, was die Todesfurcht sie tun hieß. Endlich erst fügte sich das von Rudern wie wild zerpeitschte Meer den Rettungsversuchen der Besatzungen, und als Wracks trieben die meisten Schiffe an die Küste. Zufällig kamen gerade in diesen Tagen dreißig karthagische Gesandte — für die Belagerten mehr ein Trost als eine Hilfe: denn ein Krieg in der Heimat binde die punischen Kräfte, so meldeten sie, und zwar gehe der Kampf nicht um Herrschafts-, sondern um Lebensfragen. Die Syrakusaner waren damals dabei, Afrika zu verheeren, und hatten unweit von Karthagos Mauern ihr Lager aufgeschlagen. Trotzdem verloren die Tyrier nicht den Mut, obgleich ihnen damit eine wesentliche Hoffnung geschwunden war; doch gaben sie Frauen und Kinder den Gesandten nach Karthago mit, um alles Geschick mutiger tragen zu können, wenn sie nur ihren kostbarsten Besitz der gemeinsamen Gefahr entrückt wüßten. Und als einer der Bürger in der Versammlung mitgeteilt hatte, ihm sei im Traume Apollo erschienen (den sie besonders innig verehrten), wie er gerade die Stadt verließ, und es habe sich gleichzeitig der Meeresdamm der Makedonen in einen bewaldeten Berg verwandelt: da ließen sie, ob auch der Erzähler dieser Dinge kein Mann von Gewicht war, trotzdem in ihrem angstvollen Glauben an das Schlimmste das Bildwerk mit einer goldenen Kette fesseln und befestigten diese noch am Altare des Herkules, ihres Schutzgottes, als würde dieser Apollo zurückhalten. Dessen Bildwerk hatten die Punier von Syrakus fortgeschleppt und in der Vaterstadt ihrer Ahnen aufgestellt; hatten sie doch Tyrus genau wie Karthago noch mit vielen anderen Beutestücken aus eroberten Städten geschmückt. Auch einen Brauch, an welchem den Göttern meiner Ansicht nach bestimmt nichts gelegen war und den man seit vielen Jahrhunderten nicht mehr übte, müsse man wieder aufnehmen, meinte so mancher, näm-

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dam erant, ut ingenuus puer Saturno ìmmolaretur - quod sacrilegium verius quam sacrum Carthaginienses a conditoribus traditum usque ad excidium urbis suae fecisse dicuntur - ac nisi seniores obstitissent, quorum Consilio cuncta agebantur, humanitatem dira superstitio vicisset. 2 4 Ceterum efficacior omni arte necessitas non usitata modo praesidia sed quaedam etiam nova admovit. Namque ad implicanda navigia, quae muros subibant, validos asseres funibus inligaverant, ut, cum tormento asseres promovissent, subito laxatis funibus inicerent. 2 5 Unci quoque et falces ex isdem asseribus dependentes aut propugnatores aut ipsa navigia lacerabant. Clipeos vero aereos multo igne torrebant, quos repletos fervida harena caenoque decocto e muris subito devolvebant. 2 6 N e c ulla pestis magis timebatur: quippe ubi loricam corpusque fervens harena penetraverat, nec ulla vi excuti poterat et quicquid attigerat perurebat, iacientesque arma laceratis omnibus, quis protegí poterant, vulneribus inulti patebant. Corvi vero et ferreae manus tormento remissae plerosque rapiebant.

I V . χ Ηΐΰ rex fatigatus statuerat soluta obsidione Aegyptum petere. Quippe cum Asiam ingenti velocitate percucurrisset, circa muros unius urbis haerebat tot maximarum rerum opportunitate dimissa. 2 Ceterum tam discedere

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lieh ein freigeborenes Kind dem Saturn zu opfern. Diesen Brauch, der ja mehr eine Opferschändung als ein Opfer ist, sollen die Karthager - als von den Gründern überkommen - bis zum Untergang ihrer Stadt geübt haben. Und hätte sich nicht der Rat der Alten widersetzt, deren Einsicht in allem befolgt wurde, so hätte ein grausiger Wahnglaube den Sieg über menschliche Gesittung davongetragen. Im übrigen trieb die erfinderisch machende Not die Tyrier nicht nur zu den gewöhnlichen Schutzmaßnahmen, sondern gab ihnen auch einige neue dazu ein. Um nämlich die Fahrzeuge zu fassen, die dicht an die Mauern heranfuhren, hatten sie Taue an starken Stangen befestigt: wenn sie diese mit einem Geschütz geschleudert hatten, ließen sie plötzlich die Taue daran locker, so daß jene auf die Fahrzeuge niederschlugen. Auch Haken und Mauersicheln, die an ebensolchen Stangen befestigt waren, trafen die Vorkämpfer oder auch die Schiffe selbst zu deren Verderben. Ferner brachten sie Rundschilde aus Erz zum Erglühen; dann füllte man sie mit heißem Sand und kochendem Schlamm und stürzte sie plötzlich von der Mauer herab. Kein anderes Schrecknis fürchtete man heftiger: denn sobald der glühende Sand zwischen Rüstung und Körper eindrang, konnte er mit aller Gewalt nicht herausgeschüttelt werden und rief, wohin er nur drang, Brandwunden hervor; die Leute warfen dann die Waffen von sich, rissen sich allen Schutz vom Leibe und waren nun wehrlos Verwundungen ausgesetzt: die „Raben" und die „Eisenhände", die man mit Winden wieder heranholte, rafften dann die meisten dahin. Schon war der König der Belagerung müde geworden und hatte sich entschlossen, nach Ägypten zu ziehen; denn während er Asien mit unglaublicher Schnelligkeit durcheilt hatte, klebte er nun an den Mauern einer einzigen Stadt und mußte sich die Gelegenheit zu so viel bedeutsamen Unternehmungen entgehen lassen. Aber die

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inritum quam morari pudebat, famam quoque, qua plura quam armis everterat, ratus leviorem fore, si Tyrum quasi testem se posse vinci reliquisset. Igitur ne quid inexpertum omitteret, plures naves admoveri iubet delectosque militum imponi. 3 Et forte belua invisitatae magnitudinis super ipsos fluctus dorso eminens ad molem, quam Macedones iecerant, ingens corpus adplicuit diverberatisque fluctibus adlevans semet utrimque conspecta est: 4deinde a capite molis rursus alto se immersit ac modo super undas eminens magna sui parte modo superfusis fluctibus condita haud procul munimentis urbis emersit. B Utrisque laetus fuit beluae aspectus: Macedones iter iaciendo operi monstrasse eam augurabantur, Tyrii Neptunum, occupati maris vindicem, abripuisse beluam ac molem brevi profecto ruituram. Laetique omine eo ad epulas dilapsi oneravere se vino, quo graves orto sole navigia conscendunt redimita floribus coronisque: adeo victoriae non omen modo sed etiam gratulationem praeceperant! e Forte rex classem in diversam partem agi iusserat X X X minoribus navigiis relictis in litore; e quibus Tyrii duobus captis cetera ingenti terruerunt metu, donec suorum clamore audito Alexander classem litori, a quo fremitus acciderant, admovit. 7 Prima e Macedonum navibus quinqueremis velocitate inter ceteras eminens occurrit; quam ut conspexere Tyriae, duae ex diverso in latera

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Schmach blieb sich gleich, ob er nun ergebnislos abzog oder sich aufhalten ließ; mußte er doch glauben, auch der Ruf seines Namens, durch den er ja mehr erreicht hatte als durch seine kriegerischen Erfolge, werde sich verringern, wenn er Tyrus als Zeugen seiner Besiegbarkeit hinter sich ließe. Um daher nichts unversucht zu lassen, befahl er, noch mehr Fahrzeuge heranzuschaffen und mit auserlesenen Soldaten zu bemannen. Und der Zufall kam ihnen zu Hilfe: ein Seeungetüm von nie geschauter Größe, das mit seinem Rücken weit aus den Fluten herausragte, brachte seinen ungeheuren Körper an den Damm heran, den die Makedonen aufgeworfen hatten, und wurde von Freund und Feind gesehen, wie es die Fluten zerteilend sich erhob. Nun senkte es sich am Dammkopf wieder ins "Wasser, ragte noch eine Weile mit einem großen Teil seines Körpers über die Oberfläche heraus, ließ sodann die Flut über sich zusammenschäumen und tauchte nicht weit von den Schanzwerken der Stadt auf. Beide Seiten frohlockten beim Anblick des Untiers: die Makedonen wollten darin ein Zeichen erblicken, es habe ihnen die Richtung des weiteren Dammbaues anzeigen wollen; die Tyrier meinten, Neptun als Rächer des vergewaltigten Meeres habe das Tier gewaltsam verschwinden lassen und nun werde in Kürze der Damm endgültig zusammenbrechen. Und voller Freude über dieses Omen verliefen sie sich und feierten ein üppiges Trinkgelage; noch schwer vom "Wein bestiegen sie bei Sonnenaufgang die mit Blumen und Kränzen geschmückten Schiffe: derart voreilig hatten sie das Omen des Sieges und auch schon den Siegesjubel selbst vorweggenommen ! Zufällig hatte der König gerade die Flotte in die entgegengesetzte Richtung entsandt und nur dreißig kleinere Fahrzeuge an der Küste belassen. Zwei davon kaperten die Tyrier, die übrigen setzten sie in ungeheure Furcht, bis dann Alexander auf das Geschrei der Seinen hin die Flotte der Küste zuwendete, von der aus der Lärm zu ihm drang. Zuerst stieß sein besonders schneller Fünfdecker auf den Feind: sobald die Tyrier ihn gewahrten, fuhren zwei von

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eius invectae sunt, in quarum alteram quinqueremis eadem concitata et ipsa rostro icta est et illam invicem tenuit. 8 Iamque ea, quae non cohaerebat, libero ímpetu evecta in aliud quinqueremis latus invehebatur, cum opportunitate mira triremis e classe Alexandri in earn ipsam, quae quinqueremi imminebat, tanta vi impulsa est, ut Tyrius gubernator in mare excuteretur e puppi. 9 Plures deinde Macedonum naves superveniunt, et rex quoque aderat, cum Tyrii inhibentes remis aegre evellere navem, quae haerebat, portumque omnia simul navigia repetunt. Confestim rex insecutus portum quidem intrare non potuit, cum procul e mûris missilibus summoveretur, naves autem omnes fere aut demersit aut cepit. 10 Biduo deinde ad quietem dato militibus iussisque et classem et machinas pariter admovere, ut undique territis instaret, ipse in altissimam turrem ascendit ingenti animo, periculo maiore: "quippe regio insigni et armis fulgentibus conspicuus unus praecipue telis petebatur. Et digna prorsus spectaculo edidit: multos e mûris propugnantes hasta transfixit, quosdam etiam comminus gladio clipeoque impulsos praecipitavit: quippe turris, ex qua dimicabat, muris hostium propemodum cohaerebat. 1 2 Iamque crebris arietibus saxorum compage laxata munimenta defecerant et classis intraverat portum et quidam Macedonum in turres hostium desertas evaserant, cum Tyrii tot simul malis vieti

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ihren Schiffen von rechts und links auf seine Flanken los. Der Fünfdecker schoß ebenfalls auf eins der beiden zu: er wurde selbst von dessen Schiffsschnabel getroffen und hielt es seinerseits fest. Und schon wollte das, welches noch frei war, mit voller Fahrt die andere Flanke des Fünfdeckers rammen, als wie durch ein Wunder ein Dreidecker aus Alexanders Flotte auf eben diesen dem Fünfdecker drohenden Gegner mit solcher Wucht stieß, daß der tyrische Schiffslenker vom Achterdeck aus ins Meer geschleudert wurde. Alsbald kamen noch mehr makedonische Schiffe heran, und auch der König blieb nicht untätig: da rissen die Tyrier, rückwärts rudernd, das festhängende Schiff mit Müh und Not los, und alle Fahrzeuge suchten nun gleichzeitig wieder den Hafen zu erreichen. Unverzüglich setzte ihnen der König nach, vermochte aber nicht in den Hafen einzudringen, da ein Geschoßhagel von den Mauern ihn zurückdrängte; die Schiffe aber versenkte er fast sämtlich oder erbeutete sie. Zwei Tage ließ man nun den Soldaten Ruhe; dann mußten sie die Flotte und zugleich die Belagerungsmaschinen wieder vorbewegen, um den Erschreckten von allen Seiten zuzusetzen. Alexander selbst, von ungeheurem Mute beseelt, bestieg den höchsten Turm und setzte sich dabei mehr als die anderen der Gefahr aus: denn nun wurde er, weithin sichtbar durch seinen königlichen Schmuck und seine glänzenden Waffen, als einzelner besonders aufs Korn genommen. Und er vollbrachte wahrhaft sehenswürdige Taten: viele Vorkämpfer auf den Mauern durchbohrte er mit der Lanze, einige bedrängte er auch imNahkampf mit Schwert und Schild und stürzte sie kopfüber hinab, denn der Turm, von dem aus er kämpfte, berührte schon nahezu die feindlichen Mauern. Und schon waren unter den zahlreichen Widderstößen, die das Steingefüge gelockert hatten, die Schanzen ins Wanken geraten; schon war die Flotte in den Hafen eingedrungen, und schon hatten einige Makedonen die vom Feind geräumten Türme bestiegen, da flüchteten, von soviel Unglück zugleich überwältigt, die Tyrier teils

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alii supplices in templa confugiunt, alii foribus aedium obseratis occupant liberum mortis arbitrium, nonnulli ruunt in hostem haud inulti tarnen perituri, magna pars summa tectorum obtinebat saxa et quicqmà fors in manus dederat ingerentes subeuntibus. 1 3 Alexander exceptis, qui in templa confugerant, omnes interfici ignemque tectis inici iubet. 1 4 His per praecones pronuntiatis nemo tamen armatus opem a dis petere sustinuit: pueri virginesque templa compleverant, viri in vestíbulo suarum quisque aedium stabant, parata saevientibus turba. 1 B Multis tamen saluti fuere Sidonii, qui intra Macedonum praesidia erant. H i urbem quidem inter victores intraverant, sed cognationis cum Tyriis memores - quippe utramque urbem Agenorem condidisse credebant - multos Tyriorum clam protegentes ad sua perduxere navigia, quibus occultati Sidona devecti sunt. 1 0 X V milia hoc furto subducta saevitiae sunt. Quantumque sanguinis fusum sit, vel ex hoc aestimari potest, quod intra munimenta urbis V I milia armatorum trucidata sunt. " T r i s t e deinde spectaculum victoribus ira praebuit regis: duo milia, in quibus occidendis defecerat rabies, crucibus adfixi per ingens litoris spatium pependerunt. 1 8 C a r thaginiensium legatis pepercit addita denuntiatione belli, quod praesentium rerum nécessitas moraretur.

T y r o s séptimo mense, quam oppugnari coepta erat, capta est, urbs et vetustate originis et crebra fortunae varietate ad memoriam posteritatis insignis. Condita ab Agenore diu mare non vicinum modo sed quodcumque classes eius adierunt dicionis suae fecit. Et, si famae libet 19

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unter Bittgebeten in die Tempel, teils gaben sie sich hinter verriegelten Türen den Freitod, solange sie noch die Wahl hatten; einige stürzten sich auf den Feind, um wenigstens nicht ungerächt zu enden; ein großer Teil hielt sich noch auf den Dächern und schleuderte Steine und, was der Zufall ihnen in die Hand gab, auf die drunten Vorgehenden. Alexander ließ mit Ausnahme der in die Tempel Geflüchteten alle niedermachen und Feuer an die Häuser legen. Als man dies durch Herolde ausrufen ließ, gewann es doch niemand mehr über sich, der noch Waffen trug, bei den Göttern Hilfe zu suchen: Knaben und Mädchen drängten sich dicht in den Tempeln, die Männer aber standen ein jeder im Eingang seines Hauses als eine auf die Wütenden gefaßte Schar. Vielen retteten noch die Leute von Sidon das Leben, die als Hilfsvölker auf selten der Makedonen mitkämpften; zwar waren auch sie als Sieger in die Stadt eingedrungen, aber im Gefühl ihrer Verwandschaft—beide Städte hatte der Sage nach Agenor begründet — schafften sie viele Tyrier, heimlich sie deckend, zu ihren Schiffen, auf denen verborgen sie dann Sidon erreichten. 15 000 Mann sind durch diesen geheimen Betrug dem wilden Morden entzogen worden. Wieviel Blut jedoch geflossen ist, kann man schon daraus entnehmen, daß innerhalb der Stadtmauern 6000 Bewaffnete den Tod erleiden mußten. Ein trübes Schauspiel bot dann den Siegern der rasende König: 2000 Mann, die niederzumachen seine erlahmende Wut nicht mehr ausreichte, hingen ans Kreuz geschlagen weithin die Küste entlang. Die karthagischen Abgesandten ließ er dagegen am Leben, doch kündete er ihnen einen Krieg an, den alsbald zu unternehmen ihn lediglich die augenblickliche Lage hindere. Tyrus fiel im siebenten Monat nach Beginn der Belagerung: eine Stadt, die ihr altehrwürdiger Ursprung und ihr häufig wechselndes Geschick der Nachwelt bedeutsam machen. Von Agenor begründet, unterwarf sich die Stadt nicht nur das Meer ringsum, sondern alle Gegenden, wohin ihre Flotten kamen. Und wenn man der Sage glau-

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credere, haec gens litteras prima aut docuit aut didicit. Coloniae certe eius paene orbe toto diffusae sunt: Carthago in Africa, in Boeotia Thebae, Gades ad Oceanum. 2 0 Credo libero comineantes mari saepiusque adeundo ceteris incognitas terras elegisse sedes iuventuti, qua tunc abundabant, sive quia crebris motibus terrae — nam hoc quoque traditur - cultores eius fatigati nova et externa domicilia armis sibimet quaerere cogebantur. 21 Multis ergo casibus deruncta et post excidium renata nunc tandem longa pace cuncta refovente sub tutela Romanae mansuetudinis adquiescit.

V. 1 Isdem ferme diebus Darei litterae adla- 21 tae sunt tandem ut regi scriptae. Petebat, uti filiam suam - Statirae erat nomen - nuptiis Alexander sibi adiungeret: dotem offerre omnem regionem inter Hellespontum et Halyn amnem sitam, inde orientem spectantibus terris contentum. 2 Si forte dubitaret, quod offerretur, accipere, numquam diu eodem vestigio stare fortunam, semperque homines, quantamcumque felicitatem habeant, invidiam tarnen sentire maiorem. 3 Vereri se, ne avium modo, quas naturalis levitas ageret ad sidera, inani ac puerili mente se efferret: nihil difficilius esse quam in illa aetate tantam capere fortunam. 4 Multas se adhuc reliquias habere nec semper inter angustias posse deprendi: transeundum esse Alexandre Euphraten Tigrimque et Araxen et Choaspen, magna munimenta regni sui; veniendum in campos, ubi paucitate suorum erubescendum

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ben will, so hat dies Volk als erstes die Schriftzeichen gelehrt oder gelernt. Jedenfalls haben sich von dort aus Pflanzstädte fast über den ganzen Erdkreis ausgebreitet: so Karthago in Afrika, in Böotien Theben, Gades am Ozean. Ich glaube, sie haben, auf freiem Meere kreuzend und öfters Länder berührend, die anderen unbekannt waren, für ihren damals zahlreichen Nachwuchs Wohnsitze ausgesucht oder, durch die häufigen Erdbeben der Bebauung des Landes müde (denn auch das wird erzählt), sahen sie sich gezwungen, neue, ferngelegene Wohnstätten mit Waffengewalt zu erwerben. Nach mancherlei Unglück also, das über Tyrus gekommen, wurde es nach seiner Vernichtung wieder aufgebaut und genießt nun endlich, wo ein langer Friede alles neu aufblühen läßt, unter dem milden Schutz Roms wieder Ruhe. In denselben Tagen etwa traf ein Brief von Darius ein, der endlich auch wie für einen König bestimmt lautete; und zwar bat er darin, Alexander möge sich mit seiner Tochter Statira vermählen; als Mitgift biete er ihm die ganze Landschaft zwischen Hellespont und Halys, während er sich selbst mit den Ländern nach Osten hin zufriedengeben wolle. Falls er etwa noch zögere, dies Angebot anzunehmen, so möge er daran denken, daß kein Glück von langem Bestand sei und daß die Menschen, je mehr es sie mit seinen Gaben überschütte, stets einen desto größeren Neid zu spüren bekämen. Er jedenfalls sei besorgt, Alexander könne sich — dem Vogel gleich, den seine Natur sich unbeschwert zu den Sternen aufschwingen lasse — in eitlem, allzu jugendlichem Sinn über sich selbst erheben; nichts sei nun einmal schwieriger, als in solchem Alter ein derartiges Maß an Glück zu bewältigen. Er, Darius, habe noch vielerlei Rückhalte: er könne nicht stets in Engpässen überfallen werden; noch gelte es für Alexander, Euphrat und Tigris, Araxes und Choaspes zu überschreiten, die starken Bollwerke seines Reichs; noch habe er Ebenen zu durchqueren, wo er sich der geringen Zahl seiner Trup-

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sit, in Mediam, Hyrcaniam, Bactra; 5 et Indos, Oceani accolas, quando aditurum - ne Sogdianos et Arachosios nominem ceterasque gentes ad Caucasum et Tanain pertinentes? Senescendum fore tantum terrarum vel sine proelio obeunti. e Se vero ad ipsum vocare desineret: namque illius exitio se esse venturum. A l e x ander iis, qui litteras attulerant, respondit D a reum sibi aliena promittere et, quod totum amiserit, velie partiri. Doti sibi dari Lydiam, lonas, Aeolidem, Hellesponti oram, victoriae suae praemia. Leges autem a victoribus dici, accipi a victis: in utro statu ambo essent, si solus ignoraret, quam primum Marte decerneret. 8 Se quoque, cum transiret mare, non Ciliciam aut L y diam - quippe tanti belli exiguam hanc esse mercedem - sed Persepolim, caput regni eius, Bactra deinde et Ecbatana ultimique Orientis oram imperio destinasse. Quocumque ille fugere potuisset, ipsum sequi posse: desineret terrere fluminibus, quem sciret maria transisse.

"Reges quidem haec invicem scripserant. Sed Rhodii urbem suam portusque dedebant Alexandre. Ille Ciliciam Socrati tradiderat, Philota regioni circa T y r u m iusso praesidere. Syriam, quae Coele appellatur, Andromacho Parmenio tradiderat bello, quod supererat, interfuturus. 1 0 Rex Hephaestione Phoenices oram classe praetervehi iusso ad urbem G a z a m cum omnibus copiis venit.

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pen beschämt bewußt werden würde: Medien, Hyrkanien und Baktra; und die Inder, die Anwohner des Ozeans, wann wolle er sie heimsuchen, ganz zu schweigen von den Sogdianern und Arachosiern und den übrigen Stämmen am Kaukasus und am Tanais? Ein alter Mann würde er werden, wenn er so viele Länder, selbst ohne Kampf, betreten wolle. Ihn aber möge er aufhören, zu sich zu rufen — denn wenn er komme, so werde er zu Alexanders Verderben kommen! Alexander erwiderte den Überbringern des Briefes: Darius verspreche ihm, was ihm selbst nicht mehr gehöre, und wolle mit ihm teilen, was er als Ganzes schon verloren habe. Als Mitgift biete er ihm Lydien, die ionischen Städte, Aeolis und die Küste des Hellesponts, also seine Siegesbeute. Der Sieger aber sei es, der die Gesetze erlasse, anzunehmen habe sie der Besiegte; wenn er allein nicht wisse, an welchem Platze sie jetzt beide ständen, so solle er das möglichst bald durch das Kriegsglück feststellen. Er für sein Teil habe, als er das Meer überschritt, nicht Kilikien oder Lydien seinem Reich einzuverleiben beschlossen — denn was sei das schon für ein geringfügiger Lohn eines so großen kriegerischen Unternehmens! sondern Persepolis, die Hauptstadt seines Reiches, alsdann Baktra und Ekbatana sowie die Küste des äußersten Orients. Wohin Darius zu fliehen vermöge, dahin vermöge Alexander auch zu folgen; mit Flüssen aber solle er ihn nicht weiter schrecken, da er doch wisse, daß er Meere überschritten habe! Das hatten die Könige einander geschrieben. Indes waren die Rhodier dabei, ihre Stadt und ihre Häfen Alexander zu übergeben. Kilikien hatte er Sokrates anvertraut und Philotas über die Landschaft um Tyrus gesetzt. Das sogenannte Köle-Syrien hatte Parmenion Andromachus übergeben, um an dem weiteren Krieg teilnehmen zu können. Der König ließ nun Hephästion mit der Flotte an der Küste Phöniziens entlangsegeln und kam mit der gesamten Streitmacht nach Gaza.

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" I s d e m fere diebus sollemne erat ludicrum Isthmiorum, quod conventu totius Graeciae celebratur. I n eo concilio Graeci, ut sunt temporaria ingenia, decernunt, u t X V legarentur ad regem, qui ob res p r o salute ac libertate Graeciae gestas coronam auream d o n u m victoriae ferrent. 1 2 Idem paulo ante incertae f a m a e capt a v e r a n t a u r a m , ut, quocumque pendentes ánimos tulisset f o r t u n a , sequerentur.

" C e t e r u m non ipse modo rex obibat urbes adhuc iugum imperii recusantes, sed praetores quoque ipsius, egregii duces, pleraque invaserant, Calas P a p h l a g o n i a m , Antigonus Lycaoniam; Balacrus H y d a r n e , Darei praetore, sup e r a t o denuo Miletum cepit, 1 4 Amphoterus et Hegelochus C L X n a v i u m classe ínsulas inter Achaiam atque Asiam in dicionem Alexandri redegerunt. T e n e d o quoque recepta C h i u m incolis ultro vocantibus statuerant occupare; 1Bsed Pharnabazus, Darei praetor, comprehensis, qui res ad Macedones t r a h e b a n t , rursus Apollonidi et Athenagorae, suarum p a r t i u m viris, urbem cum modico praesidio militum t r a d i t . i e P r a e fecti Alexandri in obsidione urbis perseverabant non t a m suis viribus fisi q u a m ipsorum, qui obsidebantur, volúntate. N e c fefellit opinio: n a m que inter Apolloniden et duces militum orta seditio inrumpendi in urbem occasionem dedit, " c u m q u e p o r t a e f f r a c t a cohors M a c e d o n u m intrasset, o p p i d a n i olim Consilio proditionis agitato adgregant se A m p h o t e r o et Hegelocho, Persarumque praesidio caeso P h a r n a b a z u s cum Apollonide et A t h e n a g o r a vincti t r a d u n t u r ,

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In diese Tage etwa fielen die feierlichen Spiele auf dem Isthmos, bei denen ganz Griechenland festlich zusammenkommt. Auf dieser Versammlung beschlossen die Griechen — dem Augenblick sich anpassend, wie es ihre Art ist fünfzehn Gesandte zum König abzuordnen, um ihm für das, was er für Heil und Freiheit Griechenlands getan, einen goldenen Siegerkranz zu überreichen. Und eben noch hatten dieselben Leute nach dem Hauch eines unbestimmten Gerüchtes geschnappt, um überallhin sich treiben zu lassen, wohin ihre unsteten Herzen das blinde Geschick entführte! Jedoch nicht nur der König selbst rückte in Städte ein, die bisher noch das Joch seiner Herrschaft verweigerten, sondern auch seine Feldherren drangen als hervorragende Heerführer in sehr viele Landschaften vor, so Kalas nach Paphlagonien und Antigonus nach Lykaonien. Balakrus besiegte Hydarnes, einen Heerführer des Darius, und nahm Milet von neuem; Amphoterus und Hegelochus brachten mit einer Flotte von 160 Schiffen die Inseln zwischen Achaia und Asien in Alexanders Gewalt. Als dann auch Tenedus gewonnen war, beschlossen sie, Chius zu besetzen, dessen Einwohner freiwillig nach ihnen riefen; aber Pharnabazus, der Heerführer des Darius, ließ die Leute ergreifen, die ihr Land den Makedonen in die Hände spielen wollten, und übergab wiederum die Stadt mit einer geringen Besatzung dem Apollonides und dem Athenagoras, als Männern seiner Partei. Die Heerführer Alexanders aber setzten die Belagerung fort, nicht so sehr auf die eigenen Kräfte vertrauend als vielmehr auf den Willen der Belagerten. Und ihre Erwartung betrog sie nicht, denn es brach ein Aufruhr zwischen Apollonides und den Offizieren aus und schuf die Möglichkeit, in die Stadt einzubrechen. Und als die Schar der Makedonen durch ein eingeschlagenes Tor eindrang, da stellten sich die Städter, längst auf Verrat aus, auf die Seite des Amphoterus und des Hegelochus: die persische Besatzung wurde niedergemacht und Pharnabazus zusammen mit Apollonides und

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XII triremes cum suo milite ac remige, praeter eas X X X inanes et piratici lembi Graecorumque I I I milia a Persis mercede conducta. His in supplementum copiarum suarum distributis piratisque supplicio adfectis captivos remiges adiecere classi suae. 19 Forte Aristonicus, Methymnaeorum tyrannus, cum piraticis navibus ignarus omnium, quae apud Chium acta erant, prima vigilia ad portus claustra successit interrogatusque a custodibus, quis esset, Aristonicum ad Pharnabazum venire respondit. 20 Illi Pharnabazum quidem iam quiescere et non posse tum adiri, ceterum patere socio atque hospiti portum et postero die Pharnabazi copiam fore adfirmant. 21 Nec dubitavit Aristonicus primus intrare, secuti sunt ducem piratici lembi, ac, dum adplicant navigia crepidini portus, obicitur a vigilibus claustrum, et, qui proximi excubabant, ab isdem excitantur. Nullo ex iis auso repugnare omnibus catenae iniectae sunt, Amphotero deinde Hegelochoque traduntur. 2 2 Hinc Macedones transiere Mytilenen, quam Chares Atheniensis nuper occupatam II milium Persarum praesidio tenebat; sed cum obsidionem tolerare non posset, urbe tradita pactus, ut incolumi abire liceret, Imbrum petit. Deditis Macedones pepercerunt.

VI. x Dareus desperata pace, quam per litteras legatosque impetrari posse crediderat, ad reparandas vires bellumque impigre renovandum intendit animum. 2 Duces ergo copiarum Babyloniam convenire, Bessum quoque, Bactrianorum praetorem, quam máximo posset

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Athenagoras gefesselt ausgeliefert, dazu 12 Triremen mit ihrer Besatzung an Soldaten und Ruderern, außerdem 30 leere Piratenkähne und 3000 von den Persern angeworbene Griechen. Diese wurden als Ersatz auf die eigenen Truppen verteilt, die Piraten wurden hingerichtet und die gefangenen Ruderer der eigenen Flotte einverleibt. Zufällig kam der Tyrann von Methymna, Aristonikus, mit Seeräuberschiffen ohne jede Kenntnis von den Vorgängen bei Chius während der ersten Nachtwache zu der Hafensperre und gab auf die Frage der Wächter, wer er sei, die Antwort: Aristonikus komme zu Pharnabazus. Diese versicherten, Pharnabazus ruhe schon und könne jetzt niemanden mehr empfangen, doch stehe natürlich der Hafen seinem Verbündeten und Gastfreund offen; am folgenden Tage werde er dann Pharnabazus aufsuchen können. Ohne zu zögern lenkte Aristonikus sein Schiff als erster hinein, ihm als Führer folgten die Piratenkähne, und während die Fahrzeuge am K a i anlegen, wird auch schon von den Wächtern die Sperrkette vorgezogen und die nächsten Feldwachen werden alarmiert. D a niemand Widerstand wagte, legte man sie alle in Ketten und übergab sie dann Amphoterus und Hegelochus. Von hier aus setzten die Makedonen nach Mytilene über, das nach seiner kürzlich erfolgten Besetzung der Athener Chares mit 2000 Mann persischer Besatzung befehligte; aber da er der Belagerung nicht gewachsen war, übergab er die Stadt, vereinbarte freien Abzug und zog nach Imbrus. Den Leuten, die sich ergaben, schenkten die Makedonen das Leben. Darius hatte die Hoffnung auf Frieden aufgegeben, den er durch seinen Brief und die Gesandten geglaubt hatte erlangen zu können. Vielmehr war er jetzt darauf bedacht, seine Streitkräfte wieder herzustellen und ohne Verzug den Krieg wieder aufzunehmen. Daher ließ er die Heerführer im Gebiet von Babylon zusammenkommen, und auch Bessus, der Statthalter von Baktra, mußte sich mit

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exercitu coacto, descendere ad se iubet. 3 Sunt autem Bactriani inter illas gentes promptissimi, horridis ingeniis multumque a Persarum luxu abhorrentibus: siti haud procul Scytharum bellicosissima gente et rapto vivere adsueta semper in armis erant. 4 Sed Bessus suspecta perfidia haud sane aequo animo in secundo se continens gradu regem terrebat: nam cum regnum adfectaret, proditio, qua sola id adsequi poterat, timebatur. 5 Ceterum Alexander, quam regionem Dareus petisset, omni cura vestigans tamen explorare non poterat more quodam Persarum arcana regum mira celantium fide: °non metus, non spes elicit vocem, qua prodantur occulta. Vetus disciplina regum silentium vitae periculo sanxerat; lingua gravius castigatur quam ullum probrum, nec magnam rem [magis] sustineri posse credunt ab eo, cui tacere grave sit, quod homini facillimum voluerit esse natura. 7 O b hanc causam Alexander omnium, quae apud hostem gererentur, ignarus urbem G a z a m obsidebat. Praeerat urbi Betis, eximiae in regem suum fidei, modicoque praesidio muros ingentis operis tuebatur. 8 Alexander aestimato locorum situ agi cuniculos iussit facili ac levi humo acceptante occultum opus: quippe multam harenam vicinum mare evomit, nec saxa cotesque, quae interpellent specus, obstant. "Igitur ab ea parte, quam oppidani conspicere non possent, opus orsus, ut a sensu eius averterei, turres mûris admoveri iubet. Sed eadem humus movendis

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einem möglichst großen Aufgebot bei ihm einfinden. Nun sind die Baktrer unter jenen Stämmen die wackersten, von rauher Art und sehr verschieden von den prachtliebenden Persern. Sie wohnen nicht fern von dem äußerst kriegerischen Skythenvolk, und gewohnt vom Raube zu leben, waren sie ständig unter Waffen. Aber Bessus' Treue war dem König verdächtig, und es erschreckte ihn, daß es jenem nicht paßte, die zweite Rolle zu spielen: sein Verlangen nach dem Thron konnte er ja nur durch Verrat erfüllen, und so blieb dieser zu befürchten. Alexander bemühte sich zwar mit aller Sorgfalt, den Aufenthaltsort des Darius ausfindig zu machen, aber vergeblich; denn die Perser haben die Eigenart, die Geheimnisse ihrer Könige mit wundersamer Treue verborgen zu halten. Weder Furcht noch Hoffnung entlockt ihnen ein Wort, mit dem sie Geheimnisse verraten. Die lang schon bestehende strenge Zucht der Könige hatte diese Verschwiegenheit durch Bedrohung mit dem Tod zum Gesetz gemacht: Schwatzhaftigkeit straft man dort schwerer als sonst irgendein Vergehen, und man traut einem Menschen nichts Großes zu, dem es schwerfällt zu schweigen — was doch nach dem Wunsch der Natur dem Menschen am leichtesten fallen müßte. Aus diesem Grunde erfuhr Alexander nichts von den Vorgängen beim Feind. Damals belagerte er Gaza; befehligt wurde die Stadt von Betis, der seinem König besonders treu ergeben war: mit einer nur schwachen Besatzung suchte er die ungeheuren Mauerbauten zu schützen. Als Alexander sich mit dem Gelände vertraut gemacht hatte, ließ er Minengänge vortreiben, denn der leichte, weiche Boden begünstigte diese geheime Arbeit. Viel Sand nämlich schwemmt das nahe Meer an, und keine Felsen noch Riffe verhindern das Graben in die Tiefe. So ließ er denn an einer Stelle beginnen, die die Städter nicht einsehen konnten, und befahl, um ihre Aufmerksamkeit abzulenken, Türme gegen die Mauern vorzuschieben. Aber der gleiche Boden war ungeeignet für das Vorschaffen der

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inutilis turribus desidente sábulo agilitatem rotarum morata [et] tabulata turrium perfringebat, multique vulnerabantur impune, cum idem in recipiendis qui admovendis turribus labor eos fatigaret. 10 Ergo receptui signo dato postero die muros corona circumdari iussit. Ortoque sole, priusquam admoveret exercitum, opem deum exposcens sacrum patrio more faciebat. "Forte praetervolans corvus glebam, quam unguibus ferebat, subito amisit; quae cum regis capiti incidisset, resoluta defluxit, ipsa autem avis in próxima turre consedit. Iniita erat turris bitumine ac sulphure, in qua alis haerentibus frustra se adlevare conatus a circumstantibus capitur. 12 Digna res visa, de qua vates consuleret; et erat non intactae a superstitione mentis. Ergo Aristander, cui maxima fides habebatur: urbis quidem excidium augurio ilio portendi, ceterum periculum esse ne rex vulnus acciperet. Itaque monuit, ne quid eo die inciperet. 13Ille quamquam unam urbem sibi, quominus securus Aegyptum intraret, obstare aegre ferebat, tamen paruit vati signumque receptui dedit. Hinc animus crevit obsessis, egressique porta recedentibus inferunt signa cunctationem hostium suam fore occasionem rati. 14 Sed acrius quam constantius proelium inierunt: quippe ut Macedonum signa circumagi videre, repente sistunt gradum. Iamque ad regem proeliantium clamor pervenerat, cum denuntiati periculi haud sane memor loricam tamen, quam raro induebat, amicis orantibus sumpsit et ad prima signa pervenit. 15 Quo con-

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Türme: er hemmte mit seinem nachgiebigen Sand die Beweglichkeit der Räder und ließ das Balkenwerk der Türme zusammenbrechen; viele Leute wurden dabei, ohne sich wehren zu können, verwundet, während sie sich ebenso damit abplagten, die Türme zurück- wie vorzuschieben. So ließ er denn zum Rückzug blasen und am folgenden T a g die Stadt ringsum einschließen. Nach Sonnenaufgang, bevor er noch das Heer vorrücken ließ, beging er nach Vätersitte ein Opfer, um die Hilfe der Götter zu erflehen. Einem zufällig vorbeifliegenden Raben entglitt dabei plötzlich ein Klumpen, den er in den Fängen trug: er fiel dem König auf den K o p f , zerbröckelte und rieselte an ihm herab, während der Vogel selbst sich auf dem nächsten Turm niederließ. Nun war dieser mit Pech und Schwefel bestrichen, so daß er daran mit den Flügeln hängenblieb; bei seinem vergeblichen Versuch aufzuflattern wurde er von den Leuten ringsum gefangen. Der Vorfall schien wert, die Seher danach zu befragen, und tatsächlich war Alexander nicht frei von Aberglauben. Also verkündete Aristander, dem man vor allem Glauben schenkte, dies Vogelzeichen bedeute den Untergang der Stadt, doch bestehe Gefahr, daß der König verwundet werde. Daher warnte er ihn, an diesem T a g etwas zu beginnen. Und obwohl der König ärgerlich war, daß ihm eine einzige Stadt den ungefährdeten Zugang zu Ägypten verwehren wolle, so fügte er sich trotzdem dem Seher und gab das Zeichen zum Rückzug. Daraufhin schwoll den Belagerten der Mut: sie machten einen Ausfall und griffen den zurückgehenden Feind an, denn sein Zaudern schien ihnen günstig für eine eigene Unternehmung. Aber ihr Kampfeseifer war größer als ihre Ausdauer: sobald sie die makedonischen Abteilungen herumschwenken sahen, verhielten sie plötzlich den Schritt. Schon war der Kampflärm bis zum König gedrungen, da vergaß dieser die ihm angekündigte Gefahr: immerhin legte er auf Bitten seiner Freunde den Lederpanzer an, den er nur selten trug, und eilte in die vorderste Linie. Als ein

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specto Arabs quidam, Darei miles, maius fortuna sua facinus ausus, gladium clipeo tegens quasi transfuga genibus regis advolvitur. Ille adsurgere supplicem recipique inter suos iussit. 1 6 A t barbaras gladio strenue in dextram translato cervicem adpetit regis. Qui exigua corporis declinatione evitato ictu in vanum manum barbari lapsam amputat gladio, denuntiato in ilium diem periculo, ut arbitrabatur ipse, defunctus. 1 7 Sed, ut opinor, inevitabile est fatum; quippe dum inter primores promptius dimicat, sagitta ictus est, quam per loricam adactam stantem in humero medicus eius Philippus evellit. 1 8 Plurimus deinde sanguis manare coepit omnibus territis, quia non, quam alte penetrasset telum, lorica obstante cognoverant. Ipse ne oris quidem colore mutato supprimi sanguinem et vulnus obligari iussit. 1 0 Diu ante ipsa signa vel dissimulato vel vieto dolore perstiterat, cum suppressus paulo ante sanguis medicamento, quo retentus erat, manare largius coepit, et vulnus, quod tepens adhuc dolorem non moverat, frigente sanguine intumuit. 2 0 Linqui deinde animo et submitti genu coepit; quem proximi exceptum in castra receperunt. E t Betis interfectum ratus urbem ovans victoria repetit. 2 1 A t Alexander nondum percurato vulnere aggerem, quo moenium altitudinem aequaret, extruxit pluribusque cuniculis muros subrui iussit. 2 2 O p pidani ad pristinum fastigium moenium novum extruxere munimentum, sed ne id quidem turres aggeri impositas poterat aequare: itaque

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arabischer Krieger des Darius ihn erblickte, da wagte er etwas, was man ihm seinem Stand nach nicht hätte zutrauen mögen: er versteckte sein Schwert hinter dem Schild und warf sich wie ein Überläufer vor dem Könige nieder. Dieser hieß ihn als Schutzflehenden aufstehen und befahl ihn unter die Seinen aufzunehmen. Aber der Barbar wechselte rasch das Schwert in die Rechte hinüber und holte nach dem Nacken des Königs aus : dank einer kleinen Körperwendung entging dieser dem Hieb und schlug dem ins Leere hauenden Barbaren die Hand ab. Damit hatte er, wie er selber wenigstens glaubte, die ihm für diesen Tag angekündigte Gefahr überstanden. Niemand aber, so meine ich, kann seinem Verhängnis entgehen: denn während er allzu hitzig unter den Ersten focht, traf ihn ein Pfeil; er drang durch den Panzer und blieb in der Schulter stecken. Der Arzt Philippus zog ihn heraus. Darauf begann das Blut heftig zu strömen, so daß alle erschraken, denn sie hatten nicht sehen können, wie tief das Geschoß gedrungen war, da der Panzer die Sicht verhinderte. Der König selbst, ohne auch nur die Farbe zu wechseln, hieß das Blut stillen und die Wunde verbinden. Lange schon hatte er vor den vordersten Reihen gestanden und den Schmerz sich nicht anmerken lassen oder unterdrückt: da begann das bislang durch das Pflaster gehemmte Blut stärker zu fließen, und die Wunde, die warm noch keine Schmerzen verursacht hatte, schwoll an, als das Blut erkaltete. Darauf erfaßte ihn eine Ohnmacht und er sank langsam in die Knie; die Nächststehenden fingen ihn auf und brachten ihn ins Lager zurück. Betis aber, der ihn gefallen glaubte, zog im Triumph über seinen Sieg wieder in die Stadt ein. Alexander jedoch ließ, noch ehe seine Wunde völlig geheilt war, einen Damm bauen, der bis zu der Höhe der Stadtmauern aufsteigen sollte, und befahl, die Mauern mit mehreren Minengängen zu untergraben. Die Städter überhöhten die bisherige Stadtmauer mit einem neuen Schutzbau. Aber auch dieser vermochte die Höhe der Türme auf dem Damm nicht zu erreichen: daher war auch das Stadt-

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interiora quoque urbis infesta telis erant. '"Ultima pestis urbis fuit cuniculo subrutus murus, per cuius ruinas hostis intravit. Ducebat ipse rex antesignanos, et, dum incautius subit, saxo crus eius adfligitur. 24 Innixus tamen telo nondum prioris vulneris obducta cicatrice inter primores dimicat, ira quoque accensus, quod duo in obsidione urbis eius vulnera acceperat. 25 Betim egregia edita pugna multisque vulneribus confectum deseruerunt sui, nec tamen segnius proelium capessebat lubricis armis suo pariter atque hostium sanguine. 26 Sed cum undique telis *** quo adducto insolenti gaudio iuvenis elatus, alias virtutis etiam in hoste mirator, « Non, ut voluisti, » inquit « morieris, sed, quicquid in captivum inveniri potest, passurum esse te cogita.» 27 Ille non interrito modo sed contumaci quoque vultu intuens regem nullam ad minas eius reddidit vocem. 2 8 Tum Alexander « Yidetisne obstinatum ad tacendum? » inquit, « num genu posuit? num vocem supplicem misit? Vincam tamen silentium et, si nihil aliud, certe gemitu interpellabo. » 29 Ira deinde vertit in rabiem iam tum peregrinos ritus nova subeunte fortuna. Per talos enim spirantis lora traiecta sunt, religatumque ad currum traxere circa urbem equi, gloriante rege Achillen, a quo genus ipse deduceret, imitatum se esse poena in hoste capienda. 30 Cecidere Persarum Arabumque circa X milia, nec Macedonibus incruenta

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innere vor Geschossen nicht mehr sicher. Das letzte Unheil für die Stadt bildete der Einsturz der Mauer, die durch den Minengang unterwühlt worden war; durch ihre Trümmer drang der Feind nun ein, der König selbst an der Spitze. Beim allzu unvorsichtigen Vorgehen aber traf ihn ein Steinbrocken am Bein. Auf seinen Speer gestützt, kämpfte er trotzdem in der ersten Reihe weiter, obwohl seine letzte Verwundung noch nicht vernarbt war; und daß er bei der Belagerung dieser Stadt zweimal verwundet worden war, erhöhte noch seine Wut. Betis focht wie ein Held; aus vielen Wunden blutend, ließ er, obwohl von den Seinen verlassen, im Kampfe auch dann nicht nach, als seine Waffen schon schlüpfrig waren vom eigenen Blut und von dem der Feinde. Doch als man von allen Seiten mit S p e e r e n . . . Als man ihn vor Alexander führte, sagte der jugendliche König, vor maßloser Freude außer sich — er, der sonst auch am Feind stets dessen Tapferkeit bewunderte: „Nicht so wirst du sterben, wie du gewollt hast, sondern wisse, daß du erdulden sollst, was nur immer sich gegen einen Gefangenen ausdenken läßt!" Mit furchtlosem, ja trotzigem Gesicht starrte Betis den König an und gab auf seine Drohungen keinen Laut von sich. Darauf rief Alexander: „Seht ihr, wie der Eigensinnige schweigt? H a t er wohl das Knie gebeugt? H a t er wohl mit einem Wort um Gnade gebeten? Aber ich werde ihn schon zum Reden bringen, und wenn auch das nicht, so doch wenigstens zum Stöhnen!" Sein Zorn wurde nun zur rasenden Wut - ließ doch schon damals seine neue Machtstellung es dazu kommen, daß er sich zu Bräuchen fremder Völker entschloß. Bei lebendigem Leibe ließ er ihm Riemen durch die Fußsehnen ziehen, ihn an einen Wagen binden und von Pferden um die Stadt schleifen, wobei er sich rühmte, seinen Ahnherrn Achilles nachzuahmen, indem er wie dieser an seinem Feind die Strafe vollziehe. Es fielen auf der Seite der Perser und Araber etwa 10 000 Mann, aber auch die siegreichen Makedonen hatten blutige

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victoria fuit. Obsidio certe non tam claritate urbis nobilitata est quam geminato periculo regis. Qui Aegyptum adire festinans Amyntan cum X triremibus in Macedoniam ad inquisitionem novorum militum misit. 3 1 Namque etiam secundis atterebantur tarnen copiae, devictarumque gentium militi minor quam domestico fides habebatur. V I I . 1 Aegyptii olim Persarum opibus infensi 29 - quippe avare et superbe imperitatum sibi esse credebant — ad spem adventus eius erexerant ánimos, utpote qui Amyntam quoque transfugam et cum precario imperio venientem laeti recepissent. 2 Igitur ingens multitudo Pelusium, qua intraturus videbatur, convenerat. Atque ille séptimo die, postquam a Gaza copias moverat, in regionem Aegypti, quam nunc Castra Alexandri vocant, pervenit. 3 Deinde pedestribus copiis Pelusium petere iussis ipse cum expedita delectorum manu Nilo amne vectus est. Nec sustinuere adventum eius Persae defectione quoque perterriti. 4 Iamque haud procul Memphi erat; in cuius praesidio Mazaces, praetor Darei, relictus aurum omne supra octingenta talenta Alexandro omnemque regiam supellectilem tradidit. 5 A Memphi eodem ilumine vectus ad interiora Aegypti pénétrât compositisque rebus ita, ut nihil ex patrio Aegyptiorum more mutaret, adire Iovis Hammonis oraculum statuit. e Iter expeditis quoque et paucis vix tolerabile ingrediendum erat: terra caeloque aquarum penuria est, steriles harenae iacent,

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Verluste. Berühmt wurde die Belagerung nicht so sehr durch die Bedeutung der Stadt als durch die zweimalige Gefahr, in die der König geriet. Voll Eile, nach Ägypten zu kommen, schickte er Amyntas mit zehn Dreideckern nach Makedonien, um dort neue Soldaten auszuheben; denn auch die Erfolge schwächten seine Truppenzahl, und das Vertrauen zu den Soldaten der unterworfenen Stämme war nicht so groß wie das zu den einheimischen. Die Ägypter, von jeher erbitterte Feinde der persischen Macht — denn ihrer Überzeugung nach war deren Herrschaft über sie voll Habgier und Anmaßung gewesen sahen Alexanders Herannahen voll Hoffnung entgegen; so hatten sie auch den Oberläufer Amyntas, der doch nur mit angemaßter Gewalt zu ihnen kam, freudig aufgenommen. Dementsprechend versammelte sich also eine ungeheure Schar in Pelusium, wo Alexander vermutlich das Land betreten würde. Und tatsächlich kam dieser am siebenten Tag nach seinem Aufbruch von Gaza in die ägyptische Landschaft, die jetzt noch Alexander-Lager heißt. Das Fußvolk ließ er dann nach Pelusium ziehen und fuhr selbst mit einer besonders ausgewählten Schar ohne Troß den Nil hinauf. Nun wagten die Perser seine Ankunft nicht abzuwarten, zumal sie auch der Abfall der Ägypter in Schrekken versetzt hatte. Schon war er Memphis nahe; zum Schutz dieser Stadt zurückgelassen, lieferte der Statthalter des Darius, Mazakes, an Alexander alles Gold aus, mehr als 800 Talente, sowie den ganzen königlichen Hausrat. Von Memphis aus drang Alexander auf dem gleichen Strom ins Innere Ägyptens vor, und nachdem er die Verhältnisse dort geregelt hatte, ohne an den heimischen Sitten der Ägypter etwas zu ändern, beschloß er einen Besuch im Orakel des Jupiter Hammon. Der Weg dorthin war auch für rüstige Fußgänger in geringer Zahl ein kaum durchzuführendes Unternehmen. Land und Himmel ermangeln des Wassers; es gibt nur unfrucht-

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quas ubi vapor solis accendit, fervido solo exurente vestigia intolerabilis aestus existit. 7 Luctandumque est non solum cum ardore et siccitate regionis, sed etiam cum tenacissimo sábulo, quod praealtum et vestigio cedens aegre moliuntur pedes. 8 Haec Aegyptii vero maiora iactabant; sed ingens cupido animum stimulabat adeundi Iovem, quem generis sui auctorem haud contentus mortali fastigio aut credebat esse aut credi volebat. 9 Ergo cum iis, quos ducere secum statuerat, secundo amne descendit ad Mareotin paludem. Eo legati Cyrenensium dona attulere, pacem et ut adirei urbes suas petentes. lile donis acceptis amicitiaque coniuncta destinata exequi pergit. 10 Ac primo quidem et sequente die tolerabilis labor visus nondum tam vastis nudisque solitudinibus aditis, iam tamen sterili et emoriente terra. " S e d ut aperuere se campi alto obruti sábulo, haud secus quam profundum aequor ingressi terram oculis requirebant: 12 nulla arbor, nullum culti soli occurrebat vestigium. Aqua etiam defecerat, quam utribus cameli vexerant, et in arido solo ac fervido sábulo nulla erat. 33 Ad hoc sol omnia incenderat, siccaque et adusta erant ora, cum repente - sive illud deorum munus sive casus fuit - obductae caelo nubes condidere solem, ingens aestu fatigatis, etiam si aqua deficeret, auxilium. "Enimvero ut largum quoque imbrem excusserunt procellae, pro se quisque excipere eum, quidam ob sitim impotentes sui ore quoque hianti captare coeperunt. 1 5 Quadriduum per vastas solitudines absumptum est. Iamque haud procul oraculi

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bare Sandflächen, und sobald die Sonnenglut diese erhitzt, verbrennt der glühende Boden die Fußsohlen und es entsteht eine unerträgliche Hitze; der Wanderer aber hat nicht nur mit der Glut und der Trockenheit der Landschaft zu ringen, sondern auch mit dem überaus zähen und tiefen groben Sand, der den Schritten nachgibt und kaum zu durchwaten ist. Die Schilderungen der Ägypter übertrieben das noch. Trotzdem empfand der König ein unbändiges Verlangenjupiter einen Besuch abzustatten, denn ihn verehrte er als Ahnherrn seines Geschlechtes oder wollte doch jedenfalls ihn als solchen angesehen wissen; ihm genügte der Rang eines Sterblichen nicht. Daher fuhr er mit den dazu bestimmten Begleitern stromabwärts zum Sumpf Mareotis. Dort übergaben ihm Gesandte von Kyrene Geschenke; sie baten um Frieden und einen Besuch ihrer Städte. Alexander nahm die Geschenke entgegen, Schloß ein Freundschaftsbündnis mit ihnen und setzte dann sein Unternehmen fort. A m ersten und noch am zweiten Tage schien die Mühsal erträglich, denn noch betrat man nicht die weiten, nackten Einöden, ob auch schon unfruchtbares, absterbendes Land. Sobald sich nun aber Felder aus tiefem Wüstensand vor ihnen ausbreiteten, da suchte das Auge — nicht anders, als beträte man das tiefe Meer - nach Land. Kein Baum mehr, keine Spur bebauten Bodens begegnete dem Blick. Auch das Wasser ging aus, das die Kamele in Schläuchen mit sich trugen, und auf dem trockenen, heißen Sandboden gab es keins. D a z u setzte die Sonne alles in Glut; die Lippen trockneten aus und brannten. D a bezogen - war es nun ein Göttergeschenk oder Zufall - Wolken den Himmel und verbargen die Sonne: eine unendliche H i l f e für die von der Hitze Erschöpften, ob auch das Wasser noch ausblieb. Wie nun aber der Wind auch noch den Wolken reichlichen Regen entströmen ließ, da suchte ihn jeder einzelne aufzufangen, und mancher vor Durst schier Ohnmächtige begann mit aufgesperrten Munde danach zu schnappen. Vier Tage dauerte der Zug durch die Wüste. Schon war

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sede aberant, cum complures corvi agmini occurrunt: modico volatu prima signa antecedentes [et] modo humi residebant, cum lentius agmen incederet, modo se pennis levabant ducentium iterque monstrantium ritu. i e T a n d e m ad sedem consecratam deo ventum est. Incredibile dictu, inter vastas solitudines sita undique ambientibus ramis, vix in densam umbram cadente sole, contecta est, multique fontes dulcibus aquis passim manantibus alunt silvas. 1 'Caeli quoque mira temperies, verno tepori maxime similis, omnes anni partes pari salubritate percurrit. 1 8 Accolae sedis sunt ab oriente proximi Aethiopum. In meridiem versam Arabes spectant — Trogodytis cognomen est - ; horum regio usque ad Rubrum mare excurrit. 1 9 At qua vergit ad occidentem, alii Aethiopes colunt, quos Simuos vocant. A septentrione Nasamones sunt, gens Syrtica, navigiorum spoliis quaestuosa: quippe obsident litora et aestu destituía navigia notis sibi vadis occupant. 2 0 Incolae nemoris, quos Hammonios vocant, dispersis tuguriis habitant: medium nemus pro arce habent, triplici muro circumdatum. 2 1 Prima munitio tyrannorum veterem regiam clausit, in próxima coniuges eorum cum liberis et paelicibus habitabant — hic quoque dei oraculum est —, ultima munimenta satellitum armigerorumque sedes erant. 2 2 Est et aliud Hammonis nemus: in medio habet fontem - Solis aquam vocant. Sub lucis ortum tepida manat, medio die, cuius vehementissimus est calor, frigida eadem fluit, inclinato in vesperam calescit, media nocte fervida exaestuat, quoque nox propius vergit ad lucem, multum ex nocturno calore decrescit, donec sub ipsum diei ortum adsueto tepore languescat.

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man nicht mehr weit vom Sitz des Orakels, als zahlreiche Raben dem Zug begegneten: schweren Fluges schwebten sie der Spitze voran und ließen sich bald auf dem Boden nieder, wenn der Zug langsamer einherzog, bald flatterten sie wieder auf, als wollten sie den Marschierenden den Weg weisen. Endlich traf man an der geheiligten Stätte ein. Und es klingt wie ein Wunder: mitten in der weiten Wüste liegt sie, rings von Bäumen geschützt, so daß kaum ein Sonnenstrahl ihren dichten Schatten durchdringt, und zahlreiche Quellen süßen Wassers nähren ganze Wälder. Wunderbar ist auch das Klima, das unserm Frühling am meisten ähnelt und alle Jahreszeiten hindurch gleichermaßen gesund bleibt. Die Anwohner dieses Ortes sind nach Osten hin die nächsten Nachbarn der Äthiopen. Auf der Südseite wohnen die Araber, Trogodyten zubenannt; ihr Land reicht bis zum Roten Meer. Dagegen wohnen nach Westen hin andere Äthiopen, die man Simuer nennt. Im Norden wohnen die Nasamonen, ein Syrtenvolk, das vom Strandraub lebt, denn sie behaupten die Küstenstriche und bemächtigen sich, dank der ihnen vertrauten Untiefen, der Schiffe, die bei Ebbe stranden. Die Bewohner des Hains, Hammonier genannt, hausen in zerstreut liegenden Hütten; die Mitte des Hains dient als Burg und ist von einer dreifachen Mauer umgeben. Der innerste Mauerring Schloß die alte Königsburg der Herrscher ein; in dem nächsten wohnten ihre Frauen nebst Kindern und Nebenfrauen, und hier befindet sich auch das Orakel des Gottes; der letzte Ring endlich diente als Wohnung für die Trabanten und Leibwächter. Doch gibt es auch noch einen andern Hain des Hammon mit einem Quell in der Mitte, „Sonnenwasser" genannt. Um Sonnenaufgang rinnt er warm, in der größten Mittagshitze kalt; mit sinkendem Tage erwärmt er sich und wallt um Mitternacht heiß auf; je mehr es dann wieder Morgen wird, um so mehr läßt seine nächtliche Hitze nach, bis er mit dem Tagesanbruch wieder seine gewöhnliche Wärme erreicht.

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^ I d , quod pro deo colitur, non eandem effigiem habet, quam vulgo diis artifices accommodaverunt: umbilico maxime similis est habitus, zmaragdo et gemmis coagmentatus. 2 4 Hunc, cum responsum petitur, navigio aurato gestant sacerdotes multis argenteis pateris ab utroque navigli latere pendentibus; sequuntur matronae virginesque patrio more inconditum quoddam carmen canentes, quo propitiari Iovem credunt, ut certum edat oraculum. 25 Ac tum quidem regem propius adeuntem maximus natu e sacerdotibus filium appellai, hoc nomen illi parentem Iovem reddere adfirmans. Ille se vero et accipere ait et adgnoscere, humanae sortis oblitus. 2 6 Consuluit deinde, an totius orbis imperium fatis sibi destinaretur. Vates aeque in adulationem compositus terrarum omnium rectorem fore ostendit. 27 Post haec institit quaerere, an omnes parentis sui interfectores poenas dedissent. Sacerdos parentem eius negat ullius scelere posse violari, Philippi autem omnes luisse supplicia; adiecit invictum fore, donee excederet ad deos.

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Sacrificio deinde facto dona et sacerdotibus et deo data sunt, permissumque amicis, ut ipsi quoque consulerent Iovem. Nihil amplius quaesierunt quam an auctor esset sibi divinis honoribus colendi suum regem. Hoc quoque acceptum fore Iovi vates respondet. 2 9 Vera et salubri aestimatione pensanti fidem oraculi vana profecto responsa [si] videri potuissent; sed fortuna, quos uni sibi credere coegit, magna ex parte ávidos gloriae magis quam capaces facit. 30 Iovis igitur filium se non solum appellar! pas-

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Das, was hier als Gott verehrt wird, hat nicht die gleiche Gestalt, die sonst die Künstler den Göttern verliehen haben: am meisten ähnelt es einem Schildbuckel, zusammengefügt aus Smaragden und Edelsteinen. Diesen tragen, wenn ein Orakel erheischt wird, die Priester in einer vergoldeten Barke umher; viele silberne Schalen hängen zu beiden Seiten von ihr herab. Ihr folgen Frauen und M ä d chen und singen dabei nach heimischer Sitte ein kunstloses Lied, das Jupiter günstig stimmen soll, ein untrügliches Orakel zu verkünden. U n d nun begrüßte der älteste Priester den nähertretenden König als Sohn, indem er versicherte, diesen N a m e n verleihe ihm sein Vater Jupiter. Alexander erklärte sich damit vollauf einverstanden — und vergaß dabei, daß er nur ein Mensch war. Alsdann lautete seine Frage, ob er v o m Schicksal zum Weltherrscher bestimmt sei. Der Seher, auch hier auf schmeichlerische Huldigung bedacht, erklärte, er sei zum Lenker aller Lande bestimmt. Dann kam die dringliche Frage, ob auch alle Mörder seines Vaters schon ihre Untat gebüßt hätten. Der Priester erwiderte, seinen Vater könne kein Verbrechen verletzen, doch was Philippus betreffe, so habe die Strafe schon seine sämtlichen Mörder ereilt, und er fügte hinzu, Alexander werde unbesieglich bleiben, bis er zu den Göttern aufsteige. Dann f a n d ein O p f e r statt; die Priester und der Gott erhielten Geschenke, und auch den Freunden ward gestattet, ihrerseits Fragen an Jupiter zu stellen. Sie wollten lediglich wissen, ob es Jupiters Willen entspringe, daß sie ihren König als Gott verehrten. Auch dies sei Jupiter gefällig, verkündete der Seher. Jemandem, der mit gesundem Menschenverstand das Orakel auf seine Glaubwürdigkeit hin hätte beurteilen wollen, konnten dessen Sprüche gewiß eitel und nichtig erscheinen; wen aber das Glück dazu gebracht hat, sich ihm allein in die Arme zu werfen, dem verleiht es gewöhnlich mehr die Sucht nach Ruhm als die Fähigkeit, ihm auch gewachsen zu sein. So duldete Alexander nicht nur, daß man ihn

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sus est, sed etiam iussit rerumque gestarum famam, dum augere vult tali appellatione, corrupit. 3 1 Et Macedones, adsueti quidem regio imperio, sed in maiore libertatis umbra quam ceterae gentes, immortalitatem adfectantem contumacius, quam aut ipsis expediebat aut regi, aversati sunt. 32 Sed haec suo quaeque tempori reserventur; nunc cetera exequi pergam.

V i l i . ^Alexander ab Hammone rediens ad Mareotin paludem haud procul insula Pharo sitam venit. Contemplatus loci naturam primum in ipsa insula statuerat urbem novam condere; 2 inde ut apparai t magnae sedis insulam haud capacem esse, elegit urbi locum, ubi nunc est Alexandrea, appellationem trahens ex nomine auctoris. Complexus quicquid soli est inter paludem ac mare octoginta stadiorum muris ambitum destinât et, qui exaedificandae urbi praeessent, relictis Memphin petit. 3 Cupido haud iniusta quidem, ceterum intempestiva incesserat non interiora modo Aegypti sed etiam Aethiopiam invisere: Memnonis Tithonique celebrata regia cognoscendae vetustatis avidum trahebat paene extra términos solis. 4 Sed imminens bellum, cuius multo maior supererat moles, otiosae peregrinationi tempora exemerat. Itaque Aegypto praefecit Aeschylum Rhodium et Peucesten Macedonem quattuor milibus militum in praesidium regionis eius datis; claustra Nili fluminis Polemonem tueri iubet: X X X ad hoc triremes datae. 5 Africae deinde, quae Aegypto iuncta est, praepositus Apollo-

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einen Sohn Jupiters nannte, sondern er verlangte es sogar und machte damit den Ruhm seiner Taten zunichte, den ein solcher Beiname doch mehren sollte. Und seine Makedonen, zwar an Königsherrschaft gewöhnt, doch dank ihrer Freiheitlichkeit mehr als andere Stämme vor den sengenden Strahlen dieser Sonne geschützt, haben sich von ihrem Könige abgewandt, da sein Sinn nach Unsterblichkeit strebte - störrischer, als es ihnen förderlich war und auch dem Könige selbst. Doch die Schilderung all dieser Dinge soll für später vorbehalten bleiben; erst einmal will ich in meiner Darstellung fortfahren. Auf seiner Rückkehr von Hammon gelangte Alexander zu dem Sumpf Mareotis, der nicht weit von der Insel Pharus liegt. Bei der Betrachtung des Geländes beschloß er zuerst, auf der Insel selbst eine neue Stadt anzulegen; als sich dann aber zeigte, daß die Insel für eine große Niederlassung nicht geräumig genug war, wählte er für seine Stadt den Ort, wo jetzt Alexandria liegt, das ja seinen Namen von seinem Begründer empfangen hat. Alles Land zwischen Sumpf und Meer mit einbeziehend, bestimmte er den Umfang der Mauern mit achtzig Stadien, ließ Männer zurück, die den Bau der Stadt leiten sollten, und zog dann nach Memphis. Zwar hatte ihn der durchaus verständliche, doch zur Zeit unerfüllbare Wunsch befallen, nicht nur das Innere Ägyptens, sondern auch Äthiopien aufzusuchen: der vielgefeierte Königssitz eines Memnon und eines Tithonus hätte ihn in seinem Verlangen, die Vergangenheit zu erforschen, fast über den Bereich der Sonne hinausgelockt. Aber der bevorstehende Krieg, dessen Hauptlast ja noch vor ihm lag, verbot ihm eine müßige Fahrt durch fremde Länder. Daher vertraute er Ägypten dem Rhodier Aeschylus und dem Makedonen Peukestes an und gab ihnen 4000 Soldaten zum Schutz dieser Landschaft. Die Nilmündung hatte Polemon zu schützen; er erhielt hierzu 30 Triremen. Das Ägypten benachbarte Afrika unterstellte er dem Apollo-

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nius, vectigalibus eiusdem A f r i c a e Aegyptique Cleomenes. E x finitimis urbibus commigrare Alexandream iussis novam urbem magna multitudine implevit. e F a m a est, cum rex orbem futuris mûris polenta, ut Macedonum mos est, destinasset, avium greges advolasse et polenta esse pastas, cumque id omen pro tristi a plerisque esset acceptum, respondisse vates magnam illam urbem advenarum frequentiam culturam, multisque eam terris alimenta praebituram.

T Regem, cum secundo amne deflueret, adsequi cupiens Hector, Parmenionis filius, eximio aetatis flore, in paucis Alexandro carus, parvum navigium conscendit pluribus, quam capere posset, impositis. 8 Itaque mersa navis omnes destituit. Hector diu flumini obluctatus, cum madens vestis et adstricti crepidis pedes natare prohibèrent, in ripam tamen semianimis evasit et, ut primum fatigaras spiritum laxavit, quem metus et periculum intenderat, nullo adiuvante - quippe in diversum evaserant alii exanimatus est. Amissi eius desiderio vehementer adflictus est repertumque corpus magnifico extulit funere.

Oneravit hunc dolorem nuntius mortis Andromachi, quem praefecerat Syriae: v i v u m Samaritae cremaverant. 1 0 A d cuius interitum vindicandum, quanta maxima celeritate potuit, contendit, advenientique sunt traditi tanti sceleris àuctores. " A n d r o m a c h o deinde Menona substituit adfectisque supplicio, qui praetorem interemerant, tyrannos, inter quos Methymnaeorum Aristonicum et Eurysilaum, populari-

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nius, die Steuerverwaltung desselben Afrikas und Ägyptens dem Kleomenes. Dadurch daß er Leute aus den Nachbarstädten nach Alexandria umsiedelte, gab er der neuen Stadt eine ansehnliche Bevölkerung. Es geht die Sage, als damals der König nach makedonischer Sitte den Grundriß der künftigen Mauern mit Gerstengraupe gekennzeichnet habe, seien Vögel in Scharen herbeigeflogen und hätten die Körner aufgepickt; und da das der Mehrzahl als unglückliches Omen erschienen sei, habe der Priester das Geschehene so gedeutet, daß die neue Stadt eine große Fülle von Zuziehenden in sich bergen und vielen Ländern Nahrung bieten werde. Als der König stromab segelte, wollte ihn Hektor erreichen, ein in der Blüte seiner Jahre stehender Sohn Parmenions, dem König lieb wie nur wenige. Er bestieg ein kleines Fahrzeug, das mit Menschen überladen war. Das Schiff kenterte und ließ alle Insassen ins Wasser stürzen. Hektor, der lange mit der Strömung gerungen hatte, wobei ihn seine durchnäßte Kleidung und die in die Schuhe geschnürten Füße am Schwimmen hinderten, konnte sich zwar noch halbtot ans Ufer retten; sobald aber dann der erschöpfte Atem wieder langsamer ging — Furcht und Gefahr hatten ihn vorher beschleunigt - starb er, da niemand ihm zu Hilfe kam, denn die übrigen hatten sich auf das gegenüberliegende Ufer zu retten vermocht. Schwer getroffen durch diesen bitteren Verlust ließ der König den Leichnam, als man ihn gefunden, mit aller Pracht begraben. Diesen Schmerz vertiefte noch die Nachricht vom Tod des Andromachus, den er zum Statthalter Syriens gemacht hatte. Ihn hatten die Samariter lebendig verbrannt. Um seine Ermordung zu rächen, eilte Alexander so schnell wie möglich dorthin, und man lieferte ihm auch sogleich bei seiner Ankunft die Urheber dieser Schandtat aus. Er ersetzte sodann Andromachus durch Menon, ließ die Mörder des Statthalters hinrichten und übergab die T y rannen - darunter Aristonikus von Methymna und Eury-

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bus suis tradidit; quos illi ob iniurias tortos necaverunt. 12 Atheniensium deinde, Rhodiorum et Q u o rum legatos audit. Athenienses victoriam gratulabantur et, ut captivi Graecorum suis restituerentur, orabant; Rhodii et Chii de praesidio querebantur. 13 Omnes aequa desiderare visi impetraverunt. Mytilenaeis quoque ob egregiam in partes fidem et pecuniam, quam in bellum impenderant, reddidit et magnam regionem finium adiecit. "Cypriorum quoque regibus, qui et a Dareo defecerant ad ipsum et oppugnanti Tyrum miserant classem, pro merito honos habitus est. 15 Amphoterus deinde, classis praefectus, ad liberandam Cretam missus - namque et Persarum et Spartanorum armis pleraque eius insulae obsidebantur — ante omnia mare a piraticis classibus vindicare iussus: quippe obnoxium praedonibus erat in bellum utroque rege converso. 1 6 His compositis Herculi Tyrio ex auro crateram cum X X X pateris dicavit imminensque Dareo ad Euphraten iter pronuntiari iussit. I X . *At Dareus, cum Aegypto devertisse in Africam hostem comperisset, dubitaverat, utrumne circa Mesopotamiam subsisteret an interiora regni sui peteret, haud dubie potentior auctor praesens futurus ultimis gentibus impigre bellum capessendi, quas aegre per praefectos suos moliebatur. 2 Sed ut idoneis auctoribus fama vulgavit Alexandrum cum omnibus copiis, quamcumque ipse adisset regionem, petiturum, haud ignarus, quam cum strenuo res esset, omnia longinquarum gentium auxilia Ba-

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silaus - ihren Landsleuten; die folterten sie wegen ihrer Untaten zu Tode. Dann empfing er Gesandtschaften aus Athen, aus Rhodus und aus Chius. Die Athener beglückwünschten ihn zu seinem Siege und baten, er möge die griechischen Gefangenen den Ihren zurückgeben; die Rhodier und Chier führten Klage über die Besatzung. Da ihre Wünsche sämtlich billig schienen, erfüllte er ihre Bitten. Auch den Mytilenern, die ihm ganz besonders treu ergeben waren, gab er das Geld zurück, das sie zum Kriege aufgebracht hatten, und fügte ihrem Gebiet noch ein großes Stück hinzu. Auch die Könige von Zypern, die von Darius abgefallen waren und ihm, als er Tyrus belagerte, eine Flotte gesandt hatten, erhielten eine verdiente Ehrung. Darauf wurde Amphoterus als Flottenführer ausgesandt, Kreta zu befreien, denn der größte Teil der Insel wurde von persischen und spartanischen Truppen besetzt gehalten; auch sollte er vor allem das Meer von den Piratenflotten säubern, denn es war den Räubern preisgegeben, solange beide Könige miteinander im Kriege lagen. Nachdem dies geregelt, weihte er dem Herkules von Tyrus einen goldenen Mischkrug nebst 30 Opferschalen und ließ dann alsbald, sich drohend gegen Darius wendend, den Befehl ausgeben, der Marsch gehe jetzt zum Euphrat. Nun wieder zu Darius. Als er erfahren, der Feind habe sich von Ägypten nach Afrika gewandt, hatte er geschwankt, ob er in den mesopotamischen Landen stehenbleiben oder ins Innere seines Reiches ziehen solle; zweifellos würde seine Anwesenheit für die fernsten Stämme ein stärkerer Ansporn sein, sich unverzüglich zur Teilnahme am Krieg zu entschließen, während er sie durch seine Statthalter nur mühsam in Bewegung bringen konnte. "Wie sich nun aber das wohlverbürgte Gerücht verbreitete, Alexander wolle mit seiner ganzen Streitmacht ihm in jegliche Gegend nachziehen, da ließ er — denn er kannte seinen unermüdlichen Gegner wohl! — alles an Hilfstruppen

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byloniam contrahi iussit. Bactriani Scythaeque et Indi convenerant; iam et ceterarum gentium copiae partibus simul adfuerunt. 3 Ceterum cum dimidio ferme maior esset exercitus, quam in Cilicia fuerat, multis arma deerant, quae summa cura comparabantur. Equitibus equisque tegumenta erant ex ferreis lamminis serie inter se conexis; quis antea praeter iacula nihil dederat, scuta gladiique adiciebantur, 4 equorumque domandi greges peditibus distributi sunt, ut maior pristino esset equitatus. Ingensque, ut crediderat, hostium terror, ducentae falcatae quadrigae, unicum illarum gentium auxilium, secutae sunt. 5 Ex summo temone hastae praefixae ferro eminebant, utrimque a iugo ternos direxerant gladios, inter radios rotarum plura spicula eminebant in adversum; aliae deinde falces summissae rotarum orbibus haerebant et aliae in terram demissae, quicquid obvium concitatis equis fuisset, amputaturae. e

Hoc modo instructo exercitu ac perarmato Babylone copias movit. A parte dextra erat Tigris, nobilis fluvius, laevam tegebat Euphrates, agmen Mesopotamiae campos impleverat. 7 Tigri deinde superato cum audisset haud procul abesse hostem, Satropaten, equitum praefectum, cum mille delectis praemisit. Mazaeo praetori sex milia data, quibus hostem transitu amnis arceret; 8eidem manda tum, ut regionem, quam Alexander esset aditurus, popularetur atque ureret: quippe credebat inopia debellari posse nihil habentem, nisi quod rapiendo occupasses ipsi autem commeatus alii terra, alii Tigri amne subvehebantur. 9 Iam pervenerat

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auch von den fernen Völkern nach Babylon hin aufbieten. Baktrer, Skythen und Inder waren bereits eingetroffen; schon stießen aber auch Truppenverbände der übrigen Stämme zu ihm. Wenn sein Heer nun auch annähernd um die Hälfte größer war als damals in Kilikien, so fehlte es doch vielen an Waffen; diese suchte man jetzt mit aller Sorgfalt zu beschaffen. Reiter und Pferde trugen Schuppenpanzer aus aneinandergereihten Eisenblechstücken; wer vorher nur mit dem Wurfspieß ausgerüstet gewesen war, erhielt jetzt Schild und Schwert dazu; ganze Pferdeherden wurden zum Zureiten an das Fußvolk verteilt, um die Reiterei gegenüber der bisherigen zu verstärken. Als ein ungeheuerlicher Schrecken für die Feinde, so glaubte Darius, folgten dem Heer zweihundert Sichelwagen, eine nur diesen Völkern eigene Waffengattung: vorn an der Spitze der Deichsel befestigt, ragten eiserne Lanzen vor, rechts und links vom Joch drohten je drei Schwerter, und zwischen den Radspeichen ragten mehrere Spitzen nach vorn heraus; außerdem saßen daran sichelförmige Messer, teils an den Felgen nach oben gekrümmt, teils nach dem Boden gerichtet, bereit, alles zu zersäbeln, was den dahinbrausenden Pferden in den Weg komme. Als er sein Heer derart gerüstet und völlig bewaffnet sah, rückte er von Babylon aus vor. Zur Rechten lag der weitbekannte Tigris, seine linke Flanke schützte der Euphrat: so bedeckte sein Heer die Felder Mesopotamiens. Als er über den Tigris gegangen war und hörte, daß der Feind nicht mehr fern sei, schickte er den Reiterführer Satropates mit 1000 ausgewählten Leuten voraus. Der Feldherr Mazäus erhielt 6000 Mann, um mit ihnen dem Feind den Übergang über den Strom zu verwehren; außerdem hatte er die Gegend, die Alexander betreten würde, zu verwüsten und mit Feuer zu verheeren. Darius glaubte nämlich, er könne Alexander durch Mangel besiegen, da er sich ja alles erst durch Raubzüge verschaffen mußte; ihm selbst aber wurde die Verpflegung teils zu Land, teils auf dem Tigris nachgebracht.

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Arbela, vicum ignobilem nobilem sua clade facturus. Hic commeatuum sarcinarumque maiore parte deposita Lycum amnem ponte iunxit et per dies quinqué, sicut ante Euphraten, traiecit exercitum. 10Inde octoginta fere stadia progressus ad alterum amnem - Boumelo nomen est castra posuit. Opportuna explicandis copiis regio erat, equitabilis et vasta planities: ne stirpes quidem et brevia virgulta operiunt solum, liberque prospectus oculorum etiam ad ea, quae procul recessere, permittitur. Itaque, si qua campi eminebant, iussit aequari totumque fastigium extendi. "Alexandro, qui numerum copiarum eius, quantum procul coniectari poterat, aestimabant, vix fecerunt fidem tot milibus caesis maiores copias esse reparatas. 12Ceterum omnis periculi et maxime multitudinis contemptor undecimis castris ad Euphraten pervenit. Quo pontibus iuncto équités primos ire, phalangem sequi, iubet, Mazaeo, qui ad inhibendum transitum eius cum sex milibus equitum occurrerat, non auso periculum sui facere. 13Paucis deinde non ad quietem, sed ad praeparandos ánimos diebus datis militi strenue hostem insequi coepit metuens, ne interiora regni sui peteret sequendusque esset per loca omni solitudine atque inopia vasta. 14Igitur quarto die praeter Armeniam pénétrât ad Tigrin. Tota regio ultra amnem recenti fumabat incendio: quippe Mazaeus quaecumque adierat haud secus quam hostis urebat. 1BAc primo caligine, quam fumus effuderat, obscur ante lucem insidiarum metu substitit; deinde ut speculatores praemissi tuta omnia

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Schon war Darius zu dem unbedeutenden Dorfe Arbela gekommen, dessen Namen er durch seine Niederlage bedeutsam machen sollte. Hier ließ er den größten Teil der Verpflegung und des Gepäcks zurück, überbrückte den Lykus und führte in fünf Tagen, wie vorher auch über den Euphrat, sein Heer hinüber. Nach einem Marsch von etwa achtzig Stadien schlug er dann an einem anderen Fluß, Bumelus genannt, sein Lager auf. Diese Gegend gestattete ihm, seine Truppen zu entfalten: eine weite, f ü r Reiterei geeignete Ebene, der Boden frei sogar von Stämmen und niedrigem Gesträuch, übersichtlich auch auf weite Entfernung hin. Und wenn sich die Felder irgendwo noch wölbten, so ließ er sie abtragen und völlig einebnen. Bei Alexander fanden die Leute, die die feindlichen T r u p pen zu schätzen suchten (soweit das aus der Ferne vermutungsweise möglich war!), kaum Glauben, daß nämlich dort nach einem Verlust von so viel Tausenden noch größere Streitkräfte aufgestellt worden seien. Doch wie stets ohne Rücksicht auf Gefahr und noch weniger auf eine Überzahl, stieß er nach einem Marsch von zwölf Tagen bis zum Euphrat vor. Er ließ eine Brücke schlagen und zuerst die Reiter hinübergehen; dann folgte die Phalanx, ohne daß Mazäus — der mit seinen 6000 Reitern herbeigeeilt kam, um diesen Übergang zu verhindern — gewagt hätte, sich mit ihm zu messen. Die wenigen Tage, die Alexander seinen Soldaten gab, waren nicht zur Ruhe bestimmt, sondern zur inneren Vorbereitung; dann begann er ohne Verzug den Feind zu verfolgen, besorgt, er könne sich ins Innere des Reiches absetzen, so daß man ihn dann durch völlig einsame und wüste Öden verfolgen müsse. So gelangte er am vierten Tage, Armenien zur Linken lassend, bis zum Tigris. Drüben, jenseits des Flusses, war jetzt alles eine Feuersbrunst, denn Mazäus war dabei, jeden Fleck, den er betrat, mit Feuer zu verwüsten, als wäre es feindlicher Boden. Anfangs, da die dichten Rauchschwaden das Tageslicht verfinsterten, machte Alexander in Erwartung einer Falle halt; als dann vorgeschickte Spä-

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nuntiaverunt, paucos equitum ad temptandum vadum fluminis praemisit. Cuius altitudo primo summa equorum pectora, mox, ut in medium alveum ventum est, cervices quoque aequabat. i e N e c sane alius ad Orientis plagam tam violentus invehitur, multorum torrentium non aquas solum sed etiam saxa secum trahens. Itaque a celeritate, qua defluit, Tigri nomen est inditum, quia Persica lingua tigrin sagittam appellant. 1 7 Igitur pedes velut divisus in cornua circumdato equitatu, levatis super capita armis, haud aegre ad ipsum alveum pénétrât. 1 8 Primus inter pedites rex egressus in ripam vadum militibus manu, quando vox exaudiri non poterat, ostendit. Sed gradum firmare vix poterant, cum modo saxa lubrica vestigium falierent, modo rapidior unda subduceret. 1 9 Praecipuus erat labor eorum, qui humeris onera portabant: quippe cum semetipsos regere non possent, in rápidos gurgites incommodo onere auferebantur, et dum sua quisque spolia consequi studet, maior inter ipsos quam cum amni orta luctatio est, cumulique sarcinarum passim fluitantes plerosque perculerant. 2 0 Rex monere, ut satis haberent arma retiñere, cetera se redditurum. Sed ñeque consilium ñeque imperium accipi poterat: obstrepebat hinc metus, praeter hunc invicem luctantium mutuus clamor. 2 1 Tandem, qua leniore tractu amnis aperit vadum, emersere, nec quicquam praeter paucas sarcinas desideratum est. 2 2 Deleri potuit exercitus, si quis vincere ausus esset, sed perpetua fortuna regis avertit inde hostem. Sic Granicum tot milibus equitum peditumque in ulteriore stantibus ripa superávit, sic angustis in Ciliciae callibus tantam multitudinem hostium. 2 3 Audaciae quoque, qua maxime viguit, ratio

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her meldeten, alles sei sicher, sandte er ein paar Reiter aus, eine Furt zu suchen. Das Wasser reichte anfangs den Pferden bis oben an die Brust, dann in der Mitte des Flußbettes auch bis zum Hals; und kein anderer Fluß strömt in den östlichen Breiten so reißend dahin, wobei er nicht nur das Wasser vieler Gießbäche, sondern auch Gestein mit sich führt. Wegen seiner Schnelligkeit heißt er ja auch „Tigris", denn das bedeutet im Persischen Pfeil. So rückte nun das Fußvolk, gleichsam in zwei Flügel geteilt und von der Reiterei umgeben, die Waffen über die Köpfe haltend, noch ohne Mühe bis zum eigentlichen Flußbett heran. Ihnen voran trat der König an das Ufer und wies den Soldaten mit der Hand die Furt, denn vernehmlich machen konnte er sich nicht. Aber kaum vermochten sie festen Fuß zu fassen, da bald schlüpfrige Steine sie ausgleiten ließen, bald die überaus schnelle Strömung sie mit sich riß. Besonders schwer hatte es, wer auf den Schultern noch Lasten trug; denn während sie sich selbst schon nicht aufrecht halten konnten, riß sie die ungefüge Last in die reißenden Strudel fort, und indem ein jeder bemüht war, das ihm vom Wasser Geraubte wieder einzuholen, hatten sie noch mehr miteinander als mit dem Flusse zu ringen, und vielfach warfen die Haufen Gepäcks, die allenthalben umherschwammen, die Leute um. Der König drängte sie, nur ihre Waffen festzuhalten: alles übrige werde er ihnen schon erstatten! Aber weder sein Rat noch sein Befehl drang zu ihren Ohren: die Furcht übertönte sie, dazu das Geschrei der miteinander Streitenden. Endlich wateten sie, da wo der Fluß langsamer fließt und seichter wird, an Land, und außer einigem Gepäck vermißte man nichts. Hätte nur jetzt jemand gewagt, den Sieg an sich zu reißen, er hätte das Heer vernichten können! Aber das ständige Glück des Königs hielt ihm den Feind vom Leibe. So überwand er ja auch den Granikus, während so viel Tausende an Reitern und Fußvolk am andern Ufer standen; so auch die Riesenmasse der Feinde in den Engpässen Kilikiens. Aber man darf auch Alexanders Hauptstärke, seinen küh-

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minui potest, quia numquam in discrimen venit, an temere fecisset. Mazaeus, qui, si transeuntibus flumen supervenisset, haud dubie oppressurus fuit incompositos, in ripa demum ad iam perarmatos adequitare coepit. 24 Mille admodum équités praemiserat. Quorum paucitate Alexander explorata, deinde contempta praefectum Paeonum equitum Aristona laxatis habenis invehi iussit. 25 Insignis eo die pugna equitum et praecipue Aristonis fuit: praefectum equitatus Persarum Satropaten directa in guttur hasta transfixit fugientemque per medios hostes consecutus ex equo praecipitavit et obluctanti gladio caput dempsit, quod relatum magna cum laude ante regis pedes posuit.

X. x Biduo ibi stativa rex habuit; in proximum deinde pronuntiari iter iussit. 2 Sed prima fere vigilia luna deficiens primum nitorem sideris sui condidit, deinde sanguinis colore suffuso lumen omne foedavit, sollicitisque sub ipsum tanti discriminis casum ingens religio et ex ea formido quaedam incussa est. 3 Dis invitis in ultimas terras trahi se querebantur: iam nec ilumina posse adiri nec sidera pristinum servare fulgorem, vastas terras, deserta omnia occurrere; in unius hominis iactationem tot milium sanguinem impendi, fastidio esse patriam, abdican Philippum patrem, caelum vanis cogitationibus petere. 4 Iam prope seditionem res erat, cum ad omnia interritus duces principesque militum frequentes adesse praetorio iubet Aegyptiosque vates, quos caeli ac siderum peri-

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nen Mut nämlich, nicht zu gering veranschlagen: niemals hat es sich nämlich entscheiden lassen, ob er nur in tollkühnem Leichtsinn gehandelt hat. Zweifellos hätte Mazäus, wenn er ihn nur beim Flußübergang überrascht hätte, die ungeordneten Scharen überwältigt, aber er ritt erst gegen sie an, als sie schon am Ufer und wieder voll unter Waffen waren. N u r 1000 Reiter hatte er vorgeschickt. Voll Verachtung der kleinen Schar gegenüber, die man ihm meldete, ließ Alexander den Führer der päonischen Reiter, Aristón, gegen sie vorbrausen. Herrlich bewährten sich an diesem Tage die Reiter und vor allem Aristón: er durchbohrte mit seiner Lanze den persischen Reiterführer Satropates, genau nach der Gurgel zielend; den Fliehenden verfolgte er mitten durch die Feinde hindurch, stürzte ihn vom Pferde und hieb ihm, als er sich noch wehrte, mit dem Schwerte das Haupt ab, das er dann mit sich brachte und ruhmvoll dem König zu Füßen legte. Zwei Tage lang hielt der König hier Standlager; dann befahl er für den nächsten Tag den Vormarsch. Aber um die erste Nachtstunde verfinsterte sich der Mond: erst verbarg er seinen Schein, dann übergoß er sich blutrot und trübte alles Licht. Die Leute gerieten in Furcht: angesichts der so gewichtigen Entscheidung überkam sie unwiderstehlicher Aberglaube und damit eine Art Angst. "Wider den Willen der Götter, so erscholl ihre Klage, schleppe man sie hier bis ans Ende der Welt! Nun sei man schon am letzten Strome angelangt, schon verlören die Gestirne ihren Glanz, und nur noch Einöden und lauter Wüsten habe man vor sich; zum Ruhme eines einzigen Menschen vergössen so viel Tausende ihr Blut; der König sei seiner Heimat überdrüssig, er verleugne seinen Vater Philippus und strebe in eitlem Planen nach dem Himmel! Schon stand man dicht vor einer Meuterei, da befahl Alexander, unerschrocken in jeglicher Lage, die Heerführer und Offiziere in großer Zahl in sein Feldherrnzelt, und nun mußten die ägyptischen Seher, die seiner Ansicht nach

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tissimos esse credebat, quid sentirent expromere iubet. 5 At illi, qui satis scirent temporum orbes implere destinatas vices lunamque deficere, cum aut terram subiret aut sole premeretur, rationem quidem ipsis perceptam non edocent vulgus; e ceterum adfirmant solem Graecorum, lunam esse Persarum, quotiensque illa deficiat, ruinam stragemque illis gentibus portendi, veteraque exempla percensent Persidis regum, quos adversis dis pugnasse lunae ostendisset defectio. 7 Nulla res multitudinem efficacius regit quam superstitio: alioqui impotens, saeva, rautabilis, ubi vana religione capta est, melius vatibus quam ducibus suis paret. Igitur edita in vulgus Aegyptiorum responsa rursus ad spem et fiduciam erexere torpentes. 8 Rex ímpetu animorum utendum ratus secunda vigilia castra movit: dextra Tigrim habebat, a laeva montes, quos Gordyaeos vocant. "Hoc ingressis iter spec u l a t o r s , qui praemissi erant, sub lucis ortum Dareum adventare nuntiaverunt. Instructo igitur milite et composito agmine antecedebat. 10 Sed Persarum moratores erant mille ferme, qui speciem magni agminis fecerant: quippe ubi explorari vera non possunt, falsa per metum augentur. " H i s cognitis rex cum paucis suorum adsecutus agmen refugientium ad suos alios cecidit, cepit alios; equitesque praemisit speculatum, simul ut ignem, quo barbari cremaverant vicos, extinguerent. 1 2 Quippe fugientes raptim tectis acervisque frumenti iniecerant flammas; quae cum in summo haesissent, ad inferiora

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sich am Himmel und in den Gestirnen am besten auskannten, ihre Meinung kundtun. Diese wußten zwar genau, daß der Kreislauf des Jahres sich in festbestimmtem Wechsel vollzieht und daß der Mond sein Licht einbüßt, wenn er hinter die Erde tritt oder die Sonne ihn verdunkelt; doch diese ihnen wohlbekannte Einsicht verschwiegen sie der Menge. Vielmehr versicherten sie: die Sonne, das seien die Griechen und der Mond die Perser; sooft dieser sein Licht verliere, bedeute das für jene Stämme Tod und Verderben. Und sie zählten Beispiele von früher her dafür auf, wie das Schwinden des Mondlichts bewiesen habe, daß die Könige Persiens ohne die Gunst der Götter gekämpft hätten. Nun hat ja nichts stärkere Gewalt über die Menge als der Aberglaube: sonst zügellos, wild und beeinflußbar, fügt sie sich eher den Sehern als ihren Führern, sobald der religiöse Wahn sie gepackt hält. Und als man nun die Orakelsprüche der Ägypter der großen Menge mitteilte, richtete das in den Gelähmten wieder Hoffnung und Vertrauen auf. Der König war der Ansicht, man müsse die wieder aufkommende Begeisterung nützen, und brach in der zweiten Nachtwache auf, zur Rechten den Tigris, zur Linken die Gordyäischen Berge. Als man schon unterwegs war, berichteten vorausgesandte Späher gegen Sonnenaufgang, Darius nahe. Also stellte Alexander seine Soldaten zum Kampf auf und schritt selbst den geordneten Truppen voran. Aber es waren nur Nachzügler der Perser, 1000 Mann etwa, die wie ein großes Heer gewirkt hatten; wo sich nämlich die Wahrheit nicht ausmachen läßt, da wird das Falsche aus Furcht noch übertrieben. Als der König dies gewahr wurde, verfolgte er mit einer kleinen Schar die zu den Ihren Flüchtenden, hieb sie teils nieder, teils nahm er sie gefangen und schickte alsbald Reiter voraus zur Erkundung; auch sollten sie das Feuer auslöschen, das die Barbaren an die Dörfer gelegt hatten. Denn die Fliehenden hatten eiligst auf Häuser und Getreidehaufen Feuerbrände geworfen; diese aber waren zum Teil oben-

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nondum penetraverant. Extincto igitur igne plurimum frumenti repertum est; copia aliarum quoque rerum abundare coeperunt. Ea res ipsa militi ad persequendum hostem animum incendit: quippe urente et populante eo terram festinandum erat, ne incendio cuncta praeciperet. 14 In rationem ergo necessitas versa est: quippe Mazaeus, qui antea per otium vicos incenderai, iam fugere contentus pleraque inviolata hosti reliquit. 15 Alexander haud longius CL stadiis Dareum a se abesse compererat. Itaque ad satietatem quoque copia commeatuum instructus quadriduo in eodem loco substitit. 16 Interceptae deinde Darei litterae sunt, quibus Graeci milites sollicitabantur, ut regem aut interficerent aut proderent, dubitavitque, an eas pro contione recitaret, satis confisus Graecorum quoque erga se benevolentiae ac fidei. 17 Sed Parmenio deterruit, non esse talibus promissis imbuendas aures militum adfirmans: patere vel unius insidiis regem, nihil nefas esse avaritiae. Secutus consilii auctorem castra movit. 18

Iter facienti spado e captivis, qui Darei uxorem comitabantur, deficere eam nuntiat et vix spiritum ducere. 10 Itineris continui labore animique aegritudine fatigata inter socrus et virginum filiarum manus conlapsa erat, deinde et extincta. 20 Id ipsum nuntians alius supervenit. Et rex, haud secus quam si parentis mors nuntiata esset, crebros edidit gemitus lacrimisque obortis, quales Dareus profudisset, in tabernaculum, in quo mater erat Darei defuncto adsidens corpori, venit. 21 Hic vero renovatus est maeror, ut prostratam humi vidit. Recenti malo

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auf hängengeblieben und noch nicht nach unten durchgebrannt. Man löschte also das Feuer und fand eine Menge Korn. Auch an sonstigen Vorräten begann Überfluß einzutreten. Eben dies ließ die Soldaten den Feind voll Mut verfolgen, denn da er das Land versengte und verheerte, galt es Eile, wenn nicht alles vor ihnen in Feuer aufgehen sollte. So wurde aus der Not eine Tugend; denn Mazäus, der vorher in aller Ruhe die Dörfer angezündet hatte, mußte sich nun mit der Flucht begnügen und hinterließ dem Feind ein überwiegend unversehrtes Land. Alexander hatte erfahren, daß Darius nur noch 150 Stadien von ihm entfernt sei: daher machte er, jetzt auch vollauf mit Vorräten versehen, für vier Tage ebenda halt. Es fiel ihm darauf ein Brief des Darius in die Hände, durch den die griechischen Truppen aufgewiegelt wurden, ihren König zu ermorden oder auszuliefern, und er schwankte, ob er ihn nicht vor versammeltem Heer vorlesen solle; der treuen Ergebenheit auch der Griechen fühlte er sich nämlich sicher genug. Aber Parmenion brachte ihn davon ab mit der Versicherung, solcherlei Versprechungen dürfe man erst gar nicht an die Ohren der Leute dringen lassen: auch ein einzelner Mann könne an dem König zum Verräter werden, und dem Habgierigen gelte nichts als Frevel. Er folgte diesem Rat und marschierte weiter. Unterwegs meldete ein Eunuch aus dem Gefolge der Gattin des Darius, ihre Kräfte schwänden dahin und sie könne kaum noch atmen. Von der Mühsal des ununterbrochenen Marsches und zugleich seelisch erschöpft, war sie unter den Händen ihrer Schwiegermutter und ihrer jungen Töchter zusammengebrochen und dann verschieden; mit dieser Nachricht kam nun noch ein zweiter Bote. Und der König, nicht anders, als wäre ihm der Tod seiner eigenen Mutter gemeldet, erhob immer erneute Klage; er brach in Tränen aus, wie sie nur Darius hätte vergießen können, und kam so in das Zelt, in dem er die Mutter des Darius neben der Leiche sitzend vorfand. Hier brach sein Schmerz von neuem los, als er sah, wie sie sich vor ihm niederwarf.

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priorum quoque admonita receperat in gremium adultas virgines, magna quidem mutui doloris solacia, sed quibus ipsa deberet esse solacio. 2 2 In conspectu erat nepos parvulus, ob id ipsum miserabilis, quod nondum sentiebat calamitatem ex maxima parte ad ipsum redundantem. 23 Crederes Alexandrum inter suas necessitudines fiere et solacia non adhibere sed quaerere. Cibo certe abstinuit omnemque honorem funeri patrio Persarum more servavit, dignus, hercule, qui nunc quoque tantae et mansuetudinis et continentiae ferat fructum. 24 Semel omnino eam viderat, quo die capta est, - nec ut ipsam, sed ut Darei matrem videret — eximiamque pulchritudinem formae eius non libidinis habuerat invitamentum sed gloriae. 25

E spadonibus, qui circa reginam erant, T y - 42 riotes inter trepidationem lugentium elapsus per eam portam, quae, quia ab hoste aversa erat, levius custodiebatur, ad Darei castra pervenit exceptusque a vigilibus in tabernaculum regis perducitur gemens et veste lacerata. 2 6 Quem ut conspexit Dareus, multiplici doloris expectatione commotus et, quid potissimum timeret, incertus « Vultus » inquit «tuus nescio quod ingens malum praefert, sed cave miseri hominis auribus parcas: didici esse infelix, et saepe calamitatis solacium est nosse sortem suam. 2 7 Num - quod maxime suspicor, eloqui timeo — ludibria meorum nuntiaturus es mihi et, ut credo, ipsis quoque omni tristiora supplicio? » 2 8 Ad

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Durch ihr neues Leid auch an die früheren Leiden erinnert, hatte sie die jungen Mädchen auf den Schoß genommen — einander zum Trost im Leid, und doch war es nur sie allein, die Trost spenden mußte. Vor ihren Augen hatte sie ihren kleinen Enkel, bejammernswert gerade darum, weil er das Unglück noch nicht empfinden konnte, das doch zum größten Teil gerade über ihn hereinbrach. Es war, als ob Alexander inmitten seiner eigenen Verwandten weinte und Trost nicht brächte, sondern suchte. Er fastete und sorgte für jegliche Leichenehrung nach persischer Landessitte, - wahrlich, er verdiente, auch heute noch die Früchte einer derart milden und maßvollen Gesinnung zu ernten! Nur einmal, am Tage ihrer Gefangennahme, hatte er sie gesehen und zwar nicht, weil er sie, sondern Darius' Mutter zu sehen wünschte, und ihre wunderbare Schönheit hatte nicht sein Begehren erweckt, sondern sein Ruhmverlangen gesteigert. Von den Eunuchen, die um die Königin waren, gelang es Tyriotes, inmitten der Verwirrung, die die Trauernden befiel, durch das T o r zu entweichen, das vom Feinde abgekehrt lag und deshalb weniger sorgsam bewacht wurde. In Darius' Lager angekommen und von den Wächtern dort alsbald festgenommen, wurde er in das Zelt des Königs geführt — klagend und mit zerrissenem Gewand. Sobald ihn Darius erblickte, sprach er, in Erwartung lauter schmerzlicher Nachrichten und doch noch ungewiß, welche davon er am meisten fürchten sollte: „Auf deinem Gesicht steht irgend ein großes Unglück geschrieben; doch laß es dir nicht einfallen, das Ohr eines unglücklichen Menschen schonen zu wollen! Ich habe es lernen müssen, elend zu sein, und oft bedeutet es ja schon einen Trost im Leiden, sein Schicksal zu kennen. D u willst mir doch nicht etwa melden — ich fürchte mich auszusprechen, was ich vor allem vermute! — man habe mit den Meinen hohnvolle Kurzweil getrieben? Das wäre für mich und, so glaube ich, auch für sie selbst jammervoller als ein noch so qualvoller T o d ! "

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haec Tyriotes « Istud quidem procul abest » inquit; « quantuscumque enim reginis honos ab iis, qui parent, haberi potest, tuis a victore servants est. Sed uxor tua paulo ante excessit e vita. » 2 0 Tunc vero non gemi tus modo sed etiam eiulatus totis castris exaudiebantur. Nec dubit a v i Dareus, quin interfecta esset, quia nequisset contumeliam perpeti, exclamatque amens dolore: « Quod ego tantum nefas commisi, Alexander? quem tuorum propinquorum necavi, ut hanc vicem saevitiae meae redderesì Odisti me, non quidem provocatus; sed finge iustum intulisse te bellum: cum feminis ergo agere debueras? » 30 Tyriotes adfirmare per deos patrios nihil in eam gravius esse consultum: ingemuisse etiam Alexandrum morti et non parchís flevisse quam ipse lacrimaret. 31 Ob haec ipsa amantis animus in sollicitudinem suspicionemque revolutus est, desiderium captivae profecto a consuetudine stupri ortum esse coniectans. 32Summotis igitur arbitris, uno dumtaxat Tyriote retento, iam non flens, sed suspirans « Videsne, » inquit, « Tyriote, locum mendacio non esse? tormenta iam hic erunt, sed ne expectaveris per deos, si quid tibi tui regis reverentiae est: num, quod et scire expeto et quaerere pudet, ausus est et dominus et iuvenis? » 33 Ille quaestioni corpus offerre, deos testes invocare, caste sancteque habitam esse reginam. 3 4 Tandem ut fides facta est vera esse, quae adfirmaret spado, capite velato diu flevit manantibusque adhuc lacrimis, veste ab ore reiecta, ad caelum

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Tyriotes antwortete darauf: „Solches liegt völlig fern! Jegliche Ehre, wie nur Untertanen sie Königinnen erweisen können, hat der Sieger den Deinen zuteil werden lassen; doch deine Gemahlin hat vor kurzem die Augen für immer geschlossen." Darauf erhob sich im ganzen Lager nicht nur Klage, sondern lauter Jammer. Fest überzeugt, sie sei ermordet worden, weil sie Entehrung nicht habe ertragen wollen, rief Darius, vor Schmerz fast von Sinnen: „Was für ein Unrecht habe ich dir angetan, Alexander? Wen von deinen Verwandten habe ich erschlagen, daß du mir meine Wuttat so vergelten müßtest? Du haßt mich, ob ich dich auch nicht gereizt habe; aber gesetzt auch, du hättest mit gutem Grund den Krieg gegen mich begonnen, mußtest du ihn dann auch gegen Frauen führen?" Eilig versicherte Tyriotes bei den Göttern der Heimat, man habe sie keineswegs irgendwie hart behandelt: vielmehr habe Alexander bei ihrem Tode geklagt und nicht weniger reichlich Tränen vergossen, als er selbst sie beweine. Gerade darüber jedoch befiel das Herz des liebenden Gatten ein angstvoller Verdacht : vermutete er doch nun, Alexanders Schmerz um die gefangene Frau entstamme zweifellos seinem ehebrecherischen Umgang mit ihr. Er ließ daher alle Ohrenzeugen sich entfernen, behielt lediglich Tyriotes bei sich und sprach, nun nicht mehr weinend, sondern aufstöhnend: „Bist du dir klar darüber, Tyriotes, daß hier eine Lüge nicht am Platze ist? Gleich werden die Folterwerkzeuge da sein: bei den Göttern, warte sie nicht erst ab, wenn du noch etwas Ehrfurcht vor deinem König besitzt! Ich will es wissen und mag doch aus Scham nicht danach fragen: hat das etwa dieser Tyrann, dieser Jüngling gewagt - ? " Sofort bot jener seinen Körper zur Folterung an und berief sich auf die Götter als Zeugen: in allen Ehren und Züchten habe man die Königin gehalten! Als dann endlich die Angaben des Eunuchen beim König Glauben fanden, weinte er lange verhüllten Hauptes; dann sprach er, während seine Tränen noch flössen, das Antlitz wieder ent-

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manus tendens « Di patrii, » inquit « primum mihi stabilite regnum; deinde, si de me iam transactum est, precor, ne quis potius Asiae rex sit quam iste tarn iustus hostis, tarn misericors victor. » X I . 1 Itaque quamquam frustra pace bis petita omnia in bellum Consilia converterat, victus tamen continentia hostis ad novas pacis condiciones ferendas X legatos, cognatorum principes, misit; quos Alexander Consilio advocato introduci iussit. 2 E quibus maximus natu « D a reum, » inquit « ut pacem a te iam hoc tertio peteret, nulla vis subegit, sed iustitia tua et continentia expressit. 3 Matrem, coniugem, liberos eius, nisi quod sine ilio sunt, captos esse non sensimus: pudicitiae earum, quae supersunt, curarci haud secus quam parens agens reginas appellas, speciem pristinae fortunae retiñere pateris. 4 Vultum tuum video, qualis Darei fuit, cum dimitteremur ab eo; et ille tamen uxorem, tu hostem luges. Iam in acie stares, nisi cura te sepulturae eius moraretur. Ecquid mirum est, si tam ab amico animo pacem petit? Quid opus est armis, inter quos odia sublata sunt? 5 Antea imperio tuo finem destinabat H a l y m amnem, qui Lydiam terminât; nunc, quicquid inter Hellespontum et Euphraten est, in dotem filiae offert, quam tibi tradit. 6 Ochum filium, quem habes, pacis et fidei obsidem retine, matrem et

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hüllend und die Hände zum Himmel erhoben: „Ihr Götter meiner Väter — mein erster Wunsch ist: sichert mir meinen Thron; sollte aber meine Zeit vorüber sein, dann, so bitte ich euch, möge niemand anderes König von Asien werden als dieser Feind, der so gerecht empfindet, dieser Sieger, der so barmherzig handelt!" Zweimal schon hatte Darius um Frieden gebeten, aber vergeblich, so daß er nun alle seine Pläne wieder auf den Krieg hatte hinlenken müssen. Trotzdem schickte er jetzt, bezwungen von der Selbstbeherrschung seines Feindes, zehn Gesandte, und zwar die vornehmsten unter seinen Verwandten, mit neuen Friedensbedingungen ab. Alexander berief seinen Rat und ließ sie hereinführen. Der Älteste unter ihnen sprach: „Jetzt schon zum drittenmal dich um Frieden zu bitten, hat Darius keine Art von Gewalt zwingen können; wohl aber hat dein gerechter und maßvoller Sinn ihn dazu vermocht. Daß seine Mutter, seine Gemahlin, seine Kinder Gefangene sind, haben wir nur insoweit zu spüren bekommen, als sie nicht bei ihm sind. Du bist für die weibliche Ehre der noch Lebenden nicht anders als wie ein leiblicher Vater bemüht; du nennst sie Königinnen, und mit deiner Zustimmung dürfen sie wenigstens nach außen hin sich in ihrer alten hohen Stellung fühlen. Dein Antlitz trägt sichtlich denselben Ausdruck wie das des Darius, als er uns entließ; und dabei betrauert er seine Gattin, du nur eine Landesfeindin. Schon stündest du wieder in der Schlacht, hielte dich nicht die Sorge um ihre Bestattung noch auf. Ist es darum noch verwunderlich, wenn er einen so freundschaftlich Gesinnten um Frieden bittet? Was sollen da noch Waffen, wenn zwischen zwei Menschen der H a ß begraben ist? Vorher wollte er deinem Reich als Ende den Halys bestimmen, der Lydien abgrenzt; nun bietet er dir alles Land zwischen Hellespont und Euphrat als Mitgift seiner Tochter, deren Hand er dir anträgt. Seinen Sohn Ochus, der in deiner Gewalt ist, sollst du als Unterpfand des Friedens und der Treue behalten,

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duas virgines filias redde: pro tribus corporibus X X X milia talentum auri precatur accipias. 7 Nisi moderationem animi tui notam haberem, non dicerem hoc esse tempus, quo pacem non dare solum sed etiam occupare deberes. R é spice, quantum post te reliqueris; intuere, quantum petas. Periculosum est pr aegra ve Imperium: difficile est enim continere, quod capere non possis. Videsne, ut navigia, quae modum excedunt, regi nequeant? Nescio an Dareus ideo tam multa amiserit, quia nimiae opes magnae iacturae locum faciunt. 9 Facilius quaedam vincere quam tueri: quam, hercule, expeditius manus nostrae rapiunt quam continent! Ipsa mors uxoris Darei admonere te potest minus iam misericordiae tuae licere quam licuit. » 10 Alexander legatis excedere tabernáculo iussis, quid placeret, ad consilium refert. Diu nemo, quid sentiret, ausus est dicere incerta regis volúntate. " T a n d e m Parmenio antea suasisse ait, ut captivos apud Damascum redimentibus redderet: ingentem pecuniam potuisse redigi ex iis, qui multorum vincti virorum fortium occuparent manus. 1 2 Et nunc magnopere censere, ut unam anum et duas puellas, itinerum agminumque impedimenta, X X X milibus talentum auri permutet. 1 3 Opimum regnum occupare posse condicione, non bello, nec quemquam alium inter Histrum et Euphraten possedisse terras ingenti spatio intervalloque discretas. Macedoniam quoque potius respiceret, quam Bactra et Indos intueretur. " I n g r a t a oratio regi fuit; itaque ut

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doch gib Darius die Mutter und seine zwei jungen Töchter zurück; für diese drei sollst du, so bittet er, 30 000 Talente Gold erhalten. Wüßte ich nicht schon so genau, wie maßvoll du bist, ich würde nicht erst sagen: dies ist der Augenblick, wo du den Frieden nicht nur schenken, sondern sogar nach ihm greifen solltest! Schau um dich, was alles schon hinter dir liegt; doch betrachte auch den Umfang dessen, wonach du noch strebst! Gefährlich ist es,zuviel beherrschen zu wollen; schwierig ist es nämlich, zusammenzuhalten, was man nicht bewältigen kann! Vermag man ein Schiff, das jedes Maß übersteigt, noch zu lenken? Vielleicht hat Darius deshalb so viel verloren, weil allzuviel Reichtum die Möglichkeit bietet zu großem Verlust. Leichter erringt man einen Sieg, als man ihn behauptet: um wieviel müheloser greift doch unsere Hand zu, als daß sie das Ergriffene auch festhielte! Gerade der Tod von Darius' Gemahlin vermag dich daran zu erinnern, daß deinem Mitgefühl nun schon engere Grenzen gezogen sind als zuvor!" Alexander hieß die Gesandten das Zelt verlassen und stellte das Gehörte zur Beratung. Lange Zeit wagte niemand, seine Meinung zu äußern, da man nicht wußte, was der König wünschte. Endlich erklärte Parmenion, er habe ja schon vorher geraten, man solle die Gefangenen bei Damaskus gegen ein Lösegeld zurückgeben; eine ungeheure Summe hätte man für sie einlösen können, während jetzt ihre Bewachung so viele streitbare Männer beanspruche. Und nun sei er durchaus dafür, man solle die eine alte Frau und die zwei Mädchen, dieses lästige Hemmnis auf ihren Kriegszügen, gegen 30 000 Talente Gold eintauschen. Alexander könne hier eine üppige Herrschaft erlangen — durch Verhandlung statt durch Krieg, und noch kein anderer habe je zwischen Donau und Euphrat Länder besessen, die sich derartig weit und breit ausdehnten. Er solle lieber zurück nach Makedonien schauen als vor sich her nach Baktra und Indien! Ungern hörte der König das. Sobald Parmenion schwieg,

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finem dicendi fecit, « E t ego » inquit « pecuniam quam gloriam mallem, si Parmenion essem: nunc Alexander de paupertate securus sum et me non mercatorem memini esse sed regem. 1 5 Nihil quidem habeo venale, sed fortunam meam utique non vendo. Captivos si placet reddi, honestius dono dabimus, quam pretio remittemus. » i e Introductis deinde legatis ad hunc modum respondit: « Nuntiate Dareo me, quae fecerim clementer et liberaliter, non amicitiae eius tribuisse, sed naturae meae. " B e l l u m cum captivis et feminis gerere non soleo: armatus sit oportet, quem oderim. 1 8 Q u o d s i saltern pacem bona fide peteret, deliberarem forsitan, an darem; verumenimvero, cum modo milites meos litteris ad proditionem modo amicos ad perniciem meam pecunia sollicitet, ad internecionem mihi persequendus est, non ut iustus hostis, sed ut percussor veneficus. Condiciones vero pacis, quas adfertis, si accepero, victorem eum faciunt. 1 9 Q u a e post Euphraten sunt, liberaliter donat. Ubi igitur me adeatis, [nempe] obliti estis: nempe ultra Euphraten sum. Liberalissimum ergo dotis, quam promittit, terminum castra mea transeunt. Hinc me depellite, ut sciam vestrum esse, quo ceditis. 2 0 Eadem liberalitate dat mihi filiam suam: nempe quam scio alicui servorum eius nupturam. Multum vero mihi praestat, si me Mazaeo generum praeponit! 2 1 Ite, nuntiate regi vestro, et quae amisit et quae adhuc habet, praemia esse belli: hoc regente utriusque términos regni, id quemque

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sagte er daher: „Auch ich zöge Geld dem Ruhm vor wenn ich Parmenion wäre; nun aber bin ich Alexander und vor Armut nicht bange, und ich kann nicht vergessen, daß ich kein Kaufmann bin, sondern König. Ich habe keine Ware zu verkaufen, am allerwenigsten aber verkaufe ich meinen hohen Stand. Wenn wir beschließen, die Gefangenen zurückzugeben, so ist es rühmlicher, wir schenken sie ihm, als daß wir sie gegen Lösegeld zurückschicken." Darauf ließ er die Gesandten wieder hereinführen und gab ihnen folgende Antwort: „Meldet Darius: was ich aus Gnade und Großmut getan habe, verdankt er nicht meinen freundschaftlichen Gefühlen für ihn, sondern meiner Wesensart. Ich pflege nicht mit Gefangenen und mit Frauen Krieg zu führen; bewaffnet muß der sein, den ich hassen soll! Wenn er wenigstens redlichen Herzens um Frieden bäte, so würde ich es mir vielleicht überlegen, ob ich ihn gewähren sollte. Da er nun aber bald meine Soldaten schriftlich zum Verrat, bald meine Freunde zu meinem Verderben durch Geld aufwiegeln möchte, muß ich ihn bis zur Vernichtung verfolgen — nicht mehr als meinen offenen Feind, sondern als meinen mir Gift eingebenden Mörder! Eure Friedensbedingungen vollends machen, wenn ich sie annehme, ihn zum Sieger. Er schenkt mir in seiner Großmut, was hinter dem Euphrat liegt; ihr vergeßt nur dabei, wo ihr mich hier antrefft: nämlich schon jenseits des Euphrats! Mein Lager überschreitet also schon die Grenze der äußerst großzügigen Mitgift, die er mir verspricht. Vertreibt mich doch erst einmal von hier, damit ich auch weiß, daß ihr mir euer Land abtretet! Ebenso großmütig gibt er mir seine Tochter: und dabei weiß ich, daß er sie einem seiner Sklaven zur Frau geben will! Das empfinde ich freilich als eine große Ehre, wenn er mich als Schwiegersohn einem Mazäus vorzieht! Geht und meldet eurem König: nicht nur was er schon verloren hat, sondern auch, was er noch besitzt, ist der Preis des Krieges! Und da dieser Krieg über die Grenzen beider Reiche entschei-

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habiturum, quod proximae lucís adsignatura fortuna est. » 22 Legati respondent, cum bellum in animo sit, facere eum simpliciter, quod spe pacis non frustraretur. Ipsos petere, ut quam primum dimittantur ad regem: eum quoque bellum parare debere. Dimissi nuntiant adesse certamen.

X I I . 1 Ille quidem confestim Mazaeum cum tribus equitum milibus ad itinera, quae hostis petiturus erat, occupanda praemisit. 2 Alexander corpori uxoris eius iustis persolutis omnique graviore comitatu intra eadem munimenta cum modico praesidio relieto ad hostem contendit. 3 In duo cornua diviserat peditem utrique lateri equite circumdato; impedimenta sequebantur agmen. 4 Praemissum deinde cum citis equitibus Menidan iubet explorare, ubi Dareus esset. At ille, cum Mazaeus haud procul consedisset, non ausus ultra procedere, nihil aliud quam fremitum hominum hinnitumque equorum exaudisse nuntiat. 5 Mazaeus quoque conspectis procul exploratoribus in castra se recepii, adventus hostium nuntius. Igitur Dareus, qui in patentibus campis decernere optabat, armari militem iubet aciemque disponit. e In laevo cornu Bactriani ibant équités, mille admodum, Dahae totidem, et Arachosii Susianique quattuor milia explebant. Hos centum falcati currus sequebantur. Proximus quadrigis erat Bessus cum V I I I milibus equitibus item Bactrianis. 7 Massagetae duobus milibus agmen eius claudebant. Pedites his plurium gentium non immixtos, sed suae cuiusque nationis iunxerat copias.

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det, werde ein jeder von uns das sein eigen nennen, was das Geschick des nächsten Tageslichtes ihm zuzuschreiben gedenkt." Die Gesandten erwiderten, wenn er den Krieg wünsche, so handele er ehrlich, daß er sie nicht mit Friedensaussichten zu täuschen versuche; sie f ü r ihre Person bäten nun, möglichst bald zu ihrem König entlassen zu werden, denn auch er müsse sich ja zum Kriege bereit machen. Sie wurden entlassen und meldeten : jetzt sei es soweit. Darius schickte sofort Mazäus mit 3000 Reitern voraus, um die Wege abzuriegeln, die der Feind einschlagen mußte. Alexander, der inzwischen die verstorbene Königin mit allen Ehren bestattet hatte, ließ alles Gefolge, das dem Heer hinderlich sein konnte, im gleichen verschanzten Lager mit einer mäßig starken Bedeckung zurück und eilte dem Feind entgegen. Das Fußvolk hatte er in zwei Flügel eingeteilt und beide Flanken mit Reiterei umgeben; der Troß folgte dem Heere. Menidas, mit 300 Reitern vorausgeschickt, erhielt den Auftrag, Darius' Standort zu erkunden. D a sich aber Mazäus in einiger Nähe festgesetzt hatte, wagte Menidas nicht weiter vorzugehen und meldete lediglich, er habe den Lärm von Menschen und das Wiehern von Pferden hören können. Auch Mazäus zog sich ins Lager zurück, als er von weitem die Späher sichtete, und meldete das Nahen der Feinde. Daher ließ Darius - in dem Wunsch, im offenen Feld die Entscheidungsschlacht zu schlagen - seine Soldaten sich wappnen und stellte das Heer zum Kampf auf. Auf dem linken Flügel standen die baktrischen Reiter, etwa 1000 an der Zahl; ebenso viel machten die Daher und 4000 die Arachosier und Susianer aus. Ihnen folgten 100 Sichelwagen. Diesen zunächst stand Bessus mit 8000 Reitern und zwar gleichfalls Baktrern. Die Massageten beschlossen seinen H a u f e n mit 2000 Mann. Das Fußvolk verschiedener Stämme hatte Darius nicht miteinander vermischt, sondern jeweils die T r u p p e n eines Stammes zu

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Persas deinde cum Mardis Sogdianisque Ariobarzanes et Orontobates ducebant. 8 Illi partibus copiarum, summae Orsines praeerat, a Septem Persis oriundus, ad Cyrum quoque nobilissimum regem originem sui referens. ®Hos aliae gentes ne sociis quidem satis notae sequebantur. Post quas L quadrigas Phradates magno Caspiorum agmine antecedebat. Indi ceterique Rubri maris accolae, nomina verius quam auxilia, post currus erant. 10 Claudebatur hoc agmen aliis falcatis curribus, quis peregrinum militem adiunxerat. Hune Armenii, quos minores appellant, Armenios Babylonii, utrosque Belitae et, qui montes Cossaeorum incolebant, sequebantur. " P o s t hos ibant Gortuae, gentis quidem Euboicae, Medos quondam secuti, sed iam degeneres et patrii morís ignari. Adplicuerat his Phrygas et Cataonas. Parthyaeorum deinde gens incolentium terras, quas nunc Parthi Scythia profecti tenent, claudebant agmen. Haec sinistri cornus facies fuit. "Dextrum tenebant natio maioris Armeniae Cadusiique et Cappadoces et Syri ac Medi. His quoque falcati currus L erant. 13 Summa totius exercitus, équités X L V milia, pedestris acies D C milia expleverat. Hoc modo instructi X stadia procedunt iussique subsistere armati hostem expectabant.

"Alexandri exercitum pavor, cuius causa non suberat, invasit: quippe lymphati trepidare coeperunt omnium pectora occulto metu percurrente. Caeli fulgor tempore aestivo ardenti similis internitens ignis praebuit speciem, flammasque ex Darei castris splendere, velut inlati

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einem Aufgebot verbunden. Die Perser sodann, zusammen mit den Marden und Sogdianern, standen unter dem Befehl des Ariobarzanes und des Orontobates. Diese führten jedoch nur Truppenteile: der Oberbefehl lag bei Orsines, der von den „Sieben Persern" abstammte und auf den hochedlen König Kyrus sein Geschlecht zurückführte. Ihnen folgten andere Stämme, die nicht einmal ihren Verbündeten hinreichend bekannt waren. Hinter ihnen kamen 50 vierspännige Wagen, denen Phradates mit einem großen Haufen Kaspier voranzog. Die Inder und die übrigen Anwohner des Roten Meeres — mehr tönende Namen als wirkliche Hilfsvölker — standen hinter den Wagen. Diesen Heerhaufen beschlossen weitere Sichelwagen, denen Darius Soldaten aus dem Ausland beigegeben hatte. Diesen folgten die sogenannten Klein-Armenier, den Armeniern die Babylonier und beiden die Beliter und die Bewohner der Kossäischen Berge. Hinter diesen standen die Gortuer, einem euböischen Stamme zugehörig und einstmals den Medern gefolgt, jetzt aber schon der Heimat entfremdet und ihrer alten Sitten unkund geworden. An diese lehnten sich die Phryger und Kataoner. Sodann beschloß der Stamm der Parthyäer den Haufen: er bewohnte die Länder, die heute die aus dem Skythenland gekommenen Parther besetzt halten. Diesen Anblick also bot der linke Flügel. Auf dem rechten standen die Groß-Armenier, die Kadusier, die Kappadoker, die Syrer und die Meder. Auch sie besaßen 50 Sichelwagen. Das gesamte Heer bestand aus 45 000 Mann an Reiterei und 600 000 Mann Fußvolk. Derart aufgestellt rückten sie zehn Stadien vor, machten dann wie befohlen halt und erwarteten unter Waffen den Feind. Alexanders Heer überfiel nun ein Schrecken, für den ein Grund nicht vorlag; wie von einer Panik ergriffen begannen sie zu beben, denn heimliche Furcht durchrann aller Herzen. Der strahlende Himmel leuchtete in seiner sommerlichen Glut stellenweise wie ein Feuer; Flammen schienen aus Darius' Lager aufzusprühen, so als ob sie, die Ma-

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temere praesidiis, credebant. l 5 Quodsi perculsis Mazaeus, qui praesidebat itineri, supervenisset, ingens clades accipi potuit; nunc, dum ille segnis in eo, quem occupaverat, tumulo sedet, contentus non lacessi, " A l e x a n d e r cognito pavore exercitus signum, ut consistèrent, dari, ante ipsos arma deponere ac levare corpora iubet, admonens nullam subiti causam esse terroris, hostem procul stare. " T a n d e m compotes sui pariter arma et ánimos recepere. N e c quicquam ex praesentibus tutius visum est quam eodem loco castra munire. 1 8 Postero die Mazaeus - cum delectis equitum in edito colle, ex quo Macedonum prospiciebantur castra, consederat — sive metu sive quia speculari modo iussus erat, ad Dareum rediit. " M a c e d o n e s eum ipsum collem, quem deseruerat, occupaverunt: nam et tutior planitie erat et inde acies hostium, quae in campo explicabatur, conspici poterat. 2 0 Sed caligo, quam circa humidi effuderant montes, universam equidem rei faciem non abstulit, ceterum agminum discrimina atque ordinem prohibuit perspici. Multitudo inundaverat campos, fremitusque tot milium etiam procul stantium aures impleverat. 2 1 Fluctuari animo rex et modo suum modo Parmenionis consilium sera aestimatione perpendere: quippe eo ven tum erat, unde recipi exercitus nisi victor sine clade non posset. 2 2 Itaque dissimulato periculo mercennarium equitem ex Paeonia praecedere iubet.

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phalangem, sicut antea dictum est, in duo cornua extenderat: utrumque cornu equi-

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kedonen selbst, unversehens mitten zwischen seine Vorposten hineingeraten wären. Hätte Mazäus, der den Zuweg besetzt hielt, die Erschrockenen jetzt überfallen, sie hätten eine ungeheure Niederlage hinnehmen müssen; der aber saß noch untätig auf dem von ihm besetzten Hügel und war froh, daß man ihn nicht angriff. Alexander spürte die Panik in seinem Heer; er ließ daher seine Leute haltmachen, die Waffen vor sich hinlegen und sich so eine Erleichterung verschaffen, wobei er sie daran erinnerte, es sei gar kein Anlaß für eine plötzliche Furcht da, der Feind stehe j a noch weit entfernt! Endlich beruhigten sie sich, nahmen die Waffen wieder auf und schöpften zugleich frischen Mut; doch schien es unter diesen Umständen das Sicherste, an Ort und Stelle ein Lager aufzuschlagen. Am folgenden T a g kehrte Mazäus — er hatte mit seinen auserwählten Reitern oben auf dem Hügel gesessen, von wo aus er das makedonische Lager vor sich sehen konnte — zu Darius zurück, entweder aus Furcht oder weil er eben nur den Auftrag hatte, auszuspähen. Nun besetzten die Makedonen eben den Hügel, den er geräumt hatte, denn er bot größere Sicherheit als die Ebene, und von dort aus war das feindliche Heer zu sehen, wie es sich im flachen Felde entfaltete. Aber ein dichter Nebel, der sich von den feuchten Bergen ringsum ausgebreitet hatte, nahm ihnen zwar nicht jegliche Sicht, hinderte sie jedoch, die einzelnen Heerhaufen und ihre Aufstellung zu erkennen. Die Menschenmasse hatte sich über die Felder ergossen, und der Lärm von soviel Tausenden schlug auch auf solch große Entfernung an ihr Ohr. Unschlüssig stand der König da, bald seinen Plan, bald den des Parmenion spät noch abwägend: war es doch nun unmöglich geworden, das Heer — es sei denn als Sieger! — ohne Niederlage wieder zurückzunehmen. Daher gab er, ohne die gefährliche Lage merken zu lassen, Befehl, die päonischen Reiter, eine Söldnertruppe, sollten vorgehen. Die Phalanx hatte er, wie schon gesagt, in zwei Flügel ausgedehnt; beide standen unter dem Schutz von Reiterei.

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tes tegebant. Iamque nitidior lux discussa caligine aciem hostium ostenderat, et Macedones sive alacritate sive taedio expectationis ingentem pugnantium more edidere clamorem. Redditus et a Persis nemora vallesque circumiectas terribili sono impleverat. 2 4 Nec iam contineri Macedones poterant, quin cursu quoque ad hostem contenderent. Melius adhuc ratus in eodem tumulo castra munire, vallum iaci iussit strenueque opere perfecto in tabernaculum, ex quo tota acies hostium conspiciebatur, secessit.

X I I I . x T u m vero universa futuri discriminis facies in oculis erat: armis insignibus equi virique splendebant, et omnia intentiore cura praeparari apud hostem sollicitudo praetorum agmina sua interequitantium ostendebat, 2 ac pleraque inania, sicut fremitus hominum, equorum hinnitus, armorum internitentium fulgor, sollicitam expectatione mentem turbaverant. 3 Igitur sive dubius animi sive ut suos experiretur, consilium adhibet, quid optimum factu esset exquirens. 4 Parmenio, peritissimus inter duces artium belli, furto, non proelio opus esse censebat: intempesta nocte opprimi posse hostes; discordis moribus, linguis, ad hoc somno et improviso periculo territos, quando in nocturna trepidatione coituros? 5 A t interdiu primum terribiles occursuras facies Scytharum Bactrianorumque: hirta illis ora et intonsas comas esse, praeterea eximiam vastorum magnitudinem corporum. Yanis et inanibus militem magis

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Schon ließ jetzt das hellere Tageslicht, das den Nebel vertrieben hatte, das Heer der Feinde sichtbar werden, und die Makedonen erhoben, aus Kampfeseifer oder des Wartens überdrüssig, das gewohnte ungeheure Kriegsgeschrei. Die Perser erwiderten es, und Wälder und Täler ringsum waren des schreckerregenden Klanges voll. Und jetzt ließen sich die Makedonen kaum mehr zurückhalten, gegen den Feind sogar anzulaufen. Aber Alexander hielt es vorläufig doch für besser, auf eben diesem Hügel ein festes Lager aufzuschlagen; er ließ einen Wall aufwerfen, und als die Arbeit unverzüglich verrichtet war, begab er sich in sein Zelt, von wo aus er die ganze feindliche Streitmacht ins Auge fassen konnte. Nun hatte er also das gesamte Bild der nahenden Entscheidung vor Augen: Mann und Roß gleißten in ihrem Waffenschmuck, und daß alles beim Feind mit doppelter Sorgfalt vorbereitet war, zeigte die Unruhe, mit der die Heerführer an ihren Scharen auf und ab ritten; und an sich so nichtige Dinge wie der Lärm der Menschen, das Wiehern der Pferde und der Glanz aufblitzender Waffen hatten ihn in der Unruhe des Abwartens verwirrt gemacht. Daher berief er — entweder weil er wirklich schwankte oder weil er die Seinen nur auf die Probe stellen wollte — einen Kriegsrat und stellte die Frage, was jetzt das beste sei. Parmenion, unter den Heerführern der erfahrenste Kriegsmann, war der Ansicht, hier sei eine List und kein Kampf am Platze: mitten in der Nacht könne man die Feinde überfallen; bei ihren verschiedenen Landessitten und Sprachen, dazu im Schlaf und durch die unerwartete Gefahr aufgeschreckt, - wie könnten sie sich dann in der nächtlichen Verwirrung sammeln? Bei Tage dagegen würden dem Heere erst einmal die schreckenerregenden Gestalten der Skythen und Baktrer entgegentreten — mit ihren bärtigen Gesichtern und den langen Haaren, dazu ihren Riesenleibern. Von diesen völlig äußerlichen Dingen lasse sich ja

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quam iustis formidinis causis moveri. e Deinde tantam multitudinem circumfundi paucioribus posse, cum non in Ciliciae angustiis et inviis callibus, sed in aperta et lata planitie dimicarent. 7 Omnes ferme Parmenioni adsentiebantur: Polypercon haud dubie in eo Consilio positam victoriam arbitrabatur. 8 Quem intuens rex - namque Parmenionem nuper acrius, quam vellet, increpitum rursus castigare non sustinebat - « Latrunculorum » inquit « et furum ista sollertia est, quam praecipitis mihi: quippe illorum votum unicum est fallere. 9 Meae vero gloriae semper aut absentiam Darei aut angustias locorum aut furtum noctis obstare non patiar. Palam luce adgredi certum est: malo me meae fortunae paeniteat, quam victoriae pudeat. 10 Ad haec illud quoque accedit: vigilias agere barbaros et in armis stare, ut ne decipi quidem possint, compertum habeo. Itaque ad proelium vos parate. » Sic incitatos ad corpora curanda dimisit.

11 Dareus id, quod Parmenio suaserat, hostem facturum esse coniectans frenatos equos stare magnamque exercitus partem in armis esse ac vigilias intentiore cura servari iusserat; ergo ignibus tota eius castra fulgebant. 12 Ipse cum ducibus propinquisque agmina in armis stantium circumibat, Solem et Mithrem sacrumque et aeternum invocans ignem, ut illis dignam vetere gloria maiorumque monumentis fortitudinem inspirarent. 13 Et profecto, si qua divinae opis auguria humana mente concipi possent, deos

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der Soldat mehr beeindrucken als von regelrechten Anlässen zur Furcht. Und es könne ja dann eine solche Riesenmasse ihre Minderzahl einfach einschließen, da man hier nicht in den Engpässen Kilikiens und auf unwegsamen Fußpfaden kämpfe, sondern in einer offenen, weiten Ebene! Fast alle stimmten Parmenion zu; Polyperkon meinte, zweifellos werde man so Sieger bleiben. Der König heftete seinen Blick auf ihn, denn Parmenion mochte er nicht wieder zurechtweisen, nachdem er ihn erst vor kurzem schärfer als eigentlich beabsichtigt angefahren hatte, und sagte: „Straßenräuber und Diebe treiben solche Künste, wie ihr sie mir da vorschlagen wollt; solche Leute nämlich haben einzig und allein den Wunsch, andere zu betrügen. D a ß jedoch meinem Ruhme jedesmal ein fernweilender Darius, ein Engpaß oder eine nächtliche Diebeslist Eintrag tun soll, das kann ich nicht dulden: am hellen Tage müssen wir angreifen! Lieber will ich meinem Mißgeschick grollen, als mich meines Sieges schämen müssen. Außerdem kommt noch dazu: ich weiß mit Bestimmtheit, daß die Barbaren nachts Wache halten und unter Waffen bleiben, so daß man sie gar nicht täuschen kann. Also haltet euch zum Kampf bereit!" Mit solchen anspornenden Worten schickte er sie fort, damit sie Kräfte für den Kampf sammelten. In der Vermutung, der Feind werde tun, was Parmenion angeraten, hatte Darius befohlen, die Pferde sollten aufgezäumt bleiben, ein großer Teil des Heeres habe alarmbereit zu stehen und die Posten hätten ihre Aufmerksamkeit zu verdoppeln. So leuchteten denn überall in seinem Lager die Wachtfeuer. E r selbst schritt mit den Feldherren und den Leuten seiner Umgebung die in Waffen stehenden Heerhaufen ab, wobei er den Sonnengott und Mithras samt dem „Heiligen Ewigen Feuer" anrief, sie möchten den Kriegern den Geist der Tapferkeit einhauchen, der ihres alten Ruhmes und der Großtaten ihrer Vorfahren würdig sei. Und wahrlich, sagte er, wenn Menschensinn überhaupt irgendwelche Anzeichen göttlicher

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stare secum. Illos nuper Macedonum animis subitam incussisse formidinem, adhuc lymphatos ferri agique arma iacientes; expetere praesides Persarum imperii debitas e vaecordibus poenas. " N e c ipsum ducem saniorem esse: quippe ritu ferarum praedam modo, quam expeteret, intuentem in perniciem, quae ante praedam posita esset, incurrere. Similis apud Macedones quoque sollicitudo erat noctemque, velut in eam certamine edicto, metu egerunt. "Alexander non alias magis territus ad vota et preces Aristandrum vocari iubet. Ille in candida veste verbenas manu praeferens capite velato praeibat preces regi Iovem Minervamque Victoriam propitianti. ie Tunc quidem sacrificio rite perpetrato reliquum noctis adquieturus in tabernaculum rediit. Sed nec somnum capere nec quietem pati poterat: modo e iugo montis aciem in dextrum Persarum cornu demittere agitabat, modo recta fronte concurrere hosti, interdum haesitare, an potius in laevum detorqueret agmen. 17 Tandem gravatum animi anxietate corpus altior somnus oppressit. Iamque luce orta duces ad accipienda imperia convenerant insolito circa praetorium silentio attoniti: 18 quippe alias accersere ipsos et interdum morantes castigare adsueverat, tunc ne ultimo quidem rerum discrimine excitatum esse mirabantur et non somno quiescere, sed pavore marcere credebant. 10 Non tamen quisquam ex custodibus corporis intrare tabernacu-

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Hilfe erfassen könne, so ständen die Götter auf seiner Seite! Sie hätten jüngst die Herzen der Makedonen mit plötzlicher Angst geschlagen; noch jetzt irrten diese wie die Besessenen hin und her und würfen die "Waffen von sich! So zögen also die Schutzgottheiten des Perserreiches die Wahnwitzigen mit wohlverdienter Strafe zur Rechenschaft. Und auch ihr Führer sei nicht mehr bei Vernunft als sie: wie ein wildes Tier, nur immer auf die begehrte Beute starrend, renne er in die verderbenbringende Falle, die man vor der Beute aufgestellt habe! Ähnlich bewegt ging es auch bei den Makedonen zu: sie verbrachten die Nacht in Furcht, als wäre der Endkampf für diese Zeit angesetzt. Mehr in Schrecken geraten als sonst jemals, ließ Alexander, um Gelübde und Gebete zu vollziehen, Aristander rufen. Dieser in seinem weißen Gewand, geweihte Zweige in der Hand und das Haupt verhüllt, sprach dem Könige die Gebete vor, mit denen dieser Jupiter und die Siegesgöttin Minerva um ihre Gunst bat. Als dann das Opfer in der gebührenden Form verrichtet war, kehrte Alexander in sein Zelt zurück, um den Rest der Nacht noch zu ruhen. Aber weder vermochte er einzuschlafen noch die Ruhe zu ertragen: bald gedachte er, von dem Bergrücken aus sein Heer gegen den rechten Flügel der Perser vorzuschicken, bald unmittelbar mit der Front dem Feind entgegenzutreten; dann wieder schwankte er, ob er sein Heer nicht besser nach links hin schwenken lassen solle. Endlich erst kam tiefer Schlaf über den von angstvoller Sorge Beschwerten. Schon waren nach Sonnenaufgang die Führer zur Befehlsausgabe versammelt, erstaunt über das ungewohnte Schweigen rings um das Feldherrnzelt: pflegte doch sonst Alexander sie selbst holen zu lassen und manchmal zu schelten, wenn sie noch säumten. Jetzt aber hatte ihn zu ihrer Verwunderung nicht einmal die letzte, entscheidende Schlacht geweckt, und schon glaubte man, er schlafe nicht, sondern liege von Schreck gelähmt und erschöpft. Trotzdem wagte keiner der Leibwächter das

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lum audebat. Et iam tempus instabat, nec miles iniussu ducis aut arma capere poterat aut in ordines ire. 20 Diu Parmenio cunctatus, cibum ut caperent, ipse pronuntiat. Iamque exire necesse erat: tunc demum intrat tabernaculum saepiusque nomine compellatum, cum voce non posset, tactu excitavit. 21 « Multa lux » inquit « est: instructam aciem hostis admovit, tuus miles adhuc inermis expectat imperium. Ubi est vigor ille animi tui? nempe excitare vigiles soles. » 22

Ad haec Alexander: « Credisne me prius somnum capere potuisse, quam exonerarem animum sollicitudine, quae quietem morabatur? » signumque pugnae tuba dari iussit. Et cum in eadem admiratione Parmenio perseveraret, quod solutum se curis somnum cepisse dixisset, 23 « Minime » inquit « mirum est: ego enim, cum Dareus terram ureret, vicos excinderet, alimenta corrumperet, potens mei non eram; 24 nunc vero quid metuam, cum acie decernere paret? Hercule, votum meum implevit. Sed huius consilii postea quoque ratio reddetur: vos ite ad copias, quibus quisque praeest, ego iam adero et, quid fieri velim, exponam. » 2 5 Raro admodum, admonitu magis amicorum quam metu discriminis, quod adeundum erat, lorica uti solebat; tunc quoque munimento corporis sumpto processit ad milites. H a u d alias tam alacrem viderant regem et vultu eius interrito certam spem victoriae augurabantur.

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Atque ille proruto vallo exire copias iubet aciemque disponit. In dextro cornu locati sunt

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Zelt zu betreten, obwohl es doch an der Zeit war; denn ohne Befehl des Führers durfte der Soldat die Waffe nicht aufnehmen und ins Glied treten. Nach langem Zögern befahl dann Parmenion selbst, man solle frühstücken. Erst jetzt, wo es wirklich an der Zeit war auszurücken, betrat er das Zelt und rief den König mehrmals beim Namen; als auch der Zuruf ihn nicht zu wecken vermochte, berührte er ihn: „Es ist schon heller Tag!" rief er. „Der Feind hat sein Heer zum Kampf in Bewegung gesetzt, und dein Soldat erwartet noch ungewaffnet deinen Befehl! Wo bleibt deine alte Geisteskraft? Sonst pflegst ja du doch die Wächter zu wecken!" Darauf gab Alexander zur Antwort: „Glaubst du, ich hätte einschlafen können, ehe ich nicht die lastende Sorge los wurde, die mir die Ruhe fernhielt?" und ließ das Zeichen zur Schlacht blasen. Und als Parmenion noch immer verwundert blieb, weil er angeblich sorgenlos geschlafen habe, sagte er: „Das ist doch nicht verwunderlich! Damals, als Darius das Land mit Feuer verwüstete, die Dörfer anzündete und die Lebensmittel vernichtete, da war ich nicht Herr meiner selbst; was aber habe ich jetzt zu fürchten, wo er sich zur Entscheidungsschlacht anschickt? Beim Herkules, er hat meinen Wunsch erfüllt! Jedoch wird sich über diesen meinen Plan auch später noch Rechenschaft ablegen lassen. Ihr geht jetzt zu euren Truppenteilen, jeder zu dem, den er führt; ich werde alsbald auch da sein und erklären, was zu geschehen hat." Selten nur und auch dann mehr auf das Zureden seiner Freunde hin als aus Furcht vor einer Gefahr, der es entgegenzutreten galt, pflegte er sich des Panzers zu bedienen; jetzt legte auch er die Wehr an und trat vor seine Soldaten. Niemals bisher hatten diese ihren König so voll Feuer gesehen, und aus seiner unerschrockenen Miene strahlte ihnen die sichere Erfüllung ihrer Siegeshoffnung entgegen. Und nun ließ er sofort den Wall niederwerfen, hieß die Truppen vorrücken und stellte sie zur Schlacht auf. Und

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équités, quos agema appellabant; praeerat his Clitus, cui iunxit Philotae turmas, ceterosque praefectos equitum lateri eius adplicuit. " U l t i ma Meleagri ala stabat, quam phalanx sequebatur. Post phalangem Argyraspides erant; his Nicanor, Parmenionis filius, praeerat. 2 8 In subsidies cum manu sua Coenos, post eum Orestae Lyncestaeque sunt positi; post illos Polypercon, dux peregrini militis. "¡" Huius agminis princeps Amyntas erat: Philippus Balacri eos regebat in societatem nuper adscitos. Haec dextri cornus facies erat. 2 8 In laevo Craterus Peloponnensium équités habebat, Achaeorum et Locrensium et Malieon turmis sibi adiunctis. Hos Thessali équités claudebant Philippo duce. Peditum acies equitatu tegebatur. Frons laevi cornus haec erat. 30 Sed ne circumiri posset a multitudine, ultimum agmen valida manu cinxerat. Cornua quoque subsidiis firmavit non recta fronte, sed a latere positis, ut, si hostis circumvenire aciem temptasset, parata pugnae forent. 31 Hic Agriani erant, quibus Attalus praeerat, adiunctis sagittariis Cretensibus. Ultimos ordines avertit a fronte, ut totam aciem orbe muniret. Illyrii hie erant adiuncto milite mercede conducto, Thracas quoque simul obiecerat leviter armatos. 32 Adeoque aciem versabilem posuit, ut, qui ultimi stabant, ne circumirentur, verti tarnen et in frontem circumagi possent. Itaque non prima quam latera, non latera munitiora fuere quam terga. 33 His ita ordinatis praecipit,

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zwar stellte er auf den rechten Flügel die Reiter, die man das Agema nannte; Klitus befehligte sie, dem er nun die Reiterscharen des Philotas beigab, während er die übrigen Reiterführer an dessen Flanke anlehnte. Als letztes Geschwader stellte er das des Meleager auf; ihm folgten die Phalanx und dahinter die „Argyraspides": Nikanor führte sie, ein Sohn Parmenions. In Reserve stand Könus mit seinem Haufen, dahinter die Orester und die Lynkester, alsdann Polyperkon als Führer der ausländischen Soldaten. f Der Führer dieser Abteilung war Amyntas: Philippus, der Sohn des Balakrus, befehligte sie; erst kürzlich hatte man sie als Bundesgenossen aufgenommen. Dies war das Bild, das der rechte Flügel bot. Auf dem linken führte Kraterus die peloponnesischen Reiter, verbunden mit den Schwadronen der Achäer, der Lokrer und der Malier. Den Abschluß bildeten die thessalischen Reiter unter Philippus. Die Front des Fußvolks wurde von Reiterei gedeckt. Das war die Front auf dem linken Flügel. Um nun nicht von der Menge umgangen werden zu können, hatte Alexander den letzten Haufen mit einer starken Schar ringsum gesichert. Auch die Flügel stärkte er durch Reserven, die er jedoch nicht in gleicher Richtung mit der Front, sondern mit der Flanke aufstellte, damit sie schlagbereit seien, falls der Feind versuchen sollte, die Front zu umgehen. Hier standen die Agrianer unter Attalus, in Verbindung mit den Schützen aus Kreta; ihre letzten Reihen mußten der Front den Rücken zudrehen, um so ringsum das ganze Heer zu schützen. Ferner standen hier die Illyrier zusammen mit den Söldnern, und zugleich hatte er hier auch die leichtbewaffneten Thraker untergebracht. Und derart beweglich stellte er das Heer auf, daß die hintersten Reihen, die eine Umzingelung verhüten sollten, trotzdem noch wenden und in die Front einschwenken konnten. So waren Vordertreffen, Flanken und Rücken gleich stark geschützt. Als er die Reihen so aufgestellt hatte, befahl er: wenn die

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ut, si falcatos currus cum fremitu barbari emitterent, ipsi laxatis ordinibus impetum incurrentium silentio exciperent, haud dubius sine noxa transcursuros, si nemo se opponeret; sin autem sine fremitu immisissent, eos ipsi clamore terrerent pavidosque equos telis utrimque suffoderent. 34 Qui cornibus praeerant, extendere ea iussi ita, ut nec circumvenirentur, si artius starent, nec tamen ultimam aciem exinanirent. 35 Impedimenta cum captivis, inter quos mater liberique Darei custodiebantur, haud procul acie in edito colle constituit modico praesidio relicto. Laevum cornu, sicut alias, Parmenioni tuendum datum, ipse in dextro stabat.

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ad iactum teli pervenerant, cum Bion quidam transfuga, quanto máximo cursu potuerat, ad regem pervenit nuntians múrices ferreos in terram defodisse Dareum, qua hostem équités emissurum esse credebat, notatumque certo signo locum, ut fraus evitari a suis posset. 37 Adservari transfuga iusso duces convocai expositoque, quod nuntiatum erat, monet, ut regionem monstratam declinent equitemque periculum edoceant. 38 Ceterum hortantem exercitus exaudire non poterat usum aurium intercipiente fremitu duorum agminum; sed in conspectu omnium duces et proximum quemque interequitans adloquebatur: X I V . 1Emensis tot terras in spem victoriae, de qua dimicandum foret, hoc unum superesse discrimen. Granicum hic amnem Ciliciaeque montes et Syriam Aegyptumque praetereunti-

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Barbaren unter Gelärm ihre Sichelwagen vorschickten, dann sollten sie selbst ihre Reihen öffnen und die daherfahrenden Wagen schweigend im Empfang nehmen; wenn diesen nur niemand entgegenträte, würden sie zweifellos ohne Schaden anzurichten durchfahren. Sollten die Perser aber ohne Gelärm auf sie losfahren, dann sollten sie selbst sie durch Kriegsgeschrei erschrecken und die scheuenden Pferde von beiden Seiten her mit Speeren verwunden. Die Führer der Flügel mußten diese noch etwas erweitern und zwar so, daß sie nicht, allzu eng aufgestellt, umzingelt werden könnten, aber auch nicht als zu schwach die hintersten Reihen in Gefahr brächten. Den Troß mitsamt den Gefangenen, in deren Mitte auch Darius' Mutter und seine Kinder bewacht wurden, stellte er nicht weit vom Heer auf einer Anhöhe auf und ließ dort nur eine mäßige Bedeckung zurück. Den linken Flügel befehligte wie auch sonst Parmenion, er selbst stand auf dem rechten. Noch war man einander nicht auf Schuß weite genaht, da traf in atemloser Eile ein Überläufer namens Bion beim Könige ein und meldete, Darius habe spitze Eisen in die Erde eingraben lassen und zwar da, wo voraussichtlich die Reiter vorgehen würden, und diese Stelle sei gekennzeichnet, damit die Seinen der List ausweichen könnten. Alexander ließ den Überläufer verwahren, rief die Führer zusammen, teilte ihnen die Meldung mit und wies sie an, der bezeichneten Gegend auszuweichen und ihre Reiter auf die Gefahr hinzuweisen. Zwar vermochte die Truppe seine Ansprache nicht zu hören, da der Lärm zweier Heerhaufen den Gebrauch der Ohren unmöglich machte; doch ritt er vor aller Augen an die Führer und an die vordersten Reihen heran und sprach sie folgendermaßen an: Nun, wo sie so viel Länder in der Hoffnung auf einen Sieg durchmessen hätten, der jetzt erfochten werden müsse, bleibe ihnen nur noch diese eine letzte Entscheidung. Den Granikus, die Berge Kilikiens, Syrien und Ägypten, die

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bus raptas, ingentia spei gloriaeque incitamenta, referebat. 2 Reprehensos ex fuga Persas pugnaturos, quia fugere non possent. Tertium iam diem metu exangües armis suis oneratos in eodem vestigio haerere. Nullum desperationis illorum maius indicium esse, quam quod urbes, quod agros suos urerent, quicquid non corrupissent, hostium esse confessi. 3 Nomina modo vana gentium ignotarum ne extimescerent: neque enim ad belli discrimen pertinere, qui ab iis Scythae quive Cadusii appellarentur. O b id ipsum, quod ignoti essent, ignobiles esse: 4 numquam ignorari viros fortes, at imbelles ex latebris suis erutos nihil praeter nomina adferre. Macedonas virtute adsecutos, ne quis toto orbe locus esset, qui tales viros ignoraret. s Intuerentur barbarorum inconditum agmen: alium nihil praeter iaculum habere, alium funda saxa librare, paucis iusta arma esse. Itaque illinc plures stare, hinc plures dimicaturos. e N e c postulare se, ut fortiter capesserent proelium, ni ipse ceteris fortitudinis fuisset exemplum: se ante prima signa dimicaturum. Spondere pro se tot cicatrices, totidem corporis decora; scire ipsos unum paene se praedae communis exortem in ill is colendis ornandisque usurpare victoriae praemia. 7 H a e c se fortibus viris dicere. Si qui dissimiles eorum essent, illa fuisse dicturum: pervenisse eo, unde fugere non possent. T o t ter-

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sie wie im Fluge erobert hätten, rief er ihnen ins Gedächtnis zurück — Länder, die sie so gewaltig zu Ruhmestaten verlockt hätten. Die Flucht der Perser hätten sie jetzt zum Stehen gebracht, so daß diese nur noch kämpften, weil ihnen keine Flucht mehr bleibe: schon den dritten Tag klebten sie, bleich vor Furcht, unter dem Druck ihrer Waffen seufzend, auf dem gleichen Fleck. Nichts kennzeichne ihre Verzweiflung deutlicher als die Tatsache, daß sie ihre Städte, ihre Felder niederbrennten — ein Zugeständnis dafür, daß alles, was sie nicht vernichtet hätten, dem Feinde gehöre. Vor den bloßen Namen unbekannter Stämme brauche man sich nicht zu fürchten: ob sie sich nun Skythen oder Kadusier nennten, den Krieg vermöchten sie wahrlich nicht zu entscheiden! Und da man ihre Namen nicht kenne, seien sie also auch nicht kennenswert : Helden dagegen kenne jedermann, kriegscheues Gesindel aber, das man aus seinen Schlupfwinkeln erst habe aufstöbern müssen, bringe nichts mit sich als seinen bloßen Namen. Die Makedonen aber hätten durch ihren Heldenmut erreicht, daß es auf der ganzen Welt keinen Fleck mehr gebe, der von solchen Männern nicht wüßte. Sie sollten doch nur einmal dies wirre Barbarenheer anschauen: der eine besitze nichts als einen Wurfspieß, der andere schwinge lediglich die Steinschleuder, und nur wenige trügen richtige Waffen. Gewiß, es ständen dort mehr, dafür würden aber hier auch mehr kämpfen! Er fordere sie nicht zu tapferem Einsatz auf, solange er nicht selbst allen anderen ein Vorbild des Mutes sei: sein Platz im Kampf werde vor der Front sein! Für sich erwarte er sich so viele Narben als ebenso viele Zierden seines Körpers : das wüßten sie ja selbst, daß er fast allein keinen Anteil an der gemeinsamen Beute wünsche, sondern den Siegeslohn dazu verwende, sie zu ehren und auszuzeichnen! Das sage er ihnen als tapferen Männern. Wenn aber einige unter ihnen anders beschaffen wären, dann würde er zu diesen gesagt haben: jetzt sei man an einem Punkt angelangt, wo es keine Flucht mehr gebe; nachdem sie so weite

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rarum spatia emensis, tot amnibus montibusque post tergum obiectis iter in patriam et penates manu esse faciendum. Sic duces, sic proximi militum instincti sunt. 8 Dareus in laevo cornu erat, magno suorum agmine, delectis equitum peditumque stipatus, contempseratque paucitatem hostis v a n a m aciem esse extentis cornibus ratus. 9 Ceterum, sicut curru eminebat, dextra laevaque ad circumstantia agmina oculos manusque circumferens « Terrarum,» inquit « quas Oceanus hinc adluit, illinc claudit Hellespontus, paulo ante domini, iam non de gloria, sed de salute et, quod saluti praeponitis, libertate pugnandum est. 1 0 Hic dies imperium, quo nulla amplius vidit aetas, aut constituet aut finiet. A p u d Granicum minima virium parte cum hoste certavimus, in Cilicia victos Syria poterat excipere, magna munimenta regni Tigris atque Euphrates erant. 1 1 V e n tum est eo, unde pulsis ne fugae quidem locus est. Omnia tam diutino bello exhausta post tergum sunt: non incolas suos urbes, non cultores habent terrae. Coniuges quoque et liberi sequuntur hanc aciem, parata hostibus praeda, nisi pro carissimis pignoribus corpora opponimus. 1 2 Q u o d mearum fuit partium, exercitum, quem paene immensa planities v i x caperet, comparavi; equos, arma distribuì; commeatus ne tantae multitudini deessent, providi; locum, in quo acies explicari posset, elegi. " C e tera in vestra potestate sunt: audete modo vincere famamque, infirmissimum adversus fortes

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Länder durchmessen, stellten sich ihnen so viel Flüsse und Berge in ihrem Rücken entgegen, daß man nun den Weg in die teure Heimat sich mit stürmender Hand bahnen müsse. So ermutigte er die Führer und so die vordersten Reihen. Darius befand sich auf dem linken Flügel, umgeben von der gewaltigen Schar der Seinen, von auserlesenen Reitern und Kämpfern zu Fuß. Der geringen Zahl der Feinde gegenüber war er voll Verachtung; glaubte er doch, deren Front mit den ausgedehnten Flügeln sei kein Hemmnis. Hoch auf seinem "Wagen ließ er zur Rechten und zur Linken über die Scharen ringsum die Augen und die Arme kreisen und sprach: „Aller der Länder, die hier der Ozean bespült, dort der Hellespont abschließt, waren wir vor kurzem noch Herr; nun geht der Kampf nicht mehr um den Ruhm, sondern um das Leben und, was mehr heißt als Leben, um die Freiheit. Der heutige Tag wird das Reich, das größte, das die Welt je gesehen, begründen oder beenden. Am Granikus haben wir nur mit einem geringen Teil unserer Streitkräfte gegen den Feind gestritten; in Kilikien vermochte Syrien die Besiegten schützend aufzunehmen, und ein mächtiges Bollwerk des Reichs waren Tigris und Euphrat. Jetzt aber stehen wir da, wo uns als Geschlagene kein Stätte zur Flucht mehr bleibt. Hinter uns liegt nur noch Land, das vom ständigen Kriege entleert ist; keine Bewohner mehr haben die Städte, keine Bebauer mehr hat das Land. Weib und Kind begleiten dieses unser Heer - eine leichte Beute dem Feind, falls wir nicht unsere Leiber für diese unsere teuersten Unterpfänder einsetzen. Soweit es an mir lag, habe ich ein Heer geschaffen, das diese fast unermeßliche Ebene kaum zu fassen vermag; Pferde und Waffen habe ich ausgeteilt, und ich habe dafür gesorgt, daß es einer solchen Menge an Nahrung nicht fehle. Ich habe den Platz gewählt, an dem sich das Heer entfalten kann. Alles weitere liegt nun in eurer Hand: habt nur den Mut zum Sieg und verachtet den Ruf, der den Feinden vorangeht, — als die schwächste Waffe im

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viros telum, contemnite. Temeritas est, quam adhuc pro virtute timuistis; quae ubi primum impetum effudit, velut quaedam animalia emisso aculeo, torpet. 1 4 Hi vero campi deprehendere paucitatem, quam Ciliciae montes absconderant. Videtis ordines raros, cornua extenta, mediam aciem vanam et exhaustam; nam ultimi, quos locavit aversos, terga iam praebent. Obteri, mehercule, equorum ungulis possunt, etiam si nihil praeter falcatos currus emisero. lo Et bello vicerimus, si vincimus proelio; nam ne illis quidem ad fugam locus est: hincEuphrates, illinc Tigris prohibet inclusos. 16 Et quae antea pro illis erant, in contrarium versa sunt. Nostrum mobile et expeditum agmen est, illud praeda grave. Implicatos ergo spoliis nostris trucidabimus, eademque res et causa erit victoriae et fructus. 17 Quodsi quem e vobis nomen gentis movet, cogitet Macedonum illic arma esse, non corpora. Multum enim sanguinem invicem hausimus, et semper gravior in paucitate iactura est. 1 8 Nam Alexander, quantuscumque ignavis et timidis videri potest, unum animal est et, si quid mihi creditis, temerarium et vaecors, adhuc nostro pavore quam sua virtute felicius. 1 9 Nihil autem potest esse diuturnum, cui non subest ratio. Licet felicitas adspirare videatur, tarnen ad ultimum temeritati non sufficit. Praeterea breves et mutabiles vices rerum sunt, et fortuna numquam simpliciter indulget.

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K a m p f gegen Helden ! Tollkühner Leichtsinn ist es ja nur, was ihr bisher als Mut gefürchtet habt: hat dieser drüben den ersten Angriffsgeist verströmt, so erlahmt er alsbald, wie manche Tiere es tun, wenn sie ihren Stachel verschossen haben. Diese Felder hier offenbaren erst richtig ihre geringe Zahl, die uns die Berge Kilikiens nicht gewahr werden ließen. Ihr seht ja die spärlichen Reihen, die aufgelokkerten Flügel, das nichtige Zentrum ohne K r a f t ! Schon jetzt zeigen ja die letzten Reihen, die er uns abgewandt aufgestellt hat, den Rücken! Bei den Göttern, man kann sie mit den H u f e n der Pferde zermalmen, auch wenn ich nichts als meine Sichelwagen ausschicke! U n d der Endsieg ist unser, wenn wir nur jetzt und heute siegen: denn es bleibt ihnen dann kein Flecken zur Flucht; hier hemmt der Euphrat, dort der Tigris ihre Schritte! „ U n d was anfangs noch für sie arbeitete, das wirkt ihnen nun entgegen: jetzt ist unser Heer leicht und beweglich, ihres dagegen mit Beute beladen. Eingeschnürt in die uns abgenommenen Rüstungen werden sie uns erliegen, und so wird kein Unterschied sein zwischen dem Anlaß und der Frucht unseres Sieges! „ U n d sollte noch einen von euch der N a m e ihres Stammes schrecken, so mag er bedenken: es sind j a nur noch die Waffen der Makedonen, nicht aber ihre Leiber! Haben wir doch schon beiderseits viel Blut vergossen, und der Verlust macht sich stets schwerer geltend bei der Minderheit! U n d Alexander, so groß er auch zagenden Memmen erscheinen kann: auch er ist nur ein Geschöpf, und zwar, wenn ihr mir glauben wollt, voll Tollkühnheit und Wahnwitz, und sein bisheriges Glück verdankt er mehr unserer Furcht als seinem Mut. „Nichts aber hat Bestand, es stütze sich denn auf Vernunft. M a g ihm das Glück auch zu lächeln scheinen: auf die Dauer Glück zu haben, dazu genügt Tollkühnheit nicht! U n d schließlich ist alles auf dieser Welt ja nur kurz und wandelbar, und ein Glück ohne Einschränkung hat noch niemand erfahren.

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Forsitan ita dii fata ordinaverint, ut Persarum imperium, quod secundo cursu per C C X X X annos ad summum fastigium evexerant, magno motu concuterent magis quam adfligerent admonerentque nos fragilitatis humanae, cuius nimia in prosperis rebus oblivio est. 2 1 Modo Graecis ultro bellum inferebamus, nunc in sedibus nostris propulsamus inlatum: iactamur invicem varietate fortunae. Videlicet imperium, quia mutuo adfectamus, una gens non capit. 2 2 Ceterum, etiamsi spes non subesset, necessitas tamen stimulare deberet. Ad extrema perventum est. Matrem meam, duas filias, Ochum in spem huius imperii genitum, principes, illam subolem regiae stirpis, duces vestros reorum instar vinctos habet: nisi quid in vobis opis est, ego maiore mei parte captivus sum. Eripite viscera mea ex vinculis, restituite mihi pignora, pro quibus ipsi mori non recusatis, parentem, liberos; nam coniugem in ilio carcere amisi. 2 3 Credite nunc omnes hos tendere ad vos manus, implorare patrios deos, opem vestram, misericordiam, fidem exposcere, ut compedibus, ut Servitute, ut precario victu ipsos liberetis. An creditis aequo animo iis servire, quorum reges esse fastidiunt? 2 4 Video admoveri hostium aciem, sed quo propius discrimen accedo, hoc minus iis, quae dixi, possum esse contentus. Per ego vos deos patrios aeternumque ignem, qui praefertur altaribus, fulgoremque solis intra fines regni mei orientis, per aeternam memoriam Cyri, qui ademptum Medis Lydisque imperium primus in Persidem intulit, vindicate ab ultimo

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Gewiß, es mag Schicksalsfügung sein, daß die Götter das Perserreich, das in 230 Jahren des Glücks den höchsten Punkt seiner Macht erklommen, nun in gewaltigem Sturz wenn nicht zerschmettern, so doch erschüttern und uns daran mahnen wollen, wie hinfällig Menschenlos ist. Allzu leicht vergißt man ja dessen im Glück. Einst erklärten wir den Griechen den Krieg, jetzt müssen wir in der Heimat einen Krieg abwehren, den man uns aufgezwungen hat. So läßt uns das Schicksal in ständigem Auf und Ab schwanken. Ist doch offenbar ein Volk der Herrschaft nie sicher, da wir wechselweis' danach streben! „Und selbst wenn keine Hoffnung mehr wäre, so müßte uns doch die bare N o t anstacheln: denn jetzt geht es ums Letzte! Meine Mutter, meine zwei Töchter und Ochus, den künftigen Herrscher des Reichs, dazu Fürsten aus königlichem Stamm und eure Führer hat er in H a f t , nicht anders, als wären es Verbrecher; und wenn bei euch keine Hilfe ist, so bin ich selbst mit dem größeren Teil meines Ichs ein Gefangener. Entreißt mein Fleisch und Blut jenen Fesseln! Gebt mir mein Liebstes zurück, für das ihr den Tod nicht scheut: meine Mutter und meine Kinder - denn mein Gattin habe ich schon in jenem Kerker dort verloren. Glaubt mir: sie alle strecken jetzt die Hände nach euch aus, ihre Gebete steigen empor zu den heimischen Göttern, euch flehen sie an um Hilfe, um Erbarmen und um Treue, auf daß ihr sie aus ihren Fesseln, aus Sklaverei und vom Brot der Gnade befreit! Oder glaubt ihr etwa, leichten Herzens dienten sie denen als Sklaven, deren Könige zu sein sie verabscheuen? „Vor meinen Augen bewegt sich die Front der Feinde heran; aber je näher die Stunde der Entscheidung kommt, desto weniger will mir genügen, was ich gesagt habe. Bei euch, ihr Götter der Heimat, und bei dem Ewigen Feuer, das auf den Altären uns vorangetragen wird, beim Glanz der Sonne, die innerhalb meines Reiches aufgeht, beim ewigen Namen des Kyrus, der als erster den Medern und Lydern die Herrschaft entriß und sie auf Persien übertrug:

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dedecore nomen gentemque Persarum. 2B Ite alacres et spiritus pieni, ut, quam gloriam accepistis a maioribus vestris, posteris relinquatis. In dextris vestris iam libertatem, opem, spem futuri temporis geritis. Effugit mortem, quisquís contempserit: timidissimum quemque consequitur. 26 Ipse non patrio more solum, sed etiam, ut conspici possim, curru vehor nec recuso, quo minus imitemini me, sive fortitudinis exemplum sive ignaviae fuero. » X V . i n t e r i m Alexander, ut et demonstratum a transfuga insidiarum locum circumiret et Dareo, qui cornu tuebatur, occurreret, agmen obliquum incedere iubet. 2 Dareus quoque eodem suum obvertit Besso admonito, ut Massagetas équités in laevum Alexandri cornu a latere invehí iuberet. 3 Ipse ante se falcatos currus habebat, quos signo dato universos in hostem effudit. Ruebant laxatis habenis aurigae, quo plures nondum satis proviso ímpetu obtererent. 4 Alios ergo hastae multum ultra temonem eminentes, alios ab utroque latere demissae falces laceravere. Nec sensim Macedones cedebant, sed e f f u sa fuga turbaverant ordines. B Mazaeus quoque perculsis metum incussit mille equitibus ad diripienda hostis impedimenta circumvehi iussis, ratus captivos quoque, qui simul adservabantur, rupturos vincula, cum suos adpropinquantes vidissent. e N o n fefellerat Parmenionem, qui in laevo erat: propere igitur Polydamanta mittit ad regem, qui et periculum ostenderet et, quid fieri iuberet, consuleret. 7 Ille audito Polydamante « Abi, nuntia » inquit « Parmenioni, si acie vicerimus, non nostra solum nos recuperaturos, sed etiam, quae hostium sunt, occupa-

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bewahrt vor äußerster Schande Namen und Stamm der Perser! Und nun geht dahin, frisch und voll Mut, und hinterlaßt der Nachwelt den Ruhm, den ihr von euren Vätern geerbt habt! In eurer Rechten tragt ihr jetzt Freiheit, Macht und Zukunft. Dem Tode entrinnt nur, wer ihn verachtet; den Feigling aber verfolgt er und holt ihn ein. Nicht nur der Sitte der Väter getreu, sondern um euch sichtbar zu bleiben, stehe ich hier auf dem Wagen und will nichts weiter, als daß ihr mich nachahmt — sei's meinen Mut, sei's meine Feigheit!" Inzwischen ließ Alexander, um die von dem Überläufer bezeichnete Falle zu umgehen und um auf Darius zu stoßen, der den Flügel befehligte, sein Heer in schräger Front vorgehen. Und auch Darius wendete das seine in diese Richtung, indem er Bessus anwies, die massagetischen Reiter von der Flanke her gegen Alexanders linken Flügel vorzuschicken. Er selbst hatte vor sich die Sichelwagen; diese ließ er nun auf ein Zeichen hin allesamt auf den Feind los. Und schon schössen sie vor mit gelockerten Zügeln, um möglichst viele in einem überraschenden Angriff zu zermalmen. Die Speerspitzen, die vorn weit über die Deichsel herausragten, zerfetzten die einen, die Sicheln unten an beiden Seiten die anderen, und so wichen die Makedonen nicht etwa langsam zurück, sondern in ungeordneter wilder Flucht. Auch Mazäus jagte den schon Bestürzten Furcht ein, denn er sandte 1000 Reiter aus, um von hinten her ihren Troß zu plündern; dabei würden auch, so glaubte er, die Gefangenen, die man beim Troß verwahrte, ihre Fesseln sprengen, wenn sie die Ihren herannahen sähen. Doch dies war Parmenion auf seinem linken Flügel nicht entgangen: eilends schickte er Polydamas ab, den König auf die Gefahr aufmerksam zu machen und seinen Befehl einzuholen. Dieser hörte Polydamas an und sagte: „Geh und melde Parmenion: als Sieger in der Schlacht werden wir uns nicht nur das Unsere wiederholen, sondern auch das, was

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turos. Proinde non est, quod virium quicquam subducat ex acie, sed, ut me, ut Philippo pâtre dignum est, contempto sarcinarum damno fortiter dimicet. » 9 Interim barbari impedimenta turbaverant, caesisque plerisque custodum captivi vinculis ruptis quicquid obvium erat, quo armari possent, arripiunt et adgregati suorum equitibus Macedonas ancipiti circumventos malo invadunt. 10 Laeti, qui circa Sisigambim erant, vicisse Dareum, ingenti caede prostratos hostis, ad ultimum etiam impedimentis exutos esse nuntiant: quippe eandem fortunam ubique esse credebant et victores Persas ad praedam discurrisse. "Sisigambis hortantibus captivis, ut animum a maerore adlevaret, in eodem, quo antea fuit, perseveravit. Non vox ulla excidit ei, non oris color vultusve mutatus est: sedit immobilis - credo, praecoqui gaudio verità inritare fortunam - adeo ut, quid mallet, intuentibus eam fuerit incertum. 12 Inter haec Menidas, praefectus equitum Alexandri, cum paucis turmis opem impedimentis laturus advenerat - [et] incertum, suone Consilio an regis imperio - sed non sustinuit Cadusiorum Scytharumque impetum: quippe vix temptato certamine refugit ad regem, amissorum impedimentorum testis magis quam vindex. 13 Iam consilium Alexandri dolor vicerat, et, ne cura recuperandi sua militem a proelio averterei, non immerito verebatur. Itaque Areten, ducem hastatorum - sarisophoros vocabant - adversus Scythas

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dem Feinde gehört, erbeuten! Es liegt somit kein Anlaß vor, unsere Front in irgendeiner Weise zu schwächen; wie es meiner und meines Vaters Philippus würdig ist, soll er ohne Rücksicht auf den Verlust des Gepäcks nur tapfer kämpfen!" Inzwischen hatten die Barbaren den Troß überrumpelt, die meisten der Wächter waren niedergehauen worden und die Gefangenen hatten ihre Fesseln gesprengt: jetzt rissen sie an Waffen an sich, was sie nur finden konnten, scharten sich zu ihren Reitern und griffen die Makedonen an, die sich nun von zwei Seiten drohend umschlossen sahen. Voll Freude meldete das Gefolge Sisigambis, Darius habe gesiegt, die Feinde lägen zerschmettert am Boden und seien zuletzt gar ihres Trosses beraubt worden; mußten sie doch glauben, überall hätten die Perser so glücklich gekämpft und sich als Sieger zerstreut, um Beute zu machen. Aber trotz den Bitten der Gefangenen, nun ihre Trauer fahren zu lassen, verharrte Sisigambis in der gleichen Stimmung wie bisher: kein Wort kam aus ihrem Munde, sie wechselte weder die Farbe noch den Ausdruck; unbeweglich saß sie da - wahrscheinlich in Furcht, durch voreilige Freude das Schicksal zu reizen - so daß, wer sie sah, nicht wußte, was ihr lieber sei. Währenddessen war Menidas, ein Reiterführer Alexanders, mit nur wenigen Schwadronen genaht, um dem Troß zu Hilfe zu eilen, wobei ungewiß bleibt, ob aus eigenem Entschluß oder auf des Königs Befehl. Aber er hielt dem Angriff der Kadusier und der Skythen nicht stand: nach kurzem Versuch schon mußte er zum König zurückflüchten, mehr als ein Zeuge dafür, daß der Troß verloren war, statt als dessen Befreier. Schon aber hatte der Unmut Alexander seinen Entschluß umstoßen lassen, und nicht ohne Grund mußte er fürchten, den Soldaten könne vom Kampf die Sorge abhalten, ob er das Seine auch wiedergewinne. Daher schickte er Aretes, den Führer der Lanzenreiter, der sogenannten Sarisophoren, gegen die Skythen vor.

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mittit. " I n t e r haec currus, qui circa signa prima turbaverant aciem, in phalangem invecti erant: Macedones confirmatis animis in medium agmen accipiunt. 15 Vallo similis acies erat: iunxerant hastas et ab utroque latere temere incurrentium ilia suffodiebant. Circumire deinde [et] currus et propugnatores praecipitare coeperunt. "Ingens ruina equorum aurigarumque aciem compleverat: hi territos regere non poterant, qui crebra iactatione cervicum non iugum modo excusserant, sed etiam currus everterant, vulnerati interfectos trahebant, nec consistere territi nec progredì debiles poterant. 17 Paucae tarnen evasere quadrigae in ultimam aciem iis, quibus inciderunt, miserabili morte consumptis: quippe amputata virorum membra humi iacebant, et, quia calidis adhuc vulneribus aberat dolor, trunci quoque et debiles quidam arma non omittebant, donec multo sanguine effuso exanimati procumberent. " I n t e r i m Aretes Scytharum, qui impedimenta diripiebant, duce occiso gravius territis instabat. Supervenere deinde a Dareo Bactriani pugnaeque vertere fortunam. Multi ergo Macedonum primo impetu obtriti sunt, plures ad Alexandrum refugerunt. 10 Tum Persae clamore sublato, qualem victores soient edere, ferociter in hostem, quasi ubique profligatum, incurrerunt. Alexander territos castigare, adhortan, proelium, quod iam elanguerat, solus accendere, confirmatisque tandem animis ire in hostem iubet. 2 0 Rarior acies erat

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Inzwischen waren die Wagen, die rings um die vordersten Abteilungen die Front durcheinandergebracht hatten, in die Phalanx hineingestoßen. Die Makedonen gewannen wieder Mut und ließen sie mitten in ihre Front herein. Einem Wall glich jetzt ihre Schlachtreihe; sie hielten die Lanzen dicht nebeneinander gefällt und suchten sie nun von beiden Seiten her den blindlings vorstürmenden Rossen in die Weichen zu stoßen. D a n n hüben sie an, die W a gen einzukreisen und die K ä m p f e r , die darauf standen, hinabzustürzen. Ein ungeheurer W i r r w a r r von Pferden und Wagenlenkern bedeckte das Schlachtfeld; man vermochte die erschreckten Rosse nicht mehr zu bändigen: hatten diese doch beim ständigen H o c h w e r f e n der N a c k e n nicht nur die Deichseljoche abgeschüttelt, sondern auch schon die Wagen umgeworfen; verwundete Pferde schleppten tote mit sich, und weder vermochten die erschreckten anzuhalten noch die geschwächten weiterzulaufen. Immerhin kamen einige wenige Wagen bis in die letzte Reihe, wobei diejenigen, auf die sie unterwegs stießen, einen jammervollen T o d fanden: abgetrennte Gliedmaßen lagen auf der Erde, und weil ja der Schmerz erst eintritt, wenn die Wunden erkalten, ließen sogar manche Verstümmelte und Versehrte ihre W a f f e n noch nicht aus der H a n d , bis sie, v o m Blutverlust ermattet, entseelt zu Boden sanken. Inzwischen hatte Aretes den Führer der Skythen, die dabei waren, den T r o ß zu plündern, getötet und setzte den Erschreckten nun heftiger zu. D a kamen von Darius entsandt die Baktrer und wandten das K a m p f g l ü c k : schon beim ersten Vorstoß überrannten sie viele Makedonen, noch mehr flüchteten zu Alexander zurück. D a erhoben die Perser ihr gewohntes Siegesgeschrei und drangen voll Ingrimm gegen den Feind vor, als wäre er schon überall geschlagen. Alexander schalt die Erschreckten und spornte sie an; den K a m p f , der schon lässig geworden, ließ er ganz allein wieder a u f f l a m m e n und hieß die Seinen, als sie endlich wieder Mut geschöpft hatten, gegen den Feind vorgehen.

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in dextro cornu Persarum: namque inde Bactriani discesserant ad opprimenda impedimenta. Itaque Alexander laxaras ordines invadit et multa caede hostium invehitur. 2 1 At qui in laevo cornu erant Persae, spe posse eum includi, agmen suum a tergo dimicantis opponunt; ingensque periculum in medio haerens adisset, ni équités Agriani calcaribus subditis circumfusos regi barbaros adorti essent aversosque caedendo in se obverti coegissent. Turbata erat utraque acies. Alexander et a fronte et a tergo hostem habebat. 2 2 Qui averso ei instabant, [et] ab Agrianis equitibus premebantur; Bactriani impedimentis hostium direptis reversi ordines suos recuperara non poterant; plura simul abrupta a ceteris agmina, ubicumque alium alii fors miscuerat, dimicabant. 2 3 Duo reges iunctis prope agminibus proelium accenderant. Plures Persae cadebant, par ferme utrimque numerus vulnerabatur. Curru Dareus, Alexander equo vehebatur. 24 Utrumque delecti tuebantur sui immemores: quippe amisso rege nec volebant salvi esse nec poterant. Ante oculos sui quisque regis mortem occumbere ducebat egregium. ^Maximum tamen periculum adibant, quos maxime tuebantur: quippe sibi quisque caesi regis expetebat decus. 2e Ceterum, sive ludibrium oculo- 59 rum sive vera species fuit, qui circa Alexandrum erant vidisse se crediderunt paulum super caput regis placide volantem aquilam, non sono armorum, non gemitu morientium

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Weniger stark war der rechte Flügel der Perser: fehlten doch hier die Baktrer, die sich auf den Troß geworfen hatten. Daher griff Alexander die gelockerten Reihen an und drang unter schweren Verlusten des Feindes vor. Aber in der Hoffnung, ihn einzuschließen, schob sich der linke Flügel der Perser in seinen Rücken, während Alexander noch kämpfte, und so umklammert wäre er in die schwerste Gefahr geraten, hätten nicht die Agrianer in vollem Galopp sich rings um ihren König ergossen, die Barbaren angegriffen und in ihren Rücken einhauend gezwungen, sich gegen sie zu wenden. So waren beide Fronten ein einziges Durcheinander: Alexander hatte den Feind vor sich und hinter sich; in seinem Rücken setzten die agrianischen Reiter dem Feind zu; die Baktrer kehrten von der Plünderung des Trosses zurück, vermochten aber ihre alte Stellung nicht wieder einzunehmen. Gleichzeitig kämpften mehrere Scharen ohne Verbindung mit den übrigen, da nämlich, wohin der Zufall sie durcheinandergewürfelt hatte. Beide Könige hatten, nachdem sich ihre Heerscharen nahezu ineinandergeschoben, den Kampf wieder aufflammen lassen. Die Verluste an Toten waren größer auf Seiten der Perser, die an Verwundeten nahezu gleich. Darius fuhr auf seinem Wagen, Alexander bewegte sich hoch zu Roß - beide geschützt von erlesenen Kämpfern, die nicht an die eigene Sicherheit dachten; denn wenn sie ihren König verloren, wollten und konnten sie selbst nicht länger am Leben bleiben: vor den Augen des eigenen Königs den Tod zu finden, deuchte jeden das Höchste. In der größten Gefahr aber schwebten doch die, denen vor allem ihr Schutz galt, denn den feindlichen König erschlagen zu haben galt einem jeden als höchster Ruhm. Und, war es nun ein Blendwerk der Augen oder eine wirkliche Erscheinung: nur ein wenig über dem Haupt ihres Königs glaubten die, welche rings um Alexander waren, in aller Ruhe einen Adler fliegen zu sehen, den nicht das Getöse der Waffen, nicht das Geschrei der Sterbenden

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territam, diuque circa equum Alexandri pendenti magis quam volanti similis apparuit. 2 7 Certe vates Aristander alba veste indutus et dextra praeferens lauream militibus in pugnam intentis avem monstrabat, haud dubium victoriae auspicium. 2 8 Ingens ergo alacritas et fiducia paulo ante territos accendit ad pugnam, utique postquam auriga Darei, qui ante ipsum sedens equos regebat, hasta transfixus est. N e c aut Persae aut Macedones dubitavere, quin ipse rex esset occisus. 2 9 Ergo lugubri ululatu et incondito clamore gemituque totam fere aciem adhuc aequo Marte pugnantium turbavere cognati Darei et armigeri. Laevumque cornu in fugam effusum destituerat currum, quem a dextra parte stipati in medium agmen receperunt.

Dicitur acinace stricto Dareus dubitasse, an fugae dedecus honesta morte vitaret. Sed eminens curru nondum omnem suorum aciem proelio excedentem destituere erubescebat, 3 1 dumque inter spem et desperationemhaesitat,sensim Persae cedebant et laxaverant ordines. Alexander mutato equo - quippe plures fatigaverat resistentium adversa ora fodiebat, fugientium terga. 3 2 Iamque non pugna, sed caedes erat, cum Dareus quoque currum suum in fugam vertit. Haerebat in tergis fugientium victor, sed prospectum oculorum nubes pulveris, quae ad caelum efferebatur, abstulerat; ergo haud secus quam in tenebris errabant ad sonum notae vocis aut signum subinde coeuntes. 3 3 Exaudiebant tarnen strepitus habenarum, quibus equi currum 30

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schreckte; lange schien er um das Pferd Alexanders unbeweglich mehr in der Luft zu hängen als zu fliegen. Wenigstens wies der Seher Aristander in seinem weißen Gewand, einen Lorbeerkranz in der Rechten, den in den Kampf verbissenen Soldaten den Vogel als ein untrügliches Götterzeichen des Sieges. D a entflammte ungeheure Begeisterung und Vertrauen die eben noch Zagenden, zumal nun eine Lanze Darius' Wagenlenker durchbohrte, der vor seinem Könige sitzend die Zügel führte. Weder Perser noch Makedonen zweifelten daran, daß der König selbst gefallen sei. Mit ihrem düsteren Totengeheul, mit wildem Geschrei und Geklage brachten die Verwandten des Darius und seine Leibwächter fast die ganze Front in Verwirrung, die eben noch gleich zu gleich gefochten hatte. Und schon hatte der linke Flügel in wilder Flucht den Wagen im Stich gelassen; von rechts her, dicht geschart, nahmen sie ihn in die Mitte. Schon soll Darius mit gezücktem Krummschwert geschwankt haben, ob er nicht einer schmachvollen Flucht einen ehrenvollen Tod vorziehen solle; doch noch hoch zu Wagen schämte er sich, die Seinen im Stich zu lassen, solange noch ein Teil seines Heeres kämpfte. Aber während er so zwischen Hoffnung und Verzweiflung schwebte, gaben die Reihen der Perser merklich nach und zerrissen. Alexander, der sein Pferd gewechselt — er hatte schon mehr als eins müdegeritten — schlug auf die noch Widerstand Leistenden von vorn und auf die Fliehenden von hinten ein. Schon war es keine Schlacht mehr, sondern ein Schlachten: da wandte auch Darius seinen Wagen zur Flucht. Noch saß der Sieger den Fliehenden im Nacken, doch eine himmelhohe Staubwolke benahm ihm den Ausblick. So taumelten sie umher nicht anders als im Dunkeln, nur auf den Klang bekannter Stimmen oder auch ein Signal hin mitunter zueinander findend. Aber noch hörte man das Klatschen der Zügel, die immer von neuem auf die Pferde vor dem Wagen herniederschlugen: das

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vehentes identidem verberabantur: haec sola fugientis vestigia excepta sunt. X V I . *At in laevo Macedonum cornu - P a r menio, sicut ante dictum, tuebatur - longe alia fortuna utriusque partis res gerebatur. Mazaeus cum omni suorum equitatu vehementer invectus urgebat Macedonum alas. 2 Iamque abundans multitudine aciem circumvehi coeperat, cum Parmenio équités nuntiare iubet Alexandra, in quo discrimine ipsi essent: ni mature subveniretur, non posse sisti fugam. 3 I a m multum viae praeceperat rex imminens fugientium tergis, cum a Parmenione tristis nuntius venit. Refrenare equos iussi, qui vehebantur, agmenque constitit frendente Alexandre eripi sibi victoriam e manibus et Dareum felicius fugere quam se sequi. 4 Interim ad Mazaeum superati regis fama pervenerat.Itaque, quamquam validior erat, tarnen fortuna partium territus perculsis languidius instabat. Parmenio ignorabat quidem causam sua sponte pugnae remissae, sed occasione vincendi strenue est usus. 5 Thessalos équités ad se vocari iubet: « Ecquid videtis » inquit « istos, qui ferociter modo instabant, pedem referre subito pavore perterritos? N i m i rum nobis quoque regis nostri fortuna vicit. Omnia Persarum caede strata sunt. e Quid cessatis? an ne fugientibus quidem pares estis? » Vera dicere videbatur, et spes languentis quoque erexerat. Subditis calcaribus proruere in hostem. E t illi iam non sensim sed citato gradu recedebant, nec quicquam fugae, nisi quod non-

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waren die einzigen Spuren des fliehenden Königs, die das Ohr noch aufzufangen vermochte. Ganz anders entwickelte sich auf dem linken makedonischen Flügel für beide Parteien die Schlacht, wo wie gesagt Parmenion führte. Dort bedrängte Mazäus mit seiner ganzen Reiterei in heftigem Angriff die makedonischen Geschwader. Schon war er dabei, mit seiner überwältigenden Mehrheit die Front einzuschließen, da ließ Parmenion Alexander durch Reiter melden, in welcher Gefahr sie schwebten; käme nicht eiligst Hilfe, so könne er die Flucht nicht mehr aufhalten. Schon hatte der König, immer dem Feind im Nacken sitzend, ein gutes Stück Wegs hinter sich gebracht, da kam diese Trauerbotschaft Parmenions. Alsbald ließ er die Reiter den Lauf verhalten, und auch der Heerhaufen kam zum Stehen; zähneknirschend vor Zorn stieß Alexander hervor, ihm werde der Sieg aus den Händen gerissen: Darius habe mehr Glück auf der Flucht als er bei seiner Verfolgung! Inzwischen war die Kunde von Darius' Niederlage zu Mazäus gedrungen. Obwohl er die Oberhand hatte, erschütterte ihn doch das Schicksal der eigenen Partei, so daß er nun matter gegen die schon Geschlagenen vorging. Noch konnte Parmenion zwar nicht wissen, warum Mazäus von sich aus im K a m p f e nachließ, doch ergriff er unverzüglich die Gelegenheit zum Sieg. Er ließ die thessalischen Reiter zu sich rufen: „Seht ihr", so rief er, „wie sie da drüben in plötzlichem Schrecken zurückgehen, wo sie doch eben noch so grimmig vordrangen? Zweifellos hat das Glück unseres Königs auch uns den Sieg geschenkt! Alles was Perser heißt, liegt tot am Boden: säumt ihr da noch oder wollt ihr es nicht einmal mit Fliehenden aufnehmen?" Was er sagte, schien wahr, und neue Hoffnung richtete nun auch die Ermatteten wieder auf : sie gaben den Pferden die Sporen und stürzten sich auf den Feind; die Perser aber gingen nun nicht mehr langsam, sondern beschleunigten Schrittes zurück; nur daß sie eben noch nicht den

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dum terga verterant, deerat. Parmenio tamen ignarus, quaenam in dextro cornu fortuna regis esset, repressit suos. 7 Mazaeus dato fugae spatio non recto itinere, sed maiore et ob id tutiore circuitu Tigrin superat et Babyloniam cum reliquiis devicti exercitus intrat. 8

Dareus paucis fugae comitibus ad Lycum amnem contenderat. Quo traiecto dubitavit, an solverei pontem: quippe hostem iam adfore nuntiabatur. Sed tot milia suorum, quae nondum ad amnem pervenerant, ponte rescisso videbat hostis praedam fore. 9 Abeuntem, cum intactum sineret pontem, dixisse constat malle se sequentibus iter dare quam auferre fugientibus. Ipse ingens spatium fuga emensus media fere nocte Arbela pervenit. 10

Quis tot ludibria fortunae - ducum, agminum caedem multiplicem, devictorum fugam, clades nunc singulorum nunc universorum — aut animo adsequi queat aut oratione complecti? Propemodum saeculi res in unum ilium diem pro! fortuna cumulavit. "Alii qua brevissimum patebat iter, alii devios saltus et ignotas sequentibus calles petebant. Eques pedesque confusi, sine duce armatis inermes, integris debiles implicabantur. 12 Deinde misericordia in metum versa, qui sequi non poterant, inter mutuos gemitus deserebantur. Sitis praecipue fatigatos et saucios perurebat, passimque omnibus rivis prostraverant corpora praeterfluentem aquam hianti ore captantes. 1 3 Quam cum avide turbidam hausissent, tendebantur extemplo prae-

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Rücken wandten, sonst hätte man es schon eine Flucht nennen können. Noch ohne Kunde, wie weit der König auf dem rechten Flügel erfolgreich sei, hielt Parmenion noch die Seinen zurück; so erhielt Mazäus eine Gelegenheit zur Flucht, und nicht geradeswegs, sondern auf einem weiteren und darum sichereren Umweg ging er über den Tigris und zog mit den Resten des völlig besiegten Heeres nach Babylonien. Darius war mit nur wenigen Begleitern auf seiner Flucht zum Lykus geeilt; er überschritt ihn und schwankte, ob er die Brücke abreißen sollte, denn es kam die Nachricht, der Feind sei schon nahe. Doch mußten ja so viele Tausende der Seinen, die noch nicht an den Fluß gelangt waren, dem Feinde zur Beute werden, wenn er die Brücke beseitigte. Er ließ sie also unversehrt und soll beim Weiterziehen gesagt haben, lieber wolle er den Verfolgern den Weg freilassen als die Flüchtenden seiner berauben. Er selbst gelangte auf einem ungeheuer weiten Fluchtmarsch um Mitternacht nach Arbela. Wer vermöchte wohl so viel Launen des Schicksals, den vielgestalten T o d der Führer und der Scharen, die Flucht der völlig Geschlagenen, das Elend im einzelnen wie insgesamt sich vorzustellen oder gar in Worte zu fassen? Genügte doch das, was das Schicksal hier auf einen T a g häufte, nahezu, ach, für ein ganzes Jahrhundert! Die einen wählten zu ihrer Flucht den kürzesten Weg, andere entlegene Bergwälder und Pfade, die den Verfolgern unbekannt waren. Reiter und Fußvolk knäulten sich führerlos, teils mit teils auch ohne Waffen, wild ineinander, die einen noch frisch, die andern erschöpft. Mitleid wandelte sich nun in Furcht, und wer nicht zu folgen vermochte, blieb zum Schmerz beider Teile am Wege liegen. Durst quälte vor allem die Ermatteten und die Verwundeten, und überall lagen sie an den Bächen flach auf dem Boden und ließen sich das vorüberfließende Wasser in den offenen Mund rinnen. Wer aber in seiner Gier das trübe Wasser geschlürft hatte, dem quollen alsbald die Eingeweide

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cordia premente limo, resolutisque et torpentibus membris, cum supervenisset hostis, novis vulneribus excitabantur. " Q u i d a m occupatis proximis rivis deverterant longius, ut, quicquid occulti humoris usquam manaret, exciperent, nec ulla adeo avia et sicca lacuna erat, ut vestigantium sitim fallerei. 15 E proximis vero itineri vicis ululatus senum feminarumque exaudiebantur barbaro ritu Dareum adhuc regem clamantium. "Alexander, ut supra dictum est, inhibito suorum impetu ad Lycum amnem pervenerat, ubi ingens multitudo fugientium oneraverat pontem, et plerique, cum hostis urgeret, in flumen se praecipitaverant gravesque armis et proelio ac fuga defetigati gurgitibus hauriebantur. " I a m q u e non pons modo fugientes, sed ne amnis quidem capiebat agmina sua improvide subinde cumulantis : quippe ubi intravit ánimos pavor, id solum metuunt, quod primum formidare coeperunt. 18 Alexander instantibus suis, ne impune abeuntem hostem intermitteret sequi, hebetia esse tela et manus fatigatas tantoque cursu corpora exhausta et praeceps in noctem diei tempus causatus est; 19 re vera de laevo cornu, quod adhuc in acie stare credebat, sollicitus revertí ad ferendam opem suis statuit.

Iamque signa converterat, cum équités a Parmenione missi illius quoque partis victoriam nuntiant. 20 Sed nullum eo die maius periculum adiit, quam dum copias reducit in castra. Pauci eum et incompositi sequebantur ovantes victoria - quippe omnes hostes aut in fugam effusos aut in acie cecidisse credebant - " c u m repente

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auf von dem Druck des Schlamms: mit erschlafften und gelähmten Gliedmaßen wurden sie von neuen Wunden wieder hochgetrieben, wenn der Feind sie eingeholt hatte. Einige waren auch weiter vom Wege abgewichen, da sie die nächsten Bäche besetzt fanden; sie tranken, was an verborgenem Wasser irgendwo rann, und keine Pfütze war so abgelegen oder eingetrocknet, daß sie dem Spürsinn der Durstigen entgangen wäre. Aus den Dörfern am Weg aber drang das Geheul der Alten und der Frauen, die nach Barbarenart immer noch Darius grüßend anriefen als ihren König. Alexander war, als er wie erwähnt dem stürmischen Vordringen der Seinen Einhalt gebot, bis zum Lykus gekommen: hier bog sich die Brücke unter dem Gewicht der zahllosen Flüchtlinge, und schon hatten sich viele unter dem Druck des nachsetzenden Feindes in den Fluß gestürzt und ertranken nun in seinen Strudeln, beschwert von Waffen und ermattet von Kampf und Flucht. Schon faßte die Brücke nicht mehr die Fliehenden, ja selbst der Fluß nicht mehr die Scharen, die sich sinnlos mehr und mehr zu Klumpen ballten; denn packt erst einmal das bleiche Entsetzen die Herzen, so fürchtet der Mensch ja immer nur das, was zuerst seinen Schreck erregt hat. Auf das Drängen der Seinen, er möchte doch nicht ablassen, den ungefährdet abziehenden Feind zu verfolgen, schützte Alexander vor, ihre Waffen seien ja stumpf, ihre Arme ermattet und sie selbst vom langen Laufe erschöpft; außerdem werde es jetzt rasch Nacht. In Wirklichkeit trieb ihn zur Umkehr die Sorge um den linken Flügel, den er noch kämpfend glaubte, um so den Seinen Hilfe zu bringen. Schon hatte er kehrtmachen lassen, da kamen Reiter von Parmenion und meldeten den Sieg auch in diesem Kampfabschnitt. Und doch geriet Alexander an diesem Tage in keine größere Gefahr als jetzt, wo er die Truppen ins Lager zurückführte. Wenige begleiteten ihn ohne feste Ordnung mit Siegesgeschrei; glaubte man doch schon alle Feinde in wilder Flucht oder im Kampfe gefallen. Da

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ex adverso apparuit agmen equitum, qui primo inhibuere cursum, deinde Macedonum paucitate conspecta turmas in obvios concitaverunt. 22 Ante signa rex ibat dissimulato magis periculo quam spreto. Nec defuit ei perpetua in dubiis rebus felicitas: 23 namque praefectum equitatus avidum certaminis et ob id ipsum incautius in se ruentem hasta transfixit; quo ex equo lapso proximum ac dein plures eodem telo confodit. 24

Invasere turbatos amici quoque. Nec Persae inulti cadebant: quippe non universae acies quam hae tumultuariae manus vehementius iniere certamen. 25 Tandem barbari, cum obscura luce tutior fuga videretur esse quam pugna, dispersis agminibus abiere. Rex extraordinario periculo defunctus incolumis suos reduxit in castra. 2e

Cecidere Persarum, quorum numerum vietores finire potuerunt, milia XL; Macedonum minus quam CCC desiderati sunt. 27 Ceterum hanc victoriam rex maiore ex parte virtuti quam fortunae suae debuit: animo, non, ut antea, loco vicit. 28 Nam et aciem peritissime instruxit et promptissime ipse pugnavit et magno Consilio iacturam sarcinarum impedimentorumque contempsit, cum in ipsa acie summae rei videret esse discrimen, dubioque adhuc pugnae eventu pro victore se gessit; 29perculsos deinde hostium ut fudit, fugientes, quod in ilio ardore animi vix credi potest, prudentius quam avidius persecutus est. 30 Nam si parte exercitus adhuc in acie stante instare cedentibus perseverasset, aut culpa sua victus esset aut aliena virtute vicisset. Iam si multitudinem equitum

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plötzlich zeigte sich vor ihnen eine Schar Reiter, die erst den Lauf verhielt, dann aber beim Anblick der geringen Zahl der Makedonen sich zuversichtlich auf die entgegenkommenden Abteilungen warf. Der König, der an der Spitze ritt, unterschätzte die Gefahr zwar nicht, doch ließ er sich nichts anmerken, und tatsächlich blieb ihm auch in dieser Not sein ständiges Glück treu: seine Lanze durchbohrte den Reiterführer, der sich vor Kampfeslust allzu unvorsichtig auf ihn stürzte. Mit derselben Waffe, mit der er ihn vom Pferd geworfen, durchstieß er den nächsten und dann noch mehr. Nun drangen auch die Freunde auf die Verwirrten ein, aber nicht ohne Gegenwehr fielen die Perser: ebenso heftig verlief dieser Kampf gegen einen eilig zusammengerafften Haufen, wie der mit der gesamten Front verlaufen war! Endlich zogen die Barbaren in losen Trupps davon, da bei der eintretenden Dunkelheit Flucht sicherer schien als Kampf. Von einer Gefahr ohnegleichen befreit, führte der König nun unversehrt die Seinen ins Lager zurück. Es fielen auf sehen der Perser, soweit der Sieger die Zahl feststellen konnte, 40 000 Mann, während die Makedonen kaum 300 vermißten. Im übrigen dankte der König diesen Sieg weniger seinem Glück als seiner Mannhaftigkeit; dank seinem Mut, nicht wie früher dank dem Gelände, errang er den Sieg: stellte er doch das Heer aufs kundigste zur Schlacht auf; er setzte sich selbst aufs tapferste ein und nahm mit besonnener Klugheit den Verlust an Gepäck und Troß in Kauf, weil er sah, daß nur in der Schlacht selbst die Entscheidung fallen könne. Als das Schlachtenglück noch schwankte, behielt er die Miene des Siegers bei; sobald er dann den erschütterten Feind geschlagen hatte, verfolgte er ihn auf der Flucht mit mehr Besonnenheit als Gier — was kaum zu glauben war bei seinem hitzigen Sinn! Hätte er nämlich zu der Zeit, wo ein Teil seiner Front noch kämpfte, die Zurückweichenden weiter verfolgt, so wäre er durch eigene Schuld besiegt worden oder er hätte dank eines anderen Mut gesiegt. Und hätte ihn schließlich

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occurrentium extimuisset, victori aut foede fugiendum aut miserabiliter cadendum fuit. 3 1 Ne duces quidem copiarum sua laude fraudandi sunt: quippe vulnera, quae quisque excepit, indicia virtutis sunt: 32 Hephaestionis bracchium hasta ictum est, Perdicca et Coenos et Menidas sagittis prope occisi. 3 3 Et, si vere aestimare Macedonas, qui tunc erant, volumus, fatebimur et regem talibus ministris et illos tanto rege fuisse dignissimos.

LIBER V I. 1 Quae interim ductu imperioque Alexandri vel in Graecis vel Illyriis ac Thraecia gesta sunt, si suis quaeque temporibus reddere voluero, interrumpendae sunt res Asiae, 2 quas utique ad fugam mortemque Darei universas in conspectum dari et, sicut inter se cohaerent, ita opere ipso coniungi haud paulo aptius videri potest. Igitur, quae proelio apud Arbela coniuncta sunt, ordiar dicere. 3 Dareus media fere nocte Arbela pervenerat, eodemque magnae partis amicorum eius ac militum fugam fortuna compulerat. 4 Quibus convocatis exponit haud dubitare se, quin Alexander celeberrimas urbes agrosque omni copia rerum abundantes petiturus esset: praedam opimam paratamque ipsum et milites eius spectare. 5 Id suis rebus tali in statu saluti fore: quippe se deserta cum expedita manu petiturum. Ultima regni sui adhuc intacta esse: inde bello vires

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vor der Menge der Reiter, die ihm entgegenkamen, Furcht ergriffen, so hätte er entweder als Sieger schimpflich fliehen oder elend umkommen müssen. Aber auch den Führern des Heeres sei ihr Ruhm nicht vorenthalten: sind doch die Wunden, die jeder davontrug, Beweis ihres Mutes. Hephästions Arm war von einer Lanze getroffen, Perdikkas, Könus und Menidas von Pfeilen nahezu tödlich verwundet. Und will man die Makedonen, wie sie damals waren, richtig einschätzen, so muß man gestehen: unbedingt war der König solcher Helfer und waren sie eines so großen Königs würdig!

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Wollte ich all das, was inzwischen unter der obersten Führerschaft Alexanders in Griechenland oder in Illyrien und Thrakien vor sich ging, jegliches den entsprechenden Zeitabschnitten zuweisen, so hätte ich die Schilderung der Vorgänge in Asien unterbrechen müssen; doch scheint es weit besser, ihren Verlauf wenigstens bis zur Flucht und dem Tod des Darius insgesamt darzustellen und sie ihrem Zusammenhang nach geschlossen zu veranschaulichen. Also will ich mit der Erzählung dessen beginnen, was sich an die Schlacht bei Arbela anschloß. Darius war um Mitternacht nach Arbela gelangt, und ebendorthin hatte der Zufall die Flucht eines großen Teils seiner Getreuen und seiner Soldaten gelenkt. In einer Versammlung legte er ihnen dar, zweifellos werde Alexander sich nun gegen die bedeutendsten Städte und Landschaften wenden, die an jeglichem Vorrat überreich seien: richte er doch genau wie seine Soldaten den Blick immer auf die reichste, bereitliegende Beute. Das werde seinem eigenen Fortkommen unter den gegenwärtigen Umständen förderlich sein, denn er werde jetzt mit einer kampfbereiten Schar das Ödland aufsuchen. Noch habe der Feind den Rand seines Reiches nicht betreten, und so werde er von

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LIBER V haud aegre reparaturum. e Occuparet sane gazarli avidissima gens et ex longa fame satiaret se auro, mox futura praedae sibi: usu didicisse pretiosam supellectilem paelicesque et spadonum agmina nihil aliud fuisse quam onera et impedimenta: eadem trahentem Alexandrum, quibus rebus antea vicisset, inferiorem fore.

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Plena omnibus desperationis videbatur oratio, quippe Babylona, urbem opulentissimam, dedi cernentibus: iam Susa, iam cetera ornamenta regni, causam[que] belli, victorem occupaturum. 8 At ille docere pergit non speciosa dictu, sed usu necessaria in rebus adversis sequenda esse: ferro geri bella, non auro, viris, non urbium tectis. Omnia sequi armatos: sic maiores suos perculsos in principio rerum celeriter pristinam reparasse fortunam. 9 Igitur sive confirmatis eorum animis sive imperium magis quam consilium sequentibus Mediae fines ingressus est. 10 Paulo post Alexandra Arbela traduntur re- 2 già supellectile ditique gaza repleta — I U I milia talentum fuere - praeterea pretiosa veste, totius, ut supra dictum est, exercitus opibus in illam sedem congestis. "Ingruentibus deinde morbis, quos odor cadaverum totis iacentium campis vulgaverat, maturius castra movit. Euntibus a parte laeva *** a dextra Arabia, odorum fertilitate nobilis regio. 12 Campestre iter est in terra inter Tigrin et Euphraten iacenti tam uberi et pingui, ut a pastu repelli pecora dican-

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dort aus mühelos sich ein Kriegsheer beschaffen können. Möge nur ruhig dies gierige Volk sich seiner Schätze bemächtigen und, ausgehungert wie es sei, sich am Golde ersättigen: bald werde es ihm zur Beute fallen! Wisse er doch aus Erfahrung, daß dieses ganze kostbare Gerät mitsamt Kebsweibern und Eunuchenscharen lediglich eine hemmende Last bedeutet habe; wenn jetzt Alexander das Gleiche mit sich schleppe, werde er eben durch die Dinge, die ihn bisher zum Sieger gemacht hätten, ins Hintertreffen geraten. Allen erschien diese Rede ein bloßer Akt der Verzweiflung: sahen sie doch, daß Darius Babylon preisgab, die reichste aller Städte; nun werde der Sieger alsbald Susa, alsbald auch die übrigen Schmuckstücke des Reichs als sein eigentliches Kriegsziel einnehmen! Aber Darius erklärte weiterhin, im Unglück komme es nicht auf das an, was einen klangvollen Namen führe, sondern auf das, was der Augenblick gebieterisch verlange: mit dem Schwert führe man Kriege, nicht mit dem Gold, mit Männern, nicht mit Wohnhäusern; auf den Mann in W a f f e n komme alles an! So hätten auch seine Vorfahren, bei ihren ersten Schritten vom Unglück verfolgt, schnell sich ihr früheres Glück zurückerobert. U n d so betrat er den Boden Mediens, gleichviel ob er nun tatsächlich den Mut der Seinen gestärkt hatte oder ob sie mehr seinem Befehl als seinem Plan Folge leisteten. Bald darauf ergab sich Arbela Alexander, gefüllt mit allem königlichen Gerät und der reichen Staatskasse, in der sich 4000 Talente befanden, dazu mit kostbarer Gewandung, denn wie gesagt hatte hier das ganze Heer seine Schätze aufgehäuft. D a sodann Seuchen ausbrachen, hervorgerufen durch den Gestank der die Felder ringsum bedeckenden Leichen, rückte Alexander noch vor der Zeit weiter. Links von ihrem Weg lag rechts Arabien, das ob seines Reichtums an D ü f t e n gepriesene Land. Der Weg zwischen Tigris und Euphrat f ü h r t durch Ebenen; es ist ein derart reiches und fettes Land, daß man das Vieh angeblich von der

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tur, ne satietas périmât. Causa fertilitatis est humor, qui ex utroque amne manat, toto fere solo propter venas aquarum resudante. 1 3 Ipsi amnes ex Armeniae montibus profluunt ac magno deinde aquarum divortio iter, quod coeperunt, percurrunt: II milia et quingenta stadia emensi sunt, qui amplissimum intervallum circa Armeniae montes notaverunt. 1 4 Idem cum Mediae et Gordyaeorum terram secare coeperunt, paulatim in artius coeunt et, quo longius manant, hoc angustius inter se spatium terrae relinquunt. 1 B Vicini maxime sunt in campis, quos incolae Mesopotamiam appellant: mediam namque ab utroque latere cludunt. T a n d e m per Babyloniorum fines in Rubrum mare inrumpunt. " A l e x a n d e r quartis castris ad Mennim urbem pervenit. C a v e r n a ibi est, ex qua fons ingentem bituminis vim effundit, adeo ut satis constet Babylonios muros ingentis operis huius fontis bitumine interlitos esse. " C e t e r u m Babylona procedenti A l e x a n d r e Mazaeus, qui ex acie in eam urbem confugerat, cum adultis liberis supplex occurrit urbem seque dedens. Gratus adven tus eius regi fuit: quippe magni operis obsidio futura tam munitae urbis. 1 8 A d hoc vir inlustris et manu promptus famaeque etiam proximo proelio Celebris et ceteros ad deditionem suo incitaturus exemplo videbatur. Igitur hunc quidem benigne cum liberis excipit; 1 9 ceterum quadrato agmine, quod ipse ducebat, velut in aciem irent, ingredi suos iubet. Magna pars Babyloniorum constiterat in muris avida cognoscendi novum regem,

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Weide treiben muß, damit es nicht an Übersättigung eingeht. Diese Fruchtbarkeit verdankt es der Feuchte, die aus den beiden Strömen aufquillt: schwitzt doch förmlich der ganze Boden vor Wasserläufen Feuchtigkeit aus. Die Ströme selbst kommen von den Bergen Armeniens und durchlaufen dann, in großem Bogen sich voneinander entfernend, den eingeschlagenen Weg. 2500 Stadien hat man gemessen, als man ihren weitesten Abstand bei den Bergen Armeniens feststellte. Sobald die Ströme Medien und das Land der Gordyäer zu durchqueren begonnen haben, rücken sie allmählich näher aufeinander zu, und je länger sie dahinfließen, desto schmaler wird das Land zwischen ihnen. Am nächsten beisammen sind sie in den Ebenen, die die Einwohner Mesopotamien nennen, denn die Flüsse nehmen das Land von beiden Seiten in die Mitte; zuletzt ergießen sie sich quer durch Babylonien ins Rote Meer. Alexander kam am fünften Marschtag zu der Stadt Mennis. Dort ist eine Höhle, aus der ein Quell eine ungeheure Menge Erdpech hervorströmen läßt: man weiß ja, daß die ungeheuerlichen Mauerwerke von Babylon mit Erdpech aus dieser Quelle zusammengekittet sind. Als Alexander nun nach Babylon vorrückte, zog ihm Mazäus, der aus der Schlacht sich in diese Stadt geflüchtet hatte, mit seinen halberwachsenen Kindern entgegen und ergab sich ihm mitsamt der Stadt auf Gnade oder Ungnade. Daß er ihm so entgegenkam, war Alexander willkommen, denn eine Belagerung der so stark befestigten Stadt hätte viel Mühe gekostet. Außerdem schien es, der vielbekannte und persönlich tapfere Mann, dessen Namen man besonders seit der letzten Schlacht überall nannte, werde auch andere durch sein Beispiel zur Ubergabe veranlassen. Daher nahm er ihn zwar mitsamt seinen Kindern gnädig auf; alsdann aber ließ er das Heer schlagbereit sich in Bewegung setzen, als ginge es in die Schlacht; er selbst ritt als Führer voran. Ein Großteil der Babylonier stand auf den Mauern, voll Neugier, den neuen König kennenzulernen; mehr noch zo-

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plures obviam egressi sunt. 2 0 Inter quos Bagophanes, arcis et regiae pecuniae custos, ne studio a Mazaeo vinceretur, totum iter floribus coronisque constraverat argenteis altaribus utroque latere dispositis, quae non ture modo sed omnibus odoribus cumulaverat. 2 1 Dona eum sequebantur greges pecorum equorumque; leones quoque et pardales cavéis praeferebantur. 22 Magi deinde suo more carmen canentes, post hos Chaldaei Babyloniorumque non vates modo sed etiam artifices cum fidibus sui generis ibant, laudes hi regum canere soliti, Chaldaei siderum motus et statas vices temporum ostendere. 23 Equites deinde Babylonii suo equorumque cultu ad luxuriam magis quam ad magnificentiam exacto ultimi ibant. Rex armatis stipatus oppidanorum turbam post últimos pedites ire iussit, ipse cum curru urbem ac deinde regiam intravit. Postero die supellectilem Darei et omnem pecuniam recognovit. 24 Ceterum ipsius urbis pulchritudo ac vetustas non regis modo sed etiam omnium oculos in semet haud immerito convertit. Samiramis eam condiderat, non, ut plerique credidere, Belus, cuius regia ostenditur. 25 Murus instructus laterculo coctili bitumine interlitus spatium X X X et duorum pedum in latitudinem amplectitur: quadrigae inter se occurrentes sine periculo commeare dicuntur. 2e Altitudo muri L cubitorum eminet spatio; turres dénis pedibus quam murus altiores sunt. Totius operis ambitus C C C L X V stadia complectitur: singulorum stadiorum structuram singulis diebus perfectam esse memoriae proditum est. Aedificia non sunt admota mûris, sed fere spatium iugeri unius

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gen ihm entgegen. Unter diesen war auch Bagophanes, der Hüter der Burg und der königlichen Schatzkammer; um sich an Beflissenheit von Mazäus nicht ausstechen zu lassen, hatte er den ganzen Weg mit Blumen und Kränzen bestreuen und rechts und links vom Wege silberne Altäre aufstellen lassen, die mit Weihrauch und dazu Essenzen aller Art überladen waren. Als Geschenkgaben folgten ihm Herden von Vieh und Pferden, und sogar Löwen und Panther trug man in Käfigen herbei. Dann kamen die Magier, die ihrer Sitte nach ein Lied erschallen ließen, nach ihnen die Chaldäer und aus Babylon nicht nur die wahrsagenden Sänger, sondern auch Musiker mit ihren landesüblichen Saiteninstrumenten: sie pflegen den Ruhm ihrer Könige zu besingen, während die Chaldäer den Lauf der Gestirne und den festgesetzten Wechsel der Jahreszeiten deuten. Den Schluß bildete dann die babylonische Ritterschaft, die mit ihrem und ihrer Pferde Schmuck eher prachtvoll als machtvoll wirkte. Der König, inmitten seiner Bewaffneten, ließ die Schar der Städter sich hinten an sein Fußvolk anschließen und zog selbst hoch zu Wagen in die Stadt und sodann in die Königsburg ein. Am Tage darauf besichtigte er das Innere des Palastes und den gesamten Schatz. Im übrigen zogen die Schönheit der Stadt selbst und ihr Alter nicht nur des Königs, sondern auch aller übrigen Augen auf sich, und das mit Recht. Samiramis war ihre Gründerin, nicht, wie man zumeist glaubte, Belus, dessen Königsburg noch gezeigt wird. Die Mauer besteht aus Backsteinen und ist mit Erdpech gekittet; 32 Fuß ist sie breit. Man sagt, zwei Viergespanne könnten darauf ungefährdet aneinander vorbeifahren. Sie erhebt sich in einer Höhe von 50 Ellen; ihre Türme sind noch zehn Fuß höher als die Mauer. Der Umfang des gesamten Werks beträgt 365 Stadien, und zwar soll der Bau eines jeden Stadiums je einen Tag gedauert haben. Die Häuser stoßen nicht unmittelbar an die Mauern, sondern liegen davon etwa um die Breite eines Morgens ent-

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absunt. 2T Ac ne totam quidem urbem tectis occupaverunt - per L X X X stadia habitabatur nec omnia continua sunt, credo, quia tutius visum est pluribus locis spargi. Cetera serunt coluntque, ut, si externa vis ingruat, obsessis alimenta ex ipsius urbis solo subministrentur. Euphrates interfluit magnaeque molis crepidinibus coercetur. Sed omnium operum magnitudinem circumveniunt cavernae ingentes, in altitudinem pressae ad accipiendum impetum fluminis, quod ubi adpositae crepidinis fastigium excessit, urbis tecta corriperet, nisi essent specus lacusque, qui exciperent. 2 9 Coctili laterculo structi sunt, totum opus bitumine adstringitur. Pons lapideus flumini impositus iungit urbem. Hic quoque inter mirabilia Orientis opera numeratus est: quippe Euphrates al tum limum vehit, quo penitus ad fundamenta iacienda egesto vix sufficiens operi firmo reperiunt solum. 3 0 Harenae autem subinde cumulatae et saxis, quis pons sustinetur, adnexae morantur amnem, qui retentus acrius, quam si libero cursu mearet, inliditur. 31 Arcem quoque ambitu X X stadia complexam habent. X X X pedes in terram turrium fundamenta demissa sunt, ad L X X X summum munimenti fastigium pervenit. ^ S u per arcem, vulgatum Graecorum fabulis miraculum, pensiles horti sunt, summam murorum altitudinem aequantes multarumque arborum umbra et proceritate amoeni. 3 3 Saxo pilae, quae totum onus sustinent, instructae sunt; super pilas lapide quadrato solum stratum est patiens terrae, quam altam iniciunt, et humoris, quo 28

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fernt. Und man hat auch nicht die ganze Stadtfläche bebaut; nur 80 Stadien werden bewohnt, und die bebauten Flächen stoßen auch nicht aneinander: wahrscheinlich weil es sicherer schien, wenn man sie verteilte. Die übrigen Strecken benutzt man zur Landwirtschaft, um aus dem Grund und Boden der Stadt selbst Nahrung zu gewinnen, falls einmal eine fremde Macht hereinbricht und sie belagert. Der Euphrat durchfließt die Stadt, von mächtigen Ufermauern eingefaßt. Aber all diese großen Bauten umschließen die tiefen riesigen Sammelbecken, die man gegraben hat, um den reißenden Strom darin aufzufangen: würde er doch, wenn er über die Dämme steigt, die Häuser der Stadt mit sich reißen, wären nicht die Stollenseen, die ihn aufnehmen sollen. Man hat sie aus Backstein gebaut und das ganze Werk mit Erdpech verkittet. Eine Steinbrücke verbindet die beiden Stadtteile; auch sie zählt zu den Wunderwerken des Orients. Denn der Euphrat führt viel Schlamm mit sich, und als man diesen völlig herausbefördert hatte, um die Grundmauern errichten zu können, fand sich doch kaum Boden genug für das mächtige Werk: Sandmassen aber häuften sich nach und nach an und sammelten sich an den Felsen, die die Brücke tragen; sie verlangsamen so die Strömung, und nun bricht sich der gehemmte Fluß heftiger an der Brücke, als wenn er frei dahinzöge. Auch eine Burg besitzt die Stadt, mit einem Umfang von zwanzig Stadien. Dreißig Fuß tief reichen die Grundmauern der Türme, die bis zu achtzig Fuß aufragen. Über der Burg sind - als ein Wunder, von dem die griechischen Sagen zu erzählen wissen - die hängenden Gärten: sie liegen in der Höhe der Mauerkrone und verdanken ihre Schönheit der Vielzahl schattenspendender, hochgewachsener Bäume. Von Stein sind Pfeiler errichtet, die das ganze Werk tragen, und über den Pfeilern breitet sich ein Boden aus starkem Quaderstein aus für die hoch aufgeworfene Erde, die

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rigant terras; adeoque validas arbores sustinet moles, ut stipites earum V I I I cubitorum spatium crassitudine aequent, in L pedum altitudinem emineant frugiferaeque sint, ut si terra sua alerentur. 34 Et cum vetustas non opera solum manu facta, sed etiam ipsam naturam paulatim exedendo périmât, haec moles, quae tot arborum radicibus premitur tantique nemoris pondere onerata est, inviolata durât: quippe X X pedes lati parietes sustinent X I pedum intervallo distantes, ut procul visentibus silvae montibus suis imminere videantur. 35 Syriae regem Babylone regnantem hoc opus esse molitum memoriae proditum est, amore coniugis victum, quae desiderio nemorum silvarumque in campestribus locis virum compulit amoenitatem naturae genere huius operis imitari. ®®Diutius in hac urbe quam usquam constitit rex, nec alio loco disciplinae militari magis nocuit. Nihil urbis eius corruptius moribus, nihil ad inritandas inliciendasque immodicas cupiditates instructius. 37 Liberos coniugesque cum hospitibus stupro coire, modo pretium flagitii detur, parentes maritique patiuntur. Convivales ludi tota Perside regibus purpuratisque cordi sunt, Babylonii maxime in vinum et, quae ebrietatem sequuntur, effusi sunt. 3 8 Feminarum convivía ineuntium in principio modestus est habitus, dein summa quaeque amicula exuunt paulatimque pudorem profanant, ad ultimum honos auribus habitus sit - ima corporum velamenta proiciunt. Nec meretricum hoc dedecus est sed matronarum virginumque, apud quas comitas habetur vulgati corporis vilitas. 3 9 Inter haec flagitia exercitus ille domitor Asiae per X X X I I I I dies saginatus ad ea, quae sequeban-

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darauf liegt, und auch für das Wasser, das diese feucht hält. Und derart mächtige Bäume trägt dieses Bauwerk, daß ihre Stämme acht Ellen dick und bis zu fünfzig Fuß hoch werden, ja sogar Früchte tragen, als nährte sie ihr Mutterboden. Und während sonst der Zahn der Zeit nicht nur Werke von Menschenhand zernagt, sondern im Laufe der Jahre sogar die der Natur selbst, steht dieses wuchtige Bauwerk mit all der Last so viel wurzelschlagender Bäume, ja eines ganzen Haines, noch in unangetasteter Dauer: Denn 20 Fuß breite Wandmauern tragen es, 11 Fuß voneinander entfernt, und schaut man von fern darauf hin, so glaubt man, natürliche Wälder ragten hier auf ihren Bergen auf. Ein König von Syrien, der in Babylon herrschte, soll diesen Bau geschaffen haben — aus Liebe zu seiner Gattin, die aus Heimweh nach ihren Hainen und Wäldern den Gatten dazu bewog, inmitten des Flachlandes mit einem derartigen Bauwerk die anmutige Natur nachzuahmen. Länger als irgendwo machte der König in dieser Stadt halt, und nirgendwo anders schadete er der Kriegszucht mehr; denn in keiner Stadt sonst herrscht eine solche Sittenverderbnis, und keine versteht derart zu allen bösen Lüsten einzuladen. Daß Kinder und Frauen mit den Fremden Unzucht treiben, dulden Eltern und Gatten, wenn nur die Schande klingenden Lohn einträgt. In ganz Persien lieben die Könige und ihre Hofleute die Freuden der Tafel; in Babylon aber ist man dem Wein und dem, was der Trunkenheit folgt, maßlos ergeben. Die Frauen, die an Gelagen teilnehmen, Benehmen sich anfangs noch züchtig, dann aber werfen sie die Oberkleider ab und werden mehr und mehr schamlos, ja schließlich — der ehrbare Leser möge entschuldigen! — werfen sie auch die letzten Hüllen ab. So übel betragen sich nicht etwa nur die Dirnen, sondern auch verheiratete Frauen und junge Mädchen: bei ihnen gilt es als guter Ton, den Körper preiszugeben! In solcherlei schändlichem Treiben mästete sich 34 Tage lang das Heer, das Asien bezwungen hatte; und hätte es

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tur, discrimina haud dubie debilior futurus fuit, si hostem habuisset. Ceterum quo minus damnum sentirei, identidem incremento renovabatur. 4 0 Namque Amyntas Andromeni ab Antipatro Macedonum peditum V I milia adduxit, D praeterea eiusdem generis équités, 41 cum his D C Thracas adiunctis peditibus suae gentis I I I milibus D, et ex Peloponneso mercennarius miles ad I I I I milia advenerat cum trecentis octoginta equitibus. 42 Idem Amyntas adduxerat L principum Macedoniae liberos adultos ad custodiam corporis: quippe inter epulas hi sunt regibus ministri idemque equos ineuntibus proelium admovent venantesque comitantur et vigiliarum vices ante cubiculi fores servant, magnorumque praefectorum et ducum haec incrementa sunt et rudimenta. 43 Igitur rex arci Babyloniae Agathone praesidere iusso cum septingentis Macedonum trecentisque mercede conductis praetores, qui regioni Babyloniae ac Ciliciae praeessent, Menetem et Apollodorum relinquit. II milia his militum cum mille talentis data; utrique praeceptum, ut in supplementum milites legerent. 44 Mazaeum transfugam satrapea Babyloniae donat, Bagophanem, qui arcem tradiderat, se sequi iussit; Armenia Mithreni, Sardium proditori, data est. 45 Ex pecunia deinde Babyloniae tradita Macedonum equitibus sesceni denarii tributi; peregrinus eques quingenos accepit; duceni *** pedes trium Stipendium mensum. II. Ή ί β ita compositis in regionem, quae satrapea Sittacene vocatur, pervenit: fertilis terra, copia rerum et omni commeatu abundans. 2 Itaque diutius ibi substitit ac, ne desides otio

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noch einen wirklichen Feind vor sich gehabt, es wäre für die kommenden schweren Entscheidungen bestimmt zu geschwächt gewesen! Jedoch wurde es immer wieder durch Ersatztruppen aufgefrischt, damit die erlittenen Verluste weniger spürbar würden. So brachte Amyntas, der Sohn des Andromenus, von Antipater 6000 Mann makedonischen Fußvolks, dazu 500 Reiter desselben Stammes und mit ihnen 600 Thraker nebst 3500 Mann Fußvolk von ihrem Volk; vom Peloponnes waren gegen 4000 Söldner eingetroffen mitsamt 380 Reitern. Auch brachte Amyntas 50 junge Leute von Adel mit als Leibwache: sie bedienen bei Tisch ihre Könige, bringen ihnen die Pferde, wenn es in den Kampf geht, begleiten sie auf der Jagd und wachen nachts abwechselnd vor ihremSchlafgemach; in dieser Vorschule bilden sie sich als Nachwuchs für hohe Beamte und Heerführer aus.

Also übergab der König den Befehl über die Burg Babylon dem Agathon mitsamt 700 Makedonen und 300 Söldnern; als Statthalter über die Landschaft Babylonien und Kilikien ließ er Menes und Apollodorus zurück. Sie erhielten 2000 Soldaten und 1000 Talente; beide wurden angewiesen, das Heer zu ergänzen. Den Überläufer Mazäus belohnte er mit der Satrapie von Babylonien, Bagophanes, der die Burg ausgeliefert hatte, nahm er in sein Gefolge auf und gab Armenien dem Verräter von Sardes Mithrenes. Von dem Geld, das man ihm in Babylon übergeben hatte, erhielten die makedonischen Reiter sodann je 600 Denare; der nicht einheimische Reiter empfing je 500, 200 *** und das Fußvolk einen dreifachen Monatssold. Nachdem dies so geregelt war, gelangte er in die Landschaft, die man die Satrapie Sittakene nennt - ein fruchtbares Land, überreich an Besitz und jeglichem Lebensunterhalt. Daher blieb er dort längere Zeit, und um die

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demitterent ánimos, iudices dédit praemiaque proposuit de virtute militari certantibus. G o vern, qui fortissimi iudicati essent, singulis militum milibus praefuturi erant — chiliarchas vocabant - tunc primum in hune numerum copiis distributis: namque antea quingenariae cohortes fuerant nec fortitudinis praemia cesserant. 4 Ingens

militum turba convenerat egregio interfutura certamini, testis eadem cuiusque factorum et de iudicibus latura sententiam: quippe verone an falso honos cuique haberetur, ignoran non poterat. 5Primus omnium virtutis causa donatus est Atarrhias senior, qui omissum apud Halicarnason a iunioribus proelium unus maxime accenderat, proximus ei Antigenes visus est, tertium locum Philotas Augaeus obtinuit, quartus Amyntae datus, post hos Antigonus et ab eo Lyncestes Amyntas fuit, septimum locum Theodotus, * * * ultimum obtinuit Hellanicus. 6 In

disciplina quoque militaris rei a maioribus tradita pleraque summa utilitate mutavit. Nam cum ante équités in suam quisque gentem discriberentur seorsus a ceteris, exempto nationum discrimine praefectis non utique suarum gentium, sed delectis attribuit. 7 Tuba, cum castra movere vellet, signum dabat, cuius sonus plerumque tumultuantium fremitu exoriente haud satis exaudiebatur; ergo perticam, quae undique conspici posset, supra praetorium statuit, ex qua signum eminebat pariter omnibus conspicuum: observabatur ignis noctu, fumus interdiu. 8 Iamque

Susa ei adituro Abulites, regionis

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Leute nicht müßiggehen und damit den Mut einbüßen zu lassen, setzte er Richter ein und gewährte Belohnungen für die, welche um den Ruhm soldatischer Tapferkeit wetteiferten: die neun, die zu den Tapfersten erklärt worden waren, sollten den Befehl über je 1000 Soldaten erhalten. „Chiliarchen" hießen diese Männer, als man jetzt zum erstenmal die Truppen derart einteilte; denn vorher hatten die Kohorten 500 Mann gehabt und waren ihren Führern nicht als Lohn für Tapferkeit zugefallen. Eine ungeheure Menge Soldaten war zusammengeströmt, um diesem besonderen Wettkampf zuzuschauen, zugleich als Zeugen der Taten eines jeden und auch willens, über die Richter ihren Urteilsspruch zu fällen, denn es konnte ja nicht verborgen bleiben, ob ein jeder zu Recht oder zu Unrecht geehrt wurde. Als erster von allen erhielt der alte Atarrhias einen Tapferkeitspreis, denn er allein hatte den von den Jüngeren schon aufgegebenen Kampf bei Halikarnassus hauptsächlich wieder aufleben lassen; ihm zunächst kam, so entschied man, Antigenes. Den dritten Platz erhielt Philotas aus Augäa, den vierten Amyntas; auf sie folgten Antigonus und sodann der Lynkeste Amyntas. Den siebenten Platz erhielt Theodotus,*** den letzten Hellanikus. Auch in der Heereszucht, so wie sie ihm von seinen Vorfahren überkommen war, änderte er zum größten Vorteil vielerlei; denn während bisher die Reiter jeweils nach ihrer Stammesherkunft, abgesondert von den übrigen, eingeteilt wurden, hob er jetzt den Volksunterschied auf und teilte sie Offizieren zu, die gerade nicht des gleichen Stammes waren, sondern besonders ausgewählt wurden. Das Zeichen zum Aufbruch gab man bisher mit der Trompete, doch war ihr Klang zumeist bei dem Lärm der unruhigen Menge nicht genügend zu hören; jetzt ließ er eine weithin sichtbare Stange auf das Feldherrnzelt setzen, von der ein Zeichen in die Weite ragte, das allen gleichermaßen sichtbar war; nachts galt ein Feuerzeichen, tagsüber Rauch. Schon wollte er nach Susa aufbrechen, da sandte ihm Abu-

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eius praefectus, sive Darei iussu, ut Alexandrum praeda retineret, sive sua sponte filium obviam misit, traditurum se urbem promittens. 'Benigne iuvenem excepit rex et eodem duce ad Choaspin amnem pervenit, delicatam, ut fama est, vehentem aquam. H i c Abulites cum donis regalis opulentiae occurrit. 1 0 Dromades cameli inter dona erant velocitatis eximiae, X I I elephanti a Dareo ex India acciti, iam non terror, ut speraverant, Macedonum, sed auxilium, opes vieti ad victorem transferente fortuna. 1 U t vero urbem intravit, incredibilem ex thesauris summam pecuniae egessit: L milia talentum argenti non signati forma, sed rudi pondere. 1 2 Multi reges tantas opes longa aetate cumulaverant liberis posterisque, ut arbitrabantur, quas una hora in externi regis manus intulit. l s Consedit deinde in regia sella multo excelsiore quam pro habitu corporis. Itaque, cum pedes summum gradum non contingerent, unus ex regiis pueris mensam subdidit pedibus. " E t cum spadonem, qui Darei fuerat, ingemiscentem conspexisset rex, causam maestitiae requisivit. Ille indicat Dareum vesci in ea solitum, seque sacram eius mensam ad ludibrium reccidentem sine lacrimis conspicere non posse. 1 5 Subiit ergo regem verecundia violandi hospitales deos, iamque subduci iubebat, cum Philotas: « Minime vero haec feceris, rex, sed omen quoque aeeipe, mensam, ex qua libavit hostis epulas, tuis pedibus esse subiectam. »

1 f l Rex

Persidis finem aditurus Susa urbem

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lites, der Statthalter dieser Landschaft, - entweder auf Darius' Befehl, um Alexander durch Beute aufzuhalten, oder aus eigenem Antrieb — seinen Sohn entgegen und versprach ihm die Ubergabe der Stadt. Der König nahm den jungen Mann freundlich auf und gelangte unter seiner Führung zum Choaspes, welcher der Sage nach ein köstliches Wasser mit sich führt. Hier kam ihm Abulites mit wahrhaft königlichen Geschenken entgegengezogen. Darunter befanden sich Dromedare von außerordentlicher Schnelligkeit, 12 Elefanten, die sich Darius aus Indien hatte kommen lassen — jetzt freilich nicht mehr das erhoffte Schrecknis der Makedonen, sondern eine Hilfe für sie, wie ja eben das Glück die Schätze des Besiegten dem Sieger in die Hand spielt. Und als Alexander nun die Stadt betrat, fiel ihm aus der Schatzkammer eine unglaubliche Menge Geldes zu: 50 000 Talente Silbers und zwar nicht geprägt, sondern in Rohgewicht. Viele Könige hatten diese Riesenschätze im Verlauf langer Zeit aufgehäuft — wie sie glaubten: für ihre Kinder und Nachkommen; eine einzige Stunde ließ sie jetzt in die H a n d eines ausländischen Königs fallen. Dieser nahm alsdann auf dem Königsthron Platz, der jedoch viel zu hoch war für seinen "Wuchs. Da deshalb seine Füße nicht bis zur obersten Stufe reichten, schob ihm einer der Pagen einen Tisch unter die Füße. Und als der König gewahrte, wie ein Eunuch, der vorher Darius gedient hatte, aufstöhnte, fragte er ihn nach dem Grund seiner Trauer. Dieser gab Bescheid, Darius habe gewöhnlich daran gespeist, und so könne er diesen geheiligten Tisch, der jetzt zum Gegenstand des Spottes erniedrigt werde, nur unter Tränen anschauen. Alsbald befiel den König eine ehrfürchtige Scheu, er möchte die Götter des Gastrechts verletzen, und schon wollte er den Befehl geben, ihn wegzunehmen, da rief Philotas: „Tu das nur ja nicht, mein König! Laß es vielmehr als ein Omen gelten, daß der Tisch, an dem dein Feind seine Mahlzeiten genossen hat, jetzt deinen Füßen als Schemel dient!" Im Begriff, an die Grenze Persiens vorzurücken, vertraute

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Archelao et praesidium I I I milium tradidit, Xenophilo arcis cura mandata est mille Macedonum aetate gravibus praesidere arcis custodiae iussis, 1 , thesaurorum Callicrati tutela permissa, satrapea regionis Susianae restituta Abulitae. Matrem quoque et liberos regis in eadem urbe deponit. 18 Ac forte Macedónicas vestes multamque purpuram dono ex Macedonia sibi missam cum iis, quae confecerant, tradì Sisigambi iubet - omni namque honore eam et filii quoque pietate prosequebatur - 19 admonerique iussit, ut, si cordi [quoque] vestís esset, conficere eam neptes suas adsuefaceret; dono se, quae docerent, dare. Ad hanc vocem lacrimae obortae prodidere animum aspernantis id munus: quippe non aliud magis in contumeliam Persarum feminae accipiunt quam admovere lanae manus. 2 0 Nuntiant, qui dona tulerant, tristem esse Sisigambim, dignaque res et excusatione et solacio visa. Ipse ergo pervenit ad eam et « Mater, » inquit « hanc vestem, qua indutus sum, sororum non donum solum sed etiam opus vides: nostri decepere me mores. 21 Cave, obsecro, in contumeliam acceperis ignorationem meam. Quae tui moris esse cognovi, ut spero, abunde servata sunt. 22 Scio apud vos filio in conspectu matris nefas esse considere, nisi cum illa permisit: quotienscumque ad te veni, donee, ut considerem, adnueres, restiti. Procumbens venerari me saepe voluisti: inhibui. Dulcissimae matri Olympiadi nomen debitum tibi reddo. »

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der König Susa mit einer Besatzung von 3000 Mann Archelaus an. Dem Xenophilus übergab er die Aufsicht über die Burg und ließ 1000 Makedonen, denen ihr Alter zu schaffen machte, als Burgwache zurück; den Schutz der Schatzkammer übertrug er Kallikrates, die Satrapie der Landschaft Susiana wurde Abulites zurückgegeben. Auch die Mutter des Königs und seine Kinder ließ er in der gleichen Stadt zurück. Und als ihm gerade makedonische Gewänder und viel Purpurstoffe geschenkweise aus Makedonien zugingen, hieß er sie mitsamt den Frauen, die jene verfertigt hatten, Sisigambis übergeben — denn er ließ ihr alle Ehrfurcht, ja Liebe eines Sohnes zuteil werden — und forderte sie auf, wenn ihr diese Kleidung auch gefalle, so solle sie doch ihre Enkelinnen lehren, sie zu verfertigen; er schenke ihr die Frauen, die ihnen das beibringen könnten. Auf dieses Wort hin kamen ihr die Tränen in die Augen und verrieten, daß sie ein Geschenk dieser Art ablehne: denn persische Frauen empfinden es als den schwersten Schimpf, wenn sie Hand an Wollarbeiten legen sollen. Sogleich meldeten die Überbringer der Geschenke, Sisigambis sei traurig, und der König hielt den Vorfall für wichtig genug, sich zu entschuldigen und sie zu trösten. So begab er sich selbst zu ihr und sprach: „Mutter, dies Gewand, das ich trage, ist nicht nur ein Geschenk meiner Schwestern, sondern auch ihr Werk. Ich habe mich von unsern Landessitten irreleiten lassen. Und nun bitte ich dich dringend: sieh keinen Schimpf darin, daß ich es nicht besser wußte! Was ich von deinen Sitten erfahren habe, das habe ich — hoffentlich! — durchaus beachtet. So weiß ich, daß bei euch ein Sohn im Beisein der Mutter sich nicht setzen darf, ehe sie es nicht gestattet: sooft ich zu dir kam, bin ich deshalb stehen geblieben, bis du mir Platz zu nehmen erlaubtest. O f t hast du mich fußfällig verehren wollen, doch ich habe es nicht geduldet. Den Namen, der nur meiner heißgeliebten Mutter Olympias zukommt, lege ich dir bei!"

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III. l i t i g a t o animo eius rex quartis castris pervenit ad Tigrim fluvium; Pasitigrim incolae vocant. Oritur in montibus Uxiorum, et per L stadia silvestribus ripis praeceps inter saxa devolvitur. 2 Accipiunt deinde eum campi, quos clementiore alveo praeterit, iam navium p a tiens. D C sunt stadia mollioris soli, per quod leni tractu aquarum Persico mari se insinuât. 3

Amne superato cum V i l l i milibus peditum et Agrianis sagittariisque et Graeorum mercennariorum tribus milibus, additis mille Thracum, in regionem Uxiorum pervenit. Finitima Susis est et in primam Persidem excurrit artum inter se et Susianos aditum relinquens. 4 Medates erat regionis praefectus, haud sane temporum homo: quippe ultima pro fide experiri decreverat. 5 Sed periti locorum Alexandrum docent occultum iter esse per calles et aversum ab urbe: si paucos misisset leviter armatos, super capita hostium evasuros. 6 Cum consilium placuisset, idem itinerum fuerunt duces. M et D mercede conducti et Agriani fere M Tauroni praefecto dati ac post solis occasum iter ingredi iussi. 7 lpse tertia vigilia castris motis circa lucis or-, tum superai angustias caesaque materia cratibus et pluteis faciundis, ut, qui turres admoverent, extra teli iactum essent, urbem obsidere coepit. 8 Praerupta erant omnia saxis et cotibus impedita. Multis ergo vulneribus depulsi, ut quibus non cum hoste solum sed etiam cum loco dimicandum esset, subibant tamen, 9 quia rex inter primos constiterat interrogans, tot urbium

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Nachdem er sie beruhigt hatte, gelangte der König am fünften Tage zum Tigris. Pasitigris nennen ihn die Einwohner; er entspringt in den uxischen Bergen und stürzt 50 Stadien weit, von "Wäldern umgeben, zwischen Felsgestein abwärts. Dann nehmen ihn Ebenen auf, die er in ruhigerem Laufe durchquert, jetzt auch schiffbar geworden. 600 Stadien weit ist der Boden sanfter: ihn mit langsamem Gefalle durchströmend ergießt er sich ins Persische Meer. Als Alexander den Fluß überschritten hatte, gelangte er mit 9000 Mann Fußvolk, den Agrianern mitsamt den Bogenschützen und 3000 griechischen Söldnern, zu denen noch 1000 Thraker kamen, ins Land der Uxier. Es grenzt an Susa, erstreckt sich nach Vorderpersien hinein und läßt zwischen sich und den Susianern einen schmalen Zugang frei. Medates war der Statthalter dieser Landschaft, ein Mann, der keineswegs mit der Zeit ging, sondern entschlossen war, seine Pflicht bis aufs äußerste zu erfüllen. Aber durch Ortskundige erfuhr Alexander, es gebe einen versteckten Bergpfad in einiger Entfernung von der Stadt; falls er nur wenige Leichtbewaffnete vorschickte, so würden diese noch über die Feinde hinausgelangen. Der Rat sagte ihm zu, und dieselben Leute mußten als Führer dienen. 1500 Söldner und etwa 1000 Agrianer wurden dem Präfekten Tauron mitgegeben und hatten sich nach Sonnenuntergang in Marsch zu setzen. Er selbst brach in der dritten Nachtwache auf, brachte gegen Sonnenaufgang den Engpaß hinter sich und begann die Belagerung der Stadt, nachdem man Holz geschlagen, um Flechtwerk zu gewinnen und Schutzdächer herzustellen, damit man die Türme ungefährdet von Geschossen vorbringen könne. Es gab nur schroff abfallendes Gelände, aus unzugänglichen Felsen und Klippen bestehend. So erlitten sie zahlreiche Verluste, da sie ja nicht nur mit dem Feind, sondern auch mit dem Gelände zu ringen hatten; trotzdem klommen sie immer wieder empor, da der König sich an ihre Spitze gestellt

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Víctores an erubescerent haerere in obsidione castelli exigui et ignobilis, simul admonens *** inter haec eminus petebatur; quem testudine obiecta milites - ut decederet, perpellere nequierant - tuebantur. 1 0 Tandem Tauron super arcem urbis se cum suo agmine ostendit; ad cuius conspectum et hostium animi labare et Macedones acrius proelium inire coeperunt. "Anceps oppidanos malum urgebat, nec sisti vis hostium poterat. Paucis ad moriendum, pluribus ad fugam animus fuit, magna pars in arcem concessit. Inde X X X oratoribus missis ad deprecandum triste responsum a rege redditur non esse veniae locum. 1 2 Itaque suppliciorum quoque metu perculsi ad Sisigambim, Darei matrem, occulto itinere ignotoque hostibus mittunt, qui peterent, ut ipsa regem mitigaret, haud ignari parentis earn loco diligi colique. Et Medates sororis eius filiam secum matrimonio iunxerat, Dareum propinqua cognatione contingens. 13 Diu Sisigambis supplicum precibus repugnavit abnuens deprecationem pro illis [non] convenire fortunae, in qua esset, adicitque metuere sese, ne victoris indulgentiam fatigaret, saepiusque cogitare captivam esse se quam reginam fuisse. " A d ultimum vieta litteris Alexandrum ita deprecata est, ut ipsum excusaret, quod deprecaretur: petere se, ut illis quoque, si minus, sibi ignosceret; pro necessario ac propinquo suo, iam non hoste, sed supplice, tantum

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hatte und sie fragte, ob sie, die Bezwinger so zahlreicher Städte, es nicht als schmachvoll empfänden, wenn sie sich hier bei der Belagerung eines geringfügigen, namenlosen Kastells aufhalten ließen; und gleichzeitig erinnerte er sie daran, [daß Tauron ja bald Hilfe bringen werde]. Währenddessen wurde er aus der Entfernung aufs Korn genommen, so daß die Soldaten ein Schilddach bildeten und ihn schützten: denn daß er den Geschossen aus wich, dazu vermochten sie ihn nicht zu bewegen. Endlich zeigte sich Tauron über der Stadtburg mit seiner Schar; bei seinem Anblick sank den Feinden der Mut und die Makedonen begannen hitziger vorzugehen. Nun sahen sich die Städter von zwei Seiten bedrängt, und der vorstürmende Feind war nicht mehr aufzuhalten. Nur wenige zogen den T o d der Flucht vor; ein großer Teil wich in die Burg zurück. Von dort aus schickten sie dreißig Unterhändler vor, die um Gnade bitten sollten, aber sie brachten vom König die traurige Antwort zurück, Gnade sei hier nicht am Platze. Daher schickten sie, auch aus Furcht, hingerichtet zu werden, auf einem versteckten und dem Feind unbekannten P f a d Botschaft an Sisigambis, die Mutter des Darius, sie möchte doch ihrerseits den König milde stimmen: wußte man doch, daß er sie liebte und verehrte wie eine Mutter. Auch hatte Medates eine Tochter ihrer Schwester zu Frau und war somit Darius nahe versippt. Lange lehnte Sisigambis die flehenden Bitten ab mit der Begründung, für die Lage, in der sie sich befinde, schicke sich eine Fürbitte für sie nicht; auch fürchte sie, die Langmut des Siegers zu erschöpfen, und sie denke öfter daran, daß sie eine Gefangene, als etwa daran, daß sie einst Königin gewesen sei. Zuletzt ließ sie sich jedoch bewegen, Alexander in einem Brief anzuflehen, er möge eben dieses ihr Flehen entschuldigen: sie bitte, er möge auch jenen Männern oder andernfalls doch wenigstens ihr verzeihen; für ihren nahen Verwandten, der jetzt kein Feind mehr sei, sondern nur noch ein Schutzflehender, bitte sie lediglich um sein Leben.

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vitam precari. 1 5 Moderationem clementiamque regis, quae tunc fuit, vel una haec res possit estendere: non Medati modo ignovit, sed omnes et deditos et captivos [et] libertate atque immunitate donavit, urbem reliquit intactam, agros sine tributo colere permisit. A victore Dareo plura mater non impetrasset.

" U x i o r u m dein gentem subactam Susianorum satrapae contribuit divisisque cum Parmenione copiis illum campestri itinere procedere iubet, ipse cum expedito agmine iugum montium cepit, quorum perpetuum dorsum in Persidem excurrit. " O m n i hac regione vastata tertio die Persidem, quinto angustias, quas illi Susidas pylas vocant, intrat. Ariobarzanes has cum X X V milibus peditum occupaverat, rupes praeruptas et undique abscisas, in quarum cacuminibus extra teli iactum barbari stabant de industria quieti et paventibus similes, donee in artissimas fauces penetraret agmen. 1 8 Quod ubi contemptu sui pergere vident, tum vero ingentis magnitudinis saxa per montium prona devolvunt, quae incussa saepius subiacentibus petris maiore vi incidebant nec singulos modo sed agmina proterebant. 1 0 Fundis quoque excussi lapides et sagittae undique ingerebantur. N e c id miserrimum fortibus viris erat, sed quod inulti, quod ferarum ritu veluti in fovea deprehensi caederentur. 20 Ira igitur in rabiem versa eminentia saxa complexi, ut ad hostem pervenirent, alius alium levantes conabantur ascendere: ea ipsa multorum simul manibus convolsa in eos, qui commoverant, reccidebant. 2 1 N e c

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Wie maßvoll und milde der König damals noch sein konnte, dafür dürfte sein Verhalten schon in diesem einen Fall ein Beweis sein: nicht nur verzieh er Medates, sondern er beschenkte alle, die sich ergeben hatten, sowie alle Gefangenen mit der Freiheit und mit Erlaß der Abgaben; die Stadt ließ er unversehrt und erlaubte, die Felder ohne Tributzahlung zu bebauen. Selbst von Darius, wäre er der Sieger gewesen, hätte seine Mutter nicht mehr erreichen können! Den unterworfenen Uxier-Stamm unterstellte er der Statthalterschaft von Susa. Dann teilte er seine Truppen mit Parmenion und ließ diesen den Weg durch die Ebene nehmen, während er selbst mit einer von Gepäck nicht beschwerten Schar die Berghöhen besetzte, deren Kette nach Persien ausläuft. Als er diese ganze Gegend verwüstet hatte, betrat er am dritten Tag Persien und am fünften den Engpaß, den man dort die Tore von Susa nennt. Ariobarzanes hielt sie mit 25 000 Mann Fußvolk besetzt: schroffe, ringsum steil abfallende Felsen, auf deren Höhen außer Schußbereich die Barbaren standen, absichtlich ruhig und scheinbar verzagt, damit der Zug erst einmal in die äußerst schmalen Schluchten eindringe. Erst als sie dann gewahrten, daß man unbekümmert um sie weiter vorging, da wälzten sie ungeheure Steinblöcke über die Hänge herab, die mehrfach auf den Felsen darunter aufprallten und nun noch wuchtiger herabstürzten, so daß sie nicht nur einzelne Leute, sondern ganze Scharen zermalmten. Dazu überschütteten sie die Feinde von allen Seiten mit Schleudersteinen und Pfeilen. Und dies war für die tapferen Männer noch nicht einmal so schlimm wie die Tatsache, daß sie ohne Gegenwehr niedergemacht wurden, wie wilde Tiere in der Grube gefangen! Allmählich wurden sie rasend vor Zorn: sie packten Felsvorsprünge, um zum Feind hinaufzugelangen, und einer den andern hochhebend versuchten sie hinaufzuklettern. Aber von den Händen so vieler zugleich gelockert stürzten eben diese Felsen selbst auf die Männer zurück, die sie aus ihrer Lage gebracht hatten. So

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stare ergo poterant nec niti, ne testudine quidem protegí, cum tantae molis onera propeller e i barbari. Regem non dolor modo sed etiam pudor temere in illas angustias coniecti exercitus angebat. 2 2 Invictus ante earn diem fuerat nihil frustra ausus: impune Ciliciae fauces intraverat, mare quoque novum in Pamphyliam iter aperuerat; tunc haesitabat deprehensa felicitas, 23 nec aliud remedium erat quam revertí, qua venerat. Itaque signo receptui dato densatis ordinibus scutisque super capita consertis retro evadere ex angustiis iubet. X X X fuere stadia, quae remensi sunt.

I V . 1 T u m castris undique aperto loco positis non consultare modo, quid agendum esset, sed vates quoque adhibere coepit a superstitione animi. 2 Sed quid tune praedicere Aristander, cui [tum] plurimum credebat ex vatibus, poterat? Itaque damnatis intempestivis sacrificiis peritos locorum convocari iubet: per Mediam iter ostendebant tutum apertumque. 3 Sed rex deserere milites insepultos erubescebat ita tradito more, ut vix ullum militiae tarn sollemne esset munus quam humandi suos. Captivos ergo, quos nuper exceperat, vocari iubet. 4 Inter quos erat quidam Graecae Persicaeque linguae peritus, qui frustra eum in Persidem montium dorso exercitum ducere adfirmat, silvestres esse calles v i x singulis pervios, omnia contegi fron-

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vermochten sie weder zu stehen noch hochzuklimmen, ja nicht einmal mit dem Schilddach sich zu schützen, da die Barbaren derart mächtige Steinlasten auf sie herabrollen ließen. Den König erfaßte nicht nur Kummer, sondern auch Scham, sein Heer so unbedacht in diesen Engpaß geführt zu haben. Bis zur Stunde war er unbesiegt geblieben; kein Wagnis war ihm mißglückt; ungefährdet hatte er die Schluchten Kilikiens betreten; einen neuen "Weg nach Pamphylien hatte ihm sogar das Meer eröffnet: und nun war der stets Glückliche in eine Falle geraten und saß darin fest. Kein anderes Mittel sah er mehr, als dahin zurückzukehren, woher er gekommen war. So gab er denn das Zeichen zum Rückzug und ließ seine Leute in dicht geschlossenen Reihen, die Schilde als Dach über die K ö p f e gehoben, aus dem Engpaß hinaus zurückmarschieren. Dreißig Stadien mußte man so wieder zurückgehen. Das Lager schlug er nun in einem Gelände auf, das nach allen Seiten hin offen dalag, und erwog nicht nur, was zu tun sei, sondern zog in seinem Aberglauben auch die Seher zur Beratung herzu. Aber was hätte hier ein Aristander verkünden sollen, dem unter allen Sehern Alexander das größte Vertrauen entgegenbrachte ! Der König verschmähte es, Opfer zu bringen, die der Stunde nicht angemessen waren, und ließ statt dessen Ortskundige herbeirufen. Die schilderten ihm einen Weg durch Medien, der sicher war und offen dalag. Doch seine Soldaten unbestattet liegen zu lassen lehnte der König als schmachvoll ab: verlangte es so doch die Sitte, daß kaum eine zweite Pflicht für den Krieger so heilig war wie die, die Seinen zu beerdigen. Nun ließ er die Gefangenen holen, die er vor kurzem aufgegriffen hatte. Unter ihnen war einer, der griechisch und persisch sprechen konnte; dieser versicherte, es sei vergeblich, hier das Heer auf dem Gebirgsrücken nach Persien führen zu wollen: es gebe da nur Waldpfade, gangbar kaum für einen einzelnen Mann; alles sei mit Gesträuch be-

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dibus, implexosque arborum ramos silvas committere. N a m q u e Persis ab altero latere perpetuis montium iugis clauditur. H o c dorsum, quod in longitudinem M D C , in latitudinem C L X X stadia procurrit, a Caucaso monte ad Rubrum mare pertinet, quaque defecit mons, aliud munimentum, fretum, obiectum est. 6 Planities deinde sub radicibus montium spatiosa procumbit, fertilis terra multisque vicis atque urbibus frequens. 7 Araxes amnis per hos campos multorum aquas torrentium evolvit in Medum; Medus [ad mare] ad meridiem versus minor amnis eo, quem accepit - evehitur, 8 gignendaeque herbae non alius est aptior, quicquid adluit floribus vestiens. Platani quoque et populi contegunt ripas, ita ut procul visentibus continuata videantur montibus nemora riparum. Quippe obumbratus amnis presso in solum alveo labitur, imminentque colles, ipsi quoque frondibus laeti, radices eorum humore subeunte. 9 Regio non alia tota Asia salubrior habetur: temperat caelum hinc perpetuum iugum opacum et umbrosum, quod aestus levât, illinc mare adiunctum, quod modico tepore terras fovet. 1 0 His captivus expositis interrogatus a rege, auditune an oculis comperta haberet quae diceret, pastorem se fuisse et omnes eas c a l k s percurrisse respondit; bis captum, semel a Persis in L y c i a , iterum ab ipso. " S u b i t animum regis memoria oráculo editae sortis: quippe consulenti responsum erat ducem in Persidem ferentis viae Lycium civem fore. 1 2 Igitur promissis, quanta et praesens nécessitas exigebat et ipsius fortuna capiebat, oneratum armari iubet Macedonum more et, quod bene verteret,

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deckt, und ineinandergeflochtenes Zweigwerk mache die Waldungen undurchdringlich. Denn Persien wird von der anderen Seite her durch ununterbrochene Bergzüge abgeschlossen. Dieser Rücken, der sich 1600 Stadien in die Länge und 170 Stadien in die Breite vorschiebt, reicht vom Kaukasus bis zum Roten Meer, und wo der Berg aufhört, hat sich ein zweites Bollwerk, das Meer nämlich, vorgelagert. Dann liegt am Fuße der Berge eine weite Ebene, fruchtbares Land, bevölkert von vielen Dörfern und auch Städten. Der Araxes wälzt durch diese Ebenen die Wasser vieler Gießbäche in den Medus hinein: der Medus, nach Süden fließend, ist kleiner als der Strom, den er aufnimmt, und kein anderer Fluß begünstigt wie er den Pflanzenwuchs; was er bespült, bekleidet er mit Blumenschmuck. Auch Platanen und Pappeln säumen seine Ufer, so daß sich dem Blick von fern Uferhaine als Fortsetzung der Berge dazubieten scheinen; denn umschattet gleitet der Fluß, dessen Bett sich tief in den Boden einsenkt, dahin, und daneben erhebt sich Hügelland, das sich gleichfalls der Belaubung erfreut, da Feuchtigkeit seinen Fuß umspült. Keine Landschaft in ganz Asien gilt als gesünder: lindert doch hier das Klima der ununterbrochene Bergzug, der mit seinem dichten Schatten die Sonnenglut mildert, und dort schließt sich das Meer an, das die Länder mit maßvoller Hitze erwärmt. Auf diese Schilderung hin vom König befragt, ob er das nur vom Hörensagen her wisse oder mit eigenen Augen gesehen, erwiderte der Gefangene, er sei Hirte gewesen und habe alle diese Pfade durchstreift; zweimal sei er in Gefangenschaft geraten, das eine Mal durch die Perser in Lykien, das andere Mal durch ihn selbst. Da fiel dem König ein Orakelspruch ein: war ihm doch einst auf seine Frage verkündet worden, sein Führer nach Persien werde ein lykischer Einwohner sein. Daher sagte er ihm zu, was die drängende Stunde gebot und was seinen Verhältnissen entsprach, befahl, ihn nach Makedonenart zu bewaffnen, und ließ sich - mit dem Wunsch, es möge gut ausgehen -

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monstrare iter quamvis arduum et praeceps: evasurum se esse cum paucis, nisi forte crederet, qua ipse pecoris causa isset, Alexandrum pro gloria et perpetua laude ire non posse. 13 Etiam atque etiam docere captivus, quam difficile iter esset, maxime armatis. T u m rex « Praedem » inquit « me accipe neminem eorum, qui sequuntur, recusaturum ire, qua duces. » " C r a t e r o igitur ad custodiam castrorum relieto cum peditibus, quis adsueverat, et iis copiis, quas Meleager ducebat, et sagittariis equitibus M praecipit, ut castrorum specie manente plures de industria ignes fieri imperet, quo magis barbari credant ipsum regem in castris esse. 15 Ceterum, si forte Ariobarzanes cognovisset per callium anfractus intrare et ad occupandum iter suum partem copiarum temptasset opponere, Craterus eum inlato terrore retineret ad propius periculum conversurum agmen; 10 sin autem ipse hostem fefellisset et saltum occupasset, cum trepidantium barbarorum tumultum exaudisset, persequens tum regem id ipsum iter, quo pridie pulsi fuerant, ne dubitaret ingredi: quippe vacuum fore hostibus in semet aversis. 1T Ipse tertia vigilia silenti agmine ac ne tuba quidem dato signo pergit ad demonstratum iter callium; tridui alimenta portare militem iusserat leviter armatum. 18 Sed praeter invias rupes ac praerupta saxa vestigium subinde fallentia nix cumulata vento ingredientis fatigabat: quippe velut in foveas delati hauriebantur et, cum a commilitonibus adlevarentur, trahebant magis adiuvantes quam sequebantur. 1 8 Nox quoque et

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den Weg weisen, mochte er auch noch so beschwerlich und steil sein. Mit einigen wenigen Leuten werde er schon hinaufkommen, denn wo der Hirt um seines Viehs willen gegangen sei, da könne doch wohl ein Alexander für seinen unsterblichen Ruhm auch gehen! Wieder und wieder gab der Gefangene zu bedenken, wie schwierig der Weg sei, vor allem für Bewaffnete. Da sprach der König: „Nimm mich als Bürgen dafür, daß keiner von meinen Begleitern sich weigern wird, den Weg zu gehen, den du uns führst!" Kraterus blieb zur Hut des Lagers zurück mitsamt dem üblichen Fußvolk und auch den Truppen, die Meleager führte, sowie 1000 berittenen Schützen; er hatte den Befehl, dem Lager sein Aussehen zu lassen und absichtlich noch mehr Wachtfeuer anzuzünden: der Feind sollte unbedingt glauben, der König selbst befinde sich im Lager. Falls aber etwa Ariobarzanes merken sollte, daß Alexander auf Umwegen vordringe, und falls er ihm dann, um den Weg zu verlegen, einen Teil seiner Truppen entgegenzustellen versuche, dann sollte Kraterus ihn in Schreck setzen und festhalten, denn zweifellos werde er zu der dann näheren Gefahr hin Front machen. Hätte er selbst aber erst den Feind überlistet und den Berg besetzt, dann sollte Kraterus auf den Lärm der erschrockenen Barbaren hin unbedenklich ihm folgen und auf demselben Weg vorgehen, auf dem sie am Vortag hatten zurückgehen müssen; denn nun werde dieser frei sein, da Alexander dann ja die Feinde auf sich abgelenkt haben würde. In der dritten Nachtwache brach Alexander in aller Stille und sogar ohne ein Trompetenzeichen zu dem geschilderten Bergpfad hin auf; für drei Tage mußte jeder Soldat Lebensmittel mitnehmen und nur die leichten Waffen. Aber außer unwegsamen Felsen und schroffem Gestein, das immer wieder den Fuß ausgleiten ließ, erschöpften Schneewächten sie beim Vorgehen: wie in Gruben versanken sie darin, und kamen die Kameraden zu Hilfe, so zogen die Gestürzten diese mehr hinein, als daß sie sich von ihnen herausziehen ließen. Dazu die Nacht, die frem-

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ignota regio ac dux - incertum, an satis fidus multiplicabant metum: si custodes fefellisset, quasi feras bestias ipsos posse deprendi. E x unius captivi vel fide vel anima pendere et regis salutem et suam. 2 0 Tandem venere in iugum. A dextra iter ad ipsum Ariobarzanen erat. Hic Philotam et Coenon cum Amynta et Polyperconte expeditam habentes manum relinquit monitos, ut, quia eques pediti erat mixtus, qua pinguissimum esset solum et pabuli fertile, sensim procederent; duces erant itineris de captivis dati. 2 l Ipse cum armigeris et ala, quam agema appellabant, ardua semita, sed longius a stationibus hostium remota multa cum vexatione processit. 22 Medius erat dies et fatigatis necessaria quies: quippe tantundem itineris supererai, quantum emensi erant, sed minus praecipitis atque ardui. 2 3 Itaque refectis cibo somnoque militibus secunda vigilia surgit. Et cetera quidem haud aegre praeterit; ceterum, qua se montium iugum paulatim ad planiora demittit, ingens vorago concursu cavata torrentium iter ruperat. 2 4 Ad hoc arborum rami alius alio implicati et cohaerentes ut perpetuam obiecerant saepem. Desperatio igitur ingens, adeo ut vix lacrimis abstinerent, incesserat. 25 Praecipue obscuritas terrori erat: nam etiam si qua sidera internitebant, continenti fronde tectae arbores conspicere prohibebant. Ne aurium quidem usus supererai silvas quatiente vento, qui concurrentibus ramis maiorem quam pro flatu sonum edebat. 2 e Tandem expectata lux omnia, quae terribiliora nox fecerat, minuit: circumiri

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de Gegend, und der Führer - war er denn überhaupt zuverlässig? All das vervielfachte die Furcht; falls jener seinen Wächtern entkomme, könnte man sie hier ja wie wilde Tiere fangen; ganz allein von eines Gefangenen Treue oder Leben hinge hier des Königs und ihr Gedeihen ab! Endlich gelangten sie auf das J o c h ; rechts führte der Weg unmittelbar zu Ariobarzanes. Hier ließ Alexander Philo tas und Könus sowie Amyntas und Polyperkon zurück mitsamt einem Stoßtrupp und mahnte sie, langsam vorzugehen; da ja auch Reiter zusammen mit dem Fußvolk marschierten, sollten sie den fruchtbarsten Boden wählen, auf dem es Futter gebe. Als Führer dienten ihnen Gefangene. Der König selbst zog mit den Leibwächtern und der Agema genannten Schwadron auf einem steilen Pfad, der aber von den feindlichen Posten weiter entfernt lag, unter viel Beschwernis vorwärts. Darüber war es Mittag geworden, und die Ermüdeten brauchten dringend Ruhe; noch lag nämlich ebensoviel des Weges vor ihnen, wie sie schon zurückgelegt hatten, doch war er weniger schroff und mühsam. Daher ließ Alexander die Soldaten sich durch Speise und Schlaf stärken und brach mit der zweiten Nachtwache auf. Und der weitere Weg war tatsächlich nicht mühsam; doch hatte da, wo das Bergjoch allmählich in ebeneres Gelände ausläuft, ein ungeheurer Abgrund, von strömenden Gießbächen ausgehöhlt, den Weg unterbrochen. Außerdem hatte dicht ineinander verflochtenes Zweigwerk eine Art lückenlose Hürde gebildet. Schon überkam sie maßlose Verzweiflung, daß sie fast in Tränen ausbrachen. V o r allem schreckte sie die Dunkelheit: wenn auch einzelne Sterne blinkten, so benahm doch das dichte Laubwerk der Bäume den Ausblick. Nicht einmal auf die Ohren war Verlaß, denn der Wind rauschte durch die Wälder und stieß die Zweige krachend aneinander, wodurch sein Wehen noch stärker schien, als es in Wirklichkeit war. Endlich ließ das ersehnte Tageslicht alle Schrecken der Nacht geringer erscheinen:

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brevi spatio poterat eluvies, et sibi quisque dux itineris coeperat fieri. 2 7 Evadunt ergo in editum verticem; ex quo hostium statione conspecta strenue armati a tergo se ostendunt nihil tale metuentibus. Quorum pauci, qui congredi ausi erant, caesi sunt. 2 8 Itaque hinc morientium gemitus hinc ad suos recurrentium miserabilis facies íntegros quoque, antequam discrimen experirentur, in fugam avertit. 29 Fremitu deinde in castra, quis Craterus praesidebat, inlato ad occupandas angustias, in quibus pridie haeserant, miles educitur. 30 Simul et Philotas cum Polyperconte Amyntaque et Coeno diversum iter ingredi iussus alium terrorem intulit barbaris. 31 Undique ergo Macedonum armis fulgentibus ancipiti malo oppressi memorabile tamen proelium edunt. U t opinor, ignaviam quoque necessitas acuit, et saepe desperatio spei causa est. 3 2 Nudi complectebantur armatos et ingenti corporum mole secum ad terram detrahentes ipsorum telis plerosque fodiebant. 33 Ariobarzanes tamen X L ferme equitibus et V milibus peditum stipatus per mediam aciem Macedonum cum multo suorum atque hostium sanguine erupit, Persepolim urbem, caput regionis, occupare festinans. 34 Sed a custodibus urbis exclusus consecutis strenue hostibus cum omnibus fugae comitibus renovato proelio cecidit. Craterus quoque raptim agmine acto supervenit.

V. ^ e x eodem loco, quo hostium copias fuderat, castra communit. Quamquam enim undique fugati hostes victoriam concesserant, tamen praealtae praecipitesque fossae pluribus

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tatsächlich war die Schlucht leicht zu umgehen, wobei ein jeder sich selbst seinen Weg wählen konnte. Nun hatte man den Scheitel des Berges erklommen: von hier aus war ein feindlicher Posten zu sehen. Schnell brachte man die Waffen in Ordnung und tauchte im Rükken der Sorglosen auf. Einige wenige, die sich zu wehren wagten, wurden niedergehauen. Das Geschrei der Sterbenden wie auch der jämmerliche Anblick derer, die eilig zu den Ihren zurückflüchteten, riß auch die anderen zu kampfloser Flucht hin, ehe sie noch etwa eine Entscheidung wagten. Und als ihr Lärm dann in das Lager drang, das Kraterus befehligte, führte dieser seine Soldaten heraus, um den Engpaß zu besetzen, in dem sie am Tage zuvor steckengeblieben waren. Gleichzeitig jagte mit Polyperkon, Amyntas und Könus auch Philotas, dem ja befohlen war, einen anderen Weg einzuschlagen, den Barbaren einen neuen Schrecken ein. Als nun von allen Seiten die Waffen der Makedonen aufblitzten, lieferten die Feinde, ob auch eingeschlossen, trotzdem einen unvergeßlichen Kampf : erfaßt doch wohl auch den Feigen einmal der Mut der Verzweiflung, und oft entspringt aus ihr neue H o f f nung! Ungerüstet packten sie die Bewaffneten, rissen sie mit der Wucht ihrer Leiber zu Boden und durchbohrten viele mit deren eigenen Waffen. Immerhin gelang es Ariobarzanes, umgeben von etwa 40 Reitern und 5000 Mann Fußvolk, die Front der Makedonen zu durchbrechen, wobei auf beiden Seiten viel Blut flöß; eilig suchte er Persepolis zu erreichen, die Hauptstadt der Landschaft. Aber die Wachen der Stadt ließen ihn nicht ein, und von den Feinden hitzig verfolgt, fiel er mit allen Gefährten seiner Flucht in einem zweiten Treffen. Auch Kraterus stieß in beschleunigtem Marschtempo wieder zum Heere. Der König ließ an demselben Platz, wo er die Feinde geschlagen hatte, ein festes Lager aufrichten; denn obgleich die allenthalben verjagten Feinde ihm den Sieg nicht streitig machten, so hemmten doch sehr tiefe und steil abfallen-

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locis obiectae abruperant iter, sensimque et caute progrediundum erat iam non hostium sed locorum fraude suspecta. Procedenti ei litterae redduntur a Tiridate, custode pecuniae regiae, indicantes eos, qui in urbe essent, audito eius adven tu diripere velie thesauros: properaret occupare thesauros dimissos; expeditum iter esse, quamquam Araxes amnis interfluat. 3 Nullam virtutem regis iustius quam celeritatem laudaverim: relictis pedestribus copiis tota nocte vectus cum equitibus itineris tanto spatio fatigatis ad Araxen prima luce pervenit. 4 Vici erant in propinquo, quibus dirutis pontem ex materia eorum subditis saxis strenue induxit.

B Iamque haud procul urbe erant, cum miserabile agmen, inter pauca fortunae exempla memorandum, regi occurrit. Captivi erant Graeci ad I U I milia fere; quos Persae vario suppliciorum modo adfecerant. "Alios pedibus, quosdam manibus auribusque amputatis inustisque barbararum litterarum notis in longum sui ludibrium reservaverant; et cum se quoque alienae dicionis esse cernerent, volentes regi occurrere non prohibuerant. 7 Invisitata simulacra, non homines videbantur, nec quicquam in illis praeter vocem poterat agnosci. Plures igitur lacrimas commovere, quam profuderant ipsi: quippe in tam multiplici variaque fortuna singulorum intuentibus similes quidem, sed tarnen

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de Gräben, die sich an mehreren Stellen auftaten, den Weitermarsch, und es hieß langsam und vorsichtig vorgehen, indem nun nicht mehr der Feind, wohl aber das Gelände tückisch war. Wie er nun aufbrach, empfing er einen Brief von Tiridates, dem Hüter des königlichen Schatzes, und zwar des Inhalts: die Leute in der Stadt wollten auf die Kunde von seinem Nahen hin die Schatzkammern plündern; er möge eilends kommen, die preisgegebenen Schätze an sich zu nehmen: der Weg biete kein Hindernis, auch wenn der Araxes dazwischenliege. Keiner der Vorzüge Alexanders verdient wohl mehr gerühmt zu werden als seine Schnelligkeit: er ließ das Fußvolk zurück, ritt die ganze Nacht hindurch und kam mit den völlig erschöpften Reitern am frühen Morgen bis zum Araxes. Dörfer lagen in der Nähe; man riß sie nieder und baute ohne zu säumen aus ihrem Holz, das man auf eine Unterlage von Steinen legte, eine Brücke. Schon waren sie nicht mehr weit von der Stadt entfernt, da begegnete dem König ein jammervoller Zug; als ein Beispiel für schicksalhaftes Unglück verdient er besonders erwähnt zu werden. Der Zug bestand aus griechischen Gefangenen, etwa 4000 an der Zahl, die die Perser auf verschiedenartige Weise grausam mißhandelt hatten: dem einen hatten sie die Füße, den anderen Hände und Ohren abgehauen, hatten ihnen barbarische Schriftzeichen eingebrannt und sie sich zu ausgedehnter höhnischer Kurzweil aufgespart; jetzt, als sie gewahr wurden, daß sie unter einem anderen Herrn standen, hatten sie jene, die ihrem König entgegeneilen wollten, nicht länger mehr aufgehalten. Nie gesehenen Gespenstern, nicht aber mehr Menschen glichen sie, und außer an ihrer Stimme konnte man sie an nichts mehr wiedererkennen. So riefen sie noch mehr T r ä nen hervor, als sie selbst schon vergossen hatten: konnte man doch angesichts des so vielfältig verschiedenen Schicksals der einzelnen und bei der Betrachtung der zwar äußerlich ähnlichen und doch so ungleichartigen Verstüm-

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dispares poenas, quis maxime miserabilis esset, liquere non poterat. 8 U t vero Iovem illi tandem, Graeciae ultorem, aperuisse oculos conclamavere, omnes pari supplicio adfecti sibi videbantur. R e x abstersis, quas profuderat, lacrimis bonum habere animum iubet, visuros urbes suas coniugesque, et castra inde duo ab urbe stadia communit. 9 Graeci excesserant vallo deliberaturi, quid potissimum a rege peterent; cumque aliis sedem in Asia rogare, aliis revertí domos placeret, Euctemon Cymaeus ita locutus ad eos fertur: 1 0 « li, qui modo etiam ad opem petendam ex tenebris et carcere procedere erubuimus, ut nunc est, supplicia nostra - quorum nos pudeat magis an paeniteat, incertum est ostentare Graeciae velut laetum spectaculum cupimus. " A t q u i optime miserias ferunt, qui abscondunt, nec ulla tam familiaris est infelicibus patria quam solitudo et status prioris oblivio. N a m qui multum in suorum misericordia ponunt, ignorant, quam celeriter lacrimae inarescant. 1 2 N e m o fideliter diligit, quem fastiditi nam et calamitas querula est et superba felicitas. Ita suam quisque fortunam in Consilio habet, cum de aliena délibérât. Nisi mutuo miseri essemus, olim alius alii potuissemus esse fastidio: quid mirum est fortunatos semper parem quaerere? " O b s e c r o vos, olim vita defuncti quaeramus locum, in quo haec semesa obruamus. Grati prorsus coniugibus, quas iuvenes

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melungen nicht entscheiden, wer von ihnen das größte Mitleid verdiente. Wie sie nun gar gemeinsam riefen, Jupiter habe endlich als Rächer Griechenlands die Augen vom Schlafe aufgetan, da schien es ihnen selbst, als seien sie alle auf die gleiche grausame Weise mißhandelt worden. Der König trocknete die Tränen, die er vergossen hatte, hieß sie guten Muts sein, denn unbedingt würden sie ihre Heim a t s t ä d t e u n d ihre F r a u e n Wiedersehen, u n d schlug s o d a n n

zwei Stadien von der Stadt entfernt ein festes Lager auf. Die Griechen begaben sich vor den Wall, um zu beraten, worum sie vor allem den König bitten sollten; die einen meinten, sie sollten um einen Wohnsitz in Asien einkommen, die andern um Rückkehr nach Hause. D a soll Euktemon aus Kyme folgendermaßen zu ihnen gesprochen haben: „Wir, die wir uns eben noch geschämt haben, aus der Finsternis unseres Kerkers aufzutauchen, um Hilfe zu erbitten: wir wünschen nun — denn so ist es doch jetzt! — unsere Verstümmelungen, von denen ich nicht weiß, ob wir uns mehr ihrer schämen oder darüber Pein empfinden, Griechenland darzubieten als ein erfreuliches Schauspiel! Nein: im Versteck trägt man sein Elend immer noch am besten, und für Unglückselige gibt es keine vertrautere Heimat als die Einsamkeit, wo sie ihr früheres Dasein vergessen können. Denn wer so viel auf das Mitleid der Seinen baut, der ahnt nicht, wie schnell Tränen trocknen. Niemand liebt in Treue den, vor dessen Anblick ihm graut: Unglück macht zum Klagen geneigt, Glück aber zum Stolz; so hat ein jeder nur seine Lage im Sinn, wenn er über die des andern nachdenkt. Wenn wir nicht einer wie der andere uns so erbarmungswürdig vorkämen, wir hätten schon längst voreinander das Grausen bekommen! Ist es denn ein Wunder, daß Glückliche immer nur ihresgleichen sehen möchten? Ich beschwöre euch: laßt uns, die wir doch längst nicht mehr dem Leben angehören, einen Ort suchen, an dem wir diese unsere halbverstümmelten Glieder verscharren können! Wie sollten wir vollends unsern Frauen,

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duximus, revertemur! Liberi in flore et aetatis et rerum agnoscent patres ergastuli detrimental " E t quota pars nostrum tot obire terras potest? Procul Europa in ultima Orientis relegati, senes, debiles, maiore membrorum parte mulcati tolerabimus scilicet, quae armatos et Víctores fatigarunt! 15 Coniuges deinde, quas captis fors et necessitas unicum solacium adplicuit, parvosque liberos trahimus nobiscum an relinquimus? i e Cum his venientes nemo agnoscere volet: relinquemus ergo extemplo praesentium pignora, cum incertum sit, an visuri simus illa, quae petimus? Inter hos latendum est, qui nos miseros nosse coeperunt. » Haec Euctemon.

"Contra Theaetetus Atheniensis orsus est dicere: Neminem pium habitu corporis suos aestimaturum, utique saevitia hostis, non natura calamitosos. Dignum esse omni malo, qui erubesceret fortuito: tristem enim de mortalitate ferre sententiam et desperare misericordiam, quia ipse alteri denegaturus sit. 18Deos, quod ipsi numquam optare ausi forent, of ferre: patriarci, coniuges, liberos et quicquid homines vel vita aestimant vel morte redimunt. 19 Quin illi ex hoc carcere erumperent? alium domi esse caeli haustum, alium lucis aspectum. Mores, sacra, linguae commercium etiam a barbaris ex-

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die wir in jungen Jahren geheiratet, jetzt willkommen sein, wenn wir zurückkehren? Werden unsere Kinder, blühend jung und im Glück, ihre Väter wiedererkennen - an dem Rest nämlich, der von uns Sklaven aus dem Arbeitshaus noch übrig ist?Und wie viele von uns sind denn noch fähig, so viele Länder zu durchwandern? Fern von Europa, verschlagen bis an die äußersten Grenzen des Morgenlandes, greis und schwach geworden, um den größeren Teil unserer Gliedmaßen verstümmelt - wir sollten ertragen, was uns als siegesfreudige Krieger schon müde gemacht hat? Und unsere Weiber, die uns als Gefangenen der Zufall oder die Not als einzigen Trost zugesellt hat, unsere kleinen Kinder dazu: sollen wir sie mit uns schleppen oder sollen wir sie zurücklassen? Wenn wir mit ihnen kommen, wird niemand sie anerkennen wollen; sollen wir also nunmehr die hier gegenwärtigen Unterpfänder der Liebe aufgeben, wo es doch fraglich ist, ob wir auch jene dort Wiedersehen werden, die wir aufsuchen wollen? Nein, für uns heißt es, versteckt zu bleiben unter denen, die unser Elend schon kennen!" So sprach Euktemon. Dagegen hob Theätet aus Athen folgendermaßen an: niemand, der fromm sei, werde die Seinen nach ihrem Äußeren beurteilen, zumal sie doch durch einen grausamen Feind ins Unglück geraten seien, nicht aber aus natürlichen Gründen. Alles Unheil verdiene der, welcher sich eines unverschuldeten Zufalls schäme. Der gebe nämlich ein trauriges Urteil über die Menschheit ab und verzweifle an allem Mitleid, da er ja selbst eben dies Mitleid den Mitmenschen absprechen wolle. Jetzt böten ihnen die Götter, was sie schon selbst niemals mehr zu wünschen gewagt hätten: Vaterland, Frauen, Kinder und was sonst immer die Menschen als lebenswert schätzten und wofür sie in den Tod gingen. Warum sollten sie denn nicht aus diesem Kerker heraus? Eine andere Luft atme man unter dem Himmel daheim, ein anderes Tageslicht schaue man dort! Ihre Sitten, ihren Glauben, ihre Sprache suchten sich auch die Barbaren anzueignen; was ihnen

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peti, quae ingenita ipsi omissuri sint sua sponte, non ob aliud tarn calamitosi, quam quod illis carere coacti essent. 2 0 Se certe rediturum ad penates et in patriam tantoque beneficio regis usurum: si quos contuberni! liberorumque, quos servitus coegisset agnoscere, amor detineret, relinquerent, quibus nihil patria carius est. 2 1 Pauci huius sententiae fuere, ceteros consuetudo natura potior vicit. Consenserunt petendum esse a rege, ut aliquam ipsis attribueret sedem. 2 2 C ad hoc electi sunt. Q u o s Alexander ratus, quod ipse praestare cogitabat, petituros, « Iumenta » inquit « adsignari, quae vos veherent, et singulis vestrum milia denarium dari iussi. Cum redieritis in Graeciam, praestabo, ne qui statum suum, si haec calamitas absit, vestro credat esse meliorem. » 2 3 Illi obortis lacrimis terram intuebantur nec aut erigere vultus aut loqui audebant; tandem rege tristitiae causam exigente Euctemon similia iis, quae in Consilio dixerat, respondit. 2 4 Atque ille non fortunae solum eorum sed etiam paenitentiae miseretur: terna milia denarium singulis dari iussit; denae vestes adiectae sunt et armenta cum pecoribus ac frumento data, ut coli serique attributus iis ager posset.

V I . P o s t e r o die convocatos duces copiarum docet nullam infestiorem urbem Graecis esse quam regiam veterum Persidis regum: hinc illa immensa agmina infusa, hinc Dareum prius, dein X e r x e m Europae impium intulisse bellum:

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doch durch die Geburt geschenkt worden sei, sollten sie nun freiwillig aufgeben, sie, die doch gerade dadurch so unglücklich seien, daß sie jenes hätten entbehren müssen? Er jedenfalls wolle heim in sein Haus und an seinen Herd und wolle von des Königs Gnade Gebrauch machen: wenn jemanden die Liebe zu seiner Sklavenfrau und zu Kindern zurückhalte, deren Anerkennung ihm doch nur sein Sklavendasein abgenötigt habe — nun, den sollten die, welchen ihr Vaterland über alles gehe, eben dalassen! Nur wenige waren der gleichen Meinung; bei den übrigen trug die Gewohnheit den Sieg davon, die ja stärker ist als die Natur. So kam man dahin überein, den König darum zu bitten, daß er ihnen einen "Wohnsitz zuweise. Hundert Mann wurden hierzu auserwählt. In dem Glauben, sie wollten um das bitten, was er ihnen selbst zu gewähren gedachte, sprach Alexander zu ihnen: „Ich habe befohlen, euch Zugtiere anzuweisen, die euch fortbringen sollen, und jedem einzelnen von euch 1000 Denare auszuzahlen. Wenn ihr dann wieder in Griechenland seid, werde ich dafür sorgen, daß keiner seine Lage für besser halten darf als die eure, wenn wir von diesem eurem Unglück hier absehen." Die Leute starrten, Tränen in den Augen, zu Boden und wagten weder aufzublicken noch zu sprechen. Endlich, als der König nach dem Grund ihrer Trauer fragte, antwortete Euktemon mit ähnlichen Worten, wie er sie in der Versammlung gebraucht hatte. Und der König, voll Mitleid nicht nur mit ihrem Geschick, sondern auch mit ihrem Gefühl der Pein, ließ nun jedem 3000 Denare auszahlen; dazu fügte er zehn Gewänder und schenkte ihnen Großund Kleinvieh sowie Getreide, damit sie den ihnen zugewiesenen Boden bebauen und bepflanzen könnten. Am folgenden Tage berief er die Heerführer und stellte ihnen vor Augen, es gebe keine Stadt, die den Griechen feindlicher gesinnt sei als die Residenz der alten Perserkönige. Von hier aus hätten sich jene unermeßlichen Scharen ergossen; von hier aus habe zuerst Darius, dann Xerxes

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excidio illius parentandum esse maioribus. 2 Iamque barbari deserto oppido, qua quemque metus agebat, diffugerant, cum rex phalangem nihil cunctatus inducit. Multas urbes referías opulentia regia partim expugnaverat partim in fidem acceperat, sed urbis huius divitiae vicere praeterita. 3 In hanc totius Persidis opes congesserant barbari: aurum argentumque cumulatum erat, vestís ingens modus, supellex non ad usum sed ad ostentationem luxus comparata. 4 Itaque inter ipsos victores ferro dimicabatur: pro hoste erat, qui pretiosiorem occupaverat praedam, et cum omnia, quae reperiebant, capere non possent, iam res non occupabantur, sed aestimabantur. B Lacerabant regias vestes ad se quisque partem trahentes, dolabris pretiosae artis vasa caedebant, nihil ñeque intactum erat ñeque integrum ferebatur, abrupta simulacrorum membra, ut quisque avellerai, trahebat.

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Neque avaritia solum sed etiam crudelitas in capta urbe grassata est: auro argentoque onusti vilia captivorum corpora trucidabant, passimque obvii caedebantur, quos antea pretium sui miserabilis fecerat. 7 Multi ergo hostium manus voluntaria morte occupaverunt, pretiosissima vestium induti e mûris semetipsos cum coniugibus ac liberis in praeceps iacientes. Quidam ignes, quod paulo post facturus hostis videbatur, subiecerant aedibus, ut cum suis vivi cremarentur. 8 Tandem suos rex corporibus et

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seinen ruchlosen Krieg gegen Europa unternommen. Durch die Vernichtung dieser Stadt habe man den Ahnen ein Sühnopfer darzubringen. Und schon hatten auch die Barbaren die Stadt geräumt und waren auseinandergestoben, wohin einen jeden die Furcht trieb, als nun der König unverweilt seine Phalanx hineinführte. Schon viele Städte, die mit königlichen Schätzen gefüllt waren, hatte Alexander erobert oder sie hatten sich ihm ergeben: der Reichtum dieser Stadt jedoch übertraf alles Frühere. Hier hatten die Barbaren die Schätze ganz Pcrsiens aufgehäuft: Gold und Silber türmte sich, dazu eine ungeheure Menge an Stoffen und Hausgerät, das nicht zum täglichen Gebrauch, sondern zur Prachtentfaltung beschafft worden war. Daher flöß selbst unter den Siegern Blut: als Feind galt, wer eine kostbarere Beute an sich genommen hatte, und da sie nicht alles zu bergen vermochten, was ihnen in die Hände fiel, raffte man die Gegenstände nicht mehr einfach an sich, sondern man ging nach ihrem Werte vor. J a , sie zerfetzten die königlichen Gewänder, indem jeder einen Teil davon an sich riß; mit Äxten zerschlugen sie kostbare Gefäße von Kunstwert; nichts blieb unbeschädigt, nichts wurde heil davongetragen : abgebrochene Gliedmaßen von Standbildern — so wie ein jeder sie losgerissen hatte, schleppte er sie mit sich davon. Und nicht nur Habgier, sondern auch Grausamkeit wütete in der eroberten Stadt; mit Gold und Silber beladen ermordeten sie die nun billig gewordenen Gefangenen: weit und breit wurde erschlagen, wer ihnen in den Weg kam — nachdem man sie vorher geschont hatte, weil sie einen lohnenden Kaufpreis darstellten! Viele kamen darum den Feinden zuvor und legten lieber freiwillig Hand an sich: kostbar gekleidet stürzten sie sich mit Frauen und Kindern von den Mauern herab zu Tode. Manche legten auch Feuer an ihre Häuser - was ja doch bald der Feind selbst tun würde! - um mit den Ihren lebend zu verbrennen. Endlich befahl der König, man solle die H a n d von den

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cultu feminarum abstinere iussit. Ingens captivae pecuniae modus traditur, prope ut fidem excedat. 9 Ceterum aut de aliis quoque dubitabimus aut credemus in huius urbis gaza fuisse C et X X milia talentum. A d quae vehenda — namque ad usus belli secum portare decreverat - iumenta et camelos et a Susis et a Babylone contrahi iussit. 10 Accessere ad hanc pecuniae summam captis Parsagadis sex milia talentum. Cyrus Parsagada urbem condiderat, quam Alexandra praefectus eius Gobares tradidit. " R e x arcem Persepolis tribus milibus M a cedonum praesidio relictis Nicarchiden tueri iubet. Tiridati quoque, qui gazam tradiderat, servatus est honos, quem apud Dareum habuerat. Magnaque exercitus parte et impedimentis ibi relictis Parmeniona Craterumque praefecit. 12 Ipse cum mille equitibus peditumque expedita manu interiorem Persidis regionem sub ipsum Vergiliarum sidus petiit multisque imbribus et prope intolerabili tempestate vexatus procedere tarnen, quo intenderai, perseveravit. Ventum erat ad iter perpetuis obsitum nivibus, quas frigorie vis gelu adstrinxerat, locorumque squalor et solitudines inviae fatigatum militem terrebant humanarum rerum términos se videre credentem. Omnia vasta atque sine ullo humani cultus vestigio attoniti intuebantur et, antequam lux quoque et caelum ipsos deficerent, revertí iubebant. " R e x castigare territos supersede, ceterum ipse equo desiluit pedesque per nives et concretam glaciem ingredi coepit. Erubuerunt non sequi primum amici, deinde copiarum duces, ad ultimum milites. Primusque

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Frauen und ihrem Schmuck lassen. Ungeheuer groß war die Menge erbeuteten Geldes - fast übersteigt die Kunde davon das Glaubhafte. Aber entweder müssen wir auch alles andere bezweifeln oder wir haben zu glauben, daß in der Schatzkammer dieser Stadt sich 120 000 Talente befunden haben. Um sie fortzuschaffen - denn Alexander hatte beschlossen, sie für Kriegszwecke mitzunehmen ließ er in Susa und Babylon Lasttiere und Kamele aufbringen. Zu dieser Geldsumme kamen noch nach der Einnahme von Parsagada 6000 Talente hinzu. Kyrus hatte die Stadt Parsagada gegründet; ihr Präfekt Gobares lieferte sie Alexander aus. Der König stellte die Burg von Persepolis mit einer Besatzung von 3000 Makedonen unter den Schutz des Nikarchides. Auch Tiridates, der den Staatsschatz übergeben hatte, beließ er das hohe Amt, das er unter Darius innegehabt; ein großer Teil des Heeres und der Troß blieben dort unter dem Befehl des Parmenion und des Kraterus zurück. Er selbst zog mit tausend Reitern und einer Schar Leichtbewaffneter unmittelbar zur Zeit der Plejadengestirns dem Inneren Persiens zu und ließ von seinem Ziele nicht ab, obwohl häufige Regengüsse und eine fast unerträgliche Witterung ihn peinigten. Nun war man zu einer Straße gelangt, die von unaufhörlich fallendem Schnee bedeckt war, und die strenge Kälte hatte diesen zu Eis erstarren lassen. Die unwirtliche Landschaft und die weglosen Öden ließen den erschöpften Soldaten schaudern: glaubte er sich doch hier ans Ende der Welt versetzt. Fassungslos schauten sie rings auf die weite Wüstenei ohne eine Spur von Pflege durch Menschenhand und forderten die Heimkehr, bevor ihnen auch noch das Licht und der Himmel entschwinde! Der König vermied es, die Erschreckten zu schelten; er sprang vielmehr selbst vom Pferd und begann sogleich zu Fuß über Schnee und Eisdecke auszuschreiten. Nun packte die Scham, ihm etwa nicht zu folgen, zuerst die Freunde, dann die Truppenführer und zuletzt die Soldaten. Als

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rex dolabra glaciem perfringens iter sibi fecit; exemplum regis ceteri imitati sunt. " T a n d e m propemodum invias silvas emensi humani cultus rara vestigia et passim errantes pecorum greges repperere. Et incolae, qui sparsis tuguriis habitabant, cum se callibus inviis saeptos esse credidissent, ut conspexere hostium agmen, interfectis, qui comitari fugientes non poterant, devios montes et nivibus obsitos petiverunt. i e Inde per conloquia captivorum paulatim feritate mitigata tradidere se regi, nec in deditos gravius consultum. " V a s t a t i s inde agris Persidis vicisque compluribus redactis in potestatem ventum est in Mardorum gentem bellicosam et multum a ceteris Persis cultu vitae abhorrentem. Specus in montibus fodiunt, in quos seque ac coniuges et liberos condunt; pecorum aut ferarum carne vescuntur. 1 8 N e feminis quidem pro naturae habitu molliora ingenia sunt: comae prominent hirtae, vestis super genua est, funda vinciunt frontem: hoc et ornamentum capitis et telum est. 1 9 Sed hanc quoque gentem idem fortunae impetus domuit. Itaque tricésimo die, postquam a Persepoli profectus erat, eodem redit. a 0 Dona deinde amicis ceterisque pro cuiusque merito dedit: propemodum omnia, quae in ea urbe ceperat, distribuía.

V I I . 1 Ceterum ingentia animi bona, illam indolem, qua omnes reges antecessit, illam in subeundis periculis constantiam, in rebus moliendis efficiendisque velocitatem, in deditos fidem, in captivos clementiam, in voluptatibus permissis quoque et usitatis temperantiam, haud

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erster schuf sich der König, mit dem Pickel das Eis durchbrechend, einen Weg, dann ahmten die übrigen sein Beispiel nach. Endlich, als sie nahezu weglose Wälder durchschritten hatten, fanden sie wieder spärliche Spuren menschlicher Tätigkeit und hin und wieder umherirrende Viehherden. Die Einwohner, die in verstreuten Hütten lebten und sich dank ihren unwegsamen Pfaden gesichert glaubten, erschlugen beim Anblick des feindlichen Heerzuges die, welche nicht mit ihnen zu fliehen vermochten, und stiegen auf Berge, die abseits lagen und mit Schnee bedeckt waren. Erst auf das Zureden von Gefangenen hin legten sie allmählich ihre wilde Scheu ab und ergaben sich dem König; man behandelte sie darum auch milde. Nachdem er dann die Felder Persiens verwüstet und mehrere Dörfer in seine Gewalt gebracht hatte, kam man zu den kriegerischen Marden, die sich in ihrer Lebensweise sehr von den übrigen Persern unterscheiden. Sie graben sich Höhlen in den Bergen und leben darin mit Weib und Kindern verborgen. Ihre Nahrung ist Fleisch von zahmen und wilden Tieren. Auch ihre Frauen haben nicht die ihrem Geschlecht entsprechende mildere Sinnesart: ihre Haare hängen struppig herunter, ihr Gewand reicht nur bis zu den Knien. U m die Stirn binden sie sich eine Schleuder: das ist ihr Schmuck und zugleich auch ihre Waffe. Aber auch dieser Stamm erlag dem raschen, glückhaften Zugriff, der Alexander eigen war. So konnte er schon am dreißigsten Tage nach seinem Aufbruch von Persepolis eben dorthin zurückkehren. Dann beschenkte er seine Freunde und die übrigen, jeden nach seinem Verdienst; fast alles, was er in dieser Stadt erobert hatte, verteilte er. Ungeheure Gaben besaß Alexander, Anlagen, die ihn über alle Könige stellten: Ausdauer in Gefahren, Schnelligkeit bei schwierigen Unternehmungen und ihrer Vollendung, Verläßlichkeit gegenüber Unterworfenen, Milde gegenüber den Gefangenen, maßvolle Haltung bei Vergnügungen, die erlaubt und gebräuchlich waren. Alle diese Tugen-

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tolerabili vini cupiditate foedavit. 2 Hoste et aemulo regni reparante cum maxime bellum, nuper subactis, quos vicerat, novumque Imperium aspernantibus de die inibat convivía, quibus feminae intererant, non quidem quas violari nefas esset, quippe paelices licentius, quam decebat, cum armato vivere adsuetae. 3 Ex his una, Thais, et ipsa temulenta, maximam apud omnes Graecos initurum gratiam adfirmat, si regiam Persarum iussisset incendi: expectare hoc eos, quorum urbes barbari delessent. 4 Ebrio scorto de tanta re ferente sententiam unus, alter, et ipsi mero onerati, adsentiuntur. Rex quoque avidior fuit quam patientior: « Quin igitur ulciscimur Graeciam et urbi faces subdimus? » 5 Omnes incaluerant mero: itaque surgunt temulenti ad incendendam urbem, cui armati pepercerant. Primus rex ignem regiae iniecit, tum convivae et ministri paelicesque. Multa cedro aedificata erat regia, quae celeriter igne concepto late fudit incendium. 6 Quod ubi exercitus, qui haud procul urbe tendebat, conspexit, fortuitum ratus ad opem ferendam concurrit. 7 Sed ut ad vestibulum regiae ventum est, vident regem ipsum adhuc aggerentem faces. Omissa igitur, quam portaverant, aqua ipsi aridam materiem in incendium iacere coeperunt.

8 Hunc exitum habuit regia totius Orientis, unde tot gentes antea iura petebant, patria tot regum, unicus quondam Graeciae terror, molita M navium classem et exercitus, quibus Europa inundata est, contabulato mari molibus perfos-

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den aber schwanden dahin vor seinem unfaßbaren Verlangen nach Wein. Während sein Feind und Widersacher gerade jetzt zu erneutem Kampf um die Krone rüstete, gab er sich, jüngst erst Sieger geworden und dabei von den Unterworfenen noch nicht als ihr Herr anerkannt, am hellen Tage Gelagen hin, an denen auch Frauen teilnahmen - freilich solche, um die es nicht schade war, nämlich Dirnen, noch zügelloser geworden als die üblichen Soldatenliebchen. Unter diesen behauptete eine, Thais genannt, als sie selbst schon nicht mehr nüchtern war: den allergrößten Dank werde der König sich bei allen Griechen erwerben, wenn er den Befehl gebe, die Königsburg der Perser anzuzünden; das eben erwarteten die, deren Städte die Barbaren zerstört hätten! Was hier eine trunkene Dirne Gewichtiges vorschlug, dem stimmte der eine und auch der andere bei, selbst schon vom Weine berauscht. Nun zeigte auch der König mehr gierige Lust als Selbstbeherrschung: „Auf, laßt uns Griechenland rächen und Brandfackeln in die Stadt schleudern!" Sämtlich heiß vom Wein sprangen die Trunkenen auf, eine Stadt zu verbrennen, die sie als Krieger verschont hatten. Die erste Fackel schleuderte der König selbst in den Palast, dann folgten seine Gäste, die Diener und die Dirnen. Zum größten Teil aus Zedernholz erbaut, fing der Palast schnell Feuer, und weithin verbreitete sich der Brand. Als das Heer, das nicht weit von der Stadt zeltete, diesen gewahrte, glaubte es an einen Zufall und eilte zur Hilfe herbei; doch auf dem Vorplatz angelangt, sahen sie den König selbst, wie er immer noch Fackeln warf. Da ließen sie das Wasser stehen, das sie mit sich gebracht hatten, und begannen nun ihrerseits trockenes Holz in den Brand zu schleudern. Solch ein Ende nahm die Königsburg des gesamten Orients, in der sich früher so viele Völker ihr Recht holten, die Ahnenstadt so vieler Könige, einstmals der Schrecken Griechenlands, als sie tausend Schiffe in Bewegung setzte und mit ihren Heeren Europa überschwemmte, das Meer

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sisque montibus, in quorum specus fretum immissum est. 9 Ac ne tarn longa quidem aetate, quae excidium eius secuta est, resurrexit. Alias urbes, quas habuere Macedonum reges, nunc habent Parthi: huius vestigium non inveniretur, nisi Araxes amnis ostenderet. H a u d procul moenibus fluxerat: inde urbem fuisse X X stadiis distantem credunt magis quam sciunt accolae. 10 Pudebat Macedones tam praeclaram urbem a comissabundo rege deletam esse. Itaque res in serium versa est, et imperaverunt sibi, ut crederent ilio potissimum modo fuisse delendam. " I p s u m , ut primum gravato ebrietate mentem quies reddidit, paenituisse constat et dixisse maiores poenas Graecis Persas daturos fuisse, si ipsum in solio regiaque Xerxis conspicere coacti essent. "Postero die Lycio, itineris, quo Persidem intraverat, duci, X X X talenta dono dédit. Hinc in regionem Mediae transiit, ubi supplementum novorum e Cilicia militum occurrit: peditum erant V milia, équités M; utrisque Platon Atheniensis praeerat. His copiis auctus Dareum persequi statuit.

V i l i . 1 Ille iam Ecbatana pervenerat. Caput Mediae urbs haec: nunc tenent Parthi, eaque aestiva agentibus sedes est. Adire deinde Bactra decreverat, sed veritus, ne celeritate Alexandri occuparetur, consilium iterque mutavit. 2 Aberat ab eo Alexander stadia MD, sed iam nullum intervallum adversus velocitatem eius satis longum videbatur. Itaque proelio magis quam fugae se praeparabat. 3 X X X milia pedi-

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mit einem Riesenbau überbrückte und ganze Gebirge durchschnitt, so daß in die Lücke die Flut hineinströmte! Und nicht einmal in der langen Zeitspanne, die verflossen ist seit ihrer Vernichtung, ist sie wieder erstanden. Andere Städte, die einst im Besitz makedonischer Könige waren, halten heute Parther besetzt: die Spuren dieser Stadt würde man nicht wiederfinden, zeigte sie nicht der Fluß Araxes. Nicht weit von ihren Mauern hatte er seinen Lauf; daß dort eine Stadt gelegen, 20 Stadien von ihm entfernt, glauben die Anwohner heute mehr als daß sie es wüßten. Scham befiel die Makedonen, daß diese herrliche Stadt von einem vor Trunkenheit rasenden König zerstört worden sei. Darum gab man der T a t auch ein ernstes Gesicht und zwang sich zu glauben, sie hätte eben auf diese Weise zerstört werden müssen. Und auch Alexander selbst soll, sobald erst der Rausch verflogen und die Besinnung zurückgekehrt war, Reue empfunden und erklärt haben, in Wirklichkeit wäre es für die Perser eine noch größere Bestrafung ihrer Taten in Griechenland gewesen, wenn sie gezwungen worden wären, ihn selbst auf dem Königsthron des Xerxes zu erblicken. Am folgenden Tage erhielt der Lyker, der ihm den Weg ins Innere Persiens gewiesen hatte, 30 Talente als Lohn. Dann ging es nach Medien, wo ihm der Ersatz aus Kilikien begegnete: 5000 Mann Fußvolk und 1000 Reiter, beide befehligt von dem Athener Piaton. Um diese Truppen verstärkt, entschloß er sich nun zur Verfolgung des Darius. Dieser war schon nach Ekbatana gelangt, der Hauptstadt von Medien; jetzt wohnen dort die Parther, und es ist ihr Sommersitz. Darius hatte sich entschlossen, von dort aus nach Baktra zu gehen, aber aus Furcht, Alexander möchte ihm zuvorkommen, änderte er Plan und Marschrichtung. Noch war zwar Alexander 1500 Stadien entfernt, aber bei seiner Geschwindigkeit schien ja keinerlei Zwischenraum groß genug; daher rüstete er sich, und zwar mehr zur Schlacht als zur Flucht. 30 000 Mann Fußvolk standen

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tum sequebantur, in quibus Graecorum erant IIII milia fide erga regem ad ultimum invicta. 4 Funditorum quoque et sagittariorum manus IIII milia expleverat. Praeter hos III milia et CCC équités erant, maxime Bactrianorum: Bessus praeerat, Bactrianae regionis praefectus. 5 Cum hoc agmine paulum declinavit via militari iussis praecedere lixis impedimentorumque custodibus. 6Consilio deinde advocato « Si cum ignavis » inquit « et pluris qualemcumque vitam honesta morte aestimantibus me fortuna iunxisset, tacerem potius quam frustra verba consumerem. TSed maiore, quam vellem, documento et virtutem vestram et fidem expertus magis etiam coniti debeo, ut dignus talibus amicis sim, quam dubitare, an vestri similes adhuc sitis. 8 Ex tot milibus, quae sub imperio fuerunt meo, bis me victum, bis fugientem persecuti estis. 9Fides vestra et constantia, ut regem me esse credam, facit. Proditores et transfugae in urbibus meis regnant, non, hercule, quia tanto honore digni habentur, sed ut praemiis eorum vestri sollicitentur animi. Meam fortunam tarnen quam victoris maluistis sequi, dignissimi, quibus, si ego non possim, dii pro me gratiam référant. 10 Et, mehercule, referent. Nulla erit tam surda posteritas, nulla tam ingrata fama, quae non in caelum vos debitis laudibus ferat. Itaque etiam si consilium fugae, a qua multum abhorret animus, agitassem, vestra tamen virtute fretus obviam issem hosti. "Quousque enim in regno exulabo et per fines imperii mei fugiam externum et advenam re-

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hinter ihm, darunter 4000 Griechen, deren Treue gegen den König bis zuletzt unwandelbar blieb. Auch an Schleuderern und Bogenschützen besaß er 4000 Mann; dazu kamen 3300 Reiter, zumeist Baktrer. Ihr Führer was Bessus, der Statthalter der Landschaft Baktrien. Mit dieser Kriegsschar bog er ein wenig von der Heeresstraße ab; den Troß und seine Bedeckung ließ er voranziehen. Dann berief er einen Kriegsrat und sprach: „Hätte mich mein Geschick mit Feiglingen verknüpft und mit solchen, die ein Leben um jeden Preis dem Tod in Ehren vorziehen, so wäre eher Schweigen am Platz, statt daß ich fruchtlos Worte vergeudete. Da ihr mir aber über meinen "Wunsch hinaus euren Heldenmut und eure Treue bewiesen habt, fühle ich mich verpflichtet, noch mehr danach zu streben, würdig zu sein solcher Freunde, als etwa zu zweifeln, ob ihr noch die gleichen seid. Von so viel Tausenden, die unter meinem Befehl gestanden haben, seid ihr mir gefolgt — trotz zwei Niederlagen, trotz zwei Fluchten! Eure unerschütterliche Treue läßt mich noch an mein Königtum glauben. In meinen Städten regieren Verräter und Überläufer: nicht, beim Herkules, weil sie solche Ehre verdienen, sondern auf daß durch den Lohn, den sie erhalten, eure Herzen schwankend werden. Und trotzdem habt ihr es vorgezogen, lieber meinem Stern als dem des Siegers Folge zu leisten,.und ihr verdient es wahrlich, daß euch die Götter, wenn ich es nicht können sollte, an meiner Statt danken. Und, fürwahr,sie werden es tun! Wird doch keine Nachwelt so taub, keine Nachrede so undankbar sein, daß sie nicht euch mit gebührendem Ruhm in den Himmel erheben wird! „Selbst wenn ich daher — aber das sei ferne von mir! — den Gedanken an eine Flucht erwogen hätte: auf euren Heldenmut vertrauend wäre ich trotzdem dem Feinde entgegengezogen. Wie lange noch soll ich denn in meinem eigenen Königreich ein Verbannter sein und durch das von mir beherrschte Gebiet vor einem landfremden Könige

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gem, cum liceat experto belli fortunam aut reparare, quae amisi, aut honesta morte defungi? Nisi forte satius est expectare victoris arbitrium et Mazaei et Mithrenis exemplo precarium accipere regnum nationis unius - ut iam malit ille gloriae suae quam irae obsequi. 13 Nec di siverint, ut hoc decus mei capitis aut demere mihi quisquam queat aut condonare! Numquam hoc imperium vivus amittam, idemque erit regni mei, qui spiritus, finis. 14Si hie animus, si haec lex, nulli non parta libertas est. Nemo e vobis fastidium Macedonum, nemo vultum superbum ferre cogetur. Sua cuique dextera aut ultionem tot malorum pariet aut finem. 15 Equidem, quam versabilis fortuna sit, documentum ipse sum nec immerito mitiores vices eius expecto. Sed si iusta ac pia bella di aversantur, fortibus tarnen viris licebit honeste mori. ie Per ego vos decora maiorum, qui totius Orientis regna cum memorabili laude tenuerunt, per illos viros, quibus Stipendium Macedonia quondam tulit, per tot navium classes in Graeciam missas, per tot tropaea regum oro et obtestor, ut nobilitate vestra gentisque dignos spiritus capiatis, " u t eadem constantia animorum, qua praeterita tolerastis, experiamini, quicquid deinde fors tulerit. Me certe in perpetuum aut victoria egregia nobilitabit aut pugna. »

IX. 1 Haec dicente Dareo praesentis periculi

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fliehen, da es doch in meiner H a n d liegt, das Kriegsglück zu erproben und wiederzugewinnen, was ich eingebüßt, oder einen T o d in Ehren zu sterben? Falls es nicht etwa vorzuziehen wäre, des Siegers Entscheid sich zu beugen und wie ein Mazäus und ein Mithrenes von seinen Gnaden den Thron eines einzelnen Stammes entgegenzunehmen — gesetzt nur, daß jener es vorzieht, sich lieber von seiner Großmut leiten zu lassen als von seinem Zorn! Mögen die Götter es nicht dahin kommen lassen, daß jemand diese Zier meines Hauptes mir fortzunehmen oder sie mir in Gnaden zu verleihen vermöge: niemals werde ich lebendig von meinem Throne herabsteigen, und erst mein letzter Atemzug wird auch das Ende meiner Regierung sein! Wenn diese Gesinnung, wenn dieses Gebot für jedermann gilt, so ist auch für jedermann schon die Freiheit errungen: dann wird niemand von euch gezwungen werden, den eitlen Hochmut der Makedonen und ihre stolzen Mienen zu ertragen. Mit der eigenen Rechten wird sich ein jeder Rache schaffen für so viel Leiden — oder deren Ende! „Ich selbst bin ein Beweis dafür, wie wandelbar das Glück ist, und so erwarte ich mit Recht mir jetzt ein milderes Geschick. Sollten aber die Götter gerechten und heiligen Kriegen ihre Gunst versagen, nun, so werden sie doch tapferen Männern den Heldentod gönnen! Bei dem Glanz meiner Vorfahren, die den gesamten Orient unvergänglichen Ruhmes voll beherrscht haben, bei den Männern, denen einst Makedonien Tribut zahlen mußte, bei den Riesenflotten, die einst nach Griechenland ausführen, bei all den Siegesmalen der Könige beschwöre ich euch: laßt euch von einem Mut beseelen, wie er eures Adels und Stammes würdig ist, auf daß ihr mit der gleichen Beharrlichkeit, dank der ihr das Vergangene ertragen, auf euch nehmt, was immer ein blindes Geschick mit euch vorhat: was mich betrifft, so wird mich auf ewig ein herrlicher Sieg adeln oder doch eine herrliche Schlacht!" Bei diesen Worten des Darius hatte das Bild der gegen-

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species omnium simul corda animosque horrore perstrinxerat, nec aut consilium suppetebat aut vox, cum Artabazus, vetustissimus amicorum, quem hospitem fuisse Philippi supra diximus, « Nos vero » inquit « pretiosissimam vestem induti armisque, quanto máximo cultu possumus, adornati regem in aciem sequemur, ea quidem mente, ut victoriam speremus, mortem non recusemus. » 2 Adsensu excepere ceteri hanc vocem, sed Nabarzanes, qui in eodem Consilio erat, cum Besso inauditi antea facinoris societate inita regem suum per milites, quibus ambo praeerant, comprehendere et vincire decreverant, ea mente, ut, si Alexander ipsos insecutus foret, tradito rege vivo inirent gratiam victoris, magno profecto cepisse Dareum aestimaturi, sin autem eum effugere potuissent, interfecto Dareo regnum ipsi occuparent bellumque renovarent. 3 Hoc parricidium cum diu volutassent, Nabarzanes aditum nefariae spei praeparans « Scio me » inquit « sententiam esse dicturum prima specie haudquaquam auribus tuis gratam; sed medici quoque graviores morbos asperis remediis curant, et gubernator, ubi naufragium timet, iactura, quicquid servari potest, redimit. 4 Ego tarnen, non ut damnum quidem facias, suadeo, sed ut te ac regnum tuum salubri ratione conserves. Dis adversis bellum inîmus, et pertinax fortuna Persas urgere non desiniti novis initiis et ominibus opus est. Auspicium et imperium interim alii trade, qui tam

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wärtigen Gefahr aller Herzen und Sinne zugleich mir Schrecken erfüllt, und weder ein Vorschlag wurde laut noch auch nur eine Stimme; da sprach Artabazus, der älteste seiner Freunde, der wie erwähnt schon Gast des Philippus gewesen war: „Was uns angeht, so werden wir im Schmuck unsrer kostbarsten Kleidung und mit den herrlichsten "Waffen angetan unserm König in die Schlacht folgen, und in der gleichen Gesinnung, mit der wir den Sieg erhoffen, wollen wir auch den Tod nicht scheuen!" Laut stimmten die anderen diesen Worten zu; doch Nabarzanes, der dem Kriegsrat beiwohnte, hatte sich mit Bessus zu einer bisher unerhörten Tat zusammengetan: sie waren entschlossen, den König durch die ihnen beiden unterstellten Soldaten festnehmen und in Ketten legen zu lassen und zwar in der Absicht, wenn Alexander ihnen selbst nachsetzen sollte, den König lebend auszuliefern und sich so den Dank des Siegers zu sichern, denn zweifellos werde dieser die Gefangennahme des Darius als hohen Gewinn ansehen; sollten sie Alexander aber entweichen können, so wollten sie Darius ermorden, sich selbst des Thrones bemächtigen und den Krieg fortsetzen. Da sie diesen hochverräterischen Plan lange hin und her überdacht hatten, sprach jetzt Nabarzanes, um der Erfüllung seiner verbrecherischen Hoffnung näherzukommen: „Zwar weiß ich, daß das, was ich jetzt sagen will, zunächst einmal deinen Ohren unliebsam sein wird. Aber auch die Ärzte begegnen ja schwereren Krankheiten mit Gewaltkuren, und wenn ein Kapitän Schiffbruch fürchtet, so erkauft er, was noch zu retten ist, dadurch, daß er das andere über Bord wirft. Nun, ich will nicht etwa raten, daß du dir selbst einen Verlust zufügst, vielmehr daß du dich und deinen Thron durch eine heilbringende Überlegung rettest! Wir sind nun einmal in diesen Krieg gezogen unter dem Zorn der Götter, und ein hartnäckiges Mißgeschick bedrängt uns Perser ohne Unterlaß: so heißt es also einen neuen Anfang machen und zwar unter neuen Vorzeichen! Übergib dein hohes Amt und den Oberbefehl inzwi-

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diu rex appelletur, donee Asia decedat hostis, victor deinde regnum tibi reddat. B Hoc autem brevi futurum ratio promittit: Bactra intacta sunt, Indi et Sacae in tua potestate; tot populos, tot exercitus, tot equitum peditumque milia, ad res renovandas vires paratas, habes, ut maior belli moles supersit quam exhausta sit. e Q u i d ruimus beluarum ritu in perniciem non necessariam? Fortium virorum est magis mortem contemnere quam odisse vitam. 7 Saepe taedio laboris ad vilitatem sui compelluntur ignav i ; at nihil virtus inexpertum omittit. Itaque ultimum omnium mors est, ad quam non pigre ire satis est. 8 Proinde si Bactra, quod tutissimum receptaculum est, petimus, praefectum regionis eius Bessum regem constituamus temporis gratia; rebus compositis iusto regi tibi fiducian«m restituet imperium. »

9 H a u d mirum est Dareum non temperasse animo, quamquam, tam impiae voci quantum nefas subesset, latebat. Itaque « Pessimum » inquit « maneipium, repperisti exoptatum tibi tempus, quo parricidium aperires? » strictoque acinace interfecturus eum videbatur, 10 ni propere Bessus Bactrianique, quasi deprecarentur, tristium specie, ceterum, si perseveraret, vineturi circumstetissent. " N a b a r z a n e s interim elapsus, mox et Bessus consecutus: copias, quibus praeerant, a cetero exercitu secedere iubent secretum inituri consilium. 1 2 Artabazus conve-

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sehen einem anderen, der solange König heißen soll, bis der Feind aus Asien abzieht, dann aber als Sieger dich wieder auf den Thron setzt. Daß dies nur kurze Zeit dauern wird, darf jeder vernünftig Denkende annehmen. Noch ist Baktrien unversehrt, noch stehen die Inder und Saker unter deinem Befehl: so viele Völker, so viele Heere, so viele Tausende zu Fuß und zu Roß besitzt du; sie stehen für dich bereit, ihre Kräfte für die Erneuerung deiner Herrschaft einzusetzen, so daß an kriegerischen Mitteln noch mehr vorhanden als schon aufgewendet worden ist. Warum wollen wir uns wie die wilden Tiere in ein Verderben stürzen, das nicht not tut? Der Tapfere haßt das Leben nicht, so sehr er den Tod auch verachtet. O f t wirft der Feige sein Leben nur weg, weil er Mühsal scheut: der Tapfere aber läßt nichts unversucht; daher bleibt erst als letzter Ausweg von allen der Tod - ihm kann man dann immer noch unerschrocken entgegengehen! „Wenn wir somit jetzt nach Baktra gehen als dem sichersten Zufluchtsort, so laßt uns den Statthalter dieser Landschaft, Bessus, zum zeitweiligen König einsetzen; ist erst alles wieder in Ordnung, wird er dir als dem rechtmäßigen König die Herrschaft zu treuen Händen zurückerstatten!" Es dürfte niemand verwundern, daß Darius sich nicht mehr beherrschen konnte, obwohl doch noch gar nicht offen zu T a g e lag, was für eine ruchlose Absicht sich hinter dieser frevelhaften Rede verbarg. Daher rief er: „Nichtswürdige Sklavenseele, so hast du also den dir willkommenen Augenblick gefunden, dich als Hochverräter zu offenbaren?" Er zog das Krummschwert und hätte ihn wohl erschlagen, wenn sich nicht eilends Bessus und die Baktrer um ihn geschart hätten - scheinbar, als wollten sie sich in tiefer Betrübnis bittend dazwischenwerfen, in Wirklichkeit aber bereit, ihn in Fesseln zu legen, wenn er bei seiner Absicht bliebe. Nabarzanes entschlüpfte inzwischen, und alsbald folgte ihm auch Bessus: sie ließen die eigenen Truppen sich von dem übrigen Heere absondern, im Begriff, ihren geheimen Plan auszuführen.

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nientem praesenti fortunae sententiam orsus mitigare Dareum temporum identidem admonens coepit: ferret aequo animo qualiumcumque, suorum tarnen vel stultitiam vel errorem. Instare [tarnen] Alexandrum, gravem, etiamsi omnes praesto essent: quid futurum, si persecuti fugam ipsius alienentur? 13 Aegre rex paruit Artabazo et, quamquam movere castra statuerat, turbatis tarnen omnium animis eodem in loco substitit. Sed attonitus maestitia simul et desperatione tabernáculo se inclusit. 14 Ergo in castris, quae nullius regebantur imperio, varii animorum motus erant, nec in commune ut ante consulebatur. 15 Dux Graecorum militum Patron arma capere suos iubet paratosque esse ad exequendum imperium. 18 Persae secesserant: Bessus cum Bactrianis erat temptabatque Persas abducere, Bactra et intactae regionis opulenta simulque, quae manentibus instarent pericula, ostentans. Persarum omnium eadem fere fuit vox, nefas esse deseri regem. 1 7 Inter haec Artabazus omnibus imperatoriis fungebatur officiis: ille Persarum tabernacula circumire, hortari, monere nunc singulos nunc universos non ante destitit, quam satis constaret imperata facturos. Idem aegre a Dareo impetravit, ut cibum caperet animumque rebus adverteret.

X. *At Bessus et Nabarzanes olim agitatum

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Artabazus sprach sich vor Darius in einer Weise aus, die der gegenwärtigen Lage angemessen war: er begann ihn zu besänftigen, indem er ihn immer wieder an die augenblicklichen Umstände erinnerte: mit Gleichmut möge er solche Torheit oder auch Irrwahn hinnehmen, von wem er auch komme — es seien ja doch immer noch die Seinen! So sei es nun einmal: Alexander stehe in der Nähe und bedeute Gefahr, auch wenn sie alle zu ihm stünden; was solle daraus werden, wenn er die, die ihm bisher auf der Flucht gefolgt seien, sich entfremde? Nur mühsam ließ der König sich von Artabazus überzeugen, und obwohl er schon den Befehl zum Aufbruch gegeben hatte, blieb er doch angesichts der allgemeinen Bestürzung an dem gleichen Ort stehen. Aber von Trauer und Verzweiflung zugleich wie gelähmt, Schloß er sich in seinem Zelte ein. So entstanden im Lager, in dem nun niemand mehr den Oberbefehl führte, verschiedenerlei Stimmungen, und man traf nicht mehr einheitliche Regelungen wie vorher. Der Führer der griechischen Soldaten, Patron, ließ die Seinen die Waffen ergreifen und sich zur Ausführung seines Befehls bereithalten; die Perser hatten sich abgesondert; Bessus war bei seinen Baktrern und suchte die Perser auf seine Seite zu bringen, indem er auf Baktra hinwies und den Reichtum der vom Kriege noch unberührten Landschaft, zugleich aber auch auf die Gefahren, die denen drohten, die ihm nicht folgen wollten. Bei den Persern gab es fast überall nur die eine Stimme: frevelhaft sei es, den König im Stich zu lassen! Währenddessen suchte Artabazus alle Pflichten des Heerführers zu übernehmen: unablässig ging er von Zelt zu Zelt bei den Persern, drängte bald die Einzelnen bald die Gesamtheit — solange bis er ganz sicher war, sie würden seine Befehle ausführen. Und seine Bitten vermochten auch, freilich mühsam genug, Darius zu bewegen, daß er wieder Nahrung zu sich nahm und sich mit der Lage befaßte. Dagegen beschlossen Bessus und Nabarzanes in ihrer wil-

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scelus exequi statuunt regni cupiditate accensi; Dareo autem incolumi tantas opes sperare non poterant. 2 Quippe in illis gentibus regum eximia maiestas est: ad nomen quoque barbari conveniunt, et pristinae veneratio fortunae sequitur adversam. 3 Inflabat impíos ánimos regio, cui praeerant, armis virisque et spatio locorum nulli earum gentium secunda: tertiam partem Asiae tenet, multitudo iuniorum exercitus, quos amiserat Dareus, aequabat. 4 Itaque non ilium modo sed etiam Alexandrum spernebant, inde vires imperii repetituri, si regis potiri contigisset. 5 Diu omnibus cogitatis placuit per milites Bactrianos ad omne obsequium destinatos regem comprehendere mittique nuntium ad Alexandrum, qui indicaret vivum adservari eum; 6si, id quod timebant, proditionem aspernatus esset, occisuri Dareum et Bactra cum suarum gentium manu petituri. 7 Ceterum propalam comprehendi Dareus non poterat tot Persarum milibus laturis opem regi; Graecorum quoque fides timebatur. 8 Itaque, quod vi non poterant, fraude adsequi temptant: paenitentiam secessionis simulare decreverant et excusare apud regem consternationem suam. Interim, qui Persas sollicitarent, mittuntur. 9 Hinc spe hinc metu militares ánimos versant: ruinae rerum subdere

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den Gier nach der Herrschaft, das längst geplante Verbrechen auszuführen; freilich, solange Darius noch am Leben war, konnten sie sich so viel Machtmittel nicht erhoffen; denn bei jenen Völkern genießen die Könige eine ganz besondere Hoheit: der Name des Königs genügt schon, daß sie zusammenkommen, und die Ehrfurcht vor seinem bisherigen Glück bleibt ihm auch im Unglück. Dabei stachelte die ruchlosen Herzen die Landschaft an, die sie befehligten: stand sie doch an Waffen und Männern wie auch an Ausdehnung keiner anderen unter diesen Stämmen nach. Ein Drittel Asiens umfaßt sie, und die Menge militärischen Nachwuchses kam den Heeren gleich, die Darius schon eingebüßt hatte. Darum sahen sie nicht nur auf ihn verächtlich herab, sondern auch auf Alexander; konnten sie doch von hier aus die Kräfte ihrer Herrschaft auffrischen, wenn es ihnen erst geglückt war, sich des Königs zu bemächtigen. Nachdem sie alles lange erwogen hatten, faßten sie den Beschluß, ihre zu jeglicherlei Gehorsam entschlossenen baktrischen Krieger sollten den König festnehmen, und dann solle sogleich ein Bote an Alexander abgehen mit der Meldung, er sei lebend in ihrer Hut; wobei sie entschlossen waren, Darius zu ermorden und mit der Schar der eigenen Stämme nach Baktra zu ziehen, wenn - und das mußten sie befürchten - Alexander sich auf ihren Verrat nicht einlassen sollte, öffentlich freilich konnte man Darius nicht festnehmen, da dann so viel tausend Perser ihm als ihrem Könige beispringen würden; und auch den treuen Sinn der Griechen hatte man zu fürchten. So versuchten sie denn mit List zu erreichen, was sie mit Gewalt nicht schaffen konnten: sie beschlossen Reue über ihre Absonderung zu heucheln und beim Könige ihre erschreckte Stimmung als Entschuldigung anzuführen. Inzwischen schickten sie Leute aus, die die Perser aufwiegeln sollten. Bald mit dem Mittel der Hoffnung, bald mit dem der Einschüchterung bearbeiteten sie die Stimmung der Soldaten: sie lieferten sich nur selbst dem allgemeinen Ver-

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illos capita, in perniciem trahi, cum Bactra pateant exceptura eos bonis et opulentia, animis quam concipere non possint. 1 0 Haec agitantibus Artabazus supervenit sive regis iussu sive sua sponte adfirmans mitigatum esse Dareum et eundem illis amicitiae gradum patere apud regem. " l i l i lacrimantes nunc purgare se, nunc Artabazum orare, ut causam ipsorum tueretur precesque perferret. 12 Sic peracta nocte sub lucis exortum Bessus et Nabarzanes cum Bactrianis militibus in vestíbulo praetorii aderant titulum sollemnis officii occulto sceleri praeferentes. Dareus signo ad eundum dato currum pristino more conscendit. 1 3 Nabarzanes ceterique parricidae procumbentes humi, quem paulo post in vinculis habituri erant, sustinuere venerari; lacrimas etiam paenitentiae indices profuderunt: adeo humanis ingeniis parata simulatio est! "Preces deinde suppliciter admotae Dareum natura simplicem et mitem non credere modo, quae adfirmabant, sed fiere etiam coegerunt. 1B Ac ne tum quidem cogitati sceleris paenituit, cum intuerentur, qualem et regem et virum fallerent. Ille quidem securus periculi, quod instabat, Alexandri manus, quas solas timebat, effugere properabat.

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X I . P a t r o n autem, Graecorum dux, praecipit suis, ut arma, quae in sarcinis antea ferebantur, induerent ad omne imperium suum parati et intenti. 2 Ipse currum regis sequebatur

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derben aus und würden in den Zusammenbruch mit hineingerissen, wo doch Baktra bereitstehe, sie mit Gütern und Reichtum aufzunehmen, die sie sich gar nicht vorstellen könnten! "Während solcher Machenschaften kam Artabazus zu ihnen; ob nun auf Befehl des Königs oder aus eigenem Antrieb - jedenfalls versicherte er ihnen, Darius sei wieder besänftigt und an seiner freundschaftlichen Gesinnung ihnen gegenüber habe sich nichts geändert. Unter Tränen suchten sie sich nun bald zu rechtfertigen, bald baten sie Artabazus, er möchte doch selbst für sie eintreten und ihre Bitten überbringen! Als so die Nacht vergangen war, fanden sich gegen Tagesanbruch Bessus und Nabarzanes mit baktrischen Kriegern auf dem Vorplatz des Königszeltes ein, wobei sie ihren geheimen Verbrecherplan hinter dem Vorwand ihrer gewohnten Dienstpflicht verbargen. Darius bestieg, sobald er das Zeichen zum Abmarsch gegeben hatte, nach überkommener Sitte den Wagen. Nabarzanes und die übrigen Hochverräter warfen sich zuBoden und brachten es so über sich, dem Manne ihre Ehrfurcht zu bezeugen, den sie alsbald in Fesseln zu legen gedachten, ja sie vergossen Tränen zum Beweis für ihre Reue: derart leicht fällt der Menschennatur das Heucheln! Dann brachten sie demütig ihre Bitten vor Darius und zwangen so den von Natur Arglosen und Gütigen, ihren Versicherungen nicht nur zu glauben, sondern sogar Tränen zu vergießen. Und nicht einmal jetzt erfaßte sie Reue ob der geplanten Schandtat, als sie mit eigenen Augen sahen, was für ein König und Mann das war, den sie hintergingen. Der aber, unbesorgt ob der ihm drohenden Gefahr, eilte nur, Alexanders Händen zu entgehen, die allein er fürchtete. Patron aber, der Führer der Griechen, befahl den Seinen, die Waffen anzulegen, die bisher mit dem Gepäck befördert wurden, und jedem seiner Befehle mit aller Aufmerksamkeit entgegenzusehen. Er selbst hielt sich dem Wagen

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occasioni imminens adloquendi eum: quippe Bessi facinus praesenserat. Sed Bessus id ipsum metuens, custos verius quam comes, a curru non recedebat. 3 Diu ergo Patron cunctatus ac saepius sermone revocatus, inter fidem timoremque haesitans regem intuebatur. 4 Qui ut tandem advertit oculos, Bubacen spadonem ínter próximos currum sequentem percontari iubet, numquid ipsi velit dicere. Patron se vero, sed remotis arbitris loqui velie cum eo respondit iussusque propius accedere sine interprete - nam haud rudis Graecae linguae Dareus erat — 5« Rex, » inquit « ex L milibus Graecorum supersumus pauci, omnis fortunae tuae comités et in hoc tuo statu idem, qui fiorente te fuimus, quascumque terras elegeris, pro patria et domesticis rebus petituri. öSecundae adversaeque res tuae copulavere nos tecum. Per hanc fidem invictam oro et obtestor, in nostris castris tibi tabernaculum statui, nos corporis tui custodes esse patiaris. Omisimus Graeciam, nulla Bactra sunt nobis, spes omnis in te: utinam etiam ceteris esset! Plura dici non attinet. Custodiam corporis tui externus et alienígena non deposcerem, si crederem alium posse praestare.» 7Bessus 31 quamquam erat Graeci sermonis ignarus, tamen stimulante conscientia indicium profecto Patronem detulisse credebat: et interpretes celato sermone Graeci exempta dubitatio est. Dareus autem, quantum ex voltu concipi poterat, haud sane territus percontari Patrona causam consilii, quod adferret, coepit. 8 Ille non ultra diffe-

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des Königs nahe, um eine Gelegenheit zu finden, ihn anzusprechen, denn er hatte das Verbrechen des Bessus schon vorausgefühlt. Bessus aber, der eben dies befürchtete, wich nicht vom Wagen fort — mehr des Königs Bewacher als sein Begleiter. Lange zögerte deshalb Patron, und mehr als einmal am Reden gehindert, behielt er, zwischen Treue und Furcht schwankend, den König im Auge. Als dessen Blick endlich auf ihn fiel, ließ er ihn durch den Eunuchen Bubakes, der in nächster Nähe seinem Wagen folgte, fragen, ob er ihm etwas zu sagen wünsche. Allerdings, erwiderte Patron, wolle er ihn sprechen, aber nur unter vier Augen; aufgefordert, näher heranzukommen, sagte er ohne Dolmetscher, denn Darius war des Griechischen durchaus kundig: „Mein König, von 50 000 Griechen sind nur noch wir wenigen Leute übrig, die wir dich in jeglicher Lage begleitet haben und auch da, wo du jetzt stehst, noch immer dieselben sind, die wir zur Zeit deines Glückes waren, bereit, in alle Länder, welche du auch auswählst, als in unser Vaterland und unsere Heimat zu ziehen. Dein Glück und dein Unglück haben uns fest mit dir verbunden. Bei dieser unserer unerschütterlichen Treue bitte ich dich nun mit aller Eindringlichkeit : schlag dein Zelt in unserm Lager auf und laß uns deine Leibwächter sein! Auf Griechenland haben wir verzichten müssen, und ein Baktrien gibt es f ü r uns nicht; alle unsere H o f f n u n g bist du — wäre sie es auch f ü r die anderen! Mehr zu sagen erübrigt sich. Als Ausländer und Fremdstämmiger würde ich nicht darum bitten, dein Leibwächter sein zu dürfen, wenn ich nur glauben könnte, daß ein anderer es besser vermöchte!" Obgleich Bessus kein Griechisch verstand, glaubte er doch, von seinem Schuldbewußtsein getrieben, Patron habe tatsächlich eine Anzeige überbracht; und daß das Gespräch mit dem Griechen vor den Dolmetschern verheimlicht wurde, benahm ihm allen Zweifel. Darius aber, durchaus nicht erschrocken, soweit man es seiner Miene entnehmen konnte, fragte Patron, was ihn zu diesem Rate veranlasse. Dieser glaubte nun nicht mehr zurückhalten zu dürfen und

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rendum ratus « Bessus » inquit « et Nabarzanes insidiantur tibi: in ultimo discrimine et fortunae tuae et vitae hic dies aut parricidis aut tibi futurus est ultimus. » 8 Et Patron quidem egregiam conservati regis gloriam tulerat. 1 0 Eludant [vide] licet, quibus forte temere humana negotia volvi agique persuasum est; equidem fato crediderim nexuque causarum latentium et multo ante destinatarum suum quemque ordinem immutabili lege percurrere: " D a r e u s certe respondit, quamquam sibi Graecorum militum fides nota sit, numquam tamen a popularibus suis recessurum. Difficilius sibi esse damnare quam decipi. Quicquid fors tulisset, inter suos perpeti malle quam transfugam fieri. Sero se perire, si salvum esse milites sui nollent. ^ P a tron desperata regis salute ad eos, quibus praeerat, rediit omnia pro fide experiri paratus.

X I I . *At Bessus occidendi protinus regis impetum ceperat. Sed veritus, ne gratiam Alexandri, nisi vivum eum tradidisset, inire non posset, dilato in proximam noctem sceleris Consilio agere gratias incipit, quod perfidi hominis insidias iam Alexandri opes spectantis prudenter cauteque vitasset: donum eum hosti laturum fuisse regis caput. 2 Nec mirari hominem mercede conductum omnia habere venalia: sine pignore, sine lare, terrarum orbis exulem, ancipitem hostem ad nutum licentium circumferri.

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sagte: „Bessus und Nabarzanes stellen dir nach; in dieser kritischen Zeit für deine Stellung und dein Leben wird der heutige T a g entweder für die Hochverräter oder für dich der letzte sein." Damit durfte Patron wenigstens auf den seltenen Ruhm Anspruch erheben, einem König das Leben gerettet zu haben. Und man mag mich verspotten, sofern man der Überzeugung ist, daß das menschliche Tun nur vom Spiel des blinden Zufalls seine Triebfedern erhält: ich für mein Teil glaube, daß ein jeder entsprechend dem enggeknüpften Netz verborgener Gründe, die schon längst vorbestimmt sind, seinen Lauf nach unwandelbarem Gesetze vollendet. Darius jedenfalls antwortete: obwohl ihm die Treue der griechischen Soldaten bekannt sei, werde er sich doch niemals von seinen Landsleuten trennen; eher wolle er sich hintergehen lassen, als jemanden verdammen; jegliches Geschick wolle er lieber unter den Seinen auf sich nehmen, als zum Überläufer werden. Wenn seine eigenen Soldaten ihn nicht mehr am Leben wünschten, dann habe er schon zu lange gelebt. D a gab Patron die Hoffnung auf, den König retten zu können, und kehrte zu der von ihm befehligten Schar zurück — bereit, alles zu versuchen, was das Gebot der Treue von ihm verlangte. Aber Bessus war nun fest entschlossen, den König alsbald zu ermorden. Doch aus Furcht, Alexander werde es ihm nicht danken, wenn er ihn nicht lebend ausliefere, verschob er seinen ruchlosen Plan auf die nächste Nacht und hub an, seinen Dank dafür auszusprechen, daß Darius so klug und vorsichtig die hinterlistigen Pläne jenes treulosen Mannes gemieden, der es doch nur auf Schätze aus Alexanders Hand abgesehen habe: er würde dem Feind das Haupt des Königs als Geschenk überbracht haben! Denn selbstverständlich sei für einen landfremden Söldner eben alles käuflich: ohne ein Unterpfand seiner Liebe, ohne Haus und H o f , ohne ein Heim in der Welt, lasse er sich — als einen Feind beider Parteien — hin und her verschlagen,

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Purganti deinde se deosque patrios testes fidei suae invocanti Dareus vultu adsentiebatur, haud dubius, quin vera deferren tur a Graecis; sed eo rerum ventum erat, ut tam periculosum esset non credere suis quam decipi. 4 X X X milia erant, quorum inclinata in scelus levitas timebatur, I U I milia Patron habebat. Quibus si credidisset salutem suam damnata popularium fide, parricidio excusationem videbat offerri. Itaque praeoptabat immerito quam iure violari. 6Besso tamen insidiarum consilium purganti respondit Alexandri sibi non minus iustitiam quam virtutem esse perspectam. Falli eos, qui proditionis ab eo praemium expectent: violatae fidei neminem acriorem fore vindicem ultoremque. e Iamque nox adpetebat, cum Persae more solito armis positis ad necessaria ex proximo vico ferenda discurrunt. At Bactriani, ut imperatum a Besso erat, armati stabant. T Inter haec Dareus Artabazum acciri iubet, expositisque, quae Patron detulerat, haud dubitare Artabazus, quin transeundum esset in castra Graecorum: Persas quoque periculo vulgato secuturos. 8 Destinatus sorti suae et iam nullius salubris consilii patiens unicam in illa fortuna opem Artabazum, ultimum illud visurus, amplectitur perfususque mutuis lacrimis inhaerentem sibi avelli iubet; capite deinde velato, ne inter gemitus digredientem velut a rogo intuere-

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stets dessen Wink gehorchend, der ihm etwas zu bieten habe. Als er sich dann selbst weißzuwaschen suchte und die Götter der Heimat als Zeugen für seine Treue anrief, stimmte Darius ihm äußerlich wohl zu, doch war er nicht im Zweifel, daß die Mitteilungen aus Griechenmund die Wahrheit enthielten. Aber der Lauf der Dinge hatte es eben schon so gewollt, daß es für Darius ebenso gefahrvoll war, den Seinen nicht zu trauen, wie sich von ihnen hintergehen zu lassen. Den 30 000 Mann, deren verbrecherische Unbeständigkeit zu fürchten war, hatte Patron nur 4000 entgegenzustellen. Hätte er, Darius, sein Leben diesen anvertraut, dann hätte es ja ausgesehen, als verdamme er die Treue seiner Volksgenossen, und damit hätte er für den Hochverrat eine Entschuldigung geradezu erst geschaffen. Daher zog er es vor, daß man sich lieber ohne seine Schuld an ihm vergreife als mit einem Rechtstitel. Dem Bessus jedoch, der sich vor ihm ob seines hinterlistigen Planes weißwaschen wollte, gab er zur Antwort, er kenne Alexanders männlichen Sinn genau so gut wie seine Gerechtigkeitsliebe: wer von ihm eineBelohnung für Verrat erwarte, der irre sich; kein Mensch werde für einen Treubruch einen erbitterteren Rächer und Richter finden! Als es nun Nacht wurde, legten die Perser nach ihrer Sitte die Waffen ab und liefen auseinander, um aus dem nächsten Dorf alles Notwendige herbeizuholen; die Baktrer jedoch blieben, entsprechend Bessus' Befehl, unter Waffen. Währenddessen läßt Darius Artabazus rufen; er teilt ihm die Äußerungen Patrons mit, und Artabazus zweifelt nun nicht mehr an der Notwendigkeit, ins Lager der Griechen überzugehen: würde die gefahrvolle Lage erst bekannt, so würden die Perser gleichfalls folgen. Aber seinem Geschickverfallen und schon nicht mehr zugänglich für einen rettungbringenden Rat, umarmt Darius seine einzige Stütze in jener Schicksalsstunde, den Artabazus, den er zum letzten Mal sehen sollte, und befahl, ihn von sich zu reißen, der sich unter beider strömenden Tränen an ihn hängte. Verhüllten Hauptes, um dem unter Schluchzen Scheiden-

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tur, in humum pronum corpus abiecit. 9 T u m vero custodiae eius adsueti, quos regis salutem vel periculis vitae tueri oportebat, dilapsi sunt, tot armatis, quos iam adventare credebant, haud rati se futuros pares. Ingens ergo in tabernáculo solitudo erat paucis spadonibus, quia, quo discederent, non habebant, circumstantibus regem. 1 0 A t ille remotis arbitris diu aliud atque aliud consilium animo volutabat. Iamque solitudinem, quam paulo ante pro solacio petiverat, perosus Bubacen vocari iubet. " Q u e m intuens « Ite, » inquit « consulite vobis ad ultimum regi vestro, ut decebat, fide exhibita; ego hie legem fati mei expecto. Forsitan mireris, quod vitam non finiam: alieno scelere quam meo mori malo. » 1 2 Post hanc vocem spado gemitu non tabernaculum modo sed etiam castra complevit. Inrupere deinde alii laceratisque vestibus lugubri et barbaro ululatu regem deplorare coeperunt. 13 Persae ad illos clamore periato attoniti metu nec arma capere, ne in Bactrianos inciderent, nec quiescere audebant, ne impie deserere regem viderentur. 1 4 Varius ac dissonus clamor sine duce ac sine imperio totis castris referebatur. Besso et N a b a r z a n i nuntiaverant sui regem a semetipso interemptum esse: planctus eos deceperat. 1 5 Itaque citatis equis advolant sequentibus, quos ad ministerium sceleris delegerant, et cum tabernaculum intrassent, quia regem vivere spadones indicabant,

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den nicht wie von seinem Scheiterhaufen aus nachsehen zu müssen, warf er sich sodann mit dem Antlitz zu Boden. Nun entwichen auch die gewohnten Leibwächter, deren Pflicht es war, ihren König auch auf eigene Lebensgefahr hin zu schützen: glaubten sie doch, so viel Bewaffneten, die sie schon nahe wähnten, nicht gewachsen zu sein. So herrschte denn tiefe Einsamkeit in dem Zelt; nur noch wenige Eunuchen umstanden den König, da sie nicht wußten, wohin sie hätten gehen sollen. Der aber ließ alle Augenzeugen sich entfernen und wälzte lange Zeit bald diesen, bald jenen Plan im Herzen. Unerträglich ward ihm alsbald die Einsamkeit, die er sich eben erst zum Tröste ausbedungen hatte, und er ließ Bubakes rufen. Er schaute ihm ins Auge und sprach: „Geht und rettet euch, nachdem ihr bis in die letzte Stunde hinein eurem König die gebührende Treue bewahrt habt. Ich für mein Teil erwarte hier, was das Schicksal über mich verhängt hat. Vielleicht verwunderst du dich, daß ich nicht Hand an mich lege? Nun, lieber will ich durch eines anderen Verbrechen als durch eigene Übeltat sterben!" Auf dieses Wort hin brach der Eunuch in ein Wehklagen aus, das nicht nur durch das Zelt, sondern auch durch das ganze Lager erscholl. Da brachen auch andere ins Zelt ein: sie zerrissen ihre Kleider und hüben an, mit dem Trauergeschrei der Barbaren den König zu beweinen. Die Perser standen, als dieses Geschrei zu ihnen drang, starr vor Furcht; sie wagten weder zu den Waffen zu greifen, um nicht den Baktrern zur Beute zu fallen, noch ruhig zu bleiben, um nicht als pflichtvergessene Verräter ihres Königs zu scheinen. Im ganzen Lager widerhallte ihr verschiedenartig lautendes, verworrenes Geschrei, zu dem doch niemand Veranlassung oder Befehl gegeben hatte. Schon hatten die Ihren Bessus und Nabarzanes gemeldet, der König habe sich selbst entleibt; die Totenklage hatte sie getäuscht. Daher kommen sie herangesprengt, begleitet von denen, die sie sich zu Helfershelfern ausgewählt hatten; sie dringen ins Königszelt ein, und da die Eunuchen

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comprehendi vincirique iusserunt. 10 Rex curru paulo ante vectus et deorum [auspiciis] a suis honoribus cultus nulla externa ope admota captivus servorum suorum in sordidum vehiculum [pellibus undique contectus] imponitur. " P e cunia regis et supellex quasi belli iure diripitur, onustique praeda per scelus ultimum parta fugam intendunt. 1 Artabazus cum iis, qui imperio parebant, Graecisque militibus Parthienen petebat omnia tutiora parricidarum contuitu ratus. 19 Persae promissis Bessi onerati, maxime quia nemo alius erat, quem sequerentur, coniunxere se Bactrianis agmen eorum tertio adsecuti die. 2 0 Ne tarnen honos regi non haberetur, aureis compedibus Dareum vinciunt, nova ludibria subinde excogitante fortuna. Et ne forte cultu regio posset agnosci, sordidis pellibus vehiculum intexerant; ignoti iumenta agebant. N e percontantibus in agmine monstrari posset, custodes procul sequebantur.

X I I I . 1 Alexander audito Dareum movisse ab Ecbatanis, omisso itinere, quod petebat, in Mediani, fugientem insequi pergit strenue. 2 Tabas - oppidum est in Paraetacene ultima - pervenite ibi transfugae nuntiant praeeipitem fuga Bactra petere Dareum. 3 Certiora deinde cognoscit ex Bagistane Babylonio: non equidem vinetum regem, sed in periculo esse aut mortis aut vineulorum adfirmabat. 4 Rex dueibus con-

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ihnen melden, der König lebe noch, lassen sie ihn ergreifen und in Ketten legen. Der König, der noch vor kurzem auf seinem Streitwagen gefahren und von den Seinen wie ein Gott verehrt worden war, wird nun, ohne daß ein Landesfeind Hand an ihn legte, als Gefangener seiner eigenen Sklaven auf einen schmutzigen Ochsenkarren gesetzt. Sein Geldschatz und sein Zeltgerät werden - genau wie nach Kriegsrecht — geplündert, und mit der Beute beladen, die man dem schlimmsten aller Verbrechen verdankt, macht man sich auf die Flucht. Artabazus suchte mit den unter seinem Befehl Stehenden sowie den griechischen Soldaten Parthiene zu erreichen; glaubte er doch, alles sei sicherer, als Auge in Auge mit den Hochverrätern zu leben. Die Perser, von Bessus mit Versprechungen überhäuft, schlossen sich den Baktrern an, vor allem weil ja niemand anderes da war, dem sie hätten Folge leisten können, und holten deren Zug am dritten Tage ein. Um immerhin dem König die ihm gebührende Ehre nicht zu versagen, fesselt man ihn mit goldenen Ketten (wie sich das Schicksal ja immer wieder einen neuartigen Spott ausdenkt!), und damit man ihn nicht etwa an seiner königlichen Kleidung erkennen könne, werfen sie schmierige Felle über den Wagen. Leute, denen er fremd ist, treiben die Tiere an, und damit er nicht etwa unterwegs Menschen, die nach ihm suchen, gezeigt werden könne, folgen in einiger Entfernung Wächter. Alexander hatte gehört, Darius sei von Ekbatana aufgebrochen; er gab daher den Marsch nach Medien, der vor ihm lag, auf und setzte die eilige Verfolgung des Flüchtenden fort. Dabei kam er nach Tabä, einer Stadt an der Grenze von Parätakene; dort meldeten Uberläufer, Darius ziehe in kopfloser Flucht auf Baktra zu. Genaueres erfuhr er dann von dem Babylonier Bagistanes: der König sei zwar nicht gefesselt, versicherte er, aber er sei in Gefahr, ermordet oder in Ketten gelegt zu werden.

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vocatis « Maximum » inquit « opus, sed labor brevissimus superest. Dareus haud procul destitutes a suis aut oppressus. In ilio corpore posita est nostra victoria, et tanta res celeritatis est praemium. » s Omnes pariter conclamant paratos ipsos sequi: nec labori nec periculo parceret. Igitur raptim agmen cursus magis quam itineris modo ducit, ne nocturna quidem quiete diurnum laborem relaxante. e Itaque D stadia processit, perventumque erat in vicum, in quo Dareum Bessus comprehenderat. 7 Ibi Melon, Darei interpres, excipitur: corpore aeger non potuerat agmen adsequi et deprehensus celeritate regis transfugam se esse simulabat. Ex hoc acta cognoscit. 8Sed fatigatis necessaria quies erat. Itaque delectis equitum VI milibus CCC, quos dimachas appellabant, adiungit. Dorso hi graviora arma portabant, ceterum equis vehebantur; cum res locusque posceret, pedestris acies erat. 9

Haec agentem Alexandrum adeunt Orsilos et Mithracenes: Bessi parricidium exosi transfugerant nuntiabantque stadia D abesse Persas, ipsos brevius iter monstraturos. l0 Gratus regi adventus transfugarum fuit. Itaque prima vespera ducibus isdem cum expedita equitum manu monstratam viam ingreditur phalange, quantum festinare posset, sequi iussa. Ipse quadrato agmine incedens ita cursum regebat, ut primi coniungi ultimis possent. 1 1 CCC stadia process e r a i , cum occurrit Brochubelus, Mazaei filius, Syriae quondam praetor. Is quoque transfuga nuntiabat Bessum haud amplius quam CC stadia abesse; exercitum, utpote qui nihil praeca-

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Alexander rief seine Führer zusammen und sprach: „Jetzt bleibt noch das Größte zu tun, aber die Mühe ist kürzer als alle anderen bisher: Darius ist in der Nähe, von den Seinen verraten oder überwältigt; daß wir seiner jetzt habhaft werden, bedeutet für uns den Sieg und wird jede Eile belohnen." Einstimmig rufen alle, sie seien bereit zu folgen: er solle ihnen keine Mühe noch Gefahr ersparen. Also führt er eilig die Schar mehr im Lauf als im Marschtritt an, ohne daß sie sich nachts von der Anspannung des Tages ausruhen darf. 500 Stadien geht es so vorwärts, dann gelangt man zu dem Dorf, in dem Bessus Darius gefangengenommen hatte. Dort wurde Melon, Darius' Dolmetscher, aufgegriffen; als Kranker hatte er den Zug nicht einholen können, und nun, dank der Eile Alexanders ergriffen, suchte er sich als Überläufer auszugeben. Von ihm erfuhr man, was geschehen war. Aber die Müdigkeit zwang sie, auszuruhen. Daher wählte man 6000 Reiter aus nebst 300 sogenannten Doppelkämpfern; diese trugen die schweren "Waffen auf dem Rücken, waren jedoch beritten, und je nachdem es Lage und Gelände erforderten, konnten sie auch zu Fuß kämpfen. Während Alexander noch damit beschäftigt war, trafen Orsilos und Mithrakenes ein: voll Abscheu vor dem Hochverrat des Bessus waren sie zum Feind übergelaufen und meldeten nun, die Perser ständen 500 Stadien entfernt, doch könnten sie einen kürzeren Weg zeigen. Dem König war die Ankunft der Uberläufer hochwillkommen; daher machte er sich am frühen Abend unter ihrer Führung mit einer Schar leichter Reiter auf den Weg, den sie ihm wiesen; die Phalanx hatte Befehl, in äußerster Eile zu folgen. Er selbst ließ das Heer kampfbereit vorrücken und richtete den R i t t so ein, daß die Fühlung zwischen den Ersten und Letzten nicht abriß. 300 Stadien war man marschiert, da stieß Brochubelus auf sie, ein Sohn des Mazäus, einstmals Statthalter von Syrien. Gleichfalls als Überläufer brachte er die Nachricht, Bessus sei nur noch 200 Stadien entfernt; das Heer ziehe ohne alle

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veret, incompositum inordinatumque procedere. H y r c a n i a m videri petituros. Si festinaret sequi palantes, superventurum. Dareum adhuc vivere. " S t r e n u o alioqui cupiditatem consequendi transfuga iniecerat. Itaque calcaribus subditis effuso cursu eunt. Iamque fremitus hostium iter ingredientium exaudiebatur, sed prospectum ademerat pulveris nubes. Paulisper ergo inhibuit cursum, donec consideret pulvis. 1 3 Iamque conspecti a barbarie erant et abeuntium agmen conspexerant nequaquam futuri pares, si Besso tantum animi fuisset ad proelium, quantum ad parricidium fuerat. N a m q u e et numero barbari praestabant et robore; ad hoc reietti cum fatigatis certamen inituri erant. 1 4 Sed nomen Alexandri et fama, maximum in bello utique momentum, pavidos in fugam avertit.

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vero et ceteri facinoris eius participes vehiculum Darei adsecuti coeperunt hortari eum, conscenderet equum et se hosti fuga eriperet. i e I l l e déos ultores adesse testatur et A l e x andri fidem implorans negat se parricidas velie comitari. T u m vero ira quoque accensi tela coiciunt in regem multisque confossum vulneribus relinquunt. " I u m e n t a quoque, ne longius prosequi possent, convulnerant duobus servis, qui regem comitabantur, occisis. 1 8 H o c edito facinore, ut vestigia fugae spargerent, Nabarzanes Hyrcaniam, Bessus Bactra paucis equitum comitantibus petebant. Barbari ducibus destituti, qua quemque aut spes ducebat aut pavor, dissipabantur; D tantum équités congregaverant se

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Vorsicht in regelloser Unordnung einher; anscheinend wolle man nach Hyrkanien, und wenn Alexander sich mit der Verfolgung der Zerstreuten beeile, werde er sie überraschen können: Darius sei noch am Leben! Der Überläufer hatte Alexanders an sich schon lebhaften Wunsch, die Verfolgung durchzuführen, noch verstärkt: daher ging es jetzt in wildem Galopp vorwärts. Schon hörte man den Lärm des marschierenden feindlichen Heeres, doch noch benahm eine Staubwolke den Ausblick. So verhielt der König ein wenig, bis der Staub sich legte. Und schon waren sie in Sicht der Barbaren gekommen und hatten selbst die Schar der Abziehenden gesichtet - denen sie keineswegs gewachsen gewesen wären, hätte nur Bessus jetzt so viel Mut besessen zu einem Kampf wie vorher zum Hochverrat; denn die Barbaren waren an Zahl und Kräften überlegen, außerdem wären sie ausgeruht in den Kampf gezogen, die andern aber erschöpft. Doch der bloße Name Alexanders und sein Ruf — etwas, was zumal im Krieg von allergrößter Bedeutung ist - Hessen sie erschreckt die Flucht ergreifen. Bessus und die übrigen Verbrecher holten nun Darius' Wagen ein und bedrängten ihn, ein Pferd zu besteigen und sich dem Feind durch Flucht zu entziehen. Der aber erklärte feierlich, jetzt sei die Rache der Götter nahe, und Alexanders Ritterlichkeit anrufend weigerte er sich, Hochverräter zu begleiten. Da packte sie zu allem noch der Zorn: sie schleuderten ihre Spieße auf den König und ließen den aus vielen Wunden Blutenden im Stich. Auch die Tiere verwundeten sie, damit sie den Wagen nicht weiterziehen könnten, und erschlugen die beiden Sklaven, die den König begleiteten. Nach dieser Schandtat zogen sie, um die Spuren ihrer Flucht zu verwischen, der eine, Nabarzanes, nach Hyrkanien, der andere, Bessus, nach Baktra, beide von nur wenigen Reitern begleitet. Von ihren Führern im Stich gelassen, liefen die Barbaren auseinander, jeder wohin ihn sein Hoffen oder sein Bangen führte. Lediglich 500 Reiter hatten sich zusammengeschart und

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incerti adhuc, resistere melius esset an fugere. "Alexander hostium trepidatione compertaNicanorem cum equitum parte ad inhibendam rugam emittit, ipse cum ceteris sequitur. Tria ferme milia resistentia occisa sunt, reliquum agmen pecudum more intactum agebatur iubente rege, ut caedibus abstineretur. 2 0 Nemo captivorum erat, qui monstrare Darei vehiculum posset: singula, ut quaeque prenderent, scrutabantur, nec tarnen ullum vestigium fugae regis extabat. 21 Festinantem Alexandrum vix I I I milia equitum persecuta sunt. At in eos, qui lentius sequebantur, incidebant universa fugientium agmina. 22 Vix credibile dictu, plures captivi quam qui caperent erant: adeo omnem sensum territis fortuna penitus excusserat, ut nec hostium paucitatem nec multitudinem suam satis cernerent. 23 Interim iumenta, quae Dareum vehebant, nullo regente decesserant militari via et errore delata per quattuor stadia in quadam valle constiterant aestu simulque vulneribus fatigata. 2i H a u d procul erat fons, ad quem monstratum a peritis Polystratus Macedo siti maceratus accessit, ac dum galea haustam aquam sorbet, tela iumentorum deficientium corporibus infixa conspexit. 25 Miratusque confossa potius quam abacta esse, semivivi hominis ***

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I. *** *pugnae discrimen immisit obtruncatisque, qui promptius resistebant, magnam partem hostium propulit. 2 Coeperant fugere vie-

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schwankten noch, ob hier Widerstand oder Flucht das bessere sei. Alexander erfuhr von der Bestürzung der Feinde und sandte Nikanor mit einem Teil der Reiterei aus, ihre Flucht zu verhindern; er selbst folgte mit dem Rest. Etwa 3000 Mann, die sich zur Wehr setzten, wurden erschlagen; den übrigen Haufen trieb man wie das liebe Vieh dahin - unangefochten, da der König dem Morden Einhalt gebot. Keiner aber von den Gefangenen vermochte den Wagen des Darius zu zeigen: alle Gefährte, auf die man stieß, wurden durchsucht, doch fand sich keine Spur des flüchtigen Königs. Weiter eilte Alexander, von noch knapp 3000 Reitern begleitet. Nun aber fielen denen, die langsamer folgten, die gesamten flüchtenden Heerscharen in die Hände. Und kaum ist es zu glauben: die Zahl der Gefangenen war größer als die ihrer Fänger; derart hatte ihnen in ihrem Schreck das Geschehen auch noch den letzten Rest von Besinnung geraubt, so daß sie weder die schwache Zahl der Feinde noch die eigene Überzahl recht gewahr wurden. Inzwischen waren die Tiere vor Darius' Wagen, die ja niemand mehr lenkte, von der Heerstraße abgekommen und hatten sich verirrt; vier Stadien weit entfernt machten sie in einem Tale halt, von der Hitze sowie von ihren Wunden erschöpft. Nicht weit davon lag ein Quell; der Makedone Polystratus hatte ihn sich von Ortskundigen weisen lassen und kam nun, von Durst geplagt, dorthin. Und während er aus seinem Helm das Wasser schlürft, sieht er Speere aus den Leibern erschöpfter Zugtiere ragen. Als er sich noch wundert, warum man die Tiere verwundet hat statt sie wegzuführen, [vernimmt er das Stöhnen] eines zu Tode Getroffenen... SECHSTES

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. . . entscheidende Stelle des Kampfes hineinstürzte; er hieb die nieder, die besonders kraftvoll Widerstand leisteten, und schlug einen großen Teil der Feinde zurück.

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tores et, donee avidius sequentes in planum deduxere, inulti cadebant; sed ut primum locus, in quo stare possent, fuit, aequis viribus dimicatum est. 3 Inter omnes tarnen Lacedaemonios rex eminebat, non armorum modo et corporis specie, sed etiam magnitudine animi, quo uno vinci non potuit. 4 Undique nunc comminus nunc eminus petebatur diuque arma circumferens alia tela clipeo excipiebat, corpore alia vitabat, doñee hasta femina perfossa plurimo sanguine effuso destituere pugnantem. B Ergo clipeo suo exceptum armigeri raptim in castra referebant iactationem vulnerum haud facile tolerantem. β Ν ο η tarnen omisere Lacedaemonii pugnam et, ut primum sibi quam hosti aequiorem locum capere potuerunt, densatis ordinibus effuse fluentem in se aciem excepere. 7 Non aliud discrimen vehementius fuisse memoriae proditum est. Duarum nobilissimarum 'bello gentium exercitus pari Marte pugnabant. l a c e daemonii vetera, Macedones praesentia decora intuebantur; illi pro libertate, hi pro dominat o n e pugnabant; Lacedaemoniis dux, Macedonibus locus deerat. 9 Diei quoque unius tarn multiplex casus modo spem modo metum utriusque partis augebat, velut de industria inter fortissimos viros certamen aequante fortuna. "Ceterum angustiae loci, in quo haeserat pugna, non patiebantur totis ingredi viribus: spectabant ergo plures quam inierant proelium, et qui extra teli iactum erant, clamore invicem suos accen-

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Schon hatten die bisherigen Sieger zu fliehen begonnen und fielen ohne Gegenwehr, solange sie die übereifrig Folgenden ins flache Gelände nach sich zogen; sobald jedoch das Gelände wieder festen Fuß zu fassen erlaubte, glich sich der Kampf wieder aus. Unter allen Spartanern jedoch ragte der König hervor, nicht nur nach Waffen und Körperbau, sondern auch durch seinen Mut, in dem er sich von niemandem überbieten ließ. Von allen Seiten sah er sich bald im Nah-, bald im Fernkampf angegriffen; lange Zeit nach allen Seiten hin kämpfend, fing er die Geschosse teils mit dem Schilde auf, teils wich er ihnen durch Bewegungen aus, bis dann ein Speer seine Schenkel durchbohrte und der schwere Blutverlust ihn zur Aufgabe des Kampfes zwang. So suchten denn die Waffenträger ihn auf seinem eigenen Schilde eilig ins Lager zurückzutragen, wobei der Verwundete die körperliche Erschütterung kaum auszuhalten vermochte. Trotzdem gaben die Spartaner den Kampf nicht auf : sobald sie ein Gelände gewonnen hatten, das für sie günstiger war als für den Feind, schlossen sie die Reihen und fingen den Angriff der Feinde auf, der in wilder Masse auf sie zuflutete. Es war dies, so erzählt man, die hitzigste Entscheidungsschlacht aller Zeiten. Unter gleichen Bedingungen kämpften hier die Heere zweier kriegsberühmter Völker. Die Spartaner hatten ihren alten, die Makedonen ihren gegenwärtigen Ruhm vor Augen; die einen kämpften für die Freiheit, die anderen für die Herrschaft; den Spartanern fehlte der Führer, den Makedonen der Raum. Die verschiedenen Wechselfälle dieses einen Tages erhöhten bald die Zuversicht, bald die Furcht beider Parteien — als ob mit voller Absicht das Glück zwischen diesen beiden tapferen Gegnern die Waage im Gleichgewicht hielte. Doch erlaubte das schmale Gelände, in das hineingepreßt der Kampf sich abspielte, nicht, daß man die gesamten Kräfte zugleich einsetzte: es mußten also mehr zuschauen als mitkämpfen, und wer außer Schußweite stand, schrie jeweils den Seinen aufmunternd zu.

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debant. " T a n d e m Laconum acies languescere lubrica arma sudore vix sustinens, pedem deinde referre coepit et urgente hoste apertius fugere. 12 Insequebatur dissipatos victor et emensus cursu omne spatium, quod acies Laconum obtinuerat, ipsum Agin persequebatur. 13 Ille ut fugam suorum et proximos hostium conspexit, deponi se iussit; expertusque membra, an impetum animi sequi possent, 14 postquam deficere sensit, poplitibus semet excepit galeaque strenue sumpta clipeo protegens corpus hastam dextera vibrabat ultro vocans hostem, si quis iacenti spolia demere auderet. 16 Nec quisquam fuit, qui sustineret comminus congredi: procul missilibus adpetebatur, ea ipsa in hostem retorquens, doñee lancea nudo pectori infixa est. Qua ex vulnere evolsa inclinatum ac deficiens caput clipeo paulisper excepit, dein linquente spiritu pariter ac sanguine moribundus in arma procubuit. "Cecidere Lacedaemoniorum V milia et CCC, ex Macedonibus haud amplius M; ceterum vix quisquam nisi saucius revertit in castra.

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Haec victoria non Spartam modo sociosque eius, sed etiam omnis, qui fortunam belli spectaverant, fregit. " N e c fallebat Antipatrum dissentire ab animis gratulantium vultus, sed bellum finire cupienti opus erat decipi. Et quamquam fortuna rerum placebat, invidiam tamen. quia maiores res erant quam quas praefecti modus caperet, metuebat. 1 8 Quippe Alexander hostes vinci voluerat, Antipatrum vicisse ne tacitus quidem indignabatur suae demptum glo-

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Endlich ermattete die Front der Spartaner, die die vom Schweiß schlüpfrigen Waffen kaum noch zu halten vermochte; dann begann sie rückwärts zu gehen und, als der Feind nachdrängte, unverkennbar zu fliehen. Nun folgte der Feind als Sieger den sich Auflösenden nach: im Laufschritt den ganzen Raum durchmessend, den das spartanische Heer innegehabt hatte, suchte er bis zu Agis selbst vorzudringen. Als dieser die Flucht der Seinen und die ersten Feinde erblickte, befahl er ihn abzusetzen; er erprobte seine Gliedmaßen, ob sie wohl seinem Angriffsgeist gehorchten, und als er sie kraftlos fühlte, ließ er sich auf die Knie nieder, nahm schnell den Helm, schützte den Leib mit dem Schild und wog mit der Rechten die Lanze zum Schwung, von sich aus den Feind zum Kampf herausfordernd, falls es einer wagen sollte, ihm am Boden die Rüstung zu rauben. Doch fand sich niemand, der einen Nahkampf wagte: nur von fern schleuderte man Geschosse auf ihn, die er selbst auf den Feind zurückwarf, bis dann eine Lanze ihm in die bloße Brust drang. Er riß sie sich aus der "Wunde, hielt das wankende und kraftlose Haupt noch eine Weile mit dem Schilde aufrecht, dann gingen ihm Atem und Blut zugleich aus und sterbend stürzte er auf seinen Waffen zusammen. Es fielen von den Spartanern 5300 Mann, von den Makedonen nicht mehr als 1000; doch kehrte kaum einer unverwundet ins Lager zurück. Dieser Sieg brach nicht nur die Kraft Spartas und seiner Verbündeten, sondern auch die eines jeden, der auf den Ausgang des Krieges gewartet hatte. Zwar entging es Antipater nicht, daß Gesinnung und Antlitz der ihn Beglückwünschenden nicht übereinstimmten, doch da er den Krieg zu beenden wünschte, mußte er sich die Täuschung gefallen lassen. Und obwohl er mit dem Ausgang der Dinge zufrieden war, fürchtete er trotzdem Mißgunst, weil ja seine Erfolge größer waren, als es der Machtfülle eines Statthalters entsprach. Denn Alexander hatte zwar den Sieg über die Feinde gewünscht, daß aber Antipater der Sieger sei, darüber hielt er mit seinem Unmut nicht zurück:

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riae existimans, quicquid cessisset alienae. 1 9 Itaque Antipater, qui probe nosset spiritus eius, non est ausus ipse agere arbitria victoriae, sed concilium Graecorum, quid fieri placeret, consuluit. 20 A quo Lacedaemonii nihil aliud quam ut oratores mittere ad regem liceret precati veniam defectionis praeter auctores impetraverunt. Megalopolitanis, quorum urbs obsessa erat a defectionis sociis, Achaei et Elei centum X X talenta dare iussi sunt. 2 1 Hic fuit exitus belli, quod repente ortum prius tamen finitum est, quam Dareum Alexander apud Arbela superaret. II. 1 Sed ut primum instantibus curis laxatus est animus militarium rerum quam quietis otiique patientior, excepere eum voluptates, et quem arma Persarum non fregerant, vitia vicerunt: t e m p e s t i v a convivía et perpotandi pervigilandique insana dulcedo ludique et greges paelicum. Omnia in externum lapsa morem; quem aemulatus quasi potiorem suo ita popularium ánimos oculosque pariter offendit, ut a plerisque amicorum pro hoste haberetur. 3 Tenaces quippe disciplinae suae solitosque parco ac parabili victu ad implenda naturae desideria defungi in peregrina et devictarum gentium mala impulerat. 4 Hinc saepius comparatae in caput eius insidiae, secessio militum et liberior inter mutuas querelas dolor, ipsius deinde nunc ira nunc suspiciones, quas excitabat inconsultus pavor, ceteraque his similia, quae deinde dicentur.

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glaubte er doch stets, man habe ihm einen jeglichen Ruhm entwendet, der einem anderen zugefallen sei. Daher wagte es Antipater denn auch nicht - er kannte seinen hochfahrenden Sinn nur zu gut! — die Entscheidung über die Maßnahmen nach dem Sieg selbst zu treffen, sondern befragte den Landtag der Griechen um seine Meinung. Diesen baten die Spartaner lediglich, Unterhändler zum König schicken zu dürfen, und sie erreichten Verzeihung für ihren Abfall mit Ausnahme von dessen Urhebern. Den Bewohnern von Megalopolis, das von Mitschuldigen am Aufstand belagert worden war, mußten die Achäer und die Leute von Elis 120 Talente zahlen. Das war der Ausgang des Krieges, der so plötzlich ausbrach und doch schon beendet war, bevor noch Alexander bei Arbela Darius besiegte. Aber sobald sich nun sein Sinn, der sich in kriegerischen Unternehmungen immer besser bewährte als in müßiger Ruhe, von den Sorgen um die nächste Gegenwart befreit sah, gab er sich wollüstigen Freuden hin, und den Mann, den die Waffen der Perser nicht hatten zerbrechen können, bezwangen jetzt die Laster: früh beginnende Gastgelage, ein tolles Verlangen, die Nächte hindurch zu zechen und zu wachen, Spiele und ganze Scharen von Dirnen. Völlig verfiel er den Sitten des Auslands: indem er sie nachahmte, als wären sie besser als die seinen, kränkte er Herzen und Augen seiner Landsleute gleichermaßen, so daß er von den meisten seiner Freunde wie ein Feind seines Volks angesehen wurde. Denn sie, die an ihrer Zucht hingen und gewohnt waren, mit sparsamer, leicht zu beschaffender Kost ihrem natürlichen Verlangen zu genügen, hatte er nun zu den Lastern des Auslands und unterworfener Stämme hingelenkt. Daher entstanden nun auch öfter Anschläge gegen sein Leben, Zusammenrottungen unter den Soldaten und allzu freie Äußerungen des Schmerzes, den man sich gegenseitig klagte, von seiner Seite dann aber Zorn oder Mißtrauen, erregt durch unbedachte Furcht, und ähnliches dieser Art, wovon noch die Rede sein wird.

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Igitur cum tempestivis conviviis dies pariter noctesque consumeret, satietatem epularum ludís interpellabat non contentus artificum, quos e Graecia exciverat, turba: quippe captivae iubebantur suo ritu canere inconditum et abhorrens peregrinis auribus carmen. 6 Inter quas unam rex ipse conspexit maestiorem quam ceteras et producentibus eam verecunde reluctantem. Excellens erat forma, et formam pudor honestabat: deiectis in terram oculis et, quantum licebat, ore velato suspicionem praebuit regi nobiliorem esse, quam ut inter convivales ludos deberet ostendi. TErgo interrogata, quaenam esset, neptim se Ochi, qui nuper regnasset in Persis, filio eius genitam esse respondit, uxorem Hystaspis fuisse. Propinquus hic Darei fuerat, magni et ipse exercitus praetor. 8 Adhuc in animo regis tenues reliquiae pristini moris haerebant. Itaque fortunam regia stirpe genitae et tam celebre nomen [neptem] Ochi reveritus 9 non dimitti modo captivam, sed etiam restituì ei suas opes iussit, virum quoque requiri, ut reperto coniugem redderet. Postero autem die praecepit Hephaestioni, ut omnes captivos in regiam iuberet adduci. Ibi singulorum nobilitate spedata secrevit a vulgo, quorum eminebat genus. M hi fuerunt; inter quos repertus est Oxathres, Darei frater, non illius fortuna quam indole animi sui clarior. 1 0 XXVI milia talentum próxima praeda redacta erant; e quis duo-

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Indem er nun die Tage wie die Nächte mit früh beginnenden Gastgelagen verbrachte, die er dann, ihrer satt geworden, durch Spiele unterbrach, begnügte er sich nicht mit der Schar der Künstler, die er aus Griechenland hatte kommen lassen: auch gefangene Frauen mußten nach ihrer Landessitte ein kunstloses, auf fremde Ohren abstoßend wirkendes Lied singen. Unter diesen erblickte der König eine Frau, die trauriger war als die anderen und denen, die sie vorführten, aus Sittsamkeit widerstrebte. Sie war auffallend schön, und ihr Schamgefühl erhöhte diese Schönheit noch. Ihre zu Boden gesenkten Augen und ihr Antlitz, das sie, so weit sie das durfte, verhüllte, ließen den König vermuten, sie sei von edlerer Abstammung, als daß sie sich unter den Spielen bei Tisch hätte zeigen dürfen. Er fragte sie, wer sie sei, und sie erwiderte: sie sei eine Enkelin des Ochus, der kürzlich noch über die Perser regiert habe, und zwar eine Tochter seines Sohnes; ihr Gatte sei Hystaspes gewesen, ein Verwandter des Darius, der ebenfalls ein großes Heer geführt hatte. Noch war im Herzen des Königs ein schwacher Rest seiner früheren sittlichen Denkweise vorhanden; aus Achtung vor dem Geschick der aus königlichem Geschlecht Stammenden und vor einem derart hohen Namen wie dem des Ochus ließ er die Gefangene nicht nur frei, sondern befahl auch, ihr ihre Schätze wiederzugeben und nach ihrem Manne zu forschen, um ihm, wenn er gefunden, seine Gattin wiederzugeben. Tags darauf wies er Hephästion an, alle Gefangenen in das Königsgezelt bringen zu lassen. Hier ließ er einzeln feststellen, wer adliger Abstammung sei, und diejenigen, die erlauchter Herkunft waren, von der Menge absondern. Es waren 1000 an der Zahl; unter ihnen fand man auch Oxathres, einen Bruder des Darius, den mehr noch seine Geistesanlagen auszeichneten als seines Bruders hoher Stand. 26 000 Talente hatte die letzte Beute betragen; von diesen

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decim milia in congiarium militum absumpta sunt, par huic pecuniae summa custodum fraude subtracta est. "Oxydâtes erat nobilis Perses, qui a Dareo capitali supplicio destinatus cohibebatur in vinculis; huic liberato satrapeam Mediae attribuit, fratremque Darei recepii in cohortem amicorum omni vetustae claritatis honore servato. 12 Hinc in Parthienen perventum est, tunc ignobilem gentem, nunc caput omnium, qui post Euphraten et Tigrim amnes siti Rubro mari terminantur. 13 Scythae regionem campestrem ac fertilem occupaverunt, graves adhuc accolae. Sedes habent et in Europa et in Asia: qui super Bosphorum colunt,adscribuntur Asiae, at qui in Europa sunt, a laevo Thraciae latere ad Borysthenem atque inde ad Tanaim [alium amnem] recta plaga attinent. 14 Tanais Europam et Asiam medius interfluit. Nec dubitatur, quin Scythae, qui Parthos condidere, non a Bosphoro sed ex Europae regione penetraverint. 15 Urbs erat ea tempestate clara Hecatompylos, condita a Graecis; ibi stativa rex habuit commeatibus undique advectis. Itaque rumor, otiosi militis vitium, sine auctore percrebruit regem contentum rebus, quas gessisset, in Macedoniam protinus redire statuisse. 16 Discurrunt lymphatis similes in tabernacula et itineri sarcinas aptant: signum datum crederes, ut vasa colligerent. Totis castris tumultus hinc contubernales suos requirentium, hinc onerantium plaustra perfertur ad regem. "Fecerant fidem rumori temere vulgato Graeci milites redire iussi do-

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wurden 12 000 als Spende an die Soldaten verwendet, die gleiche Summe kam durch die Unredlichkeit der Aufseher fort. Oxydâtes, ein vornehmer Perser, war von Darius zur Hinrichtung bestimmt worden, und man hielt ihn noch in Ketten: Alexander befreite ihn und übergab ihm die Statthalterschaft von Medien; den Bruder des Darius nahm er in die Schar seiner Freunde auf, wobei er ihm seinen früheren hohen Stand uneingeschränkt beließ. Von hier gelangte man nach Parthiene — damals ein unbedeutender Volksstamm, heute jedoch das Haupt all derer, die hinter Euphrat und Tigris bis zum Roten Meere hin wohnen. Die Skythen haben die Landschaft, soweit sie eben und fruchtbar ist, in Besitz genommen, als auch jetzt noch bedrohliche Nachbarn. Ihre Wohnsitze liegen in Europa und in Asien; die jenseits des Bosporus gehören zu Asien, die in Europa breiten sich von der linken Seite Thrakiens bis zum Borysthenes und von dort in gerader Richtung bis zum Tanais aus. Der Tanais bildet die Grenze zwischen Europa und Asien. Zweifellos sind die Skythen, die das Partherreich gegründet haben, nicht vom Bosporus her, sondern aus Europa eingedrungen. Berühmt war zu jener Zeit das herrliche Hekatompylos, eine griechische Gründung. Hier hielt der König ein Standlager und ließ von überallher Verpflegung heranschaffen. Daher verbreitete sich ein grundloses Gerücht — von jeher ja das Laster des unbeschäftigten Kriegers! — und zwar des Inhalts: der König, zufrieden mit dem was er geleistet, habe beschlossen, geradeswegs nach Makedonien heimzukehren. Da liefen sie wie die Besessenen auseinander und in die Zelte, um sich abmarschbereit zu machen, als wäre der Befehl schon ausgegeben, die Gerätschaften zusammenzuraffen. Der im ganzen Lager ausbrechende Lärm der Leute, die hier nach ihren Zeltgenossen riefen, dort schon die Wagen beluden, drang zu dem König. Glaubhaft gemacht hatten das so unbesonnen verbreitete Gerücht die griechischen Soldaten, die allerdings den Befehl hatten, nach Hause zurückzu-

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mos; quorum equitibus singulis denarium sena milia cum distributa essent, peditibus singula, ipsis quoque finem militiae adesse credebant. H a u d secus quam par erat territus, qui Indos atque ultima Orientis peragrare statuisset, praefectos copiarum in praetorium contrahit obortisque lacrimis ex medio gloriae spatio revocari se vieti magis quam victoris fortunam in patriarci relaturum conquestus est; 19 nec sibi ignaviam militum obstare, sed deum invidiam, qui fortissimis viris subitum patriae desiderium admovissent, paulo post in eandem cum maiore laude famaque redituris. 2 0 Tum vero pro se quisque operam suam of ferre, difficillima quaeque poscere, polliceri militum quoque obsequium, si ánimos eorum leni et apta oratione permuleere voluisset: 2 1 numquam infractos et abiectos recessisse, quotiens ipsius alacritatem et tanti animi spiritus haurire potuissent. Ita se facturum esse respondit; illi modo vulgi aures praepararent sibi. Satisque omnibus, quae in rem videbantur esse, compositis vocari ad contionem exercitum iussit, apud quem talem orationem habuit:

III. x « Magnitudinem rerum, quas gessimus, milites, intuentibus vobis minime mirum est et desiderium quietis et satietatem gloriae occurrere. 2 Ut omittam Illyrios, Triballos, Boeotiam, Thraciam, Spartam, Achaeos, Peloponnesum, quorum alia duetu meo alia imperio auspicioque perdomui, 3ecce orsi bellum ab Hellesponto lonas, Aeolidem servitio barbariae impotentis

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kehren, und von denen jeder einzelne Reiter 6000 Denare erhalten hatte, die Leute vom Fußvolk je 1000: nun glaubten die anderen, auch für sie habe die Stunde der Entlassung geschlagen. Naturgemäß erschrak Alexander, der ja doch entschlossen war, bis zu den Indern und den Grenzen des Orients vorzudringen. Er ließ die Truppenführer in sein Feldherrnzelt kommen und beklagte sich unter Tränen, man wolle ihn hier mitten aus seiner Ruhmeslaufbahn herausreißen, damit er statt als Sieger besiegt sein Glücksschifflein heimlenke. Nicht erwa der feige Sinn der Soldaten, nein, die Mißgunst der Götter stelle sich ihm in den Weg, die in solchen Heldenseelen ein plötzliches Heimweh entfacht hätten, während sie doch in Kürze mit noch größerem Ruhm beladen in eben dies Heimatland zurückkehren sollten! Alsbald bot jeder einzelne ihm seinen Einsatz an, forderte die allerschwersten Aufgaben und versprach auch Willfährigkeit bei den Soldaten, wenn er sie nur mit einer Ansprache zweckmäßig milden Tones beruhigen wolle; seien sie doch noch niemals entmutigt und kleinlaut gewichen, so oft sie nur von seinem Feuer und seinem hochgemuten Geist einen Hauch in sich aufgenommen hätten. Das werde er tun, erwiderte er; sie sollten nur die Stimmung vorbereiten. Und als alles Erforderliche geregelt war, ließ er das Heer zur Versammlung antreten und hielt vor dieser folgende Rede: „Soldaten! Wenn ihr euch die Größe unsrer Taten vor Augen haltet, so ist es wirklich kein Wunder, daß ihr euch nach Ruhe sehnt und des Ruhmes satt seid. Ich will hier nicht die Illyrier nennen, die Triballer, Böotien, Thrakien, Sparta, die Achäer und den Peloponnes — lauter Länder, die ich teils selbst als Heerführer, teils als verantwortlicher Befehlshaber bezwungen habe; denkt vielmehr daran, wie wir vom Hellespont aus Ionien undÄolis aus den Sklavenbanden eines maßlosen Barbarenvolkes befreit haben; daß

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exemimus, Cariam, Lydiam, Cappadociam, Phrygiam, Paphlagoniam, Pamphyliam, Pisidas, Ciliciam, Syriam, Phoenicen, Armeniam, Persidem, Medos, Partilienen habemus in potestate. 4 Plures provincias complexus sum, quam alii urbes ceperunt, et nescio an enumeranti mihi quaedam ipsa rerum multitudo subduxerit. 5 Itaque si crederem satis certam esse possessionem terrarum, quas tanta velocitate domuimus, ego vero, milites, ad penates meos, ad parentem sororesque et ceteros cives vel retinentibus vobis erumperem, ut ibi potissimum parta vobiscum laude et gloria fruerer, ubi nos uberrima victoriae praemia expectant, liberum, coniugum parentumque laetitia, pax, quies, rerum per virtutem partarum secura possessio. e Sed in novo et — si verum fateri volumus - precario imperio adhuc iugum eius rigida cervice subeuntibus barbaris tempore, milites, opus est, dum mitioribus ingeniis imbuuntur et efferatos melior consuetudo permulcet. 7Fruges quoque maturitatem stato tempore expectant: adeo etiam illa sensus omnis expertia tamen sua lege mitescunt. 8 Quid? creditis tot gentes alterius imperio ac nomine adsuetas, non sacris, non moribus, non commercio linguae nobiscum cohaerentes eodem proelio domitas esse, quo victae sunt? Vestris armis continentur, non suis moribus, et qui praesentes metuunt, in absentia hostes erunt. Cum feris bestiis res est, quas captas et inclusas, quia ipsarum natura non potest, longior dies mitigat. 9 Et adhuc sic ago, tam- 8 quam omnia subacta sint armis, quae fuerunt in dicione Darei. Hyrcaniam Nabarzanes occu-

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wir jetzt die Herren sind von Karien, Lydien, Kappadokien, Phrygien, Paphlagonien, Pamphylien, Pisidien, Kilikien, Syrien, Phönizien, Armenien, Persien, Medien und Parthiene! Faßt doch mein Reich mehr Provinzen als andere an Städten erobert haben, und vielleicht habe ich sogar bei meiner Aufzählung ob all der Fülle noch dies und das vergessen. „Wenn ich nun glauben könnte, sicher zu sein im Besitz der Länder, die wir mit solcher Eile bezwungen haben, so würde ich mich, Soldaten, mit Ungestüm heimwärts aufmachen, zu Mutter und Schwestern und Landsleuten, ob ihr mich auch zurückhieltet! Was wollte ich lieber als dort an eurer Seite mich des Ruhms und der Ehren erfreuen, wo herrlicher Siegeslohn unser wartet, der Jubel der Kinder, der Frauen und Eltern, Friede, Ruhe und sicherer Besitz des heldisch Errungenen! Aber in unserm neuen und—wenn wir die Wahrheit eingestehen wollen - bislang ungesicherten Reich, wo die Barbaren das Joch immer noch mit störrischem Nacken tragen, braucht es noch Zeit, Soldaten, bis sie dann sanfteren Geistes sich beugen und ihren aufgebrachten Sinn die Gewöhnung an das, was für sie besser ist, besänftigt. Auch die Frucht des Feldes erwartet das Reifen zu ihrer Zeit; so entwickelt sich auch das Sinnlose dennoch-nach dem ihm eigenen Gesetz. Oder glaubt ihr etwa, daß all die Völker, an eines Anderen Herrschaft und Namen gewöhnt, noch ohne Bindung an uns durch Religion, durch Sitten, durch das Band der Sprache, bezwungen worden seien durch eben die Schlacht, in der sie besiegt worden sind? Nur eure Waffen halten sie nieder, nicht aber die eigenen Sitten, und die euch vor Augen euch fürchten, werden, sobald ihr den Rücken dreht, wieder eure Feinde sein. Mit wilden Tieren haben wir es zu tun, die, gefangen und eingesperrt, nicht die eigene Natur zu zähmen vermag, sondern erst eine längere Frist! „Und dabei spreche ich schon so, als wäre alles Land mit Waffengewalt unterworfen, über das einst Darius gebot! Noch hält Nabarzanes Hyrkanien in seiner Hand, und

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pavit, Bactra non possidet solum parricida Bessus, sed etiam minatur; Sogdiani, Dahae, Massagetae, Sacae, Indi sui iuris sunt. 10 Omnes hi, simul terga nostra viderint, insequentur: illí enim eiusdem nationis sunt, nos alienigenae et externi. Suis quisqae autem placidius paret, etiam cum is praeest, qui magis timeri potest. "Proinde aut, quae cepimus, omittenda sunt aut, quae non habemus, occupanda. Sicut in corporibus aegris, milites, nihil, quod nociturum est, medici relinquunt, sic nos quiequid obstat imperio recidamus. Parva saepe scintilla contempta magnum excitavit incendium. Nil tuto in hoste despicitur: quem spreveris valentiorem neglegentia facias. 1 2 Ne Dareus quidem hereditarium Persarum aeeepit imperium, sed in sedem Cyri beneficio Bagoae, castrati hominis, admissus: ne vos magno labore credatis Bessum vacuum regnum occupaturum. 1 3 Nos vero peccavimus, milites, si Dareum ob hoc vicimus, ut servo eius traderemus imperium, qui ultimum ausus scelus regem suum, etiam externae opis egentem, certe cui nos victores pepercissemus, quasi captivum in vinculis habuit, ad ultimum, ne a nobis conservari posset, occidit. 1 4 Hunc vos regnare patiemini? Quem equidem cruci adfixum videre festino omnibus regibus gentibusque et fidei, quam violavit, méritas poenas solventem. 1 5 At, hercules, si mox eundem Graecorum urbes aut Hellespontum vastare nuntiatum

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Baktrien besitzt der Hochverräter Bessus nicht nur, nein, er droht auch von dort! Noch genießen die Sogdier, die Daher, die Massageten, die Saker, die Inder ihre Unabhängigkeit. All diese aber werden, sobald wir den Rücken drehen, uns verfolgen: sind sie doch einer Nation, wir aber Ausländer und fremden Stammes. Den Herren eigenen Blutes aber gehorcht ein jeder lieber, auch wenn es jemand ist, der größere Furcht erweckt. So müssen wir denn entweder das Errungene wieder aus der Hand geben oder was noch nicht unser ist erringen! Wie ein Arzt im Körper des Kranken nichts zurücklassen darf, ihr Soldaten, was ihm noch schaden könnte, so laßt auch uns das Messer ansetzen, um abzuschneiden, was unserer Herrschaft widerstrebt. H a t doch schon oft ein kleiner Funke, den man mißachtet, ein großes Feuer verursacht! Es rächt sich immer, den Feind auch nur im geringsten zu unterschätzen: denn wen du verachtest, den machst du durch deine Gleichgültigkeit nur stärker. H a t doch nicht einmal Darius den persischen Thron als berechtigter Erbe eingenommen: erst das Wohlwollen des Eunuchen Bagoas setzte ihn auf den Stuhl des Kyrus; einen leeren Thron einzunehmen wird also einen Bessus keine große Mühe kosten - das dürfte ihr mir glauben! „Schwer aber hätten wir uns vergangen, Soldaten, hätten wir Darius nur dazu besiegt, um seinem Sklaven die Herrschaft auszuhändigen — dem, der das letzte aller Verbrechen gewagt: seinen König nämlich, der fremder Hilfe dringend bedurfte und den wir als Sieger unbedingt geschont hätten, wie einen Gefangenen in Ketten zu legen und zuletzt zu ermorden,' nur damit wir ihn nicht am Leben erhielten. Und ihr wollt es dulden, daß dieser Mensch König wird? Ich für mein Teil brenne darauf, ihn ans Kreuz geheftet zu sehen, auf daß er so allen Königen und Völkern und der heiligen Treue, die er verletzt hat, den verdienten Lohn zahle! „Wenn dann aber, beim Herkules, euch alsbald die Nachricht ereilt, eben dieser Mensch verwüste die Städte der

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erit vobis, quo dolore adficiemini Bessum praemia vestrae occupavisse victoriae? T u n e ad repetendas res festinabitis, tunc arma capietis. Q u a n t o autem praestat territum adhuc et vix mentis suae compotem opprimere! i e Q u a d r i d u i nobis iter superest, qui tot proculcavimus nives, tot amnes superavimus, tot montium iuga transcucurrimus. N o n mare illud, quod exaestuans iter fluctibus occupât, euntes nos moratur, non Ciliciae fauces et angustiae includunt: plana omnia et p r o n a sunt. In ipso limine victoriae stamus. 1 Pauci nobis fugitivi et domini sui interfectores supersunt. Egregium, mehercule, opus et inter prima gloriae vestrae numerandum posteritati famaeque tradetis, Dareum quoque hostem finito post mortem illius odio [parricidas] esse vos ultos, neminem impium effugisse vestras manus. 1 8 H o c perpetrato quanto creditis Persas obsequentiores fore, cum intellexerint vos pia bella suscipere et Bessi sceleri, non nomini suo irasci? »

I V . ' S u m m a militum alacritate iubentium, quocumque vellet, duceret, oratio excepta est. 2 N e c rex moratus impetum tertioque per Parthienen die ad fines Hyrcaniae pénétrât C r a tero relieto cum iis copiis, quibus praeerat, et ea manu, quam Amyntas ducebat, additis D C equitibus et totidem sagittariis, ut ab incursione barbarorum Parthienen tueretur. 3 Erigyium impedimenta modico praesidio dato campestri itinere ducere iubet. Ipse cum phalange et equitatu C L stadia emensus castra in valle, qua H y r c a niam adeunt, communit. Nemus praealtis den-

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Griechen oder den Hellespont: wie sehr wird es euch dann schmerzen, daß ein Bessus die Früchte eures Sieges gepflückt hat! Dann werdet ihr eilen, das Eure wiederzugewinnen, dann werdet ihr zu den Waffen greifen. „Wieviel besser aber ist es doch, ihn zu überwältigen, solange er noch zittert und der Besinnung kaum mächtig ist! Nur noch vier Tage brauchen wir, die wir so viel Schneeflächen durchwatet, so viel Ströme hinter uns gebracht, so viel Bergjoche spielend überwunden haben! Nicht jenes Meer, dessen Brandung den Weg überflutet, hält unsern Marsch auf, nicht Kilikiens Schluchten und Pässe schließen uns ein: eben liegt alles vor uns und abschüssig! Wir stehen an der Schwelle des Sieges! Nur noch wenige Flüchtlinge — die Mörder ihres Herrn! — sind am Leben. Beim Herkules, ihr werdet der Nachwelt den Ruhm einer herrlichen Tat hinterlassen — sie wird all euren Heldentaten die Krone aufsetzen: daß ihr auch den Landesfeind Darius nach seinem Tode nicht mehr gehaßt, vielmehr ihn gerächt habt und daß kein Verbrecher euren Händen zu entschlüpfen vermocht hat! Habt ihr das aber erst einmal vollendet — wie viel leichter werden sich dann die Perser euch fügen, wenn sie begriffen haben, daß ihr nur gerechte Kriege führt und euer Zorn dem Verbrecher Bessus gilt, nicht aber ihrem Volkstum!" Mit lodernder Begeisterung nahmen die Soldaten die Rede auf: er solle sie führen, wohin immer er wolle! Und der König ließ diesen Aufschwung der Herzen nicht ungenutzt: schon am dritten Tag drang er durch Parthiene bis zu den Grenzen Hyrkaniens vor. Kraterus blieb mit seinen Truppen zurück und mitsamt der Schar des Amyntas nebst 600 Reitern und ebenso viel Schützen, um Parthiene vor einem Einfall der Barbaren zu verteidigen. Erigyius hatte den Troß mit nur geringer Bedeckung durch die Ebene zu führen. Alexander selbst legte mitsamt der Phalanx und der Reiterei 150 Stadien zurück und schlug in einem Tal, das den Zugang zu Hyrkanien bildet, ein festes Lager auf.

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sisque arboribus umbrosum est pingue vallis solum rigantibus aquis, quae ex petris imminentibus manant. 4 Ex ipsis radicibus montium Ziobetis amnis effunditur, qui tria fere stadia in longitudinem universus fluit, deinde saxo, quod alveolum interpellât, repercussus duo itinera velut dispensatis aquis aperit. 5 Inde torrens et saxorum, per quae incurrit, asperitate violentior terram praeceps subit. Per C C C stadia conditus labitur rursusque velut ex alio fonte conceptus editur et novum alveum intendit priore sui parte spatiosior - e quippe in latitudinem X et trium stadiorum diffunditur - rursusque angustioribus coercitus ripis iter cogit. Tandem in alterum amnem cadit: Rhidagno nomen est. 7 Incolae adfirmabant, quaecumque demissa essent in cavernam, quae propior est fonti, rursus, ubi aliud os amnis aperitur, existere. Itaque Alexander duos equos, qua subeunt aquae terram, praecipitari iubet, quorum corpora, ubi rursus erumpit, expulsa videre, qui missi erant, ut exciperent. 8 Quartum iam diem eodem loco quietem militi dederat, cum litteras Nabarzanis, qui Dareum cum Besso interceperat, accepit, quarum sententia haec erat: se Dareo non fuisse inimicum, immo etiam, quae credidisset utilia esse, suasisse et, quia fidele consilium regi dedisset, prope occisum ab eo. ^Agitasse Dareum custodiam corporis sui contra ius fasque peregrino militi tradere damnata popularium fide, quam per ducentos et triginta annos inviolatam regibus suis praestitissent. 10 Se in praecipiti et lubrico stantem consilium a praesenti necessitate repetisse. Dareum quoque, cum occidisset Ba-

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Dort liegt ein schattiger Hain mit sehr hohen, dicht gewachsenen Bäumen; die fruchtbare Talsohle wässern Bäche, die von ragenden Felsen herabfließen. Unmittelbar am Fuß der Berge entspringt der Ziobetis, der etwa drei Stadien weit ungeteilt dahinfließt; dann prallt er an einen Felsen, der sein schmales Bett teilt, und schlägt nun mit gleichsam eingeteilten Wassern zwei Wege ein. Sodann wird er zum Gießbach und stürzt über schroffes Felsgelände mit vermehrter Heftigkeit jäh in den Boden hinein. 300 Stadien strömt er unsichtbar weiter, dann entspringt er sozusagen zum zweitenmal und sucht sich ein neues Bett — wasserreicher als zuvor, denn nun ist er 13 Stadien breit, wird dann jedoch wieder von engeren Ufern in ein schmaleres Bett gezwungen. Endlich ergießt er sich in einen anderen Fluß, den Rhidagnus. Einwohner versicherten, was man in das Loch hinabwerfe, das dem Quell näherliegt, komme wieder zum Vorschein, wo der Fluß sein Antlitz zum zweitenmal zeigt. Daher ließ Alexander zwei Pferde da hineinstürzen, wo die Wasser im Erdboden verschwinden, und tatsächlich sahen Männer, die er ausgeschickt hatte, sie wieder aufzufangen, ihre Körper da herausgespült werden, wo der Fluß wieder ans Tageslicht kommt. Schon vier Tage lang hatte er an der gleichen Stelle den Soldaten Rast gegönnt, da erhielt er einen Brief von N a barzanes, der zusammen mit Bessus sich des Darius bemächtigt hatte; sein Inhalt war folgender: Er sei kein persönlicher Feind des Darius gewesen, vielmehr habe er ihm geraten, was er für nützlich erachtet, und sei vom König für seinen treuen Rat fast ermordet worden. Habe doch Darius vorgehabt, seine persönliche Sicherheit gegen Götter- und Menschensatzung landfremden Soldaten anzuvertrauen, und somit seinen Landsleuten die Treue abgestritten, die sie ihren Königen 230 Jahre hindurch ohne Wanken bewiesen hätten. Was ihn nun selbst betreffe, so habe ihm, der so nahe am Abgrund und auf schlüpfrigem Boden gestanden, der Augenblick seinen Entschluß aufgezwungen. H a b e doch auch Darius, als er damals Bagoas

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goan, hac excusatione satisfecisse popularibus, quod insidiantem interemisset. " N i h i l esse miseris mortalibus spiritu carius: amore eius ad ultima esse propulsum. Sed ea magis esse secutum quam optasse. 1 2 I n communi calamitate suam quemque habere fortunam. Si venire se iuberet, sine metu esse venturum. N o n timere, ne fidem datam tantus rex violaret: deos a deo falli non solere. 1 3 Ceterum si, cui fidem daret, videretur indignus, multa exilia patere fugienti: patriam esse, ubicumque vir fortis sedem sibi elegerit. 1 4 N e c dubitavit Alexander fidem, quo Persae modo accipiebant, dare, inviolatum, si venisset, fore.

Quadrato tamen agmine et composito ibat speculatores subinde praemittens, qui explorarent loca. 1 5 Levis armatura ducebat agmen, phalanx earn sequebatur, post pedites erant impedimenta. E t gens bellicosa et naturae situs difficilis aditu curam regis intenderat. 1 8 Namque perpetua vallis iacet usque ad mare Caspium patens. D u o terrae eius velut bracchia excurrunt: media flexu modico sinum faciunt lunae maxime similem, cum eminent cornua nondum totum orbem sidere impiente. 1 7 Cercetae et Mossyni et Chalybes a laeva sunt et ab altera parte Leucosyri et Amazonum campi; et illos, qua vergit ad septentrionem, hos ad occasum conversa prospectât. 1 8 Mare Caspium dulcius ceteris ingentis magnitudinis serpentes alit; piscium in eo longe diversi ab aliis colores. Quidam Caspium, quidam Hyrcanium appellant; alii

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in den T o d schickte, sich vor seinem Volk damit entschuldigt, daß er einen Mann umgebracht habe, der ihm hinterlistig nach dem Leben trachtete. Dem hinfälligen Menschen gehe nun einmal nichts über das Leben: der Selbsterhaltungsdrang habe ihn zum Äußersten getrieben. Doch habe er sich mehr bestimmen lassen als es selbst gewünscht. Wenn das Unglück über alle hereinbreche, so werde jeder seinen besonderen Weg geführt. Falls Alexander ihn zu sich befehle, werde er ohne Bangen kommen. Er fürchte nicht, daß ein solcher König sein gegebenes Wort brechen werde: Götter pflegten einander nicht zu betrügen! Wenn er ihn aber seines Vertrauens für unwürdig erachte, so ständen ihm ja auf der Flucht so mancherlei Orte in der Fremde offen: dem Tapferen wandle sich allerorten der Wohnsitz, den er gewählt, zum Vaterland. Ohne Zögern verbürgte ihm Alexander sein Vertrauen in der hergebrachten Form der Perser; es werde ihm nichts geschehen, wenn er komme. Trotzdem rückte er in Kampfaufstellung weiter, immer von neuem Spähtrupps voraussendend, die die Landschaft erkunden sollten. Die Leichtbewaffneten zogen voran, ihnen folgte die Phalanx, und hinter dem Fußvolk marschierte der Troß: hielten doch ein kriegslustiges Volk und eine schwer zugängliche Landschaft den König in Sorge und Spannung; denn das T a l erstreckt sich ununterbrochen bis hin zum Kaspischen Meere. Es breiten sich gleichsam zwei Arme dieses Landes aus: in der Mitte bilden sie durch eine mäßige Krümmung einen mondförmigen "Bogen - wenn er nämlich als Sichel erscheint und noch nicht als Scheibe sichtbar wird. Zur Linken hat man die Kerketer, die Mosyner und die Chalyber, auf der anderen Seite die Leukosyrer und die Felder der Amazonen, und zwar schaut ihr Land auf jene mit dem Blick nach Norden, auf diese nach Westen. Das Kaspische Meer, süßer als andere, nährt Schlangen von ungeheurer Größe; die Farben seiner Fische weichen von den sonst üblichen erheblich ab. Manche nennen es das Kaspische, manche das Hyrka-

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sunt, qui Maeotiam paludem in id cadere putent et argumentum adferant aquam, quod dulcior sit quam cetera maria, infuso paludis humore mitescere. 1 9 A septentrione ingens in litus mare incumbit longeque agit fluctus et magna parte exaestuans stagnat. Idem alio caeli statu recipit in se fretum eodemque ímpetu, quo effusum est, relabens terram naturae suae reddit. Et quidam credidere non clausum mare esse, sed ex India in Hyrcaniam cadere, cuius íastigium, ut supra dictum est, perpetua valle submittitur. Hinc rex X X stadia processit semita propemodum invia, cui silva imminebat, torrentesque et eluvies iter morabantur. Nullo tarnen hoste obvio pénétrât, tandemque ad cultiora perventum est. 2 1 Praeter alios commeatus, quorum tum copia regio abundabat, pomorum quoque ingens modus nascitur, et uberrimum gignendis uvis solum est. 22 Frequens arbor faciem quercus habet, cuius folia multo melle tinguntur, sed, nisi solis ortum incolae occupaverint, vel modico tepore sucus extinguitur. 20

X X X hinc stadia processerai, cum Phrataphernes ei occurrit seque et eos, qui post Darei mortem profugerant, dedens; quibus benigne exceptis ad oppidum Arvas pervenit. Hie ei Craterus et Erigyius occurrunt. 24 Praefectum Tapurorum gentis Phradatem adduxerant; hie quoque in fidem receptus multis exemplo fuit experiendi clementiam regis. 25 Satrapen deinde Hyrcaniae dedit Manapin: exul hie regnante Ocho ad Philippum pervenerat. Tapurorum quoque gentem Phradati reddidit. 23

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nische Meer; andere wieder meinen, der Mäotische Sumpf senke sich dahin ab, und als Beweis führen sie das Wasser an, das süßer sei als das der übrigen Meere: das komme von dem Sumpfgewässer, das hineinfließe. Von Norden her bedrängt ein ungeheures Meer das Gestade, treibt seine Fluten weit hinein, und große Teile überschwemmend bildet es Sümpfe. Bei anderer Witterung zieht sich das Wasser wieder ins Meer zurück, und mit dem gleichen Ungestüm zurückflutend, mit dem es sich vorher ergossen hat, gibt es den Boden seiner natürlichen Beschaffenheit wieder zurück. Man nahm auch an, es sei kein Binnenmeer, sondern ergieße sich von Indien her nach Hyrkanien, dessen Niveau, wie schon gesagt, in einer fortlaufenden Senke verläuft. Von hier aus rückte der König 20 Stadien vor und zwar auf einem fast unbegehbaren Pfade, über dem sich Wald erhob; zugleich hemmten Gießbäche und ausgespülte Schluchten den Schritt. Trotzdem trat ihm kein Feind entgegen, so daß er weiter vordrang und schließlich in kultivierteres Land gelangte. Außer Nahrungsmitteln anderer Art, die die Landschaft damals in Hülle und Fülle lieferte, gedeihen dort auch ungeheuer viel Äpfel und bringt der Boden Wein im Überfluß hervor. Ein dort häufiger Baum hat das Aussehen der Eiche; seine Blätter schwitzen reichlich Honig aus, aber wenn die Einwohner nicht dem Sonnenaufgang zuvorkommen, trocknet der Saft auch schon bei mäßiger Wärme ein. 30 Stadien war man von hier aus vorgerückt, da zog ihm Phrataphernes entgegen, um sich mitsamt den Leuten, die nach Darius' Tod geflüchtet waren, zu ergeben; sie wurden in Gnaden aufgenommen und dann kam man nach Arvä. Hier stießen Kraterus und Erigyius zu ihm; sie brachten den Statthalter der Tapuren, Phradates, mit sich. Auch er wurde gütig aufgenommen und war somit für viele ein Vorbild, sich der Gnade des Königs anzuvertrauen. Die Satrapie Hyrkanien übergab Alexander Manapis; dieser war, unter Ochus verbannt, zu Philippus gestoßen. Auch übergab er das Volk der Tapurer Phradates.

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V . 1 Iamque ultima Hyrcaniae intraverat, cum Artabazus, quem Dareo fidissimum fuisse supra diximus, cum propinquis Darei ac suis liberis modicaque Graecorum militum manu occurrit. 2 D e x t r a m venienti obtulit rex: quippe et hospes Philippi fuerat, cum Ocho regnante exularet, et hospitii pignora in regem suum ad ultimum fides conservata vincebat. 3 Comiter igitur exceptus « T u quidem, » inquit « rex, deos quaeso, perpetua felicitate floreas; ego ceteris laetus hoc uno torqueor, quod praecipiti senectute diu fruì tua bonitate non possum. » N o n a gesimum et quintum annum agebat. 4 N o v e m iuvenes omnes eadem matre geniti patrem comitabantur; hos Artabazus dexterae regis admovit precatus, ut tam diu viverent, donee utiles Alexandro essent. 5 R e x pedibus iter plerumque faciebat; tunc admoveri sibi et Artabazo equos iussit, ne ipso ingrediente pedibus senex equo vehi erubesceret.

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e U t deinde castra sunt posita, Graecos, quos Artabazus adduxerat, convocari iubet; at illi, nisi fides Lacedaemoniis quoque et Sinopensibus daretur, respondent se, quid agendum ipsis foret, deliberaturos. 7 Legati erant Lacedaemoniorum missi ad Dareum; quo victo adplicuerant se Graecis mercede apud Persas militantibus. 8 R e x omissis sponsionum fideique pignoribus venire eos iussit, fortunam, quam ipse dedisset, habituros. Diu cunctantes plerisque Consilia variantibus tandem venturos se pollicentur. 9 A t Democrates Atheniensis, qui maxime Macedonum opibus semper obstiterat, desperata venia gladio se transfigit. Ceteri, sicut

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Schon hatte er das Ende Hyrkaniens erreicht, da kam Artabazus, als treuester Anhänger des Darius schon erwähnt, mit Verwandten des Darius, seinen eigenen Kindern und einer kleinen Schar griechischer Soldaten ihm entgegengezogen. Der König streckte ihm, wie er daherkam, alsbald die Rechte entgegen: war er doch Philipps Gast gewesen, als er unter Ochus' Regierung in der Fremde hatte leben müssen, und die Treue, die er bis zuletzt seinem König bewiesen, machte ihm Alexander noch mehr geneigt als die einstigen Bande der Gastfreundschaft. Voll Freundlichkeit empfangen sprach er: „Du, mein König, so lautet mein Gebet, mögest in beständigem Glücke blühen. Sonst froh, bedrückt mich nur das eine, daß ich, dem Grabe nahe, mich deiner Güte nicht mehr lange zu erfreuen vermag." Er war 95 Jahre alt. Neun junge Männer, alle Söhne derselben Mutter, begleiteten ihren Vater. Artabazus hieß sie dem König die Rechte reichen und sprach den Wunsch dabei aus, sie möchten so lange leben, wie sie Alexander nützlich sein könnten. Zumeist marschierte der König zu Fuß; jetzt ließ er für sich und Artabazus Pferde bringen, damit der Greis sich nicht scheue zu reiten, während er selbst zu Fuß ging. Sobald man dann ein Lager aufgeschlagen hatte, ließ er die Griechen zusammenrufen, die Artabazus mitgebracht hatte. Die aber gaben zur Antwort: wenn man nicht auch den Spartanern und Sinopern Treue zusichere, würden sie sich erst noch überlegen, was sie selbst zu unternehmen hätten. Es waren Gesandte aus Sparta, die man an Darius geschickt hatte; nach seiner Niederlage hatten sie sich den griechischen Söldnern drüben angeschlossen. Der König ließ sich auf keinerlei Zusagen und Verpflichtungen ein, sondern befahl ihnen zu erscheinen: ihr Schicksal werde er bestimmen. Nach langem Zögern und mancherlei schwankenden Entschlüssen versprachen sie endlich zu kommen. Der Athener Demokrates aber, der der Macht der Makedonen stets am meisten Widerstand geleistet hatte, glaubte nicht an Vergebung und stürzte sich in

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constituerant, dicioni Alexandri ipsos se permittunt. 10 M et D milites erant, praeter hos legati ad Dareum missi X C . In supplementum distributus miles, ceteri remissi domum praeter LacedaemonioSj quos tradi in custodiam iussit. "Mardorum erat gens confinis Hyrcaniae, cultu vitae aspera et latrociniis adsueta; haec sola nec legatos miserat nec videbatur imperata factura. Itaque rex indignatus, si una gens posset efficere, ne invictus esset, impedimentis cum praesidio relictis valida manu comitante procedit. 12 Noctu iter fecerat, et prima luce hostis in conspectu erat. Tumultus magis quam proelium fuit. Deturbati ex collibus, quos occupaverant, barbari profugerunt, proximique vici ab incolis deserti capiuntur. "Interiora regionis eius haud sane adiri sine magna vexatione exercitus poterant: iuga montium praealtae silvae rupesque inviae saepiunt; ea, quae plana sunt, novo munimenti genere impedierant barbari. 14 Arbores densae sunt de industria consitae, quarum teneros adhuc ramos manu flectunt, quos intortos rursus inserunt terrae; inde velut ex alia radice laetiores virent trunci. 15 Hos, qua natura fert, adolescere non sinunt, quippe alium alii quasi nexu conserunt; qui ubi multa fronde vestiti sunt, operiunt terram. Itaque occulti ramorum velut laquei perpetua saepe iter cludunt. i e Una ratio erat caedendo aperire saltum, sed hoc quoque magni operis. Crebri namque nodi duraverant stipites, et in se implicati arborum

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sein Schwert. Die übrigen unterstellten sich, wie sie beschlossen hatten, bedingungslos Alexander. Er waren 1500 Mann, dazu die zu Darius geschickten neunzig Gesandten. Die Soldaten wurden als Ergänzungsmannschaften aufgeteilt, die übrigen sandte man heim außer den Spartanern, die Alexander in H a f t nehmen ließ. Der Stamm der Marder grenzt an Hyrkanien; als ein rauh dahinlebendes Raubvolk hatten sie allein weder Gesandte geschickt noch schienen sie sich den Befehlen beugen zu wollen. Empört darüber, daß auch nur ein ein ziges Volk ihm seine Unbesiegbarkeit streitig machen wolle, ließ der König den Troß unter Bedeckung zurück und rückte, von einer starken Schar begleitet, gegen sie vor. Die Nacht über war man marschiert, in der Frühe sah man den Feind. Es war mehr ein wildes Durcheinander als ein wirkliches Gefecht. Von ihren Höhenstellungen vertrieben, flohen die Barbaren, und man besetzte sogleich die nächsten, von ihren Bewohnern verlassenen Dörfer. Ins Innere der Landschaft vermochten sie freilich ohne große Plage für das Heer nicht einzudringen: sehr hohe Wälder und unwegsame Felsen schließen die Bergjoche ein, und die ebenen Partien hatten die Barbaren durch eine neuartige Befestigung unzugänglich gemacht. Es sind dort absichtlich Bäume dicht aneinandergepflanzt worden; deren noch zarte Zweige biegt man mit der Hand um und pflanzt sie dann wiederum in den Boden; von hier aus ergrünen sie, wie aus neuer Wurzel, um so fröhlicher wieder als Stämme empor. Diese Stämme lassen sie dann nicht wieder in ihrer natürlichen Richtung weiterwachsen, sondern machen daraus sozusagen ein dichtes Gewebe; sobald sie erst wieder mit reichlichem Laube bekleidet sind, bedecken sie den Boden. So versperren die dem Auge verborgenen Verschlingungen der Zweige wie Stricke in fortlaufender Verzäunung oft den Weg. Es blieb nur die eine Möglichkeit, durch Dreinhauen sich einen Durchgang zu bahnen, aber auch das bedeutete viel Arbeit; denn die häufigen Verknotungen hatten die Stämme hart gemacht, und die in-

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rami suspensis circulis similes lento vimine frustrabantur ictus. "Incolae autem ritu ferarum virgulta subire soliti tum quoque intraverant saltum occultisque telis hostem lacèssebant. Ille venantium modo latibula scrutatus plerosque confodit; ad ultimum circumire saltum milites iubet, ut, si qua pateret, inrumperent. 18Sed ignotis locis plerique oberrabant, exceptique sunt quidam, inter quos equus regis - Bucephalam vocabant - quem Alexander non eodem quo ceteras pecudes animo aestimabat. Namque ille nec in dorso insidere suo patiebatur alium et regem, cum vellet escendere, sponte genua submittens excipiebat credebaturque sentire, quem veheret. 19 Maiore ergo, quam decebat, ira simul ac dolore stimulatus equum vestigari iubet et per Interpretern pronuntiari, ni reddidissent, neminem esse victurum. Hac denuntiatione territi cum ceteris donis equum adducunt. 20 Sed ne sic quidem mitigatus caedi silvas iubet adgestaque humo e montibus planitiem ramis impeditam exaggerari. 21 Iam in aliquantum altitudinis opus creverat, cum barbari desperato regionem, quam occupaverant, posse retineri gentem suam dedidere. Rex obsidibus acceptis Phradati parere eos iussit.

22 Inde quinto die in stativa revertitur. Artabazum deinde geminato honore, quem Dareus habuerat ei, remittit domum. Iam ad urbem Hyrcaniae, in qua regia Darei fuit, ventum erat; ibi Nabarzanes accepta fide occurrit dona

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einander verwickelten Baumzweige machten, hangenden Reifen gleich, durch das zähe, biegsame Astwerk die Hiebe wirkungslos. Die Einwohner aber, wie die wilden Tiere gewohnt unter das Gesträuch zu kriechen, waren auch jetzt in den Bergwald geschlüpft und reizten nun mit Würfen aus dem Versteck den Feind. Dieser mußte sie wie Jäger in ihren Schlupfwinkeln aufspüren und erlegte auch eine große Anzahl. Zuletzt aber ließ der König die Soldaten den Wald umgehen, um durch eine etwa vorhandene Öffnung einzubrechen. Doch mit dem Gelände nicht vertraut, gingen sehr viele in die Irre und einige wurden sogar abgefangen, darunter auch das Pferd des Königs, Bukephalas genannt, das Alexander mit noch mehr Zuneigung liebte als andere Tiere: ließ es doch keinen anderen aufsitzen, und wenn der König aufsteigen wollte, bog es von selbst die Knie und nahm ihn auf seinen Rücken, und so glaubte man, es wisse, wer es reite. Von maßlosem Zorn und Schmerz erfüllt, ließ der König nach dem Tier suchen und durch einen Dolmetscher verkünden, wenn sie es nicht herausgäben, würde keiner mit dem Leben davonkommen. Durch diese Drohung eingeschüchtert, führten sie das Pferd mitsamt anderen Geschenken herbei. Aber auch dadurch ließ sich der König noch nicht versöhnen: er befahl die Waldungen niederzuhauen, ließ Erde von den Bergen heranschaffen und so die durch das Gezweig unwegsam gemachte Fläche einebnen. Schon war das Werk bis zu einiger Höhe aufgeführt, da ergaben sich die Barbaren, denn sie vermochten nun nicht mehr zu glauben, daß sie die von ihnen besetzte Landschaft halten könnten. Der König nahm Geiseln in Empfang und befahl ihnen, dem Phradates Gehorsam zu leisten. Von dort kehrte er am fünften Tage in das Standlager zurück und sandte sodann Artabazus mit doppelt so hohen Ehrungen heim, wie sie Darius ihm erwiesen hatte. Schon war er zu der Stadt Hyrkaniens gelangt, in der die Königsburg des Darius lag, da kam ihm dort Nabarzanes entgegen, dem man freies Geleit zugesichert hatte, und brach-

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ingentia ferens. Inter quae Bagoas erat, specie singulari spado atque in ipso flore pueritiae, cui et Dareus adsuetus fuerat et mox Alexander adsuevit; eiusque maxime precibus motus N a barzani ignovit. 24

Erat, ut supra dictum est, Hyrcaniae finitima gens Amazonum, circa Thermodonta amnem Themiscyrae incolentium campos. 25 Reginam habebant Thalestrin, omnibus inter Caucasum montem et Phasin amnem imperitantem. Haec cupidine visendi regis accensa finibus regni sui excessit et, cum haud procul abesset, praemisit indicantes venisse reginam adeundi eius cognoscendique avidam. 28 Protinus facta potestate veniendi, ceteris iussis subsistere, trecentis feminarum comitata processit atque, ut primum rex in conspectu fuit, equo ipsa desiluit duas lanceas dextera praeferens. 2T Vestis non toto Amazonum corpori obducitur: nam laeva pars ad pectus est nuda, cetera deinde velantur. Nec tamen sinus vestis, quem nodo colligunt, infra genua descendit. 28 Altera papilla intacta servatur, qua muliebris sexus liberos alant; aduritur dextera, ut arcus facilius intendant et tela vibrent. 2 9 Interrito vultu regem Thalestris intuebatur habitum eius haudquaquam rerum famae parem oculis perlustrans: quippe omnibus barbaris in corporum maiestate veneratio est, magnorumque operum non alios capaces putant quam quos eximia specie donare natura dignata est. 30 Ceterum interrogata, num aliquid petere vellet, haud dubitavit fateri ad communicandos cum rege liberos se venisse, dignam, ex qua ipse

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te eine Unmenge Geschenke mit sich. Darunter war auch Bagoas, ein ausnehmend schöner Eunuch, gerade in der Blüte seiner Jugend; Darius hatte mit ihm vertrauten Umgang gepflegt, und alsbald tat auch Alexander das gleiche; vor allem auf seine Bitten hin fand Nabarzanes beim Könige Gnade. Wie schon erwähnt, grenzt an Hyrkanien das Volk der Amazonen, die rings um den Fluß Thermodon die Ebenen von Themiskyra bewohnen. Zur Königin hatten sie Thalestris, die zwischen dem Kaukasus und dem Fluß Phasis uneingeschränkt herrschte. Voll brennenden Verlangens, den König aufzusuchen, verließ sie die Grenzen ihres Reiches und schickte, als sie nicht mehr weit von ihm war, Leute mit der Nachricht voraus, sie, die Königin, sei gekommen mit dem Wunsch, ihn zu besuchen und kennenzulernen. Alsbald erhielt sie die Erlaubnis zu kommen; sie ließ die übrigen haltmachen und nahte sich mit einem Gefolge von 300 Frauen. Sobald sie dann des Königs ansichtig wurde, sprang sie vom Pferde, zwei Lanzen in der Rechten haltend. Bei den Amazonen bedeckt das Gewand den Körper nicht völlig: der linke Teil ist bis zur Burst nackt, der übrige Körper von da an abwärts bedeckt, doch reicht der Faltenwurf des Kleides, durch einen Knoten zusammengefaßt, nicht bis über die Knie. Die eine Brust wird unversehrt erhalten, um die Kinder weiblichen Geschlechts zu nähren; die rechte dagegen wird ausgebrannt, um leichter den Bogen spannen und Speere schwingen zu können. Unerschrockenen Blicks betrachtete Thalestris den König und musterte genau seine Gestalt, die keineswegs dem Ruf seiner Taten entsprach, denn alle Barbaren verehren einen majestätischen Körperbau und halten nur den für großer Taten fähig, den die Natur der Gabe einer außerordentlichen Erscheinung gewürdigt hat. Auf die Frage, ob sie eine Bitte aussprechen wolle, bekannte sie ohne Zögern, sie sei gekommen, um mit dem Könige Kinder zu zeugen; sei sie doch würdig, daß er von ihr seines Reiches Erben emp-

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regni generaret heredes; feminini sexus se retenturam, marem reddituram patri. 3 1 Alexander, an cum ipso militare vellet, interrogat; et illa causata sine custode regnum reliquisse petere perseverabat, ne se inritam spei abire pateretur. 3 2 Acrior ad venerem feminae cupido quam regis, [ac] ut paucos dies subsisteret, perpulit. X I I I dies in obsequium desiderii eius absumpti sunt. T u m illa regnum suum, rex Parthienen petiverunt. V I . ' H i e vero palam cupiditates suas solvit continentiamque et moderationem, in altissima quaque fortuna eminentia bona, in superbiam ac lasciviam vertit. 2 Patrios mores disciplinamque Macedonum regum salubriter temperatam et civilem habitum velut leviora magnitudine sua ducens Persicae regiae par deorum potentiae fastigium aemulabatur. 3 Iacere humi venerabundos ipsum paulatimque servilibus ministeriis tot victores gentium imbuere et captivis pares facere expetebat. 4 Itaque purpureum diadema distinctum albo, quale Dareus habuerat, capiti circumdedit vestemque Persicam sumpsit, ne omen quidem veritus, quod a victoris insignibus in devicti transiret habitum. 5 Et ille se quidem spolia Persarum gestare dicebat, sed cum illis quoque mores induerat, superbiamque habitus animi insolentia sequebatur. e Litteras quoque, quas in Europam mitteret, veteris anuli gemma obsignabat, iis, quas in Asiam scriberet, Darei anulus imprimebatur, ut apparerei unum animum duorum non capere fortunam. ^ m i cos vero et équités — hi namque principes mili-

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fange! Ein Kind weiblichen Geschlechts würde sie behalten, ein männliches Kind jedoch dem Vater übergeben. Alexander fragte sie, ob sie nicht mit ihm selbst zu Felde ziehen wolle; sie aber schützte vor, sie habe ihr Königreich ohne Obhut gelassen, und bestand auf ihrer Bitte; er solle sie doch nicht in ihrer Hoffnung getäuscht wieder gehen lassen! Ihr Liebesverlangen, heftiger als das des Königs, veranlaßte ihn, einige Tage zu verweilen. Dreizehn Tage gingen mit der Erfüllung ihres Verlangens drauf. Dann zog sie wieder in ihr Reich und der König nach Parthiene. Hier nun ließ er ganz offen seinen Leidenschaften freien Lauf und wurde aus einem beherrschten, mäßigen Mann, als welcher er sich auch im höchsten Glück hervorgetan, zu einem stolzen 'Wollüstling. Die heimischen Sitten und die so vorteilhaft gebändigte Gewalt der makedonischen Könige sowie ihre bürgerliche Tracht sah er als zu gering für seine Größe an; dagegen trachtete er nun voll Eifer nach der Hoheit persischer Königsmacht, die der der Götter gleich ist: daß man sich vor ihm zu Boden warf, um ihn zu verehren; daß er die Sieger über so viele Völker allmählich zu sklavischen Bedienten herabwürdigte und sie den Gefangenen gleichstellte, das war sein Verlangen. Darum umwand er auch sein Haupt mit der glänzenden blauen, weiß durchwirkten Stirnbinde, wie sie Darius getragen hatte, und legte persische Kleidung an — ohne es als Omen zu fürchten, daß er damit von der Tracht des Siegers zu der des Besiegten übergehe. Und er rühmte sich gar, daß er die den Persern abgenommene Zier trage: aber mit dieser hatte er auch deren Sitten angenommen, und der stolzen Kleidung folgte nun auch die innere Überheblichkeit. Auch siegelte er wohl noch die Briefe, die er nach Europa schickte, mit seinem alten Siegelring, auf die jedoch, die er nach Asien ausgehen ließ, drückte er den Ring des Darius — so daß offenbar wurde, daß ein Herz nicht zweier Menschen Macht und Herrlichkeit bewältigen kann. Auch seinen Freunden und den „Rittern", d.h. den Ersten unter seinen

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tum - aspernantes quidem, sed recusare non ausos Persicis oneraverat vestibus. 8 Paelices C C C et L X , totidem quot Darei fuerant, regiam implebant; quas spadonum greges, et ipsi muliebria pati adsueti, sequebantur. 8 Haec luxu et peregrinis infecta moribus veteres Philippi milites, rudis natio ad voluptates, palam aversabantur, totisque castris unus omnium sensus ac sermo erat plus amissum victoria quam bello esse quaesitum: 10 tum cum maxime vinci ipsos dedique alienis moribus et externis. Quo tandem ore domos quasi in captivo habitu reversuros? Pudere iam sui regem: victis quam victoribus similiorem ex Macedoniae imperatore Darei Satrapen factum. " U l e non ignarus et principes amicorum et exercitum graviter offendi gratiam liberalitate donisque reparare temptabat; sed, opinor, liberis pretium servitutis ingratum est. 12 Igitur, ne in seditionem res verteretur, otium interpellandum erat bello, cuius materia opportune alebatur. 13 Namque Bessus veste regia sumpta Artaxerxen appellari se iusserat Scythasque et ceteros Tanais accolas contrahebat. Haec Satibarzanes nuntiabat, quem receptum in fidem regioni, quam antea obtinuerat, praefecit. u E t cum grave spoliis apparatuque luxuriae agmen vix moveretur, suas primum, deinde totius exercitus sarcinas exceptis admodum necessariis conferri iussit in medium. 15 Planities spatiosa erat, in quam véhicula onusta

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Soldaten, hatte er persische Tracht aufgedrängt, die sie zwar innerlich ablehnten, doch nicht zu verweigern wagten. 360 Kebsweiber, genau so viele wie Darius gehabt hatte, füllten den Königspalast; ihnen folgten die Scharen der Eunuchen, die daran gewöhnt waren, sich ebenfalls wie Weiber gebrauchen zu lassen. Diese Einrichtungen, die vom Hang zu Luxus und fremdländischen Sitten durchdrungen waren, lehnten die alten Krieger des Philippus öffentlich ab — als ein Menschenschlag, der gegen die Freuden der Wollust unempfindlich ist. Und es herrschte im ganzen Lager nur eine Gesinnung und eine Rede: der Sieg habe mehr gekostet als man im Kriege errungen; dies sei jetzt die eigentliche Niederlage, wenn man fremden, ausländischen Sitten ausgeliefert werde! Wie sollten sie einmal daheim den Ihren in der Tracht Gefangener ins Auge schauen? Ihr König schäme sich ihrer bereits: einem Besiegten ähnlicher als einem Sieger, habe er sich aus einem Beherrscher Makedoniens in einen Satrapen des Darius verwandelt! Alexander wußte zwar sehr wohl, er beleidige die Ersten unter seinen Freunden und sein Heer schwer; darum versuchte er sich durch großzügige Geschenke wieder beliebt zu machen. Aber, so meine ich, freien Männern ist ein Knechtssold nicht willkommen. Damit es nun nicht zu einem Aufstand komme, mußte die Ruhe von einem Krieg unterbrochen werden, und ein Anlaß dafür kam gelegen: Bessus nämlich hatte Königstracht angelegt, ließ sich Artaxerxes nennen und bot die Skythen und die anderen Anwohner des Tanais auf. Dies meldete Satibarzanes, den Alexander in Gnaden aufgenommen hatte und nun als Statthalter über die gleiche Landschaft setzte, die er vorher verwaltet hatte. Und da nun das beuteschwere, mit dem Gerät üppigen Prunks beladene Heer sich kaum von der Stelle zu bewegen vermochte, ließ der König zuerst sein und dann des ganzen Heeres Gepäck in die Mitte schaffen, ausgenommen nur das Notwendige. Es war eine geräumige Ebene, auf der die beladenen Wa-

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perduxerant. Expectantibus cunctis, quid deinde esset imperaturus, iumenta iussit abduci suisque primum sarcinis face subdita ceteras incendi praecepit. 1 8 Flagrabant exurentibus dominis, quae ut intacta ex urbibus hostium raperent, saepe flammas restinxerant, nullo sanguinis pretium audente defiere, cum regias opes idem ignis exureret. 17 Brevi deinde ratio mitigavit dolorem, habilesque militiae et ad omnia parati laetabantur sarcinarum potius quam disciplinae fecisse iacturam. 1 8 Igitur Bactrianam regionem petebant. Sed Nicanor, Parmenionis filius, subita morte correptus magno desiderio sui adfecerat cunctos. 19 Rex ante omnes maestus cupiebat quidem subsistere funeri adfuturus, sed penuria commeatuum festinare cogebat: itaque Philotas cum duobus milibus et D C relictus, ut iusta fratri persolveret; ipse contendit ad Bessum.

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Iter facienti ei litterae adferuntur a finitimis satraparum, e quibus cognoscit Bessum quidem hostili animo occurrere cum exercitu, ceterum Satibarzanen, quem satrapeae Ariorum ipse praefecisset, defecisse ab eo. 2 1 Itaque quamquam Besso imminebat, tamen Satibarzanen opprimendum praeverti optimum ratus levem armaturam et equestres copias educit totaque nocte itinere strenue facto improvisus hosti supervenit. 22 Cuius cognito adventu Satibarzanes cum duobus milibus equitum - nec plures subito contraili poterant — Bactra perfugit; ceteri proximos montes occupaverunt. 2 3 Praerupta rupes est, qua spectat occidentem; eadem, qua vergit ad orientem, leniore summissa fastigio multis arboribus obsita perennem habet fontem,

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gen aufgefahren waren. Alle warteten voll Spannung, was Alexander nun anordnen werde. Da ließ er die Zugtiere fortführen, dann zuerst sein Gepäck mit Fackeln in Brand stecken und danach das der übrigen. Da verbrannte denn, von den eigenen Besitzern angezündet, was sie so oft vor den Flammen bewahrt hatten, um es unversehrt aus den Städten der Feinde zu rauben, und keiner wagte um das, was sie ihr Blut gekostet hatte, zu weinen, da doch das gleiche Feuer auch die Schätze ihres Königs verzehrte. In kurzer Zeit schon trug dann die Vernunft den Sieg über ihren Kummer davon, und wieder freibeweglich zum Kriegsdienst und zu allem bereit, freuten sie sich, lieber das Gepäck als die Kriegszucht eingebüßt zu haben. Und so ging es nun nach Baktrien. Doch Nikanor, ein Sohn Parmenions, versetzte alle in großen Schmerz um seinen Verlust, da er plötzlich den Tod erlitt. Am tiefsten von allen bekümmert, wünschte der König haltzumachen, um seinem Begräbnis beizuwohnen, aber der Mangel an Lebensmitteln zwang ihn zur Eile; so blieb Philotas mit 2600 Mann zurück, dem Bruder die letzte Ehre zu erweisen, er selbst aber eilte Bessus nach. Unterwegs erhielt er schriftliche Nachricht von den Satrapen der Nachbarschaft, Bessus ziehe in feindlicher Absicht ihm mit seinem Heere entgegen, und weiterhin sei Satibarzanes, dem der König die Satrapie über die Arier übergeben hatte, von ihm abgefallen. Obwohl er ja nun eigentlich Bessus nachsetzte, hielt er es doch für das Beste, zuerst Satibarzanes unschädlich zu machen; daher zog er mit den Leichtbewaffneten und den Reitern aus, marschierte die ganze Nacht hindurch ohne zu säumen und tauchte plötzlich vor dem nichtsahnenden Feinde auf. Als Satibarzanes sein Nahen gewahr wurde, floh er mit 2000 Reitern — mehr konnte er so plötzlich nicht an sich raffen — nach Baktra; die übrigen setzten sich auf den nahen Bergen fest. Es war hier ein Fels, nach Westen zu abfallend; nach Osten zu, wohin er sich mit sanfterer Abdachung neigt, ist er stark bewaldet und besitzt eine ständig rinnende Quelle,

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ex quo large aquae manant. Circuitus eius X X X et duo stadia comprendit. 2 4 In vertice herbidus campus: in hoc multitudinem imbellem considere iubent; ipsi, qua rupes deerat, arborum truncos et saxa obmoliuntur. X I I I milia armata erant. 2 5 In quorum obsidione Cratero relicto ipse Satibarzanen sequi festinat. Et quia Iongius abesse eum cognoverat, ad expugnandos eos, qui edita montium occupaverant, redit. 28 Ac primo repurgari iubet, quicquid ingredi possent; deinde, ut occurrebant inviae cotes praeruptaeque rupes, inritus labor videbatur obstante natura. 27 Ille, ut erat animi semper obluctantis difficultatibus, cum et progredì arduum et revertí periculosum esset, versabat se ad omnes cogitationes aliud atque aliud - ita ut fieri solet, ubi prima quaeque damnamus subiciente animo. Haesitanti, quod ratio non potuit, fortuna consilium subministravit. 28 Vehemens favonius erat, et multam materiam ceciderat miles aditum per saxa molitus. Haec vapore torrido iam inaruerat; 29 ergo adgeri alias arbores iubet et igni dari alimenta, celeriterque stipitibus cumulatis fastigium montis aequatum est. 3 0 Tunc undique ignis iniectus cuncta comprendit. Flammam in ora hostium ventus ferebat, fumus ingens velut quadam nube absconderat caelum. Sonabant incendio silvae, atque ea quoque, quae non incenderat miles, concepto igne próxima quaeque adurebant. Barbari suppliciorum ultimum, si qua intermoreretur ignis, effugere temptabant; sed, qua fiamma dederat locum, hostis obstabat. 3 2 Varia igitur caede con-

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aus der viel Wasser strömt. Sein Umfang beträgt 32 Stadien; auf seinem Scheitel trägt er eine grasbewachsene Ebene. Hier ließen sie die zum Kampf untaugliche Menge lagern. Sie selbst wälzten dahin, wo kein Felsabhang war, Baumstämme und Felsblöcke. Sie waren 13000 Mann stark. Zu ihrer Belagerung blieb Kraterus zurück, während Alexander selbst eilig Satibarzanes nachsetzte. Und weil es ihm klar wurde, daß dieser allzu weit entfernt war, kehrte er dann wieder um, die Leute auf den Felshöhen zur Übergabe zu zwingen. Anfangs ließ er das Gelände säubern, soweit es das Vorgehen erlaubte; als dann aber unwegsame Klippen und schroffe Felsenhänge den Weg verlegten, erwies sich angesichts der feindlichen Natur die Arbeit als fruchtlos. Alexander aber, wie stets bereit mit Schwierigkeiten zu ringen — war doch das weitere Vorgehen mühselig, eine Umkehr aber gefahrvoll! — überlegte nun unablässig hin und her und erwog bald dies, bald das, wie es ja meist geschieht, sobald wir das zuerst Unternom mene haben aufgeben müssen. Wie er noch so schwankte, da gab ihm nicht die Überlegung, wohl aber das Glück einen Plan ein. Es herrschte heftiger "Westwind, und die Soldaten hatten viel Holz geschlagen, um einen Zugang über die Felsen zu schaffen. Schon war dieses in der sengenden Hitze dürr geworden. Da ließ er noch weitere Bäume heranschaffen und dem Feuer so Nahrung geben; die schnell aufeinandergetürmten Stämme erreichten dis Höhe des Berges. Jetzt legte man von allen Seiten Feuer daran und alles brannte auf; der Wind ließ die Flamme dem Feind ins Gesicht schlagen, und schon verfinsterte eine ungeheure Brandwolke den Himmel. Die Wälder ächzten unter dem Feuer, und auch das geriet in Brand, was der Soldat noch nicht angesteckt hatte, und versengte die ganze Umgebung. Zwar versuchten die Barbaren, diesem letzten Strafgericht durch irgendeine Lücke in dem Flammenmeere zu entweichen, doch wo die Flamme noch irgend Raum bot, da stand jeweils der Feind. So kamen sie also auf verschiedenartige Weise um: die einen spran-

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sumpti sunt: alii in medios ignes, alii petris praecipitavere se, quidam hostium manibus obtulerunt, pauci semustulati venere in potestatem. 33 Hinc ad Craterum, qui Artacana obsidebat, redit. Ille omnibus praeparatis regis expectabat adventum, captae urbis titulo, sicut par erat, cedens. 34 Igitur Alexander turres admoveri iubet, ipsoque aspectu barbari territi e mûris supinas manus tendentes orare coeperunt, iram in Satibarzanen, defectionis auctorem, reservaret, supplicibus semet dedentibus parceret. Rex data venia non obsidionem modo solvit, sed omnia sua incolis reddidit. 35

Ab hac urbe digresso supplementum novorum militum occurrit: Zoilus D équités ex Graecia adduxerat, I I I milia ex Illyrico Antipater miserat, Thessali équités C et X X X cum Philippo erant, ex Lydia II milia et sescenti, peregrinus miles, advenerant, C C C équités gentis eiusdem sequebantur. 3 6 Hac manu adiecta adit Drangas: bellicosa natio est. Satrapes erat Barzaentes, sceleris in regem suum particeps Besso: is suppliciorum, quae meruerat, metu profugit in Indiam. VII. x Iam nonum diem stativa erant, cum ab externa vi non tutus modo rex, sed invictus, intestino facinore petebatur. 2 Dymnus, modicae apud regem auctoritatis et gratiae, exoleti, cui Nicomacho erat nomen, amore flagrabat obsequio uni sibi dediti corporis vinctus. 3 Is, quod ex vultu quoque perspici poterat, similis attonito remotis arbitris cum iuvene secessit in templum arcana se et silenda adferre praefatus,

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gen mitten ins Feuer hinein, die andern stürzten sich von den Felsen hinab, manche liefen den Feinden entgegen, und diese brachten einige, halb verbrannt, in ihre Gewalt. Von hier aus kehrte Alexander zu Kraterus zurück, der Artakana belagerte. Der hatte schon alles vorbereitet und wartete nur noch auf die Ankunft des Königs, um diesem, wie sich das gehörte, die Ehre zu gönnen, die Stadt erobert zu haben. So ließ denn Alexander die Türme vorschieben: durch deren bloßen Anblick erschreckt, streckten die Barbaren von den Mauern aus die Hände empor und hüben an zu bitten, er solle doch seinen Zorn für Satibarzanes aufsparen, den Urheber ihres Abfalls, sie selbst aber, die sich bittflehend ergäben, solle er schonen. Der König tat das; er hob nicht nur die Belagerung auf, sondern schenkte auch den Einwohnern all ihren Besitz zurück. Als er von dieser Stadt aus weiterzog, begegnete ihm der neue Ersatz. Zoilus hatte 500 Reiter aus Griechenland gebracht; 3000 hatte Antipater aus Illyrien gesandt. 130 thessalische Reiter kamen mit Philippus; aus Lydien waren 2600 ausländische Soldaten gekommen, ihnen folgten 300 Reiter desselben Stammes. Um diese Schar vermehrt betrat er Drangien. Hier lebte ein kriegerisches Volk; sein Satrap war Barzaentes, ein Mitschuldiger des Königsmörders Bessus. Er floh aus Furcht vor der verdienten Strafe nach Indien. Schon neun Tage war man im Standlager, da wurde der König, der bisher vor fremder Gewalt nicht nur sicher, sondern überhaupt unbesiegbar geblieben war, durch eine Freveltat aus dem eigenen Kreise gefährdet. Dymnus, beim König nur mäßig angesehen und beliebt, war in Liebe zu einem Buhlknaben namens Nikomachus entbrannt, gefesselt an ihn durch seine Willfährigkeit, sich ihm allein zu schenken. Dieser Dymnus, fast wie gelähmt vor Schrecken, wie man schon an seinem Gesicht erkennen konnte, begab sich ohne weitere Zeugen mit dem Jüngling abseits in einen Tempel, nachdem er ihm vorher gesagt, er habe ihm

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suspensumque expectatione per mutuam caritatem et pignora utriusque animi rogat, ut adfirmet iureiurando, quae commisisset, silentio esse tecturum. BEt ille ratus nihil, quod etiam cum periurio detegendum foret, indicaturum per praesentes deos iurat. e T u m Dymnus aperit in tertium diem regi insidias comparatas seque eius consilii fortibus viris et inlustribus esse participen!. 7 Quibus iuvenis auditis se vero fidem in parricidio dedisse constanter abnuit nec ulla religione, ut scelus tegat, posse constringi.

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Dymnus et amore et metu amens dexteram exoleti complexus et lacrimans orare primum, ut particeps consilii operisque fieret; 9 si id sustinere non posset, attamen ne proderet se, cuius erga ipsum benevolentiae praeter alia hoc quoque haberet fortissimum pignus, quod caput suum permisisset fidei adhuc inexpertae. 10 Ad ultimum aversari scelus perseverantem mortis metu terret: ab ilio capite coniuratos pulcherrimum facinus incohaturos. "Alias deinde effeminatum et muliebriter timidum, alias proditorem amatoris appellans, nunc ingentia prominens, interdumque regnum quoque, versabat animum tanto facinore procul abhorrentem. 12 Strictum deinde gladium modo illius modo suo admovens iugulo, supplex idem et infestus, expressit, ut tandem non solum silentium, sed etiam operam polliceretur. " N a m q u e abunde constantis animi et dignus, qui pudicus esset,

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ein Geheimnis anzuvertrauen, über das er Schweigen bewahren müsse, und bat den andern, der äußerst gespannt war, bei ihrer Liebe zueinander und bei dem, was sie verbinde, er solle ihm einen Eid schwören, daß er über das, was er ihm jetzt mitteilen wolle, Schweigen bewahren werde. Dem kam es nicht in den Sinn, er könnte jetzt etwas erfahren, was er selbst unter Eidbruch werde aufdecken müssen, und er schwor bei den hier anwesenden Göttern. Da eröffnete ihm Dymnus, für den dritten Tag sei ein Anschlag auf das Leben des Königs vorbereitet und er selbst sei zusammen mit tapferen, angesehenen Männern an diesem Plane beteiligt. Als dies der Jüngling hörte, lehnte er es entschieden ab, sein Ehrenwort für einen Hochverrat hergegeben zu haben; keine noch so feierliche Verpflichtung könne ihn zwingen, ein Verbrechen zu decken! Von Liebe und Furcht zugleich wie von Sinnen, ergriff Dymnus die Rechte seines Buhlknaben und bat ihn zuerst unter Tränen, er möge sich doch an dem Plan und seiner Durchführung beteiligen; und wenn er das nicht über sich brächte, so solle er ihn doch wenigstens nicht verraten, nachdem er jetzt außer anderen Beweisen seiner Zuneigung auch noch ganz besonders den erhalten, daß er sein Haupt seiner bisher noch unerprobten Treue anvertraut habe! Zuletzt erschreckte er den andern, der immernoch eine verbrecherische Tat ablehnte, durch die Furcht vor dem Tode: mit seinem Kopf würden die Verschwörer ihre herrliche Tat beginnen! Bald nannte er ihn verweichlicht und feige wie ein Weib, bald einen Verräter dessen, den er liebe, dann versprach er ihm ungeheuren Lohn, bisweilen sogar auch einen Königsthron, und suchte so seinen Sinn zu wandeln, der doch vor solch einer Schandtat schon von fern zurückschauderte. Indem er das blanke Schwert bald ihm, bald sich selbst an die Kehle setzte, erreichte er mit seinen Bitten und Drohungen schließlich, daß der andere nicht nur Schweigen, sondern sogar Beihilfe versprach. Denn charakterfest wie Nikomachus war

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nihil ex pristina volúntate mutaverat, sed captum Dymni amore simulabat nihil recusare. 14 Sciscitari inde pergit, cum quibus tantae rei societatem inisset: plurimum referre, quales viri tam memorabili operi admoturi manus essent. 15 Ille et amore et scelere male sanus simul gratias agit, simul gratulatur, quod fortissimis iuvenum non dubitasset se adiungere, Demetrio, corporis custodi, Peucolao, Nicanori; adicit his Aphobetum, Iolaum, Dioxenum, Archepolim, Amyntam. 16 Ab hoc sermone dimissus 26 Nicomachus ad fratrem — Cebalino erat nomen - quae acceperat defert. Placet ipsum subsistere in tabernáculo, ne, si regiam intrasset non adsuetus adire regem, coniurati proditos se esse resciscerent. " I p s e Cebalinus ante vestibulum regiae — neque enim propius aditus ei patebat consistit opperiens aliquem ex prima cohorte amicorum, a quo introduceretur ad regem.

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ceteris dimissis unus Philotas, Parmenionis filius - incertum quam ob causam - substiterat in regia. Huic Cebalinus ore confuso magnae perturbationis notas prae se ferens aperit, quae ex fratre compererat, et sine dilatione nuntiari regi iubet. 18 Philotas conlaudato eo protinus intrat ad Alexandrum multoque invicem de aliis rebus sermone consumpto nihil eorum, quae ex Cebalino cognoverat, nuntiat. 20 Sub vesperam eum prodeuntem in vestíbulo regiae excipit iuvenis, an mandatum executus foret, requirens. 21 Ille non vacasse sermoni suo regem causatus discessit. Postero die Cebalinus

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und würdig, als ein Mensch von Ehrbarkeit zu leben, hatte er keineswegs seine ursprüngliche Absicht geändert, sondern gab nur vor, er wolle aus Liebe zu Dymnus diesem nichts abschlagen. Dann fragte er weiter, mit wem er sich denn zu einer derartigen T a t verbunden habe; es sei doch sehr wichtig, welche Männer zu einem so denkwürdigen Unternehmen die Hand böten! Der, halb von Sinnen ob seiner Liebe und des geplanten Frevels, dankte ihm und beglückwünschte ihn zugleich, daß er sich unbedenklich den tapfersten unter den jungen Männern anschließe: dem Leibwächter Demetrius, einem Peukolaus, einem Nikanor; dazu nannte er noch Aphobetus, Iolaus, Dioxenus, Archepolis und Amyntas. Als sie ihre Unterredung beendet hatten, gab Nikomachus seinem Bruder Kebalinus das Gehörte bekannt. Es schien ihnen das Richtige, daß Nikomachus im Zelte bleibe, um nicht beim Betreten des Königsgezeltes - er pflegte ja selbst nicht den König aufzusuchen - die Verschworenen merken zu lassen, daß sie verraten seien. Kebalinus seinerseits blieb vor der Vorhalle des Königszeltes stehen - weiter hatte er nämlich keinen Zutritt - und wartete auf irgendeinen aus der ersten Kohorte der Freunde, um durch ihn beim Könige vorgelassen zu werden. Zufällig waren die übrigen alle gerade entlassen worden, und nur noch Philotas, Parmenions Sohn, war aus einem nicht näher bekannten Grund im Königszelte geblieben. Diesem eröffnete Kebalinus nun — in seinem verwirrten Antlitz deutlich heftige Bestürzung offenbarend - was er von seinem Bruder erfahren hatte, und forderte ihn auf, es ohne Zögern dem König zu melden. Philotas belobt ihn, tritt sofort bei Alexander ein, unterhält sich lange Zeit mit ihm von diesem und jenem, teilt ihm aber nichts von dem mit, was er von Kebalinus erfahren hat. Gegen Abend, wie er aus der Vorhalle des Königszeltes tritt, erwartet ihn schon der Jüngling mit der Frage, ob er seinen Auftrag ausgeführt habe; Philotas gibt an, der König habe für eine Unterredung mit ihm keine Zeit gehabt, und geht davon.

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venienti in regiam praesto est intrantemque admonet pridie communicatae cum ipso rei. Ille curae sibi esse respondet: ac ne tum quidem regi, quae audierat, aperit. 2 2 Coeperat Cebalino esse suspectus. Itaque non ultra interpellandum ratus nobili iuveni - Metron erat ei nomen - super armamentarium posito, quod scelus pararetur, indicat. 23 Ille Cebalino in armamentario abscondito protinus regi corpus forte curanti, quid index detulisset, ostendit. 24 Rex ad comprehendendum Dymnum missis satellitibus armamentarium intrat. Ibi Cebalinus gaudio elatus « H a beo te » inquit « incolumem ex impiorum manibus ereptum. » 2 °Percontatus deinde Alexander, quae noscenda erant, ordine cuncta cognoscit. Rursusque institit quaerere, quotus dies esset, ex quo Nicomachus ad eum detulisset indicium. 2 e Atque ilio fatente iam tertium esse, existimans haud incorrupta fide tanto post deferre, quae audierat, vinciri eum iussit. 2T Ille clamitare coepit eodem temporis momento, quo audisset, ad Philotan decucurrisse: ab eo operiri comperta. 28 Rex identidem quaerens, an Philotan adisset, an institisset ei, ut pervenirent ad se, perseverante eo adfirmare, quae dixerat, manus ad caelum tendens manantibus lacrimis hanc sibi a carissimo quondam amicorum relatam gratiam querebatur. 2 9 Inter haec Dymnus haud ignarus, quam ob causam accerseretur a rege, gladio, quo forte erat cinctus, graviter se vulnerai occursuque satellitum inhibitus per-

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Am folgenden Tage steht Kebalinus schon bereit, als jener zum Königszelt kommt, und erinnert ihn, wie er eintritt, an das, was er ihm am Vortage mitgeteilt habe. Philotas antwortet, er denke schon daran, aber auch jetzt eröffnet er dem König nicht das Gehörte. Nun ist in Kebalinus Verdacht gegen ihn wach geworden: er glaubt daher, er dürfe ihn nicht weiter mit Bitten bestürmen, und teilt das geplante Verbrechen einem adligen Jüngling namens Metron mit, der die Aufsicht über die Waffenkammer führte. Dieser versteckt Kebalinus in der Waffenkammer und eröffnet sofort dem König - der gerade mit seiner Körperpflege beschäftigt war - was ihm jener als Anzeige hinterbracht habe. Der König schickt Trabanten aus, die Dymnus verhaften sollen, und betritt die Waffenkammer. Dort empfängt ihn Kebalinus mit dem frohlockenden Ruf: „So habe ich dich also doch unversehrt den Händen der Ruchlosen entrissen!" Darauf fragt Alexander nach dem, was er wissen muß, und erfährt auch alles der Reihe nach. Dann fragt er von neuem mit Eindringlichkeit, vor wieviel Tagen ihm denn Nikomachus die Anzeige hinterbracht habe. Und als Kebalinus zugibt, heute sei schon der dritte Tag, da läßt er ihn fesseln, denn er mißtraut seiner Zuverlässigkeit, weil er erst so spät das Gehörte hinterbringe. Der aber erhebt ein Geschrei: im selben Augenblick, wo er davon gehört habe, sei er auch schon zu Philotas gelaufen; dieser sei es, der geheimhalte, was er erfahren habe! Der König fragt wiederholt, ob er sich wirklich an Philotas gewendet und ob er ihn gedrängt habe, sie sollten zu ihm gehen. Als Kebalinus auch weiterhin die Wahrheit seiner Aussage beteuert, hebt Alexander die Hände zum Himmel auf und klagt unter Tränen: so vergelte ihm also sein bisher bester Freund! Währenddessen hatte Dymnus — der nur zu gut wußte, weshalb man ihn vor den König hole — sich mit dem Schwert, das er gerade trug, eine schwere Verwundung beigebracht, doch waren ihm dabei die Trabanten in den

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fertur in regiam. Quem intuens rex « Quod » inquit « in te, Dymne, tantum cogitavi nefas, ut tibi Macedonum regno dignior Philotas me quoque ipso videretur? » Illum iam defecerat vox; itaque edito gemitu vultuque a conspectu regis averso subinde conlapsus extinguitur. 31

Rex Philota venire in regiam iusso « Cebalinus » inquit « ultimum supplicium meritus, si in caput meum praeparatas insidias biduo texit, huius criminis Philotan reum substituit, ad quem protinus indicium detulisse se adfirmat. 32 Quo propiore gradu amicitiae me contingis, hoc maius est dissimulationis tuae facinus, et ego Cebalino magis quam Philotae id convenire fateor. Faventem habes iudicem, si, quod admitti non potuit, saltern negari potest. » 33 Ad haec Philotas haud sane trepidus, si animus vultu aestimaretur, Cebalinum quidem scorti sermonem ad se detulisse, sed ipsum tam levi auctore nihil credidisse respondit, veritum, ne iurgium inter amatorem et exoletum non sine risu aliorum detulisset: 84 cum Dymnus semet interemerit, qualiacumque erant, non fuisse reticenda. Complexusque regem orare coepit, ut praeteritam vitam potius quam culpam, silentii tamen, non facti ullius, intueretur. 3 5 Haud facile dixerim, credideritne ei rex an altius iram suppresserit; dexteram reconciliatae gratiae

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Arm gefallen und brachten ihn nun in das Königszelt. Den Blick auf ihn gerichtet, sprach der König: „Welcherlei Untat habe ich denn gegen dich im Sinne gehabt, Dymnus, daß dir ein Philotas ein würdigerer Makedonenkönig schien als ich selbst?" Dymnus vermochte bereits nicht mehr zu sprechen: nur einen Seufzer gab er noch von sich, wendete seinen Blick von dem des Königs fort und brach dann plötzlich tot zusammen. Der König ließ Philotas in sein Zelt kommen und sagte: „Kebalinus hat die allerschwerste Strafe verdient, wenn er den gegen mein Haupt geplanten Anschlag zwei Tage verborgen gehalten hat. Nun hat er die Schuld an diesem Verbrechen auf Philotas geschoben, dem er sofort Anzeige gemacht haben will. J e näher du mir als Freund stehst, um so größer ist dein Verbrechen, geschwiegen zu haben, und ich für mein Teil muß gestehen, dies paßt besser zu einem Kebalinus als zu einem Philotas! Du hast in mir einen gnädigen Richter, wenn sich wenigstens noch abstreiten läßt, was hier nicht hat ausgeführt werden können." Hierauf antwortete Philotas, und zwar völlig unerschrokken, wenn man seine Gesinnung nach seinem Gesichtsausdruck beurteilen durfte: gewiß habe Kebalinus ihm das Gerede eines Hurenkerls hinterbracht, aber angesichts eines so unzuverlässigen Gewährsmannes habe er kein Wort davon geglaubt, und zwar aus Besorgnis, für die Mitteilung von einem Zank zwischen einem Liebhaber und seinem Gespons nur Gelächter zu ernten. Nun, da Dymnus sich selbst entleibt habe, sehe er ein, man hätte die Dinge, wie es auch um sie gestanden, nicht verschweigen dürfen. Und er umfing den König und bat ihn, er möchte doch sein bisheriges Leben ansehen statt einer Schuld, die ja doch nur aus einem Verschweigen, nicht aber aus irgendwelcher T a t bestehe! Es bleibt ungewiß, ob der König ihm glaubte oder nur seinen Zorn tief in sich versteckte; jedenfalls gab er ihm die Hand als Beweis seiner wiedergewonnenen Gunst und

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pignus obtulit et contemptum magis quam celatum indicium esse videri sibi dixit. V i l i . 1 Advocato tum Consilio amicorum, cui tarnen Philotas adhibitus non est, Nicomachum introduci iubet. 2 Is eadem, quae detulerat ad regem, ordine exposuit. Erat Craterus regi carus in paucis et eo Philotae ob aemulationem dignitatis adversus, 3 neque ignorabat saepe Alexandri auribus nimia iactatione virtutis atque operae gravem fuisse et ob ea non quidem sceleris, sed contumaciae tarnen esse suspectum. é N o n aliam premendi inimici occasionem aptiorem futuram ratus odio suo pietatis praeferens speciem « Utinam » inquit « in principio quoque huius rei nobiscum deliberasses! 5 Suasissemus, si Philotae velles ignoscere, patereris potius ignorare eum, quantum deberet tibi, quam usque ad mortis metum adductum cogérés saepius de periculo suo quam de tuo cogitare beneficio. lile enim semper insidiari tibi poterit, tu non semper Philotae poteris ignoscere. e Nec est, quod existimes eum, qui tantum ausus est, venia posse mutari. Seit eos, qui misericordiam consumpserunt, amplius sperare non posse. 7 At ego, etiam si ipse vel paenitentia vel beneficio tuo victus quiescere volet, patrem eius Parmenionem, tanti ducem exercitus et inveterata apud milites tuos auctoritate haud multum infra magnitudinis tuae fastigium positum, scio non aequo animo salutem filii sui debiturum

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erklärte, es habe den Anschein, als hätte Philotas die Anzeige weniger verheimlicht als vielmehr nur für unbeachtlich angesehen. Darauf rief er seine Vertrauten zu einer Beratung, ohne freilich Philotas hinzuzuziehen, und ließ Nikomachus vorführen. Dieser sagte der Reihe nach das gleiche aus, was er dem König übermittelt hatte. Nun stand Kraterus dem König besonders nahe und war deshalb dem Philotas feind, dem er seine Stellung neidete; auch wußte er wohl, daß jener Alexander oft lästig gefallen war, indem er mit seinem Mut und seinem Einsatz allzu sehr prahlte, und daß er deshalb wenn auch nicht gerade eines Verbrechens, so doch der Widersetzlichkeit verdächtigt worden sei. In dem Glauben, hier eine ganz besonders gute Gelegenheit zu finden, sich seines Nebenbuhlers zu entledigen, sprach er, seine Haßgefühle hinter einer frommen Miene verbergend: „Hättest du uns doch schon gleich anfangs zu Rat gezogen! Wir hätten dir angeraten: wenn du schon Philotas verzeihen wolltest, so hättest du ihn lieber erst gar nicht wissen lassen sollen, wie viel er dir schuldete, als daß du ihn nun, wo er in Todesgefahr geraten ist, dazu nötigtest, häufiger an seine gefahrvolle Lage als an deine Güte zu denken. Er wird nämlich immer noch fähig sein, dir nach dem Leben zu trachten; du aber wirst dann Philotas nicht mehr immer verzeihen können! Du hast nämlich keinen Anlaß zu glauben, daß der sich durch deine Nachtsicht wandeln könne, der solches gewagt hat! Weiß er doch genau, daß, wer das volle Maß mitfühlender Gesinnung erschöpft hat, darüber hinaus auf nichts mehr hoffen darf. Ich meine nun: selbst wenn er in Zukunft Ruhe geben sollte, von Reue oder durch deine Güte bezwungen, so wird doch sein Vater Parmenion, Führer einer so starken Heeresmacht, von altersher bei seinen Soldaten hoch angesehen und in einer Stellung, die kaum weniger erhaben ist als die deine — so wird er doch meines Erachtens nicht kühlen Herzens dir das Leben sei-

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tibi. 8 Quaedam beneficia odimus. Meruisse mortem confiteri pudet: superest, ut malit videri iniuriam accepisse quam vitam. Proinde scito tibi cum illis de salute esse pugnandum. "Satis hostium superest, ad quos persequendos ituri sumus: latus a domesticis hostibus muni. Hos si submoves, nihil metuo ab externo.» Haec Craterus. 1 0 Nec ceteri dubitabant, quin coniurationis indicium suppressurus non fuisset nisi auctor aut particeps. Quem enim pium et bonae mentis, non amicum modo, sed ex ultima plebe, auditis, quae ad eum delata erant, non protinus ad regem fuisse cursurum? " n e Cebalini quidem exemplo, qui ex fratre comperta ipsi nuntiasset, Parmenionis filium, praefectum equitatus, omnium arcanorum regis arbitrum! Simulasse etiam non vacasse sermoni suo regem, ne index alium internuntium quaereret. 1 2 Nicomachum religione quoque deum adstrictum conscientiam suam exonerare properasse: Philotam consumpto per ludum iocumque paene toto die gravatum esse pauca verba pertinentia ad caput regis tam longo et forsitan supervacuo inserere sermoni. 13 At enim non credidisse talia deferentibus pueris! Cur igitur extraxisset biduum, tamquam indicio haberet fidem? dimittendum fuisse Cebalinum, si delationem eius damnabat. 1 4 In suo quemque periculo magnum animum habere, cum de salute regis timeretur, crédulos esse de-

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nes Sohnes verdanken wollen! Es gibt Huldbeweise, die haßt man! Des Zugeständnisses, daß man den Tod verdient hat, schämt man sich, und was zurückbleibt, ist dann das: man möchte lieber sichtlich ein Unrecht erlitten haben als einem anderen sein Leben verdanken. Jedenfalls mußt du wissen, daß es zwischen dir und ihnen um Leben und T o d geht! Wir haben aber Feinde genug, deren Verfolgung uns auf den Nägeln brennt; schütze du also deine Seite vor dem inneren Feind! Schaltest du diesen aus, so fürchte ich nichts von dem äußeren!" So Kraterus. Und auch die andern waren sich einig darüber, er habe nur als Urheber oder Mitverschworener jene Anzeige unterdrücken können: welcher Treu- und Gutgesinnte — und zwar nicht nur ein Freund, sondern ein Mann aus dem niedersten Volke! — wäre nicht alsbald zum König gelaufen, wenn er gehört, was man ihm hinterbracht hatte? Nicht einmal auf das Vorbild des Kebalinus hin, der doch das von seinem Bruder ihm Mitgeteilte dem König gemeldet, habe Parmenions Sohn, Führer der Reiterei und Mitwisser aller Geheimnisse des Königs, so gehandelt; auch habe er vorgegeben, ihm habe die Gelegenheit zu einem Gespräch mit dem König gefehlt, damit nicht etwa der Anzeiger sich nach einem anderen Mittelsmann umsähe. Nikomachus, obwohl durch einen Eid den Göttern gegenüber verpflichtet, habe geeilt, sein Gewissen zu entlasten; Philotas aber habe in Spiel und Scherz fast einen ganzen T a g verstreichen lassen und habe es als beschwerlich empfunden, wenige Worte, die sich auf das Leben des Königs bezogen, in eine so lange, vielleicht ganz belanglose Unterredung einzustreuen. Nun habe er freilich nicht glauben wollen, was bloße Jüngelchen ihm da mitteilten; aber warum habe er dann die Dinge zwei Tage hingehalten, als ob er der Anzeige doch traute? Dann hätte er Kebalinus doch grundsätzlich abweisen müssen, wenn er seiner Anzeige keinen Glauben schenkte! Wenn einem selbst Gefahr drohe, dann dürfe man gern großzügig sein; wenn aber für das Leben des Königs zu fürchten sei, so müsse man

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bere, vana quoque deferentis admittere. 1 5 Omnes igitur quaestionem de eo, ut participes sceleris indicare cogeretur, habendam esse decernunt. Rex admonitos, uti consilium silentio premerent, dimittit. Pronuntiari deinde iter in posterum iubet, ne qua novi initi consilii daretur nota. " I n v i t a t u s est etiam Philotas ad ultimas ipsi epulas, et rex non cenare modo sed etiam familiariter conloqui cum eo, quem damnaverat, sustinuit. "Secunda deinde vigilia luminibus extinctis cum paucis in regiam coeunt Hephaestion et Craterus et Coenus et Erigyius, hi ex amicis, ex armigeris autem Perdiccas et Leonnatus. Per hos imperatum, ut, qui ad praetorium excubabant, armati vigilarent. 1 8 Iam ad omnes aditus dispositi erant équités, itinera quoque obsidere iussi, ne quis ad Parmenionem, qui tum Mediae magnisque copiis praeerat, occultus evaderet. 1 9 Atarrhias autem cum C C C armatis intraverat regiam; huic decern satellites traduntur, quorum singulos deni armigeri sequebantur. 2 0 Hi ad alios coniuratos comprehendendos distributi sunt; Atarrhias cum trecentis ad Philotam missus clausum aditum domus moliebatur L iuvenum promptissimis stipatus: nam ceteros cingere undique domum iusserat, ne occulto aditu Philotas posset elabi. 2 1 Illum sive securitate animi sive fatigatione resolutum somnus oppresserai; quem Atarrhias torpentem adhuc occupât. 2 2 Tandem ei sopore discusso cum

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schlechthin glauben und auch Leute ernst nehmen, die nur ein Gerede vorbrächten! So entschieden sich denn alle, er sei in Untersuchung zu nehmen und zu zwingen, seine Mitverschworenen preiszugeben. Der König schärfte ihnen ein, über die Beratung unbedingt Stillschweigen zu bewahren, und entließ sie. Darauf ließ er für den nächsten Tag den Weitermarsch ankündigen, damit der neu gefaßte Beschluß nicht irgendwie bekannt werde. Ja, Philotas wurde sogar zu einem Mahl eingeladen, das für ihn das letzte werden sollte, und der König brachte es über sich, mit dem Mann, den er schon verurteilt hatte, nicht nur zu speisen, sondern sich auch vertraulich zu unterhalten. In der zweiten Nachtwache trafen dann im Königszelt, als die Lichter schon ausgelöscht waren, mit wenigen anderen Hephästion, Kraterus, Könus und Erigyius ein, Männer, die dem Freundeskreis des Königs angehörten, sowie aus seiner Leibwache Perdikkas und Leonnatus. Durch sie erging der Befehl, die Wache vor dem Hauptzelt solle alarmbereit bleiben. Schon hatte man an alle Ausgänge Reiter verteilt und auch die Wege besetzen lassen, damit niemand heimlich zu Parmenion enteilen könne, der damals über Medien und ein großes Heer zu gebieten hatte. Atarrhias hatte mit 300 Bewaffneten das Königsgezelt betreten; ihm gab man noch zehn Trabanten mit, deren jedem zehn Waffenträger folgten. Diese wurden eingeteilt, die übrigen Verschwörer zu verhaften. Atarrhias mit seinen 300 Mann wurde zu Philotas entsandt und brach den verschlossenen Zugang zu seiner Wohnung auf, begleitet von fünfzig besonders entschlossenen jungen Leuten; die übrigen hatten von allen Seiten die Behausung umschließen müssen, damit nicht Philotas durch einen verborgenen Ausgang entweichen könne. Dieser lag in tiefem Schlaf — ob nun wegen seines guten Gewissens oder vor Erschöpfung - und Atarrhias traf ihn noch regungslos an. Als er dann endlich seine Benommenheit abgeschüttelt hatte und man ihm Ketten anlegte, sagte

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inicerentur catenae, « Vicit » inquit « bonitatem tuam, rex, inimicorum meorum acerbitas. » Nec plura elocutum capite velato in regiam adducunt. 23 Postero die rex edixit, omnes armati coirent. VI milia fere militum vénérant, praeterea turba lixarum calonumque impleverant regiam. 24 Philotan armigeri agmine suo tegebant, ne ante conspici posset a vulgo, quam rex adlocutus milites esset. 25 De capitalibus rebus vetusto Macedonum modo inquirebat exercitus - in pace erat vulgi - et nihil potestas regum valebat, nisi prius valuisset auctoritas. 26 Igitur Dymni primum cadaver infertur plerisque, quid parasset quove casu extinctus esset, ignaris.

IX. 1 Rex deinde ir» contionem procedit vultu praeferens dolorem animi. Amicorum quoque maestitia expectationem haud parvam rei fecerat. 2 Diu rex demisso in terram vultu attonito stupentique similis stetit. Tandem recepto animo « Paene, » inquit « milites, hominum scelere vobis ereptus sum: deum Providentia et misericordia vivo. Conspectusque vestri venerabilis coegit, ut vehementius parricidis irascerer, quoniam is primus, immo unus vitae meae fructus est, tot fortissimis viris et de me optime meritis referre adhuc gratiam posse.» 3 Interrupit orationem militum gemitus, obortaeque sunt omnibus lacrimae. Tum rex « Quanto »

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er: „So hat also doch, mein König, über deine Güte meiner Feinde harter Sinn den Sieg davongetragen!" Mehr äußerte er nicht; dann wurde er mit verhülltem Haupt ins Königszelt abgeführt. Am folgenden Tag erließ der König den Befehl, alle sollten in Waffen antreten. An die 6000 Soldaten versammelten sich, und außerdem erfüllte die Schar der Marketender und Troßknechte das königliche Gezelt. Den Philotas verdeckte noch ein Haufen von Leibwächtern: die Menge sollte ihn nicht eher sehen, als bis der König das Wort an die Soldaten gerichtet hatte. Über todeswürdige Verbrechen hielt nach alter Makedonensitte das Heer das Verhör ab - im Frieden war es Sache des Volks - und die Amtsgewalt der Könige galt nichts, wenn sich zuvor nicht ihr persönlicher Einfluß durchgesetzt hatte. Nun wurde zuerst die Leiche des Dymnus gebracht, ohne daß die Mehrzahl schon wußte, was er geplant hatte und auf welche Weise er umgekommen war. Alsdann trat der König vor die versammelte Menge; sein Antlitz ließ erkennen, welcher Schmerz in ihm wühlte. Auch die trauervolle Haltung seiner Freunde ließ auf einen bedeutsamen Vorfall schließen. Lange stand der König wie betäubt da, den Blick zu Boden gerichtet. Endlich faßte er sich und sprach: „Soldaten! Wenig hätte gefehlt und ich wäre euch durch ein Verbrechen von Menschenhand entrissen worden. Aber dank der Vorsehung und dem Mitgefühl der Götter bin ich noch am Leben. Euer Anblick, den ich verehre, hat meinen Zorn auf die Hochverräter erst so heftig gemacht, denn vor allem — nein, einzig und allein ist es der Sinn meines Lebens, so vielen Helden, die sich um mich aufs höchste verdient gemacht haben, noch meinen Dank abstatten zu können!" Ein Aufstöhnen aus der Soldatenrunde unterbrach seine Rede, und alsbald kamen allen die Tränen. Darauf der König:

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inquit « maiorem in animis vestris motum excitabo, cum tanti sceleris auctores ostendero! Quorum mentionem adhuc reformido et, tamquam salvi esse possint, nominibus abstineo. é Sed vincenda est memoria pristinae caritatis et coniuratio impiorum civium detegenda. Quomodo autem tantum nefas sileam? Parmenio, ilia aetate, tot meis, tot parentis mei meritis devinctus, omnium nobis amicorum vetustissimus, ducem se sceleri tanto praebuit. B Minister eius Philotas Peucolaum et Demetrium et hunc Dymnum, cuius corpus aspicitis, ceterosque eiusdem amentiae in caput meum subornavit. »

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Fremitus undique indignantium querentiumque tota contione obstrepebat, qualis solet esse multitudinis et maxime militaris, ubi aut studio agitur aut ira. 7 Nicomachus deinde et Metron et Cebalinus producti, quae quisque detulerat, exponunt. Nullius eorum indicio Philotas ut particeps sceleris destinabatur. Itaque indignatione expressa vox [indicum] silentio excepta est. 8 T u m rex « Qualis » inquit « ergo animi vobis videtur, qui huius rei delatum indicium ad ipsum suppressit? Quod non fuisse vanum Dymni exitus declarat. 9 Incertam rem deferens tormenta non timuit Cebalinus, Metron ne momentum quidem temporis distulit exonerare se, ut eo, ubi lavabar, inrumperet: 10 Philotas solus nihil timuit, nihil credidit. O magni animi virum! Iste regis periculo commoveretur, vultum

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„In welchen Grad von Erregung werde ich euch aber erst versetzen, wenn ich euch nun die Urheber eines solchen Verbrechens zeige! Noch schaudere ich, sie zu nennen, und möchte die Namen verschweigen, als könnte sie das noch retten. Aber es ist meine Pflicht, jede Erinnerung an die alte, enge Verbindung mit ihnen in mir auszutilgen, und eine Verschwörung ruchloser Landsleute muß ans Licht. Wie sollte ich euch auch einen solchen Frevel verschweigen dürfen? Parmenion hat sich, in seinem Alter noch und an mich gefesselt durch so viele Wohltaten von mir und meinem Vater her, als der älteste aller meiner Freunde, zum Haupt einer solchen Verbrecherclique hergegeben! Sein Helfershelfer Philotas aber hat einem Peukolaus, einem Demetrius und diesem Dymnus hier, dessen Leichnam ihr vor euch seht, und dazu noch weiteren ebenso Wahnwitzigen die Waffe gegen mein Haupt in die Hand gedrückt!" Ein Gemurmel der Empörung und der Klage scholl ihm aus allen Reihen entgegen — wie das so üblich ist beim großen Haufen, zumal der Soldaten, wenn Liebe oder H a ß den Ton angibt. Alsdann führte man Nikomachus, Metron und Kebalinus vor, und sie berichteten, was jeder schon vorher ausgesagt hatte. Keiner von ihnen bezichtigte Philotas als Mitverschworenen. Daher hörte man die ihnen unter Empörung abgenötigte Aussage mit Stillschweigen an. Darauf sprach der König: „Nun, wie urteilt ihr über die Gesinnung eines Mannes, der eine ihm erstattete Anzeige von dieser Bedeutung für sich behalten hat? Denn daß es sich um kein leeres Gerücht gehandelt hat, beweist ja der Tod des Dymnus. Kebalinus, der nur Ungenaues zu melden wußte, hat die Folter nicht gefürchtet; Metron hat auch nicht einen Augenblick gezögert, sich zu entlasten: kam er doch sogar in meinen Baderaum hereingestürzt! Nur Philotas hat angeblich keinerlei Furcht gehabt und hat nichts glauben wollen. Oh, was für ein hochgemuter Mann! Ihn hätte eine Gefahr für seinen König erschüttern sollen? Er hätte auch nur eine Miene verziehen sollen und

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mutaret, indicem tantae rei sollicitus audiret! "Subest nimirum silentio facinus, et avida spes regni praecipitem animum ad ultimum nefas impulit. Pater Mediae praeest; ipse apud multos copiarum duces meis praepotens viribus malora, quam capit, spirat. 1 2 Orbitas quoque mea, quod sine liberis sum, spernitur. Sed errat Philotas: in vobis liberos, parentes, consanguíneos habeo: vobis salvis orbus esse non possum.» 13 Epistulam deinde Parmenionis interceptam, quam ad filios Nicanorem et Philotan scripserat, récitât haud sane indicium gravioris consilii praeferentem. u N a m q u e summa eius haec erat: « Primum vestri curam agite, deinde vestrorum: sic enim, quae destinavimus, efficiemus. » lo Adiecitque rex sic esse scriptam, ut, sive ad filios pervenisset, a consciis posset intellegi, sive intercepta esset, falleret ignaros. i e « A t enim Dymnus, cum ceteros participes sceleris indicaret, Philotan non nominavit! Hoc quidem illius non innocentiae sed potentiae indicium est, quod sic ab iis timetur etiam, a quibus prodi potest, ut, cum de se fateantur, ilium tamen celent. Ceterum Philotan ipsius indicat vita. 1 7 Hic Amyntae, qui mihi consobrinus fuit et in Macedonia capiti meo impías comparavit insidias, socium se et conscium adiunxit. Hic Attalo, quo graviorem inimicum non habui, sororem suam in matrimonium dedit. 1 8 Hic, cum scripsissem ei pro iure tam familiaris usus atque amicitiae, qualis sors edita esset Iovis Hammonis oráculo, sustinuit rescribere mihi se quidem

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voller Sorge anhören, was man ihm da Ungeheuerliches erzählte? Gerade dies Schweigen beweist ja doch sonnenklar seine verbrecherische Gesinnung: gierige Herrschsucht hat ihn kopflos in ein solch unerhörtes Verbrechen hineingetrieben! Sein Vater ist Herr über Medien, und er selbst, durch meine Streitkräfte voll stärksten Einflusses auf viele Truppenführer, strebt nach Höherem, als seinem Rang und Wesen entspricht. Auch daß ich einsam dastehe und ohne Kinder bin, läßt ihn auf mich herabsehen. Aber Philotas irrt! Ihr seid meine Kinder, meine Eltern, meine Blutsverwandten; solange ihr nur am Leben seid, bin ich nicht einsam!" Sodann las er einen abgefangenen Brief Parmenions vor, gerichtet an seine Söhne Nikanor und Philotas, der freilich keinen Beweis für einen Plan von Bedeutung enthielt; denn sein wesentlicher Inhalt war der: „Erst denkt an euch, dann an die Euren; nur so werden wir zustande bringen, was wir beschlossen haben." Dazu gab der König die Erklärung ab, in dieser Form sollte der Brief, wenn er in die Hände der Söhne gelange, ihnen als Mitwissern verständlich sein, abgefangen jedoch sollte er ahnungslose Leser täuschen: „Freilich, so werdet ihr sagen: während Dymnus seine übrigen Mitverschworenen angab, hat er den Namen Philotas nicht genannt! Nun, das aber ist kein Beweis seiner Unschuld, vielmehr seiner Macht: so sehr fürchten ihn die, die ihn verraten können, daß sie sich selbst zwar bezichtigen, ihn aber aus dem Spiel lassen! „Im übrigen aber zeugt gegen ihn sein eigenes Leben: hat er doch mit Amyntas, meinem einstigen Geschwisterkind, der schon in Makedonien ruchlose Pläne gegen mein Haupt geschmiedet hat, in engster Verbindung gestanden; mit Attalus, meinem ärgsten Todfeind, hat er seine Schwester verheiratet. Und als ich ihm damals schrieb, ganz wie es unserm engen Umgang und unserer Freundschaft entsprach, welchen Orakelspruch Jupiter Ammon habe ergehen lassen — da brachte er es in seiner Antwort zwar über sich, mir Glück zu wünschen, daß ich unter die Götter

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gratulan, quod in numerum deorum receptus essem, ceterum misereri eorum, quibus vivendum esset sub eo, qui modum hominis excederet. 1 9 Haec sunt et iam pridem animi alienati a me et invidentis gloriae meae indicia. Q u a e equidem, milites, quamdiu licuit, in animo meo pressi: videbar enim mihi partem viscerum meorum abrumpere, si, in quos tam magna contuleram, viliores mihi facerem. 2 0 Sed iam non verba punienda sunt: linguae temeritas pervenit ad gladios. Hos, si mihi creditis, Philotas in me acuit, si ipsi, admisit. 2 1 Q u o me conferam, milites? cui caput meum credam? Equitanti, optimae exercitus parti, principibus nobilissimae iuventutis, unum praefeci; salutem, spem, victoriam meam fidei eius tutelaeque commisi. 2 2 Patrem in idem fastigium, in quo me ipsi posuistis, admovi; Mediam, qua nulla opulentior regio est, et tot civium sociorumque milia imperio eius dicionique subieci. Unde praesidium petieram, periculum extitit. 2 3 Q u a m feliciter in acie occidissem, potius hostis praeda quam civis victima! N u n c servatus ex periculis, quae sola timui, in haec incidi, quae timere non debui. 2 4 Soletis identidem a me, milites, petere, ut saluti meae parcam. Ipsi mihi praestare potestis, quod suadetis, ut faciam. A d vestras manus, ad vestra arma coniugio: invitis vobis salvus esse nolo, volentibus non possum, nisi vindicor. »

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aufgenommen sei, im übrigen aber fühle er Mitleid mit denen, die sich gezwungen sähen, unter jemandem zu leben, der Menschenmaß überschreite! „All das beweist, daß er sich schon längst innerlich von mir abgewandt hat und mir meinen Ruhm neidet. Nun, Soldaten: solange ich es durfte, habe ich das in meinem Herzen verschlossen; wäre es mir doch vorgekommen, als müßte ich mir ein Stück meiner selbst herausreißen, wenn ich den vor mir erniedrigte, den ich vorher so erhöht hatte. Aber nun sind es nicht mehr Worte, die Strafe fordern: jetzt rührt seine bedenkenlose Sprache die Schwerter auf ! Und zwar hat sie, wenn ihr mir glauben wollt, Philotas gegen mich geschärft oder doch, wenn ihr ihm Glauben schenkt, sie nicht von mir abgewehrt. Wo soll ich mich da noch bergen, Soldaten? Wem darf ich mein Haupt noch anvertrauen? Meiner Reiterei, dem besten Teil meines Heeres, den Führern einer Jugend von Adel, habe ich ihn allein vorangestellt, habe mein Leben, meine Zukunft, meinen Sieg seinem treuen Schutz übergeben! Seinen Vater habe ich zu der gleichen hohen Stellung erhoben, in die ihr selbst mich eingesetzt habt: Medien, die reichste Landschaft von allen, und so viele Tausende von Landsleuten und Verbündeten habe ich unter seinen unumschränkten Befehl gestellt. Woher ich mir Schutz und Schild erwartete, von dort aus droht mir Gefahr! Wie glücklich fühlte ich mich, wäre ich in der Feldschlacht gefallen, — lieber eine Beute des Feindes sein als das Schlachtopfer eines Landsmannes! Vor den Gefahren bewahrt, die ich einzig gefürchtet habe, sehe ich mich jetzt in die gestürzt, vor denen ich nie hätte Furcht empfinden dürfen. Immer wieder drängt ihr mich, meine Soldaten, ich sollte mich nicht so aussetzen: aber es liegt ja nur in eurer Hand, daß ich den Rat, den ihr mir da gebt, befolgen kann! In den Schutz eurer Hände, eurer Waffen flüchte ich mich: wollt ihr es nicht, daß ich lebe, so will ich es auch nicht; wenn ihr es aber wollt, so vermag ich das nur, wenn ihr mich mit rächender Hand beschützt!"

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Tum Philotan religatis post tergum manibus obsoleto amiculo velatum iussit induci. Facile apparebat motos esse tam miserabili habitu non sine invidia paulo ante conspecti. 26Ducem equitatus pridie viderant, sciebant regis interfuisse convivio: repente reum quidem, sed, ut iam damnatum, [immo] vinctum intuebantur. 27 Subibat ánimos Parmenionis quoque, tanti ducis, tam clari civis fortuna, qui [quo] modo duobus filiis, Hectare ac Nicànore, orbatus cum eo, quem reliquum calamitas fecerat, absens diceret causam. 28 Itaque Amyntas, regius praetor, inclinantem ad misericordiam contionem rursus aspera in Philotan oratione commovit: proditos eos esse barbaris, neminem ad coniugem suam in patriam et ad parentes fuisse rediturum: velut truncum corpus dempto capite sine spiritu, sine nomine aliena terra ludibrium hostis futuros. 29 Haudquaquam pro spe ipsius Amyntae oratio grata regi fuit, quod coniugum, quod patriae admonitos pigriores ad cetera munia exequenda fecisset. Tum Coenus, quamquam Philotae sororem matrimonio secum coniunxerat, tarnen acrius quam quisquam in Philotan invectus est parricidam esse regis, patriae, exercitus clamitans 31saxumque, quod forte ante pedes iacebat, arripuit emissurus in eum, ut plerique crediderunt, tormentis subtrahere cupiens. Sed rex manum eius inhibuit, dicendae prius causae debere fieri potestatem reo nec aliter iudicari passurum se adfirmans. 32 Tum dicere

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Darauf ließ er Philotas, dem die Hände auf den Rücken gebunden waren und dem man einen schlechten Soldatenmantel übergeworfen hatte, vortreten. Natürlich mußte ein so kläglicher Anblick starken Eindruck machen, nachdem man noch kurz zuvor nur mit Neid auf den gleichen Mann geblickt hatte: am Vortage noch hatten sie ihn als Führer der Reiterei gesehen, jedermann wußte, daß er an der Seite des Königs speiste, und nun sah man ihn plötzlich als Angeklagten, ja schlimmer noch, schon in Fesseln, als wäre das Urteil bereits gesprochen. Und es dämmerte in ihnen auch ein Gefühl auf für Parmenions Schicksal: hatte doch dieser große Führer und so berühmte Landsmann erst kürzlich zwei Söhne verloren, Hektor und Nikanor, und sah sich nun zusammen mit dem, welchen ihm das unheilvolle Schicksal belassen, angeklagt, ohne sich selbst verantworten zu können. Daher brachte einer der höheren Offiziere des Königs, Amyntas, die schon zum Mitleid hinneigende Menge wiederum mit einer harten Rede gegen Philotas auf : verraten seien sie an die Barbaren, auf daß niemand zu seinem Weib, in die Heimat und zu seinen Eltern zurückkehre! Wie ein verstümmelter Körper, ohne Kopf, ohne Atem, ohne Namen, so hätten sie auf fremder Erde dem Feind zum Spott werden sollen! Freilich war seine Rede im Gegensatz zu seiner eigenen Erwartung dem Könige gar nicht erwünscht, weil die Erinnerung an Frau und Heimat die Menge nur noch unlustiger gemacht habe, ihre weiteren Aufgaben zu erfüllen. Darauf griff Könus, obwohl er die Schwester des Philotas zur Frau hatte, noch heftiger als irgend ein anderer ihn an: ein Hochverräter sei er am König, an Vaterland und Heer, so schrie er; und schon packte er einen Stein, der ihm gerade vor den Füßen lag, und wollte ihn auf jenen schleudern - wie die meisten glaubten: in dem Wunsch, ihm die Folter zu ersparen. Aber der König hielt seine Hand zurück, indem er versicherte, vorerst müsse der Angeklagte das Recht haben, sich zu verteidigen, und er werde nicht dulden, daß er auf andere Weise verurteilt werde.

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iussus Philotas, sive conscientia sceleris sive periculi magnitudine amens et attonitus, non attollere oculos, non hiscere audebat. 33 Lacrimis deinde manantibus linquente animo in eum, a quo tenebatur, incubuit abstersisque amiculo eius oculis paulatim recipiens spiritum ac vocem dicturus videbatur. 34 Iamque rex intuens eum « Macedones » inquit « de te iudicaturi sunt: quaero, an patrio sermone sis apud eos usurus.»

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Philotas « Praeter Macedonas » inquit « plerique adsunt, quos facilius, quae dicam, percepturos arbitrar, si eadem lingua fuero usus, qua tu egisti non ob aliud, credo, quam ut oratio tua intellegi posset a pluribus.» 3 e Tum rex: « Ecquid videtis odio etiam sermonis patrii Philotan teneri? solus quippe fastidit eum discere. Sed dicat sane, utcumque ei cordi est, dum memineritis aeque ilium a nostro more quam sermone abhorrere. » Atque ita contione excessit.

X . 1 T u m Philotas « Verba » inquit « innocenti reperire facile est, modum verborum misero tenere difficile. 2 Itaque inter optimam conscientiam et iniquissimam fortunam destituais ignoro, quomodo et animo meo et tempori paream. 3 Abest quidem optimus causae meae iudex: qui cur me ipse audire noluerit, non, mehercule, excogito, cum illi utrimque cognita causa tam damnare me liceat quam absolvere, non cognita vero liberari ab absente non pos-

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Dann erteilte er Philotas das Wort, aber war es nun Schuldbewußtsein oder die ungeheure Gefahr, die diesen so völlig betäubt erscheinen ließ: er wagte weder die Augen aufzuschlagen noch einen Laut von sich zu geben. Dann brach er in Tränen aus; die Besinnung verließ ihn, und er sank an seinen Wächter hin. Als ihm dieser dann mit seinem Mantel die Augen getrocknet hatte, schien es, als ob er sich allmählich wieder in der Gewalt hätte und sprechen wollte. Schon aber sagte der König, den Blick auf ihn gerichtet: „Vor Makedonen stehst du als deinen Richtern: ich möchte wissen, ob du gewillt bist, vor ihnen in der Landessprache zu reden!" Darauf sagte Philotas: „Außer den Makedonen stehen hier noch sehr viele, die mich, so glaube ich, leichter verstehen werden, wenn ich sie in derselben Sprache anrede, die du gebraucht hast - doch zweifellos aus keinem anderen Anlaß, als weil du von möglichst vielen verstanden werden wolltest." Darauf der König: „Seht ihr, Philotas verabscheut schon seine heimische Sprache! Er allein ist zu vornehm, sie zu erlernen! Aber soll er nur sprechen, wie ihm ums Herz ist, wenn ihr dabei nur nicht vergeßt, daß er ebenso von unserer Sprache nichts wissen will wie von unserer Landesart!" Und damit entfernte er sich aus der Versammlung. Darauf sprach Philotas: „Worte zu finden ist für einen Unschuldigen nicht schwer; dabei jedoch maßvoll zu bleiben, wenn man ins Elend gestoßen wird, das ist schwer! Zwischen mein reines Gewissen und ein Geschick von äußerster Unbill gestellt, bin ich völlig ratlos und weiß nicht, wie ich meinem Gefühl und zugleich meiner Lage gerecht werden soll. Der, welcher meinen Fall am besten richten kann, hat sich entfernt: warum er mich persönlich nicht hat anhören wollen - bei den Göttern, das fasse ich nicht, wo er doch - wenn er den Fall von beiden Seiten betrachtet hat - mich ebenso zu verurteilen wie freizusprechen vermag! Wenn er mich aber nicht verhört, kann

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sum, qui a praesente damnatus sum. 4 Sed quamquam vincti hominis non supervacua solum sed etiam invisa defensio est, qui iudicem non docere videtur sed arguere, tamen, utcumque licet me dicere, memet ipse non deseram nec committam, ut damnatus etiam mea sententia videar. 5 Equidem, cuius criminis reus sim, non video: inter coniuratos nemo me nominat, de me Nicomachus nihil dixit, Cebalinus plus quam audierat scire non potuit. e Atqui coniurationis caput me fuisse credit rex! Potuit ergo Dymnus eum praeterire, quem sequebatur, praesertim cum quaerenti socios vel falso fuerim nominandus, quo facilius, qui temptabatur, posset impelli? T Non enim detecto facinore nomen meum praeterìt, ut possit videri socio pepercisse: Nicomacho, quem taciturum arcana credebat, de semet ipso confessus aliis nominatis me unum subtrahebat. 8 Quaeso, commilitones, si Cebalinus me non adisset, nihil me de coniuratis scire voluisset, num hodie dicerem causam nullo me nominante? 9 Dymnus sane et vivat adhuc et velit mihi parcere: quid ceteri? qui de se confitebuntur, me videlicet subtrahent! Maligna est calamitas, et fere noxius, cum suo supplicio crucietur, adquiescit alieno. 1 0 T o t conscii nec in eculeum quidem impositi verum fatebuntur? Atqui nemo parcit morituro nec cuiquam

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er mich aus der Ferne auch nicht freisprechen, nachdem er mich anwesend verurteilt hat! „Aber obwohl es für einen Menschen in Ketten nicht nur überflüssig ist, sich zu verteidigen, sondern geradezu H a ß erregt - scheint er doch seinen Richter nicht aufzuklären, sondern zu beschuldigen! - so will ich doch, wenn ich schon sprechen darf, meine Sache nicht aufgeben: schiene ich mich doch sonst selbst zu verurteilen! „Ich kann kein Verbrechen sehen, dessen ich schuldig wäre. Keiner von den Verschwörern nennt meinen Namen, kein Wort hat Nikomachus über mich gesagt, und Kebalinus konnte nicht mehr wissen, als ihm zu Ohren gekommen war. Und trotzdem hält mich der König für das Haupt der Verschwörung! Konnte denn Dymnus den, der sein Anführer war, übergehen, zumal er doch auf der Suche nach Spießgesellen mich - wenn auch fälschlich! - hätte nennen müssen, damit derjenige, den er da bearbeiten wollte, desto leichter angetrieben werden könnte? Denn bestimmt hat er nach der Aufdeckung des Verbrechens meinen Namen doch nicht verschwiegen, um den Anschein zu erwecken, er hätte seinen Mitverschworenen decken wollen: dem Nikomachus hat er sich doch anvertraut, von dem er glaubte, er werde über seine geheimsten Pläne schweigen; andere hat er genannt - und nur mich allein sollte er dabei verschwiegen haben? „Nun frage ich euch, Kameraden: wäre Kebalinus nicht zu mir gekommen und hätte er gewollt, daß ich nichts über die Verschwörer wissen sollte, müßte ich mich dann heute überhaupt hier verantworten, wo mich doch niemand als Mittäter nennt? Dymnus - nehmen wir an, er lebte noch und wollte mich schonen: aber die andern? Sich selbst sollten sie beschuldigen und mich ungenannt lassen? Unheil macht den Menschen bösartig, und gewöhnlich sieht doch der Schuldige, wenn er für sein Verbrechen leiden muß, einen Trost darin, wenn noch ein anderer leidet. So viele Mitwisser, auch wenn man sie nicht auf die Folter spannt, sollten bei der Wahrheit bleiben? Keiner schont

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moriturus, ut opinor. " A d verum crimen et ad unum praevertendum mihi est: cur rem delatam ad te tacuisti? cur tam securus audisti? Hoc, qualecumque est, confesso mihi, ubicumque es, Alexander, remisisti: dexteram tuam amplexus, reconciliati pignus animi, convivio quoque interfui. 12Si credidisti mihi, absolutus sum, si pepercisti, dimissus: vel iudicium vel beneficium tuum serva. Quid hac próxima nocte, qua digressus sum a mensa tua, feci? quod novum facinus delatum ad te mutavit animum tuum? 13 Gravi sopore adquiescebam, cum me malis indormientem meis inimici vinciendo excitaverunt. Unde et parricidae et proditori tam alti quies somni? 14Scelerati conscientia obstrepente condormire non possunt: agitant eos Furiae, non consummato modo sed etiam cogitato parricidio. At mihi securitatem primum innocentia mea, deinde tua dextera obtulerat: non timui, ne plus alienae crudelitati apud te liceret quam clementiae tuae. 15Sed ne te mihi credidisse paeniteat, res ad me deferebatur a puero, qui non testem, non pignus indicii exhibere poterat, impleturus omnes metu, si coepisset audiri. ie Amatoris et scorti iurgio interponi aures meas credidi infelix et fidem eius suspectam habui, quod non ipse deferret, sed fratrem

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jemanden, dem der Tod schon bestimmt ist, und keiner, dem der Tod schon bestimmt ist, schont einen andern, so meine ich! „Einen einzigen stichhaltigen Vorwurf habe ich hier zu entkräften, den nämlich: Warum hast du über das geschwiegen, was man dir hinterbracht hat? Warum hast du das so ruhig mitangehört? Gerade das aber, wie es darum auch stehen mag, hast du, Alexander — wo du jetzt auch sein magst! — mir verziehen, als ich es dir gestand. Du hast mir deine Rechte gereicht als Unterpfand deiner Versöhnung, du hast mich sogar wieder zu Tisch geladen. Hast du mir damals geglaubt, so bin ich auch freigesprochen; hast du mich schonen wollen, so bin ich frei von Strafe! Nun bleibe aber auch bei deinem Urteil oder deiner Güte! Was habe ich denn heute nacht getan, als ich von deinem Tische fortging? Welche neue Untat, die man vor dich brachte, hat deine Gesinnung so geändert? Ich lag in tiefem Schlaf, als mich meine Feinde aufweckten, um mich sogleich in Ketten zu legen, mich, der ich in all meinem Unglück schlummerte! Seit wann genießt ein Königsmörder und Verräter einen so geruhig-tiefen Schlaf? Verbrecher läßt die Stimme ihres Gewissens nicht so fest schlafen: die Furien treiben sie um, und das nicht erst, wenn sie den Hochverrat begangen haben, sondern schon, wenn sie ihn planen! Mir aber hatte das Gefühl der Sicherheit erst meine Unschuld, dann deine Rechte gegeben: ich habe keine Furcht gehabt, der grausame Sinn anderer könnte über dich mehr Gewalt haben als deine eigene Milde! „Aber auf daß dich nicht reue, mir Glauben geschenkt zu haben: ein Knabe hinterbrachte mir jene Dinge, der keinen Zeugen, kein Beweisstück für seine Anzeige vorzubringen vermochte, wohl aber alle mit Furcht erfüllen mußte, sobald man auf ihn zu hören begann. Ich Unglückseliger war der Meinung, man bringe da das Gezänk eines Liebhabers mit seinem Buhlknaben vor meine Ohren, und seine Glaubwürdigkeit kam mir verdächtig vor, weil er es nicht selbst vorbrachte, sondern vielmehr seinen Bru-

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potius subornaret. "Timui, ne negaret mandasse se Cebalino et ego viderer multis amicorum regis fuisse periculi causa. 18Sic quoque, cum laeserim neminem, inveni, qui mallet perire me quam incolumem esse: quid inimicitiarum creditis excepturum fuisse, si insontes lacessissem? 19 At enim Dymnus se occidit! Num igitur facturum eum divinare potui? Minime. Ita, quod solum indicio fidem fecit, id me, cum a Cebalino interpellate sum, movere non poterat. 20 At hercules, si conscius Dymno tanti seeleris fuissem, biduo ilio proditos esse nos dissimulare non debui: Cebalinus ipse tolli de medio nulloque negotio potuit. 21 Denique post delatum indicium, quod operturus eram, cubiculum regis solus intravi, ferro quidem cinctus: cur distuli facinus? An sine Dymno non sum ausus? 22 Ille igitur princeps coniurationis fuit! sub illius umbra Philotas latebam, qui regnum Macedonum adfecto! Ecquis e vobis corruptus est donis? Quem ducem, quem praefectum impensius colui? 23 Mihi quidem obicitur, quod societatem patrii sermonis asperner, quod Macedonum mores fastidiam: sic ego imperio, quod dedignor, immineo. Iam pridem nativus ille sermo commercio aliarum gentium exolevit: tam victoribus quam victis peregrina lingua discenda est. 24 Non, mehercule, ista me magis laedunt, quam quod Amyntas, Perdiccae filius, insidiaras est regi. Cum quo quod amicitia fuerit mihi,

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der vorschickte. Ich war in Furcht, er könne abstreiten, es Kebalinus aufgetragen zu haben, und ich hätte dann in den Augen vieler Freunde des Königs als der Anlaß zu einer Gefahr dastehen können. Auch jetzt schon, wo ich doch niemand ein Leid angetan habe, hat sich einer gefunden, der lieber meinen Untergang wollte, als daß ich unversehrt bliebe: was hätte ich mir aber erst für Feindschaften zugezogen, wenn ich Unschuldige verdächtigt hätte? „Nun aber hat Dymnus sich entleibt; gewiß — konnte ich denn aber ahnen, daß er das tun würde? Niemals! Was also allein der Anzeige Glaubwürdigkeit verliehen hat, das konnte mich damals, als ich von Kebalinus angegangen wurde, nicht in Bewegung setzen. Aber, beim Herkules: wenn ich wirklich Dymnus' Mitverschworener bei einem solchen Verbrechen gewesen wäre, so hätte ich doch nicht etwa zwei Tage lang verheimlichen dürfen, daß wir verraten seien! Kebalinus selbst konnte beseitigt werden, und zwar ohne alle Mühe. Und dann bin ich noch nach erfolgter Anzeige, die ich also unterschlagen wollte, allein in das Schlafgemach des Königs getreten, sogar mit dem Schwert an der Seite: warum habe ich da mit der Tat gezögert? Fühlte ich mich vielleicht ohne Dymnus nicht sicher? Dann war doch also er das Haupt der Verschwörung! Und ich, Philotas, der ich nach der Krone Makedoniens strebe, ich versteckte mich also in seinem Schatten! „Habe ich vielleicht auch nur einen von euch mit Geschenken bestochen? Welchen Führer, welchen Vorgesetzten habe ich wohl mit größerer Inbrunst verehrt? Mir wirft man vor, ich verschmähte die uns gemeinsame Muttersprache, ich verabscheute die makedonischen Landessitten. Ich soll also nach der Herrschaft über ein Reich streben, das ich verachte! Schon längst ist diese meine Muttersprache im Verkehr mit anderen Völkern außer Gebrauch gekommen; müssen doch Sieger wie Besiegte eine fremde Sprache lernen. Das trifft mich wahrhaftig nicht schwerer als die Tatsache, daß Amyntas, der Sohn des Perdikkas, seinem König nach dem Leben getrachtet hat. Das Recht

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non recuso defendere, si fratrem regis non oportuit diligi a nobis. 25 Sin autem in ilio fortunae gradu positum etiam venerari necesse erat, utrum, quaeso, quod non divinavi, reus sum, an impiorum amicis insontibus quoque moriendum est? Quod si aequum est, cur tarn diu vivo? si iniustum, cur nunc demum occidor? 2li At enim scripsi misereri me eorum, quibus vivendum esset sub eo, qui se Iovis filium crederet. Fides amicitiae, veri consilii periculosa libertas, me decepistis! vos, quae sentiebam, ne reticerem, impulistis! 27 Scripsisse me haec fateor regi, non de rege scripsisse. N o n enim faciebam invidiam, sed pro eo timebam. Dignior mihi Alexander videbatur, qui Iovis stirpem tacitus agnosceret, quam qui praedicatione iactaret. 28 Sed quoniam oraculi fides certa est, sit deus causae meae testis: retínete me in vinculis, dum consulitur Hammon, num arcanum et occultum scelus inierim. Qui regem nostrum dignatus est filium, neminem eorum, qui stirpi suae insidiati sunt, latere patietur. 29 Si certiora oraculis creditis esse tormenta, ne hanc quidem exhibendae veritatis fidem deprecor. 30 Solent rei capitis adhibere vobis parentes. Duos fratres ego nuper amisi, patrem nec ostendere possum nec invocare audeo, cum et ipse tanti criminis reus sit. 3 1 Parum est enim tot modo liberum parentem, in

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darauf, mit ihm befreundet gewesen zu sein, nehme ich ohne Scheu für mich in Anspruch: hatte er doch als Bruder des Königs ein Anrecht auf unsere Liebe. Wenn es nun aber unumgänglich notwendig war, eine derart hochgestellte Persönlichkeit zu verehren, bin ich nun schuldig, so frage ich euch, weil ich nicht in die Zukunft schauen konnte, oder müssen auch die unschuldigen Freunde pflichtvergessener Menschen mit ihnen sterben? Wenn dem aber so ist: warum bin ich dann heut noch am Leben? War es ein Unrecht, warum soll ich dann heute erst dafür sterben? „Weiter: ich habe geschrieben, es tue mir leid um die, welche ihr Leben unter einem Mann verbringen müßten, der sich für Jupiters Sohn halte. O Vertrauen auf einen Freund, o gefahrvolles Vorrecht, aufrichtig zu beraten, — wie habt ihr mich da betrogen! Ihr habt mich dazu gebracht, meine Gefühle nicht zu verschweigen. J a , ich habe es geschrieben, aber meinem König schrieb ich es und nicht Uber meinen König! Ich wollte nicht H a ß erregen, — ich war in Furcht für ihn! Mir erschien es eines Alexander würdiger, schweigend seine Abstammung von Jupiter zur Kenntnis zu nehmen, als sich damit laut zu brüsten. Da aber ein Orakel unbedingt Glaube verdient, möge der Gott als Zeuge für oder gegen mich auftreten: haltet mich also in Fesseln, bis Ammon befragt wird, ob ich ein geheimes, tief verborgenes Verbrechen geplant habe; wer unsern K ö nig gewürdigt hat, sein Sohn zu sein, der wird auch nicht zulassen, daß einer von denen verborgen bleibt, die seinem Abkömmling nach dem Leben getrachtet haben ! Und wenn ihr meint, Foltern seien ein besserer Beweis als ein Orakelspruch, so will ich auch diesen Wahrheitsbeweis gern antreten. „Ein auf Leben und T o d Angeklagter pflegt bei euch seine nächsten Blutsverwandten mitzubringen. Nun, ich habe kürzlich zwei Brüder verloren; meinen Vater vermag ich euch nicht zu weisen und wage auch nicht, ihn anzurufen: steht er doch unter der gleichen Anklage wie ich. Es ist ja wohl auch noch nicht bitter genug für einen Vater von nur

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unico filio adquiescentem, eo quoque orbari, nisi ipse in rogum meum imponitur. 32 Ergo, carissime pater, et propter me morieris et mecum. Ego tibi vitam adimo, ego senectutem tuam extinguo. Quid enim me procreabas infelicem adversantibus diis? an ut hos ex me fructus perciperes, qui te manent? 33 Nescio, adulescentia mea miserior sit an senectus tua: ego in ipso robore aetatis eripior, tibi carnifex spiritum adimet, quem, si fortuna expectare voluisset, natura poscebat. 3 4 Admonuit me patris mei mentio, quam timide et cunctanter, quae Cebalinus detulerat ad me, indicare debuerim. Parmenio enim, cum audisset venenum a Philippo medico regi parari, deterrere eum voluit epistula scripta, quominus medicamentum biberet, quod medicus dare constitueret. N u m creditum est patri meo? num ullam auctoritatem eius litterae habuerunt? 3BEgo ipse quotiens, quae audieram, detuli et cum ludibrio credulitatis repulsus sum! Si et, cum indicamus, invisi et, cum tacemus, suspecti sumus, quid facere nos oportet? » 3 e Cumque unus e circumstantium turba exclamasset, bene meritis non insidiari, Philotas « Recte, » inquit « quisquís es, dicis. 37 Itaque si insidiatus sum, poenam non deprecor, et finem facio dicendi, quoniam ultima verba gravia sunt visa auribus. » Abducitur deinde ab iis, qui custodiebant eum.

X I . ''Erat inter duces manu strenuus Bolon quidam, pacis artium et civilis habitus rudis,

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noch so wenigen Kindern - dessen Hoffnung jetzt also nur noch auf einem einzigen Sohne beruht — daß er auch dessen noch beraubt werde; nein, daß man ihn mit mir auf einen Scheiterhaufen bette! Ja, liebster Vater: um meinetwillen wirst du sterben müssen und mit mir! Ich raube dir dein Leben, ich mache deinem greisen Alter ein Ende! Warum mußtest du mich auch zur Welt kommen lassen, mich Unglückseligen, unter dem Zorn der Götter? N u r damit ich dir die bitteren Früchte großzog, die du jetzt erntest? Wer verdient wohl größeres Mitleid: meine Jugend oder dein Alter? Mich reißt man aus der Blüte der Jahre heraus, dir wird der Henker das Leben rauben, das — wenn es dem Schicksal beliebt hätte zu warten — nur die Natur von dir zurückzufordern gehabt hätte! „Bei der Erwähnung meines Vaters fällt mir noch ein, mit welcher Furcht nur und wie zögernd ich das hätte vorbringen dürfen, was Kebalinus mir hinterbracht hatte. Als damals nämlich Parmenion zu Ohren kam, der Arzt Philippus wolle den König vergiften, da hat er ihn durch einen Brief davon abschrecken wollen, das Mittel zu trinken, das der Arzt ihm einzugeben gewillt sei. Und hat man wohl damals meinem Vater Glauben geschenkt? H a t sein Brief irgendwelchen Eindruck gemacht? Und wie oft habe ich selbst dem König Gerüchte zugetragen und bin dann mit Spott über meine Leichtgläubigkeit abgewiesen worden! Wenn man aber nur mißliebig wird mit einer Anzeige, Schweigen jedoch verdächtig macht, was soll man dann eigentlich tun?" Und als einer aus der Menge ringsum ihm zurief : „Wohltätern nicht nach dem Leben trachten!" antwortete Philotas: „Sehr richtig, wer du auch sein magst! Habe ich also nach dem Leben getrachtet, so will ich auch keine Verzeihung und beschließe hiermit meine Rede, denn meine letzten Worte scheinen euch ja beleidigt zu haben." Damit wurde er von seinen Wächtern abgeführt. Nun war unter den Führern ein Mann namens Bolon, zwar tatkräftig, aber ohne Bildung und feines Benehmen; als

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vêtus miles, ab humili ordine ad eum gradum, in quo tunc erat, promotus; 2 qui tacentibus ceteris stolida audacia ferox admonere eos coepit, quotiens suis quisque deversoriis, quae occupassent, proturbatus esset, ut purgamenta servorum Philotae reciperentur eo, unde commilitones expulissent. 3 Auro argentoque véhicula eius onusta totis vicis stetisse, ac ne in viciniam quidem deversorii quemquam commilitonum receptum esse, sed per dispositos, quos supra somnum habebat, omnis procul relegatos, ne femina illa murmurantium inter se silentio verius quam sono excitaretur. 4 Ludibrio ei fuisse rústicos homines Phrygasque et Paphlagonas appellatos, qui non erubesceret, Macedo natus, homines linguae suae per interpretem audire. B Nunc cur Hammonem consuli vellet? eundem Iovis arguisse mendacium Alexandrum filium agnoscentis, scilicet veritum, ne invidiosum esset, quod dii offerrent. "Cum insidiaretur capiti regis et amici, non consuluisse eum Iovem: nunc ad oraculum mittere, dum pater eius sollicitet, quis praesit in Media, et pecunia, cuius custodia commissa sit, perditos homines ad societatem sceleris impellat. 7 Ipsos missuros ad oraculum, non qui Iovem interrogent, quod ex rege cognoverint, sed qui gratias agant, qui vota pro incolumitate regis optimi persolvant.

8 T u m vero universa contio accensa est, et a corporis custodibus initium factum clamantibus discerpendum esse parricidam manibus eorum. Id quidem Philotas, qui graviora sup-

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alter Soldat war er von niederem Rang bis zu seiner jetzigen Stellung aufgestiegen. Während die übrigen schwiegen, begann er, dummdreist und störrisch wie er war, sie daran zu erinnern, wie oft ein jeder von ihnen aus dem Quartier, das er bereits beschlagnahmt habe, wieder hinausgeworfen worden sei, damit das Sklavengesochs des Philotas da unterkomme, wo man Kameraden hinausgejagt habe. Ganze Straßen weit hätten seine Wagen mit Gold und Silber beladen gestanden; nicht einmal in der Nähe seines Quartiers habe einer von seinen Kriegsgefährten eine Unterkunft gefunden, vielmehr seien sie alle durch seine aufgestellten Leute, die er über seinen Schlaf wachen ließ, weit weg verwiesen worden, damit dieses Weib nicht von dem Geflüster der Leute — also eigentlich mehr von ihrem Schweigen als von ihrem Geräusch! — aufgeweckt würde! Gespottet habe er über sie als Bauern und sie Phrygier und Paphlagonier genannt — er, der sich nicht schäme, als gebürtiger Makedone Menschen seiner Heimatsprache mit Hilfe des Dolmetschers anzuhören. Und wozu wolle er jetzt Ammon befragt wissen? Er selber habe ja Jupiter einen Lügner geheißen, als dieser Alexander als seinen Sohn anerkannte: selbstverständlich nur aus Sorge, diese Gabe der Götter könnte verhängnisvoll werden ! Jetzt, wo er seinem König und Freunde nach dem Leben trachte, da habe er natürlich Jupiter nicht erst befragt! Nun aber schicke er zum Orakel, wo sein Vater, der doch Medien verwalte, nach Aufruhr trachte und mit dem Geld, dessen Hut ihm anvertraut sei, verkommene Leute sich zu Spießgesellen gewönne. Allerdings würden sie zum Orakel schicken, aber nicht um Jupiter nach dem zu fragen, was sie vom Könige erfahren hätten, sondern um ihm zu danken und ihm Gelübde zu erfüllen dafür, daß er ihren herrlichen König geschützt habe! D a brach die ganze Versammlung in flammenden Zorn aus, und zwar begannen damit die Leibwächter, indem sie nämlich schrien, man müsse den Hochverräter in Stücke reißen — und das hörte Philotas noch einigermaßen gefaßt:

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plicia metueret, haud sane iniquo animo audiebat. " R e x in contionem reversus, sive ut in custodia quoque torqueret, sive ut diligentius cuneta cognosceret, concilium in posterum diem distulit et, quamquam in vesperam inclinabat dies, tarnen amicos convocari iubet. 1 0 Et ceteris quidem placebat Macedonum more obrui saxis, Hephaestio autem et Craterus et Coenos tormentis veritatem exprimendam esse dixerunt, et illi quoque, qui aliud suaserant, in horum sententiam transeunt. " C o n s i l i o ergo dimisso Hephaestion cum C r a tero et Coeno ad quaestionem de Philota habendam consurgunt. R e x Cratero accersito et sermone habito, cuius summa non edita est, in intimam deversorii partem secessit et remotis arbitris in multam noctem quaestionis expectavit eventum. 1 3 Tortores in conspectum Philotae omnia crudelitatis instrumenta proponunt. w E t ille ultro « Quid cessatis » inquit « regis inimicum, interfectorem confitentem occidere? quid quaestione opus est? cogitavi, volui. » Craterus exigere, ut, quae confiteretur, in tormentis quoque diceret. 1 5 T u m corripitur et, dum obligantur oculi, dum vestís exuitur, déos patrios, gentium iura nequiquam apud surdas aures invocabat. Per últimos deinde cruciatus, utpote et damnatus et inimicis in gratiam regis torquentibus, laceratur. i e A c primo, quamquam hinc ignis illinc verbera iam non ad quaestionem sed ad poenam ingerebantur, non vocem modo sed

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hatte er doch noch schwerere Strafen zu fürchten! Aber der König, der inzwischen in die Versammlung zurückgekehrt war, vertagte das Verfahren auf den folgenden T a g , ob er ihn nun in der H a f t noch foltern lassen oder alles genauer untersuchen wollte; und obwohl es schon Abend wurde, ließ er trotzdem noch seine Freunde zusammenrufen. Zwar waren die übrigen dafür, Philotas nach makedonischer Sitte steinigen zu lassen; Hephästion jedoch sowie Kraterus und Könus erklärten, man müsse von ihm auf der Folter die Wahrheit erpressen. D a schlossen auch die, welche anderes geraten hatten, sich ihrer Meinung an. Alexander entließ daher die Versammelten, und nun schritten Hephästion mitsamt Kraterus und Könus zur peinlichen Befragung des Philotas. Der König ließ noch einmal Kraterus kommen und hatte ein Gespräch mit ihm, dessen Inhalt nicht bekannt geworden ist; dann zog er sich in die inneren Räume seines Quartiers zurück und erwartete ohne Zeugen bis tief in die Nacht hinein das Ergebnis der Befragung. Vor den Augen des Philotas breiten nun die Folterknechte all ihre grausamen Werkzeuge aus. Der aber spricht freimütig: „Was zaudert ihr noch, den Todfeind des Königs, seinen geständigen Mörder, zu töten? Was braucht es noch der peinlichen Befragung? Ich habe es geplant und gewollt!" Aber Kraterus verlangt, er solle sein Geständnis auf der Folter wiederholen. Darauf ergreift man ihn, und während man ihm die Augen verbindet, während man ihn auszieht, ruft er immer wieder die heimischen Götter und das Recht an, das bei allen Völkern gilt — aber er spricht zu tauben Ohren. Bis in den letzten Grad der Folterung zerfleischen sie seinen Körper: steht doch das Urteil über ihn schon fest, und seine Feinde, die ihn foltern, tun es, um sich beim König beliebt zu machen. Anfangs, wenn ihm auch bald mit Feuer, bald mit Geißeln zugesetzt wurde — zur Peinigung, nicht zur Befragung! — war er doch stark genug, nicht ein Wort oder auch nur ein

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etiam gemitus habuit in potestate; 17 sed postquam intumescens corpus ulceribus flagellorum ictus nudis ossibus incussos ferre non poterat, si tormentis adhibituri modum essent, dicturum se, quae scire expeterent, pollicetur. 18 Sed finem quaestioni fore iurare eos per Alexandri salutem volebat removerique tortores. Et utroque impetrato « Cratere, » inquit « die, quid me velis dicere. » 19 Illo indignante ludificari eum rursusque revocante tortores tempus petere coepit, dum reciperet spiritum, cuncta, quae sciret, indicaturus. 2 0 Interim équités, nobilissimus quisque et ii maxime, qui Parmenionem propinqua cognatione contingebant, postquam Philotan torqueri fama vulgaverat, legem Macedonum veriti, qua cautum erat, ut propinqui eorum, qui regi insidiati essent, cum ipsis necarentur, alii se interficiunt, alii in devios montes vastasque solitudines fugiunt ingenti per tota castra terrore diffuso, donee rex tumultu cognito legem se de supplicio coniunctorum sontibus remittere edixit. 21 Philotas verone an mendacio liberare se a cruciatu voluerit, anceps coniectura est, quoniam et vera confessis et falsa dicentibus idem doloris finis ostenditur. ^ C e t e rum « Pater » inquit « meus Hegelocho quam familiariter usus sit, non ignoratis; illum dico Hegelochum, qui in acie cecidit: omnium malorum nobis fuit causa. 2 3 Nam cum primum Iovis filium se salutari iussit rex, id indigne ferens ille « Hunc igitur regem agnoscimus, » inquit « qui Philippum dedignatur patrem? Actum

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Stöhnen von sich zu geben. Als dann jedoch der von Geißelstriemen aufgeschwollene Leib die Schläge auf die nackten Knochen nicht mehr zu ertragen vermochte, versprach er, auszusagen, was sie zu hören wünschten, wenn sie nur mit der Folterung innehalten wollten. Aber er verlangte, sie sollten beim Leben Alexanders schwören, daß die Folterung jetzt aufhören werde, und sie sollten die Folterknechte gehen heißen. Als man ihm beides gewährt hatte, sprach er: „ N u n sag, Kraterus, was du von mir hören willst!" Dieser erklärte voll Wut, er wolle ihn verspotten, und rief sogleich die Folterknechte wieder zurück. Darauf begann Philotas um einen Augenblick Zeit zu bitten, bis er wieder zu Atem komme, dann werde er alles aussagen, was er nur wisse. Inzwischen gerieten die Edlen unter den „Rittern" und zwar besonders die, welche Parmenion nahe verwandt waren, auf die Kunde von Philotas* Folterung hin in Furcht, und zwar ob des makedonischen Gesetzes, welches bestimmte, daß die Verwandten eines Mannes, der dem König nach dem Leben getrachtet, mit diesem sterben müßten. Teils begingen sie Selbstmord, teils flohen sie auf unzugängliche Berge und in die Wüste, so daß sich im ganzen Lager ein furchtbarer Schrecken verbreitete, bis dann der König, als er von dem Tumulte erfuhr, erklären ließ, er wollte das Gesetz über die Sippenhaft nicht anwenden. Ob Philotas durch die Wahrheit oder durch eine Lüge von der weiteren Folterung freikommen wollte, darüber herrscht keine Gewißheit, denn es steht ja doch das gleiche Ende des Schmerzes in Aussicht, ob man nun die Wahrheit gesteht oder ob man falsche Aussagen macht. Jedenfalls sagte er: „Wie nahe mein Vater dem Hegelochus stand, das wißt ihr genau; jenen Hegelochus meine ich, der gefallen ist. Er war der Anlaß zu all unsern Leiden. Denn kaum daß der König gebot, man habe ihn als Sohn Jupiters zu grüßen, da sprach er voll Empörung: ,Das soll also unser König sein, der seinen Vater Philippus mißachtet? Wenn wir derglei-

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est de nobis, si ista perpeti possumus. 2 4 N o n homines solum sed etiam déos despicit, qui postulat deus credi. Amisimus Alexandrum, amisimus regem: incidimus in superbiam nec dis, quibus se exaequat, nec hominibus, quibus se eximit, tolerabilem. 2 B Nostrone sanguine deum fecimus, qui nos fastidiat? qui gravetur mortalium adire concilium? Crédité mihi, et nos, si viri sumus, a dis adoptabimur. 2 e Q u i s proavum huius Archelaum, quis deinde Alexandrum, quis Perdiccan occisos ultus est? Hic quidem interfectoribus patris ignovit. » 2 7 Haec Hegelochus dixit super cenam; et postero die prima luce a pâtre accersor. Tristis erat et me maestum videbat: audieramus enim, quae sollicitudinem incuterent. 2 8 Itaque, ut experiremur, utrumne vino gravatus effudisset ilia an altiore concepta Consilio, accersi eum placuit. Venit eodemque sermone ultro repetito adiecit, se, sive auderemus duces esse, próximas a nobis partes vindicaturum, sive deesset animus, consilium silentio esse tecturum. 2 9 Parmenioni vivo adhuc D a reo intempestiva res videbatur: non enim sibi sed hosti esse occisuros Alexandrum, Dareo vero sublato praemium regis occisi Asiam et totum Orientem interfectoribus esse cessura. Adprobatoque Consilio in haec fides et data est et accepta. Q u o d ad Dymnum pertinet, nihil scio, et haec confessus intellego non prodesse mihi, quod praesentis sceleris expers s u m . »

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chen dulden wollten, so stände es schlimm um uns! Wer da als Gott zu gelten wünscht, der verachtet ja nicht nur die Menschen, sondern die Götter selbst! Damit haben wir Alexander verloren, verloren unseren König: damit sind wir einem Hochmut verfallen, den weder die Götter dulden können, denen er sich gleichstellt, noch die Menschen, aus deren Stand er sich heraushebt. Haben wir unser Blut dafür geopfert, jemanden zum Gott zu machen, der uns als niedrig verachtet? Den es lästig dünkt, seinen Schritt in eine Versammlung bloßer Menschen zu lenken? Glaubt mir: auch wir werden einst Söhne der Götter heißen, wenn wir nur Männer sind! Wer hat denn den Mord an seinem Vorfahren Archelaus, dann an Alexander und schließlich an Perdikkas gerächt? Er selbst aber hat den Mördern seines Vaters verziehen!' „ S o sprach Hegelochus an der Tafel, und am folgenden T a g ließ mich mein Vater in der Frühe holen. Er war traurig und sah auch mich bekümmert: hatten wir doch Dinge gehört, die uns in schwere Besorgnis stürzten. Um nun festzustellen, ob jener das alles nur so im Weine herausgesprudelt habe oder ob eine tiefere Überzeugung dahinterstehe, beschlossen wir, auch ihn kommen zu lassen. Er kam und wiederholte nicht nur freiwillig seine Worte, sondern fügte noch hinzu: wenn wir nur Mut besäßen, voranzugehen, so würde er getreulich in unsere Fußstapfen treten; wenn uns aber der Mut fehlte, so würde er über seinen Plan den Mund halten. „Parmenion schien die Sache verfrüht, solangeDarius noch lebte; würde man doch nicht sich selbst, sondern dem Landesfeind zuliebe Alexander ermorden; wäre aber erst Darius beseitigt, so würde den Mördern als Lohn für den T o d ihres Königs Asien und der gesamte Orient zufallen. Dieser Plan fand Zustimmung, und darauf lautete Schwur und Gegenschwur. Was aber Dymnus betrifft, so weiß ich nichts. Und nach meinem Geständnis wüßte ich auch nicht, was es mir noch nützen sollte, daß ich an diesem letzten Verbrechen keinen Anteil habe."

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Illi rursus tormentîs admotis, cum ipsis quoque hastis os oculosque eius everberarent, expressere, ut hoc quoque crimen confiteretur. 32 Exigentibus deinde, ut ordinem cogitati sceleris exponeret, cum diu Bactra retentura regem viderentur, timuisse respondit, ne pater L X X natus annos, tanti exercitus dux [tantus], tantae pecuniae custos, interim extingueretur, ipsique spoliato tantis viribus occidendi regis causa non esset. S3 Festinasse ergo se, dum praemium in manibus haberet, repraesentare consilium; cuius patrem expertem fuisse nisi crederent, tormenta, quamquam iam tolerare non posset, tamen non recusare. 34 Illi conlocuti satis quaesitum videri ad regem revertuntur, qui postero die et, quae confessus erat Philotas, recitari et ipsum, quia ingredi non poterat, iussit adferri. 35 Omnia agnoscente eo Demetrius, qui proximi sceleris particeps esse arguebatur, producitur. Multa adfirmatione animique pariter [et] constantia et vultus abnuens, quicquam sibi in regem cogitatum esse, tormenta etiam deposcebat in semetipsum, 3e cum Philotas circumlatis oculis, ut incidere in Calin quendam haud procul stantem, propius eum iussit accedere. Ilio perturbato et recusante transiré ad eum « Patieris » inquit « Demetrium mentiri rursusque me excruciari? » 37 Calin vox sanguisque defecerant, et Macedones Philotan inquinare innoxios velie suspicabantur, quia nec a Nicomacho nec ab ipso Philota, cum torqueretur, nominatus esset adulescens. Qui ut praefectos regis circumstantes se vidit, Demetrium et se-

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Wieder nahmen sie ihn in die Folter, indem sie mit ihren eigenen Spießen ihm ins Gesicht und auf die Augen schlugen, und nötigten ihm so das Geständnis ab, er sei auch dieses Verbrechens schuldig. Als man sodann verlangte, er solle der Reihe nach den Plan des schändlichen Verbrechens schildern, gab er zur Antwort: da Baktra den König allzu lange hinzuhalten drohte, habe er gefürchtet, sein siebzigjähriger Vater, Führer eines so großen Heeres und Hüter eines so großen Schatzes, könne inzwischen sterben, und für ihn selbst hätte es dann, wenn er solcher Machtmittel beraubt wäre, keinen Zweck mehr gehabt, den König zu ermorden. Er habe sich also beeilt, solange er noch den Preis seines Tuns in Händen gehabt, den Plan in die Tat umzusetzen; falls sie ihm etwa nicht glauben wollten, daß sein Vater schuldlos daran sei, so wolle er erneut gefoltert werden, ob er es gleich nicht mehr aushalten könne. Die andern sprachen miteinander, es scheine jetzt genügend untersucht, und begaben sich wieder zum König. Dieser ließ am folgenden Tag die Geständnisse des Philotas vorlesen und ihn selbst herbeitragen, da er nicht mehr zu gehen vermochte. Als er selbst alles zugab, wurde Demetrius vorgeführt, den man beschuldigte, an dem letzten Verbrechen teilzuhaben. Als dieser lebhaft beteuerte und gleichstarken Sinnes wie Blickes erklärte, er habe nichts gegen den König geplant, ja selbst gefoltert zu werden verlangte, da ließ Philotas seine Blicke im Kreise herumgehen, und wie sie auf einen Mann namens Kalis fielen, der nicht weit von ihm stand, hieß er ihn näher herzutreten. Da dieser erschrak und sich weigerte, zu ihm hinzugehen, sagte er: „Du willst es also zulassen, daß Demetrius lügt und ich noch einmal gefoltert werde?" Kalis war totenbleich geworden und vermochte kein Wort vorzubringen, und die Makedonen überkam schon der Verdacht, Philotas wolle Unschuldige mit hineinreißen: hatten doch weder Nikomachus noch Philotas selbst auf der Folter diesen jungen Menschen genannt. Wie der nun aber die Feldherrn des Königs rings um sich sah, gestand er, Demetrius und er

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metipsum id facinus cogitasse confessus est. Omnes ergo [a Nicomacho nominati] more patrio dato signo saxis obruerunt. 39 Magno non salutis sed etiam invidiae periculo liberatus erat Alexander: quippe Parmenio et Philotas, principes amicorum, nisi palam sontes, sine indignatione totius exercitus non potuissent damnari. 4 0 Itaque anceps quaestio fuit: dum infitiatus est facinus, crudeliter torqueri videbatur; post confessionem [et] iam neque [Philotas] amicorum misericordiam meruit. 38

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I. 1 Philotan sicut recentibus sceleris eius vestigiis iure adfectum supplicio censuerant milites, ita, postquam desierat esse quem odissent, invidia in misericordiam vertit. 2 Moverat et claritas iuvenis et patris eius senectus atque órbitas. 3 Primus Asiam aperuerat regi, omnium periculorum eius particeps semper alterum in acie cornu defenderat, Philippo quoque ante omnes amicus et ipsi Alexandro tam fidus, ut occidendi Attalum non alio ministro uti mallet. 4 Horum cogitatio subibat exercitum, seditiosaeque voces referebantur ad regem. Quis ille haud sane motus satisque prudens otii vitia negotio discuti edicit, ut omnes in vestíbulo regiae praesto sint. °Quos ubi fréquentes adesse

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selbst hätten die Tat ersonnen. Also wurden alle [die Nikomachus genannt hatte] auf ein Zeichen hin nach der heimischen Sitte gesteinigt. So war Alexander nicht nur von der drohenden Todesgefahr, sondern auch von der Gefahr einer gehässigen Nachrede erlöst: dennParmenion undPhilotas, die höchststehenden unter seinen Freunden, hätten ohne öffentlichen Schuldbeweis nur unter erbitterten Gefühlen des ganzen Heeres verurteilt werden können. Und so war denn die Folter ein zweideutiges Ding: solange die Untat noch abgestritten wurde, mußte sie als eine Grausamkeit gegen Philotas erscheinen; nach dem Geständnis aber hatte er auch keinen Anspruch mehr auf das Mitleid selbst seiner Freunde. SIEBTES

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Was nun Philotas betrifft, so hatten zwar die Soldaten gemeint, er sei zu Recht hingerichtet worden, solange nämlich die Spuren seiner Untat noch vor aller Augen standen; seitdem aber der damals Verhaßte nicht mehr am Leben war, verwandelte sich ihre Abneigung in Mitgefühl. Anlaß dazu waren der Glanz, der von dem jugendlichen Manne ausging, die hohen Jahre seines Vaters und die Tatsache, daß dieser nun kinderlos dastand. Er hatte für ihren König die ersten Schritte in Asien unternommen; als sein Gefährte in allen Gefahren hatte er stets in der Schlacht den einen Flügel befehligt. Auch war er Philipps bester Freund gewesen und Alexander selbst so treu ergeben, daß dieser sich bei der Beseitigung des Attalus keines besseren Helfers hatte bedienen mögen. Daran begann das Heer jetzt zu denken, und schon drangen aufrührerische Worte zum König. Sie machten jedoch keinen Eindruck auf ihn, und klug genug zu wissen, daß die Laster des Müßigganges durch Beschäftigung vertrieben werden, ließ er alle auf dem Vorplatz des Königsgezelts antreten. Sobald er sie zahlreich anwesend wußte,

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cognovit, in contionem processit. Haud dubie ex composito Atarrhias postulare coepit, ut Lyncestes Alexander, qui multo ante quam Philotas regem voluisset occidere, exhiberetur. 6 A duobus indicibus, sicut supra diximus, delatus tertium iam annum custodiebatur in vinculis. Eundem in Philippi quoque caedem coniurasse cum Pausania pro comperto fuit, sed quia primus Alexandrum regem salutaverat, supplicio magis quam crimini fuerat exemptus; 7 tum quoque Antipatri soceri eius preces iustam regis iram morabantur. Ceterum recruduit suppuratus dolor: quippe veteris periculi memoriam praesentis cura renovabat. 8 Igitur Alexander ex custodia educitur iussusque dicere, quamquam toto triennio meditatus erat defensioncm, tarnen haesitans et trepidus pauca ex iis, quae composuerat, protulit, ad ultimum non memoria solum sed etiam mens eum destituit. 9 Nulli erat dubium, quin trepidatio conscientiae indicium esset, non memoriae vitium. Itaque ex iis, qui proximi adstiterant, obluctantem adhuc oblivioni lancéis confoderunt.

Cuius corpore ablato rex introduci iussit Amyntam et Simmiam; nam Polemon, minimus ex fratribus, cum Philotan torqueri comperisset, profugerat. "Omnium Philotae amicorum hi carissimi fuerant, ad magna et honorata ministeria illius maxime suffragatione producti, memineratque rex summo studio ab eo conciliatos sibi nec dubitabat huius quoque ultimi consilii fuisse participes. 12 Igitur olim sibi esse suspectos matris suae litteris, quibus esset admonitus, 10

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erschien er vor der Versammlung. Nun verlangte - zweifellos nach vorheriger Vereinbarung - Atarrhias, der Lynkeste Alexander solle vorgeführt werden, der schon lange vor Philotas seinen König habe ermorden wollen. Dieser - wie oben geschildert, von zwei Zeugen angezeigt - wurde schon das dritte Jahr in H a f t gehalten; zwar galt es als ausgemacht, daß er sich mit Pausanias auch zum Mord an Philipp verschworen habe, aber weil er noch vor den anderen Alexander als König begrüßt hatte, war er deshalb zwar von der Hinrichtung, nicht aber von dem Vorwurf des Verbrechens verschont geblieben. Auch jetzt noch hemmten die Bitten seines Schwiegervaters Antipater den gerechten Zorn des Königs. Nun aber brach die fortschwärende Wunde neu auf, denn die Sorge ob der gegenwärtigen Gefahr ließ die Erinnerung an die alte wieder aufkommen. Also führte man Alexander aus der H a f t vor und befahl ihm zu sprechen; aber obwohl er volle drei Jahre über seine Verteidigung hatte nachdenken können, brachte er doch nur stockend und ängstlich einiges wenige von dem vor, was er sich zurechtgelegt hatte, ja schließlich verließ ihn nicht nur das Gedächtnis, sondern auch die Besinnung. Niemand war mehr im Zweifel, daß seine Bestürzung das Zugeständnis eines schlechten Gewissens bedeutete, nicht aber etwa ein Versagen des Gedächtnisses. Daher stießen ihn die Zunächststehenden mit ihren Lanzen nieder, während er noch bemüht war sich zu besinnen. Als man seine Leiche fortgetragen hatte, ließ sich der König Amyntas und Simmias vorführen, denn Polemon, der jüngste der drei Brüder, war geflüchtet, als er von Philotas' Folterung erfahren hatte. Sie waren Philotas' beste Freunde gewesen und vor allem durch seine Empfehlung in den Besitz hoher und ehrenvoller Ämter gelangt. Zugleich besann sich der König sehr wohl, daß jener sie ihm nachdrücklichst empfohlen hatte, und zweifelte somit nicht, daß sie gleichfalls an jenem letzten Plan Anteil hatten: schon längst habe ein Brief seiner Mutter sie ihm verdäch-

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ut ab his salutem suam tueretur; ceterum se invituni deteriora credentem nunc manifestis indiciis victum iussisse vinciri. 13 Nam pridie quam detegeretur Philotae scelus, quin in secreto cum eo fuissent, non posse dubitari. Fratrem vero, qui profugerit, cum de Philota quaereretur, aperuisse fugae causam. 14 Nuper praeter consuetudinem officii specie amotis longius ceteris admovisse semetipsos lateri suo nulla probabili causa, seque mirantem, quod non vice sua tali fungerentur officio, et ipsa trepidatione eorum perterritum strenue ad armígeros, qui proxime sequebantur, recessisse. 15 Ad haec accedere, quod, cum Antiphanes scriba equitum Amyntae denuntiasset, pridie quam Philotae scelus deprehensum esset, ut ex suis equis more solito daret iis, qui amisissent equos, superbe respondisset, nisi incepto desisteret, brevi sciturum, quis ipse esset. 16 Iam linguae violentiam temeritatemque verborum, quae in semetipsum iacularentur, nihil aliud esse quam scelesti animi indicem ac testem. Quae si vera essent, idem meruisse eos quod Philotan, si falsa, exigere ipsum, ut refellant. 17 Productus deinde Antiphanes de equis non traditis et adiectis etiam superbe minis indicat. 18 Tum Amyntas facta dicen- 3 di potestate « Si nihil » inquit « interest regis, peto ut, dum dico, vinculis liberer. » Rex solvi utrumque iubet, desiderantique Amyntae, ut habitus quoque redderetur armigeri, lanceam dari iussit. " Q u a m ut laeva comprehendit, evi-

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tig gemacht, worin sie ihn ermahnt habe, er solle vor ihnen auf der H u t sein! Sonst nur ungern Niederes glaubend, habe er jetzt, von offenen Beweisen genötigt, ihre Verhaftung angeordnet. Daß sie einen Tag, bevor Philotas' Verbrechen ans Licht gekommen, mit ihm heimlich zusammengewesen seien, unterliege keinem Zweifel. Und nun habe der Bruder, der ja während der Befragung des Philotas geflüchtet sei, den Anlaß zu dieser Flucht offenbar gemacht! Noch neulich hätten sie gegen alle Gewohnheit unter dem Vorwand einer Dienstleistung die übrigen beiseitegeschoben und sich selbst ohne einen offensichtlichen Anlaß an seine Seite gedrängt: verwundert, warum sie nicht in der ihnen zukommenden Reihenfolge ihren Dienst verrichteten, und durch ihre eigene unsichere Haltung erschreckt, sei er, der König, eilig zu den ihm dicht auffolgenden Leibwächtern zurückgewichen. Dazu komme noch, daß Antiphanes, der Zahlmeister der Reiterei, Amyntas aufgefordert habe - und zwar an dem Tag, bevor des Philotas Verbrechen ans Licht kam - er solle von seinen eigenen Pferden wie üblich an die abgeben, die ihre Pferde eingebüßt hätten: da habe jener hochmütig geantwortet, wenn er sein Vorhaben nicht aufgebe, werde er in Kürze erfahren, wer er selbst in Wirklichkeit sei. Nunmehr seien seine heftige Rede und die unbesonnenen Worte, die sich gegen ihn selbst richteten, unbedingt Zeugnis für seine verbrecherische Gesinnung. Wenn dies aber stimme, so hätten sie dasselbe verdient wie Philotas, und wenn nicht, so verlange er, sie sollten es widerlegen! Vorgeführt wurde sodann Antiphanes und machte seine Aussage hinsichtlich der verweigerten Pferde und der dazugefügten hochmütigen Drohungen. Darauf erhielt Amyntas das Wort; er sagte: „Wenn es dem König nichts ausmacht, so bitte ich, während meiner Worte von den Fesseln befreit zu werden!" Der König ließ beide davon befreien und Amyntas auf seinen Wunsch, man möge ihn auch äußerlich wieder zu einem Mann der Leibwache machen, eine Lanze reichen. Dieser faßte sie mit der Lin-

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tato eo loco, in quo Alexandri corpus paulo ante iacuerat, « Qualiscumque » inquit « exitus nos manet, rex, confitemur prosperum tibi debituros, tristiorem fortunae imputaturos. 2 0 Sine praeiudicio dicimus causam liberis corporibus animisque; habitum etiam, in quo te comitari solemus, reddidisti. Causam non possumus, fortunam timere desìmus. 2 1 E t , quaeso, permitías mihi id primum defendere, quod a te ultimum obiectum est. Nos, rex, sermonis adversus maiestatem tuam habiti nullius conscii sumus nobis. Dicerem iam pridem vicisse te invidiam, nisi periculum esset, ne alia malignius dieta crederes blanda oratione purgari. 2 2 Ceterum etiamsi militis tui vel in agmine deficientis et fatigati vel in acie periclitantis vel in tabernaculo aegri et vulnera curantis aliqua vox asperior esset accepta, merueramus fortibus factis, ut malles ea tempori nostro imputare quam animo. 2 3 C u m quid accidit tristius, omnes rei sunt: corporibus nostris, quae utique non odimus, infestas admovemus manus; parentes, liberis si occurrant, et ingrati et invisi sunt. Contra cum donis honoramur, cum praemiis onusti revertimur, quis ferre nos potest? quis illam animorum alacritatem continere? 2 i Militantium nec indignatio nec laetitia moderata est. Ad omnes adfectus ímpetu rapimur: vituperamus laudamus, miseremur iraseimur, utcumque praesens movit

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ken; er vermied die Stelle, wo eben noch Alexanders Leichnam gelegen hatte, und sprach: „Ganz gleich, was auf uns wartet, mein König: wir bekennen, daß wir den günstigen Ausgang unseres Geschicks dir verdanken wollen, den unheilvolleren aber dem Geschick zuschreiben werden. Ohne daß schon ein Urteil über uns gefällt ist, verteidigen wir uns hier, frei an Leib und Seele. Hast du uns doch auch das äußere Zeichen wiedergegeben, mit dem wir dich zu begleiten pflegen! Vor dem Prozeß vermögen wir keine Furcht zu empfinden - die Furcht vor dem Schicksal aber haben wir fahren lassen! Und nun bitte gestatte mir, mich zuerst gegen deine letzte Beschuldigung zu verteidigen! „Wir, mein König, sind uns keinerlei Reden gegen deine Hoheit bewußt. Ich würde behaupten, du ständest schon längst jenseits aller neidischen Anfeindungen, wenn ich dabei nicht Gefahr liefe, du könntest glauben, ich wollte hier andere, böswillige Worte durch eitle Schmeichelei wieder wettmachen. Aber solltest du auch von deinem Krieger, wenn er unterwegs schlappmachte oder in der Schlacht in Not geriet oder in seinem Zelt krank lag und seine Wunden ausheilen mußte, irgendeinmal ein rauheres Wort vernommen haben - nun, so hätten wir doch für unsere tapferen Taten verdient, daß du bei dergleichen lieber unserer augenblicklichen Lage Rechnung trügest, als daß du sie unserer Gesinnung zuschöbest! Denn stößt uns irgendetwas Härteres zu, dann geben wir allem die Schuld: wir legen Hand an uns selbst, sowenig wir sonst unseren Körper als Feind empfinden; wenn Eltern ihren Kindern in den Weg treten, so empfinden diese sie als lästig und hassenswert. Werden wir aber mit Geschenken geehrt und kehren mit Belohnungen überhäuft zurück - wer vermag uns dann in unserer übermütigen Munterkeit zu ertragen, wer sie zu zügeln? Der Soldat kennt eben in Freud und Leid kein Maß; alle Gefühle erleben wir leidenschaftlich: wir tadeln, wir rühmen, wir hegen Erbarmen oder Zorn, ganz wie das Gefühl des Augenblicks uns bewegt. Bald

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adfectio. Modo Indiam adire et Oceanum libet, modo coniugum et liberorum patriaeque memoria occurrit. 25Sed has cogitationes, has inter se conloquentium voces signum tuba datum finit: in suos quisque ordines currimus, et quicquid irarum in tabernáculo conceptum est, in hostium effunditur capita. Utinam Philotas quoque intra verba peccasset! 26 Proinde ad id praevertar, propter quod rei sumus. Amicitiam, quae nobis cum Philota fuit, adeo non eo infitias, ut expetisse quoque nos magnosque ex ea fructus percepisse confitear. 27 An vero Parmenionis, quem tibi proximum esse voluisti, filium omnes paene amicos tuos dignatione vincentem cultum a nobis esse miraris? 28 Tu, hercules, si verum audire vis, rex, huius nobis periculi es causa. Quis enim alius effecit, ut ad Philotan decurrerent, qui piacere vellent tibi? Ab ilio traditi ad hunc gradum amicitiae tuae ascendimus. Is apud te fuit, cuius et gratiam expetere et ir am timere possemus. 29 An non propemodum in tua verba tui omnes te praeeunte iuravimus eosdem nos inimicos amicosque habituros esse, quos tu haberes? Hoc sacramento pietatis obstricti aversaremur scilicet, quem tu omnibus praeferebas ! 30 Igitur, si hoc crimen est, paucos innocentes habes, immo, hercules, neminem. Omnes enim Philotae amici esse voluerunt, sed totidem, quot volebant, esse non poterant. Ita, si a consciis amicos non dividís, ne ab amicis quidem separabis illos, qui idem esse voluerunt 31 Quod igitur conscientiae adfertur indicium?

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haben wir Lust, nach Indien zu marschieren und bis ans Weltmeer, bald hemmen uns Erinnerungen an Weib und Kinder und Heimat. Aber diesen Gedanken, diesen unseren Gesprächen miteinander macht das Trompetensignal ein Ende: schon eilen wir ein jeder auf seinen Platz, und all der Zorn, der uns im Zelte erfüllt hat, ergießt sich nun auf die Häupter der Feinde. O hätte doch Philotas auch nur mit Worten gesündigt ! Und somit kehre ich zu dem zurück, was man uns vorgeworfen hat. Unsere Freundschaft mit Philotas will ich keineswegs ableugnen: vielmehr gestehe ich zu, wir haben danach gestrebt und große Vorteile aus ihr gezogen. Daß wir den Sohn Parmenions, den du dir zunächst hast stehen lassen - daß wir diesen Sohn, der fast all deine Freunde an Rang übertraf, verehrt haben: wundert dich das? Du selbst, beim Herkules, wenn du die Wahrheit nur vernehmen willst, mein König, du bist schuld an der Gefahr, in die wir geraten sind! Denn wer anders hat den Anlaß dazu gegeben, daß zu Philotas lief, wer dir gefallen wollte? Von ihm empfohlen, haben wir diese Stufe in der Freundschaft mit dir erklommen! Er galt bei dir so viel, daß wir seine Gunst zu suchen wie auch seinen Zorn zu fürchten hatten. Oder haben nicht etwa wir alle, die wir uns die Deinen nennen, wie auf eine von dir vorgesprochene Eidformel geschworen, daß wir dieselben als Feind und als Freund betrachten wollten, die du dafür ansahst? Von diesem frommen Eide gebunden sollten wir uns nun feindlich gegen den Mann stellen, den du über alle erhobst? „Wenn das also ein Verbrechen darstellt, so hast du nur wenige Unschuldige um dich, vielmehr, beim Herkules, keinen! Haben doch alle des Philotas Freunde sein wollen, nur haben nicht alle, die das wünschten, es auch vermocht! Wenn du also keinen Unterschied machst zwischen Schuldigen und Freunden, so wirst du auch von den Freunden nicht die abtrennen können, die das ebenfalls zu sein gewünscht haben! „Und was für ein Beweis unserer Mitwisserschaft wird

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U t opinor, quia pridie familiariter et sine arbitris locutus est nobiscum. A t ego purgare non possem, si pridie quicquam ex vetere vita ac more mutassem. N u n c vero, si, ut omnibus diebus, ilio quoque, qui suspectus est, fecimus, consuetudo diluet crimen. 3 2 Sed equos Antiphani non dedimus, et pridie quam Philotas detectus est, hinc mihi cum Antiphane res erat. Qui si nos suspectos facere vult, quod ilio die equos non dederimus, semetipsum, quod eos desideraverit, purgare non poterit. 33 Anceps enim crimen est inter retinentem et exigentem, nisi quod melior est causa suum non tradentis quam poscentis alienum. 3 4 Ceterum, rex, equos decern habui, e quibus Antiphanes octo iam distribuerat iis, qui amiserant suos, omnino duos ipse habebam; quos cum vellet abducere homo superbissimus, certe iniquissimus, nisi pedes militare vellem, retiñere cogebar. 3 5 Nec infitias eo liberi hominis animo locutum esse me cum ignavissimo et hoc unum militiae ius usurpante, ut alíenos equos pugnaturis distribuât. Hue enim malorum ventum est, ut verba mea eodem tempore et Alexandra excusem et Antiphani.

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hercule, mater de nobis inimicis tuis scripsit! Utinam prudentius esset sollicita pro filio et non inanes quoque species anxio animo figu-

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nun also vorgebracht? Ich schätze, weil er am Tag zuvor freundschaftlich und ohne Zeugen mit uns gesprochen hat. Nun: wenn ich am Vortage etwas an meinem bisherigen Leben und meiner Art geändert hätte, so könnte ich mich nicht rechtfertigen; falls wir aber so wie an allen Tagen auch an dem gehandelt haben, der uns in Verdacht gebracht hat, dann wird gerade diese Gewohnheit die Anwürfe gegen uns entkräften können! „Aber nun haben wir dem Antiphanes die Pferde nicht gegeben, und zwar hatte ich gerade an dem Tage, bevor man Philotas entlarvte, diese Geschichte mit Antiphanes. Wenn der uns nun in Verdacht bringen möchte, weil wir an diesem Tage die Pferde nicht hergegeben haben, so wird er sich auch selbst nicht weißwaschen können, daß er sie verlangt hat! Wenn nämlich einer zurückhält und der andere fordert, so ist es mit der Schuld immer eine zweifelhafte Sache: nur daß es von vornherein um den besser steht, der das Seine nicht herausgeben will, als um den, der Fremdes fordert! „Mein König: ich habe zehn Pferde gehabt; von diesen hatte Antiphanes schon acht Stück an diejenigen verteilt, die die ihren verloren hatten, und so besaß ich im ganzen nur noch zwei. Und als der anmaßende oder doch jedenfalls äußerst unbillig fordernde Mann mir auch noch diese wegnehmen wollte, da sah ich mich allerdings genötigt, sie zu verweigern, wollte ich nicht weiterhin zu Fuß marschieren! Ich gebe zu: ich habe als ein freier Mann mit diesem Feigling gesprochen, der als einziges Recht seines Soldatentums das für sich in Anspruch nimmt, anderer Leute Pferde an Kämpfer verteilen zu wollen. Dabei ist es denn nun zu dem Übelstand gekommen, daß ich meine Worte gleichzeitig einem Alexander gegenüber entschuldigen muß und einem Antiphanes! „Nun aber dazu, beim Herkules, daß deine Mutter von uns als deinen persönlichen Feinden geschrieben hat! Wäre sie doch klüger um ihren Sohn besorgt, statt daß sie in ihrem ängstlichen Herzen leere Wahnvorstellungen erdich-

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raret! Q u a r e enim non adscribit metus sui causam, denique non ostendit auctorem? Q u o facto dictove nostro mota tam trepidas tibi litteras scripsit? 3 Ό miseram condicionem meam, quia forsitan non periculosius est tacere quam dicere! Sed utcumque cessura res est, malo tibi defensionem meam displicere quam causam. Agnosces autem, quae dicturus sum: quippe meministi, cum me ad perducendos ex Macedonia milites mitteres, dixisse te multos íntegros iuvenes in domo tuae matris abscondi. 3 8 Praecepisti igitur mihi, ne quem praeter te intuerer, sed detrectantes militiam perducerem ad te. Q u o d equidem feci et liberius, quam expediebat mihi, executus sum tuum imperium. Gorgiam et Hecataeum et Gorgatan, quorum bona opera uteris, inde perduxi. 3 9 Q u i d igitur iniquius est quam me, qui, si tibi non paruissem, iure daturus fui poenas, nunc perire, quia parui? Ñeque enim ulla alia matri tuae persequendi nos causa est, quam quod utilitatem tuam muliebri praeposuimus gratiae. 4 0 V I milia Macedonum peditum et D C équités adduxi, quorum pars secutura me non erat, si militiam detrectantibus indulgere voluissem. Sequitur ergo, ut, quia ilia propter hanc causam irascitur nobis, tu mitigés matrem, qui irae eius nos obtulisti. »

II. x D u m haec Amyntas agit, forte supervenerunt, qui fratrem eius Polemonem, de quo ante est dictum, fugientem consecuti vinctum reducebant. Infesta contio vix inhiberi potuit, quin protinus suo more saxa in eum iaceret.

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tete! Warum schreibt sie nicht auch den Grund ihrer Furcht dazu und gibt überhaupt ihren Gewährsmann nicht an? Welche Tat oder welches unserer Worte hat sie einen solch angsterfüllten Brief an dich schreiben lassen? Was ist das für eine jammervolle Lage, wenn es für mich vielleicht ebenso gefährlich ist zu schweigen wie zu reden? Aber wie es auch immer ausgehen wird - lieber soll dir meine Rechtfertigung mißfallen als meine Rechtssache! Du wirst anerkennen müssen, was ich jetzt sagen will, denn du entsinnst dich: damals, als du mich schicktest, Soldaten aus Makedonien herzuholen, hast du gesagt, es verbärgen sich noch allerlei gesunde junge Leute im Haus deiner Mutter. Damit hast du mir also aufgetragen, nur deinen Befehl mir vor Augen zu halten und dir zuzuführen, wer sich vor dem Heeresdienst drücken wolle. Das habe ich getan und habe deinen Befehl rücksichtsloser ausgeführt, als mir selbst förderlich war. Einen Gorgias, einen Hekatäus und einen Gorgatas, die dir jetzt gute Dienste leisten, habe ich von dort hergebracht. Was aber ist nun unbilliger, als wenn ich jetzt dafür büßen soll, daß ich gehorcht habe - während ich doch mit Recht Strafe verdient hätte, wenn ich dir ungehorsam gewesen wäre? Denn deine Mutter hat keinen anderen Grund uns zu verfolgen als den, daß wir deinen Vorteil ihrer weibischen Gunst übergeordnet haben. 6000 Mann makedonisches Fußvolk und 600 Reiter habe ich hergebracht, von denen ein Teil mir nicht gefolgt wäre, wenn ich den Drückebergern hätte nachgeben wollen. Daraus ergibt sich also, daß gerade du den Zorn besänftigen solltest, den deine Mutter ob dieser Geschehnisse gegen uns hegt, denn du hast uns ja zum Gegenstand ihres Zornes gemacht!" Während Amyntas noch so sprach, kamen zufällig die Leute, die seinen oben erwähnten Bruder Polemon auf der Flucht eingeholt hatten und nun in Fesseln anbrachten. Die empörte Versammlung wollte sich kaum hindern lassen, ihn der Sitte gemäß sofort zu steinigen. Der aber sagte

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Atque ille sane interritus « Nihil » inquit « pro me deprecor, modo ne fratrum innocentiae fuga imputetur mea. Haec si defendi non potest, meum crimen sit. H o r u m ob id ipsum melior est causa, quod ego, qui profugi, suspectus sum. » 3 At haec elocuto universa contio adsensa est; lacrimae deinde omnibus manare coeperunt adeo in contrarium repente mutatis, ut solum pro eo esset, quod maxime laeserat. 4 Iuvenis erat primo aetatis flore pubescens, quem inter équités tormentas Philotae conturbaros alienus terror abstulerat. Desertum eum a comitibus et haesitantem inter revertendi fugiendique consilium, qui secuti erant, occupaverunt. 5 Is tum fiere coepit et os suum converberare maestus non suam vicem, sed propter ipsum periclitantium fratrum. e Moveratque iam regem quoque, non contionem modo, sed unus erat implacabilis frater, qui terribili vultu intuens eum « Tum, » ait « demens, lacrimare debueras, cum equo calcaría subderes, fratrum desertor et desertorum comes. Miser, quo et unde fugiebas? Effecisti, ut reus capitis accusatoris uterer verbis. » 7 Ille peccasse se, et gravius in fratres quam in semetipsum fatebatur. T u m vero ñeque lacrimis ñeque adclamationibus, quibus studia sua multitudo profitetur, temperaverunt. Una vox erat pari emissa consensu, ut insontibus et fortibus viris parceret. Amici quoque data misericordiae occasione consurgunt flentesque regem deprecantur.

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völlig unerschrocken: „Nichts erbitte ich für mich, nur soll meine eigene Flucht nicht meinen unschuldigen Brüdern zur Last gelegt werden! Läßt diese Flucht sich nicht in Schutz nehmen, so soll die Schuld mein sein. Und deshalb steht ihre Sache nun besser, weil nur ich mich mit dieser meiner Flucht in Verdacht gebracht habe!" Plötzlich stimmte die gesamte Versammlung diesen seinen Worten zu: alles brach daraufhin in Tränen aus, und derart waren sie auf einmal umgestimmt, daß gerade allein das für ihn sprach, was die Herzen vorher am meisten aufgebracht hatte; war er doch noch ein Jüngling in der frühen Blüte seiner Jahre, und nur der Schreck der anderen Reiter, die über der Folterung des Philotas den Kopf verloren, hatte ihn mitgerissen. Von seinen Gefährten verlassen und schwankend, ob er umkehren sollte oder fliehen, hatten seine Verfolger ihn überrascht. Jetzt begann er zu weinen und sich das Gesicht zu schlagen, voll Trauer nicht über sein eigenes Geschick, sondern daß seinetwegen die Brüder in Gefahr geraten waren. Schon hatte er nicht nur die Versammlung, sondern auch den König in Rührung versetzt, doch allein sein Bruder blieb unversöhnlich. Einen unheildrohenden Blick auf ihn richtend, sprach er: „Damals, du Tor, hättest du weinen sollen, als du dem Pferde die Sporen gabst, du Verräter an deinen Brüdern, du Begleiter von Überläufern! Du Unglückseliger - von wem und zu wem hin wolltest du entfliehen? Jetzt hast du damit erreicht, daß ich, eines todeswürdigen Verbrechens angeklagt, dein Ankläger werde!" Ja, er habe gefehlt, gab jener zu, und zwar schwerer gegen die Brüder als gegen sich selbst. Darauf flössen noch reichlicher die Tränen und ertönten die Zurufe, mit denen die Menge ihre Anteilnahme zu bekunden pflegt. Es wurde nur der eine Wunsch einstimmig laut, Alexander möge die unschuldigen, tapferen Männer schonen. Auch des Königs Freunde nahmen diese Gelegenheit zum Mitleid wahr: sie sprangen auf und baten den König unter Tränen, jenen zu vergeben.

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Ille silentio facto « Et ipse » inquit « Amyntan mea sententia fratresque eius absolvo. Vos autem, iuvenes, malo beneficii mei oblivisci quam periculi vestri meminisse. Eadem fide redite in gratiam mecum, qua ipse vobiscum revertor. 9 Nisi, quae delata essent, excussissem, alte dissimulatio mea suppurare potuisset. Sed satius est purgatos esse quam suspectos. Cogitate neminem absolví posse, nisi qui dixerit causam. 1 0 Tu, Amynta, ignosce fratri tuo; erit hoc simpliciter etiam mihi reconciliati animi tui pignus. »

"Contione deinde dimissa Polydamanta vo- 7 cari iubet. Longe acceptissimus Parmenioni erat, proximus lateri in acie stare solitus. 12 Et quamquam conscientia fretus in regiam venerat, tarnen, ut iussus est fratres suos exhibere admodum iuvenes et regi ignotos ob aetatem, fiducia in sollicitudinem versa trepidare coepit, saepius, quae nocere possent, quam quibus eluderet, reputane. 1 3 Iam armigeri, quibus imperatum erat, produxerant eos, cum exanguem metu Polydamanta propius accedere iubet summotisque omnibus « Scelere » inquit « Parmenionis omnes pariter adpetiti sumus, maxime ego ac tu, quos amicitiae specie fefellit. 14 Ad quem persequendum puniendumque - vide, quantum fidei tuae credam — te ministro uti statui. Obsides, dum hoc peragis, erunt fratres tui. 15 Proficiscere in

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Dieser gebot Schweigen und sprach: „Auch ich spreche Amyntas durch meine richterliche Entscheidung frei, zusammen mit seinen Brüdern. Ihr aber, ihr jungen Leute, sollt lieber das Gedächtnis an meine Huld verlieren als die Erinnerung an die Gefahr bewahren, in der ihr schwebtet. Fühlt euch wieder mit mir freundschaftlich verbunden - in der gleichen Treue, die mich nun wieder mit euch verbindet! Hätte ich das, was man mir hinterbracht hat, nicht genau untersucht, so hätte mein verborgener Groll in der Tiefe noch fortschwären können. Aber es ist mir lieber, ihr seid gerechtfertigt, als daß ihr in Verdacht steht. Das freilich müßt ihr euch vor Augen halten: niemand kann einen Freispruch erwarten, wenn er sich nicht zuvor verantwortet hat! D u aber, Amyntas, vergib deinem Bruder! Das wird dann ein Unterpfand dafür sein, daß du dich ohne Rückhalt auch mit mir ausgesöhnt hast!" Als nun die Heeresversammlung wieder entlassen worden war, ließ Alexander Polydamas rufen. Dieser stand Parmenion weitaus am nächsten und pflegte auch dicht an seiner Seite zu fechten; und obwohl er im Vertrauen auf seine Unschuld das Königszelt betreten hatte, so wandelte sich doch sein Selbstvertrauen in ängstliche Befangenheit, und er begann zu zittern, als er nun den Befehl erhielt, seine Brüder zur Stelle zu schaffen, die noch jung und deshalb dem Könige unbekannt waren: mußte er doch mehr daran denken, was ihm nun schaden könne, als wie er etwaige Vorwürfe entkräften solle. Schon hatten die Leibwächter auftragsgemäß jene herbeigeführt, da hieß der König den vor Furcht totenblassen Polydamas nähertreten; er entfernte alle Anwesenden und sprach: „Das Verbrechen Parmenions rührt uns alle gleichermaßen an, vor allem mich und auch dich, die er uns beide mit vorgespiegelter Freundschaft hinters Licht geführt hat. Ihn zu verfolgen und zu bestrafen habe ich dich als meinen Beauftragten ausgewählt: du kannst daraus ersehen, welches Vertrauen ich in dich setze! Und zwar werden während des Vollzugs deine Brüder für dich als Gei-

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Mediam et ad praefectos meos litteras scriptas manu mea perfer. Velocitate opus est, qua celeritatem famae antecedas. Noctu pervenire illuc te volo, postero die, quae scripta erunt, exequi. 16 Ad Parmeniona quoque epistulas feres, unam a me, alteram Philotae nomine scriptam. Signum anuli eius in mea potestate est. Si pater credit a filio impressum, cum te viderit, nihil metuet. » 1 7 Polydamas tanto liberatus metu impensius etiam, quam exigebatur, promittit operam conlaudatusque et promissis oneratus deposita veste, quam habebat, Arabica induitur. 18 Duo Arabes, quorum interim coniuges ac liberi, vinculum fidei, obsides apud regem erant, dati comités. Per deserta etiam ob siccitatem loca camelis undécimo die, quo destinaverat, perveniunt. 19 Et priusquam ipsius nuntiaretur adventus, rursus Polydamas vestem Macedonicam sumit et in tabernaculum Cleandri — praetor hic regius erat — quarta vigilia pervenit. 20 Redditis deinde litteris constituerunt prima luce ad Parmenionem coire; namque ceteris quoque litteras regis attulerat. Iam ad eum venturi erant, cum Parmenioni Polydamanta venisse nuntiaverunt. 21 Qui dum laetatur adventu amici, simulque noscendi, quae rex ageret, avidus - quippe longo intervallo nullam ab eo epistulam acceperat - Polydamanta requiri iubet.

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Deversoria regionis illius magnos recessus habent amoenosque nemoribus manu consitis; ea praecipue regum satraparumque voluptas erat. 23 Spatiabatur in nemore Parmenion medius inter duces, quibus erat imperatum litteris regis,

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sein bürgen. Du wirst nach Medien aufbrechen und meinen Feldherrn dort einen Brief überbringen, den ich eigenhändig schreiben werde. Aber es eilt, du mußt noch schneller sein als das Gerücht! Es ist mein Wille, daß du nachts dort eintriffst, um dann am folgenden Tag die Aufträge auszuführen, die ich dir schriftlich mitgeben werde. Auch Parmenion wirst du Briefe übergeben, und zwar einen von mir und einen zweiten, der in Philotas' Namen geschrieben ist. Sein Siegelring ist in meiner Gewalt. Wenn der Vater glaubt, sein Sohn habe ihn gesiegelt, wird er bei deinem Anblick ohne Besorgnis sein." Von schwerster Furcht befreit, bot sich Polydamas bereitwilliger als nötig für die ihm gestellte Aufgabe an; mit Lob und Versprechungen überhäuft, verkleidete er sich nun als Araber. Zwei Araber, deren Frauen und Kinder inzwischen als Unterpfand ihrer Treue beim König als Geiseln verblieben, bildeten seine Begleitung. Durch Gegenden, die öde waren schon infolge ihrer Dürre, erreichten sie auf Kamelen am elften Tag ihren Bestimmungsort. Und ehe noch seine Ankunft gemeldet werden konnte, kleidete sich Polydamas wieder als Makedone und kam in der vierten Nachtwache in das Zelt Kleanders, eines hohen Offiziers des Königs. Er übergab den Brief, und nun beschloß man, gemeinsam frühmorgens zu Parmenion zu gehen, denn auch den übrigen hatte er einen Brief des Königs gebracht. Erst als sie schon unterwegs waren, meldeten sie Parmenion das Eintreffen des Polydamas. Voll Freude über die Ankunft seines Freundes und zugleich gespannt zu erfahren, wie es dem Könige gehe - hatte er doch schon lange Zeit keinen Brief mehr von ihm erhalten - schickte er nach Polydamas. Die Lustschlösser dieser Gegend liegen inmitten von ausgedehnten, schönen Parkanlagen mit künstlich angelegten Hainen; dies war eine besondere Liebhaberei der Könige und der Satrapen. In einem solchen Hain erging sich Parmenion mitten unter den Offizieren, denen der König

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ut occiderent. Agendae autem rei constituerant tempus, cum Parmenion a Polydamante litteras traditas legere coepisset. 2 4 Polydamas procul veniens, ut a Parmenione conspectus est, vultu laetitiae speciem praeferente ad complectendum eum cucurrit. Mutua gratulatione functi Polydamas epistulam a rege scriptam ei tradidit, 2 5 Parmenion vinculum epistulae solvens, quidnam rex ageret, requirebat. Ille ex ipsis litteris cogniturum esse respondit. 2 8 Quibus Parmenion lectis « Rex » inquit « expeditionem parat in Arachosios. Strenuum hominem et numquam cessantem! Sed tempus saluti suae tanta iam parta gloria parcere. » " A l t e r a m deinde epistulam Philotae nomine scriptam laetus, quod ex vultu notari poterat, legebat. T u m eius latus gladio haurit Cleander, deinde iugulum ferit; ceteri exanimum quoque confodiunt. 2 8 E t armigerì, qui ad aditum nemoris adstiterant, cognita caede, cuius causa ignorabatur, in castra perveniunt et tumultuoso nuntio milites concitant.

Illi armati ad nemus, in quo perpetrata caedes erat, coeunt et, ni Polydamas ceterique eiusdem noxae participes dedantur, murum circumdatum nemori eversuros denuntiant omniumque sanguine duci parentaturos. 3 0 Cleander primores eorum intromitti iubet litterasque regis scriptas ad milites récitât, quibus insidiae Parmenionis in regem precesque, ut ipsum vindicarent, continebantur. 3 1 Igitur cognita regis volúntate non quidem indignatio, sed tarnen seditio compressa est. Dilapsis pluribus pauci remanserunt, qui, saltem ut corpus ipsius sepelire permitterent, precabantur. 3 2 Diu id negatum est 29

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schriftlich befohlen hatte, ihn zu ermorden. Für ihre Tat aber hatten sie den Augenblick festgelegt, wo Parmenion den ihm von Polydamas überreichten Brief zu lesen beginne. Polydamas näherte sich, und als er sich von Parmenion erblickt sah, ließ er sein Gesicht freudig aufglänzen und eilte, ihn zu umarmen; nachdem sie einander willkommen geheißen hatten, übergab Polydamas ihm den Brief des Königs, und Parmenion, das Siegel des Briefes lösend, wollte wissen, wie es dem Könige gehe. Das werde ihm das Schreiben selbst mitteilen, lautete die Antwort. Parmenion las es und sagte: „Der König rüstet gegen die Arachosier. Was besitzt er doch für eine Tatkraft! Niemals gönnt er sich Ruhe. Und dabei sollte er doch jetzt nach so viel Ruhmestaten seine Lebenskraft schonen!" Dann begann er den zweiten Brief zu lesen, der unter Philotas' Namen geschrieben war - voller Freude, wie man von seinem Gesicht ablesen konnte. D a stieß ihm Kleander das Schwert in die Seite und traf sodann seine Kehle; darauf durchbohrten ihn auch die anderen, doch war er da schon tot. Als nun die Waffenträger, die am Ausgang des Parks stehengeblieben waren, die Mordtat gewahr wurden, eilten sie alsbald, noch ohne deren Anlaß zu wissen, ins Heerlager und brachten den Soldaten die aufruhrerregende Nachricht. Diese kamen bewaffnet bis zu dem Hain, in dem der Mord vollzogen worden war, und erklärten, wenn man ihnen nicht Polydamas und seine Mitschuldigen ausliefere, würden sie die Parkmauer einreißen und mit aller Blut ihren Feldherrn rächen! Kleander ließ ihre Führer hereinkommen und las einen Brief des Königs vor, der an die Soldaten gerichtet war; in diesem wurde ihnen der Anschlag Parmenions gegen den König mitgeteilt sowie seine Bitte, ihn zu rächen. Damit wurde, als man des Königs Willen erfahren, zwar nicht die Erbitterung, jedoch immerhin ein Aufruhr unterdrückt. Die Mehrzahl verlief sich; nur wenige blieben zurück und baten, man möge ihnen wenigstens erlauben, den Leichnam ihres Feldherrn zu bestatten. Lange

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Cleandri metu, ne offenderet regem. Pertinacius deinde precantibus materiem consternationis subtrahendam ratus capite deciso truncum humare permisit; ad regem caput missum est. Hic exitus Parmenionis fuit, militiae domique clari viri. Multa sine rege prospere, rex sine ilio nihil magnae rei gesserat. Felicissimo regi et [ a d ] omnia ad fortunae suae exigenti modum satisfecit. L X X natus annos iuvenis ducis et saepe etiam gregarii militis munia explevit, acer Consilio, manu strenuus, carus principibus, vulgo militum acceptior. 3 4 Haec impulerint illum ad regni cupiditatem an tantum suspectum fecerint, ambigi potest, quia, Philotas ultimis cruciatibus victus verane dixerit, quae facta probari non poterant, an falsis tormentorum petierit finem, re quoque recenti, cum magis posset liquere, dubitatum est. 33

3 5 Alexander, quos libere mortem Parmenionis conquestos esse compererai, separandos a cetero exercitu ratus in unam cohortem secrevit ducemque his Leonidam dedit, et ipsum Parmenioni quondam intima familiaritate coniunctum. 3 6 Fere idem erant, quos alioqui rex habuerat invisos. N a m cum experiri vellet militum ánimos, admonuit, qui litteras in Macedoniam ad suos scripsisset, iis, quos ipse mittebat, perlaturis cum fide traderet. Simpliciter ad necessarios suos quisque scripserat, quae sentiebat:

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Zeit schlug ihnen Kleander das ab, aus Furcht, beim König Anstoß zu erregen. Als sie aber hartnäckig darauf bestanden, hielt er es doch für richtig, den sichtbaren Anlaß des Aufruhrs aus den Augen zu schaffen: er ließ dem Leichnam das Haupt abschlagen und erlaubte, den Rumpf zu beerdigen; das Haupt schickte man zum König. So endete Parmenion, dieser im Krieg und im Frieden berühmte Mann. Viele glückliche Erfolge hatte er ohne den König errungen, und dem König war ohne ihn keine seiner Großtaten geglückt. Selbst dem von höchstem Heil begünstigten König gegenüber, dessen einziger Maßstab ja sein eigenes Glück war, hatte sein Können niemals versagt. Siebzig Jahre alt, hat er doch noch mit jugendlicher Kraft seine Pflichten als Heerführer und oft auch als einfacher Soldat erfüllt: als Ratgeber scharfsichtig, persönlich tapfer, beliebt bei den Führern, noch stärker verehrt von der Mannschaft. Ob ihn nun gerade dies zur Herrschsucht verführt oder ob es ihn nur verdächtig gemacht hat, wer will es entscheiden? Blieb es doch selbst damals unter dem frischen Eindruck der Vorgänge, wo also die Wahrheit noch eher hätte offenbar werden können, zweifelhaft, ob der aufs äußerste gefolterte Philotas wahre Angaben gemacht hatte, die nicht bewiesen werden konnten, oder ob er durch falsche Aussagen nur die Folter hatte beenden wollen. Alexander glaubte, die Leute, von denen er erfahren hatte, daß sie offen den Tod Parmenions beklagt hätten, von dem übrigen Heere absondern zu müssen; er stellte sie zu einer Abteilung zusammen und gab ihnen Leonidas als Führer, der selbst einst mit Parmenion besonders befreundet gewesen war. Es waren etwa dieselben Leute, die dem König ohnehin schon verhaßt waren; da er nämlich die Stimmung unter den Soldaten kennenzulernen wünschte, wies er sie an, wer einen Brief nach Makedonien an die Seinen geschrieben habe, der solle ihn zu treuen Händen den Leuten zur Beförderung übergeben, die er selbst zu schicken pflegte. Ohne Hintergedanken hatte nun ein jeder an seine

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aliis gravis erat, plerisque non ingrata militia. Ita et agentium gratias [et querentium] litterae exceptae sunt et qui forte taedium laboris per litteras erant questi. Hanc seorsus cohortem a ceteris tendere ignominiae causa iubet, fortitudine usurus in bello, libertatem linguae ab auribus credulis remoturus. Et consilium, temerarium forsitan - quippe fortissimi iuvenes contumelia inritati erant - sicut omnia alia felicitas regis excepit. 3 8 Nihil illis ad bella promptius fuit: incitabat virtutem et ignominiae demendae cupido et quia fortia facta in paucis latere non poterant. 37

I I I . Ή ϊ β ita compositis Alexander Arsame Ariorum satrape constituto iter pronuntiari iubet in Arimaspos, quos iam tunc mutato nomine Euergetas appellabant, ex quo frigore victusque penuria Cyri exercitum adfectum tectis et commeatibus iuverant. 2 Quintus dies erat, ut in earn regionem pervenerat. Cognoscit Satibarzanem, qui ad Bessum defecerat, cum equitum manu inrupisse rursus in Arios. Itaque Caranum et Erigyium cum Artabazo et Andronico eo misit; V I milia Graecorum peditum, D C équités sequebantur. 3 Ipse LX diebus gentem Euergetarum ordinavit magna pecunia ob egregiam in Cyrum fidem donata. 4 Relicto deinde, qui iis praeesset, Amedine - scriba is Darei fuerat - Arachosios, quorum regio ad Ponticum mare pertinet, subegit. Ibi exercitus, qui sub

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Angehörigen geschrieben, was er empfand; für die einen war der Kriegsdienst eine Last, für die Mehrzahl durchaus willkommen. So fielen dem König also nicht nur die Briefe derjenigen in die Hand, die ihm dankbar ergeben waren, sondern auch die von Leuten, die sich zufällig gerade aus Oberdruß an der Mühsal beklagt hatten. Diese Abteilung nun ließ der König schandenhalber von den übrigen abgesondert zelten, um zwar im Krieg sich ihrer Tapferkeit zu bedienen, ihre freimütige Sprache aber von den Ohren leicht Beeinflußbarer fern zu halten. Und dieser Entschluß, der vielleicht unbesonnen war - denn die besonders tapferen jungen Leute waren über diese Beschimpfung aufgebracht - schlug doch wie auch sonst alles zum Glück des Königs aus: niemand sonst setzte sich im Kampf rückhaltloser ein als sie; spornte doch ihren Mut der Wunsch an, die Schmach abzuwaschen, und konnten doch unter so wenigen ihre tapferen Taten nicht verborgen bleiben! Als Alexander die Verhältnisse derart geregelt und Arsames als Satrapen von Arien eingesetzt hatte, ordnete er den Vormarsch ins Land der Arimasper an, die schon damals mit einem neuen Namen Euergeten hießen, seitdem sie das Heer des Kyrus, das unter Kälte und Lebensmittelmangel litt, mit Unterkunft und Verpflegung unterstützt hatten. Es war der fünfte Tag, seitdem er in diese Landschaft gekommen war, als er erfuhr, Satibarzanes, der zu Bessus übergetreten war, sei mit einer Reiterschar wiederum in Arien eingefallen. Daher sandte er Karanus und Erigyius mit Artabazus und Andronikus dorthin; 6000 Mann griechischen Fußvolks sowie 600 Reiter begleiteten sie. Er selbst regelte in sechzig Tagen die Verhältnisse bei den Euergeten und schenkte ihnen für ihre dem Kyrus so herrlich bewiesene Treue viel Geld. Als Satrapen ließ er bei ihnen Amedines zurück, den einstigen Sekretär des Darius, und unterwarf dann die Arachosier, deren Land bis zum Pontus reicht. Dort stieß zu

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Parmenione fuerat, occurrit: sex milia Macedonum erant et C C nobiles et V milia Graecorum cum equitibus D C , haud dubie robur omnium virium regis. 5 Arachosiis datus Menon praetor I U I milibus peditum et D C equitibus in praesidium relictis. Ipse rex nationem ne finitimis quidem satis notam, quippe nullo commercio colentem mutuos usus, cum exercitu intravit. e Parapamisadae appellantur, agreste hominum genus et inter barbaros maxime inconditum. Locorum asperitas hominum quoque ingenia duraverat. 7 Gelidissimum septentrionis axem ex magna parte spectant, Bactrianis ab occidente coniuncti sunt, meridiana regio ad mare Indicum vergit. 8 Tuguria latere ab imo struunt et, quia sterilis est terra materia [in] nudo etiam montis dorso, usque ad summum aedificiorum fastigium eodem laterculo utuntur. 9 Ceterum structura latior ab imo paulatim incremento operis in artius cogitur, ad ultimum in carinae maxime modum coit. Ibi foramine relicto superne lumen admittunt. 10 Vites et arbores, si quae in tanto terrae rigore durare potuerunt, obruunt penitus. Hieme defossae latent; cum nix discussa aperire humum coepit, caelo solique redduntur. "Ceterum adeo altae nives premunì terram gelu et perpetuo paene rigore constrictae, ut ne avium quidem feraeve ullius vestigium extet. Obscura caeli verius umbra quam lux noeti similis premit terram, vix ut, quae prope sunt, conspici possint. 1 2 In hac tum omnis humani cultus solitudine destitutus exercitus, quicquid malorum tolerari potest, pertulit, inopiam, frîgus, lassitudinem, desperationem. 13 Multos exanimavit rigor insolitus nivis, multorum adussit

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ihm das Heer, das Parmenion unterstanden hatte. Es waren 6000 Makedonen, 200 Edle und 5000 Griechen mitsamt 600 Reitern - zweifellos unter den gesamten Streitkräften des Königs die Kerntruppe. Über die Arachosier setzte er als Statthalter Menon und ließ ihm 4000 Mann Fußvolk nebst 600 Reitern als Besatzung. Der König selbst betrat nun mit seinem Heere ein Land, von dem nicht einmal die Nachbarn Genaueres wußten: gab es doch keinerlei Güteraustausch mit diesen. Parapamisaden heißen sie und sind ein bäuerliches Volk, das selbst unter Barbaren als höchst ungesittet gilt. Das rauhe Klima hatte dort auch die Menschen hart gemacht. Großenteils liegt das Land nach dem eiskalten Norden zu; im Westen schließt es sich an Baktrien an, der Süden weist nach dem Indischen Meere hin. Ihre Behausungen bauen sie vom Grund her aus Ziegeln auf, und weil für Bauholz ihr Boden unfruchtbar und auch der Bergrücken kahl ist, verwenden sie bis hinauf zum Giebel ihrer Häuser ebenfalls Ziegel; doch wird der unten ziemlich breite Bau nach oben hin allmählich schmäler und endet nahezu kielförmig. Dort bleibt eine Öffnung, durch die das Licht von oben her einfällt. Weinstöcke und Bäume, soweit sich diese in einem so kalten Lande zu halten vermögen, graben sie tief ein; im Winter bleiben sie unter der Erde, und erst wenn der Schnee schmilzt und der Boden herausapert, kommen sie wieder ans Tageslicht. Doch bedeckt infolge der Kälte und des fast ständigen Frostes eine derart tiefe, zusammengefrorene Schneedecke den Boden, daß sich nicht einmal von Vögeln oder wildem Getier eine Spur zeigt. Mehr ein düsterer Schatten des Himmels als sein Licht lastet, der Nacht gleich, auf dem Land, so daß man kaum die nächste Umgebung zu gewahren vermag. In dieser Wüste nun, fern von allen Spuren der Pflege durch Menschenhand, hatte das Heer jeglicherlei Not zu ertragen: Mangel, Kälte, Ermattung, Verzweiflung. Der ungewohnte starr-kalte Schnee war vieler Ende: er schuf

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pedes, plurimorum oculos. Praecipue perniciabilis fuit fatigatis : quippe in ipso gelu deficientia corpora sternebant, quae, cum moveri desissent, vis frigoris ita adstringebat, ut rursus ad surgendum coniti non possent. 1 4A commilitonibus torpentes excitabantur, neque aliud remedium erat quam ut ingredi cogerentur. Tum demum vitali calore moto membris aliquis redibat vigor. 1 5 Si qui tuguria barbarorum adire potuerunt, celeriter refecti sunt. Sed tanta caligo erat, ut aedificia nulla alia res quam fumus ostenderet. 1 8 Illi numquam ante in terris suis advena viso cum armatos repente conspicerent, exanimati metu, quicquid in tuguriis erat, adferebant, ut corporibus ipsorum parceretur orantes. 1 7 Rex agmen circumibat pedes, iacentes quosdam erigens et alios, cum aegre sequerentur, adminiculo corporis sui excipiens. Nunc ad prima signa, nunc in medio, nunc in ultimo agmine itineris multiplicato labore aderat. 1 8 Tandem ad loca cultiora perventum est commeatuque largo recreatus exercitus; simul et, qui consequi non potuerant, in illa castra venerunt.

1 9 Inde

agmen processit ad Caucasum montem, cuius dorsum Asiam perpetuo iugo dividit. Hinc simul mare, quod Ciliciam subit, illinc Caspium fretum et amnem Araxen aliaque regione Scythiae deserta spectat. 2 0 Taurus, secundae magnitudinis mons, committitur Caucaso; a Cappadocia se attollens Ciliciam praeterit Armeniaeque montibus iungitur. 2 1 Sic inter se iuga velut serie cohaerentia perpetuum habent

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Brandkälte an den Füßen und nahm sehr vielen die Sehkraft. Besonders verhängnisvoll wurde er für die Ermüdeten: inmitten der Kälte streckten sie ihre kraftlos gewordenen Körper aus, und wenn sie die Glieder zu bewegen aufhörten, ließ sie die beißende Kälte derart erstarren, daß sie nicht wieder emporzukommen vermochten. Von ihren Kameraden wurden die Erstarrten aufgerichtet, und es blieb kein anderes Mittel übrig, als daß man sie zum Weitergehen förmlich zwang. Dann erst, wenn die Lebenswärme sich wieder regte, kehrte einige K r a f t in ihre Glieder zurück. Wer Behausungen der Barbaren zu erreichen vermochte, erholte sich dann schnell; doch herrschte eine solche Finsternis, daß nur der Rauch die Häuser kenntlich machte. Als die Einwohner, die nie zuvor in ihren Landen einen Fremden gesehen, plötzlich die Bewaffneten gewahr wurden, brachten sie, halb tot vor Furcht, alles herbei, was sie in ihren Zelten hatten, und baten nur um ihr Leben. Der König umkreiste den Heerzug zu Fuß; hier richtete er die am Boden Liegenden auf, dort bot er den eigenen Körper zur Stütze, wenn jemand nur noch mit Müh und N o t folgte. Bald war er an der Spitze, bald in der Mitte, bald wieder am Ende des Zugs, indem er so noch die Anstrengungen des Marsches vervielfältigte. Endlich gelangte man in wohnlichere Gegenden, und das Heer konnte sich so an reichlicher Nahrung wieder kräftigen; gleichzeitig langten auch die im Lager dort an, die nicht hatten Schritt halten können. Von hier aus ging es nun zum Kaukasus, dessen Rücken als zusammenhängendes Massiv Asien teilt; es schaut zugleich nach der einen Seite hin auf das Meer, das Kilikien berührt, nach der anderen auf das Kaspische Meer und den Fluß Araxes sowie in anderer Richtung auf die Wüsten des Skythenlandes. Der Taurus, ein weniger hohes Gebirge, schließt sich an den Kaukasus an; von Kappadokien aufsteigend, zieht er an Kilikien vorbei und steht in Zusammenhang mit den Bergen Armeniens. So bilden die Joche, wie eine Kette zusammenhängend, einen fortlaufenden

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dorsum, ex quo Asiae omnia fere ilumina alia in Rubrum, alia in Caspium mare, alia in H y r canium et Ponticum decidunt. 2 2 X V I I dierum spatio Caucasum superávit exercitus. Rupes in eo X in circuitu stadia complectitur, I I I I in altitudinem excedit, in qua vinctum Promethea fuisse antiquitas tradidit. 2 3 Condendae in radicibus montis urbi sedes electa est. V I I milibus seniorum Macedonum et praeterea militibus, quorum opera uti desisset, permissum in nova urbe considere. Hanc quoque Alexandream incolae appellaverunt. IV. *At Bessus Alexandri celeritate perterritus dis patriis sacrificio rite facto, sicut illis gentibus mos est, cum amicis ducibusque copiarum inter epulas de bello consultabat. 2 Graves mero suas vires extollere, hostium nunc temeritatem, nunc paucitatem spernere incipiunt. 3 Praecipue Bessus ferox verbis et parto per scelus regno superbus ac vix potens mentis dicere orditur socordia Darei crevisse hostium famam. 4 Occurrisse enim in Ciliciae angustissimis faucibus, cum retrocedendo posset perducere incautos in loca naturae situ tuta, tot fluminibus obiectis, tot montium latebris, inter quas deprehensus hostis ne fugae quidem, nedum resistendi occasionem fuerit habiturus. 5 Sibi piacere in Sogdianos recedere: Oxum amnem velut murum obiecturum hosti, dum ex finitimis gentibus valida auxilia concurrerent. "Venturos autem Chorasmios et Dahas Sacasque et Indos et ultra Tanain amnem colentes

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Rücken, von dem aus fast alle Flüsse Asiens hier in das Rote, dort in das Kaspische und dort wieder in das Hyrkanische und Pontische Meer hinabströmen. In siebzehn Tagen überwand das Heer den Kaukasus. Ein Felsen darin besitzt einen Umfang von zehn Stadien; vier Stadien ragt er in die Höhe. An ihn soll, wie die alte Sage kündet, Prometheus gefesselt worden sein. Am Fuß dieses Berges wurde ein Platz ausgewählt, um hier eine Stadt zu gründen. 7000 älteren Makedonen und dazu den Soldaten, deren Einsatz nicht mehr in Frage kam, wurde gestattet, die neue Stadt zu besiedeln. Auch sie nannten die Einwohner Alexandria. Nun zu Bessus; bestürzt über Alexanders Schnelligkeit, brachte er den heimischen Göttern in aller Form ein Opfer dar und beriet, wie es bei jenen Völkern Sitte ist, beim Gastmahl mit Freunden und Heerführern die Kriegsführung. Vom Wein berauscht, begannen sie ein jeder seine Streitkräfte zu rühmen und bald den Leichtsinn der Feinde, bald ihre geringe Zahl zu verspotten. Vor allem hub Bessus in trotzigen Worten, stolz auf den Thron, den er einem Verbrechen verdankte, und dabei seiner selbst kaum noch mächtig, zu sprechen an: Nur der beschränkte Sinn des Darius habe den Ruf der Feinde so wachsen lassen; sei er ihnen doch in den äußerst schmalen Schluchten Kilikiens entgegengetreten, obwohl er die Unvorsichtigen durch Ausweichen in Gegenden hätte locken können, die von Natur aus sicher seien - wo so viele Flüsse Deckung boten, so viele Schlupfwinkel in den Bergen, zwischen denen geschnappt der Feind nicht einmal Gelegenheit zur Flucht, geschweige denn zum Widerstand gehabt hätte! Seiner Meinung nach müsse man in das Land der Sogdier ausweichen: hier werde sich der Oxus wie eine Mauer dem Feind entgegenstellen, bis von den Nachbarstämmen machtvolle Hilfstruppen zusammenströmen könnten. Kommen würden die Chorasmier, die Daher mitsamt den Sakern, die Inder und die Skythen von jenseits des Tanais. Von diesen

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Scythas; quorum neminem adeo humilem esse, ut humeri eius non possent Macedonis militis verticem aequare. 7 Conclamant temulenti unam hanc sententiam salubrem esse, et Bessus circumferri merum largius iubet debellaturus super mensam Alexandrum. 8 Erat in eo convivio Cobares, natione Medus, sed magicae artis — si modo ars est, non vanissimi cuiusque ludibrium - magis professione quam scientia celeber, alioqui moderatus et probus. 9 Is cum praefatus esset scire servo utilius esse parere dicto quam adferre consilium, cum illos, qui pareant, idem quod ceteros maneat, qui vero suadeant, proprium sibi periculum contrabant, Bessus cum dicere iussit intrepidum, poculum etiam, quod habebat in manu, tradidit. 1 0 Quo accepto Cobares « N a t u r a » inquit « mortalium hoc quoque nomine prava et sinistra dici potest, quod in suo quisque negotio hebetior est quam in alieno. " T ú r b i d a sunt Consilia eorum, qui sibi suadent. Obstat metus, alias cupiditas, nonnumquam naturalis eorum, quae excogitaveris, amor; nam in te superbia non cadit. Expertus es utique, quod ipse reppereris, aut solum aut optimum ducere. 1 2 Magnum onus sustines capite, regium insigne; hoc aut moderate perferendum est aut, quod abominor, in te ruet. Consilio, non ímpetu opus est. » 13 Adicit deinde, quod apud Ba'ctrianos vulgo usurpabant, canem timidum vehementius latrare quam mordere, altissima quaeque ilumina minimo sono labi. Quae inserui, ut, qualiscumque inter barbaros potuit esse prudentia, traderetur. 1 4 [In] His

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sei niemand so klein gewachsen, daß seine Schultern nicht einem makedonischen Soldaten bis zum Scheitel reichten! Laut brüllten die Trunkenen Beifall: dieser Vorschlag sei der einzig richtige! Und darauf ließ Bessus ringsum noch reichlicher ungemischten Wein reichen, als der künftige Besieger eines Alexander - bei Tisch! Nun befand sich unter den Gästen Kobares, ein gebürtiger Meder, berühmt ob seiner mehr handwerklich als wissenschaftlich ausgeübten Magiergabe - wenn dies überhaupt eine Gabe ist und nicht vielmehr die Spielerei besonderer Hohlköpfe! Im übrigen aber war er ein bescheidener, rechtschaffener Mann. Als dieser vorangeschickt hatte: Er wisse, für einen Sklaven fromme es mehr, aufs Wort zu gehorchen als einen R a t zu spenden, da ja doch den Gehorsamen das gleich Los erwarte wie die übrigen, ein Ratgeber aber sich selbst nur in Gefahr bringe - da hieß ihn Bessus unerschrocken reden und reichte ihm sogar den Becher, den er selbst in der H a n d hielt. Kobares nahm ihn und sprach: „Die Menschennatur kann auch in dieser Hinsicht verschroben und linkisch genannt werden, daß jeglicher in dem, was ihn beschäftigt, blinder ist als auf fremden Gebiet. Verwirrt sind die Pläne derer, die sich selbst raten. Bald beeinträchtigt sie dabei die Furcht, bald die Gier, bald die naturgemäße Vorliebe für das, was man sich ausdenkt - denn Überheblichkeit ist bei dir natürlich nicht anzunehmen! Du weißt aus Erfahrung, daß du gerade das, was du selbst gefunden, als das einzig Richtige oder Beste ansiehst. Nun - du trägst eine gewaltige Last auf deinem H a u p t : die Krone! Die jedoch muß entweder besonnen getragen werden oder aber doch das bleibe fern! - sie wird dich erdrücken. Kluger Rat, nicht blinde Leidenschaft tut n o t ! " Und dann fuhr er mit den bei den Baktrern üblichen Sprichwörtern fort: ein ängstlicher Hund belle umso lauter, beiße aber nicht, und je tiefer ein Wasser, umso lautloser gleite es dahin. Ich habe dies eingefügt, um die Art Weisheit zu überliefern, die eben Barbaren zu äußern vermochten.

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audientium expectationem suspenderat. Tum consilium aperit utilius Besso quam gratius. « In vestíbulo » inquit « regiae tuae velocissimus consistit rex. Ante ille agmen quam tu mensam istam movebis. 1 5 Nunc ab Tanai exercitum accerses et armis ilumina oppones. Scilicet, qua tu fugiturus es, hostis sequi non potest! Iter utrique commune est, victori tutius. Licet strenuum metum pûtes esse, velocior tamen spes est. i e Quin validioris occupas gratiam dedisque te, utcumque cesserit, meliorem fortunam deditus quam hostis habiturus? 17 Alienum habes regnum, quo facilius eo careas. Incipies forsitan iustus esse rex, cum ipse fecerit, qui tibi et dare potest regnum et eripere. "Consilium habes fidele, quod diutius exequi supervacuum est. Nobilis equus umbra quoque virgae regitur, ignavus ne calcari quidem concitar! potest.»

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Bessus et ingenio et multo mero ferox adeo exarsit, ut vix ab amicis, quo minus occideret eum, — nam strinxerat quoque acinacem - contineretur. Certe convivio prosiluit haudquaquam potens mentis. Cobares inter tumultum elapsus ad Alexandrum transfugit. 20 VIII milia Bactrianorum habebat armata Bessus. Quae quamdiu propter caeli intemperiem Indiam potius Macedonas petituros crediderant, oboedienter imperata fecerunt; postquam adventare Alexandrum compertum est, in suos quisque vicos dilapsi Bessum relique-

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Schon mit diesen Worten hatte er seine Hörer aufs äußerste gespannt; alsdann machte er einen Vorschlag, der für Bessus wohl vorteilhaft, aber nicht erwünscht war: „Vor der Schwelle deines Königreichs", sprach er, „steht ein überaus schneller König. Rascher wird er sein Heer in Bewegung setzen, als du diese Tafel aufhebst. Du willst jetzt ein Heer vom Tanais herbeiholen und seinen Waffen Flüsse in den Weg stellen. Selbstverständlich: da wo du hinfliehen willst, kann der Feind dir nicht folgen! Ihr habt den gleichen Weg, nur ist er für den Sieger gefahrloser. Magst du auch glauben, daß Furcht flink ist: die Hoffnung ist immer noch schneller! Warum suchst du nicht vorher die Freundschaft des Stärkeren und ergibst dich ihm, da du dann, wie die Dinge auch ausgehen mögen, immer noch besser daran bist, wenn du dich ihm ergibst, als solange du sein Feind bist? Ein fremdes Königreich hast du zu eigen, das du also umso leichter entbehren kannst; vielleicht aber wirst du dann erst beginnen, rechtmäßiger König zu sein, wenn er selbst dich dazu gemacht hat, er, der dir ja ebenso gut einen Thron schenken wie fortnehmen kann! Mein Vorschlag ist ehrlich; ihn weiter auszuführen erübrigt sich. Ein edles Pferd wird schon von dem bloßen Schatten der Gerte regiert - ein feiges läßt sich nicht einmal vom Sporn antreiben!" Von Natur schon und dazu von reichlichem Weingenuß wild, schäumte Bessus derart auf, daß ihn seine Freunde kaum davon abhalten konnten, den anderen zu ermorden; das Krummschwert hatte er schon gezückt. Jedenfalls sprang er vom Gastmahl auf, seiner selbst nicht mehr mächtig; Kobares aber entrann in der allgemeinen Verwirrung und flüchtete als Uberläufer zu Alexander. 8000 Baktrer hatte Bessus unter Waffen. Solange diese noch glaubten, die Makedonen würden aus Gründen des Klimas eher Indien angreifen, leisteten sie ihm gern Gehorsam; als aber die Nachricht von Alexanders Herannahen ihnen zu Ohren kam, entschwanden sie überall hin in ihre Dörfer und ließen Bessus im Stich. Mit der Schar

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runt. Ille cum clientium manu, qui non mutaverant fidem, Oxo amne superato exustisque navigiis, quibus transierat, ne isdem hostis uteretur, novas copias in Sogdianis contrahebat. 22

Alexander Caucasum quidem, ut supra dictum est, transierat, sed inopia frumenti quoque prope ad famem ventum erat. 23 Suco ex sesama expresso haud secus quam oleo artus perunguebant. Sed huius s u d ducenis quadragenis denariis amphorae singulae, mellis denariis trecenis nonagenis, trecenis vini aestimabantur; tritici nihil aut admodum exiguum reperiebatur. 24 Siros vocabant barbari specus, quos ita sollerter abscondunt, ut, nisi qui defoderunt, invenire non possint; in his conditae fruges erant. In quarum penuria milites fluviatili pisce et herbis sustinebantur. 2 5 Iamque haec ipsa alimenta defecerant, cum iumenta, quibus onera portabant, caedere iussi sunt; horum carne, dum in Bactrianos perventum, traxere vitam. 28 Bactrianae terrae multiplex et varia natura est. Alibi multa arbor et vitis largos mitesque fructus alit. Solum pingue crebri fontes rigant; quae mitiora sunt, frumento conseruntur, cetera armentorum pabulo cedunt. 2 7 Magnam deinde partem eiusdem terrae steriles harenae tenent: squalida siccitate regio non hominem, non frugem alit; cum vero venti a Pontico mari spirant, quicquid sabuli in campis iacet, converrunt. Quod ubi cumulatum est, magnorum collium procul species est, omniaque pristini itineris vestigia intereunt. 2 8 Itaque qui transeunt campos, navigantium modo noctu sidera observant, ad quorum cursum iter dirigunt, et propemodum clarior est noctis umbra quam lux. Ergo interdiu invia est regio, quia nec vestigium,

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seiner Anhänger, deren Treue nicht wankte, überschritt dieser den Oxus. Die Fahrzeuge, mit denen er über den Fluß gesetzt hatte, verbrannte er, damit sie der Feind nicht benutzen könne; dann suchte er im Sogdierland neue Streitkräfte zusammenzuziehen. Alexander hatte, wie schon geschildert, den Kaukasus überquert, doch glich der Mangel an Verpflegung schon einer Hungersnot. Mit ausgepreßtem Sesamsaft salbten sie sich statt mit ö l . Aber ein Krug dieses Saftes galt 240 Denare, Honig 390 und Wein 300; an Weizen fand sich nichts oder doch nur ganz wenig. „Siren" nannten die Barbaren die Höhlen, die sie so geschickt verborgen anlegen, daß sie nur wiederfindet, wer sie gegraben hat. Hier versteckten sie ihre Feldfrüchte. Deren ermangelnd, erhielten sich die Soldaten mit Flußfischen und Kräutern am Leben. Aber schon waren selbst diese Nahrungsmittel ausgegangen, und man mußte daher befehlen, die Lasttiere zu schlachten, die doch ihr Gepäck trugen; mit deren Fleisch fristete man nun das Leben, bis man nach Baktrien gelangte. Die Landschaft dort ist nach Art und Aussehen sehr verschieden. An einer Stelle bringen Bäume und Reben in Menge reichliche und süße Früchte hervor. Den fetten Boden bewässern zahlreiche Quellen. In milderen Gegenden säen sie Korn, die übrigen lassen sie dem Vieh zur Weide. Dann aber nehmen unfruchtbare Wüsten einen großen Teil desselben Landes ein: in öder Dürre nährt die Landschaft weder Mensch noch Frucht, und sooft der Wind vom Pontus her weht, fegt er allen Sand auf den Ebenen zusammen. Wo dieser sich anhäuft, wirkt er von fern wie große Hügel, und jegliche Spur des alten Weges geht verloren. Wer über diese Ebenen marschiert, richtet sich wie ein Seefahrer des Nachts nach den Sternen und läßt sich von ihnen lenken; und fast ist ja auch die nächtliche Dunkelheit heller als das Tageslicht. So ist die Landschaft bei Tag unwegsam, weil man keine Spur findet, der man folgen könnte, und

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quod sequantur, inveniunt et nitor siderum caligine absconditur. Ceterum si quos ille ventus, qui a mari exoritur, deprehendit, harena obruit. 30 Sed qua mitior terra est, ingens hominum equorumque multitudo gignitur; itaque Bactriani équités X X X milia expleverant. 31 Ipsa Bactra, regionis eius caput, sita sunt sub monte Parapamiso. Bactrus amnis praeterit moenia; is urbi et regioni dédit nomen, M H i c regi stativa habenti nuntiatur ex Graeeia Peloponnesiorum Laconumque defectio nondum enim vieti erant, cum proficiscerentur tumultus eius principia nuntiaturi — et alius praesens terror adfertur, Scythas, qui ultra T a naim amnem colunt, adventare Besso ferentes opem. Eodem tempore, quae in gente Ariorum Caranus et Erigyius gesserant, perferuntur. Commissum erat proelium inter Macedonas Ariosque. 3 3 Transfuga Satibarzanes barbaris praeerat; qui cum pugnam segnem utrimque aequis viribus stare vidisset, in primos ordines adequitavit demptaque galea inhibitis, qui tela iaciebant, si quis viritim dimicare vellet, prov o c a v i ad pugnam: nudum se caput in certamine habiturum. 3 4 Non tulit ferociam barbari Erigyius [dux illius exercitus], gravis quidem aetate, sed et animi et corporis robore nulli iuvenum postferendus. Is galea dempta canitiem ostentans « Venit » inquit « dies, quo aut victoria aut morte honestissima, quales amicos et milites Alexander habeat, ostendam. » 35 Nec plura elocutus equum in hostem egit. Crederes impera tum, ut acies utraeque tela cohiberent: protinus certe recesserunt dato libero spatio, intenti in eventum non duorum modo, sed etiam

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weil der Glanz der Gestirne von finsteren Dünsten verschluckt wird; wenn zudem der Wind vom Meere her jemanden überfällt, so überschüttet er ihn mit Sand. Wo aber der Boden freundlicher ist, da gedeihen Menschen und Pferde in Fülle. So hatten denn auch die Baktrer 30 000 Reiter aufgebracht. Baktra selbst, die Hauptstadt des Landes, liegt am Fuß des Parapamisus. Der Baktrus gleitet an ihren Mauern vorbei und hat Stadt und Landschaft den Namen gegeben. Hier hielt der König ein Standlager und empfing aus Griechenland Nachricht vom Aufstand der Peloponnesier und der Lakoner; noch waren sie nämlich nicht besiegt, als die Boten aufbrachen, die die Anfänge dieser Unruhen melden sollten. Und auch die Botschaft eines anderen, unmittelbaren Schreckens traf ein: daß nämlich die Skythen von jenseits des Tanais nahten, um Bessus zu unterstützen. Gleichzeitig kam auch Kunde von dem, was Karanus und Erigyius bei den Ariern ausgerichtet hatten. Zwischen Makedonen und Ariern hatte ein Gefecht stattgefunden. An der Spitze der Barbaren stand der Überläufer Satibarzanes; als dieser sah, daß der Kampf matt verlief, weil auf beiden Seiten die Kräfte gleich waren, ritt er in die vorderste Reihe vor, nahm den Helm ab, verhinderte so weitere Speerwürfe und forderte einen Gegner zum Kampf Mann gegen Mann auf : er wolle dabei mit ungeschütztem Haupt kämpfen! Dieser trotzige Mut eines Barbaren war Erigyius [dem Führer dieses Heeres] natürlich zu viel: obwohl schon bejahrt, stand er doch keinem der jungen Leute an Mut und Körperkraft nach. Er nahm den Helm ab, wies auf seine grauen Haare und sprach: „ N u n ist also der Tag da, wo ich als Sieger oder durch einen ruhmvollen Tod zeigen darf, was für Freunde und Krieger Alexander besitzt!" Mehr sagte er nicht, sondern sprengte auf den Feind zu. Wie auf Befehl, so hätte man glauben können, stellten beide Fronten den Kampf ein: sogleich wichen sie zurück und machten Platz, gespannt darauf, welchen Ausgang das Geschick nicht nur den beiden, sondern auch

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suae sortis, quippe alienum discrimen secuturi. 36 Prior barbarus emisit hastam, quam Erigyius modica capitis declinatione vitavit atque ipse infestam sarisam equo calcaribus concitato in medio barbari gutture ita fixit, ut per cervicem emineret. 37 Praecipitatus ex equo barbarus adhuc tamen repugnabat. Sed Lile extractam e vulnere hastam rursus in os dirigit. Satibarzanes manu complexus, quo maturius interiret, ictum hostis adiuvit. 3 8 Et barbari duce amisso, quem magis necessitate quam sponte secuti erant, tunc haud immemores meritorum Alexandri arma Erigyio tradunt. 3 9 Rex his quidem laetus, de Spartanis haudquaquam securus, magno tamen animo defectum eorum tulit, dicens non ante ausos Consilia nudare, quam ipsum ad fines Indiae pervenisse cognossent. 40 Ipse Bessum persequens copias movit; cui Erigyius barbari caput, opimum belli decus, praeferens occurrit.

Y . 1 Igitur Bactrianorum regione Artabazo tradita sarcinas et impedimenta ibi cum praesidio relinquit, ipse cum expedito agmine loca deserta Sogdianorum intrat nocturno itinere exercitum ducens. 2 Aquarum, ut ante dictum est, penuria prius desperatione quam desiderio bibendi sitim accendit. Per C C C C stadia ne modicus quidem humor existit. 3 Harenas vapor aestivi solis accendit; quae ubi flagrare coeperunt, haud secus quam continenti incendio cuneta torrentur. é Caligo deinde immodico terrae fervore excitata lucem tegit, camporumque non

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ihnen selbst zudächte, denn die Entscheidung zwischen den anderen würde ja auch für sie gelten. Als erster entsandte der Barbar seine Lanze. Erigyius entging ihr durch eine knappe Kopfbewegung, dann gab er sogleich dem Pferd die Sporen und bohrte die eingelegte Sarisse dem Barbaren derart mitten durch die Kehle, daß sie zum Nacken wieder hinausfuhr. Obwohl vom Pferd gestürzt, wollte der Barbar trotzdem noch weiteren Widerstand leisten; sein Gegner aber riß die Lanze aus der Wunde heraus und richtete sie von neuem auf sein Gesicht. Satibarzanes umfaßte sie mit der Hand und half so dem Stoß des Feindes noch nach, um rascher den Tod zu erleiden. Nach dem Verlust ihres Führers, dem sie mehr gezwungen als freiwillig gefolgt waren, und eingedenk der Großmut Alexanders streckten nun die Barbaren vor Erigyius die Waffen. Froh darüber, wenn auch keineswegs ohne Sorgen hinsichtlich der Spartaner, nahm der König deren Abfall trotzdem mutigen Sinnes auf und sagte, sie hätten eben nicht eher ihre Pläne enthüllen mögen, als bis sie erfahren hätten, er selbst sei an den Grenzen Indiens angelangt! Dann setzte er sich wieder zur Verfolgung des Bessus in Bewegung; unterwegs begegnete ihm Erigyius, als Feldherrnbeute das Haupt des Barbaren vor sich her tragend. Nun wurde die LandschaftBaktrien Artabazus übergeben; dort ließ man auch Gepäck und Troß mit einer Bedeckung zurück. Mit einer kampfbereiten Schar betrat Alexander die sogdische Wüste, indem er das Heer auf Nachtmärschen weiterführte. Der oben geschilderte Mangel an Wasser machte die Soldaten mehr aus Verzweiflung durstig als aus wirklichem Verlangen nach Getränken. 400 Stadien weit kommt auch nicht die geringste Feuchtigkeit vor. Den Sand läßt die Hitze der brennenden Sonne in Glut geraten; sobald er zu kochen beginnt, dörrt alles aus, nicht anders als in beständigem Feuer. Dunst, erregt durch die maßlose Glut des Bodens, verbirgt das Tageslicht, und so gleichen

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alia quam vasti et profundi aequoris species est. 5 Nocturnum iter tolerabile videbatur, quia rore et matutino frigore corpora levabantur. Ceterum cum ipsa luce aestus oritur, omnemque naturalem àbsorbet humorem siccitas; ora visceraque penitus uruntur. "Itaque primum animi, deinde corpora deficere coeperunt. Pigebat et consistere et progredì. 7 Pauci a peritis regionis admoniti praepararant aquam; haec paulisper repressit sitim, deinde crescente aestu rursus desiderium humoris accensum est. Ergo quicquid vini oleique erat [hominibus] ingerebatur, tantaque dulcedo bibendi fuit, ut in posterum sitis non timeretur. 8 Graves deinde avide hausto humore non sustinere arma, non ingredi poterant, et feliciores videbantur, quos aqua defecerat, cum ipsi sine modo infusam vomitu cogerentur egerere. 'Anxium regem tantis malis circumfusi amici ut meminisset orabant animi sui magnitudinem unicum remedium deficientis exercitus esse, " c u m ex iis, qui praecesserant ad capiendum locum castris, duo occurrunt utribus aquam gestantes, ut filiis suis, quos in eodem agmine esse et aegre pati sitim non ignorabant, succurrerent. " Q u i cum in regem incidissent, alter ex his utre resoluto vas, quod simul ferebat, implet porrigens regi. Ille accipit; percontatus, quibus aquam portarent, filiis ferre cognoscit. 1 2 Tunc poculo pieno, sicut oblatum est, reddito « Nec solus » inquit « bibere sustineo nec tam exiguum dividere omnibus possum. Vos currite et liberis vestris, quod propter illos attulistis, date. »

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die Ebenen dem weiten, tiefen Meer. Nur nachts zu marschieren schien erträglich, weil da der Tau und die morgendliche Kühle Erleichterung schufen; doch alsbald mit dem Tageslicht beginnt auch die Hitze und tilgt die Dürre jegliche Feuchtigkeit in der Natur; in Antlitz und Eingeweide brennt sich die Glut tief hinein. Daher begannen die Soldaten erst stimmungsmäßig, dann auch körperlich matt zu werden; sie mochten weder stehenbleiben noch weitergehen. Nur wenige hatten auf den Rat Landeskundiger gehört und sich mit Wasser versehen; dies löschte wohl für eine Weile den Durst, bald aber erweckte die zunehmende Hitze neues Verlangen nach Getränken. So schüttete man sich denn, was man an Wein oder ö l hatte, in den Mund, und das tat derart wohl, daß man für später keinen Durst fürchtete. Bald aber vermochten sie infolge des gierig verschluckten Getränks die Waffen nicht mehr zu halten und nicht mehr weiterzugehen; glücklicher schienen die daran zu sein, die kein Wasser gehabt hatten, während sie selbst das sinnlos Hineingegossene wieder erbrechen mußten. Den König, der ob solcher Übel in Sorge geriet, umringten seine Freunde und baten ihn, doch daran zu denken, daß seine Seelengröße allein dem ermatteten Heer zur Rettung werden könne; da kamen zwei von denen gelaufen, die vorausgezogen waren, um einen Lagerplatz zu suchen: sie trugen Wasser in Schläuchen mit sich, um ihren Söhnen Hilfe zu bringen, von denen sie wußten, sie seien im gleichen Heereszug und hielten den Durst kaum noch aus. Als sie auf den König stießen, öffnete der eine von ihnen den Schlauch, füllte einen Becher, den er bei sich trug, und reichte ihn dem König. Dieser nahm ihn an; er fragte, für wen das Wasser sein solle, und erfuhr, sie brächten es ihren Söhnen. Da gab er den vollen Becher, so wie er ihm dargeboten worden war, zurück und sagte: „Allein mag ich nicht trinken, und dies wenige kann ich auch nicht unter alle verteilen. Lauft und gebt euren Söhnen, was ihr für sie hergebracht habt!"

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" T a n d e m ad flumen Oxum ipse pervenit prima fere vespera, sed exercitus magna pars non potuerat consequi. In edito monte ignes iubet fieri, ut ii, qui aegre sequebantur, haud procul castris ipsos abesse cognoscerent; 14eos autem, qui primi agminis erant, mature cibo ac potione firmatos implere alios utres, alios vasa, quibuscumque aqua portari posset, iussit ac suis opem ferre. 15 Sed qui intemperantius hauserant, intercluso spiritu extincti sunt, multoque maior horum numerus fuit, quam ullo amiserat proelio. 1 6 At ille thoracem adhuc indutus nec aut cibo refectus aut potu, qua veniebat exercitus, constitit nec ante ad curandum corpus recessit, quam praeterierant, qui agmen claudebant, totamque eam noctem cum magno animi motu perpetuis vigiliis egit. 17 Nec postero die laetior erat, quia nec navigia habebat nec pons erigi poterat, circum amnem nudo solo et materia maxime sterili. Consilium igitur, quod unum nécessitas subiecerat, init: utres quam plurimos stramentis refertos dividit. 1 8 His incubantes transnavere amnem, quique primi transierant, in statione erant, dum traicerent ceteri. H o c modo sexto demum die in ulteriore ripa totum exercitum exposuit. 19

Iamque ad persequendum Bessum statuerat progredì, cum ea, quae in Sogdianis erant, cognoscit. Spitamenes erat inter omnes amicos praecipuo honore cultus a Besso, sed nullis mentis perfidia mitigari potest; 20 quae tamen iam minus in eo invisa esse poterat, quia nihil ulli nefastum in Bessum, interfectorem regis sui, videbatur. Titulus facinori speciosus praeferebatur, vindicta Darei; sed fortunam, non scelus

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Endlich gelangte er selbst an den Oxus, als eben der Abend anbrach, aber das Heer hatte großenteils nicht zu folgen vermocht. Auf einer Berghöhe ließ er Feuer anzünden, damit die erschöpften Nachzügler sehen könnten, das Lager sei nicht mehr weit; die Leute an der Spitze ließ er sich schnell durch Speise und Trank stärken und dann Schläuche oder Gefäße füllen und womit man sonst Wasser befördern konnte, und damit den Ihren zu Hilfe eilen. Die aber die allzu maßlos tranken, erstickten daran, und so kam eine weit größere Zahl Leute um, als er je in einer Schlacht verloren hatte. Er selbst jedoch, noch in den Panzer gehüllt und ohne sich mit Speise oder Trank gestärkt zu haben, blieb da stehen, wo das Heer herankam, und wich nicht eher vom Fleck, um an den eigenen Körper zu denken, als bis auch die Nachhut vorbei war. Diese ganze Nacht verbrachte er innerlich sehr bewegt, ohne ein Auge zuzutun. Auch tags darauf war seine Stimmung nicht besser, denn er besaß weder Fahrzeuge noch ließ sich eine Brücke errichten; rings um den Fluß nämlich war der Boden nackt und vor allem für Bauholz unergiebig. So entschloß er sich also zu dem, wozu ihn einzig und allein die Notwendigkeit zwang: er ließ möglichst viele mit Stroh gefüllte Schläuche austeilen. Auf diesen liegend überquerten sie den Strom, und wer zuerst hinübergelangt war, hielt Wache, bis auch die übrigen übergesetzt hatten. Auf solche Weise brachte er erst am sechsten Tage das ganze Heer ans andere Ufer. Schon hatte er sich zur weiteren Verfolgung des Bessus entschlossen, da erfuhr er die Vorgänge in Sogdien. Unter allen Freunden des Bessus stand diesem keiner so nahe wie Spitamenes, doch schützt ja keinerlei Guttat vor Treulosigkeit. Immerhin war Spitamenes deshalb weniger verabscheuenswert, weil ja niemandem etwas ruchlos erscheinen konnte, was sich gegen Bessus richtete, den Mörder seines Königs. Ein glanzvoller Vorwand leuchtete über Spitamenes' Tat: die Rache für Darius. In Wirklichkeit

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oderat Bessi. 2 1 Namque ut Alexandrum flumen Oxum superasse cognovit, Dataphernem et Catanen, quibus a Besso maxima fides habebatur, in societatem cogitatae rei adsciscit. Uli promptius adnuunt quam rogabantur, adsumptisque V I I I fortissimis iuvenibus talem dolum intendunt. 22 Spitamenes pergit ad Bessum et remotis arbitris comperisse ait se insidiari ei Dataphernen et Catanen, ut vivum Alexandro traderent, agitantes; a semet occupatos esse, vinctos teneri. 23 Bessus tanto merito, ut credebat, obligatus partim gratias agit, partim avidus explendi supplicii adduci eos iubet. 2 4 Illi manibus sua sponte religatis a participibus consilii trahebantur. Quos Bessus truci vultu intuens consurgit manibus non temperaturus. Atque illi simulatione omissa circumsistunt eum et frustra repugnantem vinciunt derepto ex capite regni insigni lacerataque veste, quam e spoliis occisi regis induerat. 2 B Ille deos sui sceleris ultores adesse confessus adiecit non Dareo iniquos fuisse, quem sic ulciscerentur, sed Alexandro propitios esse, cuius victoriam semper etiam hostes adiuvissent. 28 Multitudo an vindicatura Bessum fuerit, incertum est, nisi illi, qui vinxerant, iussu Alexandri fecisse ipsos ementiti dubios adhuc animi terruissent. In equum impositum Alexandro tradituri ducunt.

" I n t e r haec rex, quibus matura erat missio, electis nongentis fere bina talenta equiti dedit, pediti terna denarium milia, monitosque, ut liberos generarent, remisit domum. Ceteris gra-

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aber haßte er nicht den Verbrecher Bessus, sondern dessen hohe Stellung; denn erst als er hörte, Alexander habe den Oxus überschritten, gewann er sich zu Gefährten seines Planes Dataphernes und Katanes, welch beiden Bessus unbedingt vertraute. Kaum gebeten, waren sie auch schon zur Stelle, hatten acht äußerst mutige junge Leute bei sich und ersannen nun folgende List: Spitamenes geht zu Bessus und teilt ihm unter vier Augen mit, er habe erfahren, Dataphernes und Katanes stellten ihm nach und planten, ihn Alexander lebend auszuliefern; er selbst aber sei ihnen zuvorgekommen und halte sie gefangen. Durch solche vermeintliche Freundestat verpflichtet, sagt ihm Bessus Dank und läßt auch sofort jene herbeischaffen, eifrig darauf bedacht, sie hinrichten zu lassen. Diese hatten sich freiwillig binden lassen und wurden nun von Mitverschworenen angeschleppt. Finsteren Blickes erhebt sich Bessus, bereit Hand an sie zu legen. Da lassen jene die Maske fallen: sie umringen ihn, fesseln ihn trotz seiner Gegenwehr, reißen ihm die Zeichen der Königswürde vom Haupt und zerfetzen das Gewand, das er trägt - eine Beute vom Königsmord her. Nun muß Bessus zugeben, daß die Götter als Rächer seines Verbrechens zur Stelle seien, und er fügt hinzu: zwar Darius seien sie gnädig gewesen, wenn sie ihn so rächten, Alexander gegenüber jedoch geradezu huldvoll, denn ihm hätten stets seine Feinde siegen geholfen! Ob die Menge willens gewesen, Bessus zu befreien, ist ungewiß; doch setzten die, welche ihn in Bande schlugen, die noch Schwankenden in Schreck, indem sie lügnerisch vorgaben, sie hätten auf Alexanders Befehl gehandelt. Man setzte Bessus auf ein Pferd und führte ihn fort, um ihn Alexander auszuliefern. Währenddessen gab der König etwa 900 ausgewählten Leuten, deren Entlassung an der Zeit war, je zwei Talente, sofern es Reiter, und je 3000 Denare, sofern es Fußtruppen waren; mit der Weisung, Kinder zu zeugen, entließ er sie heimwärts. Den übrigen gegenüber bekundete er seinen

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tiae actae, quod ad reliqua belli navaturos operam pollicebantur. 2 8 [Tum Bessus perducitur.] Perventum erat ad parvulum oppidum. Branchidae eius incolae erant. Mileto quondam iussu Xerxis, cum e Graecia rediret, transierant et in ea sede constiterant, quia templum, quod Didymeon appellatur, in gratiam Xerxis violaverant. 29 Mores patrii nondum exoleverant; sed iam bilingues erant, paulatim a domestico externo sermone degeneres. Magno igitur gaudio regem excipiunt urbem seque dedentes. lile Milesios, qui apud ipsum militarent, convocari iubet. 30 Vetus odium Milesii gerebant in Branchidarum gentem. Proditis ergo, sive iniuriae sive originis meminisse mallent, liberum de Branchidis permittit arbitrium. 31 Variantibus deinde sententiis se ipsum consideraturum, quid optimum factu esset, ostendit. Postero die occurrentibus Branchidis secum procedere iubet, cumque ad urbem ventum esset, ipse cum expedita manu portam intrat, 32 phalanx moenia oppidi circumire iussa et dato signo diripere urbem, proditorum receptaculum, ipsosque ad unum caedere. 3 3 Illi inermes passim trucidantur, nec aut commercio linguae aut supplicum velamentis precibusque inhiberi crudelitas potest. Tandem, ut deicerent fundamenta murorum, ab imo moliuntur, ne quod urbis vestigium extaret. 3 4 Nemora quoque et lucos sacros non caedunt modo, sed etiam extirpant, ut vasta solitudo et sterilis humus excisis etiam radicibus

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Dank, weil sie versprachen, auch weiterhin im Krieg ihre Kräfte einzusetzen. [Darauf wird ihm Bessus zugeführt.] Man war nun zu einer kleinen Stadt gelangt, deren Einwohner die Branchiden waren. Einstmals waren sie auf Befehl des Xerxes, als er aus Griechenland heimkehrte, von Milet ausgewandert und hatten sich hier niedergelassen, weil sie Xerxes zuliebe den Tempel, der Didymeon heißt, entweiht hatten. Noch waren ihre heimischen Sitten nicht geschwunden, doch gebrauchten sie schon zweierlei Sprache, allmählich von der eigenen zur ausländischen Redeweise entartend. Nun empfingen sie den König voller Freude und ergaben sich ihm mitsamt der Stadt. Der ließ die Milesier, die etwa in seinem Gefolge kämpften, zusammenrufen. Die aber hegten einen alten Haß gegen den Stamm der Branchiden. Als Verratenen also überließ er ihnen die freie Entscheidung über die Branchiden, ob sie sich nun des von jenen begangenen Unrechts oder lieber ihrer Herkunft erinnern wollten. D a die Ansichten hierüber schwankten, erklärte er, selbst darüber nachdenken zu wollen, welches der beste Entschluß sei. Am nächsten Tag, als die Branchiden ihm entgegenkamen, befahl er ihnen, zu folgen. Und als man zur Stadt gelangt war, drang er selbst mit einer kampfbereiten Schar durch das Tor ein. Die Phalanx mußte die Stadtmauern umschließen und auf ein Zeichen hin die Stadt als einen Schlupfwinkel von Verrätern plündern, gleichzeitig aber auch jene selbst bis auf den letzten Mann niederhauen. Unbewaffnet wie sie waren, wurden sie ringsum niedergemacht, und weder die gemeinschaftliche Sprache noch ihre wollenen Kopfbinden, das Zeichen Schutzflehender, noch auch ihre Bitten vermochten der Grausamkeit Einhalt zu tun. Schließlich wurden die Mauern der Stadt untergraben, um sie zum Einsturz zu bringen, auf daß keine Spur von der Stadt mehr vorhanden bleibe. Auch die heiligen Wälder und Haine fällte man nicht nur, sondern rodete sie sogar aus, um weithin Einöde und unfruchtbaren Boden zu hinterlassen; sogar die Wurzeln entfernte man. Hätte man derlei

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linqueretur. 3 o Quae si in ipsos proditionis auctores excogitata essent, iusta ultio esse, non crudelitas videretur; nunc culpam maiorum posteri luere, qui ne viderant quidem Miletum, ideo et X e r x i non potuerant prodere. ^ I n d e processit ad Tanain amnem. Quo perductus est Bessus non vinctus modo sed etiam omni velamento corporis spoliatus. Spitamenes eum tenebat collo inserta catena, tarn barbaris quam Macedonibus gratum spectaculum. 3 7 T u m Spitamenes « E t te » inquit « et Dareum, reges meos, ultus interfectorem domini sui adduxi eo modo captum, cuius ipse fecit exemplum. Aperiat ad hoc spectaculum oculos Dareus! Existât ab inferís, qui ilio supplicio indignus fuit et hoc solacio dignus est! » 3 8 Alexander multum conlaudato Spitamene conversus ad Bessum « Cuius » inquit « ferae rabies occupavit animum tuum, cum regem de te optime meritum prius vincire, deinde occidere sustinuisti? Sed huius parricidii mercedem falso regis nomine persolvisti tibi.» 3 9 Ille facinus purgare non ausus regis titulum se usurpare dixit, ut gentem suam tradere ipsi posset; qui si cessasset, alium fuisse regnum occupaturum. 4 0 E t Alexander Oxathren, fratrem Darei, quem inter corporis custodes habebat, propius iussit accedere tradique Bessum ei, ut cruci adfixum mutilatis auribus naribusque sagittis configerent barbari adservarentque corpus, ut ne aves quidem contingerent. 4 1 Oxathres cetera sibi curae fore pollicetur, aves non ab alio quam a Catane posse prohiberi adicit eximiam eius artem cupiens os-

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gegen die Urheber eines Verrates selbst ausgedacht, so durfte das wohl noch als berechtigte Rache statt als bloße Grausamkeit gelten; nun aber büßten Nachkommen die Schuld ihrer Väter, ohne jemals auch nur Milet gesehen und diese Stadt demnach an Xerxes verraten zu haben! Von dort zog er weiter zum Tanais. Hierhin brachte man ihm Bessus, nicht nur in Fesseln, sondern auch aller Bekleidung beraubt. Spitamenes hielt ihn an einer Kette, die man um seinen Hals geschlungen - ein willkommener Anblick für Barbaren wie für Makedonen. Darauf sprach Spitames: „Dich und Darius, meine beiden Könige also rächend, bringe ich dir hier den Mörder seines Herrn, auf dieselbe Weise gefangen, für die er uns selbst das Vorbild gab! Möge doch zu diesem Schauspiel Darius wieder die Augen öffnen! Möge er aus der Unterwelt wiederkehren er, den jener Mordstahl unverdient traf und der diese Tröstung verdient h a t ! " Alexander erteilte Spitamenes hohes Lob; dann wandte er sich an Bessus und sprach: „Welches reißenden Tieres wilde Wut hat dein Herz erfüllt, daß du es über dich bringen konntest, einen König, der dir nur Gutes getan, erst in Fesseln zu legen und dann zu ermorden? Als Lohn für diesen Hochverrat aber hast du dich mit der gestohlenen Königswürde bezahlt gemacht!" Jener wagte nicht, seine Schandtat zu rechtfertigen; er erklärte, er habe den Königstitel nur angenommen, um seinen Stamm Alexander übergeben zu können: falls er gesäumt, hätte ein anderer die Herrschaft an sich gerissen! N u n ließ Alexander den Bruder des Darius, Oxathres, nähertreten, der zu seinen Leibwächtern gehörte, und übergab ihm Bessus, auf daß die Barbaren ihn ans Kreuz schlügen, ihm Ohren und Nase abschnitten, ihn mit Pfeilen durchbohrten und auch noch seine Leiche bewachten, daß nicht einmal die Vögel ihn erreichen könnten. Oxathres versprach, für alles weitere zu sorgen; die Vögel könne niemand besser fernhalten als Katanes, fügte er hinzu, denn er wünschte, dessen besondere Kunstfertigkeit sieht-

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tendere; namque adeo certo ictu destinata feriebat, ut aves quoque exciperet. 42 Nunc forsitan sagittarum tam celebri usu minus admirabilis videri ars haec possit, tum ingens visentibus miraculum magnoque honori Catani fuit. 43 Dona deinde omnibus, qui Bessum adduxerant, data sunt. Ceterum supplicium eius distulit, ut eo loco, in quo Dareum ipse occiderat, necaretur. VI. 1 Interea Macedones ad petendum pabulum incomposito agmine egressi a barbaris, qui de proximis montibus decurrerunt, opprimuntur, pluresque capti sunt quam occisi; 2 barbari autem captivos prae se agentes rursus in montem recesserunt. X X milia latronum erant; fundís sagittisque pugnam invadunt. 3 Quos dum obsidet rex, inter promptissimos dimicans sagitta ictus est, quae in medio crure fixa reliquerat spiculum. 4 Illum quidem maesti et attoniti Macedones in castra referebant, sed nec barbaros fefellit subductus ex acie: quippe ex edito monte cuncta prospexerant. 5 Itaque postero die misere legatos ad regem, quos ille protinus iussit admitti solutisque fasciis magnitudinem vulneris dissimulans crus barbaris ostendit. e Illi iussi considere adfirmant non Macedonas quam ipsos tristiores fuisse cognito vulnere ipsius; cuius si auctorem repperissent, dedituros fuisse: cum dis enim pugnare sacrilegos tantum. 7 Ceterum se gentem in fidem dedere superatos vulnere illius. Rex fide data et captivis receptis gentem

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bar werden zu lassen: traf er doch sein Ziel stets derart sicher, daß er auch Vögel im Flug nicht verfehlte. Heute, wo das Bogenschießen eine derart verbreitete Kunst ist, könnte diese Fertigkeit vielleicht weniger wunderbar erscheinen: damals war sie für die Zuschauer ein ungeheuerliches Wunder und brachte Katanes viel Ehre ein. Alle, die Bessus hergeführt hatten, erhielten darauf Geschenke; seine Hinrichtung jedoch schob Alexander noch auf, denn er sollte dort den Tod finden, wo er selbst Darius ermordet hatte. Inzwischen waren die Makedonen in ungeordneten Haufen ausgerückt, um Futter zu holen; dabei wurden sie von den Barbaren überfallen, die von den nächsten Bergen herabgestürmt kamen, und zwar wurden mehr Leute gefangen als erschlagen. Dann zogen sich die Barbaren, die Gefangenen vor sich hertreibend, wieder ins Gebirge zurück. 20 000 Mann waren diese Wegelagerer stark; sie kämpften mit Schleudern und Pfeilen. Während der König sie belagerte und selbst in der ersten Linie kämpfte, traf ihn ein Pfeil, dessen Spitze im Schienbein stecken blieb. Voll Trauer und Bestürzung trugen ihn die Makedonen ins Lager zurück, aber auch die Barbaren wurden gewahr, daß man ihn aus der Schlacht wegbrachte, denn sie hatten von der Berghöhe aus alles überblicken können. Daher schickten sie am folgenden Tag gar kläglich Gesandte zum K ö nig; der ließ sie sogleich vor und nahm den Verband ab, um ihnen sein Bein zu zeigen, ohne freilich zu sagen, wie schwer die Wunde sei. Sie durften sich setzen und versicherten nun, die Makedonen hätten nicht trauriger sein können als sie selbst, da sie von der Verwundung erfuhren, und wenn deren Urheber aufzufinden gewesen wäre, so hätten sie ihn ausgeliefert: kämpften doch mit Göttern nur Gottlose! Nun aber wollten sie sich ergeben, bezwungen durch seine Verwundung. Der König sicherte ihrem Stamm Treue zu und nahm ihre Unterwerfung an, nachdem er die Gefangenen zurück-

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in deditionem accepit. 8Castris inde motis lectica militari ferebatur, quam pro se quisque eques pedesque subire certabant. Equités, cum quibus rex proelia inire solitus erat, sui muneris id esse censebant; pedites contra, cum saucios commilitones ipsi gestare adsuevissent, eripi sibi proprium officium tum potissimum, cum rex gestandus esset, querebantur. 9 Rex in tanto utriusque partis certamine et sibi difficilem et praeteritis gravem electionem futuram ratus invicem subire eos iussit. 10 Hinc quarto die ad urbem Maracanda per26 ventum est — L X X stadia murus urbis amplectitur; arx hinc**, illinc cingitur muro - ac praesidio urbis relicto proximos vicos depopulatur atque urit. "Legati deinde Abiorum Scytharum superveniunt, liberi, ex quo decesserat Cyrus, tum imperata facturi. Iustissimos barbarorum constaban armis abstinebant, nisi lacessiti; libertatis modico et aequali usu principibus humiliores pares fecerant. 12 Hos benigne adlocutus ad eos Scythas, qui Europam incolunt, Derdam quendam misit ex amicis, qui denuntiaret his, ne Tanain amnem [regionis] iniussu regis transirent. Eidem mandatum, ut contemplaretur locorum situm et illos quoque Scythas, qui super Bosphorum colunt, viseret. 13Condendae urbi sedem super ripam Tanais elegerat, claustrum et iam perdomitorum et quot deinde adire decreverat. Sed consilium distulit Sogdianorum nuntiata defectio, quae Bactrianos quoque traxit. 1 4 VII milia equitum erant, quorum auctoritatem ceteri sequebantur. Alexander Spita-

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erhalten hatte. Beim weiteren Vormarsch jedoch mußte er sich in einer Kriegssänfte tragen lassen, wobei Reiterei und Fußvolk sich darum stritten, wer diese auf die Schultern nehmen dürfe. Die Reiter, in deren Mitte der König zu kämpfen pflegte, waren der Ansicht, es sei das ihr Vorrecht; das Fußvolk dagegen, gewohnt, verwundete Kameraden selbst zu tragen, führte Klage darüber, man entzöge ihm gerade jetzt die ihm vorbehaltene Pflicht, wo es den König zu tragen gelte! In einem solchen Wettstreit war der König der Ansicht, daß eine Wahl für ihn selbst schwierig, für die Übergangenen aber schwer zu ertragen sei, und so ließ er sie die Sänfte abwechselnd aufnehmen. Von hier aus gelangte man am vierten Tag zur Stadt Marakanda. 70 Stadien umfaßt die Mauer. Die Burg wird auf der einen Seite . . . , auf der anderen durch eine Mauer umschlossen. Er ließ eine Besatzung in der Stadt zurück, verheerte sodann die nächsten Dörfer und brannte sie nieder. Es kamen darauf Gesandte der skythischen Abier, freie Männer seit dem Tode des Kyrus, doch jetzt zum Gehorsam bereit. Sie galten als die rechtlichsten unter allen Barbaren: nur wenn man sie reizte, griffen sie zu den Waffen; in maßvollem und billigem Gebrauch der Freiheit hatten sie Gleichstellung zwischen hoch und niedrig zustande gebracht. Alexander sprach sie mit gütigen Worten an und sandte zu den Skythen, die europäischen Boden bewohnen, einen ihm nahestehenden Mann namens Derdas; der sollte ihnen verkünden, sie dürften ohne Erlaubnis des Königs den Tanais nicht überschreiten. Zugleich erhielt er den Auftrag, die Landschaft zu erkunden sowie auch die Skythen jenseits des Bosporus aufzusuchen. Für eine Stadtgründung hatte der König den Platz am Ufer des Tanais ausgewählt, als eine Grenzfestung sowohl für die schon völlig Unterworfenen wie auch für alle die, welche er noch anzugreifen beschlossen hatte; aber seinen Plan durchkreuzte die Nachricht vom Aufstand der Sogdier, der auch den der Baktrer nach sich zog. Es waren 7000 Reiter, deren Einfluß sich auch die übrigen beugten.

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menen et Catanen, a quibus ei traditus erat Bessus, haud dubius, quin eorum opera redigi possent in potestatem, [coercendo] qui novaverant res, iussit accersi. 1 5 At illi, defectionis, ad quam coercendam evocabantur, auctores, vulgaverant fama Bactrianos équités a rege omnes, ut occiderentur, accersi, idque imperatum ipsis; non sustinuisse tarnen exequi, ne inexpiabile in populares facinus admitterent. N o n magis Alexandri saevitiam quam Bessi parricidium ferre potuisse. Itaque sua sponte iam motos metu poenae haud difficulter ad arma concitaverunt.

"Alexander transfugarum defectione comperta Craterum obsidere Cyropolim iubet, ipse aliam urbem regionis eiusdem corona capit, signoque, ut púberes interficerentur, dato reliqui in praedam cessere victoris. Urbs diruta est, ut ceteri cladis eius exemplo continerentur. 17 Memaceni, valida gens, obsidionem non ut honestiorem modo sed etiam ut tutiorem ferre decreverant. Ad quorum pertinaciam mitigandam rex L équités praemisit, qui clementiam ipsius in deditos simulque inexorabilem animum in devictos ostenderent. 18 Illi nec de fide nec de potentia regis ipsos dubitare respondent equitesque tendere extra munimenta urbis iubent; hospitaliter deinde exceptos gravesque epulis et somno intempesta nocte adorti interfecerunt. 19 Alexander haud secus quam par erat motus urbem corona circumdedit, munitiorem, quam ut primo impetu capi posset. Itaque Meleagrum et

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Alexander befahl, Spitamenes und Katanes zu holen, die ihm Bessus ausgeliefert hatten, denn er zweifelte nicht, sie könnten erreichen, daß die Aufständischen wieder in seine Gewalt kämen. Doch waren gerade diese beiden die Urheber des Aufstandes, den beizulegen man sie aufrief; hatten sie doch das Gerücht verbreitet, alle baktrischen Reiter seien vom König zusammengerufen worden, damit man sie ermorde, und zwar sei dies ihnen selbst aufgetragen worden. Doch hätten sie es nicht über sich gebracht, eine solche unsühnbare Schandtat an ihren Landsleuten zu begehen: noch weniger als Bessus' Landesverrat hätten sie Alexanders rasendes Verlangen dulden können! Und so brachten sie die schon von sich aus Erregten durch Furcht vor Bestrafung mühelos zu den Waffen. Als Alexander von dem Abfall der Überläufer erfuhr, hieß er Kraterus Kyropolis belagern; er selbst Schloß eine andere Stadt derselben Landschaft ein und nahm sie; und als er das Zeichen gab, die junge Mannschaft niederzumachen, gingen die übrigen als Siegesbeute in seinen Besitz über. Die Stadt wurde zerstört, um die anderen durch das abschreckende Beispiel in Gehorsam zu halten. Die Memakener, ein kraftvoller Stamm, hatten sich entschlossen, es auf eine Belagerung ankommen zu lassen, die sie nicht nur für ehrenvoller, sondern auch für aussichtsreicher hielten. Ihren Trotz zu brechen, sandte der König 50 Reiter aus; sie sollten auf seine gnädige Haltung denen gegenüber hinweisen, die sich ihm unterwürfen, zugleich aber auch auf seine unerbittliche Gesinnung gegenüber Besiegten. Jene gaben zur Antwort, sie hegten weder an der Treue noch an der Macht des Königs Zweifel; sie ließen die Reiter außerhalb der Schutzmauern der Stadt zelten und bewirteten sie freundlich, überfielen sie dann aber tief in der Nacht, als sie von Essen, Trinken und Müdigkeit wehrlos waren, und erschlugen sie. Entsprechend aufgebracht, schloß Alexander die Stadt ein, denn sie war zu stark befestigt, als daß man sie auf einen Streich hätte nehmen können. Daher ließ er Meleager zusammen mit

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Perdiccan in obsidionem iungit, ipse proficiscitur ad Craterum Cyropolim, ut ante dictum est, obsidentem. 20Statuerat autem parcere urbi conditae a Cyro: quippe non alium gentium illarum magis admiratus est quam hunc regem et Samiramin, quos et magnitudine animi et claritate rerum longe emicuisse credebat. 21 Ceterum pertinacia oppidanorum iram eius accendit; itaque captam urbem diripi iussit. Deleta ea Memacenis haud iniuria infestus ad Meleagrum et Perdiccam redit. 22Sed non alia urbs fortius obsidionem tulit: quippe et militum promptissimi cecidere et ipse rex ad ultimum periculum venit. Namque cervix eius saxo ita icta est, ut oculis caligine offusa conlaberetur, ne mentis quidem compos; exercitus certe velut erepto [in] eo ingemuit. 23Sed invictus adversus ea, quae ceteros terrent, nondum percurato vulnere acrius obsidioni institit naturalem celeritatem ira concitante. Cuniculo ergo suffossa moenia ingens nudavere spatium, per quod inrupit, victorque urbem dirui iussit. 24 Hinc Menedemum cum tribus milibus peditum et DCCC equitibus ad urbem Maracanda misit. Spitamenes transfuga praesidio Macedonum inde deiecto muris urbis eius incluserat se, haud oppidanis consilium defectionis adprobantibus; sequi tamen videbantur, quia prohibere non poterant. 25 Interim Alexander ad Tanain amnem redit et, quantum soli occupaverat castris, muro circumdedit: L X stadiorum urbis murus fuit. Hanc quoque urbem Alexandream appellari iussit. 26Opus tanta celeritate perfectum est, ut X V I I die, quam munimenta excitata erant, tecta quoque urbis absolverentur.

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Perdikkas als Belagerer zurück und brach selbst zu Kraterus auf, der wie erwähnt Kyropolis belagerte. Zwar war er entschlossen gewesen, die von Kyrus gegründete Stadt zu verschonen, denn keinem anderen König aus jenen Stämmen zollte er mehr Bewunderung als ihm und Samiramis: glaubte er doch, diese beiden hätten an hohem Sinn und herrlichen Taten alle anderen überflügelt. Doch der Trotz der Städter entfachte seine Wut, und so ließ er die Stadt nach ihrer Einnahme plündern. Als sie zerstört war, kehrte er zu Meleager und Perdikkas zurück, denn den Memakenern zürnte er aus gutem Grunde; aber keine andere Stadt hielt einer Belagerung tapferer stand: es fielen die einsatzbereitesten Krieger, und auch der König selbst geriet in äußerste Gefahr. Ein Stein nämlich traf seinen Nacken, so daß es ihm schwarz vor den Augen wurde und er bewußtlos zusammenbrach; das Heer schrie auf, als hätte es ihn schon verloren. Aber was andere schreckt, vermochte ihn nicht zu bezwingen: noch war die Wunde nicht ausgeheilt, da stürzte er sich umso hitziger auf die belagerte Stadt, denn jetzt beflügelte noch der Zorn die ihm schon von Natur eigene Schnelligkeit. Man unterwühlte die Mauern und gewann so reichlich Raum, in die Stadt einzubrechen; als Sieger ließ er sie dem Erdboden gleichmachen. Von hier aus entsandte er Menedemus mit 3000 Mann Fußvolk und 800 Reitern gegen die Stadt Marakanda. Der Überläufer Spitamenes hatte die makedonische Besatzung hinausgeworfen und sich in der Stadt verschanzt, obwohl die Städter den Plan eines Abfalls keineswegs billigten; doch leisteten sie ihm scheinbar Folge, da sie ihm ja nicht in den Weg zu treten vermochten. Inzwischen kehrte Alexander zum Tanais zurück und umschloß den gesamten Lagerraum mit einer Mauer. 60 Stadien war die Stadtmauer lang; auch diese Stadt nannte er Alexandria. Das Werk wurde mit solcher Schnelligkeit aufgeführt, daß schon am siebzehnten Tag nach der Errichtung der Schanzen auch die Häuser der Stadt fertiggestellt wa-

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Ingens militum certamen inter ipsos fuerat, ut suum quisque munus - nam divisum erat - primus ostenderet. 27 Incolae novae urbi dati captivi, quos reddito pretio dominis liberavit. Quorum posteri nunc quoque non apud eos tarn longa aetate propter memoriam Alexandri exoleverunt.

VII. *At rex Scytharum, cuius tum ultra T a naim imperium erat, ratus eam urbem, quam in ripa amnis Macedones condiderant, suis impositam esse cervicibus, fratrem, Carthasim nomine, cum magna equitum manu misit ad diruendam eam proculque amne submovendas Macedonum copias. 2 Bactrianos Tanais ab Scythis, quos Europaeos vocant, dividit; idem Asiam et Europam finis interfluit. 3 Ceterum Scytharum gens haud procul Thracia sita ab oriente ad septentrionem se vertit, Sarmatarumque, ut quidam credidere, non finitima, sed pars est. 4 Recta deinde regione saltum ultra Istrum iacentem colit; ultima Asiae, qua Bactra sunt, stringit. Habitant, quae septentrioni propiora sunt; profundae inde silvae vastaeque solitudines excipiunt. Rursus quae Tanain et Bactra spectant, humano cultu haud disparia sunt primis. 5 Cum hac gente non provisum bellum Alexander gesturus, cum in conspectu eius obequitaret hostis, adhuc aeger ex vulnere, praecipue voce deficiens, quam et modicus cibus et cervicis extenuabat dolor, amicos in consilium advocari iubet. "Terrebat eum non hostis, sed iniquitas temporis. Bactriani defecerant,

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ren. Unter den Soldaten war ein mächtiger Wettstreit entbrannt, wer sein Werk - man hatte die Arbeit nämlich eingeteilt - als erster vorzeigen könne. Zu Einwohnern gab er der neuen Stadt Gefangene, die er für ein Lösegeld von ihren Herren freikaufte; ihre Nachkommen sind dort noch heute, trotz so viel verstrichener Zeit, in der Erinnerung an Alexander unter der Bevölkerung nicht untergetaucht. Aber der Skythenkönig, dessen Reich sich damals jenseits des Tanais ausdehnte, glaubte, die Stadt, die die Makedonen am Ufer des Flusses gegründet hatten, sei ihm auf den Hals gesetzt, und sandte deshalb seinen Bruder K a r thasis mit einer großen Schar Reiter aus, sie zu zerstören und damit die makedonischen Truppen aus dem Bereich des Flusses zu verdrängen. Die Baktrer trennt der Tanais von den Skythen, die man die europäischen nennt; zugleich bildet er die Grenze zwischen Asien und Europa. Doch verbreitet sich das Volk der Skythen, das nicht weit von Thrakien wohnt, von Osten nach Norden und stellt nicht, wie manche geglaubt haben, die Nachbarn der Sarmaten dar, sondern ist ein Teil von diesen. In gerader Richtung weiterhin bewohnt es das Waldgebirge jenseits des Ister und berührt den Rand Asiens da, wo Baktra liegt. Sie haben das Land nach Norden zu inne, dann folgen U r wälder und weit ausgedehnte Wüsten. Das Land wiederum, das an den Tanais und an Baktrien grenzt, ist seinem Anbau von Menschenhand nach den besten Ländern gleich. D a nun Alexander mit diesem Volk einen Krieg aus dem Stegreif zu führen unternahm, während der Feind vor seinen Augen offen heranritt - er selbst aber litt noch an seiner Wunde und war vor allem stimmlich geschwächt, denn die karge Kost und der schmerzende Nacken machten es ihm schwer zu sprechen - da ließ er die Freunde zu einer Beratung zusammenrufen. Was ihn schreckte, war nicht der Feind, sondern der ungünstige Zeitpunkt: die

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Scythae etiam lacessebant: ipse non insistere in terra, non equo vehi, non docere, non hortari suos poterat. 7 Ancipiti periculo implicitus deos quoque incusans querebatur se iacere segnem, cuius velocitatem nemo antea valuisset effugere: vix suos credere non simulari valetudinem. 8

Ita, qui post Dareum victum hariolos et vates consulere desierat, rursus ad superstitionem, humanarum mentium ludibria revolutus Aristandrum, cui credulitatem suam addixerat, explorare eventum rerum sacrificiis iubet. Mos erat haruspicibus exta sine rege spectare et, quae portenderentur, referre. 9 Inter haec rex, dum fibris pecudum explorantur eventus latentium rerum, propius ipsum considere [deinde] amicos iubet, ne contentione vocis cicatricem infirmarli adhuc rumperet. Hephaestio, Craterus et Erigyius erant cum custodibus in tabernaculum admissi. 10 « Discrimen » inquit « me occupavit meliore hostium quam meo tempore; sed nécessitas ante rationem est, maxime in bello, quo raro permittitur tempora eligere. "Defecere Bactriani, in quorum cervicibus stamus, et, quantum in nobis animi sit, alieno Marte experiuntur. H a u d dubia fortuna: si omiserimus Scythas ultro arma inferentes, contempti ad illos, qui defecerunt, revertemur; 12si vero Tanaim transierimus et ubique invictos esse nos Scytharum pernicie ac sanguine ostenderimus, quis dubitabit parere etiam Europae victoribus? 13 Fallitur, qui términos gloriae nostrae me-

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Baktrer waren in Aufruhr, und nun griffen auch noch die Skythen an; er selbst vermochte weder aufrechtzustehen noch zu reiten, weder die Seinen anzuweisen noch anzufeuern. In dieser zwiefachen Not grollte er auch den Göttern und klagte, hier liege er nun müßig, er, vor dessen Schnelligkeit bisher niemand habe entweichen können; die Seinen müßten ja fast glauben, er stelle sich krank! In dieser Stimmung verfiel er, der doch nach dem Sieg über Darius aufgehört hatte, Wahrsager und Seher zu befragen, wiederum dem Aberglauben, durch welchen Menschenverstand sich verblenden läßt: er ließ Aristander, dem er sich in seiner Leichtgläubigkeit anvertraut hatte, durch Opfer den künftigen Lauf der Dinge erforschen. Nun war es bei den Opferbeschauern Sitte, in Abwesenheit des Königs die Eingeweide zu betrachten und dann zu berichten, was sie kundtaten. Während man noch an Tiereingeweiden verborgene Geschicke herauszufinden suchte, ließ der König die Freunde inzwischen näher heranrücken, damit nicht sein Stimmaufwand die noch anfällige Narbe wieder aufbrechen lasse. Hephästion, Kraterus und Erigyius waren mitsamt den Leibwächtern in sein Zelt geholt worden. „Die Entscheidung", so sagte er, „hat mich zu einem Zeitpunkt überfallen, der für die Feinde günstiger ist als für mich. Aber Not geht über Vernunft, vor allem im Kriege, wo man sich ja nur selten den Zeitpunkt auswählen darf. Tatsächlich sind die Baktrer abgefallen, die wir unmittelbar im Rücken haben, und sie lernen nun die Größe unseres Mutes in einem Krieg kennen, den wir mit einem anderen Volk führen. Zweifellos steht folgendes bevor: falls wir uns etwa von den Skythen absetzen, die uns von sich aus angreifen, so werden wir uns als ein Gegenstand ihrer Verachtung zu jenen Abtrünnigen zurückwenden; überschreiten wir jedoch den Tanais und beweisen wir durch die blutige Vernichtung der Skythen unsere stete Unbesiegbarkeit, wer wird dann noch zögern, uns als den Siegern auch über Europa zu gehorchen? Der täuscht sich, der die Grenzen unseres Ruhmes nur nach

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titur spatio, quod transituri sumus. Unus amnis interfluit: quem si traicimus, in Europam arma proferimus. 1 4 Et quanti aestimandum est, dum Asiam subigimus, in alio quodammodo orbe tropaea statuere et, quae tarn longo intervallo natura videtur diremisse, una victoria subito committere? 1 5 At, hercule, si paulum cessaverimus, in tergis nostris Scythae haerebunt. An soli sumus, qui ilumina transnare possumus? Multa in nosmetipsos reccident, quibus adhuc vicimus. " F o r t u n a belli artem victos quoque docet. Utribus amnem traiciendi exemplum fecimus nuper: hoc, ut Scythae imitari nesciant, Bactriani docebunt. " P r a e t e r e a unus gentis huius exercitus adhuc venit, ceteri expectantur. Ita bellum vitando alemus et, quod inferre possumus, accipere cogemur. " M a n i f e s t a est consilii mei ratio. Sed an permissuri sint mihi Macedones animo uti meo, dubito, quia, ex quo hoc vulnus accepi, non equo vectus sum, non pedibus ingressus. 1 9 Sed si me sequi vultis, valeo, amici. Satis virium est ad toleranda ista; aut, si ìam adest vitae meae finis, in quo tandem opere melius extinguar? » 2 0 H a e c quassa adhuc voce subdeficiens vix proximis exaudientibus dixerat, cum omnes a tam praecipiti Consilio regem deterrere coeperunt, Erigyius maxime, qui, haud sane auctoritate proficiens apud obstinatum animum, superstitionem, cuius potens non erat rex, incutere temptavit dicendo deos

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dem Raum bemißt, den wir jetzt überschreiten wollen! Zwar trennt uns nur ein Fluß; wenn wir diesen jedoch überqueren, so stoßen wir nach Europa vor! Und wieviel bedeutet es doch, wenn wir bei unserer Unterwerfung Asiens auch noch in einem anderen Erdteil unsere Siegeszeichen errichten und durch einen einzigen Sieg plötzlich verbinden, was die Natur scheinbar mit so weitem Abstand getrennt hat! Aber, beim Herkules: säumen wir nur ein wenig, so fallen uns die Skythen in den Rücken. Oder sind wir allein dazu fähig, Flüsse zu durchschwimmen? Vieles wird uns selbst zum Verhängnis werden, was uns bisher zu Siegen verholfen hat: das Kriegsgeschick lehrt auch Besiegte kämpfen! Kürzlich erst haben wir das Beispiel dafür gegeben, wie man auf Schläuchen einen Fluß überquert: sollten die Skythen es nicht nachzuahmen verstehen, so werden die Baktrer sie es lehren. Außerdem ist bisher nur von diesem Stamm ein Heer eingetroffen; weitere stehen noch zu erwarten. So werden wir dem Krieg, wenn wir ihn meiden wollen, nur neue Nahrung zuführen, und den Angriff, den wir vortragen können, hinnehmen müssen. In der Theorie muß mein Plan jedem einleuchten; nur ob auch die Makedonen mir gestatten werden, nach meinem Sinn zu verfahren, das weiß ich nicht; denn seit meiner Verwundung bin ich nicht mehr geritten und nicht mehr marschiert. Wollt ihr mir aber folgen, Freunde, so fühle ich mich gesund. Ich bin stark genug, solcherlei auszuhalten; sollte aber tatsächlich mein Leben jetzt schon zu Ende gehen, bei welchem Tun könnte ich dann letzthin einen schöneren Tod finden?" Diese Worte sprach er mit immer stärker zitternder Stimme, allmählich dabei ermattend, so daß kaum die Zunächstsitzenden ihn verstehen konnten. Da hüben sie alle an, dem König einen so überstürzten Plan auszureden, vor allem Erigyius, ohne freilich bei dem Starrsinn des Königs mit dem Gewicht seiner Person Erfolg zu erzielen. Er versuchte den Aberglauben, dessen jener sich nicht zu erwehren vermochte, gegen ihn selbst zu wenden, indem er sagte,

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quoque obstare Consilio magnumque periculum, si flumen transisset, ostendi. 2 2 Intranti Erigyio tabernaculum regis Aristander occurrerat tristia exta fuisse significans: haec ex vate comperta Erigyius nuntiabat. 23 Quo inhibito Alexander non ira solum sed etiam pudore confusus, quod superstitio, quam celaverat, detegebatur, Aristandrum vocari iubet. 24 Qui ut venit, intuens eum « Non rex, » inquit « sed privatus, [sum] sacrificium ut faceres, mandavi: quid eo portenderetur, cur apud alium quam apud me professus es? Erigyius arcana mea et secreta te prodente cognovit: quem certum, mehercule, habeo extorum interprete uti metu suo. 2 5 Tibi autem, qui "j" saepius quam potest, denuntio, ipsi mihi indices, quid extis cognoveris, ne possis infitiari dixisse, quae dixeris. » s e Ille exanguis attonitoque similis stabat per metum etiam voce suppressa, tandemque eodem metu stimulante, ne regis expectationem moraretur, « Magni » inquit « laboris, non inriti discrimen instare praedixi, 27 nec me ars mea quam benevolentia perturbât. Infirmitatem valetudinis tuae video et, quantum in uno te sit, scio. Vereor, ne praesenti fortunae tuae sufficere non possis. » 2 8 Rex iussit eum confidere felicitati suae: ad alia aliis, sibi ad gloriam concedere deos. 29 Consultanti inde cum isdem, quonam modo flumen transirent, supervenit Aristander non alias laetiora exta vidisse se adfirmans, utique prioribus longe diversa: tum sollicitudinis causas apparuisse, nunc prorsus egregie litatum esse.

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auch die Götter widersetzten sich seiner Absicht, und eine große Gefahr künde sich an, falls er über den Fluß gehe. Denn als Erigyius das Zelt des Königs betrat, war ihm Aristander begegnet und hatte ihm bedeutet, die Eingeweide hätten Unheil verkündet; diese Auskunft des Sehers wollte Erigyius nun dem König mitteilen. Alexander jedoch schnitt ihm das Wort ab: er war nicht nur zornig, sondern schämte sich auch, daß nun sein geheimgehaltener Aberglaube offenbar wurde. Er ließ Aristander rufen; als dieser erschien, faßte er ihn ins Auge und sprach: „Nicht als König, sondern als Privatmann habe ich dir zu opfern befohlen; warum hast du also einem anderen als mir offenbart, was das Opfer verkündete? Erigyius sind nun meine tiefsten Geheimnisse durch deinen Verrat bekannt geworden, und von ihm weiß ich genau, beim Herkules, daß er sich die Eingeweide nach seiner Furcht ausdeutet. Dir aber, der . . . öfter als er kann, verkünde ich: mir selbst wirst du mitteilen, was du aus den Eingeweiden gefunden hast, damit du nicht abstreiten kannst, was du gesagt hast!" Jener stand blaß und wie gelähmt da; vor Furcht versagte ihm die Stimme. Endlich aber sprach er, von gleicher Furcht getrieben, den König etwa noch länger warten zu lassen: „Nur daß eine große Mühsal bevorsteht, nicht aber eine vergebliche, habe ich verkündet! Nicht so sehr meine Kunst als vielmehr mein frommer Wunsch läßt mich in Verwirrung geraten: ich sehe, wie schwach du noch bist, und weiß, wie sehr es auf dich allein ankommt. Daher bin ich in Furcht, du könntest dem, was bevorsteht, nicht gewachsen sein!" Der König hieß ihn seinem Glück getrost vertrauen: die Götter verliehen dem einen dies, dem anderen das, ihm aber Ruhm. Und wie er noch mit denselben Vertrauten beriet, wie man den Fluß überschreiten solle, kam auch schon Aristander zurück und versicherte, noch nie habe er so glückverheißende Eingeweide gesehen, vor allem aber gänzlich andere als vorher; jene hätten ihm Sorgen bereitet, jetzt aber seien die Opfer wahrhaft vorzüglich ausgefallen!

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30 Ceterum, quae subinde nuntiata sunt regi, continuae felicitati rerum eius imposuerant labern. 31 Menedemum, ut supra dictum est, miserat ad obsidendum Spitamenen, Bactrianae defectionis auctorem. Qui comperto hostis adventu, ne muris urbis includeretur, simul fretus excipi posse, qua venturum sciebat, consedit occultus. 32 Silvestre iter aptum insidiis tegendis erat: ibi Dahas condidit. Equi binos armatos vehunt, quorum invicem singuli repente desiliunt, equestris pugnae ordinem turbant. 33 Equorum velocitati par est hominum pernicitas. Hos Spitamenes saltum circumire iussos pariter et a lateribus et a fronte et a tergo hosti ostendit. 34 Menedemus undique inclusus, ne numero quidem par, diu tarnen resistit clamitans nihil aliud superesse locorum fraude deceptis quam honestae mortis solacium ex hostium caede. 35 Ipsum praevalens equus vehebat, quo saepius in cuneos barbarorum effusis habenis evectus magna strage eos fuderat. 3 e Sed cum unum omnes peterent, multis vulneribus exanguis Hypsidem quendam ex amicis hortatus est, ut in equum suum escenderet et se fuga eriperet. Haec agentem anima defecit, corpusque ex equo defluxit in terram. 37 Hypsides poterat quidem effugere, sed amisso amico mori statuit. Una erat cura, ne inultus occideret: itaque subditis calcaribus equo in medios hostis se immisit et memorabili edita pugna obrutus telis est. 38 Quod ubi videre, qui caedi supererant, tumulum paulo quam cetera editiorem capiunt; quos Spitamenes fame

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Was jedoch nun alsbald dem König gemeldet wurde, das warf einen Schatten auf sein beständiges Glück. Wie erwähnt hatte er Menedemus ausgesandt, Spitamenes zu belagern, den Urheber des baktrischen Aufstandes. Als dieser erfahren hatte, daß der Feind nahe, wollte er sich in den Stadtmauern nicht einschließen lassen und glaubte auch gleichzeitig, er könne den Feind da abfangen, wo er entlangziehen mußte; daher legte er sich in einen Hinterhalt. Ein Weg durch den Wald kam seiner List zupaß: dort verbarg er die Daher. Ihre Pferde tragen je zwei Bewaffnete; von diesen springt jeweils der eine plötzlich ab, und so bringen sie Unordnung in das Reitertreffen. Der Schnelligkeit der Pferde kommt die hurtige Beweglichkeit der Menschen gleich. Diese ließ nun Spitamenes den Wald umgehen und warf sie dann zugleich von den Flanken, von vorn und vom Rücken aus dem Feind entgegen. Menedemus, von allen Seiten eingeschlossen und auch an Zahl dem Feind nicht gewachsen, leistete trotzdem lange Zeit Widerstand, wobei er immer wieder ausrief, es bleibe ihnen, die das Gelände derart betrogen, kein andere Trost als der Heldentod inmitten niedergehauener Feinde. Er selbst ritt ein außergewöhnlich starkes Pferd, so daß er öfter in wildem Galopp in die feindlichen Keile hineinsprengte und eine Menge Barbaren niederhieb. D a nun aber alle auf ihn allein zielten, ermahnte er, aus vielen Wunden blutend und darum geschwächt, seinen Freund Hypsides, sich auf sein Pferd zu schwingen und zu enteilen. Noch während dieser Worte wurde er ohnmächtig und glitt von seinem Pferde zu Boden. Hypsides hatte zwar noch die Möglichkeit zur Flucht, aber nach dem Verlust seines Freundes zog er den Tod vor. Nur die eine Sorge beseelte ihn noch, er könnte ungerächt fallen; daher gab er dem Pferd die Sporen, sprengte mitten in die Feinde hinein und fand nach einem denkwürdigen Kampf unter einem Hagel von Speeren den Tod. Als das die Leute sahen, die dem Gemetzel entgangen waren, gewannen sie einen Hügel, der sich ein wenig über das andere Gelände erhob; Spitamenes aber Schloß sie ein,

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in deditionem subacturus obsedit. 39 Cecidere eo proelio peditum II milia, C C C équités. Quam cladem Alexander sollerti Consilio texit, morte denuntiata iis, qui ex proelio advenerant, si acta vulgassent. V i l i . 1 Ceterum cum animo disparem vultum diutius ferre non posset, in tabernaculum super ripam fluminis de industria locatum secessit. 2 Ibi sine arbitris singula animi consulta pensando noctem vigiliis extraxit saepe pellibus tabernaculi adlevatis, ut conspiceret hostium ignes, e quibus coniectare poterat, quanta hominum multitudo esset. 3 Iamque lux adpetebat, cum thoracem indutus procedit ad milites, tum primum post vulnus proxime acceptum. 4 Tanta erat apud eos veneratio regis, ut facile periculi, quod horrebant, cogitationem praesentia eius excuteret. 5 Laeti ergo et manantibus gaudio lacrimis consalutant eum et, quod ante recusaverant bellum, feroces deposcunt. e Ille se ratibus equitem phalangemque transportaturum esse pronuntiat; super utres iubet nare levius armatos. 7 Plura nec dici res desideravit nec rex dicere per valetudinem potuit. Ceterum tanta alacritate militum rates iunctae sunt, ut intra triduum ad X I I milia effecta sint. 8 Iamque ad transeundum omnia aptaverant, cum legati Scytharum X X more gentis per castra equis vecti nuntiari iubent regi velie ipsos ad eum mandata perferre. 9 Admissi in tabernaculum iussique considere in vultu regis defixerant oculos; credo, quia magnitudine corporis animum aestimantibus modicus habitus haudquaquam famae par videbatur. 10 Scythis autem non ut

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um sie durch Hunger zur Ubergabe zu zwingen. Es fielen in diesem Gefecht 2000 Mann Fußvolk und 300 Reiter. Diese Niederlage verschleierte Alexander umsichtig und planvoll; denen, die aus dem Kampf wieder zu ihm stießen, drohte er den Tod an, falls sie das Geschehene weitererzählten. D a er es jedoch nicht länger fertigbrachte, ein Antlitz zu zeigen, das seiner wahren Stimmung nicht entsprach, zog er sich in sein Zelt zurück, das er absichtlich am Flußufer hatte aufstellen lassen. Dort saß er ohne Augenzeugen die ganze Nacht hindurch wach, jeden nur möglichen Plan abwägend; oft lüftete er dabei die Zeltdecke zu einem Blick auf die feindlichen Feuer, nach denen man ihre Kopfzahl abschätzen konnte. Schon ging es gegen Morgen, da trat er im Panzer vor seine Soldaten - zum erstenmal nach seiner jüngst erlittenen Verwundung. Und so innig verehrten sie ihren König, daß sein Erscheinen ihre Gedanken an die Gefahr, die sie lahmte, ohne weiteres verscheuchte. Beglückt und unter Freudentränen begrüßten sie ihn und forderten ungestüm den Krieg, den sie vorher verweigert hatten. Er gab bekannt, er werde Reiter und Phalanx auf Flößen übersetzen lassen; die Leichtbewaffneten sollten auf Schläuchen hinüberschwimmen. Mehr Worte erforderte die Lage nicht noch vermochte der König sie vor Schwäche vorzubringen. Und derart begeistert setzten nun die Soldaten die Flöße zusammen, daß innerhalb von drei Tagen gegen 12 000 fertig wurden. Schon hatten sie alles zum Übergang bereitgemacht, da ließen zwanzig Gesandte der Skythen, nach der Art ihres Stammes quer durch das Lager sprengend, dem Könige melden, sie wollten selbst ihm ihre Aufträge übermitteln. Man ließ sie ins Zelt und hieß sie Platz nehmen; sie hefteten ihre Augen auf das Antlitz des Königs - wahrscheinlich, weil ihnen, die ja das Innere eines Menschen nach seiner Körpergröße bemaßen, Alexanders nur mittlerer Wuchs keineswegs seinem Ruf zu entsprechen schien. Aber die Skythen besitzen, im Gegen-

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ceteris barbaris rudis et inconditus sensus est: quidam eorum sapientiam quoque capere dicuntur, quantamcumque gens capit semper armata. " S i c , quae locutos esse apud regem memoriae proditum est, abhorrent forsitan moribus nostris et tempora et ingenia cultiora sortitis. Sed ut possit oratio eorum sperni, tamen fides nostra non debet; quae, utcumque sunt tradita, incorrupta perferemus. 1 2 Igitur unum ex his maximum natu locutum accepimus: « Si di habitum corporis tui aviditati animi parem esse voluissent, orbis te non caperet: altera manu Orientem, altera Occidentem contingeres, et hoc adsecutus scire velles, ubi tanti numinis fulgor conderetur. Sic quoque concupiscis, quae non capis. 1 3 Ab Europa petis Asiam, ex Asia transis in Europam; deinde, si humanum genus omne superaveris, cum silvis et nivibus et fluminibus ferisque bestiis gesturus es bellum. 14 Quid? tu ignoras arbores magnas diu crescere, una hora extirpari? Stultus est, qui fructus earum spectat, altitudinem non metitur. Vide, ne, dum ad cacumen pervenire contendis, cum ipsis ramis, quos comprehenderis, decidas. 15 Leo quoque aliquando minimarum avium pabulum fuit, et ferrum robigo consumit. Nihil tam firmum est, cui periculum non sit etiam ab invalido. l ß Quid nobis tecum est? Numquam terram tuam attigimus. Quis sis, unde venias, licetne ignorare in vastis silvis viventibus? Nec servire ulli possumus nec imperare desideramus. " D o n a nobis

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satz zu anderen Barbaren, keine ungebildete und ungefüge Denkweise: manche von ihnen, so sagt man, besitzen sogar einen philosophischen Geist, soweit das bei einem Volk der Fall sein kann, das stets unter Waffen lebt. Demgemäß weicht das, was sie vor dem König gesprochen haben sollen, vielleicht von unsern Bräuchen ab, die ja gesittetere Zeiten und Geister kennen; doch mag man von ihrer Rede auch gering denken: das gleiche gilt nicht von der Treue meiner Darstellung. Denn unverfälscht will ich davon berichten, so wie es auf uns gekommen ist. Es sprach also, so ist uns überliefert, einer von ihnen und zwar der Älteste: „Hätten die Götter dir einen Wuchs verliehen, der dem leidenschaftlichen Verlangen deines Herzens gleichkäme - der Erdkreis wäre zu klein für dich! Du würdest mit der einen H a n d nach dem Orient, mit der anderen nach dem Okzident greifen und, wenn dir dies gelungen, wissen wollen, wo sich der Glanz der strahlenden Gottheit nachts berge. Aber auch so begehrst du, was zu erfassen du nicht mächtig bist. Von Europa aus erstrebst du Asien, von Asien aus greifst du nach Europa hinüber. Und wenn du erst Herr geworden bist über jegliches Menschengeschlecht, dann wirst du Krieg führen wollen mit Wäldern und Schnee, mit Flüssen und reißenden Tieren! Sollte dir nicht bekannt sein, daß mächtige Bäume zwar lange Zeit für ihr Wachstum brauchen, in einer Stunde aber entwurzelt werden? Töricht handelt, wer nur auf ihre Früchte schaut, nicht aber ihre Höhe ermißt! Hüte dich, daß du nicht in dem Bemühen, ihren Gipfel zu erreichen, mitsamt den Zweigen, die du gepackt hältst, herabstürzest! Auch der Löwe ist schon manchmal zum Futter für winzige Vögel geworden, und das Eisen frißt der Rost. Nichts ist so fest gebaut, daß ihm nicht Gefahr drohte auch von dem Schwachen! Was haben wir mit dir zu schaffen? Niemals haben wir dein Land betreten. Wer du bist, woher du kommst - geht das uns in unseren weiten Wäldern etwas an? Weder vermögen wir jemandes Sklave zu sein noch wollen wir uns zu Herren aufschwingen. Uns sind -

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data sunt, ne Scytharum gentem ignores, iugum boum et aratrum, sagitta, hasta, patera. His utimur et cum amicis et adversus inimicos. 1 8 Fruges amicis damus boum labore quaesitas, patera cum isdem vinum dis libamus; inimicos sagitta eminus, hasta comminus petimus. Sic Syriae regem et postea Persarum Medorumque superavimus, patuitque nobis iter usque in Aegyptum. 1 9 A t tu, qui te gloriaris ad latrones persequendos venire, omnium gentium, quas adisti, latro es. Lydiam cepisti, Syriam occupasti, Persidem tenes, Bactrianos habes in potestate, Indos petisti: iam etiam ad pecora nostra avaras et insatiabiles manus porrigis. 2 0 Quid tibi divitiis opus est, quae esurire te cogunt? Primus omnium satietate parasti famem, ut, quo plura haberes, acrius, quae non habes, cuperes. 2 1 N o n succurrit tibi, quam diu circum Bactra haereas? D u m illos subigis, Sogdiani bellare coeperunt: bellum tibi ex victoria nascitur. N a m ut maior fortiorque sis quam quisquam, tarnen alienigenam dominum pati nemo vult. 2 2 Transi modo T a n a i n : scies, quam late pateant, numquam tamen consequeris Scythas. Paupertas nostra velocior erit quam exercitus tuus, qui praedam tot nationum vehit. Rursus, cum procul abesse nos credes, videbis in tuis castris. Eadem enim velocitate et sequimur et fugimus. 2 3 Scytharum solitudines Graecis etiam proverbiis audio eludi; at nos deserta et humano cultu

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auf daß dir das Skythenvolk nicht ganz unbekannt bleibe! - die Rinder im Joch verliehen und der Pflug, Pfeil, Lanze und Becher. Ihrer bedienen wir uns - mit dem Freund und gegen den Feind: unsern Freunden geben wir die Feldfrucht, die die Arbeit unsrer Rinder hervorbringt, aus dem Becher spenden wir im Verein mit jenen unseren Göttern Wein, unsere Feinde greifen wir mit dem Pfeil von fern, mit dem Spieß von nahem an. Derart haben wir Syriens König und später den der Perser und Meder besiegt, und es hat uns dabei der Weg bis nach Ägypten offengestanden. Du aber, der du dich rühmst, du kommest Räuber zu verfolgen, du selbst bist für all die Stämme, deren Boden du betreten hast, ein Räuber! Lydien hast du genommen, Syrien hast du besetzt, Persien hältst du in deinem Besitz, die Baktrer hast du in deiner Gewalt, auf die Inder hast du deinen Sinn gerichtet: und jetzt streckst du auch noch deine gierigen, unersättlichen Hände nach unserm Vieh aus. Was brauchst du noch Schätze, die dich ja doch nur noch lüsterner machen? Du bist der erste Mensch auf der Welt, der durch Sättigung hungrig geworden ist, derart daß du, je mehr du hast, umso hitziger das begehrst, was du nicht hast. Ist dir noch gar nicht in den Sinn gekommen, wie lange du schon rings um Baktra festgebannt bist? Während du jene dort unterwirfst, haben die Sogdier Krieg begonnen. Dir gebiert jeder Sieg einen neuen Krieg! Denn magst du auch größer und tapferer sein als irgendeiner, so will doch niemand einen Fremdbürtigen als Herrn ertragen. Überschreite nur den Tanais: dann wirst du erfahren, daß du, soweit sich das Land auch vor dir öffnet, doch niemals die Skythen einholen wirst! Arm wie wir sind, werden wir schneller sein als dein Heer, das die Beute so vieler Nationen mit sich schleppt. Wenn du uns aber in weiter Ferne glaubst, dann wirst du uns plötzlich wiederum in deinem Lager erblicken, denn wir sind gleich schnell im Verfolgen und in der Flucht. Ich höre, auch griechische Sprichwörter verspotten die Wüsten des Skythenlandes: nun, wir trachten mehr nach einsamem,

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vacua magis quam urbes et opulentos agros sequimur. 2 4 Proinde fortunam tuam pressis manibus tene: lubrica est nec invita teneri potest. Salubre consilium sequens quam praesens tempus ostendit melius: impone felicitati tuae frenos, facilius illam reges. 2 o Nostri sine pedibus dicunt esse Fortunam, quae manus et pinnas tantum habet: cum manus porrigit, pinnas quoque comprehende. 2 6 Denique, si deus es, tribuere mortalibus beneficia debes, non sua eripere; sin autem homo es, id quod es, semper esse te cogita. Stultum est eorum meminisse, propter quae tui obliviscaris. 2 7 Quibus bellum non intuleris, bonis amicis poteris uti. N a m et firmissima est inter pares amicitia, et videntur pares, qui non fecerunt inter se periculum virium. 2 8 Q u o s viceris, amicos tibi esse cave credas: inter dominum et servum nulla amicitia est; etiam in pace belli tarnen iura servantur. 2 9 Iurando gratiam Scythas sancire ne credideris: colendo fi dem iurant. Graecorum ista cautio est, qui pacta consignant et deos invocant; nos religionem in ipsa fide ponimus: qui non reverentur homines, fallunt deos. N e c tibi amico opus est, de cuius benevolentia dubites. 3 0 Ceterum nos et Asiae et Europae custodes habebis: Bactra, nisi dividat T a nais, contingimus, ultra Tanain [et] usque ad Thraciam colimus, Thraciae Macedoniam coniunctam esse f a m a fert. Utrique imperio tuo finitimos hostes an amicos velis esse, considera. » H a e c barbarus.

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rex fortuna sua et consiliis

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unbebautem Land als nach Städten und üppigen Feldern ! Halte du also nur ja deine Glücksgöttin mit beiden Händen fest: allzu leicht entschlüpft sie, und gegen ihren Willen läßt sie sich nicht festhalten! Wie heilsam der Rat ist, den ich dir gebe, wird die Zukunft dir besser beweisen als die Gegenwart: zügle also dein Glück - umso leichter wirst du es regieren! Bei uns sagt man, die Glücksgöttin habe keine Füße, sondern nur Hände und Flügel; streckt sie dir die Hände entgegen, so halte du auch ihre Flügel fest! Und: bist du ein Gott, so hast du den Menschen Gutes zu erweisen, nicht aber ihnen das Ihre zu entreißen! Bist du jedoch ein Mensch, so vergiß nie, daß du das, was du bist, stets bist. Töricht ist es, nur an die Dinge zu denken, welche dich dein Ich vergessen lassen! Statt Krieg mit einem Volk anzufangen, könntest du es dir zu nützlichen Freunden gewinnen; denn die festeste Freundschaft herrscht stets unter Gleichstarken, und gleich stark scheinen die, welche ihre Kräfte miteinander noch nicht gemessen haben. Glaube du ja nicht, Besiegte könnten dir Freund sein! Es gibt keine Freundschaft zwischen Herren und Sklaven, und auch im Frieden gilt zwischen beiden Kriegsrecht. Glaube auch nicht, durch einen Treuschwur würden die Skythen dir ihre Freundschaft zusichern! Ihr Eid heißt Wort halten; das aber ist Griechenart, vorsichtig Pakte zu unterzeichnen und dabei die Götter anzurufen: unsere Bindung an die Götter besteht in unserer Treue selbst! Denn wer sich vor Menschen nicht scheut, der betrügt auch die Götter. Du aber kannst keinen Freund brauchen, an dessen freundschaftlicher Gesinnung du zweifeln mußt. Wohl aber könnten wir dir Asiens und Europas Wächter sein: von Baktrien trennt uns nur der Tanais, und über ihn hinaus reicht unser Land bis nach Thrakien; Thrakien aber, so heißt es, grenzt an Makedonien. So erwäge denn, ob du deine doppelten Reichsnachbarn zu Feinden oder zu Freunden haben willst!" So sprach der Barbar. Der König entgegnete, er werde sich seines Glücks und

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eorum se usurum esse respondet: nam et fortunam, cui confidat, et consilium suadentium, ne quid temere et audacter faciat, secuturum. 2 Dimissisque legatis in praeparatas rates exercitum imposuit. In proris clipeatos locaverat iussos in genua subsidere, quo tutiores essent adversus ictus sagittarum. 3 Post hos, qui tormenta intenderent, stabant et ab utroque latere et a fronte circumdati armatis. Reliqui, qui post tormenta constiterant, remigem lorica non indutum scutorum testudine armati protegebant. 4 Idem ordo in illis quoque ratibus, quae equitem vehebant, servatus est. Maior pars a puppe nantes equos loris trahebat. At illos, quos utres sarmento repleti vehebant, obiectae rates tuebantur. "Ipse rex cum delectis primus ratem solvit et in ripam dirigi iussit. Cui Scythae admotos ordines equitum in primo ripae margine opponunt, ut ne adplicari quidem terrae rates possent. e Ceterum praeter hanc speciem ripis praesidentis exercitus ingens navigantes terror invaserat: namque cursum gubernatores, cum obliquo ilumine impellerentur, regere non poterant, vacillantesque milites et, ne excuterentur, solliciti nautarum ministeria turbaverant. 7 Ne tela quidem conati nisu vibrare poterant, cum prior standi sine periculo quam hostem incessendi cura esset. Tormenta saluti fuerunt, quibus in confertos ac temere se offerentes haud frustra excussa sunt tela. 8 Barbari quoque ingentem vim sagittarum infudere ratibus, vixque ullum fuit scutum, quod non pluribus simul spi-

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ihrer Ratschläge zu bedienen wissen; seinem Glück, auf das er baue, wie auch dem Rat, nichts unbesonnen und verwegen zu unternehmen, werde er folgen. Darauf entließ er alsbald die Gesandten und befahl dem Heer, die vorbereiteten Flöße zu besteigen. Vorn stellte er die mit Rundschilden Ausgerüsteten hin; sie mußten niederknien, um geschützter zu sein gegen feindliche Pfeilschüsse. Hinter ihnen standen die Geschützbedienungen, von rechts und links sowie von vorn durch Bewaffnete gedeckt; die übrige Mannschaft hinter den Geschützen deckte mit einem Schilddach die Ruderer, die ja von keinem Panzer geschützt waren. Dieselbe Aufstellung herrschte auch auf den Flößen, welche die Reiter trugen. Die Mehrzahl von diesen zog vom Hinterdeck aus die schwimmenden Pferde am Zügel mit. Voranfahrende Flöße deckten wiederum diejenigen, die sich von Schläuchen tragen ließen, welche mit Reisig gefüllt waren. Der König selbst ließ, von auserlesenen Kämpfern begleitet, als erster sein Floß abstoßen und Richtung zum anderen Ufer nehmen. Ihm warfen die Skythen vorn am Uferrand ihre dorthin vorgezogenen Reiterabteilungen entgegen, um die Flöße nicht einmal erst landen zu lassen. Außer diesem Anblick des Heeres, das die Ufer besetzt hielt, befiel nun jedoch noch ein zweiter gewaltiger Schrecken die Übersetzenden: vor der seitlich auftreffenden Strömung vermochten die Leute am Steuer den Kurs nicht einzuhalten, und die schwankenden Soldaten waren in ihrer Furcht, ins Wasser zu stürzen, der Schiffsmannschaft bei deren Verrichtungen hinderlich. Nicht einmal ihre Speere vermochten sie mit dem nötigen Schwung zu schleudern, auch wenn sie es versuchten, da sie erst einmal darum besorgt sein mußten, ungefährdet festzustehen, ehe sie dem Feind zusetzten. Den Erfolg entschieden die Geschütze: mitten in die dichten, unbesonnen sich aussetzenden Feinde hinein ging kein Schuß daneben. Aber auch die Barbaren überschütteten die Flöße mit einem Hagel von Pfeilen, und es war kaum ein Schild zu sehen, der nicht von

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culis perforaretur. Iamque terrae rates adpli- 37 cabantur, cum acies clipeata consurgit et hastas certo ictu, utpote libero nisu, mittit e ratibus. Et ut territos recipientesque equos videre, alacres mutua adhortatione in terram desilire, turbatis acriter pedem inferre coeperunt. 10 Equitum deinde turmae, quae frenatos habebant equos, perfregere barbarorum aciem. Interim ceteri agmine dimicantium tecti aptavere se pugnae. "Ipse rex, quod vigoris aegro adhuc corpori deerat, animi firmitate supplebat. Vox adhortantis non poterat audiri nondum bene obducta cicatrice cervicis, sed dimicantem cuncti videbant. 12 Itaque ipsi quidem ducum fungebantur officio, aliusque alium adhortati in hostem salutis immemores ruere coeperunt. 13 Tum vero non ora, non arma, non clamorem hostium barbari tolerare potuerunt omnesque effusis habenis — namque equestris acies erat — capessunt fugam. Quos rex, quamquam vexationem invalidi corporis pati non poterat, per LXXX tamen stadia insequi perseveravit. 14 Iamque linquente animo suis praecepit, ut, donec lucis aliquid superesset, fugientium tergis inhaererent; ipse exhaustis etiam animi viribus in castra se recepit ibique diei reliquum substitit. 15 Transierant iam Liberi Patris términos, quorum monumenta lapides erant crebris intervallis dispositi arboresque procerae, quarum stipites hederá contexerat. ie Sed Macedonas ira longius provexit: quippe media fere nocte in castra redierunt multis interfectis, pluribus captis, equosque M et D C C C abegere. Ceciderunt

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mehreren Pfeilspitzen zugleich durchbohrt worden wäre. Schon stießen die Flöße an Land: da richtete sich die mit Schilden versehene Reihe auf und schleuderte ihre Speere mit wohlgezieltem Schuß, noch von den Flößen aus, denn nun vermochten sie ja ungehindert auszuholen. Und wie sie nun die Feinde erschrecken und die Pferde zurückreißen sahen, sprangen sie, sich gegenseitig anfeuernd, voll Kampfeseifer auf den festen Boden und rückten dem verwirrten Feind erbittert auf den Leib. Dann durchbrachen die Reiterschwadronen, soweit sie ihre Pferde schon aufgezäumt hatten, die Front der Barbaren; inzwischen machten sich die übrigen, gedeckt von dem Haufen der schon Kämpfenden, zum Angriff fertig. Der König selbst ersetzte an Stärke des Mutes, was seinem noch geschwächten Körper an Kraft fehlte. Seinen anfeuernden Zuruf konnte man nicht vernehmen, da die Wunde in seinem Nacken noch nicht richtig verheilt war, doch sahen alle, wie er kämpfte. Daher handelte jeder einzelne selbständig, und einander anfeuernd stürzten sie sich mit Todesverachtung auf den Feind. Da vermochten die Barbaren ihren Anblick, ihre Waffen, ihr Geschrei nicht länger zu ertragen: mit verhängten Zügeln - es war ja ein Reiterheer - ergriffen sie sämtlich die Flucht. Noch achtzig Stadien weit ließ der König nicht ab, sie zu verfolgen, ob er gleich seinem geschwächten Körper solch eine Anstrengung nicht hätte zumuten dürfen; erst als seine Kräfte versagten, gab er den Seinen den Befehl, solange das Tageslicht es irgend erlaube, den Fliehenden auf den Fersen zu bleiben. Er selbst, auch innerlich völlig erschöpft, kehrte wieder ins Lager zurück und verblieb dort den Rest des Tages; hatten sie doch schon die Grenzen des Vater Liber überschritten: Steine zeugten davon, immer wieder in Abständen verteilt, sowie ragende Bäume, deren Stämme Efeu umrankte. Aber die Makedonen trug ihre Leidenschaft noch viel weiter: erst um Mitternacht kehrten sie ins Lager zurück, nach vielen Verlusten des Feindes an Toten und mehr noch an Gefangenen; dazu hatte man 1800 Pferde erbeutet. Von

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autem Macedonum équités LX, pedites C fere, M saucii fuerunt. "Haec expeditio deficientem magna ex parte Asiam fama tarn opportunae victoriae domuit. Invictos Scythas esse crediderant; quibus fractis nullam gentem Macedonum armis parem fore confitebantur. Itaque Sacae misere legatos, qui pollicerentur gentem imperata facmram. 18 Moverat eos regis non virtus magis quam dementia in devictos Scythas: quippe captivos omnes sine pretio remiserat, ut fidem faceret sibi cum ferocissimis gentium de fortitudine, non de ira fuisse certamen. "Benigne igitur exceptis Sacarum legatis comitem Elpinicon dedit, adhuc admodum iuvenem, aetatis flore conciliatum sibi, qui cum specie corporis aequaret Hephaestionem, ei lepore haud sane virili par non erat. 20 Ipse Cratere cum maiore parte exercitus modicis itineribus sequi iusso ad Maracanda urbem contendit, ex qua Spitamenes comperto eius adventu Bactra perfugerat. " I t a que quadriduo rex longum itineris spatium emensus pervenerat in eum locum, in quo Menedemo duce duo milia peditum et CCC équités amiserat. Horum ossa tumulo contegi iussit et inferías more patrio dedit. 22 Iam Craterus cum phalange subsequi iussus ad regem pervenerat. Itaque, ut omnes, qui defecerant, pariter belli clade premerentur, copias dividit urique agros et interfici púberes iubet.

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den Makedonen fielen nur sechzig Reiter und etwa hundert Mann aus dem Fußvolk; tausend waren verwundet. Diese Unternehmung und das Gerücht eines so glänzenden Sieges zwang das großenteils schon im Abfall begriffene Asien zur Unterwerfung; hatte man doch die Skythen für unbesiegbar gehalten: nun, da ihre Macht gebrochen war, mußte man zugeben, daß den Waffen der Makedonen kein Stamm mehr gewachsen sein könne. Daher schickten die Saker Gesandte mit dem Versprechen, ihr Stamm wolle sich unterwerfen. Und zwar hatte sie nicht so sehr des Königs Heldentum als vielmehr seine Gnade den besiegten Skythen gegenüber beeindruckt: hatte er doch alle Gefangenen ohne Lösegeld wieder entlassen, um damit zu bekunden, er habe mit dem trotzigsten aller Stämme um den Rang der Tapferkeit gerungen, nicht aber im Zorn. Alexander nahm die Gesandten der Saker freundlich auf und gab ihnen Elpinikos als Begleiter mit, einen noch recht jungen Mann, den er wegen seiner blühenden Jugend liebgewonnen hatte; in seiner Erscheinung glich er Hephästion, an feiner Anmut - die ja freilich auch nicht eigentlich ein Vorzug an Männern ist - kam er ihm nicht gleich. Er selbst ließ Kraterus mit dem größten Teile des Heeres in mäßigen Märschen folgen und eilte gegen Marakanda, von wo aus Spitamenes auf die Kunde seines Nahens hin nach Baktra geflüchtet war. In vier Tagen legte der König so den weiten Weg zurück und gelangte auch zu der Stelle, wo er unter Führung des Menedemus 2000 Mann Fußvolk und 300 Reiter eingebüßt hatte. Ihr Gebein ließ er in einem Hügel bestatten und feierte nach heimischer Sitte ein Totenopfer. Schon war auch Kraterus, dem Befehl entsprechend mit der Phalanx dicht auffolgend, zum König gestoßen; damit alle Abgefallenen die Niederlage gleichermaßen zu spüren bekämen, teilte er die Truppen und ließ sie die Felder verheeren sowie die waffenfähige Mannschaft niedermachen.

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X. Sogdiana regio maiore ex parte deserta est: octingenta fere stadia in latitudinem vastae solitudines tenent. 2 Ingens spatium rectae regionis est, per quam amnis - Polytimetum vocant incolae - fertur. Torrentem eum ripae in tenuem alveum cogunt, deinde caverna accipit et sub terram rapit. 3 Cursus absconditi indicium est aquae meantis sonus, cum ipsum solum, sub quo tantus amnis fluit, ne modico quidem resudet humore. 4 Ex captivis Sogdianorum ad regem X X X nobilissimi corporum robore eximio perducti erant. Qui ut per Interpretern cognoverunt iussu regis ipsos ad supplicium tradì, carmen laetantium modo canere tripudiisque et lasciviori corporis motu gaudium quoddam animi ostentare coeperunt. 5 Admiratus est rex tanta magnitudine animi oppetere mortem: revocari eos iussit, causam tam e f f u sae laetitiae, cum supplicium ante oculos haberent, requirens. e Illi, si ab alio occiderentur, tristes morituros fuisse respondent; nunc a tanto rege, victore omnium gentium, maioribus suis redditos honestam mortem, quam fortes viri voto quoque expeterent, carminibus sui moris laetitiaque celebrare. 7 Tum rex admiratus magnitudinem animi « Quaero, » inquit « an vivere velitis non inimici mihi, cuius beneficio victuri estis? » 8 Illi numquam se inimicos ei, sed bello lacessitos se inimicos hosti fuisse respondent: si quis ipsos beneficio quam iniuria experiri maluisset, certaturos fuisse, ne vincerentur officio. 9 Interrogantique, quo pignore fidem obligaturi

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Die Landschaft Sogdien ist zum überwiegenden Teil eine Einöde; etwa 80 Stadien weit dehnen sich die Wüsten aus. Eine ungeheure Strecke durchströmt dort in gerader Richtung ein Fluß, den die Einwohner Polytimetus nennen. Seinen reißenden Lauf zwingen die Ufer in ein schmales Bett, dann nimmt ihn eine Höhlung auf und entführt ihn unter die Erde. Man hört ihn unterirdisch weiterrauschen, während der Boden selbst, unter dem er als ein beträchtlicher Fluß dahingleitet, nicht die geringste Feuchtigkeit aufweist. Aus der Zahl der gefangenen Sogdier wurden dem König 30 besonders kraftvolle Adlige zugeführt; sobald diese durch den Dolmetscher erfuhren, sie würden auf Geheiß des Königs zur Hinrichtung abgeführt, begannen sie, nicht anders als wären sie fröhlich, ein Lied zu singen und im Tänzerschritt und mit mutwilligen Bewegungen eine Art von freudiger Stimmung zu bekunden. Der König wunderte sich, daß sie mit solcher Seelengröße dem Tode entgegengingen; er ließ sie zurückrufen und fragte sie nach dem Anlaß einer so ausgelassenen Fröhlichkeit, wo sie doch die Hinrichtung vor Augen hätten. Und sie erklärten: wenn ein andrer sie töten ließe, würden sie traurig sterben; nun aber habe ja ein so mächtiger König, der Besieger sämtlicher Stämme, sie mit ihren Ahnen vereint, und so feierten sie mit Liedern nach ihrer Landesweise und voller Freude einen Tod in Ehren, den sich doch alle Helden gelobten und wünschten. Da sprach der König voll Bewunderung dieser Seelengröße: „Ich möchte wissen, ob ihr weiterleben wollt, aber nicht mehr als meine Feinde, wenn ihr nun meiner Güte euer Leben verdankt?" Sie antworteten, sie seien ihm niemals persönlich feind gewesen, sondern nur Gegner eines Landesfeindes, der sie zum Kriege gereizt; wenn jemand es lieber in Güte statt im Bösen mit ihnen hätte versuchen wollen, so hätten sie darin gewetteifert, daß niemand sie an Dienstwilligkeit überträfe. Und als er sie fragte, mit welchem Unterpfand sie denn ihre Treue besiegeln wollten, erklärten sie: das

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essent, vitam, quam acciperent, pignori futuram esse dixerunt: reddituros, quandoque repetisset. Nec promissum fefellerunt. Nam qui remissi domos erant, fide continuere populares; quattuor inter custodes corporis retenti nulli Macedonum in regem caritate cesserunt. 10 In 40 Sogdianis Peucolao cum III milibus peditum ñeque enim maiore praesidio indigebat - relicto Bactra pervenit. Inde Bessum Ecbatana duci iussit interfecto Dareo poenas capite persoluturum. "Isdem fere diebus Ptolomaeus et Menidas peditum I U I milia et équités M adduxerunt mercede militaturos. 12 Asander quoque ex Lycia cum pari numero peditum et D equitibus venit. Totidem ex Syria Asclepiodorum sequebantur. Antipater Graecorum VIII milia, in quis D C équités erant, miserat. 13 Itaque exercitu aucto ad ea, quae defectione turbata erant, componenda processit, interfectisque consternationis auctoribus quarto die ad flumen Oxum perventum est. Hic, quia limum vehit, turbidus semper, insalubris est potui. 14 Itaque puteos miles coeperat fodere, nec tamen humo alte egesta existebat humor. Tandem in ipso tabernáculo regis conspectus est fons, quem quia tarde notaverant, subito extitisse finxerunt, rexque ipse credi voluit deum donum id fuisse. 15 Superatis deinde amnibus Ocho et Oxo ad urbem Margianam pervenit. Circa earn VI oppidis condendis electa sedes est: duo ad meridiem versa, IIII spectantia orientem modicis inter se spatiis distabant, ne procul repetendum esset mutuum auxilium. i e Haec omnia sita sunt in editis collibus: tum velut freni domitarum gentium, nunc

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Leben, das sie erhielten, solle ihr Unterpfand sein; sie würden es ihm darbringen, wann immer er es von ihnen zurückfordere! Und sie erfüllten ihr Versprechen: denn die nach Hause Gesandten hielten ihre Landsleute bei der Pflicht; vier Mann, die man unter die Leibwache aufnahm, blieben in ihrer Anhänglichkeit an den König hinter keinem Makedonen zurück. In Sogdien ließ er Peukolaus mit 3000 Mann Fußvolk zurück - eines größeren Schutzes bedurfte das Land nicht und kam dann nach Baktra. Von hier aus ließ er Bessus nach Ekbatana bringen, wo er den Mord an Darius mit seinem Kopfe büßen sollte. In den gleichen Tagen etwa brachten ihm Ptolomäus und Menidas als künftige Söldner 4000 Mann Fußvolk und 1000 Reiter zu. Auch Asander kam aus Lykien mit der gleichen Anzahl Fußvolk und 500 Reitern. Ebensoviel Leute folgten aus Syrien dem Asklepiodor. Antipater hatte 8000 Griechen gesandt, darunter 600 Reiter. Derart verstärkt brach Alexander auf, die durch den Abfall verwirrten Zustände zu ordnen, und als er die Urheber der Unruhen hatte hinrichten lassen, gelangte man am vierten Tage zum Oxus. Sein ständig aufgewühltes Lehmwasser ist ungenießbar; daher begann der Soldat Brunnen auszuheben, doch kam kein Wasser, so tief man auch grub. Schließlich gewahrte man im Zelt des Königs selbst eine Quelle, von der man das Märchen erfand, sie sei plötzlich aufgesprungen - weil man sie nämlich erst spät bemerkt hatte! - und auch der König selbst wünschte, man habe sie als ein Geschenk der Götter anzusehen. Man überschritt dann Ochus und Oxus und gelangte zu der Stadt von Margien. Rings um sie wurden die Plätze für sechs neu zu gründende Städte ausgesucht; zwei davon lagen nach Süden, vier nach Osten, in mäßigem Abstand von einander, damit sie in solcher Nähe sich gegenseitig Hilfe schicken könnten. Sie sind sämtlich hoch gebaut; damals Zwingburgen der unterworfenen Stämme, wissen

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originis suae oblita serviunt, quibus imperaverunt. X I . a Et cetera quidem pacaverat rex. Una erat petra, quam Arimazes Sogdianus cum X X X milibus armatorum obtinebat alimentis ante congestis, quae tantae multitudini vel per biennium suppeterent. 2 Petra in altitudinem X X X eminet stadia, circuitu C et L complectitur; undique abscisa et abrupta semita perangusta aditur. 3 In medio altitudinis spatio habet specum, cuius os artum et obscurum est; paulatim deinde ulteriora panduntur, ultima etiam altos recessus habent. Fontes per totum fere specum manant, e quibus conlatae aquae per prona montis flumen emittunt. 4 Rex loci d i f i cúltate spectata statuerat inde abire; cupido deinde incessit animo naturam quoque fatigandi. 5 Prius tarnen quam fortunam obsidionis experiretur, Cophen - Artabazi hic filius erat misit ad barbaros, qui suaderet, ut dederent rupem. Arimazes loco fretus suoerbe multa respondit; ad ultimum, an Alexander etiam volare posset, interrogat. e Quae nuntiata regi sic accendere animum, ut adhibitis, cum quibus consultare erat solitus, indicaret insolentiam barbari eludentis ipsos, quia pinnas non haberent; se autem próxima nocte effecturum, ut crederet Macedones etiam volare. 7 « C C C » inquit « pernicissimos iuvenes ex suis quisque copiis perducite ad me, qui per calles et paene invias rupes domi pecora agere consueverant. » 8 Illi praestantes et levitate corporum et ardore animorum strenue adducunt. Quos intuens rex

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sie heute von ihrem Ursprung nichts mehr, sondern sind denen Untertan, über die sie einst geherrscht haben. Alles übrige hatte der König nun unterworfen: nur eine Felsenburg war noch da, die der Sogdier Arimazes mit 30 000 Bewaffneten besetzt hielt, nachdem er dort so viel Verpflegung angehäuft hatte, daß sie auch f ü r eine solche Menge sogar auf zwei Jahre ausreichte. Der Felsen ragt dreißig Stadien in die Höhe und hat einen Umfang von 150 Stadien; ringsum fällt er jäh ab, und nur ein ganz schmaler P f a d führt empor. In halber Höhe besitzt er eine Höhle, deren Zugang schmal und dunkel ist; nach innen hin erweitert sie sich dann allmählich, und auch ihr hinterer Teil hat noch tief hineinreichende Gänge. Quellen durchrieseln fast die gesamte Höhle; ihr gesammeltes Wasser vereinigt sich dann zu einem Fluß, der den Berg hinabstürzt. Schon hatte der König beim Anblick dieses schwierigen Geländes beschlossen abzuziehen, dann aber befiel ihn doch das Verlangen, auch der N a t u r den Sieg abzutrotzen. Bevor er sich jedoch auf den unsicheren Erfolg einer Belagerung einließ, schickte er Kophes, einen Sohn des Artabazus, zu den Barbaren; er sollte ihnen zureden, den Felsen zu übergeben. Arimazes jedoch, der dem Gelände vertraute, machte viel hochmütiges Gerede und fragte schließlich, ob Alexander auch fliegen könne. Diese Botschaft setzte den König so in Zorn, daß er seinen üblichen Ratgebern mitteilte, wie unverschämt der Barbar sie verspotte, weil sie keine Flügel hätten: er werde ihnen schon in der nächsten Nacht die Überzeugung beibringen, daß die Makedonen auch fliegen könnten! „Dreihundert besonders behende junge Leute", sagte er, „bringt ihr mir, die jeder aus seinem Truppenteil aussuchen soll: Leute, die daheim über Bergpfade und kaum beschreitbare Felsen das Vieh zu treiben gewöhnt waren!" Man führte ihm alsbald solch körperlich besonders gewandte und begeisterte Leute zu. Der König schaute sie

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« Vobiscum, » inquit « o iuvenes et mei aequales, urbium invictarum ante me munimenta superavi, montium iuga perenni nive obruta emensus sum, angustias Ciliciae intravi, Indiae sine lassitudine vim frigoris sum perpessus. Et mei documenta vobis dedi et vestra habeo. 9 Petra, quam videtis, unum aditum habet, quem barbari obsident, cetera neglegunt: nullae vigiliae sunt, nisi quae castra nostra spectant. 1 0 Invenietis viam, si sollerter rimati fueritis aditus ferentes ad cacumen. Nihil tam alte natura constituit, quo virtus non possit eniti. Experiendo, quae ceteri desperaverint, Asiam habemus in potestate. " E v a d i t e in cacumen; quod cum ceperitis, candidis velis signum mihi dabitis, ego copiis admotis hostem in nos a vobis convertam. 12 Praemium erit ei, qui primus occupaverit verticem, talenta X ; uno minus accipiet, qui proximus ei venerit, eademque ad decern homines servabitur portio. Certum autem habeo vos non tam liberalitatem intueri meam quam voluntatem. » 1 3 His animis regem audierunt, ut iam cepisse verticem viderentur; dimissique ferreos cuneos, quos inter saxa defigerent, validosque funes parabant. 14 Rex circumvectus petram, qua minime asper ac praeruptus aditus videbatur, secunda vigilia, quod bene verteret, ingredi iubet. Uli alimentis in biduum sumptis gladiis modo atque hastis armati subire coeperunt. 15 Ac primo pedibus ingressi sunt; deinde, ut in praerupta perventum est, alii manibus eminentia saxa complexi levavere semet, alii adiectis funium laqueis evasere, quidam, cum

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sich an und sagte: „Mit euch, ihr jungen Männer, die ihr meines Alters seid, habe ich schon die Festungswerke von Städten bezwungen, die vor mir als unbesieglich galten, habe ich Bergrücken mit ihrem ewigen Schnee hinter mich gebracht, habe ich die Engpässe Kilikiens betreten und ohne Ermatten die furchtbare indische Kälte ausgehalten. Ich habe euch bewiesen, wer ich bin, und ich weiß auch, wer ihr seid. Der Felsen da vor euch hat nur einen Zugang, und den halten die Barbaren besetzt. Um alles übrige sind sie unbesorgt; ihre Wachen schauen nur auf unser Lager. Ihr werdet einen Weg finden, falls ihr nur erst geschickt die Zugänge erforscht habt, die zum Gipfel führen. Nichts hat die Natur so hoch aufgebaut, daß Mut es nicht erklimmen könnte! Weil wir erprobten, was anderen hoffnungslos schien, sind wir jetzt die Herren Asiens. Steigt auf den Gipfel! Und wenn ihr ihn erreicht habt, so gebt mir mit weißen Tüchern ein Zeichen; ich werde dann die Truppen heranführen und so den Feind von euch auf uns ablenken. Wer zuerst die Spitze erreicht, erhält als Belohnung zehn Talente, der nächste eins weniger und so weiter für die ersten zehn. Doch bin ich sicher, daß ihr gar nicht so sehr auf meine vollen Hände schaut als vielmehr auf das, was ich will!" Der Stimmung nach, mit der sie den König anhörten, hatten sie den Gipfel schon so gut wie erstiegen. Als er sie entließ, beschafften sie sich eiserne Keile, um sie zwischen die Felsen hineinzuhauen, und kräftige Taue. Der König umritt die Felsenburg und hieß unter guten Wünschen die Leute da, wo der Zugang am wenigsten rauh und steil schien, zur zweiten Nachtwache den Weg antreten. Sie nahmen sich für zwei Tage Lebensmittel mit und begannen dann, nur mit Schwertern und Lanzen bewaffnet, den Aufstieg. Anfangs ging es zu Fuß bergauf; dann aber, als sie an die Steilwände kamen, zogen sich die einen mit den Händen an Felsvorsprüngen hoch, andere warfen Seilschlingen um die Felsen und klommen so empor, wieder andere schlugen

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cuneos inter saxa defigerent, gradus subdidere, quis insistèrent. Diem inter metum laboremque consumpserunt. i e Per aspera enisis duriora restabant, et crescere altitudo petrae videbatur. Illa vero miserabilis erat facies, cum ii, quos instabilis gradus fefellerat, ex praecipiti devolveren tur: mox eadem in se patienda alieni casus ostendebat exemplum. 17 Per has tamen difficultates enituntur in verticem montis, omnes fatigatione continuati laboris adfecti, quidam mulcati parte membrorum, pariterque eos et nox et somnus oppressit. 18 Stratis passim corporibus in inviis et asperis saxorum periculi instantis obliti in lucem quieverunt; tandemque, velut ex alto sopore excitati, occultas subiectasque ipsis valles rimantes, ignari, in qua parte petrae tanta vis hostium condita esset, fumum specu infra se ipsos evolutum notaverunt. 19 Ex quo intellectum illam hostium latebram esse. Itaque hastis imposuere, quod convenerat signum; totoque e numero II et X X X in ascensu interisse adgnoscunt. 20 Rex non cupidine magis potiundi loci quam vice eorum, quos ad tam manifestum periculum miserat, sollicitus toto die cacumina montis intuens restitit; noctu demum, cum obscuritas conspectum oculorum ademisset, ad curandum corpus recessit. "Postero die nondum satis clara luce primus vela, signum capti verticis, conspexit. Sed, ne falleretur acies, dubitare cogebat varietas caeli, nunc internitente lucis fulgore nunc condito. Verum ut liquidior lux apparuit caelo, dubitatio exempta est; 22 vocatumque Cophen, per quem

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die Keile zwischen das Gestein und stellten eine Folge von Stufen her, auf denen man Fuß fassen konnte. Einen ganzen Tag verbrachten sie mit dieser gefahrvollen Arbeit. Hatte man schroffe Stellen überwunden, so kam immer noch Härteres, ja, der Berg schien immer noch weiter in die Höhe zu wachsen. Es war jammervoll mitanzusehen, wenn jemand, den eine unfeste Stufe getäuscht hatte, kopfüber herabstürzte: zeigte ihnen doch das Unglück der anderen, daß ihnen selbst bald gleiches widerfahren müsse. Trotzdem gelangten sie über alle Schwierigkeiten hinweg auf den Gipfel, sämtlich von der pausenlosen Mühsal erschöpft, manche zum Teil übel zugerichtet, und Nacht und Schlaf kamen zugleich über sie. Irgendwo hingeworfen auf die unwegsamen, rauhen Felsen, schliefen sie bis zum Morgen, ohne an die nahe Gefahr zu denken; endlich, wie aus tiefer Betäubung erwacht, entdeckten sie beim Durchforschen versteckter, tiefer liegender Schluchten wußten sie doch nicht, in welchem Teil des Felsens sich eigentlich so viel Feinde verborgen hielten - Rauch, der aus einer Höhle unmittelbar unter ihnen hervorquoll. Daran merkten sie, daß hier der Schlupfwinkel der Feinde sei. Also steckten sie das verabredete Zeichen auf ihre Speere und stellten zugleich fest, daß im ganzen 32 Mann beim Aufstieg ums Leben gekommen waren. Der König, nicht minder voll Begierde den Platz zu nehmen als voll Sorge um das Geschick der Leute, die er zu einem so offensichtlich gefahrvollen Unternehmen ausgeschickt hatte, stand den ganzen Tag da, den Blick auf die Berggipfel gerichtet. Erst des Nachts, als die Dunkelheit den Ausblick benahm, gönnte er sich Ruhe. Am folgenden Tag, noch ehe es völlig klar wurde, bemerkte er als erster die Tücher als das Zeichen dafür, daß der Gipfel erklommen sei. Aber die wechselnde Beschaffenheit des Himmels - dessen Licht bald aufgleißte, bald sich verbarg - ließ ihn immer wieder zweifeln, ob ihn sein scharfes Auge nicht täuschte. Erst als der Himmel sich weiter aufhellte, entschwand ihm der Zweifel, und er rief alsbald Kophes,

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barbarorum ánimos temptaverat, mittit ad eos, qui moneret, nunc saltern salubrius consilium inirent; sin autem fiducia loci perseverarent, ostendi a tergo iussit, qui ceperant verticem. 23 Cophes admissus suadere coepit Arimazi petram tradere gratiam regis inituro, si tantas res molientem in unius rupis obsidione haerere non coegisset. Ille ferocius superbiusque quam antea locutus abire Cophen iubet. 2 4 At is prensum manu barbarum rogat, ut secum extra specum prodeat. Quo impetrato iuvenes in cacumine ostendit et eius superbiae haud immerito inludens pinnas habere ait milites Alexandri. 2 o Iamque e Macedonum castris signorum concentus et totius exercitus clamor audiebatur. Ea res, sicut pleraque belli vana et inania, barbaros ad deditionem traxit: quippe occupati metu paucitatem eorum, qui a tergo erant, aestimare non poterant. 2 e Itaque Cophen — nam trepidantes reliquerat - strenue revocant et cum eo X X X principes mittunt, qui petram tradant et, ut incolumibus abire liceat, paciscantur. 27 Ille quamquam verebatur, ne conspecta iuvenum paucitate deturbarent eos barbari, tamen et fortunae suae confisus et Arimazi superbiae infensus nullam se condicionem deditionis accipere respondit. 28 Arimazes desperatis magis quam perditis rebus cum propinquis nobilissimisque gentis suae descendit in castra; quos omnis verberibus adfectos sub ipsis radicibus petrae crucibus

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durch den er die Barbaren zu gewinnen versucht hatte; er schickte ihn mit der Aufforderung ab, sie sollten jetzt wenigstens noch einen vernünftigeren Entschluß fassen; wenn sie aber bei ihrem Vertrauen auf das Gelände beharrten, so solle er ihnen in ihrem Rücken die Leute zeigen, die den Gipfel erstiegen hatten. Kophes wurde vorgelassen und riet Arimazes, die Felsenburg zu übergeben; er werde den König günstig stimmen, wenn er ihn - der doch mit so großen Unternehmungen umgehe - nicht dazu nötige, sich derart mit der Belagerung eines einzigen Felsens aufzuhalten. Der aber gebrauchte noch trotzigere und stolzere Worte als zuvor und hieß Kophes sich davonmachen. Da faßte dieser den Barbaren an der Hand und bat ihn, er möge doch mit ihm vor die Höhle treten. Als er ihn dazu bewogen hatte, zeigte er ihm die jungen Leute auf dem Gipfel und sagte, mit gutem Grund seinen Hochmut verspottend: allerdings hätten Alexanders Soldaten Flügel! Und schon hörte man auch aus dem Lager der Makedonen die Trompeten erklingen und das ganze Heer in Geschrei ausbrechen. Dies bewog die Barbaren zur Ubergabe, wie das im Krieg ja so oft ganz nichtige und bedeutungslose Dinge tun; denn in ihrer plötzlichen Furcht konnten sie die kleine Zahl der Leute in ihrem Rücken gar nicht richtig abschätzen. Daher riefen sie Kophes, der sie in ihrer Bestürzung hatte stehen lassen, eilig zurück und entsandten mit ihm dreißig Führer, die den Fels übergeben und freien Abzug für sie ausbedingen sollten. Der König fürchtete zwar, wenn die Barbaren die kleine Zahl der jungen Leute gewahrten, würden sie diese hinabstürzen; doch im Vertrauen auf sein Glück und empört über den Hochmut des Arimazes erwiderte er, er bestehe auf bedingungsloser Ubergabe. Da stieg denn Arimazes, indem er seine keineswegs schon verlorene Lage aufgab, mit seinen Verwandten und den Vornehmsten seines Stammes ins Lager hinab; sie wurden auf Alexanders Befehl allesamt gegeißelt und unmittelbar am Fuß des Berges ans

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iussit adfigi. 2 9 Multitudo deditorum incolis novarum urbium cum pecunia capta dono data est, Artabazus in petrae regionisque, quae adposita esset ei, tutela relictus.

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I. A l e x a n d e r maiore fama quam gloria in dicionem redacta petra, cum propter vagum hostem spargendae manus essent, in tres partes divisit exercitum. Hephaestionem uni, Coenon alteri duces dederat; ipse ceteris praeerat. 2 Sed non eadem mens omnibus barbaris fuit: armis quidam subacti, plures ante certamen imperata fecerunt, quibus eorum, qui in defectione perseveraverant, urbes agrosque iussit attribuì. s A t exules Bactriani cum D C C C Massagetarum equitibus proximos vicos vastaverunt. Ad quos coercendos Attinas, regionis eius praefectus, C C C équités insidiarum, quae parabantur, ignaras eduxit. 4 Namque hostis in silvis - et forte campo erant iunctae - armatum militem condidit paucis propellentibus pecora, ut improvidum ad insidias praeda perduceret. 5 Itaque incomposito agmine solutisque ordinibus Attinas praedabundus sequebatur; quem praetergressum silvam, qui in ea consederant, ex improviso adorti cum omnibus interemerunt. e Celeriter ad Craterum huius cladis fama periata est, qui cum omni equitatu supervenit. Et Massagetae quidem iam refugerant, Dahae M oppressi sunt, quorum clade totius regionis finita defectio est.

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Kreuz geschlagen. Die Menge derer, die sich ergaben, wurde den Einwohnern der neuen Städte mitsamt dem erbeuteten Geld als Geschenk zugewiesen und Artabazus zum Schutz der Felsenburg und der umliegenden Gegend zurückgelassen.

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Alexander hatte die Felsenburg mit mehr Aufsehen als Ruhm in seinen Besitz gebracht; da er nun wegen des locker verteilten Feindes seine Scharen trennen mußte, gliederte er sein Heer in drei Teile: den einen übergab er Hephästion, den anderen Könus, die übrigen führte er selbst. Aber nicht allen Barbaren war die gleiche Gesinnung eigen: die einen wurden gewaltsam unterworfen, mehr noch entschlossen sich vor einer kriegerischen Entscheidung zur Unterwürfigkeit. Diesen ließ er die Städte und den Landbesitz derjenigen zuteilen, die bei dem Abfall verharrt hatten. Aber die aus Baktrien Vertriebenen verheerten nun zusammen mit 800 massagetischen Reitern die nächstgelegenen Dörfer: sie zu bezwingen führte Attinas, der Statthalter dieser Landschaft, 300 Reiter ins Feld, ohne den Hinterhalt zu ahnen, den man ihm dabei legte. Der Feind nämlich verbarg in den Wäldern - zufällig gab es dergleichen in unmittelbarer Nähe der Ebene - Bewaffnete, während einige wenige Vieh vor sich daraus hervortrieben; diese Beute sollte den Ahnungslosen in den Hinterhalt locken. Ungeordnet und ungegliedert folgte daher Attinas' Haufe voll Beutelust; und als er an dem Walde vorbeizog, griffen die dort Verborgenen ihn unversehens an und machten ihn mit allen Seinen nieder. Schnell kam die Kunde von dieser Schlappe Kraterus zu Ohren; der fiel nun mit der gesamten Reiterei über sie her. Zwar waren die Massageten schon geflüchtet, doch wurden 1000 Daher überwältigt; mit ihrer Vernichtung fand der Abfall der ganzen Landschaft sein Ende.

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Alexander quoque Sogdianis rursus subactis Maracanda repetit. Ibi Derdas, quem ad Scythas super Bosphorum colentes miserat, cum legatis gentis occurrit. 8 Phrataphernes quoque, qui Chorasmiis praeerat, Massagetis et Dahis regionum confinio adiunctus, miserat, qui facturum imperata pollicerentur. "Scythae petebant, ut regis sui filiam matrimonio sibi lungeret: si dedignaretur adfinitatem, principes Macedonum cum primoribus suae gentis conubio coire pateretur; ipsum [regum] quoque regem venturum ad eum pollicebantur. 1 0 Utraque legatione benigne audita Hephaestionem et Artabazum opperiens stativa habuit. Quibus adiunctis in regionem, quae appellatur Bazaira, pervenit. ll

Barbarae opulentiae in illis locis baud ulla sunt maiora indicia quam magnis nemoribus saltibusque nobilium ferarum greges elusi. l 2 Spatiosas ad hoc eligunt silvas, crebris perennium aquarum fontibus amoenas; muris nemora cinguntur turresque habent venantium receptacula. 1 3 Quattuor continuis aetatibus intactum saltum fuisse constabat. Quem Alexander cum toto exercitu ingressus agitari undique feras iussit. 14 Inter quas cum leo magnitudinis rarae ipsum regem invasurus incurreret, forte Lysimachus, qui postea regnavit, proximus Alexandra venabulum obicere ferae coeperat. Quo rex repulso et abire iusso adiecit tam a semet uno quam a Lysimacho leonem interfici posse. 1B Lysimachus enim quondam, cum venarentur in Syria, occiderat quidem eximiae magnitudinis feram solus, sed laevo humero usque ad ossa lacerato ad ultimum periculi pervenerat. i e I d

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Als dann auch die Sogdier von neuem unterworfen worden waren, zog Alexander wieder nach Marakanda. Dort stieß Derdas zu ihm, den er zu den Skythen jenseits des Bosporus geschickt hatte, und mit ihm Gesandte dieses Stammes. Auch Phrataphernes, der die Chorasmier führte - ihr Land grenzte an das der Massageten und Daher - hatte Leute geschickt mit dem Versprechen, Alexanders Befehle auszuführen. Die Skythen baten, er möge die Tochter ihres Königs zur Frau nehmen; falls er aber etwa diese Verbindung verschmähe, so solle er doch makedonische Fürsten sich mit vornehmen Frauen ihres Stammes vermählen lassen. Ihr König selbst, so versprachen sie, werde zu ihm kommen. Beide Gesandtschaften wurden freundlich angehört; in Erwartung Hephästions und Artabazus' schlug Alexander ein Standlager auf. Nachdem er sich mit ihnen wieder vereinigt hatte, gelangte er in die Landschaft mit Namen Bazaira. Der Reichtum des Barbarenlandes zeigt sich in dieser Gegend ganz besonders an Rudeln edlen Wildes, das in große Parks und Waldungen eingesperrt ist. Man wählt dazu ausgedehnte Wälder, denen zahlreiche ständig fließende Quellen besondere Anmut verleihen. Mit Mauern schließt man die Waldungen ein und errichtet Türme, auf welche die Jäger sich zurückziehen können. Vier Menschenalter lang war, wie feststand, diese Waldung nicht betreten worden, in die nun Alexander mit seinem ganzen Heere hineinrückte, um die Tiere von allen Seiten her aufscheuchen zu lassen. Als unter diesen ein besonders mächtiger Löwe den König selbst anspringen wollte, da richtete zufällig Lysimachus, der spätere König, der Alexander am nächsten stand, seinen Jagdspieß auf das Untier; aber der König stieß ihn zurück und hieß ihn weggehen mit den Worten, einen Löwen könne er allein ebenso gut töten wie Lysimachus! Dieser hatte nämlich auf einer Jagd in Syrien ein wildes Tier von beträchtlicher Größe allein erlegt, war aber an der linken Schulter bis auf die Knochen zerfleischt worden und in Lebensgefahr

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ipsum exprobrans ei rex fortius quam locutus est fecit: nam feram non excepit modo, sed etiam uno vulnere occidit. lT Fabulam, quae obiectum leoni a rege Lysimachum temere vulgavit, ab eo casu, quem supra diximus, ortam esse crediderim. 18 Ceterum Macedones, quamquam prospero eventu defunctus erat Alexander, tarnen scivere gentis suae more, ne aut pedes venaretur aut sine delectis principum atque amicorum. 1DIlle I U I milibus ferarum deiectis in eodem saltu cum toto exercitu epulatus est. Inde Maracanda reditum est, acceptaque aetatis excusatione ab Artabazo provinciam eius destinât Clito. 2 0 Hic erat, qui apud Granicum amnem nudo capite regem dimicantem clipeo suo texit et Rhosacis manum capiti regis imminentem gladio amputavit, vetus Philippi miles multisque bellicis operibus clarus. 2 1 Hellanice, quae Alexandrum educaverat, soror eius, haud secus quam mater a rege diligebatur. O b has causas validissimam imperii partem fidei eius tutelaeque commisit. 2 2 Iamque iter parare in posterum iussus sollemni et tempestivo adhibetur convivio. In quo rex cum multo incaluisset mero, immodicus aestimator sui celebrare, quae gesserat, coepit, gravis etiam eorum auribus, qui sentiebant vera memorari. 23 Silentium tamen habuere seniores, donee Philippi res orsus obterere nobilem apud Chaeroneam victoriam sui operis fuisse iactavit ademptamque sibi malignitate et invidia patris tantae rei gloriam. 24 Ulum quidem seditione inter Macedones milites et Graecos mercennarios orta debilitatum

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geraten. Indem er hierauf anspielte, zeigte sich der König im Handeln noch tapferer als in Worten: er nahm das Tier nicht nur an, sondern er erlegte es auch mit einem Stoße. Das willkürlich verbreitete Märchen, Lysimachus sei vom König einem Löwen vorgeworfen worden, mag aus dem eben geschilderten Vorfall entstanden sein. Im übrigen beschlossen die Makedonen nach ihrer Stammessitte: obwohl Alexander so glücklich davongekommen war, solle er doch nicht mehr zu Fuß auf die Jagd gehen oder nur in Begleitung von auserlesenen Führern und Freunden. Nachdem 4000 Tiere erlegt worden waren, speiste er mit dem ganzen Heer in derselben Waldung. Von dort aus ging es nach Marakanda zurück; er billigte Artabazus zu, daß er seines Alters wegen sein Amt niederlegte, und machte Klitus zum Statthalter von dessen Provinz. Klitus war der Mann, der am Granikus den helmlos kämpfenden König mit seinem Schilde geschützt und mit dem Schwert Rhosakes den Arm abgeschlagen hatte, der schon auf des Königs Haupt zielte - ein alter Soldat des Philippus und ein berühmter Kriegsheld. Hellanike, die Alexander großgezogen hatte, war seine Schwester, und der König liebte sie wie eine Mutter. Deshalb übertrug er den mächtigsten Teil des Reiches seinem treuen Schutz. Schon war Klitus angewiesen, sich am nächsten Tag in Marsch zu setzen, da lud man ihn noch zu einem früh beginnenden Festmahl. Als der König hierbei durch reichlichen Weingenuß in Hitze geraten war, begann er, wie er ja allzeit in der Einschätzung seiner selbst ohne Maß war, seine eigenen Taten zu feiern und fiel dabei selbst denen lästig, die das Gefühl hatten, seine Schilderungen seien wahr. Immerhin bewahrten die Älteren noch Schweigen, bis er dann begann, die Taten Philipps herabzusetzen, und sich rühmte, der glanzvolle Sieg von Chäronea sei eigentlich sein Werk gewesen, und nur der böswillige Neid seines Vaters habe ihn um solchen Ruhm gebracht: dieser habe nämlich, als ein Aufstand zwischen makedonischen Soldaten und griechischen Söldnern ausgebrochen war, von

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vulnere, quod in ea consternatione acceperat, iacuisse, non alias quam simulatione mortis tutiorem; se corpus eius protexisse clipeo suo, ruentesque in ilium sua manu occisos. 2 o Quae patrem numquam aequo animo esse confessum, invitum filio debentem salutem suam. Itaque post expeditionem, quam sine eo fecisset ipse in Illyrios, victorem scripsisse se patri fusos fugatosque hostes nec adfuisse usquam Philippum. 26 Laude dignos esse non qui Samothracum initia viserent, cum Asiam uri vastarique oporteret, sed eos, qui magnitudine rerum fidem antecessissent. 2 7 Haec et his similia laeti audiere iuvenes, ingrata senioribus erant, maxime propter Philippum, sub quo diutius vixerant, 28 cum Clitus, ne ipse quidem satis sobrius, ad eos, qui infra ipsum cubabant, conversus Euripidis rettulit carmen, ita ut sonus magis quam sermo exaudiri posset a rege, 20 quo significabatur male instituisse Graecos, quod tropaeis regum dumtaxat nomina inscriberent: alieno enim sanguine partam gloriam intercipi. Itaque rex, cum suspicaretur malignius habitum esse sermonem, percontari proximos coepit, quid ex Clito audissent. 30 Et illis ad silendum obstinatis Clitus paulatim maiore voce Philippi acta bellaque in Graecia gesta commémorât, omnia praesentibus praeferens. 3 1 Hinc inter iuniores senesque orta contentio est, et rex, velut patienter audiret, quis Clitus obterebat laudes eius, ingentem iram conceperat. 32 Ceterum cum animo videretur imperaturus, si finem procaciter orto sermoni Clitus imponeret, nihil eo remittente magis exasperabatur. 33 Iamque Clitus etiam

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einer bei diesem Aufruhr empfangenen Wunde geschwächt darniedergelegen, und dadurch daß er sich tot stellte, sei er damals so sicher gewesen wie sonst nie; er dagegen, Alexander, habe seines Vaters Leib mit dem Schilde geschützt und die sich auf ihn Stürzenden mit eigener Hand erschlagen. Das aber habe der Vater niemals gern zugeben mögen, weil er nämlich nicht seinem Sohn das Leben verdanken wollte. Daher habe er denn auch nach dem Feldzug, den er ohne den Vater gegen die Illyrier unternommen habe, als Sieger an ihn geschrieben: er habe die Feinde vernichtend geschlagen, ohne dabei Philippus irgendwie zu vermissen. Ruhm verdiene nicht, wer damals, als es Asien mit Feuer und Schwert zu verwüsten galt, sich in die Geheimkulte der Samothraker einweihen ließ, sondern der, dessen Großtaten über alles Glaubhafte hinausgingen! Solches und ähnliches hörten die Jüngeren gern, nicht aber die Älteren, und das besonders wegen Philippus, unter dem sie die längere Zeit gelebt hatten; und so begann denn Klitus, selbst nicht mehr völlig nüchtern, zu denen, die hinter ihm lagen, eine Stelle aus Euripides zu zitieren, und zwar derart, daß mehr der Klang seiner Worte als diese selbst zu den Ohren des Königs drangen: es hieß darin, die Griechen hätten die üble Sitte, auf ihre Siegesmäler lediglich die Namen der Könige zu schreiben; damit fingen sie denen den Ruhm weg, die ihn mit ihrem Blute errungen. Da der König argwöhnte, hier seien besonders übelwollende Worte gefallen, fragte er alsbald die nächsten, was sie von Klitus gehört hätten. Während diese in Schweigen verharrten, zählte Klitus mit immer lauterer Stimme Philipps Kriegstaten in Griechenland auf, die er allem Gegenwärtigen vorziehe. Darob brach zwischen Jungen und Alten ein Streit aus, und den König, der scheinbar noch gelassen zuhörte, wie Klitus nun seine Ruhmestaten herabsetzte, befiel ein ungeheurer Zorn. Vielleicht hätte er diesen noch meistern können, wenn Klitus seine vorwitzige Rede rechtzeitig abgebrochen hätte; da dieser aber nicht nachließ, wurde er immer erbitterter. Schon wagte Klitus,

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Parmenionem defendere audebat et Philippi de Atheniensibus victoriam Thebarum praeferebat excidio, non vino modo sed etiam animi prava contentione provectus. S4 Ad ultimum « Si moriendum » inquit « est pro te, Clitus est primus; at cum victoriae arbitrium agis, praecipuum ferunt, qui procacissime patris tui memoriae inludunt. a5 Sogdianam regionem mihi attribuis, totiens rebellem et non modo indomitam, sed quae ne subigi quidem possit. Mittor ad feras bestias praecipitia ingenia sortitas. Sed, quae ad me pertinent, transeo. 3(i Philippi milites spernis oblitus, nisi hic Atarrhias senex iuniores pugnam detrectantes revocasset, adhuc nos circa Halicarnasum haesuros fuisse. " Q u o modo igitur Asiam etiam cum istis iunioribus subegisti? Verum est, ut opinor, quod avunculum tuum in Italia dixisse constat, ipsum in viros incidisse, te in feminas. » 3 8 Nihil ex omnibus inconsulte ac temere iactis regem magis mov e n t quam Parmenionis cum honore mentio inlata. Dolorem tamen rex pressit, contentus iussisse, ut convivio excederet. ""Nee quicquam aliud adiecit quam forsitan eum, si diutius locutus foret, exprobraturum sibi fuisse vitam a semet ipso datam: hoc enim superbe saepe iactasse. ""Atque ilium cunctantem adhuc surgere, qui proximi ei cubuerant, iniectis manibus iurgantes monentesque conabantur abducere. 41 Clitus, cum abstraheretur, ad pristinam violentiam ira quoque adiecta, suo pectore tergum illius esse defensum, nunc, postquam tanti meriti praeterierit tempus, etiam memoriam invisam esse proclamat. ^ A t t a l i quoque caedem

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sich auch für Parmenion einzusetzen, und stellte Philipps Sieg über die Athener noch höher als die Vernichtung Thebens, wobei ihn nun schon nicht mehr allein der Wein, sondern auch üble Streitsucht hinriß. Schließlich erklärte er: „Wenn es für dich zu sterben gilt, gehört Klitus ganz vorn hin; aber wenn du dann den Siegespreis austeilst, tragen die den Hauptanteil davon, die das Andenken deines Vaters am dreistesten schmähen. Mir gibst du jetzt die Landschaft Sogdien, die immer wieder aufständisch wird und noch keineswegs unterworfen ist, ja überhaupt nicht bezwungen werden kann! Mich schickt man unter die wilden Tiere voll reißender Blutgier. Aber ich will nicht von mir reden; doch du machst die Krieger eines Philippus verächtlich und vergißt dabei: wenn nicht dieser alte Atarrhias hier die jungen Leute, die damals nicht weiterkämpfen mochten, zurückgeholt hätte, dann hingen wir heute noch bei Halikarnassus fest! Meinst du, mit diesen jungen Leutchen hier hättest du Asien bezwungen? Mir scheint vielmehr wahr, was bekanntlich dein Oheim in Italien gesagt hat: er sei auf Männer gestoßen und du auf Weiber!" Nichts von all dem, was Klitus da so unbesonnen und blindlings hinwarf, hatte den König stärker getroffen als die ehrenvolle Erwähnung Parmenions. Trotzdem beherrschte er sich noch und begnügte sich damit, jenen vom Gastmahl zu verweisen. Lediglich das fügte er hinzu: wenn Klitus noch länger spräche, würde er ihm vielleicht noch vorhalten, daß er ihm sein Leben verdanke; dessen habe er sich ja schon oft voll Stolz gerühmt! Und wie der andere immer noch nicht aufstand, packten ihn seine nächsten Nachbarn, mahnten ihn mit Vorwürfen und versuchten ihn fortzubringen. Während er weggeschleppt wurde, schrie er laut, wobei ihn zu seiner bisherigen Heftigkeit nun auch noch der helle Zorn überkam: Jawohl, mit seiner Brust habe er Alexanders Rücken geschützt, und nun, wo diese verdienstliche Tat hinter ihm liege, errege auch nur die Erinnerung daran Neid und H a ß ! Auch warf er ihm die Ermordung des Attalus vor und ließ zuletzt seinen

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obiciebat et ad ultimum Iovis, quem patrem sibi Alexander adsereret, oraculum eludens veriora se regi quam patrem eius respondisse dicebat. 4 3 Iam tantum irae conceperat rex, quantum vix sobrius ferre potuisset. Bnimvero olim mero sensibus victis ex lecto repente prosiluit. 44 Attoniti amici ne positis quidem, sed abiectis poculis consurgunt in eventum rei, quam tanto Ímpetu acturus esset, intenti. 4 5 Alexander rapta lancea ex manibus armigeri Clitum adhuc eadem linguae intemperantia furentem percutere conatus a Ptolomaeo et Perdicca inhibetur. "Medium complexi et obluctari perseverantem morabantur; Lysimachus et Leonnatus etiam lanceam abstulerant. 47 Ille militum fidem implorans comprehendi se a proximis amicorum, quod Dareo nuper accidisset, exclamat signumque tuba dari, ut ad regiam armati coirent, iubet. 4 8 Tum vero Ptolomaeus et Perdiccas genibus advoluti orant, ne in tam praecipiti ira perseveret spatiumque potius animo det: omnia postero die iustius executurum. 49 Sed clausae erant aures obstrepente ira. Itaque impotens animi procurrit in regiae vestibulum et vigili excubanti hasta ablata constitit in aditu, quo necesse erat iis, qui simul cenaverant, egredi. 50 Abierant ceteri, Clitus ultimus sine lumine exibat. Quem rex, quisnam esset, interrogat. Eminebat etiam in voce sceleris, quod parabat, atrocitas. B1Et ille iam non suae, sed regis irae memor Clitum esse et de convivio exire respond s . 5 2 Haec dicentis latus hasta transfixit mo-

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Spott an dem Orakel Jupiters aus, den Alexander für sich als Vater in Anspruch nehme - wobei er behauptete, dem König besser die Wahrheit gesagt zu haben, als das sein Vater getan! Schon war der König in einen Zorn geraten, wie er ihn selbst nüchtern kaum mehr hätte meistern können. Nun sprang er, längst von dem starken Wein übermächtigt, plötzlich vom Polster auf. Wie gelähmt setzten die Freunde die Becher nicht etwa hin, sondern ließen sie fallen und erhoben sich dann in atemloser Erwartung, wohin die ungestüme Bewegung des Königs ziele. Alexander entriß einem Waffenträger die Lanze und wollte Klitus, der immer noch in derselben maßlosen Wut Worte hervorsprudelte, durchbohren, wurde aber von Ptolomäus und Perdikkas daran gehindert. Sie faßten ihn um die Mitte und suchten den beharrlich Widerstrebenden festzuhalten; inzwischen hatten ihm Lysimachus und Leonnatus auch die Lanze fortgenommen. Alexander rief flehenden Tones die Treue seiner Soldaten an: so wie kürzlich Darius werde auch er jetzt von seinen nächsten Freunden gepackt! Und er befahl, das Trompetenzeichen zu geben, das die Soldaten bewaffnet zum Königszelt rief. D a baten Ptolomäus und Perdikkas kniefällig, er solle doch nicht in seinem blindwütigen Zorn verharren, sondern lieber erst zur Besinnung kommen: morgen werde er alles um so gerechter zum Ende führen! Aber dem König verschloß der brausende Zorn die Ohren: seiner selbst nicht mehr mächtig, lief er in den Vorraum des königlichen Quartiers, entriß der Wache dort den Speer und stellte sich in den Eingang, durch den die Tischgenossen den Saal verlassen mußten. Schon waren die übrigen fort, und nur noch Klitus wollte als letzter und ohne Licht den Raum verlassen. Der König fragte, wer er sei; schon seine Stimme verriet dabei deutlich, was er Grausiges plante. Klitus, nun nicht mehr seinen eigenen Zorn, sondern den des Königs im Sinn, erwiderte, er sei Klitus und verlasse des Gastmahl. Wie er das noch sagte, stieß ihm der König den Speer in die Seite und rief, be-

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rientisque sanguine adspersus « I nunc » inquit « ad Philippum et Parmenionem et Attalum. » II. x Male humanis ingeniis natura consuluit, quod plerumque non futura, sed transacta perpendimus. Quippe rex, postquam ira mente decesserat, etiam ebrietate discussa magnitudinem facinoris sera aestimatione perspexit. 2 Videbat tune immodica libertate abusum, sed alioqui egregium bello virum et, nisi erubesceret fateri, servatorem sui occisum. Detestabile carnificis ministerium occupaverat rex, verborum licentiam, quae vino poterat imputari, nefanda caede ultus. 3 Manabat toto vestíbulo crúor paulo ante convivae; vigiles attoniti et stupentibus similes procul stabant, liberioremque paenitentiam solitudo excipiebat. 4 Ergo hastam ex corpore iacentis evolsam retorsit in semet; iamque admoverat pectori, cum advolant vigiles et repugnanti e manibus extorquent adlevatumque in tabernaculum deferunt. 5 Ille humi prostraverat corpus gemi tu eiulatuque miserabili totam personans regiam. Laniare deinde os unguibus et circumstantes rogare, ne se tanto dedecori superstitem esse paterentur. "Inter has preces tota nox extracta est. Scrutantemque, num ira deorum ad tantum nefas actus esset, subit anniversarium sacrificium Libero Patri non esse redditum stato tempore: itaque inter vinum et epulas caede commissa iram dei fuisse manifestam. 7 Ceterum magis eo movebatur, quod omnium

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spritzt mit dem Blut des Sterbenden: „So geh denn zu deinem Philipp und deinem Parmenion und deinem Attalus!" Unsere Menschennatur ist übel dran: erwägen wir doch allzumeist nur, was vergangen ist, nicht aber das, was kommt. So wurde sich auch der König, nachdem sein Zorn vorbei und auch sein Rausch verflogen war, der Größe seiner Untat erst zu spät bewußt. Nun sah er sich als Mörder eines Mannes, der diesmal gewiß in maßloser Art die Grenzen erlaubten Freimuts überschritten hatte, sonst doch aber ein hervorragender Krieger und, wenn er es sich nur recht eingestand, sein Lebensretter gewesen war. Zu dem verabscheuungswürdigen Handwerk des Henkers hatte er sich erniedrigt - er, der König; ungezügelte Worte, die man dem Wein zur Last legen konnte, hatte er mit einer unsagbaren Mordtat gerächt. Noch troff der gesamte Vorraum vom Blut eines Mannes, der eben noch sein Gast gewesen war; regungslos, wie vom Blitz getroffen, standen die Diener dort, fern von ihm, und seine Vereinsamung ließ eine noch ungestümere Reue aufkommen. Also riß er den Speer aus der Leiche am Boden und richtete ihn auf sich selbst; schon berührte die Waffe seine Brust, da sprangen die Wächter herzu, wanden sie dem Widerstrebenden aus den Händen, hoben ihn hoch und trugen ihn in sein Zelt. Dort warf er sich auf den Boden, und sein jammervolles Schluchzen und Klagen hallte im ganzen Königszelt wider. Mit den Nägeln zerkratzte er sich dann das Gesicht und bat die ihn Umringenden, sie möchten ihn eine derartige Schande doch nicht überleben lassen. Diese Ausbrüche der Verzweiflung währten die ganze Nacht über. Und als er darüber nachgrübelte, ob ihn wohl der Zorn der Götter solch einen Frevel habe begehen lassen, fiel ihm ein, er habe ja Vater Liber nicht zur geziemenden Zeit das Jahresopfer erstattet: daher also sei bei Wein und Schmaus der Zorn des Gottes in Gestalt des begangenen Mordes offenbar geworden! Des weiteren traf ihn noch stärker die erstarrte Haltung all

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amicorum ánimos videbat attonitos: neminem cum ipso sodare sermonem postea ausurum: vivendum esse in solitudine velut ferae bestiae terrenti alias timentique. 8 Prima deinde luce tabernáculo corpus, sicut adhuc cruentum erat, iussit inferri. Quo posito ante ipsum lacrimis obortis « H a n c » inquit « nutrici meae gratiam rettuli, cuius duo filii apud Miletum pro mea gloria occubuere mortem, hic frater, unicum orbitatis solacium, a me inter epulas occisus est. °Quo nunc se conferet misera? Omnibus eius unus supersum, quem solum aequis oculis videre non poterit. Et ego, servatorum meorum latro, revertar in patriam, ut ne dexteram quidem nutrici sine memoria calamitatis eius offerre possim! » 10 Et cum finis lacrimis querellisque non fieret, iussu amicorum corpus ablatum est.

Rex triduum iacuit inclusus. " Q u e m ut armigeri corporisque custodes ad moriendum obstinatum esse cognoverunt, universi in tabernaculum inrumpunt diuque precibus ipsorum reluctatum aegre vicerunt, ut cibum caperet. ^ Q u o que minus caedis puderet, iure interfectum Clitum Macedones decernunt sepultura quoque prohibituri, ni rex humari iussisset. 13

Igitur X diebus maxime ad confirmandum pudorem apud Maracanda consumptis cum parte exercitus Hephaestionem in regionem Bactrianam misit commeatus in hiemem paraturum. u Q u a m Clito ante destinaverat provinciam, Amyntae dedit, ipse Xenippa pervenit. Scythiae confinis est regio habitaturque pluri-

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seiner Freunde : nun werde in Zukunft niemand mehr ein vertrauliches Wort mit ihm zu wechseln wagen; um ihn werde jetzt eine Wüste sein wie um ein reißendes Tier, das die anderen in Schrecken hält und zugleich vor ihnen erschrickt! Kaum daß es dämmerte, ließ er den Leichnam, blutig wie er noch war, in sein Zelt bringen. Als man den Toten vor ihm niederlegte, rief er unter aufsteigenden Tränen: „Das ist nun der Dank, den ich meiner Amme erwiesen habe, deren zwei Söhne vor Milet für mich den Heldentod gestorben sind, daß ich diesen ihren Bruder, den letzten Trost ihrer einsamen Jahre, beim Gastmahl niederstieß! Wo soll die Ärmste nun Zuflucht finden? Von all den Ihren bin ich noch allein am Leben, und gerade mich kann sie gelassenen Auges nicht anschauen! Und ich, der schändliche Mörder meiner Lebensretter, ich soll in die Heimat zurückkehren, um dann nicht einmal meiner Amme die Hand drücken zu dürfen, wenn ich sie nicht an ihr Leid erinnern soll!"Und als seine Tränen und Klagen nicht aufhören wollten, ließen die Freunde den Leichnam forttragen. Drei Tage lang lag der König von der Außenwelt abgeschlossen. Als dann die Waffenträger und die Leibwächter gewahr wurden, daß er zum Sterben entschlossen sei, drangen sie allesamt ungestüm in sein Zelt, aber erst durch langes Bitten brachten sie den Widerstrebenden mit Mühe und Not dazu, wieder Nahrung zu sich zu nehmen. Und damit sich seine Scham über den Mord verringere, stellten die Makedonen den Beschluß auf, Klitus sei zu Recht getötet worden; ja sie hätten sogar seine Bestattung verhindert, wenn sie der König nicht selbst angeordnet hätte. Zehn Tage verbrachte er nun noch bei Marakanda, vor allem um sein Schamgefühl zu überwinden; dann sandte er mit einem Teil des Heeres Hephästion nach Baktrien, wo er Vorräte für den Winter bereitstellen sollte. Die vorher für Klitus bestimmte Provinz gab er Amyntas und gelangte selbst nach Xenippa. Diese Landschaft grenzt an das Skythenland und besitzt zahlreiche, gut besiedelte Dörfer; denn der fruchtbare Boden fesselt nicht nur die

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bus ac frequentibus vicis, quia ubertas terrae non indígenas modo detinet, sed etiam advenas invitât. 1 Bactrianorumexulum, qui ab Alexandre defecerant, receptaculum fuerat; sed postquam regem adventare compertum est, pulsi ab incolis II milia fere et D congregantur. 10 Omnes équités erant, etiam in pace latrociniis adsueti: tum ferocia ingenia non bellum modo sed etiam veniae desperatio efferaverat. Itaque ex improviso adorti Amyntan, praetorem Alexandri, diu anceps proelium fecerant; 17 ad ultimum D C C suorum amissis, quorum C C C hostis cepit, dedere terga victoribus haud sane inulti: quippe L X X X Macedonum interfecerunt, praeterque eos C C C et L saucii facti sunt. 18 Veniam tarnen etiam post alteram defectionem impetraverunt. 1B His in fidem acceptis in regionem, quam Nautaca appellant, rex cum toto exercitu venit. Satrapes erat Sisimithres, duobus ex sua matre filiis genitis: quippe apud eos parentibus stupro coire cum liberis fas est. 20 Is armatis popularibus fauces regionis, qua in artissimum cogitur, valido munimento saepserat. Praeterfluebat torrens amnis, terga petra claudebat; hanc manu perviam incolae fecerant. 21 Sed aditu specus accipit lucem; interiora nisi inlato lumine ob scura sunt. Perpetuus cuniculus iter praebet in campos ignotum nisi indigenis. 2 2 At Alexander, quamquam angustias naturali situ munitas [ac] valida manu barbari tuebantur, tarnen arietibus admotis munimenta, quae manu adiuncta erant, concussit fundisque et sagittis propugnantium plerosque deiecit; quos ubi disper-

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Eingeborenen, sondern lockt auch Fremde an. Für die geflüchteten Baktrer, die von Alexander abgefallen waren, war das Land ein Zufluchtsort gewesen. Als dann aber das Nahen des Königs bekannt wurde, scharten sich die von den Einwohnern Verjagten zusammen, etwa 2500 an der Zahl. Sie waren sämtlich beritten und auch in Friedenszeiten gewohnt, vom Raube zu leben; nun hatte nicht nur der Krieg ihre an sich schon trotzigen Herzen aufgepeitscht, sondern auch ihre Verzweiflung, Gnade zu erlangen. Daher griffen sie unvermutet Alexanders Statthalter Amyntas an, und lange Zeit blieb der Kampf unentschieden; zuletzt jedoch, nach einem Verlust von 700 Mann, von denen 300 der Feind fing, kehrten sie den Siegern den Rücken - nicht ohne Verluste für diese, denn sie erschlugen 80 Makedonen und verwundeten dazu 350 Mann. Trotzdem fanden sie auch nach diesem zweiten Abfall auf ihre Bitten hin Gnade. Als der König ihre Unterwerfung angenommen hatte, kam er mit dem gesamten Heer in die Landschaft, die man Nautaka nennt. Hier war Sisimithres Satrap, der mit seiner eigenen Mutter zwei Söhne gezeugt hatte, denn dort dürfen die Eltern mit den Kindern Blutschande treiben. Dieser hatte mit bewaffneten Landsleuten den schluchtartigen Zugang des Landes, da wo es am schmälsten ist, mit einem starken Bollwerk abgedichtet. Daran vorbei rauschte ein Gießbach, die Rückfront verschloß ein Fels; durch diesen hatten die Einwohner einen künstlichen Durchgang geschaffen. Doch dringt in die Höhle das Tageslicht nur durch den Eingang, das Innere bleibt dunkel, sofern man nicht Licht hineinträgt. Ein ununterbrochener unterirdischer Gang führt zu den Feldern hinaus, doch ist dieser Weg nur den Eingeborenen bekannt. Obwohl jener Engpaß, schon von Natur geschützt, von einer starken Schar Barbaren verteidigt wurde, ließ Alexander trotzdem Sturmböcke heranführen, zertrümmerte die künstlich angefügten Befestigungen und verjagte mit Schleudern und Pfeilen die Mehrzahl der Vorkämpfer; sobald er sie in wil-

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sos fugavit, ruinas munimentorum supergressus ad petram admovit exercitum. 23 Ceterum interveniebat fluvius coeuntibus aquis ex superiore fastigio in vallem, magnique operis videbatur tam vastam voraginem explere. 24 Caedi tamen arbores et saxa congeri iussit, ingensque barbaros pavor rudes ad talia opera concusserat excitatam molem subito cementes. 2 o Itaque rex ad deditionem metu posse compelli ratus Oxarten misit nationis eiusdem, sed dicionis suae, qui suaderet duci, ut traderet petram. 2 quam Hedicke his explevit verbis: < T a u ronem mox auxilium esse laturum > | perpellere φ : pellere Ω 13 non del. Modius 15 et del. 8 17 rupes praeruptas

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et undique abscisas Kinch suffragante numero: rupes et undique praeruptas abscisas Ρ, rupes abscisas et undique praeruptas P c V , rupes abscisas undique praeruptas B L , abscisas rupes undique praeruptas F 20 reccidebant Stangl (WklPh. 30, 1913,758) hic et 8,11,13, probante clausula: recidebant Ω utroque loco; sed duplici c littera scribitur in unioersis codicibus Ω 5,2,14 reccidentem, 9,5,25 reccideret, item in Ρ solo 7,7,15 reccident. (De perfecto reccidisse vide ad9,7,23). a i coniecti φ: eiecti Ω. 4 j 2 tum del. Zumpt 3 ita Δ : itaque Ω 5 Verba hoc dorsum ante quod posuit Vogel; post procurrit leguntur in Ω 7 ad mare seel. Vogel 8 *alveo labitur : amne dilabitur Ω, alveo delabitur 8, editores, contra numerum 11 regis memoria Δ : memoria regis Ω 12 monstrare Freinsheim: monstraret Ω ι6 persequens tum Jeep: persequentium Ω. Fuerunt qui verba persequentium regem delerent. 20 quia eques Δ : quia et eques ω, quietus es Ρ | qua Δ : q u a m aut et q u a m Ω. 5 J 3 iustiusjee/i: istiusiß | vectus arfrf. Vogel 5 ad I U I milia fere Ω : ad I U I fere milia Modius, quod valde commendatur numero (cf. 3,9,1 viginti fere milibus, 8,13,6 triginta fere m i l i a j ; servavi tarnen scripturam traditam, quia etiam infra 6,8,23omnibus codicibus est V I milia fere. 8 inde δ : in Ω 13 patres Acidalius: fratres Ω 14 *nostrum necessario scribendum visum est; nostri Ω, quam lectionem exemplisprorsus alienis tuetur Vogel. 16 praesentium Ω: praesentia Acidalius, omnes fere editores, adversante numero. 19 ingenita Freinsheim: ingentia Ω 20 est Ω: esset ex Δ quibusdam recepit Zampi probante Hedickio. Quos ne sequamur heroa obstat clausula, a qua Curtium abstinuisse monui ad 3,12, 16. Equidem illudest delendum esse puto, ut fiat clausula e duobus creticis constans: patria carius. 22 eiecti Δ : adlecti Ω. 6 , 4 reperiebant ZumPtì° praeeunte Novák: recipiebant Ω 5 quisque δ : quemque Ω 8 suos Acidalius: suis Ω g dubitabimus aut credemus Acidalius: dubitavimus aut credimus Ω \ C m i l i a > talentum Acidalius: talenta Ω 13 vasta atque δ : vasta quae Ω 19 redit Ω : scribendum videtur redît (rediit Δ, editores plerique, contra numerum). 7» 7 ipsi Bentley: igni Ω 9 Illud quas ante habuere collocandum esse intellexit Scheffer; ante nunc habent codices. 10 deletam esse] Plane non dubito quin Curtius inverso scripserit ordine esse delet a m ; cf. ad 3,12,5. i l gravato Jeep: gravatam Ω. 8 j 3 fide φ: fideliter Ω 6 pluris P C B C Δ : plurimis P, pluribus ω I honesta morte P C B C Δ : honestam mortem Ω | me add. Δ

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(V, 8 - V I ,

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i o Illud mehercule ( = ω) ex editionis Bardonianae exemplo, quod a me correctum typothetis describendum tradidi, imprudenter propagatimi est pro eo quod praebet Ρ mehercules; quae scriptura clausula confirmatur. 13 queat suppl. Meiser (cf. 4,16,10) | numquam suppl. nescio quis. 9 , ι supra Acidalius: saepe Ω a magno PF C (cf. Thes.l. L. 1, 1101,11 ss.) : magni Ρ°α> | aestimaturi φ : acstimari Ω \ *inîmus (cf. 8,7,1): inimus B c Δ, inimur Ω, iniimus Stangl, quod displicet propter numerum insolitum (cf. tarnen g,6,24 nondum adiimus). 5 populos Modius: populi Ω \ res add. Warmington \ habes Modius: habent Ω 8 constituamus post gratia suppl. Prohasel; ego cur ante temporis collocaverim, facile intellegent qui legitimum sonum digitis callent et aure. | rebus add. Δ | fiduciarium φ : fiducia Ω 9 subesset Δ : esset Ω i o quasi suppl. Jeep i a tarnen del. φ 13 aegre rex Stangl (aegre Acidalius) : a rege ea re Ω 17 rebus φ : regis Ω. 1 0 j 4 regis Freinsheim: regionis Ω 9 bonis Freinsheim: donis Ω 11 purgare Δ : pergere Ω i a Bessus add. Δ. 11 » 4 ipsi Δ : ipse Ω 5 omnis Δ : omnes Ω 6 statui Kinch : statue Ω I e t i a m F o j i : et in β η interpretes celato Jeep: interp r e t s relato Ω 8 est add. Kinch 10 licet φ : videlicet Ω I equidem fato crediderim suppl. Vogel. j 3 purganti φ : arguenti Ω 5 perspectam Ω" Δ : perfectam Ω 8 illud Bentley (cf. 10,5,3): ilium Ω 9 t o t armatis Freinsheim: tum armatis Ω i 6 auspiciis del. φ | pellibus undique contectus del. Scheffer. 13s 3 non add. P c Δ i l qui nihil add. 8 ao singula Vogel: singuli Ω. Liber V I

ι » a et add. Modius 6 effuse Acidalius: effusi Ω i l et ZumPt: ut Ω I fugere Δ : fugeret Ω i 6 cecidere Δ : excidere Ω \ belli Δ : bellam Ω 2θ precati φ : geatae Ω (peccati geatae V ; ante geatae rasuram nonnullarum litterarum habet L ) ; precati add. Ω° Δ. Locus nondum sanatus. \ sociis £umpt: eius Ω, reis Heinsius | Achaei et Elei Gronovius: achas et eli Ω. 2 ) a tempestiva Heusinger: tempesta tiva Ρ, intempestiva ω | quem φ : quemque Ω 5 tempestivis Ρ : intempestivis ω 6 rex ipse] Haec varie temptata sunt ab editoribus, sedfrustra; nam apparet illud ipse numeri gratia additum esse perinde ac 3,1,8. Cf. etiam quae de ilio numeri complemento leguntur in Pompei commento in ar-

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TEXTGESTALTUNG (VI, 2 - 7 )

tem Donati (GL ß,sg4,2o ss. Κ.) : „ e g o perfeci" mala clausula est; illi addunt et dicunt „egomet ipse perfeci". . . . ista dicuntur propter clausulam; ceterum quantum ad rationem pertinet, nihil significant. 8 neptem del. Prohasel i o milia add. A I e quis Δ : quis e Ω i l claritatis Δ : caritatis Ω 13 alium amnem del. Vogel 16 in add. Δ 17 cum distributa essent, peditibus singula suppl. Zander. 3 5 3 orsi Δ : orsum Ω 4 ipsa rerum Vogel: ipsarum rerum Ω 7 stato] stuto P, statuto ω 8 non add. Δ | et qui Modius: sed qui Ω i o viderint Δ : viderunt Ω | insequentur Heinsius: sinequentur P, sisequentur ω | suis quisque Modius: suisque Ω 17 parricidas del. Freinsheim. 4» i iubentium φ: subeuntium Ω a ea manu Freinsheim: ex manu Ω 3 Erigyium Glareanus: phrygum aut phrigum aut frigum Ω 5 editur L c , Δ : edit Ω η quaecumque Δ : quic u m q u e ß I demissa] dimissa P, dimissicu |*equos supplevi, quod facilepotuit exciderepost duos; minus probabiliter duos Δ I i quam optasse Bentley: quae optasset Ω i 8 colores Koehler: colorem Ω | adferant Hedicke: adferent Ω 19 clausuni Vogel: Caspium Ω s o cultiora Δ : ultiora Ρ una littera ante u erasa; ulteriora ω. 5» 6 se, quid γ: si quid Ω i l valida Miitzell: invicta Ω ai in add. Acidalius | desperato Ρ, Δ : desperati ω | parere Freinsheim: tradere Ω 38 ac om. P. 6 , 3 expetebat Δ : expectabat Ω 4 ne omen Δ : nemo non Ω io tum add. Modius | quo tandem ore Jeep: quo tante more Ω i a bello Δ: bellum Ω 14 conferri Δ : referre Ω ao finitimis Δ : finibus Ω | satrapeae Acidalius: satrapem P, satraphama) 24 deerat Heinsius: erat Ω 35 occupaverant Δ : occupaverunt Ω a8 torrido Δ, quae lectio etiam clausula confirmatur: torrida Ω. Editores mendosum illud torrida retínenles infestarmi id quod omni vitio caret inaruerat, ex quo fecerunt inarserat. Qua mutatione numerumfunditus tolli quis non intellegit? 39 dari α : dare Ω 36 adit add. Hedicke. 7 » ι ab add. Gronovius | non tutus modo rex, sed invictus] Ita codices, et quidem recte; multi editores ordinem verborum tutus et invictus temere inverterunt, quippe qui nulla numeri reverentia continerentur. 13 ut tandem Ρ, Δ : tandem ut ω 17 ex prima cohorte amicorum Ρ, Δ : amicorum ex prima cohorte ω [ a add. φ ι8 nuntiari regi iubet Ω:praestabiliorem clausulam praebet codex quidam classis Δ, in quo est nuntiari iubet regi (cf. 7,8,8 nuntiari

TEXTGESTALTUNG (VI,

7-10)

745

iubentregi). 26 iussit P, A : iusserat ω 27 decucurrisse] de . . currissc Ρ duabus litteris erasís: decurrisse ω ; cf. ad 4,4,1. | operiri comperta Jeep : percomperta Ω a8 identidem Freinsheim : idem P, item ω 32 si, quod admitti non potuit, saltern negari potest] Haec quae in codicibus recte tradita sunt, editores quia non intellexerunt quarrwis aperta plane pessum dederunt, cum scriberent si, quod admitti non oportuit, saltern purgari potest. Quod commentum cum per se ab omni probabilitate alienum est turn etiam clausulae aliquantum inferi detrimenti. - Id quod admitti (i. e. committi, cf. g,6,13. 7,6,13. 10,1,2) non potuit est consilium regis occidendi, quod postquam Cebalini indicio enuntiatum est, caedes perpetrari non potuit. Hoc igitur dicit Alexander: „faventem habes iudicem, si saltern rugare potes adfinem te fuisse nefario illi Consilio, quod perfici non potuit". Tanta enim suspicione, utique post Dymni exitum, Philotas premebatur, ut vel infitiandi facultas omnis videretur esse sublata. 34 semet interemerit Ρ, Δ : interemerit semet ω. 8 , ι tum Zumpt: tamen Ω 3 iactatione φ : actione Ω 8 scito Modius: scio Ω 1 3 non credidisse Ρ : si non credidisset ω 17 ad add. A. 9 J ι rei A : ei Ω 2 coegit φ : cogit aut cogetai, om. Ρ | quoniam A : q u a m Ω | is primus G. Hermann: spiritus Ω 7 ut Bentley: in ΩI indicum seel. Vogel 8 ad ipsum A: id ipsum Ω 9 Metron suppl. Acidalius 26 ut iam Kinch: etiam Ω \ immo seel. Kinch: immo ω, in Ρ (sed erasum; immo P c in margine) 27 quo om. A 29 pro spe Freinsheim : prosperei? 3 1 arripuit A : eripuit Ω 32 iiissus Modius: rursus P, orsusoj 36 odio A : ideo Ρ, adeo ω | teneri Ρ, A : taederecu | fastidit Ω, quod haudscio an accipiendum sit pro fastidît. Perfectum requiri recte iam Vogel et Stangl intellexerunt, sed male iidem scripserunt fastidiit, quo clausula penitus evertitur. IO j 2 quomodo et A : et quomodo Ω 3 a b add. φ 6 fuisse Δ : fecisse Ω 7 *praeterît] Sic interpretandam existimavi scripturam optimi codicis Ρ praeterit; editores libros ω secuti scripserunt praeteriit, contra numerum. \ *credebat, de semet ipso : de semet ipso credebat Ω 9 vivat A : vivet P, viveret ω | velit A : velut Ω 1 2 vel beneficium suppl. Stangl 14 consummate - cogitato Glareanus (cf. Cie. Deiot. 5, J J tanto scelere non modo perfecto, sed etiam cogitato) : cogitato - consummate Ω 19 minime delendum censet Castiglioni SIFC ig ( igis) 182 21 quod add. Jeep \ operturus ,7eq!>:"op(p)eriturus Ω 28 H a m m o n ,

746

T E X T G E S T A L T U N G ( V I , 1 0 - V I I , 3)

num Heinsius: ammodum Ω | inierim Jeep: interim Ω 35 credulitatis Δ : crudelitatis Ω. 1 1 » 5 nunc cur £umpt: necum aut mecum Ω 6 sollicitet Ρ : sollicitetur ω | quis Kinch: qui Ω η non qui Iovem interrogent y : qui Iovem interrogent non ω, qui Iovem interrogent Ρ ao de add. Scheffer 26 Archelaum - Alexandrum Vogel: Alexandrum - Archelaum Ω a8 venit Palmerius: ac venire ΩI repetito Δ : p e t i t o ß 30 praesentis Hedicke : persus Ω | expers sum Δ : expressum Ω 32 tantus om. Δ 33 expertem add. Δ 35 et del. S | vultus Heinsius: vultu Ω 38 a Nicomacho nominati del. Kinch 39 invidiae Rubenius: vitae Ω 40 et del. Hug | Philotas del. Acidalius, quern secutus sum. Nunc autem magis inclinât animus, ut illudnomen non omnino tollendum, sed paulo supra inserendum censeam ante dum infitiatus est. Liber V I I

I» 13 aperuisse fugae causam] Melius caderent verba sic posita: aperuisse causam fugae. 17 indicat. T u m Freinsheim: inde captum Ω 2θ *desîmus (desiimus Meiser) : desiemus Ω, desinemus Δ, edd., non bene 24 moderata Δ : morata Ω 28 cuius et gratiam Δ : cuius est gratiam P, cuius gratiam ω 29 an non Δ : si non Ω | in tua verba tui φ : tuo verberatu ei Ω | praeeunte δ : praetereunte Ω | aversaremur Modius: obversaremur Ω 30 hercules Ρ, quod clausula confirmatur: hercúlea) 31 si, ut Δ : sicut Ω 32 hinc Stangl: hic P, haeccu | erat ω : erit Ρ 35 ius Bentley: suae Ω. 2 ) 7 *se, et: se sed ω, sese sed Ρ, sese, et Kinch 9 alte Vogel: valde Ω I suppurare Vogel: superare Ω 15 famae add. δ ι 8 duo Δ : duc Ρ, dux ω i g ipsius Δ : ipsi Ω 24 mutua J : mutuatu Ρ, mutuata ω, mutuaque edd. 28 qui ad aditum Δ : quid aditum P, qui adituma» 30 intromitti Δ : intermitti Ω 33 ad del. B c Δ I munia Δ : milia P, militiam ω | explevit Freinsheim : explicuit Ù 36 admonuit Δ : admovit Ω | iis - perlaturis δ : si - perlaturus Ω 37 et querentium del. Vogel | contumelia Δ : contumelias aut contumeliis Ω. 3» ι < A r s a m e > Ariorum Vogel: arian(i)orum Ω \ Arimaspos Loccenius: armatos Ω g et add. α | *eo < m i s i t > (similia fere coniecerunt Vogel et Bardon): et Ω 5 colentem Acidalius: volentem ω, volantem Ρ 8 a b imo Freinsheim: primo Ω \ in del. φ I montis δ : monte Ω 9 admittunt gumpt: ad medium Ω i o nix add. Δ i 2 tum Freinsheim: tarnen Ω 13 coniti δ :

TEXTGESTALTUNG



5,

6,



(VII,

3-7)

747

contineri Ω i 8 potuerant Acidalius: poterant Ω i g regione Vogel: regionis Ω 23 nova urbe Δ probante clausula: nov a m urbem Ω. 4 situ tuta Bentley: sit aut Ω 9 contrahant - intrepidum suppl. Halm n alias Bentley: aliis Ω | utique Hedicke: utramque Ω 12 regium Δ : regnum P, regum ω 14 in del. Palm«riwí| suspenderat/WmeriMi: sui spem dederat Ω τη incipies Δ : incipiens Ω 24 *specus suppléai (cf. Bell. Afr. 65,1) 27 sabuli δ : pabuli ω, paulo Ρ 34 Erigyius supplevit, verba dux illius exercitus seclusit Castiglioni 35 duorum Ω: ducum Δ, Freinsheim, non necessario, sed admodum probabiliter 36 concitato Δ : concito Ω 40 barbari caput, opimum Bentley: barbaricae optimum Ρ, barbarici optimum ω. 7 praepararant φ: praepararunt Ω | hominibus del. Acidalius 10 succurrerent Heinsius: occurrerent Ω 14 iussit om. P, secl. Stangl; sed cf. Lindgren p. 16 16 claudebant suppl. Jeep 17 solo add. Δ 20 facinori Acidalius: facinoris Ω 2i adnuuntj«e/i.· addunt Ω 25 esse cuius Foss: insecutos Ω 27 terna

ante illinc intercidisse suspicatus est Vogel. 12 regionis del. Vogel | Bosphorum colunt Acidalius: bosphoro incolunt Ω 14 coercendo del. Freinsheim 19 ipse - Craterum suppl. Zumpt I obsidentem Mätzell: obsidentes Ω 2 i deleta ea Hedicke: delete Ω 22 in om. Δ 24 h a u d ] haud sane Kinch, haudquaquam Castiglioni 27 nunc quoque non] i. e. ne nunc quidem (v. Nipperdey-Andresen ad Tac. ann.3,54. Büttner p. s6. Hofmann, Syntax 641); nunc quoque nondum mal it Castiglioni. 4 saltum Jeep: alium Ω \ qua Acidalius: quae Ω | propiora Δ : propia aut propria aut propriae Ω | sunt primis. Bentley: sunt. Primus Ω 8 ita, qui Δ : itaque Ω| mentium Junius: gentium ΩI ludibria Δ : ludibrio Ω | addixerat δ : adduxerat Ω \ rege spedare B c Δ : rege respectare Ω (rege re expectare F) 9 propius φ : prius Ω | deinde del. φ i o tempora eligere φ : tempo-

748

TEXTGESTALTUNG (VII,

7-11)

relegere ß 22 vate Δ : sute Ρ, sue ω 24 sum del. Snakenburg 25 qui saepius PF, saepius B L V . Locum corruptum cruce notavi, nam nihil eorum quae temptata sunt ullam probabilitatem habere mihi videtur. | denuntio ω : denuntiat Ρ v¡ me ars mea A : mea ars mea Ω s 8 iussit eum Miitzell: iussum Ω | aliis suppl. Vielhaber 29 inde a : mihi Ω 31 qua Acidalius: quem Ω 36 Hypsidem y : suspiciens Ω. 8 , 7 intra Δ : in Ω 8 nuntiariFreinsheim (cf. ad3,3,γ) : nuntiare Ω g quia veteres editiones (probante Castiglioni, qui comparata, 1,27): quis ΩI habitus Acidalius: animus Ω i l Sic, quae Halm: sicque ω, si qua Ρ | moribus Δ (ita legendum esse numerus ostendit) : moribusque Ω. Multi multa coniecerunt ut moribus hominibusque, moribus oribusque, moribus oratoribusque, animis moribusque, frustra omnes. 14 metitur Δ : metit Ω \η boum δ : bovem Ρ, boves ω ι 8 Syriae Modius: scythiae Ω 19 insatiabiles Acidalius: instabiles Ω 22 pateant Modius : pateat Ω 25 quae delendum censet Castiglioni, haud scio an rede | comprehended«/»: comprehendere Ω 29 pacta Bongarsius: facta ΩI ponimus Foss: novimus Ω 30 et om. Δ | colimus φ : collibus Ω. 9 , 3 qui post φ: post qui Ρ, post eos qui ω | lorica non Jeep : loricam Ω 4 sarmento P ; stramento ω; utrumque habet, quo se commendet. 9 desilire Δ : desiliere Ω I2 quidem δ : quod Ω 1 2 - 1 3 hostem - hostium defendit Stangl, WklPh. 30 (igig) y00, ad Xen. an. 3,4,2g provocans. 14 ibique diei suppl. Castiglioni\reliquumquattuorsyllabispronuntiandum, sicut semper apud Plautum Terentium Phaedrum (cf. Lachm. comm. Lucr. p. 305), ut clausula fiat ex paeone et crético constans. Nec diversa pronuntiandi ratione usum esse Ciceronem hi docent loci, quos ex actionis in C. Verrem secundae libris excerpsi: 1,36 relicuos esse. 1,43 relicua attendite. 2,1 ¡6 relicui dicent (cf. 5,133 relicui dicunt). 3,147 relicuas fecerit. 4,36 de relicuo videro. 19 Elpinicon Foss: escipinon P, excipinon ω 20 c c o n t e n d i t > , ex qua Δ : in qua Ω 22 iubet Ρ : iussit ω. IO j 4 ut add. B c Δ \ tradi Ρ : trahi ω 6 celebrare γ : celebrarent Ω 7 inquit Grunauer: itaque Ω I2 Asander Schmieder: Alexander Ω 14 T a n d e m Kinch: tamen Ω \ deum add. Δ 15 spatiis φ : stadiis Ω. I I ) ι cum om. Ρ , fartasse recte; cf. 8,12,1. 9,2,3. 12 proximus ei venerit ] ei del. Modius admodumprobabiliter \ certum Δ : ceterum Ω i s levavere Δ : levare Ω | quidam A. W. ZumPt ( 1864) :

TEXTGESTALTUNG

( V I I , 11 —V111, 4)

749

quibus ΩI subdidereFoij; subinde Ω i 6 aspera enisis δ : asperenisi P, aspera nisi ω; cf. ad 8,2,26. 8,11,g. 18 in inviis et asperis Δ : inviis et asperis P, in inviis et in asperis ω | specu Mützell: specui P, specusai, e specu Kinch 21 Cnunc > condito Freinsheim (cf. 8,4,3) ·' conditor P, conditi ω 24 et add. Vogel 25 e add. Δ ιη infensus add. Δ. Liber Vili I j 4 et forte campo erant iunctaefragmentum Herbipolitanum (hanc veram esse lectionem docet clausula) : et erant forte campo iunctae P, quae erant forte campo iunctae aut similia ω 9 regum om. Δ i8 ne aut Mützell: nam ut Ω 32 eo remittente Acidalius: eorum omittente Ω 34 agis Acidalius: magis Ω yj subegisti Δ : subiecisti Ω, quod retiñere debebam. 46 complexi et] Fuerunt qui illud et delerent; at cf. 3,7,14. 10,8,3 (Vogel, Sprachgebrauch § 152). 2 j 3 excipiebat] exciebat Modius, quem secutisuntpleriqtte,falso, ut opinar. 5 totam personans regiam Δ : tota personans regia Ω (hanc scripturam tuetur C. F. W. Müller, Syntax des Nominativs und Akkusativs 140); tota personante regia Modius renuente clausula. 6 stato φ clausula suffragante (cf. 5,1,22 sta tas [ita Ρ; statutasoj], 6,3,7. ^,9,13.9,9,9-9,9,27) : statuto Ω, edd.perperam 7 terrenti alias timentique Δ : terrenti alius timentique P; terrenti alias alias timenti Β (necmultumdifferuntceteri codices ordiniseli ), sed clausula huic lectioni minus favet. 14 ante Δ : autem Ω 2θ is - saepserat Modius: II - sepserant Ω \ terga - claudebat Scheffer: tergo - claudebant Ω 2i obscura sunt δ : obsunt ΩI campos ignotum δ : campo signorum Ω 22 valida φ : ac validas Ω 26 tela emicabant Modius: telemicabant P, tela micabanta) (lectio reicienda propter clausulam heroam); cf. ad 7,11,16. 8,11,9. 3 o id precatus Heinsius: inprecatus Ω 32 ac del. Stangl (cf. 4,13,15. 8,11,24). 3 j i aegre fugam γ : aegram fuga Ω 14 iniecturus γ : invecturus Ω. 4» 2 *praeterít] Formamcontractam restituí clausulaflagitante(cf. ad 6,10,7); praeteriit Ω 4 fulminum B c Δ : fluminum Ω \ consistere Acidalius (cf. 4,15,16.7,5,6) : considere Ω 5 lubrica rigentes Modius: lubricae et rigentes Ω io quis add. Hedicke (quibus Δ) 15 aegre suppl. Mützell 20 petens Δ : petentem Ω 2i Oxyartes a : cohortandus Ω 22 eo - tradito Modius: eo - tradì P, eum - tradita) 26 illam Hug: ita Ω.

750

TEXTGESTALTUNG

( V i l i , 5-10)

5» 5 ratus suppl. Freinsheim 6 iussitquejee/j; i taque Ω 8pessimorum δ : piissimorumß | quae del. Vogel | praeferebantur Δ : ferebantur Ω g barbari suppl. Freinsheim 15 te regi δ : se regi Ω r6 et ut Ω, quod defend.it Lindgrenp. gì s.; ut et Modius, edd. 19 a victis suppl. Freinsheim. 6 ) 5 nullius] nulli Scheffer sine causa 12 mutua y : multa Ω 13 aedis B c Δ : sedis Ω i 8 cubiculi Δ : cubili Ω ig conlaudatique φ : conlaudatisque Ω 23 auctores Δ : acturos Ω 28 reos Heinsius: eos Ω. 7» ι *inîmus {similis clausula extat supra J,11,22 consilium inirent) : inimus P, inivimus ω, iniimus Kinch 4 e Δ : a Ω 7 *petîtque : petitque Ω, petiitque φ, edd. 8 coercitis δ : coercitus Ω 15 orbas Jeep: orbam Ω. 8 , 2 ipse Miitzell: ipsi Ω | imprudens δ: impudens Ω 3 oportet φ : oportere Ω | ferunt Acidalius : ut Ω 4 Verba commemorare supervacuum est del. Modius, cui temere assentitur W. A. Baehrens Rh. M. 68( 1913)445. 6 •liberavi, a duobus indicibus rursus : a duobus indicibus liberavi rursus Ω, liberavi, rursus a duobus indicibus Eussner | per triennium Δ : patriennium P, per biennium ω 8 confundí videmus Grunauer: confundimus Ω, confunduntur Miitzell 10 id suppl. Stangl 12 capimus Acidalius: cupimus Ω 13 mores add. Δ I transfundo γ : transeundo Ω f j expectantium Freinsheim: spectantium Ω ig tuum δ : cum aut tuum cum Ω. 9 , 2 spectat B° Δ : expectat Ω 5 a meridiana regione Ω, quae lectio clausula defenditur; ad meridianam regionem Freinsheim, edd. J inde Freinsheim: in Ω 6 Indus Bentley: findens Ω \ quis Miitzell: quia Ω η Acesines eum Erasmus: acesineum Ω 8 Post Ganges nomen amnis in Gangem influentis perisse intellexit Foss. i l adeuntur fluunt Kinch: adeo interfluunt Ω τα aquilone maxime deuruntur Foss: aquiloni maxime decurrunt ΩI mitia Acidalius: mitis Ω 13 * causa] Cverterit, patet > causa VogelcontraCurticonsuetudinem; causa Stangl contra numerum 14 quo y : quod Ω 23 semet Foss: sene P, sane ω 25 Jeep lacunam his verbis a Strabone 75 p. y 18 petitis explevit: ramis 27 legationibus Δ : legationis Ω 32 quibus aut φ : quibus autem Ω 36 quia Koehler: qui Ω 37 sane operae γ : sine opere Ω. IO, 4 ipse Stangl: post se Ω 8 lignisiaÄer; igni Ω i o dedidere Β€Δ : dedere Ω i2urbs suppl. Kinch 14 seminum Δ : sege-

TEXTGESTALTUNG ( V i l i , 1 0 - l X , 2)

II)

12, 13,

14,

751

minum aut seuge(r)minum Ω, germinum Heinsius | baccarisque multa Heinsius: bac(a)eque et multa Ω. Locum emendatum esse non credo. 16 omnes se repente y : homines serpente (serpentes F) Ω 19 aeque φ : atque Ω ao ubi Bongarsius: urbi Ω 24 ab occidente a : a d occidentem Ω 35 stadium Ztm.pt: stadia Ω | ima Vogel: iam Ρ, inferiora ω a8 tum del. Acidalius 30 demoliebantur y : emoliebantur Ρ, amoliebanturo) I cumulis del. Kinch 33 patebat Eberhard: placebat Ω. 3 operae esset φ: obpesset aut obpreesset Ω 5 quo Freinsheim: qui Ω 8 se del. y 9*eniti (cf. 7,11,10.16. 17) : niti Ω, quae lectio ferri non potest propter clausulam heroam. 13 quis Δ : qui ΩI reccidebant Stangl (cf. ad 5,3,so) : recidebant Ω 34 speciem suppl. Mützell | Minervae Victoriae Δ : Minervae Victoriaeque Ω a s quo Zumpt'· quos Ω. a per add. Bentley 8 discedere φ: descendere Ω 9 coiere Zumpt: coiret Ω | expectasse Δ : spectasse Ω. Idem vitium supra 8,8,17. 4 Samaxus quoque Acidalius: samaxusque Ω io facies erat Ρ, quae lectio numero comprobatur; erat facies ω a s petebant, tenente suppl. Jeep a6 at rex - accersens et Jeep: et ex accerserent Ω | rates φ : ratem Ω 37 ordines Acidalius: ordinem Ω. 3 aciem hostium Bentley: hostemhostiumß | Spi taces Anspach : hages Ω 8 telis Snakenburg: tenus ω, tarnen Ρ, B° 10 et add. Δ 3 i multa Vogel: multo Ω 3® tandem y : tantum Ω 4 o confossoque α : conpositoque Ω 41 Taxiiis ] Taxiles veteres editiones probante Castiglioni | propinquum L c Δ : propinquo Ω 43 quo Δ : quod Ω. Liber I X

1 , 3 repleturos Δ : repleturum Ω, quam lectionem frustra defendit Stangl Bph W37 (igi7)n88 ss. 3 percucurrisset ω numero suffragante (cf. 4,4,1 et infra g,s,ig): percurrisset Ρ 5 ignaris; < I n d i > Castiglioni: ignari (gnari F) Ω 6 gradus Acidalius: gradu Ω 8 1 poro ] Minime probandum quod vulgo editur porro, quoniam ilio adverbio Curtium abstinuisse certum est. 18 et add. α 33 consaeptum Mützell: conseptu Ω \ unus y : unius Ω 33 in del. Halm. 2» i l se add. δ 13 terribiles Bentley: terribilem Ω 15 sustineri Bentley: sustinere Ω i g incucurrerunt Ρ : incurrerunt ω 3o *constet supplevi ai et del. y \ elidunt] Fuerunt qui

752 mallent

elident.

23 cruore δ : fervore Ω

lerim y (coniecturam dubitatione) Δ

haud sane convenientem

: qui - obtuli Ω

3 » 9 in add. A

e regia q u i Ω,

2θ m o r t e ] morti

cf. 4,10,30.

(cf. Gell. 3,2,3):

extinguebant Ω cetu Ω

se q u o q u e Ω

Δ,

9 meatur Heinsiiis:

meat Ω

io duo

in se v e h e b a n t Ω

20 se add.

h a u d Acidalius:

6 subiecere η defendebant

ι ι o m n i u m d u o maiora Acidalius:

maiora o m n i u m ω , d u o maiora Ρ tos Ω

Bucephalam

(relictos esse ω , relictos se Ρ)

Δ : subicere Ω | seque Hedicke:

supra § 10):

Damstê

2 1 inter haec y : in

necessario.

4 » 2 esse del. Acidalius Modius:

1 9 e regia erigique Pro-

erigique φ

23 B u c e p h a l u m Ω

edd., nequaquam

aestu Jeep:

obtu-

recepì non sine

3 2 v i n d i c a m u s φ : indicamus Ω.

?) admodumprobabiliter,

hac Ω

29 quin -

clausulae

1 0 induti Κ inch: induit Ρ, i n d u i a i , induimuscu c

i 8 mitigari Kinch : mitigare Ω

hasel: {Δ

2-7)

TEXTGESTALTUNG ( I X ,

Vogel

ut Ω

1 3 se i n v e h e b a n t Δ

ly c o a c t u m Glareanus:

(cf.

coac-

22 effertur δ : adfertur Ω

25

3 2 u n d i q u e φ : u b i q u e ω, ubi Ρ | telo-

r u m del. φ. 5 j 4 Verba ne circumiri posset, quippe quae a librariis petita

viderentur,

grenp.jis.

Freinshemio

e § 3 male re-

auctore multi deleverunt;

5 comminus del. α

9 taxncn Jeep:

terum : d e x t r u m Ω,

quod cum clausulam

quidem sed tolerabilem

tarnen, mutare non debui. Longiorem

formant

semel testantur codices 6,3,28,

efficiat

sed v.

poneretformam,

novies breviorem; praeterea

verbio usus est quinquies. tera ω . Neutrum detur:

non bonam

breviorem undevicies.

tivum quod est dext(e)ra Curtius ita usurpavit,

Lind-

iam Ω | *dex-

ut ter decies

ablativo

illam

adiectivi Substanlongiorem

d e x t r ä pro ad-

ÏO sufficeret dextra Ρ : sufficeret d e x -

efficit probabilem

dextra sufficeret.

clausulam.

Mihi

1 2 tarnen Vogel:

scribendum

iam Ω

vi-

i 6 ex

quibus ω : c u m quibus P ; eum. E quibus Kinch

2 1 vetusta

y : vetustate Ω

infixum Ω

2 5 manus

i 2 infecturas gumpt:

iniecturas Ω

suppl.

22 infixae Vogel:

φ.

6 , 5 repens Vogel: recens Ω 1 5 exatiatus Hedicke1: satietate Δ

exsatiatae P B L V , exsacietate F , ex

1 7 eo nomine γ: m e o nomine Ω

i 8 et m e a ,

< q u i > q u i d e m φ : et q u i d e m m e a m P, m e a m et q u i d e m ω , et m e a q u i Stangl a n n u m aut a n n u m add. Eussner probante

21 a n n u m

26 m e ante m e m e n t o te

clausula.

7 » ι circa Bactra Loccenius: quasi Ω

< v i t a e > Jeep]

Δ

garabactra Ω

3 c u m iis α : cunctis Ω

2 casu

Acidalius:

6 ceterum Acidalius:

ce-

TEXTGESTALTUNG

(IX,

7-X,

2)

753

teri Ω η insidia tus] insidiatur Prohasel non necessario; cf. Lindgren p. 42 s. 16 et regi Stangl: a rege Ω τη eadem Δ : eodem Ω i g vis Jeep: hic Ω | hastamque Gertz: hastam quam Ω 23 reccidisse Stangl: recidisse Ω; sed cf. 10,1,6 reccidisse ω (ree- Ρ) et 10,8,y recciderat Ω (ree- Β) | verebatur] querebatur Meiser; at cf. Hofmann, Syntax 587 C.

8, 10 praesidium Δ : imperium Ω

τη regno Modius: regnum

Ω. 9 » ι compulit post m u n d i suppl. Foss (cf. 5,1,35), alii in fine enuntiati post permittere addiderunt non sine clausulae detrimento; ego ante c a p u t inserui, ubi facile intercidere potuit. 4 omnibus Δ :

omnis Ω 5 scrutati Δ : scrutata Ω 6 abessent mari Ρ : abesset mare ω. 8 lentius Acidalius: leviusß 25 inundatis Hedicke : inundantes Ω a6 eius elementi Kinch : eiusdem mentis Ω, eiusdem elementi B c /J 27 esse, media φ : esset media Ρ, esse et media ω. IO, 3 et add. Kinch 6 Arabum a : barbarum Ω i6 versi] ver-

s a Schmieder, hand scio an vere. 18 sola fertilis r e g i o ] Locum varie correxerunt editores, quos non intellego quid offenderti in verbis traditis. Curtius dicit eam regionem solam in Ulisfinibus omnium rerum

fertilem esse. 22 iumentorumque Δ : iumentorum Ω parata Palmerius: parta Ω. Liber

vj

χ

ι» 2 ministerium Kinch: ministerio Ω i l amnis obiectam Scheffer: amni subiectam Ω I2 ferri Δ : fieri Ω 14 palmetis Modius: palmitis P, palmisai | frequentibus Δ : frementibus Ω

i 6 os add. Acidalius

19 ut del. φ | T h a p s a c u m Glareanus:

thapsagas Ω | septingentarum gumpt: et ingentarumque Ω 26 aeque Δ (i. e. aeque atque amicos): aequa P, equameo, perquam Heinsius 31 conditum ora. Δ 39 item Δ : idem Ω 41 regna reddiderat Freinsheim (cf. 10,5,28) : regnare duxer a t ß 42 tarnen ita ^umpt1: traiectum Ω | invicti Hedicke : i n ß . Sf 3 clam agitanti Δ : clam agitant P, cum clam agitateo | in Cretam traiectis %umpt: interceptum trucidatum Ω | amico Hedicke: a Ω 4 omisit Δ : emisit Ω 5 solvendarum Δ : solidarum Ω 6 suae - publicae vindices clibertatis > Modius ( Φ 8,5,20) : suo - publice vindices Ω \ ordinum £umpt: ordinem Ω | hominumque Jeep : hominum quia Ω 8 novare φ : renovare Ω \ cupientes coercentibus Sauppe: cupientibus Ω i o castris] Quae sequuntur usque ad 10,5,8 nec se ipsos in Ρ lacuna

754

TEXTGESTALTUNG (Χ,

2-9)

sunt hausta. I i cum add. Jeep 13 deterriti Δ : deterritum ω 15 noscendi] docendi Δ (cf. 7,7,6) 17 discedunt Δ: descendunt ω ao sed est Δ : sedemco | quidam φ : quidem ω 2 i operis Rubenius: oportet ω 24 talenta esset, tantorum mox Castiglioni: talentorum mox ω 30 corripit ω : corripuit Δ, edd., contra numerum. 3» 2 et del. Modius | nihilo Acidalias: nihil ω 3 vivunt, reges suppl. Stangl 8 et add. Vogel 10 ego Δ : ergo ω | non del. Acidalius 11 in ont. Δ. 4) ι obsequerisy:exequeriso)|etcaptivisiS'tag/: acaptiviscu 3 irae, trucidaret Modius: ira retrucidaret ω. 5, 5 providere Modius: provide ω 8 capere φ; carere aut ca ω 12 in add. Zumpt | Fuerunt qui ilia sine herede regni delerent, sedv.Lindgrenp.26ss. 14 a add. Δ τη comis suo Palmerius: commisso Ω | ut om. δ | adsueti] assueti B C FLV, ac sueti PB 28 ea ademerat Δ : eadem erat Ρ, ea demserat ω 29 sane remittenda Walter: nec amittenda Ω 32 ingenii Acidalius: ingentes Ω. 6, 3 ac primum Δ : ad primum Ω 5 vires] res Scheffer 8 pluribus add. Δ 9 quot suppl. Kinch 17 circumferentem γ: circumferenti Ω i 8 dubitavere B C J : dubitare Ω 24 pronuntiatam Freinsheim.: praenuntiantem Ω. 7, ι contione δ : contio Ω 2 suo merito Ρ probante clausula: merito suo ω 3 vocandum α: vocatum Ω 5 f inpense] Hoc ut expediret adhuc nemini contigit. Multi multa coniecerunt ut impugnans. Sed - carpens. Sed - incessens. Sed 10 suis γ : his ΩI spei publicae Heinsius: rei publicae Ω 11 si γ : etsi ω, ipsi Ρ I luxuriat Δ : luxuria Ω I2 quem spreverant Acidalius: quam speraverant Ω i 6 obserari Palmerius: observari Ω i 8 sed qui Δ : sequi ω, sequi qui P. 8, i ni - novaturum Modius: ne - novatorum Ω 4 pueros B c Δ : pueris Ω. Dativum vereor ut recte defendat Lindgrenp. 631. 6 Lacunam agnovit Stangl. 9 secretas cogitationes Δ : secretae cogitationis Ω 13 excederent suppl. S (cf. 10,2,3. I0 1 1 Quis equ(um) habet? 10, 6, 8 Capit(e) opus est. Dieses Material - insgesamt 5290 Stellen - schien ausreichend für eine zuverlässige Statistik. Die Einbeziehung auch der a m Schluß der Satzglieder (κώλα oder membra) vorkommenden Klauseln hätte das statistische Material schätzungsweise ungefähr verdoppelt; darauf durfte jedoch verzichtet werden, da wesentliche neue Aufschlüsse davon nicht zu erwarten waren. Ausgeschieden wurden : 1.38 Satzschlüsse, w o die ¿^-Überlieferung aus Δ oder nach Konjektur verbessert werden mußte; 2. 23 Satzschlüsse mit Eigennamen, deren Quantitäten nicht mit Sicherheit zu ermitteln sind; 3. 8 Satzschlüsse, die keiner der bei Curtius festgestellten Formen A - F zugeordnet werden können.

758

DIE

KLAUSELN

Z a h l der untersuchten Satzschlüsse

5290

Z a h l der ausgeschiedenen Stellen (oben Z i f f e r 1-3) I n der Statistik berücksichtigte Satzschlüsse

69 5221

— bedeutet L ä n g e , v—f K ü r z e , syllaba anceps, | Einschnitt (Wortgrenze). W i r unterscheiden zwischen Grundformen u n d abgeleiteten Formen. D i e abgeleiteten F o r m e n entstehen aus d e n G r u n d f o r m e n (z.B. — w — — w = B1) a. d u r c h A u f l ö s u n g der H e b u n g e n ( z . B . u ' u u B2) b. d u r c h D e h n u n g der S e n k u n g s k ü r z e n (z.B. = B5) c. d u r c h E n t f a l t u n g der S e n k u n g e n (selten !, z . B . — v y w — = B8) D i e b e i g e f ü g t e n Z a h l e n g e b e n a n , w i e oft j e d e F o r m v o r k o m m t . K l a u s e l n mit S y n a l ö p h e sind in d e r Z a h l der entsprechenden F o r m e n ohne S y n a l ö p h e mitinbegriffen. ( U n t e r A1 — Iw .—. sind also a u c h K l a u s e l n w i e tut (um) apertumque m i t g e z ä h l t , unter — a u c h regi(am) intravit, unter — w — | — a u c h persecut(i) estis usw.) U n t e r A 9 , A 1 2 , A 1 3 , F 2 u n d F e sind gleichartige K l a u s e l n mit verschiedenen Einschnitten z u s a m m e n g e f a ß t ; deshalb h a b e ich in d e n z u g e h ö r i g e n S c h e m a t a keine Einschnitte eingezeichnet u n d die a u f g e f ü h r t e n Beispiele in K l a m m e r n gesetzt, weil sie n u r eine v o n d e n in j e d e m Falle v o r h a n d e n e n Spielarten darstellen. Λ I. G r u n d f o r m (Creticus + S p o n d e u s oder T r o c h ä u s ) — v-y — 1V

nuntiaverunt Te\gem sequebantur hostis intravit — < — · — —1 nuntius vênit — persecuti sunt elu]j¿í vei implevit - M ~ vita]/« calor liquit re]ducit in castra — w 1—ι mit a n d e r n Einschnitten

188 286 7'4 289 6 80 163 116 16 1858

DIE

II. A b g e l e i t e t e A

2

759

KLAUSELN

Formen

w'w w| ~ leviter armati w w w — I — ~ misericors victor w'wI ^ -v^ x ) magis honestabat w'w w|—I — ~ fugere noti possent mit andern Einschnitten

109 26 23 22 21 201

A

3

— w | w ' w — - ~< esse videatur mit andern Einschnitten

128 6 134

A4

—w|— w'w~ arma distribuì — w — |w'w ~ impiger iuvenis — |w| — w'w — i n t e r e m p ] tum per insidias — |v_/—| w ' w ·—no~\men suum relinei — —|w'w-~ sta]tiva rex habuit — |v->—w"w. mit a n d e r n Einschnitten — W —| — — I w — — I w.—·

.76

7 227 63 18

95 52

49 42 17

9

31

786 II. A b g e l e i t e t e B2

Formen

manibus amplectitur . w'w w memoriae proditumst - w w'w Iw tua salus diluet mit a n d e r n Einschnitten

36

'9

6

24

85

761

DIE K L A U S E L N

Β8

— —w ~ reg]nare patiemini — wI w — m u ] t a v i t animum tuum — v j I I — per]ire quia parut mit andern Einschnitten

15, 14 3 8 40

4

Β

Β®'

w|vjv_> —

prac]lerila

——I » ~ — I ^ '— — — I — I— w ~ — —I —|— 1 ~ mit andern Einschnitten

revocaverat

omnes exaudiunt introduci iubet miles non defuit pulsu muros qualil vel]¡(¿ praesenti deo

5 99 13 19 20 14 19 184



>\j — I — o b i c i e s beluis - w 1w ~ insidiantur tibi mit andern Einschnitten

4 6 8 i8

7

B

—I —I mit andern

~

équités praemiserat animo pacem petit

Einschnitten

14 7 11 32

8

Β

— damnem medicifidem — p o s s u m nisi vindicar j v J w — ~ nondum penetraverant mit andern Einschnitten

6 4 8 9 27

B9 B10

— I ow—numero —

w

'

w



~

speciem ferens nominepenetrandf um) erat (3,

Total B1 Total B2-B4 Total B!-B4 Total B5-B10 Total Β

7,6)

786 130 916 265 1181"

3 r

762

DIE

KLAUSELN

C I. G r u n d f o r m (Doppeltrochäus)

Cl





praeferebas car]men canebant castra movit obtulit rex a p p e l l a t e est rex — | ~ mit andern Einschnitten —

181 142

^

— 1 w — ~ — — ~ — w —1 —

II. A b g e l e i t e t e

cs

79 12 8 9 43·

Formen

vJvj v_/ — recuperavit W ν ^ 1—.—, latere cludunt mit andern Einschnitten

5 8 15 28

C3



restituent — |v_» ν_Λ_/ — cam]/KW repeteret — 1 w ' w •— castra posuit 2) — w o|o ~ prnejcederé iubet mit andern Einschnitten

4 8 3' 22 8 73

C4

na~\vigia repetunt

6

Total C

538

D I. G r u n d f o r m (Doppelspondeus) D1

confoderunt necessitai cogebat le]gatos audit occisi sunt —I ta] men caesi sunt mit andern Einschnitten

68 85 48 36 16 16 269

ι . D a r u n t e r 8 K l a u s e l n , bei d e n e n die erste H e b u n g d u r c h die b e i d e n K ü r z e n eines daktylischen W o r t e s oder W o r t e n d e s

gebildet

ist, z . B . 8 , 1, 1 2 fon]/i'6«j

amoenas. V g l . u n t e n S . 7 6 7 , § 6 b . 2. D i e z w e i t e H e b u n g ist d u r c h z w e i v e r s c h i e d e n e n

Wörtern

K ü r z e n gebildet. W e i t e r e Beispiele siehe u n t e n S. 767, § 7b.

angehörende

DIE K L A U S E L N

II. A b g e l e i t e t e F o r m e n D2

iwi'v-/

—^

comitabantur

— I— ~

aliae gentes

mit andern Einschnitten

D3

—I—\J\->

~

t]um

destituii

1υ υ oppe]r;r¿ statuii mit andern Einschnitten D4

(„Clausula heroa") —



efficiemus

— I \_iv_» — ~ — WJ

x)

p r o fi] ¿fe morituros

— I ·"·—

perdomiti

sunt

mit andern Einschnitten und Synalöphe Andere (zum Teil zweifelhafte) Formen Total D E (Hypodochmius) I. G r u n d f o r m E1

— — w t r a n s c u c u r r i m u s —

ι — I ν-/ ~

— I— — Iw — —I

urbibus

~ •—•

w — Iw ~

frequens

felici] ¿aíe floreas Samarijto« cremaveranl hoc. modo stetit

— ν—'I — I mode]ra/!w et probus mit andern Einschnitten II. Abgeleitete Formen E2

vJL»

E3



~

car]minibus

1— w —I

^

inclitus

mori] íuram liberas e]os deceperat

mit andern Einschnitten ι . Vgl. die Anmerkung am Schluß der Statistik, S. 764.

764

E4

DIE

KLAUSELN

—v^Vw»—consulerent mit andern Einschnitten

Iovem

9 20 29

Andere (zum Teil zweifelhafte) Formen Total E

221

F

F1

(Dochmius) I. G r u n d f o r m ν-» 1 ^f ~ quietus stetit —I— u ~ iter ruperat mit andern Einschnitten (z.B. quid hoc est rei) II. Abgeleitete

F2

o

F3 F4

Formen

—w ~

(be]nefici(a) odimus)

— I wV-ι i-j I ~ —I

9 5 7

2

mihi melius est defossae latent in castri s erat

1 w •—'

3 4 7 11

5

F





a

n

t

(

6

F

F'

e

)

oculos erat

(molli]or(a) ingenia sunt) —IKJKJI

I

~

haud minor ali(a) erat Total F

A 2861 = Β 1181 = C 538 = D 376 = E + F 265 = Total 5221 =

2 4 1 44

54,8% 22,6% 10,3% 7,2% 5,1% 100,0%

Anmerkung zu D 4 (clausula herca) : Ein regelrechter Hexameterschluß wie etwa moenia Romae oder ora tenebant kommt bei Curtius nicht vor. Wie die Beispiele zeigen, verwendet er

DIE

KLAUSELN

765

nur solche F o r m e n d e r daktylisch-trochäischen K l a u s e l , d i e im klassischen H e x a m e t e r v e r m i e d e n w e r d e n . F r a g l i c h könnten allein die drei Stellen „ m i t a n d e r n Einschnitten u n d S y n a l ö p h e " s c h e i n e n : 6, 10, 18 incolum(em) esse; 9, 10, 30 luxuri(a) obstat; 10, 1, 35 grati(am) iniret. A l l e i n hier sind die Einschnitte d u r c h d i e S y n a l ö p h e v e r d u n k e l t , so d a ß diese K l a u s e l n tatsächlich d e m T y p u s efficiemus gleichzusetzen sind. N u r e i n m a l (sofern ich nichts übersehen h a b e ) findet sich, j e d o c h nicht a m E n d e , sondern im I n n e r n einer P e r i o d e , ein richtiger H e x a m e t e r s c h l u ß : 5, 7, 8 iura petebant - vielleicht entschuldigt d u r c h d i e feste W o r t s t e l l u n g d e r formelhaften W e n d u n g iura petere.

Zur

Prosodie

§ ι . D e r K l a u s e l r h y t h m u s b e r u h t a u f d e m geregelten W e c h sel l a n g e r u n d k u r z e r Silben. § 2. Betreffend S y n a l ö p h e u n d Positionslänge gelten f ü r die K l a u s e l n dieselben R e g e l n w i e f ü r die Poesie. § 3. D i e letzte Silbe einer K l a u s e l ist nitceps. § 4. D a s V e r h ä l t n i s des K l a u s e l i k t u s z u m W o r t a k z e n t w i r d d u r c h f o l g e n d e R e g e l n bestimmt : a ) E i n e den W o r t a k z e n t t r a g e n d e l a n g e Silbe d a r f nicht in d e r S e n k u n g stehen. Dasselbe gilt f ü r die d e n W o r t a k z e n t t r a g e n d e K ü r z e anapästischer u n d tribrachischer o d e r tribrachisch e n d e n d e r W ö r t e r . ( A u s n a h m e n erklären sich d u r c h A k z e n t v e r s c h i e b u n g infolge v o n S y n a l ö p h e o d e r E n k l i s e ; v g l . u n t e n §§ 8 u n d 9.) b ) I n iambischen W ö r t e r n fallt der Iktus i m G e g e n s a t z z u m W o r t a k z e n t n o t w e n d i g stets a u f die l a n g e Endsilbe. c) I n W ö r t e r n v o m T y p u s societas ( υ υ υ — ) fällt d e r I k t u s r e g e l m ä ß i g a u f die erste u n d die letzte Silbe (gleich w i e bei d e n altlateinischen S z e n i k e r n ) , also: sociétés iunxerat, rêmediùm quaerere, pótueràt consegui, àbierànt ceteri, dijrlpuerànt milites, óperibùs clarus, sàtietàs cepit, conJstituerèt regem u s w . Dieselbe B e t o n u n g findet statt, w e n n e i n e m anapästischen W o r t ein

766

ZUR P R O S O D I E

kurzes einsilbiges W o r t v o r a n g e h t : séd etiàm nutum, séd etiàm milites ( 3 , 3 , 2 7 . 9 , 3 , 7 . 7) 5> 3 4 · 9 » I O > 2 3 ) ; l n a c i è c e c i d i t (6, r i , 2 2 ) ; ln oculis erat (4, 1 3 , i . ' 8 , 6, 2 1 ) . d ) Choriambische Wörter können ebenfalls den Iktus a u f die erste u n d die letzte Silbe n e h m e n : plánitiés erat, Imperium dabant. D o c h ist diese B e t o n u n g nicht beliebt (sie findet sich bloß 1 3 m a l ; d a r u n t e r sind a b e r einige zweifelhafte F ä l l e , die a u c h anders gemessen w e r d e n könnten). D e s h a l b stellt Curtius choriambische W ö r t e r mit V o r l i e b e (rund 200 m a l ) a n den S c h l u ß der K l a u s e l , so d a ß der Iktus die den W o r t akzent tragende A n t e p ä n u l t i m a t r i f f t : vastaplaníties, exjpectat impérium, esse solllcitum, arma distribuì usw. § 5. D i e R ü c k s i c h t auf den Wortakzent bestimmt die G e staltung der K l a u s e l , so d a ß in j e d e r K l a u s e l f o r m die E i n schnitte vorherrschen, d u r c h die der W o r t a k z e n t b e w a h r t bleibt. Z . B . m u ß ein molossisches (oder molossisch endendes) W o r t in d e r K l a u s e l so untergebracht w e r d e n , d a ß der K l a u s e l i k t u s die vorletzte, den Wortakzent tragende S i l b e t r i f f t : servdri (die Betonung sérvarì ist n a c h § 4 a ausgeschlossen). D a h e r finden w i r z.B. die K l a u s e l B 5 w -"-w sowohl m i t Einschnitt n a c h der zweiten L ä n g e des Molossus 1 ~~(na]turam dediscere, auc]tores ostendero) als a u c h mit E i n schnitt n a c h d e r ersten L ä n g e des Creticus 1 v_/ (decernendum fore, explorarent loca) ; d a g e g e n k o m m t Einschnitt zwischen Molossus u n d Creticus ( 1— nicht v o r , weil bei solcher Wortgrenze die den Wortakzent tragende mittlere S i l b e des Molossus in die S e n k u n g zu stehen k ä m e . K l a u s e l n w i e 4, 1 3 , 1 1 servari iusserat oder 8, 2, 20 munimento saepserat sind d e m n a c h z u r F o r m E 3 |— ~ zu rechnen. § 6. E i n e Sonderstellung hinsichtlich der B e t o n u n g n i m m t die erste H e b u n g der K l a u s e l ein. a) D i e erste H e b u n g k a n n d u r c h die l a n g e E n d s i l b e eines mehrsilbigen Wortes gebildet sein : fugien]tés sequebatur; duci-] bús suis paret usw. b) Sehr selten (27 m a l ) w i r d die aufgelöste erste H e b u n g d u r c h die beiden K ü r z e n eines daktylischen Wortes oder Wortendes gebildet:

ZUR P R O S O D I E

767

cor]péra levabantur cor]pòra trucidabant om]nia videbantur 9> 2 , 5 cer]nére videbantur 9> 9 J licen]tia vagaretur 3 > I I , 22 laten]tia tuebatur 4> 3 , 8 ag]minis erat talis 3) 3) 9 con]citât equum primus 8 , 14, 17 manan]tibus alunt silvas 4, 7, 16 saluJbríor habetur 5, 4 . 9 mi]lia talentum 5 > 6, 10 10, 6, 18 toi] 1ère iubebant (Nie wird dagegen ein tribrachisches Wort [capere] oder Wortende [accipere] auf der Mittelsilbe betont.) Trotz ihrer Seltenheit ist diese Betonung wohl nicht zu bezweifeln (man müßte sonst eine anderwärts nicht nachweisbare Klauselform mit drei aufeinanderfolgenden Kürzen in der Senkung annehmen). Im freier gebauten ersten Fuß kommt diese Betonung nicht nur bei Plautus öfter vor (Beispiele bei R . K L O T Z , Grundzüge altrömischer Metrik, 274 f. ; E D . F R A E N K E L , Iktus und Akzent, 270-272), sondern hie und da sogar in den Tragödien von Curtius' Zeitgenossen Seneca: vgl. Thyest. 85 reglbus, 741 pectóre, 891 funere; Medea 447 fügímus, 706 congérit; Phaedra 1077 verbere, usw. 7»

5 .

5 ,

6 , 6

5

1 0

§ 7. a) Die aufgelöste Hebung kann durch ein kurzes einsilbiges Wort und die erste Silbe eines anapästischen oder iambischen Wortes gebildet werden; vgl. die Beispiele am Schluß von § 4c. Ferner: 4, 1 1 , 4 dimitteJremur ab eo 6, 4, 8 occïs(um) db eo 8 , 1 4 , 3 6 conjtorsitln eum; ähnlich 6, 10, 10 morì]turns út opinor (Klausel A s ) . b) Die aufgelöste zweite Hebung der ditrochäischen Klausel ( = C 3 ) kann durch zwei verschiedenen Wörtern angehörende Kürzen (durch die Schlußsilbe eines daktylischen oder daktylisch endenden Wortes und durch die Anfangssilbe eines iambischen oder pyrrhichischen Wortes) gebildet werden : 6, 4, 3 duceré iubet g, 6, 16 con]sidéré iubet 6, 6, 24 con]sidéré iubent

768

ZUR

9, ι, 4 9, ι, 5 4, 6, 30 5,5,16 4, 2, 9 9, ι, 13 8, 14, 25

PROSODIE

montibús erat montibús erant incruènta vicjtoriá fuit ajgnosceré volet inter]ceperát iter multi]tudinéfrequens re]gentibús eos, usw.

§ 8. Akzentverschiebung infolge von Enklise. Einsilbige Formen von esse sowie einsilbige Formen der Personalpronomina schließen sich enklitisch an das vorhergehende Wort an und bilden mit ihm eine Betonungseinheit; die ursprüngliche Schlußsilbe wird also zur Pänultima und muß daher, wenn sie lang ist, den Ton erhalten (vgl. vlrumjvirúmque) : 3. l3> 17 persecuti sunt altiorés sunt 5, ι, 26 debiturús sum 9) 2, 29 10, 2, 29 in më uno sit càuta mòrJtalitás est 8, 4, 24 10, 2, 23 fas]tidió sunt 6, 10, 30 crimi]nis reús sit 4, 14, 22 captivús sunt maiestás est 5, 10, 2 occïsî sunt 4, i > 3 3 egressi sunt 5, ι, 19 eru]bescendúm sit 4, 5,4 obrujtus tells est 7, 7 , 3 7 8, 10, 10 = 8, 13, 15 obru]ti tells sunt quam noctis sunt 3J 2, 15 su] i iuris sunt 6, 3> 9 me] um crimen sit 7, 2, 2 venejraberls me 8, 5) 23 sunt apúd me 8, 8, 10 in]tér se conexis 4; 9) 3 hercule propter quem. 4) I , 22 Nicht häufig sind Klauseln mit einsilbigem m'cÄienklitischem Schlußwort wie 6, 10, 6 fujisse credit rex 8, I, 48 potius animo det 7,8,21 domi]num pati nernö vult 7, 8, 30 esse fama fert

Z U R

P R O S O D I E

769

3, 11, 26 viveret rex 6, 5, 2 obtulit rex 8, 6, 23 crederei rex 6, 7, 30 dejfecerat vox. Solche Klauseln sind wohl ebenso zu beurteilen wie die entsprechenden, in der klassischen Dichtung gleichfalls nur ausnahmsweise gestatteten Hexameterschlüsse restituii rem, ridiculus mus. § 9. Akzentverschiebung infolge von Synalöphe. Bei Synalöphe kann der Akzent vorrücken: 6, 5, 4 A]léxandr(o) essent 9, 2, 34 impe]rätor(em) esse 9, 5, i l múcron(e) hausit 6, 4, 8 occis (um) ab eo 4, 13, 10 cómpert(um) habeo I0 > 5) 35 in pojtéstat(e) habuit Dieselbe Erscheinung ist bekannt aus den Versen der altlateinischen Bühnendichter; vgl. z.B. Poeta cum primum animum ad scribend(um) adpulit (Terent. Andr. prol. i ) . 1 § 10. Bei den auf langen V o k a l oder -m ausgehenden M o nosyllaba ist j e nach den Erfordernissen der Klausel sowohl Synalöphe als auch Hiat (mit K ü r z u n g des langen Vokals) zulässig. a) Synalöphe: 4, 1, 18 fasti]dire qu(am) accipere 8, 14, 46 hoste qu(am) in cive 4> !3> 33 nemo s(e) opponeret 6, 7, 31 detu]lisse s(e) adfirmat 7, I, 29 quos t(u) haberes 8.1.37 inci]disse t(e) infeminas 10, 10, 12 vijdere qu(i) intraverant b) H i a t : 4,3,19 solaci]um quam auxilium 5,8,12 su]ae quam ir(ae) obsequi 5, 3, 2 ma]ri sêinsinuât 8.2.38 stipi] ti sëadplicuit 10, 2, 29 in më uno sit 9) 3) 9 vis iam in finest 6, 10, 21 non sum ausus Einmal in der H e b u n g : 5, 2, 13 prò habitu corporis. ι. E d . F r a e n k e l , Iktus und Akzent, S. 14 mit Anm. 1 und S. 268 f.

770 §ii.

ZUR

PROSODIE

Muta cum liquida kann in der Hebung Position bilden : 6, 11, 26 pätris ignovit (vgl. dagegen 8, 12, 14 quodpätris fuerat; 6, 11, 23 dedignaturpätrem) 8, 2, 20 pëtra claudebat 9, 4, 15 nongenjtaeque quädrigae 7, I i , i g hostijum latëbr(am) esse 3, 11, 22 castra rëpleverant 8, ι, 50 pa]rabat ätrocitas 7, 7, 8 säcrificiis iubet 8, 14, 7 id mal(um) ütrisqu(e) erat 3, 10, ι ütraqu(e) acies erat 4, 15, 22 ütraqu(e) acies

§ 12. K u r z e r Endvokal vor sp-, st-, scr- wird in der Senkung als K ü r z e gebraucht: g, 9, 5 possë sperabat IO> 3) 7 ess 1. 9· 10. 5. 6 u s w · b) Auch für ibi (7, 7, 32. g, 6, 26) und ubi (3, 4, 10) ist nur iambische Messung nachweisbar. c) ei braucht Curtius nie anders denn als Iambus :

ZUR

PROSODIE

773

3, 3, 3 conlu]cer(e) ίϊ visa sunt 6, 7, 22 eratëï nomen; ferner 3, 11, 8. 4, 1, 26. 6, 9, 36. 7» 2, 24. 9, 7, 17. 10, 9, 9; in Synalöphe ë(i) 4. !5. 22. 6, 4, 23. 9, 4, 17. A Einsilbiges cúi steht 10, 6, 17 dele]gisse cm traderet (sonst ist mir cui in der Klausel nicht begegnet), d) totlus, unius: 5, 7, 8 tojtius Orientis 5, 8, 12 natijonis unius § 2 1 . Kontrahierte Perfektformen sind handschriftlich bezeugt u n d durch die Klausel bestätigt: 6, 10, 7 praeterît 8, 7, 7 petit 8, 7, ι inîmus (wohl auch 5, 9, 4) ; ebenso vielleicht 5, 6, 19 redît (ob auch 6 , 9 , 3 6 fastiditi). Vgl. die Adnot. crit. zu diesen Stellen. (Nach Vermutung habe ich 8, 4, 2 praeterît, 7, 1, 20 desimus geschrieben.) § 22. Die Endung -is der 2. Sg. des Fut. exact, ist in dem einzigen Beispiel, wo die Quantität eindeutig zu erkennen ist, lang gemessen : 9, 6, 14 quocumque] iusserls ibimus. Auch f ü r den Konj. Perf. ist wohl -is anzunehmen : 7, 4, I i eorum quae excogijtaveris amor, doch ist das Beispiel nicht zwingend, da auch excogijtaveris amor gemessen werden kann. § 23. hercule / hercules, mehercule / mehercules. Die Uberlieferung bietet folgendes Bild : hercule: 15 mal (einheitlich bezeugt, 8, 8, 5 durch die Klausel bestätigt.) hercules: 2 mal einheitlich bezeugt, 4 mal nur in Ρ (ω : hercule). Da aber 7, 1, 30 die Lesart von Ρ durch die Klausel bestätigt wird, verdient Ρ den Vorzug auch a n den drei Stellen (6, 3, 15. 7, 1, 28. 9, 2, 15), wo diese Kontrolle nicht anwendbar ist. mehercule: 6 mal (einheitlich bezeugt, 6, 10, 3 durch die Klausel bestätigt). mehercules: 1 mal (5, 8, 10) in Ρ (ω : mehercule). Die Klausel

774

ZUR PROSODIE

zeigt, daß tatsächlich mit Ρ mehercules zu lesen ist. Das Ergebnis lautet : hercule: 15 mal hercules: 6 mal mehercule: 6 mal mehercules: 1 mal (,hercle und mehercle kommen bei Curtius nicht vor). § 24. Ü b e r dexter- und dextr- vgl. die Adnot. crit. zu g, 5, 9. (Die Angaben des Thes. 1. L . 5 1 , 917, 43 über das Vorkommen der beiden Formen bei Curtius sind ungenau.) § 25. a) In deesse und processe findet regelmäßig Synizese statt; vgl. die Adnot. crit. z u 3, 11, 22. b) prendere ¡ prehendere: Die Stellen, wo die kontrahierten Formen teils in den Handschriften überliefert sind, teils von der Klausel gefordert werden, sind in der Adnot. crit. zu 3, 6, 9 zusammengestellt. Die unkontrahierte Form ist durch die Klausel geschützt 7, 8, 25 comprehende. Unkontrahierte Formen sind ferner überliefert 5, 13, 6. 7, 1, 15. 7, 1, 19. 7, 4, 4. 7, 4, 29, ohne daß a n diesen Stellen eine eindeutige Entscheidung mit Hilfe der Klausel möglich ist. c) Zweisilbiges nihil wird durch die Klausel an folgenden Stellen bestätigt: 4, 1, 25 nihil haben]ti nihil defuit; 6, 9, 10. 6, 10, 5. 7, 2, 16. 10, I, 31. Nur einmal verlangt die Klausel gegen die Uberlieferung nil: 4, 9, 3 praeter] iacula *nil dederat (vgl. die Adnot. crit. zur Stelle). § 26. In circumire unterbleibt die Synalöphe, also stets circümire usw.: 3 , 2 , 1 4 . 3, 7, 9. 3 , 1 1 , 1 . 4 , 3 , 1 4 . 4 , 1 3 , 1 2 . 4, 13, 32. 4, 15, ι . 5, 9, 17. 7, 3, 17. Daher werden wir auch in 3 , 3 , 19, w o die Messung dijstincta circ(um)ibat an sich möglich wäre, ditrochäische Klausel anzunehmen haben. Umgekehrt ist 4, 13, 32 wahrscheinlich mit Synalöphe zu lesen circ(um)agi possent. § 2 7 . rëicere: 4 , 1 0 , 3 4 veste ab] ore rëiecta; 1 0 , 5 , 3 rnembra rëiecit, wie überall in der klassischen Dichtung (Lukrez, Vergil, Horaz, O v i d ) .

775 Textproben mit r h y t h m i s c h e r

Analyse

I. ( 3 . 4 . 1-15) ι Interea A l e x a n d e r Abistamene C a p padociae praeposito Cilici] A 3 ut ne ad vellendum q u i d e m telum sufficeret de χ tra. —^v^— —^ A9 I taque ad spoliandum corpus qui vulneraverat alacer gaudi(o) accurrit. —vj— —v_/ A1

781

TEXTPROBEN

5 0 Q u e m ut inicere corpori su]o manus sensit, 5 1 credo, ultimi dedecoris indigni]/a/í commotus 5 2 Iinquentem vevd]cavit animum 5 3 et n u d u m hostis latus subiecto mucron(e) hausit.1 5 4 I a c e b a n t circa r e g e m tria corpora procul stuIpentibus ceteris. 5 5 l i l e ut a n t e q u a m ultimus spiriJ/Mí deficeret 5 6 dimicans tamen exjtingueretur, 57 clipeo se adi¿\vare conatus est 5 8 et p o s t q u a m a d coniten] v-l

A1 C3



—5>21.

Sisimithres: V I I I , 2 , 1 9 ; 2 , 2 7 ; 2,32; 4,19;

12,24;

2,28;

4,20.

12; 8,22;

8,30.

Tapuri: 111,2,6; VI,4,24;

Tauron: V,3,6; 3,10; V i l i , 14,15.

Sisocostus : V I I I , 1 1 , 2 5 .

Taurus: VII,3,20.

Sitalces: X , 1 , 1 .

Taxiles: V i l i , 1 2 , 1 4 ; 1 3 , 5 ;

Sittacene: V , 2 , 1 .

14,36; I4,4i; IX,3,22;

Socrates: I V , 5 , 9 .

Tenedus: I V , 5,14.

Sogdiana regio: V I I , 10, ι ; V I I I , ι,

Terioltes: I X , 8 , 9 .

35* Sogdiani: 1 1 1 , 2 , 9 ; I V , 5 , 5 ; 12,7; V I , 3 , 9 5 V I I , 4 , 5 ; 4 , 2 1 ; 5, ι ; 5, 19; 6,13; 8,21 ; 10,4; 10,10; V i l i , 1 , 7 ; I X , 2 , 2 4 ; Χ , ιο,4·. Sol: 1 1 1 , 3 , ι ι ; I V , 1 3 , 1 2 ; Ι Χ , ι , ι . Soli: 1 1 1 , 7 , 2 . Solis a q u a : I V , 7 , 2 2 . Sophites: I X , 1 , 2 4 ; 1 , 2 7 ; 1,35. Sopolis: V i l i , 7,2. Sostratus: V i l i , 6 , 7 ; 6,8. Sparta: V I , ι, 16; 3,2. Spartani: I V , 1,40; 8 , 1 5 ; V I I , 4 , 3 9 . Spitaces: V I I I , 14,2. Spitamenes: V I I , 5 , 1 9 ; 5 , 2 2 ; 5 , 3 6 ; 5 . 3 7 Î 5 , 3 8 ; 6 , 1 4 ; 6 , 2 4 ; 7 , 3 i ; 7, 33Î 7»38; 9 , 2 0 ; V I I I , 3 , 1 ; 3 , 8 ; 3, 12; 3,16. Stamenes: V I I I , 3 , 1 7 . Stasanor: V I I I , 3 , 1 7 . Statira: I V , 5 , 1 .

4,25;

VIII, 3,17. Tarsos: 1 1 1 , 4 , 1 4 .

14,35; X,i,2o.

Thais: V , 7 , 3 · Thalestris: V I , 5 , 2 5 ; 5,29. Thapsacus: X , 1,19. Theaetetus: V , 5 , 1 7 . Thebae: IV,4,19; V i l i , 1,33. Thebe: 111,4,10. Themiscyra: VI,5,24. Theodotus : V , 2,5. Thermodon: V I , 5,24. Thersippus: I V , 1,14. Thessali: I I I , 2 , 1 6 ; 9,8; 1 1 , 3 ; 1 1 , 1 3 ; 1 1 , 1 4 ; " , 1 5 ; I V , 1 3 , 2 9 ; 16, 5; VI,6,35. T h r a c e s : 1 1 1 , 4 , X3; 9 , 9 ; 1 0 , 9 ; I V , I3,3i; V,i,4i; 3,3; Vili,14,24; X, 1,21. Thracia (Thraecia): 1 1 1 , 9 , 1 0 ; 10,65 V , ι , ι ; V I , 2 , 1 3 ; 3 , 2 ; V I I , 7 , 3 ; 8, 30; I X , 3 , 2 1 ; 6,20; X , 1,44; ι, 45; 10,4. Thymodes: 1 1 1 , 3 , 1 ; 8,1 ; 9,2.

860

REGISTER

Tigris: I V , 5 , 4 ; 9 , 6 ; 9 , 7 ; 9 , 8 ; 9 , 1 4 ; 9 , 1 6 ; 10,8; 14,10; 14,15; 16,7; V , ι, 12; V I , 2 , 1 2 ; I X , 2 , 1 3 . Timaeus: I X , 5 , 1 5 ; 5 , 1 6 . Timagcnes: I X , 5 , 2 1 . Tiridates (Kommandant von Persepolis) : V , 5 , 2 ; 6, l i . Tiridates (ein vornehmer Perser) : VIII,6,26. Tithonus: I V , 8,3. Trapezus: X , 1 0 , 3 . Triballi: V I , 3 , 2 ; I X , 6 , 2 0 . Tripolis: I V , 1 , 2 7 . Trogodytae : I V , 7 , 1 8 . Typhonis specus: 1 1 1 , 4 , 1 0 . Tyrii: I V , 2 , 2 ; 2 , 1 0 ; 2 , 1 3 ; 2 , 1 5 ; 2, 2 0 ; 2 , 2 1 ; 2 , 2 4 ; 3 , 2 ; 3 , 5 ; 3 , 9 ; 3, 1 2 ; 3 , 1 3 ! 3· 16; 3.20; 4 , 5 ! 4.6; 4,

9! 4.J = i 4>>5· Tyriotes: I V , 1 0 , 2 5 ; 1 0 , 2 8 ; 1 0 , 3 0 ; 10,32. Tyros: I V , 2 , i ; 2 , 2 ; 3 , 2 2 ; 4 , 2 ; 4, 19; 5,9; 8,14. Tyros vetus ( = Palaetyros) : I V , 2, 18. Uxii:V,3, ι ; 3 , 3 ; 3,16. Veneti: I I I , 1 , 2 2 . Xenippa: V I I I , 2 , 1 4 . Xenophilus: V , 2 , 1 6 . Xerxes: 1 1 1 , 2 , 2 ; 1 0 , 8 ; ΐ ν , ι , ι ι ; V , 6 , 1 ; 7 , 1 1 ; V I I , 5 , 2 8 ; 5,35! X . 6 , 14. Zarìaspes: I X , 1 0 , 1 9 . Ziobetis: V I , 4 , 4 . Zoilus: V I , 6,35. Zopyrio: X , 1 , 4 4 .

Berichtigung V I I I , 8, 10 lies mit Ρ tilos quoque, quos statt illos, quos ( = £0).